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German Pages [243] Year 2023
Zeitgeschichte im Kontext
Band 20
Herausgegeben von Oliver Rathkolb
Die Bände dieser Reihe sind peer-reviewed.
Maria Wirth
Hertha Firnberg und die Wissenschaftspolitik Eine biografische Annäherung
Mit einem Vorwort von Oliver Rathkolb Mit 19 Abbildungen
V&R unipress Vienna University Press
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen bei V&R unipress. Gedruckt mit freundlicher Unterstu¨ tzung des Dekanats der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und des Rektorats der Universität Wien sowie des Vereins zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zeitgeschichte. Unterstu¨ tzt durch Fördergelder des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (Projektnummer: 17929). © 2023 Brill | V&R unipress, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Hertha Firnberg bei der Präsentation des Buches »Studieren in Österreich. Ein Wegweiser für das Hochschulstudium« im Presseclub Concordia in Wien am 26. Mai 1981. Bildnachweis: Votava/brandstaetter images/picturedesk.com (19810526_PD0017). Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-5413 ISBN 978-3-7370-1621-6
Inhalt
Vorwort des Reihenherausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zum Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kindheit und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Familiärer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Politische Sozialisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Besuch einer Bundeserziehungsanstalt für Mädchen . . . 1.5. Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler
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2. Studium und erste akademische Gelegenheitsarbeiten . . . . . . . . 2.1. Neuer Wohnsitz in Wien-Favoriten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Studium in Wien und Freiburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Beitritt zum Verband sozialistischer Studenten Österreichs und zur SDAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Berufswunsch Universitätsdozentin . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Das Leben während des Nationalsozialismus . 3.1. Die jüdischen Wurzeln werden zum Thema 3.2. Tätigkeit beim Wiener Weltmodenverlag . 3.3. Politisches Verhalten . . . . . . . . . . . .
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4. Expertin in der Arbeiterkammer für Niederösterreich . . . . . . . 4.1. Wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Wien und Mitarbeiterin im Werbewirtschaftlichen Institut . . . . . . . . 4.2. Tätigkeit in der Arbeiterkammer für Niederösterreich . . . . . 4.3. Publikations- und Vortragstätigkeit sowie Mitarbeit im Institut für Wissenschaft und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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6. Wissenschaftsministerin in der Ära Kreisky . . . . . . . . . . . . . . . 6.1. Ministerin und Frauenvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2. Aufbau des Wissenschaftsministeriums . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Wissenschaftspolitik als Teil der Gesellschaftspolitik und gesamtgesellschaftliches Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Arbeitsbereiche in der Hochschulpolitik . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1. Hochschulreform – das Universitäts-Organisationsgesetz 1975, Studien- und Dienstrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2. Öffnung der Universitäten, Entwicklung des Hochschulbudgets und die Diskussion um die »Massenuniversität« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3. Frauen an den Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5. Schwerpunkte in der Forschungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1. Forschungsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2. Entwicklung der Forschungsfinanzierung . . . . . . . . . . . 6.5.3. Das Forschungsorganisationsgesetz 1981 – Bibliotheken und Museen als Infrastrukturen der Forschung . . . . . . . . . . 6.5.4. Hebung des Forschungsbewusstseins . . . . . . . . . . . . .
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5. Politische Karriere in der SPÖ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Politische Tätigkeit in SPÖ, BSA und Frauenzentralkomitee . . . 5.2. Erste politische Funktionen und Mandate – Bezirkspartei, Bundesrat, Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Nationalratsabgeordnete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1. Erste Aktivitäten in der Hochschulpolitik . . . . . . . . . . 5.3.2. Engagement in der Forschungspolitik und Tätigkeit in der Ludwig Boltzmann Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Frauenvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5. Das »Humanprogramm« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Das Leben nach der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Erbe und Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Archive / Bestände / Schnittsammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort des Reihenherausgebers
Die vorliegende Arbeit von Maria Wirth über die erste Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung (1970–1983) und langjährige Vorsitzende der SPÖFrauenorganisation Hertha Firnberg schließt eine Lücke in der politischen und wissenschaftsgeschichtlichen Zeitgeschichtsforschung. Während es zahlreiche Biografien über SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky gibt, stehen seine einflussreichen und vor allem auch gestaltungsstarken Minister*innen meist im Schatten. Zu den wenigen Ausnahmen zählt eine ausführliche Studie über Justizminister Christian Broda, die ebenfalls von Maria Wirth verfasst wurde (in dieser Reihe Band 5). Während es zu Kreisky und Broda auch umfangreiche Nachlässe gibt, war die Quellenrecherche zu Hertha Firnberg wesentlich diversifizierter und schwieriger. Trotzdem ist es Maria Wirth gelungen, auch die familiären und politischen Prägungen von Firnberg minutiös zu rekonstruieren, obwohl sie im Unterschied zu Kreisky keineswegs umfangreiche autobiografische Schriften hinterlassen hat. So war beispielsweise selbst engen Weggefährt*innen lange nicht bekannt, dass Firnbergs Vater, der als praktischer Arzt ordinierte, jüdischer Herkunft und zum Katholizismus konvertiert war. Hertha Firnberg erlebte in Niederrußbach bei Korneuburg eine unbeschwerte und behütete Kindheit, die vom sozialen Verhalten ihres Vaters und der starken Bildungsnähe ihrer Eltern geprägt war, die in der Ausbildung ihrer Kinder Geschlechterstereotype nicht gelten ließen. Eine wichtige Annäherung an die Sozialdemokratie erfolgte durch den Besuch einer der neuen »offenen« Elitenschulen Otto Glöckels, des sozialdemokratischen Bildungsreformers, und zwar der Bundeserziehungsanstalt für Mädchen in der Kalvarienberggasse in Wien-Hernals. Subtil rekonstruiert die Autorin die fragmentarischen Informationen aus jener Zeit und stellt diese in einen bildungshistorischen Kontext. Mit 17 Jahren wurde Firnberg Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler. 1928 war sie bereits Bildungsreferentin und Obmann-Stellvertreterin und gehörte dem linken Flügel der Mittelschülervereinigung an.
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Vorwort des Reihenherausgebers
Firnberg trat während ihres Geschichtsstudiums dem Verband sozialistischer Studenten und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und hätte eigentlich alle Voraussetzungen für eine Universitätskarriere erbracht, da ihre Dissertation mit dem Titel »Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit« als Band 11 der Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschaftsund Kulturgeschichte an der Universität Wien erschien. Politisch war sie in dieser Zeit weniger aktiv. Ihr Ziel war es, Universitätsdozentin zu werden. Trotz eines »internships« als unbezahlte Bibliothekarin an ihrem Promotionsinstitut und dem Interesse für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (insbesondere für die Geschichte der Arbeit) gelang ihr dies jedoch nicht. Der politische Rahmen des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes, das Frauen zurück an den Herd drängte, und das Ende des Seminars von Alfons Dopsch ließen diese Hoffnung scheitern. Durch vielfache Einsprüche gelang es ihrem Vater, seine jüdische Herkunft zu verschleiern. Er wurde schließlich als »Mischling I. Grades« eingestuft und blieb als Arzt tätig. Seine Tochter wurde als »Mischling II. Grades« betrachtet. Hertha Firnberg konnte ab 1941 bei dem Wiener Weltmodenverlag als Buchhalterin arbeiten. Hinweise auf eine aktive Widerstandstätigkeit ließen sich im Zuge der Recherchen ebenso wenig eruieren wie Indikatoren für Kollaboration. 1946 unternahm sie einen zweiten Anlauf für eine wissenschaftliche Karriere und wurde am wieder etablierten Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (später Seminar für Wirtschafts- und Sozialgeschichte) als wissenschaftliche Hilfskraft angestellt und war für die Neu- bzw. Wiederaufstellung der Institutsbibliothek zuständig. Aber die Aussicht auf eine unsichere Zukunft war für Firnberg nicht zufriedenstellend, und so bewarb sie sich erfolgreich um eine Stelle bei der Arbeiterkammer für Niederösterreich, die gerade ein Bildungs- und Bibliotheksreferat aufbaute, und entwickelte sich zu einer der führenden Expert*innen auf dem Gebiet der Sozialstatistik. Die politische Nachkriegskarriere von Hertha Firnberg begann mit dem Beitritt zum Bund Sozialistischer Akademiker 1947, verbunden mit ihrer publizistischen Sichtbarkeit als Sozialstatistikerin. Die weitere Karriere in der Bezirksparteiorganisation Wien-Favoriten, im Bundes-, National- und Europarat rekonstruiert Maria Wirth präzise, ohne auch nur ansatzweise in eine Hagiografie abzugleiten. Es ist die Stärke dieses Buches, dass die prägenden Lebensweisen und Arbeitserfahrungen von Hertha Firnberg offengelegt werden und damit auch das Phänomen der höchst erfolgreichen Bundesministerin erklärt wird. Firnberg wusste aus persönlicher Erfahrung, dass sich die Universitäten in Österreich seit den 1920er-Jahren in den meisten Bereichen rückwärtsgewandt entwickelt hatten und wie die deutschnationale, antisemitische Grundstimmung die Fortsetzung der wissenschaftlichen Innovationsphase vor 1914 verhinderte. Auch die autoritäre rechtskonservative Aufbauphase nach 1945 hatte sie hautnah miterlebt.
Vorwort des Reihenherausgebers
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Zwar arbeitete Firnberg in den 1960er-Jahren noch nicht in den ersten Hochschulreform-Gremien wie dem Rat für Hochschulfragen mit, in den Reformprozess war sie aber bereits eingebunden. Als sie 1967 zur neuen Frauenvorsitzenden wurde, gelangte sie in den engeren Kreis von Entscheidungsträger*innen in der SPÖ, anfangs mehr als Expertin, denn als Politikerin. Wie viele Wiener Parteitagsdelegierte stimmte sie, als es im selben Jahr darum ging, einen neuen Parteivorsitzenden zu wählen, nicht für den Bundesländerkandidaten Bruno Kreisky. Als Hauptverantwortliche für das »Humanprogramm« spielte sie aber bereits eine wichtige Rolle innerhalb seiner »1.400 Experten«, die Reformprogramme für ein »modernes Österreich« ausarbeiteten, wobei der Fokus auf Gesundheitspolitik und einem ersten Umweltkonzept lag. Damit wurde Firnberg endgültig ministrabel. Nachdem sie der neuen Kreisky-Regierung zunächst als Ministerin ohne Portefeuille angehört hatte, übernahm sie im Juli 1970 die Leitung des erstmals gegründeten Ministeriums für Wissenschaft und Forschung. Rund die Hälfte des Buches ist dieser Tätigkeit gewidmet, die von einer Fülle von Reformschüben und heftigen politischen Debatten geprägt war. Hertha Firnberg war das politische und mediale Zentrum der Universitätsreform 1975 und der Einführung von Drittelparitäten im inneruniversitären Entscheidungsprozess zwischen Professor*innen, Mittelbau und Studierenden, ohne aber die Universitäten in die Unabhängigkeit zu entlassen. So hatte die Ministerin nach wie vor die Entscheidungsmöglichkeit, aus einem Dreiervorschlag für neue Professorenstellen auszuwählen, um nur ein Beispiel auszuwählen. Das bereits vor 1970 unter ÖVP-Unterrichtsministern begonnene Projekt einer intensiveren Forschungsförderung und -politik wurde von ihr tatkräftig fortgesetzt und in neue Bahnen gelenkt. Gleichzeitig setzte sie sich für eine verstärkte Internationalisierung ein, wozu auch das sogenannte »Auslandsösterreicher-Symposion« 1972 zählt, zu dem – als wichtige Geste – zahlreiche vertriebene Wissenschaftler*innen eingeladen wurden. Schließlich gelang es ihr, die als Frau und Sozialdemokratin mit der Leitung des Wissenschaftsministeriums in bisher männlich und konservativ dominierte Bereiche eindrang, sich zunehmend Respekt zu verschaffen – und das sowohl in der eigenen Bürokratie als auch bei den »alten« Professoren und Rektoren, die während der Universitätsreform heftig attackierend ihren Machtverlust beklagt hatten, der durch Änderungen im Dienstrecht noch größer wurde. Die Autorin Maria Wirth ist in ihrer Studie über Hertha Firnberg stets bestrebt, sowohl die positiven Entwicklungen als auch die negativen Entscheidungen und Prozesse der Ära Firnberg zu analysieren und dies immer auf Basis umfangreicher Quellen- und Literaturanalysen zu tun. Auch bezüglich der frauenpolitischen Akzente bietet die Arbeit wichtige Thesen und Hinweise. Im universitären Bereich wurden unter Firnberg etwa erste Maßnahmen in Richtung Frauenförderung gesetzt.
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Vorwort des Reihenherausgebers
Insgesamt gesehen ist die Arbeit auch ein wichtiger Beitrag für ein kritisches Verständnis der Kreisky-Regierungen in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Bezüge der Autorin zur Weiterentwicklung der Reformen von Hertha Firnberg bis herauf in die Gegenwart. Was leider heute vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen durch die digitale Revolution und Artificial Intelligence fehlt, ist ein eigenes Wissenschaftsministerium, da in einem großen Bildungsministerium stets der Schulbereich dominiert und dadurch andere Bereiche untergehen. Wien, Mai 2023
Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb
Zum Buch
Hertha Firnberg (1909–1994) zählt zu den bedeutendsten Politiker*innen in Österreich und ist insbesondere als erste Leiterin des Wissenschaftsressorts unter Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970–1983) und langjährige Vorsitzende der SPÖFrauen (1967–1981) in die Geschichte eingegangen. Mit ihrer langen Amtszeit als Ministerin, ihrer markanten Erscheinung und einem enormen Selbstbewusstsein, das sie als eine der wenigen Frauen in der Spitzenpolitik an den Tag legte, wurde »die Firnberg« zu einer der auffallendsten Politiker*innen der Zweiten Republik. Ihre Regierungstätigkeit wird heute mit der Etablierung der Wissenschaftspolitik als eigenem Politikfeld, einer ersten großen Universitätsreform nach 1945 und neuen Weichenstellungen in der Forschungspolitik identifiziert. Sie wird aber auch mit dem Eintreten für Frauenrechte und der Verbesserung der Chancen von Mädchen und Frauen im Bildungssektor verbunden. Im öffentlichen Raum erinnern allein in Wien seit 1998 eine Straße und eine Volksschule in ihrem langjährigen Wohnbezirk Favoriten, ein Studentenheim in der Brigittenau sowie ein Platz und die Hertha-Firnberg-Schulen für Wirtschaft und Tourismus in der Donaustadt an sie. Zudem existierte von 1998 bis 2020 ein nach Firnberg benanntes Förderprogramm des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), das Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere bzw. nach dem Wiedereinstieg aufgrund einer Karenz unterstützen sollte.1 Publikationen, die sich mit ihrer Person beschäftigen, liegen mit zwei zeitgenössischen Geburtstags- bzw. Festschriften,2 einigen wissenschaftlichen Auf1 Vgl. hierzu: Maria Wirth, Hertha Firnberg. Erinnerungen an Österreichs erste Wissenschaftsministerin und ehemalige Mitarbeiterin der Universität Wien im öffentlichen Raum und der Programmgeschichte des FWF in: Marianne Klemun / Hubert D. Szemethy / Fritz Blakolmer (Hg.), Science Tracing: Spuren und Zeichen im öffentlichen Raum. Kulturhistorisches Wissen der Universität Wien, Wien/Köln 2021, 177–192. 2 Bundesfrauenkomitee der SPÖ (Hg.), Hertha Firnberg. Porträt eines politischen Menschen, Wien 1974; Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975.
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Zum Buch
sätzen3 und einer populärwissenschaftlichen Biografie von Marlen Schachinger aus dem Jahr 2009 jedoch erst wenige vor.4 Desgleichen hat es Firnberg stets abgelehnt, eine Autobiografie zu schreiben, die Auskunft über ihr Leben und ihr politisches Wirken geben könnte.5 Mehr über Hertha Firnberg in Erfahrung zu bringen, stellt somit eine lohnende Aufgabe dar – zumal die Frage, was die Biografie in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit historischen Prozessen leisten kann, in den letzten Jahrzehnten eine Neubewertung erfahren hat. Nachdem bis in die 1980er- und 1990er-Jahre Strukturen und Prozesse den geschichtswissenschaftlichen Zugang dominierten,6 hat sich das Individuum seinen Platz in der Historie zurückerobert. Hinzu kommt, dass auch im akademischen Umfeld zunehmend mehr Biografien über Frauen geschrieben werden,7 nachdem das Genre lange von »bedeutenden Männern« dominiert war. Das vorliegende Buch versucht auf diesen Befund zu reagieren und wagt eine biografische Annäherung an Hertha Firnberg. Es stellt das Leben und die Tätigkeit Firnbergs als Wissenschaftspolitikerin mit einem Fokus auf die Universitäts- und Forschungspolitik sowie die Situation von Mädchen und Frauen im Bildungssystem in den Mittelpunkt und zielt auf eine themenkonzentrierte Biografie von Österreichs erster Wissenschaftsministerin ab. Die ihm zugrundeliegende Intention ist es, neue Einblicke in den Werdegang Firnbergs und ihre Arbeit in den genannten Schwerpunktbereichen zu geben und beides im zeitgeschichtlichen Kontext zu verorten. Der Bildungs-, Universitäts- und Forschungspolitik im 20. Jahrhundert kommt dabei sowohl was das Leben Hertha Firnbergs betrifft als auch über das Biografische hinaus eine große Beachtung zu.
3 Barbara Steininger, Hertha Firnberg, in: Herbert Dachs / Peter Gerlich / Wolfgang C. Müller (Hg.), Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik, Wien 1995, 134–140; Monika Bernold / Eva Blimlinger / Andrea Ellmeier, Hertha Firnberg: »Meine Leidenschaft: Die Anliegen der Frauen und die Wissenschaft«, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Hg.), 100 Jahre Frauenstudium. Zur Situation der Frauen an Österreichs Hochschulen (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 6), Wien 1997, 17–51; Barbara Steininger, Firnberg, Hertha, in: Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben, Werk, Wirken, Wien 2002, 175–178. 4 Marlen Schachinger, Hertha Firnberg. Eine Biographie, Wien 2009. 5 Vgl. hierzu das Kapitel »Leben nach der Politik«. 6 Vgl. zur Geschichte und Theorie der Biografie im Überblick: Maria Wirth, Christian Broda. Eine politische Biographie (Zeigeschichte im Kontext 5), Göttingen 2009, 25–32. 7 Vgl. aus den letzten Jahren etwa: Johanna Gehmacher / Elisa Heinrich / Corinna Oesch, Käthe Schirmacher: Agitation und autobiografische Praxis zwischen radikaler Frauenbewegung und völkischer Politik, Wien/Köln/Weimar 2018; Ina Markova, Tilly Spiegel. Eine politische Biografie, Wien 2019; Gabriella Hauch / Karl Fallend (Hg.), »Aus der Sintflut einige Tauben«. Zu Leben und Werk von Elisabeth Schilder, Wien 2020 oder die Doppelbiografie: Helmut Konrad, Das Private ist politisch. Marianne und Oscar Pollak, Wien 2021.
Zum Buch
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In den anschließenden Kapiteln wird diesem Ansatz folgend zunächst die Herkunft Firnbergs beleuchtet, indem ihr familiärer Hintergrund, ihre Ausbildung und der Beginn ihres politischen Engagements betrachtet werden. Im Fokus stehen damit ihre Herkunft aus einer bildungsaffinen, sozialdemokratischen Arztfamilie mit jüdischen Wurzeln ebenso wie der Besuch einer reformorientierten Bundeserziehungsanstalt, ihr Geschichtestudium in Wien und Freiburg sowie ihr Beitritt zu ersten sozialdemokratischen Organisationen, der bereits als Schülerin bzw. Studentin erfolgte. Hiernach folgt eine Auseinandersetzung mit dem Berufsweg Firnbergs – von der Tätigkeit bei einem Modeverlag während der NS-Zeit und zwei Versuchen, an der Universität Wien beruflich Fuß zu fassen, bis zu ihrem Wechsel an die Arbeiterkammer für Niederösterreich, wo sie es bis zur Leiterin der Statistikabteilung brachte und eine sozialwissenschaftliche Bibliothek aufbaute. Bearbeitet wird dabei auch die Frage, wie Hertha Firnberg bzw. ihre Familie die Zeit des Nationalsozialismus erlebte und wie sich ihr politisches Engagement innerhalb der SPÖ nach 1945 entwickelte. Bei ihrem politischen Aufstieg ab den späten 1950er-Jahren bzw. dem Werdegang von der Bezirkspolitikerin zur Nationalratsabgeordneten, SPÖ-Frauenvorsitzenden und späteren Ministerin wird einerseits ihren Netzwerken und ihrem Expertenstatus als Statistikerin große Aufmerksamkeit geschenkt. Andererseits wird rekonstruiert, ab wann sich Firnberg verstärkt in der Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik engagierte und welchen Anteil sie an der Etablierung eines eigenen Wissenschaftsministeriums hatte, um sie als Akteurin in der Wissenschafts- und Bildungspolitik vor 1970 bewerten zu können. Verbunden ist damit ein Rückblick auf die historische Entwicklung in den genannten Bereichen und eine Diskussion der Frage, welche Faktoren dafür ausschlaggebend waren, dass gerade Firnberg der Aufbau des neuen Wissenschaftsressorts anvertraut wurde, das Signalwirkung haben sollte. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Wissenschaftsministerin wird daran anschließend dargestellt, wie der Aufbau des Ressorts erfolgte und wie Firnberg ihre Kompetenzen als Ministerin nützte. Dabei werden ihre Zugänge, Anliegen und Herangehensweisen in der Politikgestaltung – darunter die Frage, welche Rolle die Sozialwissenschaften und Statistik im politischen Prozess für sie spielten – ebenso behandelt wie die Ergebnisse ihrer Politik. Im Bereich der Universitätspolitik stehen das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 und die seit den späten 1960er-Jahren stattfindende Debatte um eine »Demokratisierung der Hochschulen«, das Studien- und Dienstrecht, die Hochschulfinanzierung, eine Öffnung der Universitäten für alle »bildungswilligen« Schichten sowie ein rapider Anstieg der Studierenden und die damit verbundene Diskussion über die »Massenuniversität« im Zentrum. Im Bereich der Forschungspolitik dominieren die Entwicklung von Forschungsprogrammen, die Forschungsfinanzierung, das
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Forschungsorganisationsgesetz 1981 und Initiativen zur Unterstützung des Forschungsbewusstseins. Die ebenfalls ins Wissenschaftsministerium ressortierenden Aufgabenbereiche Denkmalschutz, Bibliotheken und Museen werden hingegen nur in den wichtigsten Linien dargestellt. Und auch eine (von Seiten der Quellen wohl nur schwer zu leistende) Auseinandersetzung mit der personellen Zusammensetzung der Universitäten in den 1970er- und 1980er-Jahren (inklusive allfälliger Skandale8) oder eine Analyse der Entwicklung in einzelnen Fachdisziplinen muss weiteren Studien überlassen werden. Die Förderung von Frauen im Wissenschaftsressort, die wachsende Bildungsbeteiligung von Mädchen sowie die Situation von Frauen an den Universitäten werden bei einer gleichzeitigen Darstellung von Firnbergs allgemeinen Zugängen in der Frauenpolitik jedoch erörtert. Die beiden letzten Kapitel setzen sich schließlich mit Firnbergs Leben nach dem Ausscheiden aus der Regierung und der Frage auseinander, was von ihrer Politik geblieben ist, um ihr Wirken nicht nur in Hinblick auf die Zeit vor 1970, sondern auch nach 1983 einordnen zu können. Das Buch spannt somit einen weiten Bogen, der entsprechend den Lebensdaten Firnbergs vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis an dessen Ende (sowie darüber hinaus) reicht und ist das Ergebnis eines umfangreichen Literatur- und Quellenstudiums, das nicht zuletzt deshalb erforderlich war, da von Hertha Firnberg kein schriftlicher Nachlass existiert. Zahlreiche Fotos sind zwar im Bruno Kreisky Archiv erhalten und wurden unlängst durch Manuskripte Firnbergs sowie weitere Materialien (darunter Kalender und Pressesammlungen zu ihrem Ableben) aus dem Archiv von Dr. Wolf Frühauf, ihrem langjährigen Büroleiter, ergänzt.9 Ein Großteil ihrer schriftlichen Hinterlassenschaft besteht jedoch nicht mehr, da sie selbst noch zu Lebzeiten in der Familie den Auftrag gab, »säckeweise Papier« wegzuschmeißen.10 Für eine biografische Auseinandersetzung mit Firnberg und ihrer politischen Arbeit musste deshalb an vielen verschiedenen Stellen recherchiert werden. Wichtige Quellen für die ersten Kapitel des Buches stellten insbesondere Unterlagen aus dem Privatarchiv von Ing. Paul Firnberg, dem Neffen von Hertha Firnberg, ihre Studienunterlagen an der Universität Wien, ihr Personalakt in der 8 Verwiesen sei etwa auf den Fall Franz Seitelberger, den die Öffentlichkeit im März 1976 beschäftigte, nachdem linke Studierende auf die SS-Vergangenheit des damaligen Rektors der Universität Wien aufmerksam gemacht und seinen Rücktritt gefordert hatten. Vgl.: Ihren Rücktritt Magnifizienz, in: rotpress 2 (1976) 1–2; Linke: Wiener Rektor soll zurücktreten, in: Die Presse, 4. 3. 1976 sowie Katharina Kniefacz, Franz Seitelberger, o. Univ.-Prof. Dr. med., Universität Wien, 650 plus – Geschichte der Universität Wien, URL: https://geschichte.uni vie.ac.at/de/personen/franz-seitelberger-o-univ-prof-dr-med (abgerufen: 5. 5. 2022). 9 Diese Unterlagen standen dem Projekt noch vor der Übergabe an das Bruno Kreisky Archiv zur Verfügung. 10 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020.
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Arbeiterkammer für Niederösterreich sowie Lebensläufe zu Preisverleihungen in den 1950er-Jahren im Wiener Stadt- und Landesarchiv dar. Desgleichen konnten relevante Informationen über die frühen Jahre von Hertha Firnberg den Memoiren von Weggefährten und autobiografischen Aussagen in Presseartikeln und Interviews entnommen werden, die für bestimmte Phasen auch Einblicke in ihre Sicht auf das eigene Leben bzw. dessen Deutung ermöglichen. Besonders ergiebig waren dabei ein ORF-Interview aus dem Jahr 197011 sowie eine autobiografische Erzählung Firnbergs in einem Band von Cheryl Benard und Edit Schlaffer mit Frauenbiografien aus dem Jahr 1981.12 Ab 1970, als Hertha Firnberg Wissenschaftsministerin wurde, liegt eine umfangreiche Medienberichterstattung zu ihr vor, die über verschiedene Schnittarchive wie das Tagblattarchiv in der Wienbibliothek, die Zeitungsdokumentation in der Wirtschaftskammer Österreich oder im Trend-Profil-Archiv am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien erschlossen ist. Nachdem Firnberg in den Jahren zuvor nur vereinzelt die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen konnte, wurde sie mit dem neuen Amt zu einer ständig beobachteten und kommentierten Person des öffentlichen Lebens, was sich in der Vielzahl der gesammelten Berichte spiegelt. Zu den Quellen, die für die Auseinandersetzung mit ihrer Tätigkeit als Wissenschaftspolitikerin genutzt wurden, zählen insbesondere parlamentarische Unterlagen, der seit 1965 erschienene »Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung«, Publikationen des Wissenschaftsministeriums, wie die jährlich herausgegebenen Arbeitsberichte, sowie Materialien aus dem Österreichischen Staatsarchiv und den Universitätsarchiven. Darüber hinaus wurden eine Reihe von Interviews mit Zeitzeug*innen geführt und die Publikationen von Hertha Firnberg systematisch analysiert, um ihre Tätigkeit, ihre Zugänge und Interessen darstellen zu können. Eine Aufstellung der Schriften von Hertha Firnberg, die zeigen, dass sie zeitlebens eine eifrig Schreibende war, bildet daher auch den Abschluss des Buches. Was die Sprache des Buches betrifft, wurde – wann immer es möglich und sachlich gerechtfertigt war – eine gendergerechte Schreibweise verfolgt. Wenn die handelnden Akteur*innen ausschließlich Männer waren – wie etwa beim Protest der Professoren gegen das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 –, wurde in der historischen Darstellung jedoch nur die männliche Form verwendet. Im Text wird sowohl auf die Präsenz als auch das Fehlen von Frauen aufmerksam gemacht. 11 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 12 Hertha Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, in: Cheryl Benard / Edit Schlaffer, Liebesgeschichten aus dem Patriarchat. Von der übermäßigen Bereitschaft der Frauen, sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren, Reinbek bei Hamburg 1981, 156–168.
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Kindheit und Jugend
1.1. Familiärer Hintergrund Hertha Firnberg wurde am 18. September 1909 als erstes Kind von Anna und Josef Firnberg geboren. Beide Elternteile stammten aus einfachen Verhältnissen und kamen in Wien zur Welt, ihre Vorfahren waren jedoch in die Donaumetropole zugewandert. Anna Firnberg wurde am 5. Februar 1885 als eheliche Tochter von Maria Josefa Hanke und Johann Schamanek in eine katholische Familie geboren und verstarb am 18. Dezember 1952 in Wien.13 Ihre Mutter Maria Josefa Hanke war eine Kaufmannstochter, die aus Loewitz (Preußisch-Schlesien) stammte. Ihr Vater war Schuhmacher und kam ursprünglich aus Zborowitz in Mähren.14 Anna Firnberg wuchs in der Gumpendorfer Straße auf, besuchte hier die Volksschule und absolvierte eine private Handelslehranstalt am Wiener Getreidemarkt, die sie ausschließlich mit guter und sehr guter Benotung abschloss. Im Anschluss war sie als Comptoristin, Handelsangestellte, Maschinschreiberin und Buchhalterin bei verschiedenen Wiener Firmen beschäftigt – so etwa in einem Samt-, Seiden- und Spitzenlager, in einer Glasfabrik und einer Fabrik für ätherische Öle, Essenzen und Couleurs.15 Nach der Eheschließung gab sie ihre Berufstätigkeit auf.16 Josef Firnberg wurde am 18. September 1879 als uneheliches Kind von Johanna (bzw. Johanna Julie oder nur Julie17) Firnberg in Wien-Hernals geboren, 13 Archiv Ing. Paul Firnberg, Sterbeurkunde von Anna Firnberg. 14 Archiv Ing. Paul Firnberg, Taufschein von Anna Schamanek, ausgestellt von der Pfarre St. Aegyd in Gumpendorf am 10. 7. 1888, Abschrift o. J.; Trauungsschein von Johann Schamanek und Maria Josefa Hanke, Abschrift der Pfarre St. Aegyd in Gumpendorf vom 15. 10. 1938. 15 Archiv Ing. Paul Firnberg, Schulnachrichten und Arbeitszeugnisse von Anna Firnberg. 16 »Die Frauen müssen in die erste Reihe«, in: Arbeiter-Zeitung, 15. 9. 1974. 17 Neben »Johanna« scheint auch der Vorname »Julie« auf. So ist sie etwa in der FriedhofsDatenbank der IKG Wien mit dem Namen »Julie Fürnberg«, gest. 1. 5. 1921, verzeichnet. Vgl.:
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Kindheit und Jugend
trug zunächst den Namen Salomon Firnberg und starb am 27. Mai 1960 in Wien.18 Seine Mutter stammte aus Schaffa in Mähren. Wer der Vater war, bleibt im Geburtsbuch offen.19 In späteren (aus der NS-Zeit stammenden) Dokumenten wurde der in Wien-Währing ansässige Schneidergehilfe bzw. Schneider Josef Brautferger als Vater genannt, der sich mit Johanna Firnberg und ihrem Sohn einen Wohnsitz teilte und in den Studienunterlagen von Josef Firnberg auch als Vormund geführt wurde. Josef Firnberg besuchte das Staatsgymnasium in WienHernals und begann im Wintersemester 1900/1901 ein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, das er – finanziert durch mehrere Stipendien – mit einem »genügenden« Rigorosenerfolg am 15. März 1906 mit der Promotion abschloss.20 Nach dem Studium war er erst als Aspirant im KarolinenKinderspital und als praktischer Arzt in Wien, dann als Assistenzarzt bei Dr. Eduard Salzborn in Bockfließ (Bezirk Mistelbach) sowie ab 1908 als Gemeindearzt in Neustadtl an der Donau (Bezirk Amstetten) tätig. Im August 1910 wechselte er als Gemeindearzt nach Niederrußbach.21 Die vorhandenen Zeugnisse über seine Tätigkeit als Mediziner – so aus dem Karolinen-Kinderspital in Wien oder aus dem Reservespital in Korneuburg, wo er während des Ersten Weltkrieges als Chefarzt einer chirurgischen und einer internen Abteilung fungierte – zeugen nicht nur von ausgezeichneten medizinischen Fähigkeiten. Sie halten auch einen großen Pflichteifer, seine Gewissenhaftigkeit und eine liebevolle Fürsorge, die er seinen Patient*innen als Arzt und Mensch zukommen ließ, fest.22 Die Heirat von Anna Schamanek und Josef Firnberg fand am 24. November 1908 in der Pfarre Währing in Wien statt.23 Rund ein Jahr zuvor hatte Josef Firnberg am 2. Oktober 1907 die Israelitische Kultusgemeinde verlassen.24 In die katholische Kirche war er mit der Taufe in der Wiener Schottenpfarre am
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Israelitische Kultusgemeinde Wien, Friedhöfe & Gedenkstätten, URL: https://www.ikg-wien.a t/friedhofsdatenbank/ (abgerufen: 25. 5. 2021). Archiv Ing. Paul Firnberg, Sterbeurkunde von Josef Firnberg. Archiv der IKG Wien, Geburtsbuch für die Israelitische Kultusgemeinde in Ottakring, 1879, Nr. 1128. UAW, Medizinische Fakultät, Hauptrigorosenprotokoll, angefangen 1903; UAW, Medizinische Fakultät, Promotionsprotokolle, Medizin IX, Nr. 343; UAW, Medizinische Fakultät, Nationale WS 1900/1901-SS 1905. Mail von Dr. Barbara Sauer an die Verfasserin vom 19. 5. 2020. Archiv Ing. Paul Firnberg, Zeugnis des Karolinen-Kinderspitals (Wien 9, Schubertgasse 23) vom 6. 3. 1908, Zeugnis des Reservespitals Korneuburg vom 1. 12. 1918. Matricula Online, Trauungsbuch der Pfarre Währing, 1180 Wien, 1. 1. 1908–31. 12. 1909, Signatur 02-32, Fol. 188, URL: http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/18-waehri ng/02-32/?pg=217 (abgerufen: 18. 2. 2020). Index der jüdischen Matriken von Wien und Niederösterreich, Nr. 36112. Abfrage der Datenbank »GenTeam« vom 18. 2. 2020.
Familiärer Hintergrund
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11. November 1907 inklusive der Annahme des neuen Vornamens nur wenig später eingetreten.25
Abb. 1: Hertha Firnberg mit ihren Eltern Josef und Anna Firnberg
Hertha Firnberg, die in einem Wiener Krankenhaus zur Welt kam, da der Vater keine Hausgeburt wünschte,26 wurde wie ihre drei jüngeren Geschwister nur einen Tag nach der Geburt in der Pfarre Alservorstadt in Wien-Josefstadt römisch-katholisch getauft. Ihr vollständiger Taufname lautete Hertha Margaretha. Mitglied der katholischen Kirche blieb sie bis Ende 1986.27 Über die jüdischen Wurzeln der Familie sprach Hertha Firnberg, die mit autobiografischen Erzählungen immer äußerst sparsam umging, nie.28 In der
25 Matricula Online, Taufbuch der Pfarre »Unsere Liebe Frau zu den Schotten«, 1010 Wien, 1. 1. 1905–31. 12. 1915, Signatur 01-61, Fol. 64, URL: http://data.matricula-online.eu/de/oesterrei ch/wien/01-unsere-liebe-frau-zu-den-schotten/01-61/?pg=66 (abgerufen: 18. 2. 2020). Interessant ist dabei, dass hier der Name des Vaters offenbleibt, aber angeführt wird, dass die Eltern die Ehe geschlossen haben. 26 Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59. 27 Matricula Online, Taufbuch der Pfarre Alservorstadt, 1080 Wien, 1. 1. 1908–31. 12. 1910, Signatur 01-50, Fol. 119, URL: https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/08-alservo rstadtpfarre/01-50/?pg=217 (abgerufen: 18. 2. 2020). 28 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 20. 5. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020.
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Familie waren sie – wie ihr Neffe Paul Firnberg festhält29 – kein Thema. Und auch enge Weggefährt*innen von Hertha Firnberg erfuhren erstmals durch die im Jahr 2009 erschienene Biografie von Marlen Schachinger von der jüdischen Herkunft des Vaters.30 Die drei jüngeren Geschwister von Hertha Firnberg kamen zwischen 1912 und 1923 zur Welt. Ihre Schwester Gertrud Hilda (Trude), zu der sie stets ein sehr enges Verhältnis hatte und mit der sie über Jahrzehnte zusammenlebte, wurde am 2. Oktober 1912 geboren.31 Trude, die 1996 starb, blieb unverheiratet. Sie absolvierte ursprünglich eine kaufmännische Ausbildung, kümmerte sich später aber um die Eltern und führte dann den Haushalt für ihre Schwester. Zudem betrieb sie im gemeinsamen Haus in Wien-Favoriten ab 1949 ausgehend von einer großen Privatbibliothek eine Leihbücherei, die bis 1972 auf ca. 15.000 Bücher angewachsen war, im Laufe des darauffolgenden Jahrzehnts aber aufgelassen wurde.32 Die beiden jüngeren Brüder Paul und Harald folgten 1915 und 1923 und verstarben früh. Paul, der als Kaufmann tätig gewesen war und als einziges der Geschwister einen Nachkommen, seinen Sohn Paul, hinterließ, kehrte aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück und wurde Anfang der 1950er-Jahre für tot erklärt.33 Harald Firnberg wurde technischer Zeichner. Während des Zweiten Weltkrieges wurde er als Soldat verschüttet. Von diesem Trauma erholte er sich nie und verstarb 1969.34
1.2. Kindheit Zum Wohnort der jungen Familie wurde mit der Bestellung von Josef Firnberg zum Gemeindearzt das kleine Örtchen Niederrußbach im Bezirk Korneuburg, wo Hertha Firnberg eine glückliche und unbeschwerte Kindheit erlebte: »Das Leben am Lande, das war für uns das Schönste! Es hat uns an nichts gefehlt. Das ›Doktorhaus‹ war ein großes, geräumiges Biedermeierhaus, mit einem prächtigen Obstgarten. Wir hatten ein Pferd, einen Hund, Hühner, Gänse und Hasen. Und unser 29 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. 30 Schachinger, Hertha Firnberg, 13–23. 31 Archiv Ing. Paul Firnberg, Geburts- und Taufschein, Abschrift des Taufbuchs Oberhollabrunn, Tom. 18/Fol. 221). 32 Schachinger, Hertha Firnberg, 67–70; Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021; Ein Paradies für Bücherfreunde, in: Die Frau 47 (1972) 11. 33 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Schachinger, Hertha Firnberg, 22. 34 Schachinger, Hertha Firnberg; 22f.; ÖStA, AdR, DWM, KA 22.185/64-Kopien; Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Archiv Ing. Paul Firnberg, Todesanzeige von Harald Firnberg.
Kindheit
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Spielplatz war die herrliche Umgebung. Bei jedem Wetter waren wir mit den Bauernkindern unterwegs. Doch wir haben nicht nur gespielt mit unseren Freunden, sondern ihnen auch bei der Arbeit geholfen. Erdäpfelklauben oder ›Heu aufischupf ’n‹ machten wir mit Freude.«35
Das Familienleben wurde von ihr als harmonisch beschrieben.36 Erzählungen über Josef Firnberg berichten von einem sensiblen Vater, der »still seine Interessen verfolgt hat« und einen liebevollen Umgang mit seinen Kindern pflegte, indem er diesen Märchen vorlas, gemeinsam mit ihnen Geschichten entwickelte und bei schulischen Fragen mit Unterstützung zur Stelle war. Als Gemeinde- und Armenarzt zeichnete er sich durch eine ausgeprägte soziale Ader aus. So »vergaß« Josef Firnberg, der mit seinem Pferdewagen oft weite Strecken zurücklegen musste, um seine Patient*innen in sechs verschiedenen Dörfern zu betreuen,37 öfters Honorare zu verrechnen oder verschenkte Medikamente, weshalb Anna Firnberg nicht selten »das Inkasso machen« musste.38 Im Alter soll er jedoch immer mürrischer und verschlossener geworden sein.39 Die Mutter war die starke und dominante Person im Haus, die »alles geleitet« hat bzw. »alles bewerkstelligen« musste, weshalb bei den Kindern zunächst der Vater der Beliebtere war und die Qualitäten der Mutter erst erkannt werden mussten.40 Beide Eltern waren bildungsaffin, wobei dem Lesen eine besondere Bedeutung eingeräumt wurde. Das bedeutete nicht nur, dass die Eltern ausgeprägte Bücherfreunde waren und Erinnerungen zufolge Josef Firnberg sogar dann las, wenn er mit seinem Pferdewagen unterwegs war, da die Tiere blind ihren Weg fanden. Auch bei den Kindern wurde das Lesen gefördert,41 indem eine altersgemäße Lektüre mittels monatlicher Lieferungen aus einer Wiener Leihbibliothek besorgt wurde.42 Eine enge Beziehung zu Büchern wurde damit bereits im Elternhaus geknüpft. Vor allem war es den Eltern – was Hertha Firnberg immer wieder betonte und als dominante Eigenschaft ihres Elternhauses herausstrich – aber wichtig, dass die Kinder etwas lernen sollten. Dabei war es vor allem Anna Firnberg ein Anliegen, dass hinsichtlich einer guten Ausbildung kein Unterschied zwischen Mädchen und Buben gemacht werden sollte. Die Töchter sollten dieselben Chancen wie die Söhne haben und einen Beruf erlernen, wobei die damit verbundene »Selbstverständlichkeit« bzw. dass darüber »nicht viel dis35 36 37 38 39 40 41 42
Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 14f. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 165f. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59.
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kutiert« werden musste für Hertha Firnberg im Rückblick das »Wichtigste« war.43 Ihre Mutter blieb für sie ein Leben lang eine wichtige Vorkämpferin für die Mädchenbildung: »Ich habe keine Frau mehr kennengelernt, die in einem so extremen und dezidierten und energischen Maß dafür eingetreten ist, dass Mädchen und Buben die gleiche Ausbildung ihrer Begabung und Neigung entsprechend erhalten müßten.«44
In der Familie wurde somit ein gleichberechtigter Umgang zwischen den Geschlechtern gepflegt, wozu allerdings auch gehörte, dass die Mädchen Leistung erbringen und Verantwortung tragen mussten. Der Fall war dies etwa, wenn es darum ging, den jüngeren Brüdern Nachhilfe zu geben und diese bei ihrer schulischen Entwicklung zu unterstützen. Die spezielle Dynamik, die sich dadurch ergab, dass Anna Firnberg der dominantere Elternteil und die beiden Töchter die älteren Kinder waren, bezeichnete Hertha Firnberg später als eine »natürliche, von der Sache her begründete Dominanz der Frauen«, die »durch die weibliche Führung, die weibliche Verantwortung und die weibliche Mehrarbeit« legitimiert war. Diese soll zwar »niemals in einen Gegensatz zu der männlichen Seite geraten« sein. Sie war für Firnberg aber auch mit der Erkenntnis verbunden, dass »der Führungsanspruch« nicht immer zur Beliebtheit führt.45 Generell herrschte in der Familie »das Matriarchat.«46
1.3. Politische Sozialisation Josef und Anna Firnberg waren sozialdemokratisch eingestellt. In der überwiegend agrarisch geprägten Umgebung von Niederrußbach war das zwar keine Selbstverständlichkeit, durch die soziale Herkunft der Eltern und die Tätigkeit von Josef Firnberg als Gemeinde- und Armenarzt wird die sozialdemokratische Gesinnung aber verständlich.47 Wie Hertha Firnberg Jahre später in ihrem Bewerbungsschreiben an die Arbeiterkammer für Niederösterreich anführte, waren die Eltern seit dem Ersten Weltkrieg Sozialdemokraten und erzogen ihre Kinder »seit frühester Jugend« auch in diesem Geist.48 Ihre Politisierung begann damit bereits im Elternhaus, wobei es Hertha Firnberg wichtig war zu betonen, dass nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter politisch interessiert war. Beide 43 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 161. 44 »Die Frauen müssen in die erste Reihe«, in: Arbeiter-Zeitung, 15. 9. 1974. 45 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 165f.; Hertha Firnberg, seit 1970 Ministerin der Regierung Kreisky, in: Basler Zeitung, 6. 6. 1981. 46 Ihr Beruf heißt Politik, in: Kurier, 2. 10. 1971. 47 Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 14f. 48 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948.
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Elternteile regten die Kinder an, Zeitung zu lesen, wodurch diese durch die Eltern sozusagen in politische Fragestellungen hineinwuchsen.49 Parteipolitisch aktiv waren Anna und Josef Firnberg wie später ihre Kinder mit Ausnahme von Hertha Firnberg jedoch nicht.50 Dem Vater wurde zwar offeriert, Gemeinderat in Niederrußbach zu werden. Angenommen hat er dieses Angebot jedoch nicht, da er beruflich sehr beansprucht war.51
1.4. Besuch einer Bundeserziehungsanstalt für Mädchen Hertha Firnberg besuchte die koedukativ geführte Volksschule in Niederrußbach,52 »lernte gerne« und war laut eigenen Angaben ein »braves Kind.« Sie war aber auch immer dabei, wenn es darum ging, dem Lehrer einen Streich zu spielen. Wenn die Klasse während der Erntezeit regelmäßig »Zuwachs« erhielt, da die Bauern auf den Feldern zu tun hatten und die Schüler*innen ihre kleinen Geschwister mit in die Schule nahmen, um diese zu beaufsichtigen, war das für sie eine liebenswerte Abwechslung, an die sie sich noch Jahre später erinnern konnte.53 Nach der Volksschule wechselte sie in die Bundeserziehungsanstalt für Mädchen in der Kalvarienberggasse in Wien-Hernals, wobei für Firnberg im Rückblick zwei Voraussetzungen dafür maßgeblich waren, dass sie eine gute Ausbildung bekam: der Wunsch des Elternhauses, dass auch die Töchter etwas lernen sollten, und die »fortschrittliche Gesinnung« während der Ersten Republik, »auch in Fragen der Emanzipation.«54 Neben dem familiären Hintergrund sprach sie damit die Anfangsjahre der Ersten Republik an, als unter einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung bis 1920 eine Reihe sozialer Reformgesetze (wie die Einführung des Acht-Stunden-Tages, von Betriebsräten und Arbeiterkammern), das Frauenwahlrecht oder einzelne Reformen im Bildungsbereich beschlossen wurden. In den folgenden Jahren war die Entwicklung mit Ausnahme des sozialdemokratisch regierten Wiens jedoch eine andere: Anstelle von Reformen, die mehr Menschen eine Teilnahme am politischen und gesell49 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 160f. 50 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. 51 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 52 Hinsichtlich der Volksschule(n), die Hertha Firnberg besuchte, ist anzumerken, dass sie in mehreren Erzählungen stets nur von der Volksschule in Niederrußbach sprach. In einem persönlichen Lebenslauf in ihrem Rigorosenakt hielt sie jedoch den »Besuch von fünf Klassen der öffentlichen Volksschulen zu Korneuburg, Wien und Nieder-Rußbach« fest. Vgl.: UAW, Philosophische Fakultät, Rigorosenakt, Nr. 12.764 (Hertha Hon, geb. Firnberg). 53 Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59. 54 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 161.
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Kindheit und Jugend
schaftlichen Leben ermöglichen sollten, die auf mehr Chancengleichheit abzielten, folgten Repressionen. Bereits vorgenommene Reformen wurden etwa im Sozialbereich55 wieder rückgängig gemacht. Die Republik schlitterte nicht nur in eine ökonomische, sondern auch in eine politische Krise mit zahlreichen gewalttätigen Auseinandersetzungen und wurde nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 und dem Bürgerkrieg 1934 unter den Bundeskanzlern Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg zur Diktatur. Alle politischen Gruppierungen wurden mit Ausnahme der Vaterländischen Front als Zusammenschluss aller regierungstreuen Kräfte bzw. als neuer »Staatspartei« verboten.56 In der Bundeserziehungsanstalt besuchte Hertha Firnberg ab dem Wintersemester 1920 erst die »Deutsche Mittelschule« und dann die »Deutsche Oberschule.«57 Die erforderliche Aufnahmeprüfung bestand sie im Sommer 1920 mit der Durchschnittsnote »Gut.«58 Die Reifeprüfung absolvierte sie am 18. Juni 1928 als Privatistin mit Auszeichnung.59 Die Bundeserziehungsanstalten (bis 1920 Staatserziehungsanstalten) waren ein wichtiger Bestandteil der Schulreform nach dem Ersten Weltkrieg und sind eng mit dem Namen von Otto Glöckel verbunden, der von 1919 bis 1920 Unterstaatssekretär für Unterricht und ab 1922 Geschäftsführender Präsident des Wiener Stadtschulrats war. Wichtige Grundsätze seiner Reformbestrebungen waren eine Trennung von Kirche und Schule sowie die einheitliche Organisation des gesamten Bildungswesens in den Stufen der Grundschule, der allgemeinen Mittelschule und der allgemeinbildenden Oberschulen. Eine besondere Bedeutung kam dabei der Schaffung einer gemeinsamen Mittelschule der 10- bis 1455 Maria Wirth / Sabine Lichtenberger, Eine Gewerkschaft in Bewegung. Die Geschichte der GPA, Wien 2020, 41–67. 56 Vgl. u. a.: Emmerich Tálos / Wolfgang Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933–1938 (Politik und Zeitgeschichte 1), 7. Auflage, Wien 2014; Emmerich Tálos unter Mitarbeit von Florian Wenninger, Das austrofaschistische Österreich 1933–1938 (Politik und Zeitgeschichte 10), Wien 2017. 57 So wurde Hertha Firnberg in einer Publikation der Bundeserziehungsanstalt, die nach einem kurzen historischen Rückblick vor allem die Entwicklung von 1923 bis 1927 darstellte, als »Vollzögling« der »Deutschen Oberschule« angeführt. Ihre Klasse bestand aus 10 Vollzöglingen, 1 Tagzögling und 12 auswärtigen Schülerinnen. Vgl.: Verzeichnis der Zöglinge und Schülerinnen, in: Bundeserziehungsanstalt für Mädchen Wien 17, 1923/1927, Wien o. J. [1927], 34. 58 ÖStA, AVA, Unterricht und Kultus, Kleinbestände, Bundeserziehungsanstalten, Ktn. 40, Zl. 5346/20 sowie o. GZ, Verleihungsprotokoll Mädchen aufgenommen u. Res. Sommer 1920. 59 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948; UAW, Philosophische Fakultät, Rigorosenakt, Nr. 12.764 (Hertha Hon, geb. Firnberg); ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Krist-Firnberg, Hertha (vormals Hon-Firnberg), Curriculum vitae vom 6. 5. 1946. Der vom Unterrichtsministerium angelegte Personalakt wurde Hertha Firnberg zum 70. Geburtstag von der Personalvertretung überreicht und ging so in ihren Nachlass bzw. an ihren Erben über. 2020 wurde er im Rahmen dieses Projekts dem Österreichischen Staatsarchiv übergeben.
Besuch einer Bundeserziehungsanstalt für Mädchen
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Jährigen mit einer inneren Differenzierung nach Begabungsschwerpunkten zu, um Bildungsbarrieren abzubauen. Hinzu kamen die Förderung aller Begabungen (etwa durch eine Abschaffung des Schulgeldes und der Einführung von Gratislehrmitteln), eine zeitgemäße Gestaltung der Methodik im Sinne einer kindgemäßen Lebens- und Arbeitsschule sowie eine Reform der Lehrer*innenausbildung. Konkrete Reformen konnte Glöckel auf Bundesebene aufgrund seiner kurzen Regierungstätigkeit zwar nur partiell – u. a. mit der Abschaffung einer verpflichtenden Teilnahme an religiösen Übungen und am Religionsunterricht sowie der Zulassung von Frauen zum Rechts- oder Technikstudium – zwar nur punktuell umsetzen.60 Nachdem er in den Wiener Stadtschulrat gewechselt war, entwickelte sich das Rote Wien aber zu einem Zentrum der Schulreform, das über die österreichischen Grenzen hinaus wahrgenommenen wurde.61 Die insgesamt sechs Bundeserziehungsanstalten – vier für Knaben (Wien, Traiskirchen, Wiener Neustadt, Graz Liebenau) und zwei für Mädchen (beide in Wien) – entstanden durch die Transformation ehemaliger Militärakademien bzw. Kadettenschulen sowie Offiziers- und Beamtentöchterschulen in moderne Reformschulen. So war auch die Bundeserziehungsanstalt in der Kalvarienberggasse, die Firnberg besuchte, aus einem in den 1770er-Jahren gegründeten Offizierstöchter-Erziehungsinstitut hervorgegangen, das rund 100 Jahre später in eine Lehrerinnenbildungsanstalt samt Übungsschule umgewandelt und durch einen Kindergarten sowie eine Handelsschule erweitert worden war.62 Die mit der Errichtung der Bundeserziehungsanstalten verfolgten Intentionen umfassten den Grundsätzen Glöckels folgend sowohl politische als auch pädagogische Ziele. Zu den politischen Zielen zählte es, dass durch eine Aufnahmeprüfung dem Bildungsprivileg der begüterten Schichten entgegengewirkt 60 Zu den Reformen Glöckels zählten – neben der Einrichtung der Bundeserziehungsanstalten – die Abschaffung einer verpflichtenden Teilnahme an religiösen Übungen und dem Religionsunterricht, die Öffnung von Knabenschulen für Mädchen und die Zulassung von Frauen zum Studium an den Rechtswissenschaftlichen Fakultäten, den Technischen Hochschulen, der Tierärztlichen Hochschule sowie den Hochschulen für Bodenkultur, Montanistik und Welthandel. An den Philosophischen Fakultäten war für Frauen bereits seit 1897 ein Studium möglich, an den Medizinischen Fakultäten seit 1900. 1922 wurden Frauen auch zum Studium an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien und 1945 an den Katholisch-Theologischen Fakultäten zugelassen. Vgl.: Eva Hollensteiner, Frauen an Universitäten: Starke Präsenz des »schwachen« Geschlechts?, Wien 1990, 46. 61 Zur Schulreform in Wien gehörte u. a., dass Versuche zur Etablierung der Einheitsschule fortgesetzt wurden (sechs Versuchsschulen), der Lehrerbildung eine große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, dass die Klassenschülerzahlen auf unter 30 gesenkt wurden und die Schüler*innen an Pflichtschulen kostenlos mit Schulbüchern und anderen Schulmaterialien versorgt wurden. 62 Vgl. zur Geschichte der Bundeserziehungsanstalt in der Kalvarienberggasse: Anna Würth, Aus der Geschichte der Anstalt, in: Bundeserziehungsanstalt für Mädchen Wien 17, 1923/ 1927, Wien o. J. [1927], 3–12; Gertrud Bäumen, Erinnerungen aus meinem Leben, Ausstellung des Bezirksmuseums Hernals (Katalog 13), Wien 2001, 6–8.
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werden sollte. Ausschließlich die Ergebnisse der Eignungsprüfung und nicht die ökonomische Leistungskraft der Eltern sollten darüber entscheiden, ob Kinder eine Bundeserziehungsanstalt besuchen konnten. Hinzu kam, dass die Kosten, wenn eine soziale Bedürftigkeit bestand, vom Staat übernommen wurden.63 Nachdem zunächst der elitäre Charakter der Schulen herausgestrichen wurde und in den »Begabtenschulen« »überragende geistige Führer« herangebildet werden sollten, rückte der sozialpolitische Zweck immer mehr in den Vordergrund. Zu den pädagogischen Aufgaben zählte es, dass die Bundeserziehungsanstalten Versuchsschulen für die Reformarbeit sein sollten. So wurde an ihnen von Anfang an die »Deutsche Mittelschule erprobt«, die etwa dem Klassenzug I der »Allgemeinen Mittelschule« der geplanten Einheitsschule für alle 10- bis 14Jährigen entsprach und ihren Namen davon ableitete, dass zunächst die deutsche Sprache im Mittelpunkt stand und der Fremdsprachenunterricht erst später dazukam. Ab 1923 wurden dann auch verschiedene Modelle einer »Oberschule« mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung erprobt.64 Wichtige Erziehungsgrundsätze waren der Arbeitsunterricht, der auf ein Selbsttätigwerden der Schüler*innen abstellte, und die ganzheitliche Erziehung der jungen Menschen. Der sportlichen Ertüchtigung, musischen Erziehung und der Förderung der Kreativität, aber auch dem Gemeinschaftsleben kam daher ein großes Augenmerk zu. Neu war zudem, dass das Konzept der Schulgemeinde, d. h. ein partnerschaftlich-demokratisches Zusammensein von Schüler*innen, Lehrer*innen und Erzieher*innen, geübt wurde, und dass schon gewählte Elternvertretungen bestanden. Von ihrer Struktur her waren die Bundeserziehungsanstalten Internatsschulen. Aufgrund des großen Andrangs und der beschränkten Aufnahmekapazitäten wurden in der Kalvarienberggasse ab 1923 aber auch externe Schülerinnen
63 Damit sollte auch Arbeiterkindern (wie etwa dem späteren Linzer Zeitgeschichte-Professor Karl R. Stadler) der Besuch einer Bundeserziehungsanstalt möglich sein. Vgl. zu Stadler: Christoph Mentschl, Karl R. Stadler. Die frühen Jahre 1913–1946, Univ.-Diss., Wien 2017. 64 Es gab alt- und neusprachliche, mathematisch-naturwissenschaftliche Schwerpunktsetzungen und die »Deutsche Oberschule«. Der ursprüngliche Gedanke, auch Fachschulen einzurichten, konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Lediglich an der Bundeserziehungsanstalt in der Kalvarienberggasse wurde die zweiklassige Handelsschule, die bereits vor 1918 bestanden hatte, fortgeführt, während die Lehrerinnenausbildung allmählich aufgelassen wurde. 1923/ 24 existierten in der Kalvarienberggasse folgende Einrichtungen: ein Kindergarten, eine Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt (1925 wegen Platzmangel aufgelassen), eine Übungsschule, die für Schülerinnen aus der Deutschen Oberschule beibehalten wurde, die Lehrerinnen-Bildungsanstalt, in die jedoch ab 1923 kein neuer Jahrgang mehr aufgenommen wurde, die zweiklassige Handelsschule, die Deutsche Mittelschule und die Deutsche Oberschule. Vgl.: Anna Würth, Die Schule, in: Bundeserziehungsanstalt für Mädchen Wien 17, 1923/1927, Wien o. J. [1927], 16–25.
Besuch einer Bundeserziehungsanstalt für Mädchen
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aufgenommen.65 Ihre Sonderstellung im österreichischen Schulsystem konnten die direkt der Zentralstelle der Unterrichtsverwaltung unterstellten Anstalten trotz des regen Interesses jedoch nicht lange halten. Infolge des Schulkompromisses zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten im Jahr 1927 mussten die Bundeserziehungsanstalten die Lehrpläne des Regelschulwesens übernehmen und traten aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit.66 Die wichtigste Neuerung, die die Reform 1927 brachte, war die Einführung der Hauptschule. Diese stellte zwar nicht die gewünschte Gesamtschule dar und trat zu den Mittelschulen (Gymnasium, Realschule, Realgymnasium) hinzu, womit ein mehrteiliges Schulsystem erhalten blieb. Sie wies aber organisatorische Ähnlichkeiten zu Glöckels »Allgemeiner Mittelschule« auf und war so auch für die sozialdemokratische Partei akzeptabel.67 In der NS-Zeit wurden die Bundeserziehungsanstalten dann in Nationalpolitische Erziehungsanstalten (NAPOLAs) zur Heranbildung der »kommenden Führergeneration« umgewandelt. Aussagen von Hertha Firnberg über ihren Besuch der Bundeserziehungsanstalt sind nur spärlich überliefert. An diesen ist jedoch auffällig, dass sie einerseits mehrfach Bezug auf Otto Glöckel nahm. So hielt sie fest, dass sie nach »bestandener Aufnahmeprüfung durch besondere Befürwortung Genosse Glöckels in die Bundeserziehungsanstalt« aufgenommen worden war68 bzw. sie Glöckel den Besuch der Bundeserziehungsanstalt »verdankt« habe.69 Ob sie damit auf Glöckel als »Vater« der Bundeserziehungsanstalten hinweisen oder ein Naheverhältnis der Familie zu Glöckel zum Ausdruck bringen wollte, bleibt jedoch unklar.70 Der Linzer Informatik-Professor Adolf Adam, den Firnberg vermutlich in den späteren 1940er-Jahren an der Universität Wien kennenlernte, hat ein solches jedenfalls in zwei Artikeln 1974 und 1979 angesprochen.71 Andererseits 65 1926/1927 setzten sich die Schülerinnen (gesamt 575) wie folgt zusammen: 234 Interne, 33 Tagzöglinge, 308 Auswärtige. Vgl.: Anna Würth, Die Schule, in: Bundeserziehungsanstalt für Mädchen Wien 17, 1923/1927, Wien o. J. [1927], 20. 66 Helmut Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, Band 5: Von 1918 bis zur Gegenwart, Wien 1988, 132–139. 67 Vgl. zur Schulpolitik in der Ersten Republik im Überblick: Gerald Grimm, Schulpolitik und Schulmodelle: Anspruch, Anforderungen und Realität, in: Stefan Karner / Lorenz Mikoletzky (Hg.), Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband der Ausstellung im Parlament, Innsbruck/ Wien/Bozen 2008, 295–305. 68 AKNÖ, Personalakt Hertha Firnberg, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. 69 WStLA, MD A 26/1/1-MDP/E-Ehrungen: Personalakten: MDE-185/79. 70 So kann sich auch Paul Firnberg nicht daran erinnern, jemals von einer Freundschaft zu Otto Glöckel gehört zu haben. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. 71 Adolf Adam, Leben und Wirken, in: Bildung für morgen. Zeitschrift für aktuelle Bildungsfragen 2 (1974) 2; Adolf Adam, Dr. Hertha Firnberg – das wohlgelebte Leben einer ungewöhnlichen Dame, in: Mitteilungsblatt der Österreichischen Gesellschaft für Statistik und Information 35 (1979) 67.
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Kindheit und Jugend
sticht bei den überlieferten Schilderungen ins Auge, dass Firnberg, die sich später intensiv mit Fragen der Bildungspolitik auseinandersetzte und der – wie Glöckel – die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems ein großes Anliegen war, nicht vom Reformcharakter der Schule berichtete. Vielmehr beschrieb sie in ihren Erinnerungen subjektive Empfindungen und hielt fest, dass sie den Wechsel ins Internat als harten Bruch zum bisher freien Leben auf dem Land empfand. So gehörte zum neuen Lebensabschnitt, dass Besuche zu Hause nur mehr an den Feiertagen und in den Ferien möglich waren, im Winter oft eine Eiseskälte herrschte, da Schlafsäle und Gänge nicht geheizt wurden, und dass das Wasser zum Waschen eingefroren war.72 Vor allem die Anfangszeit war für sie zudem durch Heimweh und Einsamkeit geprägt: »Plötzlich war ich der Gemeinschaft, der Familie, der sehr engen Gemeinschaft von Kameraden entrissen und kam in ein völlig anderes Milieu, ein Stadtmilieu. Die ganze Kälte des Internats, die auf die Kinder damals einstürmte, so dass sie nicht einschlafen konnten, an das erinner’ ich mich noch.«73
Trotzdem soll für Firnberg aber bereits als Kind festgestanden haben, dass sie das Internat auf sich nehmen müsse, wenn sie später studieren wollte. Bereits in jungen Jahren habe sie sich somit Disziplin und Durchhaltevermögen aneignen müssen, um einmal anvisierte Ziele erreichen zu können.
1.5. Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler »Revolutionär« wurde Firnberg – wiederum eigenen Angaben zu Folge – ab dem 14. Lebensjahr, wobei ihre »Schutzmaßnahme« war, »Vorzugsschüler zu sein, damit nichts passieren konnte.«74 Was sie damit ansprach, wohl der von den Eltern gebilligte75 Beitritt zur Vereinigung sozialistischer Mittelschüler bzw. ihr Aktivwerden in der sozialistischen Mittelschulbewegung,76 für das sie die freien Samstage und Sonntage77 sowie die Ferien nutzte. Zudem beschäftigte sich Firnberg schon früh mit dem Studium sozialistischer Klassiker. So las sie – den Erinnerungen des Journalisten Maurice Feldmann folgend – schon als Schülerin die Schriften von Victor Adler über die Wienerberger Ziegelarbeiter, Broschüren
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Hertha Firnberg, Als ich ein Kind war, in: Die ganze Woche 45 (1990) 59. Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 161. Ebenda. ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 76 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. 77 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116.
Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler
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von Max Adler, Karl Renner, Otto Bauer sowie Literatur von Marx, Engels, Kautsky und Bernstein.78 Nachdem bereits unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges eine nur kurzzeitig bestehende Vereinigung sozialistischer Mittelschüler unter der Leitung von Karl Frank, Paul Lazarsfeld und Ludwig Wagner bestanden hatte, wurde die Vereinigung, der Hertha Firnberg 1926 als 17-Jährige beitrat, an der Jahreswende 1923/1924 wiederum ins Leben gerufen. Initiatoren des neuen Verbandes waren erneut Lazarsfeld und Wagner. Lazarsfeld, geboren 1901, wurde später mit der Studie über die Arbeitslosen von Marienthal, die er gemeinsam mit Marie Jahoda und Hans Zeisel verfasste, bekannt. 1935 emigrierte er in die USA und war dort lange Jahre an der Columbia University tätig. Heute gilt er als ein Begründer der modernen empirischen Sozialforschung.79 Wagner, der 1938 erst nach Schweden und dann ebenfalls in die USA emigrierte, war zunächst als Journalist, dann als Universitätsprofessor für Nationalökonomie in Pittsburgh tätig.80 Als Dachorganisation für die in Wien bestehenden Mittelschülervereinigungen (Vereinigung sozialistischer Mittelschüler und Technische Mittelschüler) sowie die sich in den Bundesländern entwickelnden Mittelschülergruppen wurde 1925 der Bund sozialistischer Mittelschüler Österreichs gegründet, wobei alle Organisationen rasch anwuchsen.81 So zählten die Wiener Gruppen 1924 300, 1928 rund 2.300 und 1930 2.700 Mitglieder. Im Dachverband, der ab 1925 mit der Zeitschrift »Der Schulkampf« über ein eigenes Sprachrohr verfügte, war eine Steigerung von 800 im Jahr 1925 auf 3.500 im Jahr 1930 zu verzeichnen, ehe ab 1931 ein deutlicher Rückgang einsetzte.82
78 Maurice Feldmann, Menschliche Sendung, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 15. 79 Paul F. Lazarsfeld, Archiv für Geschichte der Soziologie in Österreich, Die Arbeitslosen von Marienthal, URL: http://agso.uni-graz.at/marienthal/biografien/lazarsfeld_paul_felix.htm (abgerufen: 26. 4. 2021). 80 Ludwig Wagner, Archiv für Geschichte der Soziologie in Österreich, Die Arbeitslosen von Marienthal, URL: http://agso.uni-graz.at/marienthal/biografien/wagner_ludwig.htm (abgerufen: 26. 4. 2021). 81 Vgl. zur Entwicklung der Sozialistischen Mittelschülervereinigung in der Ersten und Zweiten Republik: Georg Tidl, Die sozialistischen Mittelschüler Österreichs 1918 bis 1938, Wien 1977; Friedrich Scheu, Ein Band der Freundschaft. Schwarzwald-Kreis und Entstehung der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler, Wien/Köln/Graz 1985; Wilhelm Swoboda, Revolte und Establishment. Die Geschichte des Verbandes Sozialistischer Mittelschüler 1953–1973, Wien/ Köln/Graz 1986. 82 Die genannten Zahlen wurden von Georg Tidl übernommen. In den erhaltenen Tätigkeitsberichten im Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung wurden für Wien die Vereinigung sozialistischer Mittelschüler und die Technischen Mittelschüler getrennt genannt. Für das Jahr 1928 waren dies 1.817 Mitglieder bei der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler und 509 Technische Mittelschüler. Vgl.: Tidl, Die sozialistischen Mittelschüler Österreichs, 36; VGA, Sacharchiv, Parteiorganisation bis 1934, Mappe 64, Mittelschulbewegung.
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Kindheit und Jugend
Zu den zentralen Aufgaben der Mittelschulbewegung gehörte es, den Mittelschüler*innen die Klassengegensätze der bürgerlichen Gesellschaft aufzuzeigen, sie in sozialistischem Geiste zu erziehen und den Kampf der Jugend für eine neue Schule zu führen. Hierbei stand zunächst der »Schulkampf« im Sinne Glöckels im Zentrum, später trat aber immer mehr die politische Arbeit in den Vordergrund. Der politischen Schulung und Bildungsarbeit kamen dabei eine besondere Bedeutung zu. Zu diesem Zweck wurden Diskussionen und Vorträge organisiert, für die neben den Mitgliedern auch prominente Parteigrößen und wichtige sozialistische Intellektuelle gewonnen werden konnten. Hinzu kamen politische Kabaretts und sonstige Kulturveranstaltungen, Ausflüge, Wanderungen und oft koedukativ (kameradschaftlich) organisierte Sommer- und Winterkolonien auf dem Land, die mehrere Ziele verfolgten: die politische Schulung, die Förderung des Gemeinschaftslebens, eine Propagierung alternativer Lebensformen im Sinne des »Neuen Menschen«83 und das Werben für den Sozialismus unter der Jugend in den umliegenden Gemeinden.84 Hertha Firnberg nahm – wiederum nach Feldmann – sowohl an Ausflügen, Ferienkolonien und Diskussionen teil, die von Männern und Frauen wie Paul Lazarsfeld, Gerti Höltei, dem Geschwisterpaar Ella und Helmut Reiner, Maria Jahoda, Ludwig Wagner, Walter Wodak, Wilhelm Rosenzweig oder Paul Schärf geleitet wurden.85 Zudem war sie – so Joseph T. Simon, der später Jurist und einer der »Väter« der Volksanwaltschaft werden sollte – eine regelmäßige Teilnehmerin bei den Treffen auf dem Wiener Ramberg, wo sich an Samstagen und Sonntagen die Mitglieder der Wiener Mittelschulbewegung trafen.86 Das erste Mal deutlich in Erscheinung trat sie – Friedrich Scheu folgend, der selbst bei den sozialistischen Mittelschülern war und später außenpolitischer Redakteur bzw. stellvertretender Chefredakteur bei der »Arbeiter-Zeitung« wurde – bei der Ferienkolonie im Sommer 1928 im obersteirischen St. Michael. Diese bestand nach einem Bericht von Julius Klanfer im »Schulkampf« aus rund 50 Burschen und 20 Mädchen und folgendem Programm: der eigentlichen Funktionärsschule am Vormittag, freien Nachmittagen, Arbeitsgemeinschaften, Wandertagen von eineinhalb- bis zweieinhalbtägiger Dauer auf den Hochschwab und die Tauern sowie großen Veranstaltungen. Darunter befanden sich etwa die Feier zum Jahrestag des 15. Juli [in Erinnerung an den Justizpalastbrand 1927, Anm. MW], 83 Dieser sollte sich u. a. durch Bildung, eine gesunde Lebensweise (kein Alkohol oder Nikotin), Bewegung in der freien Natur und eine einfache Kleidung auszeichnen. 84 Tidl, Die sozialistischen Mittelschüler Österreichs; Scheu, Band der Freundschaft; Wolfgang Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt. Geschichte der sozialistischen Jugendbewegung in Österreich, Wien 1975, 215f.; VGA, Sacharchiv, Parteiorganisation bis 1934, Mappe 64, Mittelschulbewegung. 85 Feldmann, Menschliche Sendung, 15. 86 Joseph T. Simon, Augenzeuge, Wien 1979, 59f.
Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler
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die für die Arbeiterschaft von St. Michael organisiert wurde, ein Sportfest des Arbeiterturnvereins oder die »Nie wieder Krieg!«-Feier am 1. August.87 Ein weiterer Teilnehmer der Sommerkolonie war Jura Soyfer,88 der später zur kommunistischen Partei wechselte, als Schriftsteller tätig war und 1939 im KZ Buchenwald ermordet wurde.
Abb. 2: Hertha Firnberg (1. Reihe, 3. von links) bei einer Ferienkolonie in St. Michael 1929
Als im September 1928 ein Delegiertentag zusammentrat, um eine neue Exekutive zu wählen, führte dies dazu, dass Alfred Geiringer und Ilse Lukas (anstelle der späteren Diplomaten Walter Wodak89 und Karl Hartl) die Führung in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler übernahmen. Gleichzeitig wurde Firnberg zur zentralen Bildungsfunktionärin ernannt und bestimmt, dass sie im
87 Auch Maurice Feldmann betonte in seinen Erinnerungen speziell eine Sommerkolonie in der Steiermark, datierte diese aber nicht: »Wer mit dabei war, kann die großen Kundgebungen der steirischen Industriearbeiter nie vergessen, die mit einem Festspiel der Mittelschüler begannen und mit einer Rede von Koloman Wallisch endeten. Nicht weniger als 17 Versammlungen absolvierten wir in drei Wochen. Und überall war Hertha dabei!« Vgl.: Scheu, Band der Freundschaft, 181; Feldmann, Menschliche Sendung, 16. 88 Interview von Hans Schafranek (HS) mit Hugo Ebner (HE), Wien September/Oktober 1984, in: Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.), Österreichische Pensionen für jüdische Vertriebene. Die Rechtsanwaltskanzlei Ebner: Akteure – Netzwerke – Akten, Wien 2017, 228f. 89 Vgl. zu Walter Wodak u. a.: Bernhard Kuschey, Die Wodaks. Exil und Rückkehr. Eine Doppelbiografie, Wien 2008.
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Fall der Verhinderung von Geiringer dessen Funktion ausüben sollte.90 Wie Firnberg später in ihrem Bewerbungsschreiben an die Arbeiterkammer für Niederösterreich festhielt, übernahm sie damit zunächst das Bildungsreferat und später auch die Stelle eines zweiten Obmanns.91 Um Firnbergs Position richtig einschätzen zu können, muss betont werden, dass weder die Vereinigung sozialistischer Mittelschüler noch der Bund sozialistischer Mittelschüler (wie auch die Sozialistischen Studenten) homogene Gruppen darstellten. Vielmehr waren beide Organisationen durch zwei Lager charakterisiert. So bestand einerseits ein rechter, konservativer Flügel mit Mitgliedern, die vorwiegend aus Arbeiterfamilien stammten. Dieser sah seine Hauptaufgabe in der Betreuung der studierenden sozialistischen Jugend (u. a. durch Nachhilfeunterricht) und orientierte sich an den gemäßigten Kräften in der Partei wie Adolf Schärf. Andererseits existierte ein linker Flügel mit Mitgliedern, deren Eltern zum Kleinbürgertum zählten oder sogenannte freie Berufe ausübten. Er setzte auf politische Agitation bzw. Aktion und bezog sich auf Theoretiker wie Otto Bauer und Max Adler. Firnberg wurde – sowohl nach den Erinnerungen von Friedrich Scheu als auch jenen von Joseph T. Simon – dem intellektuellen und linken Flügel zugeordnet, der die Wiener Vereinigung sozialistischer Mittelschüler auch nach dem Erstarken der konservativeren Sektionen in den Bundesländern und in den Wiener Arbeiterbezirken dominierte. Weitere Funktionär*innen, die ebenfalls dem linken Flügel angehörten, waren etwa Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda oder Walter Wodak.92 Nachdem Firnberg die Mittelschule absolviert hatte, trat sie im Herbst 1928, d. h. kurz nachdem sie in die Führung der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler gewählt worden war, dem Verband sozialistischer Studenten bei. Trotzdem war sie, wie dies auch bei anderen Funktionär*innen der Mittelschulbewegung der Fall war, noch weiterhin in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler tätig. So nahm sie – wiederum Friedrich Scheu folgend – etwa noch im Sommer 1930 an einer Sommerkolonie in Hallein als Bildungsfunktionärin teil.93 Am 2. Juni 1933, d. h. rund drei Monate nach der Ausschaltung des Parlaments wurde durch einen Erlass des Unterministeriums die Auflösung aller Vereine von Mittelschüler*innen mit Ausnahme jener, die »zur Pflege österreichisch-vaterländischer Gesinnung bestimmt sind oder der sittlich-religiösen Erziehung« 90 Die neue Führung, die am 22. September bestimmt wurde, bestand aus Alfred Gieringer (Obmann), Ilse Lukas (Obmann), Georg Jänner (Agitation), Hertha Firnberg (Bildung), Erich Felix, Robert Adler (Sekretäre), Heidi Deutsch (Veranstaltungen), Alexander Kothbauer (Sport), Franz Häuslmayer (Akademische Legion), Ernst Glaser (Kolportage). Vgl.: Scheu, Band der Freundschaft, 227. 91 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. 92 Simon, Augenzeuge, 57ff. Vgl. hierzu auch: Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt, 216. 93 Scheu, Band der Freundschaft, 12 und 205.
Mitglied in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler
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dienten, angeordnet.94 Hiernach lebte die sozialistische Mittelschülerbewegung noch einige Zeit in der Illegalität weiter.95 Anfang der 1950er-Jahre wurde sie neugegründet.96 Die ersten Kontakte, die Firnberg in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler knüpfte, waren vielfältig und versammelten eine Reihe von Persönlichkeiten, die in den folgenden Jahrzehnten im Umfeld der SPÖ Karriere machten und sie auch unterstützten. Darunter befand sich etwa Ernst Glaser, der später Mittelschullehrer wurde, im Stadtschulrat und als Bildungsreferent in der Wiener Arbeiterkammer arbeitete und schließlich als Programmleiter von Radio Wien und Landesintendant des ORF-Studios Wien wirkte. Einer, den Firnberg ebenfalls erstmals im Rahmen der Mittelschulbewegung traf, war der etwa 14 Jahre alte Bruno Kreisky,97 der die Mittelschulbewegung jedoch bald wieder verließ, um zur Sozialistischen Arbeiterjugend zu wechseln.
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Ebenda, 220. Simon, Augenzeuge, 86–91. Vgl. hierzu: Svoboda, Revolte und Establishment. Hertha Firnberg, Der Sozialdemokrat, in: Johannes Kunz (Hg.), Die Ära Kreisky. Stimmen zu einem Phänomen, Wien/München/Zürich 1975, 51.
2.
Studium und erste akademische Gelegenheitsarbeiten
2.1. Neuer Wohnsitz in Wien-Favoriten Im Anschluss an die Bundeserziehungsanstalt begann Hertha Firnberg im Wintersemester 1928/1929 ein Studium an der Universität Wien. Hierbei konnte sie erneut auf die Unterstützung ihrer Eltern bauen, indem diese für sie und ihre Schwester Trude, die in Wien eine Handelsschule besuchte,98 ein Haus in der Siedlung Am Wasserturm in Wien-Favoriten organisierten. Die rund 190 Einfamilienhäuser umfassende Siedlung (mit einer verbauten Fläche von bis zu 65 m2 auf einer Grundstücksfläche von rund 200 m2) wurde ab Mitte der 1920er-Jahre nach Plänen von Franz Schuster und Franz Schacherl errichtet und war ein Projekt, das eng mit der Wohnbaupolitik im Roten Wien zusammenhing. Diese umfasste anfangs auch eine Unterstützung für den vor allem genossenschaftlich organisierten Siedlungsbau99 bis die Stadt Wien nach der Einführung einer kommunalen Wohnbausteuer 1923 dazu überging, immer stärker selbst als Bauherrin in Erscheinung zu treten und mehr auf die städtebaulich verdichteten Gemeindebauten zu setzen. Teil der Unterstützung des Siedlungsbaus war auch die Förderung von Eigenheimen wie es bei der »Eigenkolonie Am Wasserturm« der Fall war. Die der Siedlung zugrundeliegende Konstruktion war jene, dass die Gemeinde Wien den Käufer*innen den Grund in Form eines Baurechts zur Verfügung stellte und diese die Häuser dann von der Gesiba, der Gemeinwirtschaftlichen Siedlungs- und Baustoffanstalt, in Raten erwerben konnten. Die Gesiba war ursprünglich zur Unterstützung von Siedlungsvereinbarungen gegründet worden, agierte später (wie im Fall der berühmten Werkbundsiedlung in Wien-Hietzing) aber auch als Treuhänderin der Stadt Wien. Das Zielpublikum der Siedlung stellte der gehobene Mittelstand 98 Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 15. 99 Anzumerken ist dabei, dass die Sozialdemokratie der sich im späten 19. Jahrhundert entwickelnden (wilden) Siedlerbewegung zunächst skeptisch gegenüberstand, diese dann aber »integrieren« wollte.
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Studium und erste akademische Gelegenheitsarbeiten
(besserverdienende Angestellte, Beamte, Gewerbetreibende, Freischaffende) dar100 – wie es bei der Familie Firnberg der Fall war. Ausschlaggebend für die Wahl des Siedlungshauses am Stadtrand war für Anna und Josef Firnberg,101 dass ihre Töchter während des Studiums »gute Luft und ein bisserl Grün rundherum nicht vermissen« bzw. sie lernen sollten, »allein [zu] wirtschaften« und »unabhängig« zu sein.102 Hertha Firnbergs Adresse lautete daher ab dem Jahr 1928 »Am Wasserturm 54« bzw. »Wasserturmgasse 54« und nach der Umbenennung der Straße im Jahr 1936 »Altdorferstraße 5«.103 Das kleine Haus in Wien-Favoriten sollte bis zu ihrem Tod, d. h. auch während ihrer beiden Ehen, ihr Hauptwohnsitz bleiben. Auch wenn gegen Ende ihrer Ministerschaft eine Wohnung im Savoy’schen Damenstift in der Wiener Innenstadt hinzukam,104 die angesteuert wurde, wenn sich die Fahrt nach Favoriten nicht mehr lohnte und die Firnberg nach ihrer Regierungstätigkeit für Theaterbesuche u. Ä. dienen sollte,105 blieb sie der Altdorferstraße ein Leben lang treu. Das Umfeld in Favoriten sollte sich jedoch stark ändern: Während das Häuschen zunächst noch den Ausblick auf Wiesen, Felder und Ziegenherden bot, wurde es im Laufe der Jahre immer stärker in die Stadt integriert.106 Der 10. Wiener Gemeindebezirk wurde zu Firnbergs »Lieblingsort« in Wien, in dem sie später auch politisch tätig wurde.107 100 Vgl. zur Siedlung Am Wasserturm: Helmut Weihsmann, Das Rote Wien, Wien 1985, 225f.; Barbara Fellner, 75 Jahre Bauen für Wien. Die Geschichte der GESIBA, Wien 1996, 30–32. 101 Der Baurechtsvertrag zwischen der Gemeinde Wien sowie Josef und Anna Firnberg zur Errichtung eines Einfamilienhauses durch die Gemeinwirtschaftliche Siedlungs- und Baustoffanstalt (Gesiba) im Rahmen der Heimbauhilfe der Gemeinde Wien wurde am 18. 9. 1930 unterzeichnet. Anna und Josef Firnberg wurden in diesem bereits mit der Adresse »Siedlung am Wasserturm 54« genannt. Ende der 1950er-Jahre ging das Baurecht je zur Hälfte an Hertha und Gertrud Firnberg über. Endgültig in den Besitz von Hertha Firnberg gelangte das Haus – so Paul Firnberg und seine Frau Dagmar – jedoch erst als sie nicht mehr Ministerin war. Vgl.: WStLA, BG Favoriten, A-10 – Grundbuchsurkunden, KG Inzersdorf, TZ 1162/1931 (= TZ 294/31), BG Favoriten, Grundbuch, EZ 1773 und EZ 1818; Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. 102 So leben sie alle Tage, in: Samstag, 1. 3. 1975; Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 15. 103 In den Meldeunterlagen wird Hertha Firnberg ab dem 16. 4. 1928, d. h. noch bevor der Baurechtsvertrag unterzeichnet wurde, mit der Adresse Wasserturmgasse 54 geführt. Ihre Schwester scheint erst ab 1941 (bis 1952 und dann neuerlich ab 1959) mit der Meldeadresse »Altdorferstraße 5« auf. Nach den Aussagen von Hertha Firnberg sollen die beiden jedoch schon zuvor zusammengewohnt haben. Vgl.: WStLA, Meldeauskunft zu Hertha Firnberg vom 17. 3. 2020 (MA 8 – B-MEW-240928-2020); WStLA, Meldeauskunft zu Gertrud Hilda Firnberg vom 22. 4. 2021 (MA 8 – B-MEP-484167-2021). 104 Exil im Damenstift, in: Profil 48 (1981) 20f. 105 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019. 106 Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 15f. 107 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Charme mit Krallen, in: Wochenpresse, 6. 7. 1970.
Studium in Wien und Freiburg
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2.2. Studium in Wien und Freiburg An der Universität Wien begann Hertha Firnberg zunächst ein Studium an der Juridischen Fakultät. Nach zwei Semestern wechselte sie jedoch an die Philosophische Fakultät, was sie im Lebenslauf in ihrem Rigorosenakt damit begründete, dass sie im Rahmen des Rechtsstudiums »vornehmlich rechtsgeschichtliche Vorlesungen« besucht und sich von diesen »angeregt« für die Aufnahme eines Geschichtsstudiums entschieden habe.108 Der wahre Grund dürfte – wie Firnberg später mehrfach betonte – jedoch darin gelegen sein, dass ein Professor angekündigt hatte, bei Prüfungen prinzipiell keine Frauen durchkommen zu lassen bzw. dass sie tatsächlich einmal durchgefallen war, was ihr »die Lust verdorben« habe. Dies sei zwar das einzige Mal gewesen, dass sie »der Gewalt gewichen« wäre. Hätte sie wirklich Rechtswissenschaft studieren wollen, hätte aber auch das sie nicht abhalten können. So wäre es eher der Anlass zu einem ohnehin schon überlegten Studienwechsel gewesen.109 An der Philosophischen Fakultät studierte Hertha Firnberg ab dem Wintersemester 1929/1930 Geschichte mit einem Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Völkerkunde. Im Studienjahr 1930/1931 verbrachte sie ein Auslandsjahr in Freiburg im Breisgau.110 Danach setzte sie nach einer kurzen Unterbrechung im Wintersemester 1932/1933, die vermutlich mit ihrer ersten Eheschließung zusammenhängt, ihr Studium an der Universität Wien fort. Hertha Firnberg heiratete am 16. August 1932 den 1905 in Wien geborenen Walter Karl Maria Hon.111 Dieser war ein Freund ihres jüngeren Bruders Paul und als Volks- und Hauptschullehrer für die Fächer Zeichnen mit Schreiben, Knabenhandarbeit und Naturgeschichte sowie als Maler, Zeichner und Grafiker (u. a. für das vom Volksbildungsamt der Stadt Wien herausgegebene »Jugendblatt«) tätig.112 In den vorhandenen Materialien – so auch in ihren Studienunterlagen – 108 UAW, Rigorosenakt Nr. 12.764 (Hertha Hon, geb. Firnberg). 109 Hertha Firnberg, seit 1970 Ministerin der Regierung Kreisky, in: Basler Zeitung (Magazin), 6. 6. 1981; Herren beugen das Haupt, in: Die Zeit 10 (1982) 75; Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 160 und 167. 110 Im Universitätsarchiv in Freiburg sind zu Hertha Firnberg bis auf ihre Wohnadressen (»Schreiber 18« und »Urach 31«) keine weiteren Informationen vorhanden. Vgl.: AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948; ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Krist-Firnberg, Hertha (vormals Hon-Firnberg), Curriculum vitae vom 6. 5. 1946; UAF, D0081/0141, D0081/0142, B0044/0154, A0066/0017. 111 Hierbei handelte es sich um eine Zivilehe. Nach römisch-katholischem Ritus wurde die Ehe am 22. 2. 1934 geschlossen. Vgl.: Matricula Online, Trauungsbuch der Pfarre St. Anton von Padua, 1100 Wien, 1. 1. 1934–31. 12. 1934, Signatur 02-34, Fol. 258, URL: https://data.matric ula-online.eu/de/oesterreich/wien/10-st-anton-von-padua/02-34/?pg=27 (abgerufen: 18. 2. 2020). 112 WStLA, Stadtschulrat (Landesschulrat), A 23 – Personalakten Bundeslehrer: Hon, Walter (8. 5. 1905); Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020.
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Studium und erste akademische Gelegenheitsarbeiten
scheint sie deshalb während der rund zehn Jahre dauernden Ehe als »Hertha Hon« oder »Hertha Hon-Firnberg« auf. An der Universität Wien belegte Hertha Firnberg – wie ihre Inskriptionsscheine belegen – u. a. Lehrveranstaltungen bei Hans Kelsen, dem »Architekten« der österreichischen Bundesverfassung, und bei Moritz Schlick, einem der Begründer des weltberühmten Wiener Kreises, der sich aus Philosophen, Mathematikern, Natur- und Geisteswissenschaftern zusammensetzte und das Ziel verfolgte, eine wissenschaftliche Weltauffassung zu entwickeln und zu verbreiten.113 Sie schrieb sich aber auch für Lehrveranstaltungen bei Heinrich Ritter von Srbik, der eine gesamtdeutsche Geschichtsschreibung propagierte, und Josef Nadler, der für eine deutsche Literaturgeschichte nach völkischen Gesichtspunkten stand, ein.114 Eine besonders enge Bindung entwickelte sie zum Seminar für Wirtschaftsund Kulturgeschichte, was daraus deutlich wird, dass sie nicht nur Lehrveranstaltungen bei dessen Leiter Alfons Dopsch besuchte, sondern dieser auch ihr Doktorvater war. Dopsch war seit 1900 ordentlicher Professor an der Universität Wien und fungierte 1920/1921 sogar als Rektor. Das Seminar für Wirtschaftsund Kulturgeschichte wurde 1922, nachdem er einen Ruf an die Universität Berlin erhalten hatte, im Zuge von Berufungsabwehrverhandlungen errichtet, um Dopsch in Wien zu halten. Ein erneuter Ruf an die Universität München bzw. nochmalige Abwehrverhandlungen erlaubten ihm kurz darauf, das Seminar noch besser auszustatten und eine eigene Publikationsreihe zu starten. In den folgenden Jahren entwickelte sich das Seminar zu einem Ort, der sich durch eine besondere Pluralität der Studierenden auszeichnete. Auch wenn Dopsch ein großdeutscher Historiker war, starke Verbindungen ins deutschnationale (d. h. antimarxistische und antisemitische) Vereinsleben hatte und Kontakte zu nationalsozialistischen Organisationen bestanden,115 zählten (zukünftige) Nationalsozialist*innen ebenso wie Sozialdemokrat*innen oder Kommunist*innen zu seinen Studierenden. Vor allem entwickelte sich das Seminar aber zu einem Ort,
113 Der Wiener Kreis war männlich dominiert. Frauen (wie Olga Taussky) bildeten die Ausnahme. Vgl.: Friedrich Stadler, Der »Wiener Kreis«, in: Universität Wien, 650 plus – Geschichte der Universität Wien, URL: https://geschichte.univie.ac.at/de/artikel/der-wiener-k reis (abgerufen: 13. 2. 2023). 114 UAW, Juridische Fakultät, Nationale WS 1928/29 und SS 1929, C-F; Philosophische Fakultät, WS 1929/30 bis SS 1933, F bzw. F-G. 115 So soll er – laut einer Mitteilung des Kreisleiters an das Gaupersonalamt – dem illegalen Nationalsozialistischen Hochschullehrerbund angehört haben. Vgl.: Gernot Heiß, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismus, in: Ders. / Siegfried Mattl / Sebastian Meissl / Edith Saurer / Karl Stuhlpfarrer (Hg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 bis 1945 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 43), Wien 1989, 65 (FN 38).
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der – ähnlich wie Firnbergs Studienumgebung in Freiburg116 – auch gegenüber Frauen eine gewisse Offenheit ausstrahlte. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass mit Erna Patzelt eine Frau die einzige dem Seminar zugeordnete wissenschaftliche Stelle innehatte und ein hoher Anteil der bei Dopsch verfassten Dissertationen von Frauen stammte – darunter auch jene von Lucie Varga, die später in Frankreich im Umfeld der »Annales«-Schule tätig wurde.117 Es schlug sich auch darin nieder, dass Hertha Firnberg ihre Studienzeit trotz der negativen Erfahrungen an der Juridischen Fakultät in guter Erinnerungen behielt bzw. sogar davon sprach, nie benachteiligt oder diskriminiert worden zu sein.118 Ein langes Leben war dem Seminar zunächst jedoch nicht beschieden, da es bereits 1937 in das Historische Seminar eingegliedert wurde. Verantwortlich dürften dafür mehrere Gründe gewesen sein, die von der Pensionierung Dopschs und seiner Ablehnung durch das Schuschnigg-Regime bis zu fachinternen Rivalitäten an der Universität Wien reichten.119 Ihre letzten Lehrveranstaltungen besuchte Hertha Firnberg im Sommersemester 1933. Das Rigorosum legte sie im Juli 1935 ab.120 Die Promotion erfolgte 116 In Freiburg hatten die beiden Mittelalter-Historiker Georg von Below und Heinrich Finke in den 1920er-Jahren dazu beigetragen, ein frauenfreundliches Klima herzustellen. Monika Bernold, Eva Blimlinger und Andrea Ellmeier haben in einem Artikel über Hertha Firnberg deshalb die Vermutung angestellt, dass die Entscheidung Firnbergs, in Freiburg zu studieren, nicht nur von fortschrittlichen Forschungsschwerpunkten, sondern auch vom Ruf einer frauenunterstützenden Lehrpraxis beeinflusst gewesen sein dürfte. Vgl.: Bernold/Blimlinger/Ellmeier, Hertha Firnberg, 21f. 117 Die »Annales«-Schule, benannt nach der Zeitschrift »Annales d’histoire économique et sociale« bezeichnet eine äußerst einflussreiche Strömung der französischen Geschichtsschreibung, die sich u. a. durch folgende Punkte auszeichnete: Hinwendung zu Wirtschaft und Gesellschaft (Geschichte ist nicht bloß politische Ereignisgeschichte), Einbeziehung von Methoden sozialwissenschaftlicher Nachbardisziplinen in die Geschichte, Orientierung an langfristigen Entwicklungen. 118 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 162. 119 Thomas Winkelbauer, Das Fach Geschichte an der Universität Wien (Schriften des Archivs der Universität Wien 24), Göttingen 2018, 205–218; Thomas Buchner, Alfons Dopsch (1868– 1953). Die »Mannigfaltigkeit der Verhältnisse«, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker 1900–1945. Lebensläufe und Karrieren in Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei in wissenschaftsgeschichtlichen Porträts, Band 1, Wien/Köln/Weimar 2008, 155–190; Klaralinda Ma-Kircher, Dopsch – Redlich – Srbik, in: Kai Luehrs-Kaiser / Gerald Sommer (Hg.), »Flügel und Extreme«. Aspekte der geistigen Entwicklung Heimito von Doderers (Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft 1), Würzburg 1999, 131–150; Peter Schöttler, Lucie Varga: A Central European Refugee in the Circle of the French »Annales«, 1934–1941, in: History Workshop Journal 33 (1992) 100–120; Peter Schöttler, Die »Annales«-Historiker und die deutsche Geschichtswissenschaft, Tübingen 2015, 150–179. Vgl. zum Frauenstudium zudem: Alfons Dopsch, Dreißig Jahre Frauenstudium in Österreich, in: Dreißig Jahre Frauenstudium in Österreich 1897 bis 1927, hg. vom Festausschuss anlässlich des dreißigjährigen Frauenstudiums, Wien 1927, 6–8. 120 UAW, Rigorosenakt Nr. 12.764 (Hertha Hon, geb. Firnberg); AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948.
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Abb. 3: Hertha Firnberg (1. Reihe, 2. von rechts) bei ihrer Promotion 1936
am 20. März 1936, als es insgesamt 52 Promotionen in zwei Gruppen gab, wobei es sich um 23 Frauen und 29 Männer – darunter der spätere Philosoph Erich Heintel und der Historiker Heinrich Fichtenau – handelte.121 Firnbergs Dissertation trug den Titel »Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit« und erschien 1935, d. h. noch vor ihrer Promotion, als Band 11 der Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschaftsund Kulturgeschichte an der Universität Wien.122 In seinem Gutachten strich Dopsch besonders den Quellenreichtum der Arbeit hervor.123 In mehreren Rezensionen, die eine Rezeption in der Fachwelt belegen, wurde ihre Arbeit durchaus wohlwollend aufgenommen und festgehalten, dass Firnberg einen wichtigen Beweis für die lange bestrittene oder als zu gering bewertete Existenz von freier ländlicher Lohnarbeit im Mittelalter erbracht habe. Dabei habe sie sich nicht nur auf einen expressis verbis in den Quellen bezeichneten Tagelöhner121 Firnberg gehörte der zweiten Promotionsgruppe an. UAW, Promotionsprotokoll der Phil. Fakultät VI (1931–1941), Einträge 1658–1709 vom 20. 3. 1936 (Firnberg: Nr. 1692); UAW, Nachlass Erich Heintel, 131.88.01.01 (Promotionsfoto). 122 Hertha Hon-Firnberg, Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Ein Beitrag zur Geschichte der agrarischen Lohnarbeit in Deutschland (Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien 11), Baden/Wien/Leipzig/ Brünn 1935. 123 UAW, Rigorosenakt Nr. 12.764 (Hertha Hon, geborene Firnberg).
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stand beschränkt, sondern alle landlosen und landarmen Klassen der bäuerlichen Bevölkerung, deren wirtschaftliche Lage, Aufgabe und die soziale Herkunft berücksichtigt.124 Es findet sich aber auch eine kritische Beurteilung der Dissertation durch den Mitbegründer der »Annales«-Schule Ernst Bloch, der Firnbergs Arbeit 1942, und damit mehrere Jahre nach ihrem Erscheinen, unter dem Synonym »M.F.« rezensierte. Dabei warf er der Arbeit nicht nur einen Mangel an grundlegenden Fragestellungen und Methodik vor, sondern stellte auch deren Beitrag zur Weiterentwicklung der Wissenschaft in Frage. Immerhin attestierte Bloch dem »kleinen Buch« in seiner kurz gefassten Rezenssion aber, dass es wertvolle Literaturhinweise umfassen würde.125
2.3. Beitritt zum Verband sozialistischer Studenten Österreichs und zur SDAP Mit Beginn des Studiums wurde Hertha Firnberg – wie ihrem Bewerbungsschreiben an der Arbeiterkammer für Niederösterreich zu entnehmen ist – Mitglied des Verbandes sozialistischer Studenten und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP).126 Der Verband sozialistischer Studenten entstand Anfang der 1920er-Jahre durch die Vereinigung der sozialistischen Studentengruppen in Wien, Graz und Innsbruck, nachdem bereits 1893 und dann nach 1918 erste Vorläuferorganisationen existiert hatten.127 Er war grundsätzlich nach Hochschulen organisiert, an denen Fakultätsgruppen bestanden. Darüber hinaus gab es innerhalb des Verbandes, der 1928 rund 2.800 und ab 1930 über 3.000 Mitglieder zählte, aber auch Bezirksgruppen, Heimgruppen sowie Spezialorganisationen wie die Naturfreunde-Studenten. Die führende Fraktion waren im Gegensatz zur Wiener Vereinigung sozialistischer Mittelschüler seit den 1920er-Jahren die sogenannten »Arbeiterstudenten«, während es den Vertreter*innen des eher linken und in124 P. Wallenstein, Buchbesprechung: Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit von Hertha Hon-Firnberg, Baden bei Wien, Rohrer 1935, 117 S., in: Historische Zeitschrift 1 (1939) 133f.; Carl Brinkmann, Referate: Hertha Hon-Firnberg, Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Ein Beitrag zur Geschichte der agrarischen Lohnarbeit in Deutschland (Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Univ. Wien, ed. Alfons Dopsch 11), BadenWien-Leipzig-Brünn, R. Rohrer, 1935, 115 S., in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 2 (1937) 199f. 125 Ch.-Edmond Perrin / Charles Morazè / M. F., Mélanges d‹historie sociale, 1 (1942) 105f. Für den Hinweis auf diese Rezension danke ich Alexander Pinwinkler und Ernst Landsteiner. 126 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. 127 Vgl. hierzu: Helge Zoitl, »Student kommt von Studieren!« Zur Geschichte der sozialdemokratischen Studentenbewegung in Wien, Wien/Zürich 1992.
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tellektuellen Flügels erst allmählich gelang, in Fachgruppen und weitere Gremien der Studentenbewegung vorzudringen.128 Als Obmann fungierte im Jahr 1928, als Firnberg beitrat, Erich Wang. Sein Stellvertreter war erst der spätere SPÖ-Parteivorsitzende und Vizekanzler Bruno Pittermann, obwohl dieser sein erstes Studium (Geschichte und Geographie) bereits abgeschlossen hatte, dann Hans Eckstein.129 Obmann der Sektion Universität (Wien) war der spätere Justizminister Otto Tschadek (dann Hans Charaus),130 der aus den Reihen der »Arbeiterstudenten« stammte,131 die sich nach dem Vereinssitz in der Wiener D’OrsayGasse »Doristen« nannten. Weitere prominente Vertreter dieses Flügels waren etwa der spätere Generaldirektor der VÖEST Walter Hitzinger, der spätere Verstaatlichten-Minister Karl Waldbrunner oder der stellvertretende Landeshauptmann von Oberösterreich Stefan Demuth.132 Zu den Aufgaben des Verbandes zählten die politische und fachliche Schulung, die Organisation kultureller, sportlicher und geselliger Veranstaltungen (darunter Ferienkolonien) sowie die Herausgabe von Druckschriften, die Studienberatung und die materielle Unterstützung der sozialistischen Student*innen.133 Eine große Bedeutung kam ähnlich wie bei den Mittelschüler*innen der Bildungsarbeit zu, die politische Schulungsveranstaltungen sowie Vorträge und Diskussionen zum Sozialismus, zu aktuellen politischen Fragen und wissenschaftlichen Themen umfasste. Hinzu kam der Kampf um eine Hochschulreform wie sie etwa im Verbandsorgan, der »Sozialistisch-Akademischen Rundschau« unter der Leitung von Eduard Stark, öfters angesprochen wurde. Hierzu gehörte einerseits die Forderung nach neuen Lehrmethoden, eine Änderung der Studienund Prüfungsordnungen, die Berufung von Professor*innen nach rein fachlichen Gesichtspunkten und der Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Andererseits zählte dazu auch die Forderung nach einer vollen Unentgeltlichkeit des Studiums inklusive der ausreichenden Einrichtung von Stipendien, da die Sozialdemokratie sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch auf Seiten der Studierenden nur schwach an den Hochschulen vertreten war, was noch Jahrzehnte lang der Fall sein sollte.134 Vor allem waren die sozialistischen Student*innen vor 128 Wolfgang Speiser, Die sozialistischen Studenten Wiens 1927–1938, Wien 1986; Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt, 214f.; Simon, Augenzeuge, 82f. 129 Bruno Pittermann schloss sein erstes Studium 1928 ab. Danach war er als Lehrer tätig und begann ein Studium der Rechtswissenschaften. Ab 1929 war er als Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Klagenfurt tätig. Sein zweites Studium der Rechts- und Staatswissenschaften beendete er 1938 (Dr. iur.), die Promotion erfolgte jedoch erst 1946. 130 Tätigkeitsbericht des Verbandsvorstandes für die Berichtszeit vom 1. 3. 1928 bis 1. 5. 1929, Wien 1929, 1f. 131 Otto Tschadek, Erlebtes und Erkanntes, Wiener Neustadt o. J. [1962], 19–24. 132 Simon, Augenzeuge, 57f. 133 Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt, 215. 134 Speiser, Die sozialistischen Studenten Wiens 1927–1938, 70, 92–106.
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dem Hintergrund des allgemeinen Erstarkens antidemokratischer und autoritärer Entwicklungen jedoch in den unerbittlichen Kampf verwickelt, der in den 1920er- und 1930er-Jahren an den Hochschulen tobte. Dies führte dazu, dass mit der »Akademischen Legion« sogar eine eigene Kampftruppe gebildet wurde.135 Es trug aber auch dazu bei, dass die beiden Flügel im Verband sozialistischer Studenten immer wieder zu einer Einigung gezwungen waren,136 wobei diese – so Joseph T. Simon – bei den Studierenden noch mit viel größerer Erbitterung aufeinandertrafen als es bei den Mittelschüler*innen der Fall war.137 Nachdem an den österreichischen Hochschulen und Universitäten bereits seit dem 19. Jahrhundert deutschnationale Strömungen mit einem ausgeprägten Antisemitismus an Einfluss gewonnen hatten,138 wurden diese in den 1920er- und 1930er-Jahren zu einem Kampfplatz der Ideologien sowie der politisch und antisemitisch motivierten Gewalt. Hierzu gehörten wüste Schlägereien zwischen linken und rechten (christlichsozialen, deutschnationalen, Heimwehr- und nationalsozialistischen) Studierenden ebenso wie die Störung von Vorlesungen jüdischer und sozialdemokratischer Lehrender. Von den Hochschulleitungen, vielen Professoren, einflussreichen Netzwerken, später auch von Seiten der offiziellen Politik wurde der Ausschluss jüdischer und linker Studen*innen sowie Vortragender betrieben.139 Dies zeigte sich zunächst vor allem in den Bestrebungen zur Installierung antisemitischer, nach dem »Volksbürgerprinzip« organisierter Studentenordnungen,140 nachdem Otto Glöckel in seiner Zeit im Unterrichtsministerium noch vergeblich den Weg eingeschlagen hatte, eine Studentenvertretung auf Basis eines allgemeinen demokratischen Wahlrechts zu 135 Diese wurde als Schutzbundeinrichtung gegründet und stand lange unter der Leitung des Chemikers Georg Weissel, der nach dem Bürgerkrieg 1934 hingerichtet wurde. Vgl.: Neugebauer, Bauvolk der kommenden Welt, 215. 136 Tschadek, Erlebtes und Erkanntes, 24. 137 Simon, Augenzeuge, 82. 138 Vgl. hierzu ausführlich: Oliver Rathkolb (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitismus. Kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2013. 139 Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie eine antisemitische Professorenclique nach 1918 an der Universität Wien jüdische Forscherinnen und Forscher vertrieb, in: Regina Fritz / Grzegorz Rossolin´ski-Liebe / Jana Starek (Hg.), Alma mater antisemitica. Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939 / Academic milieu, Jews and antisemitism at European universities between 1918 and 1939, Wien 2016, 221–242; Andreas Huber / Linda Erker / Klaus Taschwer, Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg, Wien 2020. 140 Seit der Auflösung der »Nationen« im Jahr 1849 gab es keine offizielle studentische Standesvertretung mehr. An der Universität Wien wurde die »Deutsche Studentenschaft« als Vertretung anerkannt. Als Rektor Gleisbach 1930 – wie dies auch an anderen Universitäten der Fall war – eine antisemitische Studentenordnung einführen wollte, wurde diese aus formaljuristischen Gründen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Vgl.: Speiser, Die sozialistischen Studenten Wien 1927–1938, 43–68.
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schaffen.141 Ab 1933 griff der austrofaschistische Staat dann bei einem zunehmenden nationalsozialistischen Terror direkt auf die Universitäten zu. Mit dem Beamtenabbaugesetz 1933 wurde eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um politisch und weltanschaulich unliebsame Persönlichkeiten entlassen zu können, insofern diese nicht bereits zuvor Österreich verlassen hatten – wie dies etwa bei Hans Kelsen der Fall war. Zahlreiche nationalsozialistisch eingestellte Personen, aber auch die wenigen Sozialdemokrat*innen, die (noch) vorhanden waren, wurden entlassen. Das Hochschulermächtigungsgesetz 1935 erlaubte dem Unterrichtsministerium dann den direkten Eingriff in nahezu alle Universitätsangelegenheiten. Mit dem Hochschulerziehungsgesetz aus demselben Jahr wurden die Hochschulen zu Erziehungsanstalten degradiert, an denen die »akademische Jugend zum Träger und begeisterten Verkünder der Idee des christlichendeutschen, berufsständischen, freien und unabhängigen Österreich« geformt werden sollte.142 Die zunehmenden Gewaltaktionen fanden – wenige Jahre nachdem Firnberg bei ihm (und Kelsen) noch Lehrveranstaltungen belegt hatte – 1936 in der Ermordung von Moritz Schlick ihren Höhepunkt. Schlick wurde auf der sogenannten Philosophenstiege im Hauptgebäude der Universität Wien von einem ehemaligen Studenten erschossen. Nach dem »Anschluss« folgte eine weitere, systematische »Säuberung« des Lehrkörpers nach rassistischen und politischen Gesichtspunkten, während andere – wie etwa Heinrich Ritter von Srbik oder Josef Nadler, bei denen Firnberg ebenfalls studiert hatte – Karriere machten. Hinzu kam ein vollständiger Ausschluss aller jüdischen Studierenden.143 Für Bruno Kreisky, der von 1929 bis 1938 in Wien Rechtswissenschaften studiert hatte, war jedoch bereits das Klima, das bis dahin an der Wiener Universität herrschte, derart vergiftet, dass er sie noch Jahrzehnte später nur äußerst ungern betrat bzw. »jeder Schritt auf akademischem Boden« für ihn »eine Erinnerung an etwas sehr Unangenehmes« war.144 Die Universitäten und Hochschulen gehörten bei der Verbreitung und Intensivierung des Nationalsozialismus in Österreich zu den treibenden Kräften.145 141 In der knapp eineinhalb Jahre dauernden Amtszeit von Otto Glöckel im Unterrichtsressort bildete die Frage der Schaffung einer Studentenvertretung den Schwerpunkt der Hochschulpolitik. Vgl. hierzu ausführlich: Brigitte Lichtenberger-Fenz, Die sozialdemokratische Hochschulpolitik in der Ersten Republik, in: Der Sozialistische Akademiker 11/12 (1978) 6– 11. 142 Die Studierenden wurden im Rahmen der Vaterländischen Front in der Hochschülerschaft Österreichs organisiert. 143 Die verbleibenden Studierenden wurden im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund organisiert. 144 Oliver Rathkolb / Johannes Kunz / Margit Schmidt (Hg.), Bruno Kreisky. Zwischen den Zeiten. Der Memoiren erster Teil, Wien/München/Zürich 2000, 176. 145 Vgl. im Überblick: Brigitte Lichtenberger-Fenz, Österreichs Universitäten 1930 bis 1945, in: Friedrich Stadler (Hg.), Kontinuität und Bruch 1938–1945–1955. Beiträge zur österreichi-
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Hertha Firnberg hatte im Verband sozialistischer Studenten, der nach dem Bürgerkrieg 1934 wie alle anderen sozialdemokratischen Organisationen verboten wurde und dann in der Illegalität weiterexistierte,146 nach eigenen Aussagen verschiedene Referate inne: darunter wiederum das einer Bildungsreferentin.147 In der vorhandenen Memoirenliteratur scheint sie in zweifacher Hinsicht auf: Einerseits wird sie sowohl von Maurice Feldmann und Wolfgang Speiser, der ebenfalls in der Studentenbewegung aktiv war und nach 1945 zu einem wichtigen Erwachsenenbildner wurde, zu den Mitgliedern eines Kreises gezählt, der sich regelmäßig in zwei Wiener Kaffeehäusern unter dem Vorsitz von Otto Tschadek traf. Dieser war nach dem absolvierten Rechtsstudium ab 1930 zwar als Gemeindebeamter in Mannersdorf am Leithagebirge tätig, schlug 1934 jedoch die Laufbahn eines Rechtsanwalts ein und ergriff aufgrund von Problemen bei der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer vorübergehend ein Studium der Medizin an der Universität Wien. In der Studentenbewegung soll er – so Joseph T. Simon – auch noch nach dem Abschluss des ersten Studiums (zumindest eine Zeitlang) aktiv gewesen sein.148 Weitere Mitglieder der Gruppe waren u. a. Hans Eckstein, Paul Auspitz, Otto Zigmund oder Eduard Stark.149 Andererseits wird Firnberg von Simon als Teil der Wiener Vereinigung sozialistischer Mittelschüler genannt, der »vergebens« versucht habe, im Verband sozialistischer Studenten Fuß zu fassen.150 Im Gegensatz zur Vereinigung sozialistischer Mittelschüler dürfte Firnberg – anknüpfend an Simon und die Beobachtung, dass sie in der vorhandenen Memoirenliteratur weniger häufiger
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schen Kultur und Wissenschaftsgeschichte, Wien 1988, 69–82 sowie Elmar Schübl, Universitäten im Wandel, in: Stefan Karner / Lorenz Mikoletzky (Hg.), Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband der Ausstellung im Parlament, Innsbruck/Wien/Bozen 2008, 307– 318 und ausführlich Klaus Taschwer, Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert, Wien 2015; Mitchell G. Ash, Die Universität Wien als Ort der Politik seit 1848, in: Ders. / Josef Ehmer (Hg.), Universität – Politik – Gesellschaft (650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 2), Wien 2015, 29–172 sowie Linda Erker, Die Universität Wien im Austrofaschismus. Österreichs Hochschulpolitik 1933 bis 1938, ihre Vorbedingungen und langfristigen Nachwirkungen (Schriften des Archivs der Universität Wien 29), Wien 2021. Vgl. hierzu ausführlich: Speiser, Die sozialistischen Studenten, 116f. AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. Tschadek schrieb in seiner Autobiografie, dass er seine Funktionen in der sozialistischen Studentenbewegung 1929 aufgab. Vgl.: Tschadek, Erlebtes und Erkanntes, 24; Simon, Augenzeuge, 83. Feldmann, Menschliche Sendung, 16; Speiser, Die sozialistischen Studenten Wiens 1927– 1938, 72f. Anzumerken ist dabei jedoch, dass es Wodak 1930 gelang, in den Vorstand aufgenommen zu werden. Vgl.: Simon, Augenzeuge, 70f.; Speiser, Die sozialistischen Studenten Wiens 1927– 1938, 50.
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genannt wird151 – im Verband sozialistischer Studenten somit eine geringere Rolle gespielt haben. Mögliche Gründe dafür können ihr Studienjahr in Freiburg, die zeitweise Unterbrechung des Studiums, die Eheschließung im Jahr 1932 oder der Umstand sein, dass sie ihre letzte Lehrveranstaltung im Sommersemester 1933 besuchte. Im Zuge des gewaltsamen »Hochschulkampfs« dürfte Hertha Firnberg mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Erscheinung getreten sein – jedenfalls liegt zu ihr kein Disziplinarakt im Archiv der Universität Wien vor.152 Gleichfalls scheint sie auch nicht als Autorin in der »Sozialistisch-Akademischen Rundschau« auf.153
2.4. Berufswunsch Universitätsdozentin Nach dem Abschluss des Studiums beschäftigte sich Hertha Firnberg hauptsächlich mit »privatwissenschaftlichen Studien auf dem Gebiete der Sozialgeschichte (Geschichte des Arbeitsrechtes)« und betätigte sich als unbezahlte Hilfsbibliothekarin am Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte.154 Ihr Berufswunsch war es, an der Universität bleiben und als Wirtschafts- und Sozialhistorikerin arbeiten zu können bzw. eine Dozentur zu erreichen. »Die Chancen« hierzu waren – so Firnberg gegenüber den ORF 1970 – jedoch nicht gegeben. »Das war nicht zu machen.«155 Als Grund dafür nannte sie, dass es die »Zeit der Arbeitslosigkeit« gewesen sei,156 womit sie die schwierige wirtschaftliche Lage in den 1920er- und 1930erJahren ansprach, die auch an den Universitäten spürbar war. Nachdem bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges an den meisten Universitäten und Hochschulen (zum Beispiel an den Technischen Hochschulen) in vielen Bereichen gute Rahmenbedingungen gegeben waren, wurde die »Verwaltung von Mängeln« nach 1918 über Jahrzehnte zu einer Konstante. Dies zeigte sich nicht nur darin, dass von 1914 bis etwa Mitte der 1950er-Jahre (von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen) keine universitären Neubauten errichtet wurden, sondern dass es auch im Bereich des Personals bereits seit den 1920er-Jahren zu Einsparungen kam, die – wie der Beamtenabbau in Folge der Genfer Protokolle demonstriert – mit 151 Vgl. hierzu auch ohne Nennung von Firnberg: Marie Tidl, Die Roten Studenten. Dokumente und Erinnerungen 1938–1945, Wien 1976. 152 Mail von Dr. Ulrike Denk (Archiv der Universität Wien) an die Verfasserin vom 23. 4. 2021. 153 Dies hat eine Durchsicht der vorhandenen Hefte bzw. der in diesen für frühere Jahre abgedruckten Inhaltsverzeichnisse für den Zeitraum von 1928 bis 1934 im Archiv der Universität Wien ergeben. 154 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948. 155 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 156 Ebenda.
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politischen Zielsetzungen verknüpft wurden.157 Auf die politische Entwicklung in der Zwischenkriegszeit und dass Firnberg bereits damals als Sozialdemokratin politisch aktiv war, nahm sie im Interview jedoch ebenso wenig Bezug wie auf den Umstand, dass das Dopsch-Seminar bereits 1937 wieder aufgelöst worden war und während des Austrofaschismus deutliche Bestrebungen bestanden hatten, Frauen aus den Universitäten und dem Berufsleben zu vertreiben. Ausdruck davon sind sowohl der Diskurs über eine »Vermassung« der Hochschulen im Zuge dessen auch eine Fernhaltung von Frauen zum Studium angesprochen wurde,158 als auch die konkrete Frauenpolitik des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes, die Frauen wieder stärker an die Familien, Haushalt und Kinder binden wollte. So wurde nicht nur ein Aufnahmestopp für verheiratete Frauen im Staatsdienst eingeführt. Aufgrund der Doppelverdienerverordnung von 1933 konnten verheiratete Frauen – wie es Hertha Firnberg ab 1932 war – auch aus dem Staatsdienst entlassen werden, wenn ihre Ehemänner ebenfalls in diesem tätig waren. Nachdem der Zölibat für Staatsbeamtinnen erst 1919/1920 vollständig aufgehoben worden war, sollte verheirateten Frauen eine Beschäftigung im öffentlichen Sektor somit wieder verschlossen werden.159 Anstatt an der Universität tätig sein zu können, musste Hertha Firnberg somit »akademischen Gelegenheitsarbeiten« nachgehen, die sich nach ihren eigenen Aussagen aus einem Bündel an Tätigkeiten zusammensetzten: dem Erteilen von Nachhilfestunden,160 dem Verfassen von »populärwissenschaftlichen Beiträgen über Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte« für »verschiedene Schweizer Zeitschriften«161 sowie ab 1937 dem Halten von Vorträgen über sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Themen im Volksbildungswesen.162 So wurde etwa im »Neuen Wiener Tagblatt« ein Vortrag von ihr über den »Arbeiter im Zeiten des 157 Susanne Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Innsbruck 1986, 162; Elmar Schübl, Universitäten im Wandel, 312. 158 Marina Fischer-Kowalski, Zur Entwicklung von Universität und Gesellschaft in Österreich, in: Heinz Fischer (Hg.), Das politische System Österreichs, 2. überarbeitete Auflage, Wien 1977, 584; Hollenstein, Frauen an Universitäten, 11. 159 Vgl. hierzu ausführlich: Irene Bandhauer-Schöffmann, Der »Christliche Ständestaat« als Männerstaat? Frauen- und Geschlechterpolitik im Austrofaschismus, in: Emmerich Tálos / Wolfgang Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933–1938 (Politik und Zeitgeschichte 1), 7. Auflage, Wien 2012, 254–280 sowie Sarah Schumacher, Ein Vergleich der Auswirkungen der Weltkriege auf die Frauenarbeit in Österreich, Univ. Dipl.Arb., Wien 2017. 160 WStLA, MD A 26/1/1-MDP/E-Ehrungen: Personalakten: MDE-185/79. 161 Firnberg nannte in diesem Zusammenhang als einzig konkretes Medium die »Schweizer Industrie Zeitung«, womit wohl die »Schweizer Industrie-Zeitung. Geschäftsblatt für Fabrikbetrieb verbunden mit der Schweizer Textil-Zeitung« gemeint ist, die bis 1934 bestand und dann im »Schweizer Baublatt« aufgegangen ist. 162 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948.
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Studium und erste akademische Gelegenheitsarbeiten
Wandels« im Wiener Volksbildungsverein Stöbergasse für den 12. März 1938 angekündigt.163 In amtlichen Unterlagen – wie etwa dem Personalakt ihres Mannes – wurde, wenn nach ihrem Beruf gefragt wurde, »Private« oder »Haushalt« vermerkt.164
163 In der ausführlichen Datenbank des Österreichischen Volkshochschularchivs, in der sich alle Veranstaltungsprogramme der Wiener Urania, des Wiener Volksbildungsvereins, der Volkshochschule Ottakring, der Volkshochschule Alsergrund, der Volkstümlichen Universitätsvorträge in Wien sowie der Volkstümlichen Universitätsvorträge Graz finden, taucht Hertha Firnberg vor 1945 nicht auf. Über das Online-Zeitungsarchiv »ANNO« der Österreichischen Nationalbibliothek konnte der Vortrag im März 1938 recherchiert werden. Ob dieser angesichts des Einmarsches Deutscher Truppen am 12. 3. 1938 und der Machtübernahme der Nationalsozialisten tatsächlich stattfand, ist jedoch unbekannt. Vgl.: Vorträge und Versammlungen, in: Neues Wiener Tagblatt, 12. 3. 1938. 164 WStLA, Stadtschulrat (Landesschulrat), A 23 – Personalakten Bundeslehrer: Hon, Walter (8. 5. 1905), Fragebogen vom 26. 3. 1936.
3.
Das Leben während des Nationalsozialismus
3.1. Die jüdischen Wurzeln werden zum Thema Den März 1938, d. h. die Tage vor und nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, erlebte Hertha Firnberg im Kreis ihrer Freunde und beschrieb diese Ereignisse 50 Jahre später im Rahmen einer Sonderbeilage zur »Wiener Zeitung« im »Bedenkjahr« 1988 wie folgt: »Unsere Freundschaftsgruppe, Angehörige der sozialdemokratischen, ehemaligen Studenten- und Jugendbewegung, hörte gemeinsam am 11. März, 19.50 Uhr die Ansprache Schuschniggs. Als seine drastischen Abschiedsworte ›Gott schütze Österreich‹ erklangen, war uns Gewißheit: ›Das Ende war gekommen.‹ Wie betäubt sahen wir die Straßen voll mit johlenden ›Heil Hitler‹-Schreiern, Polizei mit Hakenkreuzarmbinden, Burschen, stoßend und drängend, alle voll Aggression gegen jene, die kein Hakenkreuz trugen.«165
Zu ihren schlimmsten Erfahrungen zählte es – wie sie fortsetzte –, die zahlreichen »Überläufer«, auch aus den eigenen Reihen, beobachten zu müssen: »Diese ›Überläufer‹ zu erleben, gehörte zu den schweren seelischen Belastungen dieser Zeit: Enge Freunde, die – bislang unbekannt – längst ›Illegale‹ waren und triumphierend ihre niedrige Mitgliedsnummer mit dem Parteiabzeichen vorwiesen, Opportunisten, die über Mitgliedsbücher für jeden Gebrauch verfügten.«166
Darüber, wie Hertha Firnberg und ihre Familie die folgenden Jahre verbachten, liegen nur wenige Aussagen und bruchstückhafte Informationen vor, die etwa die jüdischen Wurzeln betreffen. Entscheidend ist dafür, dass in Österreich nach dem »Anschluss« eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen in Kraft gesetzt wurde, die auf der Rassenideologie der Nationalsozialisten beruhte und dazu führte, dass auch die Familie Firnberg ins Blickfeld der NS-Behörden geriet. 165 Hertha Firnberg, Das eine und das andere Österreich, in: Woher? – 1938 – Wohin?, Wiener Zeitung, Sonderbeilage, 8. 3. 1988. 166 Ebenda.
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Betroffen war davon in erster Linie Josef Firnberg, der aufgrund der Verordnung zur Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums vom 31. Mai 1938 (Berufsbeamtenverordnung) seine Stelle als Gemeindearzt in Niederrußbach verlieren sollte. Ziel der Verordnung war es, die Beamtenschaft, die auf Adolf Hitler vereidigt wurde, ausgehend von den Nürnberger Gesetzen »judenrein zu machen« und »von politischen Gegnern zu säubern«.167 Wie sowohl aus Unterlagen im Österreichischen Staatsarchiv als auch im Niederösterreichischen Landesarchiv hervorgeht, wurde gegen Josef Firnberg aufgrund § 8 Abs. 1 und § 3 der Berufsbeamtenverordnung ein Verfahren eingeleitet und bestimmt, dass er aus dem Dienst »verabschiedet« werden sollte.168 Der Grund dafür war, dass er von den NS-Behörden als »Mischling I« (ersten Grades) eingestuft worden war, wogegen Josef Firnberg – was in der NS-Zeit keine Seltenheit war – Beschwerde einlegte, um die Rechtskraft und -folgen seines Abstammungsbescheides zu bekämpfen.169 Dabei behauptete er nicht nur – wie eingangs vorausgeschickt wurde –, der Sohn von Josef Brautferger mit »arischer« Herkunft zu sein. Er bestritt auch, dass seine Mutter Johanna Firnberg jüdischer Abstammung gewesen sei. Vielmehr wäre diese das uneheliche Kind einer »deutschblütigen« Magd namens Johanna Till (und somit ident mit einer gewissen Theresia Till) gewesen, die von der jüdischen Familie Firnberg an Kindes statt großgezogen worden sei.170 Die Folge seiner Beschwerde waren sich über Jahre hinziehende »Abstammungserhebungen« inklusive Nachforschungen in Schaffa und Prag, in die sowohl das Gauamt für Sippenforschung in Wien als auch das Reichssippenamt in Berlin eingeschaltet waren.171 Diese endeten im Herbst 1944 damit, dass zwar die behauptete Vaterschaft von Josef Brautferger akzeptiert, die jüdische 167 Vgl. zur Berufsbeamtenverordnung u. a.: Maria Wirth, Personelle (Dis-)kontinuitäten im Bereich der Österreichischen Bundesforste / Reichsforstverwaltung 1938–1945–1955, in: Oliver Rathkolb / Dies. / Michael Wladika, Die »Reichsforste« in Österreich 1938–1945. Arisierung, Restitution, Zwangsarbeit und Entnazifizierung, Wien 2010, 43–45. 168 Nach § 8 Abs. 1 der Berufsbeamtenverordnung konnten »ehrenamtlich bestellte oder nicht hauptberuflich tätige Träger eines öffentlichen Amtes, auf die eine der Voraussetzungen der §§ 3,4 oder 6 zutrifft«, fristlos und ohne Entschädigung aus dem Amt verabschiedet werden. Die Entscheidung darüber, ob ein öffentliches Amt vorlag, lag beim Reichsstatthalter in Österreich (in Zustimmung des Reichsministers des Inneren). Nach § 3 waren alle Beamten auszuscheiden, die Juden oder »jüdische Mischlinge« oder deren Ehegatten Juden oder »jüdische Mischlinge ersten Grades« waren. Vgl.: ÖStA, AdR, BKA, Präs. 1938 und 1939 (Reichsstatthalter), »Wächter-Kartei«, Karteikarte Firnberg, Dr. Josef; NÖLA, Landeshauptmannschaft Niederdonau (LH ND), Landesamt (LA) I/1, 1058/1939, Verordnung zur Neuordnung des österr. Berufsbeamtentums Band I. 169 Vgl. hierzu auch: WStLA, Gauamt für Sippenforschung, A6 – Abstammungserhebungen: Dr. Hertha Hon. 170 Vgl. hierzu auch den von Josef Firnberg am 5. 10. 1938 ausgefüllten Fragebogen im Zuge der »Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums«: NÖLA, LH ND, NS-Fragebögen, Firnberg Josef Dr. 171 Im Bundesarchiv in Berlin sind keine Unterlagen zu Josef Firnberg vorhanden.
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Herkunft der Mutter aber nicht in Zweifel gezogen wurde.172 Josef Firnberg wurde von den NS-Behörden somit weiterhin als »Mischling I« betrachtet. Als Gemeindearzt in Niederrußbach dürfte er jedoch bis 1945 weiter praktiziert haben. So wird Josef Firnberg in der »Niederösterreichischen Ärztechronik« in einem (allerdings sehr rudimentären) Eintrag von August 1910 bis mindestens 1950 ohne Unterbrechung als Gemeindearzt in Niederrußbach geführt.173 Und auch nach Auskunft der Gemeinde Niederrußbach »dürfte« er von 1938 bis 1945 Gemeindearzt gewesen sein,174 was ebenfalls von Barbara Sauer und Ilse ReiterZatloukal in einer rezenten Studie über jüdische Ärzt*innen im Nationalsozialismus angenommen wird.175 Wie sie im Rahmen ihrer Forschungen feststellen konnten, verloren die sogenannten »Mischlinge« während des Nationalsozialismus nicht generell ihre Approbation und durften weiter praktizieren. Aus allen Stellen der öffentlichen Hand, wie Spitälern und Gemeindearztstellen, sollten sie jedoch entfernt werden, und auch ihre Kassenverträge sollten sie verlieren. Nach dem Kriegsausbruch konnte es jedoch der Fall sein, dass sie »auf Kriegsdauer« wieder von der öffentlichen Hand beschäftigt wurden – zum Beispiel als Vertreter von Ärzten, die zur Kriegsdienstleistung eingezogen worden waren.176 Aus dem Reichsarztregister im Deutschen Bundesarchiv, wo Firnberg als »deutschblütig« verzeichnet ist, gehen keine Entlassung oder Verlust des Kassenvertrages hervor.177 Auf Hertha Firnberg wurde das Gauamt für Sippenforschung vermutlich durch die Nachforschung zu ihrem Vater aufmerksam. Im Gegensatz zu ihm liegt zu Hertha Firnberg aber nur ein sehr dünner Akt im Wiener Stadt- und Landesarchiv vor, in dem sie Anfang der 1940er-Jahre – und damit zu einem Zeitpunkt, als die Erhebungen zu ihrem Vater noch andauerten – als »Mischling II« bezeichnet wurde.178 Zudem wird aus dem Personalakt ihres Ehemannes deutlich, dass dieser als Lehrer wiederholt nach einem Abstammungsnachweis seiner Frau gefragt wurde, den er bis zur Scheidung im Jahr 1942 jedoch nicht erbringen konnte. Als Grund dafür nannte er, dass alle »Dokumente, aus denen die rein arische Abstammung« seiner Gattin hervorgehen würde, sich in Berlin befänden 172 WStLA, Gauamt für Sippenforschung, A6 – Abstammungserhebungen: Josef Firnberg. 173 Der Personalakt zu Josef Firnberg im Niederösterreichischen Landesarchiv wurde bereits in den 1980er-Jahren skartiert. Vgl.: Berthold Weinrich unter der Mitarbeit von Erwin Plöckinger, Niederösterreichische Ärztechronik. Geschichte der Medizin und der Mediziner Niederösterreichs, Wien 1990, 386. 174 Mail des Gemeindeamts Niederrußbach an die Verfasserin vom 13. 8. 2020. 175 Mail von Dr. Barbara Sauer an die Verfasserin vom 21. 5. 2020. 176 Mail von Dr. Barbara Sauer an die Verfasserin vom 10. 12. 2021. 177 BA Berlin, R 9347, Reichsarztregister, Firnberg, Josef. 178 Vgl. hierzu auch: WStLA, Gauamt für Sippenforschung, A6 – Abstammungserhebungen: Dr. Hertha Hon. Im Bundesarchiv in Berlin sind keine Unterlagen zu Hertha Firnberg vorhanden.
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bzw. die Abstammungsprüfung noch nicht abgeschlossen sei.179 Angesprochen wurde damit wohl das Verfahren von Hertha Firnbergs Vater, das für sie selbst nach allen bekannten Unterlagen keine größeren Konsequenzen, auch nicht hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit, gehabt haben dürfte. Generell waren »Mischlinge II« (oder sogenannte »Vierteljuden«) – soweit sie nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten – von den meisten Verfolgungsmaßnahmen ausgenommen, da die nationalsozialistische Ideologie dahin tendierte, sie eher der »deutschblütigen« Volksgemeinschaft zuzurechnen. Sie konnten aber im privaten und beruflichen Umfeld Diskriminierungen aufgrund ihrer Herkunft erfahren, wenn es etwa um beruflich exponierte Positionen oder Eheschließungen mit SS-Angehörigen ging. Was das Alltagsleben jedoch zweifellos beeinflusste, war das Bemühen, die jüdische Herkunft zu verbergen, um potentielle Diskriminierungen und Verfolgungen zu vermeiden.180
3.2. Tätigkeit beim Wiener Weltmodenverlag Die Ehe mit Walter Karl Maria Hon wurde am 27. Januar 1942 geschieden, nachdem Hertha Firnberg im Jahr zuvor die Scheidungsklage eingebracht hatte. Der Grund hierfür war, dass ihr der inzwischen zur Luftwaffe eingezogene Walter Karl Maria Hon im Juli 1941 eröffnet hatte, die eheliche Gemeinschaft aufgeben zu wollen. Nur wenig später hatte Firnberg zudem mittels eines Privatdetektivs herausgefunden, dass er eine Beziehung zu einer anderen Frau unterhalten hatte, die er im Zuge des Verfahrens auch gar nicht bestritt. Im März 1942, d. h. nur zwei Monate nach der erfolgten Scheidung von Hertha Firnberg, heiratete Walter Karl Maria Hon erneut – nicht aber jene Frau, die kurz zuvor zumindest einer der Scheidungsgründe war.181 Das sich seit dem Sommer 1941 ankündigende und 1942 tatsächlich erfolgte Ende der Ehe war – so Hertha Firnberg im Jahr 1948 – dann auch der Grund 179 WStLA, Stadtschulrat (Landesschulrat), A 23 – Personalakten Bundeslehrer: Hon, Walter (8. 5. 1905). 180 Ich danke Dr. Michaela Raggam-Blesch für Hinweise zur Situation von »Mischlingen« während des Nationalsozialismus. Vgl. hierzu ausführlich: Michaela Raggam-Blesch, Alltag unter prekärem Schutz. Mischlinge und Geltungsjuden im NS-Regime in Wien, in: zeitgeschichte 5 (2016) 292–307; Cornelia Essner, Die »Nürnberger Gesetze« oder: Die Verwaltung des Rassenwahns 1933–1945, Paderborn 2002, 194f.; Jeremy Noakes, The Development of Nazi Policy towards the German-Jewish »Mischlinge« 1933–1945, in: Leo Baeck Institute Year Book 1989, 291–354; Bernhard Lösener / Friedrich August Knost (Hg.), Die Nürnberger Gesetze mit den Durchführungsverordnungen und den sonstigen einschlägigen Vorschriften, 4. Auflage, Berlin 1941, 24. 181 WStLA, Landesgericht f. Zivilrechtssachen, A 24 – Cg, Nc – Streitsachen; Außerstreitsachen: Cg 287/41; WStLA, Stadtschulrat (Landesschulrat), A 23 – Personalakten Bundeslehrer: Hon, Walter (8. 5. 1905).
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dafür, dass sie im Herbst 1941 einen kaufmännischen Beruf ergriff und in den Wiener Weltmodenverlag eintrat. Zwar hätte sie lieber eine wissenschaftliche oder eine journalistische Tätigkeit ausgeübt, sowohl die »politische und rassische Belastung« hätten dies jedoch »verschlossen«, während eine wirtschaftliche Tätigkeit möglich war.182 Der Wiener Weltmodenverlag war aus der Wiener Weltmode Chic ParisienneBachwitz AG hervorgegangen, die als größter österreichischer Modeverlag vor 1938 rund fünfzig Zeitschriften herausgab – darunter eine Reihe französischer Journale, die für die österreichischen Leser*innen aufbereitet wurden. Ihre Publikationen wurden nicht nur in Wien, sondern auch in zahlreichen Weltstädten wie Paris, New York, Madrid oder Lissabon auf den Markt gebracht, weshalb viele Editionen sogar dreisprachig erschienen und zu über 90 Prozent ins Ausland gingen. Nach dem »Anschluss« wurde die Wiener Weltmode Chic ParisienneBachwitz AG mit rund 320 Mitarbeiter*innen erst »arisiert« und unter kommissarische Verwaltung gestellt, da der Großteil der Verwaltungsräte unter die Nürnberger Gesetze und ihre rassistischen Bestimmungen fiel. 1940 ging sie mit einem Personalstand von rund 190 Personen in den Besitz der Deutschen Arbeitsfront über und erhielt 1941 den neuen Namen, womit der Wiener Weltmodenverlag nicht der einzige Verlag war, der nach dem »Anschluss« zum Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront auf dem Gebiet des ehemaligen Österreich zählte. Dazu gehörten auch mehrere Buchgemeinschaften und Verlage, die zuvor bereits im Deutschen Reich bestanden hatten und nun in der »Ostmark« aktiv wurden bzw. bereits in Österreich existiert hatten und nun von der Deutschen Arbeitsfront übernommen wurden. Er war für sie aber insofern von besonderer Bedeutung, als diese »nach der Niederwerfung Frankreichs […] auf dem Gebiete der Mode dem deutschen Geschmack zur Führung verhelfen« und für sich weitere Zuständigkeitsbereiche für die Zeit nach dem »Endsieg« abstecken wollte. Dass Wien im Wettrennen um die Modehauptstadt des Deutschen Reiches in den frühen 1940er-Jahren gute Karten hatte, spielte dabei eine wichtige Rolle.183 Nicht zuletzt erfüllten Frauen- und Modezeitungen während des Nationalsozialismus auch ideologische Aufgaben und stellten einen wichtigen Faktor für eine Stabilisierung der »Heimatfront« dar, indem sie etwa durch 182 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948; Archiv Ing. Paul Firnberg, Aufstellung über Versicherungszeiten: Wiener Weltmode Verlag GmbH, Wien III, Richthofengasse 9, 21. 10. 1941–31. 3. 1945. 183 Die Gauleiter und Reichsstatthalter Joseph Bürckel und Baldur von Schirach bemühten sich, Wien zur »Reichshauptstadt der Mode« zu machen. Neben Wien waren Berlin, München und Frankfurt im Spiel, wobei sich der »Städtekampf« um die »Reichsmodehauptstadt« auch um die Frage drehte, wo die geplante Reichsmodeakademie verwirklicht werden sollte. Hitler und Goebbels präferierten Anfang der 1940er-Jahre Wien als Stadt für die »Hochmode«. Vgl.: Gloria Sultano, Wie geistiges Kokain. Mode unterm Hakenkreuz, Wien 1995, 99–131.
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an die Kriegssituation angepasste Kochrezepte oder Modetipps dazu beitragen sollten, Missstimmungen in der Bevölkerung zu vermeiden.184 Das Betätigungsfeld des Verlages wurde dementsprechend zunächst auch schrittweise erweitert. So umfasste es bald nicht mehr nur das Verlagsgeschäft für Modezeitschriften, sondern ebenso die Herausgabe anderer publizistischer Erzeugnisse sowie Maßnahmen erziehungspolitischer Art auf dem Gebiet der Mode (mit der Einrichtung eines eigenen Modeberatungssalons). Schließlich kamen auch Aufgaben im Bereich des Frontbuchhandels hinzu, nachdem die Deutsche Arbeitsfront darum bemüht war, gleichfalls in diesem Bereich tätig zu sein. Mit dem Voranschreiten des Krieges, einer immer stärkeren Papierknappheit und einem wachsenden Misstrauen der Wiener Heeresverwaltung kam der Verlag aber immer stärker unter Druck. So musste er im März 1943 seine Tätigkeit weitgehend einstellen und war Ende 1944 so weit geschrumpft, dass er »in Bürogemeinschaft mit der Zentrale der Frontbuchhandlungen, Auslieferungslager Wien« arbeiten musste. Nach dem Kriegsende wurde der Wiener Weltmodenverlag, der damals nur mehr auf dem Papier bestand, zunächst unter öffentliche Verwaltung gestellt und im Februar 1958 endgültig gelöscht. Von den Inhaber*innen vor 1938 wurden nie Rückstellungsanträge eingebracht.185 Hertha Firnberg war im Wiener Weltmodenverlag – nach eigenen Angaben – zunächst als Buchhaltungshilfskraft tätig. Sie arbeitete sich durch eine kaufmännische Weiterbildung186 aber rasch hoch und wurde nach dem Einrücken des Chefbuchhalters »Buchhaltungsleiter des Verlages«. In ihren Aufgabenkreis fielen damit Bilanzieren, Nachkalkulation, Leitung der Betriebsbuchhaltung, des Lohnbüros und der Registratur sowie die Leitung des Lohnbüros und der Frontbuchhandlungen. Nach der Verkleinerung des Personals übernahm sie 184 Vgl. hierzu ausführlich: Marion Wittfeld, »Die Frau ist zu einem wesentlichen Teil Trägerin der Stimmung in der Heimat«. Geschlechtsspezifische NS-Presseanweisungen im Krieg und ihre Umsetzung in der Frauenzeitschrift »Mode und Heim«, in: Alina Bothe / Dominik Schuh (Hg.), Geschlecht in der Geschichte. Integriert oder separiert? Gender als historische Forschungskategorie, Bielefeld 2014, 71–90. 185 Ursula Schwarz, Das Wiener Verlagswesen der Nachkriegszeit: Eine Untersuchung der Rolle der öffentlichen Verwalter bei der Entnazifizierung und bei der Rückstellung arisierter Verlage und Buchhandlungen, Univ. Dipl.-Arb., Wien 2003, 125–128; Vierter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Wien, 10. November 2003, 15–17, URL: https://www.wienbibliothek.at/sites/defaul t/files/files/wien-restitutionsbericht-2003.pdf (abgerufen: 12. 11. 2020); Rüdiger Hachtmann, Das Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933–1945 (Geschichte und Gegenwart 3), Göttingen 2012, 343–354; WStLA, HRB – Registerakten: HRB 4990, Fasz. 193. 186 Firnberg nannte in diesem Zusammenhang die Bilanz- und Betriebsbuchhalterprüfung an der Handelskammer sowie die an der Universität abgehaltenen Vorbereitungskurse der Kammer der Steuerhelfer und Steuerberater als Vorbereitung auf die Prüfung als Steuerberater.
