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German Pages 213 Year 2003
GÖTZ
TRIEBEL
Die Haftung des Betriebsrats und der Durchgriff auf seine Mitglieder
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 218
Die Haftung des Betriebsrats und der Durchgriff auf seine Mitglieder
Von
Götz Triebel
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11029-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @
Meinen Eltern
Vorwort Diese Arbeit ist im Sommersemester 2002 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als juristische Dissertation angenommen worden. Das i m wesentlichen Anfang 2002 abgeschlossene Manuskript wurde noch bis November 2002 um Nachträge aufgrund neuer Veröffentlichungen und aktueller Ausgaben ergänzt. Für die Themenstellung sowie die ausgezeichnete Betreuung der Arbeit bedanke ich mich bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Curt Wolfgang Hergenröder. Seine verläßliche Unterstützung und vielfältigen Anregungen haben diese Arbeit sehr gefördert und ihren zügigen Abschluß erleichtert. Zu danken habe ich ferner Herrn Professor Dr. Horst Konzen für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt auch meiner Frau Bettina, die mich stets bestärkt und ermutigt hat, die Arbeit zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Hamburg, i m März 2003 Götz Triebel
Inhaltsverzeichnis
§1
Einführung und Problemstellung
21
I. Gegenstand der Untersuchung 1. Die bisherigen Darstellungen und die unterschiedlichen Haftungsbegriffe 2. Die Trennung zwischen Haftung und dem zugrundeliegenden Anspruch II. Aufbau und Gang der Untersuchung III. Beispielsfälle für problematische Konstellationen
21 21 22 23 24
Abschnitt 1 Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein Das Wesen seiner Rechtsfähigkeit § 2 Der Meinungsstand zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats I. Die unstreitige Ablehnung der juristischen Persönlichkeit des Betriebsrats .. II. Die vollständige Ablehnung der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats III. Der Betriebsrat als teilrechtsfähiges Gebilde
29 29 29 30 31
1. Die Literatur
31
2. Die Rechtsprechung
32
3. Der Meinungsstand zur Reichweite der Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats
32
a) Die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats innerhalb der Betriebsverfassung
32
b) Die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats im Verhältnis zu außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten
33
c) Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat als Gremium
34
§ 3 Kritik an den bisherigen Untersuchungen zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats - Das Wesen der Rechtsfähigkeit
34
I. Gedankliche Grundlagen der bisherigen Ansichten zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
34
II. Die Notwendigkeit der Trennung von Vermögensfähigkeit und Pflichtfähigkeit
36
Inhaltsverzeichnis
10
III. Die Relativität der Rechtsfähigkeit
38
1. Die Relevanz des Wesens der Rechtsfähigkeit für die Untersuchung Die Meinung der herrschenden Lehre zur Rechtsfähigkeit 2. Die Lehre von der relativen Rechtsfähigkeit als überzeugendes Konzept
38 39
a) Kritik an der herrschenden Lehre
39
b) Die Lehre von der relativen Rechtsfähigkeit bzw. Teilrechtsfähigkeit
41
IV. Folgen für die weitere Untersuchung
42
Abschnitt 2 Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
43
§ 4 Pflichten gegenüber Arbeitnehmern und Stellenbewerbern aus der Betriebsverfassung
43
I. Die Rechtsstellung des Betriebsrats - Die pflichtenbegründenden Normen ..
43
II. Die Zuordnung der Pflichten III. Die Pflichten im einzelnen
45 47
1. Der Gehalt des § 75 BetrVG
47
2. Die Pflichten im Zusammenhang mit Mitbestimmungsrechten
47
3. Sonstige Pflichten des Betriebsrats
50
4. Explizite Pflichten
50
IV. Ergebnis § 5 Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber aus der Betriebsverfassung I. Die pflichtenbegründenden Normen II. Die Zuordnung der Pflichten III. Die Pflichten im einzelnen
50 51 51 51 52
1. Geschriebene Pflichten
52
2. Ungeschriebene Pflichten
52
IV. Ergebnis § 6 Schadensersatzforderungen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung als Folge von Pflichtverletzungen I. Problemstellung - Die Frage der Schutzpflichten II. Die Unhaltbarkeit der kategorischen Ablehnung jeglicher Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium
54
54 54 56
1. Unerheblichkeit der Frage der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats
56
2. Das Argument der Lähmung der Betriebsratstätigkeit
57
Inhaltsverzeichnis
3. Das Argument der strukturellen Ungleichheit zwischen der Betriebsverfassung und dem allgemeinen Zivilrecht
58
4. Das Argument des ausreichenden Schutzes durch § 23 Abs. 1 BetrVG und die betriebsverfassungsrechtlichen Strafvorschriften
58
III. Die Auslegung der pflichtenbegründenden Vorschriften 1. Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer
59 59
a) Die Ablehnung der Ähnlichkeit zwischen dem Betriebsrat und den privaten Ämtern als Begründung für Schadensersatzansprüche
59
b) Die Auslegung des § 75 BetrVG
60
c) Die Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche
62
2. Vorschriften zum Schutz der Stellenbewerber
62
3. Vorschriften zum Schutz des Arbeitgebers
64
IV. Zurechnung der Handlungen gemäß § 31 BGB analog V. Kausalität
64 66
1. Allgemeines
66
2. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers
66
3. Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer und Stellenbewerber
68
VI. Verschulden
69
VII. Mitverschulden des Arbeitgebers
69
VIII. Ergebnis
70
§ 7 Ansprüche gegen den Betriebsrat auf Erfüllung der ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten I. Anspruchskategorien
70 70
II. Der Meinungsstand hinsichtlich der Erfüllungsansprüche in bezug auf Pflichten in der Betriebsverfassung
71
1. Ansprüche der Arbeitnehmer
71
2. Ansprüche des Arbeitgebers
72
III. Eigene Lösung zu den Erfüllungsansprüchen
72
1. Das Klagebedürfnis
74
a) Allgemeines
74
b) Das Klagebedürfnis der Arbeitnehmer und Stellenbewerber - Der Schutzzweck des § 75 BetrVG
74
c) Das Klagebedürfnis des Arbeitgebers § 2 Abs. 1 BetrVG
Der Schutzzweck des 75
2. Die Konkretisierbarkeit der Schutzpflichten
76
3. Zwischenergebnis und Voraussetzungen von Erfüllungsansprüchen im Einzelfall
76
12
Inhaltsverzeichnis
IV. Die einzelnen Ansprüche
77
1. Die Ansprüche der Arbeitnehmer
77
a) Ansprüche auf aktives Tun - Primäre Erfüllung von gesetzlich geschuldeten Pflichten
77
b) Ansprüche auf aktives Tun - Folgenbeseitigungsansprüche
78
2. Die Ansprüche der Stellenbewerber
79
3. Die Ansprüche des Arbeitgebers
79
V. Ergebnis
80
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat I. Rechtsgeschäfte des Betriebsrats II. Keine Parteistellung der Belegschaft bei Verträgen mit Dritten
81 81 82
III. Keine Parteistellung der einzelnen Betriebsratsmitglieder bei Verträgen mit Dritten
82
IV. Keine Parteistellung des Arbeitgebers bei Verträgen mit Dritten
83
V. Der Betriebsrat als Berechtigter und Verpflichteter aus Verträgen mit Dritten
84
1. Bisherige Begründungsversuche für die Parteistellung des Betriebsrats ..
84
2. Eigenes Lösungskonzept
85
a) Auslegung der gesetzlichen Vorschriften statt Rechtsfortbildung
85
b) Die Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG hinsichtlich der Verträge mit Rechtsanwälten und Veranstaltern von Betriebsratsschulungen
87
c) Die Auslegung der §§ 80 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG hinsichtlich der Verträge mit Sachverständigen
88
3. Schadensersatzansprüche Dritter VI. Ergebnis
89 90
§ 9 Ansprüche der Betriebsratsmitglieder gegen den Betriebsrat
90
§10 Folgen für die weitere Untersuchung
91
Abschnitt 3 Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats - Die Frage der Haftung
93
§ 11 Arten der Zwangsvollstreckung
93
§12 Zwangsvollstreckung zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Schutzpflichten
94
I. Rechtsweg und Beteiligtenfähigkeit im Falle von Ansprüchen der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers
94
Inhaltsverzeichnis
II. Zwangsvollstreckung 1. Die Arten der Zwangsvollstreckung nach den §§ 887 ff. ZPO
95 95
2. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf unvertretbare Handlungen und Unterlassungen
96
3. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf vertretbare Handlungen
97
4. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf Abgabe einer Willenserklärung
97
III. Ergebnis §13 Vollstreckung von Geldforderungen I. Die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats als Voraussetzung II. Die begrenzte Vermögensfähigkeit des Betriebsrats 1. Ablehnung eines Gesamthandsvermögens
98 98 98 99 99
2. Das Dogma der fehlenden Vermögensfähigkeit des Betriebsrats
100
3. Die Annahme einer teil weisen Vermögensfähigkeit
100
a) Die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats durch Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG
100
b) Auslegung nach dem Wortlaut
101
c) Systematische Auslegung
102
d) Teleologische Auslegung
103
4. Die konkrete Ausgestaltung der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats ... 105 a) Allgemeines
105
b) Anspruch auf angemessenen Vorschuß
105
c) Einrichtung eines Dispositionsfonds
106
d) Freistellungsansprüche
106
e) Eigentum an Sachmitteln 5. Zusammenfassung zur Vermögensfähigkeit III. Die Haftung für Ansprüche aufgrund rechtmäßigen Handelns des Betriebsrats 1. Rechtsweg
106 107 107 107
a) Ansprüche Dritter
107
b) Ansprüche der Betriebsratsmitglieder
108
2. Parteifähigkeit des Betriebsrats vor den allgemeinen Zivilgerichten
108
3. Zwangsvollstreckung
109
IV. Die Haftung für Ansprüche aufgrund rechtswidrigen Handelns des Betriebsrats
110
1. Problematische Konstellationen
110
2. Die Unabhängigkeit der Vermögensfähigkeit von der Art der Forderung
110
14
Inhaltsverzeichnis
3. Die Zweckbindung des Vermögens auf Forderungen aufgrund rechtmäßiger Tätigkeiten des Betriebsrats
112
V. Die Haftung für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückübereignung von Geldmitteln 114 1. Die Eigentumsfähigkeit hinsichtlich übermäßig gezahlter Finanzmittel ..
114
2. Verfahrensrechtliche Fragen
115
VI. Ergebnis
115
§ 14 Die Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen I. Die Besitzfähigkeit des Betriebsrats II. Verfahrensrechtliche Fragen
116 116 117
Abschnitt 4 Selbständige Schadensersatzansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder
118
§15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder 119 I. Eigene Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung 119 1. Die Normadressaten der pflichtbegründenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes - Die bisherige Auffassung
119
2. Alleinige Zuordnung der Schutzpflichten an den Betriebsrat
121
a) Regelmäßige Unfähigkeit der einzelnen Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung der Schutzpflichten 121 b) Die Theorie der Einheitszuständigkeit
122
c) Bedeutung der Pflichtträgerschaft
124
d) Fehlende Außenwirkung der Amtspflichten der Betriebsratsmitglieder
125
e) Die Regelung des § 23 Abs. 1 BetrVG als Argument der Gegenmeinung 126 f) Zwischenergebnis
127
II. Eigene deliktische Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz 128 1. Allgemeines
128
2. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB
128
3. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB
128
4. Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB
129
Inhaltsverzeichnis
5. Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Rahmenrechten
131
a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
131
b) Das Recht am Arbeitsplatz
135
III. Ergebnis
139
§ 16 Ansprüche Dritter gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder I. Eigene Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz innerhalb vertraglicher Sonderverbindung
140 140
II. Eigene deliktische Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz 142 III. Ergebnis
142
Abschnitt 5 Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder § 17 Problemstellung I. Die Trennung von Schuld und Durchgriffshaftung II. Die Subsidiarität des Haftungsdurchgriffs § 18 Die Betriebsratsmitglieder als einzig mögliche Adressaten eines Haftungsdurchgriffs I. Kein Durchgriff auf den Arbeitgeber II. Kein Durchgriff auf die Belegschaft bzw. die Arbeitnehmer III. Die Betriebsratsmitglieder als Handlungsorganisation des Betriebsrats § 19 Das Konzept des Haftungsdurchgriffs als Lösung
143 143 143 144
145 145 145 146 146
I. Der Haftungsdurchgriff durch den Betriebsrat in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die daran anschließende Kritik der Literatur 146 II. Das Konzept der Durchgriffshaftung
148
1. Die Problematik
148
2. Die streitenden Lehren
149
a) Die subjektive Mißbrauchstheorie
149
b) Die objektive Mißbrauchstheorie
150
c) Die Normzwecklehre als überzeugende Konzeption
151
aa) Die Unvereinbarkeit der Mißbrauchstheorien mit der Relativität der Rechtsfähigkeit 151 bb) Die Normzwecklehre als Konsequenz der Relativität der Rechtsfähigkeit 152
16
Inhaltsverzeichnis
cc) Die Abgrenzung der Normzwecklehre von der Zurechnungsmethode 154 d) Zwischenergebnis
154
3. Der Durchgriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts 155 4. Die Normanwendungslehre im Falle des Haftungsdurchgriffs durch den Betriebsrat 157 a) Die Wirkungen des Haftungsdurchgriffs
157
b) Die Durchgriffshaftung als Auswirkung der Relativität der Rechtsfähigkeit 158 aa) Der Haftungsdurchgriff als Sonderproblematik des Durchgriffs
158
bb) Die Unabhängigkeit der Rechtsfähigkeit vom Begriff des subjektiven Rechts 160 cc) Die Struktur der Rechtsfähigkeit - Die drei Elemente dd) Schlußfolgerungen für den Haftungsdurchgriff c) Die Technik des Haftungsdurchgriffs durch die juristische Person
162 163 165
aa) Der Durchgriff durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Unterkapitalisierung bb) Fälle der nominellen Unterkapitalisierung
165 166
cc) Fälle der materiellen Unterkapitalisierung 167 d) Besonderheiten für den Haftungsdurchgriff durch den Betriebsrat als teilrechtsfähige Personifikation 168 aa) Die Notwendigkeit einer selbständigen Entwicklung der Durchgriffstechnik für den teilrechtsfähigen Betriebsrat
168
bb) Die Ablehnung eines Trennungsprinzips im Falle des Betriebsrats
170
cc) Die Auslegung im Rahmen der Normzwecklehre
173
dd) Typisierung des Haftungsdurchgriffs durch den Betriebsrat
175
III. Ergebnis § 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder durch Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes I. Die auszulegenden Normen II. Der Haftungsdurchgriff bei Verletzungen der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten
176
176 176 177
1. Die Vermutung für die Geltung der Prinzipien des Privatrechts
177
2. Die Unhaltbarkeit der These der Lähmung der Betriebsratsarbeit
178
a) Bedenken gegen eine Durchgriffshaftung
178
b) Die Gefahr der Lähmung der Betriebsratsarbeit als Alltagstheorie ... 178
Inhaltsverzeichnis
c) Wachsende Erfahrung der Betriebsratsangehörigen
179
d) Vorteil des Ermessensspielraums
180
e) Begrenzung des Durchgriffs auf zumindest grob fahrlässig handelnde Mitglieder 180 f) Möglicher Mitverschuldensanteil des Arbeitgebers
183
3. Glaubwürdigkeit des Betriebsrats
184
4. Verbesserung der Betriebsratsarbeit
185
5. Erhöhte Eingriffsmöglichkeit in Rechte anderer
185
6. Die zwangsweise Unterwerfung unter den Einfluß des Betriebsrats
186
7. Keine Macht ohne Verantwortung
188
8. Zwischenergebnis
189
III. Der Haftungsdurchgriff bei Schadensersatzansprüchen Dritter aus Rechtsgeschäften 189 IV. Gesamtschuldnerische Haftung V. Ergebnis § 21 Prozeßrechtliche Fragen des Durchgriffs I. Rechtsweg
191 192 192 192
1. Schadensersatzansprüche Dritter
192
2. Kostenerstattungsansprüche im Rahmen des § 887 ZPO und Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers
192
II. Prozessuale Besonderheiten
194
1. Gewillkürter Parteiwechsel
194
2. Auskunftsanspruch gegen den Betriebsrat
194
§ 22 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse I. Die Ansprüche gegen den Betriebsrat II. Die Haftung für Ansprüche gegen den Betriebsrat
195 195 197
Literaturverzeichnis
199
Sachregister
210
2 Triebel
Abkürzungsverzeichnis a. Α. Abs. AcP AiB AktG Anh. Anm. AnwBl. AöR AP ArbG ArbGG Art. AT Aufl. AuR Ausg. BAG ΒΒ BBiG Bd. Bearb. Begr. Beil. Ber. BetrVG BGB BGH BGHZ
andere Ansicht Absatz Archiv für civilistische Praxis Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Artikel allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches Auflage Arbeit und Recht Ausgabe Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Band Bearbeitung Begründung Beilage Bericht Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
Bl. BIStSozArbR BPersVG BR BRAGO BRG BSG BT
Blatt Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundespersonalvertretungsgesetz Bürgerliches Recht Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Betriebsrätegesetz Bundessozialgericht besonderer Teil
Abkürzungsverzeichnis
BT-Drucks.
Drucksachen des Deutschen Bundestages
BUV
Betriebs- und Unternehmensverfassung
BVerfG BVerfGE
Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwG bzw.
Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise
d.
der /des
DB DBV
Der Betrieb Die Betriebsverfassung
ders. d. h. DJT Einl.
derselbe das heißt Deutscher Juristentag Einleitung
Ergbd.
Ergänzungsband
etc. f. (ff.)
et cetera folgende (mehrere folgende) Seiten oder Randnummern
FG FN
Festgabe Fußnote
FS GedS GG GK
Festschrift Gedächtnisschrift Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gemeinschaftskommentar
GmbHG GS HGB
Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Großer Senat Handelsgesetzbuch
Hrsg. i.E.
Herausgeber im Ergebnis
insb. i. S. d.
insbesondere im Sinne des /der
19
i. V. m.
in Verbindung mit
JR JW JZ KG KR
Juristische Rundschau Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kammergericht Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte meines Erachtens Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung
KSchG LAG LAGE m.E. MünchArbRHb MünchKomm MünchKommZPO 2*
20
Neudr. m. w. Ν. NJW NJW-RR Nr. NZA NZfAR NZG o.a. OLG PflVG Prot. RdA RegE RGRK
RGZ Rn. S. ScheckG SGb sog. Sp. SR StGB TVG u. a. unveränd. V.
vgl. Vorb. WechselG WM ζ. B.
ZI A ZG H ZIP ZPO ZRP z.T.
Abkürzungsverzeichnis
Neudruck mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer(n) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (1921 bis 1933) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oder ähnliches Oberlandesgericht Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter Protokolle Recht der Arbeit Regierungsentwurf Das Bürgerliche Gestzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Seite Scheckgesetz Die Sozialgerichtsbarkeit sogenannt Spalte Schuldrecht Strafgesetzbuch Tari fvertragsgesetz unter anderem unverändert von / vom vergleiche Vorbemerkung Wechselgesetz Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Konkursrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik (Beil. zu NJW) zum Teil
§ 1 Einführung und Problemstellung I. Gegenstand der Untersuchung 1. Die bisherigen Darstellungen und die unterschiedlichen Haftungsbegriffe Die Problematik der „Haftung" des Betriebsrats umfai3t ein breitgefächertes Feld an Fragestellungen. Der große Umfang denkbarer Probleme ergibt sich auch aus dem Begriff der Haftung, der keineswegs einheitlich gebraucht wird. 1 Einerseits wird darunter die Verpflichtung zum Schadensersatz verstanden. 2 Andererseits bezeichnet man mit dem Terminus das Unterworfensein unter die Zwangsvollstrekkung. 3 So ist die „Haftung" des Betriebsrats im Sinne beider Bedeutungen des Begriffes bislang Gegenstand zahlreicher Abhandlungen gewesen. In diesen Untersuchungen werden die Schwerpunkte - je nachdem, von welchem Haftungsverständnis ausgegangen wird - sehr unterschiedlich gesetzt. Die thematischen Ausgangspunkte sind dementsprechend gänzlich verschieden. Die große Mehrzahl der Arbeiten setzt sich in erster Linie mit der Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen gegen den Betriebsrat auseinander. 4 Nur wenige untersuchen Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung. 5 Beide Themenbereiche werden hingegen zu-
1
Vgl. zum Haftungsbegriff MünchKomm/ Kramer, 4. Aufl., Einl., Rn. 45. 2 So etwa Esserl Schmidt, SR Bd. I 1, S. 116. 3 So Fikentscher, Rn. 26; MünchKomm/Kramer, 4. Aufl., Einl., Rn. 45; Palandt/Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 13. 4 Siehe etwa die Habilitationsschrift von Belling, Die Haftung des Betriebsrats und seiner Mitglieder für Pflichtverletzungen, 1990; des weiteren etwa die Dissertationen von Hafner, Betriebsratstätigkeit und Haftung, 1965; Junker, Die Haftung des Betriebsrats, 1965; Müller, Die Rechtsnatur des Betriebsrats und des Personalrats und ihre Haftung nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 und Personalvertretungsgesetz vom 5. August 1955,1958; Nolting, Die Haftung des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern unter besonderer Berücksichtigung von personellen Einzelmaßnahmen, 1980; Ocker, Haftung für Handlungen des Betriebsrats, 1962; Preuß, Haftung von Personalrats- und Betriebsratsmitgliedern, 1969; Reiß, Die Rechtsbeziehungen des Betriebsrates zum Arbeitgeber und zur Belegschaft unter besonderer Berücksichtigung der Haftungsfragen, 1971; Rosset, Rechtssubjektivität des Betriebsrates und Haftung seiner Mitglieder, 1985; sonstige Beiträge auch von Henner, AuR 1955, S. 165; BrillIDerleder, AuR 1980, S. 353; Fischer, RdA 1961, S. 230; Gester, AuR 1959, S. 326; Gramm, Arbeitsrecht-Blattei [D] Betriebsverfassung VII; Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 1; Neumann-Duesberg, NJW 1954, S. 617; ders., JR 1955, S. 205; Sorge, AuR 1953, S. 272; Spilger, SD Betriebsverfassung VII/530.7; Weher, DB 1992, S. 2135; Weiss, RdA 1974, S. 269.
§ 1 Einführung und Problemstellung
22
meist nicht i m Zusammenhang miteinander oder - soweit dies geschieht - nicht mit gleicher Ausführlichkeit aufgearbeitet. Diese Trennung der Untersuchung der möglichen Schadensersatzansprüche von Fragen der Zwangsvollstreckung birgt die Gefahr in sich, zu teilweise ungenauen oder sogar widersprüchlichen Ergebnissen zu führen. Wird ausschließlich die Verpflichtung des Betriebsrats zum Schadensersatz behandelt, kann das darin resultieren, daß nachfolgend auftretende Probleme der Zwangsvollstreckung nicht bedacht werden. Anders herum kann die Beschränkung auf zwangsvollstreckungsrechtliche Probleme dazu verleiten, von ungeprüften Prämissen hinsichtlich der zugrundeliegenden Schadensersatzansprüche auszugehen.
2. Die Trennung zwischen Haftung und dem zugrundeliegenden Anspruch I m Rahmen dieser Arbeit soll unter „Haftung 4 ' das Unterworfensein des Schuldners unter den zwangsweisen Zugriff des Gläubigers verstanden werden, also die passive Seite der Verpflichtung, die letzte Konsequenz, zu der diese führen können muß, wenn sie praktisch wirksam werden soll. 6 Die Haftung wird hier also gerade nicht i m Sinne einer Verpflichtung des Schuldners zum Schadensersatz begriffen. Ein solches Verständnis entspricht zwar durchaus dem allgemeinen Sprachgebrauch, bezieht sich jedoch nicht auf eine deutliche Gegenüberstellung von Schuld und Haftung. Als Synonym etwa für „die Verpflichtung zum Schadensersatz" ist der Begriff ohne Bedeutung, da er keinen Sachverhalt ausdrückt, der von anderen ähnlichen Sachverhalten des Schuldrechts grundsätzlich verschieden ist. 7 Die Haftung in dem hier verstandenen Sinne ist demnach zu unterscheiden von der ihr zugrundeliegenden Verpflichtung. Wenn im Folgenden also von einer Verpflichtung oder einer Pflicht die Rede ist, wird damit stets allein die Schuld gemeint, die für das Unterworfensein unter die Zwangsvollstreckung - also für die Haftung - Voraussetzung ist. Ausgehend von diesem vollstreckungsbezogenen Verständnis des Haftungsbegriffs sollen - in einem vorgehenden Schritt - in dieser Arbeit aber auch die zugrundeliegenden Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat beleuchtet werden. I m Rahmen der Untersuchung der Möglichkeiten, in denen der Betriebsrat dem zwangsweisen Zugriff der Gläubiger unterworfen sein könnte, ist es nämlich geboten, zunächst etwaige diesem Zugriff zugrundeliegende Schadensersatzforderungen zu prüfen. Die Haftung i m Sinne der Vollstreckung kann nur eintreten, wenn eine Verpflichtung nicht erfüllt wird. 8 Demnach ist für eine Haftung i m Rah5 So etwa Jahnke, Zwangsvollstreckung in der Betriebsverfassung, 1977; MünchArbRHb/ Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24; Rewolle, BB 1974, S. 888. 6 So John, S. 81. 7 John, S. 81.
8 Palandt/Heinrichs,
Einl. vor § 241, Rn. 13.
§ 1 Einführung und Problemstellung
men der hier behandelten Thematik zunächst ein Anspruch gegen den Betriebsrat Voraussetzung. Durch diese Vorgehensweise kann mit dieser Arbeit die Haftung des Betriebsrats im Ergebnis in beiden seiner möglichen Bedeutungsgehalte analysiert werden. Darüber hinaus bietet der vollstreckungsbezogene Haftungsbegriff als Ursprung der Untersuchung den Vorteil, daß sich die notwendige Prüfung der zugrundeliegenden Ansprüche gegen den Betriebsrat nicht auf Schadensersatzforderungen beschränkt. Vielmehr sollen auch andere Arten von Ansprüchen in Betracht gezogen werden, wie etwa bereicherungsrechtliche oder solche auf Erfüllung von Handlungs- oder Unterlassungspflichten. Nur durch Einbeziehung beider Problemstellungen kann die Thematik der Haftung des Betriebsrats umfassend und in einer geschlossenen Konzeption dargestellt werden. U m dieser Aufgabe gerecht zu werden und dabei die Problematik nicht aus den Augen zu verlieren, ist die vorliegende Untersuchung auf die Haftung für Verpflichtungen des Betriebsrats als Gremium beschränkt. Die Haftung für Ansprüche gegen seine einzelnen Mitglieder soll nicht Thema dieser Arbeit sein, um ihren Rahmen nicht zu sprengen.
II. Aufbau und Gang der Untersuchung Die Frage nach möglichen Ansprüchen gegen den Betriebsrat als Gremium und diejenige nach deren Durchsetzbarkeit stellen die beiden hauptsächlichen Problemfelder dieser Arbeit dar. Hieran orientiert sich auch der Aufbau der Untersuchung. Zunächst wird die Frage betrachtet, inwieweit Forderungen gegen den Betriebsrat als Gremium bestehen können. 9 Dabei kommt man nicht umhin, die Fähigkeit des Betriebsrats, Anspruchsgegner zu sein, als Voraussetzung dafür ihrem Wesen nach eingehender und vor allem systematischer zu analysieren, als dies bisher geschehen ist. Diese Fähigkeit des Betriebsrats wird im ersten Abschnitt behandelt. 10 I m zweiten Abschnitt sollen die einzelnen gegen den Betriebsrat möglichen Ansprüche genauer herausgearbeitet werden. 11 Im Anschluß daran setzen sich die darauf folgenden drei Abschnitte dieser Arbeit mit der Thematik der Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche auseinander, also mit der Frage nach der Haftung in dem hier verstandenen Sinne. 1 2 Dabei werden im dritten Abschnitt Probleme des prozeßrechtlichen und zwangsvollstreckungsrechtlichen Vorgehens gegen den Betriebsrat als Gremium erörtert. 13 Zu untersuchen ist die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen sowie diejenige zur Erwirkung
9 Siehe unten §§2-10. •o Siehe unten § § 2 - 3 . » Siehe unten §§4-10. 12 Siehe unten §§ 11-21. 13 Siehe unten §§ 11-14.
24
§ 1 Einführung und Problemstellung
der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen. Die Darstellung der Haftung nimmt demnach auf sämtliche denkbaren Arten von Verpflichtungen des Betriebsrats Bezug. I m Hinblick auf die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche gegen den Betriebsrat, welche auf dessen rechtswidrigem Handeln beruhen, setzt sich die Arbeit damit auseinander, ob neben der Vermögensmasse des Betriebsrats selbst auch auf Haftungsmassen anderer zugegriffen werden kann. So wird im vierten und fünften Abschnitt geprüft, inwieweit sich Gläubiger aus dem Vermögen der einzelnen Betriebsratsmitglieder befriedigen können. 1 4 Dabei wird im vierten Abschnitt der Frage nachgegangen, ob etwaige Direktansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder bestehen 15 , und i m letzten, ob die Möglichkeit eines Haftungsdurchgriffs auf die Betriebsratsmitglieder für Schulden des Betriebsrats als Gremium gegeben i s t . 1 6
III. Beispielsfälle für problematische Konstellationen Die umfassende Thematik dieser Abhandlung läßt sich am besten durch eine Reihe von praktischen Beispielen veranschaulichen. Diese Beispiele beschreiben verschiedene Sachverhalte, anhand derer sich die möglicherweise bestehenden - unterschiedlich gearteten - Ansprüche der verschiedenen Personen gegen den Betriebsrat und die Problematik ihrer Durchsetzbarkeit darstellen lassen. I m Verlauf der Arbeit wird zur Veranschaulichung der jeweils behandelten Problemfelder regelmäßig auf die in den Beispielen beschriebenen Konstellationen verwiesen. Die Beispielsfälle sind nach Personen geordnet, denen die Ansprüche zustehen könnten:
Arbeitnehmer und Stellenbewerber (1) Der Betriebsrat ist vom Arbeitgeber über die geplante Einstellung eines leitenden Angestellten informiert worden. Der Betriebsrat rät dem Arbeitgeber aus unrechtmäßigen bzw. unsachgemäßen Gründen davon ab. Der Bewerber wird deswegen nicht eingestellt und braucht längere Zeit, um eine andere Stelle zu finden. (2) Der Arbeitgeber kündigt einem Arbeitnehmer. Der Betriebsrat widerspricht der Kündigung aus unsachgemäßen bzw. unrechtmäßigen Beweggründen nicht, obwohl Gründe i. S. d. § 102 Abs. 3 BetrVG vorliegen. Der Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage, kann aber aufgrund des fehlenden Widerspruchs keinen besonderen Weiterbeschäftigungsanspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG durchsetzen. Die Kündigungsschutzklage hat schließlich kei14 Siehe unten §§ 15-21. «s Siehe unten §§ 15-16. •6 Siehe unten §§ 17-21.
§ 1 Einführung und Problemstellung
nen Erfolg. Dem Arbeitnehmer entsteht für die Zeit des Kündigungsschutzverfahrens Lohnausfall. (3) Der Betriebsrat verweigert die Zustimmung zur Zuteilung einer Werkswohnung aus unsachgemäßen bzw. unrechtmäßigen Überlegungen. (a) Der Arbeitgeber unterläßt die Anrufung der Einigungsstelle und fügt sich. Der Arbeitnehmer muß eine teurere Wohnung mieten. (b) Wie (a), jedoch ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle an. Diese entscheidet - zu Unrecht - für den Betriebsrat. (4) Der Arbeitgeber beabsichtigt, ein Rauchverbot in seinem Betrieb zu erlassen. Der Betriebsrat versagt die erforderliche Zustimmung aus unsachgemäßen bzw. unrechtmäßigen Gründen. (a) Der Arbeitgeber unterläßt die Anrufung der Einigungsstelle und fügt sich. Aufgrund einer weggeworfenen Zigarette bricht ein Feuer aus, bei dem ein Arbeitnehmer verletzt wird. (b) Wie (a), jedoch ruft der Arbeitgeber vor Ausbruch des Feuers die Einigungsstelle an. Diese entscheidet - zu Unrecht - für den Betriebsrat. (5) Der Betriebsrat widerspricht aus unrechtmäßigen Gründen der Einstellung eines Bewerbers. (a) Der Arbeitgeber schließt aus Scheu vor Streit mit dem Betriebsrat den Arbeitsvertrag nicht ab. (b) Der Arbeitgeber unterliegt in dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht, das zu Unrecht gegen ihn entscheidet. Er schließt den Arbeitsvertrag nicht ab. (c) Der Arbeitgeber läßt die Zustimmung vom Arbeitsgericht ersetzen. Erst nach dieser Verzögerung stellt er den Bewerber ein. In allen Varianten findet der Arbeitnehmer für längere Zeit bzw. in Variante (c) bis zur Einstellung keine andere Stelle. (6) Der Betriebsrat erhebt unrechtmäßige Einwände gegen eine (finanzielle) Höhergruppierung eines Arbeitnehmers. Da seine Argumentation begründet erscheint, führt der Arbeitgeber die Maßnahme nicht durch. (7) Der Betriebsrat verdächtigt irrtümlich einen Arbeitnehmer einer gesetzwidrigen Störung des Betriebsfriedens und verlangt dessen Entlassung vom Arbeitgeber. (a) Dieser fügt sich dem Betriebsrat. (b) Das Arbeitsgericht gibt dem sich weigernden Arbeitgeber zu Unrecht auf Antrag des Betriebsrates auf, den Arbeitnehmer zu entlassen. In beiden Varianten findet der Arbeitnehmer für längere Zeit keine andere Stelle.
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§ 1 Einführung und Problemstellung
(8) Der Betriebsrat schädigt einen Arbeitnehmer durch eine falsche Auskunft in der Sprechstunde. Der Arbeitnehmer erleidet eine Vermögenseinbuße, da er es unterläßt, einen Lohnanspruch geltend zu machen. (9) Der Betriebsrat weigert sich, eine Beschwerde eines Arbeitnehmers entgegenzunehmen. (10) Der Betriebsrat weigert sich, mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan auszuhandeln, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Arbeitgeber (11) Der Arbeitgeber beabsichtigt, ein Rauchverbot in seinem Betrieb zu erlassen. Der Betriebsrat versagt die erforderliche Zustimmung aus unsachgemäßen Gründen. (a) Der Arbeitgeber unterläßt die Anrufung der Einigungsstelle und fügt sich. Aufgrund einer weggeworfenen Zigarette bricht ein Feuer aus, bei dem Betriebsmittel des Arbeitgebers zerstört werden. Außerdem kann wegen des Brandes ein Auftrag nicht eingehalten werden, woraus dem Arbeitgeber zusätzlich ein Vermögensschaden entsteht. (b) Wie (a), jedoch ruft der Arbeitgeber vor Ausbruch des Feuers die Einigungsstelle an. Diese entscheidet vor Ausbruch des Feuers - zu Unrecht - für den Betriebsrat. (12) Der Betriebsrat widerspricht aus unrechtmäßigen Gründen der Einstellung eines Spezialarbeiters. (a) Der Arbeitgeber fügt sich dem Betriebsrat. Da der Arbeitgeber keinen gleichwertigen Spezialarbeiter findet, entsteht ihm ein Produktionsausfall. (b) Wie (a), jedoch wendet sich der Arbeitgeber mit Erfolg an das Arbeitsgericht. Der Spezialarbeiter hat jedoch inzwischen aufgrund der Betriebsratsweigerung eine andere Stellung angetreten. (c) Wie (b), der Arbeitgeber ist jedoch zuvor in dem Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht unterlegen, daß zu Unrecht gegen ihn entscheidet. (13) Ein Arbeitgeber gerät bei Durchführung eines wichtigen Terminauftrags in Zeitdruck und möchte deswegen unverzüglich Überstunden einführen. Der Betriebsrat verweigert aus unsachgemäßen Gründen die erforderliche Zustimmung. (a) Der Arbeitgeber fügt sich aus Scheu vor Streit mit dem Betriebsrat. Der gesetzte Termin kann nicht eingehalten werden. Der Arbeitgeber muß eine Konventionalstrafe zahlen.
§ 1 Einführung und Problemstellung
(b) Der Arbeitgeber ruft die Einigungsstelle an. Der Betriebsrat unterliegt zwar vor der Einigungsstelle, die Einführung der Überstunden ist jedoch nur mit mehrtägiger Verspätung möglich. Der gesetzte Termin kann nicht eingehalten werden. Der Arbeitgeber muß eine Konventionalstrafe zahlen. (c) Der Arbeitgeber ruft die Einigungsstelle an. Die Einigungsstelle entscheidet zu Unrecht zugunsten des Betriebsrats. Der gesetzte Termin kann nicht eingehalten werden. Der Arbeitgeber muß eine Konventionalstrafe zahlen. (d) Abwandlung: Der Betriebsrat hält den Arbeitgeber hin und fällt zunächst keine Entscheidung, obwohl eine solche möglich wäre. Der Arbeitgeber wartet in der Hoffnung auf eine rechtzeitige Mitteilung. Der Termin verstreicht jedoch ohne Entscheidung des Betriebsrats. Der gesetzte Termin kann nicht eingehalten werden. Der Arbeitgeber muß eine Konventionalstrafe zahlen. (14) Der Betriebsrat legt eine nicht unter §§ 14 a, 17 oder 43 Abs. 1 BetrVG fallende Betriebsversammlung in die Arbeitszeit. Dem Arbeitgeber entsteht ein Verdienstausfall. (15) Der Betriebsrat ordnet eigenmächtig für bestimmte Tage einen früheren Arbeitsschluß an. Dem Arbeitgeber entsteht ein Produktionsausfall. (16) Der Betriebsrat ruft zum Streik auf und führt ihn durch, um eine höhere Gratifikation für die Belegschaft zu erreichen. Die Arbeitnehmer folgen dem Aufruf in der Annahme, der Betriebsrat sei dazu berechtigt. Dem Arbeitgeber entsteht ein Vermögensschaden. (17) Der Betriebsrat hängt an bestimmten Stellen im Betrieb Wahlwerbungsplakate auf. Die Wahlplakate beziehen sich allerdings nicht auf Angelegenheiten des § 74 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 BetrVG. (18) Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat einen Finanzfonds und sachliche Mittel zur Erfüllung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben zur Verfügung gestellt. Später stellt sich heraus, daß der Fonds zu großzügig bemessen ist und die Sachmittel gar nicht gebraucht werden. Der Arbeitgeber möchte die überschüssigen Geld- und Sachmittel zurückbekommen. Der Betriebsrat weigert sich.
Dritte (Sachverständige, Rechtsanwälte, Veranstalter von Betriebsratsschulungen) (19) Der Betriebsrat, vertreten durch seinen Vorsitzenden, schließt mit einem Rechtsanwalt/Sachverständigen/Veranstalter anläßlich einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit mit dem Arbeitgeber namens des Betriebsrats
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§ 1 Einführung und Problemstellung
einen Vertrag ab. Der Betriebsrat zahlt das Honorar nicht. Der Rechtsanwalt/ Sachverständige / Veranstalter verlangt Honorar und Verzugszinsen. (20) Der Betriebsratsvorsitzende, der namens des Betriebsrats im Hinblick auf den Abschluß eines Vertrages mit einem Rechtsanwalt/Sachverständigen/ Veranstalter verhandelt, stößt dabei grob fahrlässig eine wertvolle Vase des Rechtsanwalts / Sachverständigen / Veranstalters um, die dabei zerbricht.
Betriebsratsmitglieder (21) Ein Betriebsratsmitglied bezahlt die Reisekosten für die Fahrt zu einer gem. § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlichen Schulungsveranstaltung selbst. Von wem kann es Erstattung verlangen?
Abschnitt 1
Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein - Das Wesen seiner Rechtsfähigkeit Um überhaupt Gegner von Ansprüchen sein zu können, muß der Betriebsrat insoweit „rechtsfähig" sein. Es sei angemerkt, daß sich das, was im allgemeinen als Rechtsfähigkeit bezeichnet wird, sowohl auf Rechte, als auch auf Pflichten bezieht. Im Folgenden soll um einer differenzierteren und somit klareren Begrifflichkeit willen im Hinblick auf die Fähigkeit, Gegner von Ansprüchen zu sein, von „Pflichtfähigkeit" gesprochen werden. Der Terminus der Rechtsfähigkeit im weiteren Sinne bildet dabei den Oberbegriff, der auch die Rechtsfähigkeit im engeren Sinne, also die Fähigkeit, Träger von Rechten zu sein, einschließt. Ob, inwieweit und welcher Art Ansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium bestehen können, hängt somit von dessen Pflichtfähigkeit ab. Die Reichweite dieser Pflichtfähigkeit ist zur Beantwortung dieser Frage genau zu prüfen. Die Fähigkeit des Betriebsrats, Partei von Rechtsgeschäften und damit diesbezügliches Pflichtsubjekt, d. h. vertraglicher Schuldner zu sein, ist insbesondere von Rosset gründlich untersucht worden. 1 Was andere Anspruchsgrundlagen betrifft, wie beispielsweise Ansprüche aus gesetzlicher Sonderverbindung oder aus Delikt, bedarf es allerdings noch einer intensiveren Analyse.
§ 2 Der Meinungsstand zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats I. Die unstreitige Ablehnung der juristischen Persönlichkeit des Betriebsrats Es besteht Einigkeit darüber, daß der Betriebsrat keine juristische Person ist. 2 Nach dem Gesetz werden Betriebsräte weder als juristische Personen eingetragen, noch kann ihnen dieser Status staatlich verliehen werden. Das deutsche Recht folgt - unter Ablehnung des Systems der freien Körperschaftsbildung - dem System der ι Rosset, S. 37 ff. 2 Vgl. nur MünchArbRHb/v. Hoyningen-Huene, Bd. III 1, § 299, Rn. 15; Spilger, Rn. 25.
Abschnitt 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
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Normativbestimmungen und dem Konzessionssystem. 3 Wo das objektive Recht die Form der juristischen Person wählt, stellt es dies auch explizit fest. Eine sich ohne weiteres - aus der Eigenschaft der juristischen Person ergebende Rechtsfähigkeit und damit Pflichtfähigkeit des Betriebsrats besteht demnach nicht.
II. Die vollständige Ablehnung der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats Zum Teil wurde und wird dem Betriebsrat jegliche Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne abgesprochen. Träger der Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz sei die Belegschaft. Insbesondere in der Weimarer Republik wurde die Arbeitnehmerschaft als juristische Teilperson betrachtet, 4 jedoch auch später. 5 Konsequenterweise wäre nach dieser Ansicht der Betriebsrat selbst kein Rechtsträger, sondern gesetzlicher Vertreter der Belegschaft. 6 Vielfach wurde er auch schon als Organ bezeichnet. 7 Andere Stimmen in der Literatur verneinen jegliche Rechtsfähigkeit des Betriebsrats, indem sie sich darauf berufen, der Betriebsrat nehme nicht nach außen als Kollegium am Rechtsverkehr teil. Vielmehr trete er nur durch seinen Vorsitzenden in Erscheinung. 8 Bei Annahme eines kompletten Mangels an Rechtsfähigkeit könnten dem Betriebsrat konsequenterweise auch keinerlei Pflichten zugeordnet werden. 9 Dies würde für Ansprüche auf Erfüllung der Verpflichtungen des Betriebsrats (z. B. Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche), für negatorische Ansprüche und auch für solche auf Schadensersatz gelten.
3 Staudingerl Weick, Einl. zu §§ 20 ff., Rn. 60. 4 Kastel NZfAR 1921, Sp. 11; Nachweise bei Richardi, Einl., Rn. 87. 5 Dietz, 4. Aufl., 1967, § 1, Rn. 5 ff.; Fabricius, S. 232 f. 6 Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1085; Kaskel, NZfAR 1921, Sp. 11; Für weitere Nachweise siehe Richardi, Einl., Rn. 97. Ebenso wohl auch Gaul, Ο. IV., Rn. 3, der außerdem von einer gesetzlich begründeten Verpflichtungsermächtigung des Betriebsrat zugunsten und zu Lasten der Arbeitnehmer ausgeht. 7
Dietz, 4. Aufl., § 1, Rn. 23. Hierbei ist aber nicht der Organbegriff der juristischen Person gemeint, vgl. Richardi, Einl., Rn. 98. 8 Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1091. 9 So interpretiert auch Belling die Konsequenzen dieser Auffassung, S. 219 ff.; dagegen inkonsequenterweise - Hueck/Nipperdey, 6. Aufl., Bd. II, S. 687.
§ 2 Der Meinungsstand zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
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III. Der Betriebsrat als teilrechtsfähiges Gebilde 1. Die Literatur Immer stärker durchgesetzt hat sich mittlerweile die Auffassung, der Betriebsrat sei teilrechtsfähig. Diese Meinung wird heute nahezu einhellig vertreten. 10 Vertreter dieser Annahme verwenden jedoch nicht selten eine einigermaßen verwirrende Terminologie. So wird häufig geäußert, der Betriebsrat sei nicht rechtsfähig bzw. nicht rechtsfähig „ i m zivilrechtlichen Sinne", um ihm gleich darauf quasi i m Nachsatz - einzelne Rechte explizit zuzuerkennen. 11 Dieser scheinbare Widerspruch läßt sich jedoch damit erklären, daß diese Stimmen von dem RechtsfähigkeitsVerständnis der herrschenden Lehre 1 2 ausgehen, mit dem Begriff also eine umfassende und absolute Rechtsfähigkeit meinen. Eine solche besitzt der Betriebsrat, da er keine juristische Person ist, in der Tat nicht. Die Tatsache, daß einzelne Zuweisungen von Rechten an den Betriebsrat dennoch nicht zu leugnen sind, wird von diesen Autoren dogmatisch nicht begründet, wohl um zu vermeiden, sich der Lehre von der Relativität der Rechtsfähigkeit 13 explizit anschließen zu müssen. Fest steht aber, daß all diese Literaturstimmen dem Betriebsrat einzelne Rechte und Pflichten zusprechen und ihn dadurch im Ergebnis zu einem teilrechtsfähigen Gebilde erheben. Die Reichweite dieser Rechts- und Pflichtfähigkeit wird gemeinhin durch den Wirkungskreis des Betriebsrats bestimmt, der sich auf die vom Betriebsverfassungsgesetz (und anderen Gesetzen) zugebilligten Rechte und Pflichten erstreckt. 14 Ein Teil des Schrifttums scheut sich mittlerweile auch nicht mehr, den Betriebsrat ausdrücklich für teilrechtsfähig zu erklären. Auch diesen Stimmen zufolge ergibt sich eine solche Teilrechtsfähigkeit insbesondere aus den einzelnen Rechten und Pflichten, die das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat zuerkennt. 15 Der Betriebsrat sei also innerhalb seines Wirkungskreises durchaus rechtsfähig. 16
•ο Belling, S. 222; Däubler/Kittner/ Klebe, Einl., Rn. 122 f.; GK/Kraft, § 1, Rn. 75; Heinze, DB 1983, Beil. 9, S. 7; Richardi, Einl., Rn. 106; Rosset, S. 37 ff. 11 So Fitting / Kaiser/ Heither/ Engels, § 1, Rn. 199, 186; Galperin/ Löwisch, vor § 1, Rn. 21 f.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, vor § 1, Rn. 25, 27; MünchArbR/v. HoyningenHuene, Bd. III 1, § 299, Rn. 19. 12 Hierauf wird noch ausführlich eingegangen werden, siehe unten § 3 III. 13 Zur Relativität der Rechtsfähigkeit siehe unten § 3 III. »4 Däubler/Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123; GK/Kraft, § 1, Rn. 75; Richardi, Einl., Rn. 107. 15 Richardi, Einl., Rn. 106. 16 Rosset, S. 37 ff.
3 2 A b s c h n i t t 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
2. Die Rechtsprechung Auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist mittlerweile eine Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats anerkannt. 17 Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht noch in einer Entscheidung vom 24. 04. 1986 bei Ablehnung der Vermögensfähigkeit die Frage seiner (sonstigen) Rechtsfähigkeit innerhalb des Wirkungskreises des Betriebsverfassungsgesetzes offen gelassen. 18 Mittlerweile geht aber das Bundesarbeitsgericht von einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und dem Arbeitgeber aus folgert daraus sogar eine - zumindest partiellen - Vermögensfähigkeit. 19 Der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte zuvor ohnehin bereits in einem Beschluß vom 22. 07. 1980 darauf hingewiesen, daß zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat als Organe der Betriebsverfassung Verhaltenspflichten bestehen 20 und sogar ausdrücklich zwischen den Rechten des Betriebsrats als Organ der Betriebsverfassung und den Rechten einzelner Betriebsratsmitglieder differenziert. 21
3. Der Meinungsstand zur Reichweite der Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats a) Die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats der Betriebsverfassung
innerhalb
Die konkrete Reichweite des Wirkungskreises des Betriebsrats, innerhalb dessen er nach nunmehr herrschender Meinung teilrechtsfähig sein soll, wird aber namentlich in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Einigkeit besteht lediglich darin, daß der Betriebsrat Rechtsfähigkeit auf dem Gebiet der gesetzlich im Betriebsverfassungsgesetz (und anderen Gesetzen) ausdrücklich festgeschriebenen Rechte und Pflichten besitzt. 2 2 Dies gilt z. B. für den Informationsanspruch nach § 80 Abs. 2 BetrVG und für die Beteiligtenfähigkeit gemäß § 10 A r b G G . 2 3 Die Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz werden einhellig dem Betriebsrat als solchem zugeordnet. 24
•7 ι« •9 20
Vgl. BAG ν. 13. 05. 1998 AP Nr. 55 zu § 80 BetrVG 1972. BAG AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung. BAG, DB 2002, S. 849, 850. BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972.
21 BAG ν. 25. 10. 1988 AP Nr. 110 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 22 Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 22; GK/Kraft, § 1, Rn. 75; MünchArbR/v. Hoyningen-Huene, Bd. III 1, § 299, Rn. 14, 19. 23 GK/Kraft, § 1, Rn. 75. 24 Allgemein: GK/Kraft, § 1, Rn. 49; Kreutz, S. 31; Richardi, Einl., Rn. 107; im Hinblick auf § 75 BetrVG: Fitting tKaiser/Heither/Engels, § 75, Rn. 7; GK/Kreutz., § 75, Rn. 9; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 75, Rn. 2; Richardi, § 75, Rn. 5.
§ 2 Der Meinungsstand zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
33
b) Die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats im Verhältnis zu außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten Vielfach wird dem Betriebsrat hingegen auch zugestanden, aus Verträgen mit Dritten, wie etwa Rechtsanwälten, Sachverständigen oder Veranstaltern von Betriebsratsschulungen, verpflichtet zu werden. 2 5 Diese Teilrechtsfähigkeit wird damit begründet, es sei dem Betriebsrat durchaus möglich, sich zu diesem Zweck Vermögen zu schaffen. I m Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes könne der Betriebsrat Träger vermögensrechtlicher Ansprüche sein. Diese Annahme wird auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützt; die Vorschrift begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. 26 Aus dieser Annahme wird dann weiter gefolgert, der Betriebsrat könne über diese vermögensrechtlichen Beziehungen zum Arbeitgeber hinaus auch Hilfsgeschäfte mit Dritten wie etwa Rechtsanwälten oder Sachverständigen abschließen, aus denen er als Gremium berechtigt und verpflichtet würde, solange er nur in seinem Wirkungskreis handele. 27 Die Gegner einer solchen Ausweitung des § 40 Abs. 1 BetrVG und damit der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats auf Rechtsgeschäfte mit Dritten bedienen sich einer anderen Konstruktion: Soweit der Betriebsrat aus dem Betriebsverfassungsgesetz befugt sei, Dienste, beispielsweise eines Sachverständigen oder Rechtsanwaltes, in Anspruch zu nehmen, sei der Arbeitgeber verpflichtet, die entsprechenden Verträge abzuschließen. 28 Dieser Ansicht zufolge würde sich ein Betriebsratsmitglied, das eine solche Verpflichtung des Betriebsrats als Gremium begründen wollte, automatisch außerhalb der gesetzlichen Befugnisse bewegen und konsequenterweise ultra vires handeln. 2 9 Eine solche Handlung führe zu einer persönlichen Verpflichtung der handelnden Betriebsratsmitglieder, die sich aus den Vorschriften des Zivilrechts ergebe. 30 Die Verpflichtung wird auf § 164 Abs. 2 BGB gegründet, wenn das Mitglied nicht klar zum Ausdruck gebracht hat, für den Be-
25 Däubler/Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123; Richardi, Einl., Rn. 111; Rosset, S. 37 ff.; für den Personalrat: BVerwG v. 09. 03. 1992 AP Nr. 11 zu § 44 BPersVG; dagegen: Fitting /Kaiser / Heither / Engels, § 1, Rn. 219; ebenfalls dagegen: GK /Kraft, § 1, Rn. 76 und Jahnke, RdA, 1975, S. 343, 346, 347, die von einer Verpflichtung des Arbeitgebers ausgehen. 26 Däubler/Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123; Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, 15 f.; Richardi, Einl., Rn. 110; Rosset, S. 37 ff. Ein gesetzliches Schuldverhältnis bejahen wohl auch Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 218, 199, und GK/Kraft, § 1, Rn. 75, ohne allerdings hieraus Schlüsse auf die Vermögensfähigkeit oder Rechtsfähigkeit gegenüber Dritten zu ziehen. 27 Däubler/Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123; Richardi, Einl., Rn. 111; Rosset, S. 37 ff. 28 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 220. 29 Vgl. Gramm, B. III. 1. 30 Fitting / Kaiser/ Heither/ Engels, § 1, Rn. 221; GK / Kraft, § 1, Rn. 76. Beide gehen jedoch davon aus, daß die jeweiligen Betriebsratsmitglieder daraufhin einen Erstattungsbzw. Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber haben, vorausgesetzt, dieser hat letztlich die Kosten zu tragen. 3 Triebel
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Abschnitt 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
triebsrat zu handeln. Falls es sich ausdrücklich „ i m Namen des Betriebsrats' 4 betätigt habe, ergebe sich die Verpflichtung aus § 179 BGB analog. 3 1 Geht man dagegen von dem weiteren Verständnis des § 40 Abs. 1 BetrVG aus und nimmt somit an, diese Vorschrift befähige den Betriebsrat, auch Partei von Verträgen mit Dritten zu sein, so bedeutet dies eben auch, daß der Betriebsrat diesbezüglich Gegner von Vermögenswerten Forderungen sein kann, daß er also insoweit pflichtfähig ist.
c) Schadensersatzforderungen
gegen den Betriebsrat als Gremium
Einig ist man sich allerdings in der Annahme, der Betriebsrat als Gremium könne generell nicht Gegner von Vermögenswerten Schadensersatzforderungen sein. Dies gelte sowohl für Schadensersatzforderungen aus Delikt, als auch für solche aus Sonderverbindungen. 32 Dem schließen sich auch diejenigen Stimmen an, die den Betriebsrat für teilrechtsfähig im Verhältnis zu Dritten halten 3 3 , mit der Folge, daß auch die Ansprüche Dritter auf Erfüllung begrenzt wären. Vermögenswerten Schadensersatzforderungen könnten grundsätzlich lediglich die einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgesetzt sein. 3 4
§ 3 Kritik an den bisherigen Untersuchungen zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats Das Wesen der Rechtsfähigkeit I. Gedankliche Grundlagen der bisherigen Ansichten zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats Die Ausführungen lassen erkennen, daß die bisherigen Untersuchungen der Rechtsfähigkeit und insbesondere auch der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats zumeist zwei Hauptcharakteristika aufweisen. Zum einen geht man gerade in bezug auf die Möglichkeit des Bestehens vermögensrechtlicher Ansprüche gegen den Betriebsrat stark von Überlegungen zu dessen Vermögensfähigkeit aus. Der Betriebsrat kann also nach den dargestellten Meinungen nur insoweit Gegner vermögensrechtlicher Ansprüche sein, als er vermö31 Vgl. Dietz!Richardi, 5. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 7; Gramm, B. III. 1. 32 BAG v. 24. 04. 1986 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Brill, AuR 1980, S. 353, 354; Galperin /Löwisch, vor § 1; Rn. 36; Gramm, Β. I.; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, vor § 1, Rn. 27; v. Hoyningen-Huene, S. 49; Jahnke, RdA 1975, S. 343, 345. 33 Siehe Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 8. 34 GK ! Kraft, § 1, Rn. 81; Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 15.
§ 3 Kritik an den bisherigen Untersuchungen zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
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gensfähig ist. 3 5 Ausgehend von der Vermögensfähigkeit führt diese Bestimmung der Pflichtfähigkeit bei Annahme einer kompletten Vermögensunfähigkeit des Betriebsrats 36 konsequenterweise dazu, dem Betriebsrat insoweit jegliche Pflichtfähigkeit abzusprechen. Vereinzelt wird versucht, dies zu vermeiden, indem man dem Betriebsrat eine begrenzte Vermögensfähigkeit zubilligt. Durch „Aufhebung des Dogmas der totalen Vermögensunfähigkeit" 37 soll eine erweiterte Rechts- und insbesondere Pflichtfähigkeit begründet werden. Entsprechend dieser Argumentationsstruktur wird die These, der Betriebsrat könne niemals Gegner von vermögensrechtlichen Schadensersatzforderungen sein, aus der Analyse seiner Vermögensfähigkeit entwickelt. Wenn man Fragen der Naturalrestitution außer acht ließe, da derartige Konstellationen kaum denkbar seien 3 8 , so begrenze die fehlende Vermögensfähigkeit des Betriebsrats die Pflichtfähigkeit dahingehend, daß Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat nicht bestehen könnten. Es gehöre nicht zum Wirkungskreis des Betriebsrats, vermögensrechtlich tätig zu werden. 3 9 Hingegen soll, wie bereits ausgeführt, der Betriebsrat durchaus Adressat von negatorischen Ansprüchen sein können, da sich hierauf die Frage nach der Vermögensfähigkeit nicht auswirke. 4 0 Auch bei Rosset 4 1 , der die Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats besonders i m Hinblick auf vertragliche Ansprüche genauer analysiert, fehlt eine klare Differenzierung nach den verschiedenen Gebieten der Rechtsfähigkeit. Insbesondere mangelt es an einer Unterscheidung zwischen Pflichtfähigkeit einerseits und Vermögens- bzw. Haftungsfähigkeit andererseits. Auch Rosset bestimmt die Reichweite der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats in bezug auf vermögensrechtliche Verpflichtungen zu einem Großteil durch eine Begrenzung von dessen Vermögensfähigkeit. Dies führt dazu, daß auch die Klarheit der Begrifflichkeit leidet. So geht Rosset ursprünglich von der Frage aus, wer Partei für die Rechtsgeschäfte des Betriebsrats sei. Bei der Beantwortung dieser Frage untersucht er dann aber zunächst die Vermögensfähigkeit 42 , wobei er unter dem Vermögen die Zusammenfassung von geldwerten Rechten und Rechtsverhältnissen versteht. 43 Die fehlende gedankliche Trennung der Vermögensfähigkeit von der Rechtsbzw. Pflichtfähigkeit deutet schon auf das zweite Hauptcharakteristikum der bishe-
35 So Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, 15 ff. 36 So noch BAG ν. 24. 04. 1986 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung, mittlerweile erfolgte allerdings durch BAG, DB 2002, S. 849, 850, die Anerkennung einer teilweisem Vermögensfähigkeit; Galperin!Löwisch, vor § 1, Rn. 36; Gramm, Β. I. 37 Vgl. Richardi, Einl., Rn. 110. 38 So Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 13. 39 Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 10. 40 Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 11. 41 Rosset, S. 37 ff. 42 Rosset, S. 37. 43 Rosset, S. 41; so auch Larenz/Wolf, 3=
AT, § 21, Rn. 2.
3 6 A b s c h n i t t 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
rigen Untersuchungen der Rechtsfähigkeit hin: Es wird regelmäßig der Versuch unternommen, die Fähigkeiten des Betriebsrats pauschal zu bestimmen, ohne eine genauere Analyse des Gesetzes vorzunehmen. Durch diese Vorgehensweise unterbleibt eine sorgfältige Begutachtung des Wesens der Rechtsfähigkeit. Hierdurch wird eine differenziertere Betrachtungsweise verhindert. Wie nunmehr zu zeigen ist, führen sowohl die fehlende Trennung der Vermögensfähigkeit von der Pflichtfähigkeit als auch das allzu pauschale Verständnis des Wesens der Rechtsfähigkeit zu gravierenden Fehlbewertungen.
II. Die Notwendigkeit der Trennung von Vermögensfähigkeit und Pflichtfähigkeit Die Koppelung der Pflichtfähigkeit an die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats vermag nicht zu überzeugen. Die Frage nach der Vermögensfähigkeit stellt sich erst im Bereich der Haftung, also dem Unterworfensein unter die Zwangsvollstreckung. Dabei wird im Rahmen dieser Arbeit der Vermögensbegriff dahingehend verstanden, daß er die Summe aller geldwerten Rechte darstellt. 4 4 Ob der Betriebsrat Partei der von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäfte ist, kann dagegen nur anhand dessen geklärt werden, ob er Zuordnungsobjekt von Rechten und - was für das hier behandelte Thema in erster Linie bedeutsam ist - von Pflichten aus diesen Rechtsgeschäften ist, ob er also insoweit als (rechts- und) pflichtfähig angesehen werden kann. Die Vermögensfähigkeit ist nur ein Bestandteil der Rechtsfähigkeit. 45 Zwar ist zuzugeben, daß die Vermögensfähigkeit i m allgemeinen für die Rechtsfähigkeit, und zwar gerade für die Rechtsfähigkeit von Verbänden, eine Rolle spielt; denn sie wird ihnen in aller Regel verliehen, um sie als selbständige Träger von Vermögensrechten zu schaffen. 46 Der hinter dem Betriebsrat stehende Zweck ist jedoch ein gänzlich anderer, nämlich u. a. die Schaffung einer Betriebsverfassung, in der die Beteiligungsrechte des Betriebsrats festgelegt, seine Aufgaben definiert und das Verhältnis der Beteiligten zueinander geregelt w i r d . 4 7 Somit ist eine teilweise Rechtsfähigkeit des Betriebsrats - soweit eine solche anzuerkennen ist nicht Selbstzweck im Interesse seiner Mitglieder; die Rechts- und Pflichtfähigkeit des Betriebsrats soll (nur) soweit reichen, wie es die Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassung verlangt. Für die Frage, ob dem Betriebsrat Vermögenswerte Forderungen zustehen können - also für die Frage der Rechtsfähigkeit im engeren Sinne - kann zwar tatsächlich die Vermögensfähigkeit ausschlaggebend sein. So ergäbe es keinen Sinn, einem Rechtssubjekt Vermögenswerte Forderungen zuzubil44 Vgl. Brox, AT, Rn. 787. 45 So auch Jahnke, RdA 1975, S. 343, 343. 46 Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. I, 2. Aufl., 1896, S. 78; so auch Dietz, 4. Aufl., § 1, Rn. 12. 47 Vgl. Begr. zum RegE BetrVG, A. II., BT-Drucks. VI, Nr. 1786, S. 31 ff.
§ 3 Kritik an den bisherigen Untersuchungen zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
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ligen, deren Erfüllung nicht auch tatsächlich seinem Vermögen einverleibt werden könnte. Für die Pflichtfähigkeit gilt dies indes nicht: Hier muß klar zwischen Schuld und Haftung unterschieden werden. So sind nach der Systematik der Lehre der Teilrechtsfähigkeit durchaus Rechtssubjekte denkbar, die pflichtfähig sind, ohne vermögensfähig und damit haftungsfähig zu sein. 4 8 Selbst die - wenig überzeugende - Ansicht Rhodes, die Vermögensfähigkeit sei der „geringste Aufguß einer Rechtsfähigkeit 4 ' 49 , läßt keineswegs den Schluß von der Vermögensfähigkeit auf die Pflichtfähigkeit zu. Ferner ist ebenfalls nicht zwingend, die Vermögensfähigkeit als Voraussetzung für die Fähigkeit zu betrachten, Gegner von geldwerten Ansprüchen zu sein. Ausgehend von einer Trennung von Schuld und Haftung und damit der Trennung von Schuldfähigkeit (Pflichtfähigkeit) und Haftungsfähigkeit als Teilaspekte der Rechtssubjektivität lassen sich durchaus Konstellationen denken, in denen eine Pflicht(-fähigkeit) ohne Haftung(-sfähigkeit) existiert. 5 0 So ist eine solche Konstellation stets dort gegeben, wo die Haftung beschränkt ist und die Reichweite der Schuld die Haftung übersteigt. In all diesen Fällen liegt eine Schuld ohne Haftung insoweit vor, als die Schuld durch den Haftungsverband nicht gedeckt ist. Häufig ergeben sich solche Haftungsbeschränkungen ex lege, die den Zugriff des Gläubigers auf ein Sondervermögen des Schuldners beschränken. 51 Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Fälle, in denen schon aus rechtlichen Gründen keine ausreichende Haftungsmasse geschaffen werden kann. So ist es einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung trotz der Haftungsbeschränkung durchaus tatsächlich möglich, den Gläubigern ein der Befriedigung ihrer Forderungen angemessenes Gesellschaftsvermögen zur Verfügung zu stellen. Billigte man dem Betriebsrat Vermögensfähigkeit gerade nicht zu, so könnte man möglicherweise folgern, der Betriebsrat sei nicht pflichtfähig, da er sich aus rechtlichen Gründen schon gar kein Vermögen schaffen könne und daher nicht einmal freiwillig erfüllen könnte. 5 2 Eine Schuld (bzw. die diesbezügliche Schuldfähigkeit), die rechtlich von 48
Fabricius, S. 29, 65. Auch John, S. 91, betrachtet die Vermögensfähigkeit lediglich als einen wichtigen Schritt zur rechtsorganisatorischen Verselbständigung. Schon an dieser Stelle soll im übrigen darauf aufmerksam gemacht werden, daß der Begriff des Vermögens bei Fragen der Haftung zu ungenau ist, da durchaus Rechtsgegenstände unter den Begriff des Vermögens fallen, die einer Haftung entzogen sind. Es ist daher besser auf den realen Haftungsverband abzustellen, vgl. auch John, S. 240. Hierauf wird unter § 19 II. 4. b) cc) noch eingegangen werden. Beide Begriffe sind denklogisch zu trennen. Nach Fabricius ist die Vermögensfähigkeit notwendige Voraussetzung für die Haftungsfähigkeit (ders., S. 60). Auch dies ist allerdings etwas ungenau, da es die Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung z. B. zur Erwirkung von Handlungen unbeachtet läßt. John spricht in diesen Fällen vom personalen Haftungsverband, vgl. ders., S. 241. 49 Rhode, S. 173. 50 Erman/Werner, Einl. § 241, Rn. 30. 51
Gernhube η S. 75. Auch Jahnke, S. 14, betrachtet die rechtliche Möglichkeit, sich ein Vermögen zu schaffen als Voraussetzung für die Haftung. 52
3 8 A b s c h n i t t 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
vornherein nicht erfüllt werden kann, erscheint in der Tat sinnlos. Jedoch kann bei genauerer Betrachtung auch dies kein Argument gegen die Unabhängigkeit der Vermögensfähigkeit von der Schuldfähigkeit sein. So erlaubt es das Gesetz, daß abgesehen von den Fällen höchstpersönlicher Schuld - gemäß § 267 Abs. 1 BGB ein Dritter anstelle des Schuldners leistet. Dies würde auch i m Falle des Betriebsrats eine Erfüllung ermöglichen, selbst wenn dieser aus rechtlichen Gründen unfähig wäre, sich Vermögen zu schaffen. Weiter ist in die Überlegungen mit einzubeziehen, daß über die freiwillige Erfüllung einer Schuld durch Dritte hinaus nicht selten durchaus die Möglichkeit besteht, Dritte für die Verpflichtungen eines Rechtssubjekts auch zwangsweise haften zu lassen. I m geltenden Recht existieren in der Tat zahlreiche Erscheinungsformen, in denen Gläubiger für Verpflichtungen der einen Rechtsperson auf das Vermögen einer anderen Rechtsperson zugreifen können. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der Gesellschafterhaftung der offenen Handelsgesellschaft oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, des weiteren bei dem nicht eingetragenen Idealverein. Auch das weithin anerkannte Rechtsinstitut des Haftungsdurchgriffs stellt einen solchen Fall dar. 5 3 Als weitere Erscheinungsformen einer „Schuld ohne Haftung" ist des weiteren auf die Fälle der sogenannten „unvollkommenen" oder „natürlichen" Verbindlichkeiten hinzuweisen. 5 4 Wenn also nicht immer das Vermögen der verpflichteten Rechtsperson auch haften muß, so sind zumindest denklogisch Konstellationen möglich, in denen nicht vermögensfähige Rechts Subjekte schuldrechtlich verpflichtet werden können. Somit wäre das Bestehen einer Schuld des Betriebsrats nicht schon insoweit ausgeschlossen, als er sich keine entsprechenden Vermögensmassen schaffen könnte. Eine Untersuchung der Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne - und insbesondere der Pflichtfähigkeit - des Betriebsrats muß also losgelöst von der Frage der Vermögensfähigkeit und damit systematischer erfolgen, als dies bisher geschehen ist.
I I I . Die Relativität der Rechtsfähigkeit 1. Die Relevanz des Wesens der Rechtsfähigkeit für die Untersuchung Die Meinung der herrschenden Lehre zur Rechtsfähigkeit Das zweite Hauptcharakteristikum der bisherigen Ansichten zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats wurzelt in einer zu pauschalen Betrachtungsweise des Wesens der Rechtsfähigkeit.
53
Hierauf wird noch einzugehen sein, siehe unten §§ 17-21. 54 Erman/Sirp, Einl. § 241, Rn. 30; MünchKomm/Kramer, 4. Aufl., Einl. § 241, Rn. 48.
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U m die Fähigkeit des Betriebsrats, Anspruchsgegner zu sein, nachzuweisen und insbesondere ihre exakte Reichweite zu bestimmen, muß Klarheit über das Wesen der Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne als Oberbegriff geschaffen werden. Diese Klärung der Natur der Rechtsfähigkeit ist unbedingt notwendig, um die spätere Problematik der Haftungsfähigkeit, die einen Teil von jener darstellt 5 5 und den Schwerpunkt dieser Untersuchung bildet, in die Systematik einzufügen. Hierbei ist auf eine sorgfältige Verwendung der Begrifflichkeit zu achten. Zunächst ist dafür zu prüfen, ob bei der Untersuchung der Rechtssubjektivität des Betriebsrats vom Rechtsfähigkeitsverständnis der herrschenden Lehre ausgegangen werden darf. Diese definiert die Rechtsfähigkeit als Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 5 6 Sie soll lediglich denen zukommen, die i m Gesetz damit ausgestattet sind, also natürlichen und juristischen Personen. 57 Zu untersuchen ist, ob nicht - entgegen dieser herrschenden Lehre - vielmehr von einem Verständnis der Rechtsfähigkeit als etwas Relativem ausgegangen werden muß.
2. Die Lehre von der relativen Rechtsfähigkeit als überzeugendes Konzept a) Kritik an der herrschenden Lehre Der Begriff der herrschenden Lehre vom Wesen der Rechtsfähigkeit vermag einer näheren Betrachtung nicht standzuhalten. Nach der Definition der herrschenden Lehre ist die Rechtsfähigkeit absolut. Man kann sie entweder haben - nämlich in den Fällen der natürlichen oder juristischen Personen - oder nicht. Dieser Ansicht zufolge ist der Gesetzgeber von dem strengen Dualismus „rechtsfähig - nicht rechtsfähig" ausgegangen. 58 Diese Prämisse wiederum führt dazu, daß die Rechtsfähigkeit der herrschenden Lehre bei allen für rechtsfähig erklärten Gebilden, also bei allen natürlichen und juristischen Personen, gleich sein muß. Aufgrund der enormen Unterschiede in den rechtlichen Fähigkeiten der einzelnen natürlichen oder juristischen Personen erfordert dies einen hohen Abstraktionsgrad. Der Begriff ist quasi „entpersönlicht" worden. 5 9 Daher beschränkt sich der Begriff der herrschenden Lehre auf das formale „Haben" der Rechte. Die herrschende Lehre entwickelt die Rechtsfähigkeit gemäß ihrer Definition vom subjektiven Rechte her. 6 0 Dabei umfaßt sie mit ihrem Begriff lediglich die 55 Heinze, S. 102; MünchKomm/Schmitt, 4. Aufl., § 1, Rn. 10. 56 Brox AT, Rn. 703; Hübner, S. 74; Medicus AT, Rn. 1039. 57 Vgl. Pawlowksi, Rn. 98. 58 Medicus, AT, Rn. 1040; vgl. auch Fabricius, S. 1 ff. und Soergel/Schutze-v. Lasaulx, 11. Aufl., vor § 1, Rn. 16. 59 Vgl. MünchKomm/ Gitter, 3. Aufl., § 1, Rn. 7. 60 Vgl. Pawlowksi, Rn. 103 ff. Eine sehr ausführliche Schilderung der verschiedenen Ansätze zur Definition der Rechtsfähigkeit und ihrer Probleme findet sich bei John, S. 22 ff., 60 ff.
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Abschnitt 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
Fähigkeit, Rechte zu haben, und nicht auch die Fähigkeit, Rechte auszuüben. Warum jemandem jedoch Rechte lediglich im Sinne eines rein formalen „Habens" zugeordnet werden sollen, während er sie nicht ausüben kann, wie dies etwa beim Säugling der Fall ist, vermag die herrschende Lehre nicht darzutun. 61 Auch wird der Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre bereits der Entstehungsgeschichte und dem materiellen Sinn des Gesetzes nicht g e r e c h t 6 2 Die Wurzeln der Rechtsfähigkeit liegen in dem verantwortlichen Handeln-Können eines Rechtsträgers. 63 Auch die allgemeine These, die Rechtsfähigkeit müsse stets gleich sein, ist nicht richtig. Sie wird in Wahrheit daraus abgeleitet, daß nach europäischer Rechtsauffassung alle Menschen Rechtspersonen seien und bei ihnen ein Unterschied in der Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben, nicht besteht. 64 Schon Raiser hat ferner konstatiert, daß dieser Grundsatz in der Wirklichkeit des Lebens sehr dünn geworden sei. 6 5 Es ist damit gerade nicht gesagt, daß einzelne Unterschiede nicht bestehen können und eine Stufung ausgeschlossen i s t . 6 6 Vor allem können keine Bedenken dagegen vorgebracht werden, daß die Rechtsfähigkeit von Verbänden sich unterscheidet. 67 Einer der Hauptansatzpunkte der Kritik am Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre ist die nicht zu leugnende Tatsache, daß vielen - nach der herrschenden Lehre eigentlich nicht rechtsfähigen - Gebilden dennoch einzelne Rechte und Pflichten durch das Gesetz zugeordnet werden. So wird etwa dem nasciturus gemäß § 1923 Abs. 1 BGB ein Erbrecht zuerkannt. Der nicht eingetragene Verein kann gemäß § 50 Abs. 2 ZPO verklagt werden. Man hat dies zunächst dadurch zu erklären versucht, daß man diese Rechte und Pflichten als Ausnahmebestimmungen charakterisierte. 68 So wird zwar eingeräumt, der Gesetzgeber schütze den nasciturus durch zahlreiche Sondervorschriften. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine beschränkte Rechtsfähigkeit, sondern allenfalls um eine Sicherung von Rechten, die lediglich in ihrem praktischen Ergebnis eine der beschränkten Rechtsfähigkeit vergleichbare Lage ergebe. 69
6· Pawlowksi, Rn. 102. 62 MünchKomm / Gitter, 3. Aufl., § 1, Rn. 6; vgl. hierzu Heinze, S. 101, FN 386. 63 Fabricius, S. 42; MünchKomm/ Gitter, 3. Aufl., § 1, Rn. 6. 64 Siehe Fabricius, S. 53 ff.; so auch Dietz, 4. Aufl., § 1, Rn. 7., der ferner daraufhinweist, es handele sich ohnehin lediglich um ein Prinzip. 65 Raiser, ZGH, Bd. 111 (1948), S. 75, 78 f. 66 Vgl. RGRK/Krüger-Nieland, vor § 1, Rn. 8. 67 Dietz, 4. Aufl., § l,Rn. 7. 68 Vgl. Pawlowksi, Rn. 111. 69 Soergel/Schultze-v. Lasaulx, 11. Aufl., § 1, Rn. 5; so wohl auch noch SoergeUFahse, 13. Aufl., § 1, Rn. 16.
§ 3 Kritik an den bisherigen Untersuchungen zur Rechtsfähigkeit des Betriebsrats
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b) Die Lehre von der relativen Rechtsfähigkeit bzw. Teilrechtsfähigkeit Heute spricht man allerdings zunehmend von einer Teilrechtsfähigkeit, also einer Rechtsfähigkeit, die sich auf bestimmte Beziehungen beschränkt. 70 So hat der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in einer Entscheidung vom 29. Ol. 2001 nunmehr explizit eine solche Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt. 71 Eine solche teilweise oder auch relative Rechtsfähigkeit ist von dem Verständnis der herrschenden Lehre her nicht denkbar. Ihre Akzeptanz scheidet nach der herrschenden Lehre schon begriffslogisch aus, da die Rechtsfähigkeit nach dieser Auffassung allen von der Rechtsordnung für rechtsfähig erklärten Personen oder Personenmehrheiten unterschiedslos zukommen soll, also dem Säugling und dem eingetragenen Verein ebenso wie dem mündigen Erwachsenen. Davon ausgehend muß die Rechtsfähigkeit im Sinne der herrschenden Auffassung sich zwangsläufig jeder Beschreibung konkreter Fähigkeiten enthalten. Richtig ist daher ein Verständnis der Rechtsfähigkeit als etwas Relativem. Die Rechtsfähigkeit ist demnach stets konkret. Sie muß für jedes einzelne Subjekt, dem Rechte zugeordnet werden können, insbesondere auch für diejenigen Gebilde, die weder natürliche noch juristische Personen sind, erforscht werden. Zu diesem Zweck ist das Gesetz zu untersuchen und auszulegen. Inhalt und Umfang der Rechtsfähigkeit ergeben sich induktiv aus den einzelnen Rechtssätzen. 72 Insoweit ist klarzustellen, daß auch die Rechtsfähigkeit der natürlichen und juristischen Personen einen relativen Charakter aufweist. Deren „Voll-"Rechtsfähigkeit 7 3 begründet lediglich die Vermutung, daß ihnen alle Rechte und Fähigkeiten zustehen, während für teilrechtsfähige Subjekte immer erst konkret nachgewiesen werden muß, daß diese oder jene Normen auf sie anwendbar sind. 7 4 Während also bei einer vollrechtsfähigen Person jeweils belegt werden muß, ob ihr diese oder jene konkrete Fähigkeit nicht zusteht, ist dies bei allen anderen nur teilweise rechtsfähigen Subjekten gerade umgekehrt. So behält der Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre durchaus seine normative Bedeutung. 75 Die (vollrechtsfähige) Rechtsperson ist die standardisierte Höchstform der Rechtspersönlichkeit. 76 U m einer klaren Begrifflichkeit willen soll die terminologische Differenzierung von John 7 7 in - natür70 Fabricius, S. 111 ff.; Pawlowksi, Rn. 111; so auch MünchKomm/Gitter, 3. Aufl., § 1, Rn. 8 f. Nunmehr in der Folgeauflage wurde diese Ansicht - m.E. zu unrecht - aufgegeben, vgl. MünchKomm/Schmitt, 4. Aufl., § 1, Rn. 6 f. 7· BGH, NJW 2001, S. 1056, 1057. 72 Fabricius, S. 52; Dietz, 4. Aufl., § 1, Rn. 9. 73
Fabricius spricht hier auch von „Typisierung", vgl. ders., S. 67; Pawlowksi spricht von Rechtsfähigkeit im engeren Sinne, vgl. ders., Rn. 131. 74 Fabricius, S. 60 f., 111 ff.; Pawlowksi, Rn. 131 ; Rehbinder, S. 104, FN 102. 75 Pawlowksi, Rn. 98 b. 76 John, S. 221. 77 John S. 69 ff.
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Abschnitt 1 : Die Fähigkeit des Betriebsrats, Gegner von Ansprüchen zu sein
liehe und juristische - „Personen" einerseits und „Personifikationen" für Gebilde mit einem vergleichsweise geringeren Grad an Rechtssubjektivität andererseits für die Zwecke dieser Arbeit übernommen werden.
IV. Folgen für die weitere Untersuchung Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, daß gegen die Annahme einer Teilrechtsfähigkeit im weiteren Sinne des Betriebsrats nicht schon rechtsgrundsätzliche Bedenken bestehen, und daß ihm somit möglicherweise auch Pflichten zuzuordnen sind. Die Rechtsfähigkeit eines jeden Subjekts ist aus dem jeweiligen Rechtssatz zu gewinnen. Dies gilt auch für den Betriebsrat. Eine allzu pauschale Beurteilung seiner Rechtsfähigkeit, wie sie durch die bisherigen Untersuchungen erfolgt ist, wird dadurch vermieden. Es geht immer um die Frage, ob und inwieweit eine Norm auf ein Subjekt i m Einzelfall ihrem Sinn und Zweck nach i m Zuge richtiger Gestaltung der sozialen Ordnung anwendbar ist. 7 8 Von dieser Vorgabe ist i m Folgenden bei der Untersuchung der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats - als Teil seiner Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne - auszugehen.
78 Müller-Freienfels, S. 536. Dieser bezieht sich zwar direkt nur auf die juristische Person, jedoch müssen seine Überlegungen, und damit auch diejenigen zur Relativität der Rechtsfähigkeit, selbstverständlich ebenfalls auf Gebilde anwendbar sein, die gerade nur teilweise rechtsfähig sind. Dies deutet Müller-Freienfels auch in seinem Beitrag an, vgl. ders., S. 527.
Abschnitt 2
Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat Zu prüfen ist also, ob und inwieweit das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat als Gremium einzelne Pflichten zuordnet. Solche Pflichten des Betriebsrats könnten gegenüber den Arbeitnehmern, Bewerbern, dem Arbeitgeber, Dritten wie etwa Rechtsanwälten, Sachverständigen und Veranstaltern von Schulungen, sowie schließlich gegenüber den Betriebsratsmitgliedern selbst in Betracht kommen. Die Problematik muß für jede der genannten Gruppen gesondert untersucht werden. Eine pauschale Beurteilung ist nicht möglich. Auch reicht es für die Zwecke dieser Untersuchung nicht aus, allein die konkrete Pflichtfähigkeit des Betriebsrats darzustellen. Hauptgegenstand dieser Arbeit ist die Haftung für Ansprüche gegen den Betriebsrat. Es muß demnach über die Tatsache der Pflichtfähigkeit hinaus festgestellt werden, ob sich aus etwaigen Pflichten auch Ansprüche ergeben, ob den Pflichten also subjektive Rechte gegenüberstehen. Insbesondere wird auch zu prüfen sein, ob und inwieweit sich für den Fall der Verletzung solcher Pflichten Schadensersatzansprüche ergeben können.
§ 4 Pflichten gegenüber Arbeitnehmern und Stellenbewerbern aus der Betriebsverfassung I. Die Rechtsstellung des Betriebsrats Die pflichtenbegründenden Normen I m Zusammenhang mit der Frage nach den Pflichten im Hinblick auf die Arbeitnehmer wird in der Literatur häufig die Rechtsstellung des Betriebsrats gegenüber diesen erörtert. 1 Die Diskussion um eine solche begriffliche Umschreibung des Betriebsrats führt indessen nicht weiter, da die einzelnen Auffassungen dogmatisch wenig gefestigt sind. 2 Dies zeigt sich insbesondere darin, daß teilweise die verschiedenen Begriffe nebeneinander zur Kennzeichnung des Betriebsrats verwendet werden. 3 Zöllner/Loritz bezeichnen diesen Streit zutreffend als einen Streit nur ι Für Nachweise vgl. GK/ Kraft, § 1, Rn. 50. 2 GK/Kraft, § l,Rn. 50 f. 3 So stellt Fitting I KaiserI HeitherI Engels, § 1, Rn. 195, fest, der Betriebsrat würde sowohl „kraft Amtes", als auch „als Repräsentant der Belegschaft" tätig; weitere Nachweise bei GK/Kraft, § l,Rn. 50.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
um Worte. 4 Maßgeblich für die konkrete Reichweite des Pflichtenkreises ist allein die Regelung im Betriebsverfassungsgesetz. 5 Dabei ist allerdings sowohl unschädlich als auch zutreffend, den Betriebsrat als „Repräsentanten" der Belegschaft zu beschreiben. So sehen Dietz / Richardi diese Charakterisierung in Übereinstimmung mit der Tatsache, der Betriebsrat sei selbst nicht Träger der Beteiligungsrechte. 6 In der darauffolgenden Ausgabe des Kommentars behält Richardi die Bezeichnung als Repräsentant bei, obwohl er nunmehr die Rechte und Pflichten der Betriebsverfassung dem Betriebsrat als Gremium zuordnet. 7 Der Repräsentantenbegriff ermöglicht demnach keinen Aufschluß über die Pflichtträgerschaft des Betriebsrats. I m Hinblick auf die begriffliche Umschreibung der Stellung des Betriebsrats ist allerdings zu bemerken, daß es mit der Zuordnung der Mitbestimmungsrechte an den Betriebsrat unvereinbar wäre, ihn gleichzeitig als gesetzlichen Vertreter anzusehen.8 Pflichten ergeben sich in erster Linie aus § 75 BetrVG. Diese Vorschrift, die gemeinhin auch als „Magna Charta der Betriebsverfassung" bezeichnet wird 9 , beinhaltet neben einer allgemeinen Kontrollpflicht unstreitig auch die Verpflichtung der Adressaten, Recht und Billigkeit und besonders die Diskriminierungsverbote bei ihren eigenen Maßnahmen zu beachten. Es handelt sich also um ein umfassendes Verhaltensgebot. 10 Der gesetzlichen Regelung kommt hierbei unmittelbar materiell-rechtliche Bedeutung zu. 1 1 Das Gebot prägt insbesondere auch alle Beteiligungsrechte. So stellen beispielsweise die Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG lediglich eine besondere Ausformung dieses Auftrags dar. 1 2 Die Betriebsverfassung wird durch die Regelung des § 75 BetrVG für die Grundrechte, das Rechtsstaatsprinzip sowie das unterverfassungsrechtliche Recht geöffnet. 13 Es existieren aber neben der allgemeinen Anordnung durch § 75 BetrVG auch explizite Pflichten des Betriebsrats im Hinblick auf die Arbeitnehmer. Ein Beispiel hierfür liefert § 85 BetrVG Abs. 1 BetrVG, der die Pflicht zur Entgegennahme von Beschwerden festlegt.
4 Vgl. GK / Kraft, § 1, Rn. 49; Zöllner/ Loritz, S. 511. 5 GK/Kraft, § l,Rn. 51. 6
DietzIRichardi, 6. Aufl., § 1, Rn. 13 f.; siehe zum Verständnis von Dietz!Richardi Zöllner ! Loritz, S. 511. 7 Richardi, Einl., Rn. 99, 107. 8 Richardi, Einl., Rn. 97. 9 Belling, S. 196; Richardi, § 75, Rn. 1. Siehe nur Belling , S. 199; GK / Kreutz, § 75, Rn. 20 ff.; Richardi, § 75, Rn. 3. ι GK ! Kreutz, § 75, Rn. 3. 12 Belling, S. 197; Meier, NZA 1988, Beil. 3, S. 3. 13 Belling, S. 196, 205.
auch
§ 4 Pflichten gegenüber Arbeitnehmern und Stellenbewerbern
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II. Die Zuordnung der Pflichten Die Mehrzahl der Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern entspringen direkt oder indirekt der Regelung des § 75 BetrVG. Es stellt sich allerdings die Frage, wem diese Pflichten zuzuordnen sind. Die Antwort könnte sich aus der Zuordnung der Beteiligungsrec/zte ergeben. Es ist nämlich i m Besonderen der Charakter der Beteiligungsrechte, der von § 75 BetrVG bestimmt wird. Die Beteiligungsrechte sind demnach Pflichtrechte, begründen also auch Verpflichtungen. 14 Die Frage nach der Zuordnung dieser Rechte kann allerdings bei der Problematik der Zuordnung der Pflichten offen gelassen werden. Ohnehin entspricht es heute ganz herrschender Meinung, daß der Betriebsrat die ihm übertragenen Rechte aus der Betriebsverfassung i m eigenen Namen aber in fremdem Interesse ausübt und sie ihm selbst zugeordnet werden. 1 5 So bemerkt Konzen, die Ansicht, der Betriebsrat vertrete eine teilrechtsfähige Belegschaft 1 6 , sei nur noch von dogmengeschichtlicher Bedeutung. 17 Einhellig werden aber in jedem Fall die sich aus der Betriebsverfassung ergebenden Pflichten dem Betriebsrat und nicht der Belegschaft zugeschrieben. 18 Selbst diejenigen Stimmen in der Literatur, die noch die Mitbestimmungsrec/tfe der Belegschaft zuordnen, gehen - insofern inkonsequenterweise - von Pflichten des Betriebsrats als Gremium aus. 1 9 Eine Zuordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten an den Betriebsrat ist auch richtig und soll hier nicht weiter problematisiert werden. Der Betriebsrat ist auch aufgrund seiner Struktur geeignet, Zuordnungssubjekt der Pflichten zu sein. Er ist eine „durch Aufgabe und Zweck geeinte Ganzheit 4 '. 2 0 •4 BAG ν. 31. Ol. 1969 AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG 1952 Entlohnung; v. Hoyningen-Huene, S. 53; Richardi, Einl., Rn. 107. is Däubler! Kittneri Klebe, Einl., Rn. 113; Fitting / Kaiser/ Heither/ Engels, § 1, Rn. 198; GK/Kraft, § 1, Rn. 49; v. Hoyningen-Huene, S. 47; Konzen, S. 485; Richardi, Einl., Rn. 107; Söllner, S. 169. A.A. jedoch Gester, S. 130; HuecklNipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1085; Jacobi, S. 296; Neumann-Duesberg, S. 120. Zur gesamten Problematik Konzen, S. 484 ff. 16
Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1085; für weitere Nachweise siehe Richardi, Einl., Rn. 97, 87. 17 Konzen, S. 484. Allerdings ist Belling der Auffassung, die Rechte aus der Betriebsverfassung seien den einzelnen Arbeitnehmern zugeordnet, vgl. ders., S. 115; auf Bellings Auffassung wird im Rahmen der Untersuchung der Sonderverbindung noch zurückzukommen sein, siehe unten § 6 III. 1. a). ι» Allgemein: GK/Kraft, § 1, Rn. 49; Kreutz, S. 31; Richardi, Einl., Rn. 107; im Hinblick auf § 75 BetrVG: Belling, S. 222 f.; Fitting I Kaiser ! Heither I Engels, § 75, Rn. 7; GK/ Kreutz, § 75, Rn. 9; HessISchlochauerl Glaubitz, § 75, Rn. 2; Richardi, § 75, Rn. 5. »9 Gester, S. 130; Hueckl Nipperdey, 6. Aufl., Bd. II, S. 687; Jacobi, S. 297. Auch Neumann-Duesberg, der die sich aus dem Zusammenarbeitsgebot mit dem Arbeitgeber ergebenden Pflichten noch der Belegschaft zuordnet, betrachtet den Betriebsrat selbst als Pflichtenträger im Hinblick auf das Gebot, die Arbeitnehmer nach Recht und Billigkeit zu behandeln. 20 Schnorr v. Carolsfeld, S. 417, der allerdings diese Tatsache zur Klassifizierung des Betriebsrats als Gesamthand heranzieht.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
Der Betriebsrat weist in der Tat eine gewisse körperschaftliche Struktur auf. Er ist insofern der Korporationsform ähnlich. Insbesondere ist er nicht abhängig vom Wechsel seiner Mitglieder. 2 1 Es handelt sich bei dem Betriebsrat um ein durch organisatorische Rechtssätze gebildetes, künstliches Subjekt, das stets als Gremium auftritt und ohne Rücksicht auf die Menschen, die es ausfüllen, zum Subjekt von Zuständigkeiten bestellt werden kann. 2 2 Eine solche körperschaftliche Struktur stützt die Annahme, der Betriebsrats als solcher könne möglicher Träger von Rechten und Pflichten sein. 2 3 Fraglich könnte allerdings noch sein, ob der Gesetzgeber die Pflichten möglicherweise den einzelnen Betriebsratsmitgliedern und nicht dem Betriebsrat als Gremium zugeordnet hat. Indes wird die Meinung, allein die Mitglieder seien Pflichtenträger, zu Recht von niemandem vertreten. Demnach läßt sich feststellen, daß der Betriebsrat zumindest auch Träger der Pflichten aus der Betriebsverfassung ist. Für eine Trägerschaft des Betriebsrats selbst spricht auch schon der Wortlaut des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Regelung des § 75 BetrVG spricht explizit den Betriebsrat als solchen an. 2 4 Auch ist die Identität von Berechtigtem und Verpflichtetem rechtspolitisch generell vorteilhaft. 2 5 Es wird von niemandem vertreten, die einzelnen Mitglieder seien Träger der Mitbestimmungsrechte. Diese Rechte sind allein dem Betriebsrat zugeordnet. So spricht nichts dafür, die Pflichten, anders als die Rechte, allein den Mitgliedern zuzuordnen. Eine Differenzierung in der Zuordnung zwischen Rechten und Pflichten wäre unbefriedigend und sogar w i l l k ü r l i c h . 2 6 Weiterhin ist zu beachten, daß die einzelnen Betriebsratsangehörigen ihre Schutzfunktion nur zusammen mit den anderen Mitgliedern ausüben können. 2 7 Auch dies spricht dafür, die Pflichten zumindest auch dem Betriebsrat als Gremium zuzuordnen. Anderenfalls ließe sich auch nicht sicherstellen, daß eine aus der Verletzung von Amtspflichten resultierende Verurteilung die Betriebsratstätigkeit noch beeinflussen könnte, wenn die Betriebsratsmitglieder gewechselt hätten. 2 8 Die Frage, ob eventuell die Mitglieder neben dem Betriebsrat ebenfalls Pflichtadressaten sein können, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Hier kommt es lediglich auf die Feststellung an, daß der Betriebsrat als Gremium Zuordnungssubjekt der Pflichten i s t . 2 9
21 Richardi, Einl., Rn. 117. 22 Rosset, S. 40. 23 Vgl. zur Ein-Mann-Gesellschaft Reinhardt, FS Lehmann, S. 577. 24 Dies gilt auch für die Vorschrift des § 85 Abs. 1 BetrVG. 25 So Rosset, S. 27, zur Frage der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats gegenüber Dritten als Vertragspartnern. 26 Kreutz, S. 31. 27 Weber, DB 1992, S. 2135, 2138. 28 Belling, S. 223. 29 Zur Problematik einer etwaigen zusätzlichen Pflichtträgerschaft der Mitglieder siehe unten § 15 I.
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I I I . Die Pflichten im einzelnen 1. Der Gehalt des § 75 BetrVG Die Vorschrift des § 75 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat zur Wahrung von Recht und Billigkeit bei all seinen Maßnahmen. 3 0 Der Grundsatz des Rechts ist hierbei von demjenigen der Billigkeit zu unterscheiden. Jener bedeutet selbstverständlich die Wahrung des geltenden Rechts, d. h. der positiven Arbeitsrechtsordnung, des Gewohnheitsrechts, Richterrechts sowie der grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, insbesondere der Grundrechtsnormen. Dieser bezieht sich hingegen auf die Ausübung billigen Ermessens i m Einzelfall. 3 1
2. Die Pflichten im Zusammenhang mit Mitbestimmungsrechten I m Zusammenhang mit diesen beiden Grundsätzen können sich Pflichten - und damit gegebenenfalls auch Pflichtverstöße - zunächst aus den Beteiligungsrechten ergeben. Unproblematisch sind solche Pflichten bei den sogenannten echten Mitbestimmungsrechten gegeben. Bei diesen darf der Arbeitgeber seine Maßnahme nicht ohne Mitwirkung des Betriebsrats durchführen. Die einseitige Durchführung wäre nach der herrschenden Theorie der notwendigen Mitbestimmung unwirksam. 3 2 Echte Mitbestimmungsrechte bestehen entweder in Form des Zustimmungsverweigerungsrechtes oder der Form des Zustimmungserfordernisses. 33 Bei diesen Pflichtrechten sind die einzelnen Pflichten und damit die entsprechende Pflichtfähigkeit des Betriebsrats unschwer zu erkennen. So hat i m Beispielsfall ( 3 ) 3 4 ursprünglich die Pflicht des Betriebsrats bestanden, die Zustimmung zur Zuteilung einer Werkswohnung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG nicht aus unrechtmäßigen Gründen zu verweigern. Die Unrechtmäßigkeit kann sich dabei insbesondere aus einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, den § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BetrVG konkretisiert. So darf der Betriebsrat die Zustimmung nicht etwa deshalb verweigern, weil der betreffende Arbeitnehmer nicht in der Gewerkschaft ist. 3 5 Gleiches gilt für die nach § 99 Abs. 2 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Einstellung eines Stellenbewerbers in Beispielsfall (5).
30 GK/Kreutz, § 75, Rn. 22, 28 ff. 31 Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 75, Rn. 21 f.; GK/Kreutz, § 75, Rn. 29 ff. 32 BAG GS v. 23. 06. 1992 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Dütz, Rn. 834. 33 GK/Kreutz, § 1, Rn. 55; v. Hoyningen-Huene, S. 200 ff. 34 Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. 35 Das Verbot einer solchen Differenzierung ergibt sich schon aus Art. 9 Abs. 3 GG, Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 75, Rn. 48.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
Da die Mitbestimmungsrechte Pflichtrechte sind, hat der Betriebsrat sie auch auszuüben. Er muß tätig werden, denn die Mitbestimmungsrechte stehen ihm nicht um seiner selbst willen, sondern um der ihm vom Gesetzgeber zugedachten Funktion z u . 3 6 Gegen diese Annahme lassen sich auch nicht die Vorschriften der § § 9 9 Abs. 3 Satz 2 und 102 Abs. 2 Satz 2 BetrVG anführen, denen zufolge die Zustimmung des Betriebsrats nach Ablauf einer Frist als erteilt gilt. Bei diesen Regelungen handelt es sich um Rechtsfiktionen, die durch Versäumung einer Ausschlußfrist ausgelöst werden. 3 7 Im Falle derjenigen Fiktionen des bürgerlichen Rechts, bei denen nach Versäumung einer Ausschlußfrist die Billigung im Sinne einer „positiven Versäumniswirkung" als erteilt gilt, geschieht dies aus der Überlegung heraus, daß man den Geschäftspartner nicht durch die Nachlässigkeit des anderen Teils in einen Nachteil setzen darf. 3 8 So dienen auch die Vorschriften der § § 9 9 Abs. 3 Satz 2 und 102 Abs. 2 Abs. 2 BetrVG dem Schutz des Partners - nämlich des Arbeitgebers als Betriebspartners. Den Arbeitnehmern und Stellenbewerbern gegenüber besteht durchaus weiterhin die Pflicht des Betriebsrats, die in §§ 99 und 102 BetrVG vorgesehenen Rechte auszuüben. Da die Mitbestimmungsrechte dem Betriebsrat demnach als Pflichtrechte obliegen, hat er auch i m Fall (10) die Pflicht, tätig zu werden und mit dem Arbeitgeber einen Sozialplan auszuhandeln. 39 Der Kreis der Pflichtverstöße ist allerdings nicht auf Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes oder sonstigen Rechts beschränkt. Der Betriebsrat ist außerdem verpflichtet, sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben. 40 Es besteht hier Ähnlichkeit zur Situation eines öffentlich-rechtlichen Amtswalters. 4 1 Pflichtgemäß bedeutet dabei, daß die Entscheidung aufgrund objektiver, sowie sachgemäßer und irrtumsfreier Erwägungen ergehen muß und frei von Willkür dem Zweck des Gesetzes zu entsprechen hat. 4 2 So hätte der Betriebsrat in Fall (2) den Widerspruch gegen die Kündigung nicht aus unsachgemäßen Gründen unterlassen dürfen. Auch i m Beispielsfall (4) hat der Betriebsrat ursprünglich die Pflicht gehabt, die Zustimmung zu dem vom Arbeitgeber beabsichtigten Rauchverbot gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht aus unsachgemäßen Gründen zu verweigern, d. h. er durfte in seine Überlegungen nur solche Argumente einstellen, die dem Zweck der § 87 Abs. 1 Nr. 1 und § 75 BetrVG entsprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Maßnahmen des Arbeitsschutzes gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats gehören und ihm nach § 89 BetrVG sogar aktive Pflichten in dieser Hinsicht obliegen. I m Falle (7) ist gleichfalls von einer Pflichtwidrigkeit des 36 Wiese, RdA 1968, S. 455, 457; siehe auch GK/ Wiese / Oetker, § 23, Rn. 17 m. w. N. 37 Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 99, Rn. 213, 221; ders., § 102, Rn. 33. 38 Esser, S. 59 f. 39 Vgl. Belling, S. 278. 40 Nolting, S. 165 ff.; Ocker, S. 162; Reiß, S. 97; Sorge, AuR 1953, S. 272. 41 Belling, S. 207; Nolting, S. 169. 42 Belling, S. 209; Nolting, S. 169.
§ 4 Pflichten gegenüber Arbeitnehmern und Stellenbewerbern
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Betriebsrats auszugehen. Gemäß § 104 BetrVG wäre Voraussetzung für das Entlassungsverlangen durch den Betriebsrat gewesen, daß der betreffende Arbeitnehmer den Betriebsfrieden wirklich gestört hätte. Dem Betriebsrat hat die Pflicht oblegen, die unzutreffende Annahme eines solchen Verhaltens nicht in seine Überlegung einzubeziehen. Auch der Ermessensnichtgebrauch stellt einen Ermessenfehler dar. 4 3 So hätte der Betriebsrat sein Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt, wenn er sich im Fall (2) etwa - trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 BetrVG - seines Widerspruchsrechtes gar nicht bewußt gewesen wäre, weil er sich nicht ausreichend informiert hätte. In den Beispielen (5) und (6) hingegen stand dem Betriebsrat kein Ermessensspielraum zur Verfügung. 4 4 Die Vorschrift des § 99 Abs. 2 zählt diejenigen Gründe, die eine Zustimmungsverweigerung stützen können, abschließend auf. 4 5 Nur auf diese Gründe darf sich eine Zustimmungsverweigerung stützen, nicht aber auf Zweckmäßigkeitserwägungen. 46 Auch in den Beispielen (5) und (6) ist demnach von Pflichtverletzungen des Betriebsrats auszugehen. Problematischer ist die Feststellung von Pflichten im Bereich derjenigen Beteiligungsrechte, bei denen es sich nicht um echte Mitbestimmungsrechte handelt. So ist zweifelhaft, ob i m Beispielsfall (1) eine Pflicht des Betriebsrats bestanden hat, dem Arbeitgeber nicht aus unrechtmäßigen oder unsachgemäßen Gründen von der Einstellung des leitenden Angestellten abzuraten. Bei der Vorschrift des § 105 BetrVG handelt es sich lediglich um ein Informationsrecht des Betriebsrats. A u f den ersten Blick ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie sich hieraus derartige Pflichten des Betriebsrats ergeben könnten. Dennoch ist in Situationen, in denen sich der Betriebsrat mit seinem Informationsrecht nicht begnügt, sondern darüber hinaus eine Stellungnahme zu der geplanten Maßnahme abgibt, von einer Pflicht des Betriebsrats auszugehen, diese Einflußnahme sachgerecht, d. h. pflichtgemäß zu gestalten. 47 Die Rechts- und Pflichtfähigkeit des Betriebsrats besteht überall dort, wo der Zusammenhang mit seinem betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungskreis gegeben ist. 4 8 Auch in Fall (1) ist demnach von einer Pflichtverletzung auszugehen. Dieselben Grundsätze gelten i m übrigen e maiore ad minus auch für die Unterrichtungs-, Beratungs- und Anhörungsrechte. 49
43 44 45 46 47 48 49
Nolting, S. 169. Vgl. zu § 99 BetrVG Pouyadou, S. 190. GK ! Kraft, § 99, Rn. 127. Richardi, § 99, Rn. 183. Junker, S. 56; Nolting, S. 157. Richardi, Einl., Rn. 111. Nolting, S. 158.
4 Triebel
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
3. Sonstige Pflichten des Betriebsrats Die Pflichten des Betriebsrats gegenüber den Arbeitnehmern sind nicht auf den Bereich der Beteiligungsrechte beschränkt. So liegt auch im Beispiel (8) eine Pflichtverletzung v o r . 5 0 Zwar räumt § 39 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat einen Ermessensspielraum dahingehend ein, ob er Sprechstunden abhält oder nicht. 5 1 Soweit er dies aber tut und Auskünfte erteilt, gilt der Grundsatz des pflichtgemäßen Handelns.
4. Explizite Pflichten Auch im Fall (9) bestand eine Pflicht des Betriebsrats, die Beschwerde des Arbeitnehmers entgegenzunehmen. § 85 Abs. 1 BetrVG ordnet diese Verpflichtung des Betriebsrats explizit an.
IV. Ergebnis Das Betriebsverfassungsgesetz weist dem Betriebsrat als Gremium verschiedene gesetzliche Pflichten zum Schutz der Arbeitnehmer und Stellenbewerber zu. Insoweit ist dem Betriebsrat eine gewisse Pflichtfähigkeit als Bestandteil der Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne zu attestieren. Diese Pflichten ergeben sich teilweise explizit aus einzelnen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes wie etwa aus § 85 Abs. 1 BetrVG. In erster Linie werden sie allerdings durch die Regelung des § 75 BetrVG geschaffen. § 75 BetrVG stellt ein umfassendes Verhaltensgebot für den Betriebsrat dar und bildet das Einfallstor für Recht und Billigkeit einschließlich der Grundrechte auf dem Gebiet der Betriebsverfassung. Die Regelung verpflichtet den Betriebsrat, seine Rechte rechtmäßig und ermessensfehlerfrei auszuüben. Die Rechte werden so zu Pflichtrechten. Das gilt insbesondere für den Bereich der Mitbestimmung. Sowohl die echten Mitbestimmungsrechte als auch die Beteiligungsrechte begründen i.V.m. § 75 BetrVG Pflichten des Betriebsrats als Gremium.
50 Vgl. Nolting, S. 116. 51 Fitting! Kaiserl Heither/Engels,
§ 39, Rn. 5.
§ 5 Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber aus der Betriebsverfassung
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§ 5 Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber aus der Betriebsverfassung I. Die pflichtenbegründenden Normen Der Gesetzgeber hat sein Hauptaugenmerk auf das Verhältnis des Betriebsrats zum Arbeitgeber gelegt und dieses - anders als die Beziehung zu den Arbeitnehmern - im Betriebsverfassungsgesetz detailliert geregelt. 52 So finden sich dort zahlreiche geschriebene Pflichten. Zu nennen sind hier exemplarisch das in § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG enthaltene Verbot des Arbeitskampfes, das Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG oder das Verbot, in die Leitung des Betriebes einzugreifen, gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Zudem existieren allerdings möglicherweise noch weitere ungeschriebene Pflichten, die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergeben könnten. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG ist mit der Regelung des § 242 BGB vergleichbar. 53 Allerdings besteht insoweit ein Unterschied, als es sich bei § 2 Abs. 1 BetrVG nach der ganz herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung nicht nur um eine Auslegungsregel, sondern auch um eine verbindliche, pflichtenbegründende Rechtsnorm handelt. 5 4 Dagegen ist es i m Falle des allgemeinen zivilrechtlichen Gebots von Treu und Glauben nach wie vor umstritten, ob § 242 BGB nicht zu seiner Anwendbarkeit eine bestehende Sonderverbindung voraussetzt. 55 A u f eine schon bestehende Sonderverbindung kommt es bei der Frage nach der Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 BetrVG aber gerade nicht an.
II. Die Zuordnung der Pflichten Wie oben bereits dargestellt, treffen die meisten betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten den Betriebsrat als Gremium. Daß dies auch für die sich aus § 2 Abs. 1 und etwa § 74 Abs. 2 oder § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergebenden Pflichten gilt, wird gemeinhin von Literatur und Rechtsprechung anerkannt. 56 Ebenso wie bei den Pflichten zum Schutze der Arbeitnehmer wird von niemandem vertreten, daß allein die Mitglieder diesbezüglich Pflichtenträger wären. A u f die Frage, ob diese
52 Belling, S. 320. 53 Belling, S. 322; Hess/ Schlochauer / Glaubitz, § 1, Rn. 21. 54 BAG v. 21. 02. 1978 AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG 1972; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 2, Rn. 19; GK/Kraft, § 2, Rn. 7; Heinze, ZfA 1988, S. 53, 74; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 1, Rn. 11 \ Richardi, § 2, Rn. 17; a.A. allerdings Weber, S. 38 ff. 55 Vgl. hierzu nur Palandt/ Heinrichs, § 242, Rn. 6. 56 Im Hinblick auf § 74 Abs. 2 BetrVG: BAG ν. 22. 12. 80 AP Nr. 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Fitting /Kaiser/Heither/ Engels, § 74, Rn. 14; Richardi, § 74, Rn. 24; siehe auch GK/Kreutz, § 74, Rn. 37 m. w. N.; in bezug auf § 2 Abs. 1 BetrVG: Galperin/Löwisch, § 2, Rn. 6; GK /Kraft, § 2, Rn. 9; Richardi, § 2, Rn. 9. 4*
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
neben dem Betriebsrat als Gremium Adressaten der Pflichten sind, wird noch einzugehen sein. 5 7
I I I . Die Pflichten im einzelnen 1. Geschriebene Pflichten Die Vorschriften der §§ 74 Abs. 2 Satz 1 und 3 sowie 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sind Beispiele für Konkretisierungen der allgemeinen Regelung des § 2 Abs. 1 BetrVG.58 I m Fall ( 1 6 ) 5 9 oblag dem Betriebsrat gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Pflicht, nicht zu einem Streik aufzurufen. Obwohl ein solcher Aufruf zum Streik somit gerade nicht in den betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungskreis des Betriebsrats fällt und man dem Betriebsrat somit nicht schon aus dem Zusammenhang mit seinem Aufgabenkreis die Rechts- und damit Pflichtfähigkeit zusprechen kann, verpflichtet die Vorschrift des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat explizit und verleiht ihm somit diesbezügliche Pflichtfähigkeit. So ist auch in Fall (15) von einer Pflichtverletzung des Betriebsrats auszugehen. Hier liegt ein Verstoß gegen das Verbot des § 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vor, da er eigenmächtig in die Leitung des Betriebes eingegriffen hat. Auch in Beispiel (17) liegt eine Pflichtverletzung vor, da gegen das Verbot parteipolitischer Betätigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verstoßen wurde.
2. Ungeschriebene Pflichten Aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergibt sich - wie oben gezeigt 6 0 - unmittelbar eine Vielzahl von Pflichten des Betriebsrats. Die in dieser Vorschrift angeordnete Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dient nicht nur dem Wohle der Arbeitnehmer, sondern auch dem Wohle des Betriebs. 61 Die Zielsetzung ist somit vorgegeben und bedeutet eine Beschränkung in der Verfolgung ausschließlich der Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat. Es ist mehr gefordert als nur eine faire und nicht schikanöse Verfahrensweise. 62 Von einer eklatanten Verletzung der Pflichten des Betriebsrats ist stets dann auszugehen, wenn dieser seine Rechte dazu einsetzt, den vom Betriebsverfassungsgesetz erstrebten Erfolg zu vereiteln und die
57 Siehe unten § 15 I. 58 Belling, S. 321 f. 59
Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. 60 Siehe oben § 5 I. Vgl. GK/Kraft, § 2, Rn. 43. 62 Däubler!Kittner/Klebe, § 2, Rn. 5; GK/Kraft,
§ 2, Rn. 43 f.
§ 5 Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber aus der Betriebsverfassung
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Betriebsverfassung „als Sklavenordnung 44 zu diskreditieren und dadurch funktionsunfähig zu machen. 6 3 § 2 Abs. 1 BetrVG stellt eine Verhaltensanforderung für den gesamten Bereich der Betriebsverfassung dar und begründet eine Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Legalität. 6 4 So ergeben sich auch bei der Ausübung der Beteiligungsrechte über § 2 Abs. 1 BetrVG Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber, da das Gebot der Fairness und Legalität auf die Geltendmachung und Erfüllung aller Rechte aus der Betriebsverfassung einwirkt. 6 5 Im Beispielsfall (11) hat dem Betriebsrat ursprünglich gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Pflicht oblegen, dem Arbeitgeber nicht die Zustimmung zum Rauchverbot zu versagen, es sei denn, der Betriebsrat handelte aus Gründen zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs. So darf er die Zustimmung beispielsweise nicht etwa deshalb verweigern, weil ein dem Betriebsrat „nahestehender" Arbeitnehmer Raucher ist. Der Betriebsrat hat nämlich das Wohl des Betriebes auch entgegen vordergründiger kurzfristiger Interessen einzelner Arbeitnehmer zu fördern. 6 6 Er darf in seine Überlegungen nur solche Argumente einstellen, die im Rahmen des konkreten Mitbestimmungsrechtes geboten sind. 6 7 Auch in den Beispielen (12) und (13) haben Pflichten für den Betriebsrat bestanden, die Zustimmung zur Einstellung des Spezialarbeiters gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG bzw. zur Einführung von Überstunden gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nicht aus unsachgemäßen oder unrechtmäßigen Gründen zu versagen. Derlei Erwägungen wären im Fall (13) etwa Solidaritätserwägungen mit streikenden Arbeitnehmern in anderen Betrieben oder das Bestreben, den Arbeitgeber i m Interesse Arbeitsloser zu veranlassen, statt der Überstunden weitere Stellen zu besetzen. 68 Insbesondere trifft den Betriebsrat ferner eine Kooperationspflicht, die es ihm verwehrt, die Maßnahmen des Arbeitgebers auch nur zu verzögern. Der Arbeitgeber kann nämlich bei den echten Mitbestimmungsrechten nach der Theorie der notwendigen Mitbestimmung, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts anerkannt h a t 6 9 , die Maßnahmen nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführen und muß sich zunächst an die Einigungsstelle wenden bzw. beim Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. So ist auch eine Pflichtverletzung in der Fallvariante (d) des Beispiels (13) gegeben. Auch hat im Fall (14) die Verpflichtung bestanden, die nicht unter §§ 14 a, 17 oder 43 Abs. 1 BetrVG fallende Betriebsversammlung nicht in die Arbeitszeit zu 63 BAG 08. 12. 1954 AP Nr. 1 zu § 110 StGB; Belling, S. 325. 64 Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 2, Rn. 17; Hanau, BB 1971, S. 485, 487; MünchArbRHb/v. Hoyningen-Huene, Bd. III 1, § 300, Rn. 28; Söllner, DB 1968, S. 571, 572. 65 Galperin/Löwisch, § 2, Rn. 9; GK/Kraft, § 2, Rn. 13. 66 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 2, Rn. 56; GK! Kraft, § 2, Rn. 44; Gramm, B. III. 2. c. aa.; Halberstadt, BUV 1971, S. 73, 74; Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1108. 6v LAG Köln, NZA 1989, S. 939, 939; Belling, S. 325. 68 Belling, S. 325. 69 BAG GS v. 03. 12. 1991 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG Lohngestaltung.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
legen, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die diesbezügliche Pflichtfähigkeit des Betriebsrats ergibt sich unproblematisch aus der Pflicht zur Legalität und Fairness.
IV. Ergebnis Auch gegenüber dem Arbeitgeber weist das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat als Gremium gesetzliche Pflichten zu. Teilweise ergeben sich diese explizit aus einzelnen Vorschriften wie beispielsweise aus 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Mehrzahl der Pflichten wird hingegen über die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG begründet. § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet den Betriebsrat zur Rücksichtnahme, Fairness und Legalität gegenüber dem Arbeitgeber. Insbesondere bei Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte sind diese Gebote durch den Betriebsrat zu beachten. Der Betriebsrat hat dabei rechtmäßig und ermessensfehlerfrei zu handeln.
§ 6 Schadensersatzforderungen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung als Folge von Pflichtverletzungen I. Problemstellung - Die Frage der Schutzpflichten Es stellt sich die Frage, ob eine Verletzung der konstatierten Pflichten möglicherweise zu Schadensersatzansprüchen der Geschädigten führen kann. Diese Problematik wird stets dann relevant, wenn sich die Pflichtverletzung des Betriebsrats nicht mehr korrigieren läßt, es also zu einem Schaden gekommen ist. Eine solche Situation wäre beispielsweise gegeben, wenn in den Fällen ( l ) 7 0 und (5) die freie Stelle durch den Arbeitgeber schon anderweitig besetzt worden wäre. Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers wären i m Rahmen entsprechender betriebsverfassungsrechtlicher Schuldverhältnisse denkbar. Ob solche Schuldverhältnisse zwischen diesen Gruppen und dem Betriebsrat bestehen, könnte fraglich sein. Es lassen sich nämlich in diesen Beziehungen keine Leistungspflichten des Betriebsrats konstatieren. Beim Betriebsratshandeln geht es allgemein nicht um Leistungen, sondern um vom Gesetzgeber verfolgte Zwecke. 7 1 Das Grundanliegen des Gesetzes besteht darin, den Arbeitnehmern bei betrieblichen Entscheidungen, durch die sie nachdrücklich betroffen werden, Mitwirkungsbefugnisse zu gewähren. 72 So stellen etwa auch Hafner und Nolting fest, diese „Steuerungstätigkeit" des Betriebsrats genüge dem Be70
Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. So in bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat Belling , S. 323 f. 7 2 Zöllner/Loritz, S. 490. 71
§ 6 Schadensersatzforderungen
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stimmtheitsgebot, welches das Gesetz an Leistungspflichten stellt, nicht. 7 3 Der Inhalt der Leistung innerhalb eines Schuldverhältnisses muß aber gerade eindeutig bestimmt oder bestimmbar sein. 7 4 Einen Ausweg aus dem Dilemma, trotz fehlender Leistungspflichten zu Schadensersatzpflichten zu gelangen, wird teilweise darin gesucht, daß das Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern, Stellenbewerbern bzw. dem Arbeitgeber zwar abgelehnt wird, Schadensersatzforderungen aus Verletzungen der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch den Betriebsrat aufgrund eines „gesetzlichen Sozialrechtsverhältnisses" 75 oder eines „gesteigerten Sozialkontakts" 7 6 aber ausdrücklich zugelassen werden. Hierbei wird aber verkannt, daß das allgemeine Verhältnis zwischen den Arbeitnehmern bzw. dem Arbeitgeber einerseits und dem Betriebsrat andererseits im allgemeinen nicht unbedingt das hier zu prüfende Schuldverhältnis ausmachen muß, mithin dessen „Steuerungstätigkeiten" keineswegs notwendigerweise die Leistungspflicht eines solchen Schuldverhältnisses darstellen. Die Konstruktion eines allgemein verstandenen „Sozialrechtsverhältnisses" ist für die Annahme von schadensersatzbegründenden Pflichten nicht notwendig. Schutzpflichten „eigener A r t " können nämlich innerhalb eines Schuldverhältnisses unabhängig vom Vorliegen etwaiger Leistungspflichten bestehen. 77 Im Gegensatz zu Leistungspflichten, die auf eine Veränderung der Rechtsposition hinzielen, sind Schutzpflichten solche, die dem Erhaltungsinteresse des Gläubigers, also dem Schutz seiner Rechtsgüter vor Einwirkungen dienen. 7 8 Sie ergeben sich i m wesentlichen aus der sozialen Nähe der Beteiligten und der daraus folgenden erhöhten Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des anderen Teils. 7 9 Die Unabhängigkeit der Schutzpflichten von der Existenz etwaiger Leistungspflichten wird mittlerweile in § 311 Abs. 2 BGB gesetzlich vorausgesetzt. Diese Norm sieht vor, daß ein Schuldverhältnis mit Pflichten i m Sinne von § 241 Abs. 2 BGB auch ohne Vertragsschluß entstehen kann. 8 0 § 241 Abs. 2 BGB bezieht sich gerade auf die das Erhaltungsinteresse betreffenden Pflichten, also auf Schutzpflichten. Somit konstatiert diese Vorschrift die Möglichkeit eines gesetzlichen
73 Hafner, S. 71 f.; Nolting, S. 137 ff., 140. 74 Palandt/ Heinrichs, § 241, Rn. 3. 75 Hafner, S. 70 ff., 74, 92 ff.; Neumann-Duesberg, S. 338, 340 (, der noch in NJW 1954, S. 617, 618, von einem gesetzlichen Schuldverhältnis ausgegangen ist). Für Bewerber: „sich anbahnenden gesetzliches Sozialverhältnis", siehe Hafner, S. 106; Neumann-Duesberg, S. 338, 344. 76 Hinsichtlich der Arbeitnehmer Nolting, S. 137 ff., 145 ff. 77 MünchKomm/Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 146, 149. 78 Medicus, SR Bd. I, Rn. 5; MünchKomm/Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 149; Palandt/Heinrichs, § 242, Rn. 35; Palandt/Heinrichs, Ergbd., § 241, Rn. 6 ff. 79 SoergeU Teichmann, 12. Aufl., § 242, Rn. 133. 80 Vgl. dazu Palandt!Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 62; Palandt/Heinrichs, Ergbd., § 311, Rn. 3.
Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
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Schuldverhältnisses. 81 Es sollen - zum Schadensersatz führende - Schutzpflichten ganz allgemein dort bestehen, wo tatsächliche Beziehungen enger Art zwischen Parteien bestehen. 82 Nach dem eben Gesagten ist das Vorliegen von Leistungspflichten des Betriebsrats abzulehnen. Demzufolge können auch keinerlei leistungsbezogene Pflichten bestehen. 83 Es bleibt daher zu prüfen, ob die oben 8 4 festgestellten Verpflichtungen des Betriebsrats Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern und Stellenbewerbern sowie gegenüber dem Arbeitgeber darstellen 85 , ob sich aus ihnen also gesetzliche Schuldverhältnisse ergeben, innerhalb derer die Verletzung von Pflichten zu Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat führen kann. Die Bezugnahme auf etwaige - schwer faßbare - „Sozialrechtsverhältnisse" o.ä. wäre dann überflüssig.
II. Die Unhaltbarkeit der kategorischen Ablehnung jeglicher Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium 1. Unerheblichkeit der Frage der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats Zunächst ist aber zu untersuchen, ob nicht aus kategorischen Überlegungen Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat als Gremium ausscheiden müssen. Die Annahme, der Betriebsrat als Gremium könne generell nicht Gegner von Vermögenswerten Schadensersatzansprüchen sein, ist bislang nicht in Frage gestellt worden. Allerdings wurde dabei auf eine konkrete Prüfung der den Betriebsrat verpflichtenden Normen verzichtet. Zur Begründung dieser Auffassung wird gemeinhin die Unfähigkeit des Betriebsrats, Vermögen zu bilden, herangezogen. 86 In der Praxis ist Schadensersatz bei Pflichtverletzungen des Betriebsrats in der Tat nur als vermögensrechtlicher Anspruch und nicht auch als Recht auf Wiederher81
In bezug auf die Reform des Schuldrechts MünchKomm / Kramer, Rn. 79; Palandt/ Heinrichs, Einl. v. § 241, Rn. 64. 82 MünchKomm /Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 160, 179. 83 Vgl. Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242, Rn. 133. 84 Siehe oben §§4 und 5. 85
4. Aufl., Einl.,
Schutzpflichten sind dem Arbeitsrecht keineswegs fremd. So stellen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie die Treuepflicht des Arbeitnehmers innerhalb des Arbeitsverhältnisses Schutzpflichten dar, vgl. MünchKomm/Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 237 ff. 86 Einhellige Meinung, siehe nur BAG ν. 24. 04. 1986 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; Brill, AuR 1980, S. 353, 354; Galperin /Löwisch, vor § 1, Rn. 36; Gester, S. 157; Gramm, Β. I.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, vor § 1, Rn. 27; v. Hoyningen-Huene, S. 49; Jahnke, S. 48 ff.; ders., RdA 1975 S. 343, 345; Neumann-Duesberg, S. 334; Nikisch, Bd. III, S. 172; Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 8; Schaub, § 220, Rn. 29; widersprüchlich Weber, DB 1992, S. 2135, 2136, 2137.
§ 6 Schadensersatzforderungen
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Stellung denkbar. Dies zeigt sich auch in allen Beispielsfällen. Es wurde aber bereits dargelegt, daß die Fähigkeit, möglicher Schuldner von Schadensersatzforderungen zu sein, nicht aus der Frage nach der Vermögensfähigkeit entwickelt werden kann. Wie immer die Prüfung dieser Vermögensfähigkeit des Betriebsrats auch ausfallen mag, sagt sie doch nichts über seine Pflichtfähigkeit in bezug auf Schadensersatzforderungen aus. Rechtstheoretisch spricht insoweit nichts gegen Schadensersatzforderungen des Betriebsrats. Die Vermögensfähigkeit kann erst i m Bereich der Haftung Auswirkungen haben. 8 7
2. Das Argument der Lähmung der Betriebsratstätigkeit Vielfach lehnen allerdings Teile der Literatur Schadensersatzforderungen auf dem Gebiete der Betriebsverfassung auch aus weiteren, ebenso grundsätzlichen Erwägungen ab. Da die einhellige Meinung die Pflichtfähigkeit des Betriebsrats für Schadensersatzforderungen - wie eben gesehen - prinzipiell verneint, wird die Problematik im Rahmen der Untersuchungen von Schadensersatzforderungen gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder erörtert. Gegen Schadensersatzforderungen wird vorgebracht, solche Ansprüche im Bereich der Betriebsverfassung beeinträchtigten die Unabhängigkeit des Betriebsrats und lähmten seine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabenerfüllung. Dieses Argument wird teilweise dazu vorgebracht, lediglich etwaige Schadensersatzforderungen auf solche aus Delikt zu begrenzen. 88 Zum Teil wird aber auch jegliche Art von Schadensersatzansprüchen mit diesem Argument eingeschränkt. 89 Diese Begründungsversuche können aber von vornherein nicht gegen die Annahme von Schadensersatzansprüchen gegen den Betriebsrat als Gremium sprechen. Denn diese Auffassungen stellen auf die persönliche und als solche erst wirtschaftlich spürbare Inanspruchnahme der Einzelmitglieder ab. Es geht also letztlich um die Haftung und nicht die schadensersatzrechtliche Schuldverpflichtung. Die Tatsache allein, daß Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat möglich sein könnten, bedeutet an sich noch keinerlei Druck auf das einzelne Mitglied. Die Folgen eines solchen Drucks kämen erst dann zum Tragen, wenn es um die Haftung und einen etwaigen Zugriff auf dessen Privatvermögen geht. 9 0
87
Vgl. dazu unten § 13. Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 1, Rn. 226; Gester, S. 167; Hueckl Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1110; Nikisch, Bd. III, S. 174; Reiß, S. 76. 89 Für den Ausschluß bloß fahrlässiger Pflichtverletzungen siehe Gramm, B. III. 4. Für die Begrenzung auf grobe Pflichtverletzungen im Gleichklang mit § 23 Abs. 1 BetrVG siehe Erdmann, AuR 1973, S. 135, 141 und Konzen, S. 477. 90 Siehe dazu unten §§17-21. 88
Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
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3. Das Argument der strukturellen Ungleichheit zwischen der Betriebsverfassung und dem allgemeinen Zivilrecht Andere Argumente gegen eine Schadensersatzverpflichtung der Betriebsratsmitglieder könnten aber in ihrer Konsequenz durchaus zu einer generellen Ablehnung von Schadensersatzverpflichtungen innerhalb der Betriebsverfassung führen und somit solche Ansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium von vornherein ausschließen. Derleder betrachtet etwa das System der Betriebsverfassung und das zivilrechtliche Haftungssystem als strukturell ungleich. Das Betriebsverfassungsgesetz eröffne ein Konfliktfeld, in dem sich Arbeitgeber und Betriebsrat gegenüberstünden und in dem viel Raum für Konsensbildungsprozesse und Verhaltensabstimmung geschaffen worden sei. Da sich in diesem System keine scharf abgrenzbaren Rechtskreise gegenüberstünden, verbiete es sich, der Betriebsverfassung das Muster der Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit aufzuoktroyieren. 91 Gegen dieses Argument spricht aber, daß sich durchaus abgrenzbare Rechtskreise der Arbeitnehmer bzw. Stellenbewerber und des Arbeitgebers und insbesondere auch Eingriffe in dieselben feststellen lassen. 92 Die Rechtspositionen der Arbeitnehmer sind über § 75 BetrVG geschützt, die des Arbeitgebers insbesondere über § 2 Abs. 1 BetrVG. Das privatrechtliche System des Schadensersatzes stellt eine Freiheitsgarantie dar, die auch innerhalb der Betriebsverfassung Geltung beansprucht. Gerade der Schadensersatzanspruch bildet einen wichtigen Bestandteil dieser Freiheitsgarantie. Es besteht demnach kein Zielkonflikt zwischen dem Betriebsverfassungsgesetz und dem zivilrechtlichen Schadensersatzrecht. 93
4. Das Argument des ausreichenden Schutzes durch § 23 Abs. 1 BetrVG und die betriebsverfassungsrechtlichen Strafvorschriften Des weiteren wird teilweise gegen Schadensersatzansprüche vorgebracht, die betriebsverfassungsrechtlichen Mittel des Ausschlusses eines Betriebsratsmitglieds und der Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG sowie die betriebsverfassungsrechtlichen Strafvorschriften sorgten für ausreichenden Schutz derer, die durch Handlungen des Betriebsrats geschädigt werden könnten. 9 4 Auch dieser Aussage ist nicht zuzustimmen. Die Möglichkeiten insbesondere des § 23 Abs. 1 BetrVG sind außerordentlich begrenzt. Die Regelung des § 23 Abs. 1 BetrVG greift nur in Fällen grober Pflichtverletzungen ein. Ferner ist ein qualifiziertes Antragserfordernis von einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmerschaft erfor-
91 Derleder, AuR 1980, S. 360, 365. 92
Siehe dazu oben §§4 und 5. 93 Belling, S. 70 ff. 94 Gester, S. 167; Gramm, B. III. 4.; Reiß, S. 76.
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derlich. § 120 BetrVG deckt lediglich einen kleinen Bereich der Pflichtverstöße ab. Ausschlaggebendes Argument ist allerdings, daß diesen beiden Vorschriften Maßregelungsfunktion zukommt, während sie keine Schadensersatzforderungen begründen. Die Zielrichtung ist demnach eine gänzlich andere. 95 Im Falle des Schadensersatzes bildet der Poenalgedanke nämlich nur einen unter mehreren Leitgedanken. Zusätzlich liegen dem Schadensersatz noch das Ausgleichsprinzip, das Praeventionsprinzip sowie der Rechtsfortsetzungsgedanke zugrunde. 96
III. Die Auslegung der pflichtenbegründenden Vorschriften Nachdem nun festgestellt wurde, daß Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat nicht schon aus grundsätzlichen Überlegungen ausscheiden, sind anschließend die einzelnen pflichtenbegründenden Normen dahingehend zu untersuchen, ob sich aus deren Verletzungen durch den Betriebsrat konkret Schadensersatzforderungen ergeben können.
1. Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer a) Die Ablehnung der Ähnlichkeit zwischen dem Betriebsrat und den privaten Ämtern als Begründung für Schadensersatzansprüche Belling stützt Schadensersatzansprüche auf die Ähnlichkeit des Betriebsrats zu den privaten Ämtern des Zivilrechts. Ausgehend von der Tatsache, der Betriebsrat nehme Rechte wahr, die dem einzelnen Arbeitnehmer zugeordnet seien 9 7 , begründet er eine Entsprechung des Betriebsratsamtes in seinen Voraussetzungen und Wirkungen i m Innenverhältnis in bezug auf den Arbeitnehmer zu den Ämtern des Vormunds, Betreuers, Testamentsvollstreckers, Nachlaßverwalters, Insolvenzverwalters oder Vergleichsverwalters. Hieraus ergebe sich ein gesetzliches Schuld Verhältnis zwischen dem Betriebsrat und den einzelnen Arbeitnehmern, aus dem für diese Ansprüche herzuleiten seien. 98 Die Tatsache, daß der Betriebsrat weder für sich, noch als gesetzlicher Vertreter oder Organ einer teilrechtsfähigen Personifikation bzw. eines Betriebsverbandes, sondern in Ausübung seines betriebsverfassungsrechtlichen Amtes handelt, legt diese Parallele in der Tat nahe. Dennoch vermag Bellings Argumentation nicht zu überzeugen. Sie übersieht nämlich die Unterschiede, die zwischen den privaten Ämtern und dem Betriebsrat bestehen. Die 95 96 97 98
Nolting, S. 24. Lange, S. 8 ff. Siehe Belling, S. 120 ff., 140 ff., 170 ff. Belling, S. 120 ff., 140 ff., 170 ff.
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Tätigkeit der genannten Amtswalter bezieht sich auf die Rechte anderer, während der Betriebsrat die Beteiligungsrechte im eigenen Namen ausübt." Belling geht hingegen davon aus, die Beteiligungsrechte seien originäre Rechte der einzelnen Arbeitnehmer, die der Betriebsrat lediglich ausübe. 1 0 0 Durch Aufspaltung in individuelle Rechtsträgerschaft und kollektive Rechtsausübung verkennt Belling jedoch, daß ein subjektives Recht dem Inhaber auch die Fähigkeit zur Ausübung vermitteln m u ß . 1 0 1 Diese Schlußfolgerung ist um so eher zwingend, als auch Belling dem Betriebsrat Teilrechtsfähigkeit hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse attestiert. 1 0 2
b) Die Auslegung des § 75 BetrVG Die Auslegung der Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes könnte aber dennoch die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen eröffnen, wenn die o b e n 1 0 3 konstatierten Pflichten Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern darstellen. Ganz im Gegensatz zu den meisten Fällen, in denen ohne ausdrückliche Normierung gesetzliche Schuldverhältnisse gegeben sein k ö n n e n 1 0 4 , besteht im Verhältnis zu den Arbeitnehmern 1 0 5 die Besonderheit, daß die Pflichten des Betriebsrats insbesondere in § 75 BetrVG ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben. Ein etwaiges zwischen dem Betriebsrat und den einzelnen Arbeitnehmern bestehendes gesetzliches Schuldverhältnis ist also aus konkreten gesetzlichen Normen zu erarbeiten. Allgemeine Überlegungen zum Verhältnis des Betriebsrat zu den im Betrieb Beschäftigten - etwa i m Hinblick auf die gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit auf den Rechtskreis der Arbeitnehmer - kommen allerdings i m Rahmen der Auslegung dieser Rechtsvorschriften selbstverständlich zum Tragen. Zentrale Vorschrift zur Begründung von Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern ist § 75 BetrVG. Hierauf soll sich die Untersuchung im Folgenden konzentrieren. Vielfach wird argumentiert, es handele sich bei dieser Vorschrift nicht um eine individualrechtliche Norm. Die Regelung sei vielmehr kollektivrechtlicher Nat u r . 1 0 6 Teilweise gibt es aber auch Gegenstimmen, die davon ausgehen, zwischen
99 Richardi, Einl., Rn. 100. >oo Belling , S. 115, 131. •οι Fabricius, S. 223; Richardi, Einl., Rn. 101. 102 Vgl. Belling, S. 222. 103 Siehe oben §§4 und 5. '04 Siehe hierzu MünchKomm /Kramer, 4. Aufl., Einl., § 80 ff. 105 Dasselbe gilt natürlich auch in Beziehung auf den Arbeitgeber im Hinblick auf § 2 Abs. 1 BetrVG, siehe unten § 6 III. 3. 106 BAG v. 13. 07. 1962 AP Nr. 1 zu § 242 BGB; BAG ν. 03. 12. 1985 AP Nr. 2 zu § 74 BAT; Fitting! Kaiserl Heither/Engels, § 75, Rn. 20; siehe auch GK/Kreutz, § 75, Rn. 4, 23, 92 m. w. N.
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dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern bestehe durchaus eine rechtliche Sonderverbindung. 1 0 7 Die Ablehnung des individualrechtlichen Charakters des § 75 BetrVG durch die herrschenden Meinung rührt aus der Annahme her, die Pflichten des Betriebsrats bestünden nicht gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer, sondern gegenüber der Belegschaft als solcher. Obwohl die Vorschrift anerkanntermaßen dem Schutz der Arbeitnehmer d i e n t 1 0 8 , gehen Vertreter dieser Meinung davon aus, der Betriebsrat habe nicht das Interesse individueller Arbeitnehmer sondern der gesamten Arbeitnehmerschaft zu vertreten. 1 0 9 Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Der Schluß vom kollektivrechtlichen Charakter des § 75 BetrVG auf die Verneinung individualrechtlicher Verhältnisse ist keineswegs zwingend. 1 1 0 Die Handlungen des Betriebsrats erfolgen auch i m Individualinteresse. 111 Die Regelung des § 75 BetrVG bezieht die Wahrung der Belange einzelner Arbeitnehmer mit e i n . 1 1 2 Der Gesetzgeber wollte deren Menschenwürde schützen. 1 1 3 Aus bloßen Befehlsempfängern sollten Mitarbeiter werden. 1 1 4 Diese gesetzgeberische Zielsetzung läßt sich allerdings nicht erreichen, solange der einzelne im Kollektiv untergeht und man auf eine wesenslose Masse zurückgreift. 1 1 5 Gesetzliche Schuldverhältnisse mit Schutzpflichten beruhen wertungsmäßig auf der Tatsache der durch die besonders enge Sonderbeziehung erst ermöglichten erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten in den fremden Rechtskreis. 1 1 6 Durch seine Befugnisse besitzt der Betriebsrat vielfältige Möglichkeiten, in die Rechte der Arbeitnehmer einzugreifen. Die teleologische Auslegung des § 75 BetrVG verlangt daher deren Klassifizierung als schadensersatzbegründende Schutzpflichtnorm. Der Zweck dieser Vorschrift besteht in der Stärkung der Autonomie des einzelnen Arbeitnehmers. Durch diese Vorschrift sollte die Subjektstellung des Arbeitnehmers in der Betriebsverfassung gestärkt werden. 1 1 7 Würde man ihm den Schadensersatzanspruch verweigern, so stellte man ihn schutzlos. Er würde zum „Rechtsuntertan' 4 degradiert. 1 1 8
107 So Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 13. 108 GK/Kreutz, § 75, Rn. 13; Richardi, § 75, Rn. 6. 109 Gester, S. 166; Ocker, S. 133 f. no So auch Nolting, S. 142. m Nolting, S. 143; Preuß, S. 53. 112 GK / Wiese, Einl., Rn. 74; Nolting, S. 144. 113 Ber. d. Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI, 334, S. 56. 114 Müller, BB 1957, S. 409, 409 f.; Nolting, S. 144; Preuß, S. 53. us Preuß, S. 53; so auch Peters in Raiser, S. 21. 116 Stoll, AcP 136 (1932), 257, 298. 117 Haneberg, S. 6. 118 Vgl. Belling, S. 270; Huber, Bd. II, S. 685.
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c) Die Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche Zwischen Betriebsrat und den einzelnen Arbeitnehmern besteht nach alledem ein gesetzliches Schuldverhältnis. 1 1 9 Hieraus können sich für den Fall der Pflichtverletzungen Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat ergeben. Es handelt sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis, weil die Schutzpflichten gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern dem Betriebsrat permanent obliegen. 1 2 0 Fraglich ist allerdings die unmittelbare Rechtsgrundlage für solche Schadensersatzansprüche. Wie oben bereits gezeigt 1 2 1 , ist die i m Verhältnis zu den Arbeitnehmern von Belling vorgeschlagene Analogie zu § 1833 BGB wegen der fehlenden Vergleichbarkeit mit den privaten Ämtern abzulehnen. Da es um die Verletzung von Schutzpflichten geht, ist Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche hier die Regelung der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 B G B . 1 2 2 Die §§ 241 ff. BGB sind auch auf gesetzliche Schuldverhältnisse anwendbar. Dem allgemeinen Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches kommt insoweit Modellcharakter z u . 1 2 3 Die Bedenken Hafners 1 2 4 , der statt dessen als Rechtsgrundlage auf die „Sozialwidrigkeit" zurückgreift, können nicht geteilt werden. Hafner geht - wie oben dargelegt 1 2 5 - davon aus, zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber bzw. den Arbeitnehmern bestehe kein Schuldverhältnis, sondern lediglich ein Sozialrechtsverhältnis.
2. Vorschriften zum Schutz der Stellenbewerber Fraglich ist aber, ob auch in bezug auf Stellenbewerber ein gesetzliches Schuldverhältnis mit möglichen Pflichten des Betriebsrats zum Schadensersatz besteht, obwohl sie noch nicht zur Belegschaft des jeweiligen Betriebs gehören. Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums geht - zumeist ohne tiefgreifendere Begründung - davon aus, daß die in § 75 BetrVG festgeschriebenen Pflichten des Betriebsrats nicht auch die Stellenbewerber schützen sollen. 1 2 6 Demzufolge schiede auch ein entsprechendes gesetzliches Schuldverhältnis aus. Ob aber - entgegen dieser Meinung - nicht doch von einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwi"9 So auch Ocker, S. 171 f. 120 Weher, DB 1992, S. 2135, 2137 f. 121 Siehe oben § 6 III. l.a). 122 Vgl. Neumann-Duesberg, 338 ff., 340 ff.; ders., NJW 1954, S. 617, 620; Nolting, S. 148 ff., die freilich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01. 01. 2002 noch auf das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung zurückgriffen. 123 MünchKomm / Kramer, 4. Aufl., Einl., Rn. 6. 124 Hafner, S. 78 f., der sich ebenfalls noch mit der positiven Forderungsverletzung auseinandersetzt. 125 Siehe oben § 6 I. 126 GK/Kreutz, § 75, Rn. 17; siehe auch Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 75, Rn. 13, der lediglich eine § 75 BetrVG entspringende rechtliche Verpflichtung ablehnt.
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sehen dem Betriebsrat und den einzelnen Bewerbern auszugehen ist, läßt sich nicht von vornherein anhand allgemeiner Überlegungen und Argumente - wie etwa der Tatsache, daß der Betriebsrat Repräsentant der Belegschaft i s t 1 2 7 - ablehnen. Anders herum ist auch die pauschale Klassifizierung der Beziehung zwischen Betriebsrat und den Stellenbewerbern als ein „sich anbahnendes gesetzliches Sozialrechtsverhältnis" 1 2 8 wenig hilfreich. Wie schon im Falle des Verhältnisses zu den einzelnen Arbeitnehmern ist ein etwaiges gesetzliches Schuldverhältnis mit der Möglichkeit des Schadensersatzes erneut allein aus einer strengen Auslegung der gesetzlichen Normen zu gewinnen. Eine solche Vorschrift kann allein § 75 BetrVG darstellen. Zur Beantwortung der Frage, ob sich aus § 75 BetrVG Schadensersatzansprüche der Stellenbewerber ergeben, ist also diese Vorschrift auszulegen. Vom Wortlaut her umfaßt der Schutzbereich dieser Regelung die Bewerber tatsächlich nicht. Dies muß aber keineswegs bedeuten, daß die Grundsätze des § 75 BetrVG nicht auf Stellenbewerber auszudehnen sein könnten. 1 2 9 Lediglich die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats, also der aktive Schutz der Arbeitnehmer, findet seine Begrenzung in den jeweiligen bereits angestellten Arbeitnehmern. Das Gebot, die eigenen Maßnahmen nach Recht und Billigkeit auszurichten, hingegen, ist darüber hinaus auch auf die Bewerber auszuweiten. 1 3 0 Die Regelung des § 75 BetrVG soll nach ihrem Zweck bestimmte Diskriminierungen grundsätzlich verbieten. 1 3 1 Sie stellt damit ein allgemeines Ordnungsprinzip d a r . 1 3 2 Auch die systematische Auslegung deutet auf dieses teleologische Ergebnis. Gerade die Mitbestimmungsrechte - als Pflichtrechte - werden durch § 75 BetrVG geprägt. In Zusammenschau mit der Vorschrift des § 99 Abs. 1 BetrVG mit Bezug auf Einstellungen, bedeutete es einen Systembruch, die Bewerber nicht mit in den Schutzbereich des § 75 BetrVG einzubeziehen. Entsprechend den Ausführungen zu den Arbeitnehmern ist also davon auszugehen, daß § 75 BetrVG auch zwischen Bewerbern und dem Betriebsrat ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, das für den Fall der Pflichtverletzungen die Möglichkeit des Schadensersatzes eröffnet. Absicht des Gesetzgebers war es, durch § 75 BetrVG die Menschenwürde zu schützen. 1 3 3 § 99 BetrVG dient nicht nur dem innerbetrieblichen Interesse an einer möglichst gerechten und sachlichen Personalpolitik, sondern bezweckt letztlich auch den Schutz des Individuums. 1 3 4 Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen ist auch hier die Regelung der §§ 280 Abs. 1,241 Abs. 2 BGB. 127 128 129 130
Vgl. oben §41. So Hafner, S. 106; Neumann-Duesberg, S. 338, 344. Richardi, § 75, Rn. 7. Richardi, § 75, Rn. 7.
131 Otto, S. 29 f. 132 Niederalt, S. 147 f. 133 Ber. D. Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI, 334, S. 56. 134 Otto, S. 30; Richardi, Betriebsverfassung, S. 37 ff.
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3. Vorschriften zum Schutz des Arbeitgebers Wie bereits gesehen 1 3 5 , stellt § 2 Abs. 1 BetrVG eine unmittelbar geltende Rechtsnorm dar, deren Inhalt über einen reinen Appell hinausgeht und dem Zweck dient, den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern zu verwirklichen. Dies muß auch für die Vorschriften der § § 7 4 Abs. 2 und 77 Abs. 1 BetrVG gelten, da sie - wie oben gesehen 1 3 6 - nur Konkretisierungen des allgemeineren § 2 Abs. 1 BetrVG darstellen. Die Notwendigkeit für Schadensersatzansprüche ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, daß die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergebende Intensität der Treubindung des Betriebsrats und des Arbeitgebers zueinander über das Maß des § 242 BGB deutlich hinausgeht. 1 3 7 I m Bereich des § 2 Abs. 1 BetrVG muß somit erst recht Rechtsschutz geboten werden. Der Betriebsrat steht in einem engen Kooperationsverhältnis zum Arbeitgeber. Er besitzt eine ungleich höhere Einwirkungsmöglichkeit auf dessen Rechtskreis als andere Rechtssubjekte und kann ihn demzufolge auch in verstärktem Maße gefährden. Zum Ausgleich für dieses dem Arbeitgeber auferlegte Risiko muß eine erhöhte Einstandspflicht des Betriebsrats in Form von über das Deliktsrecht hinausgehenden Schadensersatzverpflichtungen folg e n . 1 3 8 Zu bedenken ist ferner, daß es sich für den Arbeitgeber um eine „Zwangspartnerschaft" mit dem Betriebsrat handelt. Er ist dessen Einflußnahme - ohne Rücksicht auf seinen Willen - unterworfen. 1 3 9 Auch zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht demnach ein Dauerschuldverhältnis. 1 4 0 Dieses intensive Vertrauensverhältnis dient als Begründungsrahmen für Schutzpflichten. 1 4 1 Aus diesem können sich Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers als Folge von Pflichtverletzungen durch den Betriebsrat ergeben. Auch für Schadensersatzforderungen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat stellen die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB die Rechtsgrundlage dar.
IV. Zurechnung der Handlungen gemäß § 31 BGB analog Der Betriebsrat ist nur durch seine Mitglieder willens- und handlungsfähig. Letztlich können nur sie die Pflichtverletzungen wirklich begehen. Allein die Be135 Siehe oben § 5 I., III. 136 Siehe oben § 5 III. 137 Vgl. Heinze, ZfA 1988, S. 53, 74. 138 Belling , S. 356 ff. 139 Belling, S. 313. 140 Vgl. Weber, DB 1992, S. 2135, 2140; Witt, S. 128. Mittlerweile geht auch Heinze, ZfA 1988, S. 53, 72 ff., von einem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber aus. 141 Vgl. MünchKomm /Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 159.
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triebsratsangehörigen können schuldhaft handeln und die schädigenden Beschlüsse fassen, vgl. § 33 BetrVG. Damit Schadensersatzpflichten aufgrund schuldhaften Handelns den Betriebsrat als Gremium treffen können, müßten ihm die Handlungen seiner einzelnen Mitglieder zugerechnet werden. Als Zurechnungsnorm kommt dafür § 31 BGB in Betracht. Die Vorschrift gilt zunächst für juristische Personen. Damit diese überhaupt im Hinblick auf Schadensersatzforderungen wie natürliche Personen behandelt werden können, ist § 31 BGB notwendig. 1 4 2 Die entsprechende Anwendung der Regelung auf die Personengesellschaften des Handelsrechts ist heute gewohnheitsrechtlich anerkannt. 1 4 3 Aber auch eine Anwendung auf den Betriebsrat ist zu befürworten. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Durch welches rechtstechnische Mittel die Verselbständigung einer Personifikation bewirkt wird, ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 31 BGB unerheblich. Es kommt allein auf die Interessenlage an. Die Frage nach der Verantwortlichkeit stellt sich letztlich bei allen Personifikationen. Wenn eine solche Verantwortlichkeit nicht auf anderem Wege zu erreichen ist, so ist § 31 BGB analog anwendbar. 1 4 4 Die Vorschrift des § 31 BGB eröffnet den einzigen Weg, um zu einer Verantwortlichkeit des Betriebsrats als Gremium zu gelangen. Auch spricht für die Anwendbarkeit seine körperschaftliche Struktur und die damit verbundene Ähnlichkeit mit den juristischen Personen. Der Betriebsrat bildet insofern eine Einheit. 1 4 5 § 31 BGB nimmt auf alle schadensersatzbegründenden Handlungen Bezug, also sowohl deliktsrechtliche als auch solche aus Sonderverbindung. 146 Demnach sind schädigende Handlungen aufgrund von Verletzungen der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten von der Vorschrift umfaßt. Fraglich ist aber, ob sich die einzelnen Mitglieder überhaupt unter den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters subsumieren lassen. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter machen die Personifikation erst willens- und handlungsfähig. Sie sind seine Repräsentanten. 147 Der Begriff ist weit zu verstehen. 148 So ist i m Falle des Vereins § 31 BGB nicht nur auf den Vorstand, sondern analog auf alle sonstigen Organe zu beziehen, insbesondere auch auf die Mitgliederversammlung, auch wenn es sich hierbei nicht um „Vertreter" handelt. Dies wird mit dem Verweis auf den Regelungsgehalt der Vorschrift gerechtfertigt, da die Mitgliederversammlung in der Lage ist, andere Rechtssubjekte durch Beschlüsse
142 Staudinger/Weick, § 31, Rn. 1. 143 MünchKomm / Reuter, 4. Aufl., § 31, Rn. 14. 144 MünchKomm/Reuter, 4. Aufl., § 31, Rn. 17. 145 Auch Schnorr v. Carolsfeld, S. 418, folgert aus der „Solidarität dieser soziologischen Einheit" die entsprechende Anwendung des § 31 BGB. 146 Staudingerl Weick, § 31, Rn. 5 ff. 147 SoergelIHadding, 13. Aufl., § 31, Rn. 1. 148 MünchKomm/Reuter, 4. Aufl., § 31, Rn. 6 f. 5 Triebel
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zu schädigen. 1 4 9 Die Mitglieder des Betriebsrats sind in dieser Hinsicht durchaus mit denen eines Vereins vergleichbar. Auch sie können Dritte durch ihre Handlungen schädigen. Der Betriebsrat wird durch seinen Vorsitzenden nach außen hin vertreten, § 26 Abs. 2 BetrVG, jedoch „ i m Rahmen der gefaßten Beschlüsse'4, die gemäß § 33 BetrVG wiederum die Mitglieder fassen. Die Handlungen der Betriebsratsmitglieder bei der Beschlußfassung werden demnach dem Betriebsrat gemäß § 31 BGB analog zugerechnet. Im Beispiel (8) gilt dasselbe für die Handlung desjenigen Mitglieds, das die falsche Auskunft erteilt.
V. Kausalität 1. Allgemeines Aufgrund der Existenz des Zustimmungsersetzungs- und des Einigungsstellenverfahrens sowie der Möglichkeit einer vorläufigen einseitigen Regelung durch den Arbeitgeber im Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte gestaltet sich die Kausalität zwischen Handlungen des Betriebsrats und Schadenseintritt im einzelnen häufig problematisch. Es sind im wesentlichen zwei Konstellationen heikel. Zum einen ist fraglich, wie es sich auswirkt, wenn der Arbeitgeber es unterläßt, die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats im Rahmen echter Mitbestimmungsrechte durch die Anrufung der Einigungsstelle oder die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu überwinden, oder er vorläufige einseitige Maßnahmen nicht ergreift, obwohl er im konkreten Fall dazu berechtigt ist. Zum anderen ist zu prüfen, ob eine den Betriebsrat - zu Unrecht - bestätigende Entscheidung der Einigungsstelle oder des Arbeitsgerichts den Kausalzusammenhang entfallen läßt. Beide Problemfelder können sowohl bei Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers wie auch der Arbeitnehmer und Stellenbewerber auftreten.
2. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers Teilweise wird die Meinung vertreten, der Spruch einer neutralen Instanz wie der Einigungsstelle oder des Arbeitsgerichts i m Zustimmungsersetzungsverfahren unterbreche den Kausalzusammenhang, wenn er den Betriebsrat bestätige. 1 5 0 Sämtliche Vertreter dieser Ansicht beschränken sich allerdings auf diese pauschale Behauptung, ohne sie genauer darzulegen. U m eine allzu oberflächliche Beurteilung zu vermeiden, muß zunächst der Komplex der Kausalität genauer dargestellt werden. Innerhalb dessen wird eine Hand'•w Enneccerus/Nipperdey, Bd. I 1, S. 661, FN 3; Flume, Bd. I 2, S. 387; Soergell Madding, 13. Aull., § 31, Rn. 11 \ Staudinger I Weick, § 31, Rn. 38. 150 Brill, AuR 1980, S. 353, 358; Gramm, Β. III. 2. b) aa.; Herschel, RdA 1960, S. 121, 125; Wo/#BB 1951, S. 310, 311.
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lung dann als kausal für einen Schaden bezeichnet, wenn sie zunächst im Sinne der conditio sine qua non nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, wobei alle Verursachungsbeiträge als gleichwertig betrachtet werden. Diese äquivalente Kausalität ist aber allein als Kriterium der Schadenszurechnung nicht ausreichend. Es bedarf eines weiteren Filters, denn andernfalls wäre der Bedingungszusammenhang nahezu uferlos. 1 5 1 Dazu wird zusätzlich auf die Adäquanz der Handlung abgestellt. Es sollen aus der Schadenszurechnung gänzlich unwahrscheinliche Kausal Verläufe ausscheiden. 152 Die Möglichkeit des Schadenseintritts darf nicht so weit entfernt liegen, daß sie nach der allgemeinen Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht gezogen werden k a n n . 1 5 3 Eine schädigende Handlung des Betriebsrats bleibt trotz einer nachfolgenden unrichtigen - Entscheidung der Einigungsstelle oder des Arbeitsgerichts ohne Zweifel äquivalent kausal. Ohne die Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat würden diese Stellen schlechthin nicht angerufen, so daß ihre Entscheidung nie erginge. Es handelt sich um Fälle der mittelbaren Kausalität. 1 5 4 Eine solche mittelbare Kausalität ist zur Begründung des Bedingungszusammenhangs ausreichend. 1 5 5 Eine rechtsirrige, den Betriebsrat bestätigende Entscheidung ist diesem darüber hinaus als adäquate Folge zuzurechnen. 1 5 6 Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen der Betriebsrat über Tatsachen getäuscht hat. Es ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht ganz unwahrscheinlich und damit nicht außer Betracht zu lassen, daß die Einigungsstelle oder das Arbeitsgericht eine fehlerhafte Entscheidung bestätigen. 1 5 7 Beruht ein Schaden zusätzlich auf dem Verhalten eines Dritten, so wird regelmäßig der adäquate Kausalzusammenhang nicht unterbroc h e n . 1 5 8 Die auf einem freiwilligen Entschluß beruhende Handlung eines Dritten, die unmittelbare Ursache geworden ist, hindert den Verursachungszusammenhang zwischen dem vorhergehenden Ereignis und dem Schaden nicht, wenn - wie in diesem Fall - die Folgehandlung durch das erste Ereignis veranlaßt worden i s t . 1 5 9 So ist beispielsweise auch das Verschulden eines Rechtsanwaltes trotz nachfolgender gerichtlicher Fehlleistungen ursächlich. 1 6 0 In den Fällen ( l l ) ( b ) , (12)(c) und 151 Palandt/ Heinrichs, Vorb. vor § 249, Rn. 57 f. 152 Schon RGZ 152,397,401. 153 RGZ 78, 270, 272. 154 Fischer, RdA 1961, S. 230, 232; Junker, S. 64; Neumann-Dueseberg, S. 335; ders., JR 1955, S. 206, 206; Krause, BB 1951, S. 677, 678, äußert lediglich, die Zwischenschaltung neutraler Instanzen bewirke keine „Privilegierung im Sinne einer Haftungsfreistellung". 155 Enneccerus/Lehmann, SR, S. 68 f.; Ocker, S. 160. 156 Junker, S. 64; Neumann-Duesberg, JR 1955, S. 205, 206; Nolting, S. 163 ff.; Ocker, S. 160 f. 157 Junker, S. 62, 64. 158 Palandt/Heinrichs, Vorb. vor § 249, Rn. 73; i.E. auch Nolting, S. 163 ff., der allerdings darauf abstellt, ob der Dritte sich „herausgefordert" fühlen durfte. 159 Vgl. Ocker, S. 161. 160 Vgl. BGH, AnwBl. 1988, S. 640, 642. 5*
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(13)(c) ist demnach von Ursächlichkeit der entsprechenden Betriebsratshandlungen auszugehen. Die Kausalität wird auch nicht unterbrochen, wenn der Arbeitgeber es unterläßt, die Einigungsstelle anzurufen oder das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Die Ursächlichkeit im Sinne der condition sine qua non ist auch hier unproblematisch gegeben. Ein solches Unterlassen des Arbeitgebers ist auch durchaus nicht ungewöhnlich, da es auf dem Wunsch beruht, Streitigkeiten mit dem Betriebsrat zu vermeiden. Derartiges Verhalten fällt nicht aus dem Rahmen des Wahrscheinlichen. 1 6 1 Es setzt gerade keine neue Kausalkette in Gang. Somit ist in den Beispielen ( l l ) ( a ) , (12)(a) und (13)(a) der Zurechnungszusammenhang auch i m Sinne der Adäquanz zu bejahen. Dasselbe gilt, wenn es der Arbeitgeber unterläßt, einseitige vorläufige Maßnahmen zu ergreifen, zu denen er berechtigt ist. So gibt ihm § 100 Abs. 1 BetrVG das Recht, personelle Maßnahmen im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG einstweilen durchzuführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Ferner wird teilweise im Falle des § 87 Abs. 1 BetrVG, für den das Betriebsverfassungsgesetz zunächst vom Wortlaut her keine Eilfallregelung vorsieht, angenommen, in Notfällen entfiele das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. 1 6 2 Auch in solchen Fällen erscheint die Nichtvornahme derartiger Maßnahmen durch den Arbeitgeber nicht völlig unwahrscheinlich zu sein, so daß von Adäquanz auszugehen i s t . 1 6 3 Die Unterlassung einer dem Geschädigten obliegenden Handlung ist kein ganz außergewöhnliches Ereignis. 1 6 4 Demnach liegt Kausalität auch in den Beispielen (12)(b) und (13)(b)(d) vor.
3. Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer und Stellenbewerber Für den Fall, daß der Arbeitgeber sich an die Einigungsstelle bzw. das Arbeitsgericht i m Zustimmungsersetzungsverfahren gewandt hat und diese fälschlicherweise den Betriebsrat bestätigt haben, gilt das soeben Gesagte. Der Verursachungszusammenhang ist demnach in den Beispielen (3)(b), (4)(b) und (5)(b) zu bejahen. Auch die Nichtanrufung der zuständigen Stellen durch den Arbeitgeber in den Fällen (3)(a), (4)(a), (5)(a) und (6) steht nicht in einem Maße außerhalb der Wahrscheinlichkeit, daß Adäquanz abzulehnen wäre. Dasselbe gilt für die Nichtvornahme von vorläufigen Maßnahmen durch den Arbeitgeber im Fall (5)(c).
161 Joachim, DB 1955, S. 1, 2; Junker, S. 65; vgl. auch RGZ 137, 156, 162. •62 Dütz, Rn. 833; offen gelassen von BAG vom 13. 07. 1977 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit. '63 Junker, S. 66; Ocker, S. 161; a.A. Gester, S. 161. 164 RGZ 137, 156, 161 f.
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VI. Verschulden Das Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. 1 6 5 Es sei an dieser Stelle klargestellt, daß es sich hier um eine Verschuldensvermutung hinsichtlich des Betriebsrats als Gremium handelt. Über die Verschuldensbeiträge der einzelnen Mitglieder ist damit noch nichts gesagt.
VII. Mitverschulden des Arbeitgebers Es hat sich gezeigt, daß das Nichtanrufen des Arbeitsgerichts i m Zustimmungsersetzungsverfahren bzw. der Einigungsstelle oder auch die Nichtvornahme von rechtlich möglichen einstweiligen einseitigen Maßnahmen durch den Arbeitgeber den Kausalzusammenhang nicht unterbrechen. Dies kann jedoch nicht bedeuten, daß ein solches Unterlassen gänzlich folgenlos bliebe. Die Problematik kommt in der Tat bei Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers i m Bereich des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB zum Tragen. 1 6 6 Die Nichtvornahme von vorläufigen Maßnahmen stellt einen Fall des Mitverschuldens d a r . 1 6 7 Ferner ist anerkannt, daß auch der Nichtgebrauch von Rechtsmitteln gegen § 254 Abs. 2 BGB verstoßen k a n n 1 6 8 , wenigstens wenn hinreichend Erfolgsaussichten bestehen. 1 6 9 Dies muß auch im Hinblick auf die betriebsverfassungsrechtlichen Sonderverfahren gelten. Während Gramm aber für den Fall der Nichtanrufung einer neutralen Instanz den Schadensersatzanspruch gänzlich entfallen lassen m ö c h t e 1 7 0 , erscheint die Ansicht Joachims überzeugender, zu einer Schadensteilung zu gelangen. Das schuldhafte Mitverursachen des Arbeitgebers wiegt nicht schwerer als das des Betriebsrats. 171 § 254 BGB sieht eine Quotelung als Rechtsfolge v o r . 1 7 2 Die Ansicht Joachims erscheint umso überzeugender, wenn man bedenkt, daß der Arbeitgeber oft starke Gründe dafür hat, ein gutes Verhältnis zum Betriebsrat zu pflegen und Streitigkeiten zu vermeiden bzw. vorläufige Maßnahmen nicht gegen den Willen des Betriebsrats durchzusetzen. In den Fällen ( l l ) ( a ) , (12)(a)(b) und (13)(a)(b)(d) ist der Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers demnach um dessen Mitverschuldensanteil zu kürzen. 1 7 3 165 Palandt/Heinrichs, Ergbd., § 280, Rn. 34. 166 So für den Fall des Nichtanrufens einer neutralen Stelle: Joachim, S. 2; Junker, S. 65, FN 2. •67 Ocker, S. 163. •6« BGHZ 90, 17, 32; 110, 323, 330. 169 BGH, NJW-RR 1991, S. 1458, 1459. 170 Gramm, B. III. 2. b) aa. 171 Joachim, JR 1955, S. 205, 207. 172 Palandt l Heinrichs, § 254, Rn. 45. 173 In den Fällen (ll)(a) und (13)(a)(b)(d) natürlich nur, wenn man ein Recht des Arbeitgebers zur Durchführung einseitiger vorläufiger Maßnahmen unterstellt, vgl. oben § 6 V. 2.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
VIII. Ergebnis Verletzungen der dem Betriebsrat obliegenden Schutzpflichten können zu Schadensersatzforderungen der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat führen. Das Schadensersatzrecht als Teil des allgemeinen Zivilrechts findet generell auch auf dem Gebiet der Betriebsverfassung Anwendung. Rechtsgrundlage für Schadensersatzforderungen ist die Regelung der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Das Verhalten der einzelnen Betriebsratsmitglieder wird in entsprechender Anwendung des § 31 BGB dem Gremium zugerechnet. Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder der Einigungsstelle unterbrechen den Kausalzusammenhang nicht. In bezug auf Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers kann dessen Nichtvornahme einer einseitigen vorläufigen Maßnahme im Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte oder das Nichtanrufen der Einigungsstelle bzw. des Arbeitsgerichts zu einem Mitverschuldensanteil des Arbeitgebers führen. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und Stellenbewerber können sich in den Beispielsfällen (1) bis (8) und (11) bis (16) ergeben.
§ 7 Ansprüche gegen den Betriebsrat auf Erfüllung der ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten I. Anspruchskategorien Rechtsschutz der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers gegen Pflichtverletzungen des Betriebsrats innerhalb der festgestellten betriebsverfassungsrechtlichen Schuldverhältnisse ist in zweierlei Weise vorstellbar. Neben einem Schadensersatzanspruch mag auch die Möglichkeit von Erfüllungsansprüchen hinsichtlich der betriebsrätlichen Schutzpflichten bestehen. Innerhalb solcher Erfüllungsansprüche könnten die Schutzpflichten des Betriebsrats sowohl zu Verpflichtungen i m Sinne eines aktiven Tuns als auch einer Unterlassung führen. 1 7 4 Angenommen, diesen Pflichten würden selbständige Ansprüche auf Erfüllung folgen, so könnten ursprüngliche Unterlassungsansprüche in Fall ( l ) 1 7 5 , (7), (14) bis (17) bestanden haben. So mag etwa in Fall (1) ein ursprünglicher Anspruch des Bewerbers darauf zu bejahen sein, daß der Betriebsrat es unterlasse, dem Arbeitgeber von der Einstellung abzuraten, in Fall (16), daß er es unterlasse, zum Streik aufzurufen.
174 Vgl. hierzu - in bezug auf die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht als Schutzpflicht MünchKomm/Kramer, 4. Aufl., § 241, Rn. 20. Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
§ 7 Ansprüche gegen den Betriebsrat
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In Beispielsfall (2) könnte ein Anspruch auf aktives Tun - nämlich auf Erheben des Widerspruches gegeben sein. In den Fällen (3), (4), (5), (6), (11), (12) und (13) ist die Möglichkeit eines Anspruches auf Zustimmung bzw. Rücknahme der Zustimmungsverweigerung zu der vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahme zu prüfen. Weitere Ansprüche auf ein Tun wären in den Beispielen (9) und (10) denkbar. Unter die Ansprüche auf ein Tun des Betriebsrats würden ferner auch solche Situationen fallen, in denen der Betriebsrat zunächst eine Unterlassungspflicht verletzt hat und die Verpflichtung zur Beseitigung der Pflichtverletzung besteht. Dies wäre solange theoretisch möglich, wie diese Maßnahme noch rückgängig zu machen ist. Auch ein solcher Anspruch richtet sich auf Erfüllung einer Schutzpflicht. 1 7 6 Er ist dem öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch vergleichbar. 1 7 7 Die Bedeutung all dieser Erfüllungsansprüche im Hinblick auf Schutzpflichten wäre beachtlich. Ganz im Gegensatz zu Schadensersatzansprüchen setzen derlei Ansprüche kein Verschulden voraus. Der Arbeitnehmer, Stellenbewerber oder Arbeitgeber würde hierdurch in die günstige Lage versetzt, drohende Verletzungen vorbeugend zu verhindern. 1 7 8
II. Der Meinungsstand hinsichtlich der Erfüllungsansprüche in bezug auf Pflichten in der Betriebsverfassung 1. Ansprüche der Arbeitnehmer Bisher sind den Arbeitnehmern von den Gerichten noch keine Erfüllungsansprüche gegen den Betriebsrat zuerkannt worden, insbesondere weil ein zwischen den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat bestehendes Schuldverhältnis nicht anerkannt w i r d . 1 7 9 Die herrschende Meinung geht davon aus, § 75 BetrVG sei eine reine Verpflichtungsnorm und beinhalte keine entsprechenden subjektiven Ansprüche der Arbeitnehmer. Es wird argumentiert, das Gesetz nenne diese nicht ausdrücklich als Berechtigte. 1 8 0 Demzufolge würden Erfüllungsansprüche ausscheiden. Die herrschende Meinung i m Schrifttum konnte derartige Ansprüche der Arbeitnehmer lediglich über die Umwege des quasinegatorischen vorbeugenden Unterlassungsanspruchs be176 Vgl. BAG v. 27. 11. 1985 AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; SoergeU Teichmann, 12. Aufl., § 242, Rn. 189. 177 Belling, S. 278. 178 Vgl. Belling, S. 258. 179 Vgl. auch Belling, S. 261. '«ο BAG v. 13. 07. 1962 AP Nr. 1 zu § 242 BGB; BAG v. 03. 12. 1985 AP Nr. 2 zu § 74 BAT; Fitting I Kaiser/Heither/ Engels, § 75, Rn. 20; siehe auch GKI Kreutz, § 75, Rn. 4, 23, 92 m. w. N.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
gründen. Hierzu bediente man sich der Konstruktion über § 823 Abs. 2 BGB und betrachtete § 75 BetrVG als Schutzgesetz. 181 Es mehren sich jedoch in letzter Zeit diejenigen Stimmen in der Literatur, die der Regelung des § 75 BetrVG sehr wohl Ansprüche der Arbeitnehmer entnehmen. 1 8 2
2. Ansprüche des Arbeitgebers Es entspricht heute der ganz einhelligen Meinung, daß den geschriebenen Verpflichtungen des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber korrespondierende Ansprüche gegenüberstehen. Dies ist insbesondere in bezug auf § § 7 4 Abs. 2 1 8 3 und 77 Abs. 1 Satz 2 B e t r V G 1 8 4 anerkannt. Demzufolge stand dem Arbeitgeber in den Beispielen (15), (16) und (17) unproblematisch ein Recht auf Unterlassung durch den Betriebsrat zu. Auch entsprechende Folgenbeseitigungsansprüche auf Rücknahme der Aufforderung zum vorzeitigen Arbeitsschluß bzw. des Streikaufrufs und Beseitigung der Wahlplakate sind demnach zu bejahen. Die Problematik gestaltet sich bei den ungeschriebenen Pflichten des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber schwieriger. Ob sich aus den § 2 Abs. 1 BetrVG entspringenden Pflichten auch Ansprüche herleiten lassen, ist umstritten. 1 8 5 Teilweise wird argumentiert, die Regelung enthalte weder die nötigen Tatbestandsmerkmale noch die erforderliche Rechtsfolge. 1 8 6 Auch wird die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG zum Teil als zu unbestimmt angesehen. 187
III. Eigene Lösung zu den Erfüllungsansprüchen Es ist nunmehr zu prüfen, inwieweit sich aus den pflichtenbegründenden Normen Erfüllungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer und Stellenbewerber bzw. 181 Galperin!Löwisch, § 75, Rn. 38; Gramm, B. III. 2. c) cc. So in der Tendenz wohl auch BAG in einer Entscheidung v. 14. Ol. 1986, vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 17 BbiG. In der Entscheidung verneint das Gericht letztlich allerdings das tatbestandliche Vorliegen des § 75 BetrVG. 182 Belling, S. 264 ff.; Däubler ! Kittner I Klebe, § 75, Rn. 10; Haneberg, S. 8 ff., 78 ff., 92; Isele, FS Schwinge, S. 146; Weber, DB 1992, S. 2135, 2137 f. 183 BAG v. 22. 02. 1983 AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972 unter II. 2.; BAG ν. 22. 07. 1980 AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972 unter 2.; Brox/Rüthers, Anm. 427; Fitting/ Kaiser/Heither/ Engels, § 74, Rn. 74; GK/Kreutz, § 74, Rn. 88; Heinze, DB 1983, Beil. 9, S. 15; Wiese, NZA 1982, S. 378, 383. 184 Belling, S. 335 f.; Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 77, Rn. 232. 185 Dafür: Kreutz, BIStSozArbR 1972, S. 44, 46; Witt, S. 81 f.; in bezug auf § 49 BetrVG 1952 Dietz, RdA 1969, S. 1,5; dagegen: noch Heinze, DB 1983, Beil. 9, S. 14 f.; Konzen, Leistungspflichten, S. 65 f. 186 Heinze, DB 1983, Beil. 9, S. 14 f. 187
Konzen, Leistungspflichten, S. 65 f.
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Ansprüche gegen den Betriebsrat
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des Arbeitgebers ergeben. Aus Überlegungen zur Vermögensfähigkeit stammende Bedenken gegen die Fähigkeit des Betriebsrats, nicht nur Adressat der Schutzpflichten sein zu können, sondern darüber hinaus auch Gegner entsprechender Erfüllungsansprüche, bestehen nicht. Derartige Rechte, bei denen es sich gerade nicht um Schadensersatzansprüche 188 handelt, sind innerhalb der Betriebsverfassung nur als Ansprüche nichtvermögensrechtlicher Natur denkbar. A u f die Problematik der Trennung von Vermögensfähigkeit und Pflichtfähigkeit kann es hierbei von vornherein nicht ankommen. So hält auch Richardi - obschon er das Vermögen betreffende Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat ablehnt - diesen für fähig, Verpflichteter negatorischer Ansprüche aus der Betriebsverfassung zu sein. 1 8 9 Ansprüche sind dem Betriebsverfassungsgesetz keineswegs fremd. In der Tat sind ausdrückliche Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber beispielsweise in den Vorschriften der §§ 81 bis 84 BetrVG vorgesehen. 190 Ferner wird teilweise der Regelung des § 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sogar ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Betriebsrat entnommen. 1 9 1 Auch das Bundesarbeitsgericht ist ausdrücklich der Annahme, das Betriebsverfassungsgesetz ordne sowohl den Betriebspartnern als auch den einzelnen Arbeitnehmern Ansprüche gemäß § 194 Abs. 1 BGB z u . 1 9 2 Ihrem Wortlaut nach sprechen die pflichtenbegründenden Normen insbesondere die § § 7 5 und 2 Abs. 1 BetrVG zwar in der Tat allein von einer Verpflichtung. Der Wortlaut der Vorschriften verbietet es andererseits aber auch nicht, von einem Erfüllungsanspruch der Arbeitnehmer, Stellenbewerber bzw. des Arbeitgebers auszugehen. Das Bundesarbeitsgericht weist zutreffend darauf hin, daß Normen, die lediglich eine Verpflichtung statuieren, darüber hinaus aber auch eine Berechtigung festlegen, keineswegs Ausnahmeerscheinungen s i n d . 1 9 3 Insbesondere begnügen sich häufig solche Vorschriften mit der Statuierung einer Verpflichtung, die eine Interessenbeeinträchtigung des Gläubigers verhindern soll e n . 1 9 4 Dies gilt allerdings in diesem Maße zunächst nur für den Bereich des Privatrechts. Denn das Privatrecht versucht, die Interessen der Bürger untereinander auszugleichen. 195 Obwohl das Betriebsverfassungsgesetz heute dem Bereich des Privatrechts zugeordnet w i r d 1 9 6 , handelt der Betriebsrat aber i m Interesse der Ar-
188
Zur Frage der Schadensersatzansprüche siehe oben § 6. •89 Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 11; zustimmend Belling, S. 222 ff., 288, der allerdings anders als Richardi - keine Beschränkung auf deliktsrechtliche negatorische Ansprüche vornimmt, sondern richtigerweise Erfüllungsansprüche auch aus Sonderverbindung bejaht. '90 Belling, S. 261. 191 So Fitting I Kaiser I Heither I Engels, § 82, Rn. 12. 192 BAG v. 22. 02. 1983 AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972. 193 BAG v. 26. 02. 1987 AP Nr. 2 zu § 79 BetrVG. 194 Stall, AcP 136 (1932), 257, 292. 195 Maurer, § 8, Rn. 7. '96 Ganz herrschende Meinung, siehe nur Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 262; Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 8; Gramm, A. II. 1.; Heinze, ZfA 1988, S. 53, 54; Hueck/ Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1095 ff.
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beitnehmer. 1 9 7 Damit ist die Situation derjenigen des öffentlichen Verwaltungsrechts in gewissem Maße ähnlich. Dort wird die Verwaltung i m öffentlichen Interesse tätig. Zur Begründung von subjektiven öffentlichen Rechten kommt es im Verwaltungsrecht auf den Schutzzweck der Norm an. Es ist im Rahmen der teleologischen Auslegung zu erarbeiten, ob die betreffende Vorschrift zumindest auch dem Interesse einzelner zu dienen bestimmt i s t . 1 9 8 A u f dem Gebiet der Betriebsverfassung ist ebenso vorzugehen. Es ist allerdings fraglich, ob gegen die selbständige Klagbarkeit nicht einzuwenden ist, daß die bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisse zu Arbeitnehmern, Stellenbewerbern und dem Arbeitgeber lediglich Schutzpflichten beinhalten. Bei der Frage der selbständigen Klagbarkeit der Schutzpflichten geht es um das Problem des vorbeugenden Güterschutzes. 199 Ganz überwiegend geht man davon aus, daß auch das Schutzpflichtverhältnis sehr wohl klagbare Erfüllungs- und vorbeugenden Unterlassungsansprüche gewährt. Voraussetzung ist allerdings die hinreichende Konkretisierbarkeit der Verpflichtung sowie das Bestehen eines besonderen Klagebedürfnisses. 200
1. Das Klagebedürfnis a) Allgemeines In Ermangelung von Leistungspflichten kommt den dem Betriebsrat obliegenden Schutzpflichten eine zentrale Bedeutung zu. So spricht Weber in diesem Zusammenhang sogar von Hauptpflichten. 2 0 1 Allein aufgrund dieser zentralen Bedeutung spricht grundsätzlich schon vieles für die selbständige Klagbarkeit der Schutzpflichten.
b) Das Klagebedürfnis der Arbeitnehmer und Stellenbewerber Der Schutzzweck des § 75 BetrVG
-
I m Hinblick auf die Arbeitnehmer und Stellenbewerber ist Folgendes zu bedenken: Der Gesetzgeber hat den grundrechtlichen Auftrag, sich schützend vor die in 197 Fitting I Kaiser I Heither ! Engels, § 1, Rn. 188; Gaul, Unterlassungsanspruch, S. 373; Heinze, ZfA 1988, S. 53, 62; Kreutz, S. 30. 198 Maurer, § 8, Rn. 8. 199 MünchKomm / Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 181, 259. 200 MünchKomm /Roth, 4. Aufl., § 242, Rn. 259; Soergel! Teichmann, 12. Aufl., § 242, Rn. 189; Stürner, JZ 1976, S. 384, 385 ff.; in bezug auf Unterlassungsansprüche: BGH, NJW 1995, S. 1284, 1285; LG Dortmund, WM 1981, S. 280, 283 f.; in bezug auf Folgenbeseitigungsansprüche: BAG v. 27. 11. 1985 AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht. Dagegen wohl Schlechtriem, SR AT, Rn. 117.
201 Weber, DB 1992, S. 2135, 2138.
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Ansprüche gegen den Betriebsrat
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den Grundrechten genannten Rechtsgüter zu stellen, insbesondere rechtswidrige Angriffe gegen diese zu unterbinden. 2 0 2 In Erfüllung dieses Auftrags hat der Gesetzgeber den Betriebsrat zur Beachtung der Grundrechte und des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet. 2 0 3 Da § 75 BetrVG im Hinblick auf die Verpflichtung des Betriebsrats, seine Handlungen nach dem Gebot von Recht und Billigkeit auszurichten, nach dem bisher Gesagten auch i m Verhältnis zu Stellenbewerbern gilt, sind diese Grundsätze i m Hinblick auf diese ebenfalls anwendbar. Versagte man dem Arbeitnehmer bzw. dem Stellenbewerber den Erfüllungsanspruch, so wäre die Ausführung des gesetzgeberischen Auftrags als unzureichend zu betrachten, da der Vorschrift des § 75 BetrVG die notwendige Effizienz fehlte. 2 0 4 Es wäre systemfremd, da unter der Geltung der Grundrechte der Schutz des einzelnen niemals Reflex des objektiven Rechts ist, sondern ihm auch subjektive Rechte zugestanden werden. 2 0 5 Es ist nahezu unbestritten, daß durch die Grundrechte subjektive Rechte entstehen. Auch im Verhältnis von Betriebsrat zu den einzelnen Arbeitnehmern führt die über § 75 BetrVG bewirkte direkte Grundrechtsgeltung zur Begründung solcher Ansprüche. 2 0 6 Verweigerte man den Arbeitnehmern das subjektive Recht, bliebe es bei einem reinen Appell an den Betriebsrat. 2 0 7 Der einzelne Arbeitnehmer hat j a gerade nicht die betriebsverfassungsrechtlichen Instrumentalien des Arbeitgebers, der sich des Zustimmungsersetzungs- bzw. des Einigungsstellenverfahrens bedienen kann. Er ist insoweit in besonderem Maße schutzwürdig. Entsprechendes gilt im Hinblick auf Stellenbewerber.
c) Das Klagebedürfnis des Arbeitgebers - Der Schutzzweck des § 2 Abs. 1 BetrVG Oben wurde bereits gezeigt, daß die Vorschrift des § 2 Abs. 1 BetrVG eine unmittelbar geltende Rechtsnorm darstellt, die ihrem Inhalt nach über einen reinen Appell hinausgeht und darauf abzielt, den vom Gesetzgeber angestrebten Zweck der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern zu verwirklichen. 2 0 8 Daraus folgt, daß den Betriebsparteien auch dementsprechende Ansprüche gegeneinander zustehen müssen. 2 0 9 Gerade bei Pflichtverletzungen des Betriebsrats erwiese sich eine Schadensersatzforderung als unzureichend, so daß hier auch Erfüllungsansprüche des Arbeitgebers vonnöten s i n d . 2 1 0 Die Notwendig202 203 204 205 206 207 208 209 210
BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164; 53, 30, 57. Belling , S. 270. Belling, S. 270. Belling, S. 270 f.; ähnlich Haneberg, S. 39. Haneberg, S. 19 ff., 31, 36; Weber, DB 1992, S. 2135, 2138. Lorenz, AöR 105 (1980), S. 623, 628. Siehe oben § 5 I., III. So auch Witt, S. 82. Belling, S. 337.
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keit hierzu ergibt sich insbesondere auch aus der Tatsache, daß die sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG ergebende Intensität der Treubindung des Betriebsrat und des Arbeitgebers zueinander über das Maß des § 242 BGB deutlich hinausgeht. 211 I m Bereich des § 2 Abs. 1 BetrVG muß somit erst recht Rechtsschutz geboten werden. Es besteht nach alledem kein Anlaß, die Pflichten aus dieser Vorschrift anders zu beurteilen als die der §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 Satz 2 B e t r V G . 2 1 2
2. Die Konkretisierbarkeit der Schutzpflichten Diese Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers sind auch hinreichend konkretisierbar. Sie lassen sich nämlich in jedem Einzelfall bestimmen. 2 1 3 Die gesetzlich zulässigen Tätigkeiten - und damit auch die unzulässigen - werden insbesondere durch die Grundsätze des § § 2 Abs. 1 und 75 BetrVG durchaus genau umrissen und begrenzt. 2 1 4 Hinsichtlich der explizit im Betriebsverfassungsrecht konstatierten Pflichten wie etwa im Falle der §§74 Abs. 2, 77 Abs. 1 Satz 2 oder 85 Abs. 1 BetrVG ist dies sogar noch eindeutiger. Lediglich eine abschließende Aufzählung aller Pflichten erscheint nicht möglich 2 1 5 Dies ist hingegen auch nicht notwendig, denn an der ursprünglich fehlenden Bestimmtheit wird man den Anspruch auf Erfüllung von Schutzpflichten nicht scheitern lassen können. Diese Pflichten ergeben sich erst aus dem Geschehensablauf und sind zunächst nur generalisierend faßbar. 2 1 6
3. Zwischenergebnis und Voraussetzungen von Erfüllungsansprüchen im Einzelfall Zwischen den einzelnen Arbeitnehmern und Stellenbewerbern bzw. dem Arbeitgeber auf der einen Seite und dem Betriebsrat auf der anderen besteht nach alledem ein gesetzliches Dauerschuldverhältnis mit gesetzlichen Schutzpflichten des Betriebsrats. Aus diesem Dauerschuldverhältnis können sich grundsätzlich auch Ansprüche auf Erfüllung dieser Pflichten ergeben. Wegen der großen Ähnlichkeit zwischen Ansprüchen auf Erfüllung von Schutzpflichten und den quasinegatorischen Unterlassungsansprüchen 217 sind erstere - unabhängig davon, ob sie sich auf ein 211 Vgl. Heinze, ZfA 1988, S. 53, 74. 212 So auch Belling, S. 337. Im Hinblick auf die §§ 74 Abs. 2 sowie 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wurde bereits dargelegt, daß sich aus ihnen nach einhelliger Meinung Ansprüche auf Erfüllung herleiten lassen, siehe oben § 7 II. 2. 213 Vgl. nur Belling, S. 207 ff.; Haneberg, S. 70 ff. 214 Heinze, ZfA 1988, S. 53, 67. 215 Belling, S. 187. 216 Stürner, JZ 1976, S. 384, 386. 217 So Stürner, JZ 1976, S. 384, 385.
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Ansprüche gegen den Betriebsrat
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aktives Tun oder Unterlassen richten - aber nur dann einklagbar, wenn Zuwiderhandlungen zu besorgen sind, bzw. Pflichtverletzungen bereits begangen wurden. 2 1 8
IV. Die einzelnen Ansprüche 1. Die Ansprüche der Arbeitnehmer Die Regelung des § 75 BetrVG begründet - wie die Grundrechte auch - in erster Linie Abwehransprüche, die auf Unterlassung pflichtwidriger Maßnahmen gerichtet s i n d . 2 1 9 Dies ist etwa i m Beispiel (7) der Fall. Daneben bestehen jedoch auch Ansprüche auf aktives Tun. Diese lassen sich wiederum in zwei Gruppen einteilen. Zum einen können Ansprüche auf ein Tun daraus entstehen, daß ein Recht auf die gesetzlich geschuldete Pflichterfüllung besteht, und zum anderen auch - i m Sinne eines Folgenbeseitigungsanspruches - daraus, daß die Beseitigung einer vorher begangenen Pflichtwidrigkeit rückgängig zu machen i s t . 2 2 0 A l l diese Ansprüche sind allerdings nur dann einklagbar, wenn Zuwiderhandlungen zu besorgen sind, bzw. Pflichtverletzungen bereits begangen wurden.
a) Ansprüche auf aktives Tun - Primäre Erfüllung geschuldeten Pflichten
von gesetzlich
Hinsichtlich der ersten Gruppe innerhalb der Ansprüche auf aktives Tun ist dem Betriebsrat ein weiter Handlungsspielraum eingeräumt. Regelmäßig besteht daher nur ein Anspruch der Arbeitnehmer darauf, daß der Betriebsrat die Rechte überhaupt ausübt, mithin ist lediglich ein Anspruch auf Tätigwerden gegeben. 2 2 1 So beschränkt sich in Fall (9) das Recht des Arbeitnehmers darauf, daß der Betriebsrat die Beschwerde entgegen nehme. Er hat aber keinen Anspruch auf Durchführung einer konkreten Maßnahme gemäß § 85 Abs. 1 Halbsatz 2 BetrVG, mit welcher der Betriebsrat etwa beim Arbeitgeber auf Abhilfe in bezug auf den Beschwerdegegenstand hinwirken w ü r d e . 2 2 2 Auch aus den Mitbestimmungsbefugnissen als Pflichtrechten ergeben sich solche Rechte der Arbeitnehmer auf Tätigwerden. Sie stehen keineswegs zur freien Disposition des Betriebsrats. Vielmehr obliegt dem Betriebsrat die Pflicht, sie wahrzunehmen. So stünde den betreffenden Arbeitnehmern ein Recht in Beispiel (10) zu, vom Betriebsrat zu verlangen, einen gesetzlichen Sozialplan zu vereinbaren bzw. zu erzwingen. 2 2 3 218 So auch Belling , S. 272 f. 219 Belling, S. 274. 220 Belling, S. 276 f. 221 Belling, S. 277; Weber, DB 1992, S. 2135, 2138. 222 Weber, DB 1992, S. 2135, 2138. 223 Belling, S. 278.
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Lediglich i m Fall (6) bestünde ein Anspruch auf ein konkretes Tun, nämlich auf Zustimmung, wenn keiner der Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG eing r e i f t . 2 2 4 Dieser Anspruch des Arbeitnehmers unterscheidet sich von dem Recht des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG nur dadurch, daß sich das Arbeitsgericht i m Gegensatz zur Zustimmungsersetzung nach Anrufung durch den Arbeitgeber nicht auf eine Rechtskontrolle der vom Betriebsrat angegebenen Gründe beschränkt 2 2 5 , sondern nachprüft, ob überhaupt Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegen. Subjektive Rechte stehen dem einzelnen Arbeitnehmer auch dann zu, wenn die verpflichtende Norm dem Betriebsrat einen Ermessensspielraum einräumt. 2 2 6 Da es sich bei den Regelungen der § § 8 7 Abs. 1, 102 Abs. 3 und § 104 BetrVG um Ermessensnormen handelt 2 2 7 , hat in den Fällen (2) , (3) und (4) lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bestanden. I m Einzelfall kann das Ermessen allerdings auf Null reduziert sein, wenn nur eine einzige Entscheidungsmöglichkeit in Frage kommt. Hieran wäre insbesondere dann zu denken, wenn sich der Betriebsrat durch eigene vorherige Beschlüsse in ähnlichen Situationen gebunden hätte. Entsprechend den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung dürfte er insoweit keine andersartige Entscheidung treffen. 2 2 8 Dies ist Ausfluß des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. 229
b) Ansprüche auf aktives Tun - Folgenbeseitigungsansprüche Als ein Beispiel für die zweite Gruppe der Ansprüche auf aktives Tun - also für Folgenbeseitigungsansprüche - ließe sich die Konstellation anführen, daß der Arbeitgeber etwa in Fall (7) noch nicht auf die Forderung des Betriebsrats reagiert hätte. Hier bestünde ein Anspruch auf Rücknahme des Entlassungsverlangens durch den Betriebsrat. 2 3 0 Dieser Anspruch wäre sogar auf ein bestimmtes Tun und nicht lediglich auf ein Tätigwerden gerichtet. In den Fällen (2), (3), (4), (6), (7), (9) und (10) bestehen demnach Erfüllungsansprüche der einzelnen Arbeitnehmer gegen den Betriebsrat.
224 Vgl. Haneberg, S. 90; Niederalt, S. 281 ff.; Pouyadou, S. 189 ff. 225 Vgl. BAG v. 03. 07. 1984 AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972; Richardi, § 99, Rn. 283. 226 Belling, S. 281 f. 227 Für die Vorschriften der §§ 102 Abs. 3 und 104 BetrVG folgt dies schon aus deren Wortlaut. In bezug auf § 87 Abs. 1 BetrVG siehe GK / Wiese, § 87, Rn. 84. 228 Nolting, S. 171. 229 Maurer, § 7, Rn. 23. 230 Belling, S. 280.
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2. Die Ansprüche der Stellenbewerber Stellenbewerber haben einen Anspruch gegen den Betriebsrat darauf, daß dieser bei der Frage ihrer Einstellung sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG pflichtgemäß ausübe. Es besteht also ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung, wenn keiner der Gründe des § 99 Abs. 2 BetrVG vorliegt. Ein derartiger Anspruch war in Fall (5) gegeben, wenn Verweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG ausscheiden. Im Beispiel ( 1 ) besteht ein Anspruch darauf, daß der Betriebsrat es unterlasse, dem Arbeitgeber von der Einstellung abzuraten. Für den Fall, daß der Betriebsrat diese Pflicht bereits verletzt hat, besteht ein Anspruch auf explizite Rücknahme der gegenüber dem Arbeitgeber geäußerten Bedenken gegen die Einstellung, solange der Arbeitgeber die Stelle noch nicht anderweitig besetzt hat.
3. Die Ansprüche des Arbeitgebers In bezug auf Ansprüche des Arbeitgebers sind allerdings hinsichtlich der selbständigen Klagbarkeit Einschränkungen vorzunehmen. Ansprüche auf Zustimmung im Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte gegen den Betriebsrat sind in den Beispielsfällen (11) bis (13) nämlich zu verneinen. A u f diesem Gebiet stellen das Einigungsstellen- und das Zustimmungsersetzungsverfahren Sondervorschriften dar, deren spezielle Regelungen nicht durch die gerichtliche Geltendmachung der Erfüllungsansprüche unterlaufen werden darf. M i t Blick auf das Zustimmungsersetzungsverfahren des § 99 Abs. 4 BetrVG folgt dies aus der Tatsache, daß das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber unter erleichterten Voraussetzungen die Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme erteilen darf. Das Arbeitsgericht übt in diesem Verfahren nämlich lediglich eine Rechtskontrolle über die Entscheidung des Betriebsrats aus und prüft nicht, ob dieser die Zustimmung aus einem der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe verweigern darf. Das Gericht ersetzt die Zustimmung schon dann, wenn die Verweigerung durch den Betriebsrats nicht begründet wurde. Streitgegenstand ist die Verweigerung des Betriebsrats aus den angegebenen Gründen. 2 3 1 Auch das in der Betriebsverfassung detailliert geregelte Einigungsstellenverfahren stellt gegenüber der gerichtlichen Geltendmachung von Erfüllungsansprüchen eine verdrängende Sonderregelung dar. Der Arbeitgeber erleidet dadurch auch keine Einbuße an Rechtsschutz, denn der Spruch der Einigungsstelle ist ohnehin von den Arbeitsgerichten überprüfbar. 232
231 BAG v. 03. 07. 1984 AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972; Richardi, § 99, Rn. 283, 287. 232 Vgl. Richardi, § 76, Rn. 114.
Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
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Erfüllungsansprüche des Arbeitgebers auf dem Bereich der echten Mitbestimmungsrechte sind zunächst in den Fällen ausgeschlossen, in denen das Ermessen des Betriebsrat zur Zustimmung ausnahmsweise auf Null reduziert ist und er theoretisch zur Zustimmungserteilung verpflichtet wäre. Gleichermaßen entfällt aber auch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung i m Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte, da der gesamte Bereich den Sonderregelungen vorbehalten i s t . 2 3 3 Dementsprechend sind Erfüllungsansprüche des Arbeitgebers in den Fällen (11), (12) und (13) außerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Sonderverfahren zu verneinen. I m Beispiel (14) ergibt sich aus § 2 Abs. 1 BetrVG jedoch ein Anspruch des Arbeitgebers darauf, es zu unterlassen, die Betriebsversammlung in die Arbeitszeit zu legen, bzw. ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Neuterminierung der Versammlung. O b e n 2 3 4 wurde bereits festgestellt, daß sich nach einhelliger Meinung aus den explizit i m Betriebsverfassungsgesetz konstatierten Schutzpflichten des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber Erfüllungsansprüche ergeben. Demzufolge sind Unterlassungsansprüche auch in den Fällen (15) bis (17) zu bejahen. In den Beispielen (14) bis (17) sind ferner Folgenbeseitigungsansprüche möglich, solange die Handlung des Betriebsrats noch rückgängig zu machen ist.
V. Ergebnis Aus den gesetzlichen Pflichten des Betriebsrats ergeben sich grundsätzlich auch entsprechende Erfüllungsansprüche der Arbeitnehmer und Stellenbewerber sowie des Arbeitgebers. Es bestehen gesetzliche Schuldverhältnisse zwischen Betriebsrat auf den einen Seite und den einzelnen Arbeitnehmern, Stellenbewerbern und dem Arbeitgeber auf der anderen. Derlei Ansprüche können auf Unterlassung oder aktives Tun gerichtet sein. Letztere sind denkbar als Ansprüche auf Erfüllung der ursprünglich bestehenden gesetzlichen Verpflichtung aber auch als Folgenbeseitigungsansprüche. Gegenüber den Arbeitnehmern und Stellenbewerbern ergeben sich diese Ansprüche in erster Linie aus der Auslegung des § 75 B e t r V G . 2 3 5 Diese Regelung weist nicht nur kollektivrechtlichen Charakter auf, sondern soll auch den Einzelnen schützen. I m Rahmen der Mitbestimmungsrechte besteht allerdings zumeist nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung gegen den Betriebsrat, es sei denn, das Ermessen ist i m Einzelfall auf Null reduziert, oder es ist von vornherein kein Ermessensspielraum eröffnet - wie etwa im Rahmen des § 99 BetrVG. In be233
Anders Belling, S. 340, der solche Ansprüche zulassen will. 2M Siehe oben § 7 II. 2. 23
5 Aber auch aus expliziten Vorschriften wie der Regelung des § 85 Abs. 1 BetrVG.
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat
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zug auf die Beispiele ergeben sich Erfüllungsansprüche in den Fällen (1) bis (7), (9) und (10). Dem Arbeitgeber stehen Erfüllungsansprüche gegen den Betriebsrat teilweise aus expliziten Vorschriften zu. Ein Beispiel hierfür ist § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Auch § 2 Abs. 1 BetrVG begründet derlei Ansprüche. Allein auf dem Gebiet der echten Mitbestimmungsrechte sind Erfüllungsansprüche des Arbeitgebers ausgeschlossen, da die Regelungen über das Einigungsstellen- und das Zustimmungsersetzungsverfahren hier insoweit Sondervorschriften darstellen. Es bestehen Erfüllungsansprüche in den Fällen (14) bis (17).
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat I. Rechtsgeschäfte des Betriebsrats Der Betriebsrat kommt in vielerlei Hinsicht mit dritten, also außerhalb der Betriebsverfassung stehenden, Personen in Kontakt. Er kann beispielsweise gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG bei der Durchführung seiner Aufgaben nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, bzw. sich unter gewissen Voraussetzungen gemäß § 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG seit dem Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. 07. 2001 auch ohne vorherige Vereinbarung eines Beraters bedienen. Ferner wird gemeinhin davon ausgegangen, daß § 40 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat gestattet, sich die Unterstützung eines Rechtsanwalts zunutze zu machen, wenn eine Prozeßvertretung notwendig ist, oder auch nur, wenn er die Wahrnehmung seiner Interessen durch einen Anwalt für sachlich notwendig erachten d a r f . 2 3 6 Die Kostentragungspflicht des § 40 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich nach nunmehr ganz herrschender Meinung und mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch auf die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an Schulungsveranstaltungen. 237 Diese Rechtsanwälte und Sachverständige bzw. Veranstalter von Schulungen werden aufgrund eines Dienstvertrages in Form des Geschäftsbesorgungsvertrages 238 bzw. eines Werkvertrages 2 3 9 für ihre Klienten tätig. Fraglich ist nun, wer Partei dieser Verträge ist. Zu denken wäre hier, abgesehen vom Betriebsrat als Gremium, zunächst an die Belegschaft, die einzelnen Betriebsratsmitglieder oder den Arbeitgeber. 236 BAG v. 19. 04. 1989 AP Nr. 29 zu § 40 BetrVG 1972; Fitting / Kaiser/ Heither/ Engels, § 40, Rn. 24; Galperin/Löwisch, § 40, Rn. 12; GK / Wiese, § 40, Rn. 93 f.; Richardi, § 40, Rn. 23. 237 Grundlegend: BAG ν. 31. 10. 1972 AP Nr. 2 zu § 40 BetrVG 1972; Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17; Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 40, Rn. 66 ff.; Galperin/Löwisch, § 40, Rn. 23 f.; Kittner, BB 1972, S. 969; Klinkhammer, BB 1973, S. 1399; Richardi, § 40, Rn. 31 m. w. N. 238 Vgl. Palandt /Thomas, § 675, Rn. 24. 239 Vgl. Palandt!Sprau, Einf. vor § 631, Rn. 14. 6 Triebel
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
II. Keine Parteistellung der Belegschaft bei Verträgen mit Dritten Eine Verpflichtung der Belegschaft aus Rechtsgeschäften, die der Betriebsrat mit Dritten abschließt, scheidet unproblematisch aus, da die Belegschaft - wie oben dargestellt 2 4 0 - nicht teilrechtsfähig i s t . 2 4 1
III. Keine Parteistellung der einzelnen Betriebsratsmitglieder bei Verträgen mit Dritten Sofern die Rechtsgeschäfte mit Dritten i m Namen des Betriebsrats abgeschlossen werden, befürwortet die Mehrheit des Schrifttums eine persönliche gesamtschuldnerische Verpflichtung der handelnden Betriebsratsmitglieder, da die Vertreter dieser Ansicht eine entsprechende Rechts- und Pflichtfähigkeit des Betriebsrats als Gremium verneinen. 2 4 2 Dabei soll es darauf ankommen, wer dem Beschluß zur Eingehung des Vertrages zugestimmt h a t . 2 4 3 Der Anspruch ergebe sich aus § 179 BGB analog. 2 4 4 Dieser Meinung kann allerdings nicht gefolgt werden. Wenn das handelnde Betriebsratsmitglied - zumeist der Betriebsratsvorsitzende - im Namen des Betriebsrats auftritt, dann kann seine Willenserklärung kaum dahingehend ausgelegt werden, alle beteiligten Mitglieder verpflichten zu w o l l e n . 2 4 5 Es drängt sich der vielmehr der Eindruck auf, der von der überwiegenden Literatur eingeschlagene Weg, die Mitglieder persönlich zu verpflichten, sei eine „Verlegenheitslösung' 4 , deren Notwendigkeit sich aus der Annahme der fehlenden Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats ergibt. Vor einer solchen Schlußfolgerung wäre also zu untersuchen, ob sich nicht eine Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats feststellen läßt, die ihn zum Abschluß der genannten Rechtsgeschäfte im eigenen Namen befähigt. 2 4 6
240 Siehe oben § 4 IL 241 So auch ausführlich Rosset, S. 35. 242 Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 221 ; GK/Kraft, § 1, Rn. 76. 243 Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 39; Gester, S. 158 f.; Gramm, B. III. 1.; Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1106; siehe auch Brill, AuR 1980, S. 353, 355 m. w. N. 244
Dietz/Richardi, 5. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 7; Gramm, B. III. 1., stützt die persönliche Verantwortlichkeit auf § 164 Abs. 2 BGB, wenn das Mitglied nicht klar zum Ausdruck gemacht hat, für den Betriebsrat zu handeln. 24 5 Rosset, S. 36; a.A. Gester, S. 159. 24 6 Dazu unten § 8 V.
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat
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IV. Keine Parteistellung des Arbeitgebers bei Verträgen mit Dritten Teilweise wird auch vertreten, der Betriebsrat könne durch die Heranziehung des Sachverständigen, Rechtsanwalts oder Veranstalters von Schulungen den Arbeitgeber direkt verpflichten. So ist insbesondere Jahnke der Ansicht, das Betriebsverfassungsgesetz verleihe dem Betriebsrat zwar die Kompetenz, rechtsgeschäftlich nach außen zu handeln. Hierbei agiere er allerdings lediglich als gesetzlicher Vertreter für den Arbeitgeber. 2 4 7 Auch das Bundesarbeitsgericht ist in einer Entscheidung vom 15. 12. 1 9 7 8 2 4 8 - wohlgemerkt vor Einfügung des § 76 a Abs. 3 BetrVG durch die Novelle vom 20. 12. 1988 - von einem direkten Honoraranspruch eines Einigungsstellenbeisitzers gegen den Arbeitgeber ausgegangen. Dazu bediente sich das Gericht im Ergebnis der Konstruktion der Verpflichtungsermächtigung. 249 Eine Parteistellung des Arbeitgebers in Rechtsgeschäften mit Dritten ist hingegen in beiden Konstruktionen abzulehnen. Dies ist ganz herrschende M e i n u n g . 2 5 0 Gesetzliche Stellvertretung ist nur in den Fällen angeordnet, in denen die zu vertretende Personifikation nicht selbst privatautonom handeln k a n n . 2 5 1 Der Arbeitgeber kann sich jedoch sehr wohl ohne Hilfe verpflichten. 2 5 2 Die Konstruktion der Verpflichtungsermächtigung des Bundesarbeitsgerichts scheitert bereits an grundsätzlichen Bedenken. Die Rechtsfigur der Verpflichtungsermächtigung als solche - ohne ausdrückliche gesetzliche Ausformung - ist nämlich schon aus generellen Erwägungen abzulehnen. 2 5 3 Akzeptierte man diese Rechtsfigur, so hieße das, daß der Ermächtigte den Ermächtigenden durch Handeln i m eigenen Namen verpflichten könnte. Man würde demnach § 185 Abs. 1 BGB auf die Verpflichtung derart anwenden, als gäbe es eine Zuständigkeit zur Verpflichtung. Diese Zuständigkeit würde mit Hilfe der Verpflichtungsermächtigung auf den Ermächtigten erstreckt. Hierdurch würden die Grenzen zwischen mittelbarer und unmittelbarer Stellvertretung in unzulässiger Weise verwischt. 2 5 4 Die Vorschrift des § 185 Abs. 1 BGB erlaubt eine derartige Analogie n i c h t . 2 5 5 Aus dem
247 Jahnke, RdA 1975, S. 345, 345 f. 248 RAG AP Nr. 6 zu § 76 BetrVG 1972 unter III. 2. b. 249 So deutet auch Rosset die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, ders., S. 30. 250 Brill, AuR 1980, S. 353, 354; Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 219; GK/ Kraft, § 1, Rn. 76; Hueckl Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1105; Richardi, § 40, Rn. 44; a.A. Hess I Schlochauerl Glaubitz, § 40, Rn. 74. 251 Larenz/Wolf, AT, § 46, Rn. 12; Rosset, S. 29. 252 Rosset, S. 29. 253 Ganz herrschende Meinung: Flume, Bd. II, S. 905 ff.; Larenz/Wolf AT, § 46, Rn. 27; Medicus, BR, Rn. 29; zusammenfassend: Peters, AcP 171 (1971), S. 234 ff.; siehe auch BGHZ 34, 122, 125; ausführlich für den Fall des Betriebsrats: Rosset, S. 31. 254 Medicus, BR, Rn. 29. 255 Flume, Bd. II, S. 905. 6*
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
Betriebsverfassungsgesetz tigung. Der Betriebsrat ist der Belegschaft. Für eine ber ergeben sich keinerlei
ergibt sich ferner keine derartige Verpflichtungsermächi m Rahmen seiner gesetzlichen Befugnisse Repräsentant Verpflichtungsermächtigung in bezug auf den ArbeitgeAnhaltspunkte. 2 5 6
V. Der Betriebsrat als Berechtigter und Verpflichteter aus Verträgen mit Dritten 1. Bisherige Begründungsversuche für die Parteistellung des Betriebsrats Voraussetzung für die Parteistellung des Betriebsrats als Gremium ist seine entsprechende Rechts- und Pflichtfähigkeit. Verneinte man eine solche, so bestünde in der Tat die Notwendigkeit des Abschlusses der Rechtsgeschäfte mit Dritten durch den Arbeitgeber. 2 5 7 Es mehren sich aber diejenigen Stimmen im Schrifttum, die davon ausgehen, der Betriebsrat sei sehr wohl Berechtigter und Verpflichteter der von ihm im eigenen Namen und in seinem Wirkungskreis abgeschlossenen Rechtsgeschäfte mit D r i t t e n . 2 5 8 Auch in der Rechtsprechung ist dies bereits in einer Entscheidung vom 09. 03. 1992 für den Personalrat angenommen worden. 2 5 9 Die Literatur folgert dies teilweise aus der Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Durch dieses Schuldverhältnis werde dem Betriebsrat auch die Fähigkeit verliehen, innerhalb seines Aufgabenbereichs am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen. 2 6 0 Diese Argumentation allein vermag hingegen nicht zu überzeugen. Der Gedankengang dieser Literaturansicht ist folgender: Aus dem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis wird auf die Vermögensfähigkeit geschlossen. 261 Nach Bejahung der Vermögensfähigkeit wird - quasi automatisch - auf die Rechts- und Pflichtfähigkeit des Betriebsrats bei Rechtsgeschäften mit Dritten geschlossen, weil die Vermögensfähigkeit als Voraussetzung für eine derartige Rechtsfähigkeit betrachtet w i r d . 2 6 2 Die ungenügende Trennung von Vermögensfähigkeit und Pflichtfähigkeit ist aber - wie oben
256 GK /Kraft, § 1, Rn. 76. 25V Dies ist logische Konsequenz auch nach Fitting / Kaiser/Heither/ Engels, § 1, Rn. 220, und GK /Kraft, § 1, Rn. 76, die beide die Rechtsfähigkeit verneinen und auch eine direkte Verpflichtung des Arbeitgebers durch Handlungen des Betriebsrats ablehnen. 258 Däuhler/ Kittneri Klebe, Einl., Rn. 123; Richardi, Einl., Rn. 111; Rosset, S. 37 ff. 259 BVerwG AP Nr. 11 zu § 44 BPersVG. 260 Rosset, S. 41 f.; Richardi, § 40, Rn. 44. 261 Siehe nur Rosset, S. 38. 262 Rosset, S. 42.
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat
85
ausgeführt - einer der Hauptschwächen der bisherigen Untersuchungen der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats. Es ist nicht einzusehen, warum aus der Vermögensfähigkeit die Rechtsfähigkeit zum Abschluß von Verträgen mit Dritten folgen soll.
2. Eigenes Lösungskonzept a) Auslegung der gesetzlichen Vorschriften
statt Rechtsfortbildung
Es ist somit irreführend, eine entsprechende Rechtsfähigkeit des Betriebsrats aus einer der Vorschrift des § 40 Abs. 1 BetrVG entnommenen Vermögensfähigkeit zu entwickeln. Zu untersuchen ist vielmehr, ob sich durch Auslegung der gesetzlichen Vorschriften wie des § 40 Abs. 1 BetrVG unmittelbar eine Pflichtfähigkeit i m Verhältnis zu Dritten ergibt - ohne Umweg über die Vermögensfähigkeit. Rosset bedient sich zur Entwicklung der Rechts- und Pflichtfähigkeit in bezug auf Dritte des Instituts der Rechtsfortbildung. Dies begründet er damit, das Gesetz weise hinsichtlich der Außenbeziehungen des Betriebsrats zu Dritten eine Regelungslücke auf, so daß die Auslegung hier nicht weiterhelfe. 2 6 4 Diese Lücke könne ferner auch nicht vermöge der Analogie geschlossen werden, da der Gesetzgeber die Außenbeziehungen des Betriebsrats schlechthin gar nicht gesehen habe. 2 6 5 Die Möglichkeit der Lückenfüllung durch Analogie scheidet in der Tat dann aus, wenn zwar von einer Gesetzeslücke ausgegangen werden muß, diese aber nicht planwidrig ist, etwa weil der Gesetzgeber eine einigermaßen vollständige Regelung gar nicht angestrebt h a t . 2 6 6 Für diese Annahme Rossets, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der Außenbeziehungen des Betriebsrats nicht gesehen und somit keine vollständige Regelung angestrebt, ließe sich anführen, der Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG sei nichts darüber zu entnehmen, auf welche Art und Weise die Vornahme von Hilfsgeschäften des Betriebsrats rechtstechnisch durchzuführen sei. In der Tat regelt diese Vorschrift von ihrem Wortlaut her lediglich, wer die Kosten der Betriebsratstätigkeit in letzter Konsequenz zu tragen h a t . 2 6 7 Zu dem Bestehen von Außenbeziehungen äußert sich § 40 Abs. 1 BetrVG tatsächlich nicht. Es ist vom Wortlaut her nicht einmal die Möglichkeit des Betriebsrats, sich eines Rechtsanwaltes o.ä. zu bedienen, explizit angesprochen. Allerdings beschränkt sich Rosset letztlich bei seiner 263 Siehe oben § 3 II. 264 Rosset, S. 41. 265
Rosset, S. 41. Hierbei beruft sich Rosset - m.E. zu Unrecht - auf Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7. In der zitierten Literaturstelle behaupten Dütz ! Säcker aber lediglich, der Gesetzgeber habe die Frage der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats nicht gesehen. M.E. ist allerdings übrigens auch diese Annahme irrig, siehe unten § 13 II. 266 Larenz, Methodenlehre, S. 192. 267 Rosset, S. 41.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
Untersuchung trotz anfänglicher Nennung auch anderer Normen auf eine Untersuchung allein des § 40 Abs. 1 B e t r V G . 2 6 8 Bei der Frage nach der Möglichkeit des Betriebsrats, Partei von Rechtsgeschäften mit Dritten, wie Sachverständigen oder Rechtsanwälten zu sein, müssen jedoch auch andere Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes in Betracht gezogen werden. Zu denken ist hier in erster Linie an § 80 Abs. 3 BetrVG und an die speziellere Regelung des § 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG. Bei genauerer Betrachtung kann die Behauptung Rossets, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der Kontaktaufnahme des Betriebsrats mit Dritten nicht gesehen, keineswegs aufrecht erhalten werden. § 80 Abs. 3 BetrVG gestattet es dem Betriebsrat, Sachverständige nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber „hinzuzuziehen", wenn dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich sein sollte. § 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG ermöglicht die Zuhilfenahme eines Beraters in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern i m Falle einer Betriebsänderung. Zwar ist die - mit Verweis auf den Regierungsentwurf zum Betriebsverfassungsgesetz 1 9 7 2 2 6 9 getätigte - Feststellung Rossets 2 7 0 , Regelungsabsicht des Gesetzgebers sei es gewesen, eine Betriebsverfassung zu schaffen, in der die Beteiligungsrechte des Betriebsrats normiert, seine Aufgaben abgegrenzt und das Verhältnis der Beteiligten zueinander geregelt würden, durchaus richtig. Jedoch zeigen die Vorschriften der § § 8 0 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG deutlich, daß der Gesetzgeber Beziehungen des Betriebsrats mit Dritten, also außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Personen, durchaus bedacht hat. Die Regelung i m dritten Absatz des § 80 BetrVG ist gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 n e u . 2 7 1 Der Regierungsentwurf zum Betriebsverfassungsgesetz, auf den Rosset sich bezieht, besagt auch, daß - wie auch schon aus dem Wortlaut der Vorschrift zu schließen ist - das Recht zur Hinzuziehung von Sachverständigen der Sicherung der Aufgabenerfüllung des Betriebsrats d i e n t . 2 7 2 Es zeigt sich, daß der Gesetzgeber neben der von Rosset dargelegten Hauptregelungsabsicht - nämlich der Normierung der Beteiligungsrechte innerhalb der Betriebsverfassung - auch verstärkt deren Sicherung i m Auge hatte und zu diesem Zweck auch an die Kontaktaufnahme des Betriebsrats nach außen gedacht hat. Dem Gesetzgeber kann nicht die Absicht unterstellt werden, er habe die Außenbeziehungen des Betriebsrats dem Bereich des rechtsfreien Raumes überlassen wollen. Eine solche bewußte Überlassung wäre aber gerade Voraussetzung zur Eröffnung der Rechtsfortbildung. 2 7 3
268 Siehe Rosset, S. 39 ff. 269 Begr. zum RegE BetrVG, BT-Drucks. VI, 1786, S. 31 ff. 270 Rosset, S. 41. 271 GK/Kraft, § 80, Rn. 3. 272 Begr. zum RegE BetrVG, BT-Drucks. VI, 1786, S. 47. 273 Lorenz, Methodenlehre, S. 192 f.
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat
hinsichtlich
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b) Die Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG der Verträge mit Rechtsanwälten und Veranstaltern von Betriebsratsschulungen
A u f das Institut der Rechtsfortbildung ist demnach nicht notwendigerweise zurückzugreifen. Zunächst ist der Weg über die Auslegung zu versuchen. Möglicherweise ergibt sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG direkt eine Rechts- und Pflichtfähigkeit für Rechtsgeschäfte mit Anwälten und Veranstaltern von Betriebsratsschulungen. Der Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG dürfte nicht eindeutig gegen eine solche Rechts- und Pflichtfähigkeit sprechen. Ein eindeutiger Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift wäre indes bindend. 2 7 4 Eine solche Ausdehnung einer Norm über den Wortsinn hinaus gehörte schon in den Bereich der Rechtsfortbildung. 2 7 5 Der Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG ist allerdings in bezug auf die rechtstechnische Durchführung der Hilfsgeschäfte vollkommen offen. Er sagt nichts darüber aus, ob der Betriebsrat selbst Vertragspartner wird. Demnach wäre theoretisch eine Auslegung möglich, so daß es auf die Möglichkeit der Analogie zunächst noch gar nicht ankäme. In seiner Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vom 29. 01. 2001 hat auch der zweite Zivilsenat des Bundesgerichtshofes festgestellt, daß die Unvollständigkeit einer gesetzlichen Regelung und sogar das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu vermeiden, Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen orientierte Beurteilung lassen. 2 7 6 Bei der systematisch-logischen Methode, also der Auslegung nach dem Bedeutungszusammenhang, dienen als Auslegungsmaterial auch die allgemeinen Regeln der L o g i k . 2 7 7 Im Hinblick auf § 40 Abs. 1 BetrVG ist zu berücksichtigen, daß die Zuordnung von Rechten und Pflichten an ein (teilweise) rechtsfähiges Subjekt nicht um ihrer selbst willen erfolgt, sondern von Gesetzes wegen ausschließlich aus dem Grunde, daß das Zuordnungssubjekt entsprechend handeln kann, und sei es auch nur durch seine Handlungsorganisation. 278 Daraus folgt, daß sich die gesetzlich verliehene Teilrechtsfähigkeit nicht nur auf die jeweils zugeordneten materiellrechtlichen Befugnisse als solche bezieht, sondern darüber hinaus auch diejenigen Befugnisse erfaßt, die mit diesem Handeln unmittelbar und notwendig zusammenhängen. 2 7 9 Die Zuordnung der Rechte aus der Betriebsverfassung an den Betriebsrat impliziert demnach die Rechtsfähigkeit für die mit deren Wahrnehmung zusammenhängenden Rechtsgeschäfte. Auch das Bundesverwaltungsgericht zieht diese Schlußfolgerung i m Hinblick auf die Fähigkeit des Personalrats, Verträge mit 274 275 276 277
BGHZ 46, 74, 76. Larenz, Methodenlehre, S. 143; ders., AT, S. 113. BGH, NJW 2001, S. 1056, 1057. Bydlinski, S. 442 f.
278 Fabricius, S. 223, der ferner betont, es sei dabei nicht ausgeschlossen, daß das Subjekt in fremdem Interesse handele. 279 Wolff/ Bachof, Bd. I, § 32 III. a.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
Rechtsanwälten abzuschließen. 280 Das Gericht schließt aus der Tatsache, daß dem Personalrat gewisse Rechte aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz zustehen und ihm auch im arbeitsrechtlichen Beschlußverfahren die entsprechende Beteiligtenstellung eingeräumt ist, in überzeugender Weise auf dessen Befähigung, entsprechende Hilfsgeschäfte mit Rechtsanwälten zur Sicherung dieser Rechte abzuschließen. Dies soll zumindest für den Bereich des Anwaltszwangs gelten. 2 8 1 Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum die Rechtsfähigkeit des Betriebsrat auf die Fälle des Anwaltszwanges beschränkt werden sollte. Soweit der Betriebsrat eine Hinzuziehung für sachlich notwendig erachten darf, ist der Zusammenhang zur Wahrnehmung seiner Rechte aus der Betriebsverfassung hinreichend eng und diese Wahrnehmung auch notwendig, um eine Ausdehnung der Rechtsfähigkeit zu rechtfertigen. Dasselbe gilt für den Abschluß von Verträgen mit Veranstaltern von Schulungen, denn die Kostentragungspflicht gilt nur für diejenigen Schulungen, durch die Kenntnisse vermittelt werden sollen, die für die Aufgabenerledigung des Betriebsrats erforderlich sind, vgl. § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG. Der systematisch-logischen Auslegung ist demnach zu entnehmen, daß dem Betriebsrat durch § 40 Abs. 1 BetrVG Teilrechtsfähigkeit dahingehend eingeräumt ist, mit Rechtsanwälten bzw. Veranstaltern von Schulungen Verträge abzuschließen. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die teleologische Methode. Hierbei kommt es auf den Zweck der Norm an, die ratio legis, also die Frage, welche Auslegung „sachgemäß" i s t . 2 8 2 Die Unabhängigkeit des Betriebsrats gebietet nämlich, daß er derartige Hilfsgeschäfte, die von § 40 Abs. 1 BetrVG gedeckt sind, ohne Zustimmung des Arbeitgebers tätigen kann. Es liegt daher nahe, die Rechte und Pflichten aus diesen Geschäften unmittelbar dem Betriebsrat selbst zuzuordnen. 2 8 3
c) Die Auslegung der §§ 80 Abs. 3 und III Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG hinsichtlich der Verträge mit Sachverständigen Zur Frage der Partei Stellung bei Verträgen mit Sachverständigen können die obigen Erwägungen weitgehend übernommen werden. Insbesondere ist der Wortlaut der § § 8 0 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG ähnlich offen wie der des § 40 Abs. 1 BetrVG. Der Gesetzgeber hat sich in bezug auf die Formulierung „hinzuziehen" der allgemeinen Sprache bedient und nicht der besonderen und damit präziseren juristischen Kunstsprache. 2 8 4 Die Rechtsfähigkeit im Hinblick auf die Hinzuziehung von Sachverständigen ergibt sich aus der systematisch-logischen Auslegung. Die Hinzuziehung von Sach280 BVerwG v. 09. 03. 1992 AP Nr. 11 zu § 44 BPersVG unter 1. b) bb. 281 BVerwG v. 09. 03. 1992 AP Nr. 11 zu § 44 BPersVG unter 1. b) bb. 282 Larenz, Methodenlehre, S. 153. 283 Richardi, § 40, Rn. 44. 284 Zur Unterscheidung vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 141.
§ 8 Ansprüche Dritter gegen den Betriebsrat
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verständigen bzw. Beratern hängt vergleichbar eng mit dessen Aufgabenerfüllung zusammen, wie die eines Anwaltes mit den Rechtsstreitigkeiten, die der Betriebsrat austrägt. Es besteht ein notwendiger Zusammenhang, da § 80 Abs. 3 BetrVG das Hinzuziehen ja gerade nur in den Fällen gestattet, in denen die Beteiligung des Sachverständigen zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben „erforderlich" ist. § 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG gewährt die Hinzuziehung nur unter der engen Voraussetzung einer Betriebsänderung. Die Regelung des § 80 Abs. 3 BetrVG ist hinsichtlich der Verleihung der Rechts- und Pflichtfähigkeit des Betriebsrats bei Verträgen mit Sachverständigen sogar noch eindeutiger als die des § 40 Abs. 1 BetrVG. Die Parteistellung des Betriebsrats bei diesen Rechtsgeschäften ergibt sich nämlich im Rahmen der systematisch-logischen Auslegung schon aus folgender Überlegung: § 80 Abs. 3 BetrVG verlangt, daß die Hinzuziehung von Sachverständigen erst „nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber" erfolgen darf. Bei Annahme eines Fehlens der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats bliebe, wie oben gezeigt 2 8 5 , keine andere Möglichkeit, als daß der Arbeitgeber die Verträge i m eigenen Namen abschlösse. Dann wäre allerdings das Erfordernis, die Hinzuziehung dürfe erst „nach näherer Vereinbarung" mit ihm erfolgen, vollkommen überflüssig. Berechtigter und Verpflichteter aus Verträgen mit Sachverständigen, Rechtsanwälten und Veranstaltern von Schulungen ist demnach der Betriebsrat als Gremium, soweit diese Rechtsgeschäfte unter die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers fallen. 2* 6 Bei allen anderen Rechtsgeschäften handelt der Betriebsrat ultra vires. 2 8 7 Eine entsprechende Rechtsfähigkeit wäre in derartigen Fällen nicht gegeb e n . 2 8 8 Denn soweit es sich um Pflichten handelt, die nicht unmittelbar gesetzlich festgeschrieben sind, sondern um solche, die sich erst aus Handlungen des Betriebsrats ergeben, wird die Pflichtfähigkeit selbstverständlich durch die Reichweite seiner Kompetenz, sich zu verpflichten, bestimmt. Insoweit gilt für den Betriebsrat als teilrechtsfähige Personifikation die ultra-vires Lehre.
3. Schadensersatzansprüche Dritter Nun halten indes diejenigen Stimmen der Literatur, die mit der hier vertretenen Feststellung zur Rechts- und Pflichtfähigkeit übereinstimmen, Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat als Gremium gleichwohl für unmöglich. 2 8 9 Nachdem jedoch dargelegt worden i s t 2 9 0 , daß die Frage der Pflichtfähigkeit unabhängig 285 Siehe oben § 8 V. 1. 286 Richardi, § 40, Rn. 44. 287 Eine Verpflichtung der einzelnen Betriebsratsmitglieder ergäbe sich dann aus § 179 Abs. 1 BGB analog, vgl. Gramm, B. III. 1., der allerdings dem Betriebsrat jegliche Rechtsfähigkeit in bezug auf Dritte abspricht. 288 Dietz/Richardi, 6. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 12. 289 Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 8. 290 Siehe oben § 3 II., 6 II. 1.
Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
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von derjenigen der Vermögensfähigkeit zu beurteilen ist, sind keine Argumente gegen eine solche Schadensersatzpflicht ersichtlich. Auch die Bedenken, die von Teilen des Schrifttums gegen Schadensersatzansprüche innerhalb der Betriebsverfassung vorgetragen werden 2 9 1 , scheiden von vornherein aus, da es sich bei Rechtsanwälten usw. um Außenstehende handelt. Die Beziehungen zu ihnen sind eben gerade nicht „betriebsverfassungsrechtlich". Der Ausschluß von Schadensersatzforderungen würde die Rechte Dritter unzulässig beschneiden, noch dazu, weil Sonderverbindungen zu den handelnden Betriebsratsmitgliedern nicht bestehen.
VI. Ergebnis Der Betriebsrat kann i m Rahmen der Notwendigkeit für seine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung Verträge mit Rechtsanwälten, Sachverständigen und Veranstaltern von Betriebsratsschulungen abschließen. Er ist insoweit teilrechtsfähig. Allein der Betriebsrat - und nicht etwa die Belegschaft, die handelnden Betriebsratsmitglieder oder der Arbeitgeber - werden aus diesen Rechtsgeschäften berechtigt und verpflichtet. Dies ergibt sich aus der Auslegung der §§ 40 Abs. 1, 80 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG. Nur gegen den Betriebsrat als Gremium richten sich demgemäß Ansprüche auf Honorarzahlung und auch solche auf Schadensersatz nach Zahlungsverzug oder durch Verschulden bei Vertrags Verhandlungen. I m Ergebnis ist festzustellen, daß im Beispielsfall ( 1 9 ) 2 9 2 sowohl ein Anspruch auf Honorarzahlung als auch gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 BGB auf Verzugszinsen besteht. I m Fall (20) besteht ein Schadensersatzanspruch aus § 311 Abs. 2 BGB.
§ 9 Ansprüche der Betriebsratsmitglieder gegen den Betriebsrat Als Ansprüche der Betriebsratsmitglieder gegen den Betriebsrat kommen Aufwendungsersatzansprüche in Betracht. Aufwendungen der einzelnen Mitglieder, für die eine Kostentragungspflicht aus § 40 Abs. 1 BetrVG des Arbeitgebers besteht, sind solche Kosten, die einem Mitglied bei Tätigkeiten entstehen, die es gerade i m Hinblick auf seine Mitgliedschaft im Betriebsrat und zur Erfüllung seiner Aufgaben im Betriebsrat durchführt. 2 9 3 So stellen die Reisekosten im Falle ( 2 1 ) 2 9 4 zweifellos derartige Aufwendungen dar. Nach der hier vertretenen Ansicht kann als Anspruchsgegner allein der Betriebsrat selbst in Frage kommen. Dieser wie291 292 293 294
Siehe oben § 6 II. 2. - 4. Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. Fitting/ Kaiser!Heitherf Engels, § 40, Rn. 42. Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
§ 10 Folgen für die weitere Untersuchung
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derum hat einen weiterführenden Anspruch gegen den Arbeitgeber. 2 9 5 Der Gesetzgeber hat an alle Varianten der Geschäftsführung für einen anderen als Folge den Aufwendungsersatz geknüpft. Dieser richtet sich gegen den Geschäftsherrn. 296 Geschäftsherr ist aber der Betriebsrat, weil dieser i m eigenen Namen mit dem Veranstalter der Schulungen einen Vertrag abschließt. 2 9 7 Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern gegen den Betriebsrat auf Aufwendungsersatz stehen auch unzweifelhaft i m Zusammenhang mit dessen betriebsverfassungsrechtlichen Wirkungskreis. Es besteht folglich in Beispielsfall (21) ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds gegen den Betriebsrat auf Aufwendungsersatz.
§ 10 Folgen für die weitere Untersuchung Nachdem nunmehr die Ansprüche gegen den Betriebsrat aus gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnissen - also aus Sonderverbindungen - herausgearbeitet wurden, ergibt sich keine Notwendigkeit, Ansprüche aus Delikt an dieser Stelle ebenfalls zu prüfen. Deliktische Ansprüche würden keinesfalls über diejenigen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung hinausgehen und insoweit an den bisher gefundenen Ergebnissen nichts ändern. Allerdings wäre noch an bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Betriebsrat zu denken. So wäre die Konstellation vorstellbar, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat i m Rahmen eines Fonds mehr Finanzmittel zur Verfügung stellt, als zu dessen Aufgabenerfüllung erforderlich ist, oder ihm nicht benötigte Sachmittel überläßt. Es stellt sich in diesen Fällen die Frage der bereicherungsrechtlichen Rückforderung. Bei der Prüfung derartiger Ansprüche kommt es auf die Fähigkeit des Betriebsrats an, Eigentum oder Besitz zu erwerben. Dies soll vermöge der natürlichen Zusammengehörigkeit mit Fragen der Zwangsvollstreckung erst in dem nun folgenden verfahrensrechtlichen Teil mitbehandelt werden. Nachdem die Pflichtfähigkeit des Betriebsrats und deren konkrete Reichweite festgestellt wurde, die Frage nach den rechtlich möglichen Ansprüchen gegen den Betriebsrat also geklärt ist, schließt sich nunmehr die Problematik der Haftung, also des Unterworfenseins unter die Zwangsvollstreckung, an. Ansprüche müssen, wenn es sinnvoll sein soll, diese zu haben, auch durchgesetzt werden können. Man kann die Haftung daher auch als „Schatten der Schuld" bezeichnen. 2 9 8 Vereinfacht 295 So auch Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, FN. 25.; Rosset, S. 45 f.; zumindest für den Fall, daß der Arbeitgeber einen Fonds zur Verfügung gestellt hat: Dütz, AuR 1973, S. 353, 371; Richardi, § 40, Rn. 86; a.A.: Fitting I Kaiser I Heither ! Engels, § 40, Rn. 93; GK / Wiese, §40, Rn. 188. 296 Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 5. 297 Siehe oben § 8. 298 Medicus, SR, Bd. I, Rn. 19.
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Abschnitt 2: Die möglichen Ansprüche gegen den Betriebsrat
gesagt geht es i m Folgenden letztlich darum, wen die Gläubiger des Betriebsrats verklagen müssen 2 9 9 , da die Vollstreckung einen gegen den Schuldner gerichteten Titel voraussetzt. Es handelt sich dabei um die praktische Seite des Rechts. Diese soll im nächsten Abschnitt behandelt werden.
299 V g l . a u c h
Pawlowksi, Rn. 100.
Abschnitt 3
Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats Die Frage der Haftung § 11 Arten der Zwangsvollstreckung Es bestehen nach den bisherigen Ausführungen zwei Arten von Ansprüchen gegen den Betriebsrat, zum einen solche auf Erfüllung, zum anderen solche auf Schadensersatz. Die erste Gruppe beinhaltet Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers auf Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten sowie Honoraransprüche der Rechtsanwälte, Sachverständigen und Veranstalter von Betriebsratsschulungen. Die zweite Kategorie umfaßt sämtliche Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber, des Arbeitgebers und der außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Vertragspartner des Betriebsrats. Unter einer prozeßrechtlichen Fragestellung hingegen muß die Einteilung in anderer Weise vorgenommen werden. Die Zivilprozeßordnung, die über § § 6 2 Abs. 2 Satz 1 und 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG weitgehend auch i m arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwendung findet, klassifiziert die Ansprüche im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gemäß § 803 ff. ZPO einerseits und derjenigen zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen nach §§ 883 ff. ZPO andererseits. Aus dieser Einteilung ergibt sich auch die Vorgehensweise im Rahmen dieser Untersuchung. Zunächst sind die betriebsverfassungsrechtlichen Erfüllungsansprüche zu prüfen, im Anschluß daran alle Arten von Zahlungsansprüchen. In diesem verfahrensrechtlichen Abschnitt soll des weiteren untersucht werden, ob bereicherungsrechtliche Rückforderungen des Arbeitgebers in Betracht kommen und wie sie verfahrensrechtlich zu behandeln sind. Entgegen der Einteilung der Zivilprozeßordnung werden die Rückforderungsansprüche, soweit sie auf die Herausgabe von Sachen gerichtet sind, aber gesondert von den betriebsverfassungsrechtlichen Erfüllungsansprüchen dargestellt.
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Abschnitt 3: Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen
§ 12 Zwangsvollstreckung zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Schutzpflichten In den Fällen ( l ) 1 bis (7), (9), (10) und (14) bis (17) bestanden nach den bisherigen Ergebnissen Ansprüche auf Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. Hierbei sei nochmals daran erinnert, daß es sich bei den Pflichten zur Zustimmungserteilung durch den Betriebsrat gegenüber den Arbeitnehmern und Stellenbewerbern im Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte zumeist nur um Ansprüche auf fehlerfreie Ermessenausübung handelt, da die zugrundeliegenden Normen einen Spielraum für Zweckmäßigkeitserwägungen lassen. Lediglich in den Fällen (5) und (6) können Ansprüche auf Zustimmung gegeben sein, da der Katalog des § 99 Abs. 2 BetrVG ein Ermessen ausschließt. In den anderen Fällen kann es im Einzelfall zu einer Ermessensschrumpfung auf Null kommen. Ansprüche auf fehlerfreie Ermessensausübung dürften allerdings in der Praxis kaum relevant werden und sollen hier außer Betracht bleiben.
I. Rechtsweg und Beteiligtenfähigkeit im Falle von Ansprüchen der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers Die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts i m Beschluß verfahren wäre gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG für all diese Ansprüche gegeben, wenn eine Angelegenheit aus der Betriebsverfassung in Frage steht. 2 Bei der Regelung handelt es sich um eine grundsätzliche Zuordnung; die frühere enumerative Aufzählung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG in der Fassung des Gesetzes vom 3. September 1953 ist damit aufgehoben. 3 Dies spricht für eine umfassende Zuständigkeit der Arbeitsgerichte i m Beschlußverfahren i m Hinblick auf betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten. Die Ansprüche, die gegen den Betriebsrat vom Arbeitgeber geltend gemacht werden können, entspringen der Betriebsverfassung, insbesondere den Regelungen der § § 7 4 Abs. 2 und 2 Abs. 1 BetrVG. Der Arbeitgeber hat die Funktion des Partners und Gegenspielers der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungen. 4 Es ist demnach zweifellos von einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit auszugehen, so daß der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten i m Beschlußverfahren eröffnet ist. 5 Dasselbe gilt für die Geltendmachung von Arbeitnehmeransprüchen
1
Siehe zu den Beispielsfällen oben § 1 III. 2 Grunsky, § 2 a, Rn. 5 ff. 3 Grunsky, § 2 a, Rn. 5. 4 GK / Wiese, Einl., Rn. 112. 5 Auch Etzel, RdA 1974, S. 215, 216 f., bejaht dies, wenn der geltend gemachte Anspruch sich auf eine Norm des Betriebsverfassungsgesetzes gründet.
§ 12 Zwangsvollstreckung
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bzw. Ansprüchen der Stellenbewerber gegen den Betriebsrat. Auch hier entspringen die betreffenden Rechte der Betriebsverfassung, nämlich § 75 BetrVG. 6 Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Stellenbewerber sind auch nach § 10 Halbsatz 2 ArbGG beteiligtenfähig. 7 Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, Personen, denen Rechte in der Betriebsverfassung zukommen, zu ermöglichen, diese auch gerichtlich geltend zu machen. 8 Art. 19 Abs. 4 GG gebietet einen ausreichenden Rechtsschutz, um ein Leerlaufen subjektiver Berechtigungen zu verhindern. 9 Demnach dürfen die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht zu eng gefaßt werden, daß sie Gerichtsschutz für subjektive Rechte ausschlössen. 10
I I . Zwangsvollstreckung 1. Die Arten der Zwangsvollstreckung nach den §§ 887 ff. ZPO Grundsätzlich können rechtskräftige Beschlüsse des Arbeitsgerichts gemäß § 85 ArbGG auch vollstreckt werden, wenn darin eine Verpflichtung ausgesprochen ist. 1 1 Zwar kommt es im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht auf die allgemeine Parteifähigkeit an, sondern vielmehr auf eine besondere Beteiligtenfähigkeit gemäß § 10 A r b G G . 1 2 Allerdings ergibt sich aus der Beteiligtenstellung im vorgeschalteten Erkenntnis verfahren prinzipiell auch die Parteistellung i m Rahmen der Zwangsvollstreckung. 13 § 85 ArbGG legt Gläubiger und Schuldner gleichermaßen fiktiv fest, obwohl es i m Beschlußverfahren keine Parteien g i b t . 1 4 Der Betriebsrat kann seinen gesetzlichen Aufgaben in der Mehrzahl der genannten Beispielsfälle nur dadurch nachkommen, daß er entsprechende Beschlüsse faßt, vgl. § 33 B e t r V G . 1 5 Hierbei handelt es sich demnach um unvertretbare Handlungen. Vereinzelt können die Pflichten auch in vertretbaren Handlungen bestehen, so beispielsweise in dem Folgenbeseitigungsanspruch auf Abhängen der Wahlplakate in Fall (17) 1 6 . 6 Belling, S. 284; a. Α. in bezug auf die Stellenbewerber wohl Spilger, Rn. 89. So für den Arbeitnehmer Blomeyer, GedS Dietz, S. 173; Haneberg, S. 131; v. Hoyningen-Huene, ZRP 1978, S. 181, 184 f. 8 Grunsky, § 10, Rn. 22. 9 So schon BVerfGE 24, 367, 401. Arndt, FG für Schmidt, S. 13; Haneberg, S. 123. •i MünchArbRHb /Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24. '2 Vgl. Grunsky, § 10, Rn. 2 f. •3 Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 16; Stein/ Jonas/ Münzberg, vor § 704, Rn. 35. 14 Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7. 15 So auch Preuß, S. 139. 7
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Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
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Abschnitt 3: Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen
2. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf unvertretbare Handlungen und Unterlassungen In den Beispielen (1), (7) und (14) bis (17) sind Unterlassungsansprüche zu bejahen. Des weiteren sind in den Fällen (1), (7) und (14) bis (16) nach begangenen Pflichtverletzungen Folgenbeseitigungsansprüche denkbar - wie etwa in Fall (7) die explizite Rücknahme des Entlassungsverlangens. Diese Handlungen stellen unvertretbare Handlungen dar, die einen Beschluß des Betriebsrats gemäß § 33 BetrVG erfordern. Auch die Beispiele (9) und (10) haben unvertretbare Handlungen zum Gegenstand. Als Zwangsmittel kommen demnach für die genannten Ansprüche die §§ 888, 890 ZPO in Betracht. Es ist zu fragen, gegen wen sich Zwangsgeld, Zwangshaft, bzw. Ordnungsgeld und Ordnungshaft zu richten haben. Teilweise wird vertreten, gegen den Betriebsrat als Gremium könnten Zwangsund Ordnungsgelder festgesetzt werden. Diese seien aus dessen Vermögen zu begleichen. Gegen die Mitglieder könnten ebenfalls Zwangsgeld aber auch -haft (bzw. Ordnungsgeld und -haft) verhängt werden. 1 7 Die Gegenansicht geht davon aus, die Zwangs- und Ordnungsmaßnahmen seien allein gegen die Betriebsratsmitglieder festzusetzen. 18 Gegen die erstgenannte Ansicht spricht schon die Tatsache, daß der Arbeitgeber nur rechtmäßige Handlungen des Betriebsrats zu finanzieren hat. Ließe man zu, daß Zwangs- oder Ordnungsgelder aus dem Betriebsratsvermögen gezahlt würden, so unterliefe man die Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG. Ob dies aber bedeutet, daß Zwangs- und Ordnungsmaßnahmen automatisch gegen die Betriebsratsmitglieder zu richten wären, ist damit noch nicht gesagt. Denn die Begründungen der Gegenmeinung stützen sich sämtlich auf die Annahme, der Betriebsrat könne kein Vermögen bilden. Zur Lösung der Problematik kann man sich daher die Gegenmeinung mit ihren Argumenten nicht ohne weiteres zu eigen machen. Dennoch ist ihr im Ergebnis aus den folgenden Erwägungen zu folgen: Bei den Regelungen der §§ 888 und 890 ZPO kommt es darauf an, wessen Willen zu beugen ist. Daraus ergibt sich, daß gegen diejenigen Personen innerhalb der Handlungsorganisation vorzugehen ist, die den Willen der Personifikation bilden. 1 9 Unerheblich ist hierbei, daß sich der titulierte Anspruch nicht gegen diese richtet. 2 0 Dabei sind die Maßnahmen nicht allein auf den Vorsitzenden zu beschränken, sondern an alle sich widersetzenden Mitglieder zu richten. 2 1 Bei mehrgliedrigen und nach Funktionen differenzierten Handlungsorganisationen ist gegen diejenigen >7 LAG Hamm, NZA 1988, S. 371, 371; Grunsky, § 85, Rn. 5; Stein!Jonas, § 888, Rn. 44. 18 LAG Hamburg, BB 1977, S. 846; LAG Berlin, NZA 1984, S. 333 (nur Haft); Jahnke, S. 63 ff.; Rewolle, BB 1974, S. 888, 889. 19 Dietrich, S. 191 ff.; John, S. 129; Stein! Jonas, § 888, Rn. 43. 20 Stein!Jonas, § 888, Rn. 43. 21 MünchArbRHb/Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24; Rewolle, BB 1974, S. 888, 889; Stein!Jonas, § 888, Rn. 44.
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Funktionsträger vorzugehen, von deren Willen die Handlung abhängt. 22 Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat gemäß § 26 Abs. 2 BetrVG aber nur i m Rahmen der von diesem gefaßten Beschlüsse, so daß eine Inanspruchnahme der sich sperrenden Mitglieder gerechtfertigt ist. 2 3 Der Vorsitzende selbst kann ebenfalls nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er selbst zur Gruppe der sich widersetzenden Mitglieder gehört. 2 4
3. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf vertretbare Handlungen I m Beispielsfall (17) ist eine vertretbare Handlung geschuldet. Das Beseitigen der Wahlplakate kann durch jedermann erfolgen. Die Zwangsvollstreckung richtet sich demgemäß nach § 887 Z P O 2 5 für den Fall, daß die Betriebsratsmitglieder sich mehrheitlich weigern, die Plakate zu entfernen und ein entsprechender Beschluß nicht zustande kommt. Der Gläubiger kann also gerichtlich ermächtigt werden, die Handlung auf Kosten des Betriebsrats vornehmen zu lassen. Hier kann allerdings nicht mit derselben Begründung wie i m Falle der §§ 888, 890 ZPO auf das Vermögen der betreffenden Betriebsratsmitglieder zugegriffen werden. Die Funktionsweise des § 887 ZPO ist eine gänzlich andere. A n die Stelle vom Beugezwang des § 887 ZPO tritt die Vornahme der Handlung auf Kosten des Schuldners. Diese Kosten werden dem Schuldner gerade nicht zur Beugung seines Willens aufgebürdet. 2 6 A u f welche Vermögensmassen hier zurückzugreifen ist, soll i m Rahmen der Thematik der Vollstreckung in Geldforderungen mitbehandelt werden. 2 7
4. Zwangsvollstreckung bei Ansprüchen auf Abgabe einer Willenserklärung Wo das Gesetz dem Betriebsrat die Befugnis zur Zustimmung, bzw. zum Widerspruch gibt, handelt es sich um eine Ausübung der Mitbestimmungsrechte durch die Form der Regelungsabrede. 28 Dies wäre zunächst in den Beispielen (2), (5) und (6) der Fall. Dasselbe gilt auch in den Beispielen (3) und (4), da die Regelungsabrede auch in Fällen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG in Betracht k o m m t . 2 9 § 894 ZPO kann bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen jeder Art Anwen22 23 24 25 26 27 28 29
John, S. 129. Jahnke, S. 73 ff. Jahnke, S. 73 f.; Stein! Jonas, § 888, Rn. 44. So auch Rewolle, BB 1974, S. 888, 889. Jahnke, S. 77. Siehe dazu unten § 13 IV. GK!Kreutz, § 77, Rn. 18. GK!Kreutz, § 77, Rn. 19.
7 Triebel
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Abschnitt 3: Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen
dung finden. 3 0 Da der Begriff der Einigung bei der Regelungsabrede mit dem des Vertrages im Sinne der Angebot-Annahme-Mechanik der §§145 ff. BGB gleichzusetzen i s t 3 1 , ist die Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen der Regelungsabrede vom Bereich des § 894 ZPO erfaßt. Regelmäßig dürfte ein Anspruch auf Zustimmung aber nur in Konstellationen wie denen der Fälle (5) und (6) zu bejahen sein, da die anderen Beispielsfälle auf Ermessensnormen basieren. Lediglich durch eine Ermessenreduzierung auf Null würde i m Einzelfall der Anwendungsbereich des § 894 ZPO eröffnet. Die Vollstreckung von Pflichten des Betriebsrats nach § 894 ZPO wirft i m übrigen keine eigenen Probleme auf, da die besonderen Verhältnisse des Schuldners hierbei vollkommen gleichgültig sind. 3 2
III. Ergebnis Erfüllungsansprüche aus der Betriebsverfassung sind von der Arbeitsgerichtsbarkeit geltend zu machen. Die Gerichte entscheiden i m Beschlußverfahren. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Stellenbewerber sind dabei beteiligtenfähig. Pflichten des Betriebsrats stellen in der Mehrzahl der Fälle unvertretbare Handlungen dar. Im Rahmen der Vollstreckung werden dabei Zwangs- und Ordnungsmaßnahmen gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder verhängt, deren Willen zu beugen ist. Für den Fall der vertretbaren Handlungen kann der Gläubiger gerichtlich dazu ermächtigt werden, die Handlung auf Kosten des Betriebsrats selbst vornehmen zu lassen. Pflichten zur Abgabe von Willenserklärungen des Betriebsrats werden gemäß § 894 ZPO vollstreckt.
§ 13 Vollstreckung von Geldforderungen I. Die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats als Voraussetzung Voraussetzung für die Vollstreckung von Geldforderungen gegen den Betriebsrat ist allerdings seine diesbezügliche Vermögensfähigkeit. Erst an dieser Stelle wird die Frage nach dieser besonderen Fähigkeit des Betriebsrats relevant. Die rechtliche Fähigkeit, sich Vermögen zu schaffen, ist keinesfalls selbstverständlich. Wenn Rhode meint, die Vermögensfähigkeit sei der „geringste Aufguß der Rechtsfähig-
30 MünchKommZPO / Schilken, § 894, Rn. 2. 31 GK / Kreutz., § 77, Rn. 10. 32 Jahnke, S. 85.
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k e i t " 3 3 , so trifft dies nur auf vollrechtsfähige Subjekte z u . 3 4 Nur (natürlichen oder juristischen) Personen wird die Vermögensfähigkeit von vornherein zugebilligt. 3 5 I m Falle des lediglich teilrechtsfähigen Betriebsrats muß eine solche Vermögensfähigkeit erst nachgewiesen werden.
II. Die begrenzte Vermögensfähigkeit des Betriebsrats 1. Ablehnung eines GesamthandsVermögens Der Betriebsrat ist keine Gesamthand. 36 In der Literatur wird allerdings vereinzelt gerade diese Ansicht vertreten. 37 Insbesondere Schnorr v. Carolsfeld 3 8 , der den Betriebsrat als „eine durch Zweck und Aufgabe geeinte Ganzheit" betrachtet, zieht daraus den Schluß auf den Gesamthandcharakter. Hierin vermag er allerdings nicht zu überzeugen. So zeigt sich insbesondere bei seinen Überlegungen zur Rechtsnatur der Arbeitnehmerschaft, daß er von nicht zutreffenden Vorstellungen der Natur der Gesamthand ausgeht. Für ihn bildet die Unabhängigkeit vom Wechsel der Mitglieder ein entscheidendes Element der Gesamthand. 39 Die Unabhängigkeit vom Mitgliederwechsel kennzeichnet aber gerade die Organisation eines körperschaftlichen Verbandes und nicht die Gesamthand. Dies ergibt sich auch daraus, daß bei den gesetzlich anerkannten Gesamthandsgemeinschaften das Ausscheiden eines Mitglieds regelmäßig (mit Ausnahme der Erbengemeinschaft, § 2033 Abs. 1 BGB) zu ihrer Auflösung führt. 4 0 Es zeigt sich, daß Schnorr v. Carolsfeld Eigenarten, die auf körperschaftliche Organisationsformen schließen lassen, der Gesamthand zuordnet. Auch Nikisch 4 1 erklärt den Betriebsrat zur Gesamthand. Jedoch ist auch seine Schlußfolgerung nicht überzeugend. Zur Begründung führt Nikisch aus, der Betriebsrat sei Gesamthand, weil er nicht rechtsfähig sei. Für Nikisch stellt sich die Problematik demnach als „entweder-oder"-Entscheidung zwischen einerseits der juristischen Person und andererseits der Form der Gesamthand. Er verkennt dabei, daß es neben diesen beiden möglichen Formen der rechtlichen Existenz auch noch teilrechtsfähige Personifikationen gibt und folgt demnach erkennbar dem - nicht überzeugenden 42 - absoluten Rechtsfähigkeitsverständnis der herrschenden Lehre. 33 34 35 36 37 38 39 40
Rhode, S. 173. Fabricius, S. 60. Rosset, S. 38. Nolting, S. 77; Rosset, S. 39. So ohne Begründung Schaub, § 222, Rn. 23. Schnorr v. Carolsfeld, S. 417 f. Schnorr v. Carolsfeld, S. 414.
In bezug auf die Arbeitnehmerschaft Fabricius, S. 233. 41 Nikisch, Bd. III, S. 199. 42 Vgl. oben § 3 III. 7*
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Auch fehlt dem Betriebsverfassungsgesetz eine Regelung wie etwa § 718 Abs. 1 oder § 2032 BGB, durch die der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. der Miterbengemeinschaft ein Sondervermögen zur gesamten Hand zugeordnet w i r d . 4 3 § 40 Abs. 1 BetrVG kann nicht in einem derartigen Sinne ausgelegt werden. Die Annahme einer Gesamthandsgemeinschaft würde zu dem schlechthin unakzeptablen Ergebnis führen, daß im Falle des Todes eines Betriebsratsmitglieds das Vermögensrecht auf dessen Erben überginge. 44
2. Das Dogma der fehlenden Vermögensfähigkeit des Betriebsrats Teilweise wird dem Betriebsrat die Vermögensfähigkeit ohne jegliche Begründung gänzlich abgesprochen. 45 Von anderer Seite werden wiederum zur Begründung einer solchen totalen Vermögensunfähigkeit die §§ 40, 41 BetrVG angeführt. Aus diesen Vorschriften gehe hervor, daß der Arbeitgeber zum alleinigen Kostenträger bestimmt sei und die Bildung eines Vermögens aus Beiträgen dem Betriebsrat untersagt sei. Des weiteren gehe das Gesetz ersichtlich von der fehlenden Vermögensfähigkeit des Betriebsrats aus, da das Beschlußverfahren gemäß § 12 Abs. 5 ArbGG von der Erhebung von Gerichtskosten befreit sei und § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG den Schadensersatzanspruch des § 945 ZPO ausschließe. 46
3. Die Annahme einer teilweisen Vermögensfähigkeit a) Die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats durch Auslegung des §40 Abs. 1 BetrVG Bei diesen insgesamt zu oberflächlichen Begründungen darf man es indessen nicht belassen. Die Vermögensfähigkeit muß zum Gegenstand einer weitaus gründlicheren Analyse gemacht werden. So ist bei der Lektüre der einschlägigen Literaturmeinungen, die eine fehlende Vermögensfähigkeit konstatieren, zu bemerken, daß sie der Möglichkeit der Ansammlung von (pauschalierten) Kostenvorschüssen des Betriebsrats nicht genügend Beachtung geschenkt haben. 4 7
« Rosset, S. 39. 44 Hess / Schlochauer / Glaubitz, § 40, Rn. 100. 45 LAG Hamm, LAGE Nr. 2 zu § 19 BRAGO; Belling, S. 287; Gramm, Β. I.; MünchArbRHb/v. Hoyningen-Huene, Bd. III 1, § 299, Rn. 23; Nikisch, Bd. III, S. 172; Weiss, RdA 1974, 269, 270; offen gelassen in BAG v. 24. 04. 1986 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG Sozialeinrichtung. 46 Jahnke, RdA 1975, 343, 344. 47 Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, FN 28.
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Es ist nunmehr zu untersuchen, ob sich aus § 40 Abs. 1 BetrVG i m Wege der Gesetzesauslegung eine begrenzte Vermögensfähigkeit des Betriebsrats entwickeln läßt. Vielfach wird nämlich angenommen, diese Norm begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis 48 zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber, d. h. es bestünden zwischen beiden Betriebsverfassungsorganen vermögensrechtliche Beziehungen. 4 9 Wenn man also vermögensrechtliche Ansprüche des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber aus einem solchen Schuldverhältnis bejahte, so folgte daraus zwangsläufig eine entsprechende - zumindest partielle - Vermögensfähigkeit. Dies nimmt mittlerweile auch das Bundesarbeitsgericht an. 5 0 Es ergäbe in der Tat keinerlei Sinn, einer Personifikation solche Ansprüche zuzubilligen, die mangels Vermögensfähigkeit niemals erfüllt werden könnten. Ein solches Ergebnis könnte im Wege der Gesetzesauslegung zu gewinnen sein. Eines Rückgriffs auf das Institut der Rechtsfortbildung bedürfte es in dem Fall nicht. Teilweise wird allerdings angenommen, der Gesetzgeber habe die Problematik der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats nicht gesehen. 51 Dies würde in der Tat bedeuten, daß keine vollständige Regelung in bezug auf den Betriebsrat angestrebt worden wäre, wodurch der Bereich der Rechtsfortbildung eröffnet würde. Dem kann allerdings nicht gefolgt werden. I m Rahmen der Vorschrift des § 40 Abs. 1 BetrVG geht es um Fragen der Finanzierung der Betriebsratstätigkeit. Es kann in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber die Problematik der Finanzierung der Tätigkeit des Betriebsrats nicht gesehen hat. Vielmehr hat der Gesetzgeber diese Problematik durch die Vorschrift des § 40 Abs. 1 BetrVG zu regeln gesucht. § 40 Abs. 1 BetrVG stellt jedoch eine nur rechtsgrundsätzliche Regelung dar, die lediglich in rechtstechnischer Hinsicht unvollkommen ist. 5 2 Insofern erscheint eine Auslegung durchaus möglich.
b) Auslegung nach dem Wortlaut Die am Wortlaut ausgerichtete Auslegung gibt für die Lösung des Problems Vermögensfähigkeit des Betriebsrats nichts her. Allerdings dürfte der Wortlaut § 40 Abs. 1 BetrVG nicht eindeutig gegen eine Vermögensfähigkeit sprechen. eindeutiger Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift wäre nämlich bindend. 5 3
der des Ein Von
48 Unter einem solchen Schuldverhältnis ist nicht lediglich ein konkreter Anspruch zu verstehen, sondern vielmehr ein Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit der Rechtsfolgen, gleich ob sie mehrere Einzelansprüche darstellen oder deren Entstehung erst in sich tragen, vgl. Rosset, S. 42. 4 9 Däubler!Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123; Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, 7, 15 f.; Richardi, Einl., Rn. 109, 108. 50 BAG, DB 2002, S. 849, 850.
51 Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7. 52 So selbst Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7. 53 BGHZ 46, 74, 76.
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ihm könnte nur unter sehr strengen Voraussetzungen abgewichen werden. 5 4 Dogmatisch gehörte eine solche Ausdehnung einer Norm über den Wortsinn hinaus schon in den Bereich der Rechtsfortbildung. 55 Der Wortlaut des § 40 Abs. 1 BetrVG spricht allerdings nicht gegen eine teilweise Vermögensfähigkeit. Diese Vorschrift konstatiert lediglich, die Kosten seien in letzter Konsequenz vom Arbeitgeber zu tragen. Es wird gerade nichts darüber ausgesagt, ob der Betriebsrat nicht - quasi als Zwischenglied - zunächst selbst Eigentum an Geldmitteln erlangen kann, die er zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt.
c) Systematische Auslegung Beim Abstellen auf den Bedeutungszusammenhang ist davon auszugehen, daß der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zu verstehen. 5 6 Die Auslegung darf insbesondere nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen. So muß die Auslegung einer Norm mit den Regelungen anderer gesetzlicher Bestimmungen in sachlicher Übereinstimmung stehen. 57 Es ist jedoch nicht erkennbar, daß die Annahme einer Vermögensfähigkeit des Betriebsrats einen solchen Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellen könnte: Insbesondere steht § 41 BetrVG der Annahme einer Vermögensfähigkeit nicht entgegen. Die Vermögensfähigkeit wird gerade auf die gesetzliche Sonderverbindung zum Arbeitgeber gestützt. Das Umlageverbot hinsichtlich der Arbeitnehmer des Betriebes wird hierdurch nicht berührt. 5 8 Auch aus § 12 Abs. 5 ArbGG, der die gerichtlichen Kosten i m arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ausschließt, lassen sich keine überzeugenden Argumente gegen eine Vermögensfähigkeit herleiten. So können durchaus anderweitige Kosten entstehen, wie etwa solche für einen Rechtsanwalt, die letztlich der Arbeitgeber zu tragen hat. 5 9 Der Umstand, daß der Gesetzgeber nur einen Teil der möglicherweise entstehenden Kosten ausgeschlossen hat, besitzt keine Aussagekraft. Wäre der Gesetzgeber von einem gänzlich vermögensfähigen Betriebsrat ausgegangen, so hätte er die Entstehung aller Arten von Kosten gehindert. Zutreffend weist Rosset darauf hin, daß sich für die Regelung des § 12 Abs. 5 ArbGG durchaus andere plausible Gründe aufführen ließen, wie z. B. die Tatsache, daß eine Kostenerstattung zwei sich gegenüberstehende Prozeßparteien voraussetze, woran es i m Betriebsverfassungsgesetz gerade fehle. 6 0 54 BGHZ2, 176, 184. 55 Lorenz, Methodenlehre, S. 143; ders., AT, S. 113. 56 Palandt/Heinrichs, Einl., Rn. 36. 57 Larenz, Methodenlehre, S. 146. 58 So insbesondere Rosset, S. 48, der auch auf die Möglichkeit des e contrario-Schlusses hinweist: Gerade, weil der Betriebsrat für seine Zwecke - etwa durch Umlage - Vermögen anzusammeln fähig ist, bedürfe es des Verbotes des § 41 BetrVG. 59 Richardi, § 40, Rn. 23.
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Auch der Regelung der §§ 945 ZPO, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG lassen sich keine Argumente gegen eine Vermögensfähigkeit des Betriebsrats entnehmen. Hierdurch werden lediglich Schadensersatzansprüche für den ganz bestimmten Fall der anfänglich fehlenden Rechtfertigung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung ausgeschlossen. Zur Frage, ob der Betriebsrat Vermögen haben kann, mittels dessen er vertragliche Erfüllungsansprüche begleichen könnte, wird damit nichts ausgesagt. 61 Es erscheint naheliegend, daß der Gesetzgeber durch diese Normen keine - sei es auch nur mittelbare - Aussage bezüglich der Vermögensfähigkeit treffen wollte.
d) Teleologische Auslegung M i t der teleologischen Auslegung stellt sich die Frage nach der ratio legis, also danach, welche Auslegung „sachgemäß" ist. 6 2 Dabei ist davon auszugehen, daß das Gesetz i m Zweifel eine angemessene Regelung bezweckt. 6 3 Nach ganz herrschender Meinung ist bei der Auslegung von Gesetzen nicht der subjektive Wille des Gesetzgebers maßgebend. Dieser historische Wille kann entweder gar nicht festgestellt werden oder ist durch die Änderung der Lebenssachverhalte überholt. Es kommt vielmehr auf einen verobjektivierten Willen des Gesetzgebers an, also auf den i m Zeitpunkt der Gesetzesanwendung maßgebenden Sinn - den normativen Gesetzessinn. 64 Zur ratio legis gehören sowohl die mit der konkreten Norm verfolgten Zwecke, als auch allgemeine Zweckmäßigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen. Das jeweilige Gesetz ist als Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung zu verstehen. 65 Die Zwecke einer Norm können sowohl konkreter als auch abstrakter Natur sein. 6 6 Aus den konkreten Gesetzeszwecken des § 40 Abs. 1 BetrVG lassen sich jedoch keine Hinweise auf eine Vermögensfähigkeit gewinnen. Bei der Untersuchung der abstrakten Gesetzeszwecke, d. h. derjenigen, die allen Gesetzen gemeinsam sind, ist auch auf die Praktikabilität abzustellen. 67 So wird auch in der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts festgestellt, offene gesetzliche Regelungen, die ein Bestreben der Vermeidung einer Festlegung des historischen Gesetzgebers erkennen lassen, ω Rosset, S. 50. 61 Rosset, S. 50, weist auch hier zutreffend auf die Möglichkeit des e contrario-Schlusses hin. 62 Larenz, Methodenlehre, S. 153. 63 Larenz, Methodenlehre, S. 153. 64 BVerfGE 1, 299, 312; 10, 234, 244; BGHZ 46, 74, 76; 49, 221, 223; Köhler, AT, § 4, Rn. 13; Larenz, Methodenlehre, S. 137 ff. 65 Palandt/Heinrichs, Einl., Rn. 38. 66 Wank, S. 79 ff. 67 Wank, S. 81.
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ließen Raum für eine Orientierung an praktischen Bedürfnissen. 68 Dies entspricht auch der Zielsetzung der teleologischen Auslegung, die sachgemäße Lösung herauszufiltern. I m Rahmen der Strukturen des geregelten Sachbereichs sind die tatsächlichen Gegebenheiten, an denen auch der Gesetzgeber nichts ändern kann und die er vernünftigerweise mit einbezieht, zu berücksichtigen. 69 Bei der Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse in die Überlegungen gebietet es die Vernunft, daß die gewählte Auslegung einen möglichst reibungslosen Ablauf in der Praxis gewährt, also auch praktikabel ist. Es hat sich gezeigt, daß von einer Pflichtfähigkeit des Betriebsrats gegenüber Dritten, wie beispielsweise Rechtsanwälten oder aber auch einzelnen Betriebsratsmitgliedern, auszugehen ist. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich weiter, daß die Annahme einer gewissen Vermögensfähigkeit, wie immer man ihre Reichweite zunächst bestimmt, der praktikabelste Weg ist, den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs zu genügen. Im Falle von Forderungen Dritter gegen den Betriebsrat innerhalb seines Wirkungskreises, die auf dessen rechtmäßigem Handeln beruhen, trägt die Kostenlast letztlich der Arbeitgeber. A u f die Betriebsratsmitglieder darf in diesen Fällen nicht zugegriffen werden. Dies ergibt sich schon aus der Schutznorm des § 78 Satz 2 BetrVG. Weiterhin entspricht es ohne Zweifel den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs, daß der Betriebsrat in der Lage sein muß, Forderungen Dritter auch selbst zu erfüllen. Diese Notwendigkeit folgt aus der Tatsache, daß ein Direktanspruch der Vertragspartner des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber nicht besteht. 70 Zwar muß dem Betriebsrat richtigerweise ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber zugestanden werden. 7 1 Damit dieser sich in einen Direktanspruch gegen den Arbeitgeber umwandelt, müßte der Betriebsrat diesen Anspruch jedoch zunächst an den Gläubiger abtreten. 72 Die Gläubiger des Betriebsrats wären gezwungen, zunächst den Betriebsrat zu verklagen und würden darüber hinaus Gefahr laufen, auch noch gegen den Arbeitgeber bei dessen Zahlungsunwilligkeit einen Vollstreckungstitel erlangen zu müssen. Dieser Weg ist sehr umständlich und erscheint wenig praktikabel. Die Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG ist demnach dahingehend auszulegen, daß dem Betriebsrat eine gewisse Vermögensfähigkeit zuzubilligen ist und zwar zur Erfüllung seiner Aufgaben. 7 3 Den Gläubigern ist eine zweifache Prozeßführung sowohl gegen
68 BGH, NJW 2001, S. 1056, 1057. Siehe oben § 8 V. 2. b). 69 Larenz, Methodenlehre, S. 333; Schwache, S. 63. 70 Siehe schon die Darstellung oben § 8 IV.; vgl. auch Richardi, Einl., Rn. 111; a.A. Jahnke, RdA 1975, S. 343. 71 Richardi, § 40, Rn. 44; Rosset, S. 45. Hierbei ist zu beachten, daß auch dieser Freistellungsanspruch durchaus zum Vermögen zu rechnen ist. Der Betriebsrat ist daher schon insoweit vermögensfähig. 72 Freistellungsansprüche können trotz grundsätzlicher Unübertragbarkeit im Einzelfall abtretbar sein, so insbesondere an den Gläubiger gerade der betreffenden Verbindlichkeit. Hierbei wandelt sich der Anspruch in einen Direktanspruch gegen den Schuldner um, vgl. BGHZ 12, 136, 141; SoergeU Zeiss, 12. Aufl., § 399, Rn. 5.
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den Betriebsrat als auch darauffolgend gegen den Arbeitgeber schlechthin nicht zuzumuten. Sie müssen die Möglichkeit haben, direkt auf Vermögensmassen des Betriebsrats zuzugreifen. Das „Dogma der völligen Vermögenslosigkeit" ist demnach nicht haltbar. 74 Eine gewisse Vermögensfähigkeit ist dem Betriebsrat vielmehr i m Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG zuzubilligen.
4. Die konkrete Ausgestaltung der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats a) Allgemeines Im Folgenden soll dargelegt werden, wie die konkrete Vermögensfähigkeit des Betriebsrats ausgestaltet sein kann. Diese Untersuchung orientiert sich erneut insbesondere auch an dem Aspekt der Praktikabilität.
b) Anspruch auf angemessenen Vorschuß Das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG begründet einen Anspruch des Betriebsrats auf angemessenen Vorschuß gegen den Arbeitgeber in analoger Anwendung des § 669 BGB für die ihm voraussichtlich in Erfüllung seiner Aufgaben entstehenden Aufwendungen. 7 5 § 40 Abs. 1 BetrVG ist im Hinblick auf § 78 Satz 2 BetrVG dahingehend auszulegen. 7 6 Die in § 40 Abs. 1 BetrVG konstatierte Kostentragungspflicht ist eine Konkretisierung der Pflicht zum Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB. Es bestehen daher keine Bedenken, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über Aufwendungsersatzansprüche zur Komplementierung des § 40 Abs. 1 BetrVG entsprechend anzuwenden. § 40 Abs. 1 ist insoweit eine rechtstechnisch unvollkommene Vorschrift. 7 7 Diese Lösung erscheint auch am praktikabelsten, da sie den Betriebsrat befähigt, zügig zu arbeiten, und ihm zudem einen gewissen Freiraum ermög73 So auch DützISäcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, die insoweit von einer teleologischen Korrektur des § 40 Abs. 1 BetrVG sprechen; auch Rosset, S. 41 f., der sich allerdings des Instituts der Rechtsfortbildung bedient. 74 GK/ Kraft, § 1, Rn. 75; Richardi, Einl., Rn. 110. Der Betriebsrat darf und kann natürlich keine Zuwendungen erhalten, die gegen den in § 37 Abs. 1 BetrVG enthaltenen Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Ehrenamtes verstoßen, DäublerI KittnerI Klebe, § 40, Rn. 12; Rosset, S. 49. 7 5 ArbG Darmstadt, AiB 1988, S. 285; Däubler/Kittner/Klebe, § 40, Rn. 13; Hess/ Schlochauer/ Glaubitz, § 40, Rn. 73; Richardi, Einl., Rn. 110, ders., § 40, Rn. 40. Die Lektüre derjenigen Abhandlungen, die eine Vermögensfähigkeit des Betriebsrats ablehnen, zeigt, daß hierbei nicht an den Fall der Ansammlung von pauschalierten Kostenvorschüssen gedacht worden ist, vgl. Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7, FN 28 mit Nachweisen.
™ Hess/Schlochauer/Glaubitz, § 40; Rn. 73. 77 Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 7.
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licht. Ein Leitprinzip der Betriebsverfassung ist gerade die Unabhängigkeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber. 78 Auch aus diesem Grunde ergibt sich ein Bedürfnis nach einer möglichst großen Flexibilität der Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats. Des weiteren erscheint es aus Gläubigerschutzinteressen notwendig, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, Forderungen möglichst umgehend und ohne konkrete Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu begleichen. Schon das diesbezügliche Forderungsrecht des Betriebsrats stellt ein Vermögensrecht dar. Die hierauf geleisteten Vorschüsse für bestimmte Aufgaben des Betriebsrats gehen in dessen Vermögen über.
c) Einrichtung
eines Dispositionsfonds
Dem Arbeitgeber ist es auch möglich, dem Betriebsrat einen Fonds an Geldmitteln zur Verfügung zu stellen, aus dem dieser generell die entstehenden Kosten begleichen kann. 7 9 Ein solcher Fonds besitzt, anders als § 74 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz dies für den österreichischen Rechtsraum bestimmt, keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern ist dem Betriebsrat unmittelbar zugeordnet. 80
d) Freistellungsansprüche Darüber hinaus stehen dem Betriebsrat in den Fällen, in denen ihm kein Vorschuß oder Fonds zur Verfügung gestellt worden ist, Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber zu, wie oben bereits festgestellt wurde. 8 1 Gemäß § 257 Satz 1 BGB hat der Betriebsrat also Anspruch auf Befreiung von Verbindlichkeiten. Dies folgt aus der Zuerkennung von Aufwendungsersatzansprüchen. 82 Auch diese Freistellungsansprüche stellen Vermögensrechte des Betriebsrats dar.
e) Eigentum an Sachmitteln Nach ganz herrschender Meinung kann der Betriebsrat kein Eigentum an anderen Sachen als an Geldmitteln erwerben. Eine solche Vermögensfähigkeit fiele nicht in seinen Wirkungskreis. Dies gilt nahezu einhellig für unverbrauchbare Sa78 Däublerf Kittneri Klebe, Einl., Rn. 68. 79 ArbG Bremerhaven, AiB 1986, S. 167; Däublerf Kittner/Klebe, Schlochauer/ Glaubitz, § 40, Rn. 73a. 80 Richardi, Einl., Rn. 110.
§ 40, Rn. 12; Hess/
81 Siehe oben § 13 II. 3. d). 82 Rosset, S. 45; für Freistellungsansprüche auch BAG ν. 21. 11. 1978 AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1872, Bl. 3; Fitting I Kaiser I Heither ! Engels, § 40, Rn. 92; Galperin / Löwisch, § 40, Rn. 52; GK / Wiese, § 40, Rn. 17.
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chen wie etwa Büromöbel, die dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt worden sind. 8 3 Das Eigentum an diesen Sachmitteln verbleibt vielmehr beim Arbeitgeber. Es ist lediglich durch Zweckbindung begrenzt. 84 Umstritten ist die dingliche Zuordnung lediglich bei verbrauchbaren Sachen, wie etwa Schreibpapier. 85 Dieser Streit kann hingegen hier offen bleiben. Eine Zwangsvollstreckung in derlei verbrauchbare Sachen kommt in praktischer Hinsicht aufgrund des geringen Wertes bzw. der völligen Unbrauchbarkeit für den Gläubiger nicht in Betracht.
5. Zusammenfassung zur Vermögensfähigkeit Dem Betriebsrat ist also eine gewisse Vermögensfähigkeit zuzubilligen. Insbesondere hat der Betriebsrat Anspruch gegen den Arbeitgeber auf angemessenen Vorschuß für die Kosten seiner Arbeit. Dem Arbeitgeber steht ferner die Möglichkeit offen, dem Betriebsrat einen unmittelbar diesem zugeordneten Dispositionsfonds an Geldmitteln zu überlassen. Auch bestehen zur Finanzierung der Betriebsratsaufgaben Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber, die ebenfalls Vermögensrechte darstellen.
III. Die Haftung für Ansprüche aufgrund rechtmäßigen Handelns des Betriebsrats 1. Rechtsweg a) Ansprüche Dritter Honorarzahlungsansprüche der Rechtsanwälte, Sachverständigen oder Schulungsveranstalter sind nach § 13 G V G i m ordentlichen Zivilrechtsweg geltend zu machen. 8 6 Es handelt sich gerade nicht um betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten. Der Betriebsrat nimmt am allgemeinen Zivilrechtsverkehr teil, wenn er Verträge mit Dritten abschließt. Der ordentliche Zivilrechtsweg ist demnach i m Beispiel ( 1 9 ) 8 7 eröffnet. 83 Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 40, Rn. 107; Galperin/Löwisch, § 40, Rn. 47; GK/ Wiese, § 40, Rn. 178; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 40 Rn. 100; Nikisch, Bd. III, S. 198; Richardi, Einl., Rn. 112, § 40, Rn. 74; Schaub, § 222, Rn. 23; a.A. wohl nur Weber, DB 1992, S. 2135, 2136. Auch ein Eigentum zur gesamten Hand scheidet aus, da, wie oben unter § 13 II. 1. dargelegt, der Betriebsrat gerade keine Gesamthand darstellt. 84 Richardi, Einl., Rn. 112. 85 Für einen Eigentumserwerb des Betriebsrats Fitting/ Kaiser/Heither/Engels, § 40, Rn. 107; Schaub, § 222, Rn. 23; dagegen Galperin/Löwisch, § 40, Rn. 48; GK/ Wiese, § 40, Rn. 180 m. w. N. 86 87
Gegen den arbeitgerichtlichen Rechtsweg auch Spilger, Rn. 90. Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
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b) Ansprüche der Betriebsratsmitglieder Bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Betriebsratsmitglieder auf Aufwendungsersatz gegen den Betriebsrat handelt es sich dagegen um betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, die im Beschlußverfahren verhandelt werden. 8 8 Dies gilt i m Fall (21).
2. Parteifähigkeit des Betriebsrats vor den allgemeinen Zivilgerichten Machen Dritte Ansprüche gegen den Betriebsrat vor den ordentlichen Zivilgerichten geltend, so ist fraglich, ob der Betriebsrat hierbei parteifähig ist. § 10 Halbsatz 2 ArbGG sieht eine Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats allein im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren vor. Es ist zu prüfen, ob dem Betriebsrat vor den ordentlichen Gerichten - zumindest passive - Parteifähigkeit zukommt, so daß er verklagt werden kann. Eine dem § 50 Abs. 2 ZPO entsprechende Vorschrift, wie sie für den nicht rechtsfähigen Verein existiert, fehlt. Der zivilprozessuale Gesetzgeber ist i m Rahmen seiner Regelungen zur Parteifähigkeit allerdings von einer schematisierten Vollrechtsfähigkeit ausgegangen. Die moderne Zivilistik hat hingegen viele teilrechtsfähige Gebilde anerkannt. Das Prozeßrecht muß hierauf reagieren und die entsprechende Verfahrenswege eröffnen. 8 9 So ist mittlerweile die Parteifähigkeit der Gewerkschaften auch außerhalb der Arbeitsgerichtsbarkeit anerkannt. 90 Auch hat der Bundesgerichtshof nunmehr die entsprechende Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Rahmen von deren Teilrechtsfähigkeit anerkannt. 91 Art. 19 Abs. 4 GG gebietet einen umfassenden verfahrensrechtlichen Schutz der subjektiven Berechtigungen. 9 2 Nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit 93 ist notwendige prozeßrechtliche Konsequenz die Zubilligung der entsprechenden Parteifähigkeit. 94 Dies spricht für die Möglichkeit außerhalb der Betriebsverfassung stehender Parteien, den Betriebsrat gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Allerdings ist zu bedenken, 88
Nahezu einhellige Meinung, siehe Dütz/Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 12. Auch diejenigen Stimmen, die von einem Anspruch des Betriebsratsmitglieds gegen den Arbeitgeber ausgehen, treten für das arbeitsrechtliche Beschlußverfahren ein, siehe BAG ν. 09. 09. 1975 AP Nr. 6 zu § 83 ArbGG 1953; Fitting IKaiserIHeitherIEngels, § 40, Rn. 139; GK/ Wiese, § 40, Rn. 188 m. w. N.; Grunsky, § 2 a, Rn. 17; Weber, DB 1992, S. 2135, 2139. 89 Stein!Jonas, § 50, Rn. la. 90 ThomasIPutzo, § 50, Rn. 5; BGH 50, 325. 91 BGH, NJW 2001, S. 1056, 1058, bestätigt in BAG, ZIP 2002, S. 614 ff. 92 Haneberg, S. 123. 93 Bzw. hier besser Teilpflichtfähigkeit als Element der Rechtsfähigkeit im weiteren Sinne. 94 Vgl. BGH, NJW 2001, S. 1056, 1058; Hüffer, FS Stimpel, S. 168 ff.; MünchKommZPO/Lindacher, § 50, Rn. 23 ff.; Soergel!Hadding, 11. Aufl., § 714, Rn. 52 ff.
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daß eine Teilrechtsfähigkeit (insbesondere Teilpflichtfähigkeit) nicht automatisch zu einer entsprechenden Parteifähigkeit führen darf. Vielmehr ist genau zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die Parteifähigkeit nicht bewußt versagt hat oder andere Möglichkeiten ausreichenden Rechtsschutz bieten. 9 5 Es deutet hingegen nichts darauf hin, daß der Gesetzgeber dem Betriebsrat die Parteifähigkeit bewußt nicht zugebilligt hätte. Es wurde bereits dargelegt, daß die Regelung der Beziehungen des Betriebsrats zu außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten rechtstechnisch unvollkommen gelöst worden ist. Auch besteht auch für den anspruchsberechtigten Dritten keine anderweitige Möglichkeit, seinen Anspruch zu befriedigen. Weder der Arbeitgeber noch die Betriebsratsmitglieder können verklagt werden. Dementsprechend ist i m Ergebnis von einer teilweisen Parteifähigkeit des Betriebsrats vor den ordentlichen Zivilgerichten im Rahmen seiner Pflichtfähigkeit auszugehen. 96
3. Zwangsvollstreckung Soweit i m arbeitsgerichtlichen Beschluß verfahren vorgegangen wird, findet gemäß § 85 ArbGG die Zwangsvollstreckung statt. Vermögensrechtliche Ansprüche sind bei Annahme einer teilweisen Vermögensfähigkeit nun nicht mehr ausgeschlossen. 97 Es wurde bereits konstatiert, daß der Arbeitgeber lediglich verpflichtet ist, rechtmäßiges Betriebsratshandeln zu finanzieren. Nur für derartige Tätigkeiten übereignet er dem Betriebsrat demzufolge die notwendigen Mittel bzw. bestehen Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber. Unter dieser Prämisse ergeben sich allerdings Probleme, soweit es um die vermögensrechtliche Haftung für rechtswidriges Handeln des Betriebsrats geht. Aus diesem Grund sind die Bereiche der Haftung für rechtmäßige und rechtswidrige Betriebsratstätigkeit getrennt voneinander darzustellen. In den Bereich des ordnungsgemäßen Handelns fallen Erfüllungsansprüche außenstehender Dritter auf Honorarzahlung und der Betriebsratsmitglieder auf Ersatz ihrer Aufwendungen. 9 8 Da diese Kosten von der Kostentragungspflicht des § 40 Abs. 1 BetrVG umfaßt sind, ergeben sich hinsichtlich der Haftung keinerlei Schwierigkeiten. Das Vermögen des Betriebsrats steht diesen Ansprüchen zur Verfügung. 99 Eine Vollstreckung in das Vermögen des Betriebsrats kann in die geleisteten Vorschüsse, den Dispositionsfonds - soweit vorhanden - sowie in die Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber betrieben werden. Letztere wandeln sich 95 Stein! Jonas, § 50, Rn. 1 a. 96 So auch Stein! Jonas, § 50, Rn. 16, FN. 34. 97 So MünchArbRHb/Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24, für bereicherungsrechtliche Ansprüche. 98 In beiden Fällen bestehen keine Direktansprüche gegen den Arbeitgeber, siehe oben §§ 8 IV., 9. 99 Dütz!Säcker, DB 1972, Beil. 17, S. 15.
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dann in Direktansprüche gegen diesen um. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kommt nicht nur eine Wegnahme von Bargeld in Betracht, sondern auch etwaiger Surrogate, die dem Betriebsrat aufgrund seiner Teilrechtsfähigkeit zustehen können, wie etwa Forderungen gegen eine Bank bei Einzahlung auf ein K o n t o . 1 0 0 Falls vom Arbeitgeber geleistete Vorschüsse nicht zur Tilgung von Forderungen aus rechtmäßigem Handeln des Betriebsrats ausreichen oder ein Dispositionsfonds des Arbeitgebers nicht eingerichtet wurde bzw. nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, bestehen insoweit pfändbare Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber. Der Betriebsrat kann die Zwangsvollstreckung natürlich auch abwenden und Forderungen aus seinem Vermögen freiwillig begleichen. Er kann eine diesbezügliche Übereignung von Geldmitteln an Dritte vornehmen. Derartige Handlungen fallen in den Bereich seiner Teilrechtsfähigkeit, da solche Übereignungen vom Wirkungskreis des Betriebsrats umfaßt sind.
IV. Die Haftung für Ansprüche aufgrund rechtswidrigen Handelns des Betriebsrats 1. Problematische Konstellationen Schwieriger verhält es sich bei der Haftung für vermögensrechtliche Ansprüche wegen rechtswidriger Handlungen des Betriebsrats. Hierunter fallen zunächst Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung, wie insbesondere in den Konstellationen der Beispielsfälle (1) bis (8) und (11) bis (16), sowie die Ansprüche außenstehender Dritter aus vertraglichen Pflichtverletzungen. Beispiele für letztere sind der Verzugsschaden in Fall (19) sowie der Schadensersatzanspruch aus § 311 Abs. 2 BGB in Fall (20). In diesem Abschnitt werden auch die Kosten für die Ersatzvornahme i m Rahmen des § 887 ZPO behandelt, wie sie sich in Fall (17) ergeben könnten, denn die Zwangsvollstreckung aus derartigen Beschlüssen folgt gemäß §§ 803 ff. Z P O . 1 0 1 Auch diese Ansprüche beruhen auf rechtswidrigem Handelndes Betriebsrats.
2. Die Unabhängigkeit der Vermögensfähigkeit von der Art der Forderung Ausgehend von einer nur teilweisen Vermögensfähigkeit des Betriebsrat wird bislang allgemein der Standpunkt vertreten, die Vermögensfähigkeit sei auf Forde>oo So MünchArbRHb /Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24, für den Fall der Annahme einer teilweisen Vermögensfähigkeit. 101 Baumbach ! Lauterbach/ Albers/ Hartmann, § 887, Rn. 19.
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rungen aus rechtmäßigem Handeln des Betriebsrats begrenzt. Für jegliche Schadensersatzansprüche fehle dem Betriebsrat die Vermögensfähigkeit. 102 Bei näherer Betrachtung vermag diese Annahme aber nicht zu überzeugen. Zunächst erscheint allerdings das Argument, die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats erstrecke sich nicht auf ein Vermögen, das zur Begleichung von Forderungen für rechtswidriges Handeln bestimmt ist, in der Tat überzeugend. Die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats wird allein aus der Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG gewonnen, und muß sich dementsprechend innerhalb der Grenzen des von dieser Vorschrift begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses halten. Insoweit handelt es sich lediglich um eine teilweise Vermögensfähigkeit. Diese erstreckt sich tatsächlich zunächst nur auf diejenigen Finanzmittel, die für Tätigkeiten benötigt werden, welche sich innerhalb des vom Gesetz zugewiesenen Aufgabenkreises halten. 1 0 3 Hierzu müssen die durch die Betriebsratstätigkeit veranlaßten Kosten insbesondere auch erforderlich und verhältnismäßig s e i n . 1 0 4 Der Betriebsrat kann also kein Eigentum an Geldmitteln erwerben, die zur Finanzierung von Aufgaben außerhalb seines Wirkungskreises bestimmt sind. Kosten für rechtswidrige Betriebsratstätigkeit sind niemals erforderlich i m Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG, da der Betriebsrat seinen Pflichten j a gewissenhaft hätte nachkommen können. 1 0 5 Demnach trägt der Arbeitgeber die Kostenlast gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG gerade nur für rechtmäßiges Handeln, nicht aber für rechtswidrige Betriebsratstätigkeit e n . 1 0 6 Der Schutz des Arbeitnehmers als Hauptzweck des Betriebsverfassungsgesetz 1 0 7 ist dahingehend begrenzt, daß die wirtschaftliche Funktionsfähigkeit des Unternehmens i m Interesse des Arbeitgebers, der Belegschaft und der Volkswirtschaft nicht beeinträchtigt werden d a r f . 1 0 8 Die Belastung des Arbeitgebers muß sich also i m Rahmen einer ausgewogenen Systematik halten. Eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auch für rechtswidriges Handeln des Betriebsrats widerspräche jedoch dem Leitgedanken des Betriebsverfassungsgesetzes, insbesondere dem Partnerschaftsgedanken zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit 1 0 9 ist nur zu verwirklichen, wenn der Arbeitgeber nicht über Gebühr belastet wird. Die Begrenzung der Vermögensfähigkeit des Betriebsrats kann allerdings nur für den Erwerb des Vermögens durch den Betriebsrat gelten. Hat der Betriebsrat einmal Eigentum an Mitteln erlangt, so kann er seine diesbezügliche Vermögensfä102 Galperin/ Löwisch, vor § 1, Rn. 36; GK /Kraft, § 1, Rn. 76; Hess / Schlochauer / Glaubitz, vor § 1, Rn. 41; Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 8. •03 Däublerf Kittner ! Klebe, § 40, Rn. 3; Richardi, § 40, Rn. 5. 104 Däubler!Kittner/Klebe, § 40, Rn. 5; Richardi, § 40, Rn. 6 f.
i° 5 So für die Kosten der Ersatz vornähme in der Zwangsvollstreckung Hafner, S. 73. 106 Belling, S. 288; Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 13; a.A. DäublerIKittnerIKlebe, Einl., Rn. 128; a.A. ebenfalls noch Dietz/Richardi, 6. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 11. 107 Vgl. GK/ Wiese, Einl., Rn. 76. ίο» GK! Wiese, Einl., Rn. 71. 109 V g l . h i e r z u Hess/Schlochauer/ Glaubitz, E i n l . , II.
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higkeit und damit das entsprechende Eigentum nicht nachträglich wieder verlieren, nur weil Forderungen gegen den Betriebsrat geltend gemacht werden, die durch dessen rechtswidriges Handeln entstanden sind. Dies ergibt sich schon aus dem Wesen des Vermögens als Rechtsgesamtheit von Sachen und Rechten. 1 1 0 Die Rechte an Vermögensgegenständen sind dingliche Rechte. Ein besonderes Kennzeichen dieser Rechte i m Gegensatz zu den relativen Rechten ist ihre Absolutheit. Die dingliche Beziehung zwischen Sache bzw. Recht zu einer Person ist absolut. 1 1 1 Sie kann daher nicht von Gegebenheiten abhängen, die außerhalb dieser Beziehung stehen, wie etwa von der Tatsache, daß eine Forderung gegen den Betriebsrat auf dessen rechtswidrigem Handeln beruht. Aus dieser Folgerung läßt sich wiederum auch auf das Wesen der Vermögensfähigkeit schließen. Diese ist zwar eine relative dahingehend, daß sie in bezug auf gewisse Gegenstände bestehen oder nicht bestehen kann. Sobald und insoweit sie aber gegeben ist, besteht sie als absolute Fähigkeit. Die gegenteilige Annahme widerspräche der Rechtssicherheit: Die Geldmittel fielen in den Fällen, in denen Forderungen gegen den Betriebsrat aufgrund rechtswidrigen Handelns bestünden, unversehens an den Arbeitgeber zurück. Einen solchen Zustand kann die Rechtsordnung nicht dulden, da es i m Einzelfall nahezu unmöglich wäre, die Eigentumsverhältnisse mit Bestimmtheit zu beschreiben. Auch ergäben sich unlösbare Schwierigkeiten i m Zusammenhang mit der Regelung der Vermengung gemäß § 948 BGB. Man wäre nicht in der Lage, zu trennen, bezüglich welcher Geldmittel die Vermögensfähigkeit erloschen wäre und bezüglich welcher nicht. Insbesondere bestünden Probleme in den Fällen, in denen der Betriebsrat eigene Bankkonten eingerichtet hat und ihm damit Ansprüche gegen die Bank zustehen. Der Betriebsrat behält also das Eigentum an Geldmitteln, wenn er es einmal zur Erfüllung seiner rechtmäßigen Aufgaben erhalten hat. Es kommt also nur darauf an, ob der Arbeitgeber i m Zeitpunkt der Überlassung von Geldmitteln - sei es als Vorschuß oder in Form eines Dispositionsfonds - diese zur Begleichung von Forderungen aufgrund rechtmäßigen Handelns bestimmt hat. Die Vermögensfähigkeit als solche und das entsprechende Eigentum bleiben demnach bestehen, auch wenn Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat geltend gemacht werden.
3. Die Zweckbindung des Vermögens auf Forderungen aufgrund rechtmäßiger Tätigkeiten des Betriebsrats Aus der Tatsache, daß die Vermögensfähigkeit des Betriebsrats nicht insoweit erlischt, als Forderungen aufgrund dessen rechtswidrigen Handelns gegen ihn geltend gemacht werden, wird teilweise geschlossen, der Betriebsrat hafte mit
"o Vgl. Soergel/Mühl, m Baur, § 2 Α. I. 2.
13. Aufl., vor § 90, Rn. 9.
§ 13 Vollstreckung von Geldforderungen
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seinem Vermögen auch für Ansprüche auf Schadensersatz. 112 Dem ist hingegen nicht zu folgen. So wendet Junker zu recht gegen eine entsprechende Pfändung des Betriebsratsvermögens ein, dies widerspräche der Zweckbindung. 1 1 3 Allerdings vermag sie ihr Ergebnis nur unzureichend zu begründen. Junker, die insbesondere auch die vom Arbeitgeber geleisteten Vorschüsse als zweckgebunden betrachtet, rechtfertigt diese Zweckbindung mit den Regelungen der § 399 Alternative 1 BGB und § 851 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschriften beziehen sich aber allein auf Forderungen und nicht auch auf vorhandene Geldmittel. Eine Zweckbindung schlösse dementsprechend auch nur die Abtretbarkeit von Forderungen gemäß § 399 BGB aus. 1 1 4 Diese wären damit tatsächlich gemäß § 851 ZPO unpfändbar. 115 Als Forderungen des Betriebsrat kämen allerdings nur Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber in Betracht. Derlei Freistellungsansprüche bestehen aber i m Hinblick auf rechtswidriges Betriebsratshandeln von vornherein nicht. Dennoch verbietet das Argument der Zweckbindung der zur Verfügung gestellten Mittel letztlich die Pfändung i m Rahmen von Schadensersatzansprüchen und Ansprüchen auf Kostenerstattung i m Zuge des § 887 ZPO. Dies ergibt sich aus Folgendem: Angenommen, das Vermögen des Betriebsrat stünde auch Schadensersatzgläubigern zur Verfügung, so fehlten dem Betriebsrat nach der Vollstreckung Mittel, die ihm zu seiner ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung zur Verfügung gestellt wurden und die wegen des Grundsatzes der Erforderlichkeit auch zur Erfüllung derselben unbedingt nötig sind. Der Betriebsrat muß aber handlungs- und funktionsfähig bleiben. Seine Tätigkeit erfolgt im Interesse der Belegschaft. 1 1 6 Ein kostenverursachendes Fehlverhalten des Betriebsrats darf nicht zu Nachteilen für die Arbeitnehmerschaft führen. Eine Nachschußpflicht des Arbeitgebers scheidet aber aus. Eine solche wäre dem Arbeitgeber nicht zumutbar, da durch sie die Beschränkung der Finanzierungspflicht auf rechtmäßige Tätigkeiten unterlaufen würde. Die Haftungsbeschränkung des Betriebsrats ergibt sich also aus dem Gebot seiner Funktionsfähigkeit. Auch der Zivilprozeßordnung sind Beschränkungen der Zwangsvollstreckung in Geldmittel aufgrund des Gedankens der Zweckbestimmung nicht fremd. So verbietet § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Pfändung aller Geldmittel, die zur Beschaffung der erforderlichen Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel für vier Wochen notwendig sind. Dieser Rechtsgedanke läßt sich auf die Mittel des Betriebsrats übertragen. Würde die Zwangsvollstreckung aufgrund von Forderungen, die durch nicht ordnungsgemäßes Betriebsratshandeln entstanden sind, zugelassen, so verblieben dem Betriebsrat nicht genug Mittel zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung im Rahmen des Erforderlichen. Die Zwangsvollstreckung wegen Forde112 Dietz/Richardi, 6. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 11; Rosset, S. 123. Auch Spilger, Rn. 70, hält eine allgemeine Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung ohne Rücksicht auf die Natur der zugrundeliegenden Forderung für möglich. 113 Junker, S. 18 f.; a.A. ohne Begründung Fischer, RdA 1961, S. 230, 230. 114 Soergel/ Zeiss, 12. Aufl., § 399, Rn. 2. 115
Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, 116 Richardi, Einl., Rn. 97. 8 Triebel
§ 851, Rn. 3.
114
Abschnitt 3: Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen
rungen aufgrund ordnungsgemäßer Betriebsratstätigkeit kann dagegen nicht gegen den Rechtsgedanken des § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO verstoßen, da der Betriebsrat insoweit immer Ansprüche gegen den Arbeitgeber auf Überlassung der entsprechenden Mittel hat.
V. Die Haftung für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückübereignung von Geldmitteln 1. Die Eigentumsfähigkeit hinsichtlich übermäßig gezahlter Finanzmittel Es wurde gezeigt, daß die Voraussetzungen für die Vermögensfähigkeit - nämlich die Erforderlichkeit der Geldmittel zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung - nur im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorliegen müssen. Solange der Arbeitgeber Geldmittel zu diesen Zwecken bestimmt hat und sie für diesen Bereich an den Betriebsrat übereignet, erwirbt der Betriebsrat insoweit Vermögen. Andernfalls litte die Rechtssicherheit. Fiele das Eigentum an diesen Mitteln an den Arbeitgeber zurück, sobald sich herausstellte, daß sie nicht unbedingt benötigt würden, so könnte man nie mit Bestimmtheit sagen, welche Mittel nun dem Betriebsrat und welche dem Arbeitgeber zuzuordnen wären. Demnach ist davon auszugehen, daß der Betriebsrat die Vermögensfähigkeit und damit sein Eigentum behält, hat er es einmal wirksam erlangt. Es kommt also auf die Bestimmung durch den Arbeitgeber i m Zeitpunkt der Überlassung an. Nun läßt sich aber in den seltensten Fällen im voraus genau bestimmen, wieviel Geld der Betriebsrat in einem Fonds zur Aufgabenerfüllung benötigt. Es erscheint angemessen, dem Betriebsrat die Fähigkeit, Vermögen zu bilden insoweit zuzubilligen, als er Eigentum an Finanzmitteln in einem Maße erwerben kann, das nicht offensichtlich deutlich über seinen Bedarf hinausgeht. Geringfügige Überschreitungen sind hierbei unschädlich. Zwar ist der Betriebsrat nur innerhalb seines Wirkungskreises vermögensfähig. Dieser Wirkungskreis darf jedoch nicht zu eng gefaßt werden. So reicht es für die Annahme einer Rechts- und Pflichtfähigkeit aus, wenn lediglich der Zusammenhang mit dem Wirkungskreis gewahrt i s t . 1 1 7 Ein solcher Zusammenhang ist jedoch im Falle von Übereignungen, die nicht offensichtlich überhöht sind, unzweifelhaft gegeben. Allerdings sind derartige Zuvielleistungen nur denkbar, wenn sie durch den Arbeitgeber erfolgen und nicht etwa durch Dritte. Das durch § 40 Abs. 1 BetrVG begründete gesetzliche Schuldverhältnis besteht gerade nur zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat als den Beteiligten der Betriebsverfassung.
"7 Richardi, Einl., Rn. I I I .
§ 13 Vollstreckung von Geldforderungen
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Wenn sich später herausstellt, daß der Fonds dennoch überhöht ist, so steht dem Arbeitgeber insoweit ein Anspruch auf Rückübereignung z u . 1 1 8 Eine solche Zuvielleistung kann offenbar werden, wenn der Betriebsrat anläßlich der von ihm regelmäßig durchzuführenden Abrechnungen 1 1 9 einen Überschuß feststellt. Demnach besteht ein solcher Anspruch in Fall (18).
2. Verfahrensrechtliche Fragen Zahlt der Betriebsrat nicht freiwillig, so kann er verklagt werden. 1 2 0 In bezug auf die Klage ist die Frage des Rechtsweges ebenso zu beurteilen wie bei der Geltendmachung von Ansprüchen der Betriebsratsmitglieder auf Aufwendungsersatz gegen den Betriebsrat. Es handelt sich um betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, die i m Beschlußverfahren verhandelt werden.
V I . Ergebnis Bei der Vollstreckung von Geldforderungen gegen den Betriebsrat ist zwischen solchen Forderungen, die durch rechtmäßiges Handeln des Betriebsrats entstanden sind, und solchen, die sich auf dessen rechtswidriges Tun gründen, zu unterscheiden. Forderungen aufgrund rechtmäßigen Betriebsratshandelns stellen die Honorarforderungen der Vertragspartner des Betriebsrats sowie die Aufwendungsersatzsansprüche seiner Mitglieder dar. Zur Befriedigung dieser Forderungen können die Gläubiger in das Vermögen des Betriebsrats vollstrecken. Das gilt auch für bereicherungsrechtliche Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückübereignung von übermäßig geleisteten Geldmitteln. Die Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG zeigt, daß der Betriebsrat mit einer gewissen Vermögensfähigkeit ausgestattet ist. Diese Fähigkeit findet ihre Grenzen i m Aufgabenbereich des Betriebsrats. I m einzelnen erwirbt der Betriebsrat Eigentum an Vorschüssen oder Dispositionsfonds, die ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Auch stehen ihm Freistellungsansprüche gegen diesen zu, wenn und soweit solche Finanzmittel nicht vorhanden sind. Das Eigentum an Sachmitteln, die dem Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Aufgabener-
1,8 Eine Rückforderung von Finanzmitteln hält auch MünchArbR / Brehm, Bd. III 1, § 393, Rn. 24, für möglich. 119 Vgl. Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 40, Rn. 73 a. 120
Eine Aufrechnung durch den Arbeitgeber kommt nicht immer in Betracht. So sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Arbeitgeber dem Betriebsrat etwa einen Fonds irrtümlich zu großzügig ausgestattet hat, der Betriebsrat aber für längere Zeit keine kostspieligen Aufgaben zu erledigen hat. Dementsprechend stünden dem Betriebsrat gegen den Arbeitgeber zunächst keine Forderungen zu, gegen die aufgerechnet werden könnte.
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Abschnitt 3: Prozeß- und zwangsvollstreckungsrechtliche Folgen
füllung überlassen werden, verbleibt allerdings beim Arbeitgeber. Die Vollstrekkung wegen Forderungen aufgrund rechtmäßiger Betriebsratstätigkeit ist möglich in Konstellationen wie denen der Fälle (18) und (21), sowie des Falls (19) hinsichtlich der Honorarforderung. I m Falle von Ansprüchen außerhalb der Betriebsverfassung stehender Vertragspartner des Betriebsrats ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Zivilgerichten eröffnet. Der Betriebsrat ist in diesen Verfahren parteifähig. Ansprüche der Betriebsratsmitglieder und des Arbeitgebers hingegen sind von der Arbeitsgerichtsbarkeit i m Beschlußverfahren geltend zu machen. Forderungen aufgrund rechtswidrigen Betriebsratshandelns sind alle Schadensersatzforderungen sowie die Kosten für die Ersatzvornahme nach § 887 ZPO. Die Vollstreckung dieser Forderungen beeinflußt die Vermögensfähigkeit des Betriebsrat nicht. Allerdings ist eine Vollstreckung in das Betriebsratsvermögen in diesen Fällen aufgrund der Zweckbindung der ihm überlassenen Mittel ausgeschlossen. In den Fällen (1) bis (8), (11) bis (16), (19) und (20) kann aufgrund der Forderungen, die sich aus rechtswidrigem Handeln des Betriebsrats ergeben, demnach nicht gegen den Betriebsrat als solchen vollstreckt werden.
§ 14 Die Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen I. Die Besitzfähigkeit des Betriebsrats Voraussetzung für Ansprüche gegen den Betriebsrat auf Herausgabe von Sachen ist dessen Fähigkeit zu besitzen. Teilweise wird dem Betriebsrat diese Fähigkeit abgesprochen, da er nicht vermögensfähig s e i . 1 2 1 Nachdem aber nunmehr feststeht, daß dem Betriebsrat sehr wohl eine gewisse Vermögensfähigkeit zuzubilligen ist, läßt sich diese Behauptung nicht weiter aufrechterhalten. Es bestehen keine Bedenken, dem Betriebsrat an den zur Verfügung gestellten Sachmitteln den Besitz einzuräumen. 1 2 2 Wie die juristische Person besitzt der Betriebsrat selbst. Seine Mitglieder üben wie die Organe der juristischen Person die reine Sachherrschaft für den Betriebsrat aus. 1 2 3 Sachen, die der Betriebsrat nicht benötigt, können vom Arbeitgeber herausverlangt werden, so auch in Fall ( 1 8 ) 1 2 4 .
121 GK / Wiese, § 40, Rn. 184; Jahnke, S. 79 f. 122 So auch Galperin!Löwisch, § 40, Rn. 47; Richardi, § 40, Rn. 76; Rosset, S. 74 f. 123 Richardi, § 40, Rn. 76; Rosset, S. 74. Vgl. für die juristische Person BGHZ 56, 73, 77. '24 Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
§ 14 Die Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen
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II. Verfahrensrechtliche Fragen Weigert sich der Betriebsrat, die Sachen herauszugeben, so handelt es sich auch hier um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, die im Beschlußverfahren zu verhandeln ist. Für die Zwangsvollstreckung gelten die §§ 883 ff. ZPO. Es ergeben sich insoweit keine Besonderheiten. 125
•25 Siehe hierzu Jahnke, S. 82 f.
Abschnitt 4
Selbständige Schadensersatzansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder Wie gesehen, ist es nicht möglich, gegen den Betriebsrat als solchen wegen Schadensersatzforderungen zu vollstrecken. 1 Es fragt sich, ob dem Rechtsschutzbedürfnis der Gläubiger nach Schadensersatz etwa in den Fällen ( l ) 2 bis (8), (11) bis (16), (19) und (20) auf andere Weise genüge getan werden kann. Zunächst ist dazu die Möglichkeit der Existenz selbständiger Ansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder zu prüfen. Es sollen dabei derartige selbständige Ansprüche nur hinsichtlich derjenigen Bereiche untersucht werden, in denen schon Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium gegeben sind. 3 In bezug auf Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung gegen den Betriebsrat könnten parallele Verpflichtungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder sowohl aus Sonderverbindung als auch aus Delikt bestehen. Weiterhin ist auch zu untersuchen, ob neben den vertraglichen Schadensersatzansprüchen von außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten gegen den Betriebsrat gleichzeitig - vertragliche oder deliktische - Ansprüche gegen seine Mitglieder in Betracht kommen.
ι Siehe oben § 13 IV. Siehe zu den Beispielsfällen oben § 1 III. 3 Den Rahmen dieser Arbeit bilden Verpflichtungen des Betriebsrats als Gremium. Es geht nicht um die Haftung für Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder, vgl. oben § 1 I. 2. 2
§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers
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§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder I. Eigene Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung 1. Die Normadressaten der pflichtbegründenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes - Die bisherige Auffassung In den Fällen, in denen Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers, einzelner Arbeitnehmer und Stellenbewerber wegen Verletzung der Pflichten aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Schuldverhältnisses gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen den Betriebsrat als Gremium bestehen, ist zu untersuchen, ob nicht auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder eine solche Schadensersatzpflicht trifft. Es ist mithin herauszuarbeiten, ob die betriebsverfassungsrechtliche Sonderverbindung als gesetzliches Schuldverhältnis nicht nur im Verhältnis zum Betriebsrat als solchem, sondern darüber hinaus auch zu den einzelnen Betriebsratsmitgliedern begründet ist. Nur wenn die betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten auch den einzelnen Betriebsratsangehörigen obliegen, könnten sich aus deren Verletzung direkte Schadensersatzansprüche gegen die einzelnen Mitglieder ergeben. Die einhellige Meinung geht bislang davon aus, daß sich viele der an den Betriebsrat als Personifikation adressierten pflichtenbegründenden Vorschriften gleichzeitig an die einzelnen Mitglieder richten und parallel auch für sie Pflichten festschreiben. 4 Explizit äußert sich die Literatur dahingehend zumeist nur i m Hinblick auf das Verhältnis des Betriebsrats zum Arbeitgeber: § 2 Abs. 1 BetrVG schreibe die Kooperationsmaxime auch für die einzelnen Betriebsratsmitglieder fest. 5 Diese Ansicht wird aber auch auf die mit § 75 BetrVG in Verbindung stehenden Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern vertreten 6 . Ferner wird davon ausgegangen, auch die Vorschrift des § 74 Abs. 2 BetrVG richte sich nicht nur an den Betriebsrat als solchen, sondern gleichermaßen an seine einzelnen Mitglieder. 7
4
Hiervon wird häufig auch konkludent ausgegangen, ohne dabei besonders auf die Vorschriften des § 75 und § 2 Abs. 1 BetrVG hinzuweisen, vgl. nur Hafner, S. 74 ff.; NeumannDuesberg, 338 ff.; Nolting, S. 145 ff. 5 Belling, S. 331; Galperin! Löwisch, § 2, Rn. 6; GK /Kraft, § 2, Rn. 9; Müller, FS Herschel, S. 294 f.; Richardi, § 2, Rn. 10, m. w. N.; Witt, S. 34. 6 Belling, S. 223 f.; siehe auch Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 75, Rn. 8; GK/Kreutz, § 75, Rn. 9 m. w. N. 7 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 74, Rn. 15; GK/Kreutz, § 74, Rn. 34, 38, 131 m. w. N.; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, § 74, Rn. 15.
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Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
Zur Begründung wird von der Literatur insbesondere vorgebracht, es werde durch ihre Auffassung verhindert, daß sich die Mitglieder - zumal bei geheimer Abstimmung - in die Anonymität des Kollegialorgans flüchteten, um damit der Verantwortung zu entgehen. 8 So entwickeln verschiedene Stimmen der Literatur aus der Prämisse der Zuordnung der Pflichten auch an die einzelnen Betriebsratsmitglieder i m weiteren Verlauf Sonderverbindungen zwischen den Mitgliedern einerseits und dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmern und Stellenbewerbern andererseits, aus deren Verletzung sich Schadensersatzansprüche herleiten ließen. 9 Nur auf diesem Wege sei auch die persönliche Haftung der Betriebsratsmitglieder zu erreichen, da es i m Falle vollrechtsfähiger natürlicher Personen selbstverständlich ist, für ihre eigenen Verpflichtungen zu haften. 1 0 Das von der Literatur vorgebrachte Argument mag zwar durchaus legitim erscheinen, nur kann es nicht den letztlich gezogenen Schluß belegen. Die Begründung, es dürfe den Mitgliedern eines Gremiums nicht ermöglicht werden, sich hinter diesem zu verstecken, vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Die Vertreter der eben dargestellten Meinung gehen zwar recht in der Annahme, es wäre wohl kaum möglich, rechtswidrige Akte des Betriebsrats zu unterbinden, ohne letztlich die Mitglieder erreichen zu können. 1 1 Bei der Frage des „Erreichens" der Betriebsratsmitglieder geht es jedoch im Ergebnis um deren Haftung. Die Argumentation der Literatur mißachtet - wie so oft - die Trennung von Haftung und Verpflichtung. Es wurde bereits gezeigt, daß es rechtstheoretisch möglich ist, für die Schuld eines anderen zu haften. 1 2 So besteht nicht unbedingt eine Notwendigkeit für eine eigene Schadensersatzverpflichtung der Mitglieder als Voraussetzung für deren Haftung. Es ist also von vornherein aus rechtspolitischen Gründen keineswegs notwendig, den Kreis der direkten Adressaten der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten auf die Mitglieder auszudehnen. Aber auch das Bundesarbeitsgericht ist beispielsweise in einer Entscheidung vom 21. 02. 1978 1 3 - ohne nähere Begründung - davon ausgegangen, die Ge- und Verbote zum Schutze des Arbeitgebers richteten sich gleichermaßen an den Betriebsrat als Gremium als auch an dessen einzelne Mitglieder. Die moderne arbeitsgerichtliche Rechtsprechung in Deutschland hat von diesen Pflichten jedoch auf 8
Belling, S. 224. Im weiteren Verlauf führt Belling noch als Begründung an, Zurechnungsendpunkt des Betriebsratshandelns sei nicht der Betriebsrat selbst, sondern die Belegschaft. Der Betriebsrat sei somit vergleichbar mit einem Organ. Daraus wiederum folge, daß die Pflichten des Organwalters mit denen des Organs kongruent seien, ders., S. 225. Die Ansicht der Belegschaft als Endzurechnungspunkt des Betriebsratshandelns wurde jedoch schon oben unter § 4 II. abgelehnt. 9 So insbesondere Hafner, S. 59 ff.; Neuman-Duesberg, S. 334 ff.; Nolting, S. 78 ff.; ebenso Belling, S. 223 ff. Ό Vgl. Pawlowksi, Rn. 101. h So Belling, S. 224. ι 2 Siehe oben § 3 II. 13 BAG AP Nr. 1 zu § 74 BetrVG.
§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers
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keinerlei gesetzliche Sonderverbindung von Arbeitgeber oder Arbeitnehmern zu den einzelnen Betriebsratsmitgliedern geschlossen, sondern haftungsrechtliche Fragen lediglich unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten gesehen. 14 Da in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung also keinerlei haftungsrechtliche Konsequenzen aus den Pflichten gezogen wurden, fehlt ihr insofern natürlich die Brisanz. Dementsprechend konnte es sich die Gerichtsbarkeit erlauben, das Thema einigermaßen oberflächlich zu behandeln und die von ihr favorisierte Konstruktion nicht eingehender zu untersuchen.
2. Alleinige Zuordnung der Schutzpflichten an den Betriebsrat a) Regelmäßige Unfähigkeit der einzelnen Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung der Schutzpflichten Daß sich die in dieser Arbeit behandelten Schutzpflichten entgegen der einhelligen Meinung allein auf den Betriebsrat als solchen beziehen und nur dieser entsprechender Pflichtträger ist, ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Als wichtige Überlegung läßt sich zunächst anführen, daß die einzelnen Betriebsratsmitglieder jeder für sich die meisten der den Normen der §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2, 75 und 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entspringenden Pflichten gar nicht erfüllen könnten. Sie können nur zusammen mit anderen innerhalb des Gremiums Betriebsrat mehrheitlich Beschlüsse fassen. Ihre Einwirkungsmöglichkeit ist auf die Abgabe der Einzelstimmen beschränkt. Nur innerhalb dieser Beschlüsse ist aber der Betriebsrat handlungsfähig, da er allein innerhalb dieser Beschlüsse durch den Vorsitzenden gemäß § 26 Abs. 2 BetrVG nach außen vertreten werden kann. So stellt Wolff klar, dem einzelnen Mitglied eines Organs könne keineswegs die Pflicht obliegen, Willenserklärungen des Organs abzugeben, dem er angehört. Dies wäre ihm unmöglich. Die Pflicht des einzelnen Mitglieds besteht allein darin, seinen eigenen Willen in der organisationsgemäßen Weise zu erklären. Durch die Vielzahl dieser einzelnen Willenerklärungen entstehe erst mittels besonderer Organisationsnormen die Willenserklärung des Organs selbst. 15 So können die einzelnen Betriebsratsmitglieder von vornherein nicht nach § 2 Abs. 1 BetrVG „zum Wohl des Betriebes" mit dem Arbeitgeber zusammenarbeiten. Eine solche Zusammenarbeit verlangt wirksame Beschlüsse, die sie allein nicht erbringen können. Gleiches gilt für die Pflichten aus § 75 BetrVG. Dies ergibt sich zunächst eindeutig für den Bereich der Mitbestimmungsrechte. Hier ist es schlechthin nicht vorstellbar, daß einzelne Betriebsratsmitglieder allein handeln könnten. Schwieriger gestaltet sich allerdings die Beurteilung im Falle von möglichen Verstößen gegen § 74 Abs. 2 BetrVG. So ist es durchaus denkbar, daß ein einzelnes Betriebsratsmitglied zum Streik aufruft, 14 Vgl. hierzu Belling, S. 17 ff.
is Wolff,
Bd. II, S. 244 f.
122
Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
etwa i m Beispielsfall (16) 1 6 . Nach der bisherigen Meinung soll ein derartiges Verhalten eines einzelnen Mitglieds einen Verstoß gegen § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG darstellen. Hierbei verstrickt man sich allerdings in schier unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten zum Recht auf gewerkschaftliche Betätigung in § 74 Abs. 3 B e t r V G . 1 7 Die Frage, wann sich ein Betriebsratsmitglied in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsmitglied und Arbeitnehmer betätigt und wann als Betriebsratsmitglied, ist nicht scharf zu beantworten. Dies liegt u. a. daran, daß die Betriebsratsmitglieder häufig als solche im Betrieb bekannt sind und bei ihrer gewerkschaftlichen Betätigung notgedrungen immer auch das Gewicht ihres Betriebsratsamtes ins Spiel gebracht w i r d . 1 8 Da der Betriebsrat nach § 26 Abs. 2 BetrVG nach außen immer nur vom Vorsitzenden i m Rahmen der gefaßten Beschlüsse vertreten wird, ist es dagegen überzeugender, daß auch nur auf diese Weise gegen das sich an den Betriebsrat als solchen richtende Verbot des § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verstoßen werden kann. Ein Verstoß eines einzelnen Mitglieds ist nicht möglich. Nach all dem kann Weber nicht gefolgt werden, wenn er behauptet, die Tatsache, das Betriebsratsmitglied könne seine Schutzfunktion nur zusammen mit anderen ausüben, betreffe nur die Form seiner Pflichterfüllung, nicht dagegen ihren Inhalt. 1 9 Letztlich würde dies eine gemeinschaftliche Schuld aller Betriebsratsmitglieder bedeuten. Alle Betriebsratsmitglieder müßten verklagt werden, um die Erfüllung der Pflicht durchsetzen zu können. Eine Pflichtverletzung durch einzelne Betriebsratsmitglieder wäre hingegen theoretisch etwa i m Fall (8) zunächst denkbar. Bei der Auskunftserteilung handelt es sich um eine reine Wissenserklärung und somit mangels Rechtsbindungswillen nicht um eine Willenserklärung. 2 0 Es besteht keine Notwendigkeit für eine vorherige Beschlußfassung nach § 33 BetrVG. Eine solche wäre auch vollkommen unpraktikabel. Dennoch ist zu bedenken, daß das Abhalten der Sprechstunden gemäß § 39 BetrVG dem Betriebsrat als solchem obliegt. Daß die Auskunftserteilung letztlich, obwohl sie von einem einzelnen Mitglied durchgeführt wird, dennoch dem Betriebsrat allein zuzurechnen ist, ergibt sich aus dem Folgenden.
b) Die Theorie der Einheitszuständigkeit Die letztlich ausschlaggebende Begründung gegen eine gleichzeitige Verpflichtung der Betriebsratsmitglieder durch die Normen der §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2, 75 und 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist rechtsdogmatischer Art. Nachdem herausgearbeitet wurde, daß der Betriebsrat als solcher Träger der betriebsverfassungsrechtlichen 16
•7 18 19 20
Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. Siehe nur GK/Kreutz, § 74, Rn. 34, 148. BVerfG v. 26. 05. 1970 AP Nr. 16 zu Art. 9 GG; GK/Kreutz, Weber, DB 1992, S. 2136, 2138. Vgl. MünchKomm / Kramer, 4. Aufl., vor § 116, Rn. 35.
§ 74, Rn. 148.
§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des A r b e i t g e b e r s 1 2 3
Pflichten ist, müssen endlich die Konsequenzen aus dieser Prämisse gezogen werden. Auch die Zuordnung von Schuldverpflichtungen - also die Pflichtfähigkeit ist Bestandteil der Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne. Die Folge einer solchen Zuordnung von Rechten - bzw. in unserem Falle insbesondere der Pflichten - kann mit dem Begriff der Rechtszuständigkeit beschrieben werden. Nach Fabricius bezeichnet diese Rechtszuständigkeit die Verknüpfung einer subjektiven Berechtigung oder Verpflichtung mit einem Rechtssubjekt. 21 Eine solche Verknüpfung einer Pflicht kann allerdings jeweils nur zu einem Rechtssubjekt bestehen - man spricht von der sogenannten Einheitszuständigkeit 22 Rechte und Pflichten sind Relationen, also Beziehungen von Mensch zu Mensch bzw. vom Menschen zu einer Sache. 23 Eine solche Relation besteht in der Form des Identischen. Sie ist jeweils das Eine i m Gegensatz zum Anderen, wobei es i m Logischen natürlich nur das Eine oder das Andere gibt. Hieraus folgt wiederum zwingend, daß an die Stelle des einen Subjektes innerhalb einer Relation zwischen zwei Subjekten nicht mehrere Subjekte treten können. Das eine Subjekt kann also nur mit einer Einheit (also die durch die Relation zwischen zwei Subjekten geschaffene Einheit) in Beziehung stehen. Es folgt weiterhin, daß das Subjekt auch nur mit einer einzigen Einheit in Beziehung steht. 2 4 Die Verknüpfung eines „Bandes" mit einem Subjekt ist an jedem seiner Enden lediglich mit einem Endpunkt denkbar. 25 Die eine Pflicht kann folglich nur einem Subjekt zugeordnet werden. Eine Mehrfachzuständigkeit gibt es nicht. Es muß sich demnach in Fällen mehrfacher Zuordnungen stets um eine Vielzahl identischer Rechte und Pflichten handeln. Letzteres ist nach Fabricius beispielsweise der Fall bei der Gesamtschuld. 26 Für den Fall der Gesamtschuld legt § 4 2 1 BGB aber explizit fest, daß mehrere Schuldner schulden. Eine solche Bestimmung mehrerer Pflichtadressaten findet sich i m Betriebsverfassungsrecht bei den hier zu untersuchenden Vorschriften dagegen gerade nicht. Vielmehr wird in den §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2, 75 und 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG allein der Betriebsrat als solcher angesprochen. 27 Das Argument Bellings, der Gesetzgeber habe sich um die Konstruktion der pflichtenbegründenden Vorschriften keine Gedanken gemacht und die Adressaten häufig ungenau bezeichnet 28 , vermag nicht zu überzeugen.
21 Fabricius, S. 3, FN 1. 22 Fabricius, S. 118 ff. 23 Fabricius, S. 118. An dieser Stelle spricht Fabricius allerdings nur von subjektiven Rechten. Im weiteren Verlauf seiner Untersuchung der Einheitszuständigkeit macht er allerdings deutlich, daß sich seine Ausführungen sowohl auf Rechte als auch Pflichten beziehen, vgl. beispielsweise ders., S. 120. 24 Fabricius, S. 118 f. 25 Fabricius, S. 121. 26 Fabricius, S. 122. 27 In bezug auf § 74 Abs. 2 BetrVG halten auch Becker/ Leimert, BIStSozArbR 1972, S. 37, 42 und Schumann in Däubler, Arbeitskampfrecht, Anm. 175, den Wortlaut der Vorschrift für eindeutig und ordnen die Pflicht lediglich dem Betriebsrat als solchem zu. 28 Belling, S. 332.
124
Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
Zwar kommt es vor, daß sich der Gesetzgeber teilweise nicht der juristischen Kunstsprache, sondern der allgemeinen und damit untechnischen und ungenaueren Diktion bedient, insbesondere wenn er sich an den Bürger wendet, um von diesem verstanden zu werden. 2 9 Somit wäre es theoretisch möglich, daß der Gesetzgeber zwar „Betriebsrat" sagt, aber zumindest auch die Betriebsratsmitglieder meint. A l lerdings ist zu bedenken, daß man sich i m Rahmen der wörtlichen Auslegung an den Wortlaut zu halten hat, so wie er sich nach einer grammatikalischen und logischen Interpretation darstellt. 3 0 Das Betriebsverfassungsgesetz scheint jedoch genau zu unterscheiden: In den §§ 2 Abs. 1, 74, 75, 99 Abs. 2 , 102 und 103 BetrVG wird stets der Betriebsrat selbst bezeichnet, wohingegen sich die Vorschriften, welche die Verschwiegenheit betreffen, an die einzelnen Mitglieder wenden, vgl. §§ 79 Abs. 1, 82 Abs. 2 Satz 3, 83 Abs. 1 Satz 3, 99 Abs. 1 Satz 3 und 107 Abs. 3 Satz 4 BetrVG. So findet sich eine unterschiedliche Adressierung in den Fällen der Vorschriften der § § 7 9 und 80 BetrVG sogar innerhalb eines Abschnittes in zwei aufeinanderfolgenden Regelungen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß eine solch exakte Differenzierung zufällig sein sollte. Dies spricht gegen eine unbedachte Verwendung der Begriffe durch den Gesetzgeber. Die Auslegung nach dem Wortlaut und der Systematik ergibt demnach eindeutig die alternative Zuordnung an den jeweils einen oder anderen, nicht an beide. Hätte das Betriebsverfassungsgesetz mehrere Pflichten auferlegen wollen, hätte der Gesetzgeber das auch deutlich gemacht. Konsequenz der Pflichtträgerschaft des Betriebsrats ist demnach die alleinige Zuordnung an diesen.
c) Bedeutung der Pflichtträgerschaft Von der Literatur wird zur Begründung für die Beziehung der Pflichten auch auf die einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgeführt, der Betriebsrat trete überhaupt nur durch deren Tätigkeit in Erscheinung 31 , er sei nur durch seine Mitglieder handlungsfähig. 3 2 Richtig ist, daß die interne Willensbildung des Betriebsrats gemäß § 33 BetrVG durch die Mitglieder zu erfolgen hat. Der Betriebsrat wird daraufhin nach außen hin durch seinen Vorsitzenden i m Rahmen dieser Beschlüsse vertreten, § 26 Abs. 2 B e t r V G . 3 3 Eine Zuordnung der Pflichten des Betriebsrats auch an seine Mitglieder läßt sich jedoch mit diesem Argument der Literatur nicht stützen. Die alleinige Zuordnung der Pflichten an den Betriebsrat läßt sich durch eine genaue Betrachtung der Pflichtfähigkeit als Teil der Rechtsfähigkeit i m weiteren Sinne aufzeigen. Die Trägerschaft einer Rechtspflicht bedeutet im einzelnen fol29
Larenz., Methodenlehre, S. 141. Pawlowksi, Methodenlehre, Rn. 360. 31 Müller, FS Herschel, S. 295. 32 Β roxi Rüthers, Rn. 406; GK /Kreutz, § 74, Rn. 34. 33 Kreutz, S. 34. 30
§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers
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gendes 34 : Jede Verpflichtung beschreibt letztlich menschliches Verhalten. Daraus folgt jedoch nicht, daß der Träger der Pflicht, also das Zuordnungssubjekt, ein Mensch sein muß. Insbesondere bei nichtmenschlichen Personifikationen kommt als Pflicht der Personifikation selbst von vornherein nur eine Verhaltensbeschreibung für ihre Organisationsangehörigen in Betracht, d. h. ihre abstrakte Handlungsorganisation verweist hinsichtlich der Verhaltensbeschreibung weiter und bestimmt deren konkreten Adressaten. Hierbei handelt es sich wohlgemerkt um den Adressaten der Verhaltensbeschreibung und nicht der Pflicht selbst! Träger der Pflicht bleibt die nichtmenschliche Personifikation. Die Nicht- bzw. Schlechterfüllung der Verhaltenspflicht durch die Mitglieder der Handlungsorganisation kann zu Schadensersatzforderungen gegen die Personifikation führen. 3 5 Hieraus ergibt sich, daß auch in Fällen, in denen die Pflicht selbst dem Betriebsrat als Ganzes zugeordnet wird, die Verhaltensbeschreibung, die notwendig ist, um den Anspruch zu erfüllen, einzelne Mitglieder der Organisation treffen kann, ohne daß die eigentliche Pflicht ihnen selbst zugeordnet würde.
d) Fehlende Außenwirkung der Amtspflichten der Betriebsratsmitglieder Nun konstatiert Wolff aber außerdem, Verpflichtungen, die abbreviativ einem Kollegialorgan zugeschrieben seien, richteten sich eigentlich an die einzelnen Angehörigen dieses Organs. 36 Hierbei ist zunächst unbedingt darauf hinzuweisen, daß die Organe juristischer Personen, von denen Wolff spricht, keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und somit i m Gegensatz zum Betriebsrat nicht selbst Träger der Pflichten sind. Die „Organe" des Betriebsrats sind letztlich seine Mitglieder. Wichtiger ist aber, daß es sich bei diesen von Wolff angesprochenen Pflichten nicht um nach außen wirkende Pflichten handelt, sondern um Pflichten als „Amtswalter", also um Amtspflichten. Auch die rein internen Verhaltensbeschreibungen, die sich an die einzelnen Mitglieder der Handlungsorganisation des Betriebsrats richten, sind solche - allein i m Innenverhältnis bestehenden - Amtspflichten. Sie obliegen in der Tat den einzelnen Kollegialangehörigen. Auch die Amtshaftung nach § 839 BGB stellt - genauer betrachtet - nach herrschender Lehre und der Rechtsprechung nicht auf die Rechtspflichten des Staates gegenüber dem Bürger ab, sondern vielmehr auf die internen Amtspflichten, die dem Amtswalter gegenüber dem Staat obliegen. 3 7 Ein Anspruch des geschädigten Dritten ergibt sich auch nur auf-
34 Siehe zum Folgenden John, S. 228 f. 35 Bei der Haftung im Sinne der zwangsweisen Durchsetzung wiederum muß anschließend festgestellt werden, gegen welchen Haftungsverband sie sich zu richten hat, siehe dazu unten insbesondere § 19 II. 4. b) cc). 36 Wolff, Bd. II, S. 244. 37 BGH, NJW 1977, S. 713, 713; Maurer, § 25, Rn. 16; Ossenbühl, S. 55; Soergel/ Vinke, 12. Aufl., § 839, Rn. 133; Wolff /Bachof/Stober, Bd. II, § 67 IV., Rn. 63.
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Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
grund der Vorschrift des § 839 BGB. Ohne diese Regelung wären die Ansprüche auf das allgemeine Deliktsrecht beschränkt. 38 Durch die in § 839 BGB normierte Amtshaftung wird die an sich interne Amtspflicht gegenüber dem Staat, an die zunächst angeknüpft wird, in eine solche mit Außenwirkung gegen Dritte umgestaltet. 3 9 Auch die einzelnen Betriebsratsangehörigen bekleiden gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG ein A m t . 4 0 Die sich hieraus ergebenden Amtspflichten sind wie die der Beamten des öffentlichen Rechts rein interner Natur. Sie werden nicht durch die nach außen wirkenden Pflichten des Betriebsrats bestimmt, sondern beschränken sich auf ordnungsgemäßes Befolgen der Verhaltensbeschreibungen gegenüber dem Betriebsrat als Rechtsträger. 41 I m Unterschied zum öffentlichen Recht existiert aber auf dem Gebiet der Betriebsverfassung keine der Regelung des § 839 BGB vergleichbare Vorschrift. § 839 BGB ist auch nicht analogiefähig. 42 Es handelt sich um eine Sonderbestimmung zum allgemeinen Deliktsrecht 4 3 mit einer ganz speziellen historischen Entwicklung. 4 4 Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die enge Fassung dieser Vorschrift absichtlich wählte. Hierdurch aber wird der Analogieschluß unmöglich 4 5
e) Die Regelung des § 23 Abs. 1 BetrVG als Argument der Gegenmeinung Nun wird zur Stützung der parallelen Zuordnung der Pflichten auch an die einzelnen Betriebsratsmitglieder die Vorschrift des § 23 Abs. 1 BetrVG ins Felde geführt. 4 6 Diese Regelung sieht u. a. den Ausschluß eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner - also des Mitglieds - gesetzlichen Pflichten vor. Die Regelung des § 23 Abs. 1 BetrVG wird gemeinhin dahingehend interpretiert, daß mit diesen gesetzlichen Pflichten sowohl die explizit den einzelnen Betriebsratsmitgliedern zugeschriebenen Verpflichtungen wie etwa solche aus § 79 BetrVG gemeint seien, als auch diejenigen, die das Gesetz für den Betriebsrat selbst vorsehe, wenn sie zugleich den Pflichtenkreis der einzelnen Mitglieder bestimmen. 4 7 Soeben wurde aber erläutert, daß die Mitglieder als Pflichtadressaten 38 Palandt / Thomas, § 839, Rn. 1. 39 Soergel/ Vinke, 12. Aufl., § 839, Rn. 133. 40 GK /Wiese, § 37, Rn. 7. 41 In diesem Sinne kann man wohl auch Däublerl Kittner/ Klebe, § 75, Rn. 4, deuten, der konstatiert, auch das einzelne Betriebsratsmitglied müsse „bei seiner Amtsführung die in § 75 BetrVG festgelegten Grundsätze beachten". 42 Ocker, S. 165; Preuß, S. 103; a.A. Müller, S. 104 ff. 43 RGRK / Kreft, § 839, Rn. 11. 44 Vgl. MünchKomm /Papier, 3. Aufl., § 839, Rn. 5 ff. 45 Enneccerus/Nipperdey, Bd. I 1, S. 341. 46 Vgl. Belling, S. 227. 47 Vgl. nur Richardi, § 23, Rn. 12.
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der §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2, 75, 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausscheiden. Eine Begrenzung der in § 23 Abs. 1 BetrVG bezeichneten gesetzlichen Pflichten auf Vorschriften wie die des § 79 BetrVG würde jedoch zur einer unzulässigen Beschneidung des Wirkungskreises des § 23 Abs. 1 BetrVG führen und diese Regelung nahezu leer laufen lassen. Durch eine solche Beschränkung würde in der Tat ein starkes Argument dafür geliefert, hinsichtlich der dem Betriebsrat zugeordneten Pflichten auch seinen einzelnen Mitglieder als Adressaten zu betrachten. Vorschriften dürfen eben nicht derart ausgelegt werden, daß die Folge ihre Zweck- oder Funktionslosigkeit bedeuten würde. 4 8 Dieses scheinbare Problem ist allerdings dahingehend aufzulösen, daß sich die Formulierung des § 23 Abs. 1 BetrVG („seiner gesetzlichen Pflichten") nicht auf Rechtspflichten beschränkt, sondern die den Betriebsratsmitgliedern obliegenden rein internen Amtspflichten als Verhaltensbeschreibungen, die sich indirekt aus den betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten des Betriebsrats ergeben, mit einbezieht. 49 Die Regelung des § 23 Abs. 1 BetrVG widerspricht demnach nicht der Beschränkung des Kreises der Pflichtadressaten auf den Betriebsrat als solchen.
f) Zwischenergebnis Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß auf den Gebieten, auf denen betriebsverfassungsrechtliche Sonderverbindungen zum Betriebsrat als Gremium bestehen, kein Raum für Sonderverbindungen zu den einzelnen Betriebsratsmitgliedern verbleibt. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, die gegenteilige Ansicht der Literatur scheue sich davor, mit der Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats ernst zu machen. Gerade bei den Literaturstimmen, die zunächst richtigerweise eine Pflichtfähigkeit des Betriebsrats belegen 5 0 , erscheint die gleichzeitige Zuordnung der Pflichten an die einzelnen Mitglieder 5 1 wie eine Relativierung dieser Erkenntnis, um die haftungsrechtlichen Probleme zu umgehen. Diese haftungsrechtlichen Probleme sind jedoch auf andere Weise zu lösen, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch zu zeigen sein w i r d . 5 2 Direkte Schadensersatzansprüche gegen die Betriebsratsmitglieder aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung sind dazu nicht notwendig und sind zu verneinen.
48 Bydlinski, S. 444. 49 Auch Belling , S. 191, stellt fest, § 23 Abs. 1 BetrVG umfasse auch solche Pflichten, die keinen „drittschützenden Charakter" aufwiesen. In der Tat sind solche reinen Verhaltensbeschreibungen auch keineswegs drittschützend, da sie letztlich nur gegenüber dem Betriebsrat bestehen. 50 So etwa Belling, S. 222. 51 So etwa Belling, S. 223 ff. 52 Siehe unten §§ 17-21.
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II. Eigene deliktische Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz 1. Allgemeines Nachdem nunmehr festgestellt worden ist, daß sich gegen die Betriebsratsmitglieder keine eigenen Schadensersatzverpflichtungen aus betriebsverfassungsrechtlichem Sonderverhältnis ergeben, bleibt jedoch weiterhin problematisch, inwieweit sich vielleicht aber damit deckungsgleiche selbständige Ansprüche aus unerlaubter Handlung ergeben können. Es sei noch einmal klargestellt, daß hier nur geprüft werden soll, ob sich deliktische Ansprüche dort ergeben, wo bereits Ansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium aus Sonderverbindung bestehen.
2. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatzansprüche gegen die Betriebsratsmitglieder selbst könnten sich zunächst aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung absoluter Rechte ergeben. Hinsichtlich der Ansprüche des Arbeitgebers wird eine Verletzung absoluter Rechte des Körpers, Eigentums o.ä. nicht allzu häufig praktisch relevant werden. 5 3 Dennoch dürften derartige Konstellationen auch auf dem Gebiet der Sonderverbindungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht gänzlich auszuschließen sein. So ist in der Tat i m Beispielsfall (11) durch den Brand neben dem Produktionsausfall auch eine Eigentumsverletzung an den Betriebsmitteln des Arbeitgebers verursacht worden. In einem solchen Fall besteht ein Direktanspruch auf Schadensersatz gegen die betreffenden Mitglieder aus § 823 Abs. 1 BGB. Verletzungen der absoluten Rechte der Arbeitnehmer dürfte in der Praxis ebenfalls selten vorkommen. Ein Beispiel hierfür wäre allerdings die Gesundheitsschädigung in Fall (4).
3. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB Ansprüche gegen die Betriebsratsmitglieder aus 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen scheiden dort, wo Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Pflichten aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Schuldverhältnisses gegen den Betriebsrat als solchen in Betracht kommen, von vornherein aus. Die durchaus schwierige Problematik der Schutzgesetzqualität einzelner Vorschriften aus dem Betriebsverfassungsgesetz kann hier offen gelassen werden. Adressat der pflichtenbegründenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes - und nur solche 53 Gramm, B. III. 2. b) bb.
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kommen i m Rahmen dieser Arbeit als Schutzgesetze in Frage - ist ausschließlich der Betriebsrat. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder können nicht gegen diese Normen verstoßen, da sie diesbezüglich nicht Pflichtadressaten bzw. Pflichtträger sind. Amtspflichten kommen als Schutzgesetz nicht in Betracht, da sie keine Rechtsnormen darstellen.
4. Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB Der Tatbestand des § 826 BGB unterliegt nicht der Beschränkung auf Verletzungen bestimmter Rechtsgüter. Diese Erweiterung wird wiederum durch das Erfordernis der vorsätzlichen Schädigung und der Sittenwidrigkeit stark eingeschränkt. 54 Wie weit diese Eingrenzung reicht und ob bzw. in welchen Fällen der Tatbestand des § 826 BGB überhaupt geeignet ist, um dort, wo Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung bestehen, auch deliktische Ansprüche gegen die einzelnen Mitglieder zu begründen, soll i m Folgenden untersucht werden. In der Tat wird das Eingreifen der sittenwidrigen und vorsätzlichen Schädigung von vielen Autoren auf dem Gebiet der Betriebsverfassung nicht generell ausgeschlossen. 55 Allerdings werden diesem Anwendungsbereich zumeist ausgesprochen enge Grenzen gesetzt. So wird das tatbestandliche Vorliegen wohl in der großen Mehrzahl der Fälle kaum nachweisbar sein. 5 6 Auch bejahen beispielsweise Hueck/Nipperdey das tatbestandliche Vorliegen des § 826 BGB mit Blick auf Betriebsratshandeln lediglich in besonders schwerwiegenden Fällen. 5 7 Bei solchermaßen pauschalen Aussagen darf man es allerdings nicht belassen. Was nun ein schwerwiegender Fall sei, muß genauer dargelegt werden. Es ist allgemein anerkannt, daß Sittenwidrigkeit auch bei Mißbrauch einer Macht- oder Amtsstellung gegeben sein kann. 5 8 Eine solche Schädigung kann in der Tat insbesondere in Fällen anzunehmen sein, in denen der Betriebsrat einen unsachgemäßen oder unrechtmäßigen Beschluß bei der Ausübung des personellen Mitbestimmungsrechts faßt oder die Entlassung eines Arbeitnehmers bewirkt. 5 9 Hingegen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 826 BGB zu eng, als daß man unsachgemäße oder unrechtmäßige Beweggründe bei Mitwirkungshandlungen des Betriebsrats schlechthin unter die Vorschrift subsumieren könnte. Die Ausübung
54 Vgl. Palandt /Thomas, § 826, Rn. 1 ff. 55 So Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 230; GK/Kraft, § 1, Rn. 84; Hess!Schlochauer/ Glaubitz, vor § 1, Rn. 38. 56 So Benner, AuR 1955, S. 165, 167; Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 36 ff.; Nolting, S. 110. 57 Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1107; so auch Reiß, S. 125. 58 Junker, S. 97; Nolting, S. 111. 59 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § l,Rn. 231. 9 Triebel
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des Mitbestimmungsrechtes muß gerade in sittenwidriger Weise geschehen. 60 Die Ausnutzung der Amtsstellung muß dafür als grob mißbräuchlich anzusehen sein. 6 1 Nach der immer noch geltenden Definition des Reichsgerichts ist von einem Sittenverstoß dann auszugehen, wenn ein Handeln dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zuwiderläuft. 6 2 Allerdings unterliegt die Beurteilung dem Wandel der Zeiten und Anschauungen. 63 Gerade im Arbeitsrecht ist der Begriff der Sittenwidrigkeit einem ständigen Interpretationswandel unterlegen, so daß sich nicht allgemeingültig sagen läßt, wann ein Handeln als sittenwidrig einzustufen ist und wann nicht. 6 4 Es ist i m Rahmen der Amtsführung des Betriebsrats ohne weiteres denkbar, daß der Betriebsrat bewußt und gewollt vom Arbeitgeber ein Vermögensopfer verlangt, ohne daß ihm hierbei ein Verstoß gegen die guten Sitten vorzuwerfen wäre. 6 5 So wäre beispielsweise im Fall (1) bis (3), (5) und (12) Sittenwidrigkeit unter den Umständen zu bejahen, daß das Betriebsratshandeln aus politischen (etwa wegen fehlender Gewerkschaftszugehörigkeit) oder rassistischen Gründen erfolgt wäre 6 6 , ebenso, wenn gar etwa in Fall (1), (3), (5) und (12) falsche Unterlagen vorgelegt worden wären. 6 7 Auch i m Fall (16) wäre unter Umständen an eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung zu denken. 6 8 Dennoch sollte man bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Streikaufrufen durch den Betriebsrat äußerste Vorsicht walten lassen. 69 Es mag im Einzelfall durchaus vorkommen, daß der Betriebsrat die i m Hinblick auf das Streikrecht gesetzten gesetzlichen Grenzen überschreitet, ohne sich dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit auszusetzen. Früher wurde teilweise behauptet, die Anwendung des § 826 BGB in Verbindung mit Arbeitskämpfen auf betrieblicher Ebene sei stets eine äußerst mißliche Sache, denn der Betriebsrat habe j a schließlich nichts anderes getan als das, was Millionen von Menschen billigten. Man könne daher nicht von Sittenwidrigkeit sprechen. 70 Ferner wurde in einer Entscheidung des Reichsgerichts 71 vom 17. 05. 1926 aus der Weimarer Republik die Sittenwidrigkeit des Arbeitsniederlegungsaufrufes durch den Betriebsrat abgelehnt: Dort hatte ein Betriebsrat die Belegschaft zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, weil es ihm als das einzig probate Mittel erschienen war, eine vom Arbeitgeber angedrohte Entlassung zur Durchsetzung von Mehrarbeit zu 60 Fitting /Kaiser /Heither /Engels, § l,Rn. 231. 61 Reiß, S. 101. 62 RGZ 48, 114, 124\ Nolting, S. 111. 63 Nolting, S. 111. 64 Junker, S. 96; Nolting, S. 111. 65 Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 3; Reiß, S. 125. 66 Vgl. Gramm, Β. I. 2. b) dd.; Junker, S. 97; Nolting, S. 111. 67 Vgl. Gesten AuR 1959, S. 326, 331; Gramm, B. II. 2. b) dd.; Reiß, S. 126. 68 So für ähnliche Konstellationen hinsichtlich der Streikandrohung wohl auch Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 3; Reiß, S. 125 f. 69 Zum Folgenden Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 4. 70 Nipperdey, Anm. zu KG, JW 1925, S. 269, 269. 71 RG, JW 1927, S. 797.
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verhindern. Das Gericht nahm an, guter Glaube schließe die Sittenwidrigkeit aus. Teilweise wurde sogar davon ausgegangen, auch ein schuldhafter Rechtsirrtum falle solange nicht in den Bereich der Sittenwidrigkeit, als die Fehleinschätzung der rechtlichen Situation nicht auf einer gewissenlosen Einstellung beruhe. 7 2 Allerdings dürfte heute ein strengerer Maßstab anzusetzen sein, nachdem die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsgesetzgebung auf eine längere historische Entwicklung zurückblicken k a n n 7 3 und die Tatsache nicht außer acht gelassen werden darf, daß zur Zeit der Entscheidung § 66 Ziffer 3 BRG 1920 kein ausdrückliches und absolutes Verbot des Arbeitskampfes vorsah, sondern lediglich das Gebot enthielt, den Betrieb vor Erschütterungen zu bewahren. 74 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Tatbestand des § 826 BGB nur in seltenen Fällen erfüllt sein dürfte. Des weiteren werden in der Praxis häufig Beweisschwierigkeiten bestehen, an denen eine Durchsetzung solcher Ansprüche scheitern würde.
5. Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Rahmenrechten a) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Schließlich kommen noch Schadensersatzansprüche aus der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung von sogenannten Rahmenrechten in Betracht. I m Hinblick auf den Arbeitgeber ist zu untersuchen, in welchen Fällen eine Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb 75 vorliegt. Unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Handlungen der Betriebsratsmitglieder anzunehmen ist, ist heftig umstritten. Das Recht am Gewerbebetrieb wird von der Rechtsprechung seit langem anerkannt und als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eingeordnet. 76 Heute folgt man dem Bundesgerichtshof 77 , der den Schutzbereich des Rechts am Gewerbebetrieb unter Aufgabe der Beschränkung des Reichsgerichts 78 auf Angriffe auf den Bestand des Gewerbebetriebs dahingehend ausdehnte, daß nunmehr auch die freie berufliche und gewerbliche Betätigung umfaßt ist. 7 9 U m eine AusVgl. h i e r z u Junker, S. 98; Joachim, DBV 1955, 73 Junker, S. 98. 74 Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 3. 72
Nr.
11, S. 3.
75 Im Folgenden: „Gewerbebetrieb". 76 So schon RGZ 58, 24, 30; Β GHZ 45, 307; vgl. nur Brox, SR BT, S. 462 ff.; Palandt! Thomas, § 823, Rn. 19. 77 BGHZ 3, 279; 8, 144. 78 RGZ 64, 52; 65, 213; 100, 214; 135, 247. 79 Fikentscher, SR, Rn. 1219; Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1109; Nikisch, Bd. III, S. 174. 9*
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uferung der Haftung dieses einigermaßen konturlosen Rechts zu begegnen, hat die Rechtsprechung Beschränkungen unter anderem dadurch vorgenommen, daß Eingriffe nur unmittelbare, d. h. betriebsbezogene seien. 80 M i t Blick auf die vorliegende Problematik wird teilweise davon ausgegangen, jedes dem Arbeitgeber nachteilige Betriebsratshandeln sei stets unmittelbar auf den Betrieb gerichtet und stelle somit automatisch einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Arbeitgebers dar. 8 1 Der wohl überwiegende Teil in der Literatur hält hingegen einen Eingriff in den Gewerbebetrieb zumindest auf dem Gebiet der Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechte für fragwürdig. 8 2 Teilweise wird die Möglichkeit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb durch Betriebsratsmitglieder gänzlich ausgeschlossen. Vertreter dieser Ansicht begründen dies mit der entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung des Eingriffes in den Gewerbebetrieb, die i m Wettbewerbsrecht liegt. Dort aber handele es sich ganz typischerweise um Eingriffe, die von außen in den Gewerbebetrieb erfolgten. Der Verstoß des Betriebsrats hingegen stelle eine rein innerbetriebliche Funktionsstörung dar. Ein solcher Verstoß könne keinen Eingriff in den Gewerbebetrieb bedeuten, denn das würde bedeuten, den Betriebsrat als etwas Fremdes und Außenstehendes zu begreifen. 8 3 Gegen einen Eingriff in den Gewerbebetrieb durch Betriebsratsmitglieder in Ausführung der Betriebsratsaufgaben spricht in der Tat schon das Argument der fehlenden Außenstellung - also die Qualifikation solcher Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen als innerbetriebliche Funktionsstörung. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß dem Betriebsrat zwar in weitaus größerem Maße Selbständigkeit zukommt, als dies bisher in Rechtsprechung und Literatur angenommen wurde. Diese sich aus der auf vielen Gebieten bestehenden Teilrechtsfähigkeit ergebende Selbständigkeit rechtfertigt es jedoch nicht, den Betriebsrat als einen wenn auch in die Betriebsstruktur eingebetteten - Fremdkörper zu betrachten. Nach ganz herrschender Meinung ist der Betriebsrat eben nicht nur Repräsentant der Belegschaft, sondern auch Verfassungsorgan des Betriebs selbst. 84 Er bildet in der Tat einen Teil des Betriebs. Dies zeigt sich eben gerade dadurch, daß seine Rechtsfähigkeit in der Betriebsverfassung seine Grenzen findet. Entscheidend für die Frage des Eingriffs in den Gewerbebetrieb dürfte hingegen das Unmittelbarkeitskriterium sein. 8 5 Hiernach liegt kein Eingriff vor bei nur mittelbarer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs durch ein außerhalb eingetretenes mit seiner Wesenseigentümlichkeit nicht in Beziehung stehendes Schadensereig80 Medicus, SR Bd. II, Rn. 819 f. 81 Derleder, AuR 1980, S. 360, 362 f., der allerdings infolgedessen § 823 Abs. 1 BGB innerhalb der Betriebsverfassung für unanwendbar erklärt. 82 Gramm, B. III. 2. b) bb.; Reiß, S. 110 f. 83 Krause, BB 1951, S. 677; Nikisch, Bd. III, S. 174 f. 84 Vgl. nur Fitting! Kaiserl Heither / Engels, § l,Rn. 197. 85 So auch Reiß, S. 110 f., allerdings mit leicht abweichenden Ergebnissen.
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nis. 8 6 Was hierunter gerade i m Bereich der Betriebsverfassung zu verstehen ist, erschließt sich allerdings erst durch eine tiefgreifendere Untersuchung des Wesens des Rechts am Gewerbebetrieb. Man darf sich nicht damit begnügen, die von der Rechtsprechung ursprünglich für den Bereich des Wettbewerbsrechts aufgestellten Grundsätze 87 auf das Gebiet der Betriebsverfassung ungeprüft zu übertragen. So sind die von der Rechtsprechung zur Konkretisierung des Unmittelbarkeitskriteriums ergangenen Bemühungen i m Falle des Betriebsratshandelns nur wenig hilfreich. Es müssen andere und weitere Gesichtspunkte gefunden werden, die aus dem Wesen des Rechts des Gewerbebetrieb zu gewinnen sind. In der Literatur wird häufig die Unmittelbarkeit von Eingriffen durch den Betriebsrat verneint, so insbesondere von Neumann-Duesberg. So wäre etwa im Beispielsfall (11) die Unmittelbarkeit seiner Ansicht nach nicht gegeben 88 , ebenso in bezug auf Fall (12). 8 9 Reiß stellt dagegen vor allem auf die Zielrichtung der Betriebsratsmitglieder ab. Zur Bejahung eines unmittelbaren Eingriffs müsse die Handlung bewußt gegen die geschützte Rechtssphäre gerichtet sein. Es müsse wenigstens mit einer solchen Auswirkung gerechnet werden. 9 0 Ähnlich argumentiert Larenz, der das Unmittelbarkeitskriterium der Rechtsprechung dahingehend interpretiert, für eine Annahme eines Eingriffs sei auf die Zweckrichtung der Handlung abzustellen. 91 So kommen R e i ß 9 2 und Joachim 9 3 teilweise zu anderen Ergebnissen als Neumann-Duesberg. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Entscheidung vom 19. 06. 1952 festgestellt, daß die Verletzung eines Arbeitnehmers und dessen damit verbundene Arbeitsunfähigkeit das Unmittelbarkeitskriterium nicht erfüllt. 9 4 Diese überzeugende Rechtsprechung kann auf die Situation des Beispielsfalls (12) unproblematisch übertragen werden. Auch hier geht es darum, daß dem Arbeitgeber die Arbeitkraft eines Arbeitnehmers entzogen wird. Nur besteht in diesem Fall noch gar kein Arbeitsverhältnis. Ε maiore ad minus müßte hier ein unmittelbarer Eingriff verneint werden. Darüber hinaus ist Folgendes festzustellen: Dem Recht am Gewerbebetrieb fehlen die Merkmale eines sonstigen Rechts i m Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Daher wird häufig zu recht behauptet, das Recht am Gewerbebetrieb sprenge das System 86 BGH, BB 1983, S. 464; Palandt/ Thomas, § 823, Rn. 21; so auch Neumann-Duesberg, S. 340, FN 25. 87 Vgl. Krause, BB 1951, S. 677. 88 Vgl. Neumann-Duesberg, JR 1955, S. 205. 89 Vgl. Neumann-Duesberg, S. 340; auch Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 38, hält die Unmittelbarkeit zumindest für fragwürdig. 90 Reiß, S. 110; so auch Joachim, DBV 1955, Nr. 11,S. 4; vgl. auch Junker, S. 79 f. 91 Larenz, NJW 1956, S. 1719 f.; dagegen wohl Ocker, S. 158. 92 Reiß, S. 113. 93 Joachim, DBV 1955, Nr. 11, S. 4; differenzierend Junker, S. 80. 94 Β GHZ 7, 30; so auch BGH, NJW 1959, S. 479, 481.
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der Deliktstatbestände. 95 Insbesondere ermangele es diesem Recht an der „sozialtypischen Offenkundigkeit' 4 . 9 6 Vor allem ist - anders als bei den absoluten Rechten wie etwa dem Eigentum - der Gewerbebetrieb dem jeweiligen Inhaber nicht mit einer Ausschlußfunktion gegenüber Dritten zugewiesen. Es gibt gerade keine fest umrissenen Schutzzone. 97 Die wahre Funktion des Rechts am Gewerbebetrieb besteht vielmehr in der - rechtsdogmatisch allerdings bedenklichen - Grundlage zur Entwicklung und Bündelung von außergesetzlichen Verhaltenspflichten zum Schutz unternehmerischer Tätigkeit. 9 8 Streng genommen wäre damit der richtige Ort für die systematische Klassifizierung des Rechts am Gewerbebetrieb die Vorschrift des § 823 Abs. 2 B G B 9 9 , die Schutzgesetzqualität der Verhaltensnormen vorausgesetzt. Allerdings ist das Recht am Gewerbebetrieb heute als sonstiges Recht i m Sinne des § 823 Abs. 1 BGB allgemein gewohnheitsrechtlich anerk a n n t . 1 0 0 Der genauen Einordnung kommt hingegen keine wirkliche Bedeutung mehr i m Hinblick auf eine generelle Anerkennung eines allgemeinen deliktischen Unternehmerschutzes zu, sondern vor allem hinsichtlich der Bestimmung der Reichweite des Rechts am Gewerbebetrieb. 101 Der Sinn des Rechts am Gewerbebetrieb liegt also in der Schaffung von außergesetzlichen Verhaltensnormen. Es ist aber zu bedenken, daß das Betriebsverfassungsgesetz schon gesetzliche Pflichten für den Betriebsrat als Personifikation aufgestellt hat. Wie oben dargelegt, richten diese Pflichten sich daneben gerade nicht an die einzelnen Betriebsratsmitglieder. Ob darüber hinaus noch weitere außergesetzliche Verhaltenspflichten der einzelnen Betriebsratsmitglieder entwickelt werden können, ist daher ausgesprochen fragwürdig. Der Gesetzgeber hat deutlich zwischen solchen Pflichten, die dem Betriebsrat als solchem zugeordnet werden, und solchen, die sich an die Mitglieder richten, unterschieden. Diese genaue Differenzierung legt nahe, die Regelungen als einigermaßen abschließend zu betrachten. Das Unmittelbarkeitskriterium ist demnach bei der Frage der Möglichkeit einer Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb durch einzelne Betriebsratsmitglieder dahingehend zu verstehen, daß unmittelbare Eingriffe nur in engen Grenzen zu bejahen sind. Eingriffe durch die Betriebsratmitglieder sind nur in Ausnahmefällen denkbar. Selbst wenn man mit Reiß auf die Zielrichtung der handelnden Betriebsratsmitglieder abstellt, so ist in jedem Fall ein Eingriff abzulehnen, wenn aus Sicht des Betriebsratmitglieds eine mehr oder weniger billigenswerte Interessenwahrnehmung vorliegt. Erst bei evidentem Mißbrauch ist von einem Eingriff auszuge95 V. Caemmerer, FS DJT, S. 49, 66 ff., 69; Deutsch, JZ 1963, 386. 96 Larenz! Canaris, SR Bd. II 2, S. 544. 97 Esser! Weyers, SR Bd. II 2, S. 165; Larenz! Canaris, SR Bd. II 2, S. 545. 98 Esser! Weyers, SR Bd. II 2, S. 165 f.; Fikentscher, SR, Rn. 1221; Larenz! Canaris, SR Bd. II 2, S. 545. 99 Esser! Weyers, SR Bd. II 2, S. 166; Deutsch, JZ 1963, S. 385, 390 ff. 'oo Vgl. nur Erman / Schiemann, § 823, Rn. 50; Palandt ! Thomas, § 823, Rn. 19, Preuß, S. 120 f. ιοί Erman!Schiemann, § 823, Rn. 50.
§ 15 Ansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des A r b e i t g e b e r s 1 3 5
h e n . 1 0 2 Damit dürften Eingriffe in den Gewerbebetrieb durch die Betriebsratsmitglieder in Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nahezu in allen Fällen auszuschließen sein. Dementsprechend scheidet eine Verletzung des Gewerbebetriebes in den allermeisten Beispielsfällen aus, so insbesondere auch im Fall (11). Denkbar erscheint ein Eingriff in den Gewerbebetrieb durch ein Betriebsratsmitglied für den Bereich, auf dem Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers aus Sonderverbindungen bestehen, allenfalls in mißbräuchlichen, auf den Betrieb abzielenden Störungsmaßnahmen außerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabenerfüllung, beispielsweise bei einem Boykott- bzw. Streikaufruf gegen den Arbeitgeber durch einzelne Betriebsratsmitglieder 103 , also etwa in Fall (16). Auch die eigenmächtige Anordnung eines früheren Arbeitsschlusses in Beispiel (15) erfüllt möglicherweise das Erfordernis der Unmittelbarkeit. Im Ergebnis scheiden Eingriffe durch Betriebsratsmitglieder in den Gewerbebetrieb des Arbeitgebers jedoch weitgehend aus.
b) Das Recht am Arbeitsplatz In bezug auf die Arbeitnehmer wäre an eine Verletzung des Rechts am Arbeitsplatz zu denken, sofern man ein solches anerkennt. Gemeint ist mit dem Recht am Arbeitsplatz lediglich der Schutz vor Verlust desselben. 1 0 4 Ein solches Recht darf nicht mit dem Recht auf A r b e i t 1 0 5 und ferner keinesfalls mit dem Recht auf Beschäftigung 1 0 6 verwechselt werden. Als mögliche Eingriffe kommen daher von vornherein lediglich solche Handlungen in Betracht, die in den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingreifen. Notwendig hierfür ist eine Abänderung der bestehenden arbeitsvertraglichen Bindungen in ihren wichtigsten Elementen. 1 0 7 Derartige Eingriffe wären i m Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht vorstellbar, sondern lediglich i m Bereich der Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen. 1 0 8 Namentlich in Betracht kommen hier Pflichtverletzungen anläßlich der Mitbestimmung bei Versetzungen und Kündigungen gemäß § 99 B e t r V G . 1 0 9 Denkbar ist auch, daß 102 Reiß, S. 111 f. 103 So auch Ocker, S. 158; Reiß, S. 113. 104 Ocker, S. 169. •os Das Recht auf Arbeit, das von manchen Verfassungen gewährt wird, richtet sich gegen den Staat und ist als solches ein öffentliches Recht. 106 Das Recht auf Beschäftigung richtet sich auf die tatsächliche Beschäftigung innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses. 107 Junker, S. 110; Nolting, S. 95. ίο» Nolting, S. 95. 109 Nolting, S. 95.
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Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
Eingriffe in das Recht am Arbeitsplatz durch die Betriebsratsmitglieder dort anzunehmen wären, wo der Betriebsrat gegen die Pflichtrechte beispielsweise aus §§ 102, 104 BetrVG verstößt. Eingriffe wären demnach in den Beispielsfällen (2), (6) und (7) denkbar. Zunächst müßte ein Recht am Arbeitsplatz als absolutes, von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht aber überhaupt anzuerkennen sein. Das Bundesarbeitsgericht hat das Recht am Arbeitsplatz als absolutes Recht i m Sinne des § 823 Abs. 1 BGB bisher in einem obiter dictum für lediglich möglich gehalten. 1 1 0 Das Gericht neigte allerdings in einer späteren Entscheidung - obwohl die Frage nach Anerkennung eines Rechtes am Arbeitsplatz letztlich i m Streitfall offengelassen wurde - der Auffassung zu, daß ein solches Recht abzulehnen sei. 1 1 1 Zur Begründung wurde ausgeführt, daß es sich bei absoluten Rechten um Ausschlußrechte handele. Eine derartige Ausschlußfunktion komme dem Recht am Arbeitsplatz hingegen gerade nicht zu, da es sich hierbei lediglich um eine Zusammenfassung schuldrechtlicher Beziehungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien handele. I m Schrifttum ist diese Problematik heftig umstritten. 1 1 2 Neumann-Duesberg 113 betrachtet die Avancierung des Rechts am Arbeitsplatz zum absoluten Recht allgemein als Konsequenz eines sozialstaatlichen Fortschritts. Dieses Argument ist hingegen zu pauschal und wird mit seiner begrenzten Aussagekraft der Vielschichtigkeit dieser Problematik nicht gerecht. Von den Befürwortern eines durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am Arbeitsplatz wird insbesondere der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG in bezug auf die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit ins Feld geführt, der nicht auf die gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers beschränkt werden dürfe. Dies gebiete sowohl der Gleichheitsgrundsatz als auch das Sozialstaatsprinzip. 114 Dieser Gesichtspunkt vermag allerdings bei näherer Untersuchung nicht zu überzeugen. So hat sich etwa das Recht am Gewerbebetrieb nur aufgrund seiner eigentumsähnlichen Natur als absolutes Recht durchsetzen können, weil es zwar nicht in einer einzelnen Sache, wohl aber in einem ganzen Komplex von Sachen und Rechten bestehe. 115 Das Recht am Arbeitsplatz hingegen besteht nur aufgrund •ίο BAG ν. 30. 09. 1970 AP Nr. 2 zu § 70 BAT. m BAG ν. 04. 06. 1998 AP Nr. 7 zu § 823 BGB unter B. III. 1. b. ι· 2 Für ein Recht am Arbeitsplatz: DäublerIKittnerIKlebe, § 104, Rn. 10; Fitting IKaiserl Heither I Engels, § 104, Rn. 11; wohl auch Fabricius, AcP 160 (1961), S. 273, 305 ff.; GK-Kraft, § 104, Rn. 23 m. w. N.; Gramm, B. III. 2. c); Hafner, S. 82 f.; Hueckl Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 993 ff.; Junker, S. 104 ff.; KR-Etzel, § 104 BetrVG, Rn. 74; Nolting, S. 89 ff.; Neumann-Duesberg, S. 343 f.; Reiß, S. 95 f.; dagegen: Hueck, FS Hedemann, S. 131, 137 ff.; Nikisch, Bd. II, S. 127 f.; Ocker, S. 169; Palandt ! Thomas, § 823, Rn. 27; Preuß, S. 91 ff.; Schwerdtner, ZfA 1977, S. 47, 82 ff.; vor allem und sehr ausführlich Ebert, S. 152. h 3 Neumann-Duesberg, S. 343 f. 114 Hueckl Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 997; Junker, S. 105; Nolting, S. 90. 115 Nikisch, Bd. II, S. 127; Ocker, S. 169; Preuß, S. 96.
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der rechtlichen Beziehungen zum Arbeitgeber. Es unterliegt nicht der Verfügungsbefugnis des Arbeitnehmers und gehört nicht zu seinem Vermögen. 1 1 6 Somit ist es nicht eigentumsähnlich. 117 Eine Parität mit dem Schutz des Gewerbebetriebs ist gesetzlich nicht vorgegeben. Ob das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot ein Recht am Arbeitsplatz erfordert, ist für die Rechtserkenntnis irrelevant, da der Gleichheitsgrundsatz sich an den Gesetzgeber und - i m Rahmen der Ermessenausübung - an die Exekutive richtet. 1 1 8 Auch eine richterliche Rechtsfortbildung ist hier nicht möglich. Der Beweis, daß das Fehlen eines Rechts am Arbeitsplatz zu nicht mehr zu rechtfertigenden Ergebnissen führt, ist bislang nicht erbracht. 1 1 9 Gerade i m Rahmen der Eingriffe in Rechte der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat sind aber bereits Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat als Gremium gegeben. Zunächst wäre also zu prüfen, inwieweit hierfür die Haftung sichergestellt werden k a n n . 1 2 0 Auch das Sozialstaatsprinzip vermag nicht zur Anerkennung eines Rechts am Arbeitsplatz beizutragen. Der durch dieses Prinzip gewährte Existenzminimalschutz bedeutet für den Arbeitnehmer nicht den Schutz seines Arbeitplatzes. Einer solchen Aussage läßt sich angesichts des gut entwickelten Systems der Sozialversicherung nicht folgen. 1 2 1 Ferner wird vielfach aus dem durch das Kündigungsschutzgesetz gewährten Bestandsschutz des Arbeitsplatzes die Qualität eines absoluten Rechts gefolgert. Aus diesem Schutzprinzip zugunsten des wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmers ergebe sich der hohe Sicherungsgrad seines Arbeitsplatzes als einziger Einkommensquelle. 1 2 2 Auch diese Gedankenführung ist nicht überzeugend. Die durch das Kündigungsschutzgesetz mit Blick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses getroffenen Schutzbestimmungen sind abschließend. 123 Von einem Schadensersatzanspruch, den eine Verletzung des Rechts am Arbeitsplatz auslösen würde, ist keinesfalls die Rede. Ein solcher ließe sich in die gesetzliche Regelung nicht einordnen. 1 2 4 Das Kündigungsschutzgesetz gewährt des weiteren nur relative Rechte. 1 2 5
116 Ocker, S. 169. 117 Richardi, Betriebsverfassung, S. 42. 118 Ebert, S. 46 f. '19 Ebert, S. 48 f., der hierzu ausführlich Stellung nimmt. Eine Darstellung der gesamten Problematik würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. 120 Siehe dazu unten §§ 17-21. 121 Ebert, S. 56. 122 Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 996 f.; Junker, S. 105. 123 Nikisch, Bd. II, S. 127; Ocker, S. 169; Preuß, S. 94. 124 Nikisch, Bd. II, S. 127 f.; Preuß, S. 94. 125 Hueck, FS Hedemann, S. 131, 137; Preuß, S. 93; so auch Ebert, S. 18 ff.
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Ferner berufen sich die Befürworter eines Rechts am Arbeitsplatz auf den Kollektivgedanken des Arbeitsrechts. Sie transferieren das vertraglich begründete Recht auf eine Kollektivebene. So bemerkt Hafner, dieses Recht habe im Sinne einer kybernetischen Betrachtungsweise Wirkung gegen mehrere. 126 Auch hieraus ergibt sich jedoch nicht die Annahme, das Recht am Arbeitplatz sei ein absolutes Recht. Die Feststellung, das vertragliche begründete Arbeitsverhältnis werde - insbesondere durch das Betriebsverfassungsgesetz - auf eine kollektive Ebene erhoben, ist zwar richtig. Allerdings wird hierdurch lediglich der Kreis der Adressaten der Pflichtenträger erweitert. Es bleibt demnach beim relativen Charakter des Rechts, da sich diese Pflichten gerade nicht gegen jedermann richten. 1 2 7 Ferner konstruieren einige Literaturstimmen einen Rechtsschutz durch § 823 Abs. 1 BGB nicht aus der Natur eines absoluten Rechts, sondern aus der Qualifikation als dinglich geschütztes relatives Recht. Eine solche „Verdinglichung" befanden schon Hueck/Nipperdey für dogmatisch naheliegend. 1 2 8 Begründet wird ein solcher Schutz anderer als absoluter Rechte zumeist durch die Annahme einer erhöhten sozialtypischen Offenkundigkeit des Rechts am Arbeitsplatz. 1 2 9 Hiergegen ist einzuwenden, daß zur Qualifikation als „sonstiges Recht" i m Sinne des § 823 Abs. 1 BGB eine bloße Interessenverletzung nicht genügt. Es ist vielmehr die Verletzung eines Rechts erforderlich, d. h. es ist mit der herrschenden Lehre die Unterscheidung zwischen absoluten Rechten einerseits und relativen andererseits durchzuhalten. 1 3 0 Die Ansicht Richardis 1 3 1 , aus dem Interessenausgleich des § 112 BetrVG ergebe sich mittelbar ein subjektives Recht am Arbeitsplatz, bleibt unklar. Richardis Behauptung ist wohl nicht zu entnehmen, daß ein solches - einigermaßen Undefiniertes - subjektives Recht ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen s o l l . 1 3 2 Auch seiner Argumentation ließe sich ferner der Einwand entgegenhalten, die Grenze zwischen relativen und absoluten Rechten dürfe nicht verwischt werden. Auch ist der Behauptung Richardis 1 3 3 nicht zu folgen, aus der Tatsache, daß es „der in der Zeit lebende Mensch" sei, der Arbeit leiste, ergebe sich ein über 126 Hafner, S. 82 f. 12V Nolting, S. 93, der die Wirkung des vertraglich begründeten Rechts des Arbeitnehmers nach allen Seiten hin wirken wissen will, vermag seine Ansicht mit dem Argument der Transferierung auf die Kollektivebene nicht überzeugend darzulegen. 128 Hueck/Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 997. 129 Fabricius, AcP 160 (1961), S. 273, 295 ff., 308 ff.; wohl auch Nolting, S. 93. 1 30 Preuß, S. 91; gegen die Begründung eines Deliktsschutzes durch sozialtypische Offenkundigkeit auch ausführlich Ebert, S. 126 ff. 131 Richardi, Betriebsverfassung, S. 43 ff., der davon ausgeht, das Recht am Arbeitplatz sei zwar nicht eigentumsähnlich, aber dem Eigentum gleichwertig. 132 So auch Ebert, S. 37 ff. 133 Richardi, Betriebsverfassung, S. 42.
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eine bloße Gläubiger-Schuldner-Beziehung hinausgehendes Recht. Die Beschreibung eines Ist-Zustandes läßt keinen Schluß auf eine dingliche bzw. quasi-dingliche Rechtposition des Arbeitnehmers z u . 1 3 4 Letztlich ist auch bei der Thematik des Rechts am Arbeitsplatz wie beim Recht am Gewerbebetrieb zu beachten, daß eine Einordnung der Rahmenrechte unter die Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB äußerst problematisch ist. Auch hier spricht viel für eine abschließende Zuordnung der Pflichten an den Betriebsrat als Personifikation. So hält auch Gamillscheg 1 3 5 die Ausweitung der absoluten Rechte des § 823 Abs. 1 BGB in diesem Fall für bedenklich und schlägt dagegen eine Ausweitung der Schutzgesetze i m Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB durch den Gesetzgeber vor. Wie aber bereits dargelegt, sind derartige Schutzgesetze, die sich an die einzelnen Betriebsratsmitglieder als solche richten, auf dem Gebiet der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats innerhalb des Pflichtenkreises der Betriebsverfassung derzeit nicht gegeben. Direktansprüche der Arbeitnehmer gegen einzelne Betriebsratsmitglieder aus einer Verletzung eines Rechts am Arbeitsplatz scheiden demnach gänzlich aus. I m Falle der Stellenbewerber kommt eine Verletzung eines Rechts am Arbeitsplatz von vornherein nicht in Betracht. Selbst diejenigen Literaturstimmen, die ein solches Recht anerkennen, setzen hierfür das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. 1 3 6
III. Ergebnis Diejenigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, aus denen sich gesetzliche Schuldverhältnisse zwischen dem Betriebsrat auf der einen Seite und den Arbeitnehmern, Stellenbewerbern sowie dem Arbeitgeber auf der anderen Seite ergeben, richten sich ausschließlich an den Betriebsrat als Gremium. Die einzelnen Mitglieder sind nicht gleichzeitig Pflichtadressaten der Vorschriften. Den Betriebsratsangehörigen obliegen lediglich Amtspflichten, die als solche keinerlei Außenwirkung entfalten. Sie bestehen allein i m Innenverhältnis gegenüber dem Betriebsrat. Dementsprechend können sich auch keine Schadensersatzansprüche gegen einzelne Betriebsratsmitglieder aus der Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Schuldverhältnisse ergeben. Selbständige deliktische Schadensersatzansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsangehörigen auf den Bereichen, auf denen betriebsverfassungsrechtliche Sonderverbindungen der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers zum Betriebsrat als Gremium bestehen, sind nur in wenigen Fällen zu bejahen. Nur sel134 Schwerdtner, ZfA 1977, S. 47, 84. 135 Gamillscheg, AcP 164 (1964), S. 385, 391 ff., 395. 136 Siehe nur Junker, S. I l l \ Nolting, S. 151 ff.
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ten kommt es zu Verletzungen der in § 823 Abs. 1 BGB genannten absolut geschützten Rechtsgüter. Des weiteren ist ein Recht am Arbeitsplatz als sonstiges Recht i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen. Das Recht am Gewerbebetrieb ist nur in Ausnahmefällen verletzt. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. der Verletzung von Schutzgesetzen scheiden aus, da als Schutzgesetze ausschließlich Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes in Frage kämen, die sich aber nicht an die einzelnen Mitglieder als Pflichtadressaten richten. Auch der Tatbestand des § 826 BGB dürfte nur in seltenen Fällen erfüllt sein. A u f die Beispielsfälle bezogen bedeutet das im einzelnen Folgendes: Deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder bestehen in den Fällen (4) und (11), soweit die Gesundheit des Arbeitnehmers bzw. das Eigentum des Arbeitgebers geschädigt wurde. Deliktische Ansprüche kommen des weiteren in den Beispielen (1) bis (3), (5) und (12) in Betracht, soweit unter gewissen Voraussetzungen i m Einzelfall (so etwa bei rassistischer Diskriminierung) von Sittenwidrigkeit ausgegangen werden muß. Auch in Fall (15) und (16) könnte wohl in engen Grenzen unter Umständen Sittenwidrigkeit oder ein rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb bejaht werden.
§ 16 Ansprüche Dritter gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder I. Eigene Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz innerhalb vertraglicher Sonderverbindung Zu untersuchen sind an dieser Stelle ausschließlich diejenigen Ansprüche gegen den Betriebsrat, die nicht lediglich auf Honorarzahlung gerichtet sind, sondern sich auf rechtswidriges Handeln des Betriebsrats gründen. So geht es demnach i m Hinblick auf den Beispielsfall ( 1 9 ) 1 3 7 allein um den Verzugsschaden des Dritten. In Beispiel (20) ist zu untersuchen, ob sich ein Schadensersatzanspruch gemäß § 311 Abs. 2 BGB auch gegen das handelnde Betriebsratsmitglied - also in Beispielsfall gegen den Betriebsratsvorsitzenden - begründen läßt. Wie oben geprüft, ist eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der einzelnen Betriebsratsmitglieder aus einer analogen Anwendung des § 179 BGB abzulehnen. 1 3 8 Richardi vertritt allerdings die entsprechende Anwendung der § 54 Satz 2 BGB, § 41 Abs. 1 Satz 2 A k t G und § 11 Abs. 2 GmbHG zur Begründung von Schadensersatzverpflichtungen einzelner Betriebsratsmitglieder. 139 Hierdurch würde neben 137
Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. 138 Siehe oben § 8 III. 139 Richardi, § 40, Rn. 44; Dietz/Richardi, 6. Aufl., Vorb. § 26, Rn. 11 f. vertraten dies noch allein in bezug auf Rechtsgeschäfte des Betriebsrats ultra vires.
§ 16 Ansprüche Dritter gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder
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die Verpflichtung des Betriebsrats selbst eine eigene schuldrechtliche Verpflichtung der jeweils Handelnden treten. Die genannten Vorschriften begründen eine eigene Schuldverpflichtung und nicht allein die reine Haftung. Diese Handelndenverpflichtung ist akzessorisch zur Verbindlichkeit des Vereins etc., d. h. die Verpflichtungen sind identisch. 1 4 0 Gegen den Handelnden würde demnach auch ein Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens in Fall ( 19) bzw. der zerbrochenen Vase i m Beispiel (20) bestehen. Allerdings begründen die genannten Vorschriften lediglich eine Handelndenverpflichtung, treffen demnach allein denjenigen, der gegenüber dem Dritten in Erscheinung getreten ist. Diejenigen Mitglieder, die nach § 33 BetrVG etwaige der Handlung zugrundeliegende Beschlüsse zustande gebracht haben, würden hierdurch nicht betroffen. Es kommt i m Rahmen von § 54 Satz 2 BGB nicht darauf an, wer an der ursprünglichen Willensbildung beteiligt war, sondern lediglich, wer nach außen auftritt. 1 4 1 Aber auch eine solche Verpflichtung des jeweils Handelnden ist im Falle des Betriebsrats abzulehnen. Eine entsprechende Anwendung der § 54 Satz 2 BGB, § 41 Abs. 1 Satz 2 A k t G und § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht geboten. 1 4 2 Richardi begründet die Analogie allein mit der fehlenden Vollrechtsfähigkeit des Betriebsrats. 143 Das vermag hingegen nicht zu überzeugen. I m Falle der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie der Aktiengesellschaft erlischt die Verpflichtung des Handelnden mit der Eintragung. Demzufolge bedarf es der Handelndenhaftung nicht m e h r . 1 4 4 Der Sinn der § 41 Abs. 1 Satz 2 A k t G und § 11 Abs. 2 GmbHG besteht darin, daß der rechtsgeschäftliche Partner in jedem Fall einen Schuldner haben s o l l . 1 4 5 Genauso ist dies mit Blick auf die Betriebsratshaftung zu beurteilen. Soweit der Betriebsrat selbst verpflichtet wird, besteht keine Notwendigkeit für eine weitere Verpflichtung der handelnden Betriebsratsmitglieder. Der Gläubiger hat j a den Schuldner, mit dem er gerechnet h a t . 1 4 6 Auch § 54 Satz 2 BGB ist der analogen Anwendung auf den Betriebsrat nicht f ä h i g . 1 4 7 Zweck der Regelung des § 54 Satz 2 BGB ist die Sicherung des Gläubigers. 1 4 8 Der nichtrechtsfähige Verein braucht nicht notwendig ein Vermögen zu ha•40 Soergel/ Hadding, 13. Aufl., § 54, Rn. 26, 29; Staudinger/ Weick, § 54, Rn. 64. •41 Ganz herrschende Meinung, vgl. BGH, NJW 1957, 1186; MünchKomm/Reuter, 4. Aufl. § 54, Rn. 54; RGRK/Steffen, § 54, Rn. 21; Soergel/Hadding, 13. Aufl., § 54, Rn. 27 f. 142 So Rosset für den Bereich, in dem schon der Betriebsrat als solcher aus den Rechtsgeschäften verpflichtet wird, ders., S. 110. 143 Richardi, § 40, Rn. 44. 144 BGHZ 80, 129, 143 f.; Rosset, S. 110. 145 Flume, FS Gessler, S. 43. 146 Rosset, S. 110. 147 Rosset, S. 110. 148 MünchKomm/Reuter, 4. Aufl., § 54, Rn. 46; RGRKISteffen, § 54, Rn. 21; Soergel! Hadding, 13. Aufl., § 54, Rn. 26; Staudinger ! Weick, § 54, Rn. 57; Prot. Mugdan, Bd. I, S. 641.
142
Abschnitt 4: Selbständige Schadensersatzansprüche
b e n . 1 4 9 Der Gläubiger ist demzufolge in einer schwachen Position. Die Lage des Betriebsrats ist aber mit der des nichtrechtsfähigen Vereins nicht vergleichbar. Selbst für den Fall, daß dem Betriebsrat kein Fonds vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist, hat er dennoch Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber hinsichtlich der zulässigerweise 150 eingegangenen Honorarforderungen. Dem Gläubiger ist es auch leichter möglich, sich von dem Betrieb und dessen Finanzkraft ein B i l d zu machen als von einem nichtrechtsfähigen Verein. Er ist demnach von vornherein weniger schützenswert als Gläubiger nichtrechtsfähiger Vereine. Lediglich bei Schadensersatzforderungen, wie etwa in Beispielsfall (17), in denen der Verzugsschaden nicht vom Arbeitgeber zu tragen ist, wäre der Schutz des Dritten unzureichend. Eine begrenzte analoge Anwendung des § 54 Satz 2 BGB derart, daß eine Handelnden Verpflichtung allein für vertragliche Schadensersatzverpflichtungen begründet würde, widerspräche aber der von § 54 Satz 2 BGB vorgesehenen Akzessorietät der Verpflichtung.
II. Eigene deliktische Verpflichtungen der Betriebsratsmitglieder auf Schadensersatz I m Fall (20) ist hingegen von einem Direktanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen dasjenige Betriebsratsmitglied, daß die Vase grob fahrlässig 1 5 1 umgeworfen hat, auszugehen. Das Eigentum ist gemäß § 823 Abs. 1 BGB als absolutes Recht geschützt.
III. Ergebnis Eigene vertragliche Schadensersatzansprüche der Vertragspartner des Betriebsrats gegen einzelne Betriebsratsmitglieder in dem Bereich, in dem vertragliche Beziehungen zwischen Betriebsrat und diesen Vertragspartnern bestehen, scheiden aus. Diese Rechtsgeschäfte verpflichten ausschließlich den Betriebsrat als solchen. Eine analoge Anwendung der Vorschriften der § 54 Satz 2 BGB, § 41 Abs. 1 Satz 2 A k t G und § 11 Abs. 2 GmbHG ist nicht geboten. Deliktische Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestehen in Fällen, in denen absolut geschützte Rechtsgüter verletzt sind. Für den Bereich der Beispielsfälle besteht ein solcher Anspruch in Fall (20) wegen Verletzung des Eigentums des Vertragspartners.
•49 Soergel/Hadding, 13. Aufl., § 54, Rn. 26; Staudinger/ Weich, § 54, Rn. 9. •50 Nur insoweit besteht eine entsprechende Pflichtfähigkeit des Betriebsrats. 151 Zur Frage nach Privilegierungen hinsichtlich der Einstandspflicht bei leichtester und normaler Fahrlässigkeit siehe unten § 20 II. 2. e), III.
Abschnitt 5
Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder § 17 Problemstellung I. Die Trennung von Schuld und Durchgriffshaftung Es stellt sich die Frage, ob zur Befriedigung derjenigen Verpflichtungen des Betriebsrats aus rechtswidrigem Handeln, für die keine selbständigen Verpflichtungsgründe einzelner Betriebsratsmitglieder gegeben sind, eventuell dennoch deren Vermögensmassen oder die Vermögensmassen anderer zur Verfügung stehen.1 Dies wäre bei der Mehrzahl der gegen den Betriebsrat bestehenden Schadensersatzansprüche sowie bei den Ansprüchen auf Kostenerstattung nach § 887 ZPO zu untersuchen. Es geht hier um eine Erstreckung der Haftung. Eine solche Erstreckung wäre zu erreichen, wenn auf Vermögensmassen anderer „durchgegriffen" werden könnte. Hierbei sei nochmals daran erinnert, daß Schuld und Haftung gedanklich zu trennen sind. So begründet beispielsweise auch die Vorschrift des § 128 HGB nach heute ganz herrschender Meinung keine eigene Schuld der Gesellschafter, sondern lediglich eine Haftung für die Schuld eines anderen 2 , denn die offene Handelsgesellschaft ist gemäß § 124 Abs. 1 HGB selbständiger Träger von Pflichten. Nachdem bereits festgestellt wurde, daß auch der Betriebsrat in dem beschriebenen Umfang Pflichtenträger sein kann, bleibt zu prüfen, ob sich nicht auch in seinem Fall eine Haftungserstreckung auf andere ergibt. Eine strikte begriffliche Trennung wird insbesondere von der Rechtsprechung zur Durchgriffsproblematik nicht immer durchgehalten. So wird die Differenzierung häufig verwischt. Das Bundessozialgericht 3 bemerkt beispielsweise zum Durchgriff: „ [ . . . ] die haftungsausschließende Trennung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist aufgehoben, die Schuldverpflichtung greift auf den Gesellschafter durch.' 4 Der Bundesgerichtshof ist in diesem Punkt in einer Entscheidung vom 14. 12. 1959 4 dagegen von der Gedankenführung her genauer, wenn er anmerkt: „Wenn der Gesellschafter aus einem besonderen Rechtsgrunde (Bürgschaft, 1
Eine Vollstreckung in das Vermögen des Betriebsrats kommt in diesen Fällen nach dem oben unter § 13 IV. Gesagten nicht in Betracht. 2 BGHZ 74, 240, 242; Baumbach/Duden!Hopt, § 128, Rn. 8. 3 BSG, ZIP 1984, S. 1217, 1219. 4 BGHZ 31, 258, 271.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Schuldbeitritt, Kreditauftrag, Garantie vertrag, Verschulden beim Vertragsschluß oder unerlaubte Handlung) ohnehin haftet, geht es nicht um das Durchgriffsproblem." Dabei ist allerdings zu unterstellen, daß der Bundesgerichtshof den Begriff der Haftung nicht in dem hier gebrauchten Sinne versteht. Die strikte Trennung von Schuld und Haftung ist um der Klarheit willen besonders bei der Durchgriffsproblematik unbedingt nötig. Auch in der moderneren Judikatur und Lehre läßt sich übrigens eine Tendenz in Richtung auf eine strenge Unterscheidung feststellen. 5 U m Durchgriffsfälle handelt es sich nämlich gerade nicht, wenn besondere Verpflichtungsgründe der Mitglieder einer Personifikation gegeben sind wie beispielsweise Verpflichtungen aus Rechtsgeschäft, aus begründetem Vertrauen - insbesondere der Rechtsscheinhaftung - oder aus Delikt. 6 In der Literatur existieren sogar Ansätze, die mittels einer solchen Begründung selbständiger Verpflichtungsgründe für Mitglieder von juristischen Personen einen Durchgriff generell überflüssig zu machen versuchen. 7 Diese Ansätze müssen deutlich von den Durchgriffskonzepten unterschieden werden.
II. Die Subsidiarität des Haftungsdurchgriffs Oben wurde gezeigt, daß selbständige Schadensersatzverpflichtungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder nur in engen Grenzen in Betracht kommen. Soweit ein solcher selbständiger Verpflichtungsgrund gegeben sind, besteht in der Tat für einen Haftungsdurchgriff von vornherein kein Bedürfnis. Der Haftungsdurchgriff ist gegenüber selbständigen Verpflichtungsgründen aufgrund seiner Ausnahmestellung subsidiär. Dies gilt auch gegenüber Verpflichtungsgründen aus Delikt. 8 Für den Fall des Vorliegens solcher selbständiger Verpflichtungsgründe fehlte konsequenterweise ein - ohnehin nur unter engen Voraussetzungen anzunehmender Durchgriffsgrund, da keine Regelungslücke bestünde. 9 M i t Blick auf das Subsidiaritätsverhältnis des Haftungsdurchgriffs zu deliktischen Ansprüchen könnte das Verhältnis des Durchgriffs zur Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb problematisch sein. Denn auch das Recht am Gewerbebetrieb ist entwickelt worden, um eine sonst bestehende Lücke insbesondere auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zu schließen. Es ist somit ebenfalls subsidiärer Natur, seine Anwendbarkeit setzt eine Lücke voraus. 1 0 Das Verhältnis ist wohl 5 Für Nachweise vgl. Rehbinder, S. 99, FN 74. 6 Vgl. Hachenburg/Ulmer, 8. Aufl., GmbHG, § 30 Anh., Rn. 24 ff.; Scholz/Emmerich, § 13, Rn. 61 ff. 7 Schmidt, S. 229. Auf diese Lösungsansätze wird im späteren Verlauf noch eingegangen werden, siehe unten § 19 II. 2. c) cc). 8 Hergenröder, Anm. zu BSG, SGb 1998, S. 491, 495; so wohl auch Rehbinder, S. 109 f. 9 Rehbinder, FS Fischer, S. 597. 10 Brox, SR BT, S. 464; Larenz / Canaris, SR Bd. II 2, S. 543; Palandt / Thomas, § 823, Rn. 19.
§ 18 Die Betriebsratsmitglieder als Adressaten eines Haftungsdurchgriffs
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dahingehend aufzulösen, daß einer sachgerechte Rechtsfortbildung des Deliktsrechts gegenüber dem Durchgriff der Vorrang gebührt. 11 Somit ist auch bei Vorliegen deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche, die sich auf einen rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb gründen, der Durchgriff ausgeschlossen. A u f die Beispielsfälle bezogen läßt sich festhalten, daß ein Durchgriff in den Fällen ( 4 ) 1 2 , (11) und (20) insoweit ausscheidet, als die in § 823 Abs. 1 BGB explizit genannten absoluten Rechtsgüter verletzt sind. Für die Beispielsfälle (1) bis (3), (5), (12), (15) und (16) ist der Durchgriff insoweit ausgeschlossen, als in engen Grenzen unter bestimmten Voraussetzungen andere deliktische Ansprüche vorliegen. Für Kostenerstattungsansprüche gegen den Betriebsrat aus § 887 ZPO, etwa wenn der Arbeitgeber in Fall (17) die Wahlplakate auf eigene Kosten entfernen läßt, wäre der Weg für eine mögliche Haftungserstreckung mittels Durchgreifens allerdings grundsätzlich eröffnet, da hierfür selbständige Verpflichtungsgründe der Mitglieder nicht vorliegen.
§ 18 Die Betriebsratsmitglieder als einzig mögliche Adressaten eines Haftungsdurchgriffs I. Kein Durchgriff auf den Arbeitgeber Nach den bisher gefundenen Ergebnissen muß ein Haftungsdurchgriff auf den Arbeitgeber ausscheiden. Griffe man auf diesen durch, so würde die Regelung des § 40 Abs. 1 BetrVG unterlaufen, durch welche die vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten auf solche für rechtmäßige Tätigkeiten des Betriebsrats begrenzt werden. Es wäre inkonsequent, das Vermögen des Betriebsrats zur Vermeidung einer Nachschußpflicht des Arbeitgebers zunächst nicht zur zwangsweisen Befriedigung von Kostenerstattungsansprüchen aus § 887 ZPO und Schadensersatzforderungen zur Verfügung zu stellen, um sodann auf diesen haftungstechnisch durchzugreifen.
II. Kein Durchgriff auf die Belegschaft bzw. die Arbeitnehmer Ein Durchgriff auf die Belegschaft bzw. die Arbeitnehmer scheidet ebenfalls aus. Der Belegschaft besitzt keinerlei Rechtspersönlichkeit. 13 Ließe man die Arbeitnehmer haften, so läge hierin ein Verstoß gegen die Regelung des § 41 BetrVG. Jede Art von Leistungen der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebsrats ist verboten. Ii Rehbinder, S. 110. ι 2 Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III. ι 3 Neumann-Duesberg, S. 333; siehe auch oben § 4 II. 10 Triebel
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
III. Die Betriebsratsmitglieder als Handlungsorganisation des Betriebsrats In Frage kommt ein Durchgriff auf die an der Schädigung beteiligten einzelnen Betriebsratsmitglieder. 14 Sie machen den Betriebsrat aus, durch sie können erst Pflichtverletzungen geschehen, die dem Betriebsrat gemäß § 31 BGB zugerechnet werden. Der Haftungsdurchgriff böte somit eine Handhabe, diejenigen, die letztlich handeln, verantwortlich zu machen.
§ 19 Das Konzept des Haftungsdurchgriffs als Lösung I. Der Haftungsdurchgriff durch den Betriebsrat in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die daran anschließende Kritik der Literatur Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 06. 04. 1973 die rechtliche Konstruktion des Haftungsdurchgriffs bereits auf den teilrechtsfähigen Betriebsrat angewandt. 15 Der Entscheidung lagen allerdings Ansprüche gegen den Betriebsrat aus rechtmäßigem Handeln zugrunde. Es handelte sich in dem Fall um eine rechtmäßig ausgehandelte Honorarvereinbarung eines Einigungsstellenbeisitzers gegen den Betriebsrat und nicht um einen Anspruch aus pflichtwidrigem Tun. So bejahte das Bundesarbeitsgericht schließlich auch die Durchgriffshaftung auf den Arbeitgeber. Dessen Haftung wird vom Bundesarbeitsgericht durch einen Vergleich mit § 3 PflVG sowie der Produzentenhaftung begründet. 16 Hierbei nimmt das Gericht zwar Bezug auf die Mißbrauchstatbestände bei juristischen Personen, betrachtet allerdings den Mißbrauch - dessen Vorliegen in dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht angenommen wird - nicht als Voraussetzung für den Durchgriff. 1 7 Das Bundesarbeitsgericht stützt seine Entscheidungen auf zwei Umstände, namentlich zum einen auf einen Honoraranspruch des Beisitzers gegen den Betriebsrat 18 und zum anderen auf einen Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber. Der Durchgriff auf den Arbeitgeber wird in der Entscheidung auf den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gestützt, der verlange, daß der Arbeitgeber das Honorar unmittelbar und baldmöglichst an den Beisitzer 14
Dies wird auch von Dietz/Richardi, 6. Aufl., § 76, Rn. 139, für möglich gehalten. is BAG AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972. 16 BAG v. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 unter II. 3. a. 17 BAG v. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 unter II. 3. a. 18 Das BAG läßt die Frage der Rechtsfähigkeit des Betriebsrats ausdrücklich offen, indem es keine Entscheidung darüber trifft, ob der Honoraranspruch gegen den Betriebsrat als solchen oder gegen die Mitglieder, die die Honorarzusage geschlossen haben, besteht, vgl. BAG v. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 unter II. 1. b.
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zahle. 1 9 Damit beruft sich das Gericht vor allem auf die Überlegung, daß allgemeine Rechtsprinzipien die Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und demjenigen, auf den letztlich durchgegriffen werden soll, beherrschen. Obwohl das Urteil eine dogmatisch fundierte Aufarbeitung des Durchgriffs vermissen läßt, ist diese Entscheidung dennoch beachtlich für die Frage, auf welche Art sich ein solcher rechtstechnisch begründen läßt. Die Kritik der Literatur an dieser Entscheidung ist wenig überzeugend. Sie greift die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts insbesondere mit dem Argument an, die Gedanken der Durchgriffshaftung könnten auf den nur teilrechtsfähigen Betriebsrat nicht angewandt werden, weil mit ihnen lediglich der mit der selbständigen Rechtsperson verbundene Schutzschild der Haftungsbeschränkung zur Seite geschoben werde. 2 0 Der Bundesarbeitsgericht habe diese Auffassung in einer späteren Entscheidung vom 15. 12. 1978 2 1 daher auch wieder aufgegeben. 22 Dieser Hinweis der Literatur erscheint allerdings nur vordergründig zutreffend. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der genannten späteren Entscheidung in der Tat nicht auf die Durchgriffskonstruktion zurückgegriffen und sich von der ersten Entscheidung distanziert. Dies beruht jedoch nicht - wie die Kritiker behaupten - auf dem Eingeständnis, die Anwendung der Durchgriffskonstruktion sei auf den teilrechtsfähigen Betriebsrat mangels juristischer Persönlichkeit von vornherein nicht möglich. Vielmehr ist das Bundesarbeitsgericht seiner früheren Entscheidung in der gesamten Konstruktion nicht gefolgt. Verneint wurde in der späteren Entscheidung bereits ein schuldrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Betriebsrat und Beisitzer und damit ein Anspruch des letzteren gegen den Betriebsrat als Gremium. Die Frage des Durchgriffs selbst erübrigt sich demnach in dieser Konstellation und wird dementsprechend überhaupt nicht erörtert. Der Arbeitgeber sei vielmehr schon anfänglich einem Direktanspruch des Beisitzers ausgesetzt gewesen. 23 Zur Frage der generellen Anwendbarkeit des Haftungsdurchgriffs im Falle des Betriebsrats lassen sich aus dieser späteren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gerade keine Schlüsse ziehen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Haftungsdurchgriff läßt sich zusammenfassend folgendermaßen beurteilen: Nach Einführung des § 76 a Abs. 3 BetrVG, der einen Direktanspruch gegen den Arbeitgeber gesetzlich festschreibt, ist die Frage eines Durchgriffs auf den Arbeitgeber im Fall eines Beisitzeranspruchs sicherlich obsolet geworden. Jedoch ist immer noch in hohem Maße beachtlich, daß das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 06. 04. 1973 2 4 ge19 BAG v. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 unter II. 3. a. 20 Dietz!Richardi, 6. Aufl., § 76, Rn. 130; Rosset, S. 35. Beide Stellen beziehen sich dabei auf Wiedemann, Bd. I, S. 221. 21 22 23 24 10*
BAG AP Nr. 6 zu § 76 BetrVG 1972. Rosset, S. 35. BAG ν. 15. 12. 1978 AP Nr. 6 zu § 76 BetrVG 1972 unter III. 2. a., b. BAG AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972.
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nerell eine Anwendbarkeit des Haftungsdurchgriffs auf den Betriebsrat bejaht hat. Auch die Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien zur Begründung des Durchgriffs ist bemerkenswert.
II. Das Konzept der Durchgriffshaftung 1. Die Problematik Das Argument der Literatur gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, ein Durchgriff sei nur bei juristischen Personen möglich, läßt sich bei eingehenderer Untersuchung nicht halten. Eine genaue Betrachtung entzieht der Literatur ihre gedankliche Grundlage. Unter diesen Literaturstimmen beruft sich insbesondere Rosset darauf, das Rechtsinstitut des Durchgriffs diene lediglich dazu, die mißbräuchliche Ausnutzung einer juristischen Person zu verhindern, sei jedoch in bezug auf den Betriebsrat nicht anwendbar. 25 Eine Begründung für diese Behauptung findet sich indes bei Rosset nicht. Es ist allerdings notwendig, sich zur Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des Haftungsdurchgriffs auch auf den Betriebsrat nicht mit allgemeinen Vorgaben zu begnügen. Vielmehr muß von einem zuvor genau definierten Durchgriffskonzept ausgegangen werden. Die Durchgriffsproblematik ist äußerst schwierig und umstritten, so daß schon die Ordnung des Stoffes schwerfällt. 2 6 Als Rechtsgrundlagen werden u. a. ins Feld geführt 2 7 : Ordre p u b l i c 2 8 , Normauslegung 2 9 oder das Gebot von Treu und Glauben in Form des Rechtsmißbrauchs. 30 Die Durchgriffshaftung stellt dabei lediglich einen Teilbereich des Durchgriffs dar. 3 1 In dieser Untersuchung geht es allein um die Erschließung weiterer Vermögensmassen für die Verpflichtungen des Betriebsrats. Insofern ist letztlich nur der Haftungsdurchgriff von Interesse. Dennoch ist es der nötigen Klarheit wegen geboten, die verschiedenen Durchgriffskonzepte zunächst allgemein darzustellen, um dann im Besonderen auf den Haftungsdurchgriff einzugehen. Das juristische Problem des Durchgriffs besteht generell in der Frage, unter welchen Voraussetzungen Rechtsverhältnisse oder rechtliche relevante Tatsachen über die Grenzen eines Rechtsträgers hinaus einem anderen Rechtsträger zugerechnet 25 Rosset, S. 35. 26 Schmidt, S. 226. 27 Für Nachweise vgl. Rehhinder, S. 100, FN 82-85. 28 Müller-Freienfels, 593. 29 Müller-Freienfels, 30 Serick, S. 203 ff. So Schmidt, S. 227.
AcP 156 (1957), S. 522, 537 f.; Reinhard, FS Lehmann, S. 588 ff., AcP 156 (1957), S. 522, 537 f.
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bzw. zugeordnet werden sollen. 3 2 Insbesondere die „atypische" Einmanngesellschaft hat Anlaß zu Überlegungen gegeben, wie die Grenzen eines Rechtsträgers überwunden werden könnten. 3 3 Die Durchgriffsproblematik wird allgemein als Problem der juristischen Person aufgefaßt. 34 Jedoch ist zu untersuchen, ob dieses Verständnis nicht als zu eng betrachtet werden muß und sich die Gedanken zum Durchgriff nicht auf den Betriebsrat als Personifikation mit einem geringeren Grad an Rechtsfähigkeit im weiteren Sinne übertragen lassen.
2. Die streitenden Lehren a) Die subjektive Mißbrauchstheorie Als Begründer der modernen Durchgriffslehre wird gemeinhin Serick 3 5 betrachtet. 3 6 Namentlich er war es, der nach dem letzten Krieg den Versuch unternahm, die Problematik einheitlich zu erfassen und damit auch eine einheitliche Lösung zu finden. 3 7 Serick gilt als Hauptvertreter der sogenannten subjektiven Mißbrauchstheorie. Nach ihr darf die Rechtsform der juristischen Person in den Fällen mißachtet werden, in denen sie zu unlauteren Zwecken mißbraucht w i r d . 3 8 Er sieht in der juristischen Person einen Eigenwert und damit das grundsätzliche Gebot, sie in ihrer gesetzlich ausgestalteten Selbständigkeit zu beachten. 39 Da Serick von der Einheitsfigur der juristischen Person ausgeht, besitzt z. B. die Einmanngesellschaft notwendigerweise die gleiche Rechtsfähigkeit wie eine typische Mehrpersonengesellschaft. 40 Der Eigenwert der juristischen Person führt seiner Ansicht nach dazu, daß deren Selbständigkeit nur unter den strengen Voraussetzungen des subjektiven Mißbrauchs mißachtet werden darf 4 1 , insbesondere, „wenn mit Hilfe der juristischen Person ein Gesetz umgangen, vertragliche Verpflichtungen verletzt oder Dritte fraudulös geschädigt werden sollen". 4 2 Serick beschreibt in einer umfangreichen Kasuistik diejenigen Fälle, in denen das Trennungsprinzip eingeschränkt werden kann. 4 3 Der Durchgriff sei gerade nicht schon dann zulässig, wenn allein der 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Schmidt, S. 224. Krause, S. 311. Schmidt, S. 226. Serick, „Rechtsform und Realität juristischer Personen", 1955. So Rehbinder, S. 95. Coing, NJW 1977, S. 1793, 1793. Schmidt, S. 229. Serick, S. 24 ff., 204, 206. Vgl. Rehbinder, S. 94.
41 Serick, S. 24, 27, 29, 31, 33, 38, 42. 42 Serick, S. 203. 43 Serick übernimmt hierbei anglo-amerikanische Vorstellungen eines Trennungsprinzips, dessen „Schleier" mittels des Durchgriffs „durchstoßen" wird, vgl. Krause, S. 312.
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objektive Normzweck es gebiete. 4 4 I m Falle des Haftungsdurchgriffs geht die Mißbrauchstheorie vom Regeltatbestand der vermögensmäßigen Selbständigkeit der juristischen Person aus und versucht, Ausnahmefälle zu finden und zu systematisieren. 45 Obwohl Serick versichert, er wolle die juristische Person streng funktional als Schöpfung des objektiven Rechts für bestimmte Zwecke erfassen 46 und sich einer qualifizierten Wesensbestimmung ihrer enthalten, gelangt er mit seinem Mißbrauchskonzept unversehens gerade zu einer solchen Wesensbestimmung. 47 M i t seiner Konzeption der Einheitsfigur stellt Serick nämlich klar, daß der Gesetzgeber von vornherein dem Zweckwert der einzelnen Norm den Eigenwert der juristischen Person gegenübergestellt und hierdurch eine Wertabwägung zugunsten der juristischen Person vorgenommen habe 4 8 Eine solche vorweggenommene Abwägung würde in ihrer Konsequenz dementsprechend strenge (subjektive) Voraussetzungen für den Durchgriff erfordern.
b) Die objektive Mißbrauchstheorie Die subjektive Lehre Sericks erfuhr i m Fortgang der Diskussion allerdings eine Verobjektivierung, insbesondere durch Reinhardt. Ihm zufolge soll es nicht mehr auf den absichtlichen Mißbrauch ankommen, vielmehr genüge eine objektivzweckwidrige Verwendung der juristischen Person. 49 Nach dieser objektiven Theorie begründet die körperschaftliche Verfassung die Selbständigkeit des Rechtssubjekts gegenüber seinen Trägern. Sinn und Zweck dieser Einrichtung lägen also von vornherein den Gedanken einer rechtlichen Identität zwischen der Vereinigung und ihren Mitgliedern nicht nahe. 5 0 Allerdings verlangt Reinhardt gerade für den Haftungsdurchgriff als Sondergebiet der allgemeinen Durchgriffsproblematik als zusätzliche Voraussetzung die Verletzung des ordre public in Form der Nichtbeachtung allgemeiner verkehrswirtschaftlicher Ordnungsgrundsätze oder die mangelnde Erfüllung von Organisationspflichten. Der ordre public eigne sich hierbei besonders zur Ausfüllung des Allgemeinbegriffes der guten Sitten i m Sinne der §§ 138 und 826 B G B . 5 1 Insofern nähert sich diese Auffassung in bezug auf den hier interessierenden - Haftungsdurchgriff wieder stark den subjektiven Mißbrauchstheorien.
44 45 46 47
Vgl. Rehbinder, S. 95. Vgl. Wiedemann, Bd. I, S. 218. Serick, S. 3. Vgl. Müller-Freienfels, S. 526; Schanze, S. 60.
48 Serick, S. 24. 49 Reinhardt, FS Lehmann, S. 579 ff. 50 Reinhardt, FS Lehmann, S. 577. 51 Reinhardt, FS Lehmann, S. 591.
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c) Die Normzwecklehre als überzeugende Konzeption aa) Die Unvereinbarkeit der Mißbrauchstheorien mit der Relativität der Rechtsfähigkeit Serick entwickelt seine Lehre lediglich für die (vollrechtsfähige) juristische Person. 5 2 Da er diese als Einheitswesen definiert, ist das Trennungsprinzip bei ihm institutionelles Element der Wirtschaftsverfassung. 53 Auch die Vertreter der objektiven Mißbrauchslehren gehen - da sie die Lehre Sericks als Ausgangspunkt nehmen - von diesen Vorüberlegungen aus. Teilrechtsfähige Personifikationen haben in der Untersuchung von Serick ausdrücklich keine Berücksichtigung gefunden. 54 Die vorweggenommene Wertentscheidung zugunsten des Trennungsprinzips bei juristischen Personen durch den Gesetzgeber ist der Kernpunkt dieser Lehre. Von diesem Kernpunkt aus werden die Voraussetzungen eines Durchgriffs entwickelt. Eine solche Wertentscheidung durch den Gesetzgeber kann bei teilrechtsfähigen Personifikationen aber gerade nicht festgestellt werden. Aufgrund ihres Ansatzes versagen daher die Mißbrauchslehren bei der Beantwortung der Frage, ob ein Durchgriff auch durch den teilrechtsfähigen Betriebsrat in Frage kommt. Sie sagen für andere als vollrechtsfähige Personen nichts aus. Den bisher dargestellten Lehren ist nicht zu folgen, da sie sich in ihrem absoluten Verständnis der Rechtsperson in Widerspruch mit der Relativität der Rechtsfähigkeit setzen. Nach Serick habe der Gesetzgeber mit der juristischen Person ein dem Menschen gleichwertiges Rechtssubjekt geschaffen. 55 So besitze die Einmanngesellschaft notwendigerweise die gleiche Rechtsfähigkeit wie die typische Mehrpersonengesellschaft. 56 Die Absolutheit der juristischen Person impliziert den umfassenden Charakter ihrer Rechtsfähigkeit und geht damit vom Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre aus. 5 7 Wenn man aber demgegenüber von vornherein annimmt, die Rechtsfähigkeit ergebe sich erst aus der Auslegung des objektiven Rechts, so kann man nicht zu einem solchen absoluten Trennungsprinzip einer juristischen Einheitsperson gelangen, das im Einzelfall „durchstoßen" werden muß. 5 8
52 Vgl. Müller-Freienfels, S. 527 f. 53 Schanze, S. 60. 54 Serick, S. 196; vgl. auch Müller-Freienfels, 55 Serick, S. 213. 56 Vgl. Rehbinder, S. 94. 57 Fabricius, S. 25.
S. 527 f.
58 Um so mehr erstaunt es, daß Rosset, der den Betriebsrat ausdrücklich für teilrechtsfähig erklärt, in seiner Kritik an der Durchgriffsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts (siehe dazu oben § 191.) den Mißbrauchstheorien folgt, vgl. Rosset, S. 34 f.
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bb) Die Normzwecklehre als Konsequenz der Relativität der Rechtsfähigkeit Ausgehend von der Relativität der Rechtsfähigkeit muß ein anderer Ausgangspunkt zur Begründung einer möglichen Durchgriffshaftung gefunden werden. In der Durchgriffsproblematik bildet die Ansicht von Müller-Freienfels 5 9 den Gegenpol zur Auffassung Sericks 6 0 . Nach der Normanwendungslehre von Müller-Freienfels geht es beim Durchgriff immer um die Frage, „ob und inwieweit eine bestimmte Norm in einem konkreten Fall auf diese oder jene juristische Person ihrem Sinn und Zweck nach i m Zuge richtiger Gestaltung der sozialen Ordnung anwendbar i s t " . 6 1 Der Richter wird auf die „Politik des Gesetzes" verwiesen, also auf die in der Rechtsordnung verankerten Regelungszwecke, die seine Entscheidung zu berücksichtigen hat. 6 2 Dies entspricht einer relativen Rechtsfähigkeit als dogmatischer Grundvoraussetzung bei der Frage des Durchgriffs. Müller-Freienfels hält das Durchgriffsproblem nicht für ein generalisierbares Problem der juristischen Person; vielmehr liege stets ein Normanwendungsproblem vor. 6 3 Es geht nicht mehr um die Mißachtung der juristischen Person, also um die Nichtanwendung der für sie geltenden Rechtssätze, sondern um die Besonderheiten der einzelnen (meist) außergesellschaftlichen Rechtssätze. 64 Aus der Relativität der Rechtsfähigkeit folgt die Notwendigkeit der jeweiligen Normanwendung i m konkreten Einzelfall. Aus dieser Notwendigkeit wiederum folgt gerade die Ablehnung eines selbständigen, verallgemeinernden und auf dem Verständnis der juristischen Person als Einheitsfigur aufbauenden Haftungstatbestandes zur Lösung pathologischer Fälle juristischer Personen. 6 5 Sowohl die subjektive als auch die objektive Durchgriffslehre pauschalieren zu stark. 6 6 Zur Relativität der Rechtsfähigkeit bekennt Müller-Freienfels sich insbesondere dadurch, daß er - der Ansicht Wolffs 6 7 folgend - von der juristischen Person als „konstruktiver Abbreviatur" ausgeht. Demzufolge bildet die juristische Person lediglich eine Zusammenfassung von Tatbeständen, Beziehungen und Normen. 6 8 So läßt sich mit Blick auf die Eigenschaften der juristischen Person kein einziges durchgängiges Organisationselement aller juristischer Personen feststellen. 69 59
Müller-Freienfels, „Zur Lehre vom sogenannten Durchgriff bei juristischen Personen im Privatrecht", AcP 156 (1957), S, 522 ff. 60 Vgl. Nirk, S. 455; Rehbinder, FS Fischer, S. 580. 6· Müller-Freienfels, S. 536; ebenfalls im Sinne der Normanwendungslehre: Krause, S. 312; Kuhn, S. 199 ff.; Rehbinder, S. 107 ff.; ders., FS Fischer, S. 581. 62 Krause, S. 313. 63 So Schmidt, S. 230. 64 So Wiedemann, Bd. I, S. 219. 65 Hachenburg /Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 13. 66 Hergenröder, Anm. zu BSG, SGb 1998, S. 491, 495. 67 Wolff, Bd. I, S. 207 ff., ders., Bd. II, S. 280 ff.; so auch Fabricius, S. 91 f. 68 Müller-Freienfels, S. 529, 530. 69 Müller-Freienfels, S. 528.
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Die rechtskonstruktive Unterbauung des Durchgriffs durch eine „Einheitsfigur" sei insofern kein echtes Problem, da es eine solche Einheitsfigur nicht gebe. 7 0 Nach diesem Ansatz muß der Brückenschlag von der Figur eines nur relativ rechtsfähigen Rechtssubjekts zwingend zur Frage der jeweiligen Anwendung von Einzelnormen führen. I m Gegensatz zu Serick, der das Trennungsprinzip durchbrechen muß, besteht die Normanwendungslehre in einer Besinnung auf die Relativität der Rechtsfähigkeit, aus der sich von vornherein eben keine umfassende Rechtssubjektivität und damit kein Trennungsprinzip herleiten läßt. 7 1 Bei der Frage nach der Anwendbarkeit einer bestimmten Norm in einem konkreten Fall auf diese oder jene juristische Person findet nach der Normanwendungslehre auch der ordre public der Rechtsordnung 72 , sowie die Analyse der jeweiligen Interessenlage 73 Berücksichtigung. Bei der Auslegung des Normzweckes sind ferner insbesondere die Funktionen der jeweiligen Inkorporationsform zu berücksichtigen. 74 Auch der Zweck der einzuschränkenden Norm und die Wahrung des Rechtsinstituts, dem diese Norm angehört, haben dabei Berücksichtigung zu finden. 7 5 Neben dem Zweck der speziell anwendbaren Norm sind ebenfalls die anwendbaren Rechtsgrundsätze ausschlaggebend. 76 M i t dem Bundesgerichtshof 77 kann dies generell so formuliert werden, daß eine juristische Person nur in dem Umfang Beachtung finden kann, in dem ihre Verwendung dem Zwecke der Rechtsordnung entspricht. Der Durchgriff wird nicht als Problem der juristischen Person selbst verstanden, sondern als Problem ihrer Außenbeziehung, also der Normanwendung. 7 8 Das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Mißbrauchslehren wird von der Normanwendungslehre abgeschwächt 79 : Die Einheitsfigur der juristischen Person sei nicht von vornherein der Normanwendung vorgegeben. Aus der Auslegung der jeweiligen Norm ergebe sich erst, ob diese die juristische Person als selbständige Rechtsperson behandelt wissen w o l l e 8 0 und inwieweit eine auf Dritte bezogene Zurechnung geboten sei. 8 1 70 Müller-Freienfels, S. 530. 71 Schmidt, S. 231. 72 Müller-Freienfels, S. 538. Der ordre public wird hier beschrieben als „Inbegriff der die jeweilige Gesellschaftsordnung beherrschenden Prinzipien". 73 Müller-Freienfels, S. 537; so auch Coing, NJW 1977, S. 1793, 1793. 74 Hachenburg /Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42; Hachenburg IMertens, 8. Aufl., § 13 Anh., Rn. 30. 75 Rehbinder, S. 107. 76 Hergenröder, Anm. zu BSG, SGb 1998, S. 491, 495. 77 BGHZ 20, 4, 14; 22, 226, 231 ; 31, 258, 271. 78 Rehbinder, S. 96; ders., FS Fischer, S. 581. 79 Wiedemann, Bd. I, S. 219, interpretiert die Normanwendungslehre dahingehend, daß es überhaupt kein Regel-Ausnahme-Verhältnis gebe. Diese Schlußfolgerung ist, wie später unter § 19 II. 4. d) bb) noch dargelegt werden wird, zu weitgehend. 80 Fabricius, S. 109; Müller-Freienfels, S. 526 f. So wird er auch von Wilhelm interpretiert, vgl. ders., S. 7. 81 Hachenburg ! Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42.
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cc) Die Abgrenzung der Normzwecklehre von der Zurechnungsmethode Es ist allerdings darauf zu achten, die von Müller-Freienfels begründeten Normanwendungslehre nicht mit den Überlegungen der sog. Zurechnungs-, Auslegungs- und echten Normanwendungsmethoden zu verwechseln. So ist insbesondere der Ansatz von Schanze ein gänzlich anderer. Schanze verlangt nach einer vom Durchgriffsdenken vollkommen losgelösten Zurechnung, indem er das Nebeneinander des Verbandes und seiner Mitglieder lediglich zum Anlaß für Zurechnungs-, Auslegungs- und Normanwendungsprobleme n i m m t . 8 2 Häufig wird er als Fortführer und extremer Vertreter der Lehre von Müller-Freienfels betrachtet, da auch er Normauslegung und Zurechnung betreibt. 8 3 Dies ist jedoch irreführend, da Schanze gerade keine Rückbesinnung auf die Relativität der Rechtsfähigkeit vornimmt. Hierin stimmt er mit F l u m e 8 4 und W i l h e l m 8 5 überein, die davon ausgehen, daß es ein Trennungsprinzip nicht gebe und infolgedessen auch keine Überwindung desselben. M i t Hilfe differenzierter Normanwendung soll gerade mit der Selbständigkeit der juristischen Person ernst gemacht werden. 8 6 A l l diesen Autoren ist gerade die Ablehnung einer Relativität der Rechtsfähigkeit gemein. 8 7 Ihrer Auffassung zufolge ist ein Durchgriff unnötig. 8 8
d) Zwischenergebnis Ausgehend von der Relativität der Rechtsfähigkeit ist der Ansatz von MüllerFreienfels richtig. Die Normanwendungslehre ist in der Lage, Durchgriffskriterien der subjektiven und objektiven Konzeption zu umfassen und wird insofern am ehesten der Rechtsprechung gerecht, die eine Bindung an eine bestimmte Durchgriffslehre zu vermeiden sucht. 8 9 M i t der Normanwendungslehre steht insbesondere eine Durchgriffslösung zur Verfügung, die - ausgehend von einer von vornherein i m konkreten Einzelfall begrenzten Rechtsfähigkeit - auf Personifikationen jedes Verselbständigungsgrades anwendbar ist, so insbesondere auch auf die sog. „Vorstufe der juristischen Person", die offene Handelsgesellschaft. 90 Wenn schon bei der juristischen Person ein 82 83 84 85 86
Schanze, S. 102 ff. So Hachenburg/Mertens, Flume, Bd. I 2, S. 68. Wilhelm, S. 1 ff. Wilhelm, S. 12.
8. Aufl., § 13 Anh., Rn. 30.
87 So Flume, Bd. I 1, S. 91. Der Begriff der relativen Rechtsfähigkeit habe hiernach nur „tautologischen Charakter"; Schmidt, S. 220. 88 Schmidt, S. 231 ff. 89 Hachenburg /Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42. 90 Müller-Freienfels, S. 527. Die Ausdehnung der Durchgriffsmethode auf die offene Handelsgesellschaft wird häufig allein mit der Notwendigkeit der Korrektur privatautonomer
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Durchgriff als Ausdruck ihrer relativen Rechtsfähigkeit möglich ist, so muß für teilrechtsfähige Gebilde der erst-recht-Schluß gelten. 9 1 Ihre Selbständigkeit in von vornherein weniger ausgeprägt. Wie schon die Definition des Begriffes der Rechtsfähigkeit nur einheitlich für alle Personifikationen erfolgen kann, gilt dies ausgehend von der Normanwendungslehre auch für die Durchgriffsproblematik. Die Normanwendungslehre findet demnach grundsätzlich auch Anwendung auf den Betriebsrat als teilrechtfähige Rechtspersonifikation.
3. Der Durchgriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts Der Bundesgerichtshof entwickelt seine Formeln in bezug auf die Begründung des Durchgriffs sehr allgemein und läßt sich nicht auf eine Durchgriffslehre festlegen. Es werden unterschiedliche Begründungselemente verwendet und i m allgemeinen strenge Anforderungen gestellt. Zwar hat der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen die subjektive Lehre Sericks explizit für zu eng erklärt 9 2 und festgestellt, die juristische Person könne nur insoweit Berücksichtigung finden, wie ihre Verwendung dem Zwecke der Rechtsordnung entspreche. 93 Ob hierin jedoch schon eine Vorbereitung der Normanwendungslehre zu sehen i s t 9 4 , wird wohl aufgrund der nicht allzu tiefgreifenden dogmatischen Vorbereitung zu verneinen sein. Der Bundesgerichtshof beschränkt sich vielmehr auf allgemeine Aussagen. In seiner Rechtsprechung stellen zum einen die Unterkapitalisierung 95 und zum anderen die Vermögens Vermischung 96 die beiden Hauptanwendungsfälle des Durchgriffs dar. 9 7 Der Bundesgerichtshof geht dabei allerdings verallgemeinernd davon Organisationsentscheidungen, die mit den Ordnungs- und Steuerungsfunktionen des Gesellschaftsrechts nicht vereinbar sind, begründet, vgl. Krause, S. 313, 316 f. Dies ist letztlich ein Verweis auf das Kriterium des Mißbrauchs. Wer jedoch die Normanwendungslehre ernst nimmt, kommt schon aus systematischen Gründen heraus auf eine Anwendbarkeit der Durchgriffsmethode auf alle Personifikationen mit einem gewissen Grad an Rechtsfähigkeit. 91 So bemerkt auch Schmidt, S. 226, daß in der Durchgriffskonstruktion nur pars pro toto von der juristischen Person gesprochen werden könne. 9 2 BGHZ 20, 4, 13. 9 3 BGHZ 20, 4, 14; 22, 226, 231. 94 So Hachenburg / Ulmer, 7. Aufl., § 30 Anh., Rn. 56. 9 5 BGHZ 68, 312, 316. BGHZ 95, 330, 333; 125, 366, 368. Nach BGH 149, 10 (Bremer Vulkan) scheint nunmehr allerdings auch die Haftung im qualifiziert faktischen Konzern eine Fallgruppe der allgemeinen Durchgriffshaftung darzustellen, vgl. Hoffmann, NZG 2002, S. 68, 71; so auch Westermann, NZG 2002, S. 1129, 1135. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Durchgriffsvoraussetzung eines existenzvernichtenden Eingriffs durch unangemessene Berücksichtigung der Interessen der Gesellschaft scheint dabei tendenziell in dieser Fallgruppe auf die subjektiven Mißbrauchstheorie hinzuweisen. 97
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aus, daß ein Durchgriff stets - aber auch nur - dort in Betracht komme, wo das Trennungsprinzip andererseits zu Ergebnisses führen würde, die „ m i t Treu und Glauben nicht in Einklang stehen, und [ . . . ] die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen einen Rechtsmißbrauch bedeutet". 9 8 Häufig wird auf die ebenso selbstverständliche wie nichtssagende Formel zurückgegriffen, es dürfe „über die Rechtsfigur einer juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden". 9 9 Auch beruft sich der Bundesgerichtshof allzu formelhaft auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts 1 0 0 , indem er den Satz aufstellt, es sei „die juristische Konstruktion hintanzusetzen, wenn die Wirklichkeit des Lebens, die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die Macht der Tatsachen eine solche Handhabung gebieten". 1 0 1 Im Ergebnis bejaht der Bundesgerichtshof die Möglichkeit eines Durchgriffs in Fällen der Vermögensvermischung 102 , während er in Fällen der Unterkapitalisierung eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter zumeist abgelehnt hat. Bei nomineller Unterkapitalisierung 1 0 3 gelten für den praktisch wichtigsten Fall der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die §§ 32 a, 32 b GmbHG. Hinsichtlich der Situation der materiellen Unterkapitalisierung lehnt der Bundesgerichtshof einen Durchgriff generell a b . 1 0 4 Eine Ausnahme bildet insoweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08. 07. 1970. 1 0 5 Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mangels einer klaren Linie in dogmatischer Hinsicht kaum etwas zu entnehmen. Sie widerspricht aber auch nicht der - ohnehin schon überzeugenden - Normanwendungslehre. Einer weitergehenden Berufung auf die Rechtsprechung bedarf es in dogmatischer Hinsicht zur Unterlegung der Normanwendungslehre nicht. Allerdings kann auf die einzelnen Begründungselemente des Bundesgerichtshofs i m Rahmen der Prüfung der rechtlichen Gebotenheit eines Durchgriffs bei Anwendung der Normzwecklehre durchaus zurückgegriffen werden. So können beispielsweise die angesprochenen wirtschaftlichen Bedürfnisse sowie die Lebenswirklichkeit im Rahmen der Auslegung der Normen nach der Normanwendungslehre Bedeutung erlangen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich zusätzlich zu dem oben erwähnten Urteil zum Durchgriff durch den Betriebsrat vom 06. 04. 1 9 7 3 1 0 6 in einer Reihe von Entschei98 BGHZ 78, 318, 333. 99 BGHZ 61, 380, 383; 102, 95, 101; in bezug auf den Haftungsdurchgriff: BGHZ 20, 4, 11 ; 26, 31, 37; 54, 222, 224; 78, 318, 333. 100 RGZ 99, 232, 234; 129, 50, 53 f. 101 BGHZ 54, 222, 224; 78, 318, 333. 102 So BGHZ 95, 330. 103 Hiervon zu unterscheiden ist die materielle Unterkapitalisierung: Diese liegt vor, wenn die Mittelzuführung gänzlich ausbleibt, nominelle Unterkapitalisierung dagegen, wenn Fremdkapital statt Eigenkapital zugeführt wird, vgl. Schmidt, S. 248. 104 Grundlegend BGHZ 68, 312, 319; vgl. Soergel/Hadding, 13. Aufl., vor § 21, Rn. 36. los BGHZ 54, 222 ff.; dazu ausführlicher unten § 19 IV. 4. d) aa). 106 BAG AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972; siehe schon oben § 19 I.
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157
düngen zum Durchgriff auf dem Gebiete des Gesellschaftsrecht geäußert. 1 0 7 Wie i m Falle des Bundesgerichtshofes läßt sich dieser Rechtsprechung ebenfalls eine klare Linie mit fundierter dogmatischer Begründung bislang nicht entnehmen. Sie scheint sich i m Einklang mit den objektiven Mißbrauchstheorien zu befinden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt ein Haftungsdurchgriff dann in Betracht, wenn sich die Wahl der haftungsbeschränkenden Rechtsform objektiv als rechtsmißbräuchlich darstellt.
4. Die Normanwendungslehre im Falle des Haftungsdurchgriffs durch den Betriebsrat Nachdem nunmehr die generelle Anwendbarkeit des Durchgriffskonzepts auf den Betriebsrat als teilrechtsfähige Personifikation festgestellt ist, bleibt zu klären, was die Lehre vom Normzweck konkret für den Haftungsdurchgriff bedeutet. Es handelt sich dabei um die Frage nach den rechtstechnischen Voraussetzungen, unter denen auf die Betriebsratsmitglieder durchzugreifen wäre.
a) Die Wirkungen
des Haftungsdurchgriffs
Nach der Normanwendungslehre ist anhand des Zwecks der jeweiligen Norm zu entscheiden, ob diese ihrem Sinn nach auf die Person oder Personifikation anwendbar ist oder nicht. Leicht läßt sich dieses Vorgehen auf dem Feld des Durchgriffs darstellen, auf dem es - jenseits der Problematik des Haftungsdurchgriffs - um Fragen der Gutgläubigkeit geht. So sind im Gesellschaftsrecht Normen des grundbuchrechtlichen, fahrnisrechtlichen und wertpapierrechtlichen Gutglaubensschutzes (§§ 892, 932 ff. BGB, Art. 16 Abs. 2, 17 WechselG und Art. 21, 22 ScheckG) i m Verhältnis zwischen Alleingesellschafter und Gesellschaft ihrem Normzweck nach schlicht nicht anwendbar. 1 0 8 Rechtstechnisch problematischer verhält es sich beim Haftungsdurchgriff. Hier müssen neue Haftung sverpüichtungen begründet werden. Anders als in den übrigen Fällen, in denen nach Ermittlung ihrer Zwecke Normen und Rechtsgrundsätze i m Rahmen ihrer Funktion und Reichweite auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden, muß beim Haftungsdurchgriff ermittelt werden, inwieweit die Normwirkung haftungsrechtlich aufgrund des Normzweckes neben der einzelnen Person auch deren Mitglieder erfaßt. 1 0 9 Veranschaulichend kann auch von korrigierender Zurechnung von Umständen einerseits und Zuordnung von Rechtsfolgen (Haftungsdurch-
107 BAG v. 08. 09. 1998 AP Nr. 12 zu § 303 AktG; BAG ν. 08. 03. 1994 AP Nr. 6 zu § 303 AktG; BAG ν. 01. 08. 1995 AP Nr. 8 zu § 303 AktG. los Hachenburg IMertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 54. 109 So für die Gesellschaft: Kuhn, S. 211.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
griff) andererseits gesprochen werden. 1 1 0 I m Falle des Haftungsdurchgriffs durch die Gesellschaft hat der Richter anhand des durch Auslegung zu ermittelnden Regelungszwecks des anzuwendenden Rechtssatzes darüber zu entscheiden, ob die angeordnete Rechtsfolge nur die Gesellschaft, nur die (den) Gesellschafter oder auch etwa beide treffen soll. 1 1 1 Der Haftungsdurchgriff ist somit in zweierlei Hinsicht komplizierter als die übrigen Fallgruppen des Durchgriffs: Zum einen ist bei der Durchgriffshaftung nicht lediglich zu fragen, ob eine Norm als Ganzes auf eine Personifikation anzuwenden ist oder nicht. Vielmehr ist zwischen den einzelnen Rechtsfolgen der Norm zu differenzieren. Es ist die Haftung von der Schuldverpflichtung als Rechtsfolge zu trennen und zu ermitteln, ob neben der ursprünglichen Verpflichtung auch die diesbezügliche Haftung die jeweilige Personifikation treffen soll. Schuld und Haftung können folglich auseinanderfallen. Die Normanwendung ist demnach i m Hinblick auf die einzelnen Rechtsfolgen der betreffenden Norm gesondert zu betreiben. Zum anderen beschränkt sich die Frage der Durchgriffshaftung nicht allein darauf, ob die Rechtsfolge der Haftung eine Personifikation trifft oder nicht, sondern vielmehr zugleich darauf, ob diese Rechtsfolge darüber hinaus (auch) eine andere Person oder Personifikation trifft, ob also eventuell (auch) eine andere Person oder Personifikation in die Haftung genommen werden kann. Im Ergebnis ist zu untersuchen, ob die ursprünglich schuldende Person, eine andere oder beide für den Anspruch haften müssen. So ist i m Fall des Gesellschaftsrechts zu fragen, ob eventuell positiv die (Mit-)haftung des Gesellschafters durch das Gesetz angeordnet w i r d . 1 1 2
b) Die Durchgriffshaftung als Auswirkung der Relativität der Rechtsfähigkeit aa) Der Haftungsdurchgriff als Sonderproblematik des Durchgriffs Bisher wurde dargelegt, daß der Betriebsrat teilweise rechts- und pflichtfähig ist. Es bleibt jedoch zu untersuchen, ob diese Tatsache auch dazu führt, daß durch ihn in haftungsrechtlicher Hinsicht auf seine Mitglieder durchgegriffen werden kann. Es ist zu klären, ob und gegebenenfalls wie sich die von der Schuldverpflichtung trennbare Haftungsfrage in die o b e n 1 1 3 dargestellte Konzeption der Rechtsfähigkeit und ihrer Relativität einfügen läßt. no So Krause, S. 314. m Krause, S. 312. ι· 2 So Kuhn, S. 207, der allerdings von einer institutionellen Betrachtungsweise des Durchgriffs ausgeht. 113 Siehe oben § 3 III.
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Die logische Trennung von Schuldverpflichtung und Haftungsverpflichtung wurde in dieser Untersuchung bisher nur begrifflich dargelegt und auf Fälle bezogen, die jeweils nur eine Person betreffen. 1 1 4 Hinsichtlich der Rechtsfähigkeit wurde bereits festgestellt, daß sie einzelnen Subjekten nur zukommt, soweit das objektive Recht ihnen einzelne Rechte und Pflichten zuordnet. Die am Normzweck orientierte Durchgriffslehre beruft sich gerade auf die Relativität der Rechtsfähigk e i t . 1 1 5 Es ist allerdings nach den bisherigen Ausführungen noch nicht ohne weiteres ersichtlich, wie sich aus der Relativität der Rechtsfähigkeit die Tatsache herleiten läßt, daß für die Schuldverpflichtungen der einen Rechtspersönlichkeit das Vermögen einer anderen Person haften soll, daß also Schuld und Haftung trennbar sind und sich unabhängig voneinander einzelnen Rechtspersönlichkeiten zuordnen lassen. Daß die Möglichkeit der Trennung von Schuld und Haftung und der getrennten Zuordnung an verschiedene Rechtssubjekte durchaus aus dem Wesen der Relativität der Rechtsfähigkeit zu schließen ist, soll im Folgenden nachgewiesen werden. Es existieren in der Tat Rechtssubjekte in unserer Rechtsordnung, deren Gläubigern mehrere Vermögensmassen für die Haftung zur Verfügung stehen. Insbesondere bei nicht rechtsfähigen Idealvereinen gehen Lehre und Rechtsprechung davon aus, daß generell bei vertraglichen Pflichten zwar nur das Vereinsvermögen hafte. 1 1 6 Die herrschende Lehre beschränkt in diesen Fällen darüber hinaus die Haftung auch bei gesetzlichen Forderungen auf das Vereinsvermögen. 117 Prinzipiell ist jedoch festzuhalten, daß bezüglich der Haftung für Schulden auch im Falle des nicht rechtsfähigen Vereins prinzipiell Verbindungen zu zwei Zuordnungseinheiten bestehen. 118 Daß sich die Relativität der Rechtsfähigkeit auch auf die Haftungsfrage auswirkt, bedarf allerdings einer deutlich gründlicheren Erklärung, als sie bisher erbracht wurde. Es geht um die Frage nach der Singularität oder Pluralität der dem Gläubiger zur Verfügung stehenden Vermögensmassen. Daß die Möglichkeit einer solchen Mehrheit besteht, wird innerhalb der Normanwendungslehre anerkannt 1 1 9 , aber nicht methodisch vorbereitet. Aus dem bisher Dargestellten zur Rechtsfähigkeit allein läßt sich eine solche Schlußfolgerung ebenfalls noch nicht ziehen.
ι· 4 Siehe oben § 3 II. us Müller-Freienfels, S. 530. 116 Vgl. Pawlowksi, Rn. 120, FN. 56. 117 Pawlowksi, FN 121. H« Pawlowksi, Rn. 119. 119 Müller-Freienfels, S. 528.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
bb) Die Unabhängigkeit der Rechtsfähigkeit vom Begriff des subjektiven Rechts Die Abkehr vom Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre hin zur Begründung ihrer Relativität ist insbesondere durch Fabricius erfolgt. 1 2 0 Er erweiterte zunächst den Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre um das Merkmal der Handlungsfähigkeit. 1 2 1 Hierbei erstreckt sich der Begriff der Handlungsfähigkeit auch auf das Handeln-Können durch Vertreter, Boten oder Organe. 1 2 2 Da sich die Reichweite der Handlungsfähigkeit der verschiedenen Subjekte unterscheidet, wird nach Fabricius die Rechtsfähigkeit demnach zunächst nur durch das Merkmal der Handlungsfähigkeit relativiert. 1 2 3 Fabricius erklärt die Rechtsfähigkeit i m Ergebnis jedoch nicht allein in bezug auf die Handlungsfähigkeit für relativ, sondern läßt auch in anderen Beziehungen Abstriche in bezug auf die Rechtsfähigkeit zu. Teilrechtsfähige Subjekte müssen danach in allen Aspekten darauf geprüft werden, ob und inwieweit sie Zuordnungssubjekt der jeweiligen Rechtsnorm sein können. 1 2 4 So ist auch Fabricius bereits davon ausgegangen, daß bei teilrechtsfähigen Personifikationen eine Mehrheit von Haftungsverbänden existieren k a n n . 1 2 5 Jedoch vermag er dieses Phänomen als Einbuße an Rechtsfähigkeit nicht in seine Konzeption einfügen, da er nicht imstande ist, der Haftungsfähigkeit einen klaren systematischen Ort zuzuweisen. 1 2 6 Seine Schlußfolgerung ist daher insoweit überraschend, als sie durch seine zuvor dargelegte Systematik nur unzureichend vorbereitet w i r d 1 2 7 , da Fabricius nämlich die Rechtsfähigkeit einseitig von der Handlungsfähigkeit bestimmt und sie damit streng genommen nur in dieser Richtung relativ i e r t . 1 2 8 Aus diesem Grunde wurde sein Verdienst häufig lediglich in der „Auflokkerung der Begriffe" gesehen. 1 2 9 Die Einseitigkeit einer solchen Bestimmung der Rechtsfähigkeit vom Merkmal der Handlungsfähigkeit her erklärt sich dadurch, daß Fabricius sich noch nicht weit genug von der herrschenden Lehre entfernt und seinen Begriff der Rechtsfähigkeit wie diese immer noch vom subjektiven Rechte her bestimmt, ihre Bestimmung somit vom Verständnis des subjektiven Rechts abhängig macht. Die Entwicklung des Verständnisses der Rechtsfähigkeit vom subjektiven Rechte her ist jedoch, wie nunmehr aufzuzeigen ist, nicht überzeugend. 120
Fabricius, „Relativität der Rechtsfähigkeit", 1963. Fabricius, S. 44; so auch Sauer, S. 467. >22 Fabricius, S. 44; so auch Müller-Freienfels, S. 155 ff., 176 ff. Fabricius, S. 49. Fabricius, S. 61. 125 Insb. bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Fabricius, S. 158 ff. ™ So auch John, S. 224. 127 Diese Kritik übt auch John, S. 229, auf dessen Gliederung der Rechtsfähigkeit im Anschluß eingegangen werden soll. Siehe hierzu unten § 19 II. 4. b) cc). i 2 « So auch John, S. 224. i 29 So Reinhardt ! Schultz, Rn. 51. 121
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Ausschlaggebendes Argument gegen den Rechtsfähigkeitsbegriff der herrschenden Lehre ist der Umstand, daß sie sich in unlösbare Widersprüche verstrickt, wenn man sie mit Blick auf das Wesen der subjektiven Rechte begutachtet. 1 3 0 Sieht man das subjektive Recht in Anschluß an Savigny als Willensmacht 1 3 1 , schließt man also in das subjektive Recht die Handlungsfähigkeit ein, so erscheint das reine Haben eines Rechts von diesem Ausgangspunkt her unmöglich. Auch der im Anschluß an Ihering entwickelte Begriff des subjektiven Rechts als rechtlich geschütztes Interesse 1 3 2 hilft nicht weiter. Zwar vermag man sich vorzustellen, rechtlich geschützte Interessen lediglich formal zu haben, ohne sie ausüben zu können. Jedoch ergeben sich Widersprüche vor allem bei den juristischen Personen. Insbesondere dienen die Rechte der Stiftung den Interessen der Destinatäre und nicht der Stiftung selbst. 1 3 3 U m diese Schwierigkeiten zu umgehen, definiert man das subjektive Recht daher heute als eine „von der Rechtsordnung verliehene, der Befriedigung menschlicher Interessen dienende (Willens-)Macht." 1 3 4 Man versucht, die Schwierigkeiten dadurch zu überwinden, daß man beide Begriffe des subjektiven Rechts vereinigt und i m Anschluß daran durch eine Wiedergabe all dessen auffüllt, was i m geltenden objektiven Recht über die subjektiven Rechte zu finden i s t . 1 3 5 Dementsprechend wird letztlich auch die konkrete Bedeutung der Rechtsfähigkeit der Subjekte durch die objektive Rechtsordnung vorgegeben, da der Inhalt des einzelnen durch das Gesetz zugeordneten subjektiven Rechts letztlich die konkreten Möglichkeiten beschreibt. 1 3 6 Das subjektive Recht darf sich jedoch nicht in einer solchen positivistischen Aufzählung der Inhalte des objektiven Rechts erschöpfen. Es würde dadurch in zu starkem Maße sinnentleert. Das subjektive Recht darf nicht lediglich als das verstanden werden, was die Rechtsordnung den Rechtssubjekten zubilligt. Es muß vielmehr, zumindest auf dem Gebiete des Privatrechts, selbständige Bedeutung haben. Das System der anerkannten subjektiven Rechte gewährleistet, daß der Staat subjektive Rechte gerade nicht durch die Rechtsordnung zubilligt, sondern daß ein staatsfreier Raum gegeben ist, auf dem der Rechtsgenosse nicht majorisiert werden k a n n . 1 3 7 Das Zivilrecht stellt einen Bereich zur Verfügung, in dem einzelne Entscheidungen über rechtliche Beziehungen noch offen stehen und erst durch diesen getroffen werden müssen. 1 3 8
130
Sehr ausführlich zu diesem Aspekt, unter Darstellung der verschiedenen Ansätze, John, S. 22 ff.; vgl. auch Pawlowksi, Rn. 102 ff. 131 Savigny, Bd. I, § 4, §§ 52 ff. 132 Ihering, Teil 3, § 60. 133 John, S. 39. 134 Brox AT, Rn. 617 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Bd. I 1, S. 428. 135 Pawlowksi, Rn. 107. 136 Pawlowksi, Rn. 103. 137 Pawlowksi, Rn. 107, 33 ff. 138 John, S. 72. 11 Triebel
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Ein Begriff der Rechtsfähigkeit, der sich vom subjektiven Rechte her entwickelt, vermag daher nicht zu überzeugen. Der Begriff der Rechtsfähigkeit muß vielmehr losgelöst vom subjektiven Rechte erfolgen. 1 3 9 Einer Begriffsbestimmung des subjektiven Rechts, die nicht klarer oder unproblematischer wäre als die der Rechtsfäh i g k e i t 1 4 0 , bedarf es hierbei nicht.
cc) Die Struktur der Rechtsfähigkeit - Die drei Elemente Die Rechtsfähigkeit muß über den Ansatz von Fabricius hinaus schon strukturell anders verstanden werden. Eine überzeugende Darstellung der Rechtsfähigkeit leisten J o h n 1 4 1 und Pawlowski. 1 4 2 Beide bestimmen die Rechtsfähigkeit losgelöst vom subjektiven Recht. Sie entwickeln eine Theorie der Rechtsfähigkeit, die sowohl natürliche als auch juristische Personen umfaßt und mit der sich ferner auch Erscheinungen beschreiben lassen, die eine rechtliche Verwandtschaft mit Personen aufweisen, ohne ihnen gleichgestellt zu sein, also von „Personifikationen". 1 4 3 Die Rechtsfähigkeit wird hierbei von vornherein in ihre einzelnen Funktionen aufgelöst. 1 4 4 Die Rechtspersönlichkeit ist nach John und Pawlowski eine verselbständigte Einheit einer Handlungsorganisation und eines Haftungsverbandes unter einem gemeinsamen Namen. Die Rechtspersönlichkeit - und damit ihre Rechtsfähigkeit unterteilt sich hiernach von vornherein in drei Aspekte 1 4 5 : Haftungsverband, Handlungsorganisation und Identität. 1 4 6 Die einzelnen Aspekte sind bei den verschiedenen Rechtspersönlichkeiten unterschiedlich ausgeprägt und machen die konkrete Rechtsfähigkeit aus. Das Organisationselement der Handlungsorganisation 147 bezeichnet diejenigen Vorkehrungen, die es der Rechtspersönlichkeit ermöglichen, rechtswirksam zu handeln. Durch diesen Begriff werden also sowohl die Organschaft als auch die Stellvertretung umfaßt. Der Begriff der Handlung ist hierbei weit zu verstehen, als es neben den rechtlichen Entscheidungen auch das deliktische Handeln umfaßt. Als abstrakte Handlungsorganisation ist hier die Funktion also das Amt des jeweiligen Handlungsträgers gemeint, während die konkrete Handlungsorganisation auf 139 John, S. 65 ff. 140 Pawlowksi, Rn. 108. 141
John, „Die organisierte Rechtsperson", 1977. 1 42 Pawlowksi, „Allgemeiner Teil des BGB", § 2 Der Status der Person. '43 John, S. 69 ff. 1 44 John, S. 222. 1 45 Der Begriff der „Rechtspersönlichkeit" umfaßt hier sowohl die vom Gesetz anerkannten natürlichen und juristischen Personen, als auch andere in irgend einer Weise teilrechtsfähige Personifikationen. •46 John, S. 72 ff.,: Pawlowksi, insb. Rn. 137. Zum Folgenden: John, S. 74 ff., 230 ff.
§ 19 Das Konzept des Haftungsdurchgriffs als Lösung
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die Menschen verweist, die die von der abstrakten Handlungsorganisation geschaffenen Funktionen erfüllen. Der Haftungsverband untergliedert sich in zwei Teile, den realen und den personalen Haftungsverband. 148 Jenem unterfallen sämtliche der Personifikation zugeordneten Rechtsgegenstände, also bei körperlichen Gegenständen das Eigentum, im übrigen ihre „Rechtsinhaberschaft". Der reale Haftungsverband stellt eine Zuordnungseinheit, an die sich die Gläubiger halten müssen. 1 4 9 Er beschränkt sich auf das reine „Haben" von Rechten. Hingegen beschreibt der personale Haftungsverband die dem Zugriff unterliegenden Menschen der Personifikation. U m diesen geht es beim vollstreckungsweisen Zugriff auf Menschen, wenn es also um die Erzwingung menschlichen Verhaltens geht. Die Frage, auf welche Menschen sich der Zwang beziehen muß, richtet sich danach, nach welchen Regeln das jeweilige menschliche Verhalten auf die Personifikation bezogen wird, also nach den Regeln der Handlungsorganisation. Schließlich muß die Rechtspersönlichkeit eine Identitätsausstattung haben, wenn sie als verselbständigte Wirkungseinheit funktionieren und ihre Individualität i m sozialen Umfeld anschaulich zum Ausdruck bringen s o l l . 1 5 0 Die Identitätsausstattung ermöglicht es, festzustellen, welchen Rechtspersonifikationen die Handlungen von Menschen zugerechnet werden 1 5 1 , „ i n wessen Namen" sie erfolgen. Es zeigt sich, daß die Rechtsperson und damit auch der Begriff der Rechtsfähigkeit also unabhängig vom subjektiven Recht zu entwickeln ist. Die Rechtsfähigkeit gliedert sich von vornherein in die drei dargestellten Teilbereiche auf. Beim realen Haftungsverband hat sich gezeigt, daß trotz der Loslösung des Begriffes der Rechtsfähigkeit vom subjektiven Recht die Zuordnung von Rechten im Sinne vom reinen „Haben" auch bei der Beschreibung der Rechtsfähigkeit von John und Pawlowski noch eine Rolle spielt. Zuordnungen können allerdings nunmehr vorgenommen werden, ohne auf das Wesen des subjektiven Rechts eingehen zu müssen.
dd) Schlußfolgerungen für den Haftungsdurchgriff Im Rahmen der Untersuchung der Haftung des Betriebsrats ist folgende Erkenntnis der vorstehenden Analyse wichtig: Relativität der Rechtsfähigkeit bedeutet die abgestufte Zuordnung von Rechtsfolgen an Personifikationen. Nachdem nunmehr der reale Haftungsverband als lediglich eines von mehreren Elementen der Rechtspersönlichkeit festgestellt wurde, ist dogmatisch fundiert belegt, daß 148
Zum Folgenden: John, S. 86 ff., 240 ff. Die Terminologie Pawlowksis unterscheidet sich hiervon: Er bezeichnet mit dem Begriff des Haftungs Verbandes lediglich den realen Haftungsverband, ders., Rn. 101. >49 Pawlowksi, Rn. 118. 150 John, S. 92. 151 Pawlowksi, Rn. 137. 1
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
sich aus der Relativität der Rechtsfähigkeit die Möglichkeit einer Mehrheit von realen Haftungsverbänden ergeben kann. Denn der Normzweck kann unter Umständen verlangen, daß die Haftung diese, jene oder auch mehrere Rechtspersonifikationen treffen soll. Aufgrund der Aufteilung der Rechtsfähigkeit in die drei dargestellten Elemente wird nachgewiesen, daß die Zuordnung der Haftungsverpflichtungen nach diesem Schema unter Umständen getrennt von derjenigen der Schuldverpflichtung erfolgen k a n n . 1 5 2 Die Frage nach dem Haftungsverband ist die relativ entscheidendste Frage der Rechtspersönlichkeit. Die Eigenart einer Personifikation hängt weitgehend davon ab, ob sie einen Haftungsverband hat oder deren mehrere. 1 5 3 Die Vollrechtsfähigkeit hat die Funktion, durch Konstituierung einer selbständigen Zuordnungseinheit eine Beschränkung der Haftung zu gewährleisten. 1 5 4 Bei teilrechtsfähigen Personifikationen ist gerade die Mehrheit von Haftungsverbänden somit als Einbuße von Rechtsfähigkeit anzuerkennen. 155 So bedeutet beispielsweise auch die Mehrheit von Haftungsverbänden bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und dem nicht eingetragenen Verein ein minus an Rechtsfähigkeit. 1 5 6 Aber auch i m Falle der juristischen Person können mehrere Haftungs verbände gegeben sein, denn auch ihre Rechtsfähigkeit ist trotz ihrer „Vollrechtsfähigkeit" relativ. Die Singularität ihres realen Haftungsverbandes ist in den das Trennungsprinzip ausdrückenden Normen festgeschrieben. Ein Durchgriff nach der Normanwendungslehre bedeutet keine Mißachtung beispielsweise der Gesellschaft mit beschränkter Haftung als juristischer Person an sich, sondern lediglich, daß die Gesellschafter sich nicht auf den Haftungsausschluß nach § 13 Abs. 2 GmbHG als Auswirkung des Trennungsgrundsatzes berufen können. 1 5 7 Vom Verständnis einer relativen Rechtsfähigkeit her ergibt sich folglich die Möglichkeit, einer Rechtsperson mehrere Haftungsverbände zuzubilligen. 1 5 8 152
Pawlowksi spricht hier von einer Zuordnung der Haftungspflichten an den Haftungsverband, vgl. ders., Rn. 116, 137. Richtiger ist es jedoch, die Haftungspflicht der Personifikation selbst zuzuordnen, die mit ihrem Haftungsverband einsteht. >53 John, S. 241. 154 Pawlowksi, Rn. 124. Hierbei sei klargestellt, daß es sich nicht um die einzige Funktion der Zuerkennung der Vollrechtsfähigkeit handelt. Vielmehr ist die Vollrechtsfähigkeit generell ein Mittel zur rechtlichen Verselbständigung, vgl. John, S. 218. Am Beispiel der Kommanditgesellschaft auf Aktien, die gemäß § 278 Abs. 1 AktG mindestens einen persönlich haftenden Gesellschafter haben muß, zeigt sich, daß die Haftungsbeschränkung keine logisch zwingende Folge der Rechtspersönlichkeit ist. Eine vollständige Enthaftung ist allerdings nur bei juristischen Personen möglich, so Rehbinder, FS Fischer, S. 579. 155
John, S. 91, der hier von der teilweisen „Akzessorietät" in den Haftungsverbänden spricht. 156 Pawlowksi, Rn. 119. 157 Hachenburg I Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 52; Immenga, S. 404; Müller-Freienfels, S. 528, Wiedemann, Haftungsbeschränkung, S. 16; Winkler, BB 1969, S. 1204. Z.T. wird sogar vertreten, das Privileg des Haftungsausschlusses müsse bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung erst positiv durch entsprechende Maßnahmen bewirkt werden, vgl. Wiedemann, Haftungsbeschränkung, S. 17 ff.
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§ 19 Das Konzept des Haftungsdurchgriffs als Lösung
c) Die Technik des Haftungsdurchgriffs
durch die juristische
Person
Nachdem somit rein rechtstheoretische Bedenken gegen die Haftungserstrekkung auf die Mitglieder des Betriebsrats ausgeräumt wurden, ist nunmehr die Technik des Haftungsdurchgriffs zu erläutern. Dies soll - um des leichteren Verständnisses willen - zunächst anhand der Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschehen, da die Durchgriffslehre für diese Form der Personifikation entwickelt wurde. Später ist dann auf die Besonderheiten des Durchgriffs i m Falle des teilrechtsfähigen Betriebsrats einzugehen.
aa) Der Durchgriff durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei Unterkapitalisierung Der Haftungsdurchgriff durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird vor allem für die Fälle der Unterkapitalisierung, der Vermögensvermischung und der Sphärenvermischung erörtert. 1 5 9 Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß es hier nicht um diejenigen Fälle der Gesellschafterhaftung geht, in denen besondere Verpflichtungsgründe der Gesellschafter, beispielsweise aus Vertrauenshaftung, Delikt oder Rechtsgeschäft, bestehen. In der Tat lassen sich häufig befriedigende Lösungen außerhalb des Durchgriffs finden, so etwa, wenn der Alleingesellschafter unter Einsatz der juristischen Person eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigungshandlung begeht. Dann ist nämlich der selbständige Verpflichtungsgrund des § 826 BGB gegeben. 1 6 0 Es verbleibt jedoch eine Vielzahl von Fällen, in denen ein Durchgriff unvermeidbar ist. Insbesondere i m Falle der materiellen Unterkapitalisierung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird dennoch teilweise - abstellend auf Verschuldensgesichtspunkte - vertreten, eine Inanspruchnahme der Gesellschafter lasse sich besser durch eine Vertrauens- bzw. Schadensersatzhaftung begründen, die auf eine entsprechende Anwendung des § 43 GmbHG als Antithese zur Durchgriffshaftung gestützt w i r d . 1 6 1 Dies vermag jedoch nicht zu überzeugen. Eine derartige eigenständige Verpflichtung führte zu w e i t . 1 6 2 Rehbinder stellt die Unverzichtbarkeit von Durchgriffslösungen überzeugend dar, indem er die Durchgriffslösungen von den Fällen reiner Normanwendung unterscheidet. 163 Zum einen entwickelt er sogenannte Durchgriffslösungen nach der Normanwendungslehre. Hier handelt es sich um Sonderrecht der juristischen Personen, wobei er tendenziell vom Eigenwert der juristischen Person ausgeht. Zum anderen soll die Entscheidung, in denen es sich um „über die juristische Person hinaus generalisierbare '58 So auch Müller-Freienfels, S. 528. 159 Siehe Nirk, S. 453; Rehbinder, FS Fischer, S. 583; Scholz!Emmerich, § 13, Rn. 81 ff.; Wiedemann, Bd. I, S. 224 ff. 160 BGHZ 31, 258, 271; Hachenburg/Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42. 161 Schmidt, S. 247 ff., 251 f.; Wilhelm, DB 1986, 2113. 162 Hachenburg ! Mertens, 8. Aufl., § 13 Anh., Rn. 34 und eingehend § 30, Anh., Rn. 39 f. 163 Zum Begriff der reinen Normanwendung siehe bereits oben § 19 II. 2. c) cc).
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Normen" handelt, nach der reinen Normanwendung ohne Durchgriff erfolgen. 1 6 4 Nach Rehbinder handelt es sich auch in den Fällen der nominellen Unterkapitalisierung einer Gesellschaft nicht um reine Normanwendung, sondern um Durchgriff. Zwar fehlt in diesen Fällen eine „Außenhaftung", jedoch wird ein Gesellschafterdarlehen materiell zum Vermögen der Gesellschaft gerechnet, obwohl die Gesellschafter als „Dritte" einen RückZahlungsanspruch haben. 1 6 5
bb) Fälle der nominellen Unterkapitalisierung Bei der nominellen Unterkapitalisierung geht es um die Frage, ob eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen wie haftendes Eigenkapital zu behandeln sind. Diese Frage ist nach der Normanwendungslehre zu bejahen, wenn der objektive Zweck der Kapitalerhaltungsvorschriften es erfordert. 1 6 6 In seiner Entscheidung vom 27. 09. 1 9 7 6 1 6 7 sieht der Bundesgerichtshof in dem dort behandelten Fall der nominellen Unterkapitalisierung den tragenden Grund für den Durchgriff darin, daß „ein Gesellschafter, der die sonst konkursreife Gesellschaft anstatt durch die wirtschaftlich gebotene Zufuhr neuen Eigenkapitals durch Darlehen zu stützen sucht, sich zu seinem eigenen Verhalten und dem Zweck der gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften in Widerspruch setzt, wenn er der Gesellschaft die als Kapitalgrundlage benötigten Mittel wieder entzieht, obwohl sie noch nicht ohne diese lebensfähig ist". Zur maßgebenden Norm wird damit § 30 Abs. 1 G m b H G . 1 6 8 A u f ihren Zweck wird abgestellt. In einer späteren Entscheidung 1 6 9 erläutert der Bundesgerichtshof diesen Normzweck weiter: Nach dem Gericht besteht dieser Normzweck in der Gefahrverteilung. Der Gesellschafter einer vor dem Zusammenbruch stehenden Gesellschaft darf nicht durch Hingabe und Abzug kurzfristiger Mittel das damit verbundene Risiko willkürlich auf die Gläubiger abwälzen. Durch Einführung insbesondere der §§ 32 a, 32 b GmbHG hat der Gesetzgeber nunmehr zwar teilweise die Frage kapitalersetzender Darlehen gesetzlich geregelt. Die Betrachtung der Behandlung der Gesellschafterdarlehen bis zur GmbHG-Novelle sollen hier allerdings nur dazu dienen, die Arbeitstechnik mit der Normanwendungslehre, unter besonderer Berücksichtigung des Normzwecks, i m Falle des Haftungsdurchgriffs zu erläutern. I m übrigen entspricht es ganz herrschender Meinung, daß die insbesondere vom Bundesgerichtshof aufgestellten Regeln hinsichtlich des § 30 Abs. 1 GmbHG neben den neugeschaffenen gesetzlichen Vorschriften gelten sollen. 1 7 0 '64 165 166 167 168 169 170
Rehbinder, FS Fischer, S. 583 ff. Rehbinder, FS Fischer, S. 584 f. Krause, S. 315. BGHZ 67, 171, 175. BGHZ 69, 274, 281. BGHZ 75, 334, 336. Siehe nur Baumbach ! Hueck, § 32 a, Rn. 72; Krause, S. 248.
§ 19 Das Konzept des Haftungsdurchgriffs als Lösung
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cc) Fälle der materiellen Unterkapitalisierung Da die materielle Unterkapitalisierung heute im Mittelpunkt der Durchgriffsdiskussion steht 1 7 1 , soll die Technik des Haftungsdurchgriffs auch anhand dieser Fallgruppe dargestellt werden. Bei der materiellen Unterkapitalisierung stellt sich die Frage nach einer Ausfallhaftung der Gesellschafter zugunsten der geschädigten Gläubiger. Es geht also um die Erstreckung der Haftung für Schulden der Gesellschaft auf die Gesellschafter. Diese Konstellation ist in folgender Hinsicht wesentlich problematischer als die der nominellen Unterkapitalisierung: Im Falle der materiellen Unterkapitalisierung geht es um die Entstehung einer gänzlich neu zu begründenden Haftung, im Gegensatz zur nominellen Variante, bei der schon vorhandene Mittel letztlich nur einem anderen Rechtssubjekt zugeordnet werden. Die Entstehung einer solchen vollkommen neuen Haftungsverpflichtung bedarf der Rechtfertigung durch eine Norm, einen Normenkomplex oder ein Prinzip. 1 7 2 Hierbei ist die Berufung auf Treu und Glauben nach § 242 BGB ungeeignet, da diese Norm eine bereits bestehende Sonderverbindung voraussetzt. 173 Eine solche besteht zwischen den Gläubiger der Gesellschaft und den einzelnen Gesellschaftern gerade nicht. Der Rechtsgrund für den Durchgriff ist methodisch mit der Normanwendungslehre in der Restriktion des Trennungsgrundsatzes zu sehen. 1 7 4 Es handelt sich hierbei nicht um eine neue Schuldverpflichtung, sondern um ein haftungserstreckendes Durchgreifen der alten. 1 7 5 Nach der Normanwendungslehre ist im Falle des Haftungsdurchgriffs bei materieller Unterkapitalisierung auf subjektive Anforderungen wie fahrlässige oder vorsätzliche Gläubigerschädigung o.ä. zu verzichten und rein auf das objektive Mißverhältnis zwischen erforderlichem und tatsächlichem Haftungskapital der Gesellschaft abzustellen. 1 7 6 Auch hierbei ist wie in den Fällen der nominellen Unterkapitalisierung - an den gesetzgeberischen Zweck der Kapitalaufbringungs- und Kapitalsicherungsvorschriften des GmbH-Gesetzes auf dem Hintergrund des Ausschlusses der Gesellschafterhaftung (§ 13 Abs. 2 GmbHG) anzuknüpfen. Der Normzweck ist also dem Zusammenhang zwischen Kapitalsicherung und Haftungsbeschränkung zu entnehm e n . 1 7 7 Diese Kapitalerhaltungsvorschriften sollen den rechtsgeschäftlichen Verkehr schützen und damit die Funktionsfähigkeit des Instituts der Kapitalgesell171 Scholz/Emmerich, § 13, Rn. 81 ff. 172 Nirk, S. 458; so auch Kuhn, S. 207. 173 So Nirk, S. 458; a.A. wohl Kuhn, S. 211 f., der das Bestehen einer Sonderverbindung nicht streng als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 242 BGB ansieht. 174 Nirk, S. 458; Rehbinder, FS Fischer, S. 580. 175 Hachenburg! Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 52a; Immenga, S. 410; Nirk, S., 459 m. w. N. 176 Hachenburg! Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 38; Immenga, S. 402 ff., 410 f.; Rehbinder, S. 122 ff.; Winkler, BB 1969, S. 1202 ff. 177 Hachenburg! Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 52.
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schaft sichern. 1 7 8 Die Garantiefunktion des Stammkapitals zugunsten der Gesellschaftsgläubiger wird aber dann verfehlt, wenn die Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung derart gering ist, daß sie in einem Krisenfall keine hinreichende Sicherheit mehr darstellt. Aus diesem Sinnzusammenhang ergibt sich somit eine institutionelle Schranke, die der gesetzlich eingeräumten Privatautonomie bei der Bestimmung der Höhe des Stammkapitals gesetzt ist. Wird diese Schranke mißachtet, so entfällt die Rechtfertigung für den gesetzlichen Haftungsausschluß, ohne daß es auf subjektive Kriterien a n k o m m t . 1 7 9 Die Vertreter der Normanwendungslehre gehen in einem solchen Fall von einem Institutsmißbrauch a u s . 1 8 0 Es liegt ein Verstoß gegen den ungeschriebenen, in den grundlegenden Normkomplexen durchgängig ausgeprägten und daher übergeordneten Grundsatz des Verkehrsschutzes v o r . 1 8 1 Der Mißbrauch als Durchgriffsvoraussetzung wird aber im Unterschied zu den Mißbrauchstheorien aus dem jeweiligen Normzweck gewonnen. 1 8 2 Bei der Auslegung der Normen ist u. a. der ordre p u b l i c 1 8 3 zu beachten und insbesondere auch der Gedanke des Schutzbedürfnisses des Rechtsverkehrs. 184 Die Rechtsfolge des Haftungsdurchgriffs liegt darin, daß den Gesellschaftern eine Berufung auf die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG verwehrt i s t . 1 8 5
d) Besonderheiten für den Haftungsdurchgriff durch den Betriebsrat als teilrechtsfähige Personifikation aa) Die Notwendigkeit einer selbständigen Entwicklung der Durchgriffstechnik für den teilrechtsfähigen Betriebsrat Der Haftungsdurchgriff durch den Betriebsrat läßt sich keiner der von Rechtsprechung und Literatur für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entwickel178 Krause, S.251. 179 Hachenburg! Ulmer, 7. Aufl., § 30 Anh., Rn. 56; Hachenburg/ Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 52. 180 Kuhn, S. 216. Kuhn wird häufig als Vertreter der objektiven Mißbrauchstheorie oder einer sogenannten institutionellen Theorie erachtet, so Schmidt, S. 229, FN. 18, und ScholzI Emmerich, § 13, Rn. 79, FN. 122. Diese Einordnung ist jedoch nicht richtig. Kuhn hält einen Durchgriff für geboten, wenn die Trennung zwischen Verband und Mitglied der Rechtsordnung widerspricht. Es werden so die der juristischen Person immanenten Grenzen als einer in die Rechtsordnung eingebetteten Institution erarbeitet, ders., S. 48, 199 ff. Diese Betrachtungsweise entspricht ganz der Normanwendungslehre (so auch Hachenburg I Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 41; Schanze, S. 64). 181 Kuhn, S. 216. 182 Rehbinder, FS Fischer, S. 583. 183 Kuhn, S. 211 ; Müller-Freienfels, S. 537 f. 184 Hachenburg/ Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 54; Kuhn, S. 216. 185 Krause, S. 252.
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ten Fallgruppen zuordnen. Insbesondere handelt es sich nicht um eine der Unterkapitalisierung vollkommen vergleichbare Situation. Dem Betriebsrat ist ein Mindeststammkapital nicht vorgeschrieben. Das Erfordernis der ausreichenden Mittelausstattung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber soll in erster Linie der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben und nicht dem Gläubigerschutz dienen. Des weiteren ist zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Betriebsrat nicht um eine juristische Person handelt, sondern um eine lediglich teilrechtsfähige Personifikation. Die Durchgriffsgrundsätze müssen demnach ganz speziell und von neuem aus der Normanwendung für den Betriebsrat entwickelt werden. Eine Loslösung von der Rechtstechnik des Haftungsdurchgriffs durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei anderen Arten von Personifikationen hält auch Kübler für notwendig 1 8 6 : Er stellt zu recht fest, daß das Normanwendungskonzept bei der Frage des Haftungsdurchgriffs durch andere Formtypen als die juristische Person als eine Generalklausel zu verstehen ist, die eine Korrektur der Zuordnung von Rechtsfolgen ermöglicht, wenn anderenfalls ein Widerspruch zu Ordnungs- und Steuerungsfunktionen des jeweiligen Rechtsgebietes entstünde. Die Durchgriffshaftung durch beispielsweise den eingetragenen Verein (als juristische Person) w i l l Kübler unter Befolgung einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 08. 07. 1 9 7 0 1 8 7 wohl noch in Anlehnung an die Grundsätze der Unterkapitalisierung bei den Kapitalgesellschaften behandelt wissen, indem er die Mitglieder für eine unzureichende Kapitalisierung der von ihnen als Vertragspartner vorgeschobenen juristischen Person persönlich haften l ä ß t . 1 8 8 Beim nichtrechtsfähigen Verein hingegen entwickelt Kübler mit der Normanwendungslehre das Durchgriffskonzept gänzlich unabhängig von der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1 8 9 Er folgt hier dem Weg des Bundesgerichtshofes: In einem Urteil vom 26. 04. 1 9 6 5 1 9 0 hatte dieser entschieden, aus dem Zweck einer Vermögenseinziehungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, daß auch das von dem Verein auf Treuhänder übertragene Vermögen der Einziehung unterliege. Maßgeblich sei also der Zweck der anzuwenden Norm. Diese Norm sei in der verfassungsgerichtlichen Entscheidung zu sehen. Das Urteil sei zur Ermittlung des Zwecks auszulegen. 191
186 Krause, S. 317. 187 BGHZ 54, 222. 188 Krause, S. 317; so auch BGHZ 54, 222, 225: „Es widerspricht Treu und Glauben, wenn [ . . . ] die Vereinsmitglieder die Vorteile aus der juristischen Konstruktion, der Zwischenschaltung des Vereins, sich erhalten wollen, obgleich sie verpflichtet gewesen wären, dafür Sorge zu tragen, daß dem Verein [ . . . ] die nötigen Mittel l . . . ] zu Verfügung standen." 189 Vgl. Krause, S. 317. 190 BGHZ 43, 316, 322 f. 191 Krause, S. 317.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
bb) Die Ablehnung eines Trennungsprinzips im Falle des Betriebsrats Die Normanwendungslehre ist auf teilrechtsfähige Personifikationen anwendbar. Müller-Freienfels hat für die Entwicklung seiner Lehre die juristische Person als Ausgangspunkt genommen. Der Haftungsdurchgriff wird aus der Erkenntnis der Relativität der Rechtsfähigkeit entwickelt. Unterschiede im Grad der Rechtsfähigkeit müssen demnach auch Auswirkungen auf die Voraussetzungen, unter denen ein Durchgriff stattzufinden hat, und damit auf die Durchgriffstechnik haben. Es stellt sich somit die Frage, welche Unterschiede sich bei den Voraussetzungen des Durchgriffs durch den Betriebsrat im Vergleich zu den Konstellationen mit juristischen Personen des Gesellschaftsrechts ergeben. Dabei ist zunächst zu bemerken, daß die Unterschiede der Mißbrauchstheorien zur Normanwendungslehre i m Sinne von Müller-Freienfels nicht so gravierend sind, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Auch bei der Normanwendungslehre handelt es sich noch um eine Konstruktion, die sich mit dem „ D u r c h g r i f f durch die juristische Person beschäftigt. Die Lehre von Müller-Freienfels führt lediglich tendenziell zur Auflösung des Durchgriffs. 1 9 2 Sie beschäftigt sich in der Tat noch mit dem Trennungsprinzip (bzw. einer das Trennungsprinzip ausdrückenden Norm, wie etwa § 13 Abs. 2 GmbHG) bei der juristische Person und dessen Überwindung im Einzelfall. 1 9 3 Allen Durchgriffslehren, also auch der Normanwendungslehre, ist gemein, daß sie auf dem Trennungsprinzip beruhen und die Mitglieder nicht als der juristischen Person zugehörig, sondern als hinter ihr stehend betrachten. 1 9 4 Ihnen allen geht es um die Grenzen des Trennungsprinzips und um die Frage, inwieweit es i m Interesse der Gerechtigkeit zurückzutreten h a t . 1 9 5 So stellt sich sowohl für die Mißbrauchslehren als auch für Müller-Freienfels das Problem der Beschränkung der juristischen Person 1 9 6 , wobei der Unterschied lediglich in deren rechtsdogmatischem Verständnis liegt: Nach der Mißbrauchslehre erfolgt die Beschränkung mittels eines Durchstoßens, während nach der Normanwendungslehre eine Rückbesinnung auf die Relativität der Rechtsfähigkeit ausreicht. 1 9 7 Müller-Freienfels weist zwar Sericks Übersteigerung der Wertigkeit der juristischen Person zurück; hieraus folgt aber nicht, daß die Selbständigkeit der juristischen Person immer erst nachgewiesen werden müßte. 1 9 8 Vielmehr billigt ihr auch Müller-Freienfels trotz ihrer Betrachtung als „konstruktive Abbreviatur" ein gewisses Eigengewicht zu und wendet sich somit gegen ihre vollkommene Entwert u n g . 1 9 9 Auch die Vertreter der Normanwendungslehre, die von einer eher institu•92 193 194 195 196 197 198 199
Vgl. Rehbinder, FS Fischer, S. 581. Schmidt, S. 230. Flume, Bd. I 2, S. 65. Coing, NJW 1977, S. 1793, 1794. Wilhelm, S. 8. Schmidt, S. 231. Vgl. Wilhelm, S. 8. Müller-Freienfels, S. 538.
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tionellen Betrachtungsweise ausgehen, bestätigen gerade dadurch, daß sie die immanenten Schranken der juristischen Person aufzwingen, deren Eigenwert und Selbständigkeit. 2 0 0 Dies steht durchaus i m Einklang mit der bereits oben getroffenen Feststellung, die Zuerkennung der sog. Vollrechtsfähigkeit beinhalte eine Vermutung der umfassenden Selbständigkeit. Eine solche Vermutung stellt in der Tat eine Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Beachtung der Rechtsperson dar. I m Bereich der Haftungsproblematik bezieht sich die Vermutung auf die Singularität des Haftungsverbandes der juristischen Person. Die Singularität ist i m Falle der juristischen Person somit die Regel, während eine Pluralität von Haftungsverbänden der besonderen Rechtfertigung bedarf. So gibt Müller-Freienfels die Einteilung in verschiedene Fallgruppen, die Serick erfolgreich vorgenommen h a t 2 0 1 , keineswegs auf. Er geht in den Fällen des Mißbrauchs der juristischen Person davon aus, daß der Zweck einer Norm mit der Rechtsform der juristischen Person kollidiert. 202 Beim Haftungsdurchgriff besteht eine solche Kollision mit dem Trennungsprinzip in erster Linie in einer Kollision mit dem Zweck der Haftungsbeschränkung. Es muß i m Einzelfall untersucht werden, ob dieser Hauptzweck der rechtlichen Verselbständigung einer Rechtsperson gegenüber dem Regelungszweck der anzuwendenden Norm zurückzutreten hat. So kann man in der Tat sowohl in bezug auf die Mißbrauchstheorien, als auch auf die Normanwendungslehre mit Rehbinder davon sprechen, Durchgriff sei „eine Restriktion der Trennungsnorm unter Ausfüllung durch eine andere N o r m " . 2 0 3 Die Frage, wie stark nach der Lehre von Müller-Freienfels der Eigenwert der juristischen Person bei der Abwägung ins Gewicht fällt, also die Frage nach den Gemeinsamkeiten mit den Mißbrauchstheorien, kann allerdings bei der Problematik des Haftungsdurchgriffs i m Fall des Betriebsrats offen bleiben. Wichtig sind die unterschiedlichen Ausgangspunkte der Normanwendungslehren i m Vergleich zu den Mißbrauchstheorien, was das Verständnis der Rechtsfähigkeit betrifft. Inwieweit die vom Gesetzgeber ausdrücklich zugestandene Vollrechtsfähigkeit der juristischen Personen reicht, braucht hier nicht geklärt zu werden. Dem Betriebsrat wird gerade keine Vollrechtsfähigkeit zugestanden. Bei der Untersuchung eines Durchgriffs braucht auf etwaige Einschränkungen des Trennungsprinzips keine Rücksicht genommen zu werden. I m Gegensatz zu juristischen Personen ist nach der oben dargestellten Systematik die Reichweite der Rechtsfähigkeit des Betriebs-
200 So Kuhn, S. 204. 201 Nach Serick sind diejenigen Durchgriffsfälle, bei denen es um die Anwendung von Normen auf juristische Personen geht, die eigentlich auf natürliche Personen zugeschnitten sind, durchaus Normanwendungsfälle, vgl. ders., S. 120 ff. Lediglich bei der Kollision mit der Rechtsform der juristischen Person stellt er auf den subjektiven Mißbrauch ab. Insofern ist Sericks Lehre strenggenommen eine Mischtheorie, vgl. Müller-Freienfels, S. 538, und Schmidt, S. 231. 202 Müller-Freienfels, S. 543, FN 101 ; so auch Rehbinder, FS Fischer, S. 580. 203 Rehbinder, FS Fischer, S. 580; so auch Flume , Bd. I 2, S. 63. Nicht zutreffend wohl Schmidt, der diese Definition nur auf die Normanwendungslehre bezieht, ders., S. 230.
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rats anhand der Gesetzesauslegung immer erst zum thema probandum zu machen. Dies gilt folgerichtig auch für die Selbständigkeit und Singularität seines Haftungsverbandes. Eine vollständige Haftungsbeschränkung ist in der Tat nur bei der juristischen Person m ö g l i c h . 2 0 4 Rechtsfähigkeit und Haftungsbeschränkung können nur dann als parallele Attribute angesehen werden, wenn die jeweilige Personifikation auf entsprechenden Wertungen beruht. 2 0 5 Es wurde bereits dargelegt, daß auch nach der Normanwendungslehre der Durchgriff durch die juristische Person gewissermaßen die Ausnahme bleiben m u ß . 2 0 6 Dieser Grundsatz kann in dieser Strenge allerdings nur bei juristischer Personen und nicht bei Personifikationen mit einem geringeren Grad an Rechtsfähigkeit gelten. Insbesondere ist es nicht notwendig, für den Haftungsdurchgriff durch teilrechtsfähige Personifikationen den institutionellen Rechtsmißbrauch vorauszusetzen, wie es auch nach der Normanwendungslehre bei der juristischen Person verlangt w i r d . 2 0 7 Diese Voraussetzung war stets nur auf den Fall des Durchgriffs durch juristische Personen zugeschnitten. I m Falle des teilrechtsfähigen Betriebsrats muß der jeweilige Normzweck i m Zusammenhang mit dem jeweiligen Normkomplex unvoreingenommen und von neuem untersucht werden. I m Gegensatz zum Durchgriff durch juristische Personen braucht hier nicht auf die Kollision zwischen dem Zweck der die einzelne Zuordnung begründenden Norm mit demjenigen der das Trennungsprinzip begründenden Norm abgestellt zu werden, da es letztere nicht gibt. Eine Abwägung mit einem Trennungsprinzip entfällt. So finden sich auch in der oben erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Durchgriff durch den Betriebsrat keinerlei Hinweise auf eine Durchbrechung eines solchen Trennungsprinzips. 208 Des weiteren besteht keine Notwendigkeit, eine Regelungslücke, die durch die Nichtanwendung einer Trennungsnorm entstünde, auszufüllen. Beim Durchgriff durch die juristische Person muß der durch die Reduktion entstandene normleere Raum durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung ausgefüllt werden. 2 0 9 Gerade zum Haftungsdurchgriff gelangt man nach vielfach vertretener Ansicht in diesen Fällen zumeist nur mit Hilfe des Mittels der Rechtsfortbildung. 2 1 0 Da es i m Falle des Betriebsrats aber keine dem § 13 Abs. 2 GmbHG vergleichbare Trennungsnorm gibt, deren Wortlautgrenze überwunden werden müßte, braucht auf die Mittel der Rechtsfortbildung oder auch nur der Analogie nicht zurückgegriffen zu werden. Andererseits existiert auch keine Regelung, die eine Erstreckung der Haftung explizit vorschriebe wie etwa § 128 HGB. Ein etwaiger Haftungsdurchgriff 204 205 206 207 208 209
Rehbinder, FS Fischer, S. 579. Rehbinder, FS Fischer, S. 579. Rehbinder, S. 109. So Rehbinder, FS Fischer, S. 583 ff. BAG V. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972. Rehbinder, S. 101 f., 107.
210 Nirk, S. 461; Rehbinder, S. 124.
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kann sich demnach aus der reinen Auslegung der pflichten- bzw. schadensersatzbegründenden Normen im Sinnzusammenhang mit dem Gesamtkomplex des Betriebsverfassungsgesetzes innerhalb der Rechtsordnung ergeben. Aus dem Inhalt der gesetzlichen Pflichten und der Vorschriften, die den Betriebsrat zum Abschluß von Rechtsgeschäften ermächtigen, bestimmt sich ja erst, wie weit der Gesetzgeber dessen haftungsrechtliche Selbständigkeit will, ob und inwieweit ein Trennungsprinzip überhaupt beachtet werden m u ß 2 1 1 und in welcher Art und Weise Rechtsfolgen in bezug auf Dritte zuzurechnen sind. Das Fehlen von Normen, die etwa das Trennungsprinzip betreffen, ist dabei nicht entscheidend. Arbeitsrecht ist zu einem beträchtlichen Teil werdendes Recht, dem gesetzliche Regelungen in weitem Maße fehlen und an deren Stelle Lehre und Rechtsprechung die Rechtsgestaltung vornehmen. 2 1 2 Mangels einer Kollision sich widersprechender Normen ist anhand des Sinnzusammenhangs der Systematik und des Zweckes des Betriebsverfassungsgesetz mit dem Regelungszweck der die Schadensersatzverpflichtung begründenden Einzelnorm herauszuarbeiten, für welche Ansprüche der Betriebsrat mit seinem eigenen Haftungs verband haftet und für welche diejenigen anderer Personen haften.
cc) Die Auslegung i m Rahmen der Normzwecklehre Der Regelungszweck - die Politik des Gesetzes - ist i m Sinne einer teleologischen Auslegung zu ermitteln. I m Rahmen dieser Auslegung finden die von Literatur und Rechtsprechung bei der Prüfung der Durchgriffsfälle durch die juristische Person entwickelten - allgemeingültigen - Wertmaßstäbe und Rechtsprinzipien Anwendung. 2 1 3 In die Beurteilung fließen u. a. der Zweck des Betriebsverfassungsgesetzes i m allgemeinen, der ordre public, die jeweilige Interessenlage und die Funktion der Personifikation Betriebsrat ein. Auch der Gedanke der Verantwortlichkeit der Mitglieder ist zu berücksichtigen. 2 1 4 Der Normkomplex ist so auszulegen, daß kein Widerspruch zu Ordnungs- und Steuerungsfunktionen der Betriebsverfassung entsteht. Auch lassen sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Aspekte gewinnen, die für die Interpretation des Gesetzes in unserem Fall entscheidend sind. Hinsichtlich der materiellen Unterkapitalisierung werden vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 08. 07. 1970 u. a. die Kriterien der wirtschaftlichen Bedürfnisse, Wirklichkeiten des Lebens oder Macht der Tatsachen genannt. 2 1 5 So wenig hilfreich diese Rechtsprechung bei der Entwicklung einer systematischen Durchgriffslehre ist, können diese Kriterien dennoch eingefügt in eine geschlossene Durchgriffssystematik - bei der Auslegung und Erarbeitung des Normzwecks helfen. I m Falle der materiellen Unterkapitalisierung 2Π 212 213 214 215
Vgl. zum Verständnis Rehbinder, S. 98. Hafner, S. 77; Nikisch, RdA 62, S. 361, 361. Hachenburg/Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42. Reinhardt, FS Lehmann, S. 589, 592. BGHZ 54, 222, 224 f.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
der juristischen Person wird u. a. auf den Schutz des Rechtsverkehrs und die Funktionsfähigkeit des Instituts der Kapitalgesellschaft abgestellt. Der Schutz des Rechtsverkehrs und die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats sind auch i m Rahmen dieser Arbeit mit zu berücksichtigen. Für die nominelle Unterkapitalisierung der juristischen Person wird vom Bundesgerichtshof der Normzweck des § 30 Abs. 1 GmbHG, der in einer gerechten Gefahrverteilung gesehen wird, mit in die Überlegung einbezogen. Der Gesichtspunkt einer gerechten Gefahrverteilung ist auch im Hinblick auf den Durchgriff durch den Betriebsrat zu beherzigen. Insbesondere hat sich die teleologische Auslegung auch an Rechtsprinzipien zu orientieren. Dies gilt auch für die Normauslegung i m Rahmen des Haftungsdurchgriffs. In der Literatur und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes spielen Rechtsgrundsätze hierbei eine wichtige R o l l e . 2 1 6 Insbesondere die bereits zitierte Durchgriffsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 06. 04. 1973 demonstriert anschaulich, wie stark bei der Begründung auf den Haftungsdurchgriff auf allgemeine Rechtsprinzipien zurückzugreifen ist. Dort betrachtet das Gericht den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat als letztlich entscheidendes Argument für die Erstreckung der Haftung auf den Arbeitgeber. Dagegen treten die vom Gericht bemühten Analogien zu § 3 PflVG sowie der Produzentenhaftung eher in den Hintergrund und werden vom Bundesarbeitsgericht nicht eingehender behandelt. 2 1 7 Die Tatsache, daß der Arbeitgeber aufgrund des gegen ihn bestehenden Freistellungsanspruchs des Betriebsrats ohnehin letztlich Kostenträger ist, nimmt der Durchgriffsproblematik in dieser Entscheidung selbstverständlich einen Teil seiner Kontroversität. Der Fall des Durchgriffs auf die Betriebsratsmitglieder, für die das Gesetz explizit eine solche Kostenträgerschaft im Falle des Ansprüche gegen den Betriebsrat aus rechtswidrigem Tun nicht bereitstellt, verlangt natürlich eine anspruchsvollere Begründung. Dennoch handelt es sich bei dem vom Bundesarbeitsgericht gefundenen Ergebnis um eine echte Durchgriffshaftung, da ein gesetzlicher Direktanspruch der ursprünglichen Schuldverpflichtung gerade nicht besteht und der Arbeitgeber dennoch i m Zuge des Durchgriffs haftet, d. h. direkt verklagt werden kann. Rechtstechnisch bleibt die Wichtigkeit der Berufung auf allgemeine Rechtsprinzipien ungeschmälert. Der subjektive Rechtsmißbrauch ist nach Aufgabe der Durchgriffstheorie Sericks nicht mehr Voraussetzung für eine Haftungserstreckung. Dies bedeutet allerdings keineswegs, daß subjektive Kriterien im Zuge der Normauslegung ausscheiden würden. Lediglich eine Berücksichtigung dieser Merkmale aus sich heraus ist abzulehnen. 2 1 8 Allerdings wurde bereits dargelegt, daß die Normzwecktheorie ob-
216 Siehe nur BGHZ 30, 4, 14; 22, 226, 231; 31, 258, 271; Hergenröder, Anm. zu BSG, SGb 1998, S. 491, 495; Kuhn, S. 207; Nirk, S. 458; Rehbinder, S. 107. 217 BAG v. 06. 04. 1973 AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 unter II. 3. a. 218 So für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hachenburg / Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 60.
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jektive und subjektive Momente umfassen kann. Subjektive Kriterien können innerhalb der Normanwendung durchaus eine wichtige Rolle spielen. 2 1 9 So können beispielsweise Verschuldensgesichtspunkte der Betriebsratsmitglieder und ihre Beteiligung an rechtswidrigen Beschlüssen sogar von ausschlaggebender Bedeutung für die Beantwortung der Frage nach der Zuordnung der Haftungsfolge sind. Diese Zurechnung darf allerdings nicht mit einer selbständigen Schadensersatzpflicht der Mitglieder verwechselt werden. Trotz der Tatsache, daß ein Trennungsprinzip im Falle des Betriebsrats nicht erst überwunden werden muß, sondern gar nicht als solches besteht, ist bei der Begründung einer Haftung der Betriebsratsmitglieder für Schulden des Betriebsrats Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Man muß sich stets die Tatsache vergegenwärtigen, daß in Fällen der Durchgriffshaftung eine Verpflichtung (im weiteren Sinne) neu zur Entstehung gelangt. Hieraus ergibt sich ein erheblicher Unterschied zu denjenigen Fällen des Durchgriffs, in denen beispielsweise lediglich ein Rechtserwerb der Personifikation verhindert w i r d . 2 2 0
dd) Typisierung des Haftungsdurchgriffs durch den Betriebsrat Der Unterschied in der Begründung einer Durchgriffshaftung i m Falle des Betriebsrats zu den Fällen juristischer Personen liegt insbesondere auch in Folgendem: Bei juristischen Personen kann eine Einschränkung der vom Gesetz vermuteten umfassenden Rechtsfähigkeit lediglich in dem jeweils zu untersuchenden Einzelfall erfolgen. 2 2 1 Das Trennungsprinzip bleibt die Regel, der Durchgriff die - i m konkreten Fall zu begründende - Ausnahme. Demgegenüber ermöglicht es der Umstand, daß der Betriebsrat von vornherein nur in den Grenzen der für ihn geltenden Rechtsnormen teilrechtsfähig ist und für ihn ein Trennungsprinzip nicht konstatiert ist, generell festzulegen, unter welchen Umständen bzw. bei welcher Art von Ansprüchen ein Durchgriff gestattet ist. Dies geht über die Bildung von Fallgruppen hinaus. Die Möglichkeit des Haftungsdurchgriffs wird durch die Reichweite der konkreten Rechtsfähigkeit des Betriebsrats bestimmt. Diese Verallgemeinerung der Rechtsfähigkeit der Personifikation Betriebsrat kann man mit Fab r i c i u s 2 2 2 als „Typisierung" bezeichnen. Von diesen Grundlagen soll von nun an ausgegangen werden. Es soll die Bezeichnung der „Durchgriffshaftung" beibehalten werden. Zwar erscheint es inkonsequent, in bezug auf teilrechtsfähige Gebilde, bei denen nicht von vornherein von 219 Hachenburg!Mertens, 7. Aufl., § 13 Anh. I, Rn. 42. 220 So für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Reinhardt, FS Lehmann, S. 585 f. 221 Allerdings bemerkt Krause, S. 316, für den Fall der Unterkapitalisierung der juristischen Person zu recht, daß es „längst nicht mehr nur um den von der Billigkeit geforderten Schadensausgleich im Einzelfall geht, sondern um den Schutz von zentralen Funktionen und Institutionen des Gesellschaftsrechts gegen objektiv mißbräuchliche Verhaltensweisen". 222 Fabricius, S. 68, im Hinblick auf die juristische Person.
Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
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einem Trennungsprinzip ausgegangen werden kann, von einem „Durchgreifen" zu sprechen. Schon bei der juristischen Person erscheint der Terminus des „Durchgriffs" unangebracht, da auch hierbei nicht durch eine an sich „undurchdringbare" Person „hindurchgegriffen" w i r d . 2 2 3 Dennoch ermöglicht diese Begrifflichkeit, ungeachtet ihrer dogmatischen Schwäche, eine schnelle Einordnung des Themas. Es soll damit lediglich ausgedrückt werden, daß es um die Erschließung weiterer Haftungsverbände geht.
III. Ergebnis Die Relativität der Rechtsfähigkeit eröffnet die theoretische Möglichkeit, durch den Betriebsrat auf die Haftungsverbände anderer Subjekte - insbesondere auf diejenigen der Mitglieder - zuzugreifen. Ob ein solcher Zugriff erfolgten darf ist aus dem Zweck der schadensersatzbegründenden Gesetze und dem Betriebsverfassungsgesetz als Gesamtnormenkomplex zu entnehmen. Der geringere Grad an Rechtsfähigkeit des Betriebsrats i m Vergleich zu juristischen Personen und insbesondere das Fehlen eines Trennungsprinzips kann sich dahingehend auswirken, daß Durchgriffstatbestände generell für bestimmte Konstellationen festgelegt werden können, daß also eine „Typisierung" möglich wird.
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder durch Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes I. Die auszulegenden Normen Zu analysieren sind nunmehr insbesondere die betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften der §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2 Satz 1 und 3, 75 und 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, sowie die Regelungen der §§ 40 Abs. 1, 80 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG, aus denen sich direkt oder indirekt Schadensersatzansprüche und letztlich auch Erstattungsansprüche nach § 887 ZPO ergeben können. A l l diese Vorschriften sind innerhalb der Gesamtkomplexes der Betriebsverfassung auszulegen. I m Zuge von deren Auslegung ist herauszuarbeiten, inwieweit Tatbestände haftungsrechtlich den einzelnen Betriebsratsmitgliedern zuzurechnen sind. Die partielle Rechtsfähigkeit und die Haftungsbeschränkung können nur dann als parallele Attribute angesehen werden, wenn der Betriebsrat auf entsprechenden Wertungen beruht.
223
So
auch
Kuhn, S. 203.
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder
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II. Der Haftungsdurchgriff bei Verletzungen der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten 1. Die Vermutung für die Geltung der Prinzipien des Privatrechts Im Rahmen der Auslegung ist auch auf zugrundeliegende Rechtsprinzipien Rücksicht zu nehmen. 2 2 4 A n dieser Stelle soll erneut auf die Feststellung Heinzes hingewiesen werden, für die betriebsverfassungsrechtlichen gesetzlichen Schuldverhältnisse gelte die Vermutung der Anwendbarkeit der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze. 225 Es muß auch i m Arbeitsrecht auf den Fundus der gefestigten Rechtsgedanken, der die allgemeine Privatrechtsordnung auszeichnet, zurückgegriffen werden. I m Arbeitsrecht geht es um die Fortschreibung der Rechtsgrundsätze, die der Privatrechtsdogmatik als dem Kernstück europäischer Rechtskultur zugrunde liegen. 2 2 6 Einen solchen Grundsatz stellt auch das Prinzip dar, daß für Forderungen letztlich auch gehaftet werden muß. Die Haftung bildet die passive Seite der Schuld, die letzte Konsequenz also, zu der diese führen können muß, wenn sie praktisch wirksam werden s o l l . 2 2 7 Die Auslegung aller eine Schadensersatzpflicht des Betriebsrats begründenden Normen ergibt, daß eine haftungstechnische Einstandspflicht zu bejahen ist, wenn solche Forderungen überhaupt sinnvoll sein sollen. Denn der Gesetzgeber hat den Auftrag, grundrechtliche Rechtsgüter zu schützen und insbesondere rechtswidrige Angriffe gegen diese zu unterbinden. 2 2 8 Dies gebietet auch das Erfordernis des Art. 19 Abs. 4 GG nach effektivem Rechtsschutz. Die Notwendigkeit für eine praktische Wirkung der Schuld folgt für den Bereich des Schadensersatzes insbesondere aus dem Ausgleichsprinzip und dem Rechtsfortsetzungsgedanken. Jener fordert für den Geschädigten einen vollen Ausgleich seiner erlittenen Einbuße. 2 2 9 Nun kann das Recht des Gläubigers nach begangenen Pflichtverletzungen nicht immer bewahrt werden. Ist etwa in Fall ( 5 ) 2 3 0 der Arbeitsplatz nach verweigerter Zustimmung durch den Betriebsrat vom Arbeitgeber mittlerweile anderweitig ausgefüllt worden, so kann dieser die Stelle nicht mehr mit dem Bewerber besetzen. Als Ersatz für das geschädigte Interesse des Bewerbers muß hier entsprechend dem Rechtsfortsetzungsgedanken der Anspruch auf Schadensersatz gegeben sein. 2 3 1 Ein solcher Schadensersatzanspruch wäre aber wertlos, wenn er nicht in die vermögensrechtlichen Haftung mündete. Eine Rechtsfortwirkung würde letztlich verweigert. Der Gedanke läßt sich auch auf die Fälle
224 225 226 227 228 229 230
Larenz/Wolf, AT, § 4, Rn. 43. Heinze, ZfA 1988, S. 71, 81. Richardi, ZfA 1974, S. 3, 26. John, S. 81. BVerfGE 39, 1, 41; 46, 160, 164; 53, 30, 57. Lange, S. 9. Siehe zu den Beispielsfällen in diesem § oben § 1 III.
231 Vgl .Lange, S. 11. 12 Triebel
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
der Kostenerstattung im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO übertragen. Auch hier hat eine Rechtsverletzung zu Kosten geführt, die kompensiert werden müssen. Als einzig möglich Haftende kommen nach den bisher gefundenen Ergebnissen allein die an den schädigenden Handlungen beteiligten Mitglieder des Betriebsrats in Betracht. Durch sie wird der Betriebsrat erst handlungsfähig. Sie haben letztlich die Schädigung verursacht. Es ist allerdings zu prüfen, ob nicht überzeugende Gründe gerade gegen eine Haftung der Betriebsratsmitglieder sprechen. Dann wäre die Vermutung für die Geltung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze widerlegt.
2. Die Unhaltbarkeit der These der Lähmung der Betriebsratsarbeit a) Bedenken gegen eine Durchgriffshaftung Das Hauptargument gegen eine Haftung der beteiligten Betriebsratsmitglieder für Pflichtverletzungen des Betriebsrats aus Sonderverbindungen könnte in einer etwa zu befürchtenden Lähmung der Betriebsratsarbeit zu sehen sein. So gehen viele Stimmen der Literatur davon aus, Schadensersatzansprüche gegen Betriebsratsmitglieder über die Deliktstatbestände hinaus seien inakzeptabel, da ansonsten die Unabhängigkeit des Betriebsrats beeinträchtigt und damit seine betriebsverfassungsrechtliche Tätigkeit eingeschränkt w ü r d e . 2 3 2 Insbesondere bei unternehmenspolitischen Entscheidungen - wie beispielsweise der Einführung von Überstunden oder Kurzarbeit in Fall (13) - sei die Situation häufig nicht transparent genug und zu vieldimensional für eine Beurteilung durch den Betriebsrat. 2 3 3 Die befürchtete Lähmung schlage sich in zweierlei Hinsicht nieder. Zum einen führe sie zu einer übervorsichtigen Arbeitsweise, zum anderen würde schon die Bereitschaft der Arbeitnehmer, das A m t eines Betriebsrats zu übernehmen, abnehmen. 2 3 4
b) Die Gefahr der Lähmung der Betriebsratsarbeit als Alltagstheorie Die Annahme einer Durchgriffshaftung in Fällen von Schadensersatzansprüchen gegen den Betriebsrat aus betriebsverfassungsrechtlicher Sonderverbindung würde zwar in der Tat zu einer Haftungserweiterung führen, die die zitierten Literatur232 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 1, Rn. 226; Gester, S. 167; Hess/Schlochauer/ Glaubitz, vor § 1, Rn. 31; Hueckl Nipperdey, 7. Aufl., Bd. II 2, S. 1110; Nikisch, Bd. III, S. 174; Reiß, S. 76. 233 Weiss, RdA 1974, S. 269, 276. 234 Weiss, RdA 1974, S. 269, 278, der nicht nur die Haftung aus Sonderbeziehung ausschließt, sondern darüber hinaus mit diesen Argumenten Schadensersatzforderungen aus Delikt weiter einschränken möchte.
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder
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stimmen gerade ablehnen. Die Ansicht des Schrifttums vermag allerdings einer eingehenderen Prüfung nicht standzuhalten. Zunächst ist zuzugeben, daß es rechtstechnisch durchaus zulässig ist, durch ein rein tatsächliches Argument Fragen der rechtlichen Wertung zu beeinflussen. Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats als Organ der Betriebsverfassung hat bei der Auslegung der hier zu untersuchenden Vorschriften durchaus Beachtung zu finden. Es darf nicht zu Widersprüchen mit der Ordnungs- und Steuerungsfunktion des Betriebsverfassungsgesetzes kommen. Allerdings ist die Gefahr einer Lähmung des Betriebsrats durch nichts belegt. Es handelt sich vielmehr um eine reine Alltagstheorie, die sich auf keinerlei sozialwissenschaftliche Fakten stützt. 2 3 5 M i t der bloßen Behauptung ist es nicht getan. Belling weist darüber hinaus darauf hin, es habe sich auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts sogar erwiesen, daß sich die unternehmerische Risiko- und Entscheidungsbereitschaft der Gesellschaftsorgane durch deren Haftungsmöglichkeit keineswegs vermindere. 2 3 6
c) Wachsende Erfahrung der Betriebsratsangehörigen In der Tat sprechen noch weitere Tatsachen gerade gegen die Befürchtung einer Paralysierung der Betriebsratstätigkeit. Die These, der Betriebsrat sei insbesondere mit Entscheidungen unternehmenspolitischer Natur regelmäßig überfordert, ist nicht haltbar. Selbst bei Annahme eines anfänglich niedrigen Ausbildungsstands der Betriebsratsmitglieder besteht gemäß § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG Anspruch auf Fortbildung, d. h. auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Hierzu werden die Betriebsratsangehörigen gemäß § 37 Abs. 6 und 2 BetrVG unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freigestellt. Diese Veranstaltungen können insbesondere auch wirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Fragen betreffen 2 3 7 Außerdem ergibt sich durch § 38 BetrVG häufig die Möglichkeit einer ständigen Freistellung der Betriebsratsmitglieder. Durch das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. 07. 2001 ist die Zahl der Freistellungen pro im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer noch erhöht worden. M i t all diesen Regelungen wird den Mitgliedern des Betriebsrats ermöglicht, sich intensiv mit ihrer Tätigkeit zu beschäftigen und ausreichend vorzubereiten. Des weiteren ist von einer gewissen Professionalisierung der Betriebsratstätigkeit auszugehen, da die einzelnen Betriebsratsmitglieder nicht selten wiedergewählt werden. 2 3 8 235 Nolting, S. 31, mit Verweis auf Hopt, Anm. zu BGH, JZ 1974, S. 551, 553, in bezug auf die Haftung von gerichtlichen Sachverständigen. 236 Belling, S. 71. 237 GK! Wiese, §37, Rn. 221. 238 Nolting, S. 36 ff. 12*
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Es ist ferner davon auszugehen, daß in Betriebsräten mit mehreren Mitgliedern ein reger Gedankenaustausch untereinander herrscht und die Betriebsratsangehörigen sich gegenseitig durch Rücksprachen weitgehend absichern. Dieser Effekt ist durch die Erhöhung der Mitgliedszahlen gemäß § 9 BetrVG durch Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. 07. 2001 noch verstärkt worden. Des weiteren dürfte auch durch Aufnahme der modernen Kommunikationstechnik in § 40 Abs. 1 BetrVG eine weitere Erleichterung der Informationsbeschaffung für den Betriebsrat eingetreten sein. Schließlich ist die Tatsache nicht zu vernachlässigen, daß der Betriebsrat sich regelmäßig mit Schutz und Rechtshilfegesuchen an die rechtlich erfahrenen Gewerkschaften wendet. 2 3 9 Dieser Grundsatz ist ganz generell in § 2 Abs. 1 BetrVG festgeschrieben. Insbesondere wird auch in § 31 BetrVG die Möglichkeit der Beiwohnung der Betriebsratssitzungen durch Gewerkschaftsbeauftragte konstatiert.
d) Vorteil des Ermessensspielraums M i t Ausnahme des § 99 Abs. 1 BetrVG handelt es sich bei den echten Mitbestimmungsrechten zumeist um Ermessensentscheidungen. Pflichtverletzungen, die keinen Verstoß gegen positives Recht darstellen, beschränken sich hier auf den Kreis der aufgezählten Ermessenfehler. Somit scheidet schon ein erheblicher Faktor der Beschränkung der freien Betriebsratstätigkeit aus. Die Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder ist innerhalb des ihnen zugebilligten Ermessensspielraums gewährleistet.
e) Begrenzung des Durchgriffs auf zumindest grob fahrlässig handelnde Mitglieder Ein weiterer wichtiger Punkt, der gegen eine Lähmung der Betriebsratstätigkeit spricht, ist die nunmehr auszuführende Tatsache, daß nur auf diejenigen Mitglieder durchzugreifen ist, die an der schädigenden Handlung beteiligt waren, die also die fehlerhaften Beschlüsse mitgetragen haben. 2 4 0 Diese Begrenzung ergibt sich daraus, daß § 78 Satz 2 BetrVG jede Benachteiligung der Betriebsratsangehörigen wegen ihrer Tätigkeit verbietet. Würden einzelne Betriebsratsmitglieder haften, weil ihre Kollegen falsch entschieden haben, so läge eine solche Benachteiligung vor. Auch dem Bürgerlichen Gesetzbuch liegt die Vorstellung zugrunde, daß nur Kollegialmitglieder haften, die pflichtwidrig gehandelt haben. 2 4 1 Dieser 239 Nolting, S. 40 f. 240 Für eine solche Begrenzung Buchner, FS Müller, 1981, S. 93, 113; Fitting /Kaiser/ Heither/Engels, § 1, Rn. 233; Galperin /Löwisch, vor § 1, Rn. 36; Richardi, Vorb. vor § 26, Rn. 16. 241 Vgl. Belling, S. 224; Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. II, 1888, S. 826.
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Grundsatz findet sich gleichfalls im Aktienrecht in den §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Da Betriebsratsmitglieder keine Haftung befürchten müssen, solange sie ordnungsgemäß vorgehen, bleiben sie in ihrer Freiheit, rechtmäßige Amtshandlungen zu tätigen, vollkommen unberührt. 2 4 2 Allerdings ist hier entsprechend dem Rechtsgedanken des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB von einer Beweislastumkehr auszugehen, wobei dem Betriebsratsmitglied die Möglichkeit der Entlastung durch Offenlegung des Abstimmungsverhaltens zuzugestehen ist. Dabei steht die Pflicht zur Wahrung des Abstimmungsgeheimnisses nicht entgegen. 2 4 3 Eine solche Beweislastumkehr ist auch keineswegs unbillig. Der jeweilige Betriebsratsangehörige hätte bei der Beschlußfassung seinen Widerspruch zu Protokoll bringen lassen oder sich auf andere Weise erkennbar von der Entscheidung distanzieren können. 2 4 4 Zwar spricht sich ein Teil des Schrifttums gegen diese Beweislastregel aus. 2 4 5 § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB setze zur Eröffnung seines Anwendungsbereichs Rechtswidrigkeit und Verschulden voraus. Diese Voraussetzungen seien bei Mitgliedern, die gegen einen schädigenden Beschluß gestimmt hätten, gerade nicht gegeben. Die Vermutung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB betreffe allein die anschließende Schadensverursachung. Diesen Bedenken ist allerdings nicht zu folgen. Es reicht es zur Begründung einer Beweislastumkehr aus, lediglich auf den Rechtsgedanken der Vorschrift zu verweisen. So beziehen sich einige Befürworter der Vermutungsregel gar nicht explizit auf diese Vorschrift. 2 4 6 Der Zweck des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht darin, den Gläubiger aus Beweislastproblemen zu helfen. 2 4 7 Eine Flucht in die Anonymität des Kollegialorgans darf keineswegs hingenommen werden. Hier geht es nicht um die Zurechnung von Schäden an rechtswidrig und schuldhaft Handelnde im Rahmen von selbständigen Schadensersatzansprüchen, sondern lediglich um die Zurechnung der Haftung als Rechtsfolge i m Rahmen fremder Schadensersatzansprüche. Die Probleme, die sich dem Gläubiger stellen, sind mit denen, um deretwillen § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB existiert, durchaus vergleichbar, so daß der Rechtsgedanke übertragbar ist. Da nur die an den schädigenden Beschlüssen und Handlungen beteiligten Betriebsratsmitglieder für eine Durchgriffshaftung in Betracht kommen, haben diejenigen, die sich korrekt verhalten, letztlich wenig zu befürchten. Nun bleibt aber fraglich, ob nicht allein schon die Befürchtung der Betriebsratsangehörigen, daß ihr Verhalten trotz Vorsicht i m Einzelfall dennoch als pflichtwidrig einzustufen wäre, zu einer Lähmung der Betriebsratstätigkeit führen könnte. Die Angst davor,
242 Baumann, S. 159. 243 Galperin/Löwisch, vor § 1, Rn. 36; Gramm, B. III. 2.; Neumann-Duesberg, S. 338; Nikisch, Bd. III, S. 175. 244 Neumann-Duesberg, S. 338. 245 Buchner, FS Müller, 1981, S. 93, 113, FN 37; Preuß, S. 86; Weiss, RdA 1974, S. 269, 271. 246 Fitting I KaiserI HeitherI Engels, § 1, Rn. 233; Hess / Schlochauer/ Glaubitz, vor § 1, Rn. 32. 247 Palandt /Thomas, § 830, Rn. 7.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
auch für einfache Fahrlässigkeit haftbar gemacht zu werden, könnte in der Tat übertriebene Vorsicht und damit verringerte Effizienz zur Folge haben. 2 4 8 Es erscheint aber geboten, eine Durchgriffshaftung nur in bezug auf solche Mitglieder zuzulassen, denen zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Die rechtliche Grundlage für diese Begrenzung ist allerdings umstritten. Eine solche Haftungsbeschränkung folgt nicht schon aus der Unentgeltlichkeit der Betriebsratstätigkeit. Eine Haftung trotz Unentgeltlichkeit stellt keine unbillige Härte d a r . 2 4 9 Ein etwaiger dahingehender Grundsatz kann dem Zivilrecht nicht entnommen werden. Auch der Beauftragte handelt, ohne eine Vergütung zu erhalten, und ist ohne Einschränkung zum Schadensersatz verpflichtet. 2 5 0 Preuß hebt hervor, der Betriebsratsangehörige sei i m Vergleich mit dem Beauftragten sogar privilegiert, da er nach § 24 Nr. 2 BetrVG jederzeit berechtigt sei, sein Amt ohne Angabe von Gründen niederzulegen. 251 Auch eine Haftungsbeschränkung aufgrund der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs scheidet aus. Dieses Rechtsinstitut wird auf eine entsprechende Anwendung des § 254 BGB gegründet. A u f die Frage der Gefahrgeneigtheit der Arbeit kommt es i m Rahmen der Anwendbarkeit des Rechtsinstituts nach neuerer Rechtsprechung nicht mehr an. Die Arbeit muß lediglich durch den Betrieb veranlaßt s e i n . 2 5 2 Bei Vorsatz trifft den Arbeitnehmer die volle Einstandspflicht, bei grober Fahrlässigkeit ist eine Erleichterung nicht ausgeschlossen und hängt vom Einzelfall ab. Bei leichtester Fahrlässigkeit entfällt seine Einstandspflicht, und bei normaler Fahrlässigkeit wird zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig gequotelt. 2 5 3 Eine Haftungserleichterung nach diesen Grundsätzen aufgrund der Analogie zu § 254 BGB kommt aber deswegen nicht in Betracht, da das Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs darauf beruht, daß der Arbeitgeber kraft seiner Organisationsbefugnis das Risiko trägt. 2 5 4 Es ist nicht auf die Betriebsratsarbeit anwendbar, da der Betriebsrat sein Mandat gerade nicht vom Arbeitgeber ableitet, dieser demnach auch nicht legitimiert ist, i m Rahmen seines Direktionsrechts den betriebsverfassungsrechtlichen Funktions- und Betätigungsablauf zu beeinflussen. 255 Allerdings ergibt sich die Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung auf solche Mitglieder, denen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Eine derartige Beschränkung ergibt sich im Zuge der 248 So Gesten S. 167. 249 BGHZ 24, 393, 400. 250 So auch Preuß, S. 78; Rosset, S. 66; Weber, DB 1992, S. 2135, 2139. 251 Preuß, S. 78. 252 BAG GS v. 29. 09. 1994 AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 253 MünchKomm /Müller-Glöge, 3. Aufl., § 611, Rn. 465. 254 MünchKomm /Müller-Glöge, 3. Aufl., § 611, Rn. 464. 255 Gaul, Ο. VII., Rn. 36; Neumann-Duesberg, RdA 1962, S. 289, 301; so wohl auch Weiss, RdA 1974, S. 269, 278.
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verfassungskonformen Auslegung der kennzeichnenden Merkmale des Betriebsratsamtes durch § 37 Abs. 1 B e t r V G . 2 5 6 Der Gesetzgeber hat den Betriebsrat dazu bestimmt, gemeinsam mit dem Arbeitgeber kollektivrechtliche Ordnungsgrundsätze aufzustellen. Hierdurch erhält das Betriebsratsamt eine Prägung nicht allein privatrechtlicher Natur. Vielmehr muß die gesamte Verfassungswirklichkeit herangezogen werden, insbesondere die Grundsätze des Sozialstaatsprinzips, vgl. Art. 20 und 28 GG. Infolge dieser Grundsätze ist eine gerechte Lastenverteilung zu gewährleisten. In Betracht zu ziehen sind hierbei die großen wirtschaftlichen Belastungen, die durch die Haftung entstehen. Wirtschaftliche Bedürfnisse müssen für die Auslegung im Rahmen der Normzwecklehre Berücksichtigung finden. Eine Haftung der Betriebsratsmitglieder, denen lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, muß demnach ausscheiden. Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß das Kriterium des Verschuldens hier nicht zur Begründung einer selbständigen Schadensersatzverbindlichkeit der einzelnen Mitglieder herangezogen wird. Bei dem Grad des Verschuldens handelt es sich lediglich um einen Faktor, der bei der Auslegung des Gesetzes i m Rahmen der Durchgriffshaftung zu berücksichtigen ist. Subjektive Momente spielen zwar als Eigenwert nach der Lehre vom Normzweck gerade keine R o l l e . 2 5 7 Die Normzwecklehre kann aber durchaus subjektive Momente mit einschließen. Diese können vielfach sogar ausschlaggebend sein. So ist im Rahmen der Zurechenbarkeit der Haftung als Rechtsfolge nach der Normzwecklehre im Falle der Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Differenzierung nach Verschuldensgesichtspunkten geboten. Gesellschafter müssen von der Haftung ausgenommen werden, soweit ihnen für die Unterkapitalisierung keine Verantwortung z u k o m m t . 2 5 8 Gleichermaßen begrenzt die verfassungskonforme Auslegung des § 37 Abs. 1 BetrVG hier insoweit eine sich etwa aus den schadensersatzbegründenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes ergebende Durchgriffshaftung auf die Mitglieder. Eine Beteiligung an Handlungen und Beschlüssen des Betriebsrats, die sich unterhalb des Niveaus der groben Fahrlässigkeit bewegt, reicht für einen Durchgriff nicht aus. Hierdurch werden etwaige Befürchtungen der Betriebsratsmitglieder, sich möglicherweise trotz Vorsicht pflichtwidrig zu verhalten und dadurch in die Haftung genommen zu werden, auf ein vertretbares Maß verringert.
f) Möglicher
Mitverschuldensanteil
des Arbeitgebers
Weiterhin sei daran erinnert, daß die Schadensersatzpflicht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber in vielen Fällen durch dessen Mitverschuldensanteil gemindert ist. Immer dann, wenn der Arbeitgeber es trotz rechtlicher Möglichkeit 256 Vgl. zum Folgenden Gaul, Ο. VII., Rn. 37 f.; ebenso Brill, AuR 1980, S. 353, 358. 257 So für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Hachenburg/ Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 60. 258 Hachenburg! Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 60 m. w. N.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
unterläßt, die Einigungsstelle oder das Arbeitsgericht im Zustimmungsersetzungsverfahren anzurufen oder einseitige vorläufige Maßnahmen zu treffen, ist von seinem Mitverschulden auszugehen. Auch dies entschärft die Befürchtung einer Lähmung der Betriebsratstätigkeit. Demnach ist der Einwand der Lähmung des Betriebsrats soweit entkräftet, daß er eine Durchgriffshaftung auf einzelne, an der Schädigung beteiligte, Betriebsratsmitglieder nicht mehr ausschließt. Nolting spricht hier von einer non-liquet Situation. Wenn man richtigerweise - entgegen der Ansicht von W e i s s 2 6 0 - davon ausgeht, daß das Funktionieren des „partizipatorisehen Modells" nicht i m Vordergrund steht, sondern es in der Betriebsverfassung um den Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers g e h t 2 6 1 , bleibt es demnach bei der oben festgestellten Prämisse, es bestehe eine gewisse Vermutung für die Anwendung des allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes einer Haftung für Schadensersatzforderungen. Für eine Privilegierung der Betriebsratsmitglieder sind keine Gründe ersichtlich. 2 6 2
3. Glaubwürdigkeit des Betriebsrats Die Haftung der beteiligten Betriebsratsmitglieder ist des weiteren aufgrund einer ganzen Reihe von Gründen sogar geboten. Es muß darauf hingewiesen werden, daß der Betriebsrat als Organ der Betriebsverfassung ohne eine Durchgriffsmöglichkeit auf seine Mitglieder eine Einbuße an Achtung und Glaubwürdigkeit hinzunehmen hätte. So führt Nolting zutreffend aus, mit der Übernahme des Betriebsratsamtes sollte stets auch die Übernahme besonderer Verantwortung und der gute Wille zu tadelloser Amtsführung verbunden sein. Die Tatsache einer über deliktische Ansprüche hinausgehenden Haftung für die insoweit wirksameren Schadensersatzforderungen aus Sonderverbindungen drückt die besondere Verantwortlichkeit der Mitglieder aus und steigert damit die Glaubwürdigkeit, die dem Kollegialorgan als Ganzem anhaftet. 2 6 3 Der Betriebsrat als solcher würde in der Achtung all derer, die mit ihm in Kontakt treten, wachsen, wenn diejenigen, die seine Handlungen erst ermöglichen, auch dafür einstehen. Eine solche Achtung und Glaubwürdigkeit ist für das Verhältnis zu Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber unbedingt nötig. Schwebte der einzelne Betriebsratangehörige in einem Freiraum ohne Haftung, so fiele es schwer, die vielen Vorteile, die das Betriebsratsamt mit sich bringt, insbesondere den Prestigegewinn, zu rechtfertigen. 2 6 4 Da der Betriebsrat den Betrieb als 259 Nolting, S. 42. 260 Weiss, RdA 1974, S. 269, 280. 261 So Belling, S. 72,213. 262 Ocker, S. 166. 263 Nolting, S. 43; so a u c h Hafner, S. 110. 264 So auch Nolting, S. 48 ff., der allerdings darüber hinaus - m.E. zu unrecht - auch in dem erweiterten Kündigungsschutz einen persönlichen Vorteil der Betriebsratsmitglieder
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder
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solchen mitgestaltet und ausmacht, wirkt er über dessen Grenzen hinaus zum Wohle der Volkswirtschaft. Die Betriebsratstätigkeit wird in § 37 Abs. 1 BetrVG also nicht nur deswegen als Ehrenamt bezeichnet, da es unentgeltlich wahrgenommen wird, sondern weil es vielmehr auch für das jeweilige Mitglied eine Ehre bedeutet. 2 6 5
4. Verbesserung der Betriebsratsarbeit Ganz i m Gegensatz zu dem Teil des Schrifttums, der eine Lähmung der Betriebsratstätigkeit befürchtet, könnte als Argument für eine Durchgriffshaftung sogar eingewandt werden, der Durchgriff führe zu einer qualitativen Verbesserung der Handlungen des Betriebsrats. Die Anonymität der Kollegialorgane verleitet deren Mitglieder zu einer Flucht vor der persönlichen Verantwortung. Die einzelnen Stimmberechtigten könnten sich andernfalls hinter dem Gesamtabstimmungsergebnis verstecken und hätten häufig subjektiv nicht einmal das Gefühl, mit ihrer Einzelstimme überhaupt Urheber des Gesamtergebnisses zu s e i n . 2 6 6 Zu den Leitgedanken des Schadensersatzes gehört auch das Präventionsprinzip. 267 Mayer stellt für den Bereich des öffentlichen Rechts fest: „Die beste Gewähr tüchtiger Verwaltung ist das Verantwortlichkeitsgefühl des Beamten, und das ist stärker bei dem selbständig handelnden Einzelbeamten als bei einem K o l l e g i u m 4 ' . 2 6 8 Dieses Argument kann unproblematisch auf den Betriebsrat übertragen werden.
5. Erhöhte Eingriffsmöglichkeit in Rechte anderer Ein weiteres zentrales Argument für eine Durchgriffshaftung bildet die erhöhte Eingriffsmöglichkeit des Betriebsrats in Rechtsgüter des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und Stellenbewerber. Die Erhöhung im Vergleich zur Jedermannbeziehung, für die das Deliktsrecht eine ausreichende schadensersatzrechtliche Absicherung bereitstellt, wird durch die vielfältigen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse des Betriebsrats b e w i r k t . 2 6 9 I m Hinblick auf diese Vielfältigkeit und Steigerung der Einflußnahme auf das Geschehen i m Betrieb und die damit verbundenen Einwirkungsmöglichkeiten ist eine über das Deliktsrecht hinausgehende Haftung für Schadensersatzforderungen aus Sonderverbindung angemessen. 270 So bemerkt sieht. Der Zweck des § 15 KSchG besteht aber allein in der Schutzfunktion des Betriebsrats als Organ, um dessen ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu sichern, vgl. Kittneri Däubler/ Zwanziger, § 15, Rn. 1. 265 Hafner, S. 110. 266 Vgl. Dagtoglou, S. 25 m. w. N. 267 Lange, S. 9. 268 Mayer, S. 224, FN 1. 269 Nolting, S. 145 ff. 270 Nolting, S. 53 ff.; Preuß, S. 47; so auch Ocker, S. 166 ff.
186
Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Konzen, daß die Beteiligungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung bis zum 22. 07. 2001 derart ausgedehnt sind, daß ein weiterer Ausbau an praktische und verfassungsrechtliche Grenzen zu stoßen drohe. 2 7 1 Durch das Gesetz zu Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. 07. 2001 ist es i m Bereich der Mitbestimmungsrechte noch zu Erweiterungen gekommen. Der Regelung des § 87 Abs. 1 BetrVG ist eine weitere Nr. 13 angefügt worden, die die Mitbestimmung auf das Gebiet der Gruppenarbeit ausweitet. Der neue § 92 a BetrVG konstatiert weitere Initiativrechte des Betriebsrats hinsichtlich der Beschäftigungssicherung. Die in den Nr. 3 und 6 des zweiten Absatzes des § 99 BetrVG festgeschriebenen Widerspruchsgründe sind ebenfalls erweitert worden. Der erhöhten Eingriffsmöglichkeit muß ein erhöhter Rechtsschutz und somit die konsequente Haftung entsprechen. Die pflichtwidrigen Eingriffe werden aber letztlich durch die Handlungen der Mitglieder verursacht, denn sie bilden die Handlungsorganisation des Betriebsrats. Demgemäß erscheint die Haftung der an der jeweiligen Schädigung beteiligten Betriebsratsangehörigen geradezu zwingend.
6. Die zwangsweise Unterwerfung unter den Einfluß des Betriebsrats Des weiteren läßt sich für eine Haftung anführen, daß der Arbeitgeber, die einzelnen Arbeitnehmer und Stellenbewerber dem Einfluß des Betriebsrats nicht entgehen können. Sie sind seinen Handlungen in gewisser Weise ausgeliefert, ohne freiwillig - etwa durch privatautonome Rechtsgeschäfte - mit ihm vorher in Kontakt getreten zu sein. Die gerade dargestellte haftungsbegründende erhöhte Einwirkungsmöglichkeit durch die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse wird durch die Unfreiwilligkeit des Abhängigkeitsverhältnisses noch verschärft. Die zwangsweise Unterwerfung der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers unter den Einflußbereich des Betriebsrats gebietet eine entsprechende Gefahrverteilung für schädigende Handlungen. Die Kompensation für solche Schäden kann nicht in den Gefahrtragungsbereich desjenigen gelegt werden, der ohne oder sogar gegen seinen Willen dem Risiko schädigender Handlungen ausgesetzt worden ist. Die gilt zunächst unproblematisch für den Arbeitgeber. Dieser hat keinerlei rechtliche Einflußmöglichkeit auf die Bildung eines Betriebsrats in seinem Betrieb. Er hat keine Möglichkeit, auf die Wahl der einzelnen Mitglieder Einfluß zu nehmen, denn das Wahlrecht steht gemäß § 7 BetrVG allein den Arbeitnehmern zu. Es erscheint nicht übertrieben, zu behaupten, der Betriebsrat und der Arbeitgeber stünden in einer Art „Schicksalsgemeinschaft" zueinander. 2 7 2 Allein die Haftung verleiht möglichen Schadensersatzforderungen ihre Durchsetzungskraft. 271 Konzen, RdA 2001, S. 76, 91. 272 So Hafner, S. 88.
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder
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Gäbe es sie nicht, wäre der Arbeitgeber den Handlungen des Betriebsrat weitgehend ausgeliefert, ohne sich selbst in diese Situation gebracht zu haben. Es kann dem Gesetzgeber angesichts seines grundrechtlichen Schutzauftrages nicht unterstellt werden, den Arbeitgeber durch Zwang in eine Lage bringen zu wollen, in der rechtswidrige Eingriffe in seine Grundrechte auf Berufsfreiheit und unternehmerischer Freiheit möglich werden und ihn im Hinblick auf Schadensersatzforderungen rechtlos zu stellen. Für die Stellenbewerber gilt entsprechendes. Auch sie haben keinerlei Möglichkeit der Einflußnahme auf die Bildung eines Betriebsrats, sind seiner Mitwirkung bei personellen Maßnahmen insbesondere des § 99 BetrVG aber gleichwohl unterworfen. Aber auch hinsichtlich der Arbeitnehmer des Betriebes ist von eines zwangsweisen Unterwerfung unter die Einflußnahme durch den Betriebsrat auszugehen. Belling spricht hier zutreffend von Zwangsrepräsentation. 273 Es wäre nicht ausreichend, stellte man allein auf die Repräsentationsfunktion des Betriebsrats ab und ließe dabei die Tatsache außer Betracht, daß dies auch die Übernahme von Verantwortung für die Arbeitnehmer bedeutet. Jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer ist nicht nur Wähler, sondern zugleich auch Unterworfener. 2 7 4 Ist der Betriebsrat einmal - mit oder ohne Stimme des später geschädigten Arbeitnehmers - gewählt, so hat dieser nur die sehr begrenzte Möglichkeit der Einflußnahme auf dessen Handlungen nach § 23 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat ist von Weisungen der Arbeitnehmer unabhängig. 2 7 5 Auch die Vorschrift des § 86 a BetrVG, die den Betriebsrat zwingt, vorgeschlagene Themen wenigstens auf die Tagesordnung zu setzen, unterliegt einer Qualifizierung dahingehend, daß mindestens fünf vom Hundert der Arbeitnehmer hinter dem Vorschlag stehen müssen. I m Falle direkter hoheitlicher Ordnungstätigkeit wäre eine Staatshaftung nach Art. 34 GG gegeben. Dadurch, daß der Staat den Bereich der Betriebsverfassung nicht selbst steuert, sondern sich des Mittels der Zwangsrepräsentation im Rahmen eines Systems der sozialen Selbstverwaltung bedient, darf der Rechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers nicht verkürzt werden. 2 7 6 Die zwangsweise Unterwerfung der Arbeitnehmer unter den Einflußbereich des Betriebsrats birgt in der Tat die Gefahr einer verlagerten Abhängigkeit. Das Betriebsverfassungsgesetz, das einst zur Stärkung der Arbeitnehmerschaft gegenüber einem übermächtigen Arbeitgeber geschaffen wurde, hat in der Praxis häufig eine neue Abhängigkeit der Arbeitnehmer von der Kollektivmacht der Arbeitnehmerschaft, die wiederum durch den Betriebsrat repräsentiert wird, geschaffen. Dies wird insbesondere i m Rahmen des Mitbestimmungsrechts in § 99 BetrVG deutlich, in denen die Stärkung der Belegschaft teilweise zur Einschränkung der Berufsfrei273 274 275 276
Belling , S. 54 ff. So Blomeyer, GedS Dietz, S. 171. GK/Kraft, § l,Rn. 52. Belling, S. 74 ff.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
heit des einzelnen Arbeitnehmers f ü h r t . 2 7 7 Die charakteristische Unterordnung der Individualinteressen unter die des Verbandsinteresses der Belegschaft vergrößert die Macht der Verbandsfunktionäre. 278 Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, daß es bei Betriebsräten häufig zu einer gewissen Entfremdung gegenüber der Belegschaft kommen k a n n . 2 7 9 Der Betriebsrat tendiert gerade in Großbetrieben zur Loslösung und Verselbständigung und damit zu einer immer größer werdenden Distanzierung von den Arbeitnehmern. Rechtsgeschichte stellt stets auch eine Geschichte des Mißbrauchs legitim erworbener Macht d a r . 2 8 0 Dies dürfte besonders in Fällen zu befürchten sein, in denen die personelle Zusammensetzung des Kollegiums über längere Zeit unverändert bleibt. Häufig wird die Stellung des Betriebsrats gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer eher als die eines „personalpolitischen Mitunternehmers 4' erscheinen als eines Interessenvertreters der Belegschaft 2 8 1 , dies wohl um so eher, als Betriebsratsangehörige ihr A m t nicht selten als Sprungbrett in Funktionärspositionen oder den Aufsichtsrat betrachten. 2 8 2 Je weiter der Betriebsrat in Funktionen und Machtstellung des Arbeitgebers einrückt, desto mehr muß er einem System gerichtlicher Kontrolle unterliegen. 2 8 3 Hierbei handelt es sich Lebenswirklichkeiten - um die Macht der Tatsachen - die bei der Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
7. Keine Macht ohne Verantwortung Der Betriebsrat als Gremium übernimmt effektiv für seine schadensersatzbegründenden Handlungen keine Verantwortung, da Schadensersatzansprüche weder gegen ihn vollstreckt, noch von diesem freiwillig befriedigt werden können. Für eine solche Haftung kommen allein Betriebsratsmitglieder in Betracht. Sie sind die Amtsträger. Wer ein Amt übernimmt, hat dafür die Verantwortung zu tragen. 2 8 4 Insbesondere in Fällen des Durchgriffs auf den Einmanngesellschafter i m Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung spielt dessen Verantwortung aus dem Gesichtspunkt einer höheren Ordnung i m Sinne eines ordre public eine entscheidende R o l l e . 2 8 5 Dieser Gedanke besitzt Allgemeingültigkeit. Er läßt sich auf den Durchgriff durch den teilrechtsfähigen Betriebsrat ohne weiteres übertragen. Das gewichtigste Argument für einen Durchgriff auf die an der schädigenden Handlung beteiligten Mitglieder ist letztlich der Grundsatz, daß Macht nicht ausgeübt werden 277 278 279 280
Belling , S. 41 ff. Reuter, S. 199. Belling, S. 49 ff. Rüthers, S. 10.
281 282 283 284 285
Schwerdtner, ZfA 1977, S. 47, 79. Vgl. Nolting, S. 50 ff. Blomeyer, GedS Dietz, S. 172. Preuß, S. 75. Reinhardt, FS Lehmann, S. 589, 592.
§ 20 Der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder
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darf, ohne daß letztlich dafür auch persönlich die Verantwortung übernommen w i r d . 2 8 6 Dieses Postulat gehört zu den Kernsätzen der Privatrechtsordnung. 287 Jede Machtstellung über Menschen muß begrenzt sein. 2 8 8 Die Haftung stellt eine geeignete Begrenzung solcher Macht dar. Die Amtspflichten der Betriebsratsangehörigen haben als solche keine Außenwirkung. Dennoch sind die Betriebsratsmitglieder im Ergebnis für die Handlungen des Betriebsrats verantwortlich. Als Handlungsorganisation des Betriebsrats haben sie die Macht, dessen Handlungen zu bestimmen. Ihnen fällt die Macht über Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und Stellenbewerber zu.
8. Zwischenergebnis Demnach besteht für Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat in den Fällen, in denen keine eigenen durchsetzbaren Schadensersatzansprüche gegen die an der schädigenden Handlung beteiligten Betriebsratsangehörigen begründet sind, die Möglichkeit des Durchgriffs auf diese Mitglieder, soweit sie mindestens grob fahrlässig gehandelt haben. Ferner ist auch in bezug auf die Kosten für die Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO vertretbarer Handlungen des Betriebsrats stets auf diejenigen Mitglieder durchzugreifen, die sich der Vornahme der Handlung mindestens grob fahrlässig widersetzt haben.
III. Der Haftungsdurchgriff bei Schadensersatzansprüchen Dritter aus Rechtsgeschäften Soweit Schadensersatzansprüche der Rechtsanwälte, Sachverständigen und Veranstalter von Schulungen gegen den Betriebsrat als Gremium bestehen, ist das Gebiet der Betriebsverfassung verlassen worden. Bei den vertragschließenden Dritten handelt es sich um außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes stehende Rechtssubjekte. Die Sonderverbindung zum Betriebsrat ergibt sich nicht unmittelbar aus den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, sondern nur mittelbar über § § 4 0 Abs. 1, 80 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG. Der Betriebsrat besitzt insofern Teilrechtsfähigkeit im allgemeinen Privatrechtsverkehr. 289 Beim Haftungsdurchgriff handelt es sich in erster Linie um ein Gläubigerschutzproblem. 2 9 0 Die Frage, ob auf andere Haftungs verbände als diejenigen der schul286 287 288 289 290
So auch Belling, S. 64 ff. Reuter, S. 215. Coing, S. 203. Däubler/Kittner/Klebe, Einl., Rn. 123. Schmidt, S. 187.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
denden Personifikation durchgegriffen wird, ergibt sich in erster Linie aus Gläubigerinteressen und dem Gedanken des Schutzes des allgemeinen Rechtsverkehrs. 291 Auch der Haftungsdurchgriff auf die Mitglieder im Rahmen von Schadensersatzansprüchen Dritter gegen den Betriebsrat gründet sich letztlich auf diese Gesichtpunkte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen. Für Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat stehen den Gläubigern keinerlei Haftungsmassen dieser Personifikation zur Verfügung. Die Interessenlage beim Gläubiger ist insoweit vergleichbar mit derjenigen der materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Anläßlich der materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde zwar vom achten Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in einer Entscheidung vom 04. 05. 1977 angenommen, die Unterkapitalisierung reiche allein noch nicht aus, um einen Durchgriff zu rechtfertigen. 2 9 2 Dabei ist allerdings anzumerken, daß in der Entscheidung nicht der Normzwecklehre gefolgt worden ist. Später hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des achten Senats in Frage gestellt und auf mittlerweile verstärkte Gläubigerschutztendenzen desselben Senats hingewiesen. 2 9 3 Der Bundesgerichtshof bezog sich dabei explizit auf U l m e r 2 9 4 , der die Normzwecklehre vertritt. Beim Betriebsrat liegen die Dinge im Vergleich mit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung aber auch insofern anders, als jener ein relatives Minus an Rechtsfähigkeit aufweist. Seine rechtliche (Haftungs-)Selbständigkeit ist gerade nicht so ausgeprägt wie bei der juristischen Person. Für den Betriebsrat müssen demnach eigene, selbständige Durchgriffsregelungen aufgestellt werden. Es gelten insoweit geringere Anforderungen. Entscheidend dürfte ferner sein, daß der Betriebsrat im Falle von Schadensersatzanforderungen eine vollkommene und rechtlich bedingte, sozusagen eine chronische Unterkapitalisierung aufweist. Der Betriebsrat kann niemals auf Schadensersatz haften. Die Rechtsordnung kann aber nicht dulden, daß jegliche Schadensersatzansprüche außerhalb der Betriebsverfassung stehender Dritter nicht durchsetzbar sind. Bei betriebsverfassungsrechtlichen Schadensersatzansprüchen kommt aber allein eine Durchgriffshaftung derjenigen Betriebsratsangehörigen in Betracht, denen auch ein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Diese der Regelung des § 78 Satz 2 BetrVG entspringende Begrenzung muß auch i m Verhältnis des Betriebsrats zu Dritten gelten. So scheidet ein Haftungsdurchgriff von vornherein aus, wenn der Betriebsrat in Beispiel (19) in Verzug gerät, etwa weil der Arbeitgeber keine ausreichenden Geldmittel zur Verfügung gestellt hat. Generell erscheint es keineswegs unbillig, schuldhaft handelnden Betriebsratsmitgliedern die Haftung 291 292 293 294
Fabricius, S. 91 f.; Hachenburg / Ulmer, 8. Aufl., § 30 Anh., Rn. 54. BGHZ 68, 312 ff. BGH, NJW 1977, S. 1683, 1686. Hachenburg/Ulmer, 7. Aufl., § 30 Anh., Rn. 11, 24, 56 ff.
295 Vgl. hierzu Flume, Bd. I 2, S. 81 f.
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aufzuerlegen, die j a nur aus dem Grund nicht selbständig Schadensersatz schulden, da dem Betriebsrat in bezug auf die Rechtsgeschäfte mit Dritten die alleinige Parteistellung zuzusprechen ist. Eine Begrenzung des Durchgriffs auf die Mitglieder, denen zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, ist im Verhältnis zu außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Dritten allerdings nicht angebracht. Gegenüber Dritten wirken die Betriebsratsmitglieder gerade nicht als Amtswalter, so daß die - durch verfassungskonforme Auslegung bewirkte - Einschränkung des § 37 Abs. 1 nicht eingreift. Jede Form der Fahrlässigkeit rechtfertigt demnach einen Durchgriff auf die betreffenden Mitglieder. Im Rahmen des Gläubigerschutzes kann auch der Gedanke des Informationsnachteils eine besondere Rolle spielen. So hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil zum Durchgriff bei nomineller Unterkapitalisierung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu recht auf den Informationsvorsprung des Gesellschafters als Darlehensgebers gegenüber außenstehenden Gläubigern hingewiesen. 2 9 6 Auch der Schadensersatzgläubiger des Betriebsrats hat gegenüber den Mitgliedern einen Informationsnachteil. Er hat wenig Einblick in die betrieblichen Interna und kann kaum beurteilen, ob sich der mit ihm abgeschlossene Vertrag im Bereich des Erforderlichen gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hält oder ob der Betriebsrat ultra vires handelt und die Mitglieder daher nach § 179 Abs. 1 BGB analog persönlich verpflichtet werden. Auch hieraus ergibt sich zu seinem Schutz die Notwendigkeit des Durchgriffs.
IV. Gesamtschuldnerische Haftung Die betreffenden Mitglieder haften untereinander gemäß § 128 HGB analog als Gesamtschuldner. 297 Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den Durchgriff ist geboten. 2 9 8 Bei § 128 HGB handelt es sich nach heute ganz herrschender Ansicht im Sinne der Akzessorietätstheorie wie auch beim Durchgriff um eine Haftung für eine fremde Schuld. 2 9 9 Auch im Hinblick auf die mittlerweile vom Bundesgerichtshof als teilrechtsfähig anerkannte Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird die Anwendbarkeit der Akzessorietätsregeln für Schulden der offenen Handelsgesellschaft und deren Gesellschaftern befürwortet. 3 0 0 Des weiteren ist zu bedenken, daß auch im Rahmen von selbständigen deliktischen Schadensersatzforderungen gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder von einem gesamtschuldnerischen Verhältnis gemäß § 840 Abs. 1 BGB auszugehen wäre. § 830 Abs. 1 Satz 1 2% BGHZ 75, 334, 339. 297 Für die offene Handelsgesellschaft vgl. Baumbach /Duden / Hopt, § 128, Rn. 21. 298 Siehe nur Hoffmann, NZG 2002, S. 68, 71 m. w. N. 299 Siehe nur Baumbach I Duden IHopt, § 128, Rn. 8. 300 BGH, NJW 2001, S. 1056, 1061.
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
BGB ordnet an, daß bei Fällen gemeinschaftlicher Begehung jeder Beteiligte auf das Ganze haftet. 3 0 1 I m Außenverhältnis gilt dabei § 840 B G B . 3 0 2
V. Ergebnis Die Auslegung der §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 2 Satz 1 und 3, 75 und 77 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sowie der §§40 Abs. 1, 80 Abs. 3 und 111 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG ergibt für den Bereich der Beispielsfälle Folgendes: In den Beispielen (6) bis (8), (13), (14) und (19) kann auf die einzelnen Betriebsratsangehörigen, die an der schädigenden Handlung beteiligt gewesen sind, zur Befriedigung der gegen den Betriebsrat als solchen bestehenden Schadensersatzansprüche durchgegriffen werden. In den Fällen (4) und (20) scheidet ein Durchgriff aufgrund des Vorrangs selbständiger deliktsrechtlicher Ansprüche gegen diese Mitglieder aus. In den Beispielsfällen (1) bis (3), (5), (11), (12), (15) und (16) findet ein Durchgriff statt, soweit nicht in seltenen Fällen deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Betriebsratsangehörigen bestehen. I m Fall (17) wäre hinsichtlich der Kosten für eine etwaige Ersatzvornahme auf die betreffenden Betriebsratsmitglieder durchzugreifen.
§ 21 Prozeßrechtliche Fragen des Durchgriffs I. Rechtsweg 1. Schadensersatzansprüche Dritter Vermögensrechtliche Haftungsansprüche der Rechtsanwälte, Sachverständigen und Schulungsveranstalter gegen einzelne Betriebsratsmitglieder, die sich auf Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat als solchen gründen, sind wie die Erfüllungsansprüche auf Honorarzahlung vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Insoweit gilt das dort Gesagte. 3 0 3
2. Kostenerstattungsansprüche im Rahmen des § 887 ZPO und Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers Soweit Personen, die innerhalb der Betriebsverfassung stehen, gegen einzelne Betriebsratsmitglieder vermögensrechtliche Haftungsansprüche geltend machen, 301 Palandt/Thomas, § 830, Rn. 1. 302 Palandt/Heinrichs, § 830, Rn. 15. 303 Siehe oben § 13 III. l.a).
§ 21 Prozeßrechtliche Fragen des Durchgriffs
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die sich auf Schadensersatzforderungen gegen den Betriebsrat als solchen gründen, spricht sich Fischer für den ordentlichen Gerichtsweg mit der Begründung aus, diese Art von Streitigkeiten sei nicht in den Katalog des § 2 Abs. 1 ArbGG für das arbeitsgerichtliche Urteil s verfahren einzuordnen. 3 0 4 Neumann-Duesberg tritt dagegen für das arbeitsgerichtliche Urteil s verfahren e i n . 3 0 5 Er ist der Ansicht, die Amtspflicht des Betriebsratsmitglied beruhe letztlich auf dem Arbeitsverhältnis. Beiden Ansichten ist nicht zu folgen. Fischer beschränkt seine Untersuchung auf das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren und zieht die Möglichkeit des Beschlußverfahrens gar nicht in Betracht. 3 0 6 Neumann-Duesberg trennt nicht zwischen Amtspflichten und arbeitsvertraglichen Pflichten. 3 0 7 Eine solche Trennung ist aber allgemein anerkannt. 3 0 8 Es ist einem Betriebsratsmitglied zwar möglich, durch eine Handlung gleichzeitig den Arbeitsvertrag zu verletzen und gegen die ihm in seinem Amt obliegenden Pflichten zu verstoßen. 3 0 9 Das ist aber nur dann der Fall, wenn ein Betriebsrat beispielsweise die Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 2 BetrVG unberechtigterweise in Anspruch nimmt. Derlei Pflichtverletzungen sind innerhalb dieser Arbeit nicht von Belang. In dieser Arbeit geht es um reine Amtspflichtverletzungen der Betriebsratsangehörigen i m Rahmen von Pflichten, die dem Betriebsrats als Gremium zugeordnet werden. Einschlägig ist - wie bei den entsprechenden Erfüllungsansprüchen - das Beschlußverfahren vor den Arbeitsgerichten, gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Der Streit um Schadensersatz und Kostenerstattung gemäß § 887 ZPO, der aus Amtspflichtverletzungen herrührt, wurzelt in der Betriebsverfassung. Es geht um die Pflichten eines Betriebsverfassungsorgans. 310 Die Tatsache, daß es sich um Haftungsverpflichtungen der einzelnen Mitglieder handelt, spricht nicht dagegen. Die Haftung der Betriebsratsmitglieder ist erst als unselbständiger Haftungsanspruch aus dem gegen den Betriebsrat als solchen gerichteten Schadensersatzanspruch bzw. Kostenerstattungsanspruch entstanden. Es handelt sich j a gerade nicht um eine neue Schuldverpflichtung, sondern um ein haftungsrechtliches Durchgreifen der alten.
304 Fischen RdA 1961, S. 230, 231. 305 Neumann-Duesberg, NJW 1954, S. 617, 620; so auch Belling, S. 284, ohne Begründung. 306 Gegen Fischer auch Junker, S. 73, FN 2. 307 Hiergegen wendet sich zu recht auch Junker, S. 73, FN 2. 308 E i n h e l l i g e M e i n u n g , siehe n u r B A G ν. 16. 10. 1 9 8 6 A P N r . 9 5 z u § 6 2 6 B G B , B l . 3 ;
Däubler! Kittneri Klebe, § 23, Rn. 8; Fitting / Kaiser/Heither/Engels, § 23, Rn. 21; GK/ Wiese / Oetker, § 23, Rn. 19; Hess / Schlochauer/ Glaubitz, § 23, Rn. 22. 309 Fitting /Kaiser/Heither/Engels, § 23, Rn. 22; GK/Wiese/Oetker, § 23, Rn. 21 f.; Hess/ Schlochauer/ Glaubitz, § 23, Rn. 24. 310 Grunsky, § 2 a, Rn. 14; Junker, S. 73, FN 2; Weber, DB 1992, S. 2135, 2139. 13 Triebel
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
I I . Prozessuale Besonderheiten 1. Gewillkürter Partei Wechsel Dem Schadensersatzgläubiger kann eine genaue Kenntnis der Struktur der Haftung für Betriebsratshandeln nicht unterstellt werden. Insbesondere in Fällen, in denen Gläubiger nicht anwaltlich vertreten sind, wird es nicht selten vorkommen, daß zunächst der Betriebsrat als Gremium etwa auf Schadensersatz verklagt wird. Ein Vollstreckungstitel - selbst wenn man annähme, er könnte erlangt werden könnte aufgrund der Unmöglichkeit der entsprechenden Zwangsvollstreckung niemals zur Befriedigung führen. Der Betriebsrat könnte auch nicht freiwillig Schadensersatz leisten, da ihm für derlei Erfüllungshandlungen die Rechtsfähigkeit im Verhältnis zu Dritten fehlte. Die Begleichung von Schadensersatzforderungen fiele gerade nicht in seinen Aufgabenkreis. Entsprechend der für die offene Handelsgesellschaft entwickelten Grundsätze ist davon auszugehen, daß der Gläubiger die Klage im Zuge eines gewillkürten Parteiwechsels auf die betreffenden Betriebsratsmitglieder umstellen kann. 3 1 1 Die Zustimmung des Betriebsrats wird dabei regelmäßig nicht nötig sein, da nach einem entsprechenden richterlicher Hinweis gemäß § 139 ZPO die Umstellung noch vor der ersten mündlichen Verhandlung stattfinden w i r d . 3 1 2
2. Auskunftsanspruch gegen den Betriebsrat Da der Gläubiger regelmäßig keinen Einblick in die Interna der betriebsrätlichen Beschlußfassung haben wird, steht ihm gegen den Betriebsrat ein entsprechender Auskunftsanspruch zu. Dieser Anspruch stützt sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Es ist gemeinhin anerkannt, daß Auskunftsansprüche gegeben sind, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Beziehungen es mit sich bringen, daß der Berechtigte sich die notwendige Information in entschuldbarer Weise nicht selbst verschaffen kann und der Verpflichtete die Auskunft unschwer geben k a n n . 3 1 3 Der Schadensersatzgläubiger muß dazu darlegen, daß ein Anspruch gegen den Betriebsrat auf Schadensersatz dem Grunde nach besteht. 3 1 4 Das Abstimmungsgeheimnis steht dem nicht entgegen. Hier gilt dasselbe wie bei der Möglichkeit der einzelnen Betriebsratsmitglieder, ihr gemäß § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB analog vermutetes Verschulden zu widerlegen. 3 1 5
311 312 313 314 315
Vgl. BGHZ 62, 131 ; Hueck, S. 130. Thomas / Putzo, Vorb. § 50, Rn. 22. Siehe nur Palandt / Heinrichs, § 261, Rn. 8 ff. Vgl. Palandt/Heinrichs, § 261, Rn. 11. Vgl. oben § 20 II. 2. e).
§ 22 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
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§ 22 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse I. Die Ansprüche gegen den Betriebsrat Die Untersuchung der Pflichtfähigkeit des Betriebsrats als Bestandteil seiner Rechtsfähigkeit im weiteren Sinne ergibt, daß er selbst als Gremium Träger von rechtlichen Verpflichtungen sein kann. Diese Verpflichtungen wurzeln - direkt oder indirekt - in der Betriebsverfassung. Ausgehend von einem Verständnis einer relativen Rechtsfähigkeit ist der Betriebsrat insoweit teilrechtsfähig bzw. teilpflichtfähig. Die Frage nach seiner Vermögensfähigkeit ist davon unabhängig. Darüber hinaus entspringen diesen Pflichten in der Mehrzahl der Fälle auch korrelierende Ansprüche. Anspruchsinhaber können Arbeitnehmer und Stellenbewerber, der Arbeitgeber, die Betriebsratsmitglieder und außenstehende Vertragspartner des Betriebsrats sein. Ansprüche der Arbeitnehmer und Stellenbewerber sowie des Arbeitgebers ergeben sich aus den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Zwischen diesen Personen und dem Betriebsrat bestehen mithin gesetzliche Schuldverhältnisse. Bei den entsprechenden Pflichten des Betriebsrats handelt es sich um Schutzpflichten. Die Forderungen aus diesen betriebsverfassungsrechtlichen Sonderverbindungen umfassen zunächst einmal Erfüllungsansprüche der Arbeitnehmer und Stellenbewerber sowie des Arbeitgebers hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Schutzpflichten des Betriebsrats. Erfüllungsansprüche bestehen nur dann, wenn ein Verstoß gegen diese Pflichten zu besorgen ist bzw. schon begangen wurde. Die Ansprüche können sich auf ein Tun oder Unterlassen richten. Ansprüche auf aktives Tun können einerseits etwa darin bestehen, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme des Arbeitgebers erteilt. Andererseits können sich aufgrund von Pflichtverletzungen auch Folgenbeseitigungsansprüche ergeben wie etwa die Rücknahme eines pflichtwidrigen Entlassungsverlangens nach § 104 BetrVG. Vielerorts schreibt das Betriebsverfassungsgesetz Schutzpflichten des Betriebsrats ausdrücklich fest. So kann der Arbeitgeber beispielsweise gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG verlangen, daß der Betriebsrat es unterlasse, zu einem Streik aufzurufen. Ferner haben Arbeitnehmer etwa einen Anspruch darauf, daß der Betriebsrat nach § 85 Abs. 1 BetrVG ihre Beschwerden entgegennehme. Außerhalb dieses expliziten Pflichtenkreises existieren zahlreiche ungeschriebene Verpflichtungen des Betriebsrats und daraus resultierende Ansprüche. Im Hinblick auf das Verhältnis zum Arbeitgeber ergeben sich diese Schutzpflichten über § 2 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift verpflichtet den Betriebsrat zur Rücksichtnahme, Fairness und Legalität bei seinen Handlungen. Im Verhältnis zu den einzelnen Arbeitnehmern ergibt sich aus § 75 BetrVG das Gebot zur Legalität und Gleichbehandlung. Diese Norm dient als Einfallstor für die Geltung von Recht und 13*
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Billigkeit in der Betriebsverfassung, insbesondere hinsichtlich der Grundrechte. Die Regelung des § 75 BetrVG gilt auch in bezug auf Stellenbewerber, obwohl sie noch keine Angehörigen des Betriebes sind. Der Betriebsrat schuldet i m allgemeinen, seine gesetzlichen Rechte, die für ihn Pflichtrechte darstellen, rechtmäßig und ermessensfehlerfrei auszuüben. Diese Verpflichtung kommt besonders i m Rahmen der Mitbestimmungsrechte zum Tragen. Der Betriebsrat ist Arbeitnehmern, Stellenbewerbern und dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, seine Mitbestimmungsrechte pflichtgemäß auszuüben. Erfüllungsansprüche dieser Schutzpflichten bestehen auf diesem Gebiet allerdings nur in den Fällen, in denen das Ermessen auf Null reduziert ist oder dem Betriebsrat von vornherein ein Ermessensspielraum gar nicht zugebilligt ist wie etwa i m Rahmen des § 99 BetrVG. Des weiteren bleibt festzustellen, daß hinsichtlich der Beziehung zum Arbeitgeber i m Rahmen der echten Mitbestimmungsrechte niemals Erfüllungsansprüche auf pflichtgemäße Ausübung durch den Betriebsrat bestehen. Hier stellen das Einigungsstellen- sowie das Zustimmungsersetzungsverfahren Sonderregelungen dar. Die schuldhafte Verletzung der genannten Schutzpflichten führt zu Schadensersatzansprüchen gegen den Betriebsrat als Gremium. Das schuldhafte Verhalten der einzelnen an der schädigenden Handlung beteiligten Betriebsratsmitglieder wird dem Gremium in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zugerechnet. Rechtsgrundlage für die Schadensersatzansprüche ist die Regelung der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Weiterhin können auch außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Parteien wie etwa Sachverständigen, Rechtsanwälten oder Veranstaltern von Schulungen vertragliche Forderungen gegen den Betriebsrat als Gremium zustehen. Der Betriebsrat kann innerhalb seines Aufgabenbereichs i m eigenen Namen mit Dritten Verträge abschließen. Hierdurch wird allein er - und nicht etwa der Arbeitgeber, der den Betriebsrat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG mit Finanzmitteln ausstatten muß berechtigt und verpflichtet. So schuldet der Betriebsrat seinen Vertragspartnern aus entsprechenden Rechtsgeschäften zunächst Erfüllung, also zumeist die Bezahlung des Honorars. Es sind aber auch Ansprüche auf Schadensersatz denkbar wie etwa für den Fall des Verzugsschadens. Die Ansprüche der einzelnen Betriebsratsangehörigen gegen den Betriebsrat richten sich auf Ersatz der Aufwendungen, die ihnen bei Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben entstehen. Direktansprüche gegen den Arbeitgeber sind nicht gegeben. Alle genannten Ansprüche gegen den Betriebsrat richten sich ausschließlich gegen ihn. Seine einzelnen Mitglieder werden nicht gleichzeitig verpflichtet. Selbständige parallele Ansprüche gegen diese ergeben sich nur teilweise auf dem Gebiet der Schadensersatzforderungen innerhalb der Grenzen des Deliktsrechts. Dies ist der Fall, wenn etwa eine Rechtsgutsverletzung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB vorliegt oder dem Mitglied i m Einzelfall der Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB zu machen ist.
§ 22 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
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Auch bereicherungsrechtliche Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat sind möglich. Hieran wäre zu denken, wenn jener eine Zuvielleistung an M i t teln für dessen Aufgabenerfüllung getätigt hat. Der Betriebsrat ist i m Rahmen seines Aufgabenbereiches vermögensfähig und erwirbt Eigentum an den ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln. Der Betriebsrat kann auch zur Herausgabe von Sachmitteln verpflichtet sein, die der Arbeitgeber ihm zur Verfügung gestellt hat und die nicht (mehr) zur Aufgabenerfüllung benötigt werden. A n diesen Mitteln behält der Arbeitgeber das Eigentum. Der Betriebsrat ist lediglich Besitzer.
II. Die Haftung für Ansprüche gegen den Betriebsrat Die Haftung für die genannten Ansprüche gestaltet sich folgendermaßen: Ansprüche auf Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Schutzpflichten - also auf ein Tun oder Unterlassen - können gemäß §§ 883 ff. ZPO gegen den Betriebsrat vollstreckt werden. Zwangs- und Ordnungsmaßnahmen richten sich dabei gegen die einzelnen Mitglieder, deren Willen zu beugen ist. M i t Bezug auf die Vollstreckung von Geldforderungen ist zwischen Forderungen, die auf rechtmäßigem Handeln des Betriebsrats beruhen, und solchen, die durch dessen rechtswidrige Tätigkeiten entstanden sind, zu unterscheiden. Zu ersteren gehören etwa Honorarforderungen von Rechtsanwälten. Diesbezüglich wird in das Vermögen des Betriebsrats als Gremium vollstreckt. Das gilt auch für die bereicherungsrechtlichen Geldforderungen des Arbeitgebers. Der Betriebsrat ist auf dem Gebiet seiner ordnungsgemäßen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben in der Lage, Eigentum an Sachen und Rechten zu erwerben. Er ist insoweit teilweise vermögensfähig. Diese Vermögensfähigkeit erstreckt sich auf das Eigentum an Finanzmitteln, die dem Betriebsrat durch den Arbeitgeber in Form eines Vorschusses oder eines Fonds zur Verfügung gestellt hat. Auch Freistellungsansprüche gegen den Arbeitgeber fallen in das Vermögen des Betriebsrats. Forderungen aufgrund rechtswidrigen Handelns des Betriebsrats umfassen Schadensersatzansprüche und die Kosten für die Ersatzvornahme bei der Vollstreckung vertretbarer Handlungen. Für sie kann der Betriebsrat aufgrund der Zweckbindung seiner Mittel nicht haften. Hinsichtlich dieser Forderungen ist i m Zuge des Haftungsdurchgriffs auf die Vermögensmassen der einzelnen schuldhaft handelnden Mitglieder zuzugreifen. Dies bedeutet aber keineswegs, daß hierdurch gegen diese Mitglieder Direktansprüche begründet würden. Der Durchgriff findet erst auf der Ebene der Haftung - also des Unterworfenseins unter den zwangsweisen Zugriff des Gläubigers - statt. Der Durchgriff ergibt sich durch Auslegung des Betriebsverfassungsgesetzes nach der Normzwecklehre. Ausgehend von einer nur relativen Rechtsfähigkeit ist bei allen Normen und ihren einzelnen Rechtsfolgen zu untersuchen, an welche Rechtssubjekte sie sich im einzelnen wenden. Das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt, daß sich die haftungsrechtlichen Folgen im Hinblick auf
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Abschnitt 5: Durchgriff auf die Betriebsratsmitglieder
Forderungen aufgrund rechtswidrigen Handelns des Betriebsrats gegen die schuldhaft handelnden Mitglieder richten. Die Grundsätze des Zivilrechts - und damit auch der Haftung - gelten auch für den Bereich der Betriebsverfassung. Es ist allerdings allein auf diejenigen Betriebsratsangehörigen durchzugreifen, denen zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Hinsichtlich der Verschuldensfrage ist wiederum von einer Umkehr der Beweislast auszugehen, so daß sich die einzelnen Mitglieder entlasten müssen. Die letztlich betroffenen Betriebsratsangehörigen haften gesamtschuldnerisch. Hinsichtlich der Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachmitteln, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt hat, ergeben sich keine zwangsvollstreckungsrechtlichen Besonderheiten. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist allein bei Ansprüchen der außerhalb der Betriebsverfassung stehenden Vertragspartner des Betriebsrats eröffnet. In allen anderen Fällen entscheidet die Arbeitsgerichtsbarkeit im Beschlußverfahren. Die Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit des Betriebsrats, der Arbeitnehmer, Stellenbewerber und des Arbeitgebers ist in allen Verfahren gegeben. Für den Fall, daß zunächst der Betriebsrat als Gremium auf Schadensersatz verklagt wird, kann der Kläger die Klage i m Wege eines gewillkürten Parteiwechsels dahingehend umstellen, daß die einzelnen Betriebsratsmitglieder nunmehr Beklagte sind. M i t Blick auf die interne Willensbildung des Betriebsrats hat der Schadensersatzkläger gegen den Betriebsrat einen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens der einzelnen Betriebsratsangehörigen.
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14 Triebel
Sachregister Amtspflichten der Betriebsratsmitglieder 125, 127, 129, 189, 193 - Bereicherungsrecht 91, 93, 114 - Folgenbeseitigung 30, 71, 72, 77, 78, 79, 80, 96 - Kategorien 70, 93 - Pflichterfüllung 30, 70, 72, 77, 79, 93, 94 - rechtmäßige Betriebsratstätigkeit 104,107, 109,146,109,110,140,143 - Schadensersatz Siehe Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat - Unterlassen 70, 72, 77, 79, 80, 96 Arbeitsplatz, Recht am 135 Aufwendungsersatzansprüche gegen den Betriebsrat 90, 108,115 Auskunftsanspruch 194 Besitzfähigkeit des Betriebsrats 91, 116 Beteiligtenfähigkeit Siehe Parteifähigkeit Betriebsrat - als Repräsentant der Belegschaft 44, 63, 84, 132, 187 - Rechtsgeschäfte Siehe Rechtsgeschäfte des Betriebsrats - Struktur 45, 65, 121 Betriebsratstätigkeit - als Ehrenamt 185 - als privates Amt 59, 126 - Lähmung 57, 178 Durchgriff 143, 150, 157, 176 Durchgriff - Durchgriffshaftung Siehe Haftungsdurchgriff - Konzept 148, 155 Einheitszuständgkeit, Theorie der 122 Einigungsstelle 53, 66, 69, 75, 79, 184 Ermessen des Betriebsrats 47, 48, 50, 53, 78, 94, 98, 180 Fonds 91, 106, 109, 112, 114, 115, 142
Freistellungsansprüche 104, 106, 142, 174 Gebot der Rücksichtnahme 53 Gesamthand 99 Gewerbebetrieb, Recht am eingerichteten und ausgeübten 131, 139, 144 Haftung - Akzessorietät 191 - Begrenzung 180, 191 - Begriff 21, 120, 143, 158, 177 - gesamtschuldnerische 82, 191 - und Schuld 22, 37, 43, 57, 91, 143 Haftungsdurchgriff 148, 174, 193 - auf den Arbeitgeber 145, 146 - auf die Arbeitnehmer 145 - auf die Betriebsratsmitglieder 146, 174, 178 - Subsidiarität 144 - Technik Siehe Technik des Haftungsdurchgriffs - Wirkungen 157 Haftungsverband 37, 160, 162, 164, 171, 176, 189 Handlungsorganisation 87, 96 - als Teil der Rechtsfähigkeit 162 - des Betriebsrats 124, 146, 186 Identitätsausstattung 162 Juristische Person - Betriebsrat und 29, 147 Kostenerstattungsansprüche 113, 143, 145, 176, 192 Mißbrauchstheorie 146, 151, 170 - objektive 150, 157 - subjektive 149 Mitverschulden des Arbeitgebers 69, 183
Sachregister
Normanwendungslehre 152, 155, 166, 167, 170, 173, 183 Parteifähigkeit - Beteiligtenfähigkeit der Arbeitnehmer und Stellenbewerber 95, 32 - des Betriebsrat vor den ordentlichen Gerichten 108 Parteiwechsel, gewillkürter 194 Person und Personifikation 42, 99, 149, 162 Pflichten des Betriebsrats 43, 121 - als Pflichtrechte 45, 48, 63, 77 - als Schutzpflichten Siehe dort 76 - aus Beteiligungsrechten 45, 47, 53, 63, 77,79, 132 - gegenüber Arbeitnehmern 43, 71, 77 - gegenüber dem Arbeitgeber 51, 72, 79 - gegenüber Dritten 85, 87 - gegenüber Stellenbewerbern 47, 79 - Zuordnung 45, 51, 119, 121, 124, 134, 139 Pflichtfähigkeit 29, 123 - und Vermögensfähigkeit 35, 56, 84, 89 Pflichtverletzungen des Betriebsrats - Kausalität 66 - Verschulden Siehe dort - Zurechnung 65 Recht, subjektives 39, 60, 75, 95, 123, 160 Rechtsfähigkeit - Begriff 29, 151 - des Betriebsrats Siehe Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats - Pflichtfähigkeit Siehe dort - Relativität 39, 152, 154, 158, 164, 170 - Struktur 160, 162 - Vermögensfähigkeit Siehe dort - Vollrechtsfähigkeit 41, 99, 120, 141, 151, 164, 171 - Wesen 34, 38, 149, 160 Rechtsgeschäfte des Betriebsrats 33, 81, 87, 107,140, 189 - Arbeitgeber als Partei 83, 82 - Betriebsrat als Partei 84, 82 Rechtsweg 94, 107, 108, 115, 117, 192, 193
211
Sachmittel - Eigentum 91, 106 Schadensausgleich, innerbetrieblicher 182 Schadensersatzansprüche gegen Betriebsratsmitglieder 57, 118, 145, 175, 119, 128, 142, 140 Schadensersatzansprüche gegen den Betriebsrat 21, 34, 43, 93, 113, 137, 145, 54, 57, 60, 64, 110, 176, 185, 192, 91, 89, 110, 189, 192, 62, 63, 64 Schuldverhältnis, gesetzliches 54, 177 - als Dauerschuld Verhältnis 62, 64, 76 - zwischen Beriebsrat und Arbeitgeber 33, 59, 64, 84, 101, 105, 62 Schutzgesetz 128, 134 Schutzpflichten 55, 119 - Klagebedürfnis 74 - Konkretisierbarkeit 76 - selbständige Klagbarkeit 74 Sittenwidrigkeit 129, 165 Technik des Haftungsdurchgriffs 157 - bei juristischer Person 146, 149, 165 - beim Betriebsrat 157, 168, 190 Teilrechtsfähigkeit des Betriebsrats 30, 99, 109, 110, 147, 155, 158, 169, 189 - auf dem Gebiet der Betriebsverfassung 32, 114 - gegenüber Dritten 33, 87 Trennungsprinzip 149, 151, 153, 164, 167, 170, 175 Typisierung des Haftungsdurchgriffs 175 Unterkapitalisierung 155, 165, 166, 183 - materielle 156, 167, 173, 190 - nominelle 156, 166, 174 Vermögen - Begriff 33 - Zweckbindung 107, 112 Vermögensfähigkeit 35, 56, 84 - des Betriebsrats 98, 100, 114 - Unabhängigkeit von Art der Forderung 110 Vermögensvermischung 155, 165 Verpflichtungsermächtigung 83 Verschulden 69, 180 Vorschuß 105, 112
212
Sachregister
Zurechnungsmethode 154, 165 Zustimmungsersetzungsverfahren
53, 66,
69, 75,79, 184 Zwangsmittel 96 Zwangsvollstreckung - Arten 93 - auf Abgabe einer Willenserklärung 97
- auf Herausgabe von Sachen 93, 116 - auf Vornahme unvertretbarer Handlungen 95, 96 - auf Vornahme vertretbarer Handlungen 95, 97 - in der Betriebsverfassung 93 - wegen Geldforderungen 93, 97, 98, 109, 110