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German Pages 227 Year 2002
KIRSTEN TÖNSFEUERBORN
Einflüsse des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten der EG auf das nationale Zivilprozessrecht
Schriften zum Prozessrecht Band 166
Einflüsse des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten der EG auf das nationale Zivilprozessrecht Von Kirsten Tönsfeuerbom
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Tönsfeuerborn, Kirsten: Einflüsse des Diskriminierungsverbots und der Grundfreiheiten der EG auf das nationale Zivilprozessrecht / von Kirsten Tönsfeuerborn. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 166) Zug!.: Heidelberg, Univ., Diss., 200012001 ISBN 3-428-10643-1
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-10643-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Herbert Roth. Er gab durch seine wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Problemfeld nicht nur den Anstoß zu dieser Arbeit, sondern unterstützte sie auch stets wohlwollend durch wichtige Hinweise und den größtmöglichen wissenschaftlichen Freiraum. Herrn Prof. Dr. Peter-Christian Müller-Graff gebührt mein Dank für die Erstattung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Lehrstuhlkolleginnen für das nette und produktive Arbeitsumfeld, insbesondere bei Anke Zimmermann für die Hilfe bei der Korrekturarbeit. Dank schulde ich außerdem Imke Heuer und Markus Spieß für ihre wertvolle Unterstützung und unermüdliche Aufmunterung. Hervorzuheben sind schließlich meine Eltern, die die Entstehung dieser Arbeit ermöglicht haben. Wiesbaden, im September 2001
Kirsten Tönsfeuerborn
Inhaltsverzeichnis
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
§ 1 GrundfaIle ........................................................... . ............
19
§ 2 Problemstellung ...................................................................
21
I. Die Ansicht Manfred Wolfs
21
11. Der Ansatz Marcel Stormes
21
III. Folge: Eingriff in das Prinzip der lex fori ......................................
23
IV. Öffentliches Recht und Privatrecht
23
V. Bedeutung des Zivilprozessrechts .............................................
24
§ 3 Schnittstellen des Zivilprozessrechts mit dem Europarecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
I. Übereinkommen ..............................................................
26
1. Art. 293,4. Spstr. EG .......................................................
26
a) EuGVÜ ................. . . . .............. . ...................... . .......
26
b) Insolvenzrecht ...........................................................
28
2. Europäische Politische Zusammenarbeit ....................................
28
3. Art. K des Maastrichter Vertrages ...........................................
29
a) EheEuGVÜ .............................................................
29
b) Zustellungsübereinkommen .............................................
30
11. Sekundäres Gemeinschaftsrecht ...............................................
30
III. Europäische Menschenrechtskonvention .......................................
31
6
Inhaltsverzeichnis IV. EG-Vertrag als Quelle des primären Gemeinschaftsrechts ... . .......... . .......
32
1. Diskriminierungsverbot .....................................................
33
2. Grundfreiheiten .............................................................
33
Erster Teil
Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
34
Erstes Kapitel
Die Entscheidungen des EuGH
35
§ 4 Mahnverfahren ....................................................................
35
I. Mahnverfahren in ausländischer Währung .....................................
35
11. Mahnverfahren mit Zustellung im Ausland ....................................
37
§ 5 Prozesskostensicherheit für Ausländer. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
§ 6 Auslandsvollstreckung als ausreichender Arrestgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Zweites Kapitel
Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
43
§ 7 Anwendungsbereich des Vertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
I. Keine Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf nationales Zivilprozessrecht? .
43
1. Keine Kompetenz zur Einwirkung auf das Zivilprozessrecht ................
44
2. Kein genereller Ausschluss des Zivilprozessrechts aus dem Anwendungsbereich ........................................................................
44
11. Absolute Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
III. Gemeinschaftsrechtliche Regelung des betroffenen Gebiets ....................
46
1. Anspruch auf Gleichbehandlung ............................................
47
2. Beschränkung der Grundfreiheiten ..........................................
48
Inhaltsverzeichnis
7
3. Konkreter Verfahrensgegenstand ............................................
50
4. Beschaffenheit des Zusammenhangs ........................................
50
a) Quantitative Einschränkung .............................................
50
b) Auswirkungen auf die Ausübung der Grundfreiheiten ....................
51
IV. Kompetenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
1. Spezielle Kompetenznormen .... . . . ... . ...... . ..............................
52
a) Art. 44 Abs. 2 lit. g EG .......................... . .......................
52
b) Art. 611it. c i.V.m. Art. 65 EG ...........................................
53
2. Generalklausein ............................................................
53
V. Komplementärrecht ...........................................................
54
1. Einbeziehung des Komplementärrechts .....................................
54
2. Keine Einbeziehung des Komplementärrechts ...............................
55
VI. Ergebnis ......................................................................
56
§ 8 Unbeschadet besonderer Bestimmungen ...........................................
57
I. Konkrete Betroffenheit mehrerer Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
11. Potenzielle Betroffenheit mehrerer Grundfreiheiten ............... . ............
59
III. Allgemeiner oder spezifischer Bezug .................................... . .....
59
IV. Mittelbare oder unmittelbare Betroffenheit einer Grundfreiheit
60
V. Stellungnahme ................................................................
61
§ 9 Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit .............................
62
I. Unmittelbare Diskriminierung .................................................
63
11. Mittelbare Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
1. Beispiele aus der Rechtsprechung ...........................................
63
2. Grenze der Gleichstellung ..................................................
64
a) Besonderer grenzüberschreitender Bezug des Kriteriums. . . . . . . . . . . . . . . . .
65
b) Finalität .................................................................
65
8
Inhaltsverzeichnis c) Regelungsergebnis im Einzelfall .........................................
66
III. Beschränkungen durch Unterschiede der Rechtsordnungen ....................
66
IV. Inländerdiskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
§ 10 Rechtfertigung...................................................................
69
I. Unmittelbare Diskriminierungen ..............................................
70
1. Absolutes Diskriminierungsverbot ..........................................
70
2. Relatives Diskriminierungsverbot ............... . ........ . .......... . .......
71
3. Anforderungen an den rechtfertigenden Grund ..............................
72
4. Rechtfertigung im Fall des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. .......................
73
11. Mittelbare Diskriminierungen .................................................
74
1. Rechtfertigung im Fall des § 688 Abs. 1 ZPO a.F. . . .. .. .. . ..................
75
2. Rechtfertigung im Fall des § 917 Abs. 2 ZPO a.F. ...........................
75
111. Ergebnis ......................................................................
77
§ 11 Verhältnismäßigkeit ....... . ................................................ . .....
78
§ 12 Rechtsfolge ...................... . ............... . . . ................... . .........
78
Drittes Kapitel
Weiteres prozessuales Fremdenrecht
79
§ 13 Sicherheitsleistung gemäß § 108 ZPO LY.m. § 239 BGB .........................
81
I. Anwendbarkeit des § 239 BGB auf § 108 ZPO ................................
81
11. Verstoß des § 239 BGB gegen das Diskriminierungsverbot ....................
82
§ 14 Prozesskostenhilfe gemäß § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO ..................................
85
§ 15 Zustellungsrecht .................................................................
86
Inhaltsverzeichnis
9
I. Fiktive Inlandszustellung gemäß §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 S. 3 ZPO ..........
86
1. Fingierter Zustellungszeitpunkt .............................................
87
2. Hinweispflicht ..............................................................
89
11. Die französische ,,remise au parquet" ..........................................
90
III. Öffentliche Zustellung nach § 203 Abs. 2 ZPO ................................
91
§ 16 Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO .............................................
92
§ 17 Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden gemäß § 438 ZPO .................
94
§ 18 Erfassung ausländischer Urteile von § 917 Abs. 2 ZPO n.F. .......................
95
§ 19 Ergebnis zu Teil 1 ................................................................
95
Zweiter Teil
Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung der Grundfreiheiten
97
Erstes Kapitel
AUgemeines § 20 Beschränkung der Untersuchung auf die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit ..........................................................................
98
98
§ 21 Spannungsverhältnis ............................................................ 100
§ 22 Konsequenzen einer Einordnung des Zivilverfahrensrechts unter den Tatbestand der Grundfreiheiten .............................................................. 101
I. Vorteile der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ............................... 101
11. Nachteile der Einbeziehung des Zivilprozessrechts in die Grundfreiheitenkontrolle .......................................................................... 102
10
Inhaltsverzeichnis
§ 23 Gerichtsstandvereinbarung . . .. . . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . . .. .. . .. .. . . . . . .. . . . .. . . . . . .. 103
§ 24 Subsidiaritätsprinzip ................................................ .. ....... :,.. 105
Zweites Kapitel Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 tT. EG
106
§ 25 Die Dassonville-Formel des EuGH ............................................... 107
I. Mitgliedstaatliche Handelsregelung ........................ . ...... . ........... 108 II. Handelsbehinderung ........................................................... 109 1. Wirkungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Negative Beeinflussung der Einfuhren ...................................... 111 a) Diskriminierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Sonstige Beschränkungen ................................. .. ......... .. . 112 aa) Keine Erfassung des Zivilprozessrechts ......................... . .. 113 bb) Einfluss des Zivilprozessrechts auf den Warenverkehr .............. 113 111. Eignung....................................................................... 114 IV. Kein Spürbarkeitserfordernis
115
V. Ergebnis ...................................................................... 116
§ 26 Die Cassis de Dijon-Rechtsprechung ............................................. 116 I. Unterschiedslos anwendbare Maßnahmen .....................................
117
11. Herkunftslandprinzip .......... .. .............................................. 117 1. Produktmodalitäten ................................................ .. ....... 118 2. Ausdehnung auf andere Regelungen ........................................ 119 a) Regelungen mit protektionistischer Wirkung............................. 119 b) Regelungen ohne protektionistische Wirkung............................ 120
Inhaltsverzeichnis 3. Zivilprozessrecht
11
121
a) Keine protektionistische Wirkung........................................ 121 b) Berücksichtigung der Nachfolgerechtsprechung ......................... 122 c) Bedenken gegen die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht ........................................................ 123 aa) Lex fori-Prinzip ................................................... 123 bb) Anwendung ausländischen Rechts anstelle bloßer Anerkennung.... 124 cc) Kollision von Rechten des Klägers mit denen des Beklagten ....... 124 dd) Umgekehrte Diskriminierung...................................... 125 (1) Grundsätzliche Einbeziehung von Inländern ................... 125
(2) Voraussetzung der Grenzüberschreitung ....................... 126 (3) Ergebnis....................................................... 129 d) Ergebnis......................... . ....................................... 129 III. Zwingende Erfordernisse ...................................................... l30 1. Einordnung des Merkmals ..................... . ............................ l30
2. Kohärenz als Schutzinteresse des Zivilverfahrensrechts
l31
IV. Ergebnis .............................................................. . ....... 133 § 27 Das Urteil Keck... . .... . . ... . . . .. . . . . . .. ... . . . . . . .. . . .. . .. . .. . . ... . . . . . .. . . . . . . . . 133
I. Produktbezogene Regelungen ................................................. l35 H. Verkaufsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l36 1. Unterschiedslose Anwendbarkeit............................................
l37
2. Rechtlich und tatsächlich gleiche Betroffenheit ............................. l37 3. Begriff der Verkaufsmodalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l38 III. Konsequenz für das Zivilverfahrensrecht: Erst-recht-Schluss ................... l39 1. Quantitative Auswirkungen................................................. 140
2. Finalität .................................................................... 142 3. Spürbarkeit ................................................................. 143 4. Marktzugang ............................................................... 145
12
Inhaltsverzeichnis 5. Protektionistische Wirkung ... . ........ . ................. . .................. 147 a) Produktmodalitäten ................... . .......................... . ....... 148 b) Verkaufsmodalitäten ..................................................... 149 c) Zivilprozessrecht ........................................................ 149 IV. Bewertung des Rechtsprechungswandels ...................................... 150 1. Kritik am Protektionismuserfordemis ....................................... 150 2. Bekenntnis zum unvollkommenen Binnenmarkt............................. 151 V. Ergebnis ...................................................................... 152
§ 28 Regelungen neben Produkt- und Verkaufsmodalitäten: Allgemeine Ordnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
I. Existenz einer weiteren Regelungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 11. Rechtsprechung des EuGH .................................................... 154 1. Krantz...................................................................... 154 2. CMC Motorradcenter ............................. ;......................... 156 3. Weitere Urteile ...................... . ........ . . . ................. . ......... 157 4. ED Srl./Italo Fenocchio .................................................... 158 III. Voraussetzungen für die fehlende Eignung zur Handelsbehinderung ........... 160 1. Unterschiedslos geltende Regelung ......................................... 160 2. Keine Finalität zur Regelung des Warenverkehrs ............................ 161 3. Auswirkungen zu ungewiss und zu mittelbar................................ 161 a) Ungewissheit. . .. . . . .. . . ... . .. ... . .. . . ... . . . .. . . .. . . . .. . . ... .... .. . . .. . .. 162 b) Mittelbarkeit .............................. . .......................... . .. 162 c) Relativität der Begriffe .................... . ...... . .......... . ........... 163 d) Dahinter stehende Erwägungen .......................................... 163 aa) Fehlende feststellbare Kausalität. . .. . . . .. . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . . . ... 163 bb) Vorrang der Dienstleistungsfreiheit ................................ 164 cc) Keine protektionistische Wirkung.................................. 165 dd) Ergebnis........................................................... 167
Inhaltsverzeichnis
l3
167
4. Folge
IV. Charakterisierung als allgemeine Ordnungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 168 V. Subsumtion des Zivilprozessrechts unter diese Rechtsprechung................ 169 1. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Vorrang anderer Grundfreiheiten ............................................ 170 3. Protektionistische Wirkung ................................................. 170 VI. Ergebnis .............................. . .......... . ............................ 170 § 29 Vereinbarkeit der Ansätze für Verkaufsmodalitäten und allgemeine Ordnungsvorschriften ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
I. Gemeinsamkeiten bei der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 H. Unterschiedliche Behandlung von allgemeinen Ordnungsvorschriften und Verkaufsmodalitäten .............................................................. 172 III. Priifungsebene vor Unterscheidung zwischen Produkt- und Verkaufsmodalitäten? ......................................................................... 172 1. Argumente für den Vorab-Ausschluss allgemeiner Ordnungsvorschriften aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung ............................. 172 2. Wirkungskriterium .................................. . ....................... 173 IV. Priifung der einfuhrbehindernden Wirkung .................................... 174 1. Priifungskriterien ........................................................... 174 2. Indizielle Bedeutung der Regelungskategorien .............................. 175 § 30 Ergebnis zur Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Drittes Kapitel
Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
177
§ 31 Begriff der Dienstleistung ....................................................... 177 § 32 Umfang des Verbotes ............. . ................ . ............................. 177
14
Inhaltsverzeichnis
I. Diskriminierungen
177
11. Sonstige Beschränkungen ..................................................... 178
1. Prüfungsmaßstab ........................................................... 179 2. Kategorien von Beschränkungen ............................................ 180 a) Unternehmensbezogene Beschränkungen................................ 180 b) Produktbezogene Beschränkungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Verkaufsbezogene Beschränkungen ...................................... 181 d) Allgemeine Regelungen ................................................. 184 § 33 Bedeutung der Dienstleistungsfreiheit für das Zivilprozessrecht .................. 185
I. Vertreter im Prozess als Dienstleistungserbringer .............................. 185
1. Rechtsprechung des EuGH .................................................. 186 2. Einordnung als unternehmensbezogene Beschränkungen................. . .. 188 3. Prüfungsmaßstab ........................................................... 189 4. Ergebnis.................................................................... 190 11. Rechtsstreitigkeiten durch grenzüberschreitende Dienstleistungen ............. 190
1. Rechtsprechung des EuGH .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 190 2. Einordnung und Prüfungsmaßstab ........................................... 191
§ 34 Ergebnis zur Dienstleistungsfreiheit ..................... . ........................ 192
Gesamtergebnis und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 193
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196
Register der Entscheidungen des EuGH ............................................. 212
Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 217
Abkürzungsverzeichnis a.A. ABlEG Abs. a.F. AGBG AJP/PJA Anm. AnwBl. AöR Art. Aufl. AVAG
BayObLGZ Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BSG Bsp. Bull. BVerfG BVerfGE bzw. CDE c.i.c. CMLR ders. d. h.
dies. Diss. DM DRV
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 09. 12. 1976 in der Fassung vom 17. 12. 1999 Aktuelle juristische Praxis I Pratique juridique actuelle Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30. 5. 1988 Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundessozialgericht Beispiel Bulletin Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Cahiers de droit europeen culpa in contrahendo Common Market Law Review derselbe das heißt dieselbe (n) Dissertation Deutsche Mark Deutsche Rentenversicherung
16 DVBI
Abkürzungsverzeichnis Deutsches Verwaltungsblatt
DZWiR
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ebd.
ebenda
EGBGB
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. 09. 1994, zuletzt geändert am 20. 12. 1999
EG I EG-Vertrag
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1957 in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 02. 10. 1997
Einl. ELR EMRK
Einleitung
endg.
endgültig
European Law Review Europäische Menschenrechtskonvention
EPZ
Europäische Politische Zusammenarbeit
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGRZ
Europäische Grundrechtezeitschrift
EuGVÜ
Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen vom 27.09.1968
EuR
Europarecht
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWGV I EWG-Vertrag
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschafts gemeinschaft vom 25. 03.1957
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
EWS
Entscheidungen zum europäischen Wirtschafts- und Steuerrecht
f./ff.
folgende
FamRZ
Zeitschrift für das gesamte Farnilienrecht
FlW Fn.
Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb Fußnote
frz.
französisch
FS
Festschrift
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
GRUR
Zeitschrift für den gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht
GRURInt.
Zeitschrift für den gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Internationaler Teil
GS
Gedächtnisschrift
h.M.
herrschende Meinung
hrsg.
herausgegeben
Hrsg.
Herausgeber
Abkürzungsverzeichnis
HZÜ
i.d.F. i.E. insbes. Int.Comp.L.Q. IPR IPRax IStR i.V.m. IZPR IZVR JA JBI JR JurBüro JuS JZ KOM KWG LG lit. LM MDR MünchKommBGB MünchKommZPO m.w.N. n.c.p.c. n.F.
NJW Nr. NVwZ NZA NZG o.g. ÖJZ OLG ÖstZöRV PStG RabelsZ 2 Tönsfeuerborn
17
Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. 11. 1965 in der Fassung im Ergebnis insbesondere International and Comparative Law Quarterly Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationales Steuerrecht in Verbindung mit Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Juristische Rundschau Das juristische Büro Juristische Schulung Juristenzeitung Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaft Kreditwesengesetz vom 11. 7.1985 Landgericht Litera I Buchstabe Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs; herausgegeben von Lindenmaier, Möhring u. a. (Loseblattsammlung) Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit weiteren Nachweisen Nouveau Code de procecture civil neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oben genannte (r I n) Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Volkerrecht Personenstandsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.08. 1957, zuletzt geändert am 15.07. 1999 Rabe1s Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
18 RBerG RIW RIW/AWD Rn. Rpfleger Rs. s.
S. Slg. s.o. sog. Spstr. st. Rspr. s.u.
Abkürzungsverzeichnis Rechtsberatungsgesetz vom 13. 12. 1935 in der Fassung vom 19. 12. 1998 Recht der internationalen Wirtschaft Recht der internationalen Wirtschaft / Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Randnumrner Der Deutsche Rechtspfleger Rechtssache siehe Seite, Satz Sammlung siehe oben sogenannte (r) Spiegelstrich ständige Rechtsprechung siehe unten
TranspR TzWrG
Transportrecht Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden vom 20.12.1996
u. a. UN
und andere United Nations/Vereinte Nationen Versicherungsrecht
VersR vgl. WM WRP
vergleiche Wertpapier-Mitteilungen
WuW ZaöRV
Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
z.B. ZEuP ZfRV
zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung
ZHR ZIP zit.
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
ZPO ZRHO ZZP
zitiert Zivilprozessordnung Rechtshilfeordnung für Zivilsachen Zeitschrift für Zivilprozess
ZZPlnt
Zeitschrift für Zivilprozess International
Einleitung § 1 Grundrälle I. Ein italienischer Verkäufer verklagt einen deutschen Käufer auf Zahlung des Kaufpreises für Warenlieferungen. Der deutsche Beklagte verlangt vor dem deutschen Zivilgericht von dem Italiener, wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. In § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. war vorgesehen, dass Kläger vor deutschen Gerichten allein deshalb, weil sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, Prozesskostensicherheit leisten müssen. Verstößt eine solche Vorschrift gegen das gemeinschaftsrechtliche allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 (ex Art. 6) I Abs. 1 EG oder gegen die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 (ex Art. 30) EG? 11. Ein britischer Verkäufer schließt mit einem deutschen Käufer einen Vertrag über die Lieferung von Waren. 2 Der Käufer verweigert nach Lieferung die Bezahlung mit der Begründung, der Vertrag sei nichtig. Der Verkäufer muss wegen Art. 5 Nr. 13 oder Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ vor einem deutschen Gericht klagen, das aufgrund des Prinzips der lex fori deutsches Verfahrensrecht anwendet. § 286 der deutschen ZPO sieht vor, dass der Verkäufer bei der Klage auf Zahlung des Kaufpreises in Deutschland den Richter persönlich voll von der Wahrheit der behaupteten Tatsachen überzeugen muss. 4 Das englische Recht hingegen begnügt sich grundsätzlich mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit. 5 Bei der Anwendung englischen Zivilprozessrechts hätte der Verkäufer also Vorteile gegenüber der Rechtsdurchsetzung in Deutschland unter Anwendung des deutschen Zivilprozessrechts, da er mit höheren Beweiskosten und höheren Ausfallrisiken rechnen muss. Stellt diese Erschwerung der Rechtsdurchsetzung gegenüber einem Prozess im Heimatstaat des Briten einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EG dar, weil es sich um ein grenzüberschreitendes Warengeschäft im europäischen Binnenmarkt handelt? Besteht aufgrund der EG-Grundfreiheiten die Möglichkeit 1 Im Folgenden werden nur die Normen des EG-Vertrages in der Fassung des Amsterdamer Vertrages zitiert, auch wenn nach den intertemporalen Vorschriften inhaltsgleiche Normen des EWG-Vertrages oder des EG-Vertrages in einer früheren Fassung zur Anwendung gelangten. 2 Beispiel nach Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 60. 3 Wenn der Erfüllungsort der Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises in Deutschland liegt. 4 Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 286, Rn. 16. 5 Maassen, Beweismaßprobleme im Schadensersatzrecht, 1975, S. 12, 43; CoesterWaltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, S. 276, Rn. 358.
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für den britischen Verkäufer, die Anwendung des für ihn günstigeren englischen Verfahrensrechts auch vor dem deutschen Gericht zu verlangen und damit das englische Zivilprozessrecht nach Deutschland zu importieren? III. Ein französisches Unternehmen führt seine Prozesse in Frankreich grundsätzlich ohne Anwalt, da dies kostengünstiger ist und ein Anwaltszwang vor dem Tribunal d'Instance als erster Instanz und vor dem Tribunal de commerce unabhängig vom Streitwert nicht besteht. 6 Falls die Durchsetzung eines Kaufpreisanspruchs in Höhe von mehr als 10.000,- DM gegenüber einem deutschen Abnehmer nur im Klageweg möglich ist, besteht in Deutschland vor dem Landgericht wegen des lex fori-Prinzips aufgrund von § 78 Abs. 1 ZPO, §§ 23 Abs. 1 Nr. 1,71 Abs. 1 GVG Anwaltszwang. Durch die Pflicht zur Beauftragung eines Anwalts entstehen für das Unternehmen also gegenüber einem Verkauf in Frankreich zusätzliche Kosten, wenn es an einen deutschen Abnehmer verkauft hat und daraus ein Prozess vor einem deutschen Gericht entsteht. 7 Kann das französische Unternehmen auf der Grundlage der Warenverkehrsfreiheit verlangen, so gestellt zu werden, als hätte es seine Waren innerhalb Frankreichs verkauft, also seinen Prozess in Deutschland unter Anwendung der französischen Regelungen ohne Anwalt durchführen? Ähnliche Beispiele lassen sich in Bezug auf Unterschiede der Mitgliedstaaten im Kostenrecht - Gerichtsgebühren, Prozesskostensicherheit, Prozesskostenhilfe -, in den Anforderungen an die Prozessfähigkeit, bei Präklusionsvorschriften, in der Möglichkeit der Durchsetzung von Rechten im Mahnverfahren und im Vollstreckungsschutz,8 bei Vollstreckungsschutzvorschriften und bei der Berechnung prozessualer Fristen bilden. 9 Auch die Verfahrensdauer oder die Regelungen der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln weichen in den Mitgliedstaaten erheblich voneinander ab und führen zu unterschiedlicher Dauer, Effizienz und unterschiedlichen Kosten der Verfahren in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Während der erste Fall (I) im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot zu untersuchen sein wird (dazu Teil 1, §§ 4-19), verdeutlichen die Grundfalle 11 und I1I, in welchen Bereichen die Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte in Beriihrung mit den Beschränkungsverboten der Grundfreiheiten kommen können (dazu Teil 2, §§ 20-34).
6 Art. 827, 853 n.c.p.c.; Beispiel nach Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 48. 7 Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte kann sich auch hier aus Art. 5 Nr. 1 oder Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ ergeben. S Dazu Stümerl Stadler, in: Transnationales Prozessrecht, S. 263, 270. 9 V gl. ausführlich Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 38, 46 ff.
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§ 2 Problemstellung I. Die Ansicht Manfred Wolfs
Manfred Wolf stellte 1992 erstmals einen Zusammenhang zwischen den Unterschieden der mitgliedstaatlichen Zivilprozessordnungen und den Grundfreiheiten her. Unterschiedliche zivilprozessuale Regelungen könnten dazu führen, dass die Zivilprozesse in den Mitgliedstaaten unterschiedlich effektiv, lang und kostenaufwändig seien. Dadurch entstünden marktrelevante Störungen, da Zivilprozessnormen mit der Rechtsdurchsetzung im Bereich der Grundfreiheiten unmittelbar den Leistungsaustausch und seine Ergebnisse berührten. 1o Ein vorausschauender Marktteilnehmer könnte deshalb den Handel mit Staaten vorziehen, in denen für ihn vermeintlich günstige zivilprozessuale Regelungen gelten. Wolf schlägt für derartige Fälle die Lösung über das Herkunftslandprinzip vor, wenn eine gemeinschaftskonforme Auslegung und auch die schlichte Außerachtlassung der nationalen Norm nicht möglich ist. 11 Danach kann sich eine Partei in einem Zivilprozess in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich auf das Prozessrecht ihres Heimatstaates berufen, wenn dieses gegenüber dem Prozessrecht des Gerichtsstaates für sie günstiger ist. Unterschiedliche zivilprozessuale Regelungen der Mitgliedstaaten sollen danach nur aufrechterhalten werden, wenn sie durch zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls gerechtfertigt sindY Dies ergebe sich aus den Grundfreiheiten in Verbindung mit Art. 10 (ex Art. 5) EG. 13 11. Der Ansatz Marcel Stormes
Zustimmung erhält diese Auffassung in gewisser Weise von der von Marcel Storme geleiteten, 1987 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe, die sich unter Beteiligung je eines Prozessualisten jedes Mitgliedstaates an die Erarbeitung einer "EU-ZPO" gewagt hat. 14 Sie knüpft an eine Empfehlung des Ministerrats des Europarats in Straßburg aus dem Jahre 1984 an,15 die Thesen für ein künftiges europäisches Zivilprozessrecht mit gewissen Mindestanforderungen an ein faires und effektives Verfahren aufstellte. 16 Die Notwendigkeit der Erarbeitung harmoniManfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 38 f. Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35,41 f. 12 Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35,40. 13 Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 43. 14 Vgl. Storme, Rapprochement du Droit Judiciaire de l'union europeenne, Approximation of Judiciary Law in the European Union, 1994, S. 37 ff.; für den Weg zur Vereinheitlichung der Zivilprozessordnungen auch ders., RabelsZ 56 (1992), S. 290 ff.; ders., in: FS Drobnig, 1998, S. 177, 187 ff.; Prütting, Europa Institut Saarbrücken Nr. 271, 1992, S. 9, 21; Walter, AJP/PJA 1994, S. 425, 426. 15 Empfehlung Nr. R (84) 5 des Europäischen Ministerrats vom 28. 2. 1984, Straßburg 1984. 10
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sierter Regelungen wurde von der Stonne-Arbeitsgruppe darin gesehen, dass die Frage des anwendbaren Prozessrechts große Bedeutung für die Durchsetzung der aus dem Gemeinschaftsrecht entstehenden Rechte habe und ein gemeinschaftsweit einheitliches Prozessrecht eine große Erleichterung für europaweit handelnde Unternehmen und für die Anwaltschaft bedeuten würde. 17 Ein harmonisiertes Prozessrecht könne besser die Durchsetzung der materiellen Rechte im Binnenmarkt gewährleisten. 18 Vor allem die ökonomischen Faktoren, wie unterschiedliche Kosten eines Prozesses und unterschiedliche Verfahrensdauer, erforderten eine Vereinheitlichung, da es sonst zu "forum shopping" und "market shopping" kommen könne, also zur gezielten Auswahl des günstigsten Gerichts bzw. Marktes. 19 Auch rechtlich sei eine Vereinheitlichung notwendig, da kein Rechtssystem sich innere Unstimmigkeiten im Prozessrecht erlauben könne. Ein echter Binnenmarkt verlange auch gleich effektive Prozessrechte?O 1993 stellte die Arbeitsgruppe der Kommission den Entwurf einer ,,EU-ZPO" vor,21 die zwar keine geschlossene Kodifikation, aber ausgewählte Teilregelungen sowohl des Erkenntnisverfahrens wie auch des Mahnverfahrens, des einstweiligen Rechtsschutzes und der Zwangsvollstreckung enthält. 22 Die Vorschläge konnten sich allerdings bislang nicht durchsetzen, was zum Teil darauf zuriickgeführt wird, dass die Erfordernisse des Binnenmarktes keine umfassende Vereinheitlichung der nationalen Zivilverfahrensrechte verlangten?3 Gegen ein einheitliches europäisches Zivilprozessrecht wird auch eingewandt, dass es zu schwerfrulig sei und der Gefahr ausgesetzt sei zu versteinern. 24 Auf absehbare Zeit wird es daher wohl nicht zur Schaffung einer europäischen Zivilprozessordnung kommen. 25
Dazu Prütting, Europa Institut Saarbrücken Nr. 271, 1992, S. 9, 15 f. Storme, Rapprochement, 1994, S. 43 f.; dagegen Herbert Roth, ZZP 109 (1996), S. 271, 311; zurückhaltend auch Schi/ken, ZZP 109 (1996), S. 315, 316. 18 Storme, in: Towards a European Civil Code, 1994, S. 83, 84. 19 Walter, AJP/PJA 1994, S. 425, 426; Storme, Rapprochement, 1994, S. 44 f.; ders., in: Towards a European Civil Code, 1994, S. 83, 87 ff. 20 Storme, Rapprochement, 1994, S. 47, 59. 21 Storme, Rapprochement, 1994; dazu Herbert Roth, ZEuP 1997, S. 567 ff.; s. auch Tarzia, in: Sawczuk (Hrsg.), Unity of Civil Procedural Law and Its National Divergencies, 1994, S. 39,40 f. 22 Einige dieser Bereiche wurden nun allerdings im Rahmen der neuen Kompetenzen gemäß Art. 61, 65 EG aufgegriffen, vgl. Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 6, 10 f., 13; Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Tampere, Bull. EU 10/99, S. 7, 11, Nr. 30 etwa für das MahnverfaiJren und den einstweiligen Rechtsschutz. 23 Schwanz, ZEuP 1994, S. 559, 570; Herbert Roth, ZZP 109 (1996), S. 271, 313; Schilken, ZZP 108 (1996), S. 315, 316; für die Gleichwertigkeit der Prozessordnungen auch Stürner, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 1, 17. 24 Schadc, ZZP 107 (1994), S. 279, 299. 25 So auch Herbert Roth, in: Mü[[er-Gra!fl Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000,S. 351, 352. 16
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Auch Stonne ist allerdings wie Manfred Wolf der Ansicht, dass sich schon aus den Grundfreiheiten die Pflicht zur Abänderung von Unterschieden der nationalen Prozessordnungen ergeben könne. 26
III. Folge: Eingriff in das Prinzip der lex fori Die Folge wäre ein tiefer Eingriff in das im Zivilprozess weltweit dominierende Prinzip der lex fori, nach dem jedes Gericht in Verfahren mit Auslandsbezug unabhängig vom in der Sache anzuwendenden Recht sein eigenes Prozessrecht anwendet. Es stützt sich auf eine Vielzahl von Begriindungen, wie z. B. das Territorialitätsprinzip, die öffentlich-rechtliche Natur des Prozessrechts,27 den ordre public 28 oder auf die Praktikabilität. 29 Die praktischen Schwierigkeiten einer Anwendung des Herkunftslandprinzips liegen auf der Hand: Nationale Gerichte müssten sich gegebenenfalls mit völlig unbekannten ausländischen Prozessrechtsinstituten auseinandersetzen. Ziel der Untersuchung ist daher die Beantwortung der Frage, ob das Diskriminierungsverbot und die Grundfreiheiten der EG tatsächlich so weit auszulegen sind, dass die in den Grundfällen dargestellten Situationen zu einer Überlagerung des nationalen Zivilprozessrechts durch das europäische Gemeinschaftsrecht führen.
IV. Öffentliches Recht und Privatrecht Im öffentlichen Recht ist seit langem bekannt, dass etwa diskriminierende Verwaltungspraktiken oder technische Nonnen gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen können. Da das Gemeinschaftsrecht in weiten Teilen als Verwaltungsrecht, insbesondere als Wirtschaftsverwaltungsrecht, zu qualifizieren ist,3D stand im Bereich des Prozessrechts zunächst das Verwaltungsprozessrecht im Vordergrund. Dort entstehen Verzahnungen mit dem europäischen Recht insbesondere dadurch, dass grundsätzlich weder im primären noch im sekundären Gemeinschaftsrecht Regelungen enthalten sind, auf deren Grundlage die Unionsbürger ihre aus dem Gemeinschaftsrecht resultierenden Rechte gegenüber nationalen Behörden durchsetzen können. Daher richtet sich die Geltendmachung dieser Rechte im Regelfall nach nationalem Verfahrensrecht. Die Ausübung der Gemeinschaftsrechte wird durch die rechtliche Absicherung in Fonn nationalen Prozessrechts erst ennögStorme, Rapprochement, 1994, S. 67. Linke, IZPR, Rn. 37 mit Nachweisen; dagegen von Hoffmann, IPR, S. 62 f.; Reinhold Geimer, IZPR. Rn. 321. 28 Dagegen Reinhold Geimer, IZPR, Rn. 321. 29 Reinhold Geimer, IZPR. Rn. 322; Linke, IZPR. Rn. 37; von Hoffmann, IPR, S. 63. 30 Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht. S. 10. 26 27
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licht. Es gilt der Grundsatz der verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten?! Die mitgliedstaatlichen Gerichte sind verpflichtet, die Durchsetzung der aus dem Gemeinschaftsrecht entstehenden Rechte mit ihren prozessrechtlichen Regelungen zu gewährleisten. Aber auch im Privatrecht finden Verzahnungen von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht statt. 32 Zwar hat das Zivilrecht für das Gemeinschaftsrecht zunächst eine weniger große Rolle gespielt als die Materien des handelshemmenden und wettbewerbsverfälschenden öffentlichen Rechts. Im EG-Vertrag ist hingegen eine Differenzierung zwischen öffentlichem und privatem Recht nicht angelegt. Sie ist auch nicht sachgerecht, da zum einen die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Recht nicht in allen Staaten gleich verlaufen, zum anderen ein Rechtsgebiet häufig nicht dem privaten oder dem öffentlichen Recht allein zugesprochen werden kann. 33 Mit zunehmender Integration rückt nunmehr auch das Privatrecht in das Interesse des Gemeinschaftsrechts. Aufgrund fortschreitender Integrationsbemühungen wird bereits angenommen, dass sich aus dem Zusammenwirken des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Privatrechts eine eigene Rechtsebene entwickelt, die als Gemeinschaftsprivatrecht als die in allen Mitgliedstaaten verbindlichen Privatrechtsregeln, die im Gemeinschaftsrecht enthalten sind, bezeichnet wird. 34
V. Bedeutung des Zivilprozessrechts Durch die Europäisierung des Privatrechts bleibt auch das Zivilprozessrecht, das lange Zeit als nationales Recht par excellence galt und allenfalls im Zusammenhang mit dem EuGVÜ (dazu unten § 3 11 a) mit dem Europarecht in Verbindung gebracht wurde, vor gemeinschaftsrechtlichen Einflüssen nicht verschont. Ebenso wie den Verwaltungsgerichten obliegt es den Zivilgerichten als Teil der nationalen Gerichtsbarkeit, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten den Schutz gemeinschaftsrechtlich begründeter Rechte der Marktbürger sicherzustellen. Das Zivilprozessrecht, für das die Verfahrensautonomie in gleicher Weise wie für das Verwaltungsprozessrecht gilt, zeigt für den gesamten Bereich des materiellen Privatrechts, was diese Regelungen in der praktischen Wirklichkeit des Prozesses wert sind. Immer dann, wenn aus dem Gemeinschaftsrecht private Rechte entstehen, z. B. bei der Ausübung der Grundfreiheiten, steht das Zivilverfahrensrecht im Zusammen3! Vgl. nur EuGH, 9. 3. 1978, Rs. 106/77, Sig. 1978, S. 629, 643 f., Rn. 14/16 (Amministrazione delle finanze dello stato/Sirnmenthal); 5. 3.1980, Rs. 265/78, Slg. 1980, S. 617, 629, Rn. 10 (Ferweda 1Produktschap voor Vee en Vlees). 32 Müller-Graf!, in: MÜller-Gra.fJ (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, S. 195,200 mit Nachweisen. 33 Dazu schon Hallstein, RabelsZ 28 (1964), S. 211, 213 f. 34 Müller-Graf!, NJW 1993, S. 13; ders., Privatrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 27 ff.
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hang mit dem Gemeinschaftsrecht. In der Praxis kann aufgrund der bereits erfolgten weitreichenden Verflechtung des Gemeinschaftsrechts mit dem Privatrecht prinzipiell in jedem Zivilverfahren die Auslegung von EG-Recht erforderlich sein. Die Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auch auf das Verfahrensrecht hängt also mit der engen Verknüpfung von Verfahrensrecht und materiellem Recht zusammen, da Beschränkungen des Rechtsschutzes gleichbedeutend mit dem Verlust materieller Rechtspositionen sein können. Die Durchsetzung des materiellen Rechts kann durch langwierige, aufwändige und teure Prozesse in einem Mitgliedstaat erheblich beeinträchtigt werden. Dies kann zu einer Störung der Geschäftstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat führen, auf dessen Prozesssystem man derzeit aufgrund des lex fori-Prinzips angewiesen ist. Je besser zivilrechtliche Ansprüche über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg durchgesetzt werden können, desto eher ist der freie Fluss insbesondere von Waren und Dienstleistungen gewährleistet. Das Zivilprozessrecht ist also ein wesentlicher Faktor für das Marktverhalten: Die durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Freiheiten sind nur so viel wert, wie sie unproblematisch durchsetzbar sind?5 Da der europäische Bürger als eine Konsequenz des Wegfalls der Binnengrenzen immer mehr private und geschäftliche Kontakte zu anderen Mitgliedstaaten knüpft, kommt dem Zivilprozessrecht im grenzüberschreitenden Verkehr große Bedeutung zu. Dies bestätigt auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Zwar sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich in der Ausgestaltung ihres Verfahrensrechts autonom. Durch diese Verfahrensautonomie ist der Konflikt in einem Rechtsstreit, der nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen ist, allerdings vorprogrammiert. Denn das Verfahrensrecht ist nicht nur das Mittel zur Durchsetzung subjektiver Rechte, sondern es dient in gleicher Weise auch ihrer Beschränkung. 36 Voneinander abweichende Prozessordnungen der Mitgliedstaaten können zu einer uneinheitlichen Durchsetzung der materiellen Gemeinschaftsrechte führen. Dies wird vom Gemeinschaftsrecht grundsätzlich anerkannt. Da aber die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts entscheidend von den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen ihrer Durchsetzung abhängt, setzt das Gemeinschaftsrecht der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung Grenzen. Die Mitgliedstaaten sind danach verpflichtet, ihr Prozessrecht so auszuüben, dass es dem Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht. 37 Ob sich daraus ergibt, dass nationale Zivilprozessrechtsvorschriften an Art. 12 Abs. 1 EG oder an den Grundfreiheiten zu messen sind, ist Ziel der Untersuchung.
35 Prütting, in: FS Baumgärte1, 1990, S. 457, 461; Man/red Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 36 f.; Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 312. 36 Koch, EuZW 1995, S. 78. 37 Vgl. etwa EuGH, 2.2. 1989, Rs. 186/87, Sig. 1989, S. 195,222, Rn. 19 (Cowan/Tresor Public); 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Sig. 1996,1-4661,4675, Rn. 12 (Data De1ecta und Forsberg 1MSL Dynamics).
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§ 3 Schnittstellen des Zivilprozessrechts mit dem Europarecht Die rechtlichen Grundlagen der Europäisierung des Zivilverfahrensrechts finden sich in unterschiedlichen Bereichen, deren Darstellung der Abgrenzung des Themas der Arbeit dient. Während weite Teile des Europäischen Zivilverfahrensrechts in Übereinkommen (I), im sekundären Gemeinschaftsrecht (11) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (III) zu finden sind, sollen im Hauptteil der Arbeit nur die Einflüsse des Diskriminierungsverbotes und der Grundfreiheiten der EG aus dem Bereich des primären Gemeinschaftsrechts auf das nationale Zivilprozessrecht (IV) untersucht werden.
I. Übereinkommen Zum einen gibt es zahlreiche Übereinkommen der Mitgliedstaaten, in denen Regelungen zum europäischen Zivilprozessrecht getroffen wurden. Zu unterscheiden sind Übereinkommen, die auf der Grundlage des Art. 293 (ex Art. 220),4. Spstr. EG entstanden sind, solche, die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit ratifiziert wurden und solche, die aufgrund des Art. K EUV in der Fassung des Maastrichter Vertrages geschlossen wurden.
1. Art. 293, 4. Spstr. EG
Art. 293, 4. Spstr. EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, untereinander Verhandlungen einleiten, um die Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedsspriiche sicherzustellen. Die daraufhin entstandenen Übereinkommen sind weder primäres noch sekundäres Gemeinschaftsrecht, sondern völkerrechtliche Verträge, die allerdings insbesondere durch die jeweils vereinbarte Auslegungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs 38 eng mit dem Gemeinschaftsrecht verbunden sind?9
a)EuGVÜ Das bedeutendste danach zustande gekommene Übereinkommen ist das Briisseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstre38 Vg!. etwa für das EuGVÜ das Luxemburger Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27.9. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, BGB!. II 1972, S. 846. 39 Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Ein!., Rn. 12.
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ckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von 196840 (EuGVÜ), das den Kern des europäischen Zivilprozessrechts bildet. Im Rahmen seines Anwendungsbereiches wird das autonome internationale Zivilverfahrensrecht zwischen den Vertrags staaten verdrängt. Geregelt werden die internationale Zuständigkeit (Art. 2 ff.), die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (Art. 25 ff., 31 ff.), die Pflicht zur Beachtung entgegenstehender Rechtshängigkeit (Art. 21 ff.) und ein Mindeststandard für die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 20). Unangetastet in der Kompetenz der nationalen Zivilverfahrensrechte bleiben hingegen die Regelungen zum Verfahrensgang und zur Durchführung der Zwangsvollstreckung (vgl. Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ). Derzeit ist auf der Grundlage des neuen Art. 65 EG eine Überführung des EuGVÜ in das sekundäre Gemeinschaftsrecht geplant. Der dritte Spiegel strich des Art. 65 lit. a EG ähnelt im Wortlaut dem Art. 293, 4. Spstr. EG und sieht eine Kompetenz zur Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung von Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vor. Es liegt bereits ein Entwurf für eine Umwandlung des EuGVÜ in eine Verordnung vor,41 wenngleich in der Literatur nicht unumstritten anerkannt ist, dass Art. 65 lit. a, 3. Spstr. EG hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage liefert. 42 Der Verordnung wird gegenüber der Richtlinie der Vorzug gegeben, weil damit eindeutig feststehende und aufeinander abgestimmte Vorschriften rasch angewandt werden können. Ziel ist durch inhaltliche Verbesserungen43 auch die Gewährleistung einer zügigen Durchführung der Bestimmungen und die Lösung der praktischen Probleme der Bürger im Alltag. 44 Neben Änderungen im Bereich von Art. 5 Nr. 1, 13 ff. und 21 EuGVÜ ist das Hauptziel die Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen durch Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens. 45
40 BGB!. 11 1972, s. 808 i.d.F. des 4. Beitrittsübereinkommens; für einige Mitgliedstaaten gilt noch die Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens. In Kraft getreten ist das 4. Beitrittsübereinkommen für Deutschland, Dänemark, die Niederlande und Österreich (BGB!. 11 1998, S. 1411 und 1999, S. 419), für Finnland, Spanien und Griechenland (BGB!. 11 1999, S. 503), für Italien und Schweden (BGB!. 199911, s. 697). 41 KOM (1999) 348 endg. vom 14. 7. 1999. 42 Monar, ELR 1998, S. 320, 324; Schack, ZEuP 1999, S. 805, 807; a.A. Besse, ZEuP 1999, S. 107, 108. 43 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3,20 ff.; KOM (1998) 459 endg. vom 14. 7. 1998, S. 9; dazu Wagner, IPRax 1998, S. 241, 243 f. 44 KOM (1999) 219 vom 4.5. 1999; KOM (1999) 220 vom 4.5. 1999. 45 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3,5; ausführlich Jayme/Kohler, IPRax 1999, S. 401, 405 ff.
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b) Insolvenzrecht Seit Juni 1990 ist eine Europäische Konvention betreffend internationale Aspekte des Insolvenzrechts zur Zeichnung aufgelegt. Daraus entstanden ist zunächst das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom 23. 11. 1995,46 das mittlerweile auf der Grundlage des neuen Art. 65 lit. c EG in eine Verordnung umgewandelt wurde. 47 Ziel ist es, gemeinsame Bestimmungen für grenzüberschreitende Insolvenzverfahren festzulegen, damit diese Verfahren im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes effizienter und wirkungsvoller angewandt werden können.
2. Europäische Politische Zusammenarbeit Im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ), die die Vorläuferin der justiziellen Zusammenarbeit war, wurden von den Mitgliedstaaten einige Übereinkommen des 1949 in Straßburg gegründeten Europarats ratifiziert, zu denen im Bereich des Zivilverfahrensrechts das europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom 20.5. 1980 gehört. 48 Z. B. wurde von der EPZ das Übereinkommen zur Befreiung von Urkunden von der Legalisation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften vom 25.5. 1987 ausgearbeitet. 49 Es wurde bisher allerdings nur von vier Staaten ratifiziert50 und ist daher auch noch nicht in Kraft getreten. Grund dafür ist wohl, dass die Bedeutung des Übereinkommens angesichts des weltweit geltenden Haager Übereinkommens vom 5. 10. 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation,51 dem fast alle EU-Staaten angehören,52 nur gering ist. Daneben gibt es ein Europäisches Übereinkommen zur Befreiung der von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der Legalisation vom 7.6. 1968. 53
46 Jayme/Hausmann, 9. Aufl., 1998, Nr. 136; dazu Balz, ZIP 1996, S. 948; ders., ZEuP 1996, S. 325. 47 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren, ABlEG 30. 6. 2000, L 160, S. 1. Sie tritt am 31. 5. 2002 in Kraft, Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 260, Rn. 4. 48 BGBI. 11 1990, S. 220; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 184. 49 Dazu Tarko, ÖJZ 1999, S. 401, 402 f. 50 Belgien, Dänemark, Frankreich und Italien. 5! BGBI. 11 1965, S. 876; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000; Nr. 250. 52 Ausnahmen: Dänemark, Irland und Schweden. 53 BGBI. 11 1971, S. 86; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 251. Nicht in Kraft für Belgien, Dänemark, Finnland und Irland.
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Auch das römische EWG-Übereinkommen über die Vereinfachung der Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vom 6. 11. 1990 wurde bisher nur von vier Staaten ratifiziert. 54 Der Grund dafür dürfte auch hier in der Konkurrenz zu einem anderen Übereinkommen liegen, nämlich dem New Yorker UNÜbereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6. 1956, dem alle EU-Staaten angehören. 55
3. Art. K des Maastrichter Vertrages
a)EheEuGVÜ Im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Titel VI des Vertrages über die Europäische Union vom 7. 2. 1992 (EUV)56 wurde für das Familienrecht am 28. 5. 1998 ein Rechtsakt des Rates über die Ausarbeitung eines Übereinkommens über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen unterzeichnet. 57 Grundlage war Art. K.3 Abs. 2 lit. c, K.1 Nr. 6 EUV der Maastrichter Fassung. Er schließt die Lücke, die das EuGVÜ gemäß seinem Art. 1 Abs. 2 Nr. I gelassen hat. Das Übereinkommen wurde nun wie das EuGVÜ auf der Grundlage des Art. 65 lit. a, 3. Spstr. EG in eine Verordnung umgewandelt. 58 Es geht um die zentralen Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts in Ehesachen, insbesondere die Scheidung, die Trennung oder Auflösung des Ehebandes, die Ungültigkeit einer Ehe und die elterliche Sorge. Geregelt werden die Vereinheitlichung der Vorschriften über die Entscheidungszuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung ergangener Entscheidungen und die Bewältigung paralleler Eheauflösungsverfahren in mehreren Mitgliedstaaten. 59 Innerhalb von fünf Jahren seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1.5. 1999 soll darüber hinaus ein Rechtsinstrument über die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht und die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen auf dem Gebiet des Ehegüter- und Erbrechts erarbeitet werden. 60
54 Großbritannien, Irland, Italien und Spanien; Jayme / Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr.221. 55 BGBl. 11 1959, S. 149; Jayme/ Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 220. 56 BGBl. 11 1992, S. 1253. 57 ABlEG 16.7. 1998, C 221, S. 1. 58 Verordnung (EG) Nr. 134712000 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABlEG 30. 6. 2000, L 160, S. 19; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 170. Die Verordnung tritt am 31. 5. 2002 in Kraft. 59 Ausführlich Sturlese, La Semaine Juridique 1998, S. 1145; Hau, FamRZ 1999, S. 484. 60 Aktionsplan des Rates und der Kommission, ABlEG 23.1. 1999, C 19, S. 1, 10.
30
Einleitung
b) Zustellungsübereinkommen Im Zustellungsrecht existierte bis 1992 nur eine Protokollerklärung6 I, die auf das Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (HZÜ)62 und bilaterale Zusatzvereinbarungen verwies. Gestützt auf Art. K.3 Abs. 2 lit. c EUV nahm der Rat am 26.5. 1997 das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union an. 63 Auf der Grundlage des Art. 65 lit. a EG, dessen erster Spiegel strich die Verbesserung und Vereinfachung des Systems für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke vorsieht, ist das Übereinkommen allerdings bereits vor seinem Inkrafttreten in eine Verordnung umgewandelt worden. 64 Sie ersetzt für den Bereich der Europäischen Union das HZÜ. 65 Geregelt wird die Art und Weise der Übermittlung von Schriftstücken von einem Mitgliedstaat in einen anderen. Sie möchte durch die Einschaltung von Übermittlungs- und Empfangs stellen (Art. 2) sowie durch Errichtung von ZentralstelIen (Art. 3) die Zustellung beschleunigen und vereinfachen. 66 Eine unmittelbare Zustellung ist allerdings nicht erlaubt. Vorgesehen sind auch moderne Übermittlungstechniken wie Fax und E-Mail und Regelungen zur Übersetzung von Schriftstücken. 11. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
In einigen Entscheidungen des Gerichtshofes findet sich die Formulierung: "Mangels einer gemeinschaftlichen Regelung ist es Sache der nationalen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten. ,,67 Der EuGH schließt also eine Art. IV Abs. 1 des Protokolls zum EuGVÜ. Vom 15.11. 1965, BGBI. 11 1977, S. 1453; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 211. 63 ABlEG 27.8.1997, C 261, S. I; Jayme/Hausmann, 9. Aufl., 1998, Nr. 107a, Fn. 1. 64 Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. 5. 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABlEG 30.6.2000, L 160, S. 37; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 224. Sie ist nach ihrem Art. 25 am 31. 5. 200 1 in Kraft getreten. 65 Vgl. Art. 20 des Übereinkommens; Erläuternder Bericht ABlEG 27. 8. 1997, C 261, S.27. 66 Jayme/Kohler, IPRax 1997, S. 385, 387; Meyer, IPRax 1997, S. 401, 402 ff.; Gregor Geimer, Die Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, Diss. Regensburg 1999, S.28f. 67 EuGH, 16. 12. 1976, Rs. 33176, Rewe-Zentralfinanz-AG /Landwirtschaftskanuner für das Saarland, Sig. 1976, S. 1989, 1998, Rn. 5; 19. 11. 1991, Rs. C-6 und 9/90, Francovich u. a.lItalien, Sig. 1991,1-5357,5415 f., Rn. 42. 61
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Einleitung
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gemeinschaftsrechtliche Regelung, die das zuständige Gericht bezeichnet, nicht aus. 68 Daher gibt es auch im sekundären Gemeinschaftsrecht Vorschriften, die in ihrem Anwendungsbereich das nationale Zivilverfahrensrecht modifizieren. Richtlinien nach Art. 249 (ex Art. 189) Abs. 3 EG werden oft mit gesonderten Verfahrensregelungen ausgestattet. Im umgesetzten deutschen Recht enthalten etwa § 12 AGBG und § 8 TzWrG Gerichtsstandbestimmungen. Auch Art. 6 der Richtlinie über irreführende Werbung69 enthält mit der Verpflichtung an die Mitgliedstaaten, die Beweiserhebung vor den Zivilgerichten in diesem Bereich zu vereinheitlichen, einen zivilverfahrensrechtlichen Bezug. Teilweise wird durch Richtlinienbestimmungen auch die Schaffung von speziellen Verfahren - z. B. Verbandsklageverfahren70 - oder die Bereitstellung "angemessener Rechtsbehelfe,,71 notwendig. Art. 4 der geplanten Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Handelsverkehr schreibt vor, dass ein Beitreibungsverfahren für unbestrittene Forderungen in der Regel binnen 90 Tagen im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften abgeschlossen wird. 72 Daneben regeln einzelne Verordnungen wie z. B. die EG-Verordnung über die Gemeinschaftsmarke, die in Titel X Bestimmungen über "Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Gemeinschaftsmarken betreffen" enthält, prozessrechtliche Fragen. 73 Mittelbar wird das Zivilverfahrensrecht dariiber hinaus durch die Harmonisierung des materiellen Privatrechts, insbesondere über das Beweisrecht, beeinflUSSt. 74
III. Europäische Menschenrechtskonvention Ebenso kann die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK Auswirkungen auf das Zivilprozessrecht entfalten. 75 Auch wenn KOM (1993) 576 vom 16. 11. 1993, S. 81. Richtlinie 84/450/EWG vom 10. 9. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung, ABlEG 19.9. 1984, L 250, 68
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S.17. 70 Richtlinie 98/271 EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABlEG 11. 6.1998, L 166, S. 51. 71 Vgl. etwa Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 97171EG vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABlEG 4. 6. 1997, L 144, S. 19 ff., 24; die Richtlinie wurde nun durch das Fernabsatzgesetz umgesetzt, vgl. BGBl. I 2000, S. 897. 72 V gl. den Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Parlaments und des Rates ABlEG 6. 10. 1999, C 284, S. 1 ff. Zu der Richtlinie Gsell, ZIP 1998, S. 1569; dies., ZIP 1999, S. 1281; Knapp, RabelsZ 63 (1999), S. 295. 73 Verordnung (EG), Nr. 40/94 des Rates vom 20. 12. 1993, ABlEG 14. 1. 1994, L 11, S. 1,23 ff. 74 Heß, JZ 1998, S. 1021, 1025.
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Einleitung
bislang nur ein kleiner Teil der Konvention unmittelbar auf das Zivilprozessrecht zielt, haben insbesondere Art. 6 EMRK und die dazu ergangenen Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofs bzw. der Kommission für Menschenrechte erhebliche Auswirkungen auf das nationale Verfahrensrecht in den Mitgliedstaaten. 76
IV. EG-Vertrag als Quelle des primären Gemeinschaftsrechts Die Arbeit widmet sich nicht den Einflüssen auf das nationale Zivilverfahrensrecht durch Übereinkommen, sekundäres Gemeinschaftsrecht oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Vielmehr geht es darum, dass auch die Vorschriften des EG-Vertrages selbst als Quelle des primären Gemeinschaftsrechts Anforderungen an das nationale Zivilprozessrecht stellen können. Schon 1969 hat der BGH entschieden, dass die Regelung des heutigen Art. 81 (ex Art. 85) EG zu der bei der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs durch das staatliche Gericht zu beachtenden "öffentlichen Ordnung" im Sinne des § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F. gehört. 77 Bereits hier wurde also erkannt, dass die Vorschriften des EG-Vertrages selbst Einfluss auf das nationale Zivilprozessrecht nehmen können. Solche Einwirkungen können sich aus verschiedenen Normen des EG-Vertrages ergeben. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Untersuchung des Diskriminierungsverbotes und der Grundfreiheiten. Bedeutung wird in der Zukunft darüber hinaus der Kompetenznorm des Art. 65 EG78 und dem Effektivitätsgeboe9 zukommen. Letzteres sieht vor, dass die volle und einheitliche Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten ist. Dazu gehört nach Auffassung des EuGH, dass die Ausgestaltung der Geltendmachung von Rechten aus dem Gemeinschaftsrecht nicht ungünstiger sein darf als gleichartige Vorgänge, die das innerstaatliche Recht betreffen, und dass die nationalen Verfahrensregeln und Fristen die Verfolgung von 75 Matscher, ÖstZöRV 1980, S. 1 ff.; ders., in: FS Henckel, 1995, S. 593 ff.; Storme, RabelsZ 56 (1992), S. 290, 294; Müller-Graf!, in: FS Börner, 1992, S. 303, 322; allgemeiner: Froweinl Peukert, EMRK, Art. 6, Rn. 3 ff. 76 Storme, RabelsZ 56 (1992), S. 290, 294; Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 312. 77 BGH, NJW 1969, S. 978, 979 f.; bestätigt durch BGH NJW 1972, S. 2180, 2181; § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25. 7. 1986 geändert, BGB!. 11986, S. 1142. 78 Zu den Neuerungen im Bereich Justiz und Inneres durch den Vertrag von Amsterdam Müller-Graf!, Integration 1997, S. 271 ff., ders., in: Hummer (Hrsg.), Die Europäische Union nach dem Vertrag von Amsterdam, 1998, S. 259 ff.; Streinz, EuZW 1998, S. 137, 141 ff.; Neil Walker, Int.Comp.L.Q. 47 (1998), S. 231, 236 ff.; Gimbal, in: Weidenfeld, Amsterdam in der Analyse, S. 121 ff.; Meyring, EuR 1999, S. 309 ff.; JaymelKohler, IPRax 1999, S. 401 ff.; Tarko, ÖJZ 1999, S. 401 ff. 79 Ausdriicklich in einem Verfahren zu einer zivilprozessualen Norm Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, ED Srl.lItalo Fenocchio, Slg. 1999,1-3845,3860 ff.; ebenso für das Zivilprozessrecht Koch, EuZW 1995, S. 78 ff.; allgemein zum Effektivitätsprinzip Tonne, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des europäischen Gemeinschaftsrechts, Diss. Göttingen 1997.
Einleitung
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Rechten, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. 80
1. Diskriminierungsverbot
Der erste Grundfall (§ 1 I) enthält einen Anhaltspunkt dafür, dass Einwirkungen des EG-Vertrages auf das nationale Zivilverfahrensrecht vom allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 (ex Art. 6 Abs. 1) EG und auch von den speziellen Diskriminierungsverboten, die sich aus den Grundfreiheiten ergeben, ausgehen können. Sie verbieten im Anwendungsbereich des Vertrages bzw. der speziellen Freiheit die Differenzierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Im ersten Teil der Arbeit soll untersucht werden, ob und gegebenenfalls welche Vorschriften des nationalen Zivilprozessrechts Unter welchen Umständen gegen dieses gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen.
2. Grundfreiheiten
Die Grundfreiheiten haben sich darüber hinaus durch die Rechtsprechung des EuGH zu allgemeinen Beschränkungsverboten entwickelt, die den Bürgern und Unternehmen unmittelbar wirkende 8 ! und gerichtlich durchsetzbare Rechte 82 verleihen, die sowohl den Organen der Mitgliedstaaten als auch der Gemeinschaft selbst entgegengehalten werden können. Im Zusammenspiel mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts führt dies dazu, dass mitgliedstaatliches Recht, das zu den Grundfreiheiten im Widerspruch steht, VOn den staatlichen Gerichten nicht angewendet werden darf. Ob dies dazu führt, dass Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten erfasst sind, soll im zweiten Teil untersucht werden. 83
80 EuGH, 16. 12. 1976, Rs. 33176, Sig. 1976, S. 1989, 1998, Rn. 5 (Rewe-ZentralfinanzAG/Landwirtschaftskammer für das Saarland); 9. 3. 1978, Rs. 106177, Sig. 1978, S. 629, 643, Rn. 14/16 (Amministrazione delle Finanze dello stato/Simrnenthal); 5. 3. 1980, Rs. 265178, Sig. 1980, S. 617, 629, Rn. 10 (Ferweda/Produktschap voor Vee en Vlees); 19.6. 1990, Rs. C-213/89, Sig. 1990,1-2433,2473, Rn. 18 (Factortame); 19. 11. 1991, Rs. C-6 und 9/90, Sig. 1991,1-5357,5416, Rn. 43 (Francovich/ltalien). 81 Vgl. die Übersicht bei Schweitzer/Hummer, S. 263. 82 EuGH, 5. 2. 1963, Rs. 26/62, Sig. 1963, S. 1,27 (Van Gend en Loos/ Administratie der Be1astingen). 83 So z. B. EuGH, 4. 6.1992, Rs. C-13/91 und 113/91, Slg. 1992,1-3617,3644 f., Rn. 30, 32 (Debus).
3 Tönsfeuerbom
Erster Teil
Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG Art. 12 Abs. 1 EG, der vom vormaligen Art. 6 Abs. 1 EG inhaltlich nicht abweicht, verbietet unbeschadet besonderer Bestimmungen des EG-Vertrages in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Er dient den Zielen des EG-Vertrages, einen funktionierenden Binnenmarkt und eine immer engere Union der Völker zu verwirklichen. 1 Diesen Zielen würde es zuwiderlaufen, wenn innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten durch eine unterschiedliche Behandlung von Inländern und EG-Ausländern Schranken aufgebaut würden, die durch die anderen Vertragsvorschriften gerade abgebaut werden sollen. Art. 12 Abs. 1 EG richtet sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft und ist daher in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht, das im Konfliktfall entgegenstehenden Bestimmungen des nationalen Rechts vorgeht und zu deren Nichtanwendung führt. 2 Dies ergibt sich aus Art. 23 Abs. 1 GG, der die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union regelt. Das Diskriminierungsverbot begründet nicht nur objektives Recht, sondern auch subjektive Rechte, so dass ein Unionsbürger verlangen kann, so gestellt zu werden wie ein Inländer. 3 Einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geben Anlass zu der Frage, ob dieses Diskriminierungsverbot in Konflikt zu Normen des nationalen Zivilprozessrechts stehen kann. Das deutsche Verfahrensrecht geht trotz mancher Differenzierungen zwischen In- und Ausland - z. B. im Bereich der Zustellungen - vom Prinzip der Inländergleichbehandlung aus. 4 Dessen ungeachtet gibt es jedoch spezifische Benachteiligungen von Ausländern bei der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vor deutschen Gerichten, die aus gesetzlichen Sonderregeln folgen, die unter dem Begriff des "prozessualen Fremdenrechts" zusammengefasst wer1 von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 1; Loewenheim, GRUR Int. 1993, S. 105, 107. 2 Dies ergibt sich schon aus EuGH, 13.2. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1, 16, Rn. 13 (Watt Wilhelm 1Bundeskartellamt); so auch 13.2.1985, Rs. 293/83, Slg. 1985, S. 593, 612, Rn. 19 (Gravier 1Stadt Lüttich); von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 2. 3 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1755. 4 Nagel/Gottwald, IZPR, § 4, Rn. 5.
1. Kap.: Die Entscheidungen des EuGH
35
den. 5 Solche Sonderregelungen wurden in der Vergangenheit etwa damit gerechtfertigt, dass bei einem gerichtlichen Schutz für Fremde von diesen auch ein gewisses Verhalten verlangt werden könne. 6 Fraglich ist aber, ob im Bereich des europäischen Gemeinschaftsrechts solche Ungleichbehandlungen noch Bestand haben können. Nach einer Darstellung der zum Zivilprozessrecht ergangenen Entscheidungen des EuGH (§§ 4-6) soll anband der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 Abs. 1 EG die Vereinbarkeit nationaler Zivilverfahrensnormen mit dem Diskriminierungsverbot gepriift werden (§§ 7 -12). Schließlich soll unter Zugrundelegung der erzielten Ergebnisse untersucht werden, ob und gegebenenfalls welche zivil prozessualen Regelungen - neben den vom EuGH entschiedenen Fällen - dem Art. 12 Abs. 1 EG entgegenstehen können (§§ 13 -18).
Erstes Kapitel
Die Entscheidungen des EuGH Ausgangspunkt sind einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, die sich mit zivilprozessualen Normen und deren Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 EG auseinandergesetzt haben. Zwar kann der EuGH weder über die Auslegung nationaler Normen noch über die Vereinbarkeit derartiger Normen mit dem Gemeinschaftsrecht entscheiden. Hingegen kann er durch die Auslegung der betroffenen Gemeinschaftsnorm dem nationalen Gericht Kriterien an die Hand geben, die es ihm ermöglichen, die Rechtsfragen zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der nationalen Norm zu lösen.? Die Urteile des EuGH lassen sich in drei Gruppen jeweils unterschiedlicher nationaler Prozessrechtsregelungen einteilen.
§ 4 Mahnverfahren I. Mahnverfahren in ausländischer Währung
Erstmals wurde im Jahre 1980 im Urteil Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier8 eine zivil prozessuale Vorschrift unter den Anwendungsbereich des Vertrages sub-
5
S.5.
Nagel/Gottwald, IZPR, § 1, Rn. 26; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, 1949,
lsay, Das deutsche Fremdenrecht, Ausländer und Polizei, 1923, S. 56. Geiger, Art. 177 EGV, Rn. 5. 8 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427 (Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier). 6
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3*
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
sumiert und auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot überprüft. Im Ausgangsrechtsstreit ging es um eine französische Firma, die eine Kaufpreisforderung in französischer Währung gegenüber einer Einzelhändlerin mit Wohnsitz in Deutschland im Wege des Mahnverfahrens geltend gemacht hatte. § 688 Abs. 1 der deutschen ZPO in der bis zum 31. 12. 1998 geltenden Fassung ließ jedoch die Einleitung eines Mahnverfahrens zur Verfolgung eines Anspruchs nur in inländischer Währung zu. Das deutsche Amtsgericht legte daraufhin dem EuGH die Frage vor, ob eine solche Regelung gegen den heutigen Art. 12 Abs. 1 EG verstößt. Dieser stellte fest, dass derartige Vorschriften Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber inländischen Gläubigem benachteiligen und damit für den innergemeinschaftlichen Handel ein Hindernis bilden können, das in erster Linie Angehörige der anderen Mitgliedstaaten trifft. 9 Da deutsche Staatsangehörige ihre Rechnungen in der Praxis weitaus häufiger als Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten in deutscher Währung ausstellten, differenziere die Regelung versteckt nach der Staatsangehörigkeit. 10 Auch könne eine Rechtfertigung sich nicht daraus ergeben, dass eine elektronische Bearbeitung bei Forderungen in ausländischer Währung nicht möglich sei. 11 An einem Verstoß gegen den heutigen Art. 12 Abs. 1 EG fehlte es nach Ansicht des EuGH allein deshalb, weil den Vertragsparteien die Wahl der Währung bei der Geltendmachung des Anspruchs freistand, und weil dem Gläubiger unabhängig von der Währung weiterhin das ordentliche Verfahren offenstand. 12 Das Problem wurde durch die Währungsunion endgültig beseitigt: Seit dem 1. 1. 1999 ist das Mahnverfahren auch für Ansprüche zulässig, die die Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zum Gegenstand haben, § 688 Abs. 1 ZPO n.F. 13
9 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 10 (Boussac SaintFreres 1Gerstenmeier). 10 Generalanwalt Mayras, Schlussanträge zu EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3444 f. (Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier). 11 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 12 (Boussac SaintFreres 1Gerstenmeier). 12 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3437, Rn. 13 (Boussac SaintFreres 1Gerstenmeier). 13 Abgesehen davon war eine Ausnahme von § 688 Abs. 1 ZPO auch in § 34 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen vom 30. 5. 1988 (AVAG), BGB!. I, S. 662 vorgesehen: Erlass eines Mahnbescheids ausnahmsweise auf Zahlung in ausländischer Wahrung, wenn die Zustellung in einem Mitgliedstaat der in § 35 AVAG genannten zwischenstaatlichen Verträge erfolgen muss; alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft waren davon erfasst.
1. Kap.: Die Entscheidungen des EuGH
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11. Mahnverfahren mit Zustellung im Ausland Im Zusammenhang mit dem Mahnverfahren stand auch eine neuere Entscheidung des EuGH vom 22. 6. 1999. In der Rechtssache ED Srl.lltalo Fenocchio 14 ging es um eine italienische Regelung, nach der ein Mahnbescheid nicht erlassen werden darf, wenn die Zustellung an den Antragsgegner außerhalb des betroffenen Mitgliedstaates erfolgen müsste (Art. 633 Abs. 3 der italienischen Zivilprozessordnung). Das vorlegende italienische Gericht wollte wissen, ob diese Norm unvereinbar mit dem freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr ist. Generalanwalt Cosmas prüfte vorab einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG und war der Ansicht, die Verfahrensvorschrift falle über den freien Waren- und Kapitalverkehr in den Anwendungsbereich des Vertrages und bewirke einen Unterschied bei den Klagemöglichkeiten, je nachdem, ob der Geschäftspartner seine Zustellungsadresse im Inland habe. 15 Derjenige, der nur Geschäfte im Inland tätige, werde somit gegenüber demjenigen, der auch in anderen Mitgliedstaaten tätig ist, ungleich behandelt. Er bejahte das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung, da die italienische Norm zwar nicht direkt nach der Staatsangehörigkeit differenziere, jedoch aufgrund der Anknüpfung an die Zustellungsadresse im Ausland hauptsächlich Staatsangehörige anderer Staaten betreffe und somit für den Regelfall zum gleichen Ergebnis wie eine unmittelbare Diskriminierung führe. 16 In Italien ansässige Unternehmen könnten aufgrund der Regelung Geschäfte mit inländischen Kunden bevorzugen, da ihnen dort die geringeren Kosten und die Schnelligkeit des Mahnverfahrens zugute kämen. In der Frage der Rechtfertigung schloss er sich den Ausführungen des vorlegenden Gerichts an: Die betreffende Regelung sei ursprünglich durch das Ziel gerechtfertigt gewesen zu vermeiden, dass ein im Ausland wohnender Schuldner von einem gegen ihn erlassenen Mahnbescheid nicht oder erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist Kenntnis erhalte. Dies sei jedoch heute, da die Zustellung insbesondere im Bereich des Haager Zustellungsübereinkommens 17 keine größeren Schwierigkeiten mehr bereite und die Widerspruchsfristen ausreichend lang seien, nicht mehr zu rechtfertigen. Da die Regelung ein generelles Verbot der Zustellung im Ausland enthalte, sei sie zumindest nicht verhältnismäßig. Einen Vergleich mit dem Urteil Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier I8 vermochte der Generalanwalt EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845 (ED Srl.!Italo Fenocchio). Schlussanträge zu EuGH, 22.6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3858 (ED Srl./ Itala Fenocchio). 16 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999, 1-3845,3866 (ED Srl. !Italo Fenocchio). 17 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher oder außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 15. 11. 1965, Jayme 1Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 211. 18 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427 (Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier). 14
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
nicht zu ziehen, da die Voraussetzungen hier anders seien. Es gehe nicht nur um die Wahrung, in der der Anspruch geltend gemacht werde, sondern generell um die Zulässigkeit eines grenzüberschreitenden Mahnverfahrens. Im Gegensatz zu dem damaligen Fall habe hier die fehlende Möglichkeit der Durchführung eines Mahnverfahrens stärkere Auswirkungen. Bedeutend sei es insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Im Ergebnis bejahte der Generalanwalt einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG. Der Gerichtshof hingegen prüfte einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG nicht, sondern kam nach Ablehnung eines Verstoßes gegen Art. 29, 49 und 56 EG zu dem Ergebnis, die italienische Norm sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Dass der EuGH hier nicht auf Art. 12 Abs. 1 EG einging, kann nur damit erklärt werden, dass das vorlegende Gericht in seiner Fragestellung Art. 12 Abs. 1 EG nicht berücksichtigt hat.
§ 5 Prozesskostensicherheit für Ausländer In den mittlerweile vier Urteilen zur Ausländerprozesskostensicherheit ging es jeweils um § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO in der bis zum 30. 9. 1998 geltenden Fassung bzw. um diesem inhaltlich entsprechende Vorschriften anderer Mitgliedstaaten. Danach haben Angehörige fremder Staaten, die vor deutschen Gerichten als Kläger auftreten, dem Beklagten auf sein Verlangen wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten. Dies soll den Beklagten vor dem Risiko schützen, seinen Kostenerstattungsanspruch gegen einen ausländischen Kläger nicht realisieren zu können. 19 Diese Regelung hielt einer Überprüfung durch den EuGH nicht stand. Im ersten vom Gerichtshof zu entscheidenden Fall Hubbardl HamburgerO machte ein englischer Solicitor als Testamentsvollstrecker, zu dessen Aufgaben auch die Klageerhebung zählt, vor dem Landgericht Hamburg Erbschaftsansprüche geltend, wogegen der Beklagte sich auf § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. berief. Der EuGH entschied in diesem Sonderfall, in dem die Klageerhebung selbst für den Solicitor eine grenzüberschreitende Dienstleistung darstellte, auf Grundlage des speziellen Diskriminierungsverbotes des jetzigen Art. 49 (ex Art. 59) EG. Der Gerichtshof hielt § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. hier für unanwendbar, weil der Kläger in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit, gegen Entgelt und als Partei auftrat. 21 Darin lag nach seiner Auffassung eine verbotene unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und damit aufgrund des eindeutigen Wortlauts eine unmittelbare Diskriminierung, die mit Art. 49 EG nicht in Einklang stand. 22 19 Dazu auch Gottwald, in: Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1991, S. 1,47 f. 20 EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20 I 92, Sig. 1993,1-3777 (Hubbard/Hamburger). 21 EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Sig. 1993,1-3777,3794, Rn. 13 ff. (Hubbard/Hamburger).
1. Kap.: Die Entscheidungen des EuGH
39
Im Urteil Data Delecta 23 ging es um die Klage einer britischen gegen zwei schwedische Parteien wegen Bezahlung von Warenlieferungen. Die Beklagten verlangten vom Kläger vor dem schwedischen Gericht nach der dem § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. inhaltlich entsprechenden schwedischen Vorschrift die Leistung einer Prozesskostensicherheit. Der EuGH prüfte in diesem Fall zunächst die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EG. Dazu stellte er unter Berufung auf das Francovich-Urteil 24 fest, dass es mangels Gemeinschaftsregelung grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten sei, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zur Gewährleistung der aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte zu regeln. Allerdings setze das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit dahingehend Schranken, dass es weder zu einer Diskriminierung von Personen kommen dürfe, denen das Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht, noch die Grundfreiheiten beschränkt werden dürften?S Eine Regelung zur Prozesskostensicherheit von Ausländern sei geeignet, deren Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit zu beeinträchtigen, auch wenn dies nicht Zweck der Norm sei. Entscheidend sei, dass die Regelung EU-Ausländern qualitativ nicht den gleichen Zugang zu den Gerichten des Forumstaates wie dessen Staatsangehörigen gewähre. Das Gebot eines solchen gleichen Zugangs sei aber eine logische Folge insbesondere der Waren- und Dienstleistungsfreiheit. 26 Habe eine Regelung - wenn auch nur mittelbare - Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen, falle sie gemäß Art. 12 Abs. 1 EG in den Anwendungsbereich des Vertrages, ohne dass eine Verbindung zu den besonderen Vorschriften der Art. 28, 30,49 und 55 EG erforderlich sei. 27 Solche Auswirkungen seien insbesondere dann zu befürchten, wenn es um eine Prozesskostensicherheit bei einer Klage auf Bezahlung von Warenlieferungen gehe. Daher liege in der Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit im Wortlaut der Norm eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 EG. 28 Der EuGH bejahte im Ergebnis daher hier einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot. 22
ger).
EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Slg. 1993,1-3777, 3794, Rn. 14 (Hubbard/Hambur-
23 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661 (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynrunics). 24 EuGH, 19. 11. 1991, Rs. C-6 und 9/90, Slg. 1991,1-5357,5415 f., Rn. 42 (Francovich u. a.1 Italien). 25 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4675, Rn. 12 (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynarnics) unter Bezugnahme auf 2.2. 1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, S. 195, 222, Rn. 19 (Cowan/Tresor Public). 26 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996, 1-4661, 4675, Rn. 13 (Data Delecta und Forsberg I MSL Dynarnics). 27 EuGH, 26. 9.1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996,1-4661,4675 f., Rn. 14 (Data De1ecta und Forsberg I MSL Dynarnics). 28 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4676, Rn. 17 (Data De1ecta und Forsberg I MSL Dynarnics).
1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
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Auch in der Rechtssache Hayes / Kronenberge?9 ging es um eine Klage auf Zahlung eines Kaufpreises für Warenlieferungen. Die deutschen Beklagten verlangten vor dem deutschen Zivilgericht von den britischen Klägern, wegen der Prozesskosten Sicherheit nach § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. zu leisten. Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 EG blieb der EuGH bei der Frage der Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages und des Vorliegens einer unmittelbaren Diskriminierung auf seiner Linie aus dem Urteil Data Delecta. In diesem Fall ging er jedoch näher auf die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ein: Insbesondere in den Mitgliedstaaten, die im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht Vertragsparteien des EuGVÜ oder des Luganer Übereinkommens waren, gestand er die von der Beklagten geltend gemachten Vollstreckungsschwierigkeiten im Ausland ein. Letztlich ließ er aber mangels Verhältnismäßigkeit der streitigen Vorschrift offen, ob dies als Rechtfertigung der Unterscheidung ausreicht. Geeignetere Vorschriften seien jedenfalls solche, die anstelle der Staatsangehörigkeit auf den Wohnsitz und auf Vennögen im Inland abstellen. 30 Im Fall Saldanha31 ging es um die Klage eines Aktionärs mit britischer und amerikanischer Staatsangehörigkeit gegen eine in Österreich ansässige Aktiengesellschaft auf Unterlassung der Veräußerung von Anteilen an bestimmte Tochtergesellschaften ohne die Zustimmung der Hauptversammlung. Auch hier sollte der Kläger auf Verlangen der Beklagten nach § 57 der österreichischen ZPO, der § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. entspricht, Prozesskostensicherheit leisten. Neue Erwägungen musste der EuGH unter anderem im Hinblick auf die zeitliche Anwendbarkeit auf Österreich und die persönliche Anwendbarkeit auf Mehrstaater anstellen. In diesem Zusammenhang interessieren hingegen nur die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich des EG-Vertrages. Erstmals bejahte der EuGH einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot bei einer zivilprozessualen Nonn, ohne dass es ihm auf einen Zusammenhang mit einer Grundfreiheit ankam. Vielmehr betonte er den ersten Teil der schon im Fall Data Delecta erwähnten Formel: 32 Eine nationale Vorschrift dürfe keine Diskriminierung von Personen herbeiführen, denen nach dem Gemeinschaftsrecht ein Anspruch auf Gleichbehandlung zukomme?3 Gemäß Art. 44 Abs. 2 lit. g (ex Art. 53 Abs. 3 lit. g) EG können der Rat und die Kommission zur Durchführung der Niederlassungsfreiheit die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese BestimmunEuGH, 20. 3.1997, Rs. C-323 195, Sig. 1997,1-1711 (Hayes/Kronenberger). EuGH, 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Sig. 1997,1-1711, 1725 f., Rn. 23 f. (Hayes/Kronenberger). 31 EuGH, 2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Sig. 1997, 1-5325 (Saldanha u. MTS Securities Corporation 1Hiross Holding AG). 32 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Sig. 1996,1-4661,4675, Rn. 12 (Data Deleeta und Forsberg I MSL Dynamies). 33 EuGH,2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Sig. 1997,1-5325,5344, Rn. 21 (Saldanha u. MTS Seeurities Corporation 1Hiross Holding AG). 29
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1. Kap.: Die Entscheidungen des EuGH
41
gen gleichwertig zu gestalten. Daraus leitete der EuGH ab, dass Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, die dem Schutz der Interessen der Gesellschafter dienen, in den Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EG fallen?4 Daher bestehe ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung im Falle der Anrufung der Gerichte eines Mitgliedstaates wegen eines Streits, der sich aus der Beteiligung an einer in diesem Staat ansässigen Gesellschaft ergebe. 35 Hinsichtlich des Vorliegens einer Diskriminierung ergaben sich keinerlei neue Aspekte gegenüber den vorherigen Entscheidungen. Anhängig ist schließlich eine weitere Rechtssache,36 in der es um die Vereinbarkeit der irischen Rechtssätze über die Ausländerprozesskostensicherheit mit Art. 12 Abs. 1 EG geht, die nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf den Wohnsitz des Beklagten abstellen. Es geht um eine zivilrechtliche Schadensersatzforderung des Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates wegen Verleumdung gegen den Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates vor den Gerichten eines dritten Mitgliedstaates, wobei die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ gestützt wird. Gefragt wird insbesondere, ob hier der Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 EG eröffnet ist. Der deutsche Gesetzgeber hat auf diese Urteile reagiert. Seit dem 1. 10. 1998 gilt § 110 ZPO in einer Neufassung, die nur noch Kläger außerhalb der Europäischen Union oder eines Vertrags staates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfasst. Zudem wird nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt??
§ 6 Auslandsvollstreckung als ausreichender Arrestgrund Im Fall Mund & FesteriHatrex38 hatte der EuGH im Jahre 1994 zu entscheiden, ob der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung bei deutschen Urteilen, die im Geltungsbereich des EuGVÜ vollstreckt werden müssten, gegen Art. 12 Abs. 1 EG verstößt. Im Ausgangsrechtsstreit transportierte ein holländischer Spediteur Haselnüsse nach Hamburg. Der eingesetzte LKW war aber nicht ausreichend abgedeckt, so dass die Nüsse unterwegs Feuchtschäden erlitten. Zur Sicherung seiner Ersatzansprüche stellte der deutsche Empfänger bei Ankunft der Ware einen Antrag auf Erlass eines Arrestbefehls im Hinblick auf den LKW, der sich noch in Deutschland 34 EuGH,2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325,5344, Rn. 23 (Saldanha u. MTS Securities Corporation I Hiross Holding AG); zustimmend Wolf-Dietrich Walker, EWiR 1997, S. 1081, 1082. 35 EuGH,2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325,5344 f., Rn. 24 (Saldanha u. MTS Securities Corporation I Hiross Holding AG). 36 Rs. C-60/99 (Proetta/Neil), vgl. ABlEG 1. 5. 1999, C 121, S. 11. 37 Zur Neuregelung Schütze, RIW 1999, S. 10. 38 EuGH, 10.2.1994, Rs. C-398 192, Slg. 1994,1-467 (Mund & Fester/Hatrex).
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
befand. Ein solcher dinglicher Arrest garantiert dem Gläubiger die Möglichkeit, ein späteres Urteil gegen den Schuldner tatsäGhlich und rechtzeitig vollstrecken zu lassen. Gemäß § 917 Abs. 1 ZPO liegt ein Arrestgrund vor, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 917 Abs. 2 ZPO in der bis zum 30. 9. 1998 geltenden Fassung, auf den sich die deutsche Firma berief, reichte es demgegenüber schon aus, wenn ein späteres Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste. Schwierigkeiten bei der Vollstreckung wurden in diesem Fall also unwiderleglich vermutet. Dadurch sollten die Gläubiger davor geschützt werden, ihre Forderungen möglicherweise nicht realisieren zu können, weil sie dazu den beschwerlicheren Weg einer Vollstreckung im Ausland einschlagen müssen. Das Landgericht lehnte den Antrag auf Erlass des Arrestbefehls ab, da es sich um die Vollstreckung eines Urteils in einem Vertragsstaat des EuGVÜ handelte. In der Beschwerdeinstanz legte das OLG Hamburg dem EuGH die Frage vor, ob eine Vorschrift wie § 917 Abs. 2 ZPO . a.F. gegenüber Mitgliedstaaten des EuGVÜ anwendbar ist. Es fragte nach der Auslegung der jetzigen Art. 12 Abs. 1 EG i.Y.m. Art. 293 (ex Art. 220) EG. Der EuGH stellte zunächst Überlegungen zum Anwendungsbereich des Vertrages als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 EG an. Das EuGVÜ sei auf Grundlage des Art. 293 EG geschlossen worden, der bezwecke, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu erleichtern. Daher stünden die Vorschriften des EuGVÜ und die nationalen Vorschriften, auf die es verweist, im nicht nur funktionellen, sondern auch rechtlichen - Zusammenhang mit dem EGVertrag. 39 Art. 24 EuGVÜ verweise hinsichtlich des Erlasses von einstweiligen Maßnahmen auf das nationale Recht, so dass § 917 Abs. 2 ZPO a.F. grundsätzlich anwendbar sei. Über diese Kette stehe er im Zusammenhang mit dem EG-Vertrag und unterliege somit der Kontrolle des Art. 12 Abs. 1 EG.
§ 917 Abs. 2 ZPO a.F. enthalte eine versteckte Form der Diskriminierung, da die große Mehrzahl der Vollstreckungen im Ausland Personen betreffe, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. 4o Eine Rechtfertigung scheitere daran, dass aufgrund des EuGVÜ die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten als einheitliches Ganzes angesehen werden müssten, da die Voraussetzungen für die Vollstreckung und die mit den Schwierigkeiten verbundenen Risiken in allen Mitgliedstaaten gleich seien. Daher begründe eine Vorschrift wie § 917 Abs. 2 ZPO a.F. eine ungerechtfertigte Ungleichheit. 41
39 EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994,1-467,478, Rn. 11 f. (Mund & Fester/ Hatrex). 40 EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994,1-467,479, Rn. 15 f. (Mund & Fester/ Hatrex). 41 EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994,1-467,480, Rn. 19 f. (Mund & Fester/ Hatrex); dem folgend OLG Frankfurt, Rpfleger 1995, S. 468, 469; dagegen Schlafen, NJW 1976, S. 2082 f.; Schack, ZZP 108 (1995), S. 47, 50.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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Der deutsche Gesetzgeber hat aufgrund dieser Entscheidung des EuGH durch Art. 2 c des Gesetzes vom 6.8. 199842 dem § 917 Abs. 2 ZPO einen neuen Satz 2 angefügt, der die Anwendung des Satzes 1 für die Vollstreckung im Bereich des EuGVÜ ausschließt.
Zweites Kapitel
Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden anhand der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 Abs. 1 EG die Kriterien herausgearbeitet werden, die für die Frage der Vereinbarkeit nationaler Zivilprozessnormen mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot von Bedeutung sind.
§ 7 Anwendungsbereich des Vertrages Im Hinblick auf eine Überprüfung des nationalen Zivilprozessrechts anhand von Art. 12 Abs. 1 EG stellt sich zunächst die Frage nach der Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages. Es ist nicht Aufgabe des Europäischen Gemeinschaftsrechts, jegliche Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu verhindern. Das Gemeinschaftsrecht regelt nicht alle Lebensverhältnisse der Bürger der Mitgliedstaaten, sondern es verfügt nur über Einzelkompetenzen. Was unter den Anwendungsbereich des Vertrages fällt, ist jedoch nicht näher definiert. Ausdrücklich enthält der Vertrag nur bestimmte Aufgaben (Art. 2 EG) und Ziele (Art. 3 EG) der Gemeinschaft, unter denen die Verwirklichung der Grundfreiheiten und die Beseitigung aller Hindernisse für den freien Verkehr hervorragen.
I. Keine Einwirkung des Gemeinschaftsrechts auf nationales Zivilprozessrecht? Der EuGH geht von einem sehr weiten Verständnis des Anwendungsbereiches im Sinne von "nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts" aus. 43 Die meist sehr schnelle Bejahung der Betroffenheit des Anwendungsbereichs des Vertrages in den besprochenen Entscheidungen verwundert, da der EG-Vertrag selbst keine Regelungen über das Zivilprozessrecht enthält.
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BGBl. I 1998, S. 2033. EuGH, 13.2.1985, Rs. 293/83, Slg. 1985, S. 593, 612, Rn. 19 (GravierlStadt Lüttich).
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
1. Keine Kompetenz zur Einwirkung auf das Zivilprozessrecht Da das Zivilprozessrecht mangels Gemeinschaftsregelung Sache der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ist, kann man sich auf den Standpunkt stellen, es falle in den Bereich der Souveränität der Mitgliedstaaten und daher bestehe für das Gemeinschaftsrecht keine Kompetenz zum Eingriff in diesen Bereich, soweit nicht die in der Einleitung angesprochenen Übereinkommen, spezielle Regelungen des Sekundärrechts oder die EMRK Einfluss auf die nationalen Prozessrechte ausüben (dazu oben § 3 I_III).44 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung45 und das Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Regelung des Zivilverfahrensrechts im EG-Vertrag - vorbehaltlich der neuen Kompetenznorm durch den Amsterdamer Vertrag gemäß Art. 61, 65 EG - stützen diese Auffassung. Die Bedenken gegen den Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf das Prozessrecht rühren daher, dass die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts früher weitgehend als ordnungsrechtliche Regeln für den Wirtschaftsverkehr angesehen wurden. 46 Dem Zivilprozessrecht wird im Gegensatz dazu meist ein großer Einfluss auf den Wirtschaftsverkehr abgesprochen. 47 Es wird auch nicht selten als rein technisches Recht ohne wesentliche Wertentscheidungen verstanden. 48
2. Kein genereller Ausschluss des Zivilprozess rechts aus dem Anwendungsbereich In neuerer Zeit wird allerdings immer öfter der Einfluss des Zivilverfahrensrechts auf die Gemeinschaftsrechte herausgestellt. Der Zugang zu den Gerichten anderer Mitgliedstaaten ist häufig erforderlich, um die Grundfreiheiten durchzusetzen. 49 Seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages wird sogar vertreten, der Binnenmarkt als teilharmonisierter Rechtsraum erfordere ein grenzüberschreitendes Prozessrecht mit erheblicher Regelungstiefe. 5o Zum Beispiel können Forderungen nach Prozesskostensicherheiten oder strenge Arrestvorschriften gegenüber Ausländern die Gemeinschaftsbürger davon abhalten, in anderen Mitgliedstaaten Geschäfte zu tätigen. Die Grundfreiheiten können 44 Dies bedenkend auch Herbert Roth. in: Müller-GrafflHerbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 355. 45 Vgl. Art. 5 S. 1,7 Abs. 1 S. 2. 202. 211, 249 Abs. 1 EG. 46 Ehricke. IPRax 1999, S. 311,312. 47 Jaeckel. Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozess, Diss. Münster 1995, S. 193 m. w. N. in Fn. 156; dagegen Stürnerl Stadler, in: Gilles (Hrsg.), Transnationales Prozessrecht, 1995, S. 263, 287. 48 Dagegen Stürnerl Stadler, in: Gilles (Hrsg.), Transnationales Prozessrecht, 1995, S. 263, 275. 49 So auch von Wilmowsky. ZaöRV 50 (1990), S. 231, 274. 50 Heß. NJW 2000, S. 23, 32.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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nicht vollständig verwirklicht werden, wenn nicht die allgemeinen Rahmenbedingungen des Marktrechts so ausgestaltet sind, dass von ihnen keine Diskriminierungen ausgehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bringt es die Garantie des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs als logische Folge mit sich, dass für Ausländer der Zugang zu den Gerichten nicht ungünstiger ausgestaltet werden darf als für die eigenen Staatsangehörigen des Gerichtsstaates. 51 Dass grundsätzlich dem nationalen Recht die Ausgestaltung des Verfahrens überlassen wird, stellt keine Anerkennung der Souveränität in diesem Bereich dar, sondern zeigt nur, dass die Gemeinschaft die Struktur der nationalen Gerichte benutzt. 52 Das Gemeinschaftsrecht nimmt nicht einzelne Rechtsgebiete von vornherein vollständig aus dem Anwendungsbereich des EG-Vertrages heraus (s.o. § 2 IV). Dass das Zivilprozessrecht zur Kompetenz der Mitgliedstaaten gehört, schließt also die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG nicht aus. Es ist danach eine Prüfung im Einzelfall erforderlich, ob der Anwendungsbereich des Vertrages in Bezug auf eine nationale Prozessrechtsvorschrift in einem zivilprozessualen Rechtsstreit eröffnet ist.
11. Absolute Kriterien
In der Literatur wird teilweise versucht, absolute Kriterien zu finden, um den Anwendungsbereich des EG-Vertrages zu definieren. Als solche absolute Kriterien werden zum einen der Wirtschaftsverkehr bzw. alle Sachgebiete genannt, die der Wirtschaft zuzurechnen sind. 53 In die gleiche Richtung geht die Fonnulierung, alle zivilprozessualen Vorschriften, die die gerichtliche Durchsetzung vennögenswerter Rechte zum Gegenstand haben, fielen in den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 EG. 54 Begründet wird dieser Ansatz damit, dass der EG-Vertrag die Gründung einer Wirtschaftsgemeinschaft zum Ziel habe. 55 Dies erscheint jedoch einerseits zu eng, da der Anwendungsbereich des EG-Vertrages nicht auf das Sachgebiet der Wirtschaft im engeren Sinne beschränkt ist, andererseits zu weit, da zum Wirtschaftsleben auch Bereiche gehören, die der EG-Vertrag ausdrücklich von seiner Anwendung ausnimmt, z. B. Art. 39 Abs. 4 oder 45 EG. 56 Hinzu kommt die Unbestimmtheit dieses Begriffes, die insbesondere auch fraglich erscheinen lässt, ob eine Materie wie das Zivilprozessrecht noch unter den Wirtschaftsverkehr zu sub51 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4675, Rn. 13 (Data Delecta und Forsberg / MSL Dynarnics). 52 Kakouris, CMLR 34 (1997), S. 1389, 1394. 53 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 296; Wohlfahrt/ Everling/Glaesner/Sprung, Art. 7 EWGV, Anm. 10. 54 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 354. 55 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 296; Drobnig, RabelsZ 34 (1970), S. 636, 645 f. 56 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 62 f.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
sumieren ist, so dass er damit insgesamt als taugliches Abgrenzungskriterium ausscheidet. 57 Anderer Ansicht zufolge legt der grenzüberschreitende Verkehr den Anwendungsbereich des Vertrages fest. 58 Auch gegen dieses absolute Kriterium spricht jedoch, dass der Vertrag z. B. mit Art. 119 EG und mit dem Wettbewerbsrecht über den grenzüberschreitenden Verkehr hinausreicht. Auch Sekundärnormen, z. B. Harmonisierungsmaßnahmen, betreffen oft letztlich den rein innerstaatlichen Bereich. Insgesamt spricht gegen ein absolutes Kriterium auch die Vielfältigkeit und Dynamik des Vertrages, der bei einem solchen starren Maßstab nicht gerecht zu werden ist. Es ist daher nach einem relativen Kriterium zu suchen, das zur Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages führt. 111. Gemeinschaftsrechtliche Regelung des betroffenen Gebiets Nach mittlerweile gesicherter Auffassung ist der Anwendungsbereich des Vertrages jedenfalls immer dann eröffnet, wenn der betroffene Bereich gemeinschaftsrechtlich geregelt ist. 59 Nach diesem relativen Kriterium ist alles erfasst, was dem Primär- und Sekundärrecht zugeordnet werden kann. Dies gilt auch für Kompetenzvorschriften des Vertrages, wenn sie ausgeübt wurden. Ausreichend ist, dass zumindest bestimmte Aspekte des konkreten Sachverhalts Rechtsfolgen des Gemeinschaftsrechts unterliegen. 60 Entgegen friiherer Stimmen in der Literatur61 wird dabei nicht eine explizite Regelung der Materie im EG-Vertrag verlangt, sondern auf die Rechtswirkungen der einzelnen Vorschriften des Vertrages und die darauf gegriindeten Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane abgestellt. 62 Dies wird aus dem Ziel des Art. 12 Abs. 1 EG hergeleitet, möglichst umfassend die Verwirklichung des Binnenmarktes voranzutreiben. 63 Dabei kommt es nicht darauf an, ob den Regelungen verpflichtende Wirkung zukommt. 64 Dies lässt sich schon dem Wortlaut "Anwendungsbereich" entnehmen, So auch Loewenheim, GRUR Int. 1993, S. 105, 108. Weatherill, ELR 15 (1990), S. 334, 339; Münnich, ZtRV 1992, S. 92, 98; Bungert, IStR 1993, S. 481, 486. 59 EuGH, 2. 2. 1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, S. 195,219, Rn. 10 (Cowan/Tresor Public); 24. 11. 1998, Rs. C-274/96, Slg. 1998,1-7637,7655, Rn. 14 (Biekel); Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlennann, Art. 6 EGV, Rn. 12 f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1764. 60 von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 44. 61 Bleckmann, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlennann, 3. Aufl., Art. 7 EGV, Rn. 25 f. 62 Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlennann, Art. 6 EGV, Rn. 12; Ehricke, European Review ofPrivate Law 1995, S. 613, 622; ders., IPRax 1999, S. 311, 315. 63 Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 315. 64 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1765; Wolf-Dietrich Walker, EWiR 1997, S. 1081, 1082; a.A. Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 65. 57
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2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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der gerade nicht auf den Pflichtenkreis der Mitgliedstaaten abstellt. Es reicht aus, dass ein Mitgliedstaat in einem gemeinschaftsrechtlich determinierten Rahmen handelt, der bezweckt, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten. 65 Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann, wenn die Regelungsmaterie grundsätzlich in die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers fällt, da das Gemeinschaftsrecht dieser Zuständigkeit Grenzen zieht. 66 Zu berücksichtigen ist, dass der Anwendungsbereich des Vertrages nicht ein für allemal feststeht, sondern, beeinflusst von der Fortentwicklung der Gemeinschaftspolitiken und des Sekundärrechts, in einer dynamischen Entwicklung begriffen ist. Seit einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 verwendet der EuGH bei der Frage der Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages in ständiger Rechtsprechung die Formulierung, dass nationale "Rechtsvorschriften weder zu einer Diskriminierung von Personen führen [dürfen], denen das Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf G1eichbehandlung verleiht, noch die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken [dürfen]".67
1. Anspruch aufGleichbehandlung Im Fall Saldanha68 wandte der EuGH Art. 44 Abs. 2 lit. g (ex Art. 54 Abs. 3 lit. g) EG an, um den Anwendungsbereich des Vertrages zu eröffnen. 69 Eine Zivilprozessnorm dürfe keine Diskriminierung von Personen bewirken, die nach dem Gemeinschaftsrecht einen Anspruch auf Gleichbehandlung haben. Der klagende Gesellschafter war gegenüber einer in einern anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft zu schützen. Art. 44 Abs. 2 lit. g EG sieht vor, dass der Rat und die Kommission die Schutzbestimmungen koordinieren können, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen "gleichwertig" zu gestalten. Daraufhin erlassene Schutzvorschriften fallen nach Auffassung des EuGH somit in den Anwendungsbereich des EG-Vertrages. Aus der Norm sei abzuleiten, dass die dem Schutz der Interessen von Gesellschaftern dienenden Bestimmungen des Gesellschaftsrechts Geiger, Art. 6 EGV, Rn. 10. Vgl. nur EuGH, 2. 2. 1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, S. 195,222, Rn. 19 (Cowan/Tresor Public); 26. 9.1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4675, Rn. 12 (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynamics); s. auch oben § 2 IV. 67 EuGH, 2. 2.1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, S. 195,222, Rn. 19 (Cowan/Tresor Public) (zum Strafverfahrensrecht); 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145,5179 f., Rn. 23 ff. (Collins/lmtrat); 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4675, Rn. 12 (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynamics); 20. 3.1997, Rs. C-323 195, Slg. 1997,1-1711,1715, Rn. 17 (Hayes/Kronenberger); 2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325,5344, Rn. 21 (Saldanha u. MTS Securities Corporation 1Hiross Holding AG); Kampf, NJW 1990, S. 3054, 3056. 68 s.o. § 5. 69 Zustimmend Wolf-Dietrich Walker, EWiR 1997, S. 1081, 1082. 65
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
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zu den Gemeinschaftsaufgaben gehörten und diese damit in den Anwendungsbereich des Vertrages fielen. 7o Weitere Normen im EG-Vertrag, die einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleihen, sind - abgesehen von den Grundfreiheiten - etwa Art. 72, 75 (ex Art. 76, 79), Art. 90 (ex Art. 95) und Art. 141 (ex Art. 119) EG.
2. Beschränkung der Grundfreiheiten
Im Zusammenhang mit den Normen des Zivilprozessrechts war in der Rechtsprechung des EuGH häufig der zweite Teil der Formel ausschlaggebend: Zivilprozessuale Vorschriften dürfen nicht die vom Gemeinschaftsrecht garantierten Grundfreiheiten beschränken. 7 ! Im Urteil Boussac Saint FrereslGerstenmeier äußerte sich der EuGH bei der Untersuchung, ob eine Regelung wie § 688 ZPO a.F. dem Gemeinschaftsrecht widerspricht, nicht ausdrücklich zur Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages. Er führte nur aus, dass eine solche Regelung Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligen und für den innergemeinschaftlichen Hande1sverkehr ein Hindernis bilden könne. 72 Für den Generalanwalt reichte der Hinweis darauf, dass die im Mahnverfahren geltend gemachte Forderung ein Kaufpreisanspruch aus einem grenzüberschreitenden Warengeschäft war. 73 Ausschlaggebend war danach also der Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr. In den Urteilen Data Delecta und Hayes I Kronenberger zur Prozesskostensicherheit bezog der EuGH sich auf die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen. 74 Generalanwalt La Pergola stellte in den Schlussanträgen zum Fall Hayes I Kronenberger darauf ab, dass die Klagemöglichkeit eine unerlässliche Ergänzung der vom Vertrag verliehenen Rechte darstelle, so dass auch der Rechtsschutz insoweit Gemeinschaftscharakter habe. Dies führe dazu, dass auch die Vorschriften über den Verfahrensablauf das Recht der Gemeinschaftsbürger auf Rechtsschutz entsprechend dem im Vertrag verankerten Diskriminierungsverbot sicherstellen müssten. 75 Die Grundfreiheiten Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 317. Hans Peter lpsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 596; Loewenheim, GRUR Int. 1993, S. 105, 107; ähnlich Weatherill, ELR 15 (1990), S. 334, 339; ders., CMLR 26 (1989), S. 563, 571: Der Betroffene müsse eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivität entfaltet haben. 72 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 10 (Boussac Saint-Freres 1Gerstenmeier). 73 Generalanwalt Mayras, Schlussanträge zu EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3443 (Boussac Saint-Freres 1Gerstenmeier). 74 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996,1-4661,4675 f., Rn. 13 ff. (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynamics); 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Slg. 1997,1-1711, 1722 ff., Rn. 13 ff. (Hayes/Kronenberger). 70
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2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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seien nur so viel wert, wie ihre gerichtliche Durchsetzung entsprechend diskriminierungsfrei gesichert sei. Generalanwalt Tesauro stellte in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Mund & FesterlHatrex heraus, dass die gemeinschaftsweite Freizügigkeit von Urteilen von grundlegender Bedeutung für die Vermeidung von Schwierigkeiten sei, die sich für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ergeben könnten, wenn sich die individuellen Anspriiche, die sich aus der Vielzahl der in diesem Markt bestehenden Rechtsbeziehungen ergäben, nicht mit Leichtigkeit feststellen und durchsetzen ließen. 76 Ein Antrag, der mit einer vertraglichen Haftungsklage wegen einer Dienstleistung in Zusammenhang stehe, die von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen einem Kunden in einem anderen Mitgliedstaat erbracht worden sei, könne schwerlich als außerhalb des gemeinschaftlichen Zuständigkeitsbereichs angesehen werden. Er wirke sich jedenfalls auf die Handelsbeziehungen innerhalb der Gemeinschaft aus. 77 Über die Verknüpfung mit den Grundfreiheiten fallen somit nach der Rechtsprechung des EuGH auch nationale Bestimmungen in den Anwendungsbereich des Vertrages, die zwar nicht von anderen Vertragsbestimmungen erfasst sind, denen aber eine notwendige akzessorische Funktion bei der Realisierung der gemeinschaftsrechtlichen Positionen zukommt. 78 Sie sind für die Verwirklichung der Grundfreiheiten insoweit von wesentlicher Bedeutung, als ihre Gewähr notwendige Bedingung wirksamer Rechtsausübung ist. Der diskriminierungsfreie Zugang zu den Gerichten stellt sich als Begleitfreiheit gegenüber den Grundfreiheiten des EG-Vertrages dar. 79 Eine Beschränkung der Rechtsschutzgewährung bei Streitigkeiten, die in Ausübung der Grundfreiheiten entstehen, führt zur Beeinträchtigung dieser Freiheiten. 8o Der Gemeinsame Markt kann nur dann störungsfrei funktionieren, wenn in Ausübung der Grundfreiheiten entstehende Anspriiche ohne Beschränkungen vor den Gerichten durchsetzbar sind. Aus der Rechtsprechung des EuGH wird deutlich, dass jeder Marktbürger, der von einer Grundfreiheit Gebrauch macht, sowohl hinsichtlich der formellen Berechtigung zur Klageerhebung als auch der damit verbundenen praktischen Modalitäten einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmestaats hat. 81 75 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge zu EuGH, 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Sig. 1997,1-1711,1715 (Hayes/Kronenberger). 76 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10.2.1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994, 1- 467, 471 (Mund & Fester/Hatrex). 77 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10.2.1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994, 1- 467, 471, Fn. 4 (Mund & Fester/Hatrex). 78 EuGH, 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Sig. 1993, 1-5145 (Collins/lmtrat); von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 36. 79 Christian Wolf, RIW 1993, S. 797, 799. 80 So auch das vorlegende Gericht zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999, 13845 (ED Srl./ltalo Fenocchio), vgl. Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge S. 3856. 81 s. auch das Grünbuch der Kommission, KOM (2000) 51 endg. 4 Tönsfeuerborn
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
3. Konkreter Veifahrensgegenstand
Erforderlich ist, dass zwischen dem gemeinschaftsrechtlich geregelten Element des Sachverhalts und der spezifischen Rechtsfrage, die die nationale Bestimmung regelt, ein Zusammenhang besteht. 82 Daraus folgt, dass es für die Beantwortung der Frage, ob der Anwendungsbereich des Vertrages eröffnet ist, bei zivilprozessualen Regelungen jeweils auf den Gegenstand des konkreten Verfahrens ankommen muss. Da die Bestimmungen des Zivilprozessrechts als solche keinen spezifischen Bezug zum Anwendungsbereich des Vertrages haben, kann man nur bei Betrachtung des Streitgegenstandes des zugrundeliegenden Prozesses ermitteln, ob ein Anspruch auf Gleichbehandlung verletzt oder der Schutzbereich einer Grundfreiheit betroffen ist. 83 Im Fall des § 688 ZPO a.F. kommt es wie bei § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. auf das zugrundeliegende Rechtsgeschäft an, aus dem der Anspruch auf Zahlung der Geldsumme entstanden ist. Bei § 917 Abs. 2 ZPO a.F. ist ausschlaggebend, ob der Arrestanspruch aus einem Geschäft in Ausübung einer Grundfreiheit bzw. im Rahmen eines Gleichbehandlungsanspruches entstanden ist. 4. Beschaffenheit des Zusammenhangs
Einer Konkretisierung bedarf schließlich die Frage, wie der Zusammenhang mit der Ausübung der Grundfreiheiten beschaffen sein muss bzw. welcher Art die Auswirkungen der Regelung auf die Grundfreiheiten sein müssen.
a) Quantitative Einschränkung Teilweise wird eine quantitative Einschränkung gefordert. So wurde in der Literatur etwa der Zusammenhang mit den Grundfreiheiten bei § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. verneint, da dieser lediglich eine auf Rüge zu beachtende Verpflichtung enthalte, die in der gerichtlichen Praxis selten vorkomme. Daher sei es kaum vorstellbar, dass das Bestehen dieses Hindernisses den Erbringer einer Dienstleistung oder den Lieferanten einer Ware von seiner wirtschaftlichen Tätigkeit abbringen werde. 84 Erforderlich ist danach der Nachweis einer spürbaren Behinderung des Warenverkehrs durch die betroffene Norm. Für eine solche quantitative Einschränkung lassen sich allerdings im Vertragstext keine Anhaltspunkte finden. Sie führt dariiber hinaus zu erheblicher Rechtsun82 EuGH,2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325,5343, Rn. 17 (Saldanha u. MTS Securities Corporation I Hiross Holding AG); Streinzl Leible, IPRax 1998, S. 162,165. 83 So ZU § 110 ZPO Bungert, EWS 1993, S. 315, 324; a.A. Zimmermann, RIW 1992, S.707,711. 84 Jäger, EWS 1997, S. 37,41.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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sicherheit. Auch die Rechtsprechung des EuGH folgt einer solchen Einschränkung nicht.
b) Auswirkungen auf die Ausübung der Grundfreiheiten Ein ausreichender Zusammenhang liegt danach immer dann vor, wenn der zugrunde liegende Anspruch aus einem Geschäft stammt, das in Ausübung einer Grundfreiheit geschlossen wurde. Entscheidend ist, dass die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG erforderlich ist, um die Realisierung der betreffenden Grundfreiheit zu ermöglichen. 85 Aus den weiten Formulierungen des EuGH, der betont, dass die zivilprozessuale Norm - wenn auch nur mittelbare - Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen haben muss,86 wird teilweise darüber hinaus geschlossen, dass die Klage ihren Rechtsgrund nicht gerade in der betreffenden Grundfreiheit haben müsse, sondern dass auch Neben- und Sicherungsgeschäfte erfasst seien. 87 Auf der einen Seite würde dadurch der Anwendungsbereich noch weiter und unschärfer. Die ohnehin schon sehr weite Auslegung spricht daher für die Festlegung einer klaren Grenze mit der Erfassung nur derjenigen Streitgegenstände, deren Ansprüche sich aus der Ausübung der Grundfreiheit selbst ergeben. 88 Die Formulierung des EuGH lässt diese Einschränkung hingegen kaum zu. Wenn man der Auslegung des EuGH folgt, wird man also auch Neben- und Sicherungsgeschäfte erfassen müssen. Der Anwendungsbereich des Vertrages ist danach jedenfalls nicht eröffnet bei Klagen aus abgetretener Forderung,89 bei den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Ehescheidungsverfahren. 90 Gleiches gilt für den Schuldbeitritt zu einer Schuld aus einer nicht grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung. 91
Steindorff, Grenzen der EG-Kornpetenzen, 1990, S. 29. EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996,1-4661,4676, Rn. 15 (Data Delecta und Forsberg/MSL Dynarnics); 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Slg. 1997, 1-1711, 1724, Rn. 17 (Hayes I Kronenberger). 87 Czemich, ÖJZ 1998, S. 251, 253. 88 Für eine enge Auslegung auch Jäger, NJW 1997, S. 1220, 122l. 89 Jäger, EWS 1997, S. 37,42. 90 Bungert, EWS 1993, S. 315, 324. 91 Jäger, EWS 1997, S. 37, 42. 85
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
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IV. Kompetenzvorschriften
Über den Bereich der gemeinschaftsrechtlichen Regelung des betroffenen Gebietes hinaus sollen nach einer Ansicht im Schrifttum zusätzlich alle Gebiete in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen, auf denen die Gemeinschaft Rechtsakte erlassen kann. Dies soll nicht davon abhängen, ob sie die einzelne Kompetenz schon in Anspruch genommen hat. 92 Die Beschränkung auf den Anwendungsbereich des Vertrages solle nur klarstellen, dass Art. 12 Abs. 1 EG nicht auf Materien ausgedehnt werden dürfe, für die keine Gemeinschaftskompetenz bestehe. Die Geltung des Diskriminierungsverbotes könne nicht davon abhängig gemacht werden, wie schnell die Gemeinschaftsorgane von ihren Kompetenzen Gebrauch gemacht haben. 93 Zur Begründung dieser weiten Auslegung wird die Stellung der Norm im ersten Teil des EG-Vertrages und das Ziel einer möglichst umfassenden Integration zur Verwirklichung des Binnenmarktes angeführt. 94
1. Spezielle Kompetenznormen
a) Art. 44 Abs. 2 lit. g EG Ein Rechtsprechungsbeispiel für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages bei zivilprozessualen Normen im Zusammenhang mit einer Kompetenznorm bietet der Fall Saldanha 95 (s.o. § 5). Er zeigt, wie weit der EuGH den Anwendungsbereich des Vertrages auslegt. Zum ersten Mal bestand kein Zusammenhang mit dem Austausch von Waren oder Dienstleistungen, sondern es wurde auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EG - also auf eine bloße Kompetenznorm - Bezug genommen. Art. 44 Abs. 2 lit. g EG stellt eine eigene Rechtsgrundlage dar, die die Koordinierung der vom einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Strukturen beinhaltet. Sie führt faktisch zur Erleichterung der Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere durch Regeln über die Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat und durch die Harmonisierung von Schutzvorschriften zugunsten von Gesellschaftern und Gläubigern. 96 Mit der Berufung auf diese Norm für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages wurde die bisherige Rechtsprechung ausgeweitet. Abgestellt wurde allerdings in der Entscheidung nicht darauf, dass Art. 44 Abs. 2 lit. g EG eine Kompetenznorm ist, sondern darauf, dass diese Norm einen Anspruch auf Gleichbehandlung gewährt (s.o. III 1).
von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 38. Braun, IPRax 1994, S. 263, 264. 94 von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 38. 95 EuGH,2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325 (Saldanha u. MTS Securities Corporation/Hiross Holding AG). 96 Geiger, Art. 54 EGV, Rn. 12. 92
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2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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b) Art. 61lit. c i.Y.m. Art. 65 EG Von zunehmender Bedeutung für den Bereich des Zivilverfahrensrechts ist die Frage der Einbeziehung von Kompetenznormen auch aufgrund der durch den Amsterdamer Vertrag neu eingefügten Art. 611it. c LY.m. Art. 65 EG. Sie schaffen die Kompetenz zum Erlass von Maßnahmen des sekundären Gemeinschaftsrechts insbesondere gemäß Art. 249 (ex Art. 189) EG97 im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Die vorgesehenen Maßnahmen sind konstitutiv, bestätigen also nicht nur ein bereits in Art. 14 (ex Art. 7 a) EG begründetes Recht, da sonst die festgeschriebenen Ausnahmen für einige Mitgliedstaaten nicht zu erklären wären. 98 Art. 65 lit. a EG sieht die Verbesserung und Vereinfachung von Zustellung, Beweismittelerhebung, Anerkennung und Vollstreckung vor. Art. 65 lit. b EG regelt die Förderung der Vereinbarkeit von Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten. Art. 65 lit. c EG nennt die Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. Aufgrund der klaren und detaillierten Festlegung der einzelnen zu regelnden Bereiche wird man hier die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages im Falle einer diskriminierenden Regelung nicht mehr verneinen können. Auch diese Normen wird man in Zukunft also prüfen müssen, wenn es um die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EG im Zusammenhang mit einer zivilprozessualen Norm geht, wenngleich in den meisten der dort genannten Bereiche das autonome Recht ohnehin bereits durch Übereinkommen verdrängt wird. 2. Generalklauseln Abzugrenzen sind diese speziellen Kompetenzvorschriften von den generalklausei artigen Ermächtigungsnormen der Art. 94, 95 (ex Art. 100, 100 a) und 308 (ex Art. 235) EG. Auch sie eröffnen nach einem Teil der Literatur den Anwendungsbereich des Vertrages. 99 Gegen deren Erfassung spricht jedoch, dass dann dem Kriterium "im Anwendungsbereich des Vertrages" tatsächlich kaum noch Bedeutung zukäme. (00 Vielmehr würde diese Auslegung zu einer umfassenden Reichweite Jaymel Kohler, IPRax 1997, S. 385, 386. Das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark nehmen zunächst nicht teil, ABlEG 10.11. 1997, C 340, S. 97 f. 99 von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 38. 100 BGH, EuZW 1992, S. 644, 646; Loewenheim, GRUR Int. 1993, S. 105, 109; Ackermann, CMLR 35 (1998), S. 783, 791; Zuleeg, in: von der GroebenlThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 13. 97
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
des Diskriminierungsverbotes aus Gründen der Staatsangehörigkeit führen. Das Kriterium würde seine Bestimmtheit verlieren, da zunächst die Feststellung der Gebiete erforderlich wäre, die nach den Art. 94, 95 EG harmonisiert werden können oder bei denen nach Art. 308 EG ein Tätigwerden der Gemeinschaft erforderlich iSt. IOI Insbesondere Art. 308 EG nimmt zudem nur eine Lückenfüllfunktion ein, so dass eine Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages über die generalklauselartigen Kompetenznormen abzulehnen ist. 102
V. Komplementärrecht Zum Komplementärrecht, auch kooperatives Gemeinschaftsrecht genannt, zählen die Gemeinschaftskonventionen nach Art. 293 (ex Art. 220) EG sowie weitere Übereinkommen, die die Umsetzung des mit dem EG-Vertrag angelegten Integrationsprojektes erleichtern sollen. 103 Es stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mund & FesterlHatrex lO4 (s.o. § 6) die Frage, ob solches Komplementärrecht in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt, wenn es im Vertrag vorgesehen ist.
1. Einbeziehung des Komplementärrechts Generalanwalt Tesauro stellte im Fall Mund & FesterlHatrex darauf ab, dass die gemeinschaftsweite Freizügigkeit von Urteilen von grundlegender Bedeutung für die Vermeidung von Schwierigkeiten sei, die sich für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes ergeben könnten, so dass das EuGVÜ in den Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 2 EG falle. lOS Ausreichend ist danach, dass das EuGVÜ auf Grundlage des Art. 293, 4. Spstr. EG geschlossen wurde. Auch der EuGH kam in dieser Entscheidung zu dem Ergebnis, dass über Art. 293, 4. Spstr. EG die Vorschriften des EuGVÜ und die nationalen Vorschriften, auf die es verweist, im Zusammenhang mit dem EG-Vertrag stehen. 106
101 Reitmaier; Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 63 f. 102 So auch Ackermann, CMLR 35 (1998), S. 783, 792. 103 von Bogdandy/ Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. I EGV, Rn. 27. 104 EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467 (Mund & Fester/Hatrex); so auch Pfeiffer; Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 355. 105 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,471 (Mund & Fester/Hatrex). 106 EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,478, Rn. II f. (Mund & Fester/ Hatrex); zustimmend van Haegenborgh / de Baets, European Review of Private Law, 1995, S. 613, 616 ff.; ebd., Ehricke, S. 623; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 39.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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2. Keine Einbeziehung des Komplementärrechts Einzuwenden ist gegen diese Argumentation zunächst, dass der EuGH damit EU-Recht und Staatsvertragsrecht unzulässigerweise miteinander vermengt,107 da die Übereinkommen, die auf Grundlage des Art. 293 EG geschlossen werden, gerade kein EG-Recht, sondern eigenständige völkerrechtliche Verträge sind, denen jeder einzelne Mitgliedstaat zunächst gesondert beitreten muss. Art. 293 EG statuiert nur eine Verhandlungspflicht. Den Mitgliedstaaten ist es vorbehalten, diese Fragen selbst zu regeln. Die Regelung ist daher auch nicht als Kompetenznorm aufzufassen, sondern die Mitgliedstaaten hätten auch ohne Art. 293 EG die entsprechenden Übereinkommen schließen können. 108 Gegen die Einbeziehung von auf Art. 293 EG beruhenden Übereinkommen spricht zudem, dass das EuGVÜ mit seinen Zuständigkeitsregelungen sogar über diese Verhandlungspflicht hinausgeht. Dadurch, dass das EuGVÜ neben der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen auch die internationale Zuständigkeit regelt, schreibt es vor, in welchem Mitgliedstaat eine zivil- oder handeisrechtliche (vgl. Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ) Klage zu erheben ist. Über das Prinzip der lex fori steht damit gleichzeitig fest, welches Verfahrensrecht anwendbar ist. Demnach könnte das gesamte nationale Zivilverfahrensrecht über Art. 293, 4. Spstr. EG LY.m. den Zuständigkeitsregelungen des EuGVÜ unter den Anwendungsbereich des EG-Vertrages subsumiert werden. Es käme dann nicht mehr auf den konkreten Verfahrensgegenstand an,109 und das Tatbestandsmerkmal würde weiter an Bedeutung verlieren. Problematisch ist darüber hinaus im speziellen Fall des § 917 Abs. 2 ZPO a.F., ob eine solche Vorschrift überhaupt in den sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ fällt. 110 Für einstweilige Maßnahmen verweist Art. 24 EuGVÜ nämlich auf das nationale Recht. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass das nationale Recht in diesem Bereich beliebig seine Regelungen beibehalten darf. 111 Hätten die Mitgliedstaaten Normen wie § 917 Abs. 2 ZPO als gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßend angesehen, hätten sie einen Ausschlusskatalog formulieren müssen, wie dies etwa in Art. 3 EuGVÜ geschehen ist. 112 So auch Mankowski, EWiR 1996, S. 1007, 1008. Streinz, Europarecht, Rn. 425. 109 Zimmermann, R1W 1992, S. 707, 712; Sehaek, ZZP 108 (1995), S. 47, 49; Kahler; ZEuP 1995, S. 482, 488; Jäger; EWS 1997, S. 37,41. 110 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398 192, Slg. 1994,1-467,470 (Mund & Fester 1Hatrex). 111 Schaek, ZZP 108 (1995), S. 47, 49; Mankowski, NJW 1992, S. 599, 601 mit Nachweisen; vgl. zur Zuständigkeit des Gerichts zum Erlass einstweiliger Maßnahmen auch EuGH, 17. 11. 1998, Rs. C-391195, Slg. 1998, 1-7091 (Van Uden/Deco Line); dazu Stadler; JZ 1999, S. 1089. 112 Generalanwalt Tesauro entgegnet dem allerdings mit der Argumentation, dass auch die Bestimmungen des nationalen Rechts, auf die Art. 24 EuGVÜ verweist, nicht im Wider107
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
Generalanwalt La Pergola meint zu dieser Entscheidung des EuGH in den Schlussanträgen zum Fall Data Delecta, die Berufung auf das EuGVÜ beruhte auf der Besonderheit des Falles, dass das vorlegende Gericht seine Frage allein unter Bezugnahme auf das EuGVÜ formuliert hatte. ll3 Dieser Ansatz des EuGH, den er auch in anderen Entscheidungen nicht weiterverfolgt hat, ist folglich abzulehnen. Statt dessen ist auf den konkreten Streitgegenstand abzustellen und danach zu entscheiden, ob dieser im Zusammenhang mit einem Gleichbehandlungsgebot, den Grundfreiheiten oder Art. 65 EG steht (vgl. oben III und IV). Der Anwendungsbereich des Vertrages hätte im Fall Mund & Fester/ Hatrex auf die Einflüsse des § 917 Abs. 2 ZPO a.F. auf den freien Dienstleistungsverkehr gestützt werden können, da der Transport der Ware durch den Spediteur eine Dienstleistung darstellte. Dies kommt auch in den Schlussanträgen von Generalanwalt Tesauro zum Ausdruck, der ausführt, dass ein Antrag, der mit einer vertraglichen Haftungsklage wegen einer Dienstleistung im Zusammenhang steht, die von einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen einem Kunden in einem anderen Staat erbracht wurde, schwerlich als außerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereichs liegend angesehen werden könne, da er sich jedenfalls auf die Handelsbeziehungen innerhalb der Gemeinschaft auswirke. 114
VI. Ergebnis Im Ergebnis kommt es damit nach der hier vertretenen Ansicht für die Eröffnung des Anwendungsbereiches des EG-Vertrages bei zivilprozessualen Regelungen in erster Linie darauf an, ob dem Rechtsstreit die Ausübung einer Grundfreiheit zugrunde liegt. 115 Ist dies nicht der Fall, kann sich die Eröffnung des Anwendungsbereiches im Einzelfall auch aus einer Norm ergeben, die einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht. Schließlich kann auch die Neuregelung in Art. 65 EG - als spezielle Kompetenznorm - den Anwendungsbereich des Vertrages im Bereich des Zivilverfahrensrechts eröffnen. Damit wird der Anwendungsbereich des EG-Vertrages sehr weit ausgelegt. Obwohl die Ausgestaltung der Zivil verfahren Sache der internen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist, reicht es aus, dass ein Zusammenhang mit einer der Grundfreiheiten besteht, um eine zivilprozessuale Norm am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 EG zu überpriifen. Der EuGH nimmt also die Kompetenz für sich in Anspruch, das spruch zu den Bestimmungen des EG-Vertrages stehen dürfen, Schlussanträge zu EuGH, 10.2.1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,472 (Mund & Fester/Hatrex). 113 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge zu EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Sig. 1996,1-4661,4669 (Data Delecta und Forsberg/MSL Dynamics). 114 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,471, Fn. 4 (Mund & Fester/Hatrex). 115 So auch Herbert Roth, in: Müller-Graffl Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 356.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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gesamte Zivilverfahrensrecht der Mitgliedstaaten am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 EG zu messen, sofern nur die Ausübung der Grundfreiheiten betroffen iSt. 116 Dahinter stehen nicht zuletzt die Befugniserweiterungen durch die Verträge von Maastricht und Amsterdam, durch die sich immer mehr eine umfassende politische Gemeinschaft herausbildet. 117
§ 8 Unbeschadet besonderer Bestimmungen Art. 12 Abs. 1 EG verbietet Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit nur "unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages". "Unbeschadet besonderer Bestimmungen" bedeutet vorbehaltlich, 118 d. h. soweit nichts anderes bestimmt ist. Spezielle Diskriminierungsverbote enthalten insbesondere die Grundfreiheiten, wobei nur deren Schutzbereich eröffnet sein muss. 119 Damit ist eine Maßnahme, die mit einem spezifischen Diskriminierungsverbot vereinbar ist, zugleich auch mit Art. 12 Abs. 1 EG vereinbar. 12o Art. 12 Abs. 1 EG hat die Funktion, eventuelle Lücken im Gemeinschaftsrecht zu schließen. 121 Dies wird in einigen Entscheidungen des EuGH auch ausdrücklich hervorgehoben. 122 Trotzdem zieht die Rechtsprechung Art. 12 Abs. 1 EG oft neben den speziellen Diskriminierungsverboten heran und bezeichnet die betreffenden besonderen Bestimmungen als Konkretisierungen. 123 Naheliegend ist zunächst, immer dann, wenn es um die Durchsetzung der Grundfreiheiten geht, auf die spezielle Freiheit abzustellen, die durchgesetzt werden soll. 124 Will der Verkäufer etwa eine Kaufpreisforderung aus einem grenzüberschreitenden Warengeschäft gerichtlich geltend machen, wären Art. 28 ff. EG einschlägig. Kubis, ZEuP 1999, S. 967, 969. So auch Rossi, EuR 2000, S. 197, 198. 118 EuGH, 14. 7. 1977, Rs. 8177, Sig. 1977, S. 1495, 1506, Rn. 11 (Sagulo, Brenca und Bakhouche). 119 EuGH, 9. 6. 1977, Rs. 90176, Sig. 1977, S. 1091, 1127 f., Rn. 26 ff. (van Ameyde/ UCI); Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 6 EGV, Rn. 19. 120 EuGH, 9. 6.1977, Rs. 90176, Sig. 1977, S. 1091, 1127, Rn. 27 (van Ameyde/UCI). 121 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge zu EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 / 95, Sig. 1996,1-4661,4668 (Data De1ecta und Forsberg/MSL Dynamics). 122 EuGH, 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, SIg. 1991,1-5889,5927, Rn. 11 (Merci convenzionaIi porto di Genova/Siderurgica GabrieIIi); 14.7. 1994, Rs. C-379/92, SIg. 1994,1-3453, 3495, Rn. 18 (Peralta). 123 EuGH, 28. 6. 1978, Rs. 1178, Sig. 1978, S. 1489, 1496, Rn. 8/9,18/20 (Kenny IInsurance Officer); 17.4.1986, Rs. 59/85, SIg. 1986, S. 1283, 1302 f., Rn. 21 ff. (Niederlande/ Reed); 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Sig. 1993, 1-3777, 2793, Rn. 10 (Hubbard/Hamburger); 15.3.1994, Rs. C-45/93, Sig. 1994,1-911,920, Rn. 10 (Kommission/Spanien); 7. 3.1996, Rs. C-334/94, Sig. 1996,1-1307,1339 ff., Rn. 13,23 (Kommission/Frankreich). 124 So von Wilmowsky, ZaöRV 50 (1990), S. 231, 274. 116 117
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Diesen Weg geht der EuGH indes nicht. Er betont in neueren Entscheidungen zum Zivilprozessrecht unter Verweis auf das Collins IImtrat-Urteil, 125 es sei für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Vertrages nicht erforderlich, die Spezialbestimmungen der Art. 28, 30, 49 und 55 EG heranzuziehen. 126 Eine Begründung bleibt er schuldig. Grundsätzlich stellt er also auf Art. 12 Abs. 1 EG ab, begründet die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages aber oft mit der Betroffenheit der Grundfreiheiten. Zu beantworten ist also die Frage nach dem Grund für die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG und die Frage nach der Abgrenzung zu den Fällen, in denen er auf die speziellen Diskriminierungsverbote abstellt. Die Trennung zwischen den Grundfreiheiten und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot ist insbesondere dann problematisch, wenn nationale Bestimmungen sich in ihrer Zielrichtung nicht gegen eine bestimmte Grundfreiheit richten, sondern allgemein und unspezifisch die Ausübung der Grundfreiheiten behindern können. Auch das Zivilprozessrecht fallt in diese Kategorie, da je nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis potenziell jede Grundfreiheit berührt sein kann.
I. Konkrete Betroffenheit mehrerer Grundfreiheiten
Teilweise wird in der Literatur davon ausgegangen, dass der EuGH mit seinem Abstellen auf Art. 12 Abs. 1 EG Sachverhalten Rechnung tragen will, in denen mehrere Grundfreiheiten berührt sind. 127 Es gehe um Klagen, die zwar im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tatigkeit stehen, aber unter keine spezielle Grundfreiheit fallen. Gerade aus der Entscheidung im Fall Collins /lmtrat - in dem sowohl die Waren verkehrs- als auch die Dienstleistungsfreiheit berührt waren - gehe hervor, dass damit die speziellen Grundfreiheiten nicht verdrängt werden sollen. Es solle vielmehr verdeutlicht werden, dass der Anwendungsbereich des Vertrages auch dann eröffnet sein kann, wenn Grundfreiheiten zwar berührt, aber tatbestandIich nicht konkret einschlägig sindYs Auch in der Entscheidung Cowan entstand eine solche Gemengelage. Es ging um Touristen, die im Reiseland in der Regel sowohl Dienstleistungen entgegennehmen als auch Waren kaufen. 129 Gegen das Erfordernis einer konkreten Betroffenheit mehrerer Grundfreiheiten spricht hingegen, dass in zahlreichen Entscheidungen, in denen der EuGH auf Art. 12 Abs. 1 EG abstellte, nur eine Grundfreiheit als betroffen in Betracht 125 EuGH,20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145,5180, Rn. 27 (Collinsl 1mtrat). 126 EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996,1-4661,4675 f., Rn. 14 (Data Delecta und Forsberg/MSL Dynamies); 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Slg. 1997,1-1711, 1723 f., Rn. 16 (Hayes 1Kronenberger). 127 Jäger; EWS 1997, S. 37,42; Streinzl Leible, 1PRax 1998, S. 162, 165. 128 Streinzl Leible, 1PRax 1998, S. 162, 165. 129 Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 6 EGV, Rn. 20.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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kam. 130 Dies kann für den EuGH damit nicht das ausschlaggebende Kriterium gewesen sein.
11. Potenzielle Betroffenheit mehrerer Grundfreiheiten Naheliegend ist daher, darauf abzustellen, dass durch die in Frage stehende Regelung potenziell mehrere Grundfreiheiten berührt werden können. Erfasst werden von Art. 12 Abs. 1 EG danach immer die Fälle, in denen sich Regelungen in ihrer Zielrichtung nicht gegen eine bestimmte Grundfreiheit richten. 131 Zivilprozessuale Regelungen wären danach immer unter Art. 12 Abs. 1 EG und nicht unter die speziellen Diskriminierungsverbote zu subsumieren. Auch dies kann für die Rechtsprechung des EuGH hingegen nicht ausschlaggebend gewesen sein. Auch in der Rechtssache Hubbard/Hamburger 132 ging es um die Regelung des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F., also eine Vorschrift, die potenziell jede Grundfreiheit berühren kann. Dort stellte der EuGH aber gerade nicht auf Art. 12 Abs. 1 EG ab, sondern auf die spezielle Norm des - heutigen - Art. 49 EG.
m. Allgemeiner oder spezifischer Bezug In der neueren Rechtsprechung finden sich Anhaltspunkte, dass darauf abzustellen ist, ob zwischen der Ausübung der jeweiligen Freiheit und der fraglichen Diskriminierung ein "spezifischer Bezug" besteht. 133 Ein solcher Bezug besteht z. B. bei der Klageerhebung, wenn sie - wie im Falle Hubbard/Hamburger 134 - gerade die Ausübung der Grundfreiheit darstellt,135 nicht aber, wenn sie die Konsequenz von Vertragsstörungen ist, wenn durch den Abschluss des Vertrages eine Grundfreiheit ausgeübt wurde. Die Grundfreiheiten greifen danach im Bereich des Zivilverfahrensrechts nur dann ein, wenn die Klageerhebung selbst zum primären 130 Z. B. EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996,1-4661 (Data Delecta und Forsbergl MSL Dynamics); 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Slg. 1997,1-1711 (Hayes/Kronenberger), wo jeweils nur die Betroffenheit der Warenverkehrsfreiheit in Betracht kam. 131 Streinz, Europarecht, Rn. 668; Streinzl Leible, IPRax 1998, S. 162, 165 f. 132 EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Slg. 1993,1-3777 (Hubbard/Hamburger); zum Sachverhalt s.o. § 5. \33 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993,1-6097,6131, Rn. 15 f. (Keck und Mithouard); 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993,1-6787,6822 f., Rn. 19 ff. (Hünermund u. a. 1Landesapothekerkammer Baden-Württemberg); so auch Bungert, EWS 1993, S. 315, 320; Streinzl Leible, IPRax 1998, S. 162, 165; von Bogdandy, in: GrabitzlHiif, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 60. 134 EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Slg. 1993, 1-3777 (Hubbard/Hamburger); zustimmend BorkISchmidt-Parzejall, JZ 1994, S. 18,20. 135 So auch So auch Herbert Roth, in: Müller-GrajJlHerbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 354 f.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Pflichtenkreis des Berechtigten zählt. Entscheidend ist ein Einfluss auf die Bedingungen der Erbringung der Leistung. Im Fall Hubbardl Hamburger wirkte sich die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Leistung einer Prozesskostensicherheit direkt auf seine Bedingungen zur Erbringung der Dienstleistung aus. 136 Namentlich im Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist diese Fallgestaltung denkbar. Nicht in dieses Schema passt allerdings die Entscheidung im Fall ED Sr/. IItalo Fenocchio 137 , da der EuGH - im Gegensatz zu den Schlussanträgen des Generalanwalts - dort nicht auf Art. 12 Abs. I EG abstellte, obwohl die Klage selbst nicht in Ausübung einer Grundfreiheit erhoben wurde. Der Grund kann darin liegen, dass das vorlegende Gericht keine Frage zur Auslegung des Art. 12 Abs. I EG gestellt hatte (s.o. § 4 11).
IV. Mittelbare oder unmittelbare Betroffenheit einer Grundfreiheit
In die gleiche Richtung geht der Ansatz von Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Mund & FesterlHatrex zu § 917 Abs. 2 ZPO a.F. Er verneinte einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, da es zu gewagt sei anzunehmen, dass ein Dienstleistungserbringer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund dieser Vorschrift in seinem Recht, Dienstleistungen in Deutschland zu erbringen, behindert werde. 138 Der Zusammenhang mit den Freiheiten sei zu mittelbar. Ähnlich argumentierte Generalanwalt La Pergola in seinen Schlussanträgen zum Fall Data Delecta. Für ihn war entscheidend, ob die Regelung zur Sicherung von Prozesskosten eine gemeinschaftsrechtlich geschützte Rechtsstellung - hier eine Grundfreiheit - unmittelbar oder mittelbar verletzt. Die Vorschrift sei "eindeutig prozessualer Natur und, wenn wir von ihrem normativen Inhalt ausgehen, als solche nicht dazu bestimmt, eine kaufmännische Tätigkeit zu regeln; sie bezweckt auch nicht, Hindernisse für den freien Warenverkehr zu errichten. Sie beeinflusst jedoch indirekt die Ausübung dieser Freiheit in dem Sinne, dass sie die Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten erschwert, die sich aus Geschäften und Handlungen ergeben, die mit dem freien Warenverkehr zusarnmenhängen.,,139 136 Dennoch gegen einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit Schütze, DZWir 1994, S. 22, 23. 137 EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845 (ED Srl.lltalo Fenocchio). 138 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398 / 92, Sig. 1994,1-467,471, Fn. 4 (Mund & Fester/Hatrex); der zweite Begründungsansatz, dass ein deutscher Kunde sich wegen dieser Vorschrift veranlasst sehen könnte, eine Spedition mit Sitz in Deutschland vorzuziehen, leuchtet hingegen nicht ein: § 917 Abs. 2 ZPO a.F. trug gerade dazu bei, dass deutsche Kunden unbesorgt auch Speditionen mit Sitz im Ausland beauftragen konnten. 139 26.9. 1996, Rs. C-43/95, Sig. 1996,1-4661,4668 (Data Delecta und Forsberg/MSL Dynamics).
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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In Fällen im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit, in denen die Klageerhebung nicht unmittelbar die Ausübung dieser Freiheit darstellte, sondern nur mittelbar - im Zuge der Durchsetzung der aus der Warenlieferung entstandenen Forderungen - in diesem Zusammenhang stand, stellte der EuGH auf Art. 12 Abs. 1 EG ab. 140 Demzufolge sind die besonderen Bestimmungen heranzuziehen, wenn es um nationale Regelungen geht, die die Ausübung der Grundfreiheiten unmittelbar betreffen, während Art. 12 Abs. 1 EG eingreift, wenn nationale Regelungen nur mittelbar bewirken, dass sich Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten in einer ungünstigeren Lage befinden als Inländer, wenn sie eine Grundfreiheit wahrgenommen haben. Eine mittelbare Auswirkung liegt insbesondere dann vor, wenn der Gerichtszugang infolge eines Rechtsstreits bei der Ausübung einer Grundfreiheit - etwa durch die Forderung einer Prozesskostensicherheit - erschwert wird.
v. Stellungnahme In der Rechtsprechung des EuGH fehlt bislang eine eindeutige Linie. Klar erkennbar ist jedenfalls die deutliche Ausweitung und der Bedeutungsgewinn des Art. 12 Abs. 1 EG im Hinblick auf die Beurteilung nationaler Prozessrechtsnormen, die den Zugang zu den Gerichten oder die Ausgestaltung des Rechtsschutzes betreffen. 141 Unter Zugrundelegung der unter III und IV herausgearbeiteten Kriterien führt die spezifische bzw. unmittelbare Betroffenheit einer Grundfreiheit zu einem Abstellen auf das jeweilige spezielle Diskriminierungsverbot, während die allgemeine bzw. mittelbare Betroffenheit einer Grundfreiheit die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG zur Folge hat. Praktisch lässt sich für das Zivilprozessrecht die Abgrenzung am besten anhand der Priifung durchführen, ob die Führung des Prozesses gerade die Ausübung der Grundfreiheit darstellt, oder ob die Führung des Prozesses nur als Folge der Ausübung einer Grundfreiheit entstanden ist. Nur im ersten Fall sind die speziellen Diskriminierungsverbote einschlägig. Gegen das Kriterium der Mittelbarkeit spricht allerdings, dass es zu einem Konflikt mit der weiten Dassonville-Formel 142 des EuGH für den Bereich der Warenverkehrsfreiheit führt, die auch mittelbare Behinderungen umfasst. 143 Problematisch an dieser Abgrenzung ist aber vor allem, dass nach dem Wortlaut die Grundfreiheiten mit den in ihnen enthaltenen speziellen Diskriminierungen gegenüber Art. 12 Abs. 1 EG vorrangig sind. Nach der Systematik des EG-Vertrages 140 Z. B. EuGH, 26. 9.1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996,1-4661 (Data Delecta und Forsbergl MSL Dynamics); 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Slg. 1997, 1-l711 (Hayes/Kronenberger); so auch Kohler, ZEuP 1997, S. 1030, 1040. 141 Kohler, ZEuP 1997, S. 1030,1040. 142 EuGH, 11. 7. 1974, Rs. 8/74, Slg. 1974, S. 837 (Dassonville); dazu unten § 25. 143 Abgrenzungsschwierigkeiten zu Art. 28 EG sieht auch Rossi. EuR 2000, S. 197,207.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
wäre zunächst das spezielle Diskriminierungsverbot zu prüfen. Ist dieses tatbestandiich einschlägig, kommt ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG nicht mehr in Betracht. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des speziellen Diskriminierungsverbotes hingegen nicht vor, so stellt es eine Umgehung der besonderen Voraussetzungen dar, wenn der EuGH unter Rückgriff auf die Grundfreiheiten, die ja nicht einschlägig sind, die Eröffnung des Anwendungsbereiches des Vertrages für eine Prüfung des Art. 12 Abs. 1 EG bejaht. 144 Den Grundfreiheiten wird damit eine doppelte Relevanz für den Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 EG eingeräumt. 145 Generalanwalt Cosmas ist deshalb in den Schlussanträgen zum Urteil ED Sr!. /Italo Fenocchio sogar der Auffassung, der EuGH habe mit dieser Rechtsprechung zum Zivilverfahrensrecht seine Auffassung zur Subsidiarität des Art. 12 Abs. I EG in gewissem Umfang geändert. 146 Auswirkungen ergeben sich insbesondere im Rahmen der Rechtfertigung, da die speziellen Diskriminierungsverbote regelmäßig auch eigene Rechtfertigungsgründe vorsehen. 147
§ 9 Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit Art. 12 Abs. 1 EG verbietet die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Daraus folgt, dass Personen, die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befinden, genauso behandelt werden müssen wie Angehörige des betreffenden Mitgliedstaates. 148 Eine Diskriminierung liegt bei einer vom Recht missbilligten unterschiedlichen Behandlung zweier gleicher Tatbestände vor, die den Betroffenen gegenüber der Vergleichsgruppe, hier also im Regelfall 149 den Bürger aus einem anderen Mitgliedstaat gegenüber den eigenen Staatsangehörigen, allein wegen dieser unterschiedlichen Staatsangehörigkeit benachteiligt. 150 Die Umkehrung, dass unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, gilt bei Art. 12 Abs. 1 EG aufgrund seiner besonderen Normstruktur nicht, da gerade eine Statusgleichheit postuliert wird. 151 Die angesprochenen Diskriminierungen können unmittelbar oder mittelbar sein.
144 Ähnlich Herbert Roth, in: Müller-Graff/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 358. 145 Rossi, EuR 2000, S. 197,205. 146 22.6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3858 f. (ED Srl./ltalo Fenocchio). 147 Dazu Rossi, EuR 2000, S. 197,207 f. 148 EuGH, 2. 2.1989, Rs. 186/87, Sig. 1989, S. 195,219, Rn. 10 (Cowan/Tresor Public). 149 Zur Frage der Inländerdiskriminierung s.u. IV. 150 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 295; Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 590; von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 8. 151 Kischel, EuGRZ 1997, S. 1,4.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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I. Unmittelbare Diskriminierung Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine nationale Norm schon ihrem Wortlaut nach eine Unterscheidung zwischen den eigenen Staatsangehörigen und Ausländern trifft. Eine solche lag im Falle des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO in der bis zum 30. 9. 1998 geltenden Fassung vor (s.o. § 5).
11. Mittelbare Diskriminierung Auch wenn Normen nicht direkt auf die Staatsangehörigkeit abstellen, können sie doch faktisch genauso diskriminierend wirken. Der EuGH hat deshalb schon friih auch alle versteckten Formen der Diskriminierung als unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 EG angesehen,152 da es im Wirtschaftsleben auf die tatsächlichen Auswirkungen einer Maßnahme ankommt. 153 Nur durch diese Einbeziehung ist eine effektive Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG gewährleistet, da die Mitgliedstaaten leicht eine Regelung so gestalten können, dass sie zwar nicht nach ihrem Wortlaut, wohl aber in ihren Auswirkungen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten diskriminiert. 154 Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn ein anderes Unterscheidungskriterium tatsächlich zum gleichen Ergebnis führt wie das der Staatsangehörigkeit. 155
1. Beispiele aus der Rechtsprechung Beispiele aus der Rechtsprechung des EuGH, in denen eine versteckte Diskriminierung angenommen wurde, sind § 688 Abs. 1 ZPO a.F. und § 917 Abs. 2 ZPO a.F. (vgl. oben §§ 4 I und 6). Bei § 688 Abs. 1 ZPO a.F. wurde darauf abgestellt, dass die Beschränkung auf inländische Wahrung im Mahnverfahren "in erster Linie" die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten trifft. 156
152 St. Rspr. seit EuGH, 12.2. 1974, Rs. 152/73, Sig. 1974, S. 153, 164, Rn. 11 (Sotgiul Deutsche Bundespost). 153 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 309. 154 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 103; Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 319. 155 St. Rspr., vgl. nur EuGH, 12. 2. 1974, Rs. 152/73, Sig. 1974, S. 153, 164 f., Rn. 11 (Sotgiu/Deutsche Bundespost) zur Sondervorschrift des Art. 7 der Verordnung 1612/68; 13.7.1977, Rs. 61/77, Slg. 1978, S. 417, 451 (Komrnission/lrland); 29.10.1980, Rs. 221 80, Sig. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 9 (Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier); 10. 2. 1994, Rs. C-398 192, Sig. 1994,1-467,479, Rn. 16 (Mund & Fester 1Hatrex). 156 EuGH,29. 10. 1980, Rs. 22/80, Slg. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 10 (Boussac Saint-Freres 1Gerstenmeier).
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Im Falle des § 917 Abs. 2 ZPO a.F. ging der EuGH davon aus, dass die "große Mehrzahl" der Vollstreckungen im Ausland Ausländer bzw. juristische Personen mit Sitz im Ausland betrifft. 157 Gegen letztere Begriindung wurde allerdings in der deutschen Literatur eingewandt, sie sei eine unbelegte Vermutung,158 da § 917 Abs. 2 ZPO a.F. auch gegen Deutsche, die nur Vermögen im Ausland haben, zur Anwendung komme. Es gebe auch oft deutsche Arrestgegner, die noch in Deutschland befindliches Vermögen ins Ausland zu transferieren drohten. 159 § 917 Abs. 2 ZPO a.F. stelle weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf den Wohnsitz der Parteien ab. Zudem richte die Norm sich nicht gegen Ausländer mit hinreichendem Vermögen im Inland, so dass insgesamt keine Diskriminierung vorliege. 160 Es seien nicht "typischerweise" Ausländer betroffen. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine Regelung nur in Ausnahmefällen, gleichsam zufallig auch Inländer betreffe. 161 Diese Argumente können jedoch nicht dariiber hinweg täuschen, dass in der großen Mehrheit der Fälle Ausländer von der Norm betroffen waren, da sie regelmäßig im Ausland wohnen und auch dort ihr Vermögen haben. Wenn eine Vollstreckung im Ausland durchgeführt werden muss, sind Inländer nur ausnahmsweise betroffen, da der Inländer im Regelfall auch sein Vermögen im Inland hat. Dem EuGH ist daher bei der Bejahung des Vorliegens einer mittelbaren Diskriminierung zuzustimmen. 2. Grenze der Gleichstellung Angesichts dieser beiden weitreichenden Urteile stellt sich die Frage, wo die Grenze für die Annahme einer mittelbaren Diskriminierung zu ziehen ist. In einem Urteil, das allerdings im Rahmen des Art. 39 (ex Art. 48) EG erging, wurde es sogar als ausreichend erachtet, dass das gewählte Kriterium die Gefahr mit sich bringt, sich insbesondere zum Nachteil von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auszuwirken. 162 In anderen Urteilen und in der Literatur wurde 157 EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994, 1-467, 479, Rn. 16 (Mund & Fester/ Hatrex); so auch Schlosser, RIW 1983, S. 473, 483 f.; Albrecht, Das EuGVÜ und der einstweilige Rechtsschutz in England und in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Heidelberg 1991, S. 137 f. 158 Thümmel, EuZW 1994, S. 242, 244. 159 Mankowski, RIW 1991, S. 181, 187; Ehricke, IPRax 1993, S. 380, 38; kritisch dazu auch Mankowski, TranspR 1993, S. 182, 184; Thüm";el, EuZW 1994, S. 242, 243 f.; Schack, ZZP 107 (1994), S. 279, 287; ders., ZZP 108 (1995), S. 47, 49 ff.; Mennicke, EWS 1997, S. 117, 120. 160 Schlafen, NJW 1976, S. 2082; Mankowski, NJW 1995, S. 306, 307; Thümmel, in: Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 917, Rn. 29. 161 Ehricke, IPRax 1993, S. 380, 381. 162 EuGH, 5.8.1990, Rs. C-175/88, Slg. 1990,1-1779,1793, Rn. 14 (Biehl/ Administration des Contributions).
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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eine mittelbare Diskriminierung bejaht, wenn "ganz überwiegend", "im Wesentlichen", "typischerweise" oder "hauptsächlich" dieselben Wirkungen wie im Falle einer unmittelbaren Diskriminierung erzielt werden. 163 Hingegen darf der Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 EG nicht bis zur Konturenlosigkeit ausgedehnt werden. Dies gebietet schon die Rechtssicherheit. Die genannten Formulierungen ermöglichen jedenfalls keine klare Abgrenzung.
a) Besonderer grenzüberschreitender Bezug des Kriteriums Eine Einschränkungsmöglichkeit könnte sich daraus ergeben, das Unterscheidungskriterium der Voraussetzung zu unterwerfen, einen "besonderen Bezug" zu einem oder mehreren Mitgliedstaaten aufzuweisen. 164 In Betracht kommen kulturelle Aspekte, etwa die Sprache, oder territoriale Aspekte wie z. B. der Wohnsitz, Geburtsort oder die Ableistung des Wehrdienstes. Bei einer solchen abschließenden Auflistung eriibrigt sich die Priifung, ob auch quantitativ "im Wesentlichen" oder "hauptsächlich" bestimmte Staatsangehörige durch die Regelung betroffen werden. Allerdings stellt sich bei diesem Ansatz das Problem, eine abschließende Aufzählung von Kriterien finden zu müssen, die dem der Staatsangehörigkeit im Ergebnis gleichzustellen sind. Das Abgrenzungsproblem wird dadurch nur auf eine andere Ebene verschoben, eine klare Abgrenzung wird nicht ermöglicht, zumal die aufgrund der Dynamik des EG-Vertrages erforderliche Flexibilität verloren geht.
b) Finalität Ein weiterer Ansatz will zur Eingrenzung auf das Erfordernis der Finalität abstellen, da bei einer nur auf die Kausalität abstellenden Betrachtungsweise auch zufällige Diskriminierungen erfasst würden, deren Eintreten bei Erlass der Maßnahme nicht vorhersehbar und daher gar nicht vermeidbar gewesen seien. 165 Anhaltspunkt im Wortlaut ist für diese Auffassung die Formulierung "aus Griinden der Staatsangehörigkeit". Dadurch entsteht jedoch die Gefahr, dass viele tatsächlich versteckt diskriminierend wirkende Regelungen nicht erfasst werden können, was wiederum dem Wortlaut und dem Zweck des Art. 12 Abs. 1 EG, ,jede Diskri163 Z. B. EuGH, 13.7.1977, Rs. 61177, Slg. 1978, S. 417, 450, Rn. 69!72 (Kommission! Irland); 23.1. 1997, Rs. C-29!95, Slg. 1997,1-285,307, Rn. 17 (Pastoors und Trans-Cap); von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Konunentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 17; Streit, in: Beutler/ Bieber/Pipkom/Streil, S. 319. 164 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 105 f.; Mankowski, RIW 1991, S. 181, 187 m.w.N. 165 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 48; Thümmel, EuZW 1994, S. 242, 244; Mennicke, EWS 1997, S. 117, 120.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
minierung" zu erfassen, widerspräche. 166 Zudem kann das Ziel einer Regelung verschleiert werden. Es ist ohnehin selten verlässlich zu ermitteln.
c) Regelungsergebnis im Einzelfall Nach der Formel des EuGH kann grundsätzlich jedes Unterscheidungskriterium zu einer verbotenen mittelbaren Diskriminierung führen. Es wird allein auf das Regelungsergebnis abgestellt. Aufgrund der mangelnden Überzeugungskraft der eingrenzenden Kriterien ist diesem Ansatz zu folgen. Um das Ziel des Art. 12 Abs. 1 EG zu erreichen, kann entscheidend weder der Typus noch der Zweck der Regelung sein, sondern allein die tatsächliche Folge. Allerdings muss das in der jeweiligen Norm verwendete Kriterium im Regelfall Ausländer betreffen. Das Regelungsergebnis muss dergestalt sein, dass das fragliche Kriterium gegen das der Staatsangehörigkeit ausgetauscht werden könnte und es "im Wesentlichen" zu demselben Regelungserfolg käme. 167 Entscheidend ist die Kausalität für den Erfolg der typischen Ausländerungleichbehandlung. 168 Zwar kann nicht exakt die gleiche Wirkung wie bei einer unmittelbaren Diskriminierung verlangt werden, da sonst die aufgrund des Effektivitätsgebots bezweckte größtmögliche Wirksamkeit des Verbots nicht erreicht werden könnte,169 jedoch muss die Regelung so ausgestaltet sein, dass Inländer nur im Einzelfall und als bloße Ausnahme von ihr erfasst werden.
III. Beschränkungen durch Unterschiede der Rechtsordnungen Auch die Existenz unterschiedlicher Rechtsvorschriften kann dazu führen, dass wachsende Risiken und Kosten im Hinblick auf zu führende Prozesse entstehen. Das Diskriminierungsverbot erfasst jedoch nach ständiger Rechtsprechung keine Verzerrungen, die sich aus Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten ergeben, sofern diese Rechtsordnungen auf alle ihrer Herrschaft unterworfenen Personen nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar sind. 170 Diese Fälle zeich166 Ehricke, IPRax 1993, S. 380, 381; Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlennann, Art. 6 EGV, Rn. 5. 167 So von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 16. 168 Ehricke, IPRax 1993, S. 380, 381. 169 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 104. 170 EuGH, 13.2. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1, 16, Rn. 13 (Walt Wilhelm/Bundeskartellamt); vgl. auch 14. 7. 1981, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993, 2007, Rn. 9 (Debel); 19. 1. 1988, Rs. 223/86, Slg. 1988, S. 83, 109, Rn. 18 (Pesca Valentia/Ministerfor Fisheries and Forestry); 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145,5181, Rn. 30 (Collins/ Imtrat); 1. 2.1996, Rs. C-177/94, Slg. 1996,1-161,175 f., Rn. 17 (Perfili); so auch Bode,
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nen sich dadurch aus, dass erst ein Vergleich der nationalen Vorschriften in einem nicht harmonisierten Bereich zu einer SchlechtersteIlung der Inländer führt. Die Ungleichbehandlung wird nur durch die Existenz der nationalen Kompetenzen hervorgerufen. Aus dem Verbot von Regelungen, die bewirken, dass sich Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten in einer ungünstigeren Lage befinden als dessen eigene Staatsangehörige,17l ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein Verstoß nicht vorliegt, solange Inländer und EG-Ausländer gleich behandelt werden. Aufgabe des Diskriminierungsverbots ist allein, nach der Staatsangehörigkeit differenzierende Systeme innerhalb eines Mitgliedstaates auszuschließen. Unterschiede in nationalen Rechtsordnungen stellen allenfalls Beschränkungen, nicht aber Diskriminierungen dar. Dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Selbstständigkeit der nationalen Verfahrenssysteme. 172 Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG scheitert schon an dem Erfordernis, dass die zu vergleichenden Sachverhalte von demselben Hoheitsträger geregelt sein müssen. 173 Art. 12 Abs. 1 EG lässt sich daher nicht einsetzen, um eine Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen herbeizuführen. Daraus ergibt sich, dass jedenfalls nur Regelungen des prozessualen Fremdenrechts und nicht das sonstige nationale Zivilverfahrensrecht allein aufgrund der Tatsache, dass in anderen Mitgliedstaaten andere - eventuell weniger strenge - Regelungen gelten, gegen Art. 12 Abs. 1 EG verstoßen können.
IV. Inländerdiskriminierungen Kurz soll schließlich das in diesem Zusammenhang vielbehandelte Thema angesprochen werden, ob auch Inländer vom Verbot des Art. 12 Abs. 1 EG erfasst sein können. Eine Inländerdiskriminierung kann im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 EG dadurch entstehen, dass innerhalb desselben Hoheitsgebiets für In- und Ausländer unterschiedliche Vorschriften zur Anwendung kommen, durch die der Inländer im Ergebnis schlechter gestellt wird als der Ausländer. 174
Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 297; Zuleeg, in: von der Groebenl ThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 7; von Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 14. l7l EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43 195, Slg. 1996, 1-4661, 4675, Rn. 13 (Data Delecta und Forsberg/MSL Dynamies). 172 Generalanwalt Leger, Schlussanträge zu EuGH, 1. 2. 1996, Rs. C-I77/94, Slg. 1996, 1-161,168 (Perfili). 173 Generalanwalt Roemer, Schlussanträge zu EuGH, 13. 2. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1,28 (Walt Wilhelm/Bundeskartellamt). 174 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 25. 5*
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l. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Schon der Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 EG, der ,Jede" Diskriminierung verbietet, spricht für die Erfassung auch von Inländern. 175 Auch die Systematik legt dies nahe. Nicht die SchlechtersteIlung von Ausländern - wie etwa bei Art. 72, 90 EG ist verboten, sondern jede Diskriminierung. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Normen spricht dafür, dass die jeweilige Form bewusst gewählt wurde. Sowohl in der Präambel als auch in den Art. 2 und 3 EG wird zumindest indirekt auch Bezug auf die Stellung der Inländer gegenüber ihrem Heimatstaat genommen. 176 Bestätigt wird dies durch die teleologische Auslegung. Die Aufgabe der Gemeinschaft, einen Gemeinsamen Markt mit der Beseitigung aller Hindernisse zu errichten, kann nicht erfüllt werden, wenn von vornherein einer Bevölkerungsgruppe aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diese Rechte vorenthalten werden. l77 Es ist nicht ersichtlich, warum der EG-Vertrag generell Inländern nur Rechte gegenüber anderen Mitgliedstaaten, nicht aber auch gegenüber ihrem eigenen Staat geben sollte, da die von der Gemeinschaft vorgesehenen Maßnahmen grundsätzlich die Gemeinschaft als solche betreffen. 178 Das Konzept des Gemeinsamen Marktes nimmt nicht auf die Staatsangehörigkeit Bezug, sondern stellt auf die Verwirklichung der Elemente des Gemeinsamen Marktes für alle Marktteilnehmer ab. 179 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH. In der Rechtssache Walt Wilhelm l80 betonte der Gerichtshof schon 1969, dass der heutige Art. 12 Abs. 1 EG den Mitgliedstaaten verbietet, ihr Kartellrecht je nach der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unterschiedlich anzuwenden. In diesem Fall hatte die staatliche Behörde wegen eines Kartells Sanktionen verhängt, diese aber ausschließlich gegen die Angehörigen dieses Staates gerichtet, so dass die eigenen Staatsangehörigen dadurch schlechter standen als die in vergleichbarer Lage befindlichen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten. Letztlich scheiterte die Anwendung des Art. 12 Abs. 1 EG in der Entscheidung allerdings daran, dass die Verzerrungen sich aus den Unterschieden der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ergaben, die auf alle ihrer Herrschaft unterworfenen Personen nach objektiven Merkmalen und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen anwendbar waren. 181 175 von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 53; Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 6 EGV, Rn. 15; Wohlfahrt/ Everling /Glaesner/ Sprung, Art. 7 EWGV, Anm. 5; Reitmaier; Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 14; Münnich, ZtRV 1992, S. 92, 94 f.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 116. 176 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 117. 177 Reitmaier; Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 25 f.; Münnich, ZtRV 1992, S. 92, 97. 178 Reitmaier; Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 22; Münnich, ZtRV 1992, S. 92, 96. 179 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 118. 180 EuGH, 13.2.1969, Rs. 14/68, Sig. 1969, S. 1, 16, Rn. 13 (Walt Wilhelm 1Bundeskartellamt). 181 EuGH, 13.2. 1969, Rs. 14/68, Sig. 1969, S. I, 16, Rn. 13 (Walt Wilhelm 1BundeskarteIlamt).
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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In Bezug auf spezielle Diskriminierungsverbote hat sich der EuGH bereits häufig für eine grundsätzliche Einbeziehung der Inländer in den Schutzbereich aus gesprochen. 182 Voraussetzung für eine Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes auf Inländer ist aber, dass die Tatbestandsmerkmale des Art. 12 Abs. I EG erfüllt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Merkmal zu, dass die Ungleichbehandlung in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen muss. 183 Unterschiede ergeben sich dort, wo der Vertrag nur die Rechtsbeziehungen zu EG-Ausländern oder lediglich den zwischenstaatlichen Rechtsverkehr regelt, wodurch die eigenen Staatsangehörigen vom Anwendungsbereich des Vertrages ausgenommen werden. 184 Der EuGH verlangt, dass der Inländer sich gegenüber seinem Herkunftsland in einer Lage befindet, die der eines EG-Ausländers vergleichbar ist. 185 Voraussetzung sei, dass er von seinen durch den EG-Vertrag gewährten Freiheiten Gebrauch gemacht habe, also grenzüberschreitend tätig geworden sei und es sich nicht um einen rein internen Sachverhalt handele. 186 Zudem müsse tatsächlich eine Diskriminierung vorliegen, d. h. es dürfe nicht nur um Beschränkungen gehen, die durch Unterschiede der einzelnen Rechtsordnungen entstehen (s.o. III).187
§ 10 Rechtfertigung Eine alte Streitfrage ist, ob die Differenzierungen gerechtfertigt sein können, ob es sich also bei Art. 12 Abs. 1 EG um ein relatives oder um ein absolutes Diskriminierungsverbot handelt. In der Begründung wird meist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen differenziert. 182 Vgl. nur EuGH, 7. 2. 1979, Rs. 115/78, Slg. 1979, S. 399, 410, Rn. 24 (Knoors/Staatssekretär für Wirtschaft). 183 EuGH, 28. 3. 1979, Rs. 175/78, Slg. 1979, S. 1129, 1134 f., Rn. 7 ff. (Saunders). 184 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S.70. 185 EuGH, 7. 2.1979, Rs. 115/78, Slg. 1979, S. 399, 410, Rn. 24 (Knoors 1Staatssekretär für Wirtschaft); von Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 54; Zuleeg, in: von der GroebenlThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 15; Münnich, ZfRV 1992, S. 92, 98. 186 EuGH, 7.2.1979, Rs. 115/78, Slg. 1979, S. 399,410, Rn. 24 (Knoors 1Staatssekretär für Wirtschaft); Schilling, JZ 1994, S. 8, 9. 187 St. Rspr. seit EuGH, 13. 2. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1, 16, Rn. 13 (Walt Wilhelm/Bundeskartellamt); vgl. auch 14.7. 1980, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993,2007, Rn. 9 (Oebel); 19. 1. 1988, Rs. 223/86, Slg. 1988, S. 83, 109, Rn. 18 (Pesca Valentia/Minister for Fisheries and Forestry); 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145,5181, Rn. 30 (CollinslImtrat); 1. 2.1996, Rs. C-177/94, Slg. 1996,1-161,175 f., Rn. 17 (Perfili); so auch Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 297; Zu leeg, in: von der GroebenlThiesing I Ehlermann, Art. 6 EGV, Rn. 7; von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 14.
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I. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
I. Unmittelbare Diskriminierungen 1. Absolutes Diskriminierungsverbot
Einige neuere Entscheidungen des EuGH könnten mangels Prüfung einer Rechtfertigungsmöglichkeit darauf schließen lassen, dass er bei unmittelbaren Diskriminierungen ein absolutes Verbot annimmt. 188 Art. 12 Abs. 1 EG würde danach die vollständige Gleichbehandlung von Personen verlangen, die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befinden. 189 Für ein absolutes Diskriminierungsverbot wird in der Literatur angeführt, dass schon der Wortlaut, der ,jede" Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, keine Rechtfertigung zulasse. 190 Dies ist jedoch nicht zwingend. Der Wortlaut deutet eher darauf hin, dass zwar jede Ungleichbehandlung verboten ist, diese jedoch gerade auf der Staatsangehörigkeit beruhen muss. Sobald andere Gründe vorliegen, erfolgt die Diskriminierung gerade nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit. 191 Für den absoluten Charakter spreche zudem, dass bei den speziellen Diskriminierungsverboten die - ausdrücklich angeführten - Vorbehalte stets im Zusammenhang mit dem Zugang in Bereiche stünden, die von besonderer Bedeutung für die Souveränität seien. Bei Art. 12 Abs. 1 EG sei dies nicht der Fall. Wenn z. B. bei Art. 30 S. 2 EG ausdrücklich nur eine willkürliche Diskriminierung unzulässig sei, liege der Umkehrschluss nahe, dass bei Art. 12 Abs. 1 EG jede Differenzierung verboten sei. 192 Gegen diese Sicht spricht, dass, wenn schon im Kernbereich des Vertrages bei den speziellen Diskriminierungen eine Rechtfertigung unter bestimmten Umständen zugelassen wird, bei dem Auffangtatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG nicht strengere Maßstäbe angesetzt werden können, da Art. 12 Abs. 1 EG Bereiche erfassen kann, die in weit stärkerem Maße in der Regelungsgewalt der Mitgliedstaaten verblieben sind. 193 188 Zum Zivilprozessrecht EuGH, 26. 9. 1996, Rs. C-43/95, Slg. 1996, 1-4661 (Data Delecta und Forsberg / MSL Dynamics); vgl. auch 13. 2. 1985, Rs. 293/83, Sig. 1985, S. 593 (Gravier / Stadt Lüttich); 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145 (Collins/lmtrat); 15.3.1994, Rs. C-45/93, Sig. 1994, 1-9 II (Kommission/Spanien). 189 EuGH, 2.2. 1989, Rs. 186/87, Sig. 1989, S. 195,219, Rn. 10 (Cowan/Tresor Public); 20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Sig. 1993, 1-5145, 5181, Rn. 32 (Collins/lmtrat); so auch von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 7; ReitrrUIier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 43 f.; Bungert, EWS 1993, S. 315, 325; Thümmel, EuZW 1994, S. 242, 243. 190 von Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 23; ReitrrUIier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 35. 191 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 97; Zuleeg, in: von der Groebenl ThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 3. 192 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 39. 193 Mestmäcker, GRUR Ißt. 1993, S. 532, 533; Ackermann, CMLR 35 (1998), S. 783,796; Streinz/ Leible, IPRax 1998, S. 162, 168; Rossi, EuR 2000, S. 197,212 f.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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Für ein absolutes Verständnis wird weiter das Vertragsziel angeführt, alle Hindernisse im Gemeinsamen Markt zu beseitigen. 194 Dies entspreche auch dem effet utile Prinzip.195 Art. 12 Abs. 1 EG ginge ansonsten im allgemeinen Gleichheitssatz des Gemeinschaftsrechts auf. Auch dieses teleologische Argument trägt jedoch nicht: Solange die Staatsangehörigkeit noch als Merkmal existiert, kann das Verbot einer darauf beruhenden Diskriminierung nur bedeuten, dass eine Ungleichbehandlung nicht allein auf dieses Merkmal gestützt werden darf. 196 Die Begriindungsansätze für ein absolutes Diskriminierungsverbot überzeugen somit nicht. Die Entscheidungen, in denen der EuGH nicht auf eine Rechtfertigung einging, sind im Übrigen damit zu erklären, dass die Parteien sich in diesen Fällen nicht substantiiert auf sachliche Griinde für die jeweilige Regelung berufen haben und daher der EuGH keinen Anlass zu einer Rechtfertigungspriifung hatte. 197
2. Relatives Diskriminierungsverbot Der EuGH betrachtete schon in friihen Entscheidungen Art. 12 Abs. 1 EG als relatives Diskriminierungsverbot. 198 Wenn im Laufe der Rechtsprechung auch nicht immer klar war, ob er bei dieser Auffassung geblieben ist, so steht zumindest seit der Entscheidung im Fall Collins IImtrat l99 fest, dass er diese Linie beibehält, da er dort ausdriicklich eine Rechtfertigungspriifung im Falle einer unmittelbar diskriminierend wirkenden Norm durchführte. Begriindet werden kann dies damit, dass Art. 12 Abs. 1 EG lediglich eine besondere Ausformung des allgemeinen Gleichheitssatzes darstellt, wonach vergleichbare Lagen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, soweit eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist. 200 Es ist danach zu unterscheiden zwischen dem Begriff der Differenzierung und dem der Diskriminierung. Sowohl im Volkerrecht als auch im nationalen Recht wird nur eine sachlich ungerechtfertigte, also willkürliche Differenzierung als eine Diskriminierung verstanden. 201 Dies ergibt sich auch daraus, dass die Ver194 Feige, Der Gleichheitssatz im Recht der EWG, Diss. Tübingen 1973, S. 44 f.; Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 43 f.; Bungert, EWS 1993, S. 315, 325. 195 Knut Ipsen, Völkerrecht, § 11, Rn. 16. 196 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 95 f. 197 EuGH, 15. 3. 1994, Rs. C-45/93, Slg. 1994,1-911 (Kommission/Spanien) mit Anm. von Borries, EuZW 1994, S. 474. 198 EuGH, 16. 10. 1980, Rs. 147179, Slg. 1980, S. 3005, 3019, Rn. 7 (Hochstrass/Gerichtshot); so auch schon Wohljahrt/Everling/Glaesner/Sprung, Art. 7 EWGV, Anm. 3. 199 EuGH,20. 10. 1993, Rs. C-92 und 326/92, Slg. 1993,1-5145,5181, Rn. 29 ff. (Collins/lmtrat); so auch 24.11. 1998, Rs. C-274/96, Slg. 1998,1-7637,7658, Rn. 27 ff. (Bickel) für das Strafverfahrensrecht. 200 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 99. 201 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1742 f.; Loewenheim, GRUR Ißt. 1993, S. 105, 113 f.; allgemein Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 4 ff., 295 f.; Gene-
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
tragsstaaten grundsätzlich in ihrer Politik frei bleiben. 202 Aus dem politischen Gestaltungsspielraum, der den Mitgliedstaaten trotz des EG-Vertrages noch verbleibt, können sich sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung ergeben. 203 Der Ausdruck "allein" aus Gründen der Staatsangehörigkeit kann nur bedeuten, dass im Falle einer sachlich unterschiedlichen Lage die Ungleichbehandlung nicht auf der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit beruht,204 so dass in diesem Fall eine Rechtfertigung möglich ist. Eine Diskriminierung liegt folglich nur vor, wenn es sich um die unterschiedliche Behandlung von bis auf die Staatsangehörigkeit gleichen Sachlagen handelt. 205
3. Anforderungen an den rechtfertigenden Grund Übrig bleibt die Frage, welche Anforderungen an den rechtfertigenden Grund zu stellen sind. Teilweise wird gefordert, die Vorbehalte, die der EG-Vertrag in Einzelbestimmungen selbst vorsieht, bei Art. 12 Abs. 1 EG entsprechend anzuwenden. Abgestellt wird insbesondere auf die Vorbehalte der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Art. 30 S. 1,39 Abs. 3 und 46 Abs. I EG. 206 Dagegen spricht jedoch, dass es sich dort jeweils um Gebiete handelt, die besonders die Interessen und Hoheitsaufgaben der Mitgliedstaaten betreffen?07 Generell überzeugt die Anwendung einer speziellen Schrankenregelung auf einen Auffangtatbestand aus systematischen Gründen nicht. Daher gewährt Art. 12 Abs. 1 EG nur einen Schutz vor willkürlichen Differenzierungen: Eine Differenzierung ist gestattet, wenn sie sich auf sachliche, den Vertragszielen nicht widersprechende objektive Gründe 208 stützen kann und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. 209
ralanwalt Mayras, Schlussanträge zu EuGH, 16. 10. 1980, Rs. 147179, Sig. 1980, S. 3005, 3024 f. (HochstrassiGerichtshof); Ehlers, NVwZ 1990, S. 810, 811; Zuleeg, in: von der GroebenlThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 1 f.; ders., in: FS Bömer, 1992, S. 473, 481; Mestmäcker, GRUR Int. 1993, S. 532, 533; Martin, CDE 1998, S. 561, 613 f.; Kubis, ZEuP 1999, S. 964, 969 f.; Rossi, EuR 2000, S. 197,212 f. 202 Bleckmann, Europarecht, Rn. 1742. 203 Braun, IPRax 1994, S. 263, 264. 204 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 297. 205 Bode, Die Diskriminierungsverbote im EWG-Vertrag, 1968, S. 295; Feige, Der Gleichheitssatz im Recht der EWG, Diss. Tübingen 1973, S. 42 f. 206 WohljahrtlEverlinglGlaesnerlSprung, Art. 7 EWGV, Anm. 14. 207 von Bogdandy, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 23. 208 Vgl. EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-474,479, Rn. 17 (Mund & Fester/Hatrex); in diese Richtung auch Hans Peter Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 603 f. 209 Zuleeg, in: von der GroebenlThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 2 f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1742 f.; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 108; zur Verhältnismäßigkeit unten § 11.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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4. Rechtfertigung im Falt des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F.
Für den Fall des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. lehnte Generalanwalt La Pergola in der Rechtssache Hayes I Kronenberger in seinen Schluss anträgen die Rechtfertigung der Forderung einer Prozesskostensicherheit für Ausländer ab, da die Geltung des EuGVÜ Schwierigkeiten bei der Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Urteils weitgehend verhindere. 2lO Auch der EuGH stellte heraus, dass der Zweck der Norm, die Vollstreckung einer Kostenentscheidung gegen den Kläger zugunsten des Beklagten sicherzustellen, zwar als solcher nicht mit Art. 12 Abs. 1 EG unvereinbar sei. 21l Er ließ die Frage der Rechtfertigung aber letztlich ausdrücklich offen, da aus seiner Sicht die Regelung zumindest unverhältnismäßig war, weil eigene Staatsangehörige des Urteils staates keine Sicherheit leisten müssen, selbst wenn sie im Ausland wohnen und im Urteils staat kein Vermögen haben. 212 Zur Rechtfertigung der Norm wurde vorgebracht, nur so werde sichergestellt, dass der Beklagte im Falle seines Obsiegens seinen Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten auch tatsächlich vollstrecken lassen könne. 213 Es fehle nämlich bislang an einer umfassenden Regelung der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat. 214 Auch innerhalb der Europäischen Union könne eine Kostenentscheidung in einem anderen Mitgliedstaat schwerer vollstreckbar sein als im Gerichtsstaat, zumal in engen Grenzen eine Überprüfung der Entscheidung im Vollstreckbarerklärungsverfahren möglich sei, Art. 27, 28 EuGVÜ. Auch die Auslandszustellung könne eine zeitaufwendige Hürde für den siegreichen Beklagten sein. 215 Die Rechtsprechung des EuGH stehe damit im Widerspruch zu dem stark auf Beklagtenschutz ausgerichteten EuGVÜ. 216 Zwar lässt der EuGH die Frage der Rechtfertigung unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit der Regelung offen. Nach seiner Argumentation in der Rechtssache Mund & FesteriHatrex217 ist jedoch hier von einem ähnlichen Ergebnis aus210 Schlussanträge zu EuGH, 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Sig. 1997, 1-1711, 1716 (Hayesl Kronenberger). 211 So EuGH, 2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Sig. 1997,1-5325,5346, Rn. 29 (Saldanha u. MTS Securities Corporation/Hiross Holding AG); Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 320. 212 EuGH, 20.3.1997, Rs. C-323 195, Sig. 1997, 1-1711, 1726, Rn. 24 (Hayes/Kronenberger); 2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Slg. 1997,1-5325,5346, Rn. 29 (Saldanha u. MTS Securities Corporation/Hiross Holding AG); am 12. 5. 1998, Rs. C-85/96, Slg. 1998, 1-2691, 2726, Rn. 64 (Marunez Sala/Freistaat Bayern) prüfte der Gerichtshof die Rechtfertigung ausdrücklich für eine unmittelbar diskriminierende Norm. 213 So das Vorbringen der Beklagten in EuGH, 2. 10. 1997, Rs. C-122/96, Sig. 1997, 1-5325,5345, Rn. 27 (Saldanha u. MTS Securities Corporation/Hiross Holding AG). 214 So die Argumentation der schwedischen Regierung in EuGH, 20. 3. 1997, Rs. C-323/ 95, Slg. 1997, 1-1711, 1723, Rn. 21 (Hayes/Kronenberger). 215 Kubis, ZEuP 1999, S. 967, 970; Jäger, NJW 1997, S. 1220, 1221. 216 Droz, Revue critique de droit international prive 1998, S. 290. 217 EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994,1-467,480, Rn. 19.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
zugehen, wenn die Regelung etwa wegen Abstellens auf den Wohnsitz nicht von vornherein unverhältnismäßig gewesen wäre. 218 Danach sind jedenfalls im Anwendungsbereich des EuGVÜ, dem mittlerweile alle Mitgliedstaaten beigetreten sind,219 die Schwierigkeiten bei der Vollstreckung von (Kosten-) Entscheidungen gegenüber dem Inland zu gering, als dass ein ausreichender Grund für die unterschiedliche Behandlung angenommen werden könnte. 22o Gegen die Rechtfertigung der Regelung spricht zudem ihre abschreckende Wirkung in der Praxis. 221 Die rechtspolitische Verfehltheit der Norm wurde schon lange kritisiert: Sie sollte im Zusammenhang mit der Gegenseitigkeitsverbürgung ähnlich wie § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO Druck auf die ausländischen Staaten ausüben, deutsche Staatsangehörige vor ihren Gerichten von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu befreien. 222 Im Ergebnis ist nach alledem ein Verstoß des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot anzunehmen. Selbst wenn die Vollstreckung von Kostenentscheidungen im europäischen Ausland schwieriger ist als im Inland, führt vor allem das Abstellen auf die Staatsangehörigkeit dazu, dass Deutsche mit Wohnsitz im Ausland ohne rechtfertigenden Grund besser gestellt werden als Bürger anderer Mitgliedstaaten, selbst wenn diese in Deutschland wohnen?23 11. Mittelbare Diskriminierungen
Bei mittelbaren Diskriminierungen kann man aufgrund der vorstehenden Erwägungen zu keinem anderen Ergebnis kommen. Für eine unterschiedliche Bewertung unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierungen ergeben sich in Art. 12 Abs. 1 EG keine Anhaltspunkte. Die Einbeziehung faktischer Diskriminierungen soll dazu dienen, der Vorschrift eine möglichst effektive Wirkung zu verschaffen, so dass das Verbot konsequenterweise denselben Grundsätzen unterliegen muss. 224 Dem folgt auch der EuGH in ständiger Rechtsprechung. 225 218 Zum Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG bei Anknüpfung an den Wohnsitz Schlosser, EuZW 1993, S. 659, 660; gegen einen Verstoß in diesem Fall ausdrücklich Schütze. RlW 1998, S. 285, 286. 219 Eine vierte Neufassung ist durch das Beitrittsübereinkommen mit Österreich, Finnland und Schweden entstanden, das am 29. 11. 1996 unterzeichnet wurde, ABlEG 1997 Nr. C 15, S. 1; für Österreich am 1. 12. 1998 im Verhältnis zu den Niederlanden und Dänemark in Kraft getreten. Im Verhältnis zu den später beitretenden Staaten tritt es am ersten Tag des dritten Monats nach Hinterlegung der jeweiligen Ratifikationsurkunde in Kraft; vgl. dazu auch oben § 3 I 1 a, Fn. 39. 220 Bungert. EWS 1993, S. 315, 321; Mankowski. EWiR 1996, S. 1151; Droz. Revue Critique de droit international prive, 1997, S. 480, 481; Ehricke. IPRax 1999, S. 311, 320. 221 Simon. EuropeMaiI997.S.I1. 222 Schütze. Deutsches internationales Zivilprozessrecht, S. 85 f. 223 Zum Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG, wenn für die Frage, ob Prozesskostensicherheit zu leisten ist, an den Wohnsitz angeknüpft wird, Weatherill. ELR 15 (1990). S. 334 ff. in Besprechung eines britischen Urteils. 224 Epiney. Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 98.
2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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Hinzu kommt, dass bei einer mittelbaren Diskriminierung, die an ein anderes Unterscheidungsmerkmal als das der Staatsangehörigkeit anknüpft, eine vergleichbar negative Bewertung getroffen werden muss wie bei einer unmittelbaren Diskriminierung. 226 Schon daraus ergibt sich, dass auch anerkennenswerte Differenzierungskriterien vorliegen können und eine Unterscheidung daher "gerechtfertigt" sein kann?27 Häufig finden sich sachliche Unterschiede, die der differenzierenden Behandlung zugrunde liegen. Sie stehen mit den Komplikationen in Zusammenhang, die mit Auslandssachverhalten verbunden sind.
1. Rechtfertigung im Fall des § 688 Abs. 1 ZPO a.F. In der Entscheidung Boussac Saint FrereslGerstenmeier hat der EuGH eine Rechtfertigung der Beschränkung des Mahnverfahrens auf die Geltendmachung von Forderungen in inländischer Warnung angenommen, weil den Vertragsparteien die Wahl der Wahrung bei der Geltendmachung des Anspruchs freistand, und weil dem Gläubiger unabhängig von der Wahrung weiterhin das ordentliche Verfahren offen stand. 228 Nicht überzeugt hat den EuGH dagegen das Argument der deutschen Regierung, die elektronische Bearbeitung sei bei Forderungen, die in ausländischer Wahrung ausgedriickt seien, nicht möglich. Er berief sich darauf, dass die deutsche Regelung auch die Verfolgung von Anspriichen in ausländischer Wahrung gegenüber Schuldnern mit Wohnsitz in anderen Vertrags staaten des EuGVÜ ermögliche und hier auch die manuelle Bearbeitung der Anträge erforderlich sei. 229
2. Rechtfertigung im Fall des § 917 Abs. 2 ZPO a.F. Im Urteil Mund & FesterlHatrex wurde für den Fall einer versteckten Diskriminierung ausdriicklich eine Rechtfertigung durch objektive Umstände gepriift und im Ergebnis verneint (s.o. § 6).230 Zwar existiere ein höheres Risiko bei einer Voll-
225 Vgl. nur EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,479 f., Rn. 16 ff. (Mund & Fester 1Hatrex). 226 von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 18; Amull, The General Principles ofEEC Law and the Individual, 1990, S. 274.
227 Gegen die Gleichartigkeit dieser Aspekte von Bogdandy, in: Grabitz/ Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 25. 228 EuGH, 29. 10. 1980, Rs. 22/80, Sig. 1980, S. 3427, 3437, Rn. 13 (Boussac SaintFreres 1Gerstenmeier). 229 EuGH,29. 10. 1980, Rs. 22/80, Sig. 1980, S. 3427, 3436, Rn. 11 f. (Boussac SaintFreres 1Gerstenmeier). 230 EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467,479, Rn. 17 (Mund & Fester/Hatrex); so auch i.E. Reinhold Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 24, Rn. 45 f.
1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
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streckung im Ausland, jedoch sei eine Regelung wie § 917 Abs. 2 ZPO nicht verhältnismäßig. 231 Kritisiert wurde dies inhaltlich mit der Begründung, die Vollstreckung im EUAusland sei trotz des EuGVÜ schwerer als im Inland: 232 Im Rahmen des EuGVÜ müsse der Gläubiger ein im Inland nicht erforderliches Klauselerteilungsverfahren durchlaufen (Art. 31 EuGVÜ), es gebe Anerkennungshindernisse (Art. 27 f. EuGVÜ) und die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den Schuldner (Art. 36 f. EuGVÜ), eine Übersetzungspflicht (Art. 48 Abs. 2 EuGVÜ) und die Pflicht zur Beauftragung eines ausländischen Anwalts. Es komme somit zu Zeitverlust und zusätzlichen Kosten. Auch die Abweichungen der Vollstreckungsprozeduren in den Mitgliedstaaten rechtfertigten eine unterschiedliche Behandlung. 233 Schließlich zeige Art. 24 EuGVÜ, der eine zusätzliche Zuständigkeitsregelung enthält, dass die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes in den Vertragsstaaten weder beeinträchtigt noch verändert werden solle, da ein Ausschlusskatalog wie in Art. 3 EuGVÜ nicht existiere. 234 Die Prämisse des EuGH, der EuGVÜ-Raum sei ein einheitlicher Rechtsraum, setze sich im Übrigen dariiber hinweg, dass das EuGVÜ die Staatsgrenzen nicht beseitigt habe. 235 Auch die Ansicht des EuGH wurde hingegen aufgrund der Erwägung, die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Vollstreckung des Hauptsacheurteils in den anderen Vertragsstaaten des EuGVÜ seien so gering, dass sie die Anwendung des § 917 Abs. 2 ZPO nicht rechtfertigten, schon früher im deutschen Schrifttum vertreten. 236 Aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit § 917 Abs. 1 ZPO sei auch hier eine wesentliche Erschwernis erforderlich, die im Rahmen des EuGVÜ nicht bestehe. § 917 Abs. 2 ZPO beinhalte nur eine Vermutung zugunsten der wesentlichen Erschwernis. 237 Zu diesem systematischen Argument kommt die teSo auch Surrei, Revue trimestrielle des droits de l'homme 1998, S. 703, 710. Mankowski, NJW 1992, S. 599, 601; ders., NJW 1995, S. 306, 308; Schack, ZZP 108 (1995), S. 47, 51 f.; ders., IZVR, Rn. 421; Verschuur, European Review ofPrivate Law 1995, S. 613, 626; Thümmel, in: WieczoreklSchütze, ZPO, § 917, Rn. 29; ders., EuZW 1994, S. 242, 244 f.; ders., NJW 1996, S. 1930, 1934; Ress, JuS 1995, S. 967,970; Mennicke, EWS 1997, S. 117, 121 f.; Herbert Roth, in: Müller-Graff/ Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 359; Rengeling/Middeke/Gellermann/Jakobs, Rechtsschutz in der EU, Rn. 1194; Stickler, Das Zusammenwirken von Art. 24 EuGVÜ und §§ 916 ff. ZPO, Diss. Regensburg 1992, S. 53 ff. mit ausführlicher Darstellung des Diskussionsstandes vor dem EuGH-Urteil. 233 Mankowski, TranspR 1993, S. 182, 184. 234 Schlafen, NJW 1976, S. 1082 f.; Thümmel, in: Wieczorekl Schütze, ZPO, § 917, Rn. 29; Mankowski, TranspR 1993, S. 182, 184 f. 235 Mankowski, EWiR 1996, S. 1007. 236 Reinhold Geimer, RIW I AWD 1975, S. 81, 86; Puttfarken, RIW I AWD 1977, S. 360, 361 f.; Dittmar, NJW 1978, S. 1720, 1722; Schlosser, RIW 1983, S. 473, 484; dem EuGH zustimmend auch Gieseke, EWS 1994, S. 149, 153; Schlosser, Jura 1998, S. 65, 69. 237 Dittmar, NJW 1978, S. 1720, 1722; Ehricke, NJW 1991, S. 2189, 2191; Rengeling/ Middeke /Gellermann/ Jakobs, Rechtsschutz in der EU, Rn. 1194. 231
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2. Kap.: Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 EG
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leologische Erwägung, dass durch die Erleichterungen des EuGVÜ der ursprüngliche Sinn der Bestimmung entfallen sei.238 Auch auf die Entstehungsgeschichte des mit § 917 ZPO identischen § 797 CPO wird verwiesen, nach der der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung entfallen soll, wenn Staatsverträge eine Erleichterung der Vollstreckung herbeigeführt haben. 239 Auch auf Art. 12 Abs. 1 EG wurde in der deutschen Literatur abgestellt. 240 Art. 24 EuGVÜ schließt darüber hinaus nicht aus, dass nationale Regeln unzulässig sind, die mit dem EG-Vertrag - hier Art. 12 Abs. 1 EG - nicht in Einklang stehen. 241 Die bestehenden Hindernisse dürfen zudem nicht überbewertet werden. Wollte man die Ungleichbehandlung rechtfertigen, würde man in Konflikt mit dem Zweck des EuGVÜ - der Unterstützung der Schaffung eines Binnenmarktes - geraten. Durch das EuGVÜ sollen gerade grenzüberschreitende Geschäfte nicht dadurch behindert werden, dass die Durchsetzung von Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat wesentlich von den Gegebenheiten im eigenen Staat abweicht. 242 Obwohl der EuGH es sich mit der Begründung des Urteils zu einfach gemacht hat, ist seiner Auffassung also im Ergebnis zuzustimmen. § 917 Abs. 2 ZPO a.F. war nicht objektiv gerechtfertigt.
IU. Ergebnis Art. 12 Abs. 1 EG ist nach der Rechtsprechung des EuGH daher sowohl für unmittelbare als auch für mittelbare Diskriminierungen als relatives Diskriminierungsverbot anzusehen, so dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob objektive Gründe vorliegen, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unmittelbare Diskriminierungen in jedem Fall strengeren Anforderungen an einen rechtfertigenden Grund unterliegen als mittelbare Diskriminierungen. Durch die sehr restriktive Anwendung der Rechtfertigungsmöglichkeiten von Differenzierungen durch den EuGH wird Art. 12 Abs. 1 EG in Kombination mit der weiten Auslegung des Anwendungsbereichs des Vertrages insgesamt zu einem sehr weiten Kontrollinstrument. Ehricke, NJW 1991, S. 2189, 2191; Ress, JuS 1995, S. 967, 968. Schlosser; RIW 1983, S. 473, 482 f.; Ackmann, IPRax 1991, S. 166, 168; vgl. Hahn! Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 2, Abt. 1, S. 471 (§ 742); dagegen wird allerdings eingewandt, dass dieser Wille letztlich im Gesetz keinen Ausdruck gefunden habe, so Stickler; Das Zusammenwirken von Art. 24 EuGVÜ und §§ 916 ff. ZPO, Diss. Regensburg 1992, S. 74 f.; Mankowski, NJW 1992, S. 599 f.; das OLG München ist der Ansicht, dass nur bei Inkrafttreten der Civilprozessordnung bereits bestehende Staatsverträge gemeint waren, vgl. RIW 1983, S. 534, 535. 240 Schlosser; RIW 1983, S. 473, 484; ihm folgend LG München, EuZW 1991, S. 767. 241 Schlosser; RIW 1983, S. 473, 483. 242 Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 320. 238
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§ 11 Verhältnismäßigkeit Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch einen rechtmäßig verfolgten Zweck allein reicht nicht aus, sondern zusätzlich muss der diskriminierende Eingriff nach der Rechtsprechung des EuGH in einem angemessenen Verhältnis zum rechtfertigenden Grund stehen. 243 Erforderlich ist zunächst die Geeignetheit, das mit der Regelung verfolgte Ziel zu erreichen. Bei der Prüfung muss den Mitgliedstaaten ein Beurteilungsspielraum zugestanden werden, da ihr Interesse an der Regelung einer bestimmten Materie zu berücksichtigen ist. Abzustellen ist in einer umfassenden Abwägung auf die Interessen des betroffenen Staates und darauf, inwieweit die verfolgten Absichten mit den Zielen des Gemeinschaftsrechts in Einklang stehen. Die objektiven Kriterien müssen in angemessenem Verhältnis zu dem Zweck stehen, der mit der nationalen Regelung zulässigerweise verfolgt wird. 244 Dieser Ansicht folgt der EuGH in ständiger Rechtsprechung. 245 Im Zivilprozessrecht ist darauf zu achten, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein Abstellen auf den Wohnsitz oder auf Vermögen im Inland schon wegen der Wertung des EuGVÜ immer geeigneter sein wird als ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit. 246 Daher wird die Verwendung des Kriteriums der Staatsangehörigkeit in der Regel unverhältnismäßig sein. Entscheidend ist der jeweilige Einzelfall.
§ 12 Rechtsfolge Rechtsfolge kann zum einen die gemeinschaftskonforme Auslegung des nationalen Rechts sein. Wenn das nationale Recht Auslegungsspielräume lässt, ist es so anzuwenden, dass Art. 12 Abs. 1 EG nicht verletzt wird. Die gemeinschaftskonforme Auslegung findet ihre Grenze jedoch dort, wo der Wortlaut eine solche Auslegung nicht mehr zulässt. Dann muss die nationale Vorschrift in einem Verfahren mit Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Art. 12 Abs. 1 EG insoweit für unanwendbar erklärt werden, als sie diese Norm verletzt. Sie bleibt dann nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar. In zwei Fällen hat der deutsche Gesetzgeber sogar eine Gesetzesände243 Vgl. etwa EuGH, 20.3. 1997, Rs. C-323 195, Sig. 1997, 1-l71l, 1726, Rn. 24 (Hayesl Kronenberger). 244 EuGH, 24. 11. 1998, Rs. C-274/96, Sig. 1998, 1-7637, 7658, Rn. 27 ff. (Biekel); Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 6 EGV, Rn. 3; Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 108; Streinzl Leible, IPRax 1998, S. 162, 168. 245 EuGH, 25.10.1978, Rs. 125177, Sig. 1978, S. 1991,2004, Rn. 25/27 (Koninklijke Scholten-Honig NV u. a./Hoofdrproduktschap voor Akkerbouwprodukten); 13. 12. 1984, Rs. 106/83, Sig. 1984, S. 4209, 4231, Rn. 28 (Sermide 1Cassa Conguaglio Zucchero). 246 Vgl. EuGH, 20. 3. 1997, Rs. C-323/95, Sig. 1997, 1-l71l, 1726, Rn. 24 (Hayes/Kronenberger).
3. Kap.: Weiteres prozessuales Fremdenrecht
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rung vorgenommen, mit der die Nichtanwendbarkeit einer Norm im Binnenmarkt nun ausdrücklich geregelt wird, vgl. §§ 110 Abs. 1 S. 1 und 917 Abs. 2 ZPO. Sie dient der Rechtsklarheit und der Erleichterung der Rechtsanwendung.
Drittes Kapitel
Weiteres prozessuales Fremdenrecht Normen mit Auslandsbezug sind über die gesamte ZPO verteilt, da der Inlandsprozess als Normalfall geregelt ist und für Prozesse mit Auslandsbezug zusätzliche Regelungen in dem entsprechenden Zusammenhang bereitgestellt werden. Neben der fremden Gerichtssprache gemäß § 184 GVG, der Belastung des Ausländers mit Übersetzungskosten 247 und der ungewohnten Rechts- und Verfahrenskultur, die wohl derzeit unvermeidbar sind, bestehen weitere Sonderregelungen für Verfahren mit Auslandsbezug, die in Konflikt mit Art. 12 Abs. 1 EG stehen könnten, da sie etwa an die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz im Ausland anknüpfen. Bei einigen Normen entfällt die Problematik eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 EG in der Praxis schon deshalb, weil sie durch Staatsverträge oder sekundäres Gemeinschaftsrecht überlagert werden. So verdrängt das EuGVÜ z. B. die §§ 23, 328, 722 f., ZPO. Da alle Mitgliedstaaten dem EuGVÜ beigetreten sind, finden diese Normen des autonomen Prozessrechts im Rahmen des Gemeinschaftsrechts keine Anwendung. §§ 199 und 363 f. ZPO werden überlagert durch das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess 248 und das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. 3. 1970249 , da alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien entweder des einen oder des anderen Übereinkommens sind. 25o Im Mahnverfahren ist eine Zustellung im Ausland gemäß § 688 Abs. 3 ZPO nur zulässig, soweit das AVAG251 dies vorsieht. 252 Nach § 34 Abs. 1 S. 1 AVAG ist das Mahnverfahren zulässig, "wenn die Zustellung des Mahnbescheides in einem anderen Vertragsstaat erfolgen muss". Vertragsstaaten sind die Staaten, gegenüber denen die in § 35 Abs. 1 AVAG aufgeführten Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Kraft sind, zu denen u. a. das EuGVÜ zählt. Auch hier kommt es also nicht zu einem Konflikt mit Art. 12 Abs. 1 EG. BVerfG NJW 1997, S. 2040. BGBl. 11 1958, S. 577; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 210. 249 BGBl. II 1977, S. 1472; Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 211. 250 Jayme/Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 210, Fn. 3; Nr. 211, Fn. 1. 251 Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungs verträge in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 11988, S. 662. 252 Dazu Hök, JurBüro 1991, S. 1145 ff. 247 248
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Einige Normen, die unmittelbar oder mittelbar zwischen Deutschen und Staatsangehörigen anderer Staaten differenzieren, schaffen gleiche Bedingungen für Inund Ausländer im Prozess. Sie sind neutral und daher gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. Darunter fallen etwa §§ 55, 274 Abs. 3 S. 2, 276 Abs. I S. 3, 339 und 369ZPO. § 55 ZPO gibt einem Ausländer über § 52 ZPO hinaus, der i.Y.m. Art. 7 Abs. I EGBGB auf das Heimatrecht des Ausländers verweist,253 die Prozessfähigkeit, soweit sie nach dem inländischen Recht bestünde und schützt damit den redlichen Geschäftsve~kehr davor, im Ausland nach den Hintermännern eines möglicherweise nicht prozessfähigen juristischen Gebildes forschen zu müssen. 254 Die Norm besteht aber auch im Interesse der ausländischen Partei, da sie dazu führt, dass ein Ausländer für den Inlandsprozess auch dann prozessfähig ist, wenn ihm nach der lex fori diese Eigenschaft zukommt. 255 Eine Benachteiligung des Ausländers gegenüber dem Inländer liegt darin nicht, da gerade eine Gleichstellung mit dem Inländer erfolgt. §§ 274 Abs. 3 S. 2, 276 Abs. I S. 3 ZPO sehen zugunsten der Ausländer für den Fall der Zustellung im Ausland vor, dass der Vorsitzende die Einlassungsfrist angemessen verlängert. Zu kurz bemessene Fristen erfordern die Vertagung nach §§ 335 Abs. I Nr. 2, 337 ZPO oder die Aussetzung des Verfahrens nach Art. 15 HZÜ. 256 Ebenso bestimmt § 339 Abs. 2 ZPO, dass im Falle eines Versäumnisurteils die Einspruchsfrist dann, wenn die Zustellung im Ausland zu erfolgen hat, durch das Gericht durch besonderen Beschluss zu bestimmen ist. Diese ist regelmäßig länger als die Zweiwochenfrist des § 339 Abs. 1 ZPO. Durch diese Bestimmungen sollen die längeren Postlaufzeiten für Zustellungen im Ausland ausgeglichen werden. Der Ausländer bzw. der Zustellungsadressat mit Wohnsitz im Ausland wird dadurch im Ergebnis dem Inländer gleichgestellt. § 369 ZPO bestimmt für die ausländische Beweisaufnahme, dass sie - wenn sie nicht die Voraussetzungen des betreffenden ausländischen Rechts erfüllt257 - nur den inländischen Vorschriften genügen muss. Auch hier findet eine Gleichstellung mit den Inländern statt, die keine Benachteiligung der Ausländer mit sich bringt.
253 Linke, IZPR, Rn. 246; Hartmann, in: Baumbachl Lauterbachi Albers I Hartmann, ZPO, § 55, Rn. 1. 254 BGH NJW 1960, S. 1204, 1205. 255 MünchKommZPOlLindacher, § 55 ZPO, Rn. 2; SteinlJonaslBork, ZPO, § 55, Rn. 2; StaudingerlBeitzke, Art. 7 EGBGB, 12. Aufl., Rn. 33. 256 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. 11. 1965, BGB!. 1977 11, S. 1453; JaymelHausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 211. 257 Dies ist ausreichend wegen des Grundsatzes, dass sich die Form der Rechtshandlung nach dem Ort der Vornahme richtet, vg!. Art. 14 Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, Jayme I Hausmann, 10. Aufl., 2000, Nr. 210.
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Es gibt allerdings auch Bestimmungen in der deutschen Zivilprozessordnung, die einer genaueren Überprüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 EG bedürfen.
§ 13 Sicherheitsleistung gemäß § 108 ZPO i.V.m. § 239 BGB Ist nach den Vorschriften der ZPO die Leistung einer Sicherheit vorgesehen, so bestimmt § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass das Gericht nach freiem Ermessen deren Art und Höhe bestimmen kann. In der Praxis wird häufig eine Bankbürgschaft zugelassen.
I. Anwendbarkeit des § 239 BGB auf § 108 ZPO Ein gemeinschaftsrechtliches Problem stellt sich in diesem Zusammenhang, wenn auf § 108 ZPO die Bestimmung des § 239 BGB, nach der eine Bürgschaft zur Sicherheit nur durch einen Bürgen mit allgemeinem Gerichtsstand im Inland zulässig ist, zumindest analog anzuwenden ist. 258 Nach § 17 Abs. 1 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand von nicht-natürlichen Personen, die passiv parteifähig sind, durch ihren Sitz bestimmt, gegebenenfalls gemäß § 21 Abs. 1 ZPO nach dem Sitz der die Bürgschaftserklärung abgebenden Niederlassung. Eine entsprechende Regelung enthält Art. 2 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ. Die Abweisung der Bürgschaft eines Kreditinstitutes mit Sitz im EU-Ausland unter Anwendung von § 239 BGB könnte eine unzulässige mittelbare Diskriminierung darstellen. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bestimmt § 239 BGB allgemein für alle Rechtsbereiche, wer tauglicher Bürge sein kann. 259 Eine prozessuale Bürgschaft müsse dem Gläubiger eine im Vergleich zu den gesetzlichen Formen der Sicherheit gleichwertige Sicherheit bieten. Die ausdrückliche Verweisung in § 108 Abs. 2 ZPO auch auf § 239 BGB sei entbehrlich, weil die Sicherheitsbürgschaft auch eine materiellrechtliche Sicherheit sei und anders als Wertpapiere in § 108 ZPO keine eigene, von §§ 234 ff. BGB abweichende Regelung erfahren habe. 26o
258 So OLG Hamm, WM 1985, S. 658, 660; BayObLGZ 1988, S. 248, 256; OLG Kob1enz, EWS 1995, S. 282; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 108, Rn. 6,10; Zöller/Herget, ZPO, § 108, Rn. 7; MünchKommZPOI Beiz, § 108 ZPO, Rn. 36. 259 OLG Hamm, WM 1985, S. 658, 660; BayObLGZ 1988, S. 248, 256; OLG Kob1enz, EWS 1995, S. 282; Stein/fonas/Bork, ZPO, § 108, Rn. 19a; MünchKommZPOI Beiz, § 108 ZPO, Rn. 24, 36; Hartmann, in: Baumbach/ Lauterbach/Albers / Hartmann, ZPO, § 108, Rn. 10 ff.; Ehricke, EWS 1994, S. 259. 260 Toth, EWS 1995, S. 281, 282; Fuchs, RIW 1996, S. 280, 282 f.
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Nach einer Entscheidung des OLG Hamburg ist hingegen das Ermessen nach § 108 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht durch die Regelung des § 239 BGB beschränkt, da diese Bestimmung weder direkt noch analog auf eine prozessuale Sicherheit Anwendung finde. 261 Gestützt wird diese Ansicht auf § 108 Abs. 2 ZPO, der nur auf die §§ 234 Abs. 2 und 235 BGB - und gerade nicht auf § 239 BGB - verweise. Auch der BGB-Gesetzgeber war der Auffassung, dass die §§ 232-240 BGB im Falle gerichtlicher Bestimmung der Sicherheitsleistung nicht anwendbar seien?62 Letztlich überzeugend für diese Auffassung spricht die teleologische Auslegung: Die Schutzkonzeption des § 108 ZPO zielt auf eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung durch das Gericht, wohingegen die §§ 232 ff. BGB abstrakt-generelle Regelungen enthalten. 263 Auch diese Ansicht schließt jedoch nicht von vornherein aus, dass auch die Kriterien des § 239 BGB im Rahmen dieser Ermessensentscheidung berücksichtigt werden können. Allerdings ist zu bedenken, dass in die Ermessenserwägungen auch die Bestimmungen des EG-Vertrages mit einzubeziehen sind?64 Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts kann in diesem Fall zu einer Ermessensreduzierung in dem Sinne führen, dass das Kriterium des allgemeinen Gerichtsstandes im Inland nicht in die Erwägungen mit einbezogen werden darf. Gemeinschaftsrechtswidrig kann dieser Auffassung zufolge also nicht die Vorschrift des § 108 ZPO als solche, sondern nur die Ermessensausübung im Einzelfall sein, wenn § 239 BGB berücksichtigt wird und dieser gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. 265 11. Verstoß des § 239 BGB gegen das Diskriminierungsverbot Während das OLG Hamm 266 1985 - ohne das Thema überhaupt zu problematisieren - noch nicht zu einem Verstoß gegen eine der Grundfreiheiten kam, hat sich inzwischen ein Streit darüber entwickelt, unter welches spezielle Diskriminierungsverbot - das der Dienstleistungs- oder der Kapitalverkehrsfreiheit - die Bankbürgschaft nach § 239 BGB zu subsumieren ist. 267 261 OLG Hamburg, NJW 1995, S. 2859, 2860; so auch Taupitz, in: FS Lüke, 1997, S. 845, 847; Musielak/Foerste, ZPO, § lO8, Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, § lO8, Rn. 7; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § lO8, Rn. lO. 262 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. I, S. 387; Palandt/Heinrichs, BGB, vor § 232, Rn. I will die §§ 232 ff. BGB nur anwenden, soweit § lO8 ZPO auf sie verweist. 263 Taupitz, in: FS Lüke, 1997, S. 845, 852. 264 Toth, EWS 1995, S. 281, 282. 265 Taupitz, in: FS Lüke, 1997, S. 845, 852. 266 WM 1985, S. 658, 660. 267 Vgl. zu diesem Streit OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1667 f.; OLG Hamburg, NJW 1995, S. 2859, 2860; Ehricke, EWS 1994, S. 259, 260 f.; ders., RabelsZ 59 (1995), S. 598, 607; Retemeyer, Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft, Diss. Osnabrück 1995, S. 51 f.; Toth, EWS 1995, S. 281, 282; Fuchs, RlW 1996, S. 280, 284.
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Nach dem Inkrafttreten des Unionsvertrages am 1. 1. 1994 ist die Abgrenzung nicht mehr so erheblich wie zuvor, da jetzt auch die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 Abs. 1 (ex Art. 73 b Abs. 1) EG unmittelbar anwendbar ist und wie die Dienstleistungsfreiheit ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält. 268 Eine Entscheidung für die eine oder andere Auffassung ist jedenfalls für die vorliegende Untersuchung nicht erforderlich. Die Vorschrift des § 239 BGB ist geeignet, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kreditinstitutes zu unterbinden, indem es ihm die Möglichkeit nimmt, seine Dienste in Form von Bürgschaften für Sicherheiten in Deutschland anzubieten. Es liegt eine unterschiedliche Behandlung nach dem Sitz vor. Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 EG erfasst nicht nur natürliche Personen, sondern er ist im Sinne von Staatszugehörigkeit zu verstehen, der als Überbegriff auch juristische Personen einschließt. 269 Dies zeigt zum einen der Blick auf den Wortlaut des Art. 12 Abs. 1 EG in anderen Sprachen ("nationality" in englisch bzw. "nationalite" in französisch), zum anderen ergibt sich dies aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 48 EG, da im Rahmen der Niederlassungsfreiheit als spezieller Ausprägung des Art. 12 Abs. 1 EG 270 die juristischen Personen den natürlichen Personen gleichgestellt werden. Die Diskriminierung ist versteckt, da zwar nicht direkt auf die Staatsangehörigkeit bzw. den Sitz abgestellt wird, aber die Differenzierung nach dem allgemeinen Gerichtsstand durch die Art. 2, 53 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ, § 17 Abs. 1 ZPO zum gleichen Ergebnis führt. Für die Frage der Rechtfertigung kommt es sowohl bei der Einordnung als Dienstleistung als auch bei der Subsumtion unter die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 55 Abs. 1 LV.m. Art. 46 Abs. 1 EG bzw. Art. 58 Abs. 1 lit. bEG darauf an, ob die Beschränkung auf Bürgen mit allgemeinem Gerichtsstand im Inland aus Griinden der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach dem Schutzzweck des § 108 ZPO, die Interessen des Sicherungsberechtigten zu wahren, ist das Gericht verpflichtet, ein zur Absicherung geeignetes Sicherungsmittel zu bestimmen. Voraussetzung bei der Zulassung einer Bürgschaft ist, dass sie eine vergleichbare Sicherheit bietet wie die Hinterlegung von Geld und Wertpapieren, die nach § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO auch ohne Bestimmung des Gerichts geleistet werden können. Das Gericht muss also abwägen, wer als tauglicher Bürge in Betracht kommt. Der gesetzgeberische Grund für die Beschränkung auf inländische Bürgen bei § 239 BGB lag darin, dass es einfacher sei, inländische Vertragspartner gericht268 Ressl Ukrow, in: GrabitzlHilf, Kommentar zur EU, Art. 73b EGV, Rn. 6; Ohler; WM 1996, S. 1801, 1806; Freitag, EWS 1997, S. 186, 187. 269 EuGH, 7. 3. 1996, Rs. C-334/94, Sig. 1996, 1-1307, 1339, Rn. 14 (Kommission I Frankreich); OLG München, EuZW 1993, S. 199, 200; WohljahrtlEverlinglGlaesnerl Sprung, Art. 7 EWGV, Anm. 7; Zuleeg, in: von der GroebenlThiesinglEhlermann, Art. 6 EGV, Rn. 11; von Bogdandy, in: GrabitzlHilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 32; Rossi, EuR 2000, S. 197,200; zweifelnd Kaum, IPRax 1994, S. 180, 181; zum Meinungsstand auch Rohljs, NJW 1995, S. 2211, 2212 f. 270 EuGH, 9. 6.1977, Rs. 90176, Slg. 1977, S. 1091, 1127, Rn. 27 (van Ameyde/UCI).
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lich in Anspruch zu nehmen. 271 Die Inanspruchnahme eines im Ausland ansässigen und dort zu verklagenden Bürgen gestaltet sich schwieriger als der Zugriff auf beim inländischen Gericht hinterlegtes Geld oder Wertpapiere. Der Kläger hat im Gegensatz dazu ein Interesse daran, eine ihm bekannte Bank als Bürgin beibringen zu dürfen. Hinzu kommt das Interesse der Banken, möglichst im gesamten Binnenmarkt ihre Leistungen anzubieten. Wenn es sich um einen Bürgen im Bereich des EuGVÜ handelt, sind - jedenfalls nach der Rechtsprechung des EuGH 272 - relevante Nachteile für den Gläubiger bei der Durchsetzung seiner Anspriiche nicht zu erwarten. Im Urteil des OLG Hamburg zeigt sich zudem, dass etwaige Schwierigkeiten kompensiert werden können. Die Bürgschaft wurde unter der Voraussetzung zugelassen, dass sich die ausländische Bank in der Bürgschaftsurkunde der Geltung deutschen Rechts und der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts unterwirft sowie einen in Deutschland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten benennt. 273 Die Vollstreckung im Staat des Sitzes der Bank kann zudem nach den Regelungen des EuGVÜ erfolgen. Aus den gleichen Erwägungen wird eine Rechtfertigung auch vom OLG Düsseldorf abgelehnt, da etwaige Schwierigkeiten bei der Vollstreckung innerhalb des Anwendungsbereichs des EuGVÜ nicht ins Gewicht fielen. 274 Dennoch verbleibende Erschwerungen gegenüber einer Inlandsvollstreckung seien dem Beklagten zumutbar, weil er die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verträge mit einem ausländischen Vertragspartner geschlossen habe. § 239 BGB ist daher nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, so dass die Beschränkung der Tauglichkeit auf Bürgen mit inländischem allgemeinen Gerichtsstand nicht anzuwenden ist, soweit diese ihren Gerichtsstand im Bereich der Gemeinschaft haben. 275 Im Rahmen des § 108 ZPO darf daher bei der Ermessensentscheidung des Gerichts diese Voraussetzung nicht beriicksichtigt werden.
Eine Erweiterung des § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO war aus diesem Grund auch schon geplant: Es sollte danach auch die selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbeMünchKommBGB/von Feldmann, § 239, Rn. 1. EuGH, 10.2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467 (Mund & Fester/Hatrex). 273 OLG Hamburg, NJW 1995, S. 2859, 2860; so auch Schack, IZVR, Rn. 580e; Taupitz, in: FS Lüke, 1997, S. 845, 860 wendet gegen die Forderung der Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit allerdings die Regelung des § 53 b I 2 KWG ein, die in Umsetzung der 2. Bankrechtsrichtlinie vorsieht, dass für EU -Kreditinstitute, die aufgrund des "Europäischen Passes" im Inland tätig werden, § 53 III KWG nicht anwendbar ist. Dieser verbietet, für Klagen, die Bezug zum Geschäftsbetrieb einer inländischen Zweigstelle haben, den Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 ZPO durch Vertrag auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber hält bei EU-ausländischen Kreditinstituten also generell nicht mehr das Vorhandensein eines inländischen Gerichtsstandes für notwendig. 274 OLG Düsseldorf, ZIP 1995, S. 1667 unter Berufung auf EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Sig. 1994,1-467 (Mund & Fester/Hatrex). 275 Ehricke, EWS 1994, S. 259, 262; Retemeyer, Sicherheitsleitung durch Bankbürgschaft, Diss. Osnabrück 1995, S. 54. 271
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dingte und unbefristete Sicherheitsleitung einer Großbank, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU hat, möglich sein. 276 Der neueste Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses sieht von einer Einbeziehung von EUBanken allerdings wieder ab. 277 Er bezieht nur Bürgschaften eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts mit ein.
§ 14 Prozesskostenhilfe gemäß § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO Bedenken bestehen im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 EG auch gegen § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO, der nur inländische juristische Personen zur Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe berechtigt. Noch im Jahre 1991 lehnte der Bundesfinanzhof Prozesskostenhilfe für eine ausländische juristische Person ab, ohne das Problem einer gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierung aufzuwerfen. 278 Prozesskostenhilfe wird danach nur gewährt, wenn die Gleichbehandlung mit Inländern garantiert ist, was nach den Vorschriften der Art. 20-24 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess der Fall ist. 279 Soweit ein Ausländer als Antragsteller im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung nach Art. 32-35 EuGVÜ auftritt, billigt ihm zudem Art. 44 EuGVÜ die für das Erstverfahren erlangte Prozesskostenhilfe auch für das Zweitverfahren ZU. 280 Die Normen der Übereinkommen überlagern jedoch nicht alle Fälle des § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO, so dass dieser auch im Bereich des Gemeinschaftsrechts weiterhin zur Anwendung kommt. Die Vorschrift enthält wie § 110 Abs. I S. 1 ZPO a.F. eine offene Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bzw. - da es sich hier um juristische Personen handelt - nach dem Sitz. 28t Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Zwar ist die Prozesskostenhilfe eine Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge. 282 Aber auch ausländische natürliche Personen können ProzesskostenBT-Drucks. 13/6398, S. 5. Stand 23. 12. 1999. 278 BFH, 1. Senat, 21. 1. 1991, unveröffentlicht. 279 MünchKornrnZPOIWax, § 116, Rn. 26; Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 116, Rn. 3; vgl. auch Art. 14 des deutsch-britischen und Art. 18 des deutsch-griechischen Rechtshilfevertrages. 280 So auch Art. 15 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vorn 2. 10. 1973, BGBI. 11 1986, S. 826; Jayme/Hausrnann, 10. Aufl., 2000, Nr. 181. 281 Für Gleichbehandlung von § 110 ZPO a.F. und § 116 ZPO daher auch Fuchs, IPRax 1998, S. 25, 27; an der Anwendung von § 116 ZPO im Gemeinschaftsbereich auch zweifelnd von Hoffmann, IPR, S. 94; zur Einbeziehung von juristischen Personen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 EG s.o. § 1311. 282 BVerfGE 9, S. 256, 258; 35, S. 348, 355. 276 277
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hilfe erlangen,283 so dass die Nichtgewährung der Prozesskostenhilfe für ausländische juristische Personen nicht mit dem Sozialhilfecharakter begründet werden kann. In ihrem neuen Grünbuch zur Prozesskostenhilfe284 betont die Kommission, dass sich unmittelbar aus den Grundfreiheiten des EG-Vertrages ergebe, dass ein Bürger in der Lage sein müsse, zur Lösung von Streitfällen, die aus der Ausübung einer dieser Freiheiten resultieren, vor den Gerichten eines Mitgliedstaats in derselben Weise wie Staatsangehörige dieses Staates zu klagen oder verklagt zu werden. In vielen Fällen könne dieses Recht auf Zugang zu den Gerichten nur dann wirksam ausgeübt werden, wenn Prozesskostenhilfe zu bestimmten Bedingungen verfügbar sei. Es kann danach keinen Unterschied machen, ob es sich bei dem Bedürftigen um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt. Die Beschränkung in § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf inländische juristische Personen ist daher nicht mit Art. 12 Abs. 1 EG vereinbar.
§ 15 Zustellungsrecht Auch im Bereich der Zustellungen gibt es Regelungen, die den Ausländer im Vergleich zum Inländer - zumindest typischerweise - unterschiedlich behandeln.
I. Fiktive Inlandszustellung gemäß §§ 174 Abs. 2,175 Abs.l S. 3 ZPO Für die fiktive Inlandszustellung nach §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 S. 3 ZPO hat der BGR in zwei kürzlich ergangenen Urteilen - ohne allerdings die Frage dem EuGR vorzulegen - einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG verneint. 285 Ist der Zustellungsadressat durch wirksame Zustellung der Klageschrift im Ausland Partei des in Deutschland anhängigen Rechtsstreits geworden, so ist er, wenn er nicht im Inland wohnt und auch nicht durch einen ortsansässigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, § 174 Abs. 2 ZPO. Unterbleibt die Benennung, sieht § 175 Abs. 1 ZPO Fiktions!ösungen vor, insbesondere in Satz 3 die Zustellung durch Aufgabe zur Post, die mit Einwurf in den Briefkasten die Rechtsmittelfrist auslöst. 286 Da die Zustellung bereits am Ort der Abgabe vollzogen ist, handelt es sich um eine Inlandszustellung. 287 283 284 285 286
141. 287
OLG Düsseldorf, MDR 1994, S. 301; Zöller / Philippi, ZPO, § 114, Rn. 5. Grünbuch der Kommission, KOM (2000) 51 endg. vom 9.2.2000. BGH, R1W 1999, S. 295, 297; ZIP 1999, S. 616, 617 f. MünchKommZPOI von Feldmann, § 175, Rn. 4; Hausmann, IPRax 1988, S. 140, BGH, IPRax 2000, S. 23, 25 mit Nachweisen.
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Als Begründung für die Nichtvorlage führte der BGH unter Berufung auf den EuGH 288 aus, dass die Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH gern. Art. 234 (ex. Art. 177) EG entfalle, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig sei (acte c1air-Doktrin). Nach Aussage des EuGH besteht diese eindeutige Lage jedoch nur unter der strengen Voraussetzung, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt. Die Entscheidung muss insbesondere auch aus Sicht der anderen Mitgliedstaaten und des EuGH eindeutig sein. 289 Wie die Rechtslage in den anderen Mitgliedstaaten aussieht, insbesondere ob die anderen Staaten derartige Regelungen überhaupt haben, hat der BGH aber gar nicht angesprochen. Angesichts der Rechtsprechung des EuGH insbesondere zu § 917 Abs. 2 ZPO erscheint die Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 EG zudem auch aus Sicht des Gerichtshofs zumindest nicht offenkundig. 29O
1. Fingierter Zustellungszeitpunkt Zum einen kann die Tatsache, dass die Zustellung gemäß § 175 Abs. I S. 3 ZPO schon mit Aufgabe zur Post bewirkt ist, also ein Zustellungszeitpunkt fingiert wird, dazu führen, dass die Nachricht die im Ausland wohnende Prozesspartei erst erreicht, wenn die Frist für die Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs bereits abgelaufen iSt. 291 Auch für die Einspruchsfrist gegen einen nach § 175 Abs. 1 S. 3 ZPO zugestellten Vollstreckungsbescheid gemäß §§ 700 Abs. 1,339 Abs. 1 ZPO hat der BGH entschieden, dass sie nur zwei Wochen betrage und bereits mit der Aufgabe des Schriftstücks zur Post beginne. 292 Trotz Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand293 stellt dies aufgrund der längeren Postlaufzeiten eine faktische Ungleichbehandlung der im Ausland wohnenden Partei mit weitreichenden Konsequenzen in der Praxis dar. Der BGH prüfte das Vorliegen einer versteckten Diskriminierung. Sie scheiterte nach seiner Auffassung daran, dass die Obliegenheit zur Bestellung eines Zuste1lungsbevollmächtigten unter den Voraussetzungen von § 174 Abs. 1 S. 1 ZPO auch Inländer trifft. 294 Gegen diese Argumentation spricht allerdings, dass § 174 Abs. 1 288 EuGH, 6. 10. 1982, Rs. 283/81, Slg. 1982, S. 3415 (C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo 1Ministero della Sanita). 289 EuGH, 6. 10. 1982, Rs. 283/81, Slg. 1982, S. 3415, 3430, Rn. 16 (C.I.L.F.I.T. und Lanificio di Gavardo 1Ministero della Sanita). 290 Linke, IZPR, Rn. 226; Herber! Roth, JZ 1999, S. 419, 420; Linke, in: Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung - Internationale Zustellung, S. 95, 127. 291 Schlosser, JR 1987, S. 160; HausrtUlnn, IPRax 1988, S. 140, 141. 292 BGHZ 98, S. 263, 267. 293 BGH, RIW 1992, S. 398. 294 BGH, ZIP 1999, S. 616, 617; zustimmend Hallweger, NZG 1999, S. 549; Aderhold, EWiR 1999, S. 815, 816; Reinhold Geimer, LM, § 175, Nr. 13.
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ZPO in der Praxis wenig bedeutsam ist. 295 Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten durch einen Inländer ist nur auf besondere Anordnung des Gerichts erforderlich, die nur auf Antrag der Gegenpartei erfolgen kann. Voraussetzung ist ein Bedürfnis für die Bestellung, das heute wohl nur noch in dem seltenen Fall besteht, dass die Partei ihren Aufenthaltsort nicht preisgibt und sich nur unter einer Postfachnummer meldet oder wenn die Partei ständig auf Reisen ist. 296 § 174 Abs. 1 ZPO kann daher nicht als Argument für die Verneinung einer mittelbaren Diskriminierung herangezogen werden. Die unterschiedliche Länge der Postlaufzeiten im Inland und im Ausland führt dazu, dass die Rechtsmittelfristen bei auslandsansässigen Prozessparteien erheblich häufiger abgelaufen sind bis sie das Schriftstück erhalten als bei inlandsansässigen Parteien. 297 Da typischerweise Ausländer ihren Wohnsitz bzw. ihren Zustellungsort im Ausland haben, kommt die Anknüpfung an den Zustellungsort der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit im Ergebnis gleich. Die Norm führt somit nach den Kriterien des EuGH typischerweise zum gleichen Ergebnis wie die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit,298 so dass entgegen der Ansicht der BGH eine versteckte Diskriminierung vorliegt. Hilfsweise führte der BGH eine Rechtfertigungsprüfung durch. Die unterschiedliche Behandlung von im Ausland wohnenden Parteien sah er als durch objektive Umstände gerechtfertigt an, da die mit der förmlichen Auslandszustellung verbundenen Erschwernisse den Justizgewährungsanspruch des Klägers durch die Gefahr der Verfahrensverzögerung beeinträchtigten. 299 Dies sei angemessen, da es die im Ausland wohnhafte Partei in der Hand habe, durch Bestellung eines Prozessbevollmächtigten oder Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten die Rechtsfolgen des § 175 Abs. 1 S. 2 ZPO zu vermeiden. 3OO Auch die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, da die Zustellung nach § 175 Abs. 1 S. 2 und 3 ZPO nicht die Einleitung des Verfahrens betreffe, sondern nur dessen Fortführung. Da die Zustellung nach § 175 Abs. 1 S. 3 ZPO als Inlandszustellung gelte, brauche das Landgericht auch keine Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 2 ZPO zu benennen. 301 Gegen die Verhältnismäßigkeit spricht allerdings, dass auch in anderen Normen Fristverlängerungen vorgesehen sind. Sowohl bei einer Auslandszustellung nach § 199 ZPO als auch bei einer Inlandszustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 203 ZPO gilt eine vom Gericht verlängerte Stein I Jonasl Herbert Roth, ZPO, § 174, Rn. 1. Stein I Jonasl Herbert Roth, ZPO, § 174, Rn. 2; Zöller IStöber; ZPO, § 174, Rn. 2. 297 Schlosser; in: FS Stiefel, 1987, S. 683, 689 f.; ders., JR 1987, S. 160; Bachmann, FamRZ 1996, S. 1276, 1277. 298 Herbert Roth, JZ 1999, S. 419, 420. 299 BGH, ZIP 1999, S. 616, 618; Zum Zweck, Verschleppungen zu vermeiden auch Hahn, Die gesamten Materialien zur Civilprozessordnung, 1. Abtheilung, S. 226; MünchKommZPO/von Feldmann, § 174, Rn. 3; KiethelGroeschke, RIW 1999, S. 249, 251. 300 OLG München, IPRax 1990, S. 111, 112; KiethelGroeschke, RIW 1999, S. 249, 251. 301 BGH, ZIP 1999, S. 616, 618. 295
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3. Kap.: Weiteres prozessuales Fremdenrecht
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Einspruchsfrist (§§ 339 Abs. 2, 700 Abs. 1 ZPO). Auch § 274 Abs. 3 S. 2 ZPO sieht vor, dass bei einer Auslandszustellung die Einlassungsfrist angemessen zu verlängern ist. Zwar ist die Zustellung nach § 175 Abs. 1 S. 3 ZPO im Gegensatz dazu nach allgemeiner Auffassung eine Inlandszustellung, jedoch stellt es ein milderes Mittel dar, den längeren Postwegen und den ausländischen Zustellgewohnheiten auch hier durch eine Fristverlängerung Rechnung zu tragen. Daher erscheint zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine analoge Anwendung der §§ 339 Abs. 2, 274 Abs. 3 S. 2 ZPO auf die Zustellung nach § 175 ZPO vorzugswürdig, sofern der Zustellungsadressat seinen Wohnsitz im Ausland hat, mit der Folge, dass das Gericht die Länge der Rechtsmittelfrist bestimmt. 302 2. Hinweispflicht
Eine weitere Ungleichbehandlung ergibt sich aus § 174 ZPO hinsichtlich der Hinweispflicht. 303 Das Gericht muss nach dem Wortlaut des § 174 ZPO inlandsansässige Prozessparteien auf die Pflicht zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten hinweisen (Abs. 1), auslandsansässige Parteien dagegen nicht (Abs.2).304 Auch § 174 Abs. 2 ZPO stellt unter der Voraussetzung, dass der Anwendungsbereich des Vertrages eröffnet ist und keine besonderen Bestimmungen einschlägig sind, eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 EG dar, da die Anknüpfung an den Wohnort im Regelfall zum gleichen Ergebnis führt wie das Kriterium der Staatsangehörigkeit. Die Differenzierung wird vom BGH zum einen damit gerechtfertigt, dass die mit der förmlichen Auslandszustellung eines jeden Schriftstücks verbundenen Erschwernisse und Verzögerungen den Justizgewährungsanspruch des Klägers beeinträchtigten. 305 Die Regelung stelle auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Verfahrensstellung der ausländischen Partei dar, da es nicht um die Einleitung des Verfahrens gehe?06 Der Empfänger einer Klageschrift, die förmlich im Rechtshilfeweg zugestellt worden sei, sei hinreichend über die Tatsache informiert, dass er sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen innerhalb der ihm gesetzten Frist über einen zugelassenen Rechtsanwalt der Sache anzunehmen habe. Wer dieser Aufforderung nicht folge, habe die Konsequenzen zu tragen, die das deutsche Recht an ein solches Vorgehen knüpfe. 307 302 So Schack, ZZP 100 (1987), S. 442, 444 ff.; ders., IZVR, Rn. 599; Hausmann, IPRax 1988, S. 140, 141; Bachmann, FamRZ 1996, S. 1276, 1278; Reinhold Geimer; IZPR, Rn. 2116; Stein/Jonas/ Herbert Roth, ZPO, § 175, Rn. 2; ders., IPRax 2000, S. 11, 12; Fleischhauer; IPRax 2000, S. 13, 15. 303 s. OLO München, IPRax 1990, S. 111 mit Anm. Herbert Roth, S. 90, 93. 304 BOHZ 98, S. 263, 268; OLO München, MDR 1997, S. 1150,1151. 305 BOH, RIW 1999, S. 295, 297; zustimmend Reinhold Geimer, LM, § 174, Nr. 8. 306 BOH, RIW 1999, S. 295, 297.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
Ein Großteil der Literatur nimmt demgegenüber eine Hinweispflicht an?08 Neben Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dies auch mit Art. 12 Abs. 1 EG begründet werden. In der Auslandsansässigkeit liegt kein sachliches Kriterium für die Ungleichbehandlung. Im Bereich des Mahnverfahrens ist dieses Problem durch Ausdehnung der Hinweispflicht gemäß § 34 Abs. 3 S. 2 AVAG behoben worden. 309 Die weitreichenden Konsequenzen, die sich aus dieser Norm ergeben, sind allenfalls als Reaktion auf eine Obliegenheitsverletzung des Zustellungsadressaten zu rechtfertigen. 310 Das Wissen um die Prozessförderungspflicht ist daher notwendig. Auch das gesetzgeberische Motiv für die Differenzierung in § 174 ZPO, nämlich die Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren, an denen im Ausland wohnhafte Parteien beteiligt sind, kann einen so weitgehenden Eingriff in das Recht ausländischer Prozessbeteiligter auf Gehör nicht legitimieren. 311 Mit dem größeren Übermittlungsaufwand lässt sich zwar die Zustellungsform als solche begründen, nicht aber die Ungleichbehandlung bei der Frage der Hinweispflicht. Der Hinweis könnte ohne größeren praktischen Aufwand bei der Klagezustellung erfolgen. 312 Abgesehen davon kann das Bestreben nach Zeit- und Aufwandsersparnis nicht das Zurücktreten der Sicherung des rechtlichen Gehörs rechtfertigen. 313 Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung gebietet daher die Anwendung des § 174 Abs. 1 ZPO mit seiner Hinweispflicht auch auf Angehörige aus anderen Mitgliedstaaten. 314 § 174 Abs. 2 ZPO kann danach nur noch auf Zustellungsadressaten mit Sitz in Nicht-EU-Staaten angewendet werden.
11. Die französische "remise au parquet" Kürzlich hatte das OLG Karlsruhe in einem Fall zu entscheiden, ob die französische ,,remise au parquet" (Art. 683 ff. n.c.p.c.) den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Zustellung nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ genügt. 315 Sie ist ebenso wie die 307 OLG München, MDR 1997, S. 1150, 1151; gegen Hinweispflicht bei Zustellung durch Aufgabe zur Post auch BVerfG, NJW 1997, S. 1772. 308 Stein/Jonasl Herbert Roth, ZPO, § 174, Rn. 14, § 175, Rn. 11; Schack, IZVR, Rn. 599; Hausmann, IPRax 1988, S. 140, 143; Reinhold Geimer, IZPR, Rn. 2113; Kiethel Groeschke, RIW 1999, S. 249 mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 309 BGB!. I 1988, S. 662, 667; der BGH entnimmt § 34 Abs. 3 S. 2 AVAG allerdings keinen allgemeinen Rechtsgedanken, sondern führt diese Vorschrift auf die Besonderheiten des Mahnverfahrens zurück, RIW 1999, S. 295, 298. 310 Hausmann, FamRZ 1989, S. 1288, 1289. 311 Hausmann, FamRZ 1989, S. 1288, 1289, der allerdings auf Art. 103 Abs. 1 GG abstellt. 312 Fleischhauer, IPRax 2000, S. 13, 14 f. 313 Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, 1980, S. 100. 314 So auch Bachmann, FamRZ 1996, S. 1276, 1278. 315 OLG Karlsruhe, RIW 1999, S. 538.
3. Kap.: Weiteres prozessuales Fremdenrecht
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§§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 S. 3 ZPO eine fiktive Inlandszustellung, die aber im Gegensatz zum deutschen Recht schon bei der Klagezustellung anwendbar ist, um dem französischen Kläger die Zustellung im Ausland zu ersparen. Sie vollzieht sich in der Weise, dass der Kläger die Klage und Ladung bei der Staatsanwaltschaft niederlegen (Art. 684, 685 n.c.p.c.) und abzeichnen lässt. Zu diesem Zeitpunkt gilt die Zustellung bereits als erfolgt. Die Staatsanwaltschaft leitet die Schriftstücke zur Übermittlung auf vertraglichem bzw. diplomatischem Weg weiter (Art. 685 Abs. 2 n.c.p.c.), die Partei wird vom Gerichtsvollzieher durch Einschreibebrief gegen Rückschein von der erfolgten Zustellung benachrichtigt (Art. 686 n.c.p.c.). Das französische Gericht kann nach seinem Ermessen nachprüfen, ob der Beklagte rechtzeitig Kenntnis erlangt hat (Art. 687 n.c.p.c.).
Das OLG Karlsruhe hielt die ,,remise au parquet" für nicht ~t Art. 12 Abs. 1 EG vereinbar. 316 Sie belaste typischerweise nicht-französische Beklagte gegenüber inländischen Beklagten mit dem Nachteil frühzeitiger Zustellungsfiktion, die Berücksichtigung verspäteter Kenntnisnahme werde zumindest teilweise richterlichem Ermessen überlassen (Art. 687 n.c.p.c.). Ein Rechtfertigungsgrund bestehe nicht, da innerhalb der EU die vertragliche Zustellung, die dem Beklagten inländergleiche Rechtssicherheit verschaffe, funktionsfähig sei. Als Konsequenz dieser Ausführungen erfüllt die "remise au parquet" nach Auffassung des Gerichts nicht die Voraussetzungen ordnungsgemäßer Zustellung im Sinne von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ. Es hielt sie für unvereinbar mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot und wandte die französischen Bestimmungen nicht an, ohne dem EuGH vorher Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zwar werden im französischen Recht mit Art. 685 - 687 n.c.p.c. Vorkehrungen dafür getroffen, dass der im Ausland ansässige Beklagte tatsächlich von der Klageschrift Kenntnis erlangt. Angesichts des Ermessensspielraums des französischen Richters und der weitreichenden Konsequenzen, die sich gegenüber dem deutschen Recht daraus ergeben, dass die "remise au parquet" schon bei der Klagezustellung anwendbar ist, ist dem OLG Karlsruhe aber im Ergebnis zuzustimmen.
IH. Öffentliche Zustellung nach § 203 Abs. 2 ZPO Problematisch ist auch die Vorschrift des § 203 Abs. 2 ZPO. Die Zustellung ist bei § 203 ZPO insgesamt fiktiv, da eine Übermittlung an den Adressaten gar nicht versucht zu werden braucht. 317 Zwar wird der Beklagte vor den Gefahren fiktiver Inlandszustellungen durch Art. 20 Abs. 2 und 3 EuGVÜ (i.V.m. Art. 15 HZÜ) geschützt. Dies ändert aber nicht die Erfordernisse des deutschen Rechts ab. Die deutschen Gerichte dürfen also nicht allein auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 2 OLG Karlsruhe, RlW 1999, S. 538, 539. Linke, IZPR, Rn. 229; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, Diss. Münster 1995, S. 37. 316 317
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG
EuGVÜ ein Versäumnisurteil erlassen, sondern müssen zusätzlich § 203 Abs. 2 ZPO beachten. 318 Die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung bleibt also bestehen. § 203 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass abweichend von § 199 ZPO eine öffentliche Zustellung im Gegensatz zum Inland, wo der Aufenthalt der Partei unbekannt sein muss (§ 203 Abs. 1 ZPO), bei einer im Ausland zu bewirkenden Zustellung auch dann zulässig ist, wenn die Befolgung der für diese bestehenden Vorschriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Das ist etwa der Fall, wenn der ausländische Aufenthaltsstaat des Adressaten die Gewährung von Rechtshilfe verweigert oder diese im Einzelfall nicht erfolgversprechend ist bzw. so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass dies der anderen Partei unzumutbar ist. 319 Daher kommt das Verfahren nur im yerhältnis zu solchen Staaten in Betracht, mit denen weder ein staatsvertraglieh geregelter noch ein vertragslos praktizierter Rechtshilfeverkehr besteht. 320 Die Länderiibersicht bei Bülow / Böckstiegee21 zeigt, dass mit allen Staaten der Europäischen Union ein solcher Rechtshilfeverkehr besteht, so dass ein Konflikt mit Art. 12 Abs. 1 EG in der Praxis nicht entsteht.
§ 16 Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO Für die Frage der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZP0322 spielt das EuGH-Urteil im Fall DajekP23 eine Rolle. Es ging um eine griechische Staatsangehörige, die längere Zeit in Deutschland gearbeitet hatte und kurz vor Erreichen des Rentenalters den deutschen Behörden mitteilte, ihr wahres Alter sei um einige Jahre höher als das in ihrem Personalausweis angegebene. Sie belegte dies durch ein griechisches Urteil, das eine entsprechende Berichtigung der Personenstandsurkunde angeordnet hatte. Nach Ansicht der deutschen Rechtsprechung gilt § 66 des deutschen Personenstands gesetzes (PStG), der Personenstandsurkunden dieselbe Beweiskraft wie Personenstandsbüchern zuweist, nur für deutsche Urkunden. Für im Ausland ausgestellte Urkunden gilt nicht die Vermutung der Richtigkeit, sondern ihre Echtheit und ihr Inhalt unterliegt freier richterlicher Beweiswürdigung. 324 Im Rahmen dieser Würdigung hat das Gericht die von der Rechtspre318 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, Diss. Münster 1995, S. 169 f. 319 ZöllerlStöber; ZPO, § 203, Rn. 3; Hartmann, in: BaumbachlLauterbachlAlbersl Hartmann, ZPO, § 203, Rn. 10 f. 320 Linke, IZPR, Rn. 229. 321 G I ZRHO, Bd. III, Nr. 900, S. 82 ff. 322 Im konkreten Fall ging es um den inhaltlich gleichen § 118 Abs. 1 S. 1 SGG. 323 EuGH,2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997,1-6761 (Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg). 324 BSG, DRV 1986, S. 258, 260; HeptinglGaaz, PStG, § 66, Rn. 14.
3. Kap.: Weiteres prozessuales Fremdenrecht
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chung aufgestellte Beweisregel zu berücksichtigen, nach der im Fall eines Widerspruchs zwischen mehreren nacheinander ausgestellten Dokumenten grundsätzlich das dem Ereignis zeitlich am nächsten liegende vorgeht, also im vorliegenden Fall die erste Geburtsurkunde. Das deutsche Sozialgericht wollte danach die neue Urkunde nicht berücksichtigen. Zu prüfen war eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, da in der Vorschrift bzw. in der diesbezüglichen Rechtsprechung zwar nicht direkt an das Merkmal der Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, jedoch in der Praxis regelmäßig Ausländer von der unterschiedlichen Behandlung betroffen sind, da nur sie ihre Personenstandsurkunden von Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgestellt bekommen. 325 Im konkreten Fall stellte der EuGH auf einen Verstoß gegen das spezielle Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 (ex Art. 48 Abs. 2) EG ab, da er einen unmittelbaren Zusammenhang zur ArbeitnehmersteIlung der Betroffenen annahm. 326 Zur Rechtfertigung führte er aus, dass die Unterschiede zu berücksichtigen seien, die in den nationalen Rechtsordnungen im Hinblick auf Voraussetzungen und Verfahren für die Entscheidung über die Berichtigung des Geburtsdatums bestünden. Grund für die Beweiskraft der deutschen Urkunde sei gerade das besondere in Deutschland stattfindende Verfahren. 327 Zudem unterstrich er die mangelnde Harmonisierung der Rechtsordnungen in diesem Bereich bzw. das fehlende System zur Anerkennung solcher Entscheidungen?28 Dies spreche entscheidend gegen eine Pflicht zur Gleichbehandlung ausländischer und nationaler Urkunden. Allerdings seien grundsätzlich auch die ausländischen Urkunden zu beachten, sofern deren Richtigkeit im Einzelfall nicht durch konkrete Anhaltspunkte in Frage gestellt sei. Im Ergebnis sei deshalb eine generelle und abstrakte Beweisregel der Rechtsprechung, nach der im Fall eines Widerspruchs zwischen mehreren nacheinander ausgestellten Dokumenten grundsätzlich das dem Ereignis zeitlich am nächsten liegende vorgehe, nicht gerechtfertigt. 329 Der EuGH verlangte also zwar keine generelle Gleichstellung, aber doch die Berücksichtigung der Grundfreiheiten bei der Beweiswürdigung. Diese Ausführungen lassen sich insbesondere vor dem Hintergrund der Schlussanträge des Generalanwalts verstehen, der betonte, dass bei uneingeschränkter Verneinung der Gleichartigkeit der Sachverhalte die angewandte Beweisregel es für 325 EuGH,2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997,1-6761,6779, Rn. 13 (Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg). 326 EuGH, 2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997,1-6761,6778, Rn. 10 (Dafeki I Landesversicherungsanstalt Württemberg). 327 Generalanwalt La Pergola, Schlussanträge zu EuGH, 2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997, 1-6761, 6765 (Dafeki I Landesversicherungsanstalt Württemberg). 328 EuGH,2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997,1-6761,6780, Rn. 16 (Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg). 329 EuGH,2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Slg. 1997,1-6761,6781, Rn. 20 (Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg).
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
den Betroffenen praktisch unmöglich mache, das andere Geburtsdatum nachzuweisen. 330 Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Status haben die Behörden und Gerichte den Personenstands urkunden des Herkunftslandes daher die gleiche Bedeutung zuzuerkennen, wie ihnen im Herkunftsland beigemessen wird. 331 Bei der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 286 ZP0332 sind also solche Grundsätze außer Acht zu lassen, die generell und abstrakt dazu führen, dass eine von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates vorgenommene Berichtigung nicht zu beriicksichtigen ist und damit eine versteckte Diskriminierung von Ausländern bedeuten. 333
§ 17 Echtheit ausländischer öffentlicher Urkunden gemäß § 438 ZPO § 438 ZPO legt die Entscheidung, ob eine Urkunde, die von einer ausländischen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person des Auslandes errichtet wurde, als echt anzusehen ist, in das Ermessen des Gerichts. Im Gegensatz dazu bestimmt § 437 ZPO, dass bei gleichartiger Ausstellung im Inland die Echtheit vermutet wird. Auch hier könnte eine versteckte Diskriminierung aus Griinden der Staatsangehörigkeit nach Art. 12 Abs. 1 EG angenommen werden, wenn der Anwendungsbereich des Vertrages eröffnet ist und keine besonderen Bestimmungen eingreifen.
Zwar ist nach dem Europäischen Übereinkommen zur Befreiung der von diplomatischen oder konsularischen Vertretern errichteten Urkunden von der Legalisation v. 7. 6. 68 334 die Legalisation für Urkunden in dessen Anwendungsbereich entbehrlich. Dieses Übereinkommen geht dem § 438 ZPO vor. Allerdings ist es nicht für alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in Kraft. 335 Auch die Art. 49, 50 EuGVÜ, nach denen die im Vollstreckungsverfahren vorzulegenden Urkunden inländischen Urkunden unmittelbar gleichgestellt werden, decken nicht den gesamten Anwendungsbereich des § 438 ZPO ab. Ob allerdings die Anknüpfung an die Ausstellung im Ausland im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis führt wie die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, ist zweifelhaft. Anders als im vorgehend untersuchten Fall der Personenstandsurkunden ist nicht generell davon auszugehen, dass im Ausland ausgestellte Urkunden in 330 Generalanwalt La Pergola. Schlussanträge zu EuGH, 2. 12. 1997, Rs. C-336/94, Sig. 1997.1-6761.6766 (Dafeki/Landesversicherungsanstalt Württemberg). 331 Generalanwalt La Pergola. Schlussanträge zu EuGH, 2. 12. 1997, Rs. C-336 I 94, Sig. 1997,1-6761,6767 ff. (Dafeki I Landesversicherungsanstalt Württemberg). 332 Bzw. im konkreten Fall § 118 Abs. 1 S. 1 SGG. 333 Für eine Harmonisierung [dot. Europe, Fevrier 1998, S. 19,20 (Nr. 58). 334 BGBI. 11 1971, S. 86; Jayme/ HausmLlnn. 10. Aufl., 2000, Nr. 251. 335 Es gilt nicht für Belgien, Dänemark, Irland und Finnland.
3. Kap.: Weiteres prozessuales Fremdenrecht
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der Regel Ausländer betreffen. Ebenso wie Gerichtsurteile betreffen auch ausländische Urkunden oft Inländer. Die Herkunft einer Urkunde wird nicht im Regelfall durch die Staatsangehörigkeit des Betroffenen bestimmt. Es ist daher im Fall des § 438 ZPO nicht von einer mittelbaren Diskriminierung auszugehen, so dass kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EG vorliegt.
§ 18 Erfassung ausländischer Urteile von § 917 Abs. 2 ZPO n.F. Im Rahmen des nunmehr geänderten § 917 Abs. 2 ZPO wurde ein weiteres gemeinschaftsrechtliches Problem dieser Norm nicht gelöst. Seit längerem ist umstritten, ob es sich bei dem zu vollstreckenden Urteil um ein inländisches Urteil handeln muss, oder ob es ausreicht, dass das betreffende Urteil aus einem EuGVÜVertragsstaat stammt?36 Allerdings kann im Falle der Ansicht, nur inländische Urteile seien von der Norm erfasst, ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht mit Art. 12 Abs. 1 EG begründet werden, da in diesem Fall keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt. Die Frage, ob ein Urteil aus einem anderen Mitgliedstaat als Urteil im Sinne dieser Norm anerkannt wird, hängt nicht von der Staatsangehörigkeit des Klägers ab. Auch eine versteckte Diskriminierung ist in diesem Fall nicht anzunehmen, da die Herkunft des Titels im Regelfall nicht durch die Staatsangehörigkeit des Klägers bestimmt wird, sondern die internationale Entscheidungszuständigkeit sich etwa im Rahmen des EuGVÜ grundsätzlich gemäß dessen Art. 2 Abs. 1 nach dem Wohnsitz des Beklagten richtet. 337 Oft ist auch nach Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ der Erfüllungsort entscheidend. Die Einbeziehung auch von Urteilen aus EuGVÜ-Staaten in den Urteilsbegriff des § 917 Abs. 2 ZPO kann demnach mangels Erheblichkeit der Staatsangehörigkeit allenfalls aus der Auslegung des EuGVÜ, nicht aber aus Art. 12 Abs. 1 EG folgen. 338
§ 19 Ergebnis zu Teil 1 Die im ersten Kapitel dargestellten Entscheidungen zeigen die weite Auslegung des Tatbestandes des Art. 12 Abs. 1 EG durch den EuGH. Der Anwendungsbereich ist im Falle einer zivilprozessualen Norm eröffnet, wenn dem Rechtsstreit die Ausübung einer Grundfreiheit zugrunde liegt bzw. eine Norm betroffen ist, die dem Gemeinschaftsbürger einen Anspruch auf Gleichbehandlung verleiht. Zudem kann sich die Eröffnung des Anwendungsbereiches auch 336 Letzteres bejahend zuletzt LG Hamburg, IPRax 1998, S. 37 f. mit Nachweisen zum Streitstand; dazu Fuchs, IPRax 1998, S. 25. 337 So auch Fuchs, IPRax 1998, S. 25, 27. 338 Dazu LG Hamburg, IPRax 1998, S. 37 f.; Fuchs, IPRax 1998, S. 25, 27 ff.
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1. Teil: Das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. I EG
aus der speziellen Kompetenznorm des Art. 65 EG ergeben. Art. 12 Abs. 1 EG ist im Gegensatz zu den speziellen Diskriminierungsverboten immer dann einschlägig, wenn der Rechtsstreit nicht selbst in Ausübung einer Grundfreiheit geführt wird, sondern der Prozess eine Folge der Wahrnehmung einer der Freiheiten ist. Sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen unterliegen der Rechtfertigungsprufung, wobei zivilprozessuale Normen, die unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit abstellen, in der Regel unverhältnismäßig sind. Angesichts der weiten Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 12 Abs. 1 EG durch den EuGH in seiner Rechtsprechung zum nationalen Zivilverfahrensrecht ist es für einige zivilprozessuale Normen sehr zweifelhaft, ob sie noch mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot im Einklang stehen. Art. 12 Abs. I EG ist durch die weite Auslegung zu einem "gefährlichen Werkzeug" zur Verdrängung nationalen Zivilprozessrechts geworden. 339
339 Schack, ZZP 107 (1994), S. 279, 287; Herbert Roth, in: Müller-Grajf/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 359.
Zweiter Teil
Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung der Grundfreiheiten Bei den im ersten Teil behandelten Normen des prozessualen Fremdenrechts als einseitigen Exklusivnormen zugunsten von Inländern handelt es sich um Ausnahmeregelungen, da grundsätzlich die lex fori-Regel der Gleichbehandlung von Inund Ausländern im Prozess dient. Im Folgenden geht es nicht um einzelne Ausnahmenormen einer nationalen Zivilprozessordnung, die den Ausländer schlechter stellen als den Inländer, sondern es soll untersucht werden, ob generell die Unterschiede der mitgliedstaatlichen Zivilverfahrensrechte am Maßstab der Grundfreiheiten zu messen sind. 1 Es geht um die Frage, ob die Angleichung der Zivilprozessordnungen der Mitgliedstaaten der Rechtsetzung vorbehalten bleiben soll, oder ob die Unterschiede mit Hilfe der Grundfreiheiten nivelliert werden können? Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, ob durch die Grundfreiheiten Störungen verhindert werden sollen, die allein durch die Unterschiedlichkeit der nationalen Zivilprozessordnungen entstehen, also dadurch, dass die Normen des Einfuhrstaates "strenger" als die Normen des Herkunftsstaates sind (vgl. oben Grundfälle § 1 11 und III). Auch die Grundfreiheiten gelten unmittelbar und gehen somit dem nationalen Recht vor. 3 Alle bundesrechtlichen Vorschriften, d. h. auch die der ZPO, müssen sich also mit den Grundfreiheiten im Einklang befinden. Auf den ersten Blick mag die Frage nach der Vereinbarkeit des Zivilprozessrechts mit den Grundfreiheiten überraschen: Das Zivilprozessrecht will ja im Allgemeinen Freiheiten nicht einschränken, sondern die Durchsetzung von privatem Handeln in Freiheit gerade ermöglichen. Das Zivilprozessrecht gehört ebenso wie das materielle Privatrecht zu der rechtlichen Infrastruktur, die die Voraussetzungen für die wirksame Realisierung der Grundfreiheiten schafft. In der bisherigen Entwicklung des Gemeinschaftsrechts standen als typische Hindernisse der Grundfreiheiten öffentlich-rechtliche Vorschriften im Vordergrund, I Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35; ihm angeschlossen hat sich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995,
S.672. 2
3
Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 316. BVerfG NJW 1971, S. 2122, 2124.
7 Tönsfeuerborn
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
z. B. im Bereich der Warenverkehrsfreiheit gesundheitspolizeiliche Bestimmungen oder Vorschriften zu Qualität, Zusammensetzung und Verpackung von Waren. Dies liegt vor allem daran, dass sich protektionistische Zwecke mit öffentlich-rechtlichen Regelungsinstrumenten zumeist direkter und effektiver verfolgen lassen. 4 Demgegenüber traten Probleme mit dem Zivilrecht zunächst als zweitrangig zurück. Das materielle Privatrecht bewirkt typischerweise keine Marktzutrittsschranken, sondern formuliert Marktverhaltensrecht. 5 Ebenso kann man für das Zivilprozessrecht argumentieren, dass dieses Verhaltens- und Organisationsvorschriften für den Fall von Störungen bei der Vertragsabwicklung festlegt. Etwaige Behinderungen treten erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Marktzutritts ein. Beide Rechtsgebiete stellen daher keine Handelsbehinderungen im klassischen Sinne dar. Mit zunehmender Verwirklichung des Binnenmarktes und mit zunehmendem Abbau öffentlich-rechtlicher Marktzutrittsschranken rücken nun aber auch diese Regelungsgebiete in -den Vordergrund.
Erstes Kapitel
Allgemeines § 20 Beschränkung der Untersuchung auf die Waren verkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit Zunächst sind einige Vorüberlegungen zu der Frage erforderlich, welche Grundfreiheiten überhaupt relevant für das Zivilverfahrensrecht sind. Naheliegend sind die Einflüsse des Zivilverfahrensrechts insbesondere auf die Ausübung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs. Sie gehören zu den Freiheiten, in deren Bereich typische grenzüberschreitende Verträge abgewickelt werden. Je besser und reibungsloser die Rechte aus diesen Geschäften über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg vor den Gerichten durchgesetzt werden können, desto eher ist auch der freie Fluss von Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt gewährleistet. Auch bei der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit können grenzüberschreitend zivilrechtliche Ansprüche entstehen, die vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden müssen. Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist etwa die Klage eines Arbeitnehmers denkbar, der nach jahrelanger Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat in sein Heimatland zurückkehrt und von dort aus nun gegen seinen damaligen Arbeitgeber vor einem dortigen Gericht auf ausstehenden Arbeitslohn klagen muss. Im Bereich der Niederlassungsfreiheit spielt 4
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Wulf-Henning Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht, 1985, S. 691. Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 63.
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vor allem das Berufsrecht der Rechtsanwälte eine Rolle. Dennoch sind diese beiden Freiheiten für das Zivilprozessrecht insbesondere gegenüber der Waren- und Dienstleistungsfreiheit nur am Rande von Bedeutung, da grenzüberschreitende Fälle von zivilrechtlichen Streitigkeiten im Bereich dauerhafter Tatigkeit in einem anderen Mitgliedstaat seltener sind. Auch ist es unwahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat etwa deshalb nicht annimmt, weil im Falle eines Rechtsstreits das Zivilprozessrecht dieses Staates zur Anwendung gelangt. Neben der Gewinnerzielungsabsicht bilden andere nichtmonetäre Faktoren den Anlass, in Wahrnehmung der Personenverkehrsfreiheiten in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten oder sich niederzulassen. 6 Im Regelfall ist dem Arbeitnehmer zuzumuten, das Prozessrecht des Staates seines Arbeitsplatzes zu akzeptieren. Gleiches gilt für den Niederlassungswilligen im Hinblick auf das Prozessrecht des Niederlassungsortes. Hervorzuheben ist kurz die Zahlungsverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 2 EG. Bei dieser Annexfreiheit können zivilprozessuale Regelungen eine Rolle spielen, wenn es um die Gegenleistung aus einer zugrundeliegenden Transaktion etwa aus dem Bereich des freien Waren- oder Dienstleistungsverkehrs geht. Die Freiheit des Zahlungsverkehrs dient vor allem der Aufrechterhaltung des freien Binnenmarktes bei der Erbringung von Gegenleistungen im Zusammenhang mit dem Waren- und Dienstleistungsverkehr. 7 Ohne freien Zahlungsverkehr wären der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr wirkungslos, da die in diesen Austauschverhältnissen erzielten Erträge nicht transferiert werden könnten. Unter Beschränkungen im Sinne von Art. 56 Abs. 2 EG sind zunächst alle staatlichen Maßnahmen zu verstehen, die für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr eine gegenüber den Inlandsgeschäften formell oder materiell abweichende Regelung vorsehen, die also Diskriminierungen enthalten. 8 Dariiber hinaus ist anerkannt, dass auch sonstige Beschränkungen des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sind. 9 Allerdings hat der EuGH sich in der Entscheidung ED Srl.!Italo Fenocchio lO eindeutig gegen die Anwendbarkeit des Art. 56 Abs. 2 EG auf Verfahrensmodalitäten ausgesprochen, "denen die Geltendmachung des Anspruchs eines Gläubigers gegen einen säumigen Schuldner auf Zahlung einer Geldsumme unterworfen ist."ll Art. 56 Abs. 2 EG solle nur gewährleisten, dass der Schuldner einer Geldsumme für eine Warenlieferung oder Dienstleistung seine Verpflichtung frei und Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 32. Herdegen, Europarecht, Rn. 331. 8 Kiemel, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 73 b EGV, Rn. 5. 9 Eckhoff, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1706. 10 EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845 (ED Srl.lltalo Fenocchio); zum Sachverhalt oben § 4 11. 11 EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999, 1-3845, 3881, Rn. 17 (ED Srl.lltalo Fenocchio). 6
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
ohne Beschränkungen erfüllen und der Gläubiger eine solche Zahlung frei empfangen könne. Generalanwalt Cosmas und die Kommission waren hingegen der Auffassung, die Auslegung von Art. 56 Abs. 2 EG sei für den Fall insoweit von Nutzen, als davon auszugehen sei, dass die streitige Norm in - wenn auch nur mittelbarer - Verbindung zur Durchführung von Zahlungen im Sinne von Art. 56 Abs. 2 EG stehe. 12 Jedoch zog auch der Generalanwalt eine Lösung über Art. 12 Abs. 1 EG vor, da es schwierig sei, merkliche Auswirkungen auf den freien Zahlungsverkehr auszumachen. Nach diesem Urteil ist also davon auszugehen, dass Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Handels, die durch zivilprozessuale Normen entstehen, jedenfalls nicht gegen die Zahlungsverkehrsfreiheit verstoßen, da deren Schutzbereich auf Behinderungen bei der Erbringung der Zahlung selbst beschränkt bleiben soll. Die Untersuchung bleibt daher auf die Warenverkehrsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit beschränkt.
§ 21 Spannungsverhältnis Ausgangspunkt ist das Spannungsverhältnis zwischen der Tatsache, dass das Zivilprozessrecht weiterhin Sache der Mitgliedstaaten ist,13 andererseits nach den Grundfällen (oben § 1 11 und III) ein Einfluss von Unterschieden zivilprozessualer Regelungen auf die Wahrnehmung der Grundfreiheiten durch die Marktbürger denkbar ist. Aus praktischen und kompetenzrechtlichen Griinden bzw. aufgrund von sozialen oder kulturellen Unterschieden besteht immer noch Bedarf für nationale Regelungen. Die Grundfreiheiten sind das Instrument, um die Grenze zwischen den nationalen und den gemeinschaftsrechtlichen Interessen festzulegen. Es ist ein Ausgleich zu finden zwischen den Zielen der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes nach Art. 2 EG bzw. des Binnenmarktes, die insbesondere durch die Grundfreiheiten verwirklicht werden sollen, und dem Interesse der Mitgliedstaaten an der Wahrung ihrer Regelungskompetenzen. Entscheidend ist der Grad der Beeinträchtigung, der wiederum davon abhängt, wie weit die Integration inzwischen fortgeschritten iSt. 14 Es kommt darauf an, inwieweit die Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte die Erreichung der Ziele beeinträchtigen, die die Schaffung eines homogenen wirtschaftlichen und politischen Großraums ermöglichen sollen, in dem Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen sich so ungehindert bewegen können, wie sie es innerhalb der Staaten tun. 15 Dies ist für die betroffenen Grundfreiheiten jeweils anhand der Rechtsprechung des EuGH zu ermitteln. 12 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999, 1-3845, 3854 (ED Sr1.1 Italo Fenocchio). 13 EuGH, 2. 2. 1989, Rs. 186/87, Slg. 1989, S. 195 (Cowan/Trt:sor Pub1ic). 14 Wils, ELR 18 (1993), S. 475, 478 f. 15 Generalanwalt Trabucchi, Schlussanträge zu EuGH, 11. 7. 1974, Rs. 8/74, Slg. 1974, S. 837, 860 (Dassonville); Behrens, Jura 1989, S. 561, 563.
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§ 22 Konsequenzen einer Einordnung des Zivilverfahrensrechts unter den Tatbestand der Grundfreiheiten Bevor im Einzelnen die Frage der Subsumtion von Unterschieden der zivilprozessualen Normen unter die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit untersucht wird, sind die Konsequenzen einer solchen Subsumtion mit ihren Vor- und Nachteilen zu bedenken. Die Subsumtion unter den Tatbestand der Grundfreiheiten für das Zivilverfahrensrecht würde dazu führen, dass eine Rechtfertigungsprüfung (z. B. nach Art. 30 EG) durchgeführt bzw. geprüft werden müsste, ob zwingende Erfordemisse l6 die betreffende prozessuale Norm notwendig machen, was jeweils eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung mit sich bringen würde. I?
I. Vorteile der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten
Für die Subsumtion von Unterschieden der Zivilverfahrensrechte unter die Grundfreiheiten lässt sich die zunehmende Integration mit immer neuen Maßstäben anführen, die Flexibilität erfordert und daher einer generellen Ausgrenzung bestimmter Regelungen aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten entgegenstehen könnte. Teilweise wird insbesondere zu Art. 28 EG eine generelle Abwägung ohne Begrenzung des Anwendungsbereiches der Norm befürwortet, da dies eine flexiblere Argumentation ermögliche. 18 Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Funktion der Grundfreiheiten, nationale Regelungen daran zu messen, ob die durch sie hervorgerufene Behinderung der Integration der nationalen Märkte die Vorteile einer nationalen Regelung übersteigt. 19 Abgrenzungsversuche im Hinblick auf die Eröffnung des Anwendungsbereiches schafften Rechtsunsicherheiten und provozierten neue Abgrenzungsstreitigkeiten, wie etwa aus dem Begriff der Verkaufsmodalitäten 20 im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit ersichtlich sei. Bisher seien zudem keine überzeugenden Ansätze für Abgrenzungskriterien für den Anwendungsbereich gefunden worden. Zu formale Tatbestandseingrenzungen gingen häufig an den ökonomischen Realitäten vorbei. 21 Angesichts der Bereitschaft des EuGH, vielfältige nationale Schutzinteressen zu akzeptieren, verliere das "Horrorbild" der Grundfreiheitenkontrolle viel von seinem Schrecken. Zudem besitze die Abwägung vielfach eine Signalfunktion für etwaige Harmonisierungsmaßnahmen, da sie ein Anzeichen dafür seien, wo Behinderungen des grenzüberschreitenden Dazu unten § 26 111. So Ehricke, IPRax 1999, S. 311, 316. 18 Wils, ELR 18 (1993), S. 475, 490 f.; Klauet; Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S.73. 19 Wils, ELR 18 (1993), S. 475, 478. 20 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Slg. 1993,1-6097 (Keck und Mithouard). 21 Klauet; Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 79 f. 16 17
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Wirtschaftsverkehrs in der Praxis spürbar seien?2 Nur durch eine weite Auslegung des Anwendungsbereiches werde eine offene Diskussion ennöglicht. Es gehe bei der Grundfreiheitenkontrolle darum, überschießende Regelungen zu beseitigen, die zur Behinderung des grenzüberschreitenden Verkehrs führen, ohne dass überzeugende Gründe für ihre Erforderlichkeit sprechen. 23 Diese Frage lasse sich aber erst im Rahmen der Abwägung beantworten.
11. Nachteile der Einbeziehung des Zivilprozessrechts in die Grundfreiheitenkontrolle Problematisch an der weiten Auslegung ohne eine Eingrenzung des Tatbestandes der Grundfreiheiten ist jedoch schon im Rahmen des am weitesten ausgelegten Art. 28 EG, dass er damit zu einer alle Hemmnisse einheitlich umfassenden Nonn würde, die z. B. auch staatliche Beihilfen, die Konjunktur-, Währungs- und Sozialpolitik umfassen würde. Dagegen sprechen das differenzierte System des EG-Vertrages und seine abgestuften Verbote und Vorkehrungen (z. B. Art. 94 ff. EG). Durch den uneingeschränkten, allein an der Funktion der Grundfreiheiten orientierten Ansatz verlieren sie jegliche klare Konturen. Wichtig ist eine Tatbestandsbegrenzung der einzelnen Grundfreiheit nicht so sehr, um die Freiheitsbereiche der Mitgliedstaaten im Hinblick auf Maßnahmen zu erhalten, die nicht Gegenstand von Gemeinschaftsregelungen sind, sondern vielmehr um die Effektivität der Grundfreiheiten als ein Mittel gegen Maßnahmen, die wirklich einem Gemeinsamen Markt entgegenstehen, zu gewährleisten. 24 Eine Abwägung setzt immer voraus, dass im konkreten Fall tatsächlich zwei Rechtsgüter miteinander in Konflikt geraten, d. h. es muss eine Beeinträchtigung der jeweiligen Grundfreiheit vorliegen und andererseits die Zuordnung zu einem zur Rechtfertigung geeigneten Schutzgut festgestellt werden?5 Erforderlich ist daher eine klare Abgrenzung des Tatbestandes, um den Bürgern und den nationalen Gerichten die Rechtsanwendung zu erleichtern und so zur Rechtssicherheit beizutragen. Speziell die Erfassung auch der Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte würde dazu führen, dass damit schwierige Fragen bezüglich der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit einzelner Rechtsinstitute des Zivilprozesses beantwortet werden müssten. Der EuGH müsste sich mit Wertungen und politischen Entscheidungen befassen, für die das Gemeinschaftsrecht keine Maßstäbe liefert,26 da europäisches Zivilprozessrecht - von Einzelbereichen wie etwa dem EuGVÜ
22
Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 71 ff.
23
So Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 72 für das materielle Privat-
recht. 24
White, CMLR 26 (1989), S. 235, 238 f.
25
Becker, EuR 1994, S. 162, 166. Für eine möglichst weite Auslegung allerdings Gormley, CMLR 27 (1990), S. 141, 147.
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1. Kap.: Allgemeines
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abgesehen - bislang nicht besteht. Bei einer Subsumtion zivilprozessualer Regelungen unter die Grundfreiheiten würden diese zu einem Instrument, um generell die Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit nationaler Maßnahmen in Frage zu stellen. Auch die nationalen Gerichte müssten über die Zweckmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit sozialpolitischer Entscheidungen der Gesetzgeber der Mitgliedstaaten befinden. Wirklich zwingende Erfordernisse werden kaum für die eine oder andere zivilprozessuale Norm bestehen, sondern nur für eine klare und konsequente Regelung überhaupt, die alle Interessen gegeneinander abwägt. Gefährdet wird mit der Einbeziehung in den Tatbestand der Grundfreiheiten vor allem die Systemstimmigkeit der nationalen Zivilprozessrechte. 27 Die Untersuchung ist daher vor dem Hintergrund zu führen, dass eine Subsumtion der Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte unter den Tatbestand der Grundfreiheiten weitreichende Konsequenzen und erhebliche praktische Probleme mit sich bringt.
§ 23 Gerichtsstandvereinbarung Vorweg sei das naheliegende Argument angesprochen, die Möglichkeit der Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsstandes schließe einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten von vornherein aus. 28 Selbst wenn ein Unternehmer sich vor dem Absatz seiner Ware in verschiedenen Mitgliedstaaten über die prozessualen Bedingungen informiert und sich ob etwaiger Unterschiede gegenüber seinem Heimatland benachteiligt fühlt, hat er die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Gerichtsstandvereinbarungen mit seinen Abnehmern zu vereinbaren. Daraus könnte sich ergeben, dass Unterschiede der Zivilprozessordnungen von vornherein nicht gegen die Grundfreiheiten verstoßen können, solange die Möglichkeit einer Gerichtsstandvereinbarung besteht. In diese Richtung gehende Erwägungen hat der EuGH im Hinblick auf das materielle Privatrecht in der Rechtssache Alsthom Atlantique bezüglich der Möglichkeit, das anwendbare Recht zu wählen, angestellt. 29 Nach französischer Rechtsprechung bestand eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass der gewerbliche Hersteller oder Verkäufer einen Mangel der verkauften Sache gekannt hat. Gegenüber einem Käufer, der Klage auf Erstattung der Kosten erhoben hatte, die ihm zur Behebung der verborgenen Mängel an der Kaufsache entstanden waren, wandte die Beklagte ein, dass es eine solche Rechtsprechung in keinem anderen Mitgliedstaat gebe und dass diese Rechtsprechung geeignet sei, den Wettbewerb zu verfalschen und den freien Warenverkehr zu behindern. Der Gerichtshof stellte im Rahmen der Dazu unten § 26 III 2. So Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 675 f. 29 EuGH,24. 1. 1991, Rs. C-339/89, Slg. 1991,1-107,124, Rn. 15 (Alsthom Atlantique/ Sulzer). 27 28
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Prüfung des heutigen Art. 29 (ex Art. 34) EG unter anderem darauf ab, dass es den Parteien eines internationalen Kaufvertrages im Allgemeinen freistehe, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht zu bestimmen. Daher stand die französische Rechtsprechung im Ergebnis nach Auffassung des EuGH den Bestimmungen des EG-Vertrages nicht entgegen. Für den Bereich des materiellen Rechts wird daraus der Schluss gezogen, dass ein Konflikt mit Art. 28 EG nur entstehen könne, wenn eine Rechtswahl ausgeschlossen ist bzw. zwingende Normen bestehen?O Jedoch erscheint fraglich, warum die Parteien eine Zivilprozessordnung abbedingen sollen, die der Prämisse zufolge die Warenverkehrsfreiheit gar nicht stört. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer Gerichtsstandvereinbarung ist nur dann sinnvoll, wenn man eine Behinderung anerkennt und diese für gerechtfertigt hält. 3 ! Auswirkungen auf den Handel lassen sich mit der Möglichkeit privatautonomer Gestaltung nicht vermeiden. Zu beachten ist zudem, dass eine Gerichtsstandvereinbarung nicht immer möglich ist, sondern den Voraussetzungen des Art. 17 EuGVÜ unterliegt. Das Fehlen einer Gerichtsstandvereinbarung kann darüber hinaus darauf zurückzuführen sein, dass eine Partei ihren Wunsch bei der Vertragsgestaltung nicht durchsetzen konnte oder dass die Parteien sich zur Rationalisierung der Vertragsverhandlungen auf Rechtsnormen verlassen haben. Auch in dieser Situation kann die Geltung eines nachteiligen Zivilprozessrechts weiterhin die Grundfreiheiten berühren. Zudem kann schon die Notwendigkeit, eine Gerichtsstandvereinbarung zu treffen, wegen ihrer Lästigkeit geeignet sein, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern. 32 Im Übrigen ist zu der Entscheidung des EuGH im Fall Alsthom Atlantique zu bemerken, dass dort schon nach den allgemeinen Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung Art. 29 EG nicht einschlägig war, da die Rechtsprechung unterschiedslos für alle dem französischen Handelsrecht unterliegenden Handelsbeziehungen galt und weder den Zweck noch die Wirkung hatte, speziell die Ausfuhrströme zu beschränken. Das Wahlrecht zur Bestimmung des anwendbaren Rechts fügte der Gerichtshof nur als Nachsatz ("Im Übrigen ... ") an. 33 Die Möglichkeit einer Gerichtsstandvereinbarung hat folglich keine Auswirkungen auf die Frage, ob Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte gegen die Grundfreiheiten verstoßen können.
30 Remien, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 1991, S. 11, 37; Wulf-Henning Roth, ZEuP 1994, S. 5, 24 f.; Kieninger; in: Scho/z (Hrsg.), Europäische Integration - Schon eine "Union des Rechts"? Zwischen Erfolgsbilanz und Balanceverlust, 1996, S. 132, 133 f. 3! So für das materielle Privatrecht Klauer; Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S.87. 32 Ähnlich für die Lästigkeit, einen Befreiungsantrag stellen zu müssen, als Handelsbehinderung Müller-GraJf in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 131. 33 EuGH,24. 1. 1991, Rs. C-339/89, Slg. 1991,1-107,124, Rn. 15 (Alsthom Atlantique/ Sulzer).
1. Kap.: Allgemeines
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§ 24 Subsidiaritätsprinzip Bei der Frage der Subsumtion der Unterschiede der nationalen Zivil verfahrensrechte unter die Grundfreiheiten ist vorab schließlich auf das Subsidiaritätsprinzip einzugehen. Das Subsidiaritätsprinzip "im engeren Sinne" gemäß Art. 5 Abs. 2 (ex Art. 3 b Abs. 2) EG, das durch den Amsterdamer Vertrag präzisiert und weiterentwickelt wurde,34 besagt, dass in den Bereichen, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, für ihr Tlitigwerden zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: Die Kommission muss prüfen, ob die Ziele der angestrebten Maßnahmen von den Mitgliedstaaten nicht hinreichend erreicht werden können und es muss nachgewiesen werden, dass die Gemeinschaft diese Ziele besser erreichen kann. Hinzukommen muss die Erforderlichkeit der Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 3 EG. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips im engeren Sinne im Bereich der Auslegung der Grundfreiheiten ist also zunächst, dass keine ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft besteht. Für die Geltung des Subsidiaritätsprinzips auch im Bereich der Grundfreiheiten wird angeführt, dass dieses zunächst für die legislative Rechtsangleichung geltende Prinzip nicht viel wert wäre, wenn es durch unbegrenzte gerichtliche Rechtsangleichung überspielt würde?5 Es soll die Mitgliedstaaten vor einer immer weitergehenden Kompetenzaushöhlung schützen?6 Dagegen spricht jedoch, dass ausschließliche Kompetenzen vor allem solche sind, die sich aus der Verpflichtung zur Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes entwickelt haben. Sie orientieren sich demzufolge vor allem an den Grundfreiheiten, 37 so dass nach h.M. die Grundfreiheiten zum Kern der ausschließlichen Kompetenzen der Gemeinschaft gehören. 38 Neben dem Subsidiaritätsprinzip im engeren Sinne gibt es allerdings zusätzlich die politische Absichtserklärung in der Präambel zum EU-Vertrag, 11. Erwägungsgrund. Dieses Prinzip kann nur so mit Art. 5 Abs. 2 EG in Einklang gebracht werden, dass man die engere Version als Anwendungsfall der weiteren auffasst. 39 Da-
34 V g!. das dem Vertrag von Amsterdam beigefügte Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit; BGB!. 11 1998, S. 386,434. 35 Schroeder, EuGRZ 1994, S. 373, 380; Schilling, EuR 1994, S. 50, 58; Remien, JZ 1994, S. 349, 353. 36 Rohe, RabelsZ 61 (1997), S. 1,6. 37 So Bericht der EG-Kornmission an den Rat über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips vom 25. 11. 1994, KOM (94) 533, S. 4; Langguth, in: Lenz, EG-Vertrag Kommentar, Art. 5, Rn. 19. 38 Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 77; Oppermann, Europarecht, Rn. 1273; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 397; a.A. Jarass, EuGRZ 1994, S. 209, 210. 39 Zuleeg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Präambel EUV, Rn. 15.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
raus wird teilweise geschlossen, dass die durch neuere Urteile40 eingeleitete Zurücknahme unnötiger Einmischungen in das nationale Recht eine allgemeine Tendenz darstellt, die Ausdruck politischer Rücksichtnahme ist und die rechtspraktische Wirksamkeit des Subsidiaritätsprinzips im weiteren Sinne zum Ausdruck bringt. 41 Dies könnte dazu führen, dass die Normen des EG-Vertrages im Zweifel zugunsten des Handlungsspielraums der Mitgliedstaaten auszulegen sind. 42 Daraus könnte letztlich ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen sein, dass Unterschiede nationaler Zivilverfahrensrechte nicht in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallen. Dagegen spricht allerdings, dass der EuGH die letztverbindliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts in ausschließlicher Kompetenz ausübt (Art. 220, 234 EG). Es geht bei der Auslegung der Grundfreiheiten nicht um die Frage der Subsidiarität, sondern um die rechtliche Lösung des Konflikts kollidierender inhaltlicher Erfordernisse und Ziele im Einzelfall. 43 Die Grundfreiheiten sind unmittelbar anwendbare Normen, die Einzelnen subjektive Rechte verleihen, und keine Kompetenznormen, die die Gemeinschaft zum Handeln ermächtigen. 44 Der Versuch einer kompetenzabgrenzenden Auslegung würde die erreichte Marktintegration und die relative Vorhersehbarkeit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufs Spiel setzen. 45 Auch das Subsidiaritätsprinzip kann daher für die Frage, ob Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte unter die Grundfreiheiten fallen, nicht weiterhelfen.
Zweites Kapitel
Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 fT. EG Nach Art. 28 (ex Art. 30) EG sind "mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung [ ... ] zwischen den Mitgliedstaaten verboten." Mengenmäßige Beschränkungen sind staatliche Maßnahmen, die die Einfuhr einer 40 s. dazu unten §§ 27, 28; insbesondere EuGH, 24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Sig. 1993,1-6097 (Keck und Mithouard). 41 Petschke, EuZW 1994, S. 107, Ill; Arndt, ZIP 1994, S. 188, 191; Jickeli, JZ 1995, S. 57; Schockweiler, EuR 1995, S. 191, 197; Rohe, RabelsZ 61 (1997), S. 1, 13; Herdegen, Europarecht, Rn. 292. 42 Dagegen Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 74 f., da es nicht um die Abgrenzung von Zuständigkeiten geht. 43 Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 74; ders., in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 245; Rabe, ZEuP 1996, S. 1,5. 44 Müller-Graffin: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 9. 45 Müller-Graff, ZHR 159 (1995), S. 34, 75.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Ware der Menge oder dem Wert nach begrenzen oder völlig verbieten, also Kontingente. 46 Normen des Zivilprozessrechts fallen darunter ersichtlich nicht, so dass für diese nur die Subsumtion unter den Begriff der "Maßnahmen gleicher Wirkung" in Betracht kommt. Diese Ergänzung des Verbots des Art. 28 EG war notwendig, da nicht nur Kontingente die Wirkung von Ein- und Ausfuhrverboten haben, sondern eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, die - obwohl sie primär anderen Zwecken dienen - Importe unmöglich machen oder erschweren. Anzuknüpfen ist nach dem Wortlaut daran, dass durch die betreffende Regelung die gleiche Wirkung wie ein Kontingent erzielt wird. Vom Verbot des Art. 28 EG werden daher alle Maßnahmen erfasst, die sich zu Lasten der Einfuhr auswirken. 47 Ob die Regelungen des nationalen Zivilprozesses Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen darstellen können, ist durch eine Analyse dieses unbestimmten Rechtsbegriffes zu untersuchen, die sich hier auf die für das Zivilprozessrecht wichtigen Aspekte beschränken kann. Ausgangspunkt ist die Auslegung durch den EuGH, der die ausschließliche Kompetenz besitzt, verbindlich über den Inhalt von Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, Art. 7 (ex Art. 4) Abs. 1 i.Y.m. Art. 220 (ex Art. 164) EG.
§ 25 Die Dassonville-Formel des EuGH Eine Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung hat der EuGH erstmals im Fall Dassonville gegeben. 48 Im zugrunde liegenden Sachverhalt war Anklage gegen Händler erhoben worden, die schottischen Whiskey aus Frankreich nach Belgien ohne die nach belgisehern Recht erforderliche Ursprungsbezeichnung eingeführt hatten. Diese Ursprungsbezeichnung wäre nur unter erheblichem Aufwand zu beschaffen gewesen. Zuvor war der Whiskey in Frankreich, wo eine entsprechende Ursprungsbezeichnung nicht erforderlich war, im freien Verkehr gewesen. Der EuGH subsumierte eine derartige Regelung unter Art. 28 EG und entschied, dass unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung ,jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten [flillt], die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern".49 Mit dieser weiten Definition, die bis heute den Ausgangspunkt der ständigen Rechtsprechung des EuGH bildet,50 verzichtet der Gerichtshof auf das Merkmal der Diskriminierung. Ihr liegt das Bestreben zugrunde, grundsätzlich umfassend Müller-Graff, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 16. Hödl, Die Beurteilung von verkaufsbehindernden Maßnahmen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Graz 1997, S. 21. 48 EuGH, 11. 7.1974, Rs. 8174, Slg. 1974, S. 837 (Dassonville). 49 EuGH, 11. 7. 1974, Rs. 8174, Slg. 1974, S. 837, 852, Rn. 5 (Dassonville). 50 Müller-Graff, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 39. 46
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
alle Regelungen der Mitgliedstaaten zu erfassen, die sich im Gemeinsamen Markt warenverkehrsbehindernd auswirken können.
I. Mitgliedstaatliche Handelsregelung
Voraussetzung für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung ist nach dieser Formel zunächst, dass es sich bei der betreffenden Norm um eine Handelsregelung handelt. Dies ist für zivilprozessuale Vorschriften deshalb zweifelhaft, weil sie sich nicht spezifisch auf den Handel beziehen, sondern allgemein das Verfahren zur Durchsetzung subjektiver Privatrechte regeln. Auch in den in Teil 1 (§§ 4-6) besprochenen Entscheidungen stellte der EuGH im Falle eines Verfahrens wegen einer Kaufpreisforderung nicht etwa auf Art. 28 EG, sondern auf Art. 12 Abs. 1 EG ab. Dies lässt Zweifel aufkommen, ob zivilprozessuale Normen als "rnitgliedstaatliche Handeisregelungen" im Sinne der Warenverkehrsfreiheit in Betracht kommen. Für die Subsumtion des Zivilverfahrensrechts unter den Begriff der Handelsregelung spricht hingegen, dass aus der Bezeichnung als Handelsregelung entgegen einer früher vertretenen Auffassung,51 die jedoch das Auslegungsproblem nur verlagert hat, nach allgemeiner Ansicht kein zusätzliches Erfordernis einer Handelsfinalität geschlossen wird. 52 Vielmehr soll die Qualifikation einer Maßnahme als handelsregelnd den Anwendungsbereich des Art. 28 EG über Produktregelungen hinaus erweitern. 53 Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung nicht auf die Art, sondern auf die "Wirkungen" der betroffenen Regelung ab. 54 Ausreichend ist die faktische Wirkung als Handelsbehinderung, weshalb in späteren Entscheidungen auch nur noch eine "innerstaatliche Regelung", "Rechtsvorschrift" bzw. ,,Maßnahme" gefordert wird. 55 Auch die Formulierung "Maßnahmen gleicher Wirkung" macht deutlich, dass sich die Bedeutung der überprüften Maßnahme für den Binnenmarkt nur aus deren Auswirkungen ergeben kann. Zahlreiche nationale Rechtsvorschriften, die den freien Warenverkehr direkt oder indirekt behindern, verfolgen nichtwirtschaftliche Ziele. Dies gilt etwa für die Bereiche des Steuer-, Sozial-, Umwelt- oder Verbraucherrechts. Maßnahmen gleiMeij/Winter; CMLR 13 (1976), S. 79,104. EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Slg. 1989, S. 3851, 3888, Rn. 10 ff. (Torfaen/ B&Q); 7. 3.1990, Rs. C-362/88, Slg. 1990,1-667,686, Rn. 7 ff. (GB-INNO-BM/Confederation du cornmerce luxembourgois); Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 14; Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 47. 53 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 67. 54 Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 14. 55 Z. B. EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-362/88, Slg. 1990,1-667,686, Rn. 7 (GB-INNO-BM/ Confederation du cornmerce luxembourgois); Zusammenstellung bei Veelken, EuR 1977, S. 311, 323 und Steiner; CMLR 29 (1992), S. 749, 757. 51
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2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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cher Wirkung können in allen Rechtsgebieten auftreten, wie sich insbesondere aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt. 56 Wie weit der Gerichtshof das warenverkehrsrechtliche Maßnahmeverbot im Hinblick auf den Regelungsgegenstand versteht, ergibt sich z. B. aus der Entscheidung CMC Motorradcenter; in der es um eine Aufklärungspflicht aus dem deutschen Rechtsinstitut der culpa in contrahendo (c.i.c.) ging, also um materielles Privatrecht. 57 Zwar verneinte der EuGH letztlich das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung aus Kausalitätserwägungen,58 jedoch zeigt die Entscheidung, dass er grundsätzlich bereit ist, die gesamte Privatrechtsordnung an Art. 28 EG zu messen, wenn im konkreten Fall ein Zusammenhang mit der Ausübung des freien Warenverkehrs besteht. 59 Auch das Zivilprozessrecht kann daher nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG ausgeschlossen werden. Da mit dem Begriff der Handeisregelung keine einschränkende Bedeutung verbunden ist, kommen auch nationale Zivilprozessrechtsnormen im Ergebnis als solche in Betracht. 11. Handelsbehinderung
Die Maßnahme muss "zur Handelsbehinderung" geeignet sein.
1. Wirkungstechnik Für die Regelungen des Zivilprozesses ist die Subsumtion unter den Begriff der Handelsbehinderung schon deshalb fraglich, weil sie sich in der Regel erst zu einem viel späteren Zeitpunkt als dem der Einfuhr auswirken, nämlich dann, wenn Probleme bei der Abwicklung eines grenzüberschreitenden Warengeschäfts zu einem Zivilprozess führen. 60 Erst in diesem Stadium können zivilprozessuale Rege56 Vgl. etwa Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 71 ff.; ders. mit Bsp. zum Privatrecht, in: Hom/Baur/Stem (Hrsg.), 40 Jahre Römische Verträge, 1998, S. 107, 111 ff. 57 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993, 1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH/ Pelin Baskiciogullari); zu der Entscheidung ausführlich unten § 28 11 2. 58 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993, 1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH/ Pelin Baskiciogullari). 59 Fezer, JZ 1994, S. 623, 624 f. Auch in EuGH, 24. 10. 1978, Rs. 15/78, Sig. 1978, S. 1971, 1979 f., Rn. 4 ff. (Soci6te generale de banque alsacienne/Koestler) scheiterte die Anwendung der Grundfreiheiten nicht daran, dass es sich bei §§ 764, 762 BGB um privatrechtliche Vorschriften handelt. Zu anderen Gebieten des Zivilrechts vgl. Steindorff, in: Brüggemeier (Hrsg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994, S. 131, 140 f.; für eine Prüfung des zwingenden Privatrechts anhand von Art. 28 EG schon Reich, in: FS Coing 11, 1982, S. 441, 453. 60 Darauf abstellend in einem Fall zum materiellen Zivilrecht Kommission, Sitzungsbericht zu EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69/88, Slg. 1990, 1-583, 587 (Krantz/Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); zum Zivilprozessrecht Generalanwalt
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
lungen des Importstaates, die gegenüber dem Heimatprozessrecht des Importeurs strenger sind, nachteilige Folgen mit sich bringen. Man könnte daher vertreten, dass sie schon deshalb nicht für eine Handelsbehinderung im Sinne der Dassonville-Formel in Betracht kommen. Zu beachten ist jedoch, dass im Gegensatz zu einer früheren Auffassung61 nach heute einhelliger Ansicht eine bestimmte Wirkungs technik der Behinderung nicht erforderlich ist. Insbesondere muss die Handelsbeeinträchtigung nicht gerade beim Grenzübertritt oder bei der Abfertigung zum freien Verkehr wirken. 62 Dies lässt sich mit dem Zweck des Art. 28 EG begründen, den Zugang zu den nationalen Märkten zu öffnen. Märkte lassen sich ebenso wirksam durch Maßnahmen abschließen, die die Waren erst nach der Einfuhr behindern und den Verkäufern auf andere Weise den Anreiz nehmen, grenzüberschreitend tätig zu werden,63 etwa weil Gewinne nicht mehr erzielbar sind. Der Wortlaut des Art. 28 EG steht einer solchen Auslegung zumindest nicht entgegen, da es danach nur auf die gleiche Wirkung der Maßnahme, nicht aber den gleichen Mechanismus wie bei einer Kontingentierung ankommt. Dies entspricht auch dem Begriffspaar "unmittelbar oder mittelbar" der Dassonville-Formel. Abgestellt wird nicht auf den Grenzübertritt, sondern auf die Stellung der betreffenden Maßnahme in der Kausalkette. 64 Es können also auch solche Regelungen erfasst sein, die erst durch Hinzutreten weiterer Kausalfaktoren, also mittelbar zu einer Handelsbehinderung im Sinne des Art. 28 EG führen. 65 Solche zusätzlichen Kausalfaktoren können etwa Erschwerungen durch zusätzlichen Zeitaufwand oder zusätzliche Kosten sein,66 hier z. B. Leistungsstörungen. Wenn es nicht auf den Zeitpunkt des Grenzübertrittes ankommt, können folglich grundsätzlich auch ungünstigere Regelungen im Zivilprozess gegenüber dem Heimatprozessrecht einer Partei im Falle eines Rechtsstreits um die Erfüllung der Ansprüche aus einem grenzüberschreitenden Warengeschäft für eine Handelsbehinderung in Frage kommen. Sie können zu höheren Risiken oder Kosten bei der DurchCosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3870 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 61 Ehle/Meier, EWG-Warenverkehr, 1971, S. 159, die dann aber fonnal nicht diskriminierende Einfuhrhemmnisse unter Art. 23 Abs. 1 (ex Art. 9 Abs. 1) i.V.m. Art. 4 ( ex Art. 3 a) EG einordnen, S. 218 ff.; auf den Zeitpunkt der Einfuhr abstellend auch Kommission zu EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 188, Slg. 1990,1-583,587 (Krantz/Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 62 Grabitz, in: FS Ipsen, 1977, S. 645, 650; Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 58; 63 Grabitz, in: FS Ipsen, 1977, S. 645, 650. 64 Veelken, EuR 1977, S. 311, 327; Leible, in: Grabitz/ Hilf, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 28 EGV, Rn. 16. 65 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 64. 66 EuGH, 15. 12. 1976, Rs. 35/76, Slg. 1976, S. 1871, 1884, Rn. 12/14 (Simmenthal Spa/Ministero delle finance); Weyer, Freier Warenverkehr und nationale Regelungsgewalt in der Europäischen Union, Diss. Köln 1996, S. 22.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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setzung der aus dem betreffenden Vertrag entstehenden Ansprüche führen, z. B. durch höhere Beweisanforderungen oder die Pflicht zur Einschaltung eines Anwalts (vgl. die Fälle oben § 1 11 und III).
2. Negative Beeinflussung der Einfuhren Zentrale Bedeutung hat der Begriff der Behinderung. Sie liegt vor, wenn eine Regelung einen nachteiligen Einfluss auf den Warenverkehr hat. 67 Erfasst wird jede Verhinderung, Erschwerung oder Verteuerung des Zugangs zum Markt. 68
a) Diskriminierungen Der Wortlaut des Art. 28 EG deutet zwar zunächst nicht darauf hin, dass die Verbotsnorm beim Vorliegen einer Diskriminierung eingreift, jedoch war dies von Beginn an Ausgangspunkt des Anwendungsbereichs von Art. 28 EG. 69 Diskriminierende Vorschriften werden nach allgemeiner Ansicht als Maßnahmen gleicher Wirkung eingeordnet. 7o Indem Regelungen zum Nachteil der importierten Produkte zwischen in- und ausländischen Waren unterscheiden, behindern sie zwangsläufig den innergemeinschaftlichen Handel. Die Grundfreiheiten konkretisieren insoweit das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG. 7 ! Das Diskriminierungsverbot sichert das am Ziel des unverflilschten Wettbewerbs (Art. 3 lit. g EG) zu orientierende Prinzip der Marktgleichheit ab. 72 Verboten sind offene und versteckte Diskriminierungen. Eine offene Diskriminierung liegt vor, wenn eine Vorschrift ausdrücklich in ihrem Tatbestand auf die Herkunft des Importeurs oder der Ware abstellt. Versteckte Diskriminierungen sind hingegen Regelungen, die zwar nicht ausdrücklich auf die Inländer- oder Ausländereigenschaft abstellen und daher formal gleichermaßen Anwendung finden, die aber - etwa durch das Abstellen auf Wohnsitz oder Sprachkenntnisse - typischerweise Inländer oder Ausländer (bzw. inländische oder ausländische Waren) betref67 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 50; Leible, in: Grabitz/ Hilf, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 28 EGV, Rn. 16. 68 Kommission zu EuGH, 11. 7.1974, Rs. 8/74, S. 837, 847 (Dassonville); Generalanwalt Tesauro, Schluss anträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292192, Sig. 1994, 1-6787, 6804 (Hünermund u. a./Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg); so auch EuGH, 26.2. 1976, Rs. 65/75, Sig. 1976, S. 291, 308 f., Rn. 26/28 (Tasca). 69 Vgl. etwa das frühe sog. Sekt-Weinbrand-Urteil, EuGH, 20. 2. 1975, Rs. 12/74, Sig. 1975, S. 181, 198, Rn. 14 (Kommission/Deutschland). 70 Nicolaysen, Europarecht 11, S. 45; Baur; JA 1992, S. 97; Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 28 EGV, Rn. 9. 71 Eberhartinger; EWS 1997, S. 43. 72 Wulf-Henning Roth, in: FS Großfeld, 1999, S. 929, 944.
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fen. Entscheidend für das Vorliegen einer Diskriminierung ist, dass die Nonn selbst zu der Schlechterstellung der Ausländer führt und sie nicht nur dadurch entsteht, dass in anderen Mitgliedstaaten andere Regelungen gelten. 73 Verlangt man für einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten das Vorliegen einer Diskriminierung, kommen die Unterschiede zwischen den nationalen Zivilprozessordnungen von vornherein nicht für einen solchen Verstoß in Betracht. Das Prinzip der lex fori sorgt dafür, dass alle Prozessbeteiligten bei einem Inlandsprozess nach den gleichen Regeln behandelt werden, so dass abgesehen von den im ersten Teil behandelten Regelungen des prozessualen Fremdenrechts keine Diskriminierung erfolgt. Beschränkungen, die nur durch die Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen entstehen, werden vom Diskriminierungsverbot nicht erfasst (s.o. § 9 III).
b) Sonstige Beschränkungen Für die Beantwortung der Frage, ob Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen zu Verstößen gegen die Warenverkehrsfreiheit führen können, ist daher entscheidend, ob zusätzlich zu dem Diskriminierungsverbot auch sonstige Beschränkungen erfasst werden und wie weit dieses Beschränkungsverbot reicht. Der Vergleich mit Art. 12 Abs. 1 EG, der ausdriicklich das Wort "Diskriminierung" beinhaltet, und vor allem mit Art. 30 S. 2 EG legt den Schluss nahe, dass der Begriff "Maßnahmen gleicher Wirkung" in Art. 28 EG bewusst gewählt wurde und nicht mit dem der Diskriminierung gleichzusetzen ist. Bei einem bloßen Diskriminierungsverbot wird eine Umgehung des Verbotes begünstigt, da sich der staatliche Gesetzgeber bei einer solchen Interpretation durch die Art der rechtstechnischen Einkleidung dem Prüfungsmaßstab des Art. 28 EG entziehen kann. 74 Ein Diskriminierungsverbot beseitigt nicht die Hindernisse für den zwischenstaatlichen Handelsverkehr, die sich aus der bloßen Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtsordnungen ergeben. Die nationalen Märkte bleiben nebeneinander bestehen. Unterschiedslos geltende Maßnahmen können u.U. sogar eine stärkere Abschottungswirkung haben als unterschiedlich wirkende Maßnahmen, die auf die besondere Lage von Importgütern Rücksicht nehmen, zumal eine genaue Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann. 75 In der Dassonville-Fonnel verzichtete der EuGH daher auf das Erfordernis der Diskriminierung. Damit legte er den Grundstein dafür, die Warenverkehrsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot auszulegen, das nicht nur die Marktgleichheit, sondern auch die Freiheit des Marktzugangs erfasst, die durch ein Diskriminierungsverbot nicht hinreichend gesichert ist. 76
73 74 75 76
Vgl. dazu auch oben § 9 111. Ulmer, GRUR Int. 1973, S. 502, 508; Ehlermann, in: FS Ipsen, 1977, S. 579, 583. Meij/Winter, CMLR 13 (1976), S. 79, 90; Matthies, in: FS Ipsen, 1977, S. 669, 670 f. Wulf-Henning Roth. in: FS Großfeld, 1999, S. 929, 945.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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aa) Keine Erfassung des Zivilprozessrechts
Fraglich ist, ob das Beschränkungsverbot so weit reicht, dass auch Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen unter den Tatbestand des Art. 28 EG zu subsumieren sind. Gegen die Erfassung des Zivilprozessrechts vom Behinderungsbegriff der Dassonville-Fonnel könnte sprechen, dass Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen keine direkten Auswirkungen auf den Warenaustausch haben. Zivilprozessregelungen schreiben keinem Anbieter vor, unter welchen Bedingungen er seine Geschäfte betreiben darf. Einflüsse auf den Warenverkehr stellen nur Reflexwirkungen der jeweiligen Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für den Handel dar,77 und Nachteile können nur im Fall des Rechtsstreits um die Erfüllung der Ansprüche entstehen. 78 Bei zivilprozessualen Nonnen zeigt sich im Gegensatz zu typischen einfuhrbehindernden Maßnahmen wie technischen Vorschriften für Waren, wo die Auswirkungen auf den Verkauf in diesem Mitgliedstaat schon bei der Herstellung bzw. spätestens beim Import dem Verkäufer klar vor Augen stehen, erst im Falle eines Prozesses, dass die Lage ungünstiger ist als im eigenen Staat. Der Verkäufer wird daher den verschiedenen Prozessrechten selten bei der Auswahl seiner Verkaufsorte so viel Aufmerksamkeit schenken wie technischen Bestimmungen oder etwa dem erzielbaren Gewinn. bb) Einfluss des Zivilprozessrechts auf den Warenverkehr
Das nationale Zivilprozessrecht spielt allerdings für den Warenhande1 insofern eine Rolle, als es erforderlichenfalls bei der Durchsetzung der aus einem grenzüberschreitenden Geschäft entstehenden Rechte zur Anwendung gelangt. Eine Studie im Auftrag der Kommission aus dem Jahre 199479 ergab, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen der Zivilprozessordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten nach Auffassung der Akteure eine unterschiedlich abschreckende Wirkung auf bös gläubige Schuldner ausüben und sich sogar in vielen Mitgliedstaaten durch Zusicherung einer gewissen Straffreiheit für solche Schuldner finanziell günstig auswirken können. Hindernisse für den Zugang zur Justiz z. B. durch die Forderung von Sicherheiten führen - vor allem bei Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert - dazu, dass die Betroffenen davor zurückschrecken, die Organe der Rechtspflege in Anspruch zu nehmen. 8o Ohne wirksame Verfahren nehmen die Fälle der Nichterfüllung zu und dies wiederum beeinträchtigt mittelfristig das Funktionieren des Marktes. 81 Auch der Anreiz, Verbraucherschutzmechanismen zu 77 78
Miras, Die Entwicklung des spanischen Zivilprozessrechts, Diss. Freiburg 1994, S. 165. Generalanwalt CosrruJs, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,
1-3845,3870 (ED Srl.lltalo Fenocchio). 79 ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3,12. 80 ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 5, Fn. 8; vgl. auch Gessner, in: Krämer/Micklitz/ Tonner, Law and diffuse Interests in the European Legal Order, 1997, S. 163, 167 zu einer Studie der Universität Bremen insbesondere zum Verbraucherverhalten. 8 Tonsfeuerborn
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umgehen, kann einen Anreiz bilden, nur in bestimmten Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen. 82 Vor allem bei Verbrauchern, aber auch bei Unternehmen besteht die Gefahr, dass sie davon absehen, weiterhin grenzüberschreitende Geschäfte zu tätigen, wenn sie einmal einen langwierigen und teuren Rechtsstreit im Ausland geführt haben oder sogar aufgrund der Hindernisse darauf verzichtet haben und deshalb ihre Ansprüche nicht durchsetzen konnten. 83 Aus den Grundfällen (§ 1 II und III) wird deutlich, dass ein Unternehmer bei Kenntnis der unterschiedlichen nationalen Zivilverfahrensrechte bei vorausschauender Planung durchaus auf einen Verkauf in einen Mitgliedstaat verzichten kann, in dem etwa die Beweislast im Falle eines Prozesses für ihn ungünstiger ist als in einem anderen Mitgliedstaat oder in seinem Heimatstaat. Das Risiko eines Prozessverlustes ist für ihn dann höher und somit die Chance auf Erlangung des Kaufpreises geringer. Gleiches gilt z. B. bei Anwaltskosten im Falle eines Anwaltszwanges, der im Heimatstaat des Verkäufers nicht besteht. Durch einen daraus resultierenden Verzicht auf grenzüberschreitende Geschäfte werden Preis- und Qualitätsvorteile auf ausländischen Märkten nicht genutzt und damit die Ziele des Binnenmarktes nicht erreicht. Auch prozessuale Vorschriften können somit Einfluss auf das Verhalten der Gemeinschaftsbürger bei der Ausübung der Marktfreiheiten ausüben. 84 Von ihnen können ökonomische und sonstige Anreize bzw. Abschreckungseffekte ausgehen. Sie können zu einer quantitativen Verringerung des Handelsvolumens führen, also die Einfuhren negativ beeinflussen. Obwohl das Vorhandensein nationaler Zivilprozessrechte grundsätzlich unverzichtbar für die Ausübung des freien Waren verkehrs ist, kann also eine Behinderung des grenzüberschreitenden Handels im Sinne der weiten Dassonville-Formel durch unterschiedliche nationale Zivilprozessordnungen entstehen. 85 III. Eignung
Eine Handelsbehinderung muss nach der Formel nicht tatsächlich eingetreten sein, sondern die Regelung muss nur objektiv geeignet sein, eine solche Behinderung herbeizuführen. 86 Ein Nachweis, dass die betreffende Regelung sich im EinSo schon KOM (1993) 576 vom 16.11. 1993, S. 7. Dazu Baetge, ZZP 112 (1999), S. 329, 332 f. 83 KOM (1993) 576 vom 16. 11. 1993, S. 69; Gessner, in: Krämer! Micklitz!Tonner, Law and diffuse Interests in the European Legal Order, 1997, S. 163, 167: Verbraucher verzichten insbesondere auf den Kauf höherwertiger Verbrauchsgüter im Ausland. 84 Manjred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 355, 670 zur Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts. 85 So auch Herbert Roth, in: Müller-Graffl Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 364. 86 EuGH, 11. 7.1974, Rs. 8174, Slg. 1974, S. 837, 852, Rn. 5 (Dassonville). 81
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zelfall tatsächlich einfuhrbehindemd auswirkt, ist also nicht erforderlich. 87 Er könnte wegen der zahlreichen Faktoren, die auf die innergemeinschaftlichen Handeisströme einwirken, auch nur selten objektiv zweifelsfrei erbracht werden. 88 Die Eignung wird im Rahmen einer Einzelfallprüfung in einem hypothetischen Vergleich zwischen der Entwicklung ohne und mit der Maßnahme geprüft. 89 Erforderlich ist die Substanziierbarkeit der Behinderungseignung. 9o Nach den Feststellungen von oben (11) ist davon zunächst auszugehen. 91 Die Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels kann nach der Formulierung im Fall Dassonville tatsächlich oder potenziell erfolgen. Voraussetzung ist danach nicht, dass die Maßnahme die Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse tatsächlich konkret beschränkt. Die Möglichkeit der Verringerung der Einfuhren unter gegebenen Umständen reicht aus. 92 IV. Kein Spürbarkeitserfordernis
Die Behinderung muss anders als bei Art. 81 (ex Art. 85) Abs. 1 EG nach ständiger Rechtsprechung nicht "spürbar" sein, d. h. ein bestimmtes Ausmaß erreichen. 93 Es wird z. B. keine Grenze zwischen Belästigung und Beeinträchtigung gezogen. Der EuGH lehnt einen "de-minimis-Test" derart, dass Maßnahmen auch anhand ihrer quantitativen Auswirkungen statt allein anband ihrer qualitativen Eignung zu beurteilen sind, ab. Grund dafür ist, dass die öffentliche Hand die ihr obliegenden Pflichten ohne Abstriche zu erfüllen hat. 94 Insbesondere dadurch erhält Art. 28 EG einen sehr weiten Anwendungsbereich. 95 Auch wenn ein Gemeinschaftsbürger bei einem grenzüberschreitenden Geschäft selten auf das in dem dortigen Mitgliedstaat geltende Zivilverfahrensrecht achten wird,96 wird also das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung nicht ausgeschlossen. 87 Generalanwalt Trabucchi, Schlussanträge zu EuGH, 11. 7. 1974, Rs. 8174, Slg. 1974, S. 837, 860 (Dassonville). 88 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 63. 89 Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 15. 90 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 65. 91 V gl. aber unten § 28. 92 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 65. 93 EuGH, 13.3. 1984, Rs. 16/83, Slg. 1984, S. 1299, 1326, Rn. 20 (Prantl); 5. 4. 1984, Rs. 177 und 178/82, Slg. 1984, S. 1797, 1813, Rn. 13 (van de Haar); 18. 5. 1993, Rs. C-126/91, Slg. 1993,1-2361,2390, Rn. 21 (Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft/Yves Rocher). 94 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 59. 95 Für uferlos hält ihn Christian Wolf, IZ 1994, S. 1151, 1158. 96 Dazu Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398/92, Slg. 1994,1-467,471, Fn. 4 (Mund & Fester 1 Hatrex); Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3870 (ED Srl.lItalo Fenocchio).
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v. Ergebnis Vorbehaltlich der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung können Regelungen der nationalen Zivilverfahrensrechte, die strenger sind als in anderen Mitgliedstaaten, also unter die weite Dassonville-Formel subsumiert werden, wenn man sie uneingeschränkt anwendet. 97 Die Einbeziehung auch von mittelbaren oder potenziellen Behinderungen ist geeignet, jede nationale Maßnahme zu erfassen, die sich in irgendeiner Weise auf den Warenabsatz in diesem Staat auswirkt. 98
§ 26 Die Cassis de Dijon-Rechtsprechung Nach der Dassonville-Entscheidung bildete das Urteil im Fall Cassis de Dijon 99 aus dem Jahre 1979 einen weiteren Meilenstein in der Auslegung des Begriffs der Maßnahmen gleicher Wirkung durch den EuGH. Eine deutsche Regelung, nach der Fruchtliköre - unabhängig von ihrer Herkunft - nur mit einem Mindestalkoholgehalt von 25 % verkehrs fähig waren, verhinderte den Import des in Frankreich verkehrs fähigen Fruchtsaftlikörs Cassis de Dijon nach Deutschland. Der EuGH entschied in dieser Rechtssache, auch wenn eine solche Vorschrift keinen diskriminierenden Charakter habe, könnten dennoch Hindernisse für den Binnenmarkt entstehen. Eine handelsbeschränkende Wirkung sei darin zu sehen, dass eine Ware, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht wurde, im Geltungsbereich der Regelung eines anderen Mitgliedstaates nicht vertrieben werden könne. 1oo Allerdings sei es mangels einer gemeinschaftlichen Regelung Sache der Mitgliedstaaten, für ihr Hoheitsgebiet alle die Herstellung und Vermarktung von alkoholischen Getränken betreffenden Bestimmungen zu erlassen. Daher seien Hemmnisse für den Binnenhandel, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, hinzunehmen, soweit diese Regelungen notwendig seien, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden. 101
Zu den Einschränkungen unten §§ 27,28. Dauses, RIW 1984, S. 197,201; Fischer, Europarecht, S. 239. 99 EuGH, 20.2. 1979, Rs. 120178, Sig. 1979, S. 649 (Rewe Zentral AG I Bundesmonopolverwaltung für Branntwein). 100 EuGH, 20. 2. 1979, Rs. 120/78, Sig. 1979, S. 649, 664, Rn. 14 (Rewe Zentral AGI Bundesmonopolverwaltung für Branntwein). 101 EuGH, 20. 2.1979, Rs. 120/78, Sig. 1979, S. 649. 662, Rn. 8 (Rewe Zentral AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein). 97
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I. Unterschiedslos anwendbare Maßnahmen
In der Entscheidung befasste der EuGH sich mit einer nationalen Regelung, der Inlands- und Importware gleichermaßen unterlegen war. Auch wenn die Erfassung unterschiedslos anwendbarer Maßnahmen schon in der Dassonville-Formel angelegt war (s.o. § 25 11 2 b), wurde eine solche Regelung hier erstmalig ausdrücklich unter das Verbot subsumiert. Bis dahin standen nur Diskriminierungen auf dem Prüfstand der Rechtsprechung. Der EuGH sah sich zu dieser Ausweitung durch die Erkenntnis veranlasst, dass auch unterschiedslos anwendbare Maßnahmen den durch die Grundfreiheiten angestrebten freien Verkehr erheblich erschweren können. Das Urteil erteilte eine klare Absage an die Meinung der deutschen Regierung, die auf der Grundlage der Richtlinie 70/50/EWG 102 den Standpunkt vertrat, dass Hemmnisse des Warenverkehrs, die sich aus unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen ergeben, grundsätzlich hingenommen werden müssten, solange der betreffende Bereich nicht harmonisiert sei. 103 Mit dieser Entscheidung wurde eine weitere Voraussetzung dafür geschaffen, auch die Regelungen des Zivilprozessrechts, die ja aufgrund des Grundsatzes der lex fori unterschiedslos für jeden im Inland geführten Prozess gelten, von Art. 28 EG erfassen zu können. 11. Herkunftslandprinzip
In dem Urteil kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass bei unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen die Vorschriften des Bestimmungsstaates grundsätzlich im Hinblick auf die Importware zurücktreten müssen, die bereits den Vorschriften des Herkunftsmitgliedstaates genügt (Herkunftslandprinzip). Das Prinzip der Gleichbehandlung von Import- und Inlandsware im Bestimmungsstaat (Bestimmungslandprinzip) hat nur eine begrenzte Wirkung, weil die Märkte als nationale Märkte nebeneinander bestehen bleiben. 104 Es kann nicht verhindern, dass nicht diskriminierende Regelungen - wie z. B. unterschiedliche Produktstandards in den einzelnen Mitgliedstaaten - den Zugang zu den Märkten der anderen Mitgliedstaaten erschweren. Das Herkunftslandprinzip hingegen führt zu einem erheblich höheren Integrationsniveau der verschiedenen Märkte. Jeder Anbieter soll grundsätzlich mit seinem spezifischen Produkt und seinen Parametern europaweit tätig werden können und jeder Nachfrager soll Zugriff auf die nach den Herkunftsstaaten unterschiedlichen Leistungen haben. lOS So kann der nationale Markt für die anderen MitgliedRichtlinie vom 22.12.1969, ABlEG 19. l. 1970, L l3, S. 29. 20.2. 1979, Rs. 120178, Slg. 1979, S. 649, 655 (Rewe Zentral AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein). 104 Steindorff, ZHR 150 (1986), S. 687, 690 f. 105 Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 148, 162 f. 102 103
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
staaten geöffnet werden, um einen gemeinschaftsweiten Absatz der Produkte zu fördem. 106 Das Herkunftslandprinzip verringert zugleich den Umfang notwendiger Rechtsangleichung, an deren Stelle die Notwendigkeit tritt, die nationalen Regelungen gegenseitig anzuerkennen. \07 Es stellt sich jedoch die Frage, für welche Regelungsbereiche es gelten kann.
1. Produktmodalitäten
Im zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um eine Regelung, die eine Eigenschaft des Produkts - nämlich dessen Alkoholgehalt - betraf. In den folgenden Entscheidungen wurde das Herkunftslandprinzip zunächst nur auf solche Regelungen angewendet, die im Wesentlichen die konkrete Gestalt der Ware selbst betrafen, also Vorschriften über die Produktzusammensetzung, Verkehrsf3.higkeit, Verpackung und Etikettierung. \08 Gleiches gilt für technische Regelungen und Priifungen, Zulassungsvorschriften oder z. B. Zertifizierungen. 109 Da derartige Regelungen die Voraussetzungen festlegen, die die Erzeugnisse erfüllen müssen, um auf den Markt gebracht zu werden, führen Ungleichheiten zwischen den verschiedenen innerstaatlichen Regelungen zwangsläufig zu einer Behinderung des grenzüberschreitenden Handels, da die Güter je nach Bestimmungsland angepasst werden müssen. Sie haben notwendig ein Verbot des Inverkehrbringens von Erzeugnissen zur Folge, die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen."o Praktisch schützen solche Regelungen vor allem einheimische Erzeugnisse, da inländische Hersteller sich von vornherein auf die nationalen Regelungen einstellen können. Solchen Regelungen kommt also eine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren zu. Wären sie uneingeschränkt zulässig, müssten sich die Leistungserbringer unter Umständen auf 15 verschiedene Rechtsordnungen einstellen. Diese Mehrfachbelastung für den Importeur erschwert ihm die Etablierung im Importstaat. 111 Es werden von ihm Schritte verlangt, die zu denen hinzukommen, die er normalerweise bei der Vermarktung bzw. dem Verkauf seiner Waren unternehmen muss, so dass ihm bei einem Import in andere Mitgliedstaaten zusätzliche Kosten entstehen. 112 Wulf-Henning Roth, CMLR 31 (1994), S. 845, 853. Oppermann, Europarecht, Rn. 1300. 108 Vgl. z. B. EuGH, 26. 6. 1980, Rs. 788179, Sig. 1980, S. 2071 (Gilli und Andres); 19.2. 1981, Rs. 130/80, Sig. 1981, S. 527 (Kelderrnan). 109 Leibte, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 26. 110 EuGH, 26. 6. 1980, Rs. 788179, Sig. 1980, S. 2071, 2079, Rn. 10 (Gilli und Andres). 111 Mangels dieses Merkmals die Anwendung von Art. 28 EG verneinend Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Sig. 1993, 1-6787, 6803 (Hünerrnund u. a./Landesapothekerkarnrner Baden-Württemberg); Generalanwalt Lenz, Schlussanträge zu EuGH, 14.7. 1994, Rs. C-379/92, Sig. 1994,1-3453,3478 f. (Peralta); so schon Steindorff, ZHR 150 (1986), S. 687, 698. 106 107
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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2. Ausdehnung auf andere Regelungen
Im Anschluss an das Urteil im Fall Cassis de Dijon wurden vermehrt auch andere unterschiedslos für inländische und eingeführte Waren geltende Regelungsbereiche angegriffen und dem EuGH zur Prüfung anhand der Warenverkehrsfreiheit vorgelegt.
a) Regelungen mit protektionistischer Wirkung Drei Jahre nach dem Cassis de Dijon-Urteil dehnte der EuGH in der Rechtssache Oosthoek das Beschränkungsverbot des Art. 28 EG auf unterschiedslos anwendbare Zugaberegelungen des Importstaates aus. 113 Zu prüfen war, ob eine Regelung, nach der es verboten ist, den Käufern eines Nachschlagewerkes zur Absatzförderung Zugaben in Form von Büchern anzubieten oder zu gewähren, gegen die Warenverkehrsfreiheit verstößt, wenn sie auch auf aus einem anderen Mitgliedstaat stammende Erzeugnisse angewendet wird. Hier ging es also nicht mehr um Produktregelungen, sondern um Marketing- und Werbevorschriften, die den Warenverkehr nur indirekt behindern. Der EuGH entschied, dass auch solche Regelungen, die bestimmte Formen der Werbung oder Absatzförderung beschränken oder verbieten, geeignet sein können, das Einfuhrvolumen zu beschränken, weil sie die Absatzmöglichkeiten für die eingeführten Produkte beeinträchtigen. 114 Es entstehe ein Zwang für den Unternehmer, entweder für verschiedene Mitgliedstaaten unterschiedliche Systeme der Werbung einzusetzen, oder ein System aufzugeben, das er für besonders wirkungsvoll halte. 115 Nur die Importeure sind in diesem 112 Generalanwalt Slynn, Schlussanträge zu EuGH, 11. 7. 1985, Rs. 60 und 61184, Slg. 1985, S. 2605, 2611 (Cinetbeque/Federation Nationale des Cinemas Fran~ais); WulfHenning Roth, ZEuP 1994, S. 5, 27. 113 EuGH, 15. 12. 1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, S. 4575, 4587 f., Rn. 15 (Oosthoek); so auch 13. 3.1984, Rs. 16/83, Slg. 1984, S. 1299,1327, Rn. 21 (Prand); 16.5.1989, Rs. 382/ 87, Slg. 1989, S. 1235, 1251, Rn. lO ff. (Buet/Ministere Public); 7. 3.1990, Rs. C-362/88, Slg. 1990,1-667,686, Rn. 7 (GB-INNO-BM/Confederation du Cornrnerce luxembourgois); 21. 3. 1991, Rs. C-369/88, Slg. 1991,1-1487,1543, Rn. 66 f. (Delattre); 25. 7.1991, Rs. C-l und 176/90, Slg. 1991, S. 4151, 4183 f., Rn. lO ff. (Aragonesa de Publicidad Exterior und Publivia/Departarneto de Sanidad y Seguridad Social de Cataluiia); 18.5. 1993, Rs. C-126/ 91, Slg. 1993, 1-2361, 2388 f., Rn. 12 (Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft/ Yves Rocher). 114 EuGH, 15. 12. 1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, S. 4575, 4587, Rn. 15 (Oosthoek); vgl. auch 16. 5. 1989, Rs. 382/87, Slg. 1989, S. 1235, 1251, Rn. 7 ff. (Buet/Ministere Public); 18. 5. 1993, Rs. C-126/91, Slg. 1993,1-2361,2388, Rn. lO (Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft/Yves Rocher). 115 EuGH, 15. 12. 1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, S. 4575, 4587 f., Rn. 15 (Oosthoek); 18.5. 1993, Rs. C-126/91, Slg. 1993,1-2361,2388, Rn. lO (Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft/Yves Rocher); so auch die Kommission und Generalanwalt van Gerven in seinen ersten Schlussanträgen zu EuGH, 24. 11. 1993, Rs. C-267 und C-268/91, Slg. 1993, 1-6097, 6lO7 f., 6113 ff. (Keck und Mithouard).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Fall gezwungen, ihre Werbestrategie anzupassen, so dass sie gegenüber den inländischen Verkäufern schlechter stehen. Wegen des geschäftlichen Interesses der betroffenen Unternehmen an einer einheitlichen Durchführung einer Verkaufs- oder Werbestrategie wird also für Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten die Einfuhr ihrer Waren erschwert. 1l6 Entscheidend war in diesen Fällen, ob die Regelungen in der Praxis Schutzwirkungen zugunsten inländischer Erzeugnisse entfalten. ll ? Es wurde geprüft, ob die Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen von Herkunfts- und Einfuhrstaat die binnenmarktweite Durchführung einer Verkaufs- oder Werbestrategie behindert und so die Etablierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten auf dem Markt erschwert. Der Unterschied zur Diskriminierung besteht bei der protektionistischen Wirkung darin, dass die Benachteiligung des eingeführten Produkts nicht aus einer Ungleichbehandlung in ein und demselben Markt folgt, sondern sich aus den Unterschieden der Rechtsordnungen ergibt.
b) Regelungen ohne protektionistische Wirkung Die vom EuGH anhand von Art. 28 EG zu überprüfenden Regelungen blieben hingegen nicht auf solche Fälle beschränkt, in denen der Importeur gegenüber dem einheimischen Verkäufer benachteiligt wurde. Zunehmend wurden auch Regelungen als mit Art. 28 EG unvereinbar angesehen, die diskriminierungsfrei waren und auch keine protektionistische Wirkung entfalteten, also den Import nicht gegenüber einheimischen Waren oder Waren aus anderen Mitgliedstaaten tatsächlich erschwerten, sondern nur die Abschottung des nationalen Marktes bewirkten. 118 Der Absatz eingeführter Erzeugnisse war in den entschiedenen Fällen nicht schwieriger als der inländischer Produkte, so dass einheimische und eingeführte Waren gleichermaßen betroffen waren. 119 In einigen Fällen wandte der EuGH auch hier die Cassis de Dijon-Formel an. In diesen Entscheidungen ging es vor allem um Verkaufsmonopole für eine be116 EuGH, 15. 12. 1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, S. 4575, 4587, Rn. 15 (Oosthoek); vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Verloren Van Themaat in dieser Rechtssache, S. 4597; EuGH, 16.5.1989, Rs. 382/87, Slg. 1989, S. 1235, 1251, Rn. 7 ff. (Buet/Ministere Public); 21. 3. 1991, Rs. C-369/88, Slg. 1991,1-1487,1543, Rn. 65 (Delattre); 18.5. 1993, Rs. C-126/91, Slg. 1993,1-2361,2388, Rn. 10 (Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft/Yves Rocher); Generalanwalt Lenz, Schlussanträge zu EuGH, 7.3. 1990, Rs. C-362 1 88, Slg. 1990,1-667,676 f. (GB INNO-BM 1Confederation du Commerce luxembourgois). 117 EuGH, 13.3.1984, Rs. 16/83, Slg. 1984, S. 1299, 1327, Rn. 21 (Prantl). 118 Dörr, RabelsZ 54 (1990), S. 677, 686 ff. 119 EuGH, 11. 7. 1990, Rs. C-23/89, Slg. 1990, 1-3059, 3080, Rn. 9 (Quietlynn und Richards 1Southend Borough Council); Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge zu EuGH, 18.6. 1998, Rs. C-266 1 96, Slg. 1998,1-3949,3964 (Corsica Ferries France/Gruppo Antichi Ormeggiatori des porto di Genova); so auch Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/ Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 250.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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stimmte Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern. 120 Im Fall Delattre war z. B. ein Verkaufsmonopol für Apotheken in Frankreich betroffen, das einem belgischen Unternehmen untersagte, bestimmte Produkte - so wie in Belgien - per Versandhandel zu verkaufen. Der EuGH bejahte die Eignung zur Absatzbeeinträchtigung im Sinne des Art. 28 EG, weil solche Regelungen die Verkäufe in eine bestimmte Richtung lenken. 121 Dies nahm er an, obwohl die Regelung auch für französische Unternehmen galt, das belgische Unternehmen also keinerlei Nachteilen gegenüber dem inländischen Handel ausgesetzt war. Zurückzuführen ist die Annahme einer Handelsbehinderung auf die Erwägung, dass sich in diesen Fällen durch eine allgemeine Abnahme der Verkäufe auch quantitative Auswirkungen auf die Einfuhren ergeben können. 122 Der Gerichtshof prüfte dann anband der Cassis de Dijon-Forme1, ob zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses für die Regelung bestanden. In anderen - vergleichbaren - Fällen wiederum verneinte er bei der Überprüfung nicht protektionistisch wirkender Regelungen die Anwendbarkeit des Art. 28 EG bzw. führte eine großzügigere Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, ohne auf die im Fall Cassis de Dijon entwickelten Grundsätze einzugehen. 123
3. Zivilprozessrecht Anhand dieser Rechtsprechung ist zu überprüfen, ob das Herkunftslandprinzip auch auf das Zivilverfahrensrecht anwendbar ist.
a) Keine protektionistische Wirkung Zunächst ist festzustellen, dass Unterschiede nationaler Zivilprozessordnungen nicht zu einer Schlechterstellung des Importeurs führen. Zwar kommen die Hindernisse im Zivilprozessrecht letztlich auch durch die Unterschiede der nationalen 120 EuGH, 21. 3. 1991, Rs. C-369/88, Slg. 1991, 1-1487 (Delattre); 21. 3. 1991, Rs. C-60/89, Sig. 1991, 1-1547 (Monteil und Samanni); 25. 5. 1993, Rs. C-271/92, Sig. 1993, 1-2899 (Laboratoire de protheses oculaires/Union nationale des syndicats d'opticiens de France u. a.). 12l EuGH, 21. 3. 1991, Rs. C-369/88, Slg. 1991, 1-1487, 1540, Rn. 51 (Delattre); 21. 3. 1991, Rs. C-60/89, Sig. 1991, 1-1547, 1570, Rn. 38 (Monteil und Samanni); 25.5. 1993, Rs. C-271/92, Sig. 1993,1-2899,2922, Rn. 7 (Laboratoire de protheses oculaires I Union nationale des syndicats d'opticiens de France u. a.). 122 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 25. 5. 1993, Rs. C-271/92, Sig. 1993,1-2899,2913 (Laboratoire de protheses oculaires/Union nationale des syndicats d'opticiens de France u. a.); ders. zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Sig. 1993,1-6787, 6809 (Hünermund u. a.1 Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg). 123 Dazu kritisch Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Sig. 1993,1-6787,6805 ff. (Hünermund u. a./Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg); eine Systematik fehlte bis zum Urteil im Fall Keck, dazu unten § 27.
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Rechtsordnungen zustande. Entscheidend ist aber nicht das Regelungsgefälle, da in einem Streitfall immer nur eine Zivilprozessordnung zur Anwendung gelangt, nämlich die der lex fori. Eine Doppelbelastung fehlt. Der ,,Nachteil" besteht genauso für den inländischen Verkäufer. Der Importeur muss sich nicht auf neue Anforderungen bezüglich der Zusammensetzung seiner Waren einstellen oder sich eine neue Vermarktungsstrategie ausdenken, sondern es sind etwa ein hohes Beweismaß, ein Anwaltszwang oder eine strenge Präklusionsvorschrift im Prozess, die zu einem Nachteil für ihn gegenüber einem Prozess im Heimatstaat führen können.
b) Berücksichtigung der Nachfolgerechtsprechung Allerdings zeigt die Nachfolgerechtsprechung, dass diese protektionistische Wirkung nicht in jedem Fall erforderlich war, um die Cassis de Dijon-Rechtsprechung zur Anwendung zu bringen. In einigen Fällen (oben 2 b) - insbesondere zu Verkaufsmonopolen - stellte der EuGH darauf ab, dass der Marktzugang durch eine Regelung des Einfuhrstaates erschwert bzw. verhindert wird. Entscheidend war dabei nicht der Vergleich zwischen den Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten,124 sondern allein die Regelung des Importstaates, die den inländischen Markt abschottet und die Zugänglichkeit für Importe erschwert. Angesichts der GrundfäIle (oben § 1 11 und III) wurde davon ausgegangen, dass bei bestimmten für den Käufer oder Verkäufer ungünstigen zivil prozessualen Vorschriften ein vorausschauender Marktteilnehmer durchaus von dem Kauf oder Verkauf von Waren in einem Mitgliedstaat absehen kann und somit eine Behinderung im Sinne der Dassonville-Formel vorliegt (oben § 25 11). Durch besonders ungünstige Regelungen in diesem Bereich kann es also zu einem Verzicht der Marktteilnehmer auf Geschäfte in bestimmten anderen Mitgliedstaaten kommen. Ohne dass Inländer besser stehen als Importeure, kann das Zivilprozessrecht im Einzelfall daher dazu führen, dass in einen Mitgliedstaat mit einem - vermeintlich - ungünstigeren Prozessrecht weniger importiert wird als in andere Mitgliedstaaten. Dadurch kann eine Marktabschottung entstehen. Eine Aufteilung des Gemeinsamen Marktes in verschiedene Teilmärkte kann also auch durch unterschiedliche Zivilprozessordnungen entstehen, so dass nach dieser Nachfolgerechtsprechung die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
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Bemhard, EWS 1995, S. 404, 405.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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c) Bedenken gegen die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht Eine Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das nationale Zivilprozessrecht würde bedeuten, dass jeder Marktteilnehmer beim zwischenstaatlichen Handel im Falle eines Rechtsstreits die gleichrangige Anwendung seines Herkunftslandprozessrechts vor den Gerichten der anderen Mitgliedstaaten verlangen könnte. 125 Abgesehen davon, dass das Herkunftslandprinzip allgemein Bedenken ausgesetzt ist,126 sprechen speziell gegen seine Anwendung im Bereich des Zivilverfahrensrechts gewichtige Argumente. aa) LexJori-Prinzip
Zunächst steht der Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht das Prinzip der lex fori entgegen, das damit ausgehebelt würde. 127 Es stützt sich auf eine Vielzahl von Begründungen, wie z. B. das Territorialitätsprinzip oder die öffentlich-rechtliche Natur des Prozessrechts. 128 Auch das Argument der Praktikabilität steht hinter der lex fori: Einerseits sind die Gerichte mit der Anwendung der lex fori vertraut, andererseits entsprechen sich Gerichtsaufbau und Verfahrensregeln. 129 Die praktischen Schwierigkeiten einer Anwendung des Herkunftslandprinzips liegen auf der Hand: Nationale Gerichte müssten sich gegebenenfalls mit völlig unbekannten ausländischen Prozessrechtsinstituten auseinandersetzen. Auch wenn heute Ausnahmen von der lex fori-Regel allgemein anerkannt werden, hält die herrschende Meinung nach wie vor an diesem Prinzip als Grundsatz fest und nimmt nur Randberichtigungen vor. 130 Die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht würde allerdings weit über solche Randberichtigungen hinausgehen. Der Grundsatz hätte im Bereich des Gemeinschaftsrechts keinen Bestand mehr.
125 So Man/red Wolf, Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, s. 35,43. 126 Dazu die deutsche Bundesregierung zu EuGH, 20. 2. 1979, Rs. 120178, Slg. 1979,
S. 649, 656 (Rewe Zentral AG I Bundesmonopolverwaltung für Branntwein); Barents, CMLR 18 (1981), S. 271, 292 f.; Seidel, GRUR Int. 1984, S. 80, 87; Sack I Fasshold, WRP 1987, S. 519; Hödl, Die Beurteilung von verkaufsbehindernden Maßnahmen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Graz 1997, S. 53 f.; Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 24. 127 Dafür ausdrücklich Man/red Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 42 f. 128 Linke, IZPR, Rn. 37 mit Nachweisen; dagegen von Hoffmann, IPR, S. 62 f. 129 Reinhold Geimer, IZPR, Rn. 322; Linke, IZPR, Rn. 37; von Hoffmann, IPR, S. 63. 130 BGH, NJW 1985, S. 552, 553; Linke, IZPR, Rn. 39 mit Nachweisen; Reinhold Geimer, IZPR, Rn. 325.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
bb) Anwendung ausländischen Rechts anstelle bloßer Anerkennung
Hinzu kommt, dass der inländische Richter ausländisches Recht ohne einen kollisionsrechtlichen Verweisungsbefehl anwenden müsste. 131 Die Anerkennung von ausländischen Produktvorschriften (Lebensmittelzutaten, technische Anforderungen an Geräte), wie dies der Ausgangspunkt der Cassis de Dijon-Rechtsprechung war, bedeutet nicht mehr als die Erstreckung von Wirkungen, die im Ausland bereits eingetreten sind, auf das Inland. 132 Im Gegensatz dazu würde die Anwendung des Herkunftslandprinzips im Bereich des Zivilverfahrensrechts dazu führen, dass die inländischen Gerichte ausländische Vorschriften anwenden müssten, also Rechtswirkungen des fremden Rechts überhaupt erst herbeiführen würden. Es würden also sehr viel weitreichendere Folgen eintreten. Ohne eine ausdrückliche kollisionsrechtliche Regelung ist einer solch weitreichenden Wirkung nicht zuzustimmen. cc) Kollision von Rechten des Klägers mit denen des Beklagten
Problematisch an der Anwendung des Herkunftslandprinzips ist aber vor allem, dass Zivilverfahrensrecht Streitrecht ist. Seine Anwendung zugunsten des Importeurs im Bereich des Zivilverfahrensrechts wirkt sich - etwa im Unterschied zu Regelungen über Produktanforderungen - zwangsläufig zuungunsten des Prozessgegners, also des Käufers aus. Der Beschränkung der einen Prozesspartei steht immer eine Erhöhung der Freiheit der anderen Partei gegenüber. Dem steht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl die Rechte des Anbieters als auch die des Nachfragers durch die Grundfreiheiten geschützt werden. I33 Die Nachfragerfreiheit umfasst das Recht, in den anderen Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen wie die ortsansässige Bevölkerung einkaufen zu können. 134 Daher müssen sich sowohl Käufer als auch Verkäufer auf das Herkunftslandprinzip stützen können. Die Regelungen des Zivilprozesses stellen eine Abwägung zwischen den Interessen des Klägers und des Beklagten dar. Die Anwendung des Herkunftslandprinzips zugunsten des Klägers als einer der beiden Parteien in dem Sinne, dass er sich 131 Dagegen Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozess, Diss. Münster 1995, S. 175. 132 Basedow, RabelsZ 59 (1995), S. 1,5. 133 So zunächst für die Dienstleistungsfreiheit EuGH, 31. 1. 1984, Rs. 286/82 und 26183, Slg. 1984, S. 377,401, Rn. 10 (Luisi und Carbone/Ministero dello Tesoro); zum Warenverkehr 7.3. 1990, Rs. C-362/88, Slg. 1990,1-667,686, Rn. 8 (GB-INNO-BM/Confederation du comrnerce luxembourgois); Müller-Graf!. in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 1; Steindorff, ZHR 148 (1984), S. 338, 339; ders., ZHR 150 (1986), S. 687, 689, 692; Wulf-Henning Roth, RabelsZ 55 (1991), S. 623, 657; ders., VersR 1993, S. 129, 137; ders., ZEuP 1994, S. 5, 30. 134 EuGH, 7. 3.1990, Rs. C-362/88, Slg. 1990,1-667,686, Rn. 8 (GB-INNO-BM/Confederation du comrnerce luxembourgois).
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das für ihn günstigere Recht auswählen kann, würde daher immer zu Lasten des Beklagten ausfallen. Auch er wird aber von der Warenverkehrsfreiheit geschützt. Aus diesem Grund scheitert auch die Idee, anstelle des Herkunftslandprinzips für das Zivilverfahrensrecht im Konflikt zweier Rechte im Sinne eines Günstigkeitsprinzips grundsätzlich dasjenige für maßgebend zu erklären, das die Grundfreiheiten weniger behindert. 135 dd) Umgekehrte Diskriminierung
Die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht würde zudem auch hier in immensen Ausmaßen umgekehrte Diskriminierungen 136 mit sich bringen. Ist eine Regelung im grenzüberschreitenden Verkehr aufgrund der Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht mehr anwendbar, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Norm, sondern sie bleibt im Verhältnis zu Drittstaaten und vor allem im innerstaatlichen Rechtsverkehr anwendbar. Dadurch können Verkäufer von Waren aus anderen Mitgliedstaaten besser gestellt sein als Verkäufer, die nur im Inland tätig sind. Ein Importeur unterliegt aufgrund des Herkunftslandprinzips nicht den - gegebenenfalls strengeren - Vorschriften des Einfuhrstaates, während auf den einheimischen Verkäufer diese strengeren Vorschriften weiterhin anwendbar sind. Übertragen auf den Bereich des Zivilverfahrensrechts liegt eine umgekehrte Diskriminierung bei Anwendung des Herkunftslandprinzips darin, dass etwa der Verkäufer aus England sich in einem Prozess auf die niedrigeren Beweisanforderungen des englischen Rechts auch in einem Prozess vor einem deutschen Gericht berufen könnte, wohingegen ein deutscher Verkäufer in der gleichen Situation den Anforderungen des § 286 ZPO genügen müsste. Zwangsläufig drängt sich in diesem Fall für den inländischen Verkäufer die Frage auf, ob er sich zur Abwehr dieser Ungleichbehandlung auf die Warenverkehrsfreiheit berufen kann. Problematisch ist dies deshalb, weil es sich nicht um grenzüberschreitende Fälle handelt, da der Betroffene nur im Inland tätig ist. Auch diese umgekehrte Diskriminierung könnte gegen die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht sprechen. (1) Grundsätzliche Einbeziehung von Inländern Inländer sind nach der Rechtsprechung des EuGH nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG ausgeschlossen. Danach darf sich ein Gemein135 So aber Manfred Wolf, in: Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 36; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 20. 136 Es kann in diesem Zusammenhang nicht der Begriff der Inländerdiskriminierung (dazu oben § 9 IV) verwendet werden, da nicht auf die Staatsangehörigkeit abgestellt wird, sondern im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit auf die Herkunft der Waren.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
schafts bürger jedenfalls dann gegenüber seinem Heimatstaat auf die Grundfreiheiten berufen, wenn er sich diesem gegenüber in einer Lage befindet, die mit der eines EG-Ausländers vergleichbar ist. 137 Es kommt darauf an, dass der Betroffene - unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit - Gebrauch von der jeweiligen Grundfreiheit gemacht hat. In der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung fehlt allerdings nach dem oben Gesagten für den betroffenen Inländer das Element der Grenzüberschreitung. Entscheidend ist daher, ob dieses Merkmal für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten erforderlich ist. (2) Voraussetzung der Grenzüberschreitung In der Literatur wird die Voraussetzung einer Grenzüberschreitung zum Teil verneint. 138 Danach ist der sachliche Anwendungsbereich der Grundfreiheiten auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte auszudehnen. Begriindet wird diese Ansicht vorrangig mit den Vertragszielen des Gemeinsamen Marktes 139 bzw. des Binnenmarktes gemäß Art. 14 Abs. 2 EG. I40 Die prägenden Elemente des Gemeinsamen Marktes sind die Marktfreiheit nach innen und die Einheitlichkeit nach außen, ergänzt durch die Wettbewerbsfreiheit. 141 Mit dem Ziel gleichmäßiger Wettbewerbsbedingungen sei es schwer vereinbar, wenn innerhalb des Marktes Diskriminierungen bestehen blieben oder sogar erst mit der Durchsetzung des freien Warenverkehrs durch die Anwendung des Herkunftslandprinzips entstünden. 142 Auch aus dem Binnenmarktziel des Art. 14 Abs. 2 EG ergebe sich, dass eine irgendwie geartete Grenzüberschreitung für die Anwendbarkeit der vertraglichen Bestimmungen keine Rolle mehr spielen könne, wenn keine neuen Wettbewerbsverzerrungen entstehen sollen. 143 Das Binnenmarktkonzept verlange absolute Chancengleichheit der Wirtschaftssubjekte, so dass ein grenzüberschreitendes Element für die Einbeziehung von Inländern nicht gefordert werden könne.
137 EuGH, 7. 2.1979, Rs. 115/78, Slg. 1979, S. 399,410, Rn. 24 (Knoors/Staatssekretär für Wirtschaft). 138 Meier, NJW 1976, S. 1557, 1559; Bleckmann, R1W 1985, S. 917, 921; Behrens, EuR 1992, S.145, 161. 139 Bleckmann, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, (3. Aufl. 1983) Art. 7 EGV, Rn. 8; ders., R1W 1985, S. 917, 920. 140 Kewenig, JZ 1990, S. 20, 23; Reich, EuZW 1991, S. 203, 204 f.; Lackhojf/Raczinski, EWS 1997, S. 109, 112; ausführliche Diskussion bei Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 215 ff. 141 Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 551; Grabitz, in: FS Ipsen, 1977, S. 645, 646. 142 Nicolaysen, Europarecht 11, S. 81; ders., EuR 1991, S. 95, 103 f.; Lackhojf/Raczinski, EWS 1997, S. 109, 112. 143 Epiney, in: Calliess/Rujfert, EUV lEG, Art. 12, Rn. 33; Kewenig, JZ 1990, S. 20, 23; ders., JZ 1990, S. 782, 784 f.; Reich, EuZW 1991, S. 203, 204 f.; Behrens, EuR 1992, S. 145, 161 f.; Heydt, EuZW 1993, S. 105.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Gegen die Argumentation mit den Begriffen "Gemeinsamer Markt" und "Binnenmarkt" spricht hingegen, dass die Zie1bestimmungen nur "nach Maßgabe dieses Vertrags" (Art. 3 EG) bzw. "unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags" (Art. 14 Abs. 1 EG) Wirkung entfalten. Art. 14 Abs. 2 EG verweist auf die Grundfreiheiten mit ihrem zwischenstaatlichen Bezug. l44 Die genannten Ziele sind zwar bei der Auslegung der Vertragsbestimmungen so weit wie möglich zu berücksichtigen, können aber nicht selbst die Grundlage gemeinschaftlichen Handelns sein. 145 Wäre bei der Auslegung der Grundfreiheiten unbedingt an den Vertragszielen festzuhalten, könnten alle staatlichen Maßnahmen, die in irgendeiner Form Auswirkungen auf die Verwirklichung der genannten Vertragsziele hätten, gegen sie verstoßen. Alle Bestimmungen des Vertrages dienen in irgendeiner Weise der Vertragszielverwirklichung, so dass nicht einzelne Vorschriften isoliert betrachtet werden dürfen. 146 Aus anderen Vertragsnormen, etwa Art. 3 h, 95 EG, die die Rechtsangleichung vorsehen, ergibt sich, dass bestimmte Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen fortbestehen. 147 Der Eröffnung des Tatbestands des Art. 28 EG steht in Fällen der vorliegenden Art entgegen, dass sie keine Auswirkungen auf den Zugang zum nationalen Markt haben, sondern nur die wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb des nationalen Marktes erschweren. Nach der Gegenauffassung würden die Grundfreiheiten de facto die Angleichung eines wesentlichen Teils des nationalen Rechts mit sich ziehen und andere Vertragsziele aushebeln. 148 Es würde unzulässigerweise in die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten eingegriffen. 149 Nach Art. 14 Abs. 2 EG ist der Binnenmarkt ein Raum ohne Binnengrenzen, bedeutet aber nicht die Vereinheitlichung aller mitgliedstaatlichen Regelungen. 150 Ansonsten würde das nationale Wirtschaftsrecht auf breiter Front außer Kraft gesetzt und es würden untragbare Regelungslücken entstehen. 151 Der EuGH und ein großer Teil des Schrifttums betrachten daher die umgekehrte Diskriminierung in der vorstehend beschriebenen Weise als eine rein interne Angelegenheit des jeweiligen Mitgliedstaates, die nicht am Maßstab des Gemeinschaftsrechts gemessen werden kann. 152 Der EuGH stellt darauf ab, dass Art. 28 EG zur Wulf-Henning Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. I, Rn. 22. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 194; Mankowski, DZWiR 1996, S. 200, 202. 146 Dazu ausführlich Wesser, Grenzen zulässiger Inländerdiskriminierung, Diss. Köln 1995, S. 65 ff. 147 Heintzen, EWS 1990, S. 82, 86; Mankowski, DZWiR 1996, S. 200, 202. 148 Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 195 ff. 149 Weis, NJW 1983, S. 2721, 2723. 150 So auch Kunz, Die Europäisierung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Diss. Würzburg 1997, S. 135. 151 von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur EU, Art. 6 EGV, Rn. 54; Mankowski, DZWiR 1996, S. 200, 202. 144 145
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Beseitigung von Hindernissen für die Einfuhr von Waren dienen soll, nicht aber dazu, dass Waren inländischen Ursprungs ebenso günstig wie eingeführte Waren behandelt werden. 153 Ziel sei nicht, die Gleichbehandlung einheimischer und eingeführter Ware zu gewährleisten. 154 Eine unterschiedliche Behandlung, die weder die Einfuhr behindern noch den Vertrieb der eingeführten Waren erschweren kann, sondern ihnen vielmehr einen Vorteil einräumt, falle nicht unter das Verbot des Art. 28 EG. 155 Das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Elementes finde seinen Grund in der beschränkten Rege1ungszuständigkeit der Gemeinschaft (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung). 156 Das Merkmal der einfuhrbehindernden Wirkung impliziere, dass nur eine tatsächlich die Einfuhr betreffende Maßnahme in den Anwendungsbereich des Vertrages falle. 157 Durch die Schlechterstellung inländischer Produkte gegenüber eingeführten Erzeugnissen werde hingegen die Einfuhr gerade nicht behindert, da der Inländer nicht von seinen vertraglichen Freiheiten Gebrauch gemacht habe. Dass seine Benachteiligung ihren Grund darin findet, dass bestimmte nationale Rechtsbestimmungen aufgrund des Herkunftslandprinzips auf seine Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten keine Anwendung finden, verleiht dem Sachverhalt danach nicht das erforderliche grenzüberschreitende Element. Die durch die Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen und das Anerkennungsprinzip entstehenden Hemmnisse sind danach der Struktur des Gemein152 EuGH, 18. 3. 1980, Rs. 52/79, Sig. 1980, S. 833, 854, Rn. 9 (Procureur du Roil Debauve) für die Dienstleistungsfreiheit; 27.10. 1982, Rs. 35 und 36/82, Sig. 1982, S. 3723, 3736, Rn. 16 (Morson und Jhanjan 1Niederlande); 23. 10. 1986, Rs. 355/85, Sig. 1986,3231, 3242, Rn. 10 (Driancourt/Cognet); 13. 11. 1986, Rs. 80 und 159/85, Sig. 1986, S. 3359, 3382 f., Rn. 18, 20 (Nederlandse Bakkerij Stichting/Edah); 18. 2. 1987, Rs. 98/86, Sig. 1987, S. 809, 821 f., Rn. 7 f. (Ministere Public/Mathot); 28. 1. 1992, Rs. C-332/90, Sig. 1992,1-341,357, Rn. 10 f. (Steen/Deutsche Bundespost); Streil, in: BeutlerlBieberl PipkomlStreil, S. 318; Oppennann, Europarecht, Rn. 1522; Fastenrath, JZ 1987, S. 170, 172; Kleier, RIW 1988, S. 623, 627; Blumenwitz, NJW 1989, S. 621, 625; Papier, JZ 1990, S. 253, 261; Ehlers, NVwZ 1990, S. 810, 811; Heintzen, EWS 1990, S. 82, 86; Pemice, NJW 1990, S. 2409, 2417; Schilling, JZ 1994, S. 8, 9. Gleiches gilt für die anderen Grundfreiheiten, vgl. Schöne, RIW 1989, S. 450, 451 mit Nachweisen. 153 EuGH, 23.10.1986, Rs. 355/85, Slg. 1986,3231,3242, Rn. 10 (Driancourt 1Cognet); 18.2. 1987, Rs. 98/86, Sig. 1987, S. 809, 821, Rn. 7 (Mini stere Public/Mathot); 12.3. 1987, Rs. 178/84, Slg. 1987, S. 1227, 1268, Rn. 24 (Kommission 1Deutschland). 154 EuGH, 13. 11. 1986, Rs. 80 und 159/85, Sig. 1986, S. 3376, 3382, Rn. 18 (Nederlandse Bakkerij Stichting 1Edah). 155 EuGH, 13. 11. 1986, Rs. 80 und 159/85, Sig. 1986, S. 3359, 3382 f., Rn. 18, 20 (Nederlandse Bakkerij Stichting/Edah); 18. 2. 1987, Rs. 98/86, Sig. 1987, S. 809,821 f., Rn. 7 f. (Ministere Public 1Mathot); 28. 1. 1992, Rs. C-332/90, Sig. 1992, 1-341, 357, Rn. 9 ff. (Steen/Deutsche Bundespost); Münnich, ZfRV 1992, S. 92, 98; Streinz, Europarecht, Rn. 720, 722; Geiger, Art. 6 EGV, Rn. 11. 156 König, AöR 1993, S. 591, 597. 157 Reitmaier, Inländerdiskriminierungen nach dem EWG-Vertrag, Diss. Berlin 1984, S. 80; Fastenrath, JZ 1987, S. 170, 172; Kleier, RIW 1988, S. 623, 627; Nicolaysen, EuR 1991, S. 95, 100 f.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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schaftsrechts insofern inhärent, als sie nicht dazu führen, dass die nationalen Rechtsordnungen aufgehoben werden. 158 Im rein nationalen Bereich sollen die Mitgliedstaaten frei bleiben. 159 Folge ist, dass sich die eigenen Staatsangehörigen gegenüber ihrem Heimatstaat grundsätzlich nicht auf die Bestimmungen der Grundfreiheiten berufen können. Es ist somit Sache der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen,l60 in Deutschland etwa Aufgabe des Art. 3 Abs. 1 GG, die aufgrund der Anwendung des Herkunftslandprinzips entstehende Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Importeurs zu beseitigen. (3) Ergebnis Die umgekehrte Diskriminierung ist also aus Sicht des Gemeinschaftsrechts für die Frage der Anwendung des Herkunftslandprinzips unbeachtlich. Das Gemeinschaftsrecht bietet zumindest nach dem derzeitigen Integrationsstand, wie er sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs darstellt, keine Handhabe gegen die Benachteiligung der Inländer, die durch seine Anwendung entsteht. Zu bemerken bleibt allerdings abschließend, dass die Kommission in ihrem neuesten Grünbuch zur Prozesskostensicherheit in Zivilverfahren ausführt, dass es "nicht sinnvoll [wäre], vom Staat der Prozessführung grundsätzlich zu verlangen, einfach die Kriterien des Wohnsitzstaats des Antragstellers anzuwenden, da eine Partei aus dem Mitgliedstaat A dadurch im Mitgliedstaat B günstiger behandelt werden könnte als die in diesem Staat ansässigen Parteien".161 Die Inländerdiskriminierung wird in diesem Fall also als Argument gegen die Anwendung des Herkunftslandprinzips angeführt, falls diesbezüglich Regelungen erlassen werden.
d) Ergebnis Aus den vorangegangenen Erwägungen ist somit die Ansicht Manfred Wolfs, der das Herkunftslandprinzip auf das Zivilverfahrensrecht übertragen will, abzulehnen. 162 Die Auffassung überbewertet die Funktion dieses Prinzips.
Epiney. Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, s. 189. Heintzen, EWS 1990, S. 82, 86. 160 Zum Verstoß gegen nationales Verfassungsrecht etwa Weis, NJW 1983, S. 2721, 2725 f.; Kleier; RIW 1988, S. 623, 628 ff.; Pemice, NJW 1990, S. 2409, 2417; Nicolaysen. EuR 1991, S. 95, 107 ff. 161 Grünbuch der Kommission, KOM (2000) 51 endg. 162 So auch Jaeckel. Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozess, Diss. Münster 1995, S. 182. 158 159
9 Tonsfeuerbom
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
III. Zwingende Erfordernisse Wendet man sich dagegen, schon von vornherein eine Anwendung des Herkunftslandprinzips aus den oben genannten Gesichtspunkten im Bereich des Zivilverfahrensrechts auszuschließen, ist ein Ausstieg aus dem Tatbestand des Art. 28 EG auch über das Vorliegen "zwingender Erfordernisse des Allgemeinwohls" möglich.
1. Einordnung des Merkmals Neben der Möglichkeit einer Rechtfertigung der Maßnahmen gleicher Wirkung, die Art. 30 (ex Art. 36) EG enthält, hat der EuGH im Fall Cassis de Dijon eine weitere Einschränkung des Art. 28 EG auf Tatbestandsebene für unterschiedslos anwendbare Maßnahmen herausgearbeitet. Grund dafür war, dass durch die Einbeziehung solcher unterschiedslos anwendbarer Maßnahmen eine Vielzahl von allgemeinen Bestimmungen vom Anwendungsbereich des Art. 28 EG erfasst werden, die Ausdruck legitimer öffentlicher Aufgaben sind. Ihre fehlende Filterfunktion führt dazu, dass unzählige Regelungen der Mitgliedstaaten, die in irgendeiner Weise im Bezug zum Warenhandel stehen, zunächst einmal unter den Anwendungsbereich des Art. 28 EG subsumiert werden können. Deshalb war eine Einschränkung erforderlich, da Art. 28 EG nicht die Beseitigung der grundsätzlichen Befugnis der Mitgliedstaaten bezweckt, die im öffentlichen Interesse gebotenen und gemeinschaftsrechtlich anerkannten Schutzziele selbstständig zu verfolgen, soweit keine Gemeinschaftsregelung besteht. 163 Der Grund für die Einordnung dieser Einschränkung im Tatbestand und nicht auf Rechtfertigungsebene wird in der ständigen Rechtsprechung gesehen, Art. 30 EG sei eng und abschließend auszulegen. Auch ist durch diese Auslegung die Möglichkeit gegeben, die Cassis de Dijon-Forrnel nur für unterschiedslos geltende Regelungen anzuwenden,l64 wenngleich nach neuesten Entscheidungen der EuGH auch für Diskriminierungen verschiedene zwingende Erfordernisse zur Rechtfertigung zulässt und damit die Unterscheidung zwischen unterschiedslos und unterschiedlich geltenden Regelungen an Bedeutung verliert. 165 Faktisch ergibt sich aus der umfassenden, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Güter- und Interessenabwägung eine Rechtfertigungsprüfung. Der EuGH entschied, dass Handelshemrnnisse, die sich aus unterschiedslos wirkenden nationalen Regelungen ergeben, hinzunehmen sind, soweit dies aufgrund 163 MÜller-Gra.!f, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 183; Leible, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 8. 164 Dubach, DVBI. 1995, S. 595, 598. 165 Dazu Hakenberg, ZEuP 1999, S. 849, 851 unter Bezugnahme auf EuGH, 28. 4. 1998, Rs. C-120/95, Slg. 1998, 1-1831 (Decker/Caisse de maladie des employes prives); 28.4.1998, Rs. C-158/96, Slg. 1998,1-1931 (Kohll/Union des caisses de maladie).
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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zwingender Erfordernisse des Allgemeinwohls notwendig ist. Als zwingende Erfordernisse wurden vom EuGH eine wirksame steuerliche Kontrolle, der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die Lauterkeit des Handelsverkehrs, der Verbraucherschutz und später auch der Umweltschutz anerkannt. 166 Aus der Formulierung "insbesondere,,167 ergibt sich, dass dieser Katalog nicht abschließend ist. Erforderlich ist, dass das Allgemeininteresse den Erfordernissen des freien Warenverkehrs im Einzelfall vorgeht. Dies bedingt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung: Die nationale Regelung muss einen vom Gemeinschaftsrecht als legitim anerkannten Zweck verfolgen, und die Regelung muss in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. 168
2. Kohärenz als Schutzinteresse des Zivilveifahrensrechts
Denkbar ist, auch an dieser Stelle einen Anknüpfungspunkt dafür zu finden, dass die Regelungen des nationalen Zivilverfahrensrechts aus zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung anzusehen sind. Allerdings stellt sich die Frage, welches Schutzinteresse das Zivilprozessrecht verfolgt, das im Sinne der Cassis de Dijon-Formel unterschiedliche nationale Regelungen rechtfertigen könnte. Zwar werden im Regelfall zwingende Erfordernisse für eine einzelne zivilprozessuale Regelung nicht bestehen, hingegen ist es denkbar, dass das System einer nationalen Zivilprozessordnung als solches ein zwingendes Erfordernis darstellt. 169 Ausgangspunkt für diesen Ansatz sind zwei Entscheidungen des EuGH, in denen als ein relevantes Allgemeininteresse die Kohärenz des Steuerrechts angesehen wurde. 170 In beiden Fällen ging es um eine belgische Vorschrift, wonach von den Erwerbseinkünften nur die Beiträge zur Kranken- und Invaliditäts- oder Altersund Todesversicherung abgezogen werden können, die in Belgien gezahlt wurden. Der Kläger war deutscher Staatsangehöriger, der in Belgien beschäftigt gewesen war. Er wehrte sich gegen die Weigerung der belgischen Behörden, den Abzug von in Deutschland gezahlten Beiträgen zu gestatten. Der EuGH erklärte eine solche Regelung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses für gerechtfertigt. Sie 166 EuGH, 20. 2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, S. 649, 662, Rn. 8 (Rewe Zentral AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein); 20. 9. 1988, Rs. 302186, Sig. 1988, S. 4607, 4630, Rn. 8 f. (Kommission/Dänemark). 167 EuGH, 20. 2.1979, Rs. 120/78, Sig. 1979, S. 649, 662, Rn. 8 (Rewe Zentral AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein). 168 EuGH, 16. 5. 1989, Rs. 382/87, Sig. 1989, S. 1235, 1251, Rn. 11 (Buet/Ministere Public); loliet, GRUR Int. 1994, S. 979, 980. 169 Gegen den Systemzusammenhang als Rechtfertigungsgrund Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2,12 f. 170 EuGH, 28. 1. 1992, Rs. C-204/90, Sig. 1992,1-249,283, Rn. 21 ff. (Bachmann/Belgien); 28. 1. 1992, Rs. C-300/90, Sig. 1992, 1-305, 319 ff., Rn. 14 ff. (Kommission/Belgien).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
sei nötig, um die Kohärenz der Steuerregelung zu wahren. Innerhalb der belgischen Rechtsordnung bestehe ein Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der von den Versicherten in Erfüllung der Versicherungsbeiträge für den Fall des Alters und des Todes zu zahlenden Beträge. 171 Pensionen, Renten etc. seien nämlich von der Steuer befreit, wenn der O.g. Abzug nicht erfolgt sei. Da Belgien die von den Versicherten in anderen Mitgliedstaaten gezahlten Beträge nicht aufgrund von Gemeinschaftsrecht besteuern könne, sei die Regelung folglich gerechtfertigt. Auch die Systemstimmigkeit des Zivilprozessrechts lässt sich als ein solches zu beachtendes Interesse einordnen. l72 Die Systemzusammenhänge des nationalen Rechts sollten nicht nur aus Gründen der Tradition und Rechtskultur gewahrt werden,173 sondern vor allem deshalb, weil nur ein kohärentes System Gerechtigkeitsgarantien schaffen kannY4 Das Rechtssystem im Ganzen hat einen höheren Grad an Legitimität als einzelne Rechtsnorrnen. 175 Die Ordnungsaufgaben des nationalen Zivilprozessrechts können bei einem Herausgreifen von einzelnen Regelungen, die nicht als mit Art. 28 EG vereinbar angesehen werden, gefährdet sein: Des einen Berufung auf die günstige Regelung eines anderen Mitgliedstaates würde zur Last des anderen. Es fande keine unvoreingenommene Interessenabwägung durch ein in sich geschlossenes System statt. 176 Die ausgewogenen Systeme der Zivilprozessordnungen der Mitgliedstaaten gleichen im Regelfall einzelne Nachteile durch Vorteile in anderer Hinsicht aus. So ist etwa eine Ermittlung von Amts wegen zwar auf der einen Seite vorteilhaft, da sie umfassender zur Wahrheitsfindung verhilft. Auf der anderen Seite führt sie zu Verlängerungen der Prozesse. Ebenso kann ein scharfes Präklusionsrecht nachteilig für eine Partei sein, führt aber andererseits zu einer vorteilhaften Beschleunigung und Verbilligung eines Rechtsstreits. In diese Richtung der Argumentation weist auch ein Urteil zur Dienstleistungsfreiheit, in dem der EuGH die Funktionsfähigkeit der nationalen Rechtspflege als zwingendes Erfordernis des Allgemeinwohls anerkannt hat. 177 171 EuGH,28. 1. 1992, Rs. C-204/90, Slg. 1992,1-249,282, Rn. 21 (Bachrnann/Belgien); 28. 1. 1992, Rs. C-300/90, Slg. 1992,1-305,319 ff., Rn. 14 (Kommission/Belgien). 172 So auch Herbert Roth, in: Müller-Graff/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 364 ff.; ebenso zum Privatrecht Ulmer, JZ 1992, S. I, 5; MüllerGraff, NJW 1993, S. 13, 19; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 87; Caruso, European Law Journal 1997, S. 3, 28; vgl. auch Heß, JZ 1995, S. 150, 151, der auf die Gefahr der Sprengung des herkömmlichen Privatrechtssystems durch richtlinienkonforme Auslegung hinweist. 173 Dazu Caruso, European Law Journal 1997, S. 3, 28 f. 174 Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 52; vgl. auch Habennas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 259 ff., 270, 317. 175 Habennas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 48. 176 So für das materielle Privatrecht Remien, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, S. 11,36 f. 177 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996, 1-6511, 6540, Rn. 37 ff. (Reisebüro Broede/Sandker); ausführlich unten § 3311.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Schließlich spricht für die Systemstimmigkeit des Zivilverfahrensrechts als zwingendes Erfordernis der großzügige Beurteilungsspielraum, den der EuGH den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung der Frage zugesteht, ob Beschränkungen der Grundfreiheiten durch nationale Regelungen erforderlich sind. I78 In gleicher Weise könnte das Zivilprozessrecht im Übrigen unter die rechtfertigende Norm des Art. 30 EG subsumiert werden, wenn man die Kohärenz und Funktionsfähigkeit der nationalen Zivilprozessordnung unter den Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung einordnet.
IV. Ergebnis Das Herkunftslandprinzip ist nach der hier vertretenen Auffassung auf das Zivilverfahrensrecht von vornherein nicht anwendbar. Jedenfalls scheitert eine Subsumtion unter den Tatbestand des Art. 28 EG daran, dass die Kohärenz des Zivilverfahrensrechts ein zwingendes Erfordernis des Allgemeinwohls darstellt.
§ 27 Das Urteil Keck Nachdem durch die Dassonville- und Cassis de Dijon-Rechtsprechung der Erfindungsreichturn der Staaten hinsichtlich der Schaffung von mittelbaren Beschränkungen eingedämmt werden konnte, setzte in einem weiteren Stadium der Erfindungsreichturn der Anwälte ein, die begannen, sich immer häufiger auf Art. 28 EG zu berufen, "um jedwede Regelung zu beanstanden, die sich als Beschränkung der geschäftlichen Freiheit auswirkt". 179 Die Fälle wurden im Zuge zunehmender Integration immer verschiedenartiger, zumal offensichtliche Handelsbeschränkungen immer seltener wurden. Die Erweiterung der Cassis de DijonRechtsprechung über Produktmodalitäten hinaus hat den EuGH dazu geführt, nationale Regelungen unterschiedlichster Art anhand von Art. 28 EG zu überpriifen (vgl. schon oben § 26 11 2). Dadurch traf er zunehmend rein politische Entscheidungen. I80 Die Weite des Anwendungsbereiches durch die Dassonville-Formel gab immer wieder Anlass zu Kritik, da dadurch der Schwerpunkt der Priifung des Art. 28 EG zunehmend auf der Frage lag, ob eine Regelung durch zwingende Erfordernisse oder die Griinde des Art. 30 EG gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung konnten auch allgemeine Regelungen des Wirtschaftslebens, die sich auf 178 Z. B. EuGH, 24. 3. 1994, Rs. C-275/92, Slg. 1994, 1-1039, 1097, Rn. 61 (H.M. Customs and Excise/ Schindler) zur Dienstleistungsfreiheit; dazu Schroeder, EuGRZ 1994, S. 373, 379. 179 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Slg. 1993,1-6097,6131, Rn. 14 (Keck und Mithouard). 180 Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 148, 158; Joliet, GRURlnt. 1994, S. 979, 984.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes allenfalls sehr mittelbar auswirken, Handelsbeschränkungen sein. In der Rechtssache Prantl hielt die Bundesregierung die Art. 28 ff. (ex Art. 30 ff.) EG für praktisch nicht mehr handhabbar, da jede staatliche Maßnahme in irgendeiner Weise Auswirkungen auf den Warenverkehr habe. 181 Schon vor der Entscheidung im Fall Keck und Mithouard (im Folgenden: Keck) hatte der EuGH in einzelnen Entscheidungen die Anwendung des Art. 28 EG abgelehnt. Etwa seit 1981 verneinte der EuGH in einigen mit dem Urteil Oebel beginnenden Entscheidungen bei unterschiedslos anwendbaren nationalen Regelungen das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung mangels Eignung zur Handelsbehinderung trotz deren möglicher quantitativer Auswirkungen auf die Einfuhr. 182 Betroffen waren Regelungen über die Arbeits-, Auslieferungs- und Verkaufszeiten im Bäckereisektor, 183 ein Verkaufsverbot alkoholischer Getränke zum sofortigen Verzehr an öffentlichen Orten 184 oder von Sexartikeln in nicht konzessionierten Geschäften. 18s Der EuGH stellte in diesen FäHen darauf ab, dass die Regelungen in keinem Zusammenhang zur Einfuhr stünden. 186 Sie seien zudem Ausdruck einer legitimen Entscheidung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Begründet wurde dies in den Einzelfällen damit, dass die Regelung keine Wirkung auf den Handelsverkehr bezwecke und ausübe. Sie betreffe gleichermaßen inländische und eingeführte Erzeugnisse. Daher sei sie nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Es fehlte bei diesen Entscheidungen allerdings die dogmatische Klarheit für die Ablehnung der Anwendung des Art. 28 EG, zumal in anderen - vergleichbaren - Fällen weiterhin die Cassis de Dijon-Formel angewandt wurde. 187
13.3. 1984, Rs. 16/83, Slg. 1984, S. 1299, 1309 (Prantl). EuGH, 14.7. 1981, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993 (Oebel); 31. 3. 1982, Rs. 75/81, Slg. 1982, S. 1211 (Blesgen/Belgien); 25. 11. 1986, Rs. 148/85, Slg. 1986, S. 3449 (Direction Generale des Irnpöts 1Forest); 7. 3. 1990, Rs. C-69/88, Slg. 1990, 1-583 (Krantzl Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 11. 7. 1990, Rs. C-23/89, Slg. 1990, 1-3059 (Quietlynn und Richards 1 Southend Borough Council); Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 101; Darstellung der Rechtsprechung auch bei Lang, Die Freiheit des Warenverkehrs - Kontinuität und Wandel in der Rechtsprechung des EuGH, 1997, S. 69 ff. 183 EuGH, 14.7.1981, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993 (Oebel). 184 EuGH, 31. 3.1982, Rs. 75/81, Slg. 1982, S. 1211 (Blesgen/Belgien). 185 EuGH, 11. 7. 1990, Rs. C-23/89, Slg. 1990,1-3059 (Quietlynn und Richards/Southend Borough Council). 186 EuGH, 14.7.1981, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993,2010, Rn. 20 (Oebel); 31. 3. 1982, Rs. 75/81, Slg. 1982, S. 1211, 1229, Rn. 9 (Blesgen/Belgien); 11. 7. 1990, Rs. C-23/89, Slg. 1990, 1-3059, 3081, Rn. 11 (Quietlynn und Richards/Southend Borough Council); 25. 11. 1986, Rs. 148/86, Slg. 1986, S. 3449, 3475, Rn. 19 (Direction Generale des Irnpöts/ Forest). 187 Zu den einzelnen Fallgruppen ausführlich Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993,1-6787,6805 ff. (Hünerrnund u. a./Landes181
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2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Die Kritik an der neuen Tendenz, Zuflucht in Einzelfallentscheidungen zu suchen, die mangels Schaffung von Grundsätzen in ihrer Gesamtheit den Eindruck der Widersprüchlichkeit hervorriefen,188 hat schließlich zum Urteil Keck geführt. 189 Es wird als Wendepunkt weg von einer Überprüfung der gesamten sozialpolitischen Gesetzgebung der Mitgliedstaaten gesehen. 190 Ihm könnte zu entnehmen sein, dass auch Regelungen nationaler Zivilprozessordnungen nicht unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung fallen. Aus dem verwendeten Begriff der "Klarstellung" der bisherigen Rechtsprechung folgt, dass es sich nicht um eine vollständige Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, sondern eher um eine Änderung des Prüfungsmodus handelt. In der Regel gelangen die Entscheidungen zum gleichen Ergebnis. 191 Betroffen war im zugrunde liegenden Rechtsstreit ein unterschiedslos auf alle in Frankreich verkauften Waren anwendbares französisches Gesetz, das den Händlern den Verkauf ihrer Ware zu Verlustpreisen untersagt. Der EuGH ging in seinem Urteil davon aus, dass eine solche Regelung das Absatzvolumen in Frankreich beschränken könne, er konkretisierte die Dassonville-Formel jedoch durch die Frage, ob diese Möglichkeit ausreiche, um eine Maßnahme gleicher Wirkung zu bejahen. In Beantwortung dieser Frage hat die Unterscheidung zwischen produkt- und verkaufsbezogenen Regelungen zentrale Bedeutung. 192 Auf dieser Grundlage soll der Versuch einer Einordnung des Zivilprozessrechts unternommen werden.
I. Produktbezogene Regelungen Für produktbezogene Rechtsvorschriften behält der EuGH in Rn. 14 des Urteils ausdrücklich die Cassis de Dijon-Rechtsprechung mit dem Herkunftslandprinzip bei. Sie sind daher weiterhin nach Art. 28 EG verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung, sofern sie nicht durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sind. Produktbezogene Regelungen beziehen sich auf die Merkmale der Erzeugnisse als solche, apothekerkarnmer Baden-Württemberg); Wulf-Henning Roth, FIW-Schriftenreihe 160 (1994), S. 21, 25 ff.; kritisch auch Mortelmans, CMLR 28 (1991), S. 115, 134 f. 188 Steiner, CMLR 29 (1992), S. 749, 754 ff. 189 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Keck und Mithouard, Sig. 1993,1-6097. 190 Classen, EWS 1995, S. 97, 99 m. w. N. 191 Hödl, Die Beurteilung von verkaufsbehindemden Maßnahmen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Graz 1997, S. 144 f. 192 Zu den Mängeln dieser Einteilung z. B. Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2.1995, Rs. C-412/93, Sig. 1995,1-179,194 f. (Lec1erc-Siplec/TFI Publicite SA); Reich, ZIP 1993, S. 1815, 1817; Becker, EuR 1994, S. 162, 173 f.; Ackermann, RIW 1994, S. 189, 193; Fezer, JZ 1994, S. 317, 323; Möschel, NJW 1994, S. 430; Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 152; Micklitz, IStR 1994, S. 86,90 f.; Dauses, in: ders., Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, C.I, Rn. 130. Genannt werden vor allem das Fehlen einer klaren Definition des Begriffs der Verkaufsmodalitäten und der Widerspruch dieser Einteilung zu den ökonomischen Realitäten.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
die den importierten Produkten bereits bei Grenzübertritt anhaften, z. B. auf Aufmachung, Ausstattung, Bezeichnung, Qualitätskontrolle, Etikettierung, Form, Abmessung, Gewicht, Verpackung und Zusammensetzung von Waren. 193 Jedenfalls dann, wenn der Unternehmer aufgrund anderer Anforderungen des Importstaates zusätzliche Vorkehrungen am Produkt treffen muss, liegt eine Produktmodalität im Sinne des Keck-Urteils vor, die den Anforderungen der Cassis de Dijon-Rechtsprechung genügen muss. 194 Die Zuordnung zivil prozessualer Regelungen zu den produktbezogenen Vorschriften scheidet aus, da die Normen des Zivilprozessrechts in keinem Zusammenhang zur Beschaffenheit oder Aufmachung der Ware stehen. Wegen der Unterschiede der mitgliedstaatlichen Prozessordnungen müssen an den Produkten keine Änderungen vorgenommen werden (dazu schon oben § 2611 3 a).
11. Verkaufsmodalitäten Demgegenüber hält der EuGH in Rn. 16 und 17 des Urteils die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte "Verkaufsmodalitäten" beschränken oder verbieten, für nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Dassonville-Urteils zu behindern. Voraussetzung im Sinne von negativen Tatbestandsmerkmalen ist allerdings, dass zum einen die "Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tatigkeit im Inland ausüben", sie müssen also unterschiedslos anwendbar sein. Zum anderen müssen sie "den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren". 195 Verkaufsmodalitäten fallen folglich dann nicht unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung, wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind 196 und zudem kein Produktbezug besteht. 197 Der Importeur muss also die nationalen Ver193 EuGH, 2. 2. 1994, Rs. C-315/92, Sig. 1994,1-317 (Verband Sozialer Wettbewerb/ Clinique); 1. 6. 1994, Rs. C-317/92, Sig. 1994, 1-2039 (Kommission/Deutschland); 14. 7. 1994, Rs. C-17/93, Sig. 1994, 1-3537 (van der Veldt); 6. 7. 1995, Rs. C-470/93, Sig. 1995,1-1923 (Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln/Mars); Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 97. 194 EuGH, 2. 2. 1994, Rs. C-315/92, Sig. 1994,1-317,335 f., Rn. 13 ff. (Verband Sozialer Wettbewerb/Clinique); 6. 7. 1995, Rs. C-470/93, Sig. 1995,1-1923, 1941, Rn. 13 (Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln/Mars); für die Beschränkung des Herkunftslandprinzips auf Regelungen über die Produktzusarnrnensetzung schon Wulf-Henning Roth, RabelsZ 55 (1991), S. 623, 666. 195 So auch die Nachfolgerechtsprechung EuGH, 10. 5. 1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995, 1-1141, 1177, Rn. 37 (Alpine Investments/Minister van Financien); 2. 6. 1994, Rs. C-401 und 402/92, Sig. 1994, 1-2199, 2234, Rn. 14 (Tankstation 't Heukske und Boerrnans); 2.6. 1994, Rs. C-69 und 258/93, Slg. 1994,1-2355,2368, Rn. 12 (Punto Casa und PVV). 196 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 247 m. w.N.
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kaufsmodalitäten akzeptieren, solange der Leistungswettbewerb dadurch nicht verfälscht wird. Für die Verhältnismäßigkeits- bzw. Rechtfertigungsprüfung bleiben danach nur noch die Regelungen übrig, die diese neue Hürde überwinden können. Damit vermeidet der EuGH in den betreffenden Fällen die schwierigen Wertungen, die zu treffen sind, wenn das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung bejaht wird. Ob das Zivilprozessrecht im Sinne dieser Entscheidung aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung herausfällt, hängt davon ab, ob es die beiden Kriterien erfüllt und zudem als Verkaufsmodalität einzuordnen ist.
1. Unterschiedslose Anwendbarkeit
Die unterschiedslose Anwendbarkeit der Zivilprozessnormen auf alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, ergibt sich aus dem Prinzip der lex fori. Wenn die Zuständigkeit der deutschen Gerichte besteht, wenden diese ihr eigenes Verfahrensrecht an. Unerheblich ist - abgesehen von den im ersten Teil behandelten Normen des prozessualen Fremdemechts - sowohl die Herkunft der Waren als auch der Wohnsitz bzw. die Staatsangehörigkeit der betroffenen Parteien.
2. Rechtlich und tatsächlich gleiche Betroffenheit
Der Absatz inländischer und importierter Erzeugnisse müsste durch die zivilprozessualen Regelungen rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise berührt sein. Rechtlich sind inländische und eingeführte Waren gleichermaßen betroffen, wenn Normen ihrer Zielsetzung und ihrem Wortlaut nach in gleicher Weise für inländische und eingeführte Erzeugnisse gelten. Tatsächlich ist dies der Fall, wenn eine Regelung ihrer Wirkung nach zu keiner Ungleichbehandlung zwischen eingeführten und inländischen Waren führt. 198 Der Vergleich wird nicht zwischen den nationalen Märkten, d. h. dem Import mit und ohne die Regelung, sondern zwischen eingeführten und inländischen Erzeugnissen durchgeführt. Der Importeur soll bezüglich der Verkaufsmodalitäten nicht genauso gut stehen wie in seinem Herkunftsland, sondern so wie ein einheimischer Hersteller. Das lex fori-Prinzip garantiert für das Zivilprozessrecht auch die rechtlich und tatsächlich gleiche Betroffenheit von inländischen und ausländischen Waren, da bei einem Prozess vor einem nationalen Gericht immer das Zivilverfahrensrecht 197
Fezer; JZ 1994, S. 317, 323.
Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 2. 6. 1994, Rs. C-401 und 4021 92, Slg. 1994,1-2199,2216 f., Rn. 23 (Tankstation 't Heukske und Boermans). 198
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dieses Staates angewendet wird. Dies geschieht im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit unabhängig von der Herkunft der Waren, die Grundlage des Rechtsstreits sind. Nachteile können sich im Bereich des Zivilprozessrechts nur dann ergeben, wenn es auf den Vergleich mit den Zivilprozessordnungen der anderen Mitgliedstaaten ankommt. Ein solcher Vergleich soll hier aber gerade nicht vorgenommen werden. Auch die Voraussetzung der rechtlich und tatsächlich gleichen Betroffenheit ist damit erfüllt. 3. Begriff der Verkaufsmodalität
Unter der Voraussetzung, dass die Zivilprozessrechtsnormen als Verkaufsmodalitäten eingeordnet werden können, fallen sie danach nicht unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung. Der Begriff der "Verkaufsmodalität" wird in der Entscheidung nicht näher konkretisiert. Beispielsweise wurden als Verkaufsmodalitäten bisher staatliche Preisfestsetzungen,I99 zeitliche Beschränkungen des Verkaufs,2oo Verkaufsmonopole für bestimmte Waren 201 und Werbeverbote auf der Ebene des Vertriebs 202 angesehen. Es geht um Regelungen, die keinen direkten Produktbezug aufweisen, also nicht mit der Herstellung in Zusammenhang stehen. Eine positive Definition gibt Generalanwalt Tesauro, der seine Schlussanträge zum Fall Hünennund vor der KeckEntscheidung gehalten hat. Er bezeichnet als verkaufs bezogene Regelungen solche, die die Modalitäten der Vermarktung (wer, wo, wann, wie) regeln und die allein deshalb, weil sie sich auf das Angebot oder die Nachfrage der betreffenden Waren auswirken, einen Rückgang der Verkäufe bewirken. 203 Kennzeichnend ist im Gegensatz zu Produktregelungen, dass keine Anpassung der inneren oder äußeren Eigenschaften der eingeführten Erzeugnisse erforderlich ist. 204 Teilweise wird vertreten, das Zivilrecht sei als Verkaufsmodalität zu qualifizieren. 205 Dafür spreche das Urteil im Fall CMC Motorradcenter,206 in dem ebenfalls 199 24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Slg. 1993, 1-6097 (Keck und Mithouard); 11. 8. 1995, Rs. C-63/94, Slg. 1995,1-2467 (Belgapom/ITM und Vocarex). 200 EuGH, 2. 6. 1994, Rs. C-401 und 402/92, Slg. 1994,1-2199 (Tankstation 't Heukske und Boermans); 2. 6. 1994, Rs. C-69 und 258/93, Slg. 1994,1-2355 (Punto Casa und PVV). 201 EuGH, 29. 6. 1995, Rs. C-391 /92, Slg. 1995,1-1621 (Kommission/Griechenland). 202 EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993,1-6787 (Hünermund u. a./Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg); 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Slg. 1995,1-179 (Lec1ercSiplec/TFI Publicite SA). 203 Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292 192, Slg. 1993,1-6787,6804 (Hünermund u. a. / Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg). 204 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 20. 6. 1996, Rs. C-418 bis 421/93 u. a., Slg. 1996, 1-2975, 2985 (Semeraro Casa Uno Sr!. u. a.1 Sindaco deI Commune di Erbusco u. a.). 205 Remien, JZ 1994, S. 349, 353; ders., ZtRV 1995, S. 116, 130; Hailbronner; Handkommentar zum EUV, Art. 30 EGV, Rn. 34 b; Reich, NJW 1994, S. 2128, 2131; zu Regelungen
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die Eignung zur Handelsbehinderung verneint wurde. Waren seien in der Regel zum Verkauf bestimmt und daher könne jedwede Bedingung für deren Verkaufbarkeit rubrizierbar sein. 207 Beim Zivilprozessrecht geht es hingegen nicht um die Organisation des Produktvertriebs oder die Modalitäten des Absatzes, sondern vielmehr um die Regelung der Modalitäten der Durchsetzung der Rechte, die aufgrund eines Warenkaufs entstehen. Es trifft keine Regelungen der Art und Weise oder über Ort und Zeit des Verkaufs, sondern greift erst später ein, falls es zu Streitigkeiten bei der Durchsetzung der aus einem Vertrag entstehenden Rechte kommt. Das Zivilverfahrensrecht gehört damit wie das materielle Zivilrecht zu den allgemeinen Rahmenbedingungen des Handels, nicht aber zu den Verkaufsmodalitäten.
III. Konsequenz für das Zivilverfahrensrecht: Erst-recht-Schluss Aus der Tatsache, dass das Zivilverfahrensrecht weder Produkt- noch Verkaufsmodalitäten festlegt, kann man den Schluss ziehen, dass die Keck-Entscheidung für diese Untersuchung bedeutungslos ist. Das Zivilverfahrensrecht wäre dann einer eigenen Kategorie zuzuordnen, die nach eigenen Grundsätzen zu behandeln wäre (dazu unten § 28). Denkbar ist aber auch ein Erst-recht-Schluss. Man kann vertreten, wenn schon Verkaufsmodalitäten grundsätzlich nicht zur Handelsbehinderung geeignet sind, dass dann das Zivilprozessrecht erst recht nicht von Art. 28 EG erfasst sein kann. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist, dass Verkaufsmodalitäten viel näher an der Einfuhr liegen als zivilprozessuale Normen und den Absatz gezielt beschränken und dementsprechend viel eher die Motivation des Verkäufers hemmen können, Waren in den betreffenden Mitgliedstaat zu veräußern. Die Modalitäten des Absatzes sind dem Verkäufer in der Regel schon beim Import bewusst, weil sie enger mit dem Verkauf zusammenhängen als zivilprozessuale Regelungen. Verkaufsmonopole, also z. B. die Zulässigkeit von Werbernaßnahmen oder Ladenöffnungszeiten stellen für den Verkauf wichtige Bedingungen dar, mit denen der Verkäufer sich eher beim Import auseinandersetzt als mit den Bedingungen im Falle eines möglichen Prozesses. Wenn schon diese Verkaufsmodalitäten im Regelfall keine Maßnahmen gleicher Wirkung sind, dann sind nach dieser Auffassung Unterschiede der nationalen Zivilprozessrechtsvorschriften erst recht nicht zur Handelsbehinderung gemäß Art. 28 EG geeignet. 208 des Schuldvertragsrechts Lang, Die Freiheit des Warenverkehrs - Kontinuität und Wandel in der Rechtsprechung des EuGH, 1997, S. 79. 206 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93!92, Slg. 1993,1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH! Pelin Baskiciogullari). 207 Müller-Graff, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 247. 208 Miras, Die Entwicklung des spanischen Zivilprozessrechts, Diss. Freiburg 1994, S. 165 f.; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im internationalen Zivilprozessrecht, Diss.
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Aus dem Urteil könnte eine allgemeine Tendenz zur Eingrenzung des Tatbestandes von Art. 28 EG abzuleiten sein, um der Schwemme von Wirtschaftsteilnehmern zu begegnen, die jede Regelung beanstanden, die sich auf ihre geschäftliche Freiheit auswirkt. Der EuGH selbst hat seine Entscheidung mit diesen Praktikabilitätsgesichtspunkten begründet. 209 Darin könnte die Einsicht liegen, dass eine strengere Vervollkommnung des Marktes die Urteils- und Regelungsfähigkeit der EGInstanzen überfordert, so dass gewisse normative Hindernisse für die gewerbliche Handlungsfreiheit hinzunehmen sind?lO Man könnte in dem Urteil den generellen Versuch sehen, grundsätzlich alle nicht produktbezogenen inländischen Vorschriften aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung herauszunehmen, wenn die beiden oben genannten Kriterien erfüllt sind, also die Regelungen unterschiedslos anwendbar sind und den inländischen Waren weder rechtlich noch tatsächlich einen Vorteil verschaffen. 211 Um diesen Erst-recht-Schluss ziehen zu können, ist zu untersuchen, welches die ausschlaggebenden Faktoren für die Unterscheidung von produkt- und verkaufsbezogenen Regelungen sind, die letztlich zum Keck-Urteil geführt haben. Eine Analyse dessen, was hinter der Unterscheidung steht, kann Aufschluss darüber geben, ob auch die zivilprozessualen Unterschiede der Mitgliedstaaten wie die "bestimmten Verkaufsmodalitäten" aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung herausfallen.
1. Quantitative Auswirkungen In Entscheidungsgrund Nr. 13 des Urteils stellte der Gerichtshof zunächst fest, dass die in Rede stehenden Verkaufsmodalitäten das Absatzvolumen beschränken können. Durch die Regelung kann es also dazu kommen, dass weniger Waren verkauft werden und aufgrund dieser Tatsache auch die Menge der Einfuhren zurückgeht. Damit bestätigt der Gerichtshof seine seit 1982 in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass nationale Verbote von bestimmten Formen der Werbung und anderen Methoden der Absatzförderung das Absatzvolumen und damit auch das Volumen des Absatzes von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten beschränken können. 212 An dieser Stelle beendet der EuGH allerdings seine Prüfung nicht, sondern stellt die Frage, ob dies ausreicht. Im Ergebnis verneint er nach der Münster 1995, S. 166 ff.; Herbert Roth, ZZP 109 (1996), S. 271, 277; Zöllerl Reinhold Geimer; ZPO, IZPR, Rn. 3 a. 209 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Sig. 1993,1-6097,6131, Rn. 14 (Keck und Mithouard). 210 Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 149, 160. 211 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 250; Epiney, in: Calliess/Ruffen, EUV lEG, Art. 28 EG, Rn. 30. 212 s.o. § 2611 2 a); EuGH, 15. 12. 1982, Rs. 286/81, Slg. 1982, S. 4575,4587, Rn. 15 (Oosthoek).
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Prüfung von zwei weiteren Voraussetzungen die Eignung zur Handelsbehinderung. 213 Teilweise wird argumentiert, mit der Verneinung der Eignung zur Handelsbehinderung arbeite der EuGH mit einer Fiktion. 214 Er gebe zu, dass Verkaufsmodalitäten keineswegs stets binnenmarktneutral seien. 215 Nicht die Behinderung fehle bei Verkaufsmodalitäten, sondern die Eignung im normativen Sinne der DassonvilleForme1. 216 Entscheidend für das Vorliegen einer Behinderung sei, ob sich am Volumen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs etwas ändern würde, wenn statt der inländischen strengeren Regelung die weniger strenge Regelung des Herkunftslandes gelten würde. 217 Anderer Auffassung zufolge ist aus dieser Prüfung der Schluss zu ziehen, dass quantitative Auswirkungen auf das Handelsvolumen allein nicht ausreichen, um das Vorliegen einer Handelsbehinderung zu bejahen. 218 Der Behinderungsbegriff ist danach nicht in einem quantitativen, sondern in einem engeren Sinne zu verstehen. Da produktbezogene Regelungen zudem nicht stets stärkere Auswirkungen auf den Umfang der betroffenen Warenströme haben als etwa Werbebeschränkungen, und der EuGH dennoch diese Unterscheidung trifft, müssen andere Kriterien ausschlaggebend sein. Nach beiden Auffassungen fällt durch die neue Rechtsprechung zumindest nicht jede nationale Regelung unter Art. 28 EG, die aus Sicht des Verkäufers zu lästigen Folgen führt. Entscheidend ist nicht, ob aufgrund der Regelung weniger Waren importiert werden als ohne die Regelung. 219 Die Testfrage, ob sich am Volumen zugunsten des inländischen Absatzes importierter Ware etwas ändern würde, wenn statt der inländischen Regelung die des Ausfuhrlandes gelten würde,220 reicht folglich nicht (mehr) aus. 221 Unabhängig davon, ob man dies für eine Fiktion hält oder den Behinderungsbegriff enger auslegt, ist die Dassonville- Formel nach dieser Entscheidung also nicht so zu verstehen, dass Verringerungen der Einfuhren nur wegen einer allgemeinen Abnahme der Verkäufe vom Tatbestand des Art. 28 EG erfasst werden. 222 Erfor213 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Sig. 1993,1-6097,6131, Rn. 16 f. (Keck und Mithouard). 214 Schilling, EuR 1994, S. 50, 58 f. 215 Rohe, RabelsZ 61 (1997), S. 1,56. 216 Müller-GrajJ, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 49. 217 Sack 1Fasshold, WRP 1987, S. 519, 521. 218 Fezer, JZ 1994, S. 317, 321; anders Generalanwalt lacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9.2. 1995, Rs. C-412/93, Sig. 1995,1-179,194 ff. (Lec1erc-Siplec/TFI Publicite SA). 219 lestaedtl Kästle, EWS 1994, S. 26, 28. 220 So noch Sack 1Fasshold, WRP 1987, S. 519, 520. 221 Becker, EuR 1994, S. 162, 172. 222 Wulf-Henning Roth, FIW Schriftenreihe 160 (1994), S. 21, 24 liest das schon aus dem Urteil im Fall Dassonville heraus.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
derlich ist vielmehr eine Handelsbehinderung in einem qualitativen Sinn. Für die Frage der Subsumtion des Zivilprozessrechts unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung gemäß Art. 28 EG ist daher entscheidend, welcher Art dieses qualitative Kriterium sein muss.
2. Finalität In einer Art Einleitung in Rn. 12 führt der Gerichtshof aus: "Nationale Rechtsvorschriften, die den Weiterverkauf zum Verlustpreis allgemein verbieten, bezwecken keine Regelung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten".223 Dieser Ausgangspunkt des EuGH könnte darauf hinweisen, dass es für die Subsumtion unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung auf die Finalität der Maßnahme ankommt. 224 Staatliche Regelungen, die nicht darauf abzielen, den zwischenstaatlichen Warenverkehr zu beschränken, könnten im Rahmen von Art. 28 EG gar nicht erst aufzugreifen sein. Damit würden Verfahrensregelungen, die ja keine Regelung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs bezwecken, ebenso wie im Regelfall Verkaufsmodalitäten vom Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung ausgeschlossen. Obwohl das Kriterium der Finalität auch in den folgenden Urteilen mehrmals aufgegriffen wurde,225 spricht die Tatsache, dass der Gerichtshof die Prüfung nicht bereits an dieser Stelle abbrach, sondern im Anschluss feststellte, dass sich die einschlägigen Normen dennoch auf grenzüberschreitende Waren ströme auswirken könnten, dafür, dass es ihm auf diese Feststellung nicht entscheidend ankam. Auch der Wortlaut des Art. 28 EG gibt für eine solche restriktive Auslegung keinen Anhaltspunkt. Gegen die Entscheidungserheblichkeit dieses Kriteriums spricht zudem, dass meist auch produktbezogene Vorschriften nicht die Regelung des Handeisverkehrs bezwecken. 226 Nach Sinn und Zweck der Regelungen des freien Warenverkehrs sind auch nicht bezweckte Behinderungen des Handelsverkehrs zu verhindern. 227 Zudem kann der wahre Zweck verschleiert werden, so dass die nationalen Gerichte auf Schwierigkeiten bei der Bestimmung des eigentlichen Rege223 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993,1-6097,6130, Rn. 12 (Keck und Mithouard); so auch 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993, 1-6787, 6822, Rn. 19 (Hünermund u. a./ Landesapothekerkammer Baden-Württemberg). 224 So Amdt, ZIP 1994, S. 188, 191. 225 EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993, 1-6787, 6822, Rn. 19 (Hünermund u. a./Landesapothekerkammer Baden-Württemberg); 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Slg. 1995, 1-179,216, Rn. 19 (Leclerc-Siplec/TFI Publicite SA); 29. 6.1995, Rs. C-391/92, Slg. 1995, 1-1621, 1646, Rn. 11 (Kommission/Griechenland); 11. 8. 1995, Rs. C-63/94, Slg. 1995, 1-2467,2490, Rn. 10 (Belgapom/ITM und Vocarex). 226 Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 141 f. 227 Vgl. z. B. EuGH, 28. 2.1991, Rs. C-332/89, Slg. 1991,1-1027,1040, Rn. 9 (Marchandise); Becker; EuR 1994, S. 162, 171.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
143
lungszwecks stoßen können. 228 Auch in anderen Urteilen hat der EuGH nicht entscheidend darauf abgestellt, ob eine Regelung dazu bestimmt ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, sondern darauf, ob sie eine objektiv behindernde Wirkung hat (vgl. oben § 25 11 1).229 Aus den Ausführungen des Gerichtshofs zur Finalität kann daher nur der Schluss gezogen werden, dass der fehlende Zweck zur Regelung des mitgliedstaatlichen Warenverkehrs eine Vorauslese ermöglicht: Soweit die Regelung des zwischenstaatlichen Handels bezweckt ist, ist von ihrer Eignung zur Handelsbehinderung auszugehen. Ein Umkehrschluss findet hingegen nicht statt. 230 Die Tatsache, dass zivilprozessuale Regelungen nicht die Regelung des Handelsverkehrs bezwecken, führt folglich nur zu dem Ergebnis, dass daran die Ablehnung einer Handelsbehinderung zumindest nicht scheitert.
3. Spürbarkeit
Grund für die Unterscheidung kann zudem ein Vergleich der Intensität der Belastung durch Vorschriften über Verkaufsmodalitäten gegenüber Produktmodalitäten sein. 231 Anhaltspunkt ist die Feststellung des EuGH, dass auch "solche Rechtsvorschriften (Verbote des Weiterverkaufs zum Verlustpreis) das Absatzvolumen und damit das Volumen des Absatzes von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten insoweit beschränken, als sie den Wirtschaftsteilnehmern eine Methode der Absatzförderung nehmen",232 dies aber für die Bejahung der Anwendbarkeit des Art. 28 EG nicht als ausreichend erachtet wird. Es werden also mögliche Beschränkungen hingenommen. Eine Auffassung im Schrifttum entnimmt dieser Aussage die Einführung eines Spürbarkeitstests. 233 Diskriminierungsfreie staatliche Regelungen von Verkaufsmodalitäten wirkten sich im Gegensatz zu Produktmodalitäten häufig nur geringfü228 Vlmer; GRUR Int. 1973, S. 502,512 f.; Keßler; Das System der Warenverkehrsfreiheit im Gemeinschaftsrecht, Diss. Berlin 1997, S. 124. 229 Vgl. nur EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Slg. 1989, S. 3851, 3889, Rn. 14 (Torfaen 1B&Q). 230 Weyer; DZWir 1994, S. 89,92. 231 Fezer; JZ 1994, S. 317, 324; Sack, EWS 1994, S. 37, 45; Rohe, RabelsZ 61 (1997), S. I, 56; a.A Reich, ZIP 1993, S. 1815, 1816. 232 EuGH, 24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993,1-6097,6130, Rn. 13 (Keck und Mithouard). 233 Ehricke, WuW 1994, S. 108, 111 f.; Keßler; Das System der Warenverkehrsfreiheit im Gemeinschaftsrecht, Diss. Berlin 1997, S. 180; andere leiten das Spürbarkeitserfordemis nicht aus dem Keck-Urteil ab, verlangen aber unabhängig davon die Einführung dieses Kriteriums, vgl. Fasshold, Freier Warenverkehr in der EG und nationale Absatzregelungen, Diss. Mannheim 1986, S. 20 f.; Reich, ZIP 1993, S. 1815, 1817 f.; Fezer; JZ 1994, S. 317, 324; so auch Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Slg. 1995, 1-179,195 ff. (Lec1erc-Siplec/TFl Publicite SA).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
gig auf den freien Warenverkehr aus. Kennzeichen dafür sei insbesondere, dass im Regelfall andere Verkaufsmodalitäten offenstehen. 234 Unter Hinweis auf die Argumentation des EuGH in den Rechtssachen Hünermund235 und Leclerc-Siplec236 wird daran angeknüpft, dass nur dann keine Eignung zur Handelsbehinderung vorliegt, wenn lediglich ein Teil der im Einzelfall zur Verfügung stehenden Verkaufsmodalitäten untersagt wird. 237 Wenn weitere Verkaufswege offen stehen, werde der Verkäufer nicht spürbar beeinträchtigt. Auch die Kommission hat sich in einem ähnlichen Ansatz schon früher für eine Unterscheidung zwischen Eigenschaften von Waren und Verkaufsumständen ausgesprochen, wobei darauf abgestellt wurde, dass bei Letzteren der Zusammenhang mit den Einfuhren bei solchen Maßnahmen "entfernter" sei als bei Maßnahmen, die Einfuhr, Herstellung oder Vertrieb bestimmter Erzeugnisse untersagten?38 Die Kommission befürwortete daher die Anerkennung einer "rule of remoteness", durch die Regelungen mit einem solchen nur entfernten Zusammenhang aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG herausfallen sollen. Im Bereich des Zivilverfahrensrechts hieße ein solcher Test, dass empirisch spürbare Auswirkungen auf den Austausch von Gütern durch zivilprozessuale Regelungen festgestellt werden müssten. Jedoch scheint auch dieses Kriterium für den EuGH nicht den Ausschlag zu geben, denn er lässt offen, ob diese Möglichkeit der Beeinträchtigung ausreicht. 239 In früheren Entscheidungen hat er ein Spürbarkeitserfordernis zudem ausdrücklich abgelehnt. 240 Problematisch ist bei diesem Ansatz vor allem, Maßstäbe für den Grad und die Feststellung der Spürbarkeit zu finden. 241 Auch die Vereinbarkeit dieses Ansatzes mit der Vorrangregel des Gemeinschaftsrechts, der ein Spürbarkeitserfordernis fremd ist, wird in der Literatur bezweifelt. 242 Darüber hinaus spricht gegen diesen Ansatz die Feststellung des EuGH, die überprüfte Regelung könne das Absatzvolumen von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten beschränken. Diese Möglichkeit genügt ihm aber nach den weiteren Ausführungen unabhängig vom Ausmaß der beschränkenden Wirkungen nicht, um eine Behinderung anzunehmen?43 Die oben (I) getroffene Feststellung, dass es auf die quantita234 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Sig. 1995, 1-179, 196 (Leclerc-Siplec ITFI Publicite SA). 235 EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/93, Sig. 1993, 1-6787, 6822, Rn. 19 (Hünerrnund u. a.1 Landesapothekerkammer Baden-Württemberg). 236 EuGH, 9.2. 1995, Rs. C-412/93, Sig. 1995,1-179,216, Rn. 19 (Leclerc-Siplec/TFI Publicite SA). 237 Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 152 f. 238 Kommission zu EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Sig. 1989, S. 3851, 3871 (Torfaen 1B&Q). 239 EuGH, 24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Sig. 1993, 1-6097, 6130 f., Rn. 13 ff. (Keck und Mithouard). 240 Vgl. oben § 25 IV. 241 Sack, EWS 1994, S. 37, 45. 242 Schilling, EuR 1994, S. 50, 60 f.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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tiven Auswirkungen nach der Keck-Entscheidung gerade nicht mehr ankommt, läuft der Anerkennung eines Spürbarkeitserfordernisses zuwider. Zudem muss die Intensität der Beschränkungswirkung nicht davon abhängen, ob es sich um eine Regelung auf Produktions- oder Vertriebsebene handelt. Verkaufsbezogene Beschränkungen können den Verkäufer im Einzelfall stärker belasten als Produktregelungen, wenn er z. B. seine im Heimatstaat bewährte Verkaufsstrategie in einem anderen Mitgliedstaat komplett nicht anwenden darf. Käme es auf den Aspekt der Entferntheit oder Mittelbarkeit an, wäre darüber hinaus nicht zu erklären, warum der EuGH die Verkaufsmodalitäten nicht generell aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung herausnimmt, sondern dies nur unter zwei weiteren Voraussetzungen der Fall ist (oben 11 1 und 2)?44 Auch das ausdrückliche Festhalten am Dassonville-Urteil, das auch mittelbare und potenzielle Behinderungen erfasst, spricht gegen einen Spürbarkeitstest. Daher hat auch dieses Kriterium nicht den Ausschlag für die Unterscheidung zwischen Verkaufs- und Produktmodalitäten gegeben, so dass für die Einordnung zivilprozessualer Normen daraus keine Erkenntnisse gewonnen werden können.
4. Marktzugang In Nr. 17 des Urteils stellt der EuGH darauf ab, dass bestimmte Verkaufsmodalitäten "nicht geeignet [seien], den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun".245 Entscheidend für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG könnten danach bei unterschiedslos anwendbaren Regelungen die Auswirkungen auf den Marktzugang sein. 246 Dies deckt sich mit dem Ziel des Art. 28 EG, den ungehinderten Warenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, also die Öffnung des Zugangs zu den jeweils anderen nationalen Märkten und damit den freien Wettbewerb zu erreichen. 247 Auch Generalanwalt van Gerven weist in seinen Schlussanträgen zum Keck-Urteil darauf hin, dass er in der Rechtssache Torfaen 248 vorgeschlagen hat, Vorschriften, die nicht auf eine Regelung des Han243 Weyer, Freier Warenverkehr und nationale Regelungsgewalt in der Europäischen Union, Diss. Köln 1996, S. 284. 244 Lüder, EuZW 1995, S. 87, 88; Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 143. 245 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/93, Sig. 1994,1-6097,6131, Rn. 16 f. (Keck und Mithouard). 246 van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Sig. 1989, S. 3851, 3876 (Torfaen/B&Q); Steiner, CMLR 29 (1992), S. 749, 771; Becker, EuR 1994, S. 162, 173; Fezer, JZ 1994, S. 623; loliet, GRUR Int. 1994, S. 979, 983; Wulf-Henning Roth, CMLR 31 (1994), S. 845,851 ff.; Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 147; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 96 f. 247 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Sig. 1989, S. 3851, 3874 (Torfaen/B&Q); Grabitz, in: FS Ipsen, 1977, S. 645, 647 f.; MüllerGraff, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlennann, Art. 30 EGV, Rn. 30.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
deisverkehrs gerichtet sind, wie bei der Rechtsprechung zu Art. 81 (ex Art. 85) EG249 nur dann unter Art. 28 EG zu subsumieren, wenn sie eine marktabschottende Wirkung haben und damit den Gemeinsamen Markt in verschiedene Teilmärkte aufspalten. 25o Zweck des Art. 28 EG sei es, alle inländischen Märkte der Gemeinschaft für alle Unternehmen der anderen Mitgliedstaaten hinreichend zugänglich zu machen, um den freien Wettbewerb nicht zu gefährden. Bei Produktvorschriften ist im Falle unterschiedlicher Regelungen der Mitgliedstaaten stets eine Sonderfertigung des Produkts erforderlich. Eine Regelung, die eine bestimmte Beschaffenheit eines Produkts vorschreibt, die im Herkunftsland nicht erforderlich ist, führt dazu, dass ein Anbieter aus einem anderen Mitgliedstaat in jedem Fall entweder sein Produkt abändern oder auf den Marktzugang verzichten muss. 251 Dem Verkäufer wird dadurch bei der Einfuhr eine zusätzliche Belastung auferlegt und somit der Marktzugang erschwert. Hingegen führen Verkaufsmodalitäten grundsätzlich nicht dazu, dass die eingeführten Erzeugnisse, auf die sie sich beziehen, angepasst werden müssen. Sie wirken sich damit grundsätzlich nicht in der Weise auf den Marktzugang aus wie Produktregelungen, da sie nur die Modalitäten des Verkaufs festlegen, also die Ströme zugelassener Waren regulieren. Auch zivilprozessuale Regelungen versperren nicht die Einfuhr. Ein Verkäufer wird durch zivilprozessuale Regelungen nicht daran gehindert, in einem anderen Mitgliedstaat Fuß zu fassen. Auch führen sie nicht dazu, dass bei der Einfuhr oder beim Verkauf in einem anderen Mitgliedstaat besondere Anpassungsmaßnahmen vorgenommen werden müssen. Die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmers zum grenzüberschreitenden Verkauf werden durch zivilprozessuale Regelungen nicht eingeschränkt. Zu beachten ist allerdings, dass der EuGH in seiner Entscheidung selbst das Kriterium des Marktzugangs wieder einschränkt. Es führt danach bei Verkaufsmodalitäten nur in zwei Fällen zur Anwendung des Art. 28 EG. Zum einen ist dies der Fall, wenn der Marktzugang komplett versperrt wird. Versperrt wird der Zugang nur dann, wenn keine Möglichkeit für den Unternehmer besteht, in dem anderen Mitgliedstaat Fuß zu fassen. Zum anderen führt es zur Anwendung des Art. 28 EG, wenn der Marktzugang im Vergleich zu inländischen Erzeugnissen für eingeführte Produkte stärker behindert wird. Es reicht also nicht jede Marktzugangsbehinderung aus, sondern erforderlich ist bei einer bloßen Erschwerung des Marktzugangs zusätzlich, dass diese Erschwerung gerade im Vergleich zu den inländischen Produkten erfolgt. 23.11. 1989, Rs. C-145/88, Sig. 1989, S. 3851, 3876 ff. (Torfaen/B&Q). Z. B. EuGH, 30. 6. 1966, Rs. 56/65, Sig. 1966, S. 281, 305 (Societe Technique Miniere 1Maschinenbau Ulm). 250 24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Sig. 1993,1-6097,6121 (Keck und Mithouard) unter Verweis auf 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Slg. 1989, S. 3851, 3876 f. (Torfaen/B&Q); so auch Grabitz, in: FS Ipsen, 1977, S. 645, 652; Eberhartinger; EWS 1997, S. 43, 49. 251 Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 149 f. 248
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2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Es kommt nach dieser Entscheidung also nicht bloß darauf an, ob eine Regelung zu höheren Kosten für den Importeur beim Marktzugang führt. Entscheidend ist nicht, ob der Verkauf einer Ware in einem anderen Mitgliedstaat dem Importeur zusätzliche Schritte abverlangt, die zu jenen hinzukommen, die er normalerweise bei der Vermarktung seiner Waren unternimmt und die dadurch die Einfuhr erschweren,252 sondern bei einer Erschwerung des Marktzugangs ist entscheidend nur der Vergleich zu den Inländern. Gegen die Entscheidungserheblichkeit des Marktzugangskriteriums wird in der Literatur zudem vorgebracht, dass der Begriff mit vielen Unsicherheiten belastet sei, da Auswirkungen auf den Marktzugang von vielen Faktoren abhängig seien. 253 Bei Verkaufsregelungen spielt z. B. eine Rolle, ob es möglich ist, auf andere Verkaufsmodalitäten zurückzugreifen. Eine Vorschrift kann den Marktzugang unmittelbar oder mittelbar, sofort oder in großem zeitlichen Abstand, oder rein hypothetisch und ungewiss erschweren. Die Bedeutung des Hindernisses kann zwischen unbedeutend und Quasi-Verbot variieren. Dadurch ist es in der Praxis schwierig, Kriterien für die Feststellung zu finden, wann die erforderliche Verbindung zum Marktzugang besteht. 254 Auch der Marktzugang ist daher nicht das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung zwischen Produkt- und Verkaufsmodalitäten.
5. Protektionistische Wirkung
Aus Entscheidungsgrund 17 des Urteils könnte allerdings herauszulesen sein, dass es für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung in Zukunft darauf ankommen soll, ob die betreffende Regelung protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Produkte entfaltet. 255 Der EuGH stellt dort bei der Prüfung der Verkaufsmodalitäten darauf ab, ob der Absatz inländischer und eingeführter Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise betroffen wird. 256 Die Eignung von Regelungen über Verkaufsmodalitäten zur Handelsbehinderung liegt 252 Generalanwalt Slynn, Schlussanträge zu EuGH, 11. 7. 1985, Rs. 60 und 61/84, S. 2605, 2606 ff. (Cinetheque/Federation Nationale des Cinemas Fran~ais); vgl. zur Entscheidungserheblichkeit dieses wirtschaftlichen Kriteriums auch EuGH, 28. 2. 1984, Rs. 247/81, Slg. 1984, S. 1111, 1119, Rn. 4 (Kommission/Deutschland); 30. 4. 1991, Rs. C-239/90, Slg. 1991,1-2023,2038 f., Rn. 15 (Boscher/British Motors Wright); Generalanwalt Reischi, Schlussanträge zu EuGH, 31. 3. 1982, Rs. 75/81, Slg. 1982, S. 1211, 1237 f. (Blesgen/Belgien); Ackermann, RIW 1994, S. 189, 193; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 21 f.; Streinz, Europarecht, Rn. 673; dagegen allerdings Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 63. 253 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2. 1995, Rs. C-412193, Slg. 1995, 1-179,196 (Leclerc-Siplec/TFI Publicite SA). 254 Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 90 f. 255 Arndt, ZIP 1994, S. 188, 190 f.; Streil, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, S. 295. 256 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993,1-6097,6131, Rn. 17 (Keck und Mithouard).
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danach nur dann vor, wenn die betroffenen Vorschriften zu einem Wettbewerbsvorteil für die nationale Industrie führen. 257 Die Unterscheidung in Produkt- und Verkaufsmodalitäten kann ihren Grund darin haben, dass Produktvorschriften ihrer Art nach geeignet sind, den Marktzugang für eingeführte Erzeugnisse stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse, während dies bei Verkaufsvorschriften nicht der Fall ist. 258 Bereits in früheren Urteilen hielten der EuGH und die Generalanwälte das Kriterium der protektionistischen Wirkung für ausschlaggebend für die Nichtanwendung des Art. 28 EG. 259 Generalanwalt Capotorti stellte etwa in der Rechtssache Oebel darauf ab, dass für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung entweder eine Diskriminierung oder ein faktischer Nachteil für die eingeführten Erzeugnisse erforderlich sei. 260 Generalanwalt Slynn verneinte die Anwendung des Art. 28 EG im Fall Cinttheque deshalb, weil dieser nicht den Zweck habe, für den Importeur bessere Voraussetzungen zu schaffen als für den einheimischen Hersteller. 261 Generalanwalt Lenz und der EuGH lehnten in der Rechtssache Quietlynn die Anwendung von Art. 28 EG unter anderem mangels Erschwerung des Absatzes eingeführter Erzeugnisse gegenüber inländischen Produkten ab. 262 Man kann daher in der Keck-Entscheidung die Rückkehr zum Erfordernis einer protektionistischen Wirkung sehen, nachdem teilweise auch Regelungen unter Art. 28 EG subsumiert wurden, deren Behinderungswirkung sich nicht aus der Schutzwirkung von Regelungen zugunsten der inländischen Produktion ergab (s.o. §26II2b).
a) Produktmodalitäten Produktmodalitäten entfalten solche protektionistischen Wirkungen schon deshalb, weil Regelungsunterschiede in diesem Bereich eine zusätzliche Verpflichtung für ausländische Hersteller zur Anpassung der Güter schaffen. 263 Sie müssen daher 257 loUet, GRUR Int. 1994, S. 979, 985; Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge zu EuGH, 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998,1-3949,3964, Rn. 29 (Corsica Ferries Francel Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova). 258 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 2. 6. 1994, Rs. C-40 1 und 4021 92, Slg. 1994,1-2199,2214 f. (Tankstation 't Heukske und Boerrnans). 259 Ausdrücklich EuGH, 11. 7. 1990, Rs. 23/98, Slg. 1990,1-3059,3080, Rn. 9 (Quietlynn und Richards 1Southend Borough Council). 260 14.7. 1981, Rs. 155/80, Slg. 1981, S. 1993,2014 (Oebe1). 261 Generalanwalt Slynn, Schlussanträge zu EuGH, 11. 7. 1985, Rs. 60 und 61/ 84, Slg. 1985, S. 2605, 2611 f. (Cim~theque/Federation Nationale des Cinemas Fran~ais). 262 11. 7. 1990, Rs. C-23/89, Slg. 1990,1-3059,3073 f. und 3080, Rn. 9 (Quietlynn und Richards 1Southend Borough Council). 263 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 2. 6. 1994, Rs. C-401 und 4021 92, Slg. 1994,1-2199,2220 (Tankstation 't Heukske und Boerrnans).
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dieser Prüfung nicht wie Verkaufsmodalitäten unterzogen werden. Für sie trifft die stärkere Belastung der eingeführten Erzeugnisse durch den entstehenden Anpassungszwang automatisch zu. b) Verkaufsmodalitäten Bei Verkaufsmodalitäten ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Dort liegt der Rückgang der totalen Verkaufszahlen in der Regel nicht an den Unterschieden der einzelnen nationalen Regelungen, sondern an der Existenz der Vorschriften überhaupt, so dass kein Rege1ungsgefälle vorliegt. 264 Sie behindern den Marktzugang regelmäßig für eingeführte Erzeugnisse nicht stärker, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun, da die Regelungen über das Wie, Wann und Wo des Verkaufs von Produkten in der Regel gleichermaßen für alle in dem betreffenden Mitgliedstaat verkauften Produkte gelten?65 Wenn aber ausnahmsweise eine protektionistische Wirkung bei Verkaufsmodalitätenregelungen entsteht, soll nach Aussage des EuGH eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegen. Dies ergibt sich daraus, dass die Ausklammerung von Verkaufsmodalitäten nicht eingreift, wenn eingeführte Waren dadurch rechtlich oder tatsächlich gegenüber inländischen Waren schlechter gestellt werden. 266 c) Zivilprozessrecht Zivilprozessuale Regelungen haben ebenso wie grundsätzlich auch Verkaufsmodalitäten keine protektionistische Wirkung zugunsten von inländischen Waren. Sie schaffen - abgesehen von den im ersten Teil untersuchten Ausnahmen - mit dem lex fori-Prinzip die gleichen Bedingungen für alle Parteien des Zivilprozesses unabhängig von der Herkunft der Waren oder der Staatsangehörigkeit der Partei. Der Marktzugang wird für eingeführte Erzeugnisse jedenfalls nicht stärker behindert, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist, da die zivilprozessualen Regelungen unterschiedslos auf alle im Inland geführten Prozesse angewendet werden. Mit der Feststellung, dass die fehlende protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren den Ausschlag für die Entscheidung gegeben hat, ist daher ein Erstrecht-Schluss aus dem Keck-Urteil dahingehend möglich, dass alle unterschiedslos anwendbaren, nicht protektionistisch wirkenden Regelungen - und damit auch die Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen - nicht unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung gemäß Art. 28 EG fallen. 267 White, CMLR 26 (1989), S. 235, 246. Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Sig. 1993,1-6787,6810 (Hünermund u. a. /Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg). 266 EuGH,24. 11. 1993, Rs. C-267 und 268/91, Sig. 1993,1-6097,6131, Rn. 16 (Keck und Mithouard). 267 So auch Herbert Roth, in: Müller-Grajf/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 368. 264
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
IV. Bewertung des Rechtsprechungswandels Die Entscheidung Keck mit ihren Konsequenzen hat zur Rückkehr zu einem bloßen SchlechtersteIlungsverbot für Verkaufsmodalitäten geführt. Wenn man den Erst-recht-Schluss zieht, gilt dies auch für die nationalen Zivilprozessordnungen. Für Produktmodalitäten ändert sich durch die Entscheidung nichts.
1. Kritik am Protektionismuseifordemis Gegen das Protektionismuserfordernis wird eingewandt, es sei mit dem Schutzzweck der Norm nicht vereinbar. Das Kriterium des Vorteils für die einheimische Wirtschaft soll dieser Ansicht zufolge aufgegeben werden. 268 Indem nicht uneingeschränkt auf den Marktzugang abgestellt werde, blieben nach der Keck-Rechtsprechung die nationalen Märkte mit verschiedenen Verkaufsregelungen bestehen, so dass die Harmonisierung das einzige Instrument zur Schaffung eines einheitlichen Marktes sei. 269 Bestehe ein Hindernis für den zwischenstaatlichen Handel, ändere sich daran nichts, wenn das gleiche Hindernis auch für den innerstaatlichen Handel gelte. Erleide ein Hersteller aus einem anderen Mitgliedstaat wirtschaftliche Einbußen durch bestimmte Verkaufsmodalitäten, werde es ihn kaum trösten, wenn er weiß, dass seine Konkurrenten in dem betreffenden Mitgliedstaat die gleichen Einbußen erleiden. 270 Im Bemühen um die Herstellung eines einzigen Marktes sei die Beschränkung des Art. 28 EG - wenn auch nur in Teilbereichen - auf ein SchlechtersteIlungsverbot kein sachdienliches Kriterium, sondern eher ein Rückschritt auf dem Weg zur Herstellung eines Gemeinsamen Marktes. Nach dem Ziel des Art. 2 EG seien die mitgliedstaatlichen Regelungen so auszugestalten, dass eine möglichst den zwischenstaatlichen Verkehr fördernde Lösung gewählt werde. Die Grundfreiheiten verlangten über die Inländergleichbehandlung hinaus den Abbau der rechtlichen Hindernisse, welche durch die nationalen Regeln entstünden. 271 Die Freiheit des Marktzugangs werde nicht ausreichend durch Gewährung der Inländergleichbehandlung gewährleistet. Besser sei das Abstellen auf die Abschottung oder Isolierung der nationalen Märkte ohne die Einschränkung, dass eine Behinderung nur dann erheblich sei, wenn der Marktzugang für importierte Produkte im Vergleich zu einheimischen Erzeugnissen erschwert werde. 272 Erst wenn der Marktzugang umfassend gesichert sei, reiche ein SchlechtersteIlungsverbot aus. 273 Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 168; Sackt Fasshold, WRP 1987, S. 519, 520. Schwartz, ZEuP 1994, S. 559, 582 f. 270 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Slg. 1995, 1-179,194 f. (Lec1erc-Siplec/TFI Publicite SA). 271 Bleckmann, GRUR Int. 1986, S. 172, 173. 272 Vgl. EuGH, 3. 7. 1974, Rs. 192173, Slg. 1974, S. 731, 745, Rn. 11 ff. (Van Zuylen/ Hag); 14.7. 1994, Rs. C-17 /93, Slg. 1994,1-3537,3558, Rn. 11 (Van der Ve1dt). 268
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2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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2. Bekenntnis zum unvollkommenen Binnenmarkt Für die Richtigkeit dieser Rechtsprechung spricht allerdings, dass bereits das urspriingliche, durch die Einheitliche Europäische Akte eingeführte Hannonisierungskonzept nicht auf Vollkommenheit der grenzüberschreitenden Marktfreiheit gerichtet war. Sonst wäre mit dem 1. 1. 1993 die völlig freie Zirkulation der Waren zu gewährleisten gewesen, wenn sie nur den Anforderungen des Herkunftslandes entsprochen hätten. 274 Da dies nicht gewollt war, ist derzeit vielmehr von einem "unvollkommenen Binnenmarkt" auszugehen, der durch den Fortbestand von Rechtsunterschieden und den Wettbewerb der Systeme gekennzeichnet ist. 275 Völlige Rechtseinheit ist für einen funktionierenden Binnenmarkt nicht erforderlich. Der EG-Vertrag basiert auf der Idee, dass die Mitgliedstaaten weiter die Maßnahmen zur allgemeinen Regelung der Wirtschaftspolitik ausüben. 276 Dies lässt sich auch mit der Kritik des EuGH daran vereinbaren, dass die Wirtschaftsteilnehmer immer häufiger auf der Grundlage des Art. 28 EG jedwede staatliche Regelung beanstanden, die ihre geschäftliche Freiheit beschränkt. Es soll die Gleichstellung von Importeuren und Inländern,277 nicht dagegen eine Förderung des zwischenstaatlichen Handels durch Besserstellung der Importeure bzw. eine allgemeine Handlungsfreiheit erreicht werden. 278 Bei nicht diskriminierenden Regelungen ohne protektionistische Wirkung hat der EG-Ausländer die gleichen Gewinnchancen und das gleiche Unternehmerrisiko wie seine inländischen Konkurrenten, so dass die Nichtanwendung des Art. 28 EG sachgerecht erscheint. Der EG-Ausländer soll nicht ohne jegliche Kenntnisnahme von den nationalen Eigenheiten anderer Mitgliedstaaten handeln können,279 sondern es kommt nur auf einen möglichst reinen Leistungswettbewerb ohne Wettbewerbsverfälschungen an. 280 Dies ist bei unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen ohne protektionistische Wirkung aber der Fall. Bei einer dariiber hinaus gehenden Auslegung des Art. 28 EG würde die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht mehr den Abbau der mit den nationalen Grenzen zusammenhängenden Beschränkungen bedeuten, sondern schlicht eine Überpriifung der nationalen Regelung auf ihre Berechtigung unabhängig davon, ob sie grenzüberschreitende VorWulf-Henning Roth, in: GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 729, 738. Hödl, Die Beurteilung von verkaufsbehindemden Maßnahmen im Europäischen Binnenmarkt, Diss. Graz 1997, S. 57. 275 Chalmers, ELR 19 (1994), S. 385, 393; Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 148, 160; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 20; lickeli, JZ 1995, S. 57, 61; Oppermann, Europarecht, Rn. 1272. 276 Meij/Winter, CMLR 13 (1976), S. 79, 81; Schockweiler, EuR 1995, S. 191, 197. 277 loliet, GRUR Int. 1994, S. 979, 983 f. 278 Arndt, JuS 1994, S. 469, 473; ders., ZIP 1994, S. 188, 190; Wulf-Henning Roth, FIW-Schriftenreihe 160 (1994), S. 21, 34 f. 279 Miras, Die Entwicklung des spanischen Zivilprozessrechts, Diss. Freiburg 1994, S. 166. 280 Wulf-Henning Roth, FIW-Schriftenreihe 160 (1994), S. 21, 34. 273
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gänge stärker als rein inländische Vorgänge belastet. 281 Dafür bieten die Grundfrei heiten keine ausreichende Grundlage. Durch eine zu weite Auslegung werden sie zur Rechtsvereinheitlichung auf Gebieten instrumentalisiert, für die die Mitgliedstaaten andere Politiken eingesetzt haben. 282 Regelungen über Verkaufsmodalitäten führen grundsätzlich genauso wie zivilprozessuale Regelungen lediglich zu einer Gleichbehandlung von einheimischen und importierten Waren. Sie verfälschen nicht den Leistungswettbewerb. Anders als bei produktbezogenen Regelungen haben sie nicht zur Folge, dass ein ausländisches Produkt nicht ohne weiteres in Mitgliedstaaten mit anderen Anforderungen verkauft werden kann. Hinzu kommt, dass es im EG-Vertrag spezielle Regelungen für das Zivilverfahrensrecht gibt. Art. 293, 4. Spstr. EG enthält nur einen Auftrag zur "Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüche". Diesem Auftrag ist durch die Schaffung des EuGVÜ, das sogar auch die Entscheidungszuständigkeit und Rechtshängigkeitsfragen regelt, Rechnung getragen worden. Art. 293 EG geht also davon aus, dass abgesehen von den angesprochenen Bereichen in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Prozessrechte weiterbestehen. 283 Auch der durch den Amsterdamer Vertrag neu eingefügte Art. 65 EG enthält einen fest umrissenen Regelungsbereich. Zwar wurden mit dieser Neuregelung letztlich Bedenken der Literatur bestätigt, die zu der Auffassung geführt haben, die Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen seien an den Grundfreiheiten zu messen (s.o. § 2 I, 11). Nur wurde eine neue Rechtsgrundlage zur Beseitigung der Hindernisse geschaffen. Im Ergebnis zeigt dies, dass nicht bei den Grundfreiheiten angesetzt werden kann, sondern für die Beseitigung von Behinderungen durch Unterschiede in den nationalen Zivilprozessrechten eine eigene Rechtsgrundlage erforderlich ist. Eine darüber hinausgehende Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Zivilprozessrechts mit Hilfe der Grundfreiheiten ist also nicht vorgesehen. Nach dem derzeitigen Integrationsstand werden folglich nur Regelungen von Art. 28 EG als Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen erfasst, die diskriminierend sind bzw. eine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfalten.
V. Ergebnis Die Keck-Entscheidung mit ihrer Rückkehr zum Erfordernis einer protektionistischen Wirkung lässt damit einen Erst-recht-Schluss für das nationale Zivilprozess281 282 283
Streinz, Europarecht, Rn. 681. Herbert Roth, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 1045, 1049. Herbert Roth, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 1045, 1048.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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recht zu, der im Hinblick auf die Anerkennung eines derzeit nur unvollkommenen Binnenmarktes zustimmungswürdig ist: Wenn schon Verkaufsmodalitäten grundsätzlich nicht unter Art. 28 EG zu subsumieren sind, gilt dies erst recht für Regelungen des nationalen Zivilverfahrensrechts.
§ 28 Regelungen neben Produkt- und Verkaufsmodalitäten:
Allgemeine Ordnungsvorschriften Will man diesen Erst-recht-Schluss nicht ziehen und stellt sich auf den Standpunkt, das Keck-Urteil treffe keine Aussage für das nationale Zivilverfahrensrecht, bleibt die Möglichkeit, einen eigenen Ansatz zu finden, um die Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte im Rahmen des Art. 28 EG zu bewerten. Als Begründung für die Ablehnung des Erst-recht-Schlusses wird angeführt, die Tatsache, dass Absatzmodalitäten nach Auffassung des EuGH den Handel nicht beeinflussen, besage nichts über Auswirkungen von prozessualen Vorschriften. Das Zivilprozessrecht berühre durch die Regelung der Rechtsdurchsetzung unmittelbar den Leistungsaustausch und dessen Folgen. Ob man als Verkäufer auch sonntags seine Waren verkaufen könne, sei weniger wichtig, als die Frage, wie hoch die Beweisanforderungen bei der Durchsetzung der aus den Geschäften entstehenden Ansprüche seien, da Grundbedingung der Entfaltung wirtschaftlicher Freiheiten ihre rechtliche Absicherung sei. 284
I. Existenz einer weiteren Regelungsgruppe Das Keck-Urteil enthält keine Aussage darüber, ob neben produkt- und vertriebsbezogenen Regelungen eine weitere Kategorie von Regelungen denkbar ist. 285 In einigen - auch nach dem Keck-Urteil gefällten - Entscheidungen ordnete der EuGH Regelungen weder als Produkt- noch als Verkaufsmodalitäten ein. Er lehnte in diesen Fällen das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung aus anderen Gründen ab (dazu unten 11 und III). Auffällig ist, dass die in diesen Fällen betroffenen Regelungen nicht ohne weiteres unter den Begriff der Produkt- bzw. Verkaufsmodalitäten subsumierbar sind. Es ist daher möglich, dass der EuGH auf die dort verwandte Argumentationslinie ausgewichen ist, um einer Einordnung zu entgehen bzw. keine dritte Fallgruppe von möglichen Regelungen festlegen zu müssen. Es ist wahrscheinlich, dass im Falle ihres Vorliegens die Einordnung unter Produkt- bzw. Verkaufsmodalitäten erfolgt wäre, um so schnell und ohne großen Begründungsaufwand ein Urteil fällen zu können.
284
285
Man/red Wolf, in: Wege zu einern europäischen Zivilprozessrecht, 1992, S. 35, 39. Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 149, 152.
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Verschiedene Autoren bejahen ausdrücklich das Vorhandensein einer weiteren Gruppe von Regelungen, die weder Verkaufs- noch Produktmodalitäten beinhalten. 286 Generalanwalt Cosmas stellte 1995 im Fall Esso Espaiiola zu einer Regelung, die eine Voraussetzung für die Ausübung des Großhandels in einem Gebiet eines Mitgliedstaates festlegt, heraus, dass diese unter keine der beiden Kategorien zu subsumieren sei. 287 Er prüfte nach dieser Feststellung unabhängig von der Keck-Rechtsprechung die Eignung der Vorschrift zur Handelsbeeinträchtigung. Der EuGH bestätigte die Ausführungen des Generalanwalts insoweit, als er zur Vemeinung der Anwendbarkeit des Art. 28 EG weder auf das Herkunftslandprinzip noch auf die Rechtsprechung zu den Verkaufsmodalitäten Bezug nahm. Wie der EuGH die Fälle dieser "dritten Regelungsgruppe" behandelt, soll im Folgenden durch Darstellung der betreffenden Entscheidungen (11) und Herausarbeiten der Voraussetzungen (III) und des Charakters (IV) dieser Regelungsgruppe untersucht werden, um dann Rückschlüsse für das Zivilverfahrensrecht ziehen zu können (V). Ausgangspunkt ist die ständige Rechtsprechung des EuGH, dass eine spürbare Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels für eine Maßnahme gleicher Wirkung nicht erforderlich ist (s.o. § 25 IV). Zunehmend wurde jedoch im Rahmen der Eignung zur Handelsbehinderung die Frage gestellt, ob es grundsätzlich ausreicht, dass irgendwelche Auswirkungen der Maßnahmen auf die Einfuhren, so gering und mittelbar sie auch sein mögen, nicht völlig ausgeschlossen werden können, oder ob es erforderlich ist, dass der Kausalzusammenhang zwischen den Maßnahmen und den Einfuhren dergestalt ist, dass sich eventuelle Auswirkungen auf den Handel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und hinreichend genau feststellen lassen. 288
11. Rechtsprechung des EuGH 1. Krantz
In der Rechtssache Krantz 289 aus dem Jahre 1990 ging es um eine Regelung des materiellen Privatrechts. Die betroffene niederländische Vorschrift sah eine Befug286 Petschke, EuZW 1994, S. 107, 111; Jickeli, JZ 1995, S. 57, 60 f.; Ebenroth, in: FS Piper, 1996, S. 133, 135. 287 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995,1-4223,4232, Rn. 17 (Esso Espaiiola/Comunidad Aut6noma di Canarias); ähnlich ders., Schlussanträge zu EuGH, 20.6.1996, Rs. C-4181 93 u. a., Sig. 1996, 1-2975, 2984 (Semeraro Casa Uno Sr!. u. a.1 Sindaco de1 Commune di Erbusco u. a.). 288 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 15. 12. 1993, Rs. C-292/92, Slg. 1993, 1-6787, 6803 (Hünennund u. a.1 Landesapothekerkammer Baden-Württemberg). 289 EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 I 88, Slg. 1990,1-583 (Krantz I Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat).
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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nis des Fiskus zur Pfändung von auf Raten unter Eigentumsvorbehalt verkauften Sachen vor. Im konkreten Fall war über eine niederländische Firma das Insolvenzverfahren eröffnet worden, woraufhin alle beweglichen Sachen, unter denen sich auch von einer deutschen Firma unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Waren befanden, gepfändet wurden. Die deutsche Klägerin trug vor, dass Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten zögern würden, Produkte an niederländische Interessenten zu verkaufen, da die Gefahr bestünde, dass diese vom Steuereinnehmer gepfändet werden, wenn die Käufer ihre Steuerschulden nicht begleichen. Sie machte geltend, die Regelung beeinträchtige den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, da die Verkäufe nach den Niederlanden auf Kreditbasis aufgrund dieser Vorschrift zuriickgehen könnten. Dagegen wandte die Regierung der Niederlande ein, das Pfandrecht betreffe nicht die Einfuhr und zudem sei es auch nicht Zweck der Regelung, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beschränken. Es gelte unterschiedslos für alle beweglichen Sachen ohne Rücksicht auf deren Herkunft. Auch die Kommission290 wandte ein, dass in der Praxis die Pfändung ein zufälliges Ereignis sei, das immer erst nach der Einfuhr der Waren stattfinde. Durch das Pfandrecht werde auch weder die Einfuhr noch der Verkauf oder der Gebrauch von Waren beeinträchtigt. Generalanwalt Darmon291 schloss sich den Ausführungen von Kommission und niederländischer Regierung an und führte zudem aus, das betroffene Gesetz gehöre zum allgemeinen rechtlichen Rahmen des Wirtschaftslebens. Die Priifung, ob ein gerechtfertigtes Ziel für eine Regelung bestehe und ob sie verhältnismäßig sei, sei nur beim Vorliegen einer merklichen Wirkung auf den Handelsverkehr erforderlich, die hier nicht bestehe. Die möglichen Auswirkungen auf den Handelsverkehr seien mit so vielen Unsicherheitsfaktoren - Steuerschulden des Käufers, Konkurs, Abschreckungswirkung auf den Verkäufer - belastet, dass eine "derartige Reihung von Eventualitäten" offensichtlich nicht als Einfuhrbeschränkung angesehen werden könne. Er schlug vor, eine Rechtfertigungs- bzw. Verhältnismäßigkeitspriifung nur durchzuführen, wenn eine Regelung "merkliche" Wirkungen auf die Einfuhren hat. 292 Der EuGH stimmte dem Generalanwalt zu und entschied, derartige nationale Rechtsvorschriften seien keine Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EG. Sie gälten ohne Unterschied für inländische und eingeführte Sachen und zielten nicht auf die Regelung des innergemeinschaftlichen Waren verkehrs. Der Umstand, dass andere Mitgliedstaaten aufgrund der Pfändungsgefahr zögern würden, Sachen an Käufer des betreffenden Mitgliedstaates auf Raten zu verkaufen, sei zu sehr vom Zufall abhängig und nur mittelbar von Bedeutung. Die Maßnahme sei 290 Kommission, Sitzungsbericht zu EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 188, Slg. 1990, 1-583, 587 (Krantz I Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 291 Generalanwalt Dannon, Schlussanträge zu EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 1 88, Slg. 1990, 1-583,591 (Krantz I Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 292 Generalanwalt Dannon, Schlussanträge zu EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 I 88, Slg. 1990, 1-583,590 (Krantz I Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat).
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nicht als geeignet anzusehen, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern,z93
2. CMC Motorradcenter Ähnlich heißt es in der Rechtssache CMC Motorradcenter, dass die restriktiven Wirkungen, die von Aufklärungspflichten ausgehen könnten, nicht geeignet seien, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern. 294 Im zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um Motorräder des japanischen Herstellers Yamaha, die in Deutschland von Vertragshändlern, aber auch von freien Händlern vertrieben werden. Letztere beziehen die Motorräder durch Parallelimporte aus Frankreich, da dort die Nettopreise niedriger sind. Die deutsche Beklagte kaufte bei einer solchen freien Händlerin ein Yamaha-Motorrad, verweigerte jedoch die Abnahme, nachdem sie erfahren hatte, dass deutsche Yamaha-Vertragshändler keine Gewährleistungsreparaturen an parallel importierten Motorrädern vornehmen. Das vorlegende Gericht bejahte die Verletzung einer Aufklärungspflicht der Händl~rin aus culpa in contrahendo, da sie die Käuferin nicht über die Praxis der deutschen Vertragshändler informiert hatte. Es bezweifelte aber die Vereinbarkeit dieser Aufklärungspflicht mit Art. 28 EG, da dadurch ein Import der Motorräder aus Frankreich erschwert werden könnte. Generalanwalt van Gerven hielt die Aufklärungspflicht für mit Art. 28 EG vereinbar, obwohl er den aus der Rechtsprechung entwickelten Haftungstatbestand als Handelsregelung einordnete. 295 Er verneinte hingegen die Eignung der bloßen Aufklärungspflicht zur Handelsbehinderung, da eine hemmende Wirkung allein auf die Praxis der deutschen Vertragshändler zurückgeführt werden könne. 296 Der EuGH schloss sich diesen Ausführungen an, indem er darauf abstellte, dass die eigentliche Ursache einer möglichen Handelsbeeinträchtigung im Verhalten der Vertragshändler und nicht in der Aufklärungspflicht liege. 297 Zusätzlich schob er nach, dass die Auswirkungen auf den Handel zu ungewiss und zu mittelbar seien, als dass eine Eignung zur Behinderung angenommen werden könnte,z98 293 EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69/88, Sig. 1990,1-583,597, Rn. 11 (Krantz 1Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 294 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93 192, Sig. 1993, 1-5009 (CMC Motorradcenter GmbHI Pelin Baskiciogullari). 295 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93 192, Sig. 1993,1-5009,5015 (CMC Motorradcenter GmbH 1Pelin Baskiciogullari). 296 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93 192, Sig. 1993,1-5009,5016 (CMC Motorradcenter GmbH 1Pelin Baskiciogullari). 297 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993,1-5009,5021, Rn. 11 (CMC Motorradcenter GmbH I Pelin Baskiciogullari). 298 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993,1-5009,5021, Rn. 12 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari).
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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3. Weitere Urteile Auch in weiteren Urteilen, die nach dem Urteil im Fall Keck zu Regelungen ergingen, die nicht in die Kategorien der Verkaufs- oder Produktmodalitäten eingeordnet werden können, verneinte der EuGH das Vorliegen von Maßnahmen gleicher Wirkung mit der Begründung, die beschränkenden Wirkungen der Regelungen für den freien Warenverkehr seien "zu ungewiss und zu mittelbar".299 Um ein Verbot für Schiffe unter italienischer Flagge, bestimmte Stoffe ins Meer einzuleiten, ging es in der Rechtssache Peralta. 3°O Ebenso begründete der EuGH die Nichtanwendung des Art. 28 EG im Fall Esso Espafiola301 bei einer Regelung, die Großhändlern mit Mineralölerzeugnissen als Voraussetzung für die Ausübung des Großhandels in einem Gebiet eines Mitgliedstaates vorschreibt, eine bestimmte Anzahl von zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gehörenden Inseln zu versorgen. Im Fall Centro Servizi Spediporto 302 sah die betreffende Regelung vor, dass die Tarife des Güterkraftverkehrs vom Staat festgelegt werden, was zu einer Verteuerung der Beförderung und somit zur Behinderung der Einfuhren führen konnte, da die Regelung eine freie, an den tatsächlichen Kosten der Dienstleistungen orientierte Preisbildung verhinderte. Im Fall Grappa wandte der EuGH diese Argumentation bei einer Regelung an, nach der die Eröffnung von Einzelhandelsgeschäften einer behördlichen Erlaubnis bedurfte. 303 Er ordnete die Beschränkung der Eröffnung eines Geschäftes entgegen der Ansicht des Generalanwaltes nicht als Verkaufsmodalität ein?04 Gleiches galt im Fall Corsica Ferries 305 für eine Regelung, nach der die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Seefahrtsunternehmen, deren Schiffe die Häfen des erstgenannten Mitgliedstaates anlaufen, gegen Zahlung eines Entgelts, das über die tatsächlichen Kosten der erbrachten Leistung hinausgeht, die Dienstleistungen der örtlichen Festrnachergruppen in Anspruch nehmen müssen. 299 EuGH, 14. 7. 1994, Rs. C-379/92, Slg. 1994, 1-3453, 3497, Rn. 24 (Peralta); 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Slg. 1995,1-2883,2913 f., Rn. 40 f. (Centro Servizi Spediporto/ Spedizioni Marittima dei Golfo); 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Sig. 1995,1-3257,3297, Rn. 29 (Dip u. a./Cornrnune di Bassano dei Grappa); 30.11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995, 1-4223, 4249, Rn. 23 f. (Esso Espafiola/Comunidad Aut6noma di Canarias); 18. 6. 1998, Rs. C-266/96, Sig. 1998, 1-3949, 3992, Rn. 31 (Corsica Ferries France/Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova). 300 EuGH, 14.7. 1994, Rs. C-379/92, Sig. 1994,1-3453,3497, Rn. 24 (Peralta). 301 EuGH,30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995,1-4223,4249, Rn. 23 f. (Esso Espafiola/Comunidad Aut6noma di Canarias). 302 EuGH, 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Sig. 1995,1-2883,2913 f., Rn. 40 f. (Centro Servizi Spediporto / Spedizioni Marittima deI Golfo). 303 EuGH, 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Sig. 1995,1-3257,3297, Rn. 29 (Dip u. a. / Cornrnune di Bassano dei Grappa). 304 Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge zu EuGH, 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Sig. 1995,1-3257,3285 f. (Dip u. a. /Cornrnune di Bassano del Grappa). 305 EuGH, 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Sig. 1998,1-3949 (Corsica Ferries France/Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova).
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4. ED Sr!. /Italo Fenocchio Herauszuheben ist schließlich die zu einer zivilprozessualen Nonn ergangene Entscheidung des EuGH im Fall ED Srl.!Italo Fenocchio vom 22. 6. 1999 (s.o. § 4 I1)?06 Dort ging es um eine italienische Regelung, nach der Mahnbescheide unzulässig sind, wenn die Zustellung an den Antragsgegner außerhalb Italiens erfolgen müsste. Das vorlegende italienische Gericht wollte unter anderem wissen, ob die Nonn gegen das Verbot der Behinderung von Warenausfuhren gemäß Art. 29 EG verstößt. Es war der Auffassung, die Ausfuhrfreiheit könne beeinträchtigt sein, weil italienische Unternehmen veranlasst sein könnten, Geschäftsbeziehungen mit anderen italienischen Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen den Vorzug zu geben, weil ihnen nur gegenüber ersteren das Mahnverfahren zur Verfügung stünde. Die Kommission vertrat dazu die Auffassung, dass Art. 29 EG im Ausgangsverfahren nicht unmittelbar anwendbar sei und seine Auslegung dem vorlegenden Gericht nicht dienlich sei, da der Antragsteller schon geliefert habe und daher im konkreten Fall keine Behinderung des Warenverkehrs von der Nonn ausging. 307 Dieser Auffassung widersprach der Generalanwalt, da die Frage, ob eine nationale Nonn mit Art. 29 EG vereinbar sei, nicht von dem zufälligen Umstand abhängen dürfe, dass die Waren bereits geliefert wurden. 308 Dem stünde entgegen, dass nach der Dassonville-Fonnel auch nur potenziell beeinträchtigende Regelungen Maßnahmen gleicher Wirkung sein könnten und die Exportfreiheit nicht nur die Lieferung der Waren umfasse, sondern auch die Erbringung der Gegenleistung, so dass sich eine Einschränkung der Möglichkeiten, eine Zahlung zu erhalten, auf den innergemeinschaftlichen Handel auswirken könne, selbst wenn die Lieferung bereits erfolgt sei. Dies stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH überein, dass es nicht auf die Behinderung gerade bei der Grenzüberschreitung ankommt (s.o. § 25 11 1). Zudem betonte der Generalanwalt, dass die Vereinbarkeit einer solchen Nonn mit Art. 29 EG nicht von der subjektiven Situation einer einzelnen Person - hier des Antragstellers - abhängig sein könne, sondern ihre Anwendbarkeit in einem konkreten nationalen Verfahren von objektiven Voraussetzungen abhänge, die Teil des allgemeinen Funktionsrahmens des innergemeinschaftlichen Handels seien und mit dem spezifischen Zweck der Gemeinschaftsbestimmung und der Natur der betroffenen nationalen Nonn zusammenhingen. 309
EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845 (ED Srl./ltalo Fenocchio). Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3852 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 308 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3853 f. (ED Srl./ltalo Fenocchio). 309 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3853 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 306 307
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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Bei der Prüfung des Art. 29 EG stellte der Generalanwalt zunächst klar, dass für einen Verstoß gegen diese Vorschrift im Unterschied zum Anwendungsbereich des Art. 28 EG nach ständiger Rechtsprechung eine Maßnahme erforderlich ist, die eine spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme bezweckt oder bewirkt und damit unterschiedliche Bedingungen für den Binnenhandel und für den Außenhandel eines Mitgliedstaates schafft, so dass die inländische Produktion einen besonderen Vorteil erlangt. 310 Der Grund liegt darin, dass im Rahmen von Art. 29 EG nur Waren derselben Herkunft betroffen sind. 311 Die betreffende Regelung muss nach dieser Rechtsprechung zudem eine spürbare Auswirkung auf den Export haben. 312 Im vorliegenden Fall ist es nach Ansicht des Generalanwalts schwierig, spürbare Auswirkungen auf den Export festzustellen, da die Regelung weder die Handelsströme zwischen den Mitgliedstaaten regele noch unmittelbar eine spezifische Ausfuhrbehinderung bezwecke oder bewirke, sondern Nachteile nur in dem (seltenen) Fall entstünden, dass der Vertragspartner etwa den Kaufpreis nicht zahle. 313 Zudem stehe immer der Rückgriff auf das normale Verfahren offen, das ohnehin immer dann durchgeführt werden müsse, wenn der Gegner Widerspruch einlege. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, für etwaige Zustellungen einen Wohnsitz bzw. eine Zustellungsadresse in Italien einzurichten. Er stimmt daher der Ansicht der französischen Regierung zu, nach der es kaum vorstellbar ist, dass ein Export von Waren aus Italien nur aufgrund der mangelnden Zustellungsmöglichkeit ins Ausland im Falle eines Mahnverfahrens unterbleibe. Vielmehr werde im Regelfall wohl nur auf die Möglichkeit eines profitablen Verkaufs geachtet. 314 Die Auswirkungen auf den Export sind daher nach Ansicht des Generalanwalts zu hypothetisch und zu indirekt, als dass eine Behinderung des zwischenstaatlichen Handels angenommen werden könnte. Demnach eriibrige sich die Feststellung, ob die Regelung gerechtfertigt bzw. verhältnismäßig sei. 315 310 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999, 1-3845, 3869 (ED Srl.lItalo Fenocchio) unter Verweis auf EuGH, 24. 3. 1994, Rs. C-80/92, Slg. 1994, 1-1019, 1035, Rn. 24 (Kommission 1Belgien). Vgl. auch grundlegend EuGH, 8. 11. 1979, Rs. 15/79, Slg. 1979, S. 3409, 3415, Rn. 7 (Groenveld/Produktschap voor Vee en Vlees). 311 Leible, in: Grabitzl Hilf, Das Recht der EU, Bd. I, Art. 29 EGV, Rn. 4. 312 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999, 1-3845,3869 f. (ED Srl.lItalo Fenocchio) unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Dannon zu EuGH, 7. 3.1990, Rs. C-69/88, Sig. 1990,1-583,589 (Krantz/Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat), der betont, dass die dort betroffene Regelung zum allgemeinen Rahmen des Wirtschaftsrechts gehört und sich nicht speziell auf die Voraussetzungen der Herstellung oder Vermarktung von Erzeugnissen bezieht. 313 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3870 (ED Srl.lItalo Fenocchio). 314 Ähnlich ist es in EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93 192, Sig. 1993,1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari) und 7. 3.1990, Rs. C-69 188, Slg. 1990,1-583 (Krantzl Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 315 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3870 (ED Srl.lItalo Fenocchio).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Der Gerichtshof stellte im Rahmen der Prüfung des Art. 29 EG fest, dass aufgrund der Vorschrift für die italienischen Exporteure je nachdem unterschiedliche Verfahrensvorschriften gelten, ob sie Waren innerhalb oder außerhalb Italiens verkaufen. Er verneinte im Ergebnis jedoch einen Verstoß gegen Art. 29 EG, da "der Umstand, dass Bürger eines Mitgliedstaats aus diesem Grund zögern würden, Waren an Kunden in anderen Mitgliedstaaten zu verkaufen, zu ungewiss und zu mittelbar [ist], als dass die fragliche nationale Vorschrift als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern."
111. Voraussetzungen für die fehlende Eignung zur Handelsbehinderung In den Entscheidungen wiederholten sich die Kriterien, die nach Auffassung des EuGH dazu führten, die Eignung zur Handelsbehinderung im Sinne des freien Warenverkehrs zu verneinen.
1. Unterschiedslos geltende Regelung Neben dem Erfordernis, dass es sich um einen gemeinschaftsrechtlich nicht geregelten Bereich handeln musste, ging es in den entschiedenen Fällen immer um Regelungen, die unterschiedslos für inländische und eingeführte Waren galten?16 Die Regelungen unterschieden weder offen noch versteckt nach dem Ursprung der Waren, waren also diskriminierungsfrei. Allein die Entscheidung ED Srl.!ltalo Fenocchio erfüllt diese Voraussetzung nicht. Die dort betroffene italienische Regelung unterschied zwischen der Zustellung von Mahnbescheiden im Inland, die zulässig war, und der unzulässigen Zustellung von Mahnbescheiden im Ausland. Es lag in diesem Fall eine versteckte Diskriminierung des Exports vor, die nach den im ersten Teil entwickelten Grundsätzen zu behandeln gewesen wäre, da derjenige, der nur Geschäfte im Inland tätigt, gegenüber demjenigen, der auch in anderen Mitgliedstaaten tätig ist, ungleich behandelt wird. Die Norm unterscheidet zwar nicht direkt nach der Staatsangehörigkeit, jedoch sind aufgrund der Anknüpfung an die Zustellung im Ausland hauptsächlich Staatsangehörige anderer Staaten betroffen, was für den Regelfall zum 316 EuGH, 7.3. 1990, Rs. C-69 188, Sig. 1990,1-583,597, Rn. 10 (Krantz 1Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993, 1-5009, 5021, Rn. 10 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari); 14. 7. 1994, Rs. C-379 192, Sig. 1994,1-3453,3497, Rn. 24 (Peralta); 5.10.1995, Rs. C-96 194, Sig. 1995, 1-2883, 2914, Rn. 41 (Centro Servizi Spediportol Spedizioni Marittima dei Golfo); 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Slg. 1995,1-3257,2397, Rn. 29 (Dip u. a./Comrnune di Bassano de1 Grappa); 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995, 1-4223, 4249, Rn. 23 (Esso Espaiiola 1Comunidad Autonoma di Canarias); 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998,1-3949, 3992, Rn. 31 (Corsica Ferries France 1Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova).
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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gleichen Ergebnis wie eine unmittelbare Diskriminierung führt. 317 Dass der EuGH hier nicht eine Prüfung anhand von Art. 12 Abs. 1 EG durchgeführt hat, wie dies der Systematik der im ersten Teil dargestellten Fälle entsprochen hätte, kann nur darauf zurückgeführt werden, dass das Vorlagegericht das allgemeine Diskriminierungsverbot in seinem Beschluss nicht erwähnt hat (s.o. § 4 11). 2. Keine Finalität zur Regelung des Waren verkehrs
Zudem wurde in den Entscheidungen jeweils hervorgehoben, dass Regelungen des Warenverkehrs nicht bezweckt waren. 318 Die betroffenen Vorschriften waren dadurch gekennzeichnet, dass sie offensichtlich nicht darauf abzielten, den innergemeinschaftlichen Handel zu regeln und zu behindern. 3. Auswirkungen zu ungewiss und zu mittelbar
Auffällig war in den Urteilen jeweils die Formulierung, dass die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel zu ungewiss und zu mittelbar seien, als dass die Normen als geeignet angesehen werden könnten, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern. 319 In eine ähnliche Richtung geht die in einem anderen Zusammenhang angewandte Formulierung, rein hypothetische Auswirkungen seien für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung nicht ausreichend. 32o Eine Unvereinbarkeit mit Art. 28 EG ist danach nicht gegeben, wenn die 317 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3866 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 318 EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69/88, Sig. 1990,1-583,597, Rn. 10 (Krantz/Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 13. 10. 1993, Rs. C-93 192, Sig. 1993, 1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari); 14. 7. 1994, Rs. C-379192, Sig. 1994,1-3453,3497, Rn. 24 (Peralta); 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Sig. 1995,1-2883,2914, Rn. 41 (Centro Servizi Spediporto/Spedizioni Marittima dei Golfo); 17. 10. 1995, Rs. C-140 -142/94, Sig. 1995,1-3257,3297, Rn. 29 (Dip u. a./Commune di Bassano dei Grappa); 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995, 1-4223, 4249, Rn. 23 (Esso Espaiiola/Comunidad Autonoma di Canarias); 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Sig. 1998,1-3949,3992, Rn. 31 (Corsica Ferries France 1Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova). 319 EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 188, Sig. 1990, 1-583, 597, Rn. 11 (Krantz IOutvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Sig. 1993, 1-5009, 5021, Rn. 10 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari); 14. 7. 1994, Rs. C-379192, Sig. 1994,1-3453,3497, Rn. 24 (Peralta); 5.10.1995, Rs. C-96 1 94, Sig. 1995, 1-2883, 2914, Rn. 41 (Centro Servizi Spediportol Spedizioni Marittima dei Golfo); 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Sig. 1995,1-3257,3297, Rn. 29 (Dip u. a./Commune di Bassano dei Grappa); 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995, 1-4223, 4249, Rn. 24 (Esso Espaiiola 1Comunidad Autonoma di Canarias); 18.6.1998, Rs. C-266 I 96, Sig. 1998,1-3949, 3992 f., Rn. 31 (Corsica Ferries France 1Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova); 22.6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3879 f., Rn. 11 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 320 EuGH, 18.5.1993, Rs. C-126/91, Sig. 1993,1-2361,2390, Rn. 21 (Schutzverband gegen Unwesen in der WirtschaftlYves Rocher); in den Urteilen 16. 12. 1992, Rs. C-169191,
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Wirkung auf die Einfuhr derart unsicher oder spekulativ321 ist, dass sich nicht sagen lässt, ob sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten behindert. 322 Nachdem bei der Untersuchung der Keck-Rechtsprechung (oben § 27 11 1 und III 2) festgestellt wurde, dass die unterschiedslose Anwendbarkeit und die fehlende Finalität nur als Vorauslese für die Nichtanwendbarkeit des Art. 28 EG gelten können, ist dieses Begriffspaar als entscheidend für die Vemeinung der Anwendung des Art. 28 EG anzusehen. Den Regelungen wurde die Substanziierbarkeit der Behinderungseignung abgesprochen. 323 Das Begriffspaar bringt für eine klare Eingrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 28 EG jedoch erhebliche Probleme mit sich. 324 a) Ungewissheit Zum einen ist das Kriterium der Ungewissheit schwer greifbar. Es deutet darauf hin, dass die Kausalität in den betreffenden Entscheidungen nicht nachzuweisen war. Damit steht aber nicht fest, woraus sich die Ungewissheit der Auswirkungen auf den freien Warenverkehr ergibt. In der Rechtssache CMC Motorradcenter folgte aus Sicht der Kommission die Ungewissheit etwa daraus, dass die Möglichkeit einer Handelsbeeinträchtigung von der Kaufentscheidung des Kunden abhängt. 325 Man kann die Ungewissheit in dieser Entscheidung aber auch darauf zuriickführen, dass Art und Umfang der Aufklärungspflicht letztlich von den Umständen abhängen?26 Der Begriff der Ungewissheit lässt also unterschiedliche Deutungen zu und ist daher unpraktikabel und ungenau.
b) Mittelbarkeit Auch der Begriff der Mittelbarkeit scheint mit der Kausalität im Zusammenhang zu stehen. Problematisch ist zunächst, dass der EuGH mit dieser Formulierung von Slg. 1992,1-6635,6659, Rn. 15 (City of Stoke-on-Trent/B&Q) und 5. 10. 1994, Rs. C-323/ 93, Slg. 1994, 1-5077, 5109, Rn. 36 (Centre d'insemination de la Crespelle/Cooperative d'elevage dt d'insemination artificielle du departement de la Mayenne) hingegen unterscheidet der EuGH zwischen unmittelbaren, mittelbaren und rein hypothetischen Beschränkungen erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. 321 Vgl. EuGH, 16. 12. 1992, Rs. C-169191, Slg. 1992, 1-6635, 6659, Rn. 15 (City of Stoke-on-Trent / B&Q). 322 EuGH, 16. 12. 1992, Rs. C-169/91, Slg. 1992,1-6635,6659, Rn. 15 (City of Stoke-onTrent/B&Q). 323 Müller-Graff, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 60. 324 So auch Brüsselbach, JuS 1995, S. 21, 23. 325 Sitzungsbericht zu EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993,1-5009,5012 (CMC Motorradcenter GmbH / Pelin Baskiciogullari). 326 Köhler, ZEuP 1994, S. 666, 670.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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der Dassonville-Formel abrückt, die auch mittelbare Beeinträchtigungen vom Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung erfasst. 327 Damit sollte abgesichert werden, dass es für das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung nicht auf den Grenzübertritt, sondern auf die Stellung der betreffenden Maßnahme in der Kausalkette ankommt. 328 Es sollen danach grundsätzlich auch solche Regelungen unter Art. 28 EG fallen, die erst durch Hinzutreten weiterer Kausalfaktoren zu einer Handelsbehinderung führen. Der Ausschluss zu mittelbarer Beeinträchtigungen ist zudem schwer mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts in Einklang zu bringen. Das Vorrangverhältnis fragt danach, ob ein Widerspruch zwischen zwei Regelungen vorliegt, nicht aber danach, ob dieser Widerspruch mittelbar ist. 329
c) Relativität der Begriffe Eine zusätzliche Schwierigkeit entsteht schließlich dadurch, dass die Begriffe relativen Charakter haben. Die Eignung zur Handelsbehinderung fehlt nicht etwa immer dann, wenn die Auswirkungen ungewiss und mittelbar sind, sondern nur dann, wenn ein bestimmtes Maß an Ungewissheit und Mittelbarkeit überschritten ist, dessen Grenze durch die Rechtsprechung jeweils zu bestimmen ist. Dadurch wird die Rechtssicherheit erheblich beeinträchtigt, da von Einzelfall zu Einzelfall diese Grenze neu gezogen werden muss.
d) Dahinter stehende Erwägungen Die Mängel des Begriffspaars zeigen, dass es erforderlich ist, die hinter dieser Formulierung stehenden Erwägungen zu ermitteln, um der Praxis Maßstäbe an die Hand zu geben, anhand derer sie feststellen kann, wann die Voraussetzungen für die Ablehnung einer Maßnahme gleicher Wirkung vorliegen. Anhaltspunkte dafür geben insbesondere die Ausführungen der Generalanwälte in den genannten Entscheidungen. aa) Fehlende Jeststellbare Kausalität In einigen Rechtssachen wandte der EuGH die Formulierung an, wenn es seiner Ansicht nach an der Kausalität zwischen der Maßnahme und den - möglicherweise bestehenden - Auswirkungen auf den freien Warenverkehr fehlte.
Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 149, 155. Veetken, EuR 1977, S. 311, 327; Leibte, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, Bd. 1, Art. 28 EGV, Rn. 16. 329 Schilling, EuR 1994, S. 50, 61. 327
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
In der Entscheidung CMC Motorradcenter waren die Auswirkungen aus Sicht des EuGH und des Generalanwalts zu ungewiss und zu mittelbar, weil nicht die betreffende Maßnahme (Aufklärungspflicht aus c.i.c.), sondern das Verhalten Dritter zu dem Hindernis geführt hatte. 33o Ebenso war es in der Entscheidung Esso Espafiola. Hier führte der Generalanwalt aus, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Regelung, die Mineralölgroßhändlern vorschreibt, eine bestimmte Anzahl von Inseln des betreffenden Mitgliedstaates zu versorgen, und der Entwicklung des innergemeinschaftlichen Handels wenn nicht hypothetisch, so doch zumindest ganz mittelbar und eine bloße Eventualität in dem Sinn sei, dass ein solcher Zusammenhang nicht notwendigerweise gegeben sei und infolgedessen keine Vermutung für ihn bestehe. 331 Im Fall ED Srl./ltalo Fenocchio zum italienischen Verbot der Zustellung eines Mahnbescheides außerhalb Italiens führte der Generalanwalt an, Nachteile für den freien Warenverkehr entstünden nur in den seltenen Fällen, in denen der Vertragspartner des betroffenen Verkäufers seine Verpflichtungen aus einem grenzüberschreitenden Warengeschäft nicht erfülle?32 Zudem stehe der Rückgriff auf das normale Verfahren offen, wenn die Gegenpartei sich nicht sogar eine Zustellungsadresse in Italien verschafft habe. Diese Argumente führten nach Ansicht des Generalanwalts und des EuGH dazu, dass es kaum vorstellbar sei, dass ein Verkäufer aufgrund dieser Regelung auf einen Export verzichte. In all diesen Fällen war die Formulierung, die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel seien zu ungewiss und zu mittelbar, also darauf zuriickzuführen, dass eine Kausalität der Maßnahme im Hinblick auf eine Behinderung des freien Waren verkehrs nicht mit Sicherheit festzustellen war.
bb) Vorrang der Dienstleistungsfreiheit In den Rechtssachen Peralta,333 Centro Servizi Spediporto 334 und Corsica Ferries France,335 in denen der EuGH die gleiche Formulierung anwandte, handelte es sich um Regelungen, die den Transport betrafen. Nach Ansicht der Generalanwälte lag die Unanwendbarkeit des Art. 28 EG in diesen Fällen daran, dass es 330 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993,1-5009,5021, Rn. 11 (CMC Motorradcenter GmbH / Pe1in Baskiciogullari); ebenso Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge S.5016. 331 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Sig. 1995,1-4223,4233 (Esso Espafiola/Comunidad Aut6noma di Canarias). 332 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Sig. 1999,1-3845,3870 (ED Srl./ltalo Fenocchio). 333 EuGH, 14.7.1994, Rs. C-379/92, Sig. 1994,1-3453 (Peralta). 334 EuGH, 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Sig. 1995,1-2883 (Centro Servizi Spediporto/Spedizioni Marittima dei Golfo). 335 EuGH, 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Sig. 1998,1-3949 (Corsica Ferries France/Gruppo Antichi Ormeggiatori des porto di Genova).
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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hier um Beförderungsleistungen ging und solche Regelungen allein der Dienstleistungsfreiheit zuzuordnen seien. 336 Einschränkende Vorschriften im Bereich des Transports haben zwar immer auch Auswirkungen auf den Preis eingeführter oder ausgeführter Waren, da die Ein- und Ausfuhr nur mit Hilfe eines Transports erfolgen kann. Die Behinderung des Waren verkehrs stellt sich hier aber als bloßer Reflex einer gegebenenfalls vorliegenden Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Die Anwendung des Art. 28 EG scheiterte in diesen Fällen also am Vorrang der Dienstleistungsfreiheit.
cc) Keine protektionistische Wirkung In einigen Fällen dieser Rechtsprechungslinie haben sich die Generalanwälte bei der Ablehnung der Anwendung des Art. 28 EG auch darauf gestützt, dass die betroffenen Regelungen keine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfalten. In der Rechtssache Krantz betonte der Generalanwalt, dass alle Verkäufer, niederländische wie aus anderen Mitgliedstaaten stammende, von der betreffenden Regelung gleichermaßen betroffen sind. 337 Es lag also keine SchlechtersteIlung der eingeführten gegenüber den einheimischen Waren vor. Ebenso ging es in der Entscheidung Peralta um ein Verbot für alle Schiffe, unabhängig von ihrer Flagge, bestimmte Stoffe innerhalb der italienischen Hoheitsgewässer ins Meer einzuleiten. Dass dieses Verbot für Schiffe unter italienischer Flagge auch außerhalb dieser Hoheitsgewässer gilt,338 ändert nichts daran, dass durch die Regelung keine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entsteht. Gleichermaßen kam es im Fall Centro Servizi Spediporto dem Generalanwalt neben der Tatsache, dass in erster Linie die Dienstleistungsfreiheit betroffen war, darauf an, dass die streitige Regelung eingeführte Waren nicht gegenüber inländischen Erzeugnissen benachteiligt. 339 Auch im Fall Grappa stellte der Generalanwalt fest, dass das betroffene Gesetz, auch wenn es die Gesamtzahl der Handelserlaubnisse begrenzt, nicht notwendig 336 Generalanwalt Lenz, Schlussanträge zu EuGH, 14.7. 1994, Rs. C-379/92, Slg. 1994, 1-3453, 3469 ff. (Peralta); Generalanwalt Leger; Schlussanträge zu EuGH, 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Slg. 1995,1-2883,2895 f. (Centro Servizi Spediporto/Spedizioni Marittima del Golfo); EuGH, 18. 6. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998, 1-3949, 3992, Rn. 30 (Corsica Ferries France / Gruppo Antichi Ormeggiatori des porto di Genova). 337 Generalanwalt Darmon, Schlussanträge zu EuGH, 7.3.1990, Rs. C-69/88, Slg. 1990, 1-583, 591 (Krantz / Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat). 338 Dies führt zur Problematik der umgekehrten Diskriminierung, vgl. oben § 2611 3. c) dd). 339 Generalanwalt Leger; Schlussanträge zu EuGH, 5. 10. 1995, Rs. C-96/94, Slg. 1995, 1-2883,2896 (Centro Servizi Spediporto/ Spedizioni Marittima dei Golfo).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
den Verkauf von Einfuhren gegenüber dem von einheimischen Gütern erschwert. 340 Vielmehr sind alle Handelsunternehmen gleichermaßen von dem Gesetz betroffen, unabhängig davon, ob es sich um ausländische oder inländische Unternehmen handelt bzw. ob sie ausländische oder inländische Waren verkaufen. Ebenso traf im Fall Esso Espafiola die streitige Vorschrift, die eine Versorgungspflicht bestimmter Inseln für Mineralölgroßhändler vorsah, keine Unterscheidung hinsichtlich des Sitzes der Unternehmen, die ihre Tätigkeit im Rahmen des nationalen Rechts ausüben, oder nach der Art oder der Herkunft der fraglichen Waren. 341 In den Schlussanträgen der Rechtssache Corsica Ferries France ging der Generalanwalt etwas ausführlicher auf das Merkmal der protektionistischen Wirkung ein: Es sei ständige Rechtsprechung insbesondere seit dem Urteil Keck, dass Vorschriften, die unterschiedslos auf nationale und eingeführte Erzeugnisse Anwendung finden, eine gewisse protektionistische Wirkung haben müssen, wenn eine Handelsbeschränkung im Sinne von Art. 28 EG nachgewiesen werden soll. Dies lasse sich z. B. durch die Urteile Peralta und Centro Servizi Spediporto veranschaulichen, wo die Anwendung der betroffenen Regelungen nicht von der Herkunft der transportierten Güter abhängig war. Der EuGH habe ungeachtet der mittelbaren Auswirkungen und Folgewirkungen solcher Vorschriften auf die Transportkosten eingeführter Erzeugnisse die grundsätzliche Eignung zur Handelsbehinderung verneint. Diese Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall übertragbar, da hier die Anwendung der umstrittenen Vorschrift der Pflicht zur Inanspruchnahme der örtlichen Festrnachergruppen bei Anlauf italienischer Häfen noch nicht einmal von der Beförderung irgendwelcher Waren abhängig sei. Die Dienstleistungen der örtlichen Festrnachergruppen müssen sowohl von den italienischen als auch von Seefahrtsunternehmen anderer Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. 342 Auch der Fall CMC Motorradcenter343 betraf mit der Aufklärungspflicht aus c.i.c. eine Regelung, die als solche keine Schlechterstellung von eingeführten Waren bewirkt, da sie für alle Verträge unabhängig von der Herkunft der gegebenenfalls betroffenen Waren Anwendung findet. Aus dem Rahmen fällt wiederum 344 die Entscheidung ED Srl.lItalo Fenocchio. Die betroffene Regelung, die das Mahnverfahren nur bei Zustellung ins Inland zulässt, führt zu einer Erschwerung der Rechtsdurchsetzung im grenzüberschreiten340 Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge zu EuGH, 17. 10. 1995, Rs. C-140-142/94, Slg. 1995,1-3257,3285 (Dip u. a./Commune di Bassano deI Grappa). 341 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge zu EuGH, 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Slg. 1995,1-4223,4233 (Esso Espaiiola/Comunidad Aut6noma di Canarias). 342 EuGH, 18.6. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998,1-3949,3992, Rn. 30 (Corsica Ferries France / Gruppo Antichi Orrneggiatori des porto di Genova). 343 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993,1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH/ Pelin Baskiciogullari). 344 s.o. 1.: Schon keine unterschiedslos anwendbare Regelung.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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den Warenhandel, so dass im Ergebnis eine protektionistische Wirkung zugunsten rein innerstaatlicher Warenverkäufe entsteht. dd) Ergebnis
Unter den Voraussetzungen der unterschiedslosen Anwendbarkeit einer Regelung und der fehlenden Finalität im Hinblick auf eine Regelung des Handelsverkehrs scheitert ein Verstoß gegen Art. 28 EG an der fehlenden Eignung zur Handelsbehinderung, wenn eine - auch potenzielle - Kausalität zwischen Regelung und Auswirkungen auf den Handelsverkehr nicht mit Gewissheit feststellbar ist, eine andere Grundfreiheit vorrangig einschlägig ist oder eine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren nicht entsteht. Hinter der Formulierung des EuGH, die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel seien zu ungewiss und zu mittelbar, als dass sie als geeignet angesehen werden könnten, den grenzüberschreitenden Warenverkehr zu behindern, stehen also verschiedene Gründe, nicht auf Art. 28 EG abzustellen, die in den entschiedenen Rechtssachen zum Teil alternativ, zum Teil kumulativ vorlagen. Das Abgrenzungsproblem im Hinblick auf den Tatbestand des Art. 28 EG wird durch das Begriffspaar nach alledem nicht gelöst, sondern nur verschoben. Die Formulierung verbirgt andere Kriterien, versetzt den EuGH aber in die Lage, die Prüfung des Art. 28 EG schon im Ansatz abbrechen zu können. Er kann schnell und ohne großen Begründungsaufwand die Prüfung eines Verstoßes gegen den freien Warenverkehr beenden. Befriedigend ist dieser knappe, an die französische Rechtsprechung angelehnte Stil des EuGH, der die eigentlichen Erwägungen hier nur sehr undeutlich zutage treten lässt, nicht. Für den nationalen Richter besteht weiterhin Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob eine Vorlage an den Gerichtshof nach Art. 234 EG erforderlich ist oder nicht. Es bleibt schwierig zu beurteilen, bei welchen Regelungen eine Vorlage unter diesem Gesichtspunkt unterbleiben kann. Für den EuGH zwar aufwendiger, für den Rechtsanwender aber erheblich klarer wäre es, wenn der Gerichtshof genau das jeweilige Kriterium benennen würde, das dazu führt, dass die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel zu ungewiss und zu mittelbar sind. Im Falle der Regelungen im Transportrecht wäre zum Beispiel eine klare Abgrenzung zur Dienstleistungsfreiheit der gewählten Formel vorzuziehen gewesen.
4. Folge
Folge des Vorliegens der genannten Voraussetzungen ist das Fehlen der Eignung zur Handelsbehinderung. 345 Der EuGH verneint also nicht von vornherein die An345 EuGH, 7.3. 1990, Rs. C-69/88, Slg. 1990,1-583,597, Rn. 11 (Krantz I Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993,
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
wendbarkeit des Art. 28 EG, sondern lehnt einen Verstoß gegen Art. 28 EG mangels Eignung zur Handelsbehinderung ab. Solange also nationale Vorschriften unterschiedslos anwendbar sind und nicht die Regelung des Warenverkehrs bezwecken, und solange die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel zu ungewiss und zu mittelbar sind, liegt keine Maßnahme gleicher Wirkung vor. Solche mitgliedstaatlichen Regelungen unterliegen daher grundsätzlich - ebenso wie Verkaufsmodalitäten - nur einem Diskriminierungsverbot. 346
IV. Charakterisierung als allgemeine Ordnungsvorschriften Es ging in den Fällen jeweils um Vorschriften,347 die unabhängig davon Anwendung finden, ob es überhaupt um Warenverkehr geht. 348 In den Rechtssachen Krantz und CMC Motorradcenter ging es um materielles Privatrecht,349 in der Rechtssache ED Sr/. / Italo Fenocchio um Zivilprozessrecht. 350 Beide Rechtsgebiete lassen sich zu den Ordnungsvorschriften der Mitgliedstaaten zählen,351 die das Funktionieren des Prinzips der Privatautonomie gewährleisten sollen. 352 Auch in den anderen angesprochenen Urteilen ging es um Regelungen, durch die weder bestimmte Produkte betroffen werden, noch Regelungen zum Verkauf von Waren getroffen werden. Oft betrafen sie den Transport. Die in Rede stehenden Vorschriften sind durch Allgemeininteressen motiviert und bilden einen Bestandteil des wirtschaftlichen Ordnungsrahmens. Sie betreffen also nicht speziell den Warenverkehr. Negativ umschrieben gehören dazu alle Re-
1-5009, 5021, Rn. 12 (CMC Motorradcenter GmbH/Pelin Baskiciogullari); 14. 7. 1994, Rs. C-379192, Slg. 1994, 1-3453, 3497, Rn. 24 (Peralta); 30. 11. 1995, Rs. C-134/94, Slg. 1995, 1-4223, 4249, Rn. 30 (Esso Espafiola/Comunidad Aut6noma di Canarias); 22.6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845,3879 f., Rn. 11 (ED Srl./Italo Fenocchio). 346 Wulf-Henning Roth, in: FS Großfeld, 1999, S. 929,938. 347 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 254; Matthies, in: FS Everling 1,1995, S. 810. 348 EuGH, 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993,1-5009 (CMC Motorradcenter GmbHI Pelin Baskiciogullari); 18. 6. 1998, Rs. C-266/96, Slg. 1998,1-3949, 3992, Rn. 30 (Corsica Ferries France 1Gruppo Antichi Ormeggiatori des porto di Genova); Generalanwalt Fennelly, Schlussanträge in dieser Rs., S. 3965. 349 EuGH, 7. 3. 1990, Rs. C-69 188, Slg. 1990,1-583 (Krantz/Outvanger der Directe Balastungen und Niederländischer Staat); 13. 10. 1993, Rs. C-93/92, Slg. 1993, 1-5009 (CMC Motorradcenter GmbH 1Pelin Baskiciogullari). 350 EuGH, 22. 6.1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999,1-3845 (ED Srl./Italo Fenocchio). 351 Für das materielle Privatrecht Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 18; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 83; Paschke, in: PaschkelIliopoulos, Europäisches Privatrecht, 1998, S. 7 f. 352 Remien, JZ 1992, S. 277, 280.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
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gelungen, die weder Produkt- noch Verkaufsmodalitäten festlegen. Positiv lassen sie sich als allgemeine Ordnungsvorschriften der Mitgliedstaaten qualifizieren.
v. Subsumtion des Zivilprozessrechts unter diese Rechtsprechung Zivilprozessuale Normen sind unterschiedslos anwendbar und zielen auch nicht darauf ab, den Warenverkehr zu regeln (s.o. § 2711 I und III 2). Die Auswirkungen auf den Handelsverkehr müssten zudem zu ungewiss und zu mittelbar sein.
1. Kausalität Für die Fälle, in denen der EuGH die Eignung zur Handelsbehinderung mangels feststellbarer Kausalität zurückgewiesen hat, könnte man angesichts der Entscheidung des EuGH im Fall ED Srl./Italo Fenocchio einen Erst-recht-Schluss ziehen: Wenn der Gerichtshof schon in diesem Fall, in dem eine mittelbare Diskriminierung des Handelsverkehrs mit anderen Mitgliedstaaten vorlag, keine feststellbare Kausalität angenommen hat, wird er sie erst recht nicht annehmen in Fällen, in denen es nur um Unterschiede zwischen den einzelnen Zivilprozessordnungen der Mitgliedstaaten geht. Generalanwalt Cosmas argumentierte, es sei zu ungewiss und zu mittelbar, dass ein ausländischer Unternehmer aufgrund der fehlenden Möglichkeit, einen Mahnbescheid ins Ausland zuzustellen, tatsächlich zögern würde, Handelsbeziehungen mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen. 353 Dann liegt es nahe, dass ihn eventuell strengere Beweisanforderungen oder Anwaltszwänge, die in seinem Heimatstaat nicht in der Form bestehen, erst recht nicht abschrecken. Rückschlüsse lassen sich in diesem Zusammenhang auch aus anderen Urteilen des EuGH zum allgemeinen Diskriminierungsverbot ziehen. In der Rechtssache Mund & FesterlHatrex sprach der EuGH etwa einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten gar nicht erst an, da Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen darauf hingewiesen hatte, dass der Zusammenhang einer Norm wie § 917 Abs. 2 ZPO a.F. mit den Grundfreiheiten zu mittelbar sei und die Behauptung, sie könne sich auf Entscheidungen im Bereich des freien Waren- oder Dienstleistungsverkehrs auswirken, zu gewagt sei. 354 Hinzu kommt, dass im Regelfall kaum abzuschätzen ist, welche Zivilprozessordnung wirklich die günstigere ist, da die allgemeinen Regeln im Einzelfall fördernd oder behindernd wirken können. 355 Zivilverfahrensrechte ermöglichen innergemeinschaftlichen Handel in 353 Schlussanträge zu EuGH, 22. 6. 1999, Rs. C-412/97, Slg. 1999, 1-3845, 3870 (ED Sr!. / Italo Fenocchio). 354 Generalanwalt Tesauro, Schlussanträge zu EuGH, 10. 2. 1994, Rs. C-398 192, Slg. 1994,1- 467, 471, Fn. 4 (Mund & Fester/Hatrex). 355 Herben Roth, JZ 1999, S. 529; ders., in: Müller-Graff/Herben Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 364; ähnlich zum materiellen Privatrecht MüllerGraff, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 165.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
erster Linie und geben ihm eine rechtliche Form, doch ist die rechtliche Ausgestaltung des Verfahrens der Durchsetzung der Rechte aus zwischenstaatlichem Handel meist nur ein kleines Element der Handelsbeziehung. Das Zivilverfahrensrecht erlangt nur im Fall von Fehlschlägen Bedeutung und entscheidet in aller Regel nicht über das Zustandekommen des Handelsgeschäfts?56 Andererseits stehen diese Feststellungen im Widerspruch zu den oben angeführten Erwägungen und der europäischen Studie, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass eine solche Kausalität nicht von vornherein ausgeschlossen ist (oben § 25 11 2 b bb). Es ist durchaus denkbar, dass sich Wirtschaftsteilnehmer von ungünstigen prozessualen Bedingungen in anderen Mitgliedstaaten abschrecken lassen und dann dort keine Handelsbeziehungen eingehen. Das Kriterium der Kausalität überzeugt daher nicht für eine abschließende Beurteilung der Einordnung des Zivilverfahrensrechts.
2. Vorrang anderer Grundfreiheiten
Die Fälle des Vorrangs der Dienstleistungsfreiheit haben für die vorliegende Untersuchung keine Bedeutung, da es bei der Frage, ob Unterschiede der nationalen Zivilprozessordnungen anhand der Grundfreiheiten zu messen sind, nicht um die Abgrenzung zwischen den einzelnen Grundfreiheiten, sondern darum geht, ob solche Fälle überhaupt von den Grundfreiheiten erfasst werden.
3. Protektionistische Wirkung
Schon im Rahmen der Cassis de Dijon- und der Keck-Rechtsprechung wurde festgestellt, dass es durch Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensrechte aufgrund des lex fori-Prinzips nicht zu einer protektionistischen Wirkung zugunsten inländischer Verfahrensteilnehmer oder Waren kommt (s.o. § 26113 a und § 27 III 5 c). Unter diesem Gesichtspunkt können Unterschiede der nationalen Zivilprozessrechte also auf jeden Fall unter die dargestellte Rechtsprechung subsumiert werden.
VI. Ergebnis
Die Unterschiedlichkeit der nationalen Zivilverfahrensrechte ist im Ergebnis nach Feststellung der unterschiedslosen Anwendbarkeit und der mangelnden Finalität zur Regelung des Handelsverkehrs - nach Ansicht des EuGH wohl schon 356 Ebenso für das materielle Privatrecht Remien. Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1991, S. 11,36.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
171
mangels feststellbarer Kausalität, nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls aufgrund ihrer mangelnden protektionistischen Wirkung nicht geeignet, den Handelsverkehr im Sinne des Art. 28 EG zu behindern. Das nationale Zivilverfahrensrecht kann also auch über diesen Ansatz aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung ausgeklammert werden. Die Schwäche dieser Rechtsprechung liegt allerdings darin, dass sie keine klaren Maßstäbe an die Hand gibt, in welchen Fällen die Auswirkungen auf den Handelsverkehr aus Sicht des EuGH "zu ungewiss und zu mittelbar" sind.
§ 29 Vereinbarkeit der Ansätze für Verkaufsmodalitäten
und allgemeine Ordnungsvorschriften
Sowohl aus der Keck-Rechtsprechung (§ 27), aus der ein Erst-recht-Schluss möglich ist, als auch aus der Rechtsprechung zu den allgemeinen Ordnungsvorschriften (§ 28) ergibt sich, dass Unterschiede der mitgliedstaatlichen Zivilverfahrensrechte nicht zu einem Verstoß gegen Art. 28 EG führen können. Es soll daher versucht werden, unter Heranziehung beider Ansätze und unter Überwindung ihrer Schwächen eine überzeugende Lösung für die Einordnung von Unterschieden nationaler Zivilprozessordnungen zu erarbeiten.
I. Gemeinsamkeiten beider Ansätze Sowohl die Keck-Rechtsprechung zu den Verkaufsmodalitäten als auch die Rechtsprechung zu den allgemeinen Ordnungsvorschriften subsumiert nur Regelungen nicht unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung, die unterschiedslos gelten. Auch die Begrenzung auf solche Regelungen, die nicht auf eine Regelung des Handelsverkehrs abzielen, ist beiden Ansätzen gemeinsam. Diese beiden Merkmale treffen insofern eine Vorauslese. Liegt eines der genannten Kriterien nicht vor, ist eine Prüfung nach den allgemeinen Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung zu Art. 28 EG (Dassonville, Cassis de Dijon - §§ 25 f.) erforderlich. Bei Unterschieden nationaler Zivilprozessrechtsnormen sind beide Merkmale erfüllt. Beiden Ansätzen ist zudem gemein, dass ein eventueller quantitativer Rückgang der Einfuhren jedenfalls nicht ausreicht, um eine Maßnahme gleicher Wirkung anzunehmen.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
11. Unterschiedliche Behandlung von allgemeinen Ordnungsvorschriften und Verkaufsmodalitäten
Bei der Keck-Rechtsprechung wurden grundsätzlich Verkaufsmodalitäten aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung gemäß Art. 28 EG ausgeklammert, in der unter § 28 dargestellten Rechtsprechungslinie ging es um allgemeine Ordnungsvorschriften. Bei den Verkaufsmodalitäten kam es für die Beantwortung der Frage, ob die Regelungen zur Handelsbehinderung geeignet sind, darauf an, ob sie eine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfalten (oben § 27 III 5). Bei den allgemeinen Ordnungs vorschriften ging es dem EuGH im Wesentlichen darum festzustellen, dass die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel zu ungewiss und zu mittelbar sind (oben § 28 III 3). 111. Prüfungsebene vor Unterscheidung zwischen Produkt- und Verkaufsmodalitäten?
Im Falle des Vorliegens allgemeiner Ordnungs vorschriften verneint der EuGH die Eignung zur Handelsbehinderung im Sinne des Art. 28 EG, ohne die in ständiger Rechtsprechung entwickelte systematische Prüfung nach den Grundsätzen der Urteile Dassonville, Cassis de Dijon und Keck durchzuführen. Man kann daraus den Schluss ziehen, allgemeine Ordnungsvorschriften seien noch eine Ebene weiter von einer Behinderung des freien Warenverkehrs entfernt als Verkaufsmodalitäten. Es scheint, dass der EuGH solche allgemeinen Regelungen von vornherein nicht bei Art. 28 EG ansiedeln will, da er die Prüfung des Art. 28 EG sehr schnell und mit einem sehr formalen Argument abbricht. 1. Argumente für den Vorab-Ausschluss allgemeiner Ordnungsvorschriften aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung
Für die Ausgrenzung solcher allgemeiner Ordnungsvorschriften aus der Anwendung des Art. 28 EG schon vor einer Prüfung nach den allgemeinen Grundsätzen mit dem Argument, die Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel seien zu ungewiss und zu mittelbar, spricht, dass Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen stets die Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer beeinflussen, einen Geschäftsabschluss in dem einen oder anderen Mitgliedstaat vorzunehmen. Sie beriihren daher immer das Verhältnis der nationalen Märkte und das Ziel ihrer Integration. Um Art. 28 EG nicht zu einer Art Überverfassung zu machen, wird daher befürwortet, solche Regelungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG herauszunehmen, da ein Zusammenhang mit der Steuerung der Handeisströme nicht bestehe. 357 Es wird also sehr formal und generell bei allgemeinen 357 Schilling, EuR 1994, S. 50. 57 f.; Matthies, in: Schwarze/Bieber (Hrsg.), Das europäische Wirtschaftsrecht vor den Herausforderungen der Zukunft, S. 25, 28; Hailbronner, Handkommentar zum EUV, Art. 30 EGV, Rn. 7; Geiger, Art. 30 EGV, Rn. 20.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
173
Ordnungsvorschriften das Vorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung abgelehnt, ohne eine Prüfung des Zusammenhangs mit dem grenzüberschreitenden Handelsverkehr im Einzelfall vorzunehmen. Begründen lässt sich dies vor allem mit dem Argument, dass ansonsten nationale Regelungen immer der Abwägung und der Frage der Rechtfertigung unterlägen, sobald sie in anderen Mitgliedstaaten anders ausgestaltet sind. Je allgemeiner und damit im zwischenstaatlichen Handel in ihrer Anwendung potenziell ambivalent Regelungen gefasst sind, also je nach Einzelfall fördernd oder behindern wirken, desto schwieriger ist eine substanziierbare Eignung zur Einfuhrbehinderung festzustellen. 358 Es kann zudem im Einzelfall unklar sein, welche der Rechtsordnungen die beschränkende ist. 359 Die grundsätzliche Hinnahme nationaler Regelungskompetenzen und damit nationaler Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die der EuGH ausdrücklich anerkennt,36O spricht daher für eine pauschale Herausnahme allgemeiner Ordnungs vorschriften aus dem Bereich der Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne von Art. 28 EG.
2. Wirkungskriterium Allerdings steht die Anknüpfung an die Natur der Regelungen als allgemeine Ordnungsvorschriften und an den Zusammenhang mit der Einfuhr im Widerspruch zur Aussage des EuGH zu Art. 28 EG, dass im Gegensatz zur Rechtsprechung zu Art. 29 EG nicht nur speziell einfuhrbezogene, sondern auch sonstige staatliche Regelungen zu den Maßnahmen gleicher Wirkung zählen, wenn sie geeignet sind, den Import zu behindern. Entscheidend sind nach ständiger Rechtsprechung allein die Wirkungen der betroffenen Regelung und nicht deren Natur oder deren Zweck (s.o. § 25 I). Die Natur der Regelung allein kann kaum grundsätzlich das an der Wirkung einer Regelung orientierte Kriterium der Eignung zur Hande1sbehinderung ersetzen. 361 Für eine Unterscheidung zwischen Handelsregel und Ordnungsregel ergeben sich auch im System der Art. 28 ff. EG keine Anhaltspunkte. 362 Gleiches gilt im Übrigen für die anderen beiden vom EuGH vorgenommenen Kategorien von Produkt- und Verkaufsmodalitäten. Hinzu kommt, dass bei der Bildung solcher Kategorien immer auch Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen, wie dies für Produkt- und Verkaufsmodalitäten in der Literatur hinreichend aufgezeigt wurde. 363 Bei der Anerkennung einer weiteren Kategorie von allgemeinen OrdnungsMüller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 165. Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 80. 360 1nsbes. zu Art. 12 EG EuGH, 13.2. 1969, Rs. 14/68, Slg. 1969, S. 1 (Walt Wilhelm/ Bundeskartellamt). 361 Müller-Graf!, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Art. 30 EGV, Rn. 261; Steindorff, ZHR 158 (1994), S. 149, 161. 362 Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, 23. 11. 1989, Rs. C-145/88, Slg. 1989, S. 3851, 3870 (Torfaen/B&Q); Dörr, RabelsZ 54 (1990), S. 677, 682. 363 Z. B. Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 9. 2. 1995, Rs. C-412/93, Slg. 1995,1-179,194 f. (Leclerc-Siplec/TFI Publicite SA); Reich, Z1P 1993, S. 1815, 1817; 358 359
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
vorschriften, für die wieder andere Bewertungsmaßstäbe gelten, würde sich dieses Problem verschärfen. Es fehlt zudem eine genaue Definition des Begriffs der allgemeinen Ordnungsvorschriften. Unstreitig können hierunter wohl Vorschriften des materiellen Zivilrechts und des Zivilprozessrechts subsumiert werden. Problematischer ist dies schon für Transportvorschriften. Solche Vorschriften ließen sich auch als Verkaufsmodalitäten einordnen. Die Einordnung einer Regelung als allgemeine Ordnungsvorschrift gibt keine Prüfungskriterien für die Frage der einfuhrbehindernden Wirkung an die Hand, so dass sie nicht - allein - ausschlaggebend für das Nichtvorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung sein kann. Einer pauschalen Herausnahme von allgemeinen Ordnungsvorschriften aus der Prüfung des Art. 28 EG ist daher nicht zuzustimmen. Vielmehr ist nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen, ob einer Regelung eine einfuhrbehindernde Wirkung zukommt.
IV. Prüfung der einfuhrbehindernden Wirkung
Vorzuziehen ist die Festlegung klarer Kriterien für das Vorliegen einer einfuhrbehindernden Wirkung, anhand derer für alle Kategorien von Regelungen einheitlich geprüft werden kann, ob sie unter den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen gemäß Art. 28 EG fallen.
1. Prüfungskriterien Für die Prüfung, ob eine einfuhrbehindernde Wirkung vorliegt, kann auf die bereits entwickelten Kriterien (vgl. oben §§ 27, 28) zurückgegriffen werden, die nach der hier vertretenen Ansicht den Ausschlag für die Entscheidungen des EuGH gegeben haben. Bei unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen, die nicht auf eine Regelung des freien Warenverkehrs abzielen, liegt danach insgesamt keine einfuhrbehindernde Wirkung im Sinne des Art. 28 EG vor, wenn • keine feststellbare Kausalität zwischen Regelung und Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr besteht (s.o. § 28 III 3 d aa), • eine andere Grundfreiheit gegenüber der Warenverkehrsfreiheit vorrangig zur Anwendung kommt, da sich die Auswirkungen auf den freien Warenverkehr nur als Reflex eines Verstoßes gegen eine andere Grundfreiheit darstellen (s.o. § 28 III 3 d bb) oder
Becker, EuR 1994, S. 162, 173 f.; Fezer; JZ 1994, S. 317, 323; Möschel, NJW 1994, S. 429, 430; Schilling, EuR 1994, S. 50, 60; Steindarff, ZHR 158 (1994), S. 149, 161 f.; Wulf-Henning Rath, FIW-Schriftenreihe 160 (1994), S. 21, 33.
2. Kap.: Die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 ff. EG
175
• die Regelung keine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfaltet (s.o. § 27 III 5 und § 28 III 3 d cc). Die Erfüllung eines dieser drei Kriterien ist dabei ausreichend zur Verneinung der einfuhrbehindernden Wirkung.
2. Indizielle Bedeutung der Regelungskategorien Die Einordnung einer Regelung als Produktmodalität, Verkaufsmodalität oder als allgemeine Ordnungsvorschrift sollte danach allenfalls als Indiz für das Nichtvorliegen einer Maßnahme gleicher Wirkung herangezogen werden. Unter den Voraussetzungen der unterschiedslosen Anwendbarkeit der jeweiligen Bestimmung und der fehlenden Finalität zur Regelung des freien Warenverkehrs gilt danach: Regelungen über Produktmodaltitäten entfalten stets eine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren, da alle Importeure ihre Produkte an die inländischen Bestimmungen anpassen müssen. Ihnen kommt immer eine einfuhrbehindernde Wirkung zu. Bei Regelungen über Verkaufsmodalitäten ist hingegen im Einzelfall zu überprüfen, ob sie eine protektionistische Wirkung zugunsten inländischer Waren entfalten. Regelmäßig wird dies nicht der Fall sein. Dass eine Kausalität zwischen Regelung und Auswirkungen auf den Handelsverkehr nicht feststellbar ist bzw. eine andere Grundfreiheit vorrangig einschlägig ist, kommt in dieser Kategorie von Regelungen wohl nicht in Betracht. Ob allgemeine Ordnungsvorschriften und insbesondere zivilprozessuale Regelungen zur Handelsbehinderung geeignet sind, ist durch Überprüfung aller Kriterien herauszufinden. Regelmäßig wird die Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass mangels protektionistischer Wirkung zugunsten der inländischen Waren keine einfuhrbehindernde Wirkung von der betreffenden Vorschrift ausgeht.
§ 30 Ergebnis zur Warenverkehrsfreiheit Für die Prüfung des Art. 28 EG bedeutet dies insgesamt, dass zunächst festzustellen ist, ob es um eine staatliche Maßnahme geht, die eine Ware im Sinne des Art. 23 Abs. 2 EG betrifft. Anschließend ist zu unterscheiden zwischen dem Vorliegen einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung und einer Maßnahme gleicher Wirkung. Geht es um letztere, ist von der Dassonville-Formel auszugehen. Es muss sich um eine mitgliedstaatliche Handelsregelung handeln, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern. Eine solche einfuhrbehindernde Wirkung liegt nicht vor bei unterschiedslos geltenden Regelungen ohne Finalität zur Regelung des Warenver-
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
kehrs, wenn eine Kausalität zwischen Regelung und Handelsbehinderung nicht feststellbar ist, wenn eine andere Grundfreiheit vorrangig einschlägig ist oder wenn die Regelung keine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfaltet. Liegt nach diesen Regeln eine Handelsbehinderung vor, kann sie ausnahmsweise zulässig sein. Bei einer unterschiedslos geltenden Maßnahme kann zum einen eine Tatbestandsbegrenzung nach den Grundsätzen der Cassis de Dijon-Formel vorliegen. Voraussetzung ist das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses des Allgemeininteresses und die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus ist eine Rechtfertigung gemäß Art. 30 EG möglich, wenn eine Fallgruppe des Art. 30 EG betroffen ist und die Regelung verhältnismäßig ist. Bei unterschiedlich geltenden Maßnahmen ist demgegenüber nur eine Rechtfertigung nach Art. 30 EG möglich, lässt man einmal die Tendenzen in der neueren Rechtsprechung außer Acht. 364 Für Unterschiede nationaler Zivilprozessrechtsordnungen ist also nach der hier vertretenen Auffassung im Rahmen der Dassonville-Formel zu prüfen, ob eine Regelung in dem erörterten Sinne zur Handelsbehinderung geeignet ist. Unterschiede nationaler Zivilprozessnormen sind nach alledem zwar mitgliedstaatliche Handelsregelungen, jedoch sind sie nicht zur einfuhrbehindernden Wirkung geeignet, weil sie - wie grundsätzlich auch Verkaufsmodalitäten - jedenfalls keine protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Waren entfalten. Eine Prüfung der Cassis de Dijon-Rechtsprechung mit der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips, wenn keine zwingenden Erfordernisse bestehen, erübrigt sich daher nach der hier vertretenen Auffassung, obwohl oben (§ 26 III 2) festgestellt wurde, dass solche zwingenden Erfordernisse sich aus der Kohärenz des nationalen Zivilverfahrensrechts ergeben. Die Argumente, die gegen die Anwendung des Herkunftslandprinzips auf das Zivilprozessrecht vorgebracht wurden (oben § 26 11 3 c), bestätigen sich mithin durch die Feststellung, dass es zu dieser Frage erst gar nicht kommen kann. Die Anwendung des Herkunftslandprinzips kommt nur dann in Betracht, wenn es um die Frage geht, ob Regelungen des Ziellandes gemeinschaftsrechtskonform sind. Voraussetzung für die Anwendung des Prinzips ist daher immer, dass eine Behinderung des freien Warenverkehrs festgestellt wurde. Dies ist bei Unterschieden der nationalen Zivilprozessordnungen aber aufgrund der fehlenden protektionistischen Wirkung nicht der Fall. Auch eine Rechtfertigungsprüfung nach Art. 30 EG ist nach alledem für einzelne zivilprozessuale Regelungen allein wegen ihrer Unterschiedlichkeit im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nicht erforderlich.
364
Dazu oben § 26 III 1.
3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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Drittes Kapitel
Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG Auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 (ex Art. 59, 60) EG werden typische grenzüberschreitende Verträge abgewickelt. Es soll untersucht werden, ob in diesem Bereich in Bezug auf die Einordnung des Zivilverfahrensrechts die gleichen Grundsätze gelten, wie dies für den freien Warenverkehr herausgearbeitet wurde. Nach Art. 49 EG sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Staaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten.
§ 31 Begriff der Dienstleistung Die Dienstleistungsfreiheit erfasst nach Art. 50 Abs. 1 EG die grenzüberschreitende, selbstständige, entgeltliche Leistung, die ein Unternehmer an eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Person erbringt, soweit sie nicht den Bestimmungen über den Waren verkehr, den Kapitalverkehr oder die Freizügigkeit der Personen unterliegt. 365 Es ist dabei möglich, dass der Leistungserbringer oder der Empfänger sich in den anderen Mitgliedstaat begibt oder nur die Leistung selbst über die Grenzen hinweg erbracht wird. 366
§ 32 Umfang des Verbotes Art. 49 EG verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ähnlich der Dassonville-Formel im Warenverkehr alle Anforderungen, die "geeignet sind, die Tätigkeit des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern".367 I. Diskriminierungen Von Anfang an wurden trotz des Wortlauts des Art. 49 EG, der von Beschränkungen spricht, Diskriminierungen aufgrund dieser Norm als verboten angesehen. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1676; Geiger, Art. 60 EGV, Rn. 1. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1676; Geiger, Art. 60 EGV, Rn. 6 - 8; Streil, in: Beutler / Bieber/Pipkorn/Streil, S. 329 f. 367 EuGH, 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, S. 1299, 1309, Rn. 10/12 (van Binsbergen/ Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid); 26. 11. 1975, Rs. 39175, Slg. 1975, S. 1547, 1554, Rn. 5/7 (Coenen/ Sociaal-Econornische Raad); zur Parallele zum Warenverkehr auch Troberg, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, vor Art. 59 bis 66 EGV, Rn. 22-26. 365
366
12 Tonsfeuerborn
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Im Urteil van Binsbergen führte der EuGH aus, dass unter die Beschränkungen, deren Beseitigung die heutigen Art. 49 und 50 EG vorsehen, unter anderem alle Anforderungen fallen, die an den Leistenden namentlich aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit gestellt werden und nicht für im Staatsgebiet ansässige Personen gelten. 368 Die Dienstleistungsfreiheit geht also vom Grundsatz der - formellen und materiellen - Inländergleichbehandlung aus?69 Art. 50 Abs. 3 EG umschreibt die Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich so, dass "der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben [kann], in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt". Verboten ist daher jede Regelung, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten im Ergebnis gegenüber der Leistung von Diensten im Inneren eines Mitgliedstaates erschwert, indem sie eine unterschiedliche Behandlung vorsieht, je nachdem, ob es sich um einen rein internen oder einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. 370 Eine formelle Diskriminierung liegt vor, wenn z. B. eine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten wird. Eine materielle Diskriminierung liegt etwa in dem Erfordernis der Residenzpflicht, 371 da dies in der Praxis hauptsächlich für Dienstleistungserbringer anderer Mitgliedstaaten ein Hindernis darstellt. Rückschlüsse für Unterschiede zwischen den nationalen Zivilprozessrechten lassen sich daraus nicht ziehen, da dadurch aufgrund des lex fori-Prinzips keine Diskriminierungen entstehen (s.o. § 2511 2 a).
11. Sonstige Beschränkungen Das Beschränkungsverbot des Art. 49 EG greift aber nach der Rechtsprechung des EuGH über das Prinzip der Inländergleichbehandlung hinaus. Schon aus der Formulierung im Urteil van Binsbergen ergibt sich, dass die Dienstleistungsfreiheit neben Diskriminierungen alle Beschränkungen erfasst, die "in anderer Weise geeignet sind, die Tätigkeiten des Leistenden zu unterbinden oder zu behindern".372 Eine endgültige KlarsteIlung erfolgte mit dem Urteil Säger / Dennemeyer, in dem 368 EuGH,3. 12. 1974, Rs. 33174, Slg. 1974, S. 1299, 1309, Rn. 10/12 (van Binsbergen/ Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid). 369 Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 1191. 370 EuGH, 5. 10. 1994, Rs. C-381 /93, Slg. 1994, 1-5145, 5169, Rn. 17 (Kommission/ Frankreich); 28. 4.1998, Rs. C-118/96, Slg. 1998,1-1897,1926, Rn. 23 f. (Safir/Skattemyndigheteni Dalamas län); 28. 4. 1998, Rs. C-158/96, Slg. 1998,1-1931,1946, Rn. 33 (Kohll! Union des caisses de maladie). 371 Ausführlich dazu Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59 EGV, Rn. 9 ff. 372 EuGH, 3. 12. 1974, Rs. 33174, Slg. 1974, S. 1299, 1309, Rn. 10/12 (van Binsbergen/ Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid).
3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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der EuGH ausdrücklich feststellte, "dass Art. 59 [jetzt 49] die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistende sowie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten - verlangt, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleisters, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern".373 In der Literatur wird dies bestätigt: Der Wortlaut des Art. 49 EG, der im Gegensatz zu Art. 50 Abs. 3 EG nicht nur von Diskriminierungen spricht, mache deutlich, dass der Begriff der Beschränkung eine eigene Bedeutung habe. 374 Aufgrund der allgemeinen Pflicht der Mitgliedstaaten, den freien Dienstleistungsverkehr zu fördern, seien sie auch verpflichtet, die Hindernisse und Beschränkungen zu beseitigen, die sich aus den Unterschieden in ihren Rechtsvorschriften ergeben. 375 Danach sind grundsätzlich alle Beschränkungen verboten, die, selbst wenn sie unterschiedslos gelten, geeignet sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. 376 Damit wird klargestellt, dass es auf das Vorliegen einer Diskriminierung nicht ankommt.
1. Prüfungsmaßstab Für solche unterschiedslos anwendbaren Hindernisse wurden die Maßstäbe übernommen, die zu Art. 28 EG entwickelt wurden 377 bzw. es fand eine parallele Entwicklung statt. 378 Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Dienstleistungsfreiheit der Warenverkehrsfreiheit ähnelt, da beide Freiheiten auf den grenzüberschreitenden Austausch von Produkten gerichtet sind. 379 Es gilt die Cassis de Dijon-Formel, d. h. grundsätzlich ermöglicht auch die Dienstleistungsfreiheit nach der Rechtsprechung des EuGH jedem Anbieter, seine Leistungen europaweit zu den in seinem Herkunftsland geltenden Bedingungen anzubieten. 38o Es können alEuGH, 25. 7.1991, Rs C-76/90, Slg. 1991,1-4221,4243, Rn. 12 (Säger 1 Dennemeyer). Weber, EWS 1995, S. 292, 293. 375 Geiger, Art. 60 EGV, Rn. 10. 376 EuGH, 25. 7. 1991, Rs C-76/90, Slg. 1991, 1-4221, 4243, Rn. 12 (Säger/Dennemeyer); 28. 3. 1996, Rs. C-272/94, Slg. 1996,1-1905, 1920, Rn. 10 (Guiot); 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996, 1-6511, 6537, Rn. 25 (Reisebüro Broede/Sandker); 25. 7. 1997, Rs. C-222/95, Slg. 1997,1-3899,3921, Rn. 18 (SCI ParodilBanque de Bary). 377 Vgl. EuGH, 20. 2.1979, Rs. 120178, Slg. 1979, S. 649 (Rewe Zentral AG 1Bundesmonopolverwaltung für Branntwein -"Cassis de Dijon"). 378 EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991,1-4221,4243 f., Rn. 12 ff. (Säger/Dennemeyer); 24. 3.1994, Rs. C-275 192, Slg. 1994,1-1039,1095 f., Rn. 53 ff. (H.M. Customs and Excise I Schindler); Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59, Rn. 4. 379 Weber, EWS 1995, S. 292, 293; Hailbronner, Handkommentar zum EUV, Art. 60, Rn. 3. 373
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
lerdings auch hier zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses verhältnismäßige Beschränkungen nicht diskriminierender Art rechtfertigen. Die Voraussetzungen sind im Einzelnen: Die Vorschrift muss in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist381 und den Allgemeininteressen darf nicht bereits durch Vorschriften des Herkunftslandes des Dienstleistungserbringers Rechnung getragen worden sein. 382
2. Kategorien von Beschränkungen
Um den Prüfungsmaßstab für Unterschiede der nationalen Zivilprozessrechte zu ermitteln, sind Kategorien zu bilden, in die die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch unterschiedslos anwendbare Regelungen einzuteilen sind.
a) Unternehmensbezogene Beschränkungen Die Dienstleistungsfreiheit wird herkömmlich als personenbezogenes Recht angesehen. 383 Dem Erbringer einer Dienstleistung - einer natürlichen Person oder einem Unternehmen - soll die Möglichkeit grenzüberschreitender Tlitigkeit im Dienstleistungsbereich eröffnet werden. Beschränkungen können sich also zunächst auf das Unternehmen und damit den Dienstleistungserbringer selbst beziehen. Dies kann etwa durch Regelungen des Berufsrechts, Reisebeschränkungen oder Mitgliedschaften erfolgen. Solche Regelungen sind meist auf Fälle zugeschnitten, in denen jemand auf Dauer Marktteilnehmer in einem Mitgliedstaat wird. Bei der Anwendung auf Dienstleistungen, die oft einmaligen Charakter haben und jedenfalls nicht mit einer Standortverlagerung verbunden sind, hätten sie meist zur Folge, dass die einzelne grenzüberschreitende Dienstleistung erheblich teurer und damit faktisch unmöglich würde. Solche tätigkeitsbezogenen Regelun380 EuGH, 17. 12. 1981, Rs. 279/80, Slg. 1981, S. 3305, 3325, Rn. 17 (Webb); Speyer, EuZW 1991, S. 588, 589; Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S. 65; Kort, JZ 1996, S. l32, 139; W-Herbert Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I., Rn. 117. 381 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6537, Rn. 28 (Reisebüro Broede/ Sandker). 382 EuGH, 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, S. 1299, l309, Rn. 10/12 (van Binsbergen/ Bedrijfsvereniging voor de Metaainijverheid); 17. 12. 1981, Rs. 279/80, Slg. 1981, S. 3305, 3325, Rn. 17 (Webb); 4. 12. 1986, Rs. 205/84, Slg. 1986, S. 3755, 3803, Rn. 27 (Kommission/Deutschland); 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, 1-4221, 4244, Rn. 15 (Säger/ Dennemeyer); 24. 3.1994, Rs. C-275/92, Slg. 1994,1-1039,1095, Rn. 54 (H.M. Customs and Excise / Schindler). 383 Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59 EGV, Rn. 6.
3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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gen, die Anforderungen an die berufliche Qualifikation des Leistungserbringers oder die finanzielle Ausstattung des Unternehmens stellen, bringen für einen grenzüberschreitend tätigen Dienstleistungserbringer besondere Probleme mit sich und sind daher einer strengen Kontrolle zu unterwerfen. 384
b) Produktbezogene Beschränkungen Daneben können sich aber auch Regelungen, die sich nicht auf die Person des Dienstleistungserbringers, sondern auf die Leistung beziehen, behindernd auf die grenzüberschreitende Dienstleistungsfreiheit auswirken?8S Zu denken ist etwa an eine Regelung, die vorschreibt, dass alle Leistungen in einer Form oder auf eine Weise erbracht werden müssen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat gesetzlich vorgeschrieben ist. Es geht in diesen Fällen um das "Wie", also den Inhalt der Dienstleistung. Die Abänderung einer Dienstleistung (z. B. Darlehensverträge von Banken) durch den Erbringer je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie erbracht werden soll, wäre in vielen Fällen unrentabel und würde eine breite Erschließung der Märkte anderer Mitgliedstaaten für das Massengeschäft verhindern. 386 Auch in diesem Bereich hemmen Vorschriften in der Regel den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, da der Dienstleister je nach Zielland sein "Produkt" den unterschiedlichen Anforderungen anpassen muss, so dass auch hier eine strenge Kontrolle der Regelungen anhand von Art. 49, 50 EG angezeigt ist.
c) Verkaufsbezogene Beschränkungen Bedeutungsvoll für die Einordnung des Zivilverfahrensrechts ist angesichts der Schlussfolgerungen, die daraus für die Warenverkehrsfreiheit gezogen wurden (s.o. § 27), die Frage, ob neben der Dassonville- und der Cassis de Dijon-Formel auch die Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist. Es stellt sich also die Frage, ob auch hier Verkaufsmodalitäten denkbar sind, die grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 49 EG fallen. Der Gerichtshof hat zur Übertragung der Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit bereits im Urteil Alpine Investments 387 ausdriicklich Stellung bezogen, sie dort allerdings verneint. Es ging um eine niederländische Klägerin, die sich gegen ein ihr vom niederländischen Finanzminister auferlegtes Verbot wandte, 384 Wulf-Henning Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I., Rn. 127; vgl. z. B. EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, 1-4221, 4245, Rn. 18 ff. (Sägerl Dennemeyer). 385 Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59 EGV, Rn. 6 f., 29 ff. 386 Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59 EGV, Rn. 30. 387 EuGH, 10.5. 1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995,1-1141 (Alpine Investments BV IMinister van Financien).
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
mit potenziellen Kunden - sowohl in den Niederlanden als auch in anderen Mitgliedstaaten - unaufgefordert telefonisch Kontakt aufzunehmen (sog. "cold calling"). Der EuGH stellte fest, dass ein solches Verbot den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ein schnelles und direktes Mittel der Kundenanwerbung außerhalb der Niederlande nimmt und daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann. 388 Die Grundsätze des Urteils Keck seien nicht anwendbar, da hier unmittelbar der Zugang zum Dienstleistungsmarkt in den anderen Mitgliedstaaten beeinflusst sei. 389 Darin sah der Gerichtshof einen entscheidenden Unterschied zum Fall Keck, der nur Beschränkungen von Verkaufsmodalitäten im Tätigkeitsstaat betraf. Auch der Fall Schindler390 könnte gegen die Übertragbarkeit der Keck-Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit sprechen. Dort ging es um ein unterschiedslos geltendes britisches Verbot für Lotterieveranstalter, Lotterien in Großbritannien durchzuführen. Darüber hinaus durften nach der britischen Regelung die Lotterieveranstalter aus anderen Mitgliedstaaten in Großbritannien auch nicht unmittelbar oder durch selbstständige Bevollmächtigte ihre Lotterien fördern oder Lose verkaufen. Der EuGH behandelte dieses Verbot als Beschränkung im Sinne des heutigen Art. 49 EG, ohne auf die Keck-Rechtsprechung einzugehen, obwohl das Verbot der Förderung von Lotterien der anderen Mitgliedstaaten auf den ersten Blick eine Werbebeschränkung und damit eine Verkaufsmodalität zu sein scheint. Man könnte aus diesen Entscheidungen den Schluss ziehen, dass der EuGH generell die Keck-Rechtsprechung nicht auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen will. Die Nichtanwendung der Keck-Grundsätze könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass in den entschiedenen Fällen nur die Voraussetzungen dieser Rechtsprechung nicht vorlagen. Die Begründung des EuGH im Urteil Alpine Investments überzeugt: Im Gegensatz zum Urteil Keck führte die niederländische Bestimmung, die das "cold calling" für Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden auch in anderen Mitgliedstaaten verbot, zu einer stärkeren Belastung des Anbieters aus den Niederlanden auch in anderen Mitgliedstaaten, in denen ein solches Verbot nicht bestand?91 Das Verbot führte also - im Gegensatz zu den bestimmten Verkaufsmodalitäten, die Auswirkungen nur in dem Staat entfalten, in dem sie gelten - zu einem Wettbewerbsnachteil des niederländischen Anbieters in anderen Mitgliedstaaten. Die Herausarbeitung des Unterschiedes zum Urteil Keck spricht da388 EuGH, 10. 5. 1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995, 1-1141, 1176, Rn. 28 (Alpine Investments BV 1Minister van Financien). 389 EuGH, 10. 5. 1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995, 1-1141, 1177 f., Rn. 36-38 (Alpine Investments BV 1Minister van Financien). 390 EuGH, 24. 3. 1994, Rs. C-275 192, Slg. 1994,1-1039, 1093, Rn. 44 f. (H.M. Customs and Excise/Schindler); kritisch daher Streinz, Europarecht, 3. Auf!. 1996, Rn. 708 c. 391 Dies stellen auch Ross, ELR 1995, S. 507, 513; Hatzopoulos, CMLR 32 (1995), S. 1427, 1439; Grosskopf, WRP 1995, S. 805, 808 und Weatherill, CMLR 33 (1996), S. 885, 892 heraus.
3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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für, dass der EuGH grundsätzlich bereit gewesen wäre, die Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit anzuwenden. 392 Auch das Urteil im Fall Schindler ist kein Indiz dafür, dass der EuGH die KeckRechtsprechung nicht auf die Dienstleistungsfreiheit übertragen will. Zwar lag hier keine SchlechtersteIlung grenzüberschreitender Vorgänge gegenüber rein innerstaatlichen Dienstleistungen vor, und das Verbot der Verkaufsförderung stellte auch eine vertriebsbezogene Regelung dar,393 jedoch ging es nicht um das Verbot einer bestimmten Form der Werbung, sondern darum, dass generell in Großbritannien keine Lose von ausländischen Lotterien verkauft werden durften. Es ging nicht darum, "bestimmte" Verkaufsmodalitäten zu beschränken oder zu verbieten, sondern darum, "alle" Verkaufsmodalitäten zu verbieten. Letztlich war also das Dienstleistungsprodukt selbst betroffen. 394 Es ging um das "ob" der Leistung, so dass auch dieses Urteil keine endgültige Aussage dariiber trifft, ob die Keck-Rechtsprechung auf die Dienstleistungsfreiheit übertragbar ist. Für eine Übertragung der Keck-Grundsätze spricht, dass es auch bei den Dienstleistungen durchaus "Verkaufsmodalitäten" gibt. 395 Eine Verkaufsmodalität im Sinne der Keck-Rechtsprechung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit könnte z. B. eine Vermarktungsreglung für eine bestimmte Dienstleistung oder eine Preisregelung sein. Das "cold calling-Verbot" könnte als Verkaufsmodalität anzusehen sein, wenn es nur für Dienstleistungen ausgesprochen wird, die in einem betreffenden Mitgliedstaat angeboten werden, unabhängig davon, ob der Dienstleister in diesem oder in anderen Mitgliedstaaten ansässig ist. Die Interessenlage ist dann die gleiche wie beim freien Warenverkehr. Für diese Fälle ist somit einer Übertragung der Keck-Grundsätze auf die Dienstleistungsfreiheit zuzustimmen. 396 Dienstleistungsmodalitäten, die für alle Dienstleistungen im Inland gelten, nicht diskriminierend wirken und die Erbringung von Dienstleistungen von Inländern und Ausländern im Inland rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise betreffen, sind danach nicht als Beschränkungen im Sinne von Art. 49 EG anzusehen. Es kommt darauf an, ob der Marktzugang für die Erbringung von Dienstleistungen in diesen Fällen im Inland für Ausländer unmöglich oder gegenüber Inländern erschwert wird,397 ob also durch die Regelungen eine
Kort, JZ 1996, S. 132, 136. Daher hier für die Anwendung des Keck-Maßstabs Streinz, Europarecht, 3. Aufl. 1996, Rn. 708 c. 394 Schroeder, EuGRZ 1994, S. 373, 377, Fn. 46. 395 Everling, ZLR 1994, S. 221, 231; Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 29; Troberg, in: von der Groeben/Thiesing / Ehlermann, Art. 59 EGV, Rn. 34; Hailbronner, Handkornrnentar zum EUV, Art. 60, Rn. 28 b; so auch Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge zu EuGH, 10.5.1995, Rs. C-384/93, Slg. 1995,1-1141,1159 (Alpine Investments BV I Minister van Financien). 396 Dafür auch Streinz, Europarecht, 3. Aufl. 1996, Rn. 708 c. 397 Mülbert, ZHR 159 (1995), S. 2, 29 f.; Kort, JZ 1996, S. 132, 136. 392
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protektionistische Wirkung zugunsten der inländischen Dienstleistungen entsteht (oben § 27 III 4,5).
d) Allgemeine Regelungen Neben solchen Regelungen, die den Unternehmer, sein Produkt oder die Modalitäten seines Vertriebs betreffen, sind aber auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit weitere Vorschriften denkbar, die den grenzüberschreitenden Austausch von Dienstleistungen mittelbar betreffen können. Es gibt Regelungen, die sich nicht speziell auf die Ausübung der Dienstleistungstätigkeit beziehen, sondern "bei denen es um die verschiedenen, für die Ausübung dieser Tätigkeiten nützlichen allgemeinen Befugnisse geht". 398 Darunter werden etwa Regelungen über den Grundstückserwerb, 399 die Anmietung von Wohnungen und die Vergabe von Krediten400 subsumiert. Für solche Regelungen, die nur einen mittelbaren Bezug zur Tätigkeit selbst aufweisen, wird eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabs auf ein bloßes Diskriminierungsverbot gefordert. 401 Dies wird damit begründet, dass in diesen Fällen der im Ausland ansässige Dienstleistende aufgrund seiner Herkunft oder Ausbildung nicht vor besondere Probleme gestellt wird, und weder eine den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr erschwerende Doppelregelung bzw. Doppelbelastung droht, noch ein Verweis auf das Recht des Sitzlandes des Dienstleistenden in Frage kommt. Der EuGH hatte bisher allerdings nur Fälle zu entscheiden, die tatsächlich diskriminierende Regelungen zum Gegenstand hatten. 402 Damit wird auch hier eine Parallele zur Warenverkehrsfreiheit deutlich. Die Beispiele ähneln den Fällen, in denen es in der Rechtsprechung zum Warenverkehr um allgemeine Ordnungsvorschriften ging. Es wird daher hier nichts anderes geiten können. Unter der Voraussetzung, dass die Regelungen keinen diskriminierenden Charakter haben, also unterschiedslos anwendbar sind, nicht auf eine Regelung des freien Dienstleistungsverkehrs abzielen, und die Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr zu ungewiss und zu mittelbar sind, sind sie als nicht geeignet anzusehen, den freien Dienstleistungsverkehr zu behindern (s.o. § 28 I1I).
398 Vgl. etwa EuGH, 14. 1. 1988, Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 29, 52, Rn. 14 (Kommission/ Italien); 30. 5. 1989, Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1461, 1478, Rn. 21 (Kommission/Griechenland). 399 EuGH, 30. 5.1989, Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1461, 1478, Rn. 21 (Kommission/Griechenland). 400 EuGH, 14. 1. 1988, Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 29, 53, Rn. 17 (Kommission/Italien). 401 Wulf-Henning Roth, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I., Rn. 129. 402 EuGH, 14. 1. 1988, Rs. 63/86, Slg. 1988, S. 29 (Kommission/Italien); 30. 5. 1989, Rs. 305/87, Slg. 1989, S. 1461 (Kommission/Griechenland).
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§ 33 Bedeutung der Dienstleistungsfreiheit für das Zivilprozessrecht Bedeutung kommt der Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf das Zivilprozessrecht in zwei zu trennenden Fallgruppen zu. Zum einen sind die Art. 49, 50 EG berührt, wenn Zivilprozesse aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen entstehen, weil ein Rechtsstreit über die daraus entstehenden Ansprüche entsteht. Diese Fälle gleichen den für den freien Waren verkehr untersuchten Fällen. Zuvor soll aber auf die Fälle hingewiesen werden, in denen die Dienstleistungsfreiheit für das Zivilprozessrecht eine spezielle Bedeutung hat, weil die Erbringung der Dienstleistung selbst - also die Primärpflicht - im Zusammenhang mit einem Zivilprozess steht.
I. Vertreter im Prozess als Dienstleistungserbringer
Eine besondere Rolle spielt das Zivilprozessrecht bei der Dienstleistungsfreiheit schon deshalb, weil Vertreter in Zivilprozessen oftmals Dienstleistungen erbringen und daher in den Schutzbereich des Art. 49 EG fallen. 403 Dies wurde schon in der im ersten Teil erörterten Rechtssache Hubbardl Hamburger deutlich, in der der EuGH im Fall eines englischen Testamentsvollstreckers, der in Deutschland eine Forderung geltend machte, für die Anwendbarkeit des § 110 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. auf das besondere Diskriminierungsverbot in Art. 49 EG abstellte. Von Bedeutung sind in diesem Bereich die Vorschriften, die die Vertretung in Zivilprozessen regeln. Die Dienstleistungsfreiheit ist dann einschlägig, wenn nicht die Niederlassungsfreiheit betroffen ist, wenn also z. B. ein Rechtsanwalt nur vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird. So regelt etwa § 78 Abs. 1 ZPO, in welchen Prozessen sich die Parteien vor Gericht durch einen Anwalt vertreten lassen müssen und dass dieser Anwalt bei dem betreffenden Gericht zugelassen sein muss. 404 Unterschiede der Rechtsordnungen hinsichtlich des Anwaltszwangumfanges bei den Gerichten können den freien Wettbewerb verzerren bzw. verfälschen. Auch das Rechtsberatungsgesetz oder die Bundesrechtsanwaltsordnung können die Dienstleistungsfreiheit betreffende Regelungen enthalten.
403 Vgl. EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511 (Reisebüro Broedel Sandker); dazu kann auch EuGH, 1. 7. 1993, Rs. C-20/92, Slg. 1993, 1-3777 (HubbardlHamburger) gezählt werden, wenn auch der britische Solicitor hier im eigenen Namen klagte; allgemein zum Berufsrecht der Rechtsanwälte in Europa Kunz, Die Europäisierung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Diss. Würzburg 1997. 404 V gl. aber die Neuregelung seit dem 1. 1. 2000, nach der das Zulassungserfordernis nicht mehr für die Landgerichte gilt.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
1. Rechtsprechung des EuGH
In der Entscheidung Kommission/Deutschland aus dem Jahre 1988405 ging es unter anderem um den Grundsatz der territorialen Ausschließlichkeit im Berufsrecht der Rechtsanwälte. Nach dem Durchführungsgesetz406 zur Richtlinie zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte407 ist § 52 Abs. 2 BRAO auf EU-Ausländer entsprechend anzuwenden, soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist, die bei dem angerufenen Gericht zugelassen sind. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 78 Abs. 1 ZPO. § 52 Abs. 2 BRAO sieht vor, dass ein Rechtsanwalt, der bei dem Prozessgericht nicht zum Prozessbevollmächtigten bestellt werden kann, in der mündlichen Verhandlung nur im Beisein eines dort zugelassenen Anwalts Ausführungen machen darf. Ein Anwalt aus einem anderen Mitgliedstaat muss also auch dann, wenn er in Deutschland nur dienstleistend tätig ist, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 ZPO erfüllen, wenn er selbstständig auftreten will. Der EuGH hatte unter anderem die Frage zu beantworten, ob es gegen die heutigen Art. 49, 50 EG verstößt, wenn dienstleistende Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten der gleichen Regelung unterworfen werden wie deutsche Rechtsanwälte, die bei dem angerufenen Gericht nicht zugelassen sind. Er stellte fest, dass nach Art. 49 EG zunächst alle Diskriminierungen gegenüber Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaates zu beseitigen sind. 408 Dies impliziere aber nicht, dass jede für die Staatsangehörigen dieses Staates geltende nationale Regelung, die normalerweise eine Dauertätigkeit von in diesem Staat ansässigen Personen zum Gegenstand hat, in vollem Umfang auf zeitlich begrenzte Tätigkeiten angewandt werden kann, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen ausgeübt werden. Der Grundsatz der territorialen Ausschließlichkeit sei speziell auf die Dauertätigkeit der in Deutschland niedergelassenen Anwälte zugeschnitten, so dass er nicht auf zeitlich begrenzte Tätigkeiten von Rechtsanwälten angewendet werden könne, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, da die Voraussetzungen nicht mit den in Deutschland niedergelassenen Anwälten ve1"gleichbar seien. 409 Dienstleistende Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten dürfen danach nicht der Regelung des § 52 Abs. 2 BRAO unterworfen werden.
EuGH, 25. 2. 1988, Rs. 427/85, Slg. 1988, S. 1123 (Kommission/Deutschland). BGB!. 12000, S. 1453. 407 Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. 3. 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, ABlEG 26. 3. 1977, L 78, S. 17. 408 EuGH, 25. 2.1988, Rs. 427/85, Slg. 1988, S. 1123, 1165, Rn. 39 f. (Kommission/ Deutschland). 409 EuGH, 25. 2.1988, Rs. 427/85, Slg. 1988, S. 1123, 1165, Rn. 41 f. (Kommission/ Deutschland); So auch EuGH, 10.7.1991, Rs. C-294/89, Slg. 1991,1-3591 (Kommission/ Frankreich). 405
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3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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Im Urteil Säger/Dennemeyer41O von 1991 ging es um eine englische Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung von Patenten spezialisiert war und unter anderem Kunden in Deutschland hatte. Die Leistung der englischen Gesellschaft bestand darin, Patente zu überwachen, die Inhaber über Gebühren für deren Aufrechterhaltung zu benachrichtigen und bei entsprechendem Auftrag die Gebühren zu entrichten. Ein deutscher Patentanwalt klagte gegen diese Gesellschaft unter anderem mit der Begründung, sie verstoße gegen Art. I § 1 Abs. 1 des deutschen Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). Danach ist für die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten eine Erlaubnis erforderlich. Die Vorlagefrage des Oberlandesgerichts München ging dahin, ob es gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt, wenn diese Erlaubnis Personen vorbehalten wird, die über eine besondere berufliche Qualifikation wie die des Patentanwalts verfügen. Eine Diskriminierung lag nicht vor, da auch eine deutsche Gesellschaft, die die gleichen Dienstleistungen wie die englische Gesellschaft erbringt, diese Erlaubnis nicht erhalten würde. 411 Der EuGH sah in dem Erfordernis einer behördlichen Erlaubnis eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. 412 Zwar erkannte er als Allgemeininteresse den Schutz des Empfängers vor Schäden an, die durch unqualifizierten Rechtsrat entstehen können, jedoch hielt er die Regelung angesichts der einfachen Art der Aufgaben und des geringen Risikos für die Kunden für unverhältnismäßig. 413 Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG ist damit auf Dienstleistungen, die die Aufrechterhaltung von Patenten betreffen, nicht anwendbar. Auch in der Entscheidung Reisebüro Broede 414 ging es um den deutschen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, diesmal speziell um dessen Satz 2 Nr. 5. Danach ist für die außergerichtliche Einziehung fremder Forderungen durch Inkassounternehmen eine Erlaubnis erforderlich. Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die gerichtliche Einziehung fremder Forderungen nur unter Einschaltung eines Rechtsanwalts möglich ist. Einem französischen Inkassounternehmen wurde daher die Postulationsfähigkeit bestritten, als es in Vertretung des Gläubigers bei dem zuständigen Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (§§ 828, 829 ZPO) erwirken wollte. Die Beauftragung eines Rechtsanwalts war mit entsprechenden Mehrkosten verbunden. Ein solches Verbot ist in Frankreich nicht bekannt. Der französische Anbieter berief sich auf seine Dienstleistungsfreiheit. Der EuGH prüfte, ob die unterschiedslos anwendbare Rechtsnorm gegen Art. 49 EG verstößt. Eine Beschränkung im Sinne von Art. 49 EG liege vor, da die Erbringung der EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Sig. 1991,1-4221 (Säger /Dennemeyer). Schlussanträge Generalanwalt Jacobs zu EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Sig. 1991, 1-4221,4233 (Säger/Dennemeyer). 412 EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Sig. 1991,1-4221,4244, Rn. 16 (Säger/Dennemeyer). 413 EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Sig. 1991,1-4221,4244 f., Rn. 16 ff. (Säger/Dennemeyer). 414 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3 /95, Sig. 1996,1-6511 (Reisebüro Broede/ Sandker). 410 411
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
Dienstleistungen im Bestimmungsland selbst dann unmöglich gemacht werde, wenn sich der Leistungsempfänger nur ganz gelegentlich im Aufnahmestaat betätige. 415 Er hielt die Regelung aber im Ergebnis für vereinbar mit zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses, da sie den Empfanger der betroffenen Dienstleistung davor bewahre, dass ihm durch Rechtsrat von Personen, die nicht die erforderliche berufliche Qualifikation besitzen, Schaden entstünde. Außerdem sichere sie die Funktionsfahigkeit der Rechtspflege. 416 Auch die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Abgestellt wird dabei insbesondere darauf, dass es jedem Mitgliedstaat in Ermangelung besonderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften in diesem Bereich freisteht, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs für sein Hoheitsgebiet zu regeln, da die Anwendung von Berufsregelungen auf die Anwälte den Empfängern rechtlicher Dienstleistungen und der Rechtspflege die erforderliche Gewähr für Integrität und Erfahrung bietet. 417 Die Beurteilung der Notwendigkeit, die geschäftsmäßige gerichtliche Einziehung von Forderungen Rechtsanwälten vorzubehalten, falle beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. 418 Der Umstand, dass in Frankreich in diesem Fall kein Anwaltszwang besteht und dort daher weniger strenge Vorschriften gelten als in Deutschland, führte also nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Norm.
2. Einordnung als untemehmensbezogene Beschränkungen
Diese Entscheidungen sind der Kategorie der unternehmensbezogenen Beschränkungen zuzuordnen (s.o. § 3211 2 a), da dem Dienstleistungserbringer selbst Vorschriften hinsichtlich der Erbringung seiner Leistung gemacht werden, z. B. die Voraussetzung der Zulassung als Rechtsanwalt für die gerichtliche Geltendmachung fremder Forderungen. Die Vorschriften bewirken eine unmittelbare Behinderung seiner grenzüberschreitenden Tatigkeit. Dies kann zu starken Einschränkungen führen, im äußersten Fall dazu, dass die grenzüberschreitende Erbringung der Dienstleistung für ihn dadurch unmöglich wird. 419
415 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6537, Rn. 27 (Reisebüro Broede/ Sandker). 416 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6538, Rn. 31 (Reisebüro Broede/ Sandker) mit Nachweisen. 417 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6540, Rn. 37 f. (Reisebüro Broede/ Sandker). 418 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6540, Rn. 41 (Reisebüro Broede/ Sandker). 419 Vgl. EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6537, Rn. 27 (Reisebüro Broede / Sandker).
3. Kap.: Die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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3. Prüfungsmaßstab Für das Vorliegen einer Beschränkung ist nach den dargestellten Urteilen entscheidend, ob die betreffende nationale Regelung geeignet ist, die Tätigkeit des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern. 42o Während der EuGH in Fall Kommission/Deutschland noch mit dem Vorliegen einer Beschränkung gleichzeitig die Nichtanwendbarkeit der nationalen Norm bejahte, prüfte er in den späteren Entscheidungen die Vereinbarkeit der nationalen Normen mit Art. 49 EG weiter anhand der im Fall Cassis de Dijon aufgestellten Maßstäbe. Nach der oben dargestellten Einteilung ist dieser Prüfungsmaßstab nur folgerichtig. Die dienstleistende Berufstätigkeit des Prozessvertreters muss danach grundsätzlich ohne nationale Beschränkungen europaweit ausgeübt werden können, wenn diese Dienstleistung im Heimatstaat des Dienstleistungserbringers rechtmäßig ist (Herkunftslandprinzip), soweit nicht zwingende Erfordernisse für die jeweilige beschränkende Regelung bestehen. 421 Ein zwingendes Erfordernis kann sich insbesondere aus dem Verbraucherschutz bzw. dem Schutz des Dienstleistungsempfängers ergeben. Beschränkende Normen können notwendig sein, um den Dienstleistungsempfänger vor unqualifizierter Rechtsberatung zu schützen. 422 Als Ausdruck eines ,judicial seifrestraint" lässt sich insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Entscheidung Reisebüro Broede deuten,423 in der der EuGH die Beurteilung der Notwendigkeit, die geschäftsmäßige gerichtliche Einziehung von Forderungen Rechtsanwälten vorzubehalten, den Mitgliedstaaten überlässt. 424 Er gesteht in diesem Bereich dem nationalen Gesetzgeber also einen weiten Gestaltungsspielraum für die Ausformung des nationalen Rechts ZU. 425 Verlangt wird nur, dass eine Schutzgewährung, die Einschränkungen einer Grundfreiheit bewirkt, auf die Fälle eines konkret nachgewiesenen Schutzbedürfnisses beschränkt bleibt. 426
420 EuGH, 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg. 1991, 1-4221, 4243, Rn. 12 (Säger/Dennemeyer) 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996, 1-6511, 6537, Rn. 25 (Reisebüro Broede/ Sandker). 421 Deckert, DZWiR 1997, S. 142, 144. 422 So insbes. die Regelungen des RBerG, vgl. auch EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6540, Rn. 39 (Reisebüro Broede/Sandker). 423 So auch Deckert, EWiR 1997, S. 453, 454. 424 EuGH, 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg. 1996,1-6511,6540, Rn. 41 (Reisebüro Broede/ Sandker). 425 So auch Herbert Roth, in: Müller-Graff/Herbert Roth (Hrsg.), Recht und Rechtswissenschaft, 2000, S. 351, 363. 426 Steindorff, in: Brüggemeier (Hrsg.), Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994, S. BI, 144.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
4. Ergebnis
Durch Regelungen zum Berufsrecht der Rechtsanwälte bzw. die Einschränkung des Personenkreises, der für die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen in Betracht kommt, werden in grenzüberschreitenden Fällen unmittelbare Hindernisse für die Erbringung solcher Dienstleistungen aufgestellt. Der Anwendung des Cassis de Dijon-Maßstabs ist deshalb zuzustimmen. Die unter diese Kategorie fallenden zivil prozessualen Regelungen sind allerdings begrenzt. Es handelt sich nur um solche Normen, die das "ob" und "wie" der gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen durch Anwälte bzw. sonstige Prozessvertreter regeln. 11. Rechtsstreitigkeiten durch grenzüberschreitende Dienstleistungen
Von den genannten Fällen abzugrenzen sind solche Hindernisse für die Dienstleistungsfreiheit, die mit den bei der Warenverkehrsfreiheit untersuchten Fällen vergleichbar sind. Zu denken ist an Fälle, in denen ein Rechtsstreit infolge einer grenzüberschreitenden Dienstleistung entsteht.
1. Rechtsprechung des EuGH
In der Pe1jili-Entscheidung427 des EuGH ging es um eine italienische Vorschrift, nach der es für die Zulässigkeit einer Adhäsionsklage vor dem Strafgericht erforderlich ist, dass dem Vertreter des auf zivilen Schadensersatz klagenden Opfers einer Straftat eine besondere Vollmacht für die Klageerhebung erteilt wird. Der englische Kläger hatte seinem Vertreter aber nur eine - nach englischem Recht ausreichende - allgemeine Vollmacht erteilt. Ein Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot, wie ihn das vorlegende Gericht annahm, lag nicht vor, da das Hindernis sich nur aus den Unterschieden zweier Rechtsordnungen ergab (dazu oben § 9 III). Zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit oder die Dienstleistungsfreiheit konnte der EuGH hier allerdings nicht Stellung nehmen, da die Vorlagefrage darauf nicht gerichtet war und die dem Gerichtshof mitgeteilten Gesichtspunkte für eine solche Beurteilung nicht ausreichten. 428 Er stellte nur fest, dass eine derartige Regelung die Möglichkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Versicherungsgesellschaft beriihrt, im Aufnahmestaat ihre zivilrechtlichen Interessen wahrzunehmen, und daher anband der Niederlassungs- oder der Dienstleistungsfreiheit im Aufnahmestaat zu priifen ist. 429
427 428 429
EuGH, l. 2.1996, Rs. C-I77/94, Slg. 1996,1-161 (Perfili). EuGH, l. 2.1996, Rs. C-I77/94, Slg. 1996,1-161,176, Rn. 18 (Perfili). EuGH, l. 2.1996, Rs. C-I77/94, Slg. 1996,1-161,175, Rn. 16 (Perfili).
3. Kap.: Die DienstIeistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EG
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2. Einordnung und Prüfungsmaßstab Nach der Feststellung, dass bei der Dienstleistungsfreiheit - abgesehen von der bei der Dienstleistungsfreiheit zusätzlich bestehenden Kategorie der untern ehmensbezogenen Beschränkungen - die gleichen Gruppen von Behinderungen gebildet werden können wie bei der Warenverkehrsfreiheit, ist eine parallele Behandlung zu den behandelten Fällen im Bereich der Warenverkehrsfreiheit geboten. Auch hier entstehen die Zivilprozesse infolge der Ausübung der Grundfreiheit. Die Verneinung des Vorliegens einer Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs ist danach zum einen aus einem Erst-recht-Schluss zur Kategorie der Vertriebsmodalitäten, die unter Anwendung der Keck-Grundsätze nicht in den Anwendungsbereich des Art. 49 EG fallen (oben § 27), denkbar. Wenn schon Verkaufsmodalitäten, wenn sie unterschiedslos anwendbar sind und nicht auf eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs gerichtet sind, aufgrund ihrer fehlenden protektionistischen Wirkung zugunsten inländischer Dienstleistungen nicht unter die Behinderungen im Sinne der Art. 49, 50 EG fallen, muss dies erst recht für Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensordnungen gelten. Möglich ist auch eine parallele Begründung zur Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit, die allgemeine Ordnungsvorschriften betraf (oben § 28). Danach fallen nationale Zivilprozessnonnen, die den allgemeinen Ordnungsvorschriften zugeordnet werden können, nicht unter den Behinderungsbegriff der Art. 49, 50 EG, da sie unterschiedslos anwendbar sind, nicht den Dienstleistungsverkehr regeln sollen und ihre Auswirkungen zu ungewiss und zu mittelbar sind, als dass sie als geeignet angesehen werden könnten, den freien Dienstleistungsverkehr zu behindern. Zu beachten sind hierbei dann die Erwägungen, die hinter der Fonnulierung "zu ungewiss und zu mittelbar" stehen (s.o. § 28 III 3). Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man für Regelungen, die nur einen mittelbaren Bezug zur Dienstleistungsfreiheit haben, generell den Prüfungsmaßstab auf ein Diskriminierungsverbot reduziert (s.o. § 3211 2 d). Sinnvoll ist es, auch hier die beiden Ansätze (wie oben § 29) in Einklang zu bringen. Die Voraussetzungen für die Verneinung der Eignung zur Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs sind danach die unterschiedslose Anwendbarkeit der betreffenden Regelungen auf eingeführte und innerstaatliche Dienstleistungen, die mangelnde Finalität der Maßnahme zur Regelung des freien Dienstleistungsverkehrs und die fehlende einfuhrbehindernde Wirkung. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die Regelung keine protektionistische Wirkung zugunsten von inländischen Dienstleistungen entfaltet, eine andere Grundfreiheit vorrangig einschlägig ist oder keine feststellbare Kausalität zwischen Regelung und Auswirkungen auf den Dienstleistungsverkehr besteht. Unterschiede nationaler Zivilprozessrechtsnonnen sind danach jedenfalls mangels protektionistischer Wirkung zugunsten der inländischen Dienstleistungen in diesem Bereich auch nicht zur Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs geeignet.
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2. Teil: Unterschiede nationaler Zivilprozessrechte als Behinderung
§ 34 Ergebnis zur Dienstleistungsfreiheit Zivilprozessuale Nonnen fallen damit nur ausnahmsweise unter den Behinderungsbegriff des freien Dienstleistungsverkehrs. Dies ist der Fall, wenn die Erbringung der Dienstleistung selbst im Zusammenhang mit einem Zivilprozess steht, also regelmäßig dann, wenn das Zivilverfahrensrecht Regelungen für die Vertretung im Prozess festlegt. Geht es hingegen nur um Rechtsstreitigkeiten, die im Falle grenzüberschreitender Dienstleistungen entstehen, liegen in paralleler Behandlung zur Warenverkehrsfreiheit keine Behinderungen im Sinne der Art. 49, 50 EG durch Unterschiede der nationalen Zivilverfahrensvorschriften vor.
Gesamtergebnis und Ausblick Die Untersuchung hat gezeigt, dass es auch außerhalb von Übereinkommen, sekundärem Gemeinschaftsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention zu Einflüssen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Zivilprozessrecht kommt. Die in Teil 1 herausgearbeiteten Einwirkungen durch das Diskriminierungsverbot stellen Beschränkungen dar, die aus der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von nationalen Zivilprozessnormen folgen. Der eingangs geschilderte Grundfall (oben § 1 I) ist nach alledem so zu lösen, dass die Forderung einer Prozesskostensicherheit von dem Kläger allein aufgrund seiner Ausländereigenschaft im Falle eines Rechtsstreits, der aus einem grenzüberschreitenden Warengeschäft entsteht, gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot verstößt. Nachdem der EuGH bereits festgestellt hat, dass Art. 12 Abs. 1 EG bzw. die speziellen Diskriminierungsverbote so auszulegen sind, dass einige zivilprozessuale Vorschriften sich damit nicht im Einklang befinden, sind die nationalen Zivilprozessordnungen daraufhin zu untersuchen, ob weitere Normen im Anwendungsbereich des EG-Vertrages außer Acht zu lassen sind (dazu oben §§ 13-18). Der nationale Gesetzgeber könnte sich auch hier bei Feststellung eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot zu einer Änderung der Vorschriften - wie dies bei §§ 110 und 917 ZPO geschehen ist entschließen, um für Rechtsklarheit zu sorgen. Demgegenüber haben die Untersuchungen in Teil 2 ergeben, dass die Beschränkungsverbote der Grundfreiheiten grundsätzlich bei Unterschieden der nationalen Zivilprozessordungen nicht eingreifen. Eine Ausnahme bilden die Fälle, in denen gerade die Vertretung im Prozess die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit darstellt. In diesem Bereich können Beschränkungen, die sich daraus ergeben, dass ein Mitgliedstaat strengere Anforderungen an den Prozessvertreter stellt als andere Mitgliedstaaten, unter den Tatbestand der Dienstleistungsfreiheit subsumiert werden. Der EuGH gewährt dem nationalen Gesetzgeber im Bereich des Zivilprozessrechts allerdings großzügige Spielräume, um zwingende Erfordernisse nachzuweisen. Darüber hinaus bleibt es gegenwärtig bei dem Nebeneinander der nationalen Zivilprozessordnungen. Die in den Grundfallen (oben § 1 11 und II1) dargestellten Nachteile, die sich aus den Unterschieden der Zivilprozessordnungen bei der Ausübung der Grundfreiheiten ergeben, sind hinzunehmen, da keine Behinderungseignung im Sinne der Tatbestände der Art. 28 bzw. 49 EG vorliegt, zumal eine Anwendung des Herkunftslandprinzips nicht in Betracht kommt. Harmonisierungen, die diese Nachteile abbauen, können sich allerdings in Zukunft aus Art. 65 EG ergeben, durch den die justizielle Zusammenarbeit in Zivil13 Tonsfeuerbom
194
Gesamtergebnis und Ausblick
sachen vergemeinschaftet wurde. Dadurch sind weitreichende Kompetenzen im Bereich des Zivilprozessrechts entstanden. Zwar beschränken sich Art. 65 lit. a und b EG mit Kompetenzen auf den Gebieten der Zustellung, Beweismittelerhebung, der Anerkennung und Vollstreckung und der Zuständigkeit auf die klassischen Bereiche des internationalen Zivilprozessrechts. Hingegen wird insbesondere Art. 65 lit. c EG, der die Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivil verfahren vorsieht, von den EG-Organen sehr weit ausgelegt. Dies zeigt sich insbesondere an dem Aktionsplan von Rat und Kommission für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. I Die dort aufgeführten Ziele wurden auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in Tampere (Finnland) am 15. und 16. 10. 1999 bekräftigt und der Maßnahmenkatalog erweitert. Zu einem Raum des Rechts gehören danach die unproblematische Feststellung des zuständigen Gerichts, die eindeutige Festlegung des anwendbaren Rechts, zügige und gerechte Verfahren sowie eine wirksame Vollstreckung. 2 Der Aktionsplan legt zahlreiche Harmonisierungsakte fest, die innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren beschlossen werden sollen. Für den Bereich des Zivilverfahrensrechts stehen die Schaffung eines effektiven Rechtsschutzes und der Zugang zur Justiz im Vordergrund, der rascher, wirksamer und kostengünstiger als bisher werden soll. Aus der Beschränkung auf Regelungen mit spezifischem grenzüberschreitenden Bezug ergibt sich, dass nicht die bestehenden wesentlichen Unterschiede zwischen den einzelstaatlichen Verfahrenssystemen abgebaut werden sollen. Ziel ist die Erreichung von Rechtssicherheit und Vertrauen in die Gerichtsbarkeit unter Berücksichtigung der starken Verwurzelung des Verfahrensrechts in der nationalen juristischen Tradition und der Komplexität der nationalen Systeme. Die Konzentration soll auf einige bestimmte divergierende Punkte gerichtet werden, deren Beibehaltung von Nachteil für die reibungslose Zusammenarbeit und das Funktionieren der Justiz in der Europäischen Union sind. 3 Im Einzelnen sind etwa geplant ein einheitliches europäisches Mahnverfahren,4 ein harmonisierter einstweiliger Rechtsschutz,5 die Vereinheitlichung der Sicherheitsleistungen für Prozesskosten,6 die Harmonisierung der Verfahrenskosten und Anwaltsgebühren7 und Mindeststandards zur Gewährleistung eines angemessenen Niveaus der Prozesskostenhilfe. 8 ABlEG 23.1. 1999, C 19, S. 1. ABlEG 23.1. 1999, C 19, S. 1,4,19. 3 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 12. 4 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 13; Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Tampere, BuH. EU 10/99, S. 7, 11, Nr. 30. 5 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 6, 10 f. 6 Aktionsplan des Rates und der Kommission, ABlEG 23.1. 1999, C 19, S. 1, 11. 7 Kommissionsmitteilung, ABlEG 31. 1. 1998, C 33, S. 3, 5 unter Hinweis auf eine Studie im Auftrag der Kommission und auf die Antworten auf einen Fragebogen. 8 Grünbuch der Kommission, KOM (2000) 51 endg. vorn 9.2.2000; Aktionsplan des Rates und der Kommission, ABlEG 23. 1. 1999, C 19, S. 1,5; Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates in Tampere, BuH. EU 10/99, S. 7,11, Nr. 30. 1
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Gesamtergebnis und Ausblick
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Durch die Vergemeinschaftung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in Art. 65 EG können nun in vielen Bereichen anstelle von Staatsverträgen Gemeinschaftsrechtsakte in Kraft treten. Dies ist mit Vorteilen wie z. B. größerer Flexibilität und Effizienz bei Änderungen verbunden. Gerade im Hinblick auf die im ersten Teil behandelten Probleme der Vereinbarkeit nationalen Verfahrensrechts mit dem Gemeinschaftsrecht hat eine Harmonisierung über Art. 65 EG Vorteile gegenüber der Rechtsangleichung durch den EuGH. Dieser kann bei seinen Entscheidungen, die meist im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens entstehen, nur sehr punktuell etwa Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfassen. Die Vergemeinschaftung bringt aber auch Nachteile mit sich, insbesondere durch die Nichtteilnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark. 9 Problematisch an den Vorhaben der Organe zur Verwirklichung der neuen Kompetenzen des Art. 65 EG ist vor allem die sehr weite Auslegung des grenzüberschreitenden Bezuges und der angestrebte kurze Zeitraum, in dem die genannten Vorhaben verwirklicht werden sollen. Gründliche rechts vergleichende Untersuchungen, wie sie jede Harmonisierung voraussetzt, \0 können in so kurzer Zeit nicht erfolgen. Eine vorangehende breite rechtspolitische Diskussion ist aber schon deshalb erforderlich, weil gerade in einem so komplexen Bereich wie dem Zivilverfahrensrecht, das zudem eng mit dem materiellen Privatrecht der Mitgliedstaaten verzahnt ist, eine Herauslösung einzelner Elemente zur Rechtsvereinheitlichung problematisch ist. 11
9 Art. 69 EG i.Y.rn. entsprechenden Protokollen, ABlEG 10. 11. 1997, C 340, S. 99 und 101; Abdruck der Protokolle auch in: Lenz, EG-Vertrag Kommentar, Art. 69 EG; vgl. auch Ehlermann, EuR 1997, S. 380, 395. 10 Herbert Roth, ZZP 109 (1996), S. 271, 313; Heß, NJW 2000, S. 23, 31. 11 Heß, NJW 2000, S. 23, 31 f.
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Rs.
FundsteIle
Name
5.2.1963
26/62
Sig. 1963, S. 1
Van Gend en Loos / Administratie der Belastingen
30.6.1966
56/65
Sig. 1966, S. 281
Societe Technique Miniere / Maschinenbau UIrn
13.2. 1969
14/68
Sig. 1969, S. 1
Walt Wilhelrn u. a. / Bundeskartellamt
12.2.1974
152/73
Sig. 1974, S. 153
Sotgiu / Deutsche Bundespost
3. 7. 1974
192/73
Sig. 1974, S. 731
Van Zuylen/Hag AG
11. 7.1974
8/74
Sig. 1974, S. 837
Staatsanwaltschaft / Dassonville
3. 12. 1974
33/74
Sig. 1974, S. 1299 van Binsbergen / Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid
20.2.1975
12/74
Sig. 1975, S. 181
26.11. 1975
39/75
Sig. 1975, S. 1547 Coenen / Sociaal-Economische Raad
26.2.1976
65/75
Sig. 1976, S. 291
Tasca
15. 12. 1976
35/76
Sig. 1976, S. 1871
Sirnrnenthal Spa / Ministero delle finance
16. 12. 1976
33/76
Sig. 1976, S. 1989 Rewe-Zentraifinanz·AG / Landwirtschaftskammer für das Saarland
9.6.1977
90/76
Sig. 1977, S. 1091
van Arneyde / UCI
13.7.1977
61/77
Sig. 1978, S. 417
Kommission / Irland
14.7. 1977
8/77
Sig. 1977, S. 1495 Sagul0, Brenca u. Bakhouche
9.3.1978
106/77
Sig. 1978, S. 629
28.6.1978
1/78
Sig. 1978, S. 1489 Kenny / Insurance Officer
24.10.1978
15/78
Sig. 1978, S. 1971
Societe generale de banque alsacienne / Koestler
25.10.1978
125/77
Sig. 1978, S. 1991
Koninklijke Scholten-Honig NV u. a. / Hoofdrproduktschap voor Akkerbouwprodukten
7.2.1979
115/78
Sig. 1979, S. 399
Knoors / Staatssekretär für Wirtschaft
20.2.1979
120/78
Sig. 1979, S. 649
Rewe Zentral-AG / Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ("Cassis de Dijon")
28.3.1979
175/78
Sig. 1979, S. 1129 Saunders
Kommission / Deutschland
Amministrazione delle Finanze dello stato / Sirnrnenthal
Register der Entscheidungen des EuGH 8. 11. 1979
15/79
Slg.1979,S.3409 Groenveld BV /Produktschap voor Vee en Vlees
5.3.1980
265/78
Slg. 1980, S. 617
213
Ferwerda / Produktschap voor Vee en Vlees
18.3.1980
52/79
Slg. 1980, S. 833
Procureur du Roi / Debauve
26.6.1980
788/79
Slg. 1980, S. 2071
Strafverfahren gegen Gilli u. Andres
16.10.1980
147/79
Sig. 1980, S. 3005 Hochstrass / Gerichtshof
29.10.1980
22/80
Sig. 1980, S. 3427 Boussac Saint-Freres / Gerstenmeier
19. 2. 1981
130/80
Sig. 1981, S. 527
14. 7. 1981
155/80
Sig. 1981, S. 1993 Bußgeldverfahren gegen Oebel Sig. 1981, S. 3305 Strafverfahren gegen Webb
Strafverfahren gegen Fabriek voor Hoogwaardige Voedingsprodukten Kelderman BV
17. 12. 1981
279/80
31.3.1982
75/81
Slg. 1982, S. 1211
6.10.1982
283/81
Slg. 1982, S. 3415 C.I.L.F.I.T. u. Lanificio di Gavardo/ Ministero della Sanita
27. 10. 1982
35 u. 36/82
Slg. 1982, S. 3723 Morson u. Jhanjan / Niederlande
Blesgen / Belgien
15. 12. 1982
286/81
Slg. 1982, S. 4575 Strafverfahren gegen Oosthoek
31. 1. 1984
286/82 u.26/83
Sig. 1984, S. 377
Luisi u. Carbone / Ministero dei Tesoro
28. 2. 1984
247/81
Slg. 1984, S. 1111
Kommission / Deutschland
13. 3. 1984
16/83
Sig. 1984, S. 1299 Strafverfahren gegen Prantl
5.4.1984
177 u. 178/82
Sig. 1984, S. 1797 Strafverfahren gegen van de Haar u. deMeem
13. 12. 1984
106/83
Slg. 1984, S. 4209 Serrnide / Cassa Conguaglio Zucchero
13.2.1985
293/83
Slg. 1985, S. 583
11. 7.1985
60u. 61/84
Slg. 1985, S. 2605 Cinetheque / Federation Nationale des Cinemas Francais
17.4.1986
59/85
Slg. 1986, S. 1283 Niederlande / Reed
23. 10. 1986
355/85
Slg. 1986, S. 3231
13. 11. 1986
80u. 159/85
Slg. 1986, S. 3359 Nederlandse Bakkerij Stichting / Edah
Gravier / Stadt Lüttich
Driancourt / Cognet
25. 11. 1986
148/85
Slg. 1986, S. 3449 Direction Generale des Impots / Forest
4. 12. 1986
205/84
Slg. 1986, S. 3755 Kommission / Deutschland
18.2.1987
98/86
Slg. 1987, S. 809
12.3.1987
178/84
Sig. 1987, S. 1227 Kommission / Deutschland
14. 1. 1988
63/86
Slg. 1988, S. 29
Kommission / Italien
19. 1. 1988
223/86
Slg. 1988, S. 83
Pesca Valentia / Minister for Fisheries and Forestry
Ministere Public / Mathot
214
Register der Entscheidungen des EuGH
25. 2. 1988
427/85
Sig. 1988, S. 1123
Kommission I Deutschland
20.9.1988
302/86
Sig. 1988, S. 4607
Kommission I Dänemark
2.2.1989
186/87
Sig. 1989, S. 195
Cowan I Tresor Public
16.5.1989
382/87
Sig. 1989, S. 1235 Buet I Ministere Public
30.5.1989
305/87
Sig. 1989, S. 1461
Kommission I Griechenland
23. 11. 1989
C-145/88
Sig. 1989, S. 3851
Torfaen I B&Q
7.3.1990
C-69/88
Sig. 1990, 1-583
Krantz GmbH & Co. I Outvanger der Directe Belastungen u. Niederländischer Staat
7.3.1990
C-362 I 88 Slg. 1990,1-667
GB-INNO-BM I Confederation du commerce luxembourgois
19.6.1990
C-213 I 89 Sig. 1990,1-2433
Factortame
11. 7.1990
C-23/89
Quietlynn u. Richards I Southend Borough Council
5.8.1990
C-175/88 Sig. 1990, 1-1779
24. 1. 1991
C-339/89 Sig. 1991,1-107
Alsthom Atlantique I Sulzer
28.2.1991
C-332189 Sig. 1991,1-1027
Strafverfahren gegen Marchandise u. a.
21. 3. 1991
C-369/88 Sig. 1991,1-1487
Strafverfahren gegen Delattre
21. 3. 1991
C-60/89,
Strafverfahren gegen Monteil u. Samanni
30.4.1991
C-239/90 Slg. 1991,1-2023
SCP Boscher u. a. I British Motors Wright u. a.
10.7. 1991
C-294/89
Sig. 1991,1-3591
Kommission I Frankreich
C-l u.
Slg. 1991,1-4151
Aragonesa de Publicidad Exterior u. Publivia I Departamento de Sanidad y Seguridad Sochial de Cataluiia
C-76/90
Sig. 1991,1-4221
Säger I Dennemeyer & Co. Ltd
C-6
Sig. 1991,1-5357
Francovich u. a. I Italien
25. 7. 1991
Sig. 1990,1-3059
Sig. 1991,1-1547
176/90
25.7. 1991 19. 11. 1991
Biehl I Administration des Contributions
u.9/90
10. 12. 1991
C-179/90 Sig. 1991,1-5889
Merci convenzionali porto di Genoval Siderurgica Gabrielli
28. 1. 1992
C-332190 Slg. 1992,1-341
Steen I Deutsche Bundespost
28. 1. 1992
C-204/90 Sig. 1992,1-249
Bachmann I Belgien
28. 1. 1992
C-300/90 Sig. 1992,1-305
Kommission I Belgien
C-13
Sig. 1992,1-3617
Strafverfahren gegen Debus
4.6.1992
u.113/91
16. 12. 1992
C-169/91
Sig. 1992,1-6635
City of Stoke on Trent/B&Q Ple.
18.5.1993
C-126/91
Sig. 1993,1-2361
Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft e. V. I Yves Rocher GmbH
Register der Entscheidungen des EuGH 25.5.1993
C-271 192 Slg. 1993,1-2899
215
Laboratoire de protheses oculaires I Union nationale des syndicats d'opticiens de France u. a.
1. 7. 1993
C-20/92
Slg. 1993, 1-3777
Hubbard I Hamburger
13.10.1993
C-93 192
Slg. 1993,1-5009
CMC Motorradcenter GmbH I Pelin Baskiciogullari
20.10.1993
C-92 u. 326/92
Slg. 1993,1-5145
Phil Collins Ilmtrat Handelsgesellschaft mbH
24. 11. 1993
C-267 u.268/91
Slg. 1993,1-6097
Strafverfahren gegen Keck u. Mithouard
15. 12. 1993
C-292/92 Slg. 1993,1-6787
Hünermund u. a.1 Landesapothekerkarnmer Baden-Württemberg
2.2.1994
C-315/92 Slg. 1994,1-317
Verband Sozialer Wettbewerb e. V.I Clinique SNC u. Estee Lauder Cosmetics GmbH
10.2.1994
C-398 192 Slg. 1994, 1-467
Mund & Fester I Hatrex International Transport
15.3.1994
C-45 193
Slg. 1994, 1-911
Kommission I Spanien
24.3.1994
C-80/92
Slg. 1994,1-1019
Kommission I Belgien
24.3.1994
C-275/92 Slg. 1994, 1-1039
H.M. Customs and Excise I Schindler
1. 6. 1994
C-317/92 Slg. 1994,1-2039
Kommission I Deutschland
2.6.1994
C-69u. 258/93
Punto Casa SpA I Sindaco del Comune di Capena und Comune di Capena und Promozioni Polivalenti Venete Soc. coop. arl.1 Sindaco deI Comune di Torri di Quartesolo und Comune di Torri di Quartesolo (Punto Casa u. PVV)
2.6.1994
C-401 Slg. 1994,1-2199 u.402/92
Strafverfahren gegen Tankstation 't Heukske u. Boermans
14. 7. 1994
C-17/93
Strafverfahren gegen Van der Veldt
14. 7. 1994
C-379/92 Slg. 1994,1-3453
Strafverfahren gegen Peralta
5.10.1994
C-323 193 Slg. 1994,1-5077
Centre d'insemination de la Crespellel Cooperative d' elevage et d' insemination artificielle du departement de la Mayenne
5. 10. 1994
C-381 193 Slg. 1994,1- 5145
Kommission I Frankreich
9.2.1995
C-412193 Slg. 1995,1-179
Leclerc-Siplec I TFI Publicite SA
10.5.1995
C-384/93 Slg. 1995,1-1141
Alpine Investments BV I Minister van Financien
29.6.1995
C-391192 Slg. 1995,1-1621
Kommission I Griechenland
Slg. 1994,1-2355
Slg. 1994,1-3537
216 6. 7. 1995
Register der Entscheidungen des EuGH C-470/93
Slg. 1995,1-1923
Verein gegen Unwesen in Handel u. Gewerbe Köln 1Mars
11. 8.1995
C-63 194
Slg. 1995,1-2467
Belgapom/lTM u. Vocarex
5. 10. 1995
C-96/94
Slg. 1995,1-2883
Centro Servizi Spediporto 1Spedizioni Marittima deI Golfo deI Grappa
17. 10. 1995
C-140-
Slg. 1995,1-3257
Dip u. a.1 Commune di Bassano del Grappa
142/92
30. 11. 1995
C-134/94 Slg. 1995,1-4223
Esso Espaiiola 1Comunidad Autonoma di Canarias
1. 2. 1996
C-177/94 Slg. 1996,1-161
Strafverfahren gegen Perfili
7.3.1996
C-334/94 Slg. 1996,1-1307
Kommission 1Frankreich
28. 3. 1996
C-272/94 Slg. 1996,1-1905
Strafverfahren gegen Guiot
20.6.1996
C-418/93
Slg. 1996,1-2975
Semeraro Casa Uno Sr1. u. a.1 Sindaco deI Commune di Erbusco u. a. Data Delecta Aktiebolag u. Ronny Forsberg 1MSL Dynamics Ltd.
u. a. 26.9.1996
C-43/95
Slg. 1996,1-4661
12. 12. 1996
C-3/95
Slg. 1996,1-6511
Reisebüro Broede 1Sandker
23. 1. 1997
C-29/95
Slg. 1997,1-285
Pastoors u. Trans-Cap 1Belgien
20.3.1997
C-323/95
Slg. 1997,1-1711
Hayes 1Kronenberger
9. 7. 1997
C-222/95
Slg. 1997,1-3899
SCI Parodi 1Banque de Bary
2.10.1997
C-122/96
Slg. 1997,1-5325
Saldanha u. MTS Securities Corporation 1Hiross Holding AG
2. 12. 1997
C-336/94 Slg. 1997,1-6761
Dafeki 1Landesversicherungsanstalt Württemberg
28.4.1998
C-120/95 Slg. 1998,1-1831
Decker 1Caisse de maladie des employes prives
28.4.1998
C-118/96
Safrr 1Skattemyndigheten i Dalamas län
28.4.1998
C-158/96 Slg. 1998,1-1931
12.5.1998
C-85/96
18.6.1998
C-266/96 Slg. 1998,1-3949
Slg. 1998, 1-1897 Slg. 1998,1-2691
Kohll 1Union des caisses de maladie Martinez Sala/Freistaat Bayern Corsica Ferries France SA 1 Gruppo Antichi Ormeggiatori des porto di Genova Coop. Ar1. u. a.
17.11. 1998
C-391 195 Slg. 1998, 1-7091
van Uden Maritime BV 1Deco Line KG
24.11. 1998
C-274 196 Slg. 1998,1-7637
Strafverfahren gegen Bickel
22.6.1999
C-412/97
ED Sr1.1 Italo Fenocchio
Slg. 1999,1-3845
Sachwortverzeichnis Absatzbeeinträchtigung 121 Absatzmodalitäten 153 Absatzmöglichkeit 119 Absatzvolumen 135, 140, 143, 144 acte c1air-Doktrin 87 Allgemeininteresse 121, 131, 168, 176, 180, 187, 188 Alpine Investments 181 f. Alsthom Atlantique 103, 104 Arnsterdarner Vertrag 29, 44, 53, 57, 105, 152 Anerkennung (von Entscheidungen) 29, 32, 53,73,93,152,194 Anerkennungshindernisse 76 Anerkennungsverträge 79 Anwaltsgebühren 194 Anwaltszwang 20, 114, 122, 169, 188 Anwendungsbereich des (EG-)Vertrages 33, 39, 40, 41, 42, 43 ff., 58, 60, 62, 69, 77, 94, 128, 193 Arbeitnehrnerfreizügigkeit 98 Arrestgrund der Auslandsvollstreckung 41 ff., 77 Aufenthalt 41, 92 Ausfuhrverbot 107 Auslandsvollstreckung, s. Arrestgrund der Auslandszustellung, s.a. Zustellung im Ausland 73, 88, 89 Auslegungskompetenz 26 Ausschließlichkeit, territoriale 186 Auswirkungen (auf den Warenverkehr) - hypothetische 159, 161 - quantitative 121, 140 ff. - zu ungewiss und zu mittelbar 156, 157, 161 ff., 168, 169, 171, 172, 184, 191 autonomes Prozessrecht 53, 79 Autonomie, verfahrensmäßige, s.a. Verfahrensautonomie 24
Bankbürgschaft 81 Begleitfreiheit 49 Berufsrecht 99, 180, 190 Beschränkung(en), s.a. Einfuhrbeschränkung - der Ausfuhrströme 159 - der Grundfreiheiten 48 ff., 133 - des Dienstleistungsverkehrs 177, 178 ff., 187 - durch Unterschiede der Rechtsordnungen 66f. - mengenmäßige 106 - produktbezogene 181 - unternehmensbezogene 180, 188, 191 - verkaufsbezogene 181 Beschränkungsverbot 20, 33, 83, 112, 113, 119,193 Bestimmungslandprinzip 117 Beurteilungsspielraum 78, 133 Beweisanforderungen 111, 169 Beweisaufnahme 79, 80 Beweismittelerhebung 194 Beweiswürdigung 92 ff. Binnenmarkt - Aufrechterhaltung 99 - Errichtung 100 - funktionierender 34 - Hindernisse 116 - unvollkommener 34, 151 - Verwirklichung 46, 52, 98 - Ziele 114 Binsbergen. van 178 Boussac Saint-Freres/Gerstenmeier 35 f., 37,48,75 Bundesrechtsanwaltsordnung 185 Bürgschaft, s. Bankbürgschaft
218
Sachwortverzeichnis
Cassis de Dijon 116 ff., 133, 134, 135, 136, 170, 171, 172, 176, 179, 189, 190 Centro Servici Spediporto 156, 164, 165, 166 Cinetheque 148 CMC Motorradcenter 109, 138, 156, 162, 164, 166, 168 cold calling 182, 183 Collinsllmtrat 58, 71 Corsica Ferries France 156, 164, 166 Cowan 58 culpa in contrahendo 109, 156 Dafeki 92 ff. Dassonville 61, 107 ff., 117, 122, 133, 136, 141, 145, 158, 163, 171, 172, 175 f., 177, 181 Data Delecta 39, 40, 48, 60 Delattre 121 Dienstleistung 38, 49,56,177 Dienstleistungsfreiheit 39, 58, 60, 82 f., 98 ff., 101, 177 ff., 193 Dienstleistungsverkehr 37, 45 Differenzierung 24, 33, 69 ff., 83 Diskriminierung 62 ff., 111 f., 177 f. - aus Gründen der Staatsangehörigkeit 62 ff. - mittelbare 63, 74 ff. - umgekehrte 125 ff. - unmittelbare 63, 70 - versteckte 88 Diskriminierungsverbot 33, 34 ff. - absolutes 70 f. - relatives 71 f. Doppelbelastung 122, 184 Doppelregelung 184 Ed Srl./ Italo Fenocchio 60, 62, 99, 158, 160, 164, 166, 168, 169 Effektivitätsgebot 32, 66 effet utile Prinzip 71 Effizienz 20, 195 EheEuGVÜ29 Ehescheidungsverfahren 51 Einfuhrbeschränkung 106, 107, 155, 174, 175 Einfuhren, negative Beeinflussung 111 Einfuhrverbot 107
Einheitliche Europäische Akte 151 Einlassungsfrist 80, 89 Einspruchsfrist 87, 88, 89 einstweilige Maßnahmen 42, 55 einstweiliger Rechtsschutz 22, 76, 194 Einzelermächtigung, Prinzip der begrenzten 44, 128 Einzelkompetenzen 43 Erfüllungsort 95 Esso Espanola 154, 156, 164, 166 EuGVÜ 19,24,26 f., 40 ff., 54, 55 f., 73 f., 75 ff., 79, 84, 95, 102, 104, 152 Menschenrechtskonvention Europäische 31 f., 193 Europäische Politische Zusammenarbeit 28 f. Europarat 28 EU-ZPO 21, 22 Finalität 65 f., 142, 161, 167, 175, 191 flexibilität 65, 101, 195 Franeovieh 39 freiwillige Gerichtsbarkeit 51 Freizügigkeit - von Arbeitnehmern 98 - von Personen 177 - von Urteilen 49, 54 Fremdenrecht 34, 79 ff., 97, 112, 137 Funktionsfähigkeit der Rechtspflege I der Zivilprozessordnung 132, 133, 188 Geburtsort 65 Gegenseitigkeitsverbürgung 74 Gemeinsamer Markt 42, 47, 49, 54, 68, 71, 105, 108, 122, 125, 126, 127, 134, 146, 150 Gemeinschaftskompetenz 52 gemeinschaftskonforme Auslegung 78 Gemeinschaftsprivatrecht 24 Gemeinschaftsrecht - primäres 32 f. - sekundäres 27,30 f., 53, 79 Gerichtsgebühren 20 Gerichtssprache 79 Gerichtsstand 81,82,83,84, 103 f. Gerichtsstandbestimmung 31 Gerichtsstandvereinbarung 103 f. Gesellschaftsrecht 41, 47
Sachwortverzeichnis Gestaltungsspielraum 189 Gleichbehandlung 39, 40, 47 f., 49, 50, 52, 70,85,93,97,128,152 Gleichbehandlungsgebot 56 Gleichstellung 64 ff., 80, 93, 151 Grappa 156, 165 grenzüberschreitende Dienstleistung 38, 190 ff. grenzüberschreitender Bezug 65 Grenzüberschreitung 126 ff., 158 Grenzübertritt 136, 163 Griinbuch zur Prozesskostensicherheit 129 Grundfreiheiten 33, 97 ff. - Anwendbarkeit 101 ff. - Ausübung 24, 49, 51, 57, 58, 61, 193 Günstigkeitsprinzip 125
219
Integration 24, 52,100,101,133,172 Integrationsstand 129, 152 judicial selfrestraint 189 Justizgewährungsanspruch 88, 89 justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen 29, 193 f., 195 Kapitalverkehr 37,177 Kapitalverkehrsfreiheit 82 f. Kartellrecht 68 Kausalfaktoren 110, 163 Kausalität 162, 163 f., 167, 169 f., 171, 174, 175 f., 191 Kausalkette 110, 163 Kausalzusammenhang 154 Keck 133 ff., 153, 154, 162, 170, 171, 181 ff., 191 Klageerhebung 38, 49, 59 Klauselerteilungsverfahren 76 Kohärenz 131 ff., 176 Kommission/Deutschland 186,189 Kompetenz, s.a. Regelungskompetenz 27, 44 f., 52 ff., 56, 67, 105 ff., 194, 195 Kompetenzaushöhlung 105 Kompetenznonn 33, 55, 56, 96, 106 Kompetenzvorschriften 52 ff. - Generalklausein 53 f. - spezielle 52 f. Komplementärrecht 54 ff. Konjunkturpolitik 102 Kontingent 107 Kostenrecht 20 Krantz 154 ff., 165, 168
Haager Übereinkommen über den Zivilprozess 79, 85 Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland 79 Haager Zustellungsübereinkommen 30, 37, 80 Handelsbeeinträchtigung 110, 154, 156, 162 Handelsbehinderung 109 ff. - Eignung zur 114 f., 160 ff. - Spürbarkeit der 115, 143 ff. handelsbeschränkende Wirkung 116 Handelsbeschränkung 133, 134, 166 Handelsregelung 108 f. Harmonisierung 31, 47, 67, 150, 193, 194, 195 Harmonisierungsmaßnahmen 46, 101 Hayes/Kronenberger40, 48, 73 Herkunftslandprinzip 21 ff., 117 ff., 133, 135,154,176,189,193 Hinweispflicht 89 f. Hoheitsaufgaben der Mitgliedstaaten 72 Hoheitsträger 67 Hubbard/Hamburger 59 f., 185 Hünermund 138,144
Leclerc-Siplec 144 Leistungsaustausch 21, 153 Leistungsstörungen 110 Leistungswettbewerb 137, 151, 152 lex fori-Prinzip 19, 20, 23, 25, 55, 80, 97, 112,117,122,123,137,149,170,178
Inländerdiskriminierung 67 ff., 129 Inländergleichbehandlung 34, 41, 150, 178 Inlandsprozess 79, 80, 112 Inlandsvollstreckung 84 Inlandszustellung, fiktive 86 ff., 91 Insolvenzrecht 28
Maastrichter Vertrag 26, 29 f., 57 Mahnverfahren 20, 22, 35 ff., 48, 63, 75, 90, 194 - in ausländischer Währung 35 ff. - mit Zustellung im Ausland 37 ff., 79 Marketingvorschriften 119
220
Sachwortverzeichnis
Marktabschottung 122 Marktfreiheit 114, 126, 151 Marktgleichheit 111, 112 Marktintegration 106 Marktverhalten 25 Marktverhaltensrecht 98 Marktzugang 111, 112, 122, 145 ff., 148, 149, 150, 183 Marktzutrittsschranken 98 Maßnahme gleicher Wirkung 106, 107 ff. Maßnahme(n), unterschiedslos anwendbare 117 ff. Mittelbarkeit 145, 162 f. Mund & FesterlHatrex 41,49, 54, 56, 60, 73, 75, 169 Niederlassung 81 Niederlassungsfreiheit 40, 83, 98 f., 185, 190
Oebel134, 148 öffentlich-rechtliche Vorschriften I Regelungen 97 f. öffentliche Bekanntmachung 88 öffentliche Ordnung und Sicherheit 32, 72, 83,133 Öffentliches Recht 23 f. Oosthoek 119 Ordnungsaufgabe 132 Ordnungsrahmen 168 Ordnungsregel 173 Ordnungsvorschriften, allgemeine 153 ff., 168,171 ff., 184, 191 ordre public 23 Peralta 156, 164, 165, 166 Perfili 190 Personenstandsgesetz 92 Personenstandsurkunde 92 ff. Personenverkehrsfreiheit 99 Postlaufzeiten 80, 87, 88 Postulationsfähigkeit 187 Präklusionsrecht 132 Präklusionsvorschrift 20, 122 Praktikabilität 123 Prantl134 Preisfestsetzung 138 Preisregelung 183
Privatautonomie 168 Privatrecht (materielles) 23 ff., 31, 97, 98, 103, 108, 109, 154, 168, 195 Privatrechtsregeln 24 Produktmodalitäten 118, 133, 136, 143, 145, 148 f., 150, 154, 157, 175 Produktvertrieb 139 Protektionismuserfordemis 150 protektionistische Wirkung 118, 119 ff., 121 f., 147 ff., 151, 152, 165 f., 170 f., 172,175 f., 184, 191 protektionistische Zwecke 98 Prozessbeteiligter 90, 112 Prozessbevollmächtigter 86, 88, 186 Prozessfähigkeit 20, 80 Prozessförderungspflicht 90 Prozesskostenhilfe 20, 85 f., 194 Prozesskostensicherheit 19, 20, 38 ff., 44, 60,61,73 prozessuales Fremdenrecht, s. Fremdenrecht Prozessverlust 114 Prozessvertreter 189, 190, 193
Quietlynn 148 Rechtfertigung 36, 37,40,42,62,69 ff., 83, 84, 85, 93, 102 f., 130, 173, 176 Rechtsangleichung 105, 118, 127, 195 Rechtsanwalt 89, 99, 185, 186 ff. Rechtsanwendung 79, 102 Rechtsberatung 189 Rechtsberatungsgesetz 185, 187 Rechtsklarheit 79, 193 Rechtsmittelfrist 86, 88, 89 Rechtssicherheit 65, 91, 102, 163, 194 Rechtsvereinheitlichung 152, 195 Regelung - gemeinschaftsrechtliche 46 ff. - produktbezogene 135 Regelung, unterschiedslos geltende 160 f. Regelungsergebnis 66 Regelungsfähigkeit 140 Rege1ungskategorien 175 Regelungskompetenz, s.a. Kompetenz 100, 173 Regelungszuständigkeit 128 Reisebüro Broede 187, 189 remise au parquet 90 f.
Sachwortverzeichnis Residenzpflicht 178 rule of remoteness 144
Säger/Dennemeyer 178,187 Saldanha40 Schindler 182 f. Schlechterstellung 67, 68, 112, 121, 165, 166, 183 Schlechterstellungsverbot 150 Selbstständigkeit der nationalen Verfahrenssysteme 67 Sicherheitsleistung für Prozesskosten, s.a. Prozesskostensicherheit 74, 81 ff., 194 Souveränität 44, 45, 70 Sozialpolitik 102, 134 Sozialrecht 108 Spürbarkeit 143 ff. Spürbarkeitserfordemis 115 Staatsvertragsrecht 55 Statusgleichheit 62 Steuerrecht 108, 131 Streitgegenstand 50, 56 Subsidiarität des Art. 12 Abs. 1 EG 62 Subsidiaritätsprinzip 105 f. Substanziierbarkeit 115, 162 Systemstimmigkeit 132, 133, 103 Territorialitätsprinzip 23, 123 Torfaen 145 Transportvorschriften 174 Übersetzungskosten 79 Übersetzungspflicht 76 Umweltrecht 108 Umweltschutz 131 Ungewissheit 162, 163 Ungleichbehandlung 35, 40, 67, 71, 72, 77, 78,85,87,89,90,120,125,137 Unverhältnismäßigkeit 73, 188 Urkunden, ausländische öffentliche 94 f. Urteile, ausländische 95 Urteilsfähigkeit 140 Verbraucherrecht 108 Verbraucherschutz BI, 189 Verbraucherschutzmechanismen 113 Verfahrensautonomie 24, 25 Verfahrensdauer 20, 22
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Verfahrenskosten 194 Verfahrensverzögerung 88 Vergemeinschaftung 195 Vergleichsgruppe 62 Verhältnismäßigkeit 40, 72, 78, 88, 89, 102, 103, 176, 188 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 151 Verhältnismäßigkeitspriifung 10 I, 121, BI, 137, 155, 189 Verkaufsmodalitäten 136 ff., 139 ff., 149, 150,152,153,171 ff., 176, 181 ff. Verkaufsmonopo1120 f., 122, 138 Vermarktung 116, 118, 138, 147 Vermarktungsregelung 183 Vermarktungsstrategie 122 Versäunmisurteil 80, 92 Verwaltungsprozessrecht 23 Verwaltungsrecht 23 Verweisungsbefehl, kollisionsrechtlicher 124 Vollstreckbarerklärung 27,32,85 Vollstreckbarerklärungsverfahren 73 Vollstreckung, s.a. Arrestgrund der Auslandsvollstreckung 26, 27, 28, 29, 53, 64, 73,74,76,84,152,194 Vollstreckungsbescheid 87 Vollstreckungsschutzvorschriften 20 Vollstreckungsverfahren 94 Vollstreckungsverträge 79 Vorabentscheidungsverfahren 195 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 33, 82, 163 Währungspolitik 102 Walt Wilhelm 68 Warenverkehr 37, 48, 60, 98 ff., 106 ff. Warenverkehrsfreiheit 19,20,58,61,98 ff. Wehrdienst 65 Werbebeschränkung 141 Werbeverbot 138 Werbevorschriften 119 Wettbewerb 103, 151 - freier 145, 146, 185 - unverfälschter 111 Wettbewerbsbedingungen 126 Wettbewerbsfreiheit 126 Wettbewerbsnachteil 182 Wettbewerbsrecht 46
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Sachwortverzeichnis
Wettbewerbs verfälschung 151 Wettbewerbsverzerrung 126, 129 Wettbewerbsvorteil 148 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 87 Wirkungskriterium 173 f. Wirkungstechnik 109 ff. Wirtschafts gemeinschaft 45 Wirtschaftspolitik 134, 151 Wirtschaftsrecht 127 Wirtschaftsverkehr 44, 45, 102 Wohnsitz 40, 41, 65, 74, 78, 79, 80, 88, 89, 95,111 Zahlungsverkehrsfreiheit 99 f. Zuständigkeit, s.a. Regelungszuständigkeit 24, 26 f., 29, 31, 39, 47, 55, 105, 137, 188, 194 Zuständigkeitsbereich 49,56
Zuständigkeitsregelung 55, 76 Zustellung 53, 86 ff., 158 f., 194 - durch Aufgabe zur Post 111 - im Ausland 37, 79, 80 - öffentliche 91 f. Zustellungsadressat 80, 86, 89, 90 Zustellungsbevollmächtigter 84, 86, 88, 89 Zustellungsfiktion 91 Zustellungsform 90 Zustellungsort 88 Zustellungsrecht 86 ff. Zustellungsübereinkommen 30 Zustellungsverordnung 30 Zustellungszeitpunkt, fingierter 87 f. Zwangsvollstreckung, s.a. Vollstreckung 27 Zweckmäßigkeit 103 zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls 130 ff.