Politisches Verhalten
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– wiederum eigenen Worten zufolge – auch Teile der Herstellungsleitung und fungierte als Vertreterin des Verlagsdirektors.187 An die Tätigkeit im Verlag erinnerte sie sich stets gerne. Dass sie, wenn auch mit kaufmännischen Agenden betraut, im Wiener Weltmodenverlag mit Couturiers und Modefachleuten in Kontakt kam, machte ihr »großen Spaß«.188 Die Beschäftigung mit Mode in der NS-Zeit betrachtete sie 1983 »als eine Art Selbstverteidigung gegen Elend und Sorgen«.189 Ihr Interesse für Kleidung (mit einer Vorliebe für den Wiener Couturier Fred Adlmüller190) und Schmuck behielt sie sich ihr Leben lang bei191 und ist durch zahlreiche Fotografien dokumentiert. Diese demonstrieren nicht nur, wie wichtig ihr ein perfektes Äußeres war. Sie zeigen ebenso, dass Firnberg bereit war, dafür Geld auszugeben und dass sie dies nicht verstecken wollte. Das dominierende Bild der bescheidenen, sich optisch zurücknehmenden SPÖ-Funktionärin im dunklen Kostüm hat sie damit – durchaus mit der Absicht, den bürgerlichen Frauen einen neuen, selbstbewussten Frauentyp in der SPÖ entgegenzusetzen – durchbrochen.192 Der allmorgendliche Friseurbesuch auf dem Weg ins Ministerium war für sie ein fixer Bestandteil ihres Tagesablaufes als Wissenschaftsministerin ohne dessen Nennung noch heute kaum ein Portrait von Hertha Firnberg auskommt.
3.3. Politisches Verhalten Vorhandene Aussagen von Hertha Firnberg über das politische Verhalten während der NS-Zeit betreffen sowohl ihre Familie als auch sie selbst. So soll ihre Mutter Anna Firnberg, als man ihr das Mutterkreuz dafür verleihen wollte, dass sie vier Kinder geboren hatte, dieses mit den Worten »Ich hab meine Kinder für mich bekommen und nicht für den Führer« zurückgewiesen haben.193 Hertha Firnberg selbst soll – wie sie in ihrem bereits mehrfach zitierten Bewerbungsschreiben an die Arbeiterkammer für Niederösterreich festgehalten hat – »bereits im März 1938 wegen antinationalsozialistischer und judenfreundlicher Gesinnung einige Male bei der Ortsgruppe angezeigt« und »bis 1945 187 188 189 190
AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948. So leben sie alle Tage, in: Samstag, 1. 3. 1975. Besuch bei einer eleganten Dame, in: Kurier, 8. 10. 1983. Von Adlmüller ließ sich Firnberg jedes Jahr ein Kleid für den Opernball auf eigene Kosten machen. Ebenda und Mail von Dr. Wolf Frühauf an die Verfasserin vom 29. 5. 2022. 191 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019. 192 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 8. 9. 2020. 193 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 166; Hertha Firnberg, seit 1970 Ministerin der Regierung Kreisky, in: Basler Zeitung, 6. 6. 1981.
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mehrfach vorgeladen, bedroht, von der Gestapo überwacht und mit Haussuchungen belästigt« worden sein. Zudem soll sie zwei Genossen, Otto Tomschik und Marianne Brand, während der nationalsozialistischen Zeit »positive Hilfe gewährt« haben.194 Und auch ihr Wohnsitz in der Altdorferstraße soll – wie es in einem vom SPÖ-Bundesfrauenkomitee 1974 veröffentlichten Portrait hieß – ein Ort gewesen sein, an dem sich »in stiller Heimlichkeit […] politisch und rassisch Verfolgte« getroffen haben.195 Bestätigen (oder widerlegen) lassen sich diese Aussagen jedoch nicht. Eine aktive Rolle im Widerstand dürfte sie nach allen vorliegenden Informationen (Quellen, Literatur und Erinnerungen von Zeitzeug*innen) mit großer Sicherheit nicht gespielt haben.196 Und auch Otto Tomschik, zu dem im Gegensatz zu Marianne Brand Unterlagen zu einer politischen Einschätzung durch die NSStellen vorliegen, kann nicht als Verfolgter oder im Widerstand Aktiver bezeichnet werden. Ihm wurde aufgrund seiner sozialdemokratischen Vergangenheit nach dem »Anschluss« 1938 jedoch eine Beschäftigung als Vortragsredner im Rahmen der Volksbildung verwehrt, bis er sich beruflich umorientierte bzw. Inhaber und Geschäftsführer eines Geschäftes für Haus- und Küchengeräte wurde und seine Anfrage damit hinfällig war.197
194 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Beilage zum Bewerbungsschreiben vom 26. 5. 1948. 195 Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 16. 196 Auch im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes liegen keine Unterlagen vor, die in diese Richtung deuten. Mail vom Mag. Stephan Roth (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes) an die Verfasserin vom 19. 3. 2021. Ein »Gauakt«, der Auskunft über die politische Einschätzung durch die NS-Behörden geben könnte, liegt weder im Österreichischen Staatsarchiv noch im Wiener Stadt- und Landesarchiv vor. 197 ÖStA, AdR, ZNsZ, Gauakt 3.585 (Tomschik, Otto).
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Expertin in der Arbeiterkammer für Niederösterreich
4.1. Wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Wien und Mitarbeiterin im Werbewirtschaftlichen Institut Das Kriegsende erlebte Hertha Firnberg bei ihren Eltern in Niederrußbach, nachdem sie angesichts des Rückzugs der deutschen Truppen und dem Vormarsch der russischen Armee mit ihrer Schwester Trude dorthin marschiert war. Als sie nach Wien zurückkehrte, fanden die beiden Frauen ein geplündertes Haus vor. Nicht einmal »Wäsche zum Wechseln« war mehr da.198 In beruflicher Hinsicht war sie von September 1945 bis Mai 1946 als Bilanzbuchhalterin bei der Gemeinde Wien/Städtische Bestattung beschäftigt,199 was ihr – so Firnberg rückblickend – keine große Freude bereitete.200 Danach versuchte sie ein zweites Mal, eine akademische Karriere an der Universität Wien zu starten. Den Ausgangspunkt dafür stellte die 1946 erfolgte Reinstallierung des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte (zunächst unter seiner ursprünglichen Bezeichnung, später als Seminar für Wirtschafts- und Sozialgeschichte) dar, für die sich mit Erna Patzelt insbesondere die ehemalige Assistentin von Alfons Dopsch einsetzte. Patzelt war die erste Frau, die sich 1925 in Österreich für Geschichte, und zwar für Geschichte des Mittelalters und Wirtschaftsgeschichte, habilitierte. An der Universität Wien war sie seit 1922 in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen tätig: als wissenschaftliche Hilfskraft, außerordentlicher Assistent, ordentlicher Assistent und außerordentlicher Universitätsprofessor. Ab 1938, als ihr Dienstverhältnis endete, war Patzelt jedoch nur mehr über einzelne Lehraufträge und jährliche Diäten an die Universität gebunden. Nach 198 Firnberg: Trotz aller Wunden (Teil von: »Stehenbleiben oder ich schieße!« Erinnerungen an 1945), in: Wien aktuell 4 (1975) 13. 199 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben; Archiv Ing. Paul Firnberg, Aufstellung über Versicherungszeiten. Zur Tätigkeit bei der Gemeinde Wien ist weder ein Akt im Wiener Stadt- und Landearchiv noch bei der Stadt Wien erhalten. 200 Charme mit Krallen, in: Wochenpresse, 6. 7. 1970.
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Expertin in der Arbeiterkammer für Niederösterreich
Kriegsende nützte sie ein Machtvakuum bzw. den Umstand, dass sich alle vier ordentlichen Professoren des Historischen Instituts einem Entnazifizierungsverfahren stellen mussten und drei von ihnen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurden, um das ehemalige Dopsch-Seminar wieder zu etablieren. Patzelt selbst hatte zwar in den 1930er-Jahren ebenfalls ein Naheverhältnis zum Nationalsozialismus gehabt, sich später aber von diesem distanziert (und auch eine Aufnahme in die NSDAP abgelehnt), weshalb sie nun als »unbelastet« eingestuft wurde. Nach der erfolgreichen Wiedererrichtung des Seminars stand sie diesem zunächst als Oberassistentin (mit dem Titel eines außerordentlichen Professors), später (von 1955 bis zu ihrer krankheitsbedingten Pensionierung 1959) als außerordentlicher Professor auch vor.201 Hertha Firnberg war ab Mai 1946 im Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte als wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt und für die Neuaufstellung, Organisation und Ergänzung der ebenfalls 1937 aufgelösten Seminarsbibliothek in der kriegszerstörten Universität Wien zuständig.202 Wie sie später festhielt, bewarb sie sich nach einer Einladung von Erna Patzelt, die sie bereits während ihres Studiums kennen gelernt hatte, um die Stelle als Bibliothekarin. Die Möglichkeit, zu ihrem eigentlichen Studiengebiet zurückzukehren, sich hauptberuflich mit wissenschaftlichen und organisatorischen Fragen zu beschäftigen, eine wissenschaftliche Bibliothek selbständig zu leiten und auszubauen, ergriff sie »mit Freude«203 – auch wenn die Rahmenbedingungen nicht einfach waren. »Ich erinnere mich an die ersten Tage der bombengeschädigten Universität, als die Kollegen des wissenschaftlichen Personals gemeinsam mit den Studierenden in den ungeheizten Seminarräumen, eingehüllt in Decken, mit Wollfäustlingen, Stiefeln mit Holzsohlen in eisiger Kälte, nur gewärmt von einer Tasse Kräutertee, im strengen Winter am Aufbau der Bibliothek arbeiten, mit Eifer und Hingebung.«204
Gleichzeitig trat Firnberg, die sich während ihrer Beschäftigung an der Universität Wien im Bibliothekswesen weiterbildete, über Vermittlung von Patzelt auch eine Stelle bei Karl Skowronnek an, der für sein Werbewissenschaftliches Institut 201 Winkelbauer, Das Fach Geschichte an der Universität Wien, 264–269; Brigitte MazohlWallnig / Margret Friedrich, Patzelt, Erna, in: Brigitte Keintzel / Ilse Korotin (Hg.), Wissenschaftlerinnen aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, Wien/Köln/Weimar 2002, 555– 560; Anne-Katrin Kunde / Julia Richter, Erna Patzelt (1894–1987) und Lucie Varga (1904– 1941). Leben zwischen Kontinuität und Diskontinuität, in: Karel Hruza (Hg.), Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 3, Wien/Köln/Weimar 2019, 405–438. 202 UAW, Personalakt Firnberg-Hon, Hertha, Personalakt Krist, Hertha; ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Krist-Firnberg, Hertha (vormals Hon-Firnberg). 203 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948. 204 Hertha Firnberg, Ohne Titel, in: Fritz Bock / Dies. / Wilfried Gredler, Österreich zuliebe. Der Staat, den alle wollten, Wien/Hamburg 1985, 94f.
An der Universität Wien und im Werbewirtschaftlichen Institut
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eine Wirtschaftshistorikerin suchte.205 Bei Skowronnek, der sich parallel zur Führung des genannten außeruniversitären Instituts eine Karriere an der Hochschule für Welthandel aufbaute, die ihn bis ins Rektorat führte,206 zählten (ebenfalls ab Mai 1946) der Aufbau einer werbewissenschaftlichen Bibliothek sowie eines entsprechenden Archivs, Befragungsanalysen und die Mitarbeit an Vorträgen und Publikationen zu Firnbergs Aufgaben. So hatte sie etwa die von Skowronnek herausgegebene »Werbewirtschaftliche Schriftenreihe« redaktionell zu betreuen, in der auch zwei Studien von ihr zum Thema »Frühformen der Werbung« und »Werbung und Verbraucher« (gemeinsam mit Skowronnek) geplant waren, aber schlussendlich nicht erschienen sein dürften.207 Jedenfalls finden sich diese in keinem Bibliothekskatalog, und auch die gemeinsam mit Skowronnek vorgesehene Publikation fehlt in seinem Schriftenverzeichnis.208 Im Juli 1947, gleichzeitig mit ihrer zweiten Verehelichung, kündigte Firnberg diese Stelle jedoch wieder.209 Hertha Firnberg heiratete am 15. Juli 1947 den 1901 geborenen Bundesbeamten Josef Hugo Maria Krist, der in den Jahren nach 1945 erst in der Staatskanzlei (Heereswesen), dann im Bundeskanzleramt und bei der Finanzlandesdirektion sowie schließlich im Amt für Landesverteidigung beschäftigt war. Die Verbindung wurde jedoch bereits nach nicht einmal zwei Jahren im Mai 1949 auf Betreiben von Josef Hugo Maria Krist wieder geschieden, da Firnberg die Fortführung der ehelichen Gemeinschaft verweigert hatte. Laut Scheidungsakt war ihr Mann »sehr jähzornig« gewesen und hatte wiederholt »Streit vom Zaun« gebrochen. Anwaltlich vertreten wurde sie dabei von Otto Tschadek,210 den Firnberg seit der gemeinsamen Zeit bei den Sozialistischen Studenten kannte. Tschadek hatte – wie bereits genannt – noch in den 1930er-Jahren die Laufbahn eines Anwalts eingeschlagen. 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen, übte ab 1941 die Funktion eines Marinerichters in Kiel aus, war dort 1945/1946 kommissarischer Oberbürgermeister und ließ sich nach seiner Rückkehr nach 205 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948. 206 Vgl. zu Skowronnek u. a.: WWG Informationen, 25. 3. 1972, Folge 50 (o. Professor Dr. Karl Skowronnek zum 70. Geburtstag). 207 Marlen Schachinger schreibt in ihrer Biografie über Firnberg, dass diese beiden Studien als Band 3 der Schriftenreihe erschienen sind. Dieser beschäftigte sich jedoch mit dem Thema »Theater und Werbung«. Vgl.: Schachinger, Hertha Firnberg, 50; Alfred Ibach / Hans Weigel / Karl Skowronnek, Theater und Werbung. Eine Diskussion (Werbewirtschaftliche Schriftenreihe 3), Wien 1947. 208 WWG Informationen, 25. 3. 1972, Folge 50 (o. Professor Dr. Karl Skowronnek zum 70. Geburtstag), 34. 209 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948; WStLA, MA 350, A 13 – Dr. Karl-Renner-Stiftung, Förderungspreise: Förderungspreis 1955; Archiv Ing. Paul Firnberg, Aufstellung über Versicherungszeiten, Ersatzkarte für das Arbeitsbuch. 210 ÖStA, AdR, BMLV, Personalakt Krist, Josef; WStLA, Landesgericht f. Zivilrechtssachen, A24Cg: Nc – Streitsachen; Außerstreitsachen: 6 Cg 138/49.
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Österreich wiederum als Anwalt nieder. Später amtierte er von 1949 bis 1952 als Justizminister und von 1960 bis 1969 als Landeshauptmann-Stellvertreter in Niederösterreich.211 Maßgeblich für die Aufgabe der Stelle bei Skowronnek war zudem, dass Firnberg am Seminar die Position einer wissenschaftlichen Assistentin in Aussicht gestellt worden war. Eine solche soll sie – nach eigenen Angaben, nicht jedoch ihrem Personalakt zufolge – auch ab Januar 1948 unter gleichzeitiger Leitung der Bibliothek »verwaltet« haben. Und als Patzelt einen Teil des Wintersemesters 1947/1948 in den USA verbrachte, soll sie – wiederum nach eigenen Aussagen und vom späteren Staatsarchiv-Direktor Rudolf Neck erinnert,212 offiziell aber nicht genehmigt213 – auch die Abhaltung von Seminarübungen übernommen haben.214 Eine wirkliche Perspektive dürfte Firnberg, die selbst einmal von einem »aussichtlosen Beginnen« sprach,215 trotz der schriftlich erhaltenen Verlängerung ihrer Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft bis 14. Mai 1949 jedoch nicht gesehen haben.216
4.2. Tätigkeit in der Arbeiterkammer für Niederösterreich Vielmehr bemühte sie sich – laut einem Medienbericht – zunächst bei der Arbeiterkammer für Wien um eine Stelle.217 Nachdem dies erfolglos blieb und sie von Eduard Stark, dem sozialpolitischen Referenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), von der geplanten Einrichtung eines Bildungs- und Bibliotheksreferats bei der im Aufbau befindlichen Arbeiterkammer für Niederösterreich erfahren hatte, bewarb sie sich Ende Mai 1948 um diese Aufgabe. Stark, den Firnberg ebenso wie Otto Tschadek, Erna Patzelt und Karl Skow211 Vgl. zu Tschadek als Marine-Richter und von ihm unterzeichneten Todesurteilen: Thomas Geldmacher, Der gute Mensch von Kiel? Marinerichter Otto Tschadek (1904–1969), in: Ders. / Magnus Koch / Hannes Metzler / Peter Pirker / Lisa Rettl (Hg.), »Da machen wir nicht mehr mit …« Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Wien 2010, 215–227; Christa Zöchling, Die gefälschte Biografie, in: Profil 36 (2010) 30–33; ExJustizminister Tschadek war ein »Blutrichter«, in: Der Standard, 4./5. 9. 2010. 212 Rudolf Neck, Alfons Dopsch und seine Schule, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 380. 213 Von Seiten der Fakultät wurde dies untersagt, Hertha Firnberg aber gestattet, die bereits zugeteilten Referate weiter zu betreuen, damit die Übungen nach der Rückkehr von Patzelt rasch »wieder aufgenommen werden können.« Vgl.: UAW, Personalakt Patzelt, Erna. 214 Auch im Vorlesungsverzeichnis scheint sie nicht auf. Vgl.: AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948. 215 ORF-Archiv, Das politische Portrait, ausgestrahlt am 21. 11. 1970, Produktionsnummer 1970102116. 216 ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Krist-Firnberg, Hertha (vormals Hon-Firnberg). 217 Charme mit Krallen, in: Wochenpresse, 8. 7. 1970.
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ronnek als Referenzen nannte, kannte sie vermutlich seit ihrer Mitgliedschaft beim Verband sozialistischer Studenten, wo dieser die »Sozialistisch-Akademische Rundschau« betreut hatte. Als Zeug*innen für ihre antinationalsozialistische Haltung führte sie neben Otto Tomschik und Marianne Brand wiederum Otto Tschadek, aber auch Ernst Glaser an, den sie seit ihrer Zeit bei den Sozialistischen Mittelschülern kannte und der damals im Stadtschulrat beschäftigt war.218 Da diese Bewerbung im Gegensatz zu jener bei der Arbeiterkammer Wien erfolgreich war, kündigte sie ihre Stelle an der Universität Wien und trat in den Dienst der Arbeiterkammer für Niederösterreich ein, wo sie von 1. September 1948 bis zu ihrer Pensionierung mit 30. September 1969 blieb.219 Hertha Firnberg ergriff damit die Möglichkeit, in einem wissenschaftsnahen Bereich zu arbeiten, da die Arbeiterkammern seit Beginn an nicht nur den Auftrag hatten, die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Arbeiter*innen und Angestellten zu vertreten, sondern hierfür auch die nötige Grundlagenarbeit zu leisten. Die von der Arbeiterbewegung getragene Forderung, Arbeiterkammern als gesetzliche Interessensvertretung der Arbeitnehmer*innen einzurichten, tauchte zwar bereits im 19. Jahrhundert auf. Sie konnte aber erst nach dem Ersten Weltkrieg durchgesetzt werden und war Teil einer Reihe sozialpolitischer Errungenschaften unter Sozialminister Ferdinand Hanusch. Als das Gesetz über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte am 26. Februar 1920 verabschiedet wurde, hielt dieses als zukünftiges Aufgabengebiet nicht nur die Erstattung von Gutachten und Vorschlägen an die Behörden und gesetzgebenden Körperschaften, insbesondere im Zuge der Begutachtung von Gesetzesvorschlägen, fest. Es nannte auch die »Arbeitsstatistik« und die »Vornahme von Erhebungen über die wirtschaftliche und soziale Lage der Arbeiter und Angestellten« als Tätigkeitsfelder.220 In Folge wurden in Wien und den Bundesländern, nicht aber in Niederösterreich und dem Burgenland, die zu Wien ressortierten, Arbeiterkammern als Selbstverwaltungskörper eingerichtet. Diese bestanden in dieser Form bis 1934, wurden dann ihrer Selbstverwaltung beraubt und in den staatlich kontrollierten »Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten« eingegliedert und nach dem »Anschluss« 1938 schließlich völlig liquidiert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Arbeiterkammern 218 Laut seinem »Gauakt« im Österreichischen Staatsarchiv bewarb sich Glaser nach dem »Anschluss« um eine Aufnahme in die NSDAP. Sein Aufnahmegesuch wurde jedoch bis zur Lockerung der Mitgliedssperre zurückgestellt. Vgl.: VGA, Personenarchiv, Mappe Glaser, Ernst; ÖStA, AdR, ZNsZ, Gauakt 222.354 (Glaser, Ernst). 219 AKNÖ, Personalakt Firnberg, Hertha, Bewerbungsschreiben vom 27. 5. 1948; ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Krist-Firnberg, Hertha (vormals Hon-Firnberg). 220 Gesetz vom 26. Februar 1920 über die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammern), StGBl. 100/1920.
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bereits am 20. Juli 1945 wieder mit demokratischer Selbstverwaltung installiert, wobei bis auf wenige Änderungen an das Gesetz von 1920 angeknüpft wurde. Die Grundlagenarbeit bzw. die Mitwirkung an wirtschafts- und sozialstatistischen bzw. -wissenschaftlichen Erhebungen oder deren selbständige Durchführung wurde dabei weiter betont.221 Wie bereits in der Ersten Republik stellten die Arbeiterkammern damit auch nach 1945 einen wichtigen Think-Tank für die Sozialdemokratische Partei dar und boten zahlreichen Akademiker*innen, die im bestehenden Wissenschaftssystem keine Aussichten auf eine Betätigung hatten, einen Raum für eine semiakademische Tätigkeit. Beispiele dafür sind etwa die Sozialwissenschaftlerin Käthe Leichter, die ab 1925 ein Referat für Frauenarbeit bei der Arbeiterkammer für Wien aufbaute und 1942 im KZ Ravensbrück ermordet wurde,222 oder die Ökonom*innen Eduard März, Philipp Rieger, Stefan Wirlander, Theodor Prager und Maria Szecsi, die nach 1945 in der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer Wien tätig waren.223 Für Niederösterreich bestand 1945 zunächst keine eigene Arbeiterkammer. Nach der Wiedererrichtung der Arbeiterkammern existierte nur eine gemeinsame Kammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Eigene Arbeiterkammern wurden in Niederösterreich und dem Burgenland erst 1948 eingerichtet, nachdem dies von der Vollversammlung der Wiener Kammer im Frühjahr 1947 beschlossen worden war. Maßgeblich für die Etablierung einer eigenen Kammer für Niederösterreich war u. a., dass für dieses Bundesland eigene Handels- und Gewerbekammern eingerichtet wurden. Die Installierung erfolgte rasch. Am 22. Mai 1947 tagte bereits die 1. Vollversammlung der Landesgruppe Niederösterreich und bestellte Josef Fuchs zu ihrem Vorsitzenden, im Frühjahr 1948 waren bereits 17 Amtsstellen existent. Anfang Oktober 1948 fand schließlich die konstituierende Sitzung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich statt, im Oktober 1949 folgten die ersten freien Wahlen zur Kammervollversammlung. Untergebracht war die neue Kammer über viele Jahrzehnte zunächst weiterhin in Wien: in den Räumen der Wiener Arbeiter221 Zu einer Neufassung kam es erst 1954, der 1992 eine umfassende Reform in Folge der »Kammerkrise« der 1990er-Jahre folgte, in der u. a. die bisher vor allem bei den Gewerkschaften liegende Service-Tätigkeit (etwa Rechtsauskunft) ausgebaut wurde. Vgl.: Bundesgesetz vom 19. Mai 1954 über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und den Österreichischen Arbeiterkammertag (Arbeiterkammergesetz – AKG), BGBl. 105/1954; Bundesgesetz über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammergesetz 1992 – AKG), BGBl. 626/1991. 222 Vgl. zu Käthe Leichter u. a.: Veronika Duma, Engagierte Wissenschaft. Die Sozialwissenschafterin Käthe Leichter, in: Andreas Kranebitter / Christoph Reinprecht (Hg.), Die Soziologie und der Nationalsozialismus in Österreich, Bielefeld 2019, 328–342. 223 Vgl. hierzu: Günther Chaloupek, Ein think tank für die Arbeiterbewegung. Die Wirtschaftswissenschaftliche Abteilung der AK Wien in ihren ersten zwei Jahrzehnten, in: Wirtschaft und Gesellschaft 4 (2017) 587–619.
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kammer in der Ebendorferstraße, dann in der Wipplingerstraße sowie ab 1972 in der Windmühlgasse. Die Verlegung nach Niederösterreich bzw. St. Pölten erfolgte erst 2011.224 Zu Hertha Firnbergs Aufgaben in der Arbeiterkammer für Niederösterreich zählten der Aufbau einer statistischen Abteilung und einer Studienbibliothek sowie deren Leitungen. Die für den Aufbau der Statistikabteilung erforderlichen Kenntnisse erwarb Firnberg, die nie ein reguläres Statistik-Studium abschloss, im Rahmen eines »Schnellsiedekurses« bei Wilhelm Winkler an der Universität Wien.225 Später steuerte sie für den von ihm 1962 herausgegebenen Band über Österreichs Wirtschaftsstruktur auch einen ihrer umfangreichsten Texte über »Wesen und Wandel der Sozialschichtung Österreichs« bei.226 Erfahrungen im Bibliothekswesen brachte sie aufgrund ihrer Tätigkeit an der Universität Wien am Seminar für Wirtschafts- und Kulturgeschichte mit. Die von ihr betreute und ab 1955 offiziell geleitete Studienbibliothek wuchs bis Ende 1969 auf 3.469 Werke mit 12.966 Bänden an und stellte eine wichtige Infrastrukturmaßnahme dar. Die statistische Abteilung hatte – so Josef Pleyl, der von 1953 bis 1964 als Kammeramtsdirektor der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich fungierte – insofern eine besondere Bedeutung, als zu Niederösterreich (zunächst) nur wenig statistische Daten vorhanden waren: »Schon zu Zeiten, als die Arbeiterbewegung noch sehr klein war, war es selbstverständlich, Statistik zu betreiben. Die eigene Tätigkeit wollte man doch ständig unter Kontrolle halten, und man wollte auch nicht im luftleeren Raum agieren. […] Weit wichtiger war jedoch die Tatsache, dass über das wirkliche soziale Leben Niederösterreichs wenig brauchbare Untersuchungen vorhanden waren. Es war daher für die niederösterreichische Kammer selbstverständlich, dass sie ausreichende Unterlagen über das Land und seine Bewohner, weiters über die wirtschaftlichen Grundlagen, über Beschäftigung, Entlohnung und Konsumgewohnheiten der Arbeitnehmerschaft bekommen wollte. Man konnte ja nicht ohne ausreichende Kenntnisse der Umstände zu Verhandlungen und Beratungen kommen.«227 224 Vgl. zur Arbeiterkammer Niederösterreich: Hans Litschauer (Bearb.), Eine Dokumentation zum 30jährigen Bestand der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, Wiener Neustadt 1978; Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich (Hg.) / Maria Mesner / Helge Zoitl (Verf.), 40 Jahre AKNÖ, Katalog zur Ausstellung, Wien 1988; AK Niederösterreich (Hg.), 70 Jahre am Puls der Zeit, Sankt Pölten 2018. 225 Diese Informationen entstammen einem Interview, das Alexander Pinwinkler mit Adolf Adam am 21. 12. 2000 führte. Adam war ab 1947 wissenschaftliche Hilfskraft bei Wilhelm Winkler. Vgl.: Alexander Pinwinkler, Wilhelm Winkler (1884–1984) – eine Biographie, Berlin 2003, 399. 226 Hertha Firnberg, Wesen und Wandel der Sozialschichtung Österreichs, in: Wilhelm Weber (Hg.), Österreichs Wirtschaftsstruktur. Gestern – Heute – Morgen, Band 2, Berlin 1961, 839– 976. 227 Josef Pleyl, Dr. Firnberg: Die Statistikerin, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 31.
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Abb. 4: Hertha Firnberg 1959
Zu den Arbeiten der Abteilung gehörte es, sowohl fremde Erhebungen für den eigenen Gebrauch zu bearbeiten als auch eigene Untersuchungen durchzuführen, um ein möglichst umfassendes Bild der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Arbeiter und Angestellten Niederösterreichs zu erhalten und vermitteln zu können. Themenbereiche, die regelmäßig im Zuge der sozialstatistischen Erhebungen bearbeitet wurden, waren die Betriebs- und Beschäftigtenlage, Löhne, Preise und Kollektivverträge, Arbeitskonflikte, Betriebsratswahlen, Lebenshaltungskosten, Ernährung und Haushalte sowie die Verbrauchsstatistik. Hinzu kamen Sondererhebungen – wie etwa zur Jugendlichenbeschäftigung, zu den Sozialaufwendungen in niederösterreichischen Betrieben, zur Berufslaufbahn niederösterreichischer Arbeiter oder der sozialen Herkunft der niederösterreichischen Studierenden an Wiener Hochschulen. Die Arbeitsergebnisse der sozialstatistischen Abteilung fanden nicht nur regelmäßig an prominenter Stelle in die Tätigkeitsberichte bzw. ab 1953 in die Jahrbücher der Arbeiterkammer für Niederösterreich unter dem Titel »Der Alltag in Zahlen« Eingang. Sie wurden auch im Rahmen eigener Publikationsreihen veröffentlicht. Diese waren ab 1949 das Mitteilungsblatt »Statistische Informationen« und ab 1950 die Schriftenreihe »Der niederösterreichische Arbeiter. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsstruktur Niederösterreichs in Vergangenheit und Gegenwart«. Hinzu kam die Ausarbeitung von Industriekarten
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im Rahmen des »Atlas von Niederösterreich« (hg. von der Kommission für Raumforschung und Wiederaufbau der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).228 Hierbei wurden sowohl im Rahmen der Schriftenreihe als auch der Industriekarten wiederholt historische Aspekte aufgegriffen, was Firnberg erlaubte, ihrer »Vorliebe für Geschichte zu frönen« bzw. die Geschichte mit der Statistik zu verbinden.229 Unter ihrem Namen erschienen u. a. die Studien »Die soziale Herkunft der niederösterreichischen Studierenden an Wiener Hochschulen« (1951) oder »Berufslaufbahn und Berufsschicksale niederösterreichsicher Arbeiter« (1954).230 Wie Hertha Firnberg 1970 betonte, führte sie damit eine Reihe von Untersuchungen durch, die weit über das hinausgingen, was »sozusagen Pflichtübung« war.231 Dies schlug sich nicht nur darin nieder, dass die Statistikabteilung der Niederösterreichischen Arbeiterkammer zuweilen als »Strafabteilung« bezeichnet wurde, da hier mehr gearbeitet und weniger getratscht wurde als in anderen Abteilungen.232 Es trug auch dazu bei, dass sich Firnberg zu einer namhaften Expertin auf dem Gebiet der Sozialstatistik entwickelte, die an die Universität233 und zu zahlreichen Enqueten sowie Tagungen eingeladen und Mitglied in verschiedenen Fachausschüssen wurde. So wurde sie etwa in die Brotpreiskommission delegiert,234 die sich mit der Entwicklung des Verbraucherpreises für Brot beschäftigte, und Mitglied in den Fachausschüssen für Bevölkerungsstatistik, Sozialstatistik und für die Statistik des Außenhandels am Österreichischen Statistischen Zentralamt. Gleichfalls nahm sie 1952 über Vorschlag des Österreichischen Arbeiterkammertages als Teil der Arbeitsgruppe »Sozialpolitik und Arbeitsstatistik« auch an einer dreimonatigen Studienreise in die USA teil, die im Rahmen des Austauschprogrammes des State Departments für »Austrian Leaders and Specialists«
228 Vgl. hierzu: Ebenda, 29–38; Tätigkeitsberichte und Jahrbücher der Arbeiterkammer für Niederösterreich 1948–1969; WStLA, MA 350, A 13 – Dr. Karl-Renner-Stiftung, Förderungspreise: Förderungspreis 1955, Lebenslauf von Hertha Firnberg vom 12. 7. 1955; Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg. 229 Bernold/Blimlinger/Ellmeier, Hertha Firnberg, 27f. 230 Hertha Firnberg / Gustav Otruba, Die soziale Herkunft der niederösterreichischen Studierenden an Wiener Hochschulen (Der niederösterreichische Arbeiter 3), Wien 1951; Hertha Firnberg, Berufslaufbahn und Berufsschicksale niederösterreichischer Arbeiter (Der niederösterreichische Arbeiter 4/Untersuchungen über Berufsprobleme der niederösterreichischen Arbeiterschaft in Gegenwart und Vergangenheit 3), Wien 1954. 231 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 232 Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 34. 233 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. 234 Firnberg, Österreich zuliebe, 103.
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organisiert wurde.235 Vorrangiges Ziel des Programmes, das um 1950 in Österreich anlief, war es, Opinion Leader und Personen, von denen angenommen wurde, dass sie später zu dieser Gruppe gehören würden, als Multiplikatoren für die Politik der USA zu gewinnen. Die Reise in die USA sollte daher – wie bei anderen Austauschprogrammen – nicht nur der fachlichen Weiterbildung dienen. Sie sollte auch zu einer weltanschaulich-politischen »Immunisierung« gegen jede Form antiamerikanischer Aggression und zu einer antikommunistischen Abwehr beitragen. Teilnehmer*innen am Programm waren Führungskräfte aus der Politik, den Gewerkschaften, den Kammern und den Jugendorganisationen sowie in einem geringen Maß Wissenschaftler*innen bzw. Universitätsangehörige. Unter den rund 500 bis 600 Österreicher*innen, die auf diesem Weg nach Amerika kamen, befand sich jedoch nur ein geringer Anteil Frauen.
Abb. 5: Hertha Firnberg und Viktor Kleiner in den USA 1952
Einer, der gemeinsam mit Firnberg in die USA reiste, war der aus der Arbeiterkammer für Oberösterreich stammende spätere Nationalratsabgeordnete Viktor Kleiner. Wie sich seine Tochter, die nachmalige Bundesratspräsidentin Anna Elisabeth Haselbach, erinnert, die über viele Jahre im Büro von Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg arbeitete, diente die USA-Reise vor allem dem Kontakt mit Gewerkschaften bzw. Arbeitervertretungen. Es wurden aber auch 235 WStLA, MA 350, A 13 – Dr. Karl-Renner-Stiftung, Förderungspreise: Förderungspreis 1955, Lebenslauf von Hertha Firnberg vom 12. 7. 1955.
Publikations- und Vortragstätigkeit sowie im Institut für Wissenschaft und Kunst
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die großen Städte (so Chicago) und Naturschönheiten besichtigt und die Gelegenheit genutzt, Emigrant*innen zu besuchen – wie etwa die Familie [Ernst und Helene, Anm. MW] Papanek in New York.236 Generell war das Programm nicht zu dicht angelegt, damit genug Zeit für kulturelle und soziale Aktivitäten blieb, wobei auf Wunsch der Teilnehmer*innen oftmals nicht nur eine Besichtigung der Städte erfolgte, sondern ebenso kleinere und ländliche Gemeinden besucht wurden.237
4.3. Publikations- und Vortragstätigkeit sowie Mitarbeit im Institut für Wissenschaft und Kunst Zu den genannten Studien und Publikationen kommen mehrere Beiträge hinzu, die Firnberg ab den 1950er-Jahren in verschiedenen Periodika veröffentlichte: der von den Gewerkschaften und der Arbeiterkammer gegründeten Zeitschrift »Arbeit und Wirtschaft«, dem »Sozialistischen Akademiker« als Periodikum des Bundes Sozialistischer Akademiker (BSA), der »Zukunft« als dem theoretischen Organ der SPÖ und »Die Frau« als Stimme der sozialdemokratischen Frauenorganisation. Weiteres beschäftigte sie sich in einer eigenen, 1954 erschienen Monographie mit dem Titel »Inventur im Kleiderkasten« im Auftrag des Frauenreferats des ÖGB mit dem Bestand und dem Bedarf an Kleidung und Wäsche in Wiener Arbeiterhaushalten.238 Ausschlaggebend für die Durchführung der Studie waren die hohe Arbeitslosigkeit im Textilbereich und die auffällig hohen Preise für Textilwaren gewesen. Eine Geschichte der Damenbekleidung zu schreiben, wäre für Firnberg – wie sie in einem Interview 1993 ausführte – nach der Dissertation ein Wunschprojekt gewesen.239 Mit der genannten Studie konnte sie sich dem Thema zumindest ein Stück weit annähern. 1967 legte sie gemeinsam mit Ludwig Siegfried Rutschka in der vom ÖGB herausgegebenen Reihe »Aktuelle Probleme unserer Zeit« mit »Die Frau in 236 Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019. Ein Bericht von Firnberg zur Reise liegt leider nicht vor. Entsprechende Anfragen im Österreichischen Staatsarchiv und im Institut für Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsgeschichte an der Arbeiterkammer Wien (heute: Institut für Historische Sozialforschung) blieben ergebnislos. 237 Vgl. zum Programm: Reinhold Wagnleitner, Coca-Colanisation und Kalter Krieg. Die Kulturmission der USA in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 52), Wien 1991, 187–206; Christian H. Stifter, Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration. US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941–1977, Wien/Köln/Weimar 2014, insb. 548–653. 238 Hertha Firnberg, Inventur im Kleiderkasten. Erhebung über Bestand u. Bedarf an Bekleidung u. Wäsche in Wiener Arbeitnehmerhaushalten, Wien 1954. 239 Bernold/Blimlinger/Ellmeier, Hertha Firnberg, 24.
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Österreich« eine umfassende Darstellung über die Stellung der Frau im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben vor. Damit publizierte sie – acht Jahre bevor ein solcher 1975 von Seiten der Regierung im ersten »Internationalen Jahr der Frau« folgte – eine Art ersten Frauenbericht.240 Weitere Arbeiten mit Rutschka entstanden etwa in der Reihe »Der niederösterreichische Arbeiter« zum Thema »Betreuung alter Menschen«241 oder im Kontext des Instituts für Wissenschaft und Kunst. Rutschka (1904–1970) war nach 1945 erst im Österreichischen Statistischen Zentralamt tätig, leitete dort die erste Nachkriegsvolkszählung 1951 und fungierte ab 1958 als Leiter des Statistischen Amts der Stadt Wien.242 Zudem unterrichtete er an der Fürsorgeschule der Stadt Wien, was auch Hertha Firnberg ab 1952 im Fach Sozialstatistik tat.243 Für Firnberg war er somit ein Kollege, mit dem sie intensiv und in unterschiedlichen Kontexten zusammenarbeitete. Vor allem war Rutschka bis zu seinem Tod aber auch ihr Lebensgefährte, wenngleich sie die Beziehung nie öffentlich machte bzw. immer diskret behandelte.244 Neben ihrer Publikationstätigkeit war Firnberg als Vortragende im Bereich der Kammern, Gewerkschaften und Volkshochschulen tätig.245 So sind allein in der Datenbank des Österreichischen Volkshochschularchivs für den Zeitraum 1961 bis 1968 17 Vorträge in verschiedenen Wiener Volkshochschulen dokumentiert, in denen sich Firnberg vor allem mit aktuellen Fragen der Volkswirtschaft, aber auch mit der Geschichte des Bezirks Favoritens, dem Bauernstand oder der Frau in der modernen Gesellschaft beschäftigte.246 Im bereits genannten Institut für Wissenschaft und Kunst war sie ab 1950 als Referentin aktiv. Dieses war 1946 von sozialistischer Seite, anfangs auch unter kommunistischer Beteiligung, auf Initiative des Nationalratsabgeordneten und geschäftsführenden Präsidenten des Wiener Stadtschulrats Leopold Zechner sowie des späteren Justizministers Christan Broda mit mehreren Zielsetzungen gegründet worden: Zum einen sollte es zu einem geistigen und kulturellen Wiederaufbau Österreichs nach der austrofaschistischen und nationalsozialistischen Diktatur und den Jahren der wissenschaftlichen Abgeschlossenheit bei240 Hertha Firnberg / Ludwig Siegfried Rutschka, Die Frau in Österreich, Wien 1967. 241 Hertha Firnberg / Ludwig Siegfried Rutschka, Betreuung alter Menschen. Österreichischer Städtebund, Wien 1964. 242 Vgl. zu Rutschka: Gudrun Exner unter Mitarbeit von Peter Schimany, Bevölkerungsstatistik und Bevölkerungswissenschaft 1938–1955, Wien/Köln/Weimar 2007, 182–184. 243 Parlamentsarchiv, Lebenslauf von Hertha Firnberg, 1975. 244 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Schachinger, Hertha Firnberg, 54f. 245 WStLA, MA 350, A 13 – Dr. Karl-Renner-Stiftung, Förderungspreise: Förderungspreis 1955, Lebenslauf von Hertha Firnberg vom 12. 7. 1955. 246 Mail von Dr. Christian H. Stifter (Österreichisches Volkshochschularchiv) an die Verfasserin vom 9. 4. 2019.
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tragen. Zum anderen sollte das Institut – ähnlich wie das Europäische Forum Alpbach, das 1945 durch bürgerliche Exponenten gegründet worden war247 – als eine Art Gegenprogramm zum herrschenden Wissenschaftsbetrieb fungieren und Aufgaben in der Forschung und Lehre übernehmen, die andernorts nicht geleistet wurden. Nicht zuletzt sollte es aber auch dazu dienen, jene politisch noch nicht festgelegten intellektuellen »Zwischenschichten«, die der Partei schon nahestanden, (endgültig) für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Neben Vorträgen und Vortragsreihen standen deshalb Arbeitsgemeinschaften, über einen längeren Zeitraum angelegte Forschungsgemeinschaften und ein internationaler Austausch auf dem Programm.248 Historisch bedeutsam ist das Institut zudem, weil es eine der ersten Einrichtungen war, die 1948 im Rahmen einer Enquete im Wiener Rathaus auf die Notlage der Forschung in Österreich aufmerksam machte.249 Vorträge, die Hertha Firnberg am Institut für Wissenschaft und Kunst hielt, behandelten etwa die Themen »Berufe und Löhne« (1950)250 oder »Zur Frage der Einkommensverhältnisse der Familien und Einzelpersonen in Wien« (1955).251 Darüber hinaus leitete sie von 1953 bis 1966 die sozialstatistische Arbeitsgemeinschaft im Rahmen der 1950 gegründeten Forschungsgemeinschaft für Großstadtprobleme. Das Ziel der Forschungsgemeinschaft war es, jene Probleme zu untersuchen, die sich aus den besonderen Lebensbedingungen der Großstadt für das Leben und die Arbeit ihrer Bewohner*innen ergaben. Eingerichtet wurde sie aufgrund einer Initiative des Zoologen Wilhelm Marinelli, der nach Leopold Zechner von 1964 bis 1973 auch als zweiter Präsident des Instituts fungierte, mit einer besonderen Unterstützung durch den Wiener Stadtrat für Kultur und Volksbildung Hans Mandl.252 Wie ein Bericht aus dem Jahr 1957 zeigt, wurden in 247 Vgl.: Maria Wirth, Ein Fenster zur Welt. Das Europäische Forum Alpbach 1945–2015. Von »Internationalen Hochschulwochen« zur Plattform für Dialog und Ideenfindung, Innsbruck/Wien/Bozen 2015. 248 VGA, Nachlass Marianne Pollak, 5/12, Bericht über das Institut für Wissenschaft und Kunst von Nationalrat Leopold Zechner an Marianne Pollak vom 19. 6. 1947; O. A., Zur Geschichte des Instituts für Wissenschaft und Kunst (IWK) unter besonderer Berücksichtigung der Gründungsphase des Instituts, Wien, o. J., URL: https://www.iwk.ac.at/institut/geschichte /geschichte-des-iwk_langfassung-2 (abgerufen: 1. 10. 2019); Friedrich Stadler, 40 Jahre Institut für Wissenschaft und Kunst 1946–1986. 40 Jahre fortschrittliche Bildungsarbeit, in: iwk Mitteilungen 3 (1986) 66–77. 249 Vgl.: Denkschrift auf Grund der Enquete über die Lage des wissenschaftlichen Lebens in Österreich, abgehalten im Festsaale des Neuen Wiener Rathauses am 4. November 1948, URL: https://www.iwk.ac.at/wp-content/uploads/2014/02/Denkschrift_1948.pdf (abgerufen: 1. 10. 2019). 250 Vorträge im Mai 1950, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 5 (1950) 1. 251 Mai-Juni-Programm 1955, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 3 (1955) 2. 252 Stadler, 40 Jahre Institut für Wissenschaft und Kunst 1946–1986, 67.
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der Forschungsgemeinschaft Arbeitsgruppen zu den Themenkreisen Biologie, Bioklimatologie, Soziologie, Sozialmedizin, Sozialgeschichte der Arbeiterschaft, Sozialstatistik und Stadtgeographie eingerichtet.253 Dabei machte es sich die sozialstatistische Gruppe zur Aufgabe, die »vielfältigen Erscheinungsformen des Lebens der Wiener Bevölkerung« und »die sozio-ökonomische Struktur der Großstadt Wien im objektiven Spiegel der Zahlen« wiederzugeben. Dafür wurden – ähnlich wie in der Arbeiterkammer für Niederösterreich – bereits vorhandene statistische Quellen bearbeitet und interpretiert sowie eigene statistische Untersuchungen durchgeführt. Es wurde aber auch eng mit der sozialgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft zusammengearbeitet, um historische Vergleiche ziehen zu können.254 Eine weitere Arbeitsgruppe, in der Firnberg (außerhalb der Forschungsgemeinschaft für Großstadtprobleme) aktiv war, stellte die Arbeitsgruppe »Der jugendliche Arbeitnehmer« dar. Hier übernahm sie zumindest zeitweise die Leitung255 und beteiligte sich an der 1957 erschienenen Publikation »Die Jugend in Österreich«.256 Für die Festschrift zum 20-jährigen Bestehen des Instituts für Wissenschaft und Kunst im Jahr 1966 steuerten sie und Ludwig Siegfried Rutschka einen Beitrag zu »Die Frau in der Wirtschaft von heute« bei.257 Arbeitsgebiete der sozialstatistischen Arbeitsgemeinschaft waren bis dahin u. a. die Frauenarbeit in Wien, das Familieneinkommen in Wiener Haushalten, die Winterarbeitslosigkeit sowie die von Berufspendler*innen benützten Beförderungsmittel.258 Im Kuratorium des Instituts für Wissenschaft und Kunst war Firnberg von 1953 bis in die frühen 1980er-Jahre vertreten.259 Sie zog damit in dieses ein, als sich das Institut in einer finanziell schwierigen Phase befand. Gleichzeitig nahm
253 Institut für Wissenschaft und Kunst (Hg.), Die Großstadt Wien als Lebensstätte der Wiener. Ein Arbeitsbericht der Forschungsgemeinschaft für Großstadtprobleme im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien 1957. 254 Vgl. zu den bearbeiteten Themen: Hertha Firnberg, Bericht der sozialstatistischen Arbeitsgemeinschaft, in: Institut für Wissenschaft und Kunst (Hg.), Die Großstadt Wien als Lebensstätte der Wiener. Ein Arbeitsbericht der Forschungsgemeinschaft für Großstadtprobleme im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien 1957, 104. Vgl. zu den Forschungsgemeinschaften auch: Hertha Firnberg, in: Institut für Wissenschaft und Kunst (Hg.), Zum Jubiläum des 25jährigen Bestandes, Wien 1971, 10. 255 Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst, Herbstprogramm 1956. 256 Institut für Wissenschaft und Kunst / Arbeitsgruppe »Der jugendliche Arbeitnehmer«, Die Jugend in Österreich. Statistische Quellenmaterialien, Wien 1957. 257 Hertha Firnberg / Ludwig Siegfried Rutschka, Die Frau in der Wirtschaft von heute, in: Institut für Wissenschaft und Kunst Wien (Hg.), Zwanzig Jahre Bildungsarbeit (1946–1966), Wien 1967, 49–57. 258 Die Institutsarbeit in Zahlen, in: Institut für Wissenschaft und Kunst Wien (Hg.), Zwanzig Jahre Bildungsarbeit (1946–1966), Wien 1967, 131–139. 259 Archiv des IWK, Ordner Sitzungsprotokolle 1946–1953, Protokoll der Generalversammlung vom 13. 11. 1953.
Publikations- und Vortragstätigkeit sowie im Institut für Wissenschaft und Kunst
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das Institut damals eine letzte große Distanzierung zum Kommunismus vor,260 was vor allem im Ausscheiden des Chemikers Engelbert Broda deutlich wird,261 der im Gegensatz zu seinem Bruder Christian Broda der kommunistischen Partei ein Leben lang die Treue hielt. Nachdem Christian Broda in seiner Jugend Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes (KJV) und später einer dissidenten kommunistischen Jugendgruppe gewesen war, hatte er sich nach einer letzten Unterstützung der KPÖ im Wahlkampf 1945 in den folgenden Jahren endgültig vom Kommunismus getrennt.262 Als Ministerin trat Hertha Firnberg nicht nur als Rednerin bei Festveranstaltungen zu Jubiläen in Erscheinung,263 sondern unterstützte das Institut auch finanziell.264 Ihren letzten Vortrag am Institut für Wissenschaft und Kunst hielt sie im Jahr 1984 zum Thema »Wissenschaft und Wirtschaft«.265 Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten, die sowohl im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Arbeiterkammer für Niederösterreich als auch im Institut für Wissenschaft und Kunst bzw. ihrer weiteren Publikations- und Vortragstätigkeit entstanden sind, wurde Hertha Firnberg mehrfach ausgezeichnet: 1955 erhielt sie den in diesem Jahr zum fünften Mal vergebenen Förderungspreis der Stadt Wien, der an »begabte Künstler und Wissenschaftler verliehen wurde, deren bisherige Leistungen auf eine vielversprechende Weiterentwicklung schließen lassen«. Vorgeschlagen wurde sie für den Preis vom bereits genannten Ernst Glaser, der von 1946 bis 1954 auch das Sekretariat des Instituts für Wissenschaft und Kunst leitete, mit der Begründung, dass das Fach Sozialstatistik bisher noch nicht berücksichtigt worden sei.266 1959 erhielt sie den erstmals 1954 vergebenen Theodor Körner-Preis für ihre beiden Projekte »Das Familieneinkommen in den Wiener
260 Stadler, 40 Jahre Institut für Wissenschaft und Kunst 1946–1986, 68. 261 1947 hatte bereits der kommunistische Historiker Leo Stern im Zuge einer Übersiedlung in die DDR das Institut verlassen. Vgl.: Schreiben an Engelbert Broda vom 19. 11. 1953, unterzeichnet vom I. und II. Präsidenten des IWK (Leopold Zechner und Adalbert Duschek), in: Archiv des IWK, Briefwechsel A-5 1953; Stadler, 40 Jahre Institut für Wissenschaft und Kunst 1946–1986, 68; Gerhard Oberkofler / Manfred Stern, Leo (Jonas Leib) Stern. Ein Leben für Solidarität, Freiheit und Frieden, Innsbruck/Wien/Bozen 2019, 96–109. 262 Vgl. zur Biografie von Engelbert Broda ausführlich: Paul Broda, Scientist Spies. A memoir of my three parents and the atom bomb, Leichester 2011. Zur kommunistischen Vergangenheit von Christian Broda siehe: Wirth, Christian Broda. 263 Hertha Firnberg, in: Institut für Wissenschaft und Kunst, Zum Jubiläum des 25jährigen Bestandes, Wien 1971, 9f.; Hertha Firnberg, Der Bürger und die Wissenschaft, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 3 (1976) 68–74. 264 Stadler, 40 Jahre Institut für Wissenschaft und Kunst 1946–1986, 70–78. 265 Veranstaltungskalender April-Juni 1984, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 2a (1984) ohne Paginierung. 266 WStLA, MA 350, A 13 – Dr. Karl-Renner-Stiftung, Förderungspreise: Förderungspreis 1955; Rathaus-Korrespondenz, 25. 10. 1955, 1888.
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Expertin in der Arbeiterkammer für Niederösterreich
Haushalten« sowie »Frauen- und Kinderarbeit« verliehen.267 Aufgabe des Fonds ist es bis heute, insbesondere Nachwuchsforscher*innen und -künstler*innen zu fördern bzw. diese bei ihren laufenden Arbeiten zu unterstützen. Gestiftet wurde der Preis anlässlich des 80. Geburtstages von Bundespräsident Theodor Körner vor allem aus den Kreisen der Arbeiterbewegung, u. a. von den Arbeiterkammern, Gewerkschaften sowie der SPÖ nahestehenden Organisationen.
267 Oliver Rathkolb / Klaus-Dieter Mulley (Hg.), Theodor Körner Fonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst. Preisträger/innen 1945–2013, Wien 2013, 73. Ein Akt zur Preisverleihung ist – wie eine Nachfrage beim Institut für Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsgeschichte an der Arbeiterkammer Wien (heute: Institut für Historische Sozialforschung) ergeben hat – nicht mehr vorhanden.
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Politische Karriere in der SPÖ
5.1. Politische Tätigkeit in SPÖ, BSA und Frauenzentralkomitee Einer ihrer ersten Wege nach dem Kriegsende galt – so Hertha Firnberg im Jahr 1975 – dem Beitritt zur Sozialdemokratischen Partei,268 die am 14. April 1945 im Roten Salon des Wiener Rathauses durch Vertreter*innen der ehemaligen SDAP und der in der Illegalität entstandenen Revolutionären Sozialisten wiedergegründet worden war. In den kommenden Monaten betrieb die so entstandene Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) gemeinsam mit der neugegründeten Österreichischen Volkspartei (ÖVP), die sich von der Christlichsozialen Partei als ihrer Vorgängerin durch ein klares Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie abgrenzte, und der ebenfalls wiedererstandenen Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) den staatlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau. Hierfür schlossen sich die drei Parteien zunächst unter dem Sozialdemokraten Karl Renner zu einer Provisorischen Staatsregierung zusammen und bildeten nach den ersten Wahlen der Zweiten Republik vom 25. November 1945 eine Konzentrationsregierung, die bis zum Ausscheiden der Kommunisten im November 1947 dauerte. In Folge wurde die Zusammenarbeit in Form einer Regierung aus ÖVP und SPÖ mit Adolf Schärf (1945–1957) sowie Bruno Pittermann (1957– 1967) an der Spitze der SPÖ fortgesetzt, die bis zur Erreichung des Staatsvertrages im Jahr 1955 als nationales Zweckbündnis im Wesentlichen außer Frage stand. In den folgenden Jahren wurde die Zusammenarbeit in der Großen Koalition auf Grund des weggefallenen äußeren Drucks jedoch immer schwieriger, aber auch dann noch für mehr als zehn Jahre fortgesetzt und erst 1966 von einer Alleinregierung der ÖVP (und 1970 dann von einer Alleinregierung der SPÖ) abgelöst.269 268 Firnberg: Trotz aller Wunden, in: Wien aktuell 4 (1975) 13. 269 Manfried Rauchensteiner, Die Zwei. Die Große Koalition in Österreich 1945–1966, Wien 1987; Elisabeth Klamper, Ein einig Volk von Brüdern: Vergessen und Erinnern im Zeichen des Burgfriedens, in: zeitgeschichte 5–6 (1997) 170–185.
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Politische Karriere in der SPÖ
Dem BSA trat Hertha Firnberg am 2. Oktober 1947 bei.270 Dieser war im April 1946 gegründet worden und sollte angesichts der zu besetzenden Stellen in der öffentlichen Verwaltung und der Verstaatlichten Industrie vor allem dazu dienen, das Akademikermanko in der Partei zu beseitigen, wobei er auch als Integrationsforum für ehemalige, zum Teil schwer belastete Nationalsozialisten wie den Euthanasiearzt Heinrich Gross271 diente.272 Im BSA war Hertha Firnberg in der Frauenarbeitsgemeinschaft und im Verein für Gesellschaftswissenschaften aktiv. In der 1952 gegründeten Frauenarbeitsgemeinschaft, die bis 1959 unter der Leitung von Marianne Pollak und dann unter jener von Minna Lachs stand, war Firnberg seit der Gründung erst im Ausschuss, dann als Schriftführerin und ab 1959 als zweite Vorsitzende tätig. Am 2. März 1964 wurde sie zur Vorsitzenden gewählt, die sie bis 1983 blieb.273 Im Verein für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften war sie ab 1950 in verschiedenen Funktionen tätig: im Schiedsgericht, als Vorstandsmitglied, als Schriftführer-Stellvertreterin und KassierStellvertreterin sowie ab 1965 auch als Obmann-Stellvertreterin bis sie 1970 zum Obmann [sic!274] gewählt wurde und dies bis 1984 blieb.275 In den Bundesvorstand zog sie erst 1970 ein und blieb hier bis 1983.276 Im »Sozialistischen Akademiker«, dem Organ des BSA, schrieb sie ab 1952 Artikel – darunter zu »Österreichs Akademikerinnen in Zahlen« (1953), zur »Sozialstruktur des akademischen Nachwuchses« (1955) oder zu soziologischen Strukturveränderungen (1967).277 In den Vorstandsprotokollen scheint ihr Name vor 1970 nur sehr selten auf – und zwar dann, wenn es um statistische Daten, wie zu den Arbeiterkindern an Hochschulen (1955) oder zur Anlegung einer Akademikerstatistik (1965) ging.278
270 Archiv des BSA, Mitgliedskarte Firnberg, Hertha. 271 Vgl. zu Heinrich Gross etwa: Oliver Lehmann / Traudl Schmidt, In den Fängen des Dr. Gross. Das misshandelte Leben des Friedrich Zawrel, Wien 2001 sowie den Film »Meine liebe Republik« von Elisabeth Scharang. 272 Vgl. zum BSA: Wolfgang Neugebauer / Peter Schwarz, Der Wille zum aufrechten Gang. Offenlegung der Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Reintegration ehemaliger Nationalsozialisten, Wien 2005 sowie Ulrike Lang-Kremsmayer, Aspekte zur Funktion der Intellektuellen in der SPÖ – am Beispiel des BSA. Unter besonderer Berücksichtigung der Wiederaufbauphase in Österreich, Univ.-Diss., Wien 1987. 273 Archiv des BSA, Ordner Funktionärelisten, Arbeitsgemeinschaften, Frauen ARGE ab 1950. 274 Eine gendergerechte Bezeichnung bzw. die Verwendung von »Obfrau« war zu dieser Zeit noch nicht üblich. 275 Archiv des BSA, Ordner Funktionärelisten Wirtschafter, Diverse, Rechtsanwälte ab 1950. 276 Archiv des BSA, Jahresberichte. 277 Vgl. Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg. 278 Archiv des BSA, Ordner Bundesvorstand, Protokolle 1952–1957 und 1962–1973, Protokoll der Bundesvorstandssitzung vom 2. 5. 1955 und Protokoll der Bundesvorstandssitzung vom 3. 2. 1965.
Politische Tätigkeit in SPÖ, BSA und Frauenzentralkomitee
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Im Frauenzentralkomitee, d. h. der Frauenorganisation der SPÖ, trat Firnberg vor allem durch ihre Mitarbeit in deren Zeitschrift »Die Frau« in Erscheinung, in der sie von 1951 bis 1966 eine Kolumne mit dem Titel »Die Zahl der Woche« schrieb. »Die Frau« erschien erstmals im November 1945 und knüpfte an zwei traditionsreiche Presseerzeugnisse der sozialdemokratischen Frauen an: die ehemalige Wochenzeitung »Die Unzufriedene« und das vormalige Monatsblatt »Die Frau«. »Die Unzufriedene« war im Vorfeld der Nationalratswahl 1923 von Max Winter und Paula Hons gegründet worden. Das Blatt war ursprünglich nur als Agitationsmedium für den Wahlkampf gedacht gewesen, wurde aber wegen des großen Erfolges weitergeführt. Im Februar 1934 musste die Zeitschrift ihr Erscheinen einstellen, worauf ab Juli 1934 ein mit dem »Ständestaat« konformes Nachfolgeorgan namens »Das kleine Frauenblatt« bis ins Jahr 1944 existierte. Die Zeitschrift »Die Frau. Sozialdemokratische Monatsschrift« ging aus der 1892 erstmals publizierten, von Adelheid Popp gegründeten »Arbeiterinnen-Zeitung« hervor, trug ab 1924 diesen Namen und musste ihr Erscheinen ebenfalls 1934 einstellen. Die Wochenzeitschrift »Die Frau« als neues Organ des SPÖ-Frauenzentralkomitees startete im November 1945 mit einer Auflage von 100.000 Stück und hatte 1957 bereits eine Auflage von 200.000 Exemplaren erreicht, was sie bis in die 1960er-Jahre halten konnte. Erst als immer aufwendiger gedruckte Frauenzeitschriften erschienen, wurde es für sie schwieriger der Konkurrenz Stand zu halten. Trotzdem überlebte »Die Frau« im Vergleich zu anderen von Parteien betriebenen oder finanzierten Medien (wie etwa dem 1971 eingestellten »Express«279) lange und wurde erst im Frühsommer 1987 unter dem Titel »Neue Frau« mit einer immer noch großen Zahl von 100.000 Leser*innen eingestellt. Von ihrer Machart war »Die Frau« durch ein breites inhaltliches Angebot gekennzeichnet, das Nachrichten aus dem In- und Ausland, Haushalts- und Erziehungsfragen, Mode- und Schneidertipps sowie Fortsetzungsgeschichten umfasste. Politische Artikel wurden wohl dosiert abgedruckt. Erste Chefredakteurin war 1945 für kurze Zeit Gabriele Proft. Als Marianne Pollak aus der Emigration zurückgekommen war, übernahm sie diese Funktion und wurde dann von Bettina Hirsch, Anneliese Albrecht, Susanne Feigl und Doris Stoisser abgelöst. Für das Frauenzentralkomitee war die Zeitschrift nicht nur deswegen von Bedeutung, da sie ihr inhaltliches Sprachrohr und ein Agitationsmedium war. Ihr Vertrieb stellte auch eine wichtige Einnahmequelle für die SPÖ-Frauen dar, da das Frauenzentralkomitee in organisationsrechtlicher Hinsicht ein Teil der SPÖ und
279 Vgl. zur Geschichte des »Express« ausführlich: Wirth, Christian Broda, 173–183.
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Politische Karriere in der SPÖ
keine Teilorganisation mit eigener Mitgliedschaft und eigenen Mitgliedsbeiträgen war.280 Für Hertha Firnberg bzw. ihre Karriere war die Kolumne in »Die Frau« deswegen von Bedeutung, da sie dadurch – so Anna Elisabeth Haselbach – in der SPÖ bzw. zumindest unter den SPÖ-Frauen bekannt wurde.281 Marianne Pollak, die von 1952 bis 1959 der Frauenarbeitsgemeinschaft im BSA vorstand und von 1945 bis 1961 auch Chefredakteurin von »Die Frau« war, wurde von ihr als wichtige Förderin bezeichnet,282 was sich etwa darin zeigte, dass Pollak 1953 bei Adolf Schärf dafür intervierte, dass Firnberg in den Fachbeirat für Sozialstatistik bei der Statistischen Zentralkommission berufen wurde.283 Marianne Pollak wurde 1891 als Marianne Springer in Wien geboren, absolvierte eine Ausbildung zur Sprachlehrerin für Französisch und Englisch und war bereits 1919 in der Schönbrunner Erzieherschule der Kinderfreunde neben prominenten Kollegen wie Alfred Adler, Max Adler oder Josef Luitpold Stern als Lehrkraft tätig. 1915 heiratete sie den Journalisten Oscar Pollak und ging von 1923 bis 1925 an der Seite ihres Mannes als Sekretärin von Friedrich Adler nach London. Nach der Rückkehr wurde sie von 1927 bis 1934 Redakteurin in der sozialdemokratischen Zeitschrift »Das Kleine Blatt«. Die Jahre des Austrofaschismus und Nationalsozialismus musste sie gemeinsam mit ihrem Mann im Exil (Schweiz, Brünn, Brüssel, Paris, London) verbringen. 1945 wurde sie (bis 1959) Abgeordnete zum Nationalrat und ihr Mann erneut – wie es bereits ab 1931 der Fall gewesen war – Chefredakteur der »Arbeiter-Zeitung«. 1963 nahm sie sich, zwei Tage nachdem Oscar Pollak an einem Herzschlag gestorben war, das Leben. Nachdem sie bereits den Abschied aus dem Parlament und der Redaktion von »Die Frau« sehr schmerzhaft empfunden hatte, wollte sie nach dem Tod ihres Mannes nicht weiterleben.284 280 Vgl. zu »Die Frau«: Susanne Feigl, »Die besondere Arbeit unter den Frauen«. Organisation und Agitation, in: Dr.-Karl-Renner-Institut (Hg.), Beharrlichkeit, Anpassung und Widerstand. Die Sozialistische Frauenorganisation und ausgewählte Bereiche sozialdemokratischer Frauenpolitik 1945–1995, Wien 1993, 71–80; Angelika Wiebogen, Frauen zwischen Haushalt, Familie und Erwerbstätigkeit in Österreich von 1945 bis 1955 und der Umgang mit dieser Problematik sowie mit der Gleichberechtigungsdebatte in der Zeitschrift »Die Frau«, Univ. Dipl.-Arb., Wien 2013, insb. 104–117; Heidi Niederkofler, Mehrheit verpflichtet. Frauenorganisationen der politischen Parteien in Österreich in der Nachkriegszeit, Wien 2009, 102–105; Sabrina Schmid, Von Frau zu Frau. Kommunikationshistorische Biografien der Chefredakteurinnen der sozialdemokratischen Zeitschrift die frau, Transfer 17/3, URL: http://transfer.dgpuk.de/abstracts/von-frau-zu-frau/ (abgerufen: 12. 1. 2021). 281 Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019. 282 Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 36; ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 283 Konrad, Das Private ist politisch, 200f. 284 Michaela Schneider, Schreiben für den »neuen Menschen«. Die sozialdemokratische Journalistin und Politikerin Marianne Pollak 1891–1963, Univ. Dipl.-Arb., Wien 2000; Unver-
Politische Tätigkeit in SPÖ, BSA und Frauenzentralkomitee
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Die Artikel, die Firnberg in »Die Frau« publizierte, betrafen ein breites Themenspektrum. Sie reichten von Fragen der Familien- und Bevölkerungsentwicklung (inklusive Heirats- und Scheidungsverhalten, der Säuglingssterblichkeit und der Situation von Frauen im Alter) über die Jugendkriminalität bis hin zu Lebens- und Wohnverhältnissen sowie dem Konsumverhalten. Großen Raum nahmen zudem die Berufstätigkeit der Frau, die Ausbildungssituation der Mädchen (inklusive des Anteils unter den Studierenden) sowie die Frau als Wählerin und Mitglied in den Gewerkschaften und der Sozialistischen Partei ein.285 Hierbei beschäftigte sie sich sowohl mit statistisch nachvollziehbaren Veränderungen im Bereich der Haus- und außerhäuslichen Erwerbsarbeit und deren Motiven, als auch mit der Bedeutung der Frauenarbeit für die Familieneinkommen und die Volkswirtschaft. Sie zeichnete Veränderungen in den Ausbildungswegen der Mädchen nach und machte wiederholt darauf aufmerksam, dass die Zahl der Mädchen als Studierende an den Hochschulen zunehmen würde, der Anteil der Arbeiterkinder aber gering sei und die Töchter von Arbeiter*innen zu jenen gehören würden, die am schwersten Zugang zu den Hochschulen hatten. Ihre Beiträge knüpften somit bei ihren persönlichen Interessen und Arbeitsgebieten als Sozialstatistikerin an. Sie orientierten sich aber auch an den Lebensrealitäten ihrer Leserinnen und sollten diese in niederschwelliger Form (oft mit einem vertraulichen »du« oder »wir« formuliert) über aktuelle Untersuchungen informieren. Sie sollten – wie dies Firnberg auch in eigenen Artikeln tat286 – aber ebenso zu einer Popularisierung statistischer Materialien beitragen und Denkanstöße geben, was etwa daran deutlich wird, dass viele der frühen Artikel mit Fragen wie »Geben diese Zahlen nicht reichlich Stoff zum Nachdenken?« enden. Zudem sollten insbesondere die in den Artikeln gebrachten historischen Entwicklungslinien oder jene Artikel zu Entwicklungen in anderen Ländern aufzeigen, dass gesellschaftliche Verhältnisse gestalt- und wandelbar sind. Monika Bernold, Eva Blimlinger und Andrea Ellmeier haben Firnberg daher in die bis in die Zwischenkriegszeit zurückreichende Tradition einer Zusammenarbeit von »Wissenschaft und Arbeiterbewegung« eingebunden, die u. a. mit Namen wie Otto Neurath (Erfinder und Kommunikator der Bildstatistik und
gesslich: Marianne und Oscar Pollak, in: Die Frau 34 (1973) 7; SPÖ Wien, dasrotewien.at, Marianne Pollak, URL: http://www.dasrotewien.at/seite/pollak-marianne-geb-springer (abgerufen: 12. 2. 2021). 285 Eine Sammlung der Beiträge von Hertha Firnberg in »Die Frau« findet sich in den PersonenMappen zu Hertha Firnberg im Tagblattarchiv in der Wienbibliothek. 286 Vgl. hierzu: Hertha Firnberg, Ist Statistik wirklich fad?, in: Die Frau 28 (1951) 4 und Hertha Firnberg, Wert und Unwert der Statistik, in: Der Sozialistische Akademiker 6 (1952) 4–6.
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Politische Karriere in der SPÖ
Bildpädagogik),287 Käthe Leichter, Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda oder Hans Zeisel verbunden ist.288 Firnberg selbst, die mit der Geschichte der Sozialwissenschaften in Österreich vertraut war,289 zweifelllos um die Bedeutung der genannten Personen wusste und diese (zumindest teilweise) persönlich kannte, war demgegenüber zurückhaltender mit einer historischen Einordnung ihrer Tätigkeit bzw. generell immer sehr restriktiv, wenn es um Bezüge zur eigenen Biografie ging.290 An die von Otto Neurath entwickelte Bildsprache (Isotype) knüpfte sie in ihren Studien nicht an.
5.2. Erste politische Funktionen und Mandate – Bezirkspartei, Bundesrat, Europarat Erste wichtige Parteifunktionen und politische Mandate bekleidete Hertha Firnberg ab Ende der 1950er-Jahre. 1959 wurde sie Mitglied des SPÖ-Bezirksparteivorstandes in Favoriten, der größten Bezirksorganisation der Partei, und übernahm in den folgenden Jahren den Vorsitz im Bildungsausschuss, wo sie verschiedene Initiativen setzte. Dazu zählten Diskussionen zu tagespolitischen oder ideologischen Auseinandersetzungen und eine große, 1964 gestartete Initiative unter dem Titel »Aktion zur Förderung der höheren Bildung von Arbeiterkindern«, hinter der die Mitglieder des Bezirksvorstandes, des Frauenkomitees, der Sozialistischen Lehrer, der Kinderfreunde, der Elternvereine, der Fraktion Sozialistischer Mittelschüler und der Jugend, aber auch die Mitglieder des Bildungsausschusses und der Sektionen standen. Der Leitgedanke der Aktion war, »dass auch die Arbeiterschaft einen gewinnbringenden Anteil an den Bildungs- und Kulturgütern erringen kann«. Umgesetzt wurde sie durch die Einrichtung eines Schul- und Studienberatungsdienstes im Sekretariat der SPÖ-Favoriten, dem Anbieten eines kostengünstigen Nachhilfeunterrichts für Schüler*innen an Höheren Schulen an der 287 Vgl. zu Otto Neurath: Günther Sandner, Otto Neurath. Eine politische Biographie, Wien 2014. 288 Bernold/Blimlinger/Ellmeier, Hertha Firnberg, 26–35. 289 Vgl. hierzu etwa: Hertha Firnberg, Sozialwissenschaftliche Forschung in Österreich, in: Johannes Messner / Anton Burghardt / Josef Taus / Josef Steuerer / Rudolf Weiler (Hg.), Festschrift Johannes Messner (Gesellschaft und Politik 1/1976), Wien 1976, 49–53. 290 In einem Artikel über die Lebensverhältnisse niederösterreichischer Arbeiterfamilien verwies Firnberg darauf, dass die Haushaltsstatistik eine bis ins Jahr 1924 zurückreichende Tradition in der Arbeiterkammer (für Wien) hat. Völlig ohne Bezug zur eigenen Arbeit ist hingegen ein Vorwort zu einem Buch über Käthe Leichter. Vgl. Hertha Firnberg, Die Lebensverhältnisse niederösterreichischer Arbeiterfamilien, in: Arbeit und Wirtschaft 3 (1965) 12–15 sowie Hertha Firnberg, Vorwort, in: Herbert Steiner (Hg.), Käthe Leichter. Leben und Werk, Wien 1973, 7f.
Erste politische Funktionen und Mandate – Bezirkspartei, Bundesrat, Europarat
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Volkshochschule Favoriten sowie dem Verschicken eines Briefes der Bezirkspartei an alle Eltern schulpflichtiger Kinder, in dem diese auf die Bedeutung höherer Schulbildung für ihre Kinder hingewiesen wurden.291 Gleichfalls zog Hertha Firnberg 1959 auf Vorschlag von Otto Probst, der der SPÖ in Favoriten vorstand, auch in den Bundesrat ein. Wie Firnberg 1970 festhielt, hatte Wilhelmine Moik sie ohne ihr Zutun Probst gegenüber vorgeschlagen.292 Nach den Memoiren des ehemaligen Nationalratsabgeordneten Karl Mark hatte aber auch er Probst auf Firnberg aufmerksam gemacht: »Einmal, ich war damals gerade für die Studenten unterwegs, saß mir in der Bahn eine Dame gegenüber, die ich, wie wir bald feststellten, kannte. Sie war Angestellte der Arbeiterkammer Niederösterreich und hieß Hertha Firnberg. Während wir über dieses und jenes plauderten, fragte ich sie unvermittelt: ›Warum gehen Sie nicht in die Politik?‹ Sie antwortete ein bißchen zurückhaltend, aber ich spürte ihr Interesse, und ich nahm mir vor, da Hertha Firnberg aus Favoriten kam, Otto Probst, der für diesen Bezirk zuständig war, auf sie aufmerksam zu machen. Bei der nächsten Wahl wurde sie auf die Kandidatenliste gesetzt, kam bald in den Nationalrat und wurde später Minister für Wissenschaft und Forschung.«293
Neben Marianne Pollak zählte Hertha Firnberg daher Wilhelmine Moik und Otto Probst zu jenen in der SPÖ, die für ihre politische Karriere eine besondere Bedeutung hatten. Wilhelmine Moik, die sich zeitlebens vor allem für die Rechte von berufstätigen Frauen einsetzte, wurde 1894 in Wien geboren und entstammte einer politisch interessierten Arbeiterfamilie. Sie war ursprünglich Weißnäherin, arbeitete sich in der Gewerkschaftsbewegung aber rasch hoch und wurde bereits in der Ersten Republik hauptberuflich Gewerkschaftsfunktionärin. Zudem gehörte sie von 1932 bis 1934 dem Wiener Gemeinderat an. Während der Zeit des DollfußSchuschnigg-Regimes und des Nationalsozialismus wurde sie als ehemalige Angehörige der Revolutionären Sozialisten mehrmals verhaftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Moik von 1945 bis 1962 Nationalratsabgeordnete und maßgeblich am Wiederaufbau der Gewerkschaften beteiligt. So leitete sie von 1945 bis 1959 das ÖGB-Frauenreferat und übernahm von 1951 bis 1963 auch den Vorsitz der ÖGB-Frauen. Desgleichen fungierte Moik von 1948 bis 1963 als Vorsitzende des Wiener Frauenkomitees der SPÖ und von 1946 bis 1962 als VorsitzendenStellvertreterin der SPÖ-Bezirksorganisation Ottakring.294 291 Vgl. hierzu: Christine Lapp / Harald Troch, Favorit in Favoriten. Geschichte der Sozialdemokratie in Favoriten, Wien 1992, 78–80. 292 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 293 Karl Mark, 75 Jahre Roter Hund. Lebenserinnerungen, Wien/Köln 1990, 51. 294 Agnes Broessler, Wilhelmine Moik. Ein Leben für die gewerkschaftliche Frauenpolitik, Wien 2006.
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Otto Probst, geboren 1909, war gelernter Lithograph und seit frühester Jugend in den Reihen der Sozialdemokratie aktiv. Nach dem Verbot der Partei 1934 betätigte er sich in der Illegalität bei den Revolutionären Sozialisten, wurde von den Nationalsozialisten von 1939 bis 1943 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert und dann in einer Strafkompagnie an die russische Front versetzt. 1945 (bis 1977) wurde er Obmann der SPÖ Favoriten und Abgeordneter zum Nationalrat (bis 1978). Von 1946 bis 1965 und von 1967 bis 1970 fungierte er zudem als SPÖ-Zentralsekretär und von 1963 bis 1966 als Bundesminister für Verkehr. Von 1970 bis 1978 war er dritter Präsident des Nationalrats und von 1970 bis 1974 Obmann der Wiener SPÖ.295
Abb. 6: Hertha Firnberg beim 1.-Mai-Aufmarsch der SPÖ als Vertreterin von Favoriten, o. J.
Im Bundesrat wurde Hertha Firnberg in die Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten, wirtschaftliche Angelegenheiten und wirtschaftliche Integration sowie den Sonderausschuss zur Vorberatung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelszone gewählt. Als Rednerin nahm sie dementsprechend vor allem zu wirtschaftspolitischen Themen – so etwa zur Frage der Preisgestaltung und -regelung in Österreich – Stellung. Sie meldete sich aber auch bei familienpolitischen- und -rechtlichen Fragestellungen (wie der Neuregelung 295 VGA, Personenmappe Probst, Otto; SPÖ Wien, dasrotewien.at, Otto Probst, URL: http:// www.dasrotewien.at/seite/probst-otto (abgerufen: 4. 6. 2021); Lapp/Troch, Favorit in Favoriten, 73.
Erste politische Funktionen und Mandate – Bezirkspartei, Bundesrat, Europarat
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des Adoptionsrechts 1960) oder zum Schulgesetzwerk von 1962 zu Wort,296 womit sie erstmals im Parlament zu einer Bildungsfrage Stellung bezog. Die Schulreform 1962 brachte fast 100 Jahre nach dem Reichsvolksschulgesetz eine umfassende Neuordnung des Schulwesens und machte schlussendlich auch den Weg für eine Diskussion über Hochschul- und Forschungsfragen frei, die Firnberg in den kommenden Jahrzehnten intensiv beschäftigen sollte. In der Schulpolitik wurde in den Jahren nach 1945 an die Kontroversen aus der Ersten Republik angeknüpft, womit die Frage nach einem differenzierten oder integrierten Schulsystem (Gesamtschule) sowie der Einfluss der katholischen Kirche im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand. Erst mühsame Verhandlungen zwischen Unterrichtsminister Heinrich Drimmel (ÖVP) und dem Geschäftsführenden Präsidenten des Wiener Stadtschulrats sowie Nationalratsabgeordneten Max Neugebauer (SPÖ) und eine beginnende Aussöhnung der SPÖ mit der katholischen Kirche, die sich im Parteiprogramm 1958 niederschlug, machten einen Kompromiss möglich. Wichtig ist dabei, dass es noch vor dem Beschluss des eigentlichen Schulgesetzwerks am 9. Juli 1962 zu einem Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl kam. In diesem sagte der Staat Subventionen zum Personalaufwand an katholischen Privatschulen (zunächst in Höhe von 60, 1971 in Höhe von 100 Prozent) zu und bestätigte den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen (wie es bereits seit 1949 der Fall war) als Pflichtgegenstand, wenngleich eine Abmeldung möglich sein sollte. Im eigentlichen Schulgesetzwerk, das sich aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1962 und weiteren Bundesgesetzen vom 25. Juli 1962 zusammensetzte, wurden die Schulgesetze auf Vorschlag von Justizminister Christian Broda in den Verfassungsrang erhoben sowie die Schulaufsicht, Schulpflicht, die Privatschulen, die Kompetenzen von Bund und Ländern, das Lehrerdienstrecht und vor allem die Schulorganisation geregelt. Hierbei blieb prinzipiell ein differenziertes Schulwesen erhalten, für das sich die ÖVP aussprach. Da in dieses ein System von »Brücken« und »Übergängen« (u. a. mit dem Ausbau der Hauptschulen, der Lehrplanangleichung zwischen der stärkeren Leistungsgruppe an den Hauptschulen und der AHS-Unterstufe oder der Etablierung der Musisch-pädagogischen Realgymnasien als selbständiger Oberstufenform) eingebaut wurde, erfolgten aber auch Schritte, um eine Durchlässigkeit zu ermöglichen.297 Hinzu 296 StPBR, IX. GP, Index, Personenregister C, Firnberg, Hertha; StPBR, X. GP, Index, Personenregister C, Firnberg, Hertha. 297 Neuerungen des Schulgesetzwerkes 1962 waren u. a. die Erhöhung der Schulpflicht auf neun Jahre, die Einrichtung des Polytechnischen Lehrgangs als selbständige Schulart, die Führung der zweizügigen Hauptschule in allen Bundesländern und damit verbunden ein weitgehender Abbau der Oberstufen an den Volksschulen, die Entwicklung des Musisch-pädagogischen Realgymnasiums als selbständiger Oberstufenform und die Einrichtung der viersemestrigen Pädagogischen Akademie zur Ausbildung der Pflichtschullehrer*innen.
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kam ein weiterer Punkt, der das Gesetzespaket für die SPÖ annehmbar machte, wenn sich ihr Koalitionspartner auch im Wesentlichen hatte durchsetzen können: die Schulgeldfreiheit an allen öffentlichen Schulen, nachdem bereits das Pflichtschulerhaltungs-Grundgesetz von 1955 wiederholt hatte, dass der Besuch aller öffentlichen Pflichtschulen unentgeltlich sei, was in der Regel seit der Monarchie üblich war.298 Hertha Firnberg thematisierte in ihrem Redebeitrag bei der Beschlussfassung der Schulreform 1962 – wie sie es zuvor bereits in ihren Publikationen getan hatte – das Bildungsgefälle zwischen Knaben und Mädchen und betonte, dass dieses bei Kindern aus Arbeiterhaushalten noch einmal höher sei als bei Kindern aus anderen sozialen Schichten. Alle Schritte, die zu einem Bildungsaufstieg der Mädchen beitragen können, seien daher zu begrüßen. Dass durch die Reform ein »Brückenschlag zwischen Hauptschule und höherer Schule« vorgenommen wurde, die Gliederung an den Hauptschulen nach Leistungsgruppen und nicht nach Geschlecht erfolgen sollte und es zum Beschluss der Schulgeldbefreiung kam, wurde von ihr begrüßt.299 Insgesamt wertete sie das Schulgesetzwerk als einen Schritt hin zu mehr Chancengleichheit positiv. Ebenfalls 1959 wurde Hertha Firnberg Mitglied der österreichischen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates und blieb es bis 1970, wobei sie in den Ausschüssen für Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen sowie für soziale und Gesundheitsfragen tätig war und in diesen Bereichen für viele Jahre als stellvertretende Präsidentin fungierte.300
5.3. Nationalratsabgeordnete Der Einzug in den Nationalrat folgte 1963, wo Firnberg bis 1983 bzw. zum Ende der Ära Kreisky ein Mandat ausübte. Ihre ersten Jahre als Nationalratsabgeordnete fallen damit wie ihre Zeit im Bundesrat noch in die von 1947 bis 1966 dauernden Koalitionsregierungen von ÖVP und SPÖ. Sie datieren aber auch in die erste Alleinregierung unter ÖVP-Bundeskanzler Josef Klaus von 1966 bis Das Schulzeitgesetz und das Schulunterrichtsgesetz folgten erst 1964 bzw. 1974. Vgl. zum Schulgesetzwerk 1962 u. a.: Max Neugebauer, Schulwesen, in: Erika Weinzierl / Kurt Skalnik (Hg.), Österreich. Die Zweite Republik, Band 2, Graz/Wien/Köln 1972, 323–345; Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 479–584; Henrik Kreutz / Ronald Pohoryles / Heinz Rögl, Politische und administrative Weichenstellungen der Hochschulreform und Hochschulexpansion, Wien 1992, 20–26. 298 Vgl. zur Schulgeldfreiheit: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 372. 299 StPBR, IX. GP, 195. Sitzung vom 27. 7. 1962, 4743–4747. 300 Georg Kahn-Ackermann, Spuren in Straßburg, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 39–47.
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1970, für deren Zustandekommen sozialstrukturelle Veränderungen – wie sie Firnberg in ihrer Studie »Wesen und Wandel der Sozialschichtung Österreichs« untersucht hatte – und politische Faktoren entscheidend waren. Hierzu gehören eine Umstrukturierung der traditionellen Wirtschaftsstruktur und die Entstehung einer »neuen Mittelschicht«, die in ihrem Wahlverhalten flexibel wurde, ebenso wie eine Reihe von politischen Fehlern auf Seiten der SPÖ, vor allem aber der große Skandal um ihren ehemaligen ÖGB-Präsidenten und Innenminister Franz Olah. Dieser hatte nicht nur eigenmächtig Gewerkschaftsgelder zur Wiedergründung der »Kronen-Zeitung« verwendet, sondern auch Parteikollegen scharf attackiert und nach seinem Parteiausschluss 1964 eine eigene Partei gegründet.301 Hinzu kam das modernere und reformfreudigere Erscheinen der ÖVP, das sich in der »Aktion 20« zeigte. Nachdem Josef Klaus bald nach seiner Ernennung zum Bundeskanzler 1964 einige hundert Wissenschaftler*innen (darunter Hans Tuppy oder Günther Winkler) eingeladen hatte, zu sechs zentralen Sachbereichen Reformvorschläge im Sinne einer »Versachlichung der Politik« und als »Voraussetzung für die Lösung zahlreicher Fragen des öffentlichen Lebens« zu entwickeln,302 konnten die Ergebnisse der Aktion rechtzeitig vor der Nationalratswahl 1966 präsentiert werden.303 Hertha Firnberg war im Nationalrat – wie zuvor in der Länderkammer – zunächst ebenfalls vorwiegend im Bereich der Wirtschafts-, Justiz- und Außenpolitik tätig.304 1964 wurde sie erstmals Ersatzmitglied im Unterrichtsausschuss.305 Während der ÖVP-Alleinregierung Klaus wurden die Hochschul- und Forschungspolitik neben den genannten Themenfeldern immer mehr zu ihren Arbeitsgebieten, was sich u. a. darin zeigte, dass Firnberg parallel zu zahlreichen anderen Ausschüssen (wie dem Außenpolitischen und Justizausschuss, dem Rechnungshof-, Finanz- oder Budgetausschuss) nun auch ein reguläres Mitglied 301 Vgl. zu Franz Olah ausführlich: Ferdinand Karlhofer / Eva Lichtenberger, Franz Olah – Eine anachronistische Karriere. Zum Funktionswandel politischer Eliten in der Zweiten Republik, in: Anton Pelinka (Hg.), Populismus in Österreich, Wien 1987, 36–59; Helmut Konrad / Manfred Lechner, »Millionenverwechslung«. Franz Olah – Die Kronenzeitung – Geheimdienste, Wien/Köln/Weimar 1992; Manfred Lechner, »… Jener, dessen Namen unter den Lebenden nicht genannt werden mag.« Der »Fall Olah« – Ein Megaskandal der Zweiten Republik?, in: Michael Gehler / Hubert Sickinger (Hg.), Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim, 2. erweiterte Ausgabe, Thaur/Wien/München 1996, 419–454; Wilhelm Svoboda, Franz Olah. Eine Spurensicherung, Wien 1990. 302 Die einzelnen Arbeitsgruppen der »Aktion 20« wurden zu folgenden Themen eingesetzt: Gesellschaft im Wandel, Fortschritt durch Bildung, Gesundheit für alle, Freiheit in der Ordnung, Österreich in der Welt, Wohlstand durch Wirtschaftskraft. Vgl.: Österreichische Gesellschaft für Politik (Hg.), Symbiose von Politik und Wissenschaft. Aktion 20, Wien 1967. 303 Wirth, Christian Broda, 320. 304 Heinz Fischer, Reflexionen, 2. Auflage, Wien 1998, 259; Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. 305 StPNR, X. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha.
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des Unterrichtsausschusses wurde und in zahlreiche Unterausschüsse zur Beratung einzelner Gesetze gewählt wurde.306 Hinzu kam, dass sie – ganz der Oppositionstaktik der SPÖ entsprechend, möglichst viele Anfragen an die ÖVPAlleinregierung zu stellen307 – eine Unzahl an parlamentarischen Fragen einbrachte, die fast alle an die Unterrichtsverwaltung adressiert waren.308 Nachdem sich Firnberg bereits zuvor immer wieder, aber nicht ausschließlich mit Bildungsfragen beschäftigt hatte, entwickelte sich dieser Themenkomplex damit genau zu jenem Zeitpunkt zu einem wichtigen Arbeitsbereich für sie, als die Hochschulreform und die jahrelangen Diskussionen um eine verbesserte Forschungsförderung an Fahrt aufnahmen und auch in der SPÖ eine größere Aufmerksamkeit fanden. Bildungsfragen haben zwar in der Geschichte der Arbeiterbewegung – so Heinz Fischer – immer eine große Rolle gespielt. In der politischen und parlamentarischen Arbeit schlug sich das aber vor allem in der Schulpolitik nieder, während der Hochschulpolitik weitaus weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde und die Forschungspolitik als eigenes Politikfeld erst im Entstehen begriffen war.309 So gab es zwar eine Reihe von Abgeordneten wie Max Neugebauer, Karl Mark, Stella Klein-Löw oder Michael Luptowits, die sich mit Schulfragen beschäftigten. Um die Hochschulen und Forschung hatten sich mit Karl Waldbrunner oder Franz Skotton als Präsidenten des BSA, Walter Thirring im Bundesrat, Bruno Pittermann oder wiederum Karl Mark im Nationalrat hingegen deutlich weniger Personen (auch) gekümmert. In den 1960erJahren kamen mit Christian Broda, Hertha Firnberg oder Heinz Fischer, der seit 1963 als Klubsekretär fungierte und mehrfach zu Hochschulfragen publizierte,310 aber einige neue Akteur*innen dazu. In den Medien der SPÖ oder ihr nahestehenden Periodika – so »Die Zukunft«, »Der sozialistische Akademiker« oder »Arbeit und Wirtschaft« – sowie eigenständigen Publikationen311 wurden der Bildung, den Hochschulen, Wissenschaft und Forschung immer mehr Raum geschenkt. Und auch in den Parteiprogrammen der SPÖ war eine ähnliche Entwicklung bemerkbar: Während die Hochschulen im Linzer Programm von 1926 noch in das Kapitel zur Schule inkludiert waren, gab es im Aktionsprogramm 1947 erstmals ein eigenes knappes Kapitel zur »Pflege von Wissenschaft und Kunst«. Im Wiener Programm von 1958 fanden sich unter der Rubrik 306 307 308 309
StPNR, XI. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha. Vgl.: Wirth, Christian Broda, 344–350. StPNR, XI. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha. Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. Vgl. hierzu auch: Erich Fröschl, Vom Forschungsnotstand zur Forschungspolitik. Die Diskussion über forschungspolitische Maßnahmen in Österreich seit 1945 vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungstendenzen von F&E im Spätkapitalismus, Salzburg 1976, 228–239. 310 Heinz Fischer (Hg.), Versäumnisse und Chancen. Beiträge zur Hochschulfrage, Wien 1967. 311 Franz Skotton (Hg.), Beiträge zur Kulturpolitik, Wien 1965.
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»Kultur« dann bereits eigene Abschnitte zu Schule, Volksbildung, Wissenschaft und Hochschule, Kunst und Gesellschaft, die an Umfang gegenüber den bisherigen Aussagen der Parteiprogramme zu Bildungsfragen zugenommen hatten.312 Im »Programm für Österreich«, das für die Nationalratswahl 1966 geschaffen wurde, widmeten sich von insgesamt 80 Forderungen vier der Schule, Erziehung und Berufsausbildung sowie sechs dem Themenkomplex Wissenschaft – Hochschulen – Forschung.313 Generell erfuhren Fragen der Bildung, Wissenschaft und Forschung ab den 1960er-Jahren eine nie dagewesene Beachtung im politischen und gesellschaftlichen Diskurs, wobei die Diskussion zwischen einer Bildungseuphorie und hohen Wissenschaftsgläubigkeit sowie der Feststellung eines Bildungsnotstands oszillierte. Verbunden waren damit einerseits hohe Erwartungen an Investitionen in die Bildung hinsichtlich der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, der Hebung des Lebensstandards und einer aufgeklärten Wissensgesellschaft.314 Andererseits wurde damit die Kritik an einer mangelhaften Ausstattung der wissenschaftlichen Einrichtungen ebenso zum Ausdruck gebracht wie jene an der inneren Verfasstheit des österreichischen Wissenschaftssystems, womit fehlende demokratische Strukturen (etwa an den Hochschulen) genauso angesprochen wurden wie ein »geistiger Provinzialismus«.315 Für die Ermöglichung von »mehr Bildung« traten alle Parteien ein, wobei es der ÖVP jedoch vor allem darum ging, regionale Benachteiligungen zu beseitigen, während die SPÖ soziale Aspekte in den Vordergrund rückte.316
5.3.1. Erste Aktivitäten in der Hochschulpolitik Die Entwicklung des österreichischen Universitätswesens war in den Jahren nach 1945 durch eine lange, bis in die frühen 1960er-Jahre reichende Rekonstruktionsphase geprägt, wobei sowohl in institutioneller, finanzieller, personeller und rechtlicher Hinsicht an die Verhältnisse vor 1938 angeknüpft wurde. 312 Wolfgang Neugebauer (Hg.), Modelle für die Zukunft. Die österreichische Sozialdemokratie im Spiegel ihrer Programme 1889–1978, 2. Neuauflage, Wien 1991. 313 Programm für Österreich. Beilage zur Wiener Volkszeitung, Februar 1966. 314 Schübl, Universitäten im Wandel, 313. 315 Norbert Leser (Hg.), Österreich – geistige Provinz, Wien 1965; Adolf Kozlik, Wer wird wie Akademiker? Zum österreichischen Schul- und Hochschulwesen, Wien/Frankfurt/Zürich 1965. Vgl. hierzu auch: Thomas König, Krise und neue Anforderungen. Das österreichische Hochschulregime 1920–1960 und die Kritik der frühen 1960er-Jahre, in: Maria Wirth (Hg.), Neue Universitäten. Österreich und Deutschland in den 1960er- und 1970er-Jahren (zeitgeschichte Sonderband 1), Göttingen 2020, 15–33. 316 Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität, 202.
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Dies bedeutete zum einen, dass das österreichische Hochschulsystem nach 1945 wieder aus jenen Einrichtungen bestand, die bereits vor 1938 existiert hatten. Bis die vorhandenen Kriegsschäden österreichweit behoben waren, sollte es mehr als zehn Jahre dauern. Neue Gebäude wurden mit wenigen Ausnahmen wie dem Neuen Institutsgebäude (NIG) in Wien erst ab den 1960er-Jahren errichtet,317 da das Hochschulbudget – wie es bereits in der Ersten Republik der Fall gewesen war – niedrig blieb. Die in den 1920er-Jahren eingesetzte »Verwaltung von Mängeln« setzte sich fort.318 Der Lehrkörper wurde nach 1933/1934 und 1938 erneut einer »politischen Säuberung« unterzogen. Nachdem während des austrofaschistischen Regimes Sozialdemokrat*innen und Nationalsozialist*innen, aber auch bereits Juden und Jüdinnen, und während des Nationalsozialismus Juden und Jüdinnen sowie Anhänger*innen des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes die Hochschulen hatten verlassen müssen, brachte die nach 1945 durchgeführte Entnazifizierung den Ausschluss ehemaliger Nationalsozialist*innen. Dieser war jedoch oftmals nur ein vorübergehender. Einladungen an die vertriebenen Wissenschaftler*innen zu einer Rückkehr fanden kaum statt, dafür wurden im Zuge einer »konservativen Restauration« jene Personen zurückgeholt, die die Universität 1938 aufgrund ihrer Nähe zum Austrofaschismus verlassen hatten müssen. Der Großteil der Universitätsangehörigen war weiterhin klar katholischkonservativ eingestellt. Der Cartellverband, eine katholische, nichtschlagende, farbentragende Studentenverbindung, blieb – wie es bereits in der Zwischenkriegszeit der Fall gewesen war – die dominierende Kraft.319 Im Universitätsrecht fand die Rekonstruktion bestehender Verhältnisse ihren deutlichsten Ausdruck im Hochschul-Organisationsgesetz von 1955, das vielfach an das 1873 beschlossene Gesetz betreffend die Organisation der Universitätsbehörden anknüpfte und eine gewisse Vereinheitlichung und Konsolidierung des bestehenden und äußerst zersplitterten Rechtsbestandes brachte. Neuerungen umfasste das Gesetz, das in weitgehendem Einvernehmen zwischen den Hochschulen und der Unterrichtsverwaltung beschlossen wurde, nur wenige. Darunter befanden sich eine Angleichung des Status der bisherigen »Fachhochschulen« (wie etwa der Technischen Hochschulen in Wien und Graz) an die Universitäten und deren Aufnahme ins Hochschul-Organisationsgesetz, nachdem sie bis dato nicht dem Organisationsgesetz von 1873 unterlagen. Hinzu kam 317 Elmar Schübl, Der Universitätsbau in der Zweiten Republik. Ein Beitrag zur Entwicklung der universitären Landschaft in Österreich, Horn/Wien 2005, 121. 318 Schübl, Universitäten im Wandel, 308f. 319 Ebenda, 313; König, Krise und neue Anforderung, 25; Rupert Pichler / Michael Stampfer, Forschungspolitik in Österreich nach dem Krieg. Offene Gegensätze, stillschweigende Arrangements, in: Wolfgang R. Reiter / Juliane Mikoletzky / Herbert Matis / Mitchell G. Ash (Hg.), Wissenschaft, Technologie und industrielle Entwicklung in Zentraleuropa im Kalten Krieg, Wien 2017, 35.
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die Beseitigung einiger Partikularismen, indem das neue Gesetz außerordentliche Professor*innen den ordentlichen Professor*innen halbwegs gleichstellte und der Evangelisch-Theologischen Fakultät die gleichen Rechte gab wie den übrigen Fakultäten; aber auch die Forschung wurde erstmals explizit als Aufgabengebiet der Universitäten festgeschrieben. Im Wesentlichen »zementierte« das Hochschul-Organisationsgesetz 1955 jedoch die »bewährten Strukturen« und war mit keinem Reformanspruch verbunden. Den Hochschulen wurde nun zwar eine eingeschränkte Rechtspersönlichkeit eingeräumt und zu diesem Zweck ausdrücklich zwischen dem eigenen und einem übertragenen Wirkungsbereich unterschieden, das Ministerium blieb aber die zentrale Entscheidungsinstanz des Hochschulsystems. Und auch an der inneren Verfassung der Universitäten änderte sich wenig. Die Entscheidungen an den Hochschulen kamen weiterhin ausschließlich den Professorenkollegien zu, das übrige wissenschaftliche Personal und die Studierenden blieben ausgeschlossen und die »Oligarchenherrschaft« unangetastet.320 Der bildungspolitische »take off« setzte erst Anfang der 1960er-Jahre ein,321 nachdem bereits in den späten 1950er-Jahren auf Drängen der Länder der Ausbau der zur Matura führenden Schulen in Angriff genommen worden war. So wurde nun auch von ÖVP-Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percˇevic´ (1964– 1969) die Parole ausgegeben, dass jeder politische Bezirk eine zur Hochschulreife führende Schule haben sollte,322 was sich folgendermaßen in den Zahlen niederschlug: Nachdem 1945 in ganz Österreich 150 allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) bestanden hatten, wurden in den 1950er-Jahren 51, in den 1960erJahren 128 und in den 1970er-Jahren 131 Schulen neu errichtet, die den Abschluss mit der Matura ermöglichten.323 Gleichfalls kam es mit der Errichtung der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Linz und der (Wieder-) Gründung der Universität Salzburg324 im Jahr 1962 sowie der gesetzlichen Etablierung der Hochschule für Bildungswissenschaften in Klagenfurt 1970, in den letzten Wochen der ÖVP-Alleinregierung, auch erstmals nach 1945 zu einer 320 Thomas König, Die Entstehung eines Gesetzes: Österreichische Hochschulpolitik in den 1950er Jahren, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 2 (2012) 57–81; Susanne Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Innsbruck 1986, 199f.; Ilse Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende. Politik und Hochschulrecht 1945–2015, in: Mitchell G. Ash / Josef Ehmer (Hg.), Universität – Politik – Gesellschaft (650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 2), Göttingen 2015, 462–469. 321 Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität, 202. 322 Vgl. hierzu ausführlich: Kreutz/Pohoryles/Rögl, Politische und Administrative Weichenstellungen der Hochschulreform und Hochschulexpansion. 323 Schübl, Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 37. 324 In Salzburg hatte es bis 1810 bereits eine Benediktiner-Universität gegeben.
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Erweiterung des universitären Netzwerks. Damit umfasste dieses nun die drei Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck,325 die zwei Technischen Hochschulen in Wien und Graz, die Montanistische Hochschule in Leoben, die Hochschule für Bodenkultur, die Hochschule für Welthandel und die Tierärztliche Hochschule in Wien sowie die genannten (Neu-)Gründungen.326 Die Initiative für deren Errichtung war – ähnlich wie im Bereich der Schulgründungen – von den Ländern und Kommunen ausgegangen.327 Eine wichtige Grundlage für den Ausbau der Bildungseinrichtungen bot bis Anfang der 1960er-Jahre eine günstige wirtschaftliche Entwicklung, die den Ruf nach gut ausgebildeten Arbeitskräften oder einer »Ausschöpfung aller Bildungsreserven« angesichts eines Mangels an hochqualifizierten Fachkräften laut werden ließ. Als die österreichische Wirtschaft zu schwächeln begann und 1966/ 1967 eine Rezession folgte,328 war die Antwort hierauf erneut jene, dass ein Wachstum nur durch eine Erhöhung der Qualifikation der Arbeitnehmer*innen zu erzielen sei. So wurde sowohl 1957 in einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) als auch 1967 in einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)329 über den zu erwartenden Bedarf an Akademiker*innen davon gesprochen, dass mehr Maturant*innen und Hochschulabsolvent*innen erforderlich seien,330 während gleichzeitig die Studierendenzahlen allmählich zu steigen begannen. Nachdem die Anzahl der Studierenden allein an den wissenschaftlichen Hochschulen und Universitäten 1954/1955 noch bei unter 20.000 gelegen hatte, machte sie 1964/ 1965 bereits fast 50.000 und 1969/1970 bereits über 50.000 aus,331 was das Hochschulsystem vor große Herausforderungen stellte. So begann zwar in den 1960er-Jahren das Hochschulbudget zu steigen, und auch die Bautätigkeit nahm 325 Innsbruck erhielt 1966 eine Fakultät für Ingenieurwesen und Architektur. 326 Hinzu kamen Kunst- und Musikhochschulen. 327 Vgl. hierzu zuletzt: Maria Wirth (Hg.), Neue Universitäten. Österreich und Deutschland in den 1960er- und 1970er-Jahren (zeitgeschichte Sonderband 1), Göttingen 2020; Maria Wirth / Andreas Reichl / Marcus Gräser, 50 Jahre Johannes Kepler Universität Linz. Eine »Hochschule neuen Stils«, Wien/Köln/Weimar 2016; Alexander Pinwinkler, Die »Gründergeneration« der Universität Salzburg. Biographien, Netzwerke, Berufungspolitik, 1960– 1975, Wien 2020. 328 Volkmar Lauber / Dieter Pesendorfer, Wirtschafts- und Finanzpolitik, in: Herbert Dachs / Peter Gerlich / Herbert Gottweis / Volkmar Lauber / Wolfgang C. Müller / Emmerich Tálos (Hg.), Politik in Österreich. Das Handbuch, Wien 2006, 611–613. 329 Vgl. zur OECD, die 1961 aus der 1949 gegründeten Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit hervorgegangen war: Regula Bürgi, Die OECD und die Bildungsplanung in der freien Welt. Denkstile und Netzwerke einer internationalen Bildungsexpertise, Opladen/Berlin/Toronto 2017. 330 Kreutz/Pohoryles/Rögl, Politische und Administrative Weichenstellungen der Hochschulreform und Hochschulexpansion, 17 und 37–40. 331 Bundesministerium für Unterricht, Bildungsbericht 1965, Wien 1965, 187; Bundesministerium für Unterricht, Hochschulbericht 1969, Wien 1969, 13.
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langsam an Fahrt auf. Alles in allem konnten die Raumkapazitäten mit diesem (ersten) Ansturm jedoch nicht mithalten, was dazu führte, dass 1969 eine Raumlücke von 200.000 Quadratmetern bei einem Ist-Zustand von weniger als 400.000 Quadratmetern zu beklagen war.332 Generell war die Lage an den Universitäten trist, wie auch das »Memorandum der 109 Naturwissenschafter (österreichischer Hochschulen) vom November 1969« aufzeigen wollte.333 Die enge Korrelation zwischen wirtschaftlichen Erfordernissen und bildungspolitischen Aktivitäten wurde dann auch im Studienbeihilfengesetz 1963 deutlich, das als Auftakt zur Hochschulreform in den 1960er-Jahren bezeichnet werden kann. Die Einführung von Studienstipendien stellte eine langjährige, bis in die Erste Republik zurückreichende Forderung der SPÖ dar, um Kindern aus einkommensschwachen Schichten eine höhere Ausbildung zu ermöglichen.334 Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Studienförderung bereits seit den 1950erJahren verhandelt worden. Die Etablierung einer gesetzlichen Studienbeihilfe war aber erst Anfang der 1960er-Jahre möglich geworden, nachdem man ihre Einführung von der geplanten Studienreform entkoppelt hatte. Zudem hatten wirtschaftliche Motive eine wichtige Rolle gespielt.335 So hieß es in der Regierungsvorlage zum Studienbeihilfengesetz, dass die Wirtschaft gut ausgebildete Fachkräfte, insbesondere Absolvent*innen der technischen und naturwissenschaftlichen Fächer brauche. In den letzten Jahren wäre zwar ein Anstieg der Studierenden zu beobachten gewesen. Gleichzeitig habe man aber auch feststellen müssen, dass ein verhältnismäßig großer Teil das Studium vorzeitig aufgebe und ein anderer Teil durch eine zu umfangreiche Erwerbstätigkeit am Studienabschluss gehindert werde, weshalb ein »Gegengewicht« zu den »verlockenden Verdienstmöglichkeiten« geschaffen werden müsse.336 Nachdem es zuvor zwar bereits Stipendien von verschiedenen Stellen – darunter solche des Bundes – gegeben hatte, wurde deshalb nun ein gesetzlicher Anspruch auf eine staatliche Studienbeihilfe eingeführt.337 Beschlossen wurde das Gesetz just an 332 Bernhard Schilcher, Hochschulen, in: Erika Weinzierl / Kurt Skalnik (Hg.), Österreich. Die Zweite Republik, Band 2, Graz 1972, 355; Bundesministerium für Unterricht, Hochschulbericht 1969, 128. 333 Hertha Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Idee und Wirklichkeit. 30 Jahre Europäisches Forum Alpbach, Wien/ New York 1975, 20. 334 Vgl. hierzu etwa das Linzer Programm aus dem Jahr 1926. Neugebauer, Modelle für die Zukunft, 51. 335 Karl Waldbrunner, Auf dem Weg zum Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 219. 336 StPNR, XI. GP, 207 der Beilagen. 337 Alexander Marinovic, Vom Fördern und Fordern, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970–2010, Wien 2010, 205–207; Veronika Wilfing, Die historische Entwicklung des österreichischen Studienbeihilfensys-
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jenem Tag, als Firnberg als Nationalratsabgeordnete angelobt wurde.338 Als 1969 das Studienförderungsgesetz an seine Stelle sowie jene des 1968 geschaffenen Lehrerstudienbeihilfengesetzes trat und auch Begabtenstipendien umfasste, war Firnberg als Parlamentarierin dann bereits in dessen Ausarbeitung eingebunden gewesen. Dabei war sie gemeinsam mit der ÖVP-Abgeordneten Lola Solar wesentlich dafür verantwortlich, dass die Studierenden an den Lehranstalten für gehobene Sozialberufe in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen wurden.339 Mit der Verabschiedung des Studienbeihilfengesetztes schien der Weg zur Studienreform frei, deren »Gerippe« bereits 1963 im Wesentlichen feststanden war.340 Beschlossen wurde sie jedoch erst nach dem Wechsel von Heinrich Drimmel zu Theodor Piffl-Percˇevic´ im Unterrichtsministerium, der in verschiedener Hinsicht neue Wege beschritt: So richtete er bald nach seinem Amtsantritt den (ausschließlich männlich besetzten) Rat für Hochschulfragen als sein persönliches Beratungsgremium ein, in dem nicht Politiker, sondern neben Beamten auch Universitätsangehörige die Unterlagen für eine Gesamtreform der Hochschule erarbeiten sollten. Geschaffen wurde somit – dem Trend der Zeit entsprechend, wie es sich ebenfalls in der »Aktion 20« zeigte – ein Expertengremium, in dem Fachleute eine wichtige Rolle spielen sollten. Geradezu revolutionär war dabei, dass nicht nur Professoren, sondern auch Assistenten und Studierende vertreten waren. Hinzu kam, dass Piffl-Percˇevic´ eine Arbeitsgemeinschaft für Hochschulplanung einsetzte und ein Büro für Hochschulstatistik gründete341 sowie neue Wege in der Öffentlichkeitsarbeit einschlug, indem er den 1965 außerhalb des Ministeriums entstandenen (und von ihm mitangeregten) »Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung« hierfür einsetzte.342 Der Fahrplan, den sich der Rat für Hochschulfragen in der Hochschulreform zugrunde legte, war jener, dass zunächst das Studienrecht, dann das Dienstrecht und schließlich das Organisationsrecht in Angriff genommen werden sollte.343
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tems von 1963 bis 2015 und deren Einfluss auf die soziale Selektivität an Universitäten, Univ. Dipl.-Arb., Linz 2016. Waldbrunner, Auf dem Weg zum Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 220. StPNR, XI. GP, 150. Sitzung vom 22. 10. 1969, 13056, 13074, 13079. Waldbrunner, Auf dem Weg zum Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 220. Heinz Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen der Hochschulreform. Eine Analyse anhand retrospektiver mündlicher Berichte der Hauptakteure und der Analyse von Dokumenten, in: Henrik Kreutz / Ders., Die umfunktionierte Universitätsreform, Wien 1994, 29, 40f. sowie 56–61; Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität, 205–210; Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 471. Schilcher, Hochschulen, 359; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021; Im Dienst der Erziehung und der Wissenschaft, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 1. 10. 1970. Raoul Kneucker, Das Universitäts-Organisationgesetz 1975: Die gesetzgebenden Kräfte, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 3 (1980) 264.
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Der Ausgangspunkt der Studienreform war, dass das damals geltende Studienrecht zum Großteil noch aus dem 19. Jahrhundert stammte und dass es die Studien in einer nur sehr rudimentären Form normierte bzw. die Regelung weitgehend den Hochschulen selbst überließ, weshalb die Studien an den einzelnen Universitäten kaum vergleichbar waren. Als in den 1950er-Jahren erstmals Verhandlungen über eine Reform stattfanden, wurde deutlich, dass divergierende Positionen bestanden: Während die Hochschulen auf ihrer Autonomie in der Gestaltung der Studien beharrten und die Administration Studienregelungen auf dem Verordnungsweg erlassen wollte, bestand die SPÖ auf einer stärkeren Beteiligung des Gesetzgebers, was auf ihren mangelnden Einfluss auf die Unterrichtsverwaltung und Hochschulen zurückführbar ist. Das intendierte Ziel einer Neuregelung war – nicht zuletzt in Hinblick auf die wirtschaftlichen Erfordernisse – eine Straffung und Verkürzung der Studien, wobei letztendlich die Etablierung eines komplizierten vierstufigen Systems beschlossen wurde, das dem Staat eine starke Position einräumte. So wurden die allgemeinen Studiengrundsätze und die neue Gliederung in ein Diplomstudium mit zwei Studienabschnitten und ein Doktoratsstudium im Allgemeinen Hochschulstudiengesetz festgelegt, dem Studiengesetze, Studienordnungen und Studienpläne für die einzelnen Studienrichtungen folgten. Dabei sollten die Studiengesetze von Seiten der Legislative, die Studienordnungen von Seiten der Verwaltung (Ministerium) und erst die Studienpläne an den Hochschulen selbst ausgearbeitet werden.344 Als das vom Rat für Hochschulfragen vorbereitete Allgemeine Hochschulstudiengesetz und das Studiengesetz über die sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen als erstes der (besonderen) Studiengesetze in parlamentarische Behandlung kam, war Hertha Firnberg Mitglied des Unterausschusses, der die beiden Vorlagen behandelte.345 Bei der Beschlussfassung im Nationalrat, die bereits in die Zeit der ÖVP-Alleinregierung fiel und mit der Zustimmung der SPÖ erfolgte, thematisierte sie u. a. die Notsituation, in der sich die österreichischen Universitäten befanden. Zugleich warnte sie davor, dass die neuen qualitativen Anforderungen nicht zu einem Numerus Clausus führen dürfen, da dies zuerst jene treffen würde, »die wir stärker als bisher an unseren Hochschulen wünschen, die Arbeiterkinder, die Bauernkinder, alle jene, die wir als Begabtenreserve bezeichnen«.346 Die mit dem Allgemeinen Hochschulstudiengesetz eingeführte Regelung, wonach der Unterrichtsminister dem Nationalrat in Zukunft regelmäßig (mindestens alle drei Jahre) einen »Bericht über die Leistungen und die 344 Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 31f.; Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität, 205–210; Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 471f. 345 StPNR, XI. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha. 346 Zuvor hatte der FPÖ-Abgeordnete Scrinzi einen Numerus Clausus für ausländische Studierende angesprochen. Vgl.: StPNR, XI. GP, 24. Sitzung vom 15. 7. 1966, 1823.
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Probleme des Hochschulwesens« (Hochschulbericht) vorlegen musste, begrüßte sie hingegen.347 Nach diesem Etappensieg in der Studienreform ging der Rat als nächstes dazu über, Reformvorschläge zum Dienstrecht auszuarbeiten. Bevor diese in Beratung gezogen werden konnten, änderte jedoch ein in den 1960er-Jahren in vielen Staaten beobachtbares Phänomen die Vorgehensweise: Auf Druck der Studentenbewegung wurde die Organisationsreform vorgezogen und zu deren Beratung auf Initiative des Bundesrates 1968 eine Parlamentarische Hochschulreformkommission eingesetzt, während der Rat für Hochschulfragen nicht mehr einberufen wurde.348 Die neue Kommission bestand aus Vertretern der Professor*innen, des Mittelbaus, der Studierenden, der wissenschaftlichen Beamt*innen und Parlamentariern, wobei ihr im Gegensatz zum Rat für Hochschulfragen nun auch erstmals eine Frau als Vertreterin der Lektor*innen angehörte.349 Gleichzeitig wurde die Mitbestimmung von Studierenden und Mittelbau zur dominierenden Frage in der Organisationsreform, da auch in Österreich die Student*innen begannen, der konservativ-autoritären Nachkriegsgesellschaft und der »Ordinarienuniversität« den Kampf anzusagen. Wenn dies auch nicht mit derselben Heftigkeit wie in Frankreich oder Deutschland geschah, wo es wiederholt zu Straßenschlachten und gewaltsamen Auseinandersetzungen kam, gab es auch hier Protestaktionen und Reformforderungen. Ausdruck davon sind nach einem ersten studentischen Reformkonzept 1964350 und den Demonstrationen gegen Taras Borodajkewycz 1965, der in seinen Vorlesungen an der Hochschule für Welthandel offen antisemitisch aufgetreten war,351 etwa folgende Ereignisse aus dem Jahr 1968: die sogenannte »Uni-Ferkelei« im Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes, bei der Künstler*innen unter dem Titel »Kunst und Revolution« versuchten, so viele Tabus wie nur möglich zu brechen,352 das von der ÖH beschlossene »Obertrumer Konzept«, das die Mitbestimmung verlangte bzw. erstmals die drittelparitätische Vertretung der Studierenden in allen Gremien vorsah, und schließlich die Bildung sogenannter Institutsvertretungen in Wien, Innsbruck und Graz, im Rahmen derer die Studierenden ihre Interessen im Studienbetrieb und in der Institutsorganisation wahrnehmen wollten.353 347 StPNR, XI. GP, 24. Sitzung vom 15. 7. 1966, 1833–1837. 348 Kneucker, Das Universitäts-Organisationgesetz 1975, 264. 349 Dabei handelte es sich um Hedwig Kopetzky-Rechtperg. Vgl.: Anhänge, in: Die umfunktionierte Universitätsreform, 194f. 350 Manfred Leeb / Werner Vogt, Anregungen zur Reform der wissenschaftlichen Hochschulen in Österreich, Wien 1964. 351 Vgl. u. a. Rafael Kropiunigg, Eine österreichische Affäre. Der Fall Borodajkewycz, Wien 2015. 352 Die Künstler der Aktion waren Peter Weibel, Oswald Wiener und Günter Brus. Valie Export war am Rand beteiligt. 353 In Wien führte dies sogar zur Bildung einer Institutsvertreterkonferenz an der Philosophischen Fakultät, die bis Sommer 1970 bestand. Vgl.: Fischer-Kowalski, Zur Entwicklung
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Vor allem der Blick ins Ausland dürfte jedoch entscheidend dafür gewesen sein, dass unter Alois Mock als neuem ÖVP-Unterrichtsminister (1969–1970) auf Basis der Beratungen in der Parlamentarischen Hochschulreformkommission erste Mitbestimmungsmöglichkeiten im Zuge einer weiteren Umsetzung der Studienreform etabliert wurden. So wurden in den 1969 beschlossenen Studiengesetzen für die technischen und montanistischen Studienrichtungen sowie dem Bundesgesetz über Studienrichtungen der Bodenkultur probeweise Studienkommissionen auf Fakultätsebene installiert, die drittelparitätisch, d. h. mit Vertreter*innen der Professor*innen, des Mittelbaus und der Studierenden in gleicher Zahl, zu besetzen waren und rechtsverbindlich Beschlüsse fassen konnten. Beachtlich war dabei die Möglichkeit des sogenannten Gruppenvetos: Stimmten alle Mitglieder einer der drei »Kurien« gegen einen Antrag, dann war dieser abgelehnt. Beschlossen wurden die drei genannten Studiengesetze am 9./ 10. Juli 1969 einstimmig und gegen den heftigen Widerstand der Professoren.354 Gleichfalls inkludierte auch das 1970 verabschiedete Kunsthochschul-Organisationsgesetz, mit dem viele Kunsthochschulen, die bis dato den Status einer Akademie besaßen, zu Hochschulen erhoben wurden,355 erste Demokratisierungselemente. So sah dieses vor, dass in allen Kollegialorganen das Mitbestimmungsrecht des akademischen Mittelbaus und der Studierenden zu gelten habe und dass ein streng drittelparitätisch zusammengesetzter Hochschulkonvent ins Leben gerufen werden müsse, der Kontrollfunktionen wahrzunehmen und Empfehlungen über grundlegende Hochschulprobleme zu erstatten habe.356 Hertha Firnberg gehörte als Nationalratsabgeordnete zwar nicht dem Rat für Hochschulfragen an, in dem die SPÖ durch Bundesrat Franz Skotton und Klubsekretär Heinz Fischer vertreten war,357 der – wie bereits vorausgeschickt – in den 1960er-Jahren mehrfach zu Fragen der Hochschulreform publizierte. Sie arbeitete, als die Studiengesetze in parlamentarische Beratung gezogen wurden, aber wieder in den entsprechenden Unterausschüssen mit358 und fungierte
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356 357 358
von Universität und Gesellschaft in Österreich, 600–608; Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 33; Paulus Ebner, Alles neu? Die ÖH und die österreichischen Studierenden in den 1960er- und 1970er-Jahren, in: Maria Wirth (Hg.), Neue Universitäten. Österreich und Deutschland in den 1960er- und 1970er-Jahren (zeitgeschichte Sonderband 1), Göttingen 2020, 35–53. Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität, 209f.; Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 471. Die Akademie der bildenden Künste in Wien hatte lange eine Sonderstellung und genoss bereits vor 1970 Hochschulrang. Eine einheitliche Regelung im Bereich der künstlerischen Hochschulen brachte erst das Kunstuniversitäts-Organisationsgesetz 1998. Vgl. hierzu: Bettina Perthold-Stoitzner, Hochschulrecht im Strukturwandel, Wien 2012, 31–33. Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 527f. Anhänge, in: Henrik Kreutz / Heinz Rögl, Die umfunktionierte Universitätsreform, Wien 1994, 194f. StPNR, XI. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha.
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Abb. 7: Hertha Firnberg im Nationalrat 1966
zudem als Ansprechpartnerin für die Anliegen der sozialistischen Student*innen im Parlament.359 Bei der Beschlussfassung der neuen Studiengesetze im Nationalrat kritisierte sie nicht nur, dass die Umsetzung der Studienreform schleppend vorangehe, nachdem erstmals nach 1966 wieder besondere Studiengesetze vor der Verabschiedung standen. Sie legte ebenso ein klares Bekenntnis zur Implementierung von Mitbestimmungsmöglichkeiten ab, wenngleich sie auch anmerkte, dass der richtige Platz das Organisationsrecht und nicht die Studiengesetze wäre. Für Firnberg konnten diese daher nur ein erster Schritt zu einer weiteren »Eskalierung« des Demokratisierungsprozesses sein, wobei für sie angesichts der bereits angesprochenen Entwicklung im Ausland die Zeit drängte: »Für die Hochschulreform bleibt nicht mehr sehr viel Zeit. Ich meine jetzt nicht, daß die Regierung bald abtreten wird, sondern es bleibt uns, gesellschaftspolitisch gesehen, nicht mehr viel Zeit. […] Wenn wir einen Blick auf die Bewegung der studentischen Jugend in aller Welt richten, haben wir den Beweis dafür. Österreich ist keine Insel der Seligen, auch auf diesem Gebiet nicht. Dieser Sturm wird vor den rot-weiß-roten
359 Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021.
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Grenzpfählen nicht haltmachen, wenn wir nicht sehr rasch und sehr zielführend handeln. Die Vehemenz des Ausbruche[s], den wir überall beobachten können, die Kraft des Protestes […], diese Vehemenz und diese Kraft, die hinter der Studentenbewegung steht, gestattet uns nicht die Beruhigung: ›Es ist eine kleine Minderheit radikaler Elemente.‹«360
Bei der Verabschiedung des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes, das am 21. Januar 1970 einstimmig angenommen wurde, ergriff sie nicht das Wort. Im Unterrichtsausschuss hatte sie aber auch an dessen Entstehung mitgewirkt.361
5.3.2. Engagement in der Forschungspolitik und Tätigkeit in der Ludwig Boltzmann Gesellschaft Die Diskussionen über die Notwendigkeit einer besseren Unterstützung der Forschung reichen – was die jüngere Entwicklung betrifft – bis an den Beginn der Zweiten Republik zurück. Wie im Kapitel über die Geschichte des Instituts für Wissenschaft und Kunst ausgeführt wurde, an dem Hertha Firnberg seit den 1950er-Jahren in verschiedenen Funktionen mitarbeitete, veranstaltete dieses auf maßgebliche Initiative des Chemikers Engelbert Broda, der kurz zuvor aus dem britischen Exil zurückgekommen war,362 bereits 1948 eine Enquete, um auf die Notlage der wissenschaftlichen Forschung in Österreich hinzuweisen. Dabei wurde auf der Veranstaltung von den anwesenden Wissenschaftler*innen nicht nur ausgeführt, dass in Österreich die Forschung schon vor 1938 nicht jene Unterstützung gefunden habe, wie es im Ausland der Fall war. Es wurde auch kritisiert, dass diese »Hungerpolitik« nach 1945 noch verschärft worden sei, obgleich angesichts des Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieges große Einschnitte zu kompensieren gewesen wären.363 Es wurde somit ein dringender Handlungsbedarf konstatiert und zur Sicherung der Lebensfähigkeit von Wissenschaft und Forschung in Österreich einerseits gefordert, die Dotation der Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Anstalten zu erhöhen. Andererseits wurde die Schaffung eines (nach dem Beispiel des britischen Research Councils konzipierten) Forschungsrates verlang, dem eine finanzielle Möglich360 StPNR, XI. GP, 148. Sitzung vom 10. 7. 1969, 12888–12892, hier 12889. 361 StPNR, XI. GP, 175. Sitzung vom 21. 1. 1970, 14904–14911, insbes. 14904. 362 Engelbert Broda war nach seiner Rückkehr zunächst Mitarbeiter im Bundesministerium für Elektrifizierung und Energiewirtschaft, das von 1945 bis 1947 vom Kommunisten Karl Altmann geleitet wurde. Ende 1947/Anfang 1948 habilitierte er sich und war bis zu seiner Emeritierung am Institut für physikalische Chemie tätig. Eine ordentliche Professur erhielt er – wohl vor allem deshalb, weil er sich weiterhin zu den Kommunisten zählte – aber erst 1968. Vgl.: Wirth, Christian Broda, 84. 363 So wurde geschätzt, dass wohl weniger als 0,1 Prozent des Nationaleinkommens für die Forschung ausgegeben würden.
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keit gegeben werden sollte, um »Ersprießliches im Dienste der österreichischen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zu leisten«.364 Zu seinen Aufgaben sollte die Unterstützung bestehender Hochschulinstitute über den normalen Betrieb hinaus, die Vergabe von Stipendien und die Gründung besonderer Forschungsinstitute aufgrund staatlicher, besonderer wirtschaftlicher Notwendigkeiten gehören. Die Finanzierung sollte durch eine fixe Position im Budget sowie durch eine zweckgebundene Steuer ermöglicht werden.365 In Folge verabschiedete der Nationalrat tatsächlich eine Resolution über die Schaffung eines Forschungsrates, worauf das Unterrichtsministerium Anfang 1949 einen ersten Gesetzesentwurf für dessen Errichtung vorlegte, der sich in weiten Punkten an die Forderungen der Enquete hielt, aber die Gründung eigener Institute ausklammerte. Zu einer parlamentarischen Beschlussfassung kam es jedoch nicht. Vielmehr zog sich die Diskussion über die Etablierung einer Forschungsförderung über Jahre hin und umfasste zahlreiche Initiativen. Diese kamen sowohl von der Seiten der Wissenschaft wie des »Notrings der wissenschaftlichen Verbände Österreichs«, zu dessen Verdiensten vor allem die Herausgabe der »Österreichischen Hochschulzeitung« (ab 1953) gehörte,366 als auch von den politischen Parteien, wobei sich die Positionen von SPÖ und ÖVP im Wesentlichen durch folgenden Punkt unterschieden: Während die ÖVP mit der Institutionalisierung der Forschungsförderung die bestehenden Einrichtungen (Universitäten und Österreichische Akademie der Wissenschaften) besser unterstützen und die Entscheidungen über die Fördervergabe in die Hände der akademischen Klientel geben wollte, legte die SPÖ auf die Gründung neuer außeruniversitärer Institute Wert und wollte staatliche Instanzen bei der Entscheidungsfindung nicht ausschließen. Der Grund dafür war, dass die SPÖ an den bestehenden wissenschaftlichen Einrichtungen, vor allem den Universitäten und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, nur schwach vertreten war bzw. diese vom ÖVP-nahen Cartellverband dominiert wurden, und die SPÖ 364 Vgl.: Denkschrift auf Grund der Enquete über die Lage des wissenschaftlichen Lebens in Österreich abgehalten im Festsaale des Neuen Wiener Rathauses am 4. 11. 1948, URL: https:// www.iwk.ac.at/wp-content/uploads/2014/02/Denkschrift_1948.pdf (abgerufen: 1. 10. 2019). 365 Vgl. hierzu und zur folgenden Entwicklung: Erich Fröschl, Vom Forschungsnotstand zur Forschungspolitik. Die Diskussion über forschungspolitische Maßnahmen in Österreich seit 1945 vor dem Hintergrund allgemeiner Entwicklungstendenzen von F&E im Spätkapitalismus, Univ.-Diss., Salzburg 1976; Rupert Pichler / Michael Stampfer / Reinhold Hofer, Forschung, Geld und Politik. Die staatliche Forschungsförderung in Österreich 1945–2005, Innsbruck/Wien/Bozen 2007; Christof Aichner, 40 Jahre im Dienste der Forschung. Gründung und Geschichte des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (1967– 2007), Univ. Dipl.-Arb., Innsbruck 2007, 23–47; Pichler/Stampfer, Forschungspolitik in Österreich nach dem Krieg, 33–67. 366 Die »Österreichische Hochschulzeitung« wurde 1949 als »Wiener Hochschulzeitung« gegründet. Herausgeber war ursprünglich der Senat der Universität Wien, ab 1972 der »Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs«.
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in der Gründung außeruniversitärer Einrichtungen einen Weg sah, eine stärkere Position im Wissenschaftsleben zu erlangen. Erstmals 1955 im Budget reservierte Gelder für einen Forschungsrat verfielen so mehrfach. Zu konkreten Ergebnissen führte die jahrelange Debatte erst 1960 mit der Gründung des Österreichischen Forschungsrats von Seiten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Universitäten einerseits und der Ludwig Boltzmann Gesellschaft von Seiten der SPÖ andererseits, die beide als Verein, d. h. ohne gesetzliche Basis, etabliert wurden. Aufgabe des nach dem Vorbild der Deutschen Forschungsgesellschaft gebildeten Forschungsrates sollte die finanzielle Unterstützung von Forschungsvorhaben und Publikationen sein, Institutsgründungen waren nicht vorgesehen. Zudem war die Mitgliedschaft auf die Hochschulen und die Österreichische Akademie der Wissenschaften beschränkt, allerdings gehörten dem Kuratorium als Entscheidungsorgan auch Nicht-Vereinsmitglieder, d. h. Vertreter*innen der Ministerien und Interessenvertretungen, an. Die Aufgabe der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, die sich laut Selbstbeschreibung bei ihrer Gründung an der deutschen Max Planck Gesellschaft orientierte, sollte hingegen explizit auch die Gründung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen sein, wobei der Forschungsrat bei der Zuteilung der zu vergebenden Mittel deutlich besser abschnitt als die Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Präsident des Österreichischen Forschungsrats wurde Hubert Rohracher, der als Vertreter der Rektorenkonferenz bereits an dessen Etablierung mitgewirkt hatte, jener der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (von 1960 bis 1969) Wilhelm Marinelli, der auch im Institut für Wissenschaft und Kunst aktiv war.367 Die Debatten über die Forschungsförderung waren damit aber alles andere als abgeschlossen, sondern nahmen angesichts dieser Konkurrenzsituation bzw. einer Reihe weiterer Faktoren in den 1960er-Jahren vielmehr zu. Hierzu gehörte, dass die österreichische Wirtschaft nach einer Rekonstruktionsphase und Jahren des Wirtschaftswunders, in denen auf Imitation und nicht auf Innovation gesetzt worden war, von Krisenerscheinungen geprägt war und sich international die Auffassung durchgesetzt hatte, dass Forschung eine wichtige Voraussetzung von wirtschaftlichem Wachstum sei.368 Eine treibende Kraft stellte – wie bereits vorausgeschickt – die OECD dar, die für Österreich einen großen Rückstand bei den Forschungsausgaben, zu wenige Akademiker*innen und einen Ausbaubedarf im Hochschulwesen feststellte.369 Ihre Beobachtungen führten nicht nur zu 367 Die Gründung der Ludwig Boltzmann Gesellschaft erfolgte durch Karl Koch, Otto Hoffmann-Ostenhof und Wilhelm Marinelli. 368 Herbert Gottweis / Michael Latzer, Forschungs- und Technologiepolitik, in: Herbert Dachs / Peter Gerlich / Herbert Gottweis / Volkmar Lauber / Wolfgang C. Müller / Emmerich Tálos (Hg.), Politik in Österreich. Das Handbuch, Wien 2006, 713–715. 369 Vgl. etwa OECD, Science, Economic Growth and Government Policy, Paris 1963 sowie Aichner, 40 Jahre im Dienste der Forschung, 25–28.
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einer Reihe von Erhebungen von Seiten der Arbeiterkammer, des WIFOs oder der Ministerien,370 sondern spielten auch im Diskurs der darauffolgenden Jahre eine wichtige Rolle. Wichtige Punkte waren dabei ein starker Brain Drain, da weder die Hochschulen noch die Wirtschaft den in Österreich ausgebildeten Akademiker*innen ein entsprechendes Betätigungsfeld bieten konnten, oder Zahlen über die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, die Österreich im Bereich der unterentwickelten Länder ansiedelten.371 Die Politik war nun somit erst recht gefordert, sich mit der Forschungsförderung zu beschäftigen, wobei die zentralen Akteure zunächst Unterrichtsminister Heinrich Drimmel auf Seiten der ÖVP und Bruno Pittermann auf Seiten der SPÖ, später Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percˇevic´ und Justizminister Christian Broda waren. Hertha Firnberg war als Nationalratsabgeordnete ab 1966 mit Fragen der Forschungspolitik beschäftigt. So war sie neben Christian Broda, Karl Waldbrunner, Viktor Kleiner und Stella Klein-Löw eine jener Abgeordneten, die im Mai 1966 einen neuen Vorstoß zur Schaffung eines Österreichischen Forschungsrates wagten bzw. einen entsprechenden Initiativantrag im Parlament einbrachten,372 dem rund ein Jahr später auch ein Antrag der ÖVP folgte. Gleichzeitig gehörte sie jenem Unterausschuss des Unterrichtsausschusses an, der 1967 zur Beratung dieser Anträge eingerichtet wurde und war somit in jenen Verhandlungsprozess eingebunden,373 der zu einem ersten wirklichen Meilenstein in der österreichischen Forschungspolitik wurde: dem Forschungsförderungsgesetz, das am 25. Oktober 1967 mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ, nicht aber der FPÖ, beschlossen wurde. Der SPÖ-Antrag sah mit Bezug auf das »Programm für Österreich« und die Studie der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Wiener Arbeiterkammer die Schaffung eines Forschungsrates vor, der folgende Aufgaben erfüllen sollte: die Erteilung von Forschungsaufträgen und -stipendien, die Gründung und den Betrieb wissenschaftlicher Institute, die Begutachtung von Forschungspro370 Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (Hg.), Forschung und Entwicklung in Österreich, Wien 1965; Willibald Klappacher, Lage von Forschung und Entwicklung in Österreich 1963/1964, hg. vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie/ Bundesministerium für Bauten und Technik, Wien 1966; Ortwin Bobleter, Die Lage der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (1963/1964) (Erziehung – Wissenschaft – Forschung. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Unterricht 2), Wien 1966; Josef Steindl, Bildungsplanung und wirtschaftliches Wachstum. Der Bildungsbedarf in Österreich bis 1980, Wien 1967. 371 Vgl.: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Wissenschaftspolitik in Österreich. OECD-Prüferbericht und OECD-Bericht über die Konfrontationssitzung, hg. vom Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichischen Forschungsrat, Wien 1971, 22. 372 StPNR, XI. GP, II-29 der Beilagen, Antrag 7/a vom 13. 5. 1966; Initiative für einen Forschungsrat, in: Arbeiter-Zeitung, 14. 5. 1966. 373 StPNR, XI. GP, Index, Personenregister B, Firnberg, Hertha.
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jekten und die Erarbeitung eines umfassenden und langfristigen Forschungsförderungskonzepts sowie jährlich zu beschließende Forschungsförderungsprogramme. Zudem wurde eine drastische Erhöhung der finanziellen Mittel für Forschung und Entwicklung gefordert. Mitglieder des Forschungsrates sollten die Republik Österreich, die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die wissenschaftlichen Hochschulen, die Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft, der Arbeiterkammertag, die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und der ÖGB sein. Der Antrag der ÖVP sah hingegen die Errichtung von zwei Fonds, eines Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und eines Fonds zur Förderung der Forschung im Bereich der gewerblichen Wirtschaft, vor, wobei Förderungen ausschließlich bestehenden Forschungsträgern zugutekommen sollten. In den Gremien des ersten Fonds sollte die Entscheidungsmacht bei den akademischen Vertreter*innen liegen, beim zweiten Fonds bei den Vertreter*innen der Bundeskammern der gewerblichen Wirtschaft, der Arbeiterkammern und der Landwirtschaftskammern. Zudem sollten die beiden Fonds den sachlich in Betracht kommenden Ministerien jährlich auf deren Ersuchen einen Bericht und Vorschläge erstatten und diese wiederum jährlich über die Lage der Forschung in Österreich berichten. Die Bundesregierung sollte ihrerseits dann auf Basis dieser Berichte jährlich einen Bericht an den Nationalrat erstatten.374 Bei den parlamentarischen Verhandlungen konnte sich die ÖVP aufgrund ihres Stärkeverhältnisses durchsetzen: Dem im Oktober beschlossenen Forschungsförderungsgesetz wurde das Zwei Fonds-Modell der ÖVP zugrunde gelegt, auf dessen Basis in Folge der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und der Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft (FFF) eingerichtet wurden. Diese wurden mit einem hohen Selbstverwaltungsgrad ausgestattet, aber der Aufsicht des Unterrichtsministeriums (FWF) bzw. des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie (FFF) unterstellt, von denen sie auch ihre finanzielle Ausstattung erhielten. Desgleichen wurde die bereits geschilderte Berichtslegung der Fonds festgelegt und ein neuer »Österreichischer Forschungsrat«375 als ein den beiden Fonds übergeordnetes Organ geschaffen, der vor allem empfehlende und beratende Aufgaben erfüllen sollte und somit nicht die von der SPÖ erhoffte Planungs- und Koordinationsstelle war. Trotzdem stimmte die SPÖ – was auch die Position Firnbergs war376 – dem Gesetz zu, da es »besser [sei] als gar kein Gesetz« bzw. als »erster Schritt angesehen werden« könne. Das Fehlen einer forschungspolitischen Gesamt374 StPNR, XI. GP, II-653 der Beilagen, Antrag 54/a vom 7. 6. 1967. 375 Anstelle des bisherigen Österreichischen Forschungsrates trat der FWF. 376 Archiv des BSA, Ordner Bundesausschuss, Protokolle 1960–1971, Protokoll der Bundesausschusssitzung vom 4. 11. 1967.
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konzeption und die unzureichende finanzielle Dotierung der Fonds kritisierte sie hingegen.377 So wies auch Firnberg in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass die SPÖ eine Planung und Koordinierung der Forschung gewünscht habe, die es ermöglichen würde, Schwerpunkte zu setzen, dass die SPÖ ein »Dach« haben wollte, um Forschungsvorhaben und -bestrebungen zu koordinieren und dass sie auch für die Parlamentarier*innen die Möglichkeit schaffen wollte, Anregungen für Forschungsprojekte zu geben. Vor allem pochte sie angesichts dessen, dass Österreich nur 0,3 Prozent seines Bruttonationalprodukts für Forschung ausgab,378 jedoch darauf, dass dringend eine Erhöhung der finanziellen Mittel erforderlich sei. Maßgeblich sei dafür, dass Österreich mit seinem Forschungsanteil am Bruttonationalprodukt »unter allen kleineren industrialisierten Ländern der OECD bei weitem an letzter Stelle« liegen würde, »nur ganz wenig über Portugal, Spanien und Griechenland, also eindeutigen Entwicklungsländern, und damit unter Irland und unter der Türkei«.379 In den folgenden Jahren versäumte Firnberg, wie sie es bereits rund um die Verhandlungen zum Forschungsförderungsgesetz getan hatte,380 kaum eine Gelegenheit, um mehr Geld für die Forschung zu fordern.381 Zugleich engagierte sie sich im Rahmen der 1960 gegründeten Ludwig Boltzmann Gesellschaft, die Mitte des Jahrzehnts mit einem Projekt über die »Sozialschichtung der Großstadt Wien«382 und einer Studie über die Winterarbeitslosigkeit383 auch Forschungsarbeiten von ihr selbst gefördert hatte. So war sie Teil einer Gruppe, die 1967 bei Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percˇevic´ vorsprach, nachdem die Ludwig 377 Vgl. zur Diskussion im Nationalrat ausführlich: Michael Stampfer, Sprachbilder des Fortschritts. Die Gründung von FWF und FFF, in: Rupert Pichler (Hg.), Innovationsmuster in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte, Innsbruck/Wien/Bozen 2003, 271–289. 378 Diese Zahl bezieht sich auf das Jahr 1963, als andere Industrieländer Europas ein bis zwei Prozent des Bruttonationalproduktes für die Forschung und Entwicklung aufwendeten. Für 1966 wurden von der OECD für Österreich bereits 0,6 Prozent angegeben. Vgl.: OECD, Science, Economic Growth and Government Policy; Aichner, 40 Jahre im Dienste der Forschung, 25–28; OECD, Wissenschaftspolitik in Österreich, 22. 379 StPNR, XI. GP, 67. Sitzung vom 25. 10. 1967, 5511–5515; Klaus: Esterhazy-Antrag nicht behandelt, in: Arbeiter-Zeitung, 26. 10. 1967. 380 Parlament: Debakel für Klaus, in: Arbeiter-Zeitung, 20. 5. 1967; Zehntes Europagespräch, in: Die Frau 26 (1967) 6; Europagespräch 1967. Wissenschaft und Gesellschaft in Europa (Wiener Schriften 26), Wien 1967, 230–232. 381 Unter Mitterer wurde nichts besser – Der Handelsminister brachte Polemiken statt Argumente, in: Arbeiter-Zeitung, 14. 12. 1968; StPNR, XI. GP, 144. Sitzung vom 26. 6. 1969, 12420– 12426. 382 Dies geht aus Unterlagen im Österreichischen Staatsarchiv hervor, die Firnberg als Subventionsempfängerin nennen: ÖStA, AdR, BMU, 15 Vereine Wien, B 1966–1974, GZ 73.715– 1/4 68; ÖStA, AdR, BMU, 15 Vereine Wien, B 1966–1974, GZ 70.483-I/4 67. 383 Hertha Firnberg, Winterarbeitslosigkeit. Studie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft zur Förderung der naturwissenschaftlichen und technischen Forschung in Österreich, Wien 1964.
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Boltzmann Gesellschaft seit dem Antritt der ÖVP-Alleinregierung ihre Subventionen nicht mehr direkt aus dem Unterrichtsministerium erhielt, sondern diese über den Forschungsrat beantragen musste.384 Später, als die Boltzmann Gesellschaft mit dem Forschungsförderungsgesetz von den Bundesförderungen ausgeschlossen wurde, da der FWF nur Einzelpersonen und nicht juristische Personen förderte, bzw. die Bundesförderungen überhaupt eingestellt wurden und die Stadt Wien kompensierend einsprang,385 zog sie dann auch in die höchsten Gremien der Gesellschaft ein. Nachdem sie zumindest ab 1967 als Kassier-Stellvertreterin fungiert hatte, wurde sie im Juni 1969 (neben Rudolf Strasser als Präsident) zur Vizepräsidentin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft gewählt386 und blieb dies auch als Ministerin.387 Von 1983 bis 1985 stand sie der Ludwig Boltzmann Gesellschaft schließlich als Präsidentin vor,388 womit sie über viele Jahre wichtige Funktionen in der Organisation einnahm. Wie inzwischen mehrfach thematisiert wurde, kommen ihr in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur Verdienste zu. Vielmehr trägt sie auch eine (Mit-)Verantwortung dafür, dass der bereits genannte Heinrich Gross über viele Jahre das Ludwig Boltzmann Institut zur Erforschung der Missbildung des Nervensystems leiten konnte. Obwohl bereits bei der Institutsgründung 1968 seine Beteiligung an den NS-Medizinverbrechen in der »Kinderfachabteilung« der Heil- und Pflegeanstalt »Am Spiegelgrund« bekannt gewesen und 1981 in einem Ehrenbeleidigungsprozess gegen Werner Vogt von der »Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin« nachgewiesen worden war, verlor er sein Institut erst 1989.389 384 ÖStA, AdR, BMU, 15 Vereine Wien, B 1966–1974, GZ 42232-i/4 67. 385 Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 131–143, 191–192. 386 ÖStA, AdR, BMU, 15 Vereine Wien, B 1966–1974, GZ 116.807–4/70; Mail von Dr. Katharina Bergmann-Pfleger (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs) an die Verfasserin vom 24. 9. 2021. 387 Ludwig Boltzmann Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich (Hg.), 15 Jahre im Dienste der österreichischen Forschung. 10 Jahre BoltzmannInstitute. Geschäftsbericht 1974, Wien 1975, 78; Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Österreichische Vereinigung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Geschäftsbericht 1982, Wien 1983, 71. 388 Hertha Firnberg: Arbeit für Frieden und Wissenschaft, in: Oberösterreichische Nachrichten, 31. 7. 1984; Bergmann-Pfleger/Hachleitner, 60 Jahre Ludwig Boltzmann Gesellschaft 1960– 2020, 19. 389 Firnberg war in der Sitzung vom 11. 6. 1981, als der Vorstand das Urteil im Prozess Gross gegen Vogt behandelte, anwesend. Sie äußerte sich jedoch nicht explizit zur Causa Gross. Im Urteil wurden die Vorwürfe gegen Gross als erwiesen angenommen, die Euthanasiehandlungen allerdings nicht als Mord, sondern als Totschlag gewertet, womit sie verjährt waren. Vom Vorstand wurde beschlossen, Aktionen erst dann zu setzen, wenn »Gerichtsurteile hinsichtlich einer Schuldfrage ( jedoch nicht als Vorfrage) vorliegen bzw. sich abzeichnen.« Kurz zuvor war das Institut von Gross mit dem Institut für klinische Neurobiologie fusioniert und ihm ein Co–Leiter zur Seite gestellt worden. Vgl. hierzu sowie zum Umstand, dass
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5.4. Frauenvorsitzende Ein weiterer wichtiger Schritt in der Karriere von Hertha Firnberg erfolgte 1967. Nur vier Jahre nach ihrem Wechsel vom Bundes- in den Nationalrat wurde sie auf der Frauenzentralkonferenz am 27./28. Januar 1967 zur neuen Vorsitzenden der SPÖ-Frauen gewählt – und das unmittelbar bevor Bruno Kreisky auf dem anschließenden Parteitag zum neuen Vorsitzenden der SPÖ bestellt wurde. Hertha Firnberg wurde damit nach Gabriele Proft (1945–1959) und Rosa Jochmann (1959–1967) zur dritten Frauenvorsitzenden der SPÖ in der Zweiten Republik gewählt und zog in dieser Funktion als Stellvertreterin des Bundesparteivorsitzenden in die obersten Parteigremien (Parteivorstand und Parteipräsidium) ein. Die Wurzeln der Frauenzentralkonferenz reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück und sind eng mit den Problemen der Frauen bzw. der ihnen entgegengebrachten Ablehnung, in die Partei integriert zu werden, verbunden. So ist auch die erste Frauenorganisation als Zusammenschluss aller bis dahin entstandenen sozialdemokratischen Frauen- bzw. Arbeiterinnen-Vereine 1908 als »Freie politische Frauenorganisation« noch außerhalb der SDAP gegründet worden und erst 1909 als Teilorganisation der Partei (noch als eigene Organisation mit eigenen Mitgliedsbeiträgen) anerkannt worden. 1919, zu Beginn der Ersten Republik, folgte die vollständige Eingliederung. Die »Freie politische Frauenorganisation« wurde in Folge durch Frauenkomitees innerhalb der SDAP abgelöst. Nachdem die Frauen das Wahlrecht erhalten hatten und als Wählerinnen wichtig geworden waren, war somit eine Frauenorganisation in der Partei für diese interessanter geworden. Von Seiten einzelner Frauen gab es zwar Bedenken gegen die Aufgabe der Eigenständigkeit, der Großteil der Funktionärinnen sprach sich angesichts dessen, dass die Integration in die Partei für viele ein lang verfolgtes Ziel gewesen war, aber für die Eingliederung aus. Die Frauenorganisation wurde damit zu einem Referat in der Partei, woran auch 1945 angeknüpft wurde. In den folgenden Jahren – so etwa in den 1950er- oder in den 1970er-Jahren – gab es aber immer wieder Diskussionen darüber, ob eine eigene Frauenorganisation noch zeitgemäß sei.390
sich Gross in seiner wissenschaftlichen Arbeit auch nach 1945 auf Präparate aus der NS-Zeit stützte: Mail von Dr. Katharina Bergmann-Pfleger (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung Graz – Wien – Raabs) an die Verfasserin vom 30. 3. 2022; 60 Jahre Ludwig Boltzmann Gesellschaft 1960–2020, 31f.; Lehmann/Schmidt, In den Fängen des Dr. Gross, 11, 151, 186; Neugebauer/Schwarz, Der Wille zum aufrechten Gang, 278–295; Herwig Czech, Forschen ohne Skrupel. Die wissenschaftliche Verwertung von Opfern der NS-Psychiatriemorde in Wien, in: Eberhard Gabriel / Wolfgang Neugebauer (Hg.), Von der Zwangssterilisierung zur Ermordung. Zur Geschichte des NS-Euthanasie in Wien, Teil II, Wien/Köln/ Weimar 2002, 143–163. 390 Feigl, »Die besondere Arbeit unter den Frauen«, 12–32.
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Hertha Firnberg wurde auf Vorschlag ihrer Vorgängerin Rosa Jochmann zur neuen Vorsitzenden der SPÖ-Frauen gewählt, was für viele, auch parteiintern, überraschend war,391 da die beiden kein persönliches Naheverhältnis verband. Bei ihrem Rücktritt als Vorsitzende des Frauenzentralkomitees lobte sie Firnberg zwar aufgrund ihrer Klugheit, ihrer Intelligenz und ihrer glühenden Liebe zum Menschen und Sozialismus. 1959 hatte sie aber noch voll Kritik in ihrem Kalender notiert, dass Firnberg nie (niedere) Parteiarbeit erledigt habe: »Wir haben darüber gesprochen, dass Gen. Firnberg in den Bundesrat kommt, leider gilt vor allem der Titel – Doktor – und nicht das[,] was die Leute arbeiten. Diese Frau hat man nirgends gesehen, bei keiner Veranstaltung, aber sie kommt ins Parlament.«392
Hinzu kam, dass beide aus unterschiedlichen Welten mit unterschiedlichen Möglichkeiten stammten. Während Hertha Firnberg behütet in einer Arztfamilie aufgewachsen war, die Möglichkeit zu einem Studium hatte und sich auch beruflich entfalten konnte, sie – so Jochmann – »viel mitbekommen« und »viel daraus gemacht« hatte,393 musste sie auf eine völlig andere Biografie zurückblicken. Jochmann kam aus einem Arbeiterhaushalt und musste nach dem frühen Tod der Mutter schon als 14-jährige zum Haushaltseinkommen beitragen. Gleichfalls musste sie sich in der Partei durch Gewerkschafts- und Parteiarbeit erst mühsam hocharbeiten und genoss in den Jahren nach 1945 vor allem aufgrund ihrer Widerstandstätigkeit während des Dollfuß-Schuschnigg-Regimes und der Verfolgung durch das NS-Regime, die sie für vier Jahre ins Konzentrationslager Ravensbrück gebracht hatte, großes Ansehen.394 Firnberg hatte somit eine völlig andere Entwicklung hinter sich und unterschied sich mit dieser – so Heinz Fischer – nicht nur von Jochmann, sondern von einer Reihe anderer Frauenfunktionärinnen wie Wilhelmine Moik, Rudolfine Muhr, Maria Matzner oder Maria Emhart. Während diese ein Leben lang mit den Verhältnissen zu kämpfen hatten, unter denen weniger privilegierte Frauen ihrer Generation aufwuchsen, hatte es Firnberg in dieser Beziehung leichter. Hinzu kam, dass die genannten Frauen im Vergleich zu Firnberg keine akademische Bildung erwerben konnten395 und sich Firnberg hinsichtlich ihres Auftretens deutlich von anderen Funktionärinnen unterschied und damit auch Vertreter*innen anderer Parteien, wie etwa Erhard Busek (ÖVP), auffiel.396
391 Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 36. 392 Veronika Duma, Rosa Jochmann. Politische Akteurin und Zeitzeugin, Wien 2019, 388. 393 Rosa Jochmann, Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Hertha!, in: Bundesfrauenkomitee der SPÖ (Hg.), Hertha Firnberg. Porträt eines politischen Menschen, Wien 1974, 6. 394 Duma, Jochmann. 395 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. 396 Interview der Verfasserin mit Dr. Erhard Busek am 9. 11. 2020.
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Abb. 8: Hertha Firnberg 1967 bei der ersten Sitzung des neuen Frauenzentralkomitees. Von links nach rechts: Anna Czerny, Gertrude Wondrak, Bruno Kreisky, Hertha Firnberg, Maria Hlawka, Herta Winkler, Gabriele Proft
Der Schritt von Rosa Jochmann, Hertha Firnberg als ihre Nachfolgerin vorzuschlagen, dürfte aber gerade in dieser Differenz bzw. der Überlegung begründet gewesen sein, dass ein neuer Typ an die Spitze der SPÖ-Frauen treten sollte. Auch wenn sie selbst eine innere Hürde gegen das Intellektuelle zu überwinden hatte und es in der Frauenorganisation immer wieder Abneigungen gegen »die Studierten« gab, sollte eine akademisch gebildete Frau die Leitung des Frauenzentralkomitees übernehmen.397 Der Hintergrund dafür ist, dass in den 1960erJahren – wie es auch aus der parlamentarischen Arbeit von Firnberg deutlich wird – der politische Diskurs über Bildung stetig an Bedeutung gewann. Zudem wurde von Seiten der Politik verstärkt eine Zusammenarbeit mit der Wissenschaft gesucht, was sich auf Seiten der ÖVP in der »Aktion 20« und später bei der SPÖ in den »1.400 Experten« von Kreisky zeigte. Hertha Firnberg selbst führte ihren in den späten 1950er-Jahren begonnenen Aufstieg in der Politik immer auf ihren Expertenstatus zurück und betonte dabei, dass sie nicht in die Politik gegangen sei, sondern geholt wurde: »Die Erfolgsleiter wird auf verschiedene Weisen erklommen, teils bewusst und teils unbewusst und teils werden Sie ja hinaufgestoßen. Man kommt ja auch hier unter Zwänge, man kann bestimmte Dinge nicht ablehnen, selbst wenn man es will. Auf diese 397 Schachinger, Hertha Firnberg, 73; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019.
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Weise bin ich in die aktive Politik gekommen. Ich wurde aufgerufen und konnte das nicht ablehnen, ich konnte das deshalb nicht ablehnen, weil ich den Vertrauensvorschuss, den mir die Frauen der Partei gaben, nicht zurückweisen konnte. […] Ich war immer politisch tätig, aber der Beruf war für mich das erste, Politik war das zweite, aber dann kommt der Moment, wenn die Frauen Sie vorschlagen für eine politische Funktion, es auch durchkämpfen, dass Sie vorgeschlagen werden – als jemand, der die Ochsentour nicht mitgemacht hat wie ich, denn ich bin als Experte direkt eingestiegen, ich habe sie nie mitgemacht. Das können Sie dann nicht abweisen.«398
Das »Geholtwerden« spielte in ihrer Selbstsicht und -darstellung – wie auch das bereits mehrfach zitierte ORF-Interview aus dem Jahr 1970 verdeutlicht – eine wichtige Rolle: So antwortete sie damals auf die Fragen, warum sie in die Spitzenpositionen kam, in denen sie sich befand, wie sie zur aktiven Politikerin wurde und wie sie »aktiv und exponent« in einem Kreis wurde, der sie vorher nur als Expertin gekannt hatte, mit folgenden Worten: »Vielleicht ist das Originelle an meinem Leben, dass mir sozusagen alles zugefallen ist, fast gegen meinen Willen. Ich habe nie eine Position angestrebt, sondern man hat sie mir offeriert. […] Ich war also immer mittätig, eigentlich überwiegend als Expertin. Ich habe mich immer der Partei zur Verfügung gestellt für politische, wissenschaftliche Expertisen, für Untersuchungen, meine Mitwirkung war eher auf dem Sektor der Experten. […] Man hat gewusst – ich bin ja so lange schon Mitglied der Partei und war es immer, ich bin nie einen Schritt von diesem Weg abgewichen – man hat das gewusst und man hat mich gekannt, natürlich auch als politisch Dazugehörige, man hat mich geholt als politisch Dazugehörige für bestimmte sachliche Problemstellungen.«399
Als Bereiche, die sie in der politischen Arbeit in den Vordergrund stellen wollte, nannte Firnberg in der ersten Sitzung nach ihrer Wahl zur Frauenvorsitzenden die Sozial- und Familienpolitik sowie den Konsumentenschutz.400 Weitere Themen, die noch in den 1960er-Jahren hinzukamen, waren eine Reform des völlig veralteten, bis auf das frühe 19. Jahrhundert zurückreichende Familienrecht, die Firnberg auch im Parlament einforderte,401 sowie die Bildungsbeteiligung der Mädchen. Hierbei wurden alle politischen Funktionärinnen dazu angehalten, bei jeder Frauenveranstaltung darauf hinzuweisen, »dass die Mütter nicht sagen sollen, das Mädel braucht nichts zu lernen, sondern dass sie sorgen sollen, dass
398 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 163f. 399 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. Vgl. zum »Geholtwerden« und zur Bedeutung der Expertenrolle von Firnberg auch: Hertha Firnberg, seit 1970 Ministerin der Regierung Kreisky, in: Basler Zeitung, 6. 6. 1981. 400 Vor neuen Aufgaben. Gespräch mit Dr. Hertha Firnberg, in: Die Frau 7 (1967) 7. 401 Vgl. hierzu: Christian Broda, Die österreichische Sozialdemokratie und die Familienrechtsreform, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 57–79.
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die Mädchen was lernen«.402 Zudem war es Firnberg als neue Frauenvorsitzende ein Anliegen, nicht mehr länger die Hausfrau in den Mittelpunkt zu stellen, wodurch das Frauenkomitee nun ebenso sehr die Situation der berufstätigen Frauen sowie der alleinstehenden Frauen ansprach. Gleichfalls wurde der Status der Frauen innerhalb der SPÖ zu einem Thema und von Firnberg eine Öffnung der SPÖ-Frauenorganisation betrieben bzw. von einer Politik des Lagerdenkens auf eine Bündnispolitik mit den Vertreterinnen anderer Frauenorganisationen übergegangen, wie sie etwa in der Gründung des Österreichischen Frauenrings deutlich wurde.403 In diesem schlossen sich 1969 anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des erstmaligen Einzugs von Frauen ins österreichische Parlament SPÖ- und ÖVP-Frauen und der Verband österreichischer Staatsbürgerinnen zusammen. Ziel des »Österreichischen Frauenrings« war (und ist) die stärkere Durchsetzung der Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen, die Befassung der Öffentlichkeit mit den Problemen der Frauen sowie die Steigerung der Bereitschaft von Frauen, am öffentlichen Leben teilzunehmen. In der konkreten Arbeit sollten der Erfahrungsaustausch sowie die Erarbeitung von Stellungnahmen und Vorschlägen im Mittelpunkt stehen, es wurden aber auch Vorträge und Enqueten organisiert und internationale Kontakte gepflegt. Erste Vorsitzende war von 1969 bis 1982 Hertha Firnberg.404
5.5. Das »Humanprogramm« Eine der wohl wichtigsten Personalentscheidungen für die SPÖ überhaupt fiel – wie bereits vorausgeschickt – auf dem der Frauenzentralkonferenz folgenden Parteitag vom 30. Januar bis 1. Februar 1967 mit der Wahl von Bruno Kreisky zum neuen Vorsitzenden. Entscheidend hierfür war, dass nach der Niederlage bei der Nationalratswahl 1966 ein intensiver Diskussionsprozess über die Zukunft der Partei eingesetzt hatte und dass eine Obmann-Debatte auf Dauer nicht verhindert werden konnte. Dabei wurde die Hauptschuld an der Wahlniederlage vor allem Bruno Pittermann als Parteivorsitzendem und mit ihm der Wiener SPÖ gegeben bzw. vor allem von den Ländervertretern, die Kreisky zu ihrem Kandidaten machten, Reformen eingefordert. Maßgeblich war dafür, dass sich Kreisky in der Parteidiskussion nicht nur als besonders reformfreudig gezeigt hatte,
402 Feigl, »Die besondere Arbeit unter den Frauen«, 124. 403 Ebenda, 102–142. 404 Österreichischer Frauenring, Broschüre: 50 Jahre Österreichischer Frauenring, Wien 2019, URL: https://www.frauenring.at/festschrift-50-jahre-oesterreichischer-frauenring-download (abgerufen: 13. 1. 2021).
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sondern dass er kurz vor dem Parteitag auch zu einem Vertreter der Länder geworden war.405 Bruno Kreisky wurde 1911 in eine bürgerliche jüdische Wiener Familie geboren und war seit seiner Jugend in der sozialdemokratischen Partei engagiert. Nach dem Bürgerkrieg 1934 wurde er zu einem Mitbegründer der Revolutionären Sozialistischen Jugend und im Sozialistenprozess 1936 wegen Hochverrats zu einem Jahr Kerker verurteilt. Im März 1938 folgte, nachdem Kreisky unmittelbar nach dem »Anschluss« noch sein Rechtsstudium abschließen konnte, eine neuerliche Verhaftung und die Flucht nach Schweden, wo er als Korrespondent verschiedener Zeitungen und als Sekretär in der Stockholmer Konsumgenossenschaft arbeitete. Die Rückkehr nach Österreich erfolgte nach einem ersten Besuch 1946 erst im Jahr 1951, da Kreisky wie so viele erfahren musste, dass die österreichische Nachkriegsgesellschaft an einer Rückkehr der Emigrant*innen nicht interessiert war. Trotzdem gelang es ihm in den folgenden Jahren, rasch Karriere in der SPÖ zu machen, 1953 Staatssekretär im Außenamt sowie 1959 Außenminister zu werden und eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen um den Staatsvertrag 1955 zu spielen, der Österreich seine volle Souveränität wiederbrachte. Seine politische Heimat fand er durch Unterstützung von Franz Olah, mit dem er bereits in der Illegalität zusammengearbeitet hatte, erst in WienHernals und dann in Niederösterreich, wo er Anfang Juni 1966 zum Obmann der Landespartei gewählt und somit zu einem Vertreter der Länder wurde.406 Ein weiterer Kandidat, der von Seiten der Wiener als möglicher neuer Parteiobmann ins Spiel gebracht wurde, war der ehemalige Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe Karl Waldbrunner, der als graue Eminenz in der Partei galt. Nachdem dieser nicht kandidieren wollte, schlug Pittermann den früheren Innenminister Hans Czettel für seine Nachfolge vor. Dieser lehnte jedoch ebenfalls eine Kandidatur bzw. eine Kampfabstimmung gegen Kreisky ab, worauf Kreisky als einziger Kandidat für den Parteivorsitz übrigblieb und am 18. Parteitag der SPÖ zum neuen Vorsitzenden gekürt wurde. Seine Wahl erfolgte jedoch mit einer nicht allzu hohen Zustimmung von 347 von 497 Stimmen (69,8 Prozent) und in einer weitaus weniger amikalen Atmosphäre als auf der
405 Vgl. zur Reformdiskussion nach 1966 ausführlich: Wirth, Christian Broda, 333–344. 406 Vgl. zu Kreisky u .a.: Elisabeth Röhrlich, Kreiskys Außenpolitik. Zwischen österreichischer Identität und internationalem Programm (Zeitgeschichte im Kontext 2), Göttingen 2009; Wolfgang Petritsch, Bruno Kreisky. Ein biografischer Essay, Wien 2000; Oliver Rathkolb, Bruno Kreisky. »Seiner Zeit voraus«, in: Otfried Dankelmann (Hg.), Lebensbilder europäischer Sozialdemokraten des 20. Jahrhunderts, Wien 1995, 249–271; Werner Perger / Wolfgang Petritsch, Bruno Kreisky gegen die Zeit, Heidelberg 1995, 86–150; Pierre Secher, Bruno Kreisky. Chancellor of Austria. A Political Biography, Pittsburg 1993.
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Frauenzentralkonferenz, bei der Hertha Firnberg kurz zuvor zur neuen Frauenvorsitzenden gekürt worden war.407 Firnberg kannte Kreisky – wie bereits genannt – seit ihrer Zeit in der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler, noch bevor Kreisky nach dem Justizpalastbrand 1927 zur Arbeiterjugend wechselte. Während des Krieges hatten sich die beiden zwar aus den Augen verloren, in den 1950er- und 1960er-Jahren aber wieder Kontakt zueinander gefunden, da beide in Niederösterreich politisch beheimatet waren408 – Firnberg in der Arbeiterkammer für Niederösterreich, Kreisky in der niederösterreichischen SPÖ. Eine enge Beziehung bestand zwischen ihnen jedoch nicht. So stimmte Firnberg, die Bruno Pittermann seit der Zwischenkriegszeit kannte und mit diesem befreundet war,409 wie die meisten Wiener Delegierten auch gegen den »Bundesländerkandidaten« Kreisky.410 Wie sie selbst in einem Interview 1970 zugab, vertrat sie 1967 »eher die Meinung«, dass »vielleicht diese Wahl nicht die Richtige« sei. Später sei sie aber jederzeit bereit gewesen zu bekennen, dass sie sich geirrt habe.411 Auf dem Parteitag 1967 selbst beschwor sie in ihrer ersten Rede vor diesem Gremium überhaupt die Einigkeit in der Partei und dass diese »über alles zu stellen sei.«412 In den folgenden Jahren gelang es Kreisky, die SPÖ aus ihrer schweren Krise zu holen, die Partei in Richtung Mitte zu öffnen und ihr das Image einer modernen Reformpartei zu verleihen. Dazu gehörte, dass Kreisky sich um ein gutes Verhältnis zur katholischen Kirche bemühte und eine deutliche Trennung zum Kommunismus vornahm, nachdem eine nicht zurückgewiesene Wahlempfehlung der KPÖ bei der Nationalratswahl 1966 der SPÖ sehr geschadet hatte. Hinzu kamen eine moderne Öffentlichkeits- und PR-Arbeit sowie ein neuer, freierer Umgang mit den Medien, der die Partei ebenso wie das Vorgehen Firnbergs bei der Gründung des »Österreichischen Frauenrings« offener erscheinen ließ.413 Eine besonders wichtige Rolle spielten – ähnlich wie zuvor auf Seiten der ÖVP mit der »Aktion 20« – die sogenannten »1.400 Experten« der SPÖ, die eine Reihe 407 Vgl. zur Wahl Bruno Kreiskys zum Parteivorsitzenden: Harald Pesendorfer, Bruno Kreisky – Transformation der SPÖ? Bruno Kreisky wird Parteiobmann, Univ. Dipl.-Arb., Wien 1996; Robert Kriechbaumer, Der 18. Parteitag der SPÖ vom 30. Jänner bis 1. Februar 1967, in: zeitgeschichte 4 (1974) 129–148; Protokoll des 18. Parteitags der SPÖ am 30./31. Jänner und 1. Februar 1967 in der Wiener Stadthalle. 408 Fischer, Reflexionen, 258f. 409 Interview der Verfasserin mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019. 410 Wirth, Christian Broda, 503; Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 36. 411 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 412 Protokoll des 18. Parteitags von 30./31. Jänner bis 1. Februar 1967 in der Wiener Stadthalle, 105. 413 Oliver Rathkolb, Transformation der SPÖ, 1966–1970, in: Franz Schausberger (Hg.), Die Transformation der österreichischen Gesellschaft und die Alleinregierung von Bundeskanzler Dr. Josef Klaus, Salzburg 1995, 199–211.
Das »Humanprogramm«
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von Reformprogrammen für ein »modernes Österreich« ausarbeiteten, nachdem Kreisky (orientiert am sozialdemokratisch regierten Hessen) die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik bereits im Rahmen einer Raumplanungskonferenz in Niederösterreich verwirklicht hatte.414 Den Beginn machte Ende 1968 ein Wirtschaftsprogramm, da es für Kreisky wichtig war, Wirtschaftskompetenz zu vermitteln, um der SPÖ das Image zu nehmen, nur eine Partei für schlechte Zeiten zu sein. Bereits unmittelbar nach der Übernahme des Parteivorsitzes gab er daher den Startschuss zur Ausarbeitung eines entsprechenden Programms, das unter maßgeblicher Beteiligung von Ernst Eugen Veselsky, Josef Staribacher, Hannes Androsch sowie Christian Broda erarbeitet wurde und auch dem Themenbereich Forschung und Entwicklung eine große Beachtung schenkte. So beschäftigte sich im Rahmen des Konzeptpapiers etwa ein eigenes Kapitel über den technischen Fortschritt mit den Ursachen des Forschungsrückstands in Österreich und schlug eine Reihe von Maßnahmen vor, die zu einer Überwindung der Stagnation dienen sollten.415 1969 folgte unter dem Titel »Im Mittelpunkt der Mensch« das sogenannte »Humanprogramm«, das noch 1968 in Angriff genommen worden war. Erarbeitet wurde es nach zwei großen gesundheitspolitischen Konferenzen in Perchtoldsdorf am 22. November 1968 und 7. März 1969 in 13 Arbeitskreisen und 78 Sitzungen unter Mitwirkung von 315 Teilnehmer*innen unter der Leitung von Hertha Firnberg. Weitere Programme waren u. a. ein Justizprogramm, für das vor allem Christian Broda verantwortlich war, ein Wohnbau- und ein Sozialprogramm, ein Schul- und ein Erwachsenenbildungsprogramm sowie ein Hochschulkonzept,416 das von einem Team um Heinz Fischer ausgearbeitet wurde417 und u. a. eine Strukturreform mit der Mitverantwortung aller am Hochschulbetrieb Beteiligten vorsah. In der Öf-
414 Vgl.: Oliver Rathkolb / Johannes Kunz / Margit Schmidt (Hg.), Bruno Kreisky. Im Strom der Politik. Der Memoiren zweiter Teil, Wien/München/Zürich 2000, 393. 415 Vgl.: Fröschl, Forschungsnotstand, 237f. sowie Reform der österreichischen Wirtschaft. Das Wirtschaftsprogramm der SPÖ, beschlossen am Parteitag 1968, 2. bis 4. Oktober 1968. 416 Bildung für die Gesellschaft von morgen. Hochschulkonzept der SPÖ. Beschlossen vom Parteirat der SPÖ am 22. November 1969. 417 Mitarbeiter am Programm waren u. a. die Hochschulprofessoren Rudolf Strasser aus Linz und Fritz Fellner aus Salzburg sowie »aktive 68er« wie Peter Kowalski, Norbert Rozsenich, Silvio Lehmann, Marina Fischer oder Eva Kreisky. Die Leitung der Programmarbeit lag bei Heinz Fischer. Bei der Präsentation im Januar 1970 im Presseclub Concordia waren neben Bruno Kreisky folgende Mitarbeiter präsent: Heinz Fischer als Leiter des Programms, Wolf Frühauf als Vertreter der Assistent*innen, Fritz Fellner als Vertreter der Professor*innen und Silvio Lehmann als Vertreter der Studierenden. Hertha Firnberg war nicht anwesend. Vgl.: Heinz Fischer, Die Kreisky-Jahre 1967–1983, Wien 1993, 51; Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021.
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fentlichkeitsarbeit der SPÖ wurden jedoch vor allem das Wirtschafts-, Humanund Wohnbauprogramm beworben.418 Im »Humanprogramm« beschäftigte sich Firnberg dem Auftrag Kreiskys folgend mit Fragen der Gesundheitspolitik im Kontext der Umwelthygiene und legte damit ein erstes gesundheitspolitisches, aber auch ein erstes Umweltkonzept der SPÖ vor.419 Dieses warnte nicht nur vor den Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die Gesundheit, sondern machte auch deutlich, dass »Wasserverschmutzung, Luftverunreinigung, verfälschte Nahrung, Lärm […] zu einer Gesundheitsgefährdung ersten Ranges« würden.420 Firnberg, die in der Partei als »wissenschaftsnah« galt,421 bearbeitete damit als eine der »1.400 Experten« Kreiskys weder Fragen der Hochschul- noch der Forschungspolitik, die anderen übertragen wurden. Sie setzte sich aber mit zwei Themenbereichen auseinander, die Schnittstellen zur Forschungsgemeinschaft für Großstadtprobleme im Institut für Wissenschaft und Kunst aufwiesen und die auch im politischen Diskurs immer wichtiger wurden – hatte es doch bereits in der »Aktion 20« ein Kapitel zur Gesundheitspolitik im Kontext des Umweltschutzes gegeben.422 Neuartig an der Erarbeitung des »Humanprogramms«, dessen Name von Journalist*innen stammte, war insbesondere, dass die Mitwirkung an keine Parteizugehörigkeit gebunden war.423 Für Hertha Firnbergs weitere politische Karriere war das Programm – laut einem ausführlichen Portrait im »Profil« aus dem Jahr 1975 – vor allem deshalb von Bedeutung, weil es ihr innerparteilich jene Profilierung brachte, die sie letztlich ministrabel machte. Maßgeblich war dafür, dass es sich bei der Koordinierung und Leitung des Programmes um eine große und verantwortungsvolle Aufgabe in einer kritischen Phase der Geschichte der SPÖ handelte.424
418 Ernst Eugen Veselsky, Die 1400 Experten der SPÖ, in: Andreas Khol / Alfred Stirnemann (Hg.), Österreichisches Jahrbuch für Politik 1981, Wien 1982, 181–189; Manfred Scheuch, Der Weg zum 1. März 1970, Wien 1970; Hertha Firnberg, Einleitung, in: Im Mittelpunkt der Mensch. Das Humanprogramm der SPÖ. Beschlossen vom Parteirat der SPÖ am 22. November 1969, XIII. 419 Fischer, Reflexionen, 259; Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. 420 Firnberg, Österreich zuliebe, 128f.; Hertha Firnberg, Gedanken zum Humanprogramm, in: Die Zukunft 7 (1969) 8; Im Mittelpunkt der Mensch. Das Humanprogramm der SPÖ. Beschlossen vom Parteirat der SPÖ am 22. November 1969. 421 Schriftliche Mitteilung von Dkfm. Dr. Hannes Androsch vom 10. 9. 2021. 422 Vgl. hierzu das Kapitel 4 »Gesundheit für alle«, in: Österreichische Gesellschaft für Politik (Hg.), Symbiose von Politik und Forschung, Melk/Wien 1967, 126–183. 423 Scheuch, Der Weg zum 1. März 1970, 10. 424 Auch Anna Elisabeth Haselbach spricht davon, dass ihr das Programm viel Anerkennung brachte. Vgl.: Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 36; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019.
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Wissenschaftsministerin in der Ära Kreisky
6.1. Ministerin und Frauenvorsitzende Die Nationalratswahl vom 1. März 1970 führte zu einem Wahlsieg der SPÖ. Nachdem 1966 noch die ÖVP jene Partei war, die die Reformkompetenz für sich in Anspruch nehmen konnte, während die Sozialdemokratie von Krisen geschüttelt und in alten Traditionen verhangen war, gelang es nun der SPÖ als modernere, weltoffene Partei zu erscheinen. Maßgeblich waren hierfür der von Bruno Kreisky eingeschlagene Kurs einer Öffnung der SPÖ, die in der Opposition ausgearbeiteten Programme für ein »modernes Österreich« sowie sein geschickter Umgang mit den Medien, insbesondere dem Fernsehen, das im Wahlkampf 1970 erstmals von größerer Bedeutung wurde. Hinzu kam, dass die SPÖ mit ihren Versprechen, Aufstiegschancen für alle zu schaffen und für eine »Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche« einzutreten, den Zeitgeist der späten 1960er-Jahre – wie er sich etwa in der Studentenbewegung zeigte – traf. Vor allem gelang es ihr aber, bei neuen Wählergruppen punkten zu können, nachdem sie mit dem Slogan »Ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen« gezielt nicht der SPÖ nahestehende Personen als Wähler*innen angesprochen hatte, darunter die neue Mittelschicht, vermehrt die Jugend und Frauen sowie die oberen Bildungsschichten.425 Mit 48,4 Prozent der Stimmen bzw. 81 Mandaten konnte die SPÖ die relative Stimmen- und Mandatsmehrheit (von damals 165 Mandaten) erreichen und sowohl die ÖVP mit 44,77 Prozent der Stimmen bzw. 79 (später 78) Mandaten als auch die FPÖ mit 5,52 Prozent der Stimmen bzw. fünf (später sechs) Mandaten hinter sich lassen.426 Die absolute Mandatsmehrheit verfehlte sie jedoch aufgrund der geltenden Wahlarithmetik, obwohl sie 1970 mehr Stimmen erreichen konnte 425 Maria Wirth / Elisabeth Röhrlich, »Für ein modernes Österreich«. Die Ära Kreisky (1970– 1983), in: Heinz Fischer (Hg.) unter Mitarbeit von Andreas Huber und Stephan Neuhäuser, 100 Jahre Republik. Meilensteine und Wendepunkte 1918–2018, Wien 2018, 190f. 426 Die in Klammer genannten Zahlen beziehen sich auf das Ergebnis nach der Wiederholungswahl vom 4. 10. 1970.
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als die ÖVP 1966.427 Dem Wahlsieg folgten zunächst Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei, bei denen sich die SPÖ sehr selbstbewusst zeigte, da Kreisky schon bald nach der Wahl einen anderen Plan entwickelte und diesen in Gesprächen mit FPÖ-Obmann Friedrich Peter absicherte: die Bildung einer Minderheitsregierung mit Unterstützung der FPÖ, wofür diese im Gegenzug eine Wahlrechtsreform erhalten sollte, die den Proportionalitätseffekt steigern und bessere Bedingungen für kleine Parteien im Parlament schaffen sollte. Bereits einen Tag nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP konnte daher am 21. April 1970 von Bundespräsident Franz Jonas eine Minderheitsregierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky angelobt werden, der neben Hannes Androsch als Finanzminister, Josef Staribacher als Handelsminister, Christian Broda als Justizminister und Leopold Gratz als Unterrichtsminister auch Hertha Firnberg angehörte.428 Dass Firnberg gute Chancen hatte, in eine zukünftige Regierung auf Seiten der SPÖ einzuziehen, war bereits im Vorfeld der Nationalratswahl vom 1. März 1970 festgestanden. So hatte Kreisky im Wahlkampf zwar auf die Präsentation eines Schattenkabinetts verzichtet, um dieses nicht der ÖVP-Propaganda auszusetzen. Wenn er doch einmal Namen nannte, wie es im Dezember 1969 der Fall war, befand sich darunter aber jener von Firnberg.429 Dies resultierte sowohl aus ihrer Position als SPÖ-Frauenvorsitzende als auch aus dem Umstand, dass Kreisky ein deutliches Signal in Richtung Frauen senden wollte bzw. er sich – so Firnberg im Jahr 1985 – dessen bewusst war, dass die Gewinnung der Frauen eine unabdingbare Voraussetzung für ein positives Wahlergebnis war.430 In weiterer Folge war Firnberg neben Kreisky, Felix Slavik, Karl Waldbrunner und Hans Czettel auch ein Mitglied des SPÖ-Verhandlungsteams während der Koalitionsgespräche mit der ÖVP.431 Nach der Bildung der SPÖ-Minderheitsregierung zog sie neben Gertrude Wondrak, die als Staatssekretärin im Sozialministerium vorwiegend für Fragen der Volksgesundheit zuständig war, dann als eine der beiden Frauen, die dem ersten Regierungsteam von Kreisky angehörten, in die Regierung ein. Nach Helene Postranecky, die 1945 Unterstaatssekretärin für Volksernährung in der Provisorischen Staatsregierung Renner war,432 und Grete Rehor,
427 Die ÖVP hatte 1966 mit 2,19 Millionen Stimmen 85 Mandate erreicht, die SPÖ erlangte 1970 mit 2,23 Millionen Stimmen jedoch nur 81 Mandate. 428 Vgl. zur Regierungsbildung 1970, insbesondere auch dem Umstand, dass sich mehrere ehemalige Nationalsozialisten im ersten Kabinett von Kreisky befanden, ausführlich: Wirth, Christian Broda, 385–391. 429 SPÖ-Schattenkabinett, in: Wochenpresse, 17. 12. 1969. 430 Firnberg, Österreich zuliebe, 132. 431 Wirth, Christian Broda, 386. 432 Vgl. zu Helene Postranecky: Manfred Mugrauer, Hella Altmann-Postranecky (1903–1995). Funktionärin der ArbeiterInnenbewegung und erste Frau in einer österreichischen Regie-
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die als Sozialministerin in der ÖVP-Alleinregierung Klaus fungierte,433 zählt sie damit zu den ersten Frauen, die in Österreich je einer Regierung angehörten.
Abb. 9: Bruno Kreisky mit seinem Team auf dem Weg zur Angelobung durch Bundespräsident Franz Jonas am 21. April 1970
Angelobt wurde Hertha Firnberg, die zu diesem Zeitpunkt ihr Berufsleben eigentlich schon hinter sich hatte bzw. 1969 in der Arbeiterkammer für Niederösterreich in Pension gegangen war, am 21. April 1970 zunächst als Ministerin ohne Portefeuille. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand jedoch fest, dass die 61Jährige ein noch zu gründendes Wissenschaftsministerium übernehmen sollte. Die Teilung des Bildungsressorts war bereits während der Koalitionsgespräche mit der ÖVP zu einem konkreten Thema geworden und stellte auch einen jener Punkte dar, an denen Kreisky die Verhandlungen scheitern ließ, da die ÖVP auf der gesamten Bildungskompetenz beharrt hatte bzw. sich nicht mit der Unter-
rung, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Forschungen zu Vertreibung und Holocaust (Jahrbuch 2018), Wien 2018, 267–306. 433 Vgl. zu Grete Rehor u. a.: Gerda Frankenstein, Grete Rehor. Gewerkschafterin – Parlamentarierin – Erste »Frau Minister« Österreichs. Versuch einer Standortbestimmung zwischen dem katholischen Frauenleitbild der »Mütterlichkeit« und der »Neuen Frauenbewegung«, Univ. Dipl.-Arb., Wien 1994.
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richtskompetenz allein begnügen wollte.434 Als das neue Ministerium per Gesetz vom 23. Juli 1970 eingerichtet war, übernahm Hertha Firnberg die Leitung des neuen Ressorts. Sie wurde am 26. Juli 1970 im Vorfeld der Salzburger Festspiele von Bundespräsident Franz Jonas als erste Wissenschaftsministerin in der österreichischen Geschichte angelobt435 und legte in der Folge stets Wert darauf, als »Frau Bundesminister«, und nicht als »Frau Ministerin« angesprochen zu werden. Die Gründe dafür waren, dass unter »Frau Ministerin« in den 1970erJahren noch vor allem die Gattin eines Ministers verstanden wurde, Firnberg aber auch mit der im Entstehen begriffenen feministischen Sprachpolitik nichts anfangen konnte.436 Wie im »Frauenbericht« 1985 analysiert wurde, profitierte sie bei ihrem Einzug in die Regierung vom Umstand, dass in Alleinregierungen mehr Ämter zu vergeben sind und Frauen besser zum Zug kommen können, wobei Frauen bis Mitte der 1980er-Jahre – wie es bei Firnberg der Fall war – oftmals mit neu geschaffenen Regierungsämtern betraut wurden.437 Nach Grete Rehor übernahm erst Hilde Hawlicek mit dem Ministerium für Unterricht, Kunst und Sport 1987 ein bereits existierendes Ressort. 1969/1970 wurden Hertha Firnberg auch erstmals größere Portraits in den Medien gewidmet. Anlass hierfür waren einerseits ihr 60. Geburtstag, andererseits ihre Bestellung zur Ministerin. Dabei zeigen die erhaltenen Beiträge nicht nur, dass Frauen in der Spitzenpolitik nach wie vor eine Seltenheit waren und mit Skepsis, Klischees und Vorurteilen betrachtet wurden. Sie demonstrieren ebenso, dass sich Frauen Fragen gefallen lassen mussten, die einem Mann nie gestellt worden wären. So heißt es etwa in einem eigentlich wohlmeinenden Artikel über Firnberg: »Was alles gegen Frauen in der Politik eingewendet werden kann – ihr Schwanken zwischen Minderwertigkeitskomplexen und schriller Geltungssucht, unweiblicher Hektik und emotionell gefärbter Argumentation – auf Hertha Firnberg trifft es nicht zu.«438
434 Vgl.: Helmut Wohnout, Wissenschaftspolitik im Spannungsfeld von Parlament und Parteien, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970–2010, 272f.; Kreisky bildet SP-Regierung, in: Arbeiter-Zeitung, 21. 4. 1970; Referat des Parteivorsitzenden am 11. 6. 1970, in: Protokoll des SPÖ-Parteitags vom 10.–12. 6. 1970, 88. 435 Wolf Frühauf, Aufbruch in die Zukunft. Vor 50 Jahren stand enormer Reformbedarf am Beginn des neuen Wissenschaftsministeriums, in: Wiener Zeitung, 31. 8. 2020. 436 Frau Bundesminister, nicht Frau Ministerin, in: Die Presse, 16. 2. 1994; Wolf Frühauf, Aufbruch in die Zukunft. Vor 50 Jahren stand enormer Reformbedarf am Beginn des neuen Wissenschaftsministeriums, in: Wiener Zeitung, 1. 9. 2020. 437 Zitiert nach: Angelika Zach, Zur Geschichte des österreichischen Staatssekretariates für allgemeine Frauenfragen. Entstehungsbedingungen, Gründung und Aktivitäten bis zum Ende der Alleinregierung der SPÖ 1983, Univ. Dipl.-Arb., Wien 1992, 143–146. 438 Vgl.: Dame der SPÖ, in: Salzburger Nachrichten, 18. 9. 1969.
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Und in dem bereits mehrfach zitierten ORF-Interview aus dem Jahr 1970 wurde sie in einem recht forschen Ton nicht nur nach ihrem biografischen Werdegang gefragt, sondern auch danach, ob sie je verheiratet gewesen sei, gerne Kinder gehabt hätte und kochen könne.439 Im Gegensatz zu Kreisky, der aufgrund seines versierten Umgangs mit den Medien zum »Journalistenkanzler« avancierte, blieb ihr Verhältnis zu den Medien wohl deswegen, aber auch weil sie in den folgenden Jahren im Zuge der Universitätsreform (ausgestattet mit Informationen von den Professoren) von den bürgerlichen Medien hart attackiert wurde, ein problematisches und distanziertes. Interviews und Homestories blieben so stets etwas, das sie gerne vermied,440 wenngleich sich ihr Verhältnis zu den Medien im zeitlichen Verlauf auch verbesserte. Wie hoch ihr Anteil an der Errichtung eines eigenen Wissenschaftsministeriums war, ist schwer zu beurteilen. Gelegentlich feststellbare Interpretationen, wonach Firnberg die treibende Kraft hinter der Schaffung des Ministeriums war,441 steht – so Heinz Fischer – das Faktum gegenüber, dass Kreisky 1970 die zentralen Entscheidungen traf und er die Gründung des Ministeriums beschloss.442 Zudem behielt er sich – so Firnberg – »von Anfang an [auch] die Auswahl seiner Mitarbeiter allein« vor.443 Nach ihren eigenen Angaben soll Kreisky ihr zunächst das Unterrichtsministerium angeboten haben, was sie jedoch ablehnte, da sie sich nicht mit »Lehrer-Schüler-Geschichten« herumschlagen wollte. Der nächste Vorschlag war der Aufbau des Wissenschaftsministeriums, den Firnberg akzeptierte.444 Wie sie oftmals betonte und in ihrer Selbstdarstellung eine wichtige Rolle spielte, 1970 aber scheinbar gar nicht zur Debatte stand, wäre die Übernahme eines »typisch weiblichen Ressorts« wie eines Sozial- oder Familienministeriums für sie nicht vorstellbar gewesen. »Ich hatte den festen Vorsatz, meinem emanzipatorischen Selbstverständnis entsprechend, kein ›Frauenministerium‹ zu übernehmen, weil bei der Übernahme einer Aufgabe – auch politischer Natur – nicht das Geschlecht, sondern die Person mit ihrer Eignung, Leistung und Neigung das entscheidende Moment sein müsse. Dieser Grundsatz entspricht – und entsprach in jeder Funktion – meiner Auffassung der Frauenemanzipation: ›Keine Privilegierung – keine Diskriminierung der Frauen‹; Gleichberechtigung und Gleichwertung, keine Bevorzugung – gleiche Rechte und gleiche Leistung sind die Säulen, auf welchen die Frauenemanzipation aufzubauen hat. 439 ORF-Archiv, Das politische Portrait, 21. 11. 1970, 29.45 Minuten. Produktionsnummer 1970102116. 440 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 441 Schachinger, Hertha Firnberg, 122f. 442 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. 443 Firnberg, Österreich zuliebe, 131. 444 Lapp/Troch, Favorit in Favoriten, 85.
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Mein Wunsch nach dem durch und durch ›männlichen‹ Wissenschaftsministerium hat Verständnis beim Kanzler und dem Entscheidungsgremium gefunden und wurde erfüllt; ich wurde mit der Leitung des neugegründeten Wissenschaftsministeriums betraut.«445
Firnberg wollte – wie ihr langjähriger Büroleiter Wolf Frühauf vermerkt – somit ein »männlich konnotiertes Ministerium« übernehmen und zeigen, dass Frauen auch hier reüssieren können.446 So hatte es auch bereits in einem Portrait der SPÖ-Frauen zu ihrem 65. Geburtstag geheißen, dass sowohl Firnberg als auch die Partei mit ihrer Bestellung zur Wissenschaftsministerin einen Nachweis dafür liefern wollten, dass Frauen grundsätzlich die Eignung für alle Funktionen in Staat und Gesellschaft (und der damals weitgehend männlich dominierten Wissenschaftsszene) besitzen würden.447 Für viele Beobachter*innen wäre Firnberg im Rückblick aufgrund ihrer thematischen Breite, ihrer Funktion als Frauenvorsitzenden und der Arbeit am »Humanprogramm« für verschiedene Ressorts in Betracht gekommen.448 Klar »festgelegt« auf einen Themenbereich bzw. nur als Wissenschaftsministerin vorstellbar, war sie somit nicht. So war es etwa für Heinz Fischer 1970 eine Überraschung, dass sie zur Wissenschaftsministerin bestellt wurde und hing für ihn auch damit zusammen, dass Kreisky an der Spitze dieses Ressorts keinen Hochschullehrer haben wollte.449 In seiner (ersten) Regierungserklärung vom 27. April 1970 skizzierte Kreisky ein umfassendes Reformprogramm, in dem die Rechts- und Bildungspolitik nach »Prinzipien der regionalen und sozialen Chancengleichheit« mit einer »Demokratisierung der inneren Struktur« Schlüsselbereiche sein sollten. Zudem wurde eine Gesamtreform der Universitäten inklusive der Etablierung von Mitbestimmungsmöglichen für alle am Wissenschaftsprozess Beteiligten angekündigt und die Wissenschaftspolitik als »zentrales Anliegen« der Bundesregierung erklärt. Zeigen sollte sich das in »energischen Maßnahmen« in der Forschungsförderung, dem Aufbau einer koordinierten Wissenschaftspolitik und der Schaffung eines eigenen Wissenschaftsministeriums.450 Der Wissenschaft wurde damit eine Auf445 Hertha Firnberg, Österreich zuliebe, 133f. Vgl. in diesem Zusammenhang ebenfalls: Testfall für ÖVP-FPÖ-Opposition, in: Neue Zeit, 23. 5. 1970. 446 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 29. 11. 2019. 447 O. A., Hertha Firnberg – Porträt eines politischen Menschen, einer intellektuellen Politikerin, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 12. 448 So bestehen Erinnerungen, wonach Firnberg Sozial-, Familien- und Wissenschaftsministerin werden wollte. Vgl.: Schachinger, Hertha Firnberg, 122; Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 449 Fischer, Reflexionen, 259f. 450 StPNR, XII. GP, 2. Sitzung vom 27. 4. 1970.
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Abb. 10: Erstes Kennenlernen der neuen Minister*innen am 22. April 1970
merksamkeit in einer Regierungserklärung geschenkt, wie es noch niemals zuvor der Fall gewesen war. Wie lange die Minderheitsregierung arbeiten können sollte, war jedoch unklar. Feststand nur, dass es wohl keine ganze Legislaturperiode sein würde. Für die SPÖ galt es daher, die zur Verfügung stehende Zeit bestmöglich zu nutzen und populäre Akzente zu setzen, um bei einem günstigen Zeitpunkt Neuwahlen herbeizuführen, was im Juli 1971 der Fall war. Nachdem die SPÖ die Bundespräsidentenwahl vom 25. April 1971 mit der Wiederwahl von Franz Jonas für sich verbuchen konnte und klargeworden war, dass die FPÖ kein weiteres Budget einer SPÖ-Regierung unterstützen würde, brachte sie einen Antrag auf Neuwahlen ein, die im 10. Oktober 1971 durchgeführt wurden. Die Erfolgsbilanz, auf deren Basis die SPÖ die Wähler*innen aufforderte, Kreisky und sein Team weiter arbeiten zu lassen, umfasste u. a. die der FPÖ versprochene Wahlrechtsreform, eine erste Reform im Familienrecht mit der Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes und die sogenannte »kleine Strafrechtsreform«, die eine Entkriminalisierung der Homosexualität unter Erwachsenen sowie der Ehestörung und eine partielle Entkriminalisierung des Ehebruchs brachte. Hinzu kamen die Einführung der Schülerfreifahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Einführung von Schülerbeihilfen für bedürftige Schüler*innen mit einem »günstigen« Schulerfolg ab der 10. Schulstufe,451 eine Sistierung der Aufnahme451 Gleichfalls wurde unter gewissen Umständen nun eine Heimbeihilfe ab der 9. Schulstufe gewährt. Vgl.: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 373.
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prüfungen für allgemeinbildende höhere Schulen, die 1982 endgültig abgeschafft wurden, die Errichtung des Wissenschaftsministeriums und eine Bundesheerreform, die mit der Herabsetzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate452 ein wichtiges Versprechen aus dem Wahlkampf 1970 einlöste.453 Die Nationalratswahl vom 10. Oktober 1971 brachte der SPÖ die absolute Stimmen- und Mandatsmehrheit. Kreisky und die SPÖ konnten damit ihr Reformprogramm fortführen, wobei die Wissenschaftspolitik – wie in der Regierungserklärung vom 5. November 1971 betont wurde – weiterhin ein »zentrales Anliegen« bleiben sollte. So wurden u. a. eine Fortsetzung der Hochschulreform, ein offener Hochschulzugang und eine Steigerung des Anteils am Bruttonationalprodukt für Wissenschaft und Forschung auf 1,5 bis 2 Prozent in Aussicht gestellt.454 Eine gute Wirtschaftslage verschaffte der Regierung (zunächst) weiterhin den nötigen Rückenwind bzw. erleichterte die Umsetzung des Regierungsprogramms. Im Bereich der Rechtspolitik bedeutete dies, dass mit einem weiteren Schritt in der Familienrechtsreform der Mann als »Oberhaupt der Familie« abgeschafft bzw. der Partnerschaftsgedanke im Eherecht festgeschrieben wurde und dass die Strafrechtsreform mit einer Entkriminalisierung der Schwangerschaftsunterbrechung in Form der heftig umkämpften Fristenregelung abgeschlossen werden konnte. Im Bereich der Schulpolitik folgten u. a. die Ausgabe kostenloser Schulbücher und das im Februar 1974 beschlossene Schulunterrichtsgesetz, das die Mitbeteiligung von Eltern und Schüler*innen am schulischen Leben brachte. Im Bereich der Hochschulen und Universitäten kam es – wie noch auszuführen sein wird – u. a. zur Abschaffung der Hochschultaxen 1972 und zur Verabschiedung des neuen Universitäts-Organisationsgesetzes 1975, das wie das bereits genannte Schulunterrichtsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz 1973455 im Zeichen der Mitbestimmung stand. Hinzu kamen erste Forschungskonzeptionen und 1974 die Einführung des Zivildiensts als Alternative zum Wehrdienst, womit die Jugend (neben den Frauen) nach 1970 eine wichtige Ziel- und Wählergruppe für die SPÖ blieb.456 Nach der Nationalratswahl vom 5. Oktober 1975, bei der die SPÖ die absolute Mehrheit verteidigen konnte, wurde der Anspruch, eine Reformpartei zu sein,457 zwar beibehalten und u. a. mit folgenden Maßnahmen umgesetzt: einem neuen Kindschafts- und einem neuen Scheidungsrecht als weitere Schritte in der Fa452 Allerdings umfasste dies zusätzlich 60 Tage Waffenübung nach dem Abschluss des Präsenzdienstes. 453 Wirth, Christian Broda, 391–394. 454 StPNR, XIII. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1971, 14–35. 455 Das Arbeitsverfassungsgesetz von 1973 verankerte die Mitbestimmung des Betriebsrats im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften. 456 Wirth, Christian Broda, 396f. 457 Vgl. hierzu auch: StPNR, XIV. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1975, 18–39.
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milienrechtsreform, dem Ausbau der Hochschulreifeprüfung mit entsprechenden Vorbereitungslehrgängen zur Schließung von »letzten Lücken im System der Chancengleichheit beim Zugang zu den Hochschulen« sowie den Arbeiten zu einem Forschungsorganisationsgesetz, das aber erst 1981 beschlossen wurde. Die innenpolitischen Prioritäten begannen sich jedoch zu verschieben und der Zukunftsoptimismus früherer Jahre zu schwinden. Der sogenannte erste »Ölpreisschock« 1973 und dann auch jener von 1979, die einen gravierenden Preisanstieg für Erdöl brachten, stürzten die westlichen Industriestaaten in eine schwere Krise. Das Wirtschaftswachstum sank, international begannen die Arbeitslosenzahlen zu steigen, und auch in Österreich, wo die SPÖ nach der Rezession 1967 von einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur profitiert hatte, wurde der Handlungsspielraum der Regierung enger. Die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik trat in den Vordergrund. Insbesondere für Kreisky, der von der ökonomischen und politischen Krise der 1930er-Jahre geprägt war, hatte die Vollbeschäftigung Priorität. So versuchte er etwa durch verstärkte Staatsausgaben die Wirtschaft anzukurbeln und nahm steigende Schulden in Kauf, was bei den Wähler*innen zunächst auf durchaus positive Reaktionen stieß. Die SPÖ konnte bei der Nationalratswahl vom 6. Mai 1979 mit 51,0 Prozent der Stimmen bzw. 95 Mandaten ihr bisher bestes Ergebnis erreichen, und Kreisky konnte seine vierte Regierung bilden, die nach einer Umgestaltung im Oktober desselben Jahres vier neue Staatssekretärinnen und ein eigenes Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen umfasste.458 In den folgenden Jahren sollte jedoch eine Reihe von Problemen und Entwicklungen offen zutage treten, die bei der Nationalratswahl noch überlagert werden konnte. So hatte bereits die Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des 1969 beschlossenen und bereits komplett errichteten Atomkraftwerks in Zwentendorf am 5. November 1978 deutlich gemacht, dass sich neue Bruchlinien in der Gesellschaft auftaten. Obwohl sich die SPÖ und die Gewerkschaften für die Inbetriebnahme des Kraftwerks ausgesprochen hatten und auch Firnberg dies begrüßt hätte,459 stimmte eine knappe Mehrheit dagegen. Das Wachstumsdenken war in Konflikt mit neuen Anliegen wie Umweltschutz und Friedenserhaltung geraten. Die sozialliberale Wählerkoalition, die die Ära Kreisky ermöglicht hatte, wurde brüchig und begann zu zerfallen. Die Energie-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik hatten weiterhin eine hohe Priorität, und auch die Aufgabe von Wissenschaft und Forschung wurde nun – wie es in der Regierungserklärung 458 Wirth, Christian Broda, 400–404; Wirth/Röhrlich, »Für ein modernes Österreich«, 196. Vgl. zur Regierungsumbildung 1979 ausführlich: Zach, Zur Geschichte des österreichischen Staatssekretariates für allgemeine Frauenfragen; Sandra Großkopf, Die Ernennung der vier Staatssekretärinnen bei der Regierungsumbildung 1979 in Österreich, Univ. Dipl.-Arb., Wien 2013. 459 ORF-Archiv, Interview mit Hertha Firnberg für die Fernsehreihe »Österreich II«, undatiert.
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vom 19. Juni 1979 hieß – vor allem darin gesehen, einen Beitrag zur Lösung der »großen Probleme der achtziger Jahre« zu leisten.460 Dabei war die Wissenschaftseuphorie der späten 1960er-Jahre jedoch längst verflogen und einem wachsenden Wissenschafts- und Technikskeptizismus gewichen. Hinzu kam, dass die Opposition die SPÖ stärker unter Druck setzen konnte und auf die wachsende Staatsverschuldung hinwies, die von 1974 bis 1985 von zehn auf 38,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anstieg.461 In der Öffentlichkeit wurde die SPÖ immer mehr als Partei wahrgenommen, die sich weniger durch Reformelan auszeichnete, sondern es sich an der Macht bequem gemacht hatte und die mit Skandalen assoziiert wurde. Nicht nur die Partei selbst, sondern auch die Öffentlichkeit beschäftigte ein schwerer Konflikt zwischen Kanzler Kreisky und Finanzminister Androsch, der aus einem Bündel an Motiven – darunter die Weiterführung seiner Steuerberatungskanzlei als Finanzminister – resultierte und vor allem über die Medien ausgetragen wurde.462 Hertha Firnberg blieb auch nach den Nationalratswahlen 1971, 1975 und 1979 Wissenschaftsministerin. Neben Justizminister Christian Broda, Handelsminister Josef Staribacher und Innen- bzw. Verteidigungsminister Otto Rösch war sie somit eine jener wenigen Minister*innen, die die gesamten Kreisky-Jahre hindurch einem Ressort vorstanden und zugleich dem Nationalrat angehörten. Dies bedeutete, dass aufgrund ihres Alters zweimal eine Ausnahme von der im SPÖStatut vorgesehenen Altersgrenze für politische Funktionär*innen von 65 Jahren gemacht werden musste. Diese war 1959 als Empfehlung im Sinne einer Verjüngung der Nationalratsfraktion eingeführt und 1968 mit der Möglichkeit, Ausnahmen mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundesparteivorstand beschließen zu können, im Parteistatut verankert worden. Ihr erstes prominentes Opfer wurde 1970 Bruno Pittermann, nachdem Kreisky die Möglichkeit zu Ausnahmeregelungen wieder aus dem Parteistatut hatte streichen lassen. Da ihr Kreisky 1975 selbst zum Opfer gefallen wäre bzw. nicht mehr für den Nationalrat hätte kandidieren können, wurde 1974 jedoch wieder die Möglichkeit einer Ausnahme mit Zweidrittelmehrheit durch den Parteirat geschaffen, wovon 1975 und 1979 nicht nur der Bundeskanzler, sondern auch Hertha Firnberg als Abgeordnete und in weiterer Folge als Ministerin profitierte.463 Wie aus den Tagebüchern von Handelsminister Josef Staribacher hervorgeht, war der Beschluss solcher Ausnahmen in der SPÖ keine Proforma-Angelegenheit, da hiervon immer eine Reihe 460 StPNR, XV. GP, 2. Sitzung vom 19. 6. 1979, 17–24. 461 Lauber/Pesendorfer, Wirtschafts- und Finanzpolitik, 613. 462 Wirth, Christian Broda, 404. Vgl. zum Konflikt Kreisky-Androsch ausführlich: Barbara Liegl / Anton Pelinka, Chronos und Ödipus. Der Kreisky-Androsch-Konflikt, Wien 2004. 463 Wolfgang C. Müller, Die Organisation der SPÖ, 1945–1995, in: Wolfgang Maderthaner / Ders. (Hg.), Die Organisation der österreichischen Sozialdemokratie 1889–1995, Wien 1996, 284.
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von Personen betroffen waren. Bei Hertha Firnberg erfolgte sie jedoch ohne größere Diskussion.464 Während dieser Zeit zählte Hertha Firnberg zu den einflussreichsten Politiker*innen des Landes, da sie als Wissenschaftsministerin und Frauenvorsitzende gleich in zwei »Leuchtturmprojekte« der Regierungen Kreisky eingebunden war: die Universitätsreform sowie die große Rechtsreform (Familien- und Strafrechtsreform) unter Justizminister Christian Broda, mit dem Firnberg – so die beiden Broda-Vertrauten Heinrich Keller und Trautl Brandstaller – ein gutes Verhältnis verband465 und mit dem sie bereits vor 1970 in der Familienrechtsreform und der Forschungspolitik zusammengearbeitet hatte. Zudem war Firnberg, wenn auch nicht immer als »Ideengeberin«, in die meisten personalpolitischen Entscheidungen, die Frauen betrafen, einbezogen. Weitere Politikerinnen, die Kreisky nach der bereits angesprochenen Gertrude Wondrak in seine Regierungen aufnahm, waren 1971 Ingrid Leodolter, die das neu geschaffene Ministerium für Gesundheit und Umweltschutz übernahm, und Elfriede Karl, die Staatssekretärin für Familienpolitik und Frauenfragen im Bundeskanzleramt wurde. 1979 kamen mit dem bereits angesprochenen »Paukenschlag« Kreiskys Johanna Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt, Anneliese Albrecht als Staatssekretärin für Konsumentenschutz im Handelsministerium, Franziska Fast als Staatssekretärin für Frauenfragen im Bundesministerium für soziale Verwaltung und Beatrix Eypeltauer als Staatssekretärin im Bundesministerium für Bauten und Technik hinzu. Hierbei wurden jedoch nur Karl und Leodolter auf Vorschlag von Firnberg in die Regierung aufgenommen. Die Bestellung von Dohnal und Albrecht ging zwar auf einen Vorschlag der sozialistischen Frauen, nicht aber auf die Initiative Firnbergs zurück.466 In der Regierung gehörte Hertha Firnberg zu jenen Personen, denen Kreisky mit besonderem Respekt begegnete, die in kritischen Situationen als Vermittlerin eingesetzt wurde und deren Wort großes Gewicht zukam. Zudem war Firnberg, die alles andere als konfliktscheu war und nicht davor zurückwich, Auseinan-
464 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Einträge vom 15. 2. 1975 (Seite 24–0194), 15. 2. 1975 (Seite 24–0241), 10. 4. 1975 (Seite 25– 0438), 16. 2. 1979 (Seite 47–0231), 19. 2. 1979 (Seite 47–0221), 4. 3. 1979 (Seite 47–0278), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). 465 Interview der Verfasserin mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020. 466 Franziska Fast war eine »Entdeckung« von Kreisky. Die Berufung Eypeltauers war ein Wunsch ihrer Landespartei, der oberösterreichischen SPÖ. Vgl.: Fischer, Die Kreisky-Jahre 1967–1983, 84; Bruno Kreisky Archiv, VI.5. Bildung, Box 4, Schreiben von Hertha Firnberg an Bruno Kreisky vom 19. 10. 1971; Zach, Zur Geschichte des österreichischen Staatssekretariates für allgemeine Frauenfragen; Großkopf, Die Ernennung der vier Staatssekretärinnen bei der Regierungsumbildung 1979 in Österreich.
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Abb. 11: Offizielles Pressefoto von Hertha Firnberg aus den frühen 1970er-Jahren
dersetzungen offen auszutragen,467 eine Persönlichkeit, die Kreisky widersprechen durfte.468 Nach außen wirkte sie als souveräne und selbstbewusste Politikerin, als eine Intellektuelle, die den großen Auftritt liebte und die einen Hang zum Prunkvollen und Feudalen hatte, der sich in ihrer Kleidung, ihrem Schmuck und dem Erscheinen mit Entourage manifestierte. Nichtsdestotrotz wurde Firnberg, in deren Wiener Wohnungen Bilder von »Heroen der Arbeiterbewegung« hingen,469 zum linken Flügel in der Partei gezählt; und auch sie selbst ordnete sich als »links von Kreisky« ein.470 Für ihre Gesprächspartner*innen war sie eine machtbewusste und machtvolle Politikerin, die Charme und Humor hatte, die strahlen konnte, aber auch die »Kunst der Entrüstung« beherrschte und einen mit Indignation strafen konnte.471 Für kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen war sie durchaus empfänglich.472
467 468 469 470 471
Schachinger, Hertha Firnberg, 116–120. Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. Forschungsminister Hertha Firnberg: Charme mit Krallen, in: Wochenpresse, 8. 7. 1970. Manfried Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, Wien 2012, 101–103; Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021; »Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985.
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Noch höhere politische Ämter als das einer Wissenschaftsministerin zu erreichen, blieb Hertha Firnberg jedoch verwehrt. So war sie – wie ebenfalls aus den Tagebüchern von Josef Staribacher hervorgeht – 1974 zwar als Kandidatin für das Amt als Bundespräsidentin in Nachfolge des verstorbenen Franz Jonas in Diskussion und wurde als solche intern in Meinungsumfragen auch auf ihre Erfolgsaussichten getestet. Schlussendlich machte mit Rudolf Kirchschläger jedoch ein Mann das Rennen, da die Chancen einer Frau als zu unsicher galten.473 Zwei Jahre später blieb es ihr dann auch verwehrt, Vizekanzlerin zu werden.474 Als es 1976 darum ging, einen Nachfolger für Rudolf Häuser zu bestellen, lehnte Kreisky sie mit den Worten »Alt bin ich selbst« ab und zog den jüngeren Hannes Androsch vor. Diese Aussage stellte für Firnberg eine tiefe Kränkung dar, was sie – so Erhard Busek – auch gegenüber Politiker*innen anderer Parteien offen zugab.475 Das Verhältnis zu Kreisky war dadurch getrübt, was dieser – so Firnberg – dadurch wiedergutmachen wollte, dass er ihr (und das wohl wissend, dass es für sie nicht in Frage kam) das Außenministerium anbot.476 Ende der 1970erJahre, als die großen Auseinandersetzungen zwischen Kreisky und Androsch die Partei erschütterten und letztlich zu Androschs Ausscheiden aus der Regierung führten, wurde die Beziehung zwischen den beiden erneut stark belastet.477 Firnberg stand wie viele andere Funktionär*innen auf der Seite von Androsch und erklärte das 1989 damit, dass Kreisky ihr nie ausreichend erklären konnte, was wirklich gegen den Finanzminister gesprochen habe, zumal bekannt gewesen sei, dass er seine Steuerberatungskanzlei fortgeführt habe bzw. alle gewusst hätten, dass »das eigentlich nicht geht«.478 Zudem mag wohl auch der Umstand, wie Kreisky den Fall Androsch »abhandelte« bzw. dass er den Konflikt vor allem über die Medien austrug, für sie ein wichtiges Moment dargestellt haben. Ge472 Vgl. hierzu etwa: »Die Enttäuschung meines Lebens«. Warum Hertha Firnberg vielen fehlt, in: Die Presse, 28. 12. 1985. 473 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Eintrag vom 1. 4. 1974 (Seite 20–0402), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). Vgl. hierzu auch: Vorschlag in SPÖ. Firnberg als Bundespräsident?, in: Kurier, 12. 3. 1974. 474 Vgl.: »Damals war die Hertha Firnberg noch ganz ordentlich…«. Bruno Kreisky über die Endphase seiner Herrschaft: »Ich bin besiegt worden vom Androsch, vom Kery«, in: Die Presse, 26. 1. 1990. 475 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Eintrag vom 26. 1. 1976 (Seite 29–0099 und 29–0100), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.a c.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021); Firnberg: »Nur ein Wunder kann die Wende bringen«, in: Kleine Zeitung, 29. 11. 1980; Interview der Verfasserin mit Dr. Erhard Busek am 9. 11. 2020. 476 »Klagen bringen gar nichts«, in: Kleine Zeitung, 29. 11. 1987. 477 Vgl. hierzu ausführlich: Liegl/Pelinka, Chronos und Ödipus. 478 Hertha Firnberg, in: Johannes Kunz (Hg.), Erinnerungen. Prominente im Gespräch, Wien 1989, 76; Firnberg: »Nur ein Wunder kann die Wende bringen«, in: Kleine Zeitung, 29. 11. 1980.
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nerell war Kreisky für sie ein Chef, von dem sie so viele Freiheiten wie von keinem anderen erhielt. Wenn »er gegen etwas war, dann war die Ablehnung [aber] fundamental«.479 Der allmähliche Rückzug aus der Politik wurde für Hertha Firnberg ab 1980 zu einem ernsthaften Thema. Bereits 1974, d. h. im Vorfeld der Nationalratswahl 1975, hatte es zwar Äußerungen von ihr gegeben, wonach sie sich einen Abschied aus der Politik vorstellen könne.480 Ernstgemeint dürften diese jedoch nicht gewesen sein.481 Vielmehr ist anzunehmen, dass diese Aussagen vor dem Hintergrund erfolgten, dass damals für Firnberg zum ersten Mal eine Ausnahme von der Altersklausel gemacht werden musste und sie gefragt werden wollte, ob sie bleibt.482 Im Vorfeld der Nationalratswahl 1979 sagte sie dann, dass sie bereit wäre, noch eine Legislaturperiode zu bleiben und dass es »verlockend« sei, »noch einige Dinge zu Ende zu führen«.483 Bereits ein Jahr später kündigte sie jedoch an, dass diese ihre letzte Legislaturperiode sein werde bzw. dass sie spätestens mit deren Ende ihr Amt als Wissenschaftsministerin aufgeben möchte.484 Eine Ablöse Firnbergs durch eine andere Person stand während ihrer gesamten Amtszeit nie ernsthaft zur Diskussion485 – wenngleich in der medialen Berichterstattung ab Mitte der 1970er-Jahre Berichte zunahmen, wonach sie mit Kritik (auch innerhalb der Partei) immer weniger umgehen könne, sie (etwa für Studierende) kaum mehr erreichbar wäre bzw. »abgeschottet« ihr Ressort führen würde und mögliche Nachfolger in Form des Linzer Universitätsprofessors Ewald Nowotny oder Heinz Fischer in der medialen Diskussion ins Spiel gebracht wurden.486 Wesentlich war dafür wohl nicht zuletzt, dass Firnberg das Wissenschaftsministe479 Elisabeth Horvath, Ära oder Episode. Das Phänomen Bruno Kreisky, Wien 1989, 65. 480 Politik inoffiziell, in: Kronen Zeitung, 3. 2. 1974; Politik inoffiziell (Stichwort Regierungsmitglieder), in: Kronen Zeitung, 8. 12. 1974. 481 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021. 482 Vgl. in diesem Zusammenhang: Richard Berczeller, Sozialistischer Minister, in: Wolf Frühauf (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 26f. sowie Waldbrunner, Auf dem Weg ins Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, 233. 483 Firnberg will auch nach dem 6. Mai im Amt bleiben, in: Die Presse, 3. 2. 1979. 484 Für Physiker wie Orchideenforscher. Hertha Firnberg »Faß ohne Boden«, in: Die Presse, 4. 7. 1980; Firnberg: Abschied spätestens 1983, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 12. 1980; Firnberg: Rücktritt mit Ende der Legislaturperiode, in: Wiener Zeitung, 17. 5. 1981. 485 Interview der Verfasserin mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 8. 9. 2020. 486 Partei-Schelte für die Chef-Dame Firnberg, in: Kurier, 7. 3. 1978; Kronen Zeitung, 20. 4. 1978; Firnberg: Ich diskutiere nicht öffentlich, in: Die Presse, 6. 4. 1979; Die Presse, 14. 1. 1981; Hochschülerschaft fordert den Rücktritt Minister Firnbergs, in: Volksblatt, 19. 1. 1981; ÖHForderung nach Firnberg-Rücktritt: Wahlkampfmanöver, in: Arbeiter-Zeitung, 20. 1. 1981. Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, 103.
Ministerin und Frauenvorsitzende
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rium schlechthin verkörperte, es »ihr Kind« war und sie inzwischen zur »großen alten Dame der SPÖ« avanciert war. Die erste wichtige Funktion, aus der sich Firnberg 1981 zurückzog, war jene der SPÖ-Frauenvorsitzenden. Als ihre Nachfolgerin hätte sie sich ursprünglich Gertrude Wondrak vorstellen können.487 Nachdem diese bereits 1971 tödlich verunglückt war, schlug sie die steirische Landesfrauenvorsitzende und Nationalratsabgeordnete Jolanda Offenbeck und nicht Johanna Dohnal, die von 1972 bis 1979 Landesfrauensekretärin der SPÖ Wien und ab dann Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen war, als ihre Nachfolgerin vor. Firnberg hatte zwar – so Susanne Feigl in ihrer Biografie über Johanna Dohnal – diese eine Zeit lang favorisiert.488 Schlussendlich hatte sie aber doch Offenbeck vorgezogen, wenngleich auch sie für Firnberg nicht die optimale Wahl war und es inhaltliche Differenzen in der Scheidungsreform gegeben hatte. Während Offenbeck gegen eine Änderung des §55 im Eherecht war, durch die Scheidungen gegen den Widerstand des schuldlosen Ehepartners nach einer gewissen Zeit möglich sein sollten, hatte Firnberg die Familienrechtsreform von Justizminister Broda auch in diesem Punkt unterstützt.489 Wesentlich dafür, warum sie 1981 Offenbeck und nicht Dohnal den Vorzug gab, war – so Johanna Dohnal –, dass sie für Firnberg nicht »ladylike« genug war.490 Firnberg selbst erklärte ihre Wahl damit, dass sie Offenbeck im Vergleich zur streitbaren Dohnal, deren Auftreten (auch unter den SPÖ-Frauen) von nicht wenigen als »aggressiv« und »männerfeindlich« betrachtet wurde,491 als integrativere Persönlichkeit erachtete. So sagte sie etwa 1981 gegenüber den »Vorarlberger Nachrichten«, dass Offenbeck eine politisch allgemein profilierte Persönlichkeit sei und nicht nur in Frauenfragen spezialisiert wäre. Die Politik Dohnals würde hingegen darauf hinauslaufen, die Benachteiligung der Frauen aufzuzeigen, was sie für die Gesamtführung der SPÖ-Frauen als nicht richtig erachte, da dort das integrative Element vorherrschen solle. 1987, als es um die Nachfolge von Offenbeck ging und Hilde Hawlicek von Offenbeck 487 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021. 488 Susanne Feigl, Was gehen mich seine Knöpfe an? Johanna Dohnal. Eine Biographie, Wien 2002, 127. Vgl. zu Johanna Dohnal zudem: Alexandra Weiss / Erika Thurner (Hg.), Johanna Dohnal und die Frauenpolitik der Zweiten Republik. Dokumente zu einer Pionierin des österreichischen Feminismus, Wien 2019; Erika Thurner / Alexandra Weiss (Hg.), Johanna Dohnal. Innensichten österreichischer Frauenpolitiken, Innsbruck/Wien/Bozen 2008. 489 Vgl.: Wirth, Christian Broda, 443–447; Interview der Verfasserin mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019. 490 Feigl, Was gehen mich seine Knöpfe an?, 127; Erika Thurner, »Johanna Dohnal – eine Frau, die was in Bewegung bringt!«, in: Alexandra Weiss / Dies. (Hg.), Johanna Dohnal und die Frauenpolitik der Zweiten Republik. Dokumente zu einer Pionierin des österreichischen Feminismus, Wien 2019, 37. 491 Vgl. hierzu Erika Seda, in: Großkopf, Die Ernennung der vier Staatssekretärinnen bei der Regierungsumbildung 1979 in Österreich, 57.
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favorisiert wurde, erklärte Firnberg schließlich, dass eine Integrationsfigur ideal sei. Sie habe immer gesagt, dass Dohnal kommen werde, ein Teil der Frauen werde dann vielleicht nicht mehr mitarbeiten, andererseits würden sich diese in dem Fall aber außerhalb des Frauenkomitees stärker engagieren.492 Wie Firnberg oftmals betonte, war ihr Standpunkt in der Frauenpolitik – anknüpfend an August Bebel, wonach die Frauenfrage ein Teil der sozialen Frage sei493 – jener, dass Männer und Frauen gemeinsam Probleme lösen sollten, und dass sie gegen jede Art der Separation sei. So war Firnberg auch der Schaffung eines eigenen Frauenstaatssekretariats oder -ministeriums, das Kreisky Ende der 1970er-Jahre ebenfalls in Erwägung gezogen hatte, zunächst ablehnend gegenübergestanden.494 Und so gab Firnberg, die sich während der Diskussion über deren Etablierung zurückhielt, später ebenso zu, keine Freundin der 1985 in der SPÖ eingeführten Quotenregelung zu sein495 bzw. dass sie – nachdem das Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen 1990 in ein Ministerium aufgewertet worden war – das Erstere besser gefunden habe, da ein eigenes Ministerium »die Trennung der Geschlechter und Frauenanliegen als Minderheitenthema« betonen würde.496 Dass Firnberg im Vorfeld der Nationalratswahl 1971 öffentlich mit der Gründung einer überparteilichen Frauenfraktion drohte, um »wenigstens acht Frauen in den Nationalrat zu bringen«,497 blieb daher eine Ausnahme und wurde vor ihr retrospektiv auch als allgemeine Warnung oder Taktik bezeichnet.498
492 Firnberg zum Abschied: »Es wird für die Frauen härter«, in: Vorarlberger Nachrichten, 12. 5. 1981; Firnberg: Koalition klappt einseitig, in: Kurier, 1. 6. 1987. 493 Bundesfrauenkomitee der SPÖ, Hertha Firnberg, 11f.; Hertha Firnberg, Die Frau in der Zeit von heute. Referat auf der Bundesfrauenkonferenz in Villach am 16. 4. 1972 (Sonderdruck). 494 Zach, Zur Geschichte des österreichischen Staatssekretariates für allgemeine Frauenfragen; Großkopf, Die Ernennung der vier Staatssekretärinnen bei der Regierungsumbildung 1979 in Österreich. 495 Brigitte Lehmann / Helene Maimann, »Die Zeit allein arbeitet nicht für die Frauen.« Hertha Firnberg über weibliche Karrieren, in: Helene Maimann (Hg.), Die ersten 100 Jahre. Österreichische Sozialdemokratie 1888–1988, Wien 1988, 55; Schachinger, Hertha Firnberg, 114. 496 Diese Aussage stammt aus dem Jahr 1993. 1991 hatte sie die Frage, was sie davon halte, dass es nun ein eigenes Frauenministerium gebe, noch mit »richtig und nötig« beantwortet, aber gleichzeitig betont, dass sie die Separation zwischen Männern und Frauen nicht begrüße. Vgl.: Das politische Leben ist kein Rosenbett und Getatschel noch keine Katastrophe, in: Der Standard, 20. 10. 1993; Wir werden wieder kleinkariert, in: Falter 22 (1991) 9. 497 SP-Frau Anna Demuth: Spätes Mädchen muckt auf, in: Profil 19 (1973) 23. 498 So erklärte Firnberg 1972, dass sie im Wahlkampf 1971 »warnend« folgendes gesagt habe: »Wenn die Frauen von allen Parteien weiter so schlecht behandelt werden, dann kann es leicht passieren, wie das schon in anderen Ländern geschehen ist, dass sich die Frauen zusammenschließen zu einer gemeinsamen Aktion.« Sie selbst wäre »niemals für eine eigene Frauenpartei« gewesen, da dies sozialistischen Grundsätzen widersprechen würde. 1982 sprach sie demgegenüber von Taktik, die aber »durchaus nicht unernst gemeint« gewesen
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Stattdessen wurde eine stärkere Vertretung der Frauen bald wieder, und deutlich weniger aktionistisch (mittels Anträge) im Rahmen der Parteiforen gefordert. Dies führte – so Susanne Feigl in einer Studie über die sozialdemokratische Frauenorganisation in der Zweiten Republik – zwar dazu, dass die Bedeutung der Frauenorganisation in der SPÖ in den 1970er-Jahren tatsächlich gestiegen ist. Eine »bessere« oder »entsprechende« Vertretung konnte jedoch nicht verwirklicht werden.499 Als 1976 von der Bezirksorganisation Lilienfeld vorgeschlagen wurde, »Frauenkomitees und ähnliche Einrichtungen in der Partei« abzuschaffen, verteidigte Firnberg deren Existenz jedoch vehement.500 Nach der Nationalratswahl vom 24. April 1983, als die SPÖ mit 47,9 Prozent der abgegebenen Stimmen und 90 Mandaten zwar die stärkste Partei blieb, aber die absolute Mandatsmehrheit verlor und die Ära Kreisky zu Ende ging, schied Hertha Firnberg auch aus der Regierung aus.
6.2. Aufbau des Wissenschaftsministeriums 13 Jahre zuvor, als Kreisky und sein Team zu arbeiten begannen, zählte der Aufbau des Wissenschaftsministeriums zu den ersten Aufgaben von Hertha Firnberg. Für Kreisky stellte die Schaffung des Ressorts ein wichtiges Signal in Richtung Modernität dar, nachdem es in einer Reihe anderer Staaten – etwa der Bundesrepublik Deutschland oder in Großbritannien – bereits zur Einrichtung ähnlicher Ministerien gekommen war.501 Hinzu kam, dass die OECD auf ihrer ersten Ministertagung über Wissenschaftsfragen im Oktober 1963 die Schaffung eines »zentralen Organs« für jedes Land empfohlen hatte, das »eine nationale Wissenschaftspolitik anstrebt.«502 Welche Kompetenzen das Ministerium haben sollte, war zunächst jedoch unklar. Feststand lediglich, dass es um den Bereich der Forschung aufgebaut werden sollte, weshalb es im zeitgenössischen Diskurs anfangs auch unter dem
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sei. Vgl.: Beruf – Schwelle der Emanzipation der Frau, in: Arbeiter-Zeitung, 16. 4. 1972; Herren beugen das Haupt, in: Die Zeit 10 (1982) 75. Feigl, »Die besondere Arbeit unter den Frauen«, 107f. Ebenda, 56. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1962 das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung eingerichtet, in Großbritannien 1964 das Ministry of Technology. Vgl. hierzu: Rupert Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren. Ein Ministerium als Institutionalisierung der Wissenschafts- und Forschungspolitik, in: Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie) 1 (2020) 74f. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Wissenschaftspolitik in Österreich. OECD-Prüferbericht und OECD-Bericht über die Konfrontationssitzung, hg. vom Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichischen Forschungsrat, Wien 1971, 28.
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Terminus »Forschungsministerium« firmierte. Ob die Hochschulen bezüglich Lehre und Forschung ebenfalls ins neue Ministerium ressortieren sollten, war zunächst unentschieden. So wurden vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts zunächst zwei Varianten für das neue Ministerium ausgearbeitet. Diese sahen eine größere Lösung für ein Bundesministerium für Wissenschaft und Kultur einschließlich der wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen sowie eine kleine Lösung für ein Bundesministerium für Forschung und Kultur vor und waren das Ergebnis von Beratungen mit Unterrichtsminister Leopold Gratz und Hertha Firnberg am 24. April 1970. Übereinstimmung bestand hierbei in dem Punkt, dass Lehre und Forschung an den Hochschulen nicht in unterschiedliche Zuständigkeiten fallen sollten. Unmittelbar vor dem Treffen hatte Firnberg den Medien aber noch mitgeteilt, dass über eine gemeinsame Kompetenz des Unterrichts- und des Forschungsministeriums – eine des Unterrichtsministeriums für die Lehre und eine des Wissenschaftsministeriums für die Forschung – nachgedacht werde.503 Klar war ebenfalls, dass FWF und FFF in die Zuständigkeit des neuen Ressorts wandern sollten und dass die spezifischen Forschungsangelegenheiten anderer Ministerien bei diesen Ressorts verbleiben sollten. Die Forschungszuständigkeiten sollten damit hauptsächlich die Planung und Koordination umfassen. Wesentlich ist dafür, dass die Forschung kein expliziter Kompetenztatbestand der österreichischen Verfassung war (und ist) und es jedem Ministerium offenstand, Forschungen, die im Interesse seines Ressorts waren, durchführen zu lassen bzw. diese im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung in Auftrag zu geben.504 Über die Frage, wie mit den wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen umzugehen sei, konnte letztendlich jedoch keine »abschließende Meinung« gebildet werden.505 Die Grundlage für die Errichtung des neuen Ministeriums sollte ein eigenes Gesetz darstellen, da ein Bundesministeriengesetz, das eine generelle und einheitliche Regelung der Kompetenzen aller Bundesministerien vornahm, erst 1973 beschlossen wurde. Legistisch war das Vorhaben – so Rupert Pichler in einem rezenten Artikel über die Schaffung des Ministeriums – somit relativ einfach, da außer einer grundsätzlichen Planungszuständigkeit keine neuen Kompetenztatbestände geschaf503 Vgl. hierzu ein Interview mit Hertha Firnberg, in dem sie davon sprach, dass hinsichtlich der Hochschulen über eine gemeinsame Kompetenz des Unterrichts- und des Forschungsministeriums nachgedacht werde und dies auch der Intention des Bundeskanzlers entsprechen würde, was späteren Äußerungen von Kreisky widerspricht: »Jour fixe« bei Hertha Firnberg, in: Arbeiter-Zeitung, 25. 4. 1970. 504 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 77. 505 ÖStA, AdR, BKA-VD, GZ 41.739/70. Vgl. hierzu auch: »Über die Künste reden wir später!«, in: Die Presse, 27. 4. 1970.
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fen werden sollten. Ansonsten bestand die Konstruktion in einer Übernahme der Koordinationskompetenz des Bundeskanzleramtes, zu der – je nach Variante – einschlägige Zuständigkeiten des Unterrichtsministeriums und jene des Handelsministeriums für den FFF hinzukommen sollten.506 Die beiden genannten Vorschläge legte der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes bereits am 24./25. April 1970, d. h. noch vor Kreiskys erster Regierungserklärung vom 27. April 1970, vor. Die Errichtung des neuen Ministeriums sollte somit rasch erfolgen, was auch die folgenden Schritte zeigen. Nachdem Kreisky sich am 28. April für die umfassendere Variante entschieden hatte, wurde ein entsprechender Entwurf bereits am 29. April mit einer ebenfalls kurzen Frist bis 13. Mai 1970 zur Begutachtung ausgesendet, was mehrfach kritisiert wurde. So lehnte insbesondere ein Teil der betroffenen Gruppen (wie die ÖH) die Errichtung des neuen Ministeriums aus prinzipiellen Erwägungen (Einheit des Bildungswesens) ab,507 während ein anderer Teil (wie die Rektorenkonferenz und der Zentralausschuss der Hochschullehrer) sich außerstande sah, wegen der kurzen Begutachtungsfrist zum Kompetenzgesetz Stellung zu nehmen.508 Generell bestand – etwa auf Seiten der Professoren,509 aber auch jener der Forschungsförderungsfonds (so dem FWF510) – nur wenig bis keine Begeisterung über das geplante Ministerium. In weiterer Folge wurde bereits am 19. Mai 1970 im Ministerrat die Einbringung einer Regierungsvorlage in den Nationalrat beschlossen, mit der – wie es nun hieß – ein Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst errichtet werden sollte.511 Hierbei waren hinsichtlich der Neuordnung des Wirkungsbereiches einiger Bundesministerien im Vergleich zum Erstentwurf in Ermangelung des Bundesministeriengesetzes noch zwei weitere Punkte hinzugekommen, die mit dem Wissenschaftsministerium selbst nichts zu tun hatten.512 Die zentralen Eckpfeiler bei der Schaffung des Ministeriums waren ein Fokus auf »grundsätzliche Planung« und Koordinierung, die Einbeziehung der Universitäten, die »vornehmlich« als »Stätten der Forschung« bezeichnet wurden, die 506 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 81. 507 Ebenda, 82. 508 Forschungsbudget verankern, in: Arbeiter-Zeitung, 12. 5. 1970; Studenten kritisieren zu kurze Begutachtungsfristen, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 5. 1970. 509 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020. 510 Eigenes Ministerium für Forschung?, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 30. 1. 1970. 511 ÖStA, AdR, BKA-VD, GZ 41.739/70. 512 Diese beiden Punkte sahen folgendes vor: Die kulturellen Auslandsbeziehungen sollten vom Unterrichts- an das Außenministerium und die Angelegenheiten der Verstaatlichten Industrie vom Verkehrsministerium an das Bundeskanzleramt übertragen werden.
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Zusammenführung der Zuständigkeiten für FWF und FFF sowie die Bekundung, dass es »keine Vermehrung von Dienstposten« geben solle. Neu im Gegensatz zu früheren Entwürfen war hierbei, dass die »grundsätzliche Planung« eine bedeutende Veränderung erfuhr, indem diese nicht mehr sämtliche Forschungsvorhaben »im Bereich des Bundes«, sondern nunmehr »des Bundes« umfassen sollte. Forschungsvorhaben von Organisationen außerhalb der Bundesverwaltung (wie z. B. FWF, FFF, ÖAW) sollten damit nicht der Planung des Ministeriums unterliegen, das nur noch die Planung »des Einsatzes von Bundesmitteln« vornehmen sollte. Ein zunächst vorgesehener Anspruch wurde damit deutlich relativiert. Gleichfalls wurde nun die Mitwirkung des Wissenschaftsministeriums bei den Forschungsangelegenheiten der anderen Ministerien beschränkt. Nachdem ursprünglich vorgesehen gewesen war, dass alle anderen Ressorts im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsressort vorzugehen hatten, sollte dieses bei seinen eigenen Aktivitäten nun auch umgekehrt deren Einvernehmen einholen müssen, sofern deren Sachgebiete berührt waren.513 Im Nationalrat wurde die Regierungsvorlage514 dem Verfassungsausschuss zugewiesen, der am 26. Mai 1970 einen Unterausschuss einsetzte, an dessen Sitzungen neben Bruno Kreisky und Leopold Gratz auch Hertha Firnberg teilnahm. Im Rahmen der Verhandlungen zeichneten sich nicht nur die weiteren Argumentationslinien der Parteien ab, sondern es wurden auch mehrere Abänderungsanträge eingebracht. In diesen forderte die FPÖ – scheinbar um einen Akzent setzen zu können – die Kunstangelegenheiten im Unterrichtsministerium zu belassen. Die ÖVP bzw. namentlich Alois Mock lehnte das neue Ministerium hingegen grundsätzlich ab und forderte, die Koordinationskompetenz dem Unterrichtsministerium zu übertragen bzw. dort ein Staatssekretariat einzurichten.515 Im Rahmen mehrerer Gespräche, darunter Verhandlungen von Firnberg mit dem FPÖ-Abgeordneten Otto Scrinzi und ein informeller Austausch im Bundeskanzleramt zwischen Mitgliedern des Verfassungsausschusses sowie Kreisky, Gratz und Firnberg am 23. Juni 1970, konnte schließlich die Unterstützung der FPÖ gesichert werden. Diese war für die Errichtung des neuen Ressorts essentiell, da die SPÖ damals noch über keine absolute Mehrheit im Nationalrat verfügte. Sie inkludierte aber auch, dass die Kunst, wie von der FPÖ gefordert, beim Unterrichtsministerium belassen wurde. Für Kreisky wäre – wie aus den Tagebüchern Staribachers hervorgeht – ein Nachgeben in allen Punkten denkbar gewesen, da das neue Ministerium für ihn eine »Prestigefrage« für die 513 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 83f. 514 StPNR, XII. GP, 16 der Beilagen. 515 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 84f.; ÖStA, AdR, BKA-VD, GZ 41.739/70; Parlamentsarchiv, Nationalrat, Unterausschuss des Verfassungsausschusses, Protokolle vom 5. 5. 1970, 19. 6. 1970, 1. 7. 1970.
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Bundesregierung war. Nur eine Trennung zwischen Forschung und Lehre bzw. dass die Hochschulsektion nicht ins Wissenschaftsministerium wandern sollte, wäre für ihn nicht akzeptabel gewesen.516 Firnberg hätte sich Mitte Mai 1970 einen Verzicht auf den FFF vorstellen können, nachdem die Transferierung vom Handels- ins Wissenschaftsministerium bereits im Zuge des Begutachtungsprozesses von Seiten der Wirtschaft auf Kritik gestoßen war und auch in diesem Punkt zunächst Unklarheit bestand, ob die FPÖ zustimmen würde.517 Damit war der Weg zur Einrichtung des Wissenschaftsministeriums auf Basis eines neuen, überarbeiteten Entwurfs frei.518 In der Nationalratsdebatte vom 8. und 9. Juli 1970 bekräftigte die ÖVP erneut ihre Ablehnung gegen die Errichtung eines eigenen Wissenschaftsressorts und begründete diese mit der Einheitlichkeit des Bildungswesens, die Kreisky gerade deswegen aufbrechen wollte, da in einem großen Bildungsministerium immer die Schulen und ihre Interessengruppen dominieren würden.519 Zugleich kritisierte sie, dass keine konsequente Konzentration der Forschungsagenden erfolgen würde und es besser wäre, mehr Mittel direkt in die Wissenschaft zu investieren anstatt neue Verwaltungsstrukturen zu schaffen, die zusätzliche Kosten verursachen würden. Dabei räumte Mock zwar ein, dass das »Nein« der ÖVP zu einem Forschungsministerium kein endgültiges sei und man bei einem größeren Forschungsvolumen durchaus über eine neue Struktur nachdenken könne; jetzt aber sei der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Eng damit verbunden war unter dem Titel »Lex Firnberg« der Vorwurf, dass für Firnberg ein eigenes Ministerium errichtet werden müsse,520 da die Idee zur Schaffung des Ministeriums erst während der Regierungsverhandlungen aufgetaucht sei.521 Zugleich spielte auch die Frage, ob das geplante Ministerium mit den von der SPÖ oftmals zitierten Beispielen von Wissenschaftsministerien in anderen Ländern ver516 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Eintrag vom 2. 6. 1970 (Seite 02–0210), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). 517 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Einträge vom 12. 5. 1970 (Seite 01–0094) und vom 9. 6. 1970 (Seite 02–236), URL: https://stari bacher.acdh.oeaw.ac.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). 518 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 84f.; Wolf Frühauf, Über die Gründung des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, in: Ders. (Hg.), Wissenschaft und Weltbild. Festschrift für Hertha Firnberg, Wien 1975, 245; StPNR, XII. GP, 104 der Beilagen. 519 Rathkolb/Kunz/Schmidt, Kreisky. Zwischen den Zeiten, 176f. 520 Vgl. hierzu auch: Die Lex Firnberg, in: Österreichische Monatshefte 6 (1970) 4. 521 Vom SPÖ-Abgeordneten Karl Czernetz wurde dies prompt damit beantwortet, dass er bereits im Februar 1970 in der »Zukunft« einen entsprechenden Vorschlag gemacht habe. Vgl. hierzu folgenden Beitrag, in dem die Schaffung eines neuen Ministeriums jedoch nicht explizit angesprochen wurde: Karl Czernetz, Die Sozialisten weisen den Weg, in: Die Zukunft 4 (1970) 1–4.
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gleichbar wäre sowie der Umstand, dass auch das der ÖVP nahestehende Karl Kummer-Institut einen Vorschlag in diese Richtung gemacht hatte, eine gewisse Rolle.522 Für die FPÖ versuchte Otto Scrinzi eine vermittelnde Position einzunehmen, indem er ausführte, dass ein Staatssekretariat »ein gangbarer Weg gewesen« wäre, er aber aus »psychologischen Gründen der österreichischen Öffentlichkeit gegenüber« eine »Akzentsetzung mit der Schaffung eines eigenen Ministeriums« für richtiger erachte. Hinzu kam der Hinweis darauf, dass das Unterrichtsministerium bereits jetzt mit einer Fülle von Agenden eingedeckt sei und diese noch zunehmen würden. Verwiesen wurde vom FPÖ-Abgeordneten Gustav Zeilinger aber auch darauf, dass mit der SPÖ vereinbart worden wäre, das neue Forschungsministerium aus dem bestehenden Beamtenstand zu besetzen. Von Seiten der SPÖ verteidigten u. a. Karl Blecha, Karl Czernetz und Unterrichtsminister Leopold Gratz die Schaffung des neuen Ressorts und betonten dabei angesichts des Vorwurfs der »Lex Firnberg«, dass nicht Firnberg, sondern Österreich ein Ministerium für Wissenschaft und Forschung brauche.523 Hertha Firnberg selbst ergriff in der Nationalratsdebatte vom 8./9. Juli 1970, in der die Errichtung des Ministeriums mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ beschlossen wurde, nicht das Wort, tat dies aber in der Debatte im Bundesrat am 15. Juli 1970. Hierbei betonte sie nicht nur, dass Wissenschaft und Forschung zu bestimmenden Faktoren für die Entwicklung eines Landes geworden seien. Sie führte auch aus, dass Österreich – was den Einsatz von Mitteln betraf – am unteren Ende in der Skala der entwickelten Länder stehe und führte dies darauf zurück, dass Wissenschaft und Forschung bis dato nicht mit jenem Nachdruck vertreten worden waren, der erforderlich sei. Vor allem strich sie aber heraus, dass nun mit dem Wissenschaftsministerium ein Anwalt bzw. ein Adressat für die Interessen von Wissenschaft und Forschung in der Regierung geschaffen werde, der besonders bei den Budgetverhandlungen wichtig sei. Auf den Vorwurf, der mit der »Lex Firnberg« verbunden war, d. h., dass das Ministerium für sie eingerichtet werden sollte, ging sie mit keinem Wort ein. Gegen den Gesetzesbeschluss des Nationalrats wurde im Bundesrat kein Einspruch erhoben.524 Mit der Verlautbarung des Gesetzes über die »Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und Neuordnung des Wirkungsbereiches einiger Bundesministerien« im Bundesgesetzblatt am 23. Juli 1970 konnte die gesetzliche Errichtung des Wissenschaftsministeriums abgeschlossen werden. Die darin festgelegten Aufgaben des Ressorts umfassten die »Koordination der Forschungsvorhaben des Bundes zur Wahrung der allen Verwaltungszweigen gemeinsamen Interessen auf diesem Gebiet sowie die Koordina522 Vgl. hierzu: Gesellschaft und Politik 3 (1969). 523 StPNR, XII. GP, 11. Sitzung vom 8./9. 7. 1970, 471–567. 524 StPBR, 292. Sitzung vom 15. 7. 1970, 7784–7906.
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tion der Planung des Einsatzes von Bundesmitteln für Zwecke der Forschung« und eine Reihe von Kompetenzen, die vom Bundeskanzleramt, vom Unterrichtsministerium und vom Handelsministerium übernommen wurden. Dabei handelte sich im Falle des Bundeskanzleramtes um die »Wahrung der allen Verwaltungszweigen gemeinsamen Interessen auf dem Gebiete der Forschung« sowie seitens des Unterrichtsministeriums um folgende Bereiche: Angelegenheiten der wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen sowie anderer wissenschaftlicher Anstalten und Forschungseinrichtungen einschließlich der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Denkmalschutzes, der Museen sowie der wissenschaftlichen Bibliotheken und des wissenschaftlichen Dokumentationswesens, die Angelegenheiten der wissenschaftlichen Berufsausbildung, der studentischen Interessenvertretung, der Studienbeihilfen und Stipendien, die Förderung des Baues von Studentenheimen sowie Angelegenheiten der wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen. Hinzu kamen die Vorbereitung von Staatsverträgen oder sonstigen völkerrechtlichen Rechtsgeschäften und Maßnahmen zu deren innerstaatlichen Durchführung sowie die Übernahme jener Angelegenheiten, die auf Grund des Forschungsförderungsgesetzes bisher dem Unterrichtsministerium oblagen, d. h. die Zuständigkeit für den FWF, plus weitere Angelegenheiten der wissenschaftlichen Stiftungen und Fonds. Vom Handelsministerium wurden ebenfalls jene Angelegenheiten, die ihm bisher aufgrund des Forschungsförderungsgesetzes zustanden, sprich die Zuständigkeit für den FFF, übernommen.525 Am Minoritenplatz im 1. Wiener Gemeindebezirk hatte bereits am 22. April 1970 die Amtsübergabe von Alois Mock an Leopold Gratz, dem 1971 Fred Sinowatz als Unterrichtsminister nachfolgte, und Hertha Firnberg stattgefunden. Firnberg hatte damit ihre Amtsräume im Palais Starhemberg, wo bisher bereits das Unterrichtsministerium untergebracht war und nun auch das Wissenschaftsministerium oder zumindest Teile von diesem seinen Sitz fanden, noch als Ministerin ohne Portefeuille bezogen.526 Als das Ministerium der Öffentlichkeit 525 Hinsichtlich der Arbeitsweise des neuen Ministeriums wurde bestimmt, dass das Wissenschafts- und Unterrichtsministerium bei der Vorbereitung und Erlassung von Studienordnungen auf Grund der besonderen Studiengesetze sowie bei den Lehrplänen für allgemeinbildende und berufsbildende höhere Schulen das Einvernehmen suchen sollten. Zudem sollte ein Einvernehmen zwischen dem Wissenschaftsministerium, anderen Ministerien und dem Bundeskanzleramt im Bereich der Forschung hergestellt werden. Weitere Abschnitte des Gesetzes betrafen die (weitgehende) Zuständigkeit des Außenministeriums für die kulturellen Auslandsbeziehungen und jene des Bundeskanzleramtes für die Verstaatlichten Industrieunternehmen. Vgl.: Bundesgesetz vom 9. Juli 1970 über die Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und über die Neuordnung des Wirkungsbereiches einiger Bundesministerien, BGBl. 205/1970. 526 Wachablöse am Minoritenplatz, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 22. 4. 1970.
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in einer Pressekonferenz am 9. Juli 1970 vorgestellt wurde, sah sein Aufbau zwei Sektionen – eine für die Hochschulen unter der Leitung von Walter Brunner und eine für die Forschung – vor. Hierbei sollten die Abteilungen der Hochschulsektion aus dem Unterrichtsministerium übernommen werden, die Forschungssektion musste bis auf eine ebenfalls bestehende Abteilung im bisherigen Unterrichtsministerium jedoch erst aufgebaut werden. Hinzu kamen die Gruppe III, in der aus dem Unterrichtsministerium stammende Abteilungen zu Bibliotheken, Museen und Denkmalschutz zusammengefasst wurden, sowie eine Präsidial- und Rechtssektion, die sowohl für das Unterrichts-, als auch das Wissenschaftsministerium tätig sein sollte.527 Eine ebenfalls beiden Ministerien gemeinsam zugeordnete Gruppe für Kulturelle Auslandsbeziehungen bestand nur kurz und wurde mit dem Bundesministeriengesetz 1973 aufgegeben.528 Wie bei der Präsentation und in einer Reihe weiterer Stellungnahmen betont und von der Opposition mehrfach nachgefragt wurde, sollte der Aufbau des Ministeriums – nachdem dies bereits bei seiner Gründung ein wichtiger Verhandlungspunkt war – keine zusätzlichen Verwaltungskosten verursachen. Neben der gemeinsamen Rechts- und Präsidialsektion mit dem Unterrichtsministerium sollten die Mitarbeiter*innen des neuen Ressorts daher aus den bestehenden Ministerien übernommen werden, oder aus dem Bundeskanzleramt kommen.529 Trotzdem verzeichnete das Ressort in den darauffolgenden Jahren hinsichtlich seiner Organisationseinheiten und seines Personals, Neuaufnahmen inklusive, ein kontinuierliches Wachstum. Die neue Forschungssektion nahm im Oktober 1970 ihre Arbeit unter der Leitung von Wilhelm Grimburg auf, der im Verkehrsministerium die Abteilung Verstaatlichte Unternehmungen geleitet hatte und später in der ÖIAG (Österreichische Industrieverwaltungs-Aktiengesellschaft) beschäftigt gewesen war.530 Die bisherige Gruppe III erhielt im Sommer 1971 Sektionscharakter.531 Ein Jahr später folgte die Umwandlung des bisherigen Büros für Hochschulplanung und Hochschulstatistik in die direkt der Ministerin unterstellte Abtei527 Wissenschaftsministerium perfekt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 31. 7. 1970. 528 Die Agenden wurden im Wesentlichen dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten übertragen. Vgl.: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Arbeitsbericht 1974, Wien 1975, 5. 529 Geschäftseinteilung des Wissenschaftsministeriums, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 13. 8. 1970; Minister Firnberg arbeitet sparsam, in: Arbeiter-Zeitung, 14. 8. 1970; Regierungserklärung von Bruno Kreisky vom 5. November 1971, StPNR, XIII. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1971, 19f.; Bruno Kreisky Archiv, VI.5. Bildung, Box 4, Information an den Herrn Bundeskanzler betreffend die Entwicklung des Dienstpostenstandes des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 25. 10. 1971. 530 Forschungssektion nahm Betrieb auf, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 10. 1970. 531 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Arbeitsbericht 1971, Wien 1972, 5.
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lung Planung und Statistik,532 neben dem seit 1968 auch eine allgemeine Abteilung für Forschungs- und Entwicklungsstatistik im Statistischen Zentralamt und seit 1969 ein Dokumentationszentrum für Wissenschaftspolitik im Rahmen der Administrativen Bibliothek des Bundeskanzleramtes existiert hatten.533 Das während der Amtszeit von Theodor Piffl-Percˇevic´ eingerichtete Büro für Hochschulplanung und Hochschulstatistik, das nur aus wenigen Personen bestand hatte und außerhalb des Ministeriums angesiedelt gewesen war, erfuhr damit nicht nur eine Institutionalisierung, sondern auch eine Aufwertung. Dieser Schritt erfolgte – so Sigurd Höllinger, der die Abteilung seit ihrer Gründung leitete und zuvor im Büro für Hochschulplanung und Hochschulstatistik tätig gewesen war – einerseits vor dem Hintergrund, dass Firnberg große Defizite hinsichtlich der Datenunterlagen in ihrem Ressort erkannte. Andererseits stellte er nach Edith Stumpf-Fischer und Eva Knollmayer, die ebenfalls seit den frühen 1970er-Jahren im Wissenschaftsressort beschäftigt waren, aber auch eine Reaktion darauf dar, dass Firnberg als ehemalige Statistikerin an Planungsgrundlagen für politische Entscheidungen interessiert war.534 Generell spielten Zahlen und Statistiken, die Firnberg zum Gegenstand einschlägiger Veranstaltungen machte535 und mit denen sie Lebenssachverhalte in beeindruckender Weise darstellen konnte,536 in ihrer politischen Argumentation eine wichtige Rolle.537 Bis Mitte des Jahrzehnts folgte dann auch die Einrichtung einer Rechtsabteilung, die mit anderen Abteilungen (wie jener für Planung und Statistik oder jener für Raum) zu einer Gruppe Grundsatzangelegenheiten zusammengefasst wurde. Eine vom Unterrichtsministerium unabhängige Präsidialabteilung wurde jedoch erst nach dem Ausscheiden Firnbergs aus dem Wissenschaftsministerium etabliert.538 Der Personalstand wuchs von rund 60 Beamt*innen im Jahr 1970 auf ca. 140 eigene Beamt*innen und 29 zugeteilte Mitarbeiter*innen im Jahr 1976 an.539 Im März 1982 umfasste er 144 Beamt*innen und 54 von anderen Behörden
532 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Arbeitsbericht 1972, Wien 1973, 5. 533 OECD, Wissenschaftspolitik in Österreich, 25. 534 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021. 535 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Die Statistik als Instrument der Wissenschaftspolitik, Wien/New York 1973. 536 Schriftliche Mitteilung von Dkfm. Dr. Hannes Androsch vom 10. 9. 2021. 537 Interview der Verfasserin mit Dr. Erhard Busek am 9. 11. 2020. 538 Österreichischer Amtskalender 1975/1976, Wien 1975, 150; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 539 40 Prozent mehr Personal für Wissenschaft, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 18. 8. 1976.
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dienstzugeteilte Personen.540 Trotzdem blieb das Wissenschaftsministerium während der gesamten Ära Kreisky das kleinste Ressort,541 das – wie Firnberg oftmals beklagte – unter einer großen Raumnot litt, die sich in der örtlichen Zersplitterung auf gleich mehrere Dienstorte zeigte.542
Abb. 12: Hertha Firnberg und ihre engsten Mitarbeiter*innen – darunter Margarethe Pompl (2. von links), Anna Elisabeth Haselbach (4. von links) und Wolf Frühauf (6. von links)
Das Büro von Hertha Firnberg selbst war klein und bestand aus wenigen Personen. Dazu gehörten u. a. Wolf Frühauf als Büroleiter und später auch Leiter der Grundsatzabteilung sowie Margarethe Pompl und Anna Elisabeth Haselbach. Frühauf wechselte von der Universität Wien in das neue Ministerium, Pompl, die für die Terminverwaltung verantwortlich war, kam von der Hochschule für Welthandel, nachdem sie Firnberg von der Sekretärin ihres ehemaligen Chefs Karl Skowronnek empfohlen worden war.543 Haselbach, die mit Schreibarbeiten beschäftigt war, hatte Firnberg als Tochter von Viktor Kleiner bereits seit ihrer Jugend gekannt. 540 Das kleinste Ministerium, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 3. 3. 1982. 541 Ebenda. 542 Vgl. hierzu: Notleidendes Ministerium. Minister Firnberg klagt über »unzumutbare Arbeitsbedingungen«, in: Kurier, 25. 9. 1971; Ministerium sucht Quartier, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 24. 9. 1971 sowie die vom Wissenschaftsministerium jährlich herausgegebenen Arbeitsberichte. 543 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019.
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Am Minoritenplatz hatte Hertha Firnberg zunächst keinen leichten Einstieg, da sie in einen Bereich eindrang, der über Jahrzehnte von der ÖVP dominiert worden war. Nach dem Kommunisten Ernst Fischer, der 1945 während der Provisorischen Staatsregierung dem Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten vorgestanden hatte, war das Unterrichtsministerium bis 1970 mit Felix Hurdes, Ernst Kolb, Heinrich Drimmel, Theodor Piffl-Percˇevic´ und schließlich Alois Mock stets unter der Leitung eines ÖVP-Ministers gestanden, was sich auch in der politischen Zusammensetzung des Beamtenapparats spiegelte. So soll Firnberg 1970 von den zuständigen Beamten zunächst auch verweigert worden sein, ein Schild anzubringen, aus dem hervorging, dass nun auch das Wissenschaftsministerium unter ihrer Leitung am Minoritenplatz residieren würde, worauf sie selbst zu Hammer und Nagel greifen musste, um einen entsprechenden Hinweis anzubringen.544 Eine Aufgeschlossenheit gab es somit nicht, wenngleich sich die Ablehnung des neuen Ministeriums bzw. dessen Führung durch die SPÖ und Firnberg auch nur selten in einer offenen Obstruktionspolitik zeigte. In den folgenden Jahren konnte sich Firnberg durch eine harte Hand bzw. straffe Führung, durch Sachkompetenz sowie den Umstand, dass es ihr gelang, die Forschungssektion aufzubauen, jedoch Respekt verschaffen. Hinzu kam, dass mit der Zeit auch im Haus klar wurde, dass die Kreisky-Regierung keine kurze Episode sein würde, und dass das Wissenschaftsbudget (teilweise sogar mit jährlichen Zuwachsraten von über 20 Prozent) stieg.545 Generell zeigte Firnberg im Bestreben, möglichst viel Finanzmittel für Ressort zu erhalten, einen großen Einsatz. Für Finanzminister Hannes Androsch zählten die Verhandlungen mit ihr rückblickend so auch zu den schwierigsten Budgetgesprächen, da »sie es in großer Geschicklichkeit verstand, das Meistmögliche […] herauszuholen«.546 Insgesamt machte das Wissenschaftsbudget 1970 2,23 Prozent des Bundesbudgets aus und lag 1976 bereits bei 3,12 Prozent. Ab dann ging es vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Wirtschaftssituation jedoch zurück und lag 1983 bei 2,76 Prozent.547 Einen Gestaltungsspielraum bei der personellen Zusammensetzung ihres Ressorts hatte Firnberg anfangs vor allem hinsichtlich der neu aufzubauenden Forschungssektion und allmählich, im Zuge der Vergrößerung des Ressorts und
544 Interview der Verfasserin mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019. 545 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 546 Schriftliche Mitteilung von Dkfm. Dr. Hannes Androsch vom 10. 9. 2021. 547 Josef Gindl / Philipp Otto, 40 Jahre Wissenschaftsministerium – eine Kurzgeschichte in Budgetzahlen, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970–2010, Wien 2010, 149.
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Neubesetzungen, auch in anderen Sektionen.548 Diesen nützte sie nicht nur, um politisch nahestehende Beamt*innen zu platzieren, sondern auch um Frauen zu beschäftigen und aufzubauen, wenn sie die erforderliche Qualifikation mitbrachten. Eine Frau nur aufgrund ihres Geschlechts einzustellen, wäre für Firnberg nicht denkbar gewesen.549 Interessant ist dabei, dass das Wissenschaftsministerium in der medialen Beobachtung in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren als jenes Ressort galt, in dem Frauen Aufstiegschancen hatten.550 Als 1983 der erste Bericht zum Frauenförderprogramm im öffentlichen Dienst aus dem Jahr 1981 vorlag, das unter der Ägide von Johanna Dohnal als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen ausgearbeitet worden war, stellte das Wissenschaftsministerium jenes Ressort dar, in dem die meisten Frauen in leitenden Positionen verzeichnet waren.551 Während der Amtszeitzeit von Hertha Firnberg bedeutete dies, dass es mehrere Frauen als Ableitungsleiterinnen gab, die erste Sektionsleiterin folgte jedoch erst 2002.552 Das Ministerium per se bzw. dessen Existenz stellte noch in den Jahren nach 1970 einen Zankapfel zwischen ÖVP und SPÖ dar,553 wobei sich die Spitze der ÖVP ab Mitte der 1970er-Jahre für die Beibehaltung des Ressorts aussprach.554 In der Person von Alois Mock fand es aber auch einen konsequenten Gegner, der kaum eine Gelegenheit ausließ, um das Ministerium in Frage zu stellen. Dies zeigte sich etwa bei der Beschlussfassung des Universitäts-Organisationsgesetzes 1975555 oder im Wahlkampf 1983, was Firnberg als »Trauma« Mocks deutete, da er selbst eine kurze Zeit am Minoritenplatz residiert hatte.556 Die betroffenen 548 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 549 Interview der Verfasserin mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019; Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019. 550 Frauen, werdet mutiger, in: Die Frau 10 (1976) 8; Firnberg: Volkspartei verschloss Frauen höhere Beamtenlaufbahn, in: Arbeiter-Zeitung, 6. 11. 1979; Herren beugen das Haupt, in: Die Zeit 10 (1982) 75. Vgl. hierzu zudem: »Klagen bringen gar nichts«, in: Kleine Zeitung, 29. 11. 1987. 551 Johanna Dohnal Archiv, IX. Frauenförderprogramme, Box 3, Bericht des BMWF über die Durchführung des Förderungsprogrammes für Frauen im Bundesdienst (Berichtszeitraum November 1981 bis Dezember 1983). 552 Edith Stumpf-Fischer, Anfänge der Gleichbehandlungspolitik im BMBWK. Ein Kapitel aus der »Unendlichen Geschichte«, in: Roberta Schaller-Steidl / Barbara Neuwirth (Hg.), Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung. Konzepte, Strukturen, Praktiken (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 19), Wien 2003, 130. 553 Wohnout, Wissenschaftspolitik im Spannungsfeld von Parlament und Parteien, 273. 554 ÖVP-Ja zu Wissenschaftsministerium, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 17. 3. 1976. 555 StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung vom 11. 4. 1975, 13704. 556 »Das ist ein Trauma Mocks«, in: Arbeiter-Zeitung, 2. 4. 1983. Vgl. hierzu auch: Hertha Firnberg, Brauchen wir ein Wissenschaftsministerium?, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1983) 11.
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Gruppen (Rektorenkonferenz und FWF,557 ÖH und Assistentenverband558), bei denen die Gründung des Wissenschaftsministeriums 1970 ebenfalls nicht auf Begeisterung gestoßen war, sprachen sich im Laufe der Zeit gleichfalls für dessen Beibehaltung aus, wenngleich bei SPÖ-Politikern wie Josef Staribacher angesichts der Konflikte in der Universitätsreform auch Zweifel am »Ja« der Wissenschaftler*innen zum Ministerium bzw. zur Bildung einer »Einheitsfront gegen Mock und seine Ideen« bestanden.559
6.3. Wissenschaftspolitik als Teil der Gesellschaftspolitik und gesamtgesellschaftliches Anliegen Die zentralen Aufgabenbereiche, mit denen sich Hertha Firnberg neben dem Aufbau des Wissenschaftsministeriums zu beschäftigen hatte, resultierten aus den geschilderten Kompetenzen des neu geschaffenen Ressorts, den skizzierten Regierungserklärungen sowie den Folgen der jüngsten Entwicklungen – allen voran die »Explosion« der Studierendenzahl. Wichtig war ihr zudem, den Brain Drain aus Österreich zu stoppen bzw. ein günstiges Klima für Wissenschaft und Forschung aufzubauen, womit sie Bezug auf die OECD, insbesondere auf deren Prüfung der österreichischen Wissenschaftspolitik im Jahr 1969/1970, nahm, die sie mehrfach als »Glücksfall« bezeichnete. Der Grund dafür war, dass ihr die OECD mit ihrem Bericht eine wichtige Legitimationsbasis lieferte, als die sozialistische Regierung zu arbeiten begann – wurden hier doch eine unzureichende Dotierung von Universitäten und Forschung sowie eine mangelhafte Ausstattung der Hochschulen festgestellt und konstatiert, dass eine Koordinierung und Planung in der Forschungspolitik von Nöten sei.560 Ihre Tätigkeit als Wissenschaftsministerin begleitete Firnberg, die bereits vor 1970 immer wieder publiziert hatte, mit zahlreichen Artikeln. In diesen verwies sie nicht nur wiederholt auf die bisherigen Leistungen ihres Ressorts sowie zukünftige Aufgaben,561 wie es seit 1970 jährliche Arbeitsberichte des Ministeriums 557 Wissenschaftsressort soll erhalten bleiben, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 18. 2. 1975. 558 Wissenschaftsministerium muss bleiben, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 28. 3. 1983. 559 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Einträge vom 28. 2. 1978 (Seite 42–0227), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.h tml (abgerufen: 12. 2. 2021). 560 Hertha Firnberg, Ringen mit den Lebensfragen unserer Zeit. Die Aufgaben des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, in: Die Zukunft 18 (1971) 11–13; OECD, Wissenschaftspolitik in Österreich. 561 Hertha Firnberg, Ein Jahr Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, in: Der Sozialistische Akademiker 6–7 (1971) 5–7; Hertha Firnberg, Leistungsbilanz eines Jahres, in:
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taten, die zu den Hochschul- und Forschungsberichten aufgrund des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes 1966 und des Forschungsförderungsgesetzes 1967 hinzutraten. Sie demonstrierte auch ein durchaus vorhandenes Interesse für programmatische Fragestellungen562 und den Anspruch, die Wissenschaftspolitik in ein größeres gesellschaftspolitisches Konzept einzubetten, wie es auch Christian Broda bei der Rechtsreform tat. So betonte Firnberg mehrfach, dass die Wissenschaftspolitik ein Teil der Gesellschaftspolitik und die Universitätsreform ein Teil der Gesellschaftsreform sei bzw. beide in einem dialektischen Verhältnis stehen würden. Im Mittelpunkt sollte entsprechend den allgemeinen Zielsetzungen der Kreisky’schen Reformpolitik eine Demokratisierung der inneren Strukturen, aber auch der »Außenbeziehungen« stehen, wobei sie die »innere Demokratisierung« wie folgt umschrieb: »Universitätsreform, als Teil demokratischer und sozialistischer Gesellschaftsreform verstanden, muss die ›hierarchische‹ Ordinarienuniversität, die ein Spiegelbild längst abgelöster ständischer, autoritärer Gesellschaftsstruktur ist, zu einem auf Partnerschaft aufgebauten, dem kritischen Welt- und Selbstverständnis dienenden und zu selbständigem Denken führenden Bildungsinstrumentarium wandeln.«563
Die »äußere Demokratisierung« der Universitäten sollte hingegen auf eine Öffnung der Universitäten für alle Bildungswilligen und Begabten abzielen und insbesondere für jene Schichten gelten, denen der Zugang aus verschiedenen Gründen bisher verschlossen war. Gemeint war damit also die von Kreisky apostrophierte Chancengleichheit: »Kaum ein Privileg wurde und wird gleichermaßen eifrig gehütet wie das ›Bildungsprivileg‹. Sozialistische Bildungs- und Hochschulpolitik gehen konform mit dem demokratischen Leitbild einer zukünftigen Bildungsgesellschaft von der Forderung gleicher Bildungschancen und -möglichkeiten für alle Menschen und von einer umfassenden Förderung der Bildungswilligen aus. Die ist begabungsspezifische Voraussetzung für eine Gesellschaft mit optimalen Entwicklungsmöglichkeiten für alle MenDer Sozialistische Akademiker 8/9 (1971) 5–6; Hertha Firnberg, Vier Jahre erfolgreiche sozialistische Wissenschafts- und Forschungspolitik, in: Der Sozialistische Akademiker 5 (1974) 3–8; Hertha Firnberg, Die Hochschulpolitik seit 1970, in: Österreichische Hochschulzeitung 1 (1974) 4–6; Hertha Firnberg, Weichenstellung in die Zukunft. Fünf Jahre sozialistische Wissenschaftspolitik, in: Der Sozialistische Akademiker 10 (1975) 5–7; Hertha Firnberg, Wie sich die Wissenschafts- und Forschungslandschaft Österreichs verändert hat, in: Der Sozialistische Akademiker 3/4 (1979) 3–5; Hertha Firnberg, Forschungspolitik für morgen, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Aspekte und Perspektiven: Wissenschaft und Forschung im neuen Jahrzehnt, Wien 1981, 7–16; Hertha Firnberg, Forschungskonzeption der achtziger Jahre, in: Der Sozialistische Akademiker 5/6 (1981) 2–6; Hertha Firnberg, »Österreichs Forschungspolitik in den 80er Jahren«, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Forschung – Perspektiven für die achtziger Jahre, Wien 1982, 9–21. 562 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020. 563 Firnberg, Ringen mit den Lebensfragen unserer Zeit, 13.
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schen ohne Unterschied des Geschlechts, des Standes, der sozialen Herkunft, der Nationalität, der Rasse, der Religion oder Klasse.«564
Die Forschungspolitik sollte sich an allgemeinen gesellschafts- und staatspolitischen Zielsetzungen sowie Zielsetzungen in einzelnen Sachbereichspolitiken wie der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik orientieren bzw. im Dienst einer humanen, demokratischen Entwicklung stehen.565 Hinzu kam der wiederholte Verweis auf eine Aussage Karl Renners, die erstmals ins Parteiprogramm 1958 und dann in jenes von 1978 Eingang gefunden hatte, wonach die Wissenschaftspolitik nicht das Anliegen einzelner Gelehrter, sondern die »Sache des ganzen Volkes« sein sollte bzw. es galt, sie in die »Mitte der Gesellschaft« zu holen.566 Der Verantwortung der Wissenschaft für die gesellschaftliche Entwicklung sollte damit die Verantwortung des ganzen Volkes für Wissenschaft und Forschung gegenüberstehen, wobei die Anteilnahme aller gesellschaftlichen Kräfte an der Lage und Entwicklung von Wissenschaft und Forschung für Firnberg nicht nur die Voraussetzung für eine ausreichende finanzielle Versorgung, sondern auch für die Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Gesellschaft darstellte. Den Medien, zu denen Firnberg selbst – wie angeführt – kein einfaches Verhältnis hatte, sollte hierbei eine große Bedeutung als Kommunikator zukommen.567 Das Recht auf Bildung bezeichnete sie wiederholt als Menschenrecht, das es nicht nur umzusetzen, sondern notfalls auch zu verteidigen galt, wenn Einschränkungen im Zugang drohten.568 Bildung wollte sie – wie noch auszuführen sein wird – als Selbstwert verstanden haben.569 564 Hertha Firnberg, Universitätsreform als Teil der Gesellschaftsreform, in: Sozialistische Partei Österreichs / Klub der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte / Sozialistische Fraktion des Österreichischen Gewerkschaftsbundes / Bund Sozialistischer Akademiker, Intellektueller und Künstler (Hg.), Festschrift für Karl Waldbrunner. Zum 65. Geburtstag, Wien 1971, 198. 565 Vgl. zudem: Hertha Firnberg, Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Wissenschaftspolitik, in: Mitteilungen des Instituts für Gesellschaftspolitik, Band 6, 1971, 1–8; Hertha Firnberg, Demokratisierung von Wissenschaft und Forschung. Referat am BSA-Bundestag 1978, in: Der Sozialistische Akademiker 5/6 (1978) 2–7. 566 Vgl. hierzu etwa: Firnberg, Universitätsreform als Teil der Gesellschaftsreform, 200; Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, 21; Firnberg, Demokratisierung von Wissenschaft und Forschung, 4. 567 Hertha Firnberg, Wissenschaft und Gesellschaft, in: Dies. / Fred Sinowatz / Karl Blecha, Kultur, die wir meinen. Wissenschaft, Bildung, Kultur und das neue Parteiprogramm, Wien 1978, 3–13. 568 Hertha Firnberg, Bildung als Menschenrecht, in: Dr. Karl Renner Institut (Hg.), Chancengleichheit. Bessere Schul- und Berufsausbildung für unsere Frauen und Mädchen, Wien 1974, 7–19. 569 Hertha Firnberg, Die Rolle des Akademikers in der heutigen Gesellschaft – Akademiker und Intellektuelle in der Geschichte, in: Johann Götschl / Christoph Klauser (Hg.), Der sozialdemokratische Intellektuelle. Analysen – Bewertungen – Perspektiven, Wien 1983, 11.
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Als Publikationsorgane nützte Hertha Firnberg – wie es bereits vor 1970 der Fall war – sozialdemokratische Medien, wozu nun auch gehörte, dass sie zu Beginn des Jahrzehnts in der »Arbeiter-Zeitung« eine regelmäßige Glosse mit dem Titel »Aus erster Hand« schrieb. Hinzu kamen Broschüren und Publikationen, die vom Wissenschaftsministerium herausgegeben wurden. Desgleichen erschienen ab 1976 regelmäßig Beiträge von ihr in der bereits genannten »Österreichischen Hochschulzeitung«, die als Instrument zu einer Annäherung zwischen dem Ministerium und der Zeitschrift verstanden werden können, nachdem die »Österreichische Hochschulzeitung« als den Hochschulen nahestehendes Periodikum während der Diskussion um das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 nicht mit Kritik an Firnbergs Person und ihrer Politik gegeizt und sich als wissenschaftspolitischer Akteur verstanden hatte.
6.4. Arbeitsbereiche in der Hochschulpolitik 6.4.1. Hochschulreform – das Universitäts-Organisationsgesetz 1975, Studienund Dienstrecht In der Hochschulpolitik hatte sich die Regierung Kreisky, wie in der Regierungserklärung 1970 angekündigt, eine Gesamtreform vorgenommen, die eine Fortsetzung der Organisations- und Studienreform sowie ein neues Dienstrecht, aber auch vermehrte Investitionen in das Hochschulsystem umfasste. Im Zentrum stand dabei – wie es sich bereits in den späten 1960er-Jahren abzuzeichnen begann – die Organisationsreform mit der heftig umstrittenen Mitbestimmungsfrage, bei der die Meinungen und Wünsche weit auseinandergingen und mit großer Vehemenz vorgebracht wurden. Auf Initiative des Bundesrates bzw. eines gemeinsamen Antrages von ÖVP und SPÖ war bereits im Juli 1968 eine Parlamentarische Hochschulreformkommission eingesetzt worden. Ende Juni 1970, d. h. rund einen Monat bevor Hertha Firnberg offiziell zur Wissenschaftsministerin ernannt wurde, war diese jedoch am Auszug der Professoren gescheitert. Den Grund dafür stellten vor allem Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Entscheidungsfindung an den Instituten dar.570 In Folge dessen setzte Firnberg zunächst auf eine Fortsetzung dieses Weges, indem sie Anfang 1971 erneut eine Parlamentarische Hochschulreformkommission einsetzte, für deren Beratungen sie einen ersten Entwurf für eine Organisationsreform, den sogenannten »blauen Entwurf«,
570 Exodus aus Reformkommission, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 23. 6. 1970.
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ausarbeiten ließ.571 In der neuen, personell veränderten Kommission blieben Frauen – wie es bereits zuvor der Fall war – die Ausnahme. Lediglich die Gruppe der Dozent*innen und Assistent*innen umfasste auch eine weibliche Vertretung.572 Der neue Entwurf wurde von einer Gruppe Vertrauter bzw. namentlich von Heinz Fischer, Franz Skotton, Robert Trappl und Norbert Rozsenich, die bereits der Parlamentarischen Hochschulreformkommission angehörten hatten, sowie Wolf Frühauf und Ludwig Otruba, die die Verbindung zum Ministerium herstellten, ausgearbeitet. Otruba (geboren 1916), der noch während der Amtszeit von Ernst Fischer, d. h. im Jahr 1945, ins Ministerium gekommen war, zählte trotz seines hohen Dienstalters zu den wenigen Beamten, die für eine Reform offen waren.573 Frühauf gehörte – wie bereits ausgeführt – zu den engsten Mitarbeiter*innen von Firnberg. Der Entwurf wurde im Januar 1971 der Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz vorgestellt und zur Begutachtung versandt.574 Ende Februar 1971 präsentierte auch die Rektorenkonferenz, die zwar bereits seit 1910/11 bestand, 1955 ins Hochschul-Organisationsgesetz aufgenommen worden war und 1969 ein eigenes Generalsekretariat erhalten hatte, aber erst während der Diskussion um die Organisationsreform zu einem wichtigen hochschulpolitischen Akteur wurde,575 ihre Vorschläge und lehnte den vorgelegten Entwurf ab. Maßgeblich hierfür war erneut die Frage der Mitbestimmung, wobei sie eine drittelparitätische Zusammensetzung der Studienkommissionen für richtig, überall sonst aber für falsch erachtete.576 Die Österreichische Studentenunion (ÖSU), Österreichs größte Studentenpartei, forderte hingegen die generelle Einführung der Drittelparität.577 Die im Januar 1971 wieder zusammengetretene Parlamentarische Hochschulreformkommission arbeitete ein Jahr und führte im Mai 1971 auch eine Studienreise nach Deutschland durch, um die in der Debatte immer wieder strapazierten »deutschen Verhältnisse« bzw. verschiedene Varianten der Hoch-
571 Hertha Firnberg, Die Kommission hat das Wort (aus erster Hand), in: Arbeiter-Zeitung, 17. 1. 1971. 572 Dabei handelte es sich wiederum um Hedwig Kopetzky-Rechtperg. Vgl.: Anhänge, in: Die umfunktionierte Universitätsreform, 196f. 573 Vgl.: ÖStA, AdR, BMU, Personalakt Otruba, Ludwig. 574 Reformkommission tagt wieder, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 1. 1971; Hochschulreform auf Kompromisslinie in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 15. 1. 1971. 575 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. 576 Rektoren legen Gegenvorschläge vor, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 25. 2. 1971. 577 Drittelparität auf allen Ebenen, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 3. 1971.
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schulreform in Berlin, Hamburg und Frankfurt zu studieren.578 Mitte Januar 1972 scheiterte auch diese Kommission, nachdem kurz zuvor beschlossen worden war, die Beratungen innerhalb von fünf Sitzungen zu einem Abschluss zu bringen und den Entwurf für ein neues Universitäts-Organisationsgesetz im Frühjahr 1972 zur Begutachtung auszusenden.579 Der Grund dafür war, dass diesmal die Studentenvertreter ihre Mitarbeit aufkündigten. Den Ausgangspunkt dafür stellte eine Erklärung der Österreichischen Rektorenkonferenz zu einer geplanten Novellierung des Hochschul-Organisationsgesetzes dar, die noch vor der großen Organisationsreform einen weiteren Teilschritt zur Demokratisierung der Universitäten bringen sollte. In dieser hatte die Rektorenkonferenz den vom Ministerium ausgesendeten Entwurf nicht nur als eine »brauchbare Regelung der Mitbestimmungsfrage« bezeichnet, sondern auch angeschlossen, dass »damit dieses Problem aus der weiteren Diskussion ausgeklammert« werden könne. Dies war von den Studentenvertretern als »Brüskierung studentischer Wünsche« betrachtet worden, weshalb sie eine Distanzierung der Professorenvertreter in der Kommission von der Erklärung der Rektorenkonferenz gefordert hatten, die jedoch nicht erfolgte. Der Verweis der Professorenvertreter darauf, dass sie zwar delegiert, aber nicht auftragsgebunden seien, war den Studentenvertretern zu wenig gewesen.580 Firnberg musste daher der Öffentlichkeit und in weiterer Folge dem Bundesrat mitteilen, dass auch die zweite Parlamentarische Hochschulreformkommission gescheitert war. Dabei betonte sie ihr Bedauern, dass »gerade ein akademisches Gremium die Aufgabe hätte, dem Parlament zu zeigen, dass es imstande ist, für seine eigenen Probleme Lösungsvorschläge zu unterbreiten«, es diesen Auftrag aber nicht erfüllen konnte.581 Die angesprochene Novellierung zum Hochschul-Organisationsgesetz wurde vom Nationalrat am 10. Mai 1972 einstimmig beschlossen und sah erstmals zur Entscheidung von bestimmten, bisher dem Professorenkollegium vorbehaltenen Angelegenheiten fakultative Kommissionen vor, denen auch Vertreter*innen des Mittelbaus und der Studierenden mit Sitz und Stimme angehören konnten.582 Bei der Verabschiedung im Nationalrat betonten Heinz Fischer und Hertha Firnberg, dass diese Reform 578 Die Delegation fuhr im Anschluss ohne Firnberg noch nach Zürich. Vgl.: Frau Minister Firnberg geht auf Studienreise, in: Wiener Zeitung, 14. 5. 1971; Hertha Firnberg (aus erster Hand), »Berlin ist eine Reise wert«, in: Arbeiter-Zeitung, 16. 5. 1971; Studie im Tränengas, in: Arbeiter-Zeitung, 20. 5. 1971. 579 Universitätsgesetz im Frühjahr, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 11. 1971. 580 Hochschulreformkommission geplatzt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 14. 1. 1972. 581 Erklärung von Minister Dr. Hertha Firnberg, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 14. 1. 1972. 582 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 474. Vgl. hierzu auch: StPNR, XIII. GP, 244 der Beilagen.
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erstmals die Mitbestimmung von Mittelbau und Studierenden in den Fakultätsgremien ermöglichen werde und sie sowohl einen »Nachziehprozess« an bereits vorhandene Verhältnisse als auch die Möglichkeit zur weiteren Erprobung der Mitbestimmung an den Hochschulen bringen werde.583
Abb. 13: Hertha Firnberg bei einer Diskussion mit Studierenden 1972
Als Hertha Firnberg dem Bundesrat am 23. März 1972 den Bericht der Bundesregierung über die Arbeiten in der Parlamentarischen Hochschulreformkommission und deren Scheitern referierte, kündigte sie an, dass die Arbeiten an der Hochschulreform zügig fortgesetzt werden würden. Ein neuer Entwurf sollte bereits im Frühjahr 1972 in Begutachtung gehen. Dieser sollte kein völlig neuer Vorschlag sein, sondern auf dem bereits vorliegenden Entwurf aufbauen, aber die inzwischen gemachten Beratungen und Erfahrungen inkludieren.584 Dazu gehörten auch die bei der Studienreise nach Deutschland gemachten Erfahrungen, die Firnberg nach ihrer Rückkehr in einem Interview mit der »Arbeiter-Zeitung« so zusammengefasst hatte, dass in Österreich in einem hohen Maß die Drittelparität festgelegt worden sei, die Paritäten aufgrund den Erfahrungen in Deutschland aber noch stärker modifiziert werden müssten.585
583 Vgl. zur Diskussion im Nationalrat: StPNR, XIII. GP, 30. Sitzung vom 10. 5. 1972. 584 StPBR, XIII. GP, 309. Sitzung vom 23. 3. 1972, 8685–8688. 585 Hochschulreform: Anregung, nicht Import, in: Arbeiter-Zeitung, 22. 5. 1971.
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In Folge wurde der sogenannte »orange Entwurf« von derselben Personengruppe, die bereits den »blauen Entwurf« ausgearbeitet hatte, erstellt und im Juni 1972 zur Begutachtung ausgesendet. Hertha Firnberg hatte diesen – wie es bereits bei der Schaffung des »blauen Entwurfs« der Fall war – wesentlich mitbestimmt.586 Mit der neuen Vorlage wurden – so Raoul Kneucker, der von 1970 bis 1978 Generalsekretär der Rektorenkonferenz und danach bis 1989 Generalsekretär des FWF war – »basisdemokratische Elemente« aus dem »blauen Entwurf« gestrichen und deutlich aufsichtsrechtliche, ministeriell-zentralistische Züge implementiert.587 So wurde die Mitsprache von Mittelbau und Studierenden nun abgestuft nach Zuständigkeit durchgezogen und nur in der Institutskonferenz und der Studienkommission eine Drittelparität festgehalten bzw. bestimmt, dass hier Professor*innen, sonstige Lehrer*innen und Studierende in gleicher Zahl vertreten sein sollen.588 Die Begutachtung war zunächst mit 15. November 1972 terminisiert, wurde auf vielfachen Wunsch und Interventionen bei Bundeskanzler Kreisky aber bis Ende 1972 verlängert und brachte eine wahre Flut an Stellungnahmen. Nachdem bereits zum »blauen Entwurf« rund 600 Seiten an Stellungnahmen abgegeben worden waren,589 umfasste die erneute Begutachtung über 1.200 Seiten, zu denen – wie es bereits zuvor der Fall war – noch zahlreiche Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften, selbständige Beiträge und Gegenmodelle hinzukamen.590 Die Hochschulreform fand somit eine enorme Aufmerksamkeit bei den betroffenen Gruppen, wobei die abgegebenen Stellungnahmen und öffentlichen Statements deutlich machten, dass eine Einigung wohl nur schwer möglich sein würde. Der »orange Entwurf« wurde nach dem Abschluss des Begutachtungsverfahrens überarbeitet und dem Nationalrat am 10. Oktober 1973 eine Regierungsvorlage zu einem neuen Universitäts-Organisationsgesetz vorgelegt. Nach der Zuweisung an den Wissenschaftsausschuss wurde am 24. Oktober 1973 ein Unterausschuss zur weiteren Beratung eingerichtet, der bis 5. März 1975 insgesamt 24 meist ganztägige Sitzungen mit einer Gesamtdauer von rund 150 Stunden abhielt und in mehreren Sitzungen auch Expert*innen bzw. Vertreter*innen der Universitäten anhörte. Von den 114 Paragraphen wurden an mehr als 100 größere oder kleinere Veränderungen vorgenommen,591 die Quintessenz des 586 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 587 Kneucker, Das Universitäts-Organisationsgesetz 1975, 269. 588 Drittelparität nur im Institut, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 14. 6. 1972. 589 UOG-Vorschläge in Arbeit, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 12. 1972. 590 Regierungsvorlage: Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UniversitätsOrganisationsgesetz – UOG), StPNR, XIII. GP, 888 der Beilagen, 68. 591 StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung, 11. 4. 1975, 13667; Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 90.
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»orangen Entwurfs« blieb im schlussendlich beschlossenen Universitäts-Organisationsgesetz jedoch erhalten. Mit seinen von 1968 bis 1975 währenden Verhandlungen zählte das Universitäts-Organisationsgesetz gemeinsam mit dem neuen, 1973/1974 beschlossenen Strafgesetz somit zu den am längsten beratenen Gesetzen der Zweiten Republik, dessen parlamentarische Verhandlungen – wie es bereits in den Jahren zuvor der Fall war – von einer Fülle an Stellungnahmen und Gegenvorschlägen begleitet waren. Desgleichen gab es weitere Vorsprachen bei Bundeskanzler Kreisky592 und Bundespräsident Kirchschläger sowie Petitionen und offene Briefe an den Nationalrat bzw. seine Abgeordneten. Hierbei drängten die Studierenden zunächst weiterhin auf möglichst weitgehende Mitbestimmungsmöglichkeiten bzw. eine durchgehende Drittelparität. Im Vergleich zu früheren Phasen wurden sie aber immer ruhiger,593 während die Auseinandersetzungen zwischen dem Ministerium und der (männlich dominierten) Professorenschaft bzw. den Rektoren zunahmen. Zu den von ihnen immer wieder vorgebrachten Punkten zählte, dass sie nicht wirklich gehört worden seien und der Entwurf keine nach Qualifikation abgestufte Mitbestimmung bringen würde bzw. diese vor allem an den Instituten und bei Berufungs- bzw. Habilitationsverfahren (nur Habilitierte und Professor*innen) sichergestellt werden müsse. Hinzu kam, dass die vorgesehenen Entscheidungsgremien mit ihrer »Unzahl an Sitzungen« ihnen Zeit für Forschung und Lehre wegnehmen und eine zum Klassenkampf führende »Verpolitisierung« der Hochschulen stattfinden würde.594 Für viele verlor – so Manfried Welan, der seit 1973 ordentlicher Professor an der Hochschule für Bodenkultur war und von 1979 bis 1981 der Rektorenkonferenz vorstand – das Amt aber schlicht nur deswegen seinen »Charme«, da die Professoren nicht mehr tun und lassen können sollten, was sie wollten.595 Besonders im Vorfeld der Beschlussfassung des Gesetzes kam es dann auch zu Protestmaßnahmen der Professoren und schweren Auseinandersetzungen mit Hertha Firnberg. Ein erster Höhepunkt dieser Konfrontation war, dass die 592 Professoren bei Kreisky, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 31. 1. 1973; Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Einträge vom 27. 6. 1973 (Seite 16–0763), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.a t//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). 593 Drittelparität bleibt Streitpunkt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 16. 10. 1973; Kneucker, Das Universitäts-Organisationsgesetz 1975, 268. 594 Professorenverband zum UOG-Entwurf, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 20. 9. 1972; UOG-Vorschläge in Arbeit, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 12. 1972; Einstimmiges Nein zum UOG, in: Österreichische Hochschulzeitung 2 (1975) 3; Verpolitisierung der Wissenschaft, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1975) 7; Streik – aber Zweifel am Streikrecht, in: Arbeiter-Zeitung, 13. 3. 1975; Professoren: »Helfen Sie uns!«, in: Kurier 14. 3. 1975. 595 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020.
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Rektorenkonferenz unter ihrem damaligen Vorsitzenden Siegfried Korninger im Februar 1975 mit ihrem geschlossenen Rücktritt im Fall einer Beschlussfassung des Universitäts-Organisationgesetzes drohte,596 während sein Vorgänger Günther Winkler Firnberg zu einem Fernsehduell aufforderte597 und später davor warnte, dass die Reform zu einer Auswanderung der Professoren aus Österreich führen würde.598 Einen zweiten Höhepunkt stellte die Organisierung eines zweitägigen Streiks am 12. und 13. März 1975 durch den Professorenverband unter der Leitung von Robert Walter dar, zu dem er auch die Assisstent*innen verpflichten wollte, die sich diesem jedoch nicht anschlossen.599 Hertha Firnberg, die nach ihrer Amtsübernahme von den Professoren als »Tante Hertha« alles andere als ernst genommen worden war,600 konterte hierauf scharf. So replizierte sie, dass Ersatzrektoren zur Verfügung stehen würden,601 dass die Professoren ihre Privilegien mit »Zähnen und Klauen« verteidigen würden und sie nun lernten müssten, dass die Universitäten nicht ihr Besitz und die Assistent*innen keine »Leibeigenen« seien602 bzw. der Professorenstreik gezeigt habe, dass die Professoren nicht so unentbehrlich seien, wie sie gedacht hätten. So lange die Verwaltung funktioniere, könne eigentlich nichts geschehen.603 Firnberg blieb, nachdem lange Jahre über die Organisationsreform debattiert worden war und sie diese nun zu einem Abschluss bringen wollte, somit hart und wollte sich auch von Vertreter*innen der eigenen Partei nicht in »ihre Reform« hineinreden lassen.604 So war es für sie zwar ein Ärgernis, als der Linzer Altbürgermeister Ernst Koref einen Artikel gegen die Reform in der »Presse« veröffentlichte, der von der Opposition mit Freude aufgenommen und während der Verhandlungen im Parlament vielfach zitiert wurde.605 Von der Reform abbringen ließ sie sich aber dadurch nicht. Für Bruno Kreisky, der – wie bereits ge596 Rücktritt aller Rektoren?, in: Die Presse, 12. 3. 1975; Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, 65. 597 UAW, Rektorat der Universität Wien, GZ 202-1974/1975; Firnberg zu einem TV-Duell gefordert, in: Kurier, 14. 3. 1975. 598 Vgl.: StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung vom 11. 4. 1975, 13743. 599 UAW, Rektorat der Universität Wien, GZ 202-1974/1975; Professorenstreik stößt auf Ablehnung, in: Arbeiter-Zeitung, 11. 3. 1975; Rücktritt aller Rektoren?, in: Die Presse, 12. 3. 1975. 600 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020. 601 Firnberg: Ersatzrektoren zur Hand, in: Arbeiter-Zeitung, 13. 3. 1975. 602 Firnberg: Haltung der Professoren beweist Notwendigkeit der Hochschulreform, in: Sozialistische Korrespondenz, 11. 3. 1975; ÖStA, HHStA, SB Nachlass Fritz Fellner 41–3 Protest gegen das UOG, 1974–1975; UAW, Rektorat der Universität Wien, GZ 202-1974/1975. 603 Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 38. 604 Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. 605 Der Artikel von Koref wurde sowohl bei der Debatte des Universitäts-Organisationsgesetzes im Nationalrat am 11. 4. 1975 als auch im Bundesrat am 24. 4. 1975 von den Abgeordneten der ÖVP mehrfach zitiert. Vgl.: Der Griff nach der Freiheit der Hochschule, in: Die Presse, 16./17. 3. 1974; StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung vom 11. 4. 1975, 13665–13764; StPBR, 341. Sitzung vom 24. 4. 1975, 10782–10829.
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nannt – kein einfaches Verhältnis zu den Universitäten aufgrund seiner Erfahrungen in den 1930er-Jahren hatte und der Firnberg wie seine anderen Reformminister*innen eigenständig agieren ließ,606 waren die Auseinandersetzungen um das Universitäts-Organisationgesetz im Vorfeld der Nationalratswahl 1975 zwar nichts, das ihn freute.607 Mit Befürchtungen, das ihn dies die Mehrheit kosten würde, wie es bei der Beschlussfassung des neuen Strafgesetzbuches der Fall war, waren für ihn die Proteste jedoch nicht verbunden. Wesentlich war hierfür, dass von der Universitätsreform nicht das Verhältnis zur katholischen Kirche betroffen war wie es bei der Strafrechtsreform mit der heftig umstrittenen Fristenregelung der Fall war.608 Dass der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramtes Edwin Loebenstein zu Beginn der 1970er-Jahre Bedenken gegen die geplante Reform geäußert hatte, auf die von Seiten des Wissenschaftsministeriums prompt reagiert werden musste, hatte Kreisky dahingehend schon stärker irritiert – zumal ihn Loebenstein bei der Wahlrechtsreform noch unterstützt hatte und er bei Kreisky positiv besetzt war.609 Das neue Universitäts-Organisationgesetz wurde am 11. April 1975 im Nationalrat angenommen und trat – nachdem der Bundesrat am 24. April 1975 keinen Einspruch erhob – mit 1. Oktober 1975 in Kraft. Die Neuerungen, die es brachte, waren Folgende: Als leitender Grundsatz wurde erstmals die Verantwortung der Universitäten gegenüber der Gesellschaft betont und festgehalten, dass die Universitäten berufen seien, »verantwortlich zur Lösung der Probleme der Gesellschaft sowie zu deren gedeihlicher Weiterentwicklung beizutragen«.610 Alle wissenschaftlichen Hochschulen wurden nun einheitlich als Universitäten bezeichnet, nachdem das Hochschul-Organisationgesetz 1955 bereits die Fachhochschulen den Universitäten gleichgestellt, es aber bei der unterschiedlichen traditionellen Bezeichnung belassen hatte. Die klassische Gliederung in vier Fakultäten wurde aufgelassen, wodurch es zu einer Aufspaltung der bisherigen Fakultäten kam, von der vor allem die Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultäten, die Philosophischen Fakultäten und die Fakultäten der nunmehr Technischen Universitäten betroffen waren. Die Institute traten als kleinste selbständige organisatorische Einheiten zur Durchführung von Lehr- und Forschungsaufgaben an die Stelle der früheren Lehrkanzeln, wobei die Zusam606 Schriftliche Mitteilung von Dkfm. Dr. Hannes Androsch vom 10. 9. 2021. 607 Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 34. 608 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020. 609 Auf die Stellungnahme von Loebenstein folgte eine Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums, die im Wesentlichen von Wolf Frühauf ausgearbeitet worden war, worauf es zu einer weiteren Stellungnahme von Loebenstein und einer neuerlichen Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums kam. Diese wurden jeweils an Kreisky übermittelt. Dann war die Angelegenheit erledigt. Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 610 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 474.
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menlegung von zwei oder mehreren Instituten für dasselbe wissenschaftliche Fach angeordnet wurde. Die Studienkommissionen, die bereits in den verschiedenen besonderen Studiengesetzen eingebaut worden waren, erhielten eine allgemeine gesetzliche Verankerung und waren nun für jede bestehende Studienrichtung zu konstituieren.611 Vor allem brachte das neue Universitäts-Organisationsgesetz jedoch die heftig umstrittene Ablösung der »Ordinarienuniversität« durch die »Gruppenuniversität« bzw. des Alleinentscheidungsrechts der Professor*innen durch das Mitbestimmungsrecht von Mittelbau und Studierenden, wobei die heftig umstrittene Drittelparität (1:1:1) – wie sich dies seit dem »orangen Entwurf« bereits abgezeichnet hatte – nur auf zwei Ebenen verankert wurde: den Studienkommissionen und den Institutskonferenzen. Im Fakultätskollegium und den von ihm eingesetzten Kommissionen (wie etwa den Habilitations- und Berufungskommissionen) galt vielmehr die Viertelparität (ordentliche und außerordentliche Universitätsprofessor*innen, Mittelbau und Studierende im Verhältnis 2:1:1), sodass keine dieser Kurien die beiden anderen überstimmen konnte. Die Wahl der Institutsvorstände sollte durch die Institutskonferenz, jene der Dekane durch die Fakultätskollegien erfolgen, der Rektor und der Akademische Senat, dem auch Mitglieder des nichtwissenschaftlichen Personals angehörten, wurden von der Universitätsversammlung bestimmt, die aus gewählten Vertreter*innen der ordentlichen und außerordentlichen Universitätsprofessor*innen sowie von den Fakultätskollegien entsendeten Mitgliedern im Verhältnis 1:1 bestand. Das Verhältnis zum Ministerium war weiterhin durch eine starke Rolle des Ministers/der Ministerin gekennzeichnet, was sich nicht nur in der Mittelzuweisung durch das Ressort und umfangreichen Vorschriften zur rechtlichen Aufsicht, sondern auch in der Institution des Universitätsdirektors widerspiegelte. Dieser wurde in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches nicht dem Rektor, sondern direkt dem Minister/der Ministerin unterstellt.612 Beschlossen wurde das neue Gesetz nach einer stundenlangen Parlamentsdebatte, während der es ein auffallend großes Polizeiaufgebot um das Parlamentsgebäude und eine Störaktion Freiheitlicher Studierender gab,613 mit den Stimmen der SPÖ gegen jene von ÖVP und FPÖ. Nachdem es bei den parlamentarischen Beratungen in vielen Bereichen zu einer Einigung mit der ÖVP gekommen war und ein Konsens nicht ausgeschlossen schien, verweigerte die große Oppositionspartei zuletzt ihre Zustimmung. Die zwei Themen, die zwi611 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 529. 612 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 474; Bundesgesetz vom 11. April 1975 über die Organisation der Universitäten (Universitäts-Organisationsgesetz – UOG), BGBl. 258/1975. 613 Nun auch Hochschulen offen für Demokratie, in: Arbeiter-Zeitung, 12. 4. 1975; Hochschulreform als Kraftakt, in: Kurier, 12. 4. 1975.
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schen den beiden Parteien standen, waren die Institutskonferenz mit der Wahl des Institutsvorstandes sowie die Stellung des Universitätsdirektors.614 Und so machte die ÖVP ihre Ablehnung schlussendlich auch an der Einführung des Universitätsdirektors und den damit verbundenen »Zugriffsmöglichkeiten des Ministeriums« sowie »sachungerechten« Paritäten fest.615 Das Gesetz wurde von den beiden Oppositionsparteien in der Nationalratsdebatte vom 11. April 1975 und dann in der Bundesratsdebatte vom 24. April 1975 scharf attackiert, indem sie der SPÖ und Firnberg vorwarfen, dass es ihnen weniger um Sachpolitik, als um eine Verwirklichung sozialistischer Gesellschaftspolitik gehe, dass sie bestrebt wären, die »Macht der Professoren zu brechen« und die Hochschulen zu »verpolitisieren« bzw. in »den harten ministeriellen Griff zu nehmen«. Zudem warfen sie Firnberg vor, dass sie – als weitere Verhandlungen gewünscht worden waren – angekündigt hatte, das Gesetz notfalls mit der Stimmenmehrheit der SPÖ zu beschließen. Firnberg ergriff sowohl in der Nationalratsdebatte vom 11. April 1975 als auch in jener im Bundesrat am 24. April 1975 das Wort und verteidigte – wie es nicht anders zu erwarten war – ihre Reform. Dabei schilderte sie nicht nur den langen Entstehungsprozess des Gesetzes und dass erste Mitbestimmungsmöglichkeiten bereits unter der ÖVP-Alleinregierung eingeführt worden waren, sondern betonte auch, dass sie nicht an das angekündigte »Chaos« glaube. Dass es Umstellungsschwierigkeiten geben könne, bestritt sie nicht, insgesamt sei die »Änderungen überholter Strukturen der Sinn der Reform«.616 Damit war das Gesetz zwar beschlossen. Aus der Diskussion gekommen ist es jedoch nie – wenn auch der vielfach angekündigte »Untergang der Universitäten«, deren Arbeitsunfähigkeit notgedrungen zur »Gründung privater Hochschulen führen müsse«617 sowie der »Exodus der Professoren« ausgeblieben sind und sich mit der Zeit die Stimmen mehrten, dass die Universitäten durchaus mit
614 Firnberg: »Ich suche keine Gespräche«, in: Arbeiter-Zeitung, 14. 3. 1975. 615 Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 91–93, 97; Kneucker, Das UniversitätsOrganisationsgesetz 1975, 270. Vgl. hierzu auch: Die Frau hinter dem Gesetz, in: Profil 15 (1975) 34. 616 StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung vom 11. 4. 1975, 13665–13764; StPBR, 341. Sitzung vom 24. 4. 1975, 10782–10829. 617 Vgl. hierzu den Universitätsprofessor und ÖVP-Abgeordneten Felix Ermacora, der in der Nationalratsdebatte vom 11. 4. 1975 polemisierte, dass die Universitätsreform die Gründung privater Hochschulen erforderlich machen würde: »Wenn sich herausstellen sollte, daß dieser Reformakt zu einer Arbeitsunfähigkeit der Hochschulen führt, dann, Frau Bundesminister, wird wohl kein anderes Mittel übrigbleiben, als Anstrengungen zu unternehmen, Privathochschulen zu schaffen, dort, in einer Privathochschule, entsprechend den Regeln der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre auszubilden, zu forschen und zu lehren«. StPNR, XIII. GP, 141. Sitzung vom 11. 4. 1975, 13733.
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dem neuen Gesetz leben können.618 So wurde das neue Universitäts-Organisationsgesetz im Laufe der folgenden Jahre nicht nur mehrfach zum Gegenstand von Verfahren vor den Höchstgerichten,619 nachdem der Vorsitzende des Professorenverbandes Robert Walter noch vor der Beschlussfassung des Universitäts-Organisationsgesetzes die seit den späten 1960er-Jahren bestehenden Studienkommissionen vor die Höchstrichter gebracht hatte.620 Es zog auch eine Reihe von Durchführungserlässen nach sich,621 mit denen das Ministerium den Universitäten kundtat, wie das neue Gesetz in der Praxis zu handhaben sei. Ausgangspunkt für die insgesamt acht zwischen 1975 und 1981 ausgearbeiteten Erlässe war eine Flut von Anfragen an das Ministerium, die vor dem Hintergrund erfolgten, dass das Gesetz binnen weniger Monate in Kraft treten sollte, die aber auch der Intention entsprachen, das Gesetz zu Fall zu bringen bzw. seine »Schwächen« und »Nichthandhabbarkeit« zu demonstrieren. Um die Vielzahl an Anfragen in den Griff zu bekommen und eine einheitliche Vorgehensweise zu garantieren, gab Firnberg dem Linzer Rechtsprofessor Rudolf Strasser (mit Wolf Frühauf für die Mitarbeit und die Herstellung der Verbindung zum Ministerium) daher den Auftrag, Durchführungserlässe zu verfassen. Später kam es zur Bildung der sogenannten »UOG-Kommission« unter dem formalen Vorsitz des Leiters der Hochschulsektion Walter Brunner, der neben Strasser und Frühauf auch Lothar Matzenauer sowie Iris Hornig angehörten, um die eingehenden Anfragen zu beantworten.622 Rudolf Strasser war bereits Mitglied des von Theodor Piffl-Percˇevic´ eingesetzten Rats für Hochschulfragen gewesen, hatte 1968 zusammen mit Raoul Kneucker und Hans Tuppy einen Entwurf für ein neues Hochschul-Organisationgesetz vorgelegt623 und am Hochschulprogramm der SPÖ aus dem Jahr 1969 mitgewirkt. In die von Firnberg bis 1975 gemachten Schritte in der Hochschulreform war er jedoch nicht eingebunden gewesen, da er sich mit den anfangs sehr weit gefassten Reformideen nicht identifizieren konnte. An der Linzer Hochschule hatte er bereits in den 1960er-Jahren wiederholt die Kritik der rebellierenden Studierenden auf sich gezogen.624 Nun wurde Strasser, an dem in der SPÖ 618 Erste UOG-Bilanz zufriedenstellend, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 7. 1976; Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, 98; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 619 Sascha Ferz, Ewige Universitätsreform, Frankfurt/Main 2000, 489; Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, 66. 620 VP-Beschwerde traf VP-Gesetz, in: Arbeiter-Zeitung, 28. 2. 1975. 621 Ferz, Ewige Universitätsreform, 489. 622 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 9. 6. 2021. 623 Raoul Kneucker / Rudolf Strasser / Hans Tuppy, Die Universität als autonomes Lehr- und Forschungsunternehmen. Ein Modellentwurf, Wien 1968. 624 Vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlich: Michael John, »1968« und die Folgen – Aufbruch, Unruhe und Veränderungen im Alltag der Universität, in: Maria Wirth / Andreas
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niemand in Fragen der Hochschulpolitik vorbeikam, da er einer der wenigen sozialdemokratischen Expert*innen auf diesem Gebiet war, aber zu einem wichtigen Berater für Firnberg. So war er nicht nur an führender Stelle in die Ausarbeitung der Durchführungserlässe, sondern auch in die Schaffung einer ersten Novelle zum Universitäts-Organisationsgesetz 1978 eingebunden. 1979 wurde er dann auch mit der Leitung eines von Firnberg initiierten Forschungsinstituts für Universitätsrecht an der Linzer Universität betraut.625 Die Durchführung des Universitäts-Organisationsgesetzes beschäftigte Firnberg somit ihre gesamte restliche Amtszeit als Wissenschaftsministerin. Das Verhältnis zu den Professoren, das in den Medien oftmals kommentiert wurde,626 blieb ambivalent und oszillierte zwischen einer weiter bestehenden Ablehnung und zunehmendem Respekt. So gab es eine Gruppe, die ihr das neue Organisationsgesetz »nie verziehen« hat und eine andere Gruppe, die sich damit zu arrangieren wusste. Desgleichen kam es auch vor, dass die Professoren zu Terminen mit Firnberg Blumensträuße mit ins Ministerium brachten und von Firnberg kleine Präsente erhielten.627 Für die Professoren waren die Treffen aber auch mit dem Bangen verbunden, wie sie verlaufen würden, da Firnberg eine durchaus gefürchtete Meisterin der Gesprächsführung war.628 Hertha Firnberg selbst bezeichnete die Debatte um das Universitäts-Organisationsrecht retrospektiv als eine »recht heiße und harte Zeit«629 und wertete sie als ein Zeichen dafür, dass sich autoritäre Strukturen an den Hochschulen besonders lange und hartnäckig gehalten hatten. Auf die Frage, was besser oder anders thematisiert hätte werden müssen, führte sie Anfang der 1990er-Jahre die Frage der Mitbestimmung an, die vielleicht stärker hätte differenziert werden sollen. Gleichzeitig favorisierte sie aber den ursprünglichen Entwurf als denjenigen, mit dem sie sich am meisten identifizieren konnte und betonte, dass mit verschiedenen Rücknahmen, besonders im Bereich der Quoten der Mitbestimmung, letztlich dann doch »die richtige Mitte« gefunden worden sei.630 Die Studienreform bzw. die weitere Umsetzung des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes aus dem Jahr 1966 mit seinem mehrstufigen System aus Studiengesetzen, -ordnungen und -plänen zog sich u. a. mit neuen Studienge-
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Reichl / Marcus Gräser (Hg.), 50 Jahre Johannes Kepler Universität Linz. Innovationsfelder in Forschung, Lehre und universitärem Alltag, Wien/Köln/Weimar 2017, 299–326. Rudolf Strasser, Jurist in bewegten Jahren. Erinnerungen, Wien 2007, 183–190. »Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985. Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. Firnberg, Österreich zuliebe, 140. Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 94 und 110.
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setzen für geistes- und naturwissenschaftliche Studienrichtungen, die Medizin oder die Rechtswissenschaften über die gesamten 1970er-Jahre hin. Zudem wurde ein neues Kunsthochschulstudiengensetz beschlossen, und auch das Allgemeine Hochschulstudiengesetz wurde mehrfach novelliert. Eine grundlegende Reform fand jedoch nicht statt, nachdem sich das Allgemeine Hochschulstudiengesetz noch in der Umsetzungsphase befand. Diese folgte erst mit dem Universitäts-Studiengesetz 1997, das den Gestaltungsspielraum der Universitäten erhöhte und nur mehr zwei Stufen vorsah: das Universitäts-Studiengesetz selbst und die Studienpläne, die die Universitäten in autonomer Gestaltung erlassen konnten – wenn diese vor dem Inkrafttreten auch noch dem Ministerium vorgelegt werden mussten.631 Das neue Universitätsgesetz 2002, auf das später noch einzugehen sein wird, gab den Universitäten schließlich die Curricularfreiheit.632 Was den dritten Punkt der angekündigten Gesamtreform der Universitäten, den Bereich des Dienstrechts betrifft, erfolgte bereits 1972 eine wichtige Neuerung mit der Einführung des außerordentlichen Professors neuen Typs,633 die auf Beratungen in der Parlamentarischen Hochschulkommission zurückging.634 Seine Etablierung sollte vor dem Hintergrund der steigenden Studierendenzahlen einerseits dazu beitragen, dem Mittelbau Aufstiegschancen zu ermöglichen. Andererseits sollte die Einführung des außerordentlichen Professors neuen Typs dazu dienen, den Brain Drain zu stoppen,635 der für Firnberg besonders zu Beginn ihrer Regierungstätigkeit ein wichtiges Thema war636 und dies insofern über die Jahre blieb, als sie in ihren Leistungsbilanzen wiederholt anführte, zu wie vielen Rückberufungen es gekommen war.637 Mit dem Beschluss des neuen Universitäts-Organisationsgesetzes wurden dann gewisse Besserstel631 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 484; Hans-Joachim Bodenhöfer, Bildungspolitik, in: Herbert Dachs / Peter Gerlich / Herbert Gottweis / Volkmar Lauber / Wolfgang C. Müller / Emmerich Tálos (Hg.), Politik in Österreich. Das Handbuch, Wien 2006, 657; Bundesgesetz über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz – UniStG), BGBl. 48/1997. 632 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 489. 633 Vgl.: Bundesgesetz vom 5. Juli 1972, mit dem das Hochschul-Organisationsgesetz geändert wird, BGBl. 276/1972. 634 Vgl. hierzu: StPBR, 309. Sitzung vom 23. 3. 1972, 8666–8688 sowie StPNR, XIII. GP, 36. Sitzung vom 5. 7. 1972, 2942–2956. 635 Vgl. hierzu auch die entsprechende Regierungsvorlage: StPNR, XIII. GP, 318 der Beilagen. 636 So wurde noch 1970 eine Studie in Auftrag gegeben, die die Gründe für eine Abwanderung erforschen sollte. Vgl.: Warum wandern Österreichs Forscher aus?, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 23. 11. 1970. 637 Vgl. hierzu etwa: Sozialistische Partei Österreichs (Hg.), Wissenschaftspolitik als zentrales gesellschaftliches Anliegen. Das 1970 errichtete Ministerium stellt die Weichen für die Zukunft unseres Landes, Wien 1975, 12f.; Seit 1970 wurden 1.160 Professoren ernannt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 24. 5. 1976.
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lungen für die Assistent*innen vorgenommen und der außerordentliche Professor neuen Typs, der im Wesentlichen als Laufbahnstelle konzipiert war, in dieses aufgenommen.638 Gleichfalls wurden (basierend auf den Beratungen in der Parlamentarischen Hochschulkommission) Regelungen über die öffentliche Ausschreibung von universitären Stellen in das neue Universitäts-Organisationsgesetz aufgenommen, nachdem diese erstmals 1970 im Gesetz zur Gründung der Hochschule für Bildungswissenschaften in Klagenfurt639 sowie der Novelle zum Hochschul-Organisationsgesetz 1972 festgeschrieben worden waren640 und 1974 ein Ausschreibungsgesetz für den Bund verabschiedet worden war.641 Ein neues Hochschullehrerdienstrecht, das immer wieder als wichtige Begleitmaßnahme zum Universitäts-Organisationsgesetz gefordert und in den 1960er-Jahren als zweiter Schritt in der Hochschulreform nach dem neuen Studienrecht geplant gewesen war, folgte jedoch erst 1988.642 Vom Wissenschaftsministerium war zwar bereits 1974 ein Entwurf ausgearbeitet und in Begutachtung gegeben worden,643 dann aber hatte das Bundeskanzleramt – zuständig für allgemeine Personalangelegenheiten des öffentlichen Dienstes – seine alleinige Kompetenz erklärt.644 Die Folge war ein Stocken der Reform, bei der vor allem die sozialen Absicherungsbedürfnisse des akademischen Mittelbaus einen Streitpunkt darstellten.645 Diese wurden schlussendlich auch durchgesetzt,646 was 638 Mit der Aufnahme des außerordentlichen Professors neuen Typs in das Universitäts-Organisationsgesetz wurden die außerordentlichen Professoren alten Typs organisationsrechtlich den Ordinarien gleichstellt und der alte Extraordinarientyp abgeschafft. Für die Assistent*innen brachte das Gesetz insofern eine Besserstellung, als deren Weiterbestellung nun in die Zuständigkeit der Personalkommissionen an den Universitäten fiel und ihnen im Verfahren jetzt Parteistellung zukam. Bei unveränderter Dienstrechtslage wurde die Vertragsverlängerung erleichtert und vom Ausnahmefall zum Regelfall. Vgl.: Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 478. 639 Bundesgesetz vom 21. Jänner 1970 über die Gründung der Hochschule für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, BGBl. 48/1970. 640 Vgl.: Bundesgesetz vom 5. Juli 1972, mit dem das Hochschul-Organisationsgesetz geändert wird, BGBl. 276/1972. 641 Bundesgesetz vom 7. November 1974, mit dem Bestimmungen über die Ausschreibung bestimmter leitender Funktionen getroffen werden, BGBl. 700/1974. 642 Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 34. 643 Rechte und Pflichten des Hochschullehrers, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 8. 3. 1974. 644 Hochschullehrer brauchen Dienstrecht, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 6. 1974. 645 Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 34. 646 Das Hochschullehrerdienstrecht 1988 stellte einen Schritt in Richtung Laufbahnstelle für Assistent*innen dar. Einem zeitlich befristeten Dienstverhältnis konnte im Falle des Bedarfs ein provisorisch definitives und schließlich bei positivem Ergebnis eines Begutachtungsverfahrens (auch ohne Habilitation) ein definitives Dienstverhältnis folgen, worüber das Ministerium entschied. Dies bedeutete, da keine Quoten für Fluktuationsstellen festgelegt wurden, für die im System befindlichen Assistent*innen eine Art Karriereautomatismus,
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Firnberg Anfang der 1990er-Jahre damit kommentierte, dass der Mittelbau bei ihr nie eine Art »pragmatisiertes Dienstverhältnis« erhalten hätte.647 Generell war der in den 1970er-Jahren stark anwachsende Mittelbau für Firnberg jene Personengruppe, die bei einer »Durchlüftung der Universitäten« eine tragende Rolle spielen sollte, womit sie mehr auf die nachkommende Generation als auf die etablierten und neu zu berufenden Professor*innen setzte.648 Für sie war der Mittelbau jener Kreis, von dem sie sich wissenschaftliche Innovationen und inhaltliche Erneuerung erwartete, und der – gestützt auf die neuen Mitbestimmungsmöglichkeiten – ebenso dazu beitragen sollte, die Dominanz des konservativen Elements an den Universitäten zu brechen. Letztendlich wurde er für Firnberg aber zu jener Gruppe, die sie als »Enttäuschung ihres Lebens« bezeichnete, da er seine Standesinteressen vor die Interessen von Wissenschaft und Forschung gestellt habe bzw. diese für ihn sekundär geworden seien.649 Dass sich ein »Funktionärs-Mittelbau« in Folge des Universitäts-Organisationsgesetzes herausgebildet habe, gehörte zu den oftmals vorgebrachten Kritikpunkten am neuen Universitätsrecht.650
6.4.2. Öffnung der Universitäten, Entwicklung des Hochschulbudgets und die Diskussion um die »Massenuniversität« Um eine weitere Öffnung der Hochschulen für alle Bildungswilligen und Begabten zu ermöglichen bzw. die von Hertha Firnberg so bezeichnete »äußere Demokratisierung« der Universitäten zu forcieren, wurden 1972 die Hochschultaxen an den wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen abgeschafft.651 Die Basis dafür stellte ein von der SPÖ eingebrachter und von allen Parteien unterstützter Entschließungsantrag des Nationalrats dar, mit dem die Bundesregierung am 19. Dezember 1970 aufgefordert wurde, einen Gesetzes-
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während für die jüngeren Kohorten des akademischen Nachwuchses der Zutritt zu einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis immer schwieriger wurde. Vgl.: Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 479. Rögl, Die Rekonstruktion der Weichenstellungen, 85. Vgl. hierzu: Firnberg, Demokratisierung von Wissenschaft und Forschung, 5f. »Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. Dies waren: Aufwandsbeitrag, Kollegiengeld; Prüfungstaxen für Wiederholungsprüfungen; Taxen für die Verleihung akademischer Grade; Taxen für die Benützung von Laboratorien, Instituten, Kliniken, Seminaren, Proseminaren und Bibliotheken; Taxen für die Ausstellung von Zeugnissen und Bestätigungen sowie die Überlassung von Druckkosten; Taxen für die Aufnahme als ordentlicher Hörer (Matrikeltaxen) und Inskriptionstaxen für außerordentliche Hörer und Gasthörer.
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entwurf für die Abschaffung der Hochschultaxen vorzubereiten.652 Motiviert war dieser – wie aus der entsprechenden Regierungsvorlage hervorgeht – durch »grundsätzliche bildungspolitische Erwägungen«, aber auch durch den großen Verwaltungsaufwand, der mit der Einhebung der Hochschultaxen verbunden war, da eine Vielzahl unterschiedlicher Taxen bestand. Hinzu kam, dass die Studiengebühren seit dem Jahr 1953 nicht mehr erhöht worden waren und die anfallenden Kosten keineswegs abdeckten, weshalb die Politik nun vor der Entscheidung stand, die Gebühren zu erhöhen oder abzuschaffen.653 Die Entscheidung fiel in einem großen politischen Konsens auf die zweite Möglichkeit, die in weiterer Folge am 15. Februar 1972 mit den Stimmen aller Parlamentsparteien beschlossen wurde. Damit war der Hochschulzugang für Studierende aus Österreich frei. Zudem wurden die Hochschultaxen für Studierende aus dem Ausland unter gewissen Bedingungen – darunter, wenn sie aus einem Entwicklungsland stammten – erlassen, wobei die Frage, wie mit den ausländischen Studierenden umzugehen sei, bei den parlamentarischen Verhandlungen einen nicht unwesentlichen Punkt dargestellt hatte.654 Wie Heinz Fischer in der Nationalratsdebatte vom 25. Februar 1972 und Hertha Firnberg am selben Tag im Bundesrat ausführten, wurde damit ein letzter Schritt in der Schaffung eines kostenlosen öffentlichen Bildungssystems gesetzt, nachdem bereits 1955 und 1962 die Schulgeldfreiheit an allen öffentlichen Pflichtschulen sowie allen öffentlichen Schulen überhaupt festgeschrieben worden war. Die besondere Bedeutung dieser Maßnahme lag für Firnberg, die bereits seit langem für die kostenfreie Bildung auf allen Ebenen eingetreten war, darin, dass mit der Abschaffung der Hochschultaxen nicht nur finanzielle, sondern auch sozialpsychologische Barrieren abgebaut werden sollten.655 Weitere Schritte, die im Hochschulbereich gesetzt wurden, um bestehende soziale und regionale Benachteiligungen zu minimieren und an entsprechende Unterstützungen im Schulbereich (freie Schulfreifahrt, kostenlose Schulbücher, Schülerbeihilfen) anzuschließen, waren verstärkte Förderungen von Studentenheimen und -mensen.656 Zudem wurden die Stipendien ausgebaut, nachdem bereits 1963 ein gesetzlicher Anspruch auf eine staatliche Studienbeihilfe eta652 StPNR, XII. GP, 29. Sitzung vom 18./19. 12. 1970, 2490. 653 StPNR, XII. GP, 137 der Beilagen. 654 Bundesgesetz vom 15. Feber 1972 über die an wissenschaftlichen Hochschulen, Kunsthochschulen und der Akademie der bildenden Künste in Wien zu entrichtenden Taxen (Hochschul-Taxengesetz 1972), BGBl. 76/1972. 655 Vgl. zu den Debatten im National- und Bundesrat: StPNR, XIII. GP, 24. Sitzung vom 15. 2. 1972, 1821–1832; StPBR, 308. Sitzung vom 25. 2. 1972, 8606–8617. 656 1970 standen ca. 10.000 Heimplätze zur Verfügung, am Ende der Amtszeit von Hertha Firnberg waren es ca. 16.500. Vgl.: Bruno Kreisky Archiv, IX. 47 Depositum Wolf Frühauf/ Hertha Firnberg, Box 2, Manuskript: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Maßnahmen und Leistungen 1970–1983, 9.
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bliert und mit dem Studienförderungsgesetz 1969 erweitert worden war. So wurden im Rahmen mehrerer Novellierungen des Studienförderungsgesetzes einerseits der Kreis der Anspruchsberechtigten und die Höhe der Studienbeihilfe angehoben. Andererseits wurde das Angebot spezifiziert, indem es etwa ab Mitte der 1970er-Jahre außerordentliche Studienunterstützungen gab, die in Einzelfällen gesetzliche Härten ausgleichen sollten.657 Hinzu kamen die Einführung der Sozialversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung für Studierende658 sowie die Freifahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln – wie es auch bei den Schüler*innen der Fall war.659 Ein wichtiger Schritt, um jenen das Studium zu ermöglichen, die über keine Matura verfügten, wurde 1976 mit der Einführung der Studienberechtigungsprüfung inklusive ihr vorausgehender Vorbereitungslehrgänge gesetzt. Wesentlich war hierfür, dass die Herstellung von Chancengleichheit für Firnberg nicht nur die Ermöglichung gleicher Chancen für alle sozialen Schichten, für Buben und Mädchen sowie für Stadt- und Landkinder bedeutete, sondern dass sie auch jene Menschen umfassen musste, die keine Gelegenheit hatten, eine Matura abzulegen.660 Der konkrete Ausgangspunkt für die Reform war, dass zwar seit 1945 die Möglichkeit zur Ablegung einer Berufsreifeprüfung bestanden hatte, von dieser in der Praxis aber kaum Gebrauch gemacht worden war.661 Gründe hierfür waren Hürden – wie der erforderliche Nachweis, dass die berufliche Tätigkeit mit der angestrebten Studienrichtung verwandt sein müsse, oder die geforderte Vorlage eines Gelehrtengutachtens, das den Bewerber*innen gute Leistungen auf ihren Gebieten attestierte – sowie die Unbestimmtheit des Prüfungsstoffes und eine mangelnde Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung. Um dem entgegenzuwirken, wurden die genannten Barrieren abgebaut und zehnmonatige Vorbereitungslehrgänge eingeführt, die der Studienberechtigungsprüfung vorausgehen sollten. Installiert wurde das neue System, um Erfahrungen sammeln zu können, zunächst jedoch nur probehalber neben der
657 Marinovic, Vom Fördern und Fordern, 205f. 658 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Materialien zur sozialen Lage der Studenten in Österreich. Amtliche Statistik und Ergebnisse von sozialwissenschaftlichen Untersuchungen, Wien 1975; Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Materialien zur sozialen Lage der Studierenden II, Wien 1983. 659 Otto Penz, Zur ökonomischen, politischen und sozialen Regulation der Kreisky Ära, in: Wolfgang Maderthaner / Siegried Mattl / Lutz Musner / Ders., Die Ära Kreisky und ihre Folgen. Fordismus und Postfordismus in Österreich, Wien 2007, 92. 660 Vgl. hierzu etwa: Hochschulen sind keine Bildungsghettos, in: Arbeit & Wirtschaft 7/8 (1975) 38–39. 661 Vor 1945 hatten die Nationalsozialisten bereits die »Begabtenprüfung« eingeführt, um Personen »deutschen oder artverwandten Blutes« ohne Reifeprüfung ein Studium zu ermöglichen. Vgl.: Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 328 und 350.
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bereits existierenden Berufsreifeprüfung.662 Mit dem Studienberechtigungsgesetz 1985 wurde schließlich eine neue gesetzliche Regelung geschaffen, die Elemente aus beiden Wegen zur Studienberechtigung vereinte, da die Berufsreifeprüfung durch die Diskussion über die Studienberechtigungsprüfung eine neue Beachtung und Unterstützung (durch Kurse etc.) gefunden hatte.663 Eine Diskussion, die ebenfalls stark, aber nicht ausschließlich mit der Intention verbunden war, mehr Menschen den Zugang zur Hochschule zu ermöglichen, war jene über Fernstudien. Deren Einsatz beschäftigte zu jener Zeit viele Staaten, wobei insbesondere die 1969 eröffnete Open University in Großbritannien und die 1974 in Nordrhein-Westfahlen gegründete Fernuniversität Hagen über die Landesgrenzen wahrgenommen wurden. Erste Sondierungen, wie die Möglichkeiten eines Fernstudiums in Österreich umgesetzt werden können, reichen bis in die frühen 1970er-Jahre zurück.664 1974 wurde im Wissenschaftsministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein Konzept zum Thema Fernstudien vorlegen sollte, wobei als angestrebte Ziele eine Entlastung der Massenstudienfächer, vor allem aber ein leichterer Zugang zu den Hochschulen genannt wurde: Auch im »entlegensten Winkel« sollte es allen möglich sein, Hörer*in einer Universität zu werden ohne den Heimatort verlassen zu müssen.665 Dass in Österreich keine eigene Fernuniversität gegründet werden sollte, stand relativ bald fest. Die konkreten Einsatzmöglichkeiten von Fernstudien mussten jedoch erst geprüft werden und verbanden sich relativ bald mit der Intention, diese im Rahmen von Vorbereitungskursen für ein Hochschulstudium einzusetzen. Hinzu kamen weitere Einsatzgebiete, die ventiliert wurden, wie die Schaffung zusätzlicher Studienmöglichkeiten, der Einsatz in »Massenfächern« oder die postuniversitäre Weiterbildung. Generell sollten sich die Fernstudien – wie Firnberg mehrfach ausführte – insbesondere an Berufstätige richten.666 Wichtige konkrete Schritte, die in den kommenden Jahren zu einem tatsächlichen Einsatz des Fernstudiums führten, waren 1979 die Etablierung des Interuniversitären Forschungsinstituts für Fernstudien an der Universität für 662 StPNR, XIV. GP, 22 der Beilagen; Bundesgesetz vom 7. Oktober 1976 über die Vorbereitungslehrgänge für die Studienberechtigungsprüfung, BGBl. 603/1976; Auch Nichtmaturanten an Uni, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 8. 10. 1976. 663 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 532. 664 Österreicher studieren »Open University«, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 25. 5. 1972. 665 Als »Heimstudenten« zum Doktorat, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 24. 6. 1974; Keine Fernuniversität geplant, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung/Spektrum, 1. 4. 1977. 666 »Open University« nicht in Diskussion, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 1. 1975; Fernuniversität wird überlegt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 29. 9. 1975; Keine Fernuniversität geplant, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung/Spektrum, 1. 4. 1977; Keine Fernuniversität in Österreich, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 16. 9. 1977.
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Bildungswissenschaften in Klagenfurt und dessen Beauftragung mit der Entwicklung und Erprobung von Fernstudienprogrammen sowie 1980 eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit mit der Fernuniversität Hagen. Ab 1981 wurden in mehreren Bundesländern Studienzentren eingerichtet, die organisatorisch Einheiten des Klagenfurter Instituts waren und die – wie Firnberg bei der Eröffnung des Bregenzer Zentrums 1981 ausführte667 – folgende Aufgaben zu erfüllen hatten: die Betreuung der österreichischen Studierenden an der Fernuniversität in Hagen, die Abhaltung von Vorbereitungslehrgängen für die Berufsreifeprüfung und Studienberechtigungsprüfung sowie von Kursen in der Weiterbildung.668 Die Hauptzielgruppe blieben somit – wie es Firnberg bereits in früheren Jahren ausgeführt hatte – berufstätige Studierwillige. Eine weitere Gruppe, die Firnberg in ihrem Bestreben ansprach, die Universität für immer weitere Bevölkerungsteile zu öffnen, waren schließlich »Personen reifen Alters«. An diese wandte sie sich in ihren letzten Jahren als Wissenschaftsministerin, indem sie das sogenannte »Seniorenstudium« propagierte bzw. ältere Personen aufforderte, als außerordentliche Studierende (ohne formalen Abschluss) das Lehrangebot der Hochschulen wahrzunehmen.669 Als Ergebnis all dieser Entwicklungen – vor allem aber dem Ausbau der Schulen – stieg die Studierendenzahl weiter an. Nachdem bereits 1969/1970 allein an den wissenschaftlichen Hochschulen über 50.000 Hörer*innen studierten, waren es (wiederum nur an den wissenschaftlichen Hochschulen) 1971/1972 60.000 und 1974/1975 fast 75.000 Studierende, 1979/80 bereits über 100.000 und 1983/1984 über 140.000 Hörer*innen, zu denen noch rund 5.000 bis 7.000 Studierende an den künstlerischen Hochschulen hinzukamen.670 Die Anzahl der Studierenden verdreifachte sich zwischen 1970 und 1983 somit beinahe und übertraf damit sämtliche Prognosen oder Bedarfsschätzungen aus den 1960er-
667 Vgl. hierzu ausführlich: Ingrid Böhler, Keine Universität für Vorarlberg. Eine regionale Hochschuldebatte in den 1970er-Jahren, in: Maria Wirth (Hg.), Neue Universitäten. Österreich und Deutschland in den 1960er- und 1970er-Jahren (zeitgeschichte Sonderband 1), Göttingen 2020, 127–145. 668 Fernstudium nun offiziell, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 27. 3. 1981. 669 Referat für Generationenfragen der ÖH Graz, Das Seniorenstudium und seine Hintergründe, URL: https://generationen.oehunigraz.at/ueber-uns/das-seniorenstudium-und-sei ne-hintergruende/ (abgerufen: 27. 8. 2021); Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 532; Hertha Firnberg, Studieren in Österreich. Ein Leitfaden für den Universitäts- und Hochschulbesuch, Wien 1981, 50f. 670 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1972, Band 1, Wien 1972, 15 und 276; Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1975, Wien 1975, 8 und 164; Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1981, Wien 1981, 53 und 144; Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1984, Wien 1984, 125 und 198.
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Jahren.671 Sie überschritt aber auch Einschätzungen späterer Jahre672 – sind doch auch Aussagen von Hertha Firnberg aus der Mitte des Jahrzehnts dokumentiert, wonach nun der Zenit überschritten sei673 –, was das Hochschulsystem vor immer größere Herausforderungen stellte.
Abb. 14: Hertha Firnberg bei der Grundsteinlegung zum neuen Universitätsgebäude in der Althanstraße 1975
Nachdem in den späten 1960er-Jahren das Hochschulbudget langsam zu steigen begann (von 1960 bis 1965 von 1,2 auf 1,8 Prozent am Bundeshaushalt) und die Bautätigkeit aufgrund großer Raumlücken zuzunehmen begann, kam es besonders in den frühen 1970er-Jahren zu einer enormen Expansion. Das Hochschulbudget stieg bis 1975 auf 2,7 Prozent am Bundeshaushalt an und lag ab dann bis 1985 im Wesentlichen bei rund 2,8 Prozent am Bundeshaushalt.674 Der universitäre Raum wuchs von rund 450.000 m2 im Jahr 1970 auf rund 850.000 m2 Mitte der 1980er-Jahre an.675 Die den Universitäten zur Verfügung stehende
671 Vgl. hierzu: Die Studentenlawine rollt bereits, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 7. 1. 1971. 672 Vgl. hierzu etwa folgenden Beitrag, in dem mit Bezug auf Firnberg von 70.–80.000 Studierenden im Jahr 1980 die Rede war: Drittelparität bleibt Streitpunkt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 16. 10. 1973. 673 Studentenboom ebbt ab, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 11. 12. 1974. 674 Schübl, Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 49. 675 Schübl, Hochschulbau, 49.
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Fläche verdoppelte sich zwischen 1970 und 1985 somit beinahe, wobei es mit Ausnahme der Transformierung der Kunstschule der Stadt Linz in eine Hochschule 1973 zwar zu keiner Neugründung kam,676 aber u. a. die noch unter Alois Mock gesetzlich errichtete Hochschule in Klagenfurt oder das Universitätszentrum Althanstraße in Wien aufgebaut wurden.677 Eine Verdreifachung wie bei der Anzahl der Studierenden gab es im Bereich des Hochschulraums jedoch nicht. Noch schwieriger war ein Mithalten mit dem Anstieg der Studierenden im Bereich des Personals. Hier kam es zwar zu einer massiven Aufstockung der Planstellen, vor allem einer Erhöhung der Assistentenstellen, einem Ausbau des außerordentlichen Professors neuen Typs und der Vergabe von immer mehr Lehraufträgen an Nichthabilitierte, was im Hochschulbericht 1984 wie folgt wiedergegeben wurde: Anstieg bei den o. Professuren von 1970 bis 1983 von 806 auf 1.134 Planstellen, bei den ao. Prof. von 100 auf 560 Planstellen, bei den Universitäts- und Vertragsassistent*innen von 3.653 auf 4.952,5 Planstellen und bei den Bundes-, Vertragslehrer*innen, Beamt*innen, Vertragsbediensteten des wissenschaftlichen Dienstes von 317 auf 753 Planstellen.678 Im Vergleich zur steigenden Studierendenzahl blieb jedoch im Bereich des wissenschaftlichen Personals deutlich Luft nach oben,679 was auch Hertha Firnberg retrospektiv einräumte.680 Die »Massenuniversität« und ihre Herausforderungen wurden damit zu einem Thema, das Hertha Firnberg ihre gesamte Amtszeit als Wissenschaftsministerin begleitete, wenn es diese genau genommen auch nicht an allen Hochschulstandorten und nur in bestimmten Studienrichtungen gab.681 Eine ernsthafte Diskussion über Zugangsbeschränkungen oder einen Numerus Clausus, wie er in anderen Ländern eingeführt wurde, wollte sie jedoch erst gar nicht aufkommen lassen. Sie betrachtete das Recht auf Bildung als ein Menschenrecht und erklärte, dass von Zugangsbeschränkungen jeglicher Art in erster Linie jene betroffen wären, die sie verstärkt an die Universitäten holen wollte.682 Hinsichtlich überfüllter Lehrveranstaltungen wäre es ihr – wie sie 1989 in einem Interview 676 Vgl. hierzu: Hanns Kreczi, Von der Kunstschule der Stadt Linz zur Hochschule für Gestaltung, Linz 1973. 677 Vgl. hierzu: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbauten in Österreich 1970–1982, Wien 1982. 678 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1984, Wien 1985, 67. 679 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 533. 680 »Was ich mir vorgenommen habe, hab’ ich alles durchgezogen.«, in: Uni Aktuell, Herbst 1989. 681 Engelbrecht, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Band 5, 533; Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 19. 3. 2021. 682 Vgl. etwa: Leistung statt Numerus clausus, in: Arbeiter-Zeitung, 26. 4. 1973 oder Sozialistische Partei Österreichs, Wissenschaftspolitik als zentrales gesellschaftliches Anliegen, 40f.
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mit dem Studentenmagazin »Uni Aktuell« aussagte – lieber gewesen, dass es »mehr Studenten ein wenig schwieriger haben«, als weniger Studierenden ein bisschen einfacher.683 Während andere Minister in der Regierung Kreisky – wie Josef Staribacher – durchaus für Warnungen vor einem drohenden »Akademikerüberschuss« empfänglich waren,684 war es vor allem Firnberg, die den offenen Hochschulgang verteidige und für die Abwehr von Zugangsbeschränkungen eintrat – wie sie schließlich auch in den Regierungserklärungen 1975 und 1979 und im SPÖ-Parteiprogramm 1978 angesprochen wurde.685 In der Praxis wurden sie jedoch zumindest insofern Realität, als sie für ausländische Studierende in einzelnen Fächern (wie Medizin, Pharmazie oder Architektur) galten.686 Weitere Maßnahmen, die gesetzt wurden, um auf den Ansturm der Studierenden zu reagieren, waren die Forcierung von berufsbildenden höheren Schulen oder der Ausbau von Schul- und Studienberatungen.687 Als gegen Ende des Jahrzehnts dann die Arbeitslosigkeit unter Akademiker*innen zu einem Thema wurde, die damals im Vergleich zu späteren Zeiten jedoch noch gering war und im Juni 1982 etwa 725 Personen betraf,688 nahm Firnberg eine Entkoppelung von Studium und Berufstätigkeit vor. So betonte sie, dass es ein Menschenrecht auf Bildung und ein Menschrecht auf Arbeit gäbe, aber nirgendwo geschrieben stehe, dass es ein Recht darauf gäbe, in dem Gebiet zu arbeiten, für das man ausgebildet worden sei. Ein Studium sollte nicht nur vor dem Hintergrund seiner (ökonomischen) Verwendbarkeit bzw. gekoppelt an eine spätere Berufstätigkeit gesehen werden,
683 »Was ich mir vorgenommen habe, hab’ ich alles durchgezogen.«, in: Uni Aktuell, Herbst 1989. 684 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Einträge vom 6. 9. 1971 (Seite 07–0976), 11. 1. 1973 (Seite 14–0025), 31. 10. 1975 (Seite 28– 1251), 8. 1. 1976 (Seite 29–0020), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.html (abgerufen: 12. 2. 2021). 685 StPNR, XIV. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1975, 33; StPNR, XV. GP, 2. Sitzung vom 19. 6. 1979, 28; Das neue Parteiprogramm. Beschlossen vom Bundesparteitag der SPÖ am 20. 5. 1978, in: Neugebauer, Modelle für die Zukunft, 101. 686 Die Zulassung ausländischer Studienwerber*innen fiel in den autonomen Wirkungsbereich der Universitäten, wobei die generelle Richtlinie hierfür im Allgemeinen Hochschulstudiengesetz festgelegt wurde. Bei den Zugangsbeschränkungen hielt man sich an die Regel »Wer im Heimatland nicht studieren darf, darf auch in Österreich nicht studieren.« Vgl.: Schübl, Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 39 sowie Weniger ausländische Studenten, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 14. 1. 1971; Nur wenige Plätze für Ausländer, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 1. 8. 1974; Neue Bedingungen für Auslandsstudenten, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 2. 1975; Ausländer-Studienstopp prolongiert, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 1. 8. 1980. 687 Schübl, Der Universitätsbau in der Zweiten Republik, 39. 688 725 Akademiker suchen Arbeit, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 15. 6. 1982.
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es sei vielmehr etwas, das die Lebensqualität eines Menschen ganz grundsätzlich erhöht.689 »Bildungspolitik ist auf Öffnung des Studiums für alle Bildungswilligen und Begabten – auf die optimale Verwirklichung eines Menschenrechtes auf Bildung – gerichtet. Sozialistische Beschäftigungspolitik ist auf die Verwirklichung des Menschenrechtes auf Arbeit gerichtet, nicht aber auf die Einlösung traditioneller Status-Ansprüche (etwa gehobener Leitungsposten!) auf Grund bloß formaler Vorbildung. Sozialistische Bildungspolitik bedeutet eine vollständig veränderte Einstellung zu Bildung, Ausbildung, Bildungsniveau: Bildung ist Selbstwert, als Teil der Lebensqualität.«690
»Gebildet zu werden, mehr zu haben von dem ganzen intellektuellen und kulturellem Gut, das eine Gesellschaft in Jahrhunderten aufgetürmt hat«, war für Firnberg ein Wert, für den sie stets eintrat.691 Mit zunehmenden Druck verwies sie aber auch stärker darauf, dass man sich die Studienwahl gut überlegen solle, da in bestimmten Studienrichtungen eine »Sättigung« eingetreten sei.692
6.4.3. Frauen an den Universitäten Zu den Zielgruppen, die Firnberg besonders bei der Öffnung der Hochschulen vor Augen hatte, zählten Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien sowie Mädchen bzw. junge Frauen. Und so waren dies auch jene Bevölkerungsgruppen, in denen sie die Entwicklung besonders genau verfolgte und wiederholt in ihren Beiträgen und Leistungsberichten hervorhob.693 Hiernach kam es sowohl bei den Arbeiter- und Bauernkindern an den österreichischen Hochschulen zu einer Steigerung – wenngleich diese auch nicht in jener Höhe ausfiel wie erhofft694 und es vor allem bei den Mittelschichtskindern (Angestellte, Beamt*innen) Zuwächse gab. Zahlenreihen, die einen Überblick über die Entwicklung der sozialen Her689 Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, 28f.; Hochschulen: Aufnahmeprüfungen lehne ich grundsätzlich ab, in: Die Frau 48 (1976) 10f. 690 Firnberg, Die Rolle des Akademikers in der heutigen Gesellschaft, 11. 691 Erinnerungen. Johannes Kunz im Gespräch mit Dr. Hertha Firnberg, in: ORF-Nachlese 2 (1989) 24. 692 Noch lange keine Akademikerschwemme, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 10. 1981. 693 Vgl. hierzu u. a.: Hertha Firnberg, Vier Jahre erfolgreiche sozialistische Wissenschafts- und Forschungspolitik, 8; Firnberg, Wie sich die Wissenschafts- und Forschungslandschaft Österreichs verändert hat, 4; Österreichs Hochschulen: Mädchen im Vormarsch, in: Die Frau 14 (1974) 29; Hertha Firnberg, Vor dem Gesetz gleichberechtigt, in: Die Frau 1 (1978) 4; Hochschulen: Mädchen bald in der Überzahl, in: Die Frau 21 (1978) 8f. 694 Vgl. etwa: Firnberg, Vier Jahre erfolgreiche sozialistische Wissenschafts- und Forschungspolitik, 8; Firnberg, Wie sich die Wissenschafts- und Forschungslandschaft Österreichs verändert hat, 4.
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kunft der inländischen ordentlichen Erstinskribierten nach Vaterberuf von 1964 bis 2015 geben, machen aber dennoch deutlich, dass in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren mit bis zu 13,7 Prozent Arbeiterkindern und mit bis zu 7,0 Prozent Bauernkindern am meisten Studierende aus diesen Bevölkerungsgruppen zu verzeichnen waren. Im konkreten sah die Entwicklung nach einer rezenten Arbeit von Stefan Lenk bei den Arbeiterkindern wie folgt aus: 1964/65: 6,0 Prozent, 1967/68: 8,0 Prozent, 1971/72: 13,0 Prozent, 1974/75: 10,7 Prozent, 1975/76: 12,0 Prozent, 1977/78: 9,4 Prozent, 1979/80: 13,3 Prozent, 1982/83: 13,7 Prozent. Später ging die Entwicklung zurück. Bei den Bauernkindern gestaltete sie sich so: 1964/65: 3,0 Prozent, 1967/68: 3,0 Prozent, 1971/72: 7,0 Prozent, 1974/75: 5,9 Prozent, 1975/76: 6,0 Prozent, 1977/78: 4,9 Prozent, 1979/80: 6,0 Prozent, 1982/ 83: 5,3 Prozent. Danach ging die Entwicklung ebenfalls zurück.695 Anders verhielt es sich bei den Mädchen. Sie waren jene Gruppe, die am stärksten vom Ausbau der Schulen, von den Schülerfreifahrten, kostenlosen Schulbüchern, Schülerbeihilfen, der Abschaffung der Studientaxen etc. profitierten. Nachdem es bei ihnen einen großen Nachholbedarf gab und die Zahlen bereits in den 1960er-Jahren zu steigen begonnen hatten,696 nahm der Prozentsatz an weiblichen Studierenden in den 1970er-Jahren besonders stark zu. So stieg ihr Anteil unter den Erstinskribierenden an den wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen zwischen 1970 und 1985 von 31,5 auf 50,3 Prozent an; bei den Studierenden allgemein war eine Erhöhung von 25,7 auf 43,1 Prozent zu verzeichnen.697 Hertha Firnberg hatte sich – wie beschrieben – bereits in den Jahren vor 1970 als Statistikerin immer wieder mit der Bildungssituation von Mädchen beschäftigt und darauf hingewiesen, dass diese verbessert werden müsse. Als SPÖFrauenvorsitzende hatte sie ab 1967 unter den SPÖ-Frauen dafür geworben, dass diese ihre Töchter etwas lernen lassen sollen; und auch nach 1970 zeugen mehrere Artikel in »Die Frau« davon, dass ein Bewusstseinsbildungsprozess bei den Eltern von Nöten war, damit ein Mädchen ein Studium ergreifen konnte.698 Wenn 695 Zu berücksichtigen ist bei den genannten Zahlen, dass sowohl der Anteil der Arbeiter als auch der Bauern an der Gesamtbevölkerung im Untersuchungszeitraum kontinuierlich abnahm. Vgl.: Stefan Lenk, Universitäre Bildungsplanung, Erstinskribierte und soziale Herkunft. Eine kritische Analyse von Widersprüchen und Entwicklungslinien in der Zweiten Republik, Univ. Master Arbeit, Wien 2018, 105. 696 Bildungsexplosion erfasst Mädchen, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 23. 7. 1970. 697 Susanne Schandl / Gertraud Seiser, Quantitative Materialien zur Präsenz von Frauen an Österreichs Hochschulen, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 100 Jahre Frauenstudium (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 6), Wien 1997, 55. 698 Vgl. etwa: Frau und Universität, in: Die Frau 23 (1972) 29; Wann soll ein Mädchen studieren, in: Die Frau 38 (1974) 3.
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auch – wie im Frauenbericht 1985 festgehalten wurde – die Hauptstoßrichtung in der Schul- und Hochschulpolitik der 1960er-Jahre und 1970er-Jahre der Beseitigung von regionalen und sozialen Schranken galt699 und Mädchen in der Gesetzgebung (so etwa bei der Abschaffung der Hochschultaxen 1972) nicht explizit angesprochen wurden, waren sie für Firnberg – wie sie auf der Frauenzentralkonferenz 1972 ausführte – inkludiert und eine wichtige Adressat*innengruppe, wenn die sozialistische Regierung von »Mehr Kinder an höhere Schulen« sprach.700 So wie es Firnberg in ihrem Elternhaus mit einer großen Selbstverständlichkeit erfahren hatte, sollten Mädchen alle Bildungswege offenstehen und diese vom Bildungsangebot Gebrauch machen, da für sie die Berufstätigkeit der Frau der zentrale Weg zu ihrer Emanzipation darstellte und hierfür eine gute Ausbildung unerlässlich war.701 Generell war für sie die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt, in der Politik bzw. überhaupt im gesamten öffentlichen und privaten Leben nur über die Bildung möglich. Sie war für Firnberg der »Schlüssel« für alles: »Der Aufstieg der Frauen geht über die Bildung, über nichts anderes.«702 In ihrer Funktion als Frauenvorsitzende machte sie daher die Bildungssituation der Mädchen auch nach 1970 zum Gegenstand einschlägiger Veranstaltungen.703 Gleichfalls gab sie als Wissenschaftsministerin innerhalb der Abteilung für Planung und Statistik auch den Auftrag, auf die »Frauen zu schauen«, womit sie eine erste (noch sehr allgemein formulierte, sektionsübergreifende) Anlaufstelle für ressortspezifische Frauenfragen (bzw. Anschreiben und Probleme aller Art) im Wissenschaftsministerium etablierte.704 Beauftragt wurde damit Anfang der 1970er-Jahre Eva Knollmayer, die zu jenen Frauen zählte, die Firnberg im Ministerium förderte,705 und die sich später zur zentralen Schlüs-
699 Bundeskanzleramt (Hg.), Bericht über die Situation der Frau in Österreich, Heft 2: Bildung, Wien 1985, 18. 700 Firnberg, Die Frau in der Zeit von heute, 10. 701 Ebenda, 9; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019. 702 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen« 168; Österreichs Frauen ziehen gleich, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 3. 4. 1975. 703 Dr. Karl Renner Institut (Hg.), Chancengleichheit. Bessere Schul- und Berufsbildung für unsere Frauen und Mädchen, Wien 1974. 704 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019. 705 Eva Knollmayer hat in einem Artikel über die Frauenförderung im Wissenschaftsministerium festgehalten, dass dies zu Beginn der 1970er-Jahre erfolgt ist. Im Amtskalender wurde der Aufgabenbereich »Ressortspezifische Frauenfragen« erstmals 1980 angeführt. Vgl.: Eva Knollmayer, 40 Jahre Wissenschaftsministerium – Frauen und Universitäten, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970–2010, Wien 2010, 160; Österreichischer Amtskalender 1980/81, Wien 1980, 169.
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selfigur für alle Maßnahmen zur Frauenförderung im Bereich des Wissenschaftsressorts entwickelte.706 Auf viel niedrigerem Niveau schritt die Entwicklung jedoch im Bereich der Habilitationen an den wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen voran. Hier erhöhte sich der Anteil der Frauen zwischen 1970 und 1985 von 4,0 auf 10,3 Prozent. Bei den Universitätsassistent*innen kam es an den wissenschaftlichen und künstlerischen Hochschulen zu einem leichten Anstieg von 12,0 auf 14,5 Prozent, bei den außerordentlichen Professor*innen von 3,2 auf 4,9 Prozent, und bei den ordentlichen Professor*innen war sogar ein Rückschritt von 2,2 auf 1,7 Prozent zu verzeichnen.707 Frauen, die von Firnberg berufen wurden (oder berufen werden konnten), blieben damit die Ausnahme, nachdem mit Berta Karlik (Philosophische Fakultät der Universität Wien) und Clara Zawisch-Ossenitz (Medizinische Fakultät der Universität Graz) erstmals 1956 zwei Frauen eine wirkliche ordentliche Professur in Österreich erhalten hatten708 und die Entwicklung auch in den folgenden Jahren nur langsam vorangegangen war. So dauerte es etwa an der Medizinischen, Juridischen oder Evangelisch-Theologischen Fakultät bis in die 1960er-Jahre bis erstmals eine Frau eine ordentliche Professur erhielt.709 Beispiele für Berufungen, die während der Amtszeit von Hertha Firnberg erfolgten, sind etwa Brigitte Scheer, die 1973 Professorin für Neuere Englische Literatur und Amerikanistik an der Universität Innsbruck wurde,710 Elisabeth Lichtenberger, die 1972 eine Professur für Geographie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien erhielt,711 Erika 706 Vgl. zur Bedeutung von Eva Knollmayer ausführlich: Roberta Schaller-Steidl / Barbara Neuwirth (Hg.), Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung. Konzepte, Strukturen, Praktiken (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 19), Wien 2003. 707 Schandl/Seiser, Quantitative Materialien zur Präsenz von Frauen an Österreichs Hochschulen, 55. 708 Clara Zawisch-Ossenitz war bereits 1949 der Titel einer ordentlichen Professorin verliehen worden. 1956 folgte die Ernennung zur wirklichen ordentlichen Professorin. Vgl.: Alois Kernbauer, Zawisch-Ossenitz, Carla, in: Brigitta Keintzel / Ilse Korotin (Hg.), Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken, Wien/Köln/Weimar 2002, 829– 834. 709 An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien kam es erst 1997 zur ersten Berufung einer Frau auf eine ordentliche Professur. Vgl. Doris Ingrisch, Gender-Dimensionen, in: Katharina Kniefacz / Elisabeth Nemeth / Herbert Posch / Friedrich Stadler (Hg.), Universität – Forschung – Lehre. Themen und Perspektiven im langen 20. Jahrhundert (650 Jahre Universität Wien. Aufbruch ins neue Jahrhundert 1), Göttingen 2015, 344f. 710 Vgl.: Margret Friedrich, Assistentin, ja – Dozentin, nein?, in: Dies. / Dirk Rupnow (Hg.), Geschichte der Universität Innsbruck 1669–2019, Band II: Aspekte der Universitätsgeschichte, Innsbruck 2019, 162 und 172. 711 Elisabeth Lichtenberger war die erste Frau in Österreich, die ein Ordinariat für Geographie innehatte. Vgl.: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Elisabeth Lichtenberger, URL: https://www.oeaw.ac.at/175-jahre/personen/stelen/elisabeth-lichtenberger (abgerufen: 2. 12. 2021).
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Weinzierl, die 1979 als ordentliche Professorin für Zeitgeschichte von der Universität Salzburg an die Universität Wien wechselte,712 oder Maria Lassnigg, die 1980 die Leitung der Meisterklasse für »Gestaltungslehre – experimentelles Gestalten« an der Hochschule für angewandte Kunst übernahm.713 Gezielte Maßnahmen zur Förderung der Frauen an den Universitäten wurden während der Amtszeit Firnbergs jedoch (noch) nicht überlegt. Vielmehr gerieten die Universitäten als Arbeitsplatz für Frauen erst allmählich in den Blickpunkt Firnbergs und des Wissenschaftsministeriums, was sich etwa darin zeigte, dass dieses Thema erst im Universitätsbericht 1981 ausführlicher angesprochen wurde. Festgehalten wurde dabei, dass »die Unterrepräsentanz von Frauen in Lehre und Forschung« den »langen Zeitraum« verdeutlichen würde, der »erforderlich« sei, um die Folgen einer Bildungsbenachteiligung auszugleichen« und dass »sich eine Steigerung des Frauenanteils in einer Qualifikationsstufe […] in der nächst höheren erst mit erheblichen zeitlichen Verzögerungen« auswirken würde.714 Firnberg dürfte dem folgend – wie noch Jahre später von Seiten der »Entscheidungsträger« argumentiert wurde715 – somit auf eine evolutionäre Entwicklung gesetzt haben,716 zumal die Zahl der weiblichen Studierenden ab den 1960er-Jahren erst zu steigen begannen. Zudem bedurfte es für gezielte Förderprogramme aber wohl auch einer neuen Generation von Bildungsund Frauenpolitiker*innen mit neuen Herangehensweisen und Sichtweisen (und wohl auch eine neue Generation von Akteur*innen an den Universitäten). Firnbergs prinzipieller Zugang in der Gleichberechtigung war – wie es bereits mehrfach angesprochen wurde – jener, dass diese aus einer unbedingten Anerkennung von Leistung und Kompetenz resultieren sollte – egal, ob sie von einem Mann oder einer Frau erbracht wird.717 Für die Frauen sollte es daher keine 712 Nach Norbert Leser soll Firnberg für die Nachfolge von Ludwig Jedlicka zunächst ihn favorisiert haben. Später soll sie sich sehr um Hans Mommsen (Erster auf dem Dreiervorschlag) bemüht haben, um einen international renommierten Historiker nach Wien zu holen. Vgl.: Norbert Leser, Hertha Firnberg (1909–1994) – Charmeurin mit Krallen, in: Ders., Skurrile Begegnungen. Mosaike zur österreichischen Geistesgeschichte, Wien/Köln/ Graz 2011, 195f.; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 8. 6. 2021. 713 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. 714 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Hochschulbericht 1981, Wien 1981, 134. 715 Gertraud Seiser, »Man muss die gewinnen, die das Handeln haben.« Die Entwicklung der Frauenförderung an Österreichs Universitäten in den 1990er-Jahren aus Verwaltungsperspektive, in: Roberta Schaller-Steidl / Barbara Neuwirth (Hg.), Frauenförderung in Wissenschaft und Forschung. Konzepte, Strukturen, Praktiken (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 19), Wien 2003, 20. 716 Vgl. hierzu auch: Hertha Firnberg, Frauen und Forschung, in: Verband der Akademikerinnen Österreichs (Hg.), Frauenstudium und akademische Frauenarbeit in Österreich 1968–1987, Wien 1987, 17–29. 717 Vgl. hierzu auch: Heinz Fischer, Zum 75. Geburtstag von Hertha Firnberg: Ihr Reformwerk ist unbestritten, in: Arbeiter-Zeitung, 18. 9. 1984.
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Privilegierungen, aber auch keine Diskriminierung geben, »gleiche Rechte und gleiche Leistungen« sollten die Säulen sein, auf denen die Frauenemanzipation aufzubauen hat.718 Die Gleichstellung der Frau sollte »durch die Entwicklung selbst kommen«.719 Eine Frau zu berufen, nur weil sie eine Frau war, wäre für Hertha Firnberg – wie sie rückblickend im Rahmen eines Interviews für die Fernsehreihe »Österreich II« aussagte und wie es auch ihrem Zugang bei Besetzungen im Wissenschaftsministerium entsprach – nicht vorstellbar gewesen: »Die Schwierigkeit bei den Frauen ist, dass viel zu wenig Frauen hier sind, die sich wissenschaftlich aktiv betätigen. Es war daher kaum jemand am Vorschlag. Wenn er war und qualifiziert war [sic!], sind sie drangekommen, aber dass deswegen berufen wird, weil er eine Frau ist [sic!], vor qualifizierteren Männern, das war ein Grundsatz, den ich prägnant abgelehnt habe.«720
Wenn eine Frau die akademische Leiter bis ganz nach oben erklimmen konnte, erfüllte dies Firnberg, der – so Sigurd Höllinger – »starke Männer« im akademischen Leben durchaus imponiert haben,721 jedoch mit »besonderer Freude«. So stellte es für sie auch »einen wichtigen Markstein in der Geschichte der österreichischen Frauenbewegung« dar, dass Marianne Meinhart als Professorin für Römisches Recht an der Linzer Hochschule im Studienjahr 1972/1973 zur ersten Dekanin in Österreich bestellt wurde.722 Fördermaßnahmen in Form von Habilitations- und Post-Doc-Programmen, die Verankerung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Universitäts-Organisationsgesetz und die Verpflichtung der Universitäten zur Formulierung von Frauenförderungsplänen folgten – aufbauend auf den Entwicklungen früherer Jahre – erst in den 1990er-Jahren. Den Anfang bei den Förderprogrammen machte 1992 das Charlotte Bühler-Programm des FWF, das Habilitationen von Frauen fördern sollte, und 2005 vom Elise Richter-Programm abgelöst wurde. 1998 wurde das nach Firnberg benannte, ebenfalls über den FWF abgewickelte und 2021 wieder eingestellte Hertha Firnberg-Programm zur Unterstützung von Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere gestartet. An den Universitäten bzw. im Universitätsrecht markierte die Einrichtung von Arbeitskreisen für Gleichbehandlungsfragen 1991 den Beginn. 1993 folgte – nachdem ein solches für die Privatwirtschaft bereits seit 1979 bestanden hatte – ein Gleichbehandlungsgesetz für den öffentlichen Dienst, dem ein Großteil aller Bildungseinrichtungen zuzuordnen ist. Das ebenfalls 1993 verabschiedete Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) hielt dann die 718 719 720 721 722
Firnberg, Österreich zuliebe, 133f. Lehmann/Maimann, »Die Zeit allein arbeitet nicht für die Frauen«, 55. ORF-Archiv, Interview mit Hertha Firnberg für die Fernsehreihe »Österreich II«, undatiert. Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. Eine Frau mit Herz und Verstand, in: Die Frau 3 (1973) 17.
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Abb. 15: Hertha Firnberg und Marianne Meinhart bei der Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst erster Klasse 1972. Im Hintergrund: Karl R. Stadler
Gleichbehandlung von Männern und Frauen fest und verpflichtete die Universitäten zur Formulierung von Frauenförderungsplänen. Ein erster Frauenförderplan im Bereich des Wissenschaftsministeriums folgte 1995 und ein »Weißbuch zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft« 1999. Und als 2002 das heute gültige Universitätsgesetz (UG 2002) beschlossen wurde, wurden die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie ein Fördergebot bzw. die Ausarbeitung von Frauenförderplänen explizit festgehalten.723 Was Firnberg jedoch tat, war die Frauenforschung zu unterstützen, die sich im Gefolge der Zweiten Frauenbewegung ab Mitte der 1970er-Jahre auch an den österreichischen Universitäten entwickelte und sich in Publikationen (wie etwa »Das ewige Klischee« der Autorinnengruppe Wien aus dem Jahr 1981), Tagungen, Sommeruniversitäten (nach deutschem Vorbild724), Lehrveranstaltungen und schließlich dem Aufbau frauenspezifischer Archive niederschlug. Ausdruck davon ist einerseits der »Frauentopf 1982«, mit dem frauenspezifische Lehrver723 Vgl. hierzu ausführlich: Maria Wirth, Hertha Firnberg sowie Seiser, »Man muss die gewinnen, die das Handeln haben.«, 17–39; Hertha Firnberg- Programm, URL: https://www. fwf.ac.at/de/forschungsfoerderung/fwf-programme/firnberg-programm (abgerufen: 10. 1. 2022). 724 An der Freien Universität Berlin war es erstmals 1976 zu einer derartigen Veranstaltung gekommen.
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anstaltungen direkt durch das Ministerium finanziert wurden,725 da diese an den Universitäten anfangs nur gegen große Widerstände durchgesetzt werden konnten. Andererseits wurden frauenspezifische Forschungsprojekte finanziert726 und die Frauenforschung in die »Forschungskonzeption 80« als Förderbereich aufgenommen. Eines der ersten ausgewiesenen Frauenforschungsprojekte, das 1982 in Auftrag gegeben wurde, war eine »Dokumentation von Frauenforschung in Österreich«, um die bisherigen Forschungen zum Thema »Frau« zu erheben.727 Einen eigenen Lehrstuhl für Frauengeschichte hätte sie – so Firnberg rückblickend – jedoch nicht eingerichtet, da sie die Entwicklung noch nicht abschätzen konnte.728 Der erste Lehrstuhl, der in seiner Denomination die Frauenforschung anführte, wurde erst unter ihrem Nachfolger Heinz Fischer in Innsbruck eingerichtet und 1988 mit Claudia von Werlhof besetzt.729 Ab den 1990er-Jahren wurden die Frauen- und Geschlechterforschung sowie die Genderstudies an vielen Universitäten dann ausgebaut. Im Studienjahr 2006/2007 startete die Universität Wien österreichweit als erste Universität ein Masterstudium für Genderstudies.730
6.5. Schwerpunkte in der Forschungspolitik 6.5.1. Forschungsprogramme Zu den Aufgaben von Hertha Firnberg in der Forschungspolitik zählte es, die Grundlagen für eine konzeptive Forschungspolitik zu entwickeln und die dem Ministerium zugeordnete Koordinations- und Planungsfunktion wahrzuneh725 Brigitte Krassnigg-Jesner, Förderungsprogramm für Frauen im Bundesdienst, in: Gertraud Seiser / Eva Knollmayer (Hg.), Von den Bemühungen der Frauen in der Wissenschaft Fuß zu fassen (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 3), Wien 1994, 37 sowie Christa Hämmerle / Gabriella Hauch, »Auch die österreichische Frauenforschung sollte Wege der Beteiligung finden …« Zur Institutionalisierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte an der Universität Wien, in: Karl Anton Fröschl / Gerd B. Müller / Thomas Olechowski / Brigitta Schmidt-Lauber (Hg.), Reflexive Innensichten aus der Universität. Disziplinengeschichten zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik (650 Jahre Universität Wien – Aufbruch ins neue Jahrhundert 4), Göttingen 2015, 97–109. 726 Knollmayer, 40 Jahre Wissenschaftsministerium – Frauen und Universitäten, 171. 727 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichische Forschungskonzeption 80, Wien 1983, 55. Vgl. hierzu auch: Maria Keplinger, Frauenforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, in: Gertraud Seiser / Eva Knollmayer (Hg.), Von den Bemühungen der Frauen in der Wissenschaft Fuß zu fassen (Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 3), Wien 1994, 25–31. 728 ORF-Archiv, Interview mit Hertha Firnberg für die Fernsehreihe »Österreich II«, undatiert. 729 Knollmayer, 40 Jahre Wissenschaftsministerium – Frauen und Universitäten, 172. 730 Ingrisch, Gender-Dimensionen, 356–358.
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men. Hinzu kam – wie Firnberg es in den 1960er-Jahren mehrfach gefordert hatte – die Zurverfügungstellung von mehr finanziellen Mitteln für die Forschung und die Hebung des Forschungsbewusstseins, nachdem auch von der OECD kritisiert worden war, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung in Österreich zu wenig ausgeprägt sei. Ein wichtiger Schritt für die Entwicklung einer konzeptiven Forschungspolitik folgte bereits im April 1972 mit der von der Bundesregierung beschlossenen »Österreichischen Forschungskonzeption«, mit der das Wissenschaftsministerium zu einem Vorreiter in der Entwicklung von »soft law« wurde.731 Wie Hertha Firnberg eingangs betonte, sollte damit zum ersten Mal der Versuch unternommen werden, »eine längerfristige Perspektive für die österreichische Forschung im Rahmen der gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung unseres Landes zu finden und aufzuzeigen«. Festgehalten wurden in diesem noch sehr allgemeinen Papier die tragenden Grundsätze für eine zukünftige Forschungspolitik. So folgte nach einem Problemaufriss zur Lage der Forschung in Österreich eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen der Forschungspolitik, wobei diese – wie vorausgeschickt wurde – als Teil der Gesellschaftspolitik definiert wurde und helfen sollte, das »menschliche Leben im ganzen menschenwürdiger zu gestalten«. Die Forschungspolitik sollte sich somit in die allgemeinen kultur-, sozial- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen des Staates einfügen und besonders der Fortentwicklung der Wissenschaften (wissenschaftsbezogene Forschung), aber auch der wirtschaftlichen Weiterentwicklung (wirtschaftsbezogene Forschung) dienen. Als wichtige Instrumente für die Koordination der Forschungstätigkeit wurde neben dem interministeriellen Forschungs-Koordinationskomitee auf Bundesebene auf das im Wissenschaftsministerium eingerichtete »Wissenschaftsforum«732 als Beratungsorgan für den gesamten Bereich der Forschung und Entwicklung in Österreich verwiesen. Für Detailarbeiten wurde die Bildung von Expertenteams angekündigt. Das Ministerium betrachtete es somit als eine seiner zentralen Aufgaben, ein »gezieltes Gespräch« zwischen Forscher*innen, Forschungsleiter*innen, Wirtschafter*innen, Soziolog*innen, Politiker*innen, Beamt*innen usw. in Gang zu bringen. Zudem wurde in einer besseren Dokumentation und Datenbasis eine wichtige Koordinationsmaßnahme gesehen, weshalb die Erstellung eines Forschungsstättenkatalogs, d. h. eine Übersicht über die forschenden Einrichtungen in
731 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 87. 732 Dieses bestand aus sechs Mitgliedern des Österreichischen Forschungsrates, 16 Vertretern des Staates, 15 Sprechern der Wissenschaft und 15 Vertretern der Wirtschaft und nahm am 18. 10. 1981 die Arbeit auf. Vgl.: Wissenschaftsforum nimmt Arbeit auf, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 7. 10. 1971.
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Österreich, angekündigt wurde.733 Hinsichtlich der Finanzierung wurde hingegen proklamiert, dass die Mittel für Forschung und Entwicklung drastisch erhöht werden sollen bzw. angeführt, dass diese – wie es auch in der Regierungserklärung 1971 der Fall war – (von damals 0,7 bis 0,8 Prozent) auf mindestens 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ansteigen sollen. Die Finanzierungsquote des Staates sollte dabei auf 50 Prozent (bis 1980) angehoben werden. Adressiert war die Forschungskonzeption an »alle im Forschungsprozess stehenden Wissenschaftler und Ingenieure, Forscher und Forschungsmanager, um die Grundsätze der österreichischen Forschungspolitik dazulegen, an die öffentliche Verwaltung und an die Wirtschaft, um die Bedürfnisse der wissenschaftlich-technischen Forschung aufzuzeigen; und last but not least an die breite Öffentlichkeit, um das Verständnis für die Forschung und für die Notwendigkeit entsprechender finanzieller Bemühungen zu vertiefen.«734
Inhaltliche Empfehlungen enthielt die Forschungskonzeption 1972 noch keine. Auf ihrer Basis folgte aber in den nächsten Jahren eine Reihe von themenspezifischen Programmen, die oftmals die Problemlagen der Zeit reflektierten. So war ein Auslöser für Spezial- bzw. Detailprogramme im Bereich der Energieforschung der Erdöl-Preisschock 1973. Die ihm folgende Suche nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen führte unter anderem zur Ausarbeitung von Programmen zur Kern- und Sonnenenergie oder der Energie aus Biomasse. Die steigende Umweltverschmutzung führte hingegen ab Mitte der 1970er-Jahre zu Anregungen im Bereich der Ökosystemforschung. Hinzu kamen mehrere Konzepte und Bestandsaufnahmen im Rahmen eines gesellschafts- sowie eines wirtschaftsund technologiepolitischen Schwerpunkts, wie etwa zu den Arbeitswissenschaften, zur demographischen Forschung, zur gesellschaftlichen Integration älterer Menschen, der Medien- und Kommunikationsforschung, der zeitgeschichtlichen oder geowissenschaftlichen, geotechnischen und Rohstoffforschung.735 Die »Österreichische Forschungskonzeption 80« als letztes großes Programm, das unter Hertha Firnberg erarbeitet und von der Bundesregierung am 1. Februar 733 Erster »Forschungsstättenkatalog« Österreichs, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 15. 7. 1971; An 1.754 Stellen wird geforscht. Forschungsstättenkatalog erscheint in erneuerter Auflage, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 15. 3. 1976. 734 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichische Forschungskonzeption, Wien 1972. Vgl. hierzu auch: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung/ Sektion Forschung, Katalog operationeller forschungspolitischer Maßnahmen, Wien o. J. sowie Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 216–221. 735 Eine Auflistung der Programme findet sich in folgendem Beitrag: Norbert Rozsenich, Forschungspolitische Konzepte in Österreich von 1970 bis zur Gegenwart, in: Johann Dvorák (Hg.), Staat, Universität, Forschung und Hochbürokratie in England und Österreich im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt 2008, 83–113.
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1983 beschlossen wurde, führte schließlich allgemeine Grundsätze und Zielsetzungen sowie auf den »Mensch und Gesellschaft« sowie auf »Wirtschaft und Technik« bezogene Schwerpunktfelder zusammen. Dabei zählten zum ersten Schwerpunktbereich Umwelt, Verkehr und Raumordnung, Medizin und Biowissenschaften, die soziale und kulturelle Entwicklung (inklusive der bereits genannten Frauenforschung), Friedens- und Konfliktforschung, die Bildungsforschung und schließlich der Bereich »Wissenschaft und Technologie für die Entwicklung«, der sich an die sogenannte »Dritte Welt« adressierte. Zum zweiten Bereich gehörten die Mikroelektronik und Informationsverarbeitung, die Rohstoff- und Werkstoffforschung, Recycling und Energieforschung, die land-, forstund wasserwirtschaftliche Forschung, die Biotechnologie und Gentechnik sowie die Weltraumforschung.736 Große technologiepolitische Konzepte, die an die »Österreichische Forschungskonzeption 80« anschlossen, datieren hingegen bereits in die Zeit ihrer Nachfolger.737 In der 1983 beschlossenen Konzeption wurde der innovationspolitische Auftrag der Wissenschaft aber erstmals deutlich angesprochen. Die Forschung sollte noch stärker als bisher zur Mithilfe bei der Lösung der Strukturund Innovationsprobleme der österreichischen Wirtschaft herangezogen werden.738 Erarbeitet wurden die Programme – wie es bereits 1972 angekündigt worden war und von Firnberg als probates Mittel in der Forschungspolitik bezeichnet wurde739 – durch jeweils eigene Projektteams, in die zahlreiche Expert*innen außerhalb des Ministeriums eingebunden waren. Die Initiative für ein bestimmtes Thema konnte – so Norbert Rozsenich, den Firnberg bereits aus der Hochschulreform vor 1970 als Studentenvertreter kannte und den sie später in die neue Forschungssektion holte – sowohl vom Ministerium ausgehen. Das Thema für ein Programm konnte aber auch an Firnberg herangetragen worden sein. Die mit der Einsetzung großer Teams verbundene Intention war es einerseits, deren spezielles Know-How zu nutzen. Andererseits sollte durch die frühe Einbindung der Expert*innen eine breite Akzeptanz bei der entsprechenden Zielgruppe erreicht und somit zu einer Umsetzung des Programms beigetragen werden. Da das Wissenschaftsministerium anderen Ressorts oder auch den Forschungseinrichtungen und -trägern nicht vorschreiben konnte, was diese forschen sollten, konnte das Ressort nur durch Kommunikation und Kooperation versuchen, diese möglichst früh als Partner für seine Schwerpunkte zu gewinnen. Sich konnte das Ministerium hingegen in Form einer »Selbstbindung« – 736 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Österreichische Forschungskonzeption 80, Wien 1983. 737 Gottweis/Latzer, Forschungs- und Technologiepolitik, 715. 738 Rozsenich, Forschungspolitische Konzepte in Österreich von 1970 bis zur Gegenwart, 96. 739 Firnberg, Forschungspolitik für morgen, 10.
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wie es Firnberg nannte – zu den Programmen bekennen.740 Gemeint ist damit, dass das Ministerium seine eigenen Programme auch finanziell unterstützte.
6.5.2. Entwicklung der Forschungsfinanzierung Der Anteil der gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt konnte im Zeitraum 1970 bis 1985 von 0,61 Prozent auf 1,27 Prozent angehoben werden. Damit konnten zwar nicht die 1971 angestrebten 1,5 bis 2,0 Prozent erreicht, aber eine Verdoppelung erzielt werden. Die Gesamtausgaben wurden etwa zur Hälfte von der öffentlichen Hand (Bund und Länder) und der Wirtschaft getragen. Es floss somit tatsächlich bedeutend mehr Geld in die Forschung, wobei die Steigerungsraten – ähnlich wie im universitären Bereich – vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in den frühen 1970er-Jahren besonders hoch waren. So stiegen alleine die statistisch erfassbaren Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwicklung seit 1970 von 1,4 Milliarden auf 7,5 Milliarden Schilling an, von denen rund 88 Prozent vom Wissenschaftsministerium verwaltet und den Forschungseinrichtungen zugewiesen wurden.741 Profitiert haben von diesem »Geldsegen« alle Forschungseinrichtungen – darunter die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die beiden Forschungsförderungsfonds FWF und FFF, deren Budget von jeweils rund 60 auf 223 Millionen Schilling (FWF) bzw. 359 Millionen Schilling (FFF) stieg,742 aber auch die Ludwig Boltzmann Gesellschaft, mit der Firnberg eng verbunden war und der sie – wie bereits genannt – während ihrer Ministerschaft als Vizepräsidentin vorstand. So wurde dieser nun wieder eine Basissubventionierung durch den Bund zugesprochen und diese in den kommenden Jahren beträchtlich ausgeweitet, was sich auch in der Zahl der Institutsgründungen niederschlug – stieg die Anzahl der Ludwig Boltzmann Institute doch von elf im Jahr 1970 auf 56 im Jahr 1982 an. Die Beschränkung der FWF-Förderungen auf physische Personen blieb jedoch unangetastet, womit der alte Wunsch der Ludwig Boltzmann Gesellschaft, diese auf juristische Personen auszudehnen, unerfüllt blieb.743 Die bedeutendste Entwicklung im Bereich der Forschungsfinanzierung durch das Wissenschaftsministerium war aber wohl jene, dass das Ministerium unter dem Titel »Auftragsforschung und Expertengutachten« eine eigene Ressortför-
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Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. Rozsenich, Forschungspolitische Konzepte in Österreich von 1970 bis zur Gegenwart, 94. Ebenda. Bergmann-Pfleger/Hachleitner, 60 Jahre Ludwig Boltzmann Gesellschaft 1960–2020, 19 und 30; Ludwig Boltzmann Gesellschaft, Geschäftsbericht 1982, Wien 1983.
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derung aufbaute und diese immer stärker ausweitete.744 Nachdem es für die SPÖ bereits bei der Diskussion um den Forschungsrat in den 1960er-Jahren ein Anliegen gewesen war, dass dieser direkt Forschungsaufträge vergeben können sollte, schuf sich das Ministerium somit ein eigenes Förderinstrument, mit dem es – so Rupert Pichler – auch auszugleichen versuchte, dass es die Forschungsvorhaben der anderen Ressorts und der selbstständigen Einrichtungen nicht direkt beeinflussen konnte.745 Die damit verbundene Intention war es einerseits Forschungsaufträge, die im Interesse des Ressorts waren, vergeben zu können. Andererseits sollte die Ressortförderung auch dazu beitragen, noch wenig etablierte Wissenschaftszweige oder Forschungsthemen eine Starthilfe zu geben oder diese anzuregen,746 wobei dies im außeruniversitären Bereich bedeutend leichter zu bewerkstelligen war als an den Universitäten. Da diese in Fragen der Wissenschaft Autonomie genossen, konnten sie nur über »Umwege« beeinflusst werden. Der außeruniversitäre Bereich spielte in Firnbergs Politik einer inhaltlichen Erneuerung der Wissenschaften daher eine große Rolle.747 Hinzu kam, dass das Wissenschaftsministerium durch die Ressortforschung Schwerpunktsetzungen im Bereich der genannten Programme als »Selbstbindung« unterstützte, womit sich die Ressortforschung mit der Zeit zu einem finanziell hoch dotierten Standbein in der Forschungsförderung entwickelte. 1985 verfügte sie über ein Finanzvolumen von rund 100 Millionen Schilling.748 Wichtig war es für Hertha Firnberg, die eine geisteswissenschaftliche Ausbildung besaß, als Sozialwissenschaftlerin gearbeitet hatte und die Existenz von »Orchideenfächern« stets verteidigte,749 dass von einer verstärkten Forschungsförderung nicht nur ökonomisch verwertbare Bereiche, sondern auch die Geistes- und Sozialwissenschaften profitieren sollten.750 Gleichfalls haben die Sozialwissenschaften, die nach einer Blüte in der Zwischenkriegszeit bis zur Gründung des Instituts für Höhere Studien (IHS) 1963 stark vernachlässigt worden waren,751 auch Eingang in die Regierungserklärungen gefunden. So wurden 1975 744 Vgl. hierzu ausführlich: Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 223–246. 745 Pichler, Die Gründung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung vor 50 Jahren, 87. 746 Firnberg, Ein Jahr Bundesministerium für Wissenshaft und Forschung, 7; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021. 747 Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. 748 Rozsenich, Forschungspolitische Konzepte in Österreich von 1970 bis zur Gegenwart, 94. 749 Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, 28f.; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 750 Ebenda, 92. 751 Vgl. zur Gründung des Instituts für Höhere Studien ausführlich: Christian Fleck, Wie Neues nicht entsteht. Die Gründung des Instituts für Höhere Studien in Wien durch Ex-Österreicher und die Ford Foundation, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 1 (2000) 129–178.
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die »Sozial- und Arbeitswissenschaften« explizit als wichtige Fördergebiete angesprochen,752 was daraus resultierte, dass von Seiten der SPÖ-Regierung ein großes Interesse an praxisbezogener Sozialforschung bestand und die sozialwissenschaftlichen Arbeiten auch Entscheidungsgrundlagen für die Politikgestaltung liefern sollten. Konkrete Beispiele, in denen diese Ankündigungen ihren Niederschlag fanden, sind Förderungen der Ludwig Boltzmann Gesellschaft im Bereich der Arbeitergeschichte, der Kriminalsoziologie, der Altersforschung sowie Stadtgeschichte oder die Gründung weiterer außeruniversitärer Einrichtungen – darunter das 1975 eröffnete Institut für Konfliktforschung in Wien,753 das 1982 gegründete Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung in Schlaining oder die 1982 in Graz etablierte Forschungsstelle für österreichische Philosophie.754 Zu nennen sind aber auch eine Reihe von Auftragsstudien und Expertengutachten für das Ministerium, wie Begleitstudien zur Hochschulreform (am IHS), zum Brain Drain und Forschungsbewusstsein, zur Lage der Sozialwissenschaften in Österreich oder der Reintegration älterer Menschen in die Gesellschaft,755 wobei die anfangs (zu) hohen Erwartungen in die Sozialwissenschaften mitunter auch zu einer Ernüchterung geführt haben. Wie Äußerungen Firnbergs aus späteren Jahren zeigen, wurden die »realen Möglichkeiten und Grenzen der praktischen Anwendungsmöglichkeiten« erst allmählich sichtbar.756 An Technologiepolitik im heutigen Sinn war Firnberg – so Norbert Rozsenich – weniger interessiert bzw. der Meinung, dass diese in das Aufgabengebiet des Handelsministeriums fallen würde.757 In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre, 752 StPNR, XIV. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1975, 32. 753 Keine Beschränkung für Hochschulforschung, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 11. 12. 1974. 754 Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. Vgl. hierzu auch: Geschichte des Franz Brentano Archivs (Graz), URL: https://gams.uni-graz.at/archive/objec ts/context:bag/methods/sdef:Context/get?mode=gesch (abgerufen: 27. 9. 2021). 755 Hertha Firnberg, Vier erfolgreiche Jahre sozialistische Wissenschafts- und Forschungspolitik, in: Der Sozialistische Akademiker 5 (1974) 6. Vgl. hierzu zudem: Hertha Firnberg, Forschung und Wirtschaftswachstum, in: Die Zukunft 9 (1974) 6; Firnberg, Sozialwissenschaftliche Forschung in Österreich. Vgl. als zeitgenössischen Beitrag zur Situation der Soziologie an den Universitäten mit einer kritischen Sicht auf Firnberg zudem: Christian Fleck, »Was brauch ma des?« – Einige Betrachtungen zur Abschaffung der Soziologie, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 2–3 (1980) 107–117. 756 Hertha Firnberg, Zur Rolle der Sozialwissenschaften in der österreichischen Wissenschaftspolitik: Das Anwendungsdefizit der Soziologie, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 1 (1979) 4–10, hier: 10; Hertha Firnberg, Das Anwendungsdefizit der Soziologie. Vorwort zur Rolle der Sozialwissenschaften in der österreichischen Wissenschaftspolitik, in: Karin Knorr / Max Haller / Hans-Georg Zilian (Hg.), Sozialwissenschaftliche Forschung in Österreich. Produktionsbedingungen und Verwertungszusammenhänge (Gesellschaftswissenschaftliche Studien 7), Wien 1981, V–XIX. 757 Rozsenich, Forschungspolitische Konzepte in Österreich von 1970 bis zur Gegenwart, 92.
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als sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechterten, tauchte aber auch in ihrem Sprachgebrauch immer häufiger der Begriff der Innovationspolitik (im Sinne einer Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse in wirtschaftliche Innovationen) auf und fand schließlich auch in die »Österreichische Forschungskonzeption 80« Eingang.758
6.5.3. Das Forschungsorganisationsgesetz 1981 – Bibliotheken und Museen als Infrastrukturen der Forschung In legistischer Hinsicht folgte 1981 das Forschungsorganisationsgesetz, nachdem in den Jahren zuvor die Universitätspolitik in der Gesetzgebung dominiert hatte. Ein Forschungsorganisationsgesetz war von Hertha Firnberg zwar bereits 1973 beim Europäischen Forum Alpbach angekündigt worden, mit dessen Besuch bzw. Eröffnung regelmäßig ihr Arbeitsjahr nach dem Sommerurlaub begann.759 Konkrete Schritte folgten jedoch erst ab 1976, nachdem Bundeskanzler Kreisky eine Neuordnung der Forschungsorganisation in seiner Regierungserklärung vom 5. November 1975 angesprochen hatte.760 Der folgende Verhandlungsprozess, der grob in vier Phasen unterteilt werden kann, verlief im Gegensatz zur Organisationsreform bei den Hochschulen ohne große Konflikte und war seitens Firnberg – möglicherweise in Reaktion auf die heftigen Auseinandersetzungen bei der Universitätsreform – von einem starken Konsenswillen begleitet. Gestartet wurde er mit der Aussendung eines Fragebogens zur Lage der Forschungsorganisation an über 100 Institutionen761 sowie der Einsetzung eines Redaktionsbeirats,762 um eine Analyse der Rückmeldungen vorzunehmen und eine Diskussionsgrundlage für eine Enquete vorzubereiten, die am 4. Februar 1977 stattfand. Als Zwischenergebnis entstand ein erster Be758 Firnberg, »Österreichs Forschungspolitik in den 80er Jahren«, 16; Firnberg, Wissenschaft und Gesellschaft, 8f.; Firnberg, Forschungspolitik für morgen, 13f.; Hertha Firnberg, Forschungspolitik für die Zukunft. Rede anlässlich der Präsentation der Forschungskonzeption für die 80er-Jahre im Kongresszentrum Laxenburg am 9. März 1981, in: Alois Mock / Herbert Schambeck (Hg.), Verantwortung in unserer Zeit. Festschrift für Rudolf Kirchschläger, Wien 1990, 49–54. 759 Firnberg plädierte in Alpbach für Forschungsorganisationsgesetz, in: Salzburger Tagblatt, 27. 8. 1973; Wissenschaft und Forschung. Ein Machtfaktor unserer Zeit, in: Vorarlberger Nachrichten, 27. 8. 1973; Aufgabe für 1974: Forschungsorganisation, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 2. 1. 1974. 760 StPNR, XIV. GP, 2. Sitzung vom 5. 11. 1975, 32. 761 Fragenkatalog an Österreichs Forschung, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 13. 1. 1976; Bis 1978 Grundgesetz für Forschung, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 4. 3. 1976. 762 Forschungsorganisations-Beirat konstituiert, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 3. 6. 1976.
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richt über die »Lage und Probleme der Forschungsorganisation in Österreich«. In einer weiteren Phase folgten – wiederum im Rahmen des Europäischen Forum Alpbach – die Einsetzung einer Arbeitsgemeinschaft unter dem Titel »Forschung zwischen Konflikt und Konsens«, ein neuer Bericht über »Vorschläge zur Neuregelung der Forschungsorganisation in Österreich«, eine weitere Enquete am 26. April 1978763 und ein Endbericht mit dem Titel »Forschungsorganisation in Österreich (Lage – Probleme – Lösungsvorschläge)« auf Basis der beiden bisher erstellten Berichte. Phase III umfasste einen Vorentwurf für eine gesetzliche Neuregelung, der einer Vorbegutachtung unterzogen und anschließend nochmals überarbeitet wurde, das eigentliche Begutachtungsverfahren, das im März 1979 eröffnet wurde, und eine nochmalige Überarbeitung des Entwurfs. In einer vierten Phase wurde dieser dann als Regierungsvorlage in den Nationalrat eingebracht764 und dort beraten. Das am 1. Juli 1981 einstimmig und – so Firnberg – »in friedlicher Weise!«765 – beschlossene Forschungsorganisationgesetz wurde somit fünf Jahre verhandelt.766 Umfassende Neuerungen brachte es jedoch nicht. Es schloss aber bis dato bestehende Regelungslücken, schrieb seit 1970 eingetretene Entwicklungen fest und beschäftigte sich in erster Linie mit den forschungspolitischen Tätigkeiten des Wissenschaftsministeriums. Konkrete Inhalte waren die Schaffung neuer Beratungsorgane für die Bundesregierung mit dem »Österreichischen Rat für Wissenschaft und Forschung« und der »Konferenz für Wissenschaft und Forschung«. Hierbei sollte das erste Gremium Mitglieder aus dem Bereich Forschung und Forschungsförderung umfassen, und das zweite Gremium Vertreter*innen der Parteien, Ministerien, Sozialpartner und anderer Kammern inkludieren, die den Kontakt zur Wirtschaft herstellen sollten. Hinzu kam eine Neuregelung des Berichtswesens, wonach nun jedes Ministerium, das Forschungsgelder vergab, dem Wissenschaftsministerium berichten musste, um dessen Koordinationsfunktion zu stärken. So war bei der Beschlussfassung im Nationalrat auch ein Kritikpunkt an der bisherigen Forschungspolitik, dass Firnberg ihre Koordinationsaufgabe nicht bzw. nicht gut genug realisieren konnte,767 was rückblickend von ihrem Büroleiter Wolf Frühauf als ein Bereich bestätigt wurde, in dem »nicht alle Ziele erreicht werden konnten«.768 Verant763 Schlusspunkt zum FOG, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 12. 4. 1978. 764 StPNR, XV. GP, 214 der Beilagen. 765 Firnberg, Österreich zuliebe, 140. 766 Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich: Pichler/Hofer/Stampfer, Forschung, Geld und Politik, 243–261. 767 StPNR, XV. GP, 81. Sitzung vom 1. 7. 1981, 8105. Vgl. hierzu auch: Heinrich Neisser, Stellungnahme von außen, in: 10 Jahre Wissenschaftsministerium. Sonderausgabe des Informationsdiensts für Bildungspolitik und Forschung/Spektrum, Juli 1980, 14f. 768 Wolf Frühauf, Aufbruch in die Zukunft, in: Wiener Zeitung, 1. 9. 2020.
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wortlich war dafür in erster Linie, dass die Koordinierungskompetenz des Ministeriums nur eine schwache Kompetenz war, und dass diese – so Norbert Rozsenich – vor allem dann gut funktionierte, wenn bei der Programmerstellung bereits von Anfang an die zukünftigen Kooperationspartner einbezogen wurden und diese zur Zusammenarbeit bereit waren.769 Für Forschungsförderungen und Forschungsaufträge des Bundes wurde eine Rechtsgrundlage geschaffen, zumal dies auch vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts eingefordert worden war. Entsprechende Richtlinien wurden aber erst angekündigt. Weiters wurde mit dem Forschungsorganisationgesetz ein Rahmen für die Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten an Universitäten und Kunsthochschulen im Auftrag Dritter vorgegeben. Und auch die Aufgaben von wissenschaftlichen Einrichtungen im Bereich des Wissenschaftsministeriums (Geologische Bundesanstalt, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Österreichisches Archäologisches Institut, Institut für österreichische Geschichtsforschung, Österreichische Nationalbibliothek) sowie der Bundesmuseen wurden festgehalten. Wichtig ist dabei, dass die Österreichische Nationalbibliothek und die Bundesmuseen nicht nur als wichtige Infrastrukturen für die Forschung, sondern explizit als Forschungseinrichtungen definiert wurden. Generell schenkte Hertha Firnberg, die seit ihrer Kindheit ein enges Verhältnis zu Büchern hatte und später an der Universität Wien und der Arbeiterkammer für Niederösterreich mit dem Aufbau einer Bibliothek betraut worden war, den Bibliotheken eine große Aufmerksamkeit. Sie waren für Firnberg – so Edith Stumpf-Fischer, die im Wissenschaftsministerium seit 1973 für die wissenschaftlichen Bibliotheken zuständig war – ein wichtiger Baustein im Zugang zur Bildung.770 Dies drückte sich etwa darin aus, dass für die Bibliotheken deutlich mehr Geld zur Verfügung gestellt wurde und dass die universitären Bibliotheken im Zuge des Universitäts-Organisationsgesetzes neu aufgestellt wurden. Investiert wurde aber auch im Bereich der Museen, wovon sowohl bereits bestehende, als auch neue Einrichtungen profitierten. Neue Museen wurden mit dem Österreichischen Theatermuseum, dem Ephesos Museum, dem AmbrosiMuseum und dem Museum moderner Kunst im Palais Lichtenstein geschaffen bzw. mit der Gründung der Österreichischen Ludwig-Stiftung forciert, da diese einen wichtigen Grundstein für das heutige Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien bildete.771 Zudem wurde – ähnlich wie bei den Universitäten – eine
769 Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 770 Interview der Verfasserin mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019. 771 Vgl. hierzu: MUMOK, Geschichte. Ein historischer Rückblick, URL: https://www.mumok.a t/de/geschichte (abgerufen: 5. 1. 2022).
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Abb. 16: Hertha Firnberg, die öfters als »rote Maria Theresia« bezeichnet wurde, bei der Eröffnung der Ausstellung »Maria Theresia und ihre Zeit« in Schloss Schönbrunn 1980
Öffnung durch »Tage der offenen Tür«, publikumswirksame Großausstellungen in den Museen oder Kleinausstellungen in Banken und Betrieben angestrebt.772 Das System der 1967 geschaffenen Forschungsförderung blieb durch das Forschungsorganisationsgesetz im Wesentlichen unverändert. Auch wenn im 1976 ausgesendeten Fragebogen erhoben worden war, ob FWF und FFF in ihrer Struktur geändert werden sollen und sich Firnberg – so Raoul Kneucker – zu Beginn ihrer Amtszeit vorstellen konnte, diese »stärker in die politischen Zwänge zu nehmen« bzw. sie von einem weitgehend autonomen Förderinstrument zu einem Instrument staatlicher Forschungspolitik zu machen,773 veränderte sich für die Fonds nur wenig.774 Zu den wenigen Neuerungen zählten, dass der FFF von 772 Im Zuge der Universitätsreform wurden die Instituts- und Fakultätsbibliotheken in die jeweilige Universitätsbibliothek eingegliedert. Die Universitätsbibliotheken blieben aber weiterhin eigene, dem Ministerium direkt unterstellte Dienststellen. Vgl. hierzu: Edith Stumpf-Fischer, Kultursektion (1970–1994) und Kunstsektion (1995–1997), in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970– 2010, Wien 2010, 126–139. 773 Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 19. 3. 2021. Vgl. in diesem Zusammenhang zu Schwerpunktsetzungen durch den FWF in den 1970er-Jahren auch: Pichler/ Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 229–233. 774 Vgl. hierzu auch: Aichner, 40 Jahre im Dienste der Forschung, 66–68.
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»Forschungsförderungsfonds der gewerblichen Wirtschaft« in »Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft« umbenannt und dass die Nachwuchsförderung explizit als Aufgabenbereich des FWF festgehalten wurde. Zudem wurde die Organzusammensetzung bei den Fonds in der Form reformiert, dass die bisher maßgeblichen wissenschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Interessensvertreter*innen durch weitere Vertreter*innen gesellschaftlicher Interessensgruppen ergänzt wurden.775 Nachdem Hertha Firnberg 1973 in Alpbach noch angekündigt hatte, dass bei der Neuordnung der Forschungsorganisation die Forschung außerhalb der Universitäten demokratisiert werden müsse,776 wurde dies von der SPÖ (ebenso wie die Zusammensetzung der Wissenschaftskonferenz777) als eine Erweiterung der Mitbestimmung gewertet.778
6.5.4. Hebung des Forschungsbewusstseins Um das oftmals angesprochene Forschungsbewusstsein zu heben, entwickelte Hertha Firnberg verschiedene Initiativen. Zu diesen gehörte, dass sie mehrmals den Auftrag vergab, die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zu Wissenschaft und Forschung zu untersuchen.779 Weiters unterstützte sie den 1971 gegründeten Klub für Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten780 und rief im selben Jahr einen Staatspreis für journalistische Leistungen im Interesse von Wissenschaft und Forschung ins Leben. Dieser wurde erstmals am 28. Januar 1972 vergeben, um Beiträge auszuzeichnen, »die der Wissenschaft und Forschung in Österreich dienstbar sind und in der Bevölkerung das Interesse für das
775 Bundesgesetz vom 1. Juli 1981 über die Forschungsorganisation in Österreich und über Änderungen des Forschungsförderungsgesetzes (Forschungsorganisationsgesetz – FOG), BGBl. 341/1981. 776 Wissenschaft und Forschung. Ein Machtfaktor unserer Zeit, in: Vorarlberger Nachrichten, 27. 8. 1973; Forschung neben der Uni demokratisieren, in: Salzburger Nachrichten, 27. 8. 1973; Firnberg: Auch die Forschung außerhalb der Universität demokratisieren!, in: Linzer Volksblatt, 27. 8. 1973. 777 Vgl. hierzu folgendes Interview mit Hertha Firnberg: »Das ist ein Trauma Mocks«, in: Arbeiter-Zeitung, 2. 4. 1983. 778 StPNR, XV. GP, 81. Sitzung vom 1. 7. 1981, 8109. 779 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Forschungsbewusstsein in Österreich, Wien 1973; Keine »Forschungsmuffel« mehr, in: 10 Jahre Wissenschaftsministerium. Sonderausgabe Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung/Spektrum, Juli 1980, 26. 780 Klaus Taschwer, Forschung – wos brauch ma des?, in: Der Standard. Forschung Spezial, 26. 5. 2021.
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Verständnis für alle Belange der Wissenschaft und der Forschung wecken und vertiefen helfen«.781 Desgleichen machte sie Wissenschaft und Forschung im Rahmen der genannten Programmarbeiten,782 aber auch unabhängig davon wiederholt zum Thema kleinerer oder größerer Veranstaltungen. Beispiele hierfür sind etwa die regelmäßigen Symposien am Nationalfeiertag,783 die mit dem sogenannten »Auslandsösterreicher-Symposion« der Bundesregierung 1972 starteten, oder die UN-Konferenz für Wissenschaft und Technik im Dienst der Entwicklung 1979. Aufgabe des »Auslandsösterreicher-Symposions«, das in enger Zusammenarbeit mit dem aus Österreich stammenden und in die USA emigrierten Physikers Frederic de Hoffmann organisiert wurde, war es, über die Zukunft von Wissenschaft und Technik nachzudenken. Dabei stellte die gezielte Einladung von aus Österreich stammenden Wissenschaftler*innen im Ausland vor dem Hintergrund der (im Wesentlichen) nicht erfolgten Rückholung der vor 1945 Vertriebenen ein Novum dar.784 Die UN-Konferenz für Wissenschaft und Technik im Dienst der Entwicklung, die bis dahin die größte UN-Konferenz überhaupt darstellte, machte es sich hingegen zur Aufgabe, die Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik für eine Unterstützung der »Entwicklungsländer« zu debattieren.785 Sie griff damit einen Themenbereich auf, der später auch in die »Österreichische Forschungskonzeption 80« Eingang fand.786 Gleichfalls sollte die Konferenz dazu beitragen, Österreich auf der globalen Landkarte sichtbar zu machen, womit sie auch der Außenpolitik Kreiskys entsprach, die auf eine aktive Neutralitätspolitik und eine »Internalisierung Österreichs« abzielte.787 Weitere 781 Staatspreis für Wissenschaftspublizistik, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 7. 4. 1971; Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, Arbeitsbericht 1972, Wien 1973, 7. 782 Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 783 Vgl. hierzu etwa: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Symposium: Wissenschaftliche Forschung und gesellschaftliche Zukunft, Wien, am 25. und 26. Oktober 1978, Wien 1979. 784 Marietta Torberg (Red.), Die Zukunft von Wissenschaft und Technik in Österreich. Symposium aus Anlass des Nationalfeiertages 1972, veranstaltet von der Österreichischen Bundesregierung. Berichte – Diskussion – Empfehlungen, Wien 1973. Vgl. hierzu zudem: Wolfgang L. Reiter, Naturwissenschaften und Remigration, in: Sandra Wiesinger-Stock / Erika Weinzierl / Konstantin Kaiser (Hg.), Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft, Wien 2006, 200–205. 785 Jahresrückblick 1979: Österreich im Blickpunkt der Welt, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung/Aktuell, 28. 12. 1979. Vgl. hierzu: Rede von Frau Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Hertha Firnberg, gehalten in der Generaldebatte der UN-Konferenz über Wissenschaft und Entwicklung, am 22. August 1979, in: Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik 3 (1979) 217–219. 786 Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, »Österreichische Forschungskonzeption 80«, 70–72. 787 Vgl. im Überblick: Wirth/Röhrlich, »Für ein modernes Österreich«, 197–200.
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Projekte, die eine ähnliche Intention verfolgten, waren die Ansiedlung des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg 1972788 oder die Beteiligung an der European Space Agency (ESA), die bereits im Gründungsjahr 1975 erfolgte.789 Auch sie verfolgten eine Einbindung in internationale Aktivitäten.
Abb. 17: Hertha Firnberg beim Besuch einer Wissenschaftsmesse, o. J.
Vor allem sah sich Firnberg selbst aber als Anwältin von Wissenschaft und Forschung – und das auch dann, als die Wissenschaftseuphorie früherer Jahre einem immer stärkeren Wissenschafts- und Technikskeptizismus gewichen war. Dass Wissenschaft und Technik für die negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung, Technisierung, Motorisierung und Urbanisierung mitverantwortlich gemacht wurden, zeigte sich für Firnberg vor allem in der Diskussion um 788 Die Gründung des IIASA ging auf die USA und UdSSR zurückging, die trotz Systemgegensatz und Kaltem Krieg ein Zentrum für wissenschaftliche Kontakte einrichten wollten. Die Ansiedlung in Wien ist vor allem auf das Engagement von Bruno Kreisky zurückzuführen. Vgl. zum IIASA: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), IIASA. Österreich und das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse, Wien 1976; Leena Riska-Campbell, Bridging East and West: The Establishment of the International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in the United States Foreign Policy of Bridge Building, 1964–1972, Helsinki 2011. 789 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021.
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die Grenzen des Wachstums und die friedliche Nutzung der Kernenergie. Sie sah sie aber auch im Auftreten neuer sozialer Bewegungen wie der Umwelt- und Friedensbewegung, die auch in Österreich in den 1970er- und frühen 1980erJahren immer stärker wurden.790 Weiter für Wissenschaft und Forschung in der Öffentlichkeit einzutreten, war daher ein wichtiges (und auch positives rezipiertes) Anliegen für Firnberg. Dass sie den Universitäten per Erlass vom 16. Januar 1975 untersagte, (eigene) Bedienstete für die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit aufzunehmen,791 nachdem die Einrichtung von Pressestellen im Zuge der Universitätsreform zunächst vorgesehen gewesen war, stieß jedoch auf heftige Kritik. Ihr Vorgehen wurde sowohl von den politisch gegnerischen Medien als auch den Hochschulangehörigen als »Maulkorb-Erlass« angeprangert792 und von Firnberg rückblickend damit erklärt, dass sie nicht die Öffentlichkeitsarbeit an den Universitäten verbieten, sondern lediglich darauf hinweisen wollte, dass für diese keine eigenen Planstellen zur Verfügung gestellt werden können.793 Motiviert war der Erlass aber wohl vor allem durch die heftige Kritik an der Hochschulreform sowie dem Bestreben, diese nicht noch durch eigene Stellen zu unterstützen,794 zumal er aus demselben Jahr stammte, in dem das neue Universitäts-Organisationgesetz gegen den heftigen Protest vieler Professoren und Rektoren beschlossen wurde. In den späten 1970er-Jahren verlief die Zusammenarbeit bei Aktionen wie der 1979 erstmals veranstalteten »Wissenschaftsmesse« oder der im selben Jahr gestarteten Initiative »Wiens Hochschulen besuchen die Außenbezirke«, die die Universitäten zur Präsentation ihrer Forschungen und Studienmöglichkeiten nutzten, dann deutlich besser.795 Das Ergebnis all dieser Bemühungen zu einer Hebung des Forschungsbewusstseins wertete Firnberg gegen Ende ihrer Regierungstätigkeit ambivalent. So
790 Hertha Firnberg, Forschung und Wirtschaftswachstum, in: Die Zukunft 9 (1974) 4–6; Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, 23–24; Hertha Firnberg, Eröffnungsvortrag, in: Otto Molden (Hg.), Wissen und Macht. Europäisches Forum Alpbach 1978, Wien/München/ Zürich/Innsbruck 1979, 16f.; Firnberg, »Österreichs Forschungspolitik in den 80er Jahren«, 9–11; Firnberg, Die Rolle des Akademikers in der heutigen Gesellschaft, 6–10. 791 Clemens Hüffel, Wissenschaft braucht Öffentlichkeit, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), 40 Jahre Wissenschaftsministerium 1970–2010, Wien 2010, 178f. und 185. 792 Ein Maulkorb für Österreichs Hochschulen, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1975) 1–3. 793 Universitäten dürfen sich selbst darstellen. Aber kein Geld für Öffentlichkeitsarbeiter, in: Die Presse, 13. 3. 1982. 794 Interview der Verfasserin mit Dr. Wolf Frühauf am 23. 6. 2021. 795 Forschung über den Tag hinaus, in: Informationsdienst für Wissenschaft und Forschung, 9. 11. 1979; Welan, Ein Diener der Zweiten Republik, 96.
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Wissenschaftsministerin in der Ära Kreisky
wies sie in zahlreichen Beiträgen darauf hin, dass dieses gestiegen sei,796 resümierte aber schlussendlich, dass es nicht gelungen sei, »die alte österreichische Tradition, dass Kunst und Kultur Vorrang von Wissenschaft und Forschung haben, zu ändern. Eine Wende im Denken der Öffentlichkeit zu erreichen, wäre das Ziel«.797
796 Vgl. etwa: Firnberg, Wie sich die Wissenschafts- und Forschungslandschaft Österreichs verändert hat, 4. 797 Wissenschaft ist Zukunftsinvestition, in: Arbeiter-Zeitung, 3. 4. 1982.
7.
Das Leben nach der Politik
Nachdem Hertha Firnberg bereits 1980 angekündigt hatte, dass die laufende Legislaturperiode ihre Letzte sein werde, schied sie nach den Nationswahlen vom 24. April 1983 und der anschließenden Bildung einer Kleinen Koalition von SPÖ und FPÖ aus der Regierung aus. Die neue Koalition war noch von Bruno Kreisky vorbereitet worden, der sich bereits in früheren Jahren eine Zusammenarbeit mit der FPÖ im Falle eines Verlusts der absoluten Mehrheit für die SPÖ hatte vorstellen können.798 Bei der Verabschiedung seiner Regierungsmannschaft Mitte Mai 1983 würdigte Kreisky Hertha Firnberg als erste seines ehemaligen Teams.799 Rosa Jochmann hatte ihr bereits 1982 Rosen gestreut und ihren bevorstehenden Weggang als schweren Verlust für die Partei bezeichnet, der nicht leicht zu kompensieren sein werde.800 In den 1950er Jahren war sie Firnberg – wie bereits ausgeführt wurde – noch kritisch gegenüberstanden und hatte sie später trotzdem als ihre Nachfolgerin an der Spitze der SPÖ-Frauen vorgeschlagen. Neuer Bundeskanzler der am 24. Mai 1983 angelobten Kleinen Koalition wurde Fred Sinowatz, der seit 1971 dem Unterrichtsministerium vorgestanden hatte. Neuer Wissenschaftsminister wurde Heinz Fischer, nachdem von Alois Mock, der seit 1979 ÖVP-Parteiobmann war, im Wahlkampf – wie vorausgeschickt – erneut vorgeschlagen worden war, das Wissenschaftsressort aufzulösen. Für Firnberg, die während ihrer Amtszeit stets für ein eigenständiges Wissenschaftsministeriums eingetreten war und den Mock-Vorschlag auch 1983 zurückwies, blieb der Erhalt des Ressorts auch nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik ein wichtiges Anliegen.801 Mit Heinz Fischer, der ihr Wunsch-
798 Wirth, Christian Broda, 512f. 799 Tagebücher von Josef Staribacher. Digitale Ausgabe. Hg. von Kreisky-Archiv und ACDH, Eintrag vom 18. 5. 1983 (Seite 70–0625), URL: https://staribacher.acdh.oeaw.ac.at//index.h tml (abgerufen: 12. 2. 2021). 800 Bruno Kreisky Archiv, IX. 47 Depositum Wolf Frühauf/Hertha Firnberg, Box 1, Schreiben von Rosa Jochmann an Hertha Firnberg vom 22. 7. 1982. 801 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021.
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nachfolger war,802 hatte sie bereits in den Jahren zuvor eng zusammengearbeitet – war dieser doch nach seiner Tätigkeit als Klubsekretär 1971 in den Nationalrat und 1975 zum geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ gewählt worden. Die Amtsübergabe im Wissenschaftsministerium fand noch am Tag der Angelobung der neuen Regierung statt, wobei Firnberg – wenn sie diesen auch bereits vor längerer Zeit angekündigt hatte – der Abschied aus dem Ministerium schwerfiel.803 In der Folge verhielt sie sich – so Fischer – ihm gegenüber jedoch »mustergültig fair«, »indem sie in den nachfolgenden Jahren fast immer der Versuchung widerstand, öffentlich Ratschläge an ihren Nachfolger zu geben oder seine Maßnahmen zu kommentieren«.804 Als ihre wesentlichen Leistungen bezeichnete Hertha Firnberg (noch als Ministerin und in den Jahren danach) die großen Investitionen, die während ihrer Amtszeit in die Universitäten, Forschung, Bibliotheken und Museen getätigt worden waren, wodurch Österreich den Anschluss an die westliche Welt gefunden habe bzw. seine Wissenschaft und Forschung auch im Ausland ein größeres Ansehen genießen würden. Ferner verwies sie auf ihre Gesetzeswerke – allen voran das Universitäts-Organisationsgesetz 1975 – und die gesetzten Schritte zu einer konzeptiv geplanten Forschungspolitik. Großen Wert legte sie zudem darauf, dass es an den österreichischen Universitäten keinen Numerus Clausus gebe bzw. jeder eine freie Studienwahl habe und dass es gelungen sei, österreichische Wissenschaftler*innen aus dem Ausland zurückzuholen. So war sie auf das »Auslandsösterreicher-Symposium« im Jahr 1972 bis zuletzt besonders stolz.805 Sie räumte aber durchaus selbstkritisch auch ein, dass die Öffnung der Universitäten von den Arbeiterkindern weniger stark als von Kindern anderer Berufsgruppen genutzt worden war, der Mittelbau nicht ihre (hohen) Erwartungen erfüllt habe und hinsichtlich des Forschungsbewusstseins noch weitere Anstrengungen nötig sein würden.806 Insgesamt wertete Firnberg ihre Zeit im Wissenschaftsressort jedoch als »schöne und interessante Zeit«, wenngleich es auch mühsame Phasen gegeben habe.807 Dass sie das machen konnte, was sie
802 »Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985. 803 Fischer, Reflexionen, 323; Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019. 804 Fischer, Reflexionen, 323. 805 Firnberg, Österreich zuliebe, 152. 806 Aufwind für die Wissenschaft, in: 10 Jahre Wissenschaftsministerium. Sonderausgabe des Informationsdiensts für Bildungspolitik und Forschung/Spektrum, Juli 1980, 7f.; Wissenschaft ist Zukunftsinvestition, in: Arbeiter-Zeitung, 3. 4. 1982; »Das ist ein Trauma Mocks«, in: Arbeiter-Zeitung, 2. 4. 1983; Firnberg gründet Frauenklub, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 5. 1983; »Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985; Hertha Firnberg, 1970 bis 1983, in: Die Industrie, 4. 7. 1990. 807 Was wurde eigentlich aus … Hertha Firnberg, in: Kurier, 12. 8. 1983.
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wollte808 bzw. dass sie, die zunächst in die Wissenschaft gehen wollte, mit der Wissenschaftspolitik ein Betätigungsfeld gefunden hatte, das heute »vielleicht interessanter [ist] als Wissenschaft selbst«, bezeichnete sie als großen Gewinn. Nachzuweisen, dass Frauen auch auf schwierigen politischen Gebieten tätig sein können – wie es für Firnberg bei der Übernahme des Wissenschaftsressorts wichtig war – wertete sie als große Befriedigung: »Wenn man keine andere Lebenserfüllung hätte, so wäre das eine«.809 Und auch, dass sie den sozialistischen Frauen »beigebracht hat, dass man sich anziehen muss« und »die Parlamentarierinnen nicht mehr nur in dunkelblauen Kostümen ins Parlament kommen durften« [was fast nach einer offiziellen oder inoffiziellen Kleiderordnung klingt, Anm. MW], wertete sie als einen ihrer »größten Erfolge«,810 wenngleich eine neue Generation von SPÖ-Politikerinnen um Johanna Dohnal oder der Grün-Parteien einen völlig anderen, konträren Kleidungsstil pflegte und Firnbergs stets perfektes, damenhaftes Auftreten ablehnte und kritisierte.811
Abb. 18: Hertha Firnberg und ihre Schwester Trude bei einer Veranstaltung, o. J. Ganz links: Beatrix Eypeltauer
808 809 810 811
»Die Enttäuschung meines Lebens«, in: Die Presse, 28. 12. 1985. Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 168. Wir werden wieder kleinkariert, in: Falter 22 (1991) 9. Interview der Verfasserin mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020.
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Ihr Leben nach dem Ausscheiden aus der Regierung verbrachte sie in Wien, d. h. sowohl im Haus mit ihrer Schwester Trude in Favoriten,812 als auch im Savoy’schen Damenstift in der Johannesgasse im 1. Wiener Gemeindebezirk, das sich im Besitz des Fürsten von Liechtenstein befand und vom Vater Erhard Buseks verwaltet wurde.813 Zudem besaß sie eine Ferienwohnung in niederösterreichischen Gresten, wo gleich mehrere hochrangige SPÖ-Funktionär*innen – darunter Bruno Pittermann oder der ehemalige Polizeipräsident von Wien Josef Holaubek – Ferienwohnungen besaßen,814 und ging, so lange es ihr Gesundheitszustand erlaubte,815 auf Reisen. Generell bereiteten ihr das Reisen, die Mode, das Sammeln von Nippes und ihre geliebten Hunde (in späteren Jahren war es immer ein Mops) Freude.816 Aus dem politischen und öffentlichen Leben zog sich Firnberg weitgehend zurück – wenngleich sie im April 1983 gegenüber der »Arbeiter-Zeitung« noch offengelassen hatte, ob das Ausscheiden aus dem Wissenschaftsministerium ein genereller Abschied von der Politik sein werde.817 Wenn sie zu Veranstaltungen eingeladen oder geehrt wurde – wie es anlässlich ihres 80. Geburtstages 1989 gleich mehrfach der Fall war: durch eine Feier des Wissenschaftsministeriums und eine der Bundesregierung818 – genoss sie dies jedoch sichtlich. Zu den von ihr nach 1983 bekleideten Funktionen gehörte, dass sie von 1983 bis 1985 der Ludwig Boltzmann Gesellschaft vorstand und im November 1983 zur Präsidentin der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft gewählt wurde.819 1984 zog sie zudem in das ORF-Kuratorium ein, ohne jedoch eine spezielle Gruppierung, auch nicht die SPÖ, zu vertreten.820 Zu der von ihr angekündigten Gründung eines Parteien- und Weltanschauung überschreitenden Frauenklubs, in dem Männer mitarbeiten können sollten und in dem »nicht immer nur von Diskriminierung geredet« werden sollte, dürfte es hingegen nicht gekommen sein. Als neues Forum hätte es – so Firnberg 1983 – einerseits zeigen sollen, »dass Frauen nicht unbedingt frustriert sein müssen, dass sie etwas leisten und auch etwas erreichen«. Andererseits hätte es dazu dienen sollen, dass Frauen ihre 812 Vgl. hierzu: Besuch bei einer eleganten Dame, in: Kurier, 8. 10. 1983. 813 Interview der Verfasserin mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019; Interview der Verfasserin mit Dr. Erhard Busek am 9. 11. 2020. 814 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019; Josef Schneeweiß, Keine Führer, keine Götter. Erinnerungen eines Arztes und Spanienkämpfers, Wien 1986, 185. 815 Wir werden wieder kleinkariert, in: Falter 22 (1991) 9. 816 Ebenda; Interview der Verfasserin mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019. 817 »Das ist ein Trauma Mocks«, in: Arbeiter-Zeitung, 2. 4. 1983. 818 Bruno Kreisky Archiv, IX.47 Depositum Wolf Frühauf/Hertha Firnberg, Box 4, Mappe 80. Geburtstag von Hertha Firnberg. Vgl. hierzu auch: Geburtstagsfeier für Firnberg, in: Wiener Zeitung, 19. 9. 1989. 819 Firnberg wird ÖSG-Präsidentin, in: Arbeiter-Zeitung, 19. 11. 1983. 820 Hertha Firnberg zieht ins ORF-Kuratorium ein, in: Die Presse, 23. 6. 1984.
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Erfahrungen präsentieren und ein Bildungsstreben motiviert wird, das nicht nur berufsorientiert ist.821 Das politische Geschehen kommentierte sie nur punktuell und häufig im Rahmen von Interviews zu runden Geburtstagen, indem sie etwa 1987 zum Zustand der neuen Großen Koalition von SPÖ und ÖVP822 oder zur Lage in der SPÖ Stellung bezog.823 Dass die ÖVP im Zuge dieser Regierungsbildung das Wissenschaftsministerium als zu besetzendes Ressort erhielt, sie das als falsch erachtete und es sie schmerzte, thematisierte Firnberg – wohl noch immer der Parteidisziplin verpflichtet – in den Medien nicht. Sie trug es »nicht so nach außen« wie Kreisky es tat, der seinen Ehrenvorsitz in der Partei zurücklegte und fast mit der SPÖ gebrochen hätte, als der ÖVP gleichzeitig auch das Außenministerium überlassen wurde.824 Zum im Oktober 1993 unter Wissenschaftsminister Erhard Busek beschlossenen neuen Universitäts-Organisationsgesetz, das in den Medien als »Zerstörung ihres Lebenswerkes« bezeichnet wurde und ihre zunächst positive Rückschau auf die Zeit im Wissenschaftsministerium wohl getrübt haben dürfte, äußerte sie sich aber sehr wohl.825 Das zentrale Anliegen der Reform war es, die Entwicklung der Universitäten in Richtung »Managementuniversität« und »Wirtschaftsbetrieb« voranzutreiben und ihnen mehr Autonomie zu geben. Wichtige Neuerungen betrafen eine Stärkung der monokratischen Organe (Rektor, Dekane, Institutsvorstände) und eine Zurückdrängung der oftmals als schwerfällig und zeitraubend kritisierten Kollegialorgane auf Fragen strategischer Bedeutung, um »effizientere« Strukturen zu schaffen. Hinzu kam, dass die Universitäten zwar weiterhin Einrichtungen des Bundes waren, sie aber nun unter staatlicher Aufsicht zur autonomen Besorgung ihrer Angelegenheiten befugt waren und die finanzielle Detailsteuerung aufgegeben wurde.826 Mit dem Universitätsgesetz 2002 wurden sie schließlich bei einer nochmaligen Stärkung der monokratischen Organe, vor allem des Rektors in seiner Managementfunktion, und einer weiteren Zu821 Gleichfalls dürfte Firnberg auch nicht – wie angekündigt – den Vorsitz im Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung übernommen haben. Vgl.: Firnberg gründet Frauenklub, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 5. 1983; Historie und Frauen. »Nicht nur die Frustrierten sollen reden«, in: Die Presse, 21. 5. 1983; Schachinger, Hertha Firnberg, 197. 822 Firnberg: Koalition klappt einseitig, in: Kurier, 1. 6. 1987. 823 »Die Parteimoral ist laxer geworden, die öffentliche strenger«, in: AZ-Tagblatt, 16. 9. 1989. 824 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020; Robert Kriechbaumer, Die Ära Kreisky. Österreich 1970–1983, Wien/Köln/Weimar 2006, 307. 825 Trauer um Hertha Firnberg, in: Wiener Zeitung, 16. 2. 1994. 826 Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 480–485; Jürgen Pirker, Die »Zeitenwende« an den österreichischen Universitäten. Umbrüche, Neuerungen und Folgewirkungen des UOG 1993, in: Elmar Schübl / Harald Heppner (Hg.), Universitäten in Zeiten des Umbruchs. Fallstudien über das mittlere und östliche Europa im 20. Jahrhundert, Münster 2011, 107–120.
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rückdrängung bisheriger Mitbestimmungsrechte, in die Vollrechtsfähigkeit entlassen. Der Staat behielt aber die Rechtsaufsicht, die Verantwortung zur Ausstattung mit Liegenschaften und zur Finanzierung und war ab nun über Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten verbunden.827 Für Firnberg ging die Reform 1993 in eine falsche Richtung, da es in der Wissenschaft kein Management gebe, sondern man hier nur versuchen könne, die Verwaltung zu verbessern, was auch ihr Bemühen gewesen sei. Zudem würde das neue Gesetz »eine totale Veränderung in Richtung autoritäres System« bringen.828 Eine Stärkung der universitären Autonomie war zwar bereits in der Reformdiskussion der späten 1960erund 1970er-Jahre ein (allerdings nicht im Vordergrund stehendes) Thema gewesen.829 Sie hatte für Firnberg aber insofern kein Anliegen dargestellt, als sie befürchtete, dass an den Universitäten alles wie gehabt weitergehen würde, wenn diese zu früh allzu viele Freiheiten erhalten würden830 – zumal die Universitäten für sie ja keineswegs »verlässliche Partner« im Sinne ihrer Reform gewesen waren. Und auch die Entwicklung in Richtung privater Universitäten, wie sie per Gesetz 1993 (Fachhochschulen) und 1999 (Privatuniversitäten) möglich wurde,831 lehnte sie ab. Für Firnberg war es »eine der vorzüglichsten Aufgaben des Staates«, Universitäten zu schaffen und zu betreuen. »So wichtige Institutionen« könne man »nicht einfach Privaten übergeben«.832 Ein weiteres Thema, zu dem Firnberg Stellung bezog, war die Frauenbewegung. Dabei zeigte sie sich enttäuscht und kritisierte – ähnlich wie beim geplanten Frauenklub –, dass Klagen und männerfeindliche Äußerungen nichts
827 Vgl. zum Universitätsgesetz 2002: Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 486–492; Peter Stachel, Die Wissenschaftspolitik der Regierungen Schüssel I und II, in: Robert Kriechbaumer / Franz Schausberger (Hg.), Die umstrittene Wende. Österreich 2000– 2006, Wien/Köln/Weimar 2013, 331–363; Robert Rybnicek, Neue Steuerungs- und Managementmethoden an Universitäten. Über Akzeptanz und Problematik unter den Universitätsangehörigen, Wiesbaden 2014; Günther Sandner, Hochschulpolitik, in: Emmerich Tálos (Hg.), Die Schwarz-Blaue Wende in Österreich. Eine Bilanz, Wien 2019, 346–365. Vgl. in diesem Zusammenhang über Österreich hinaus auch: Margit Szöllösi-Janze, »Der Geist des Wettbewerbs ist aus der Flasche!« Der Exzellenzwettbewerb zwischen den deutschen Universitäten in historischer Perspektive, in: Jahrbuch für Universitätsgeschichte 14 (2011) 49– 73; Margit Szöllösi-Janze, Eine Art pole position im Kampf um die Futtertröge. Thesen zum Wettbewerb zwischen Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert, in: Ralph Jessen (Hg.), Konkurrenz in der Geschichte. Praktiken – Werte – Institutionalisierungen, Frankfurt am Main/New York 2014, 317–351. 828 Wir werden wieder kleinkariert, in: Falter 22 (1992) 9; Firnberg mit Buseks UOG gar nicht einverstanden, in: Die Presse, 15. 6. 1993. 829 Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021. 830 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. 831 Perthold-Stoitzner, Hochschulrecht im Strukturwandel, 36–45. 832 »Was ich mir vorgenommen habe, hab’ ich alles durchgezogen.«, in: Uni Aktuell, Herbst 1989.
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bringen würden. Als Frau dürfe man nicht empfindlich sein.833 Als 1993 die sogenannte »Grapsch- und Lutsch-Affäre« die Öffentlichkeit beschäftigte und ihre Reaktion in eine ähnliche Richtung ging, evozierte sie damit in einem ihrer letzten großen Interviews viel Kritik. Nachdem die SPÖ-Abgeordnete Waltraud Schütz publik gemacht hatte, dass ihr Sozialminister Josef Hesoun in den Rückenausschnitt gegriffen hatte und die Grüne Abgeordnete Terezija Stoisits vom ÖVP-Abgeordneten Paul Burgstaller aufgefordert worden war, das Mikrofon in den Mund zu nehmen, sagte Firnberg, dass man als Frau nicht so wehleidig sein dürfe und so eine Angelegenheit untereinander ausmachen müsse. Alles andere würde nur den Frauen schaden, das politische Leben sei »kein Rosenbett«. Auch in ihrer aktiven Zeit sei »gelegentlich etwas vorgekommen«, sie habe das aber immer selbst erledigt.834 Ihrem Bild einer starken Frau entsprach es somit nicht, sexuelle Übergriffe anzusprechen. Gleichfalls behauptete sie, niemals diskriminiert worden sein,835 was (etwa in Hinblick auf ihre Erfahrungen als Studentin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien) sicher nicht stimmte, wenn sie es auch einfacher hatte als andere Frauen ihrer Zeit. Von den emanzipierten Politikerinnen einer jüngeren Generation wurde dies nun aber anders gesehen und beides zum Politikum gemacht. Publizistisch trat Firnberg nur mehr mit wenigen Beiträgen in Erscheinung, nachdem sie im Mai 1983 noch angekündigt hatte, die wissenschaftliche Arbeit wieder aufnehmen zu wollen und sie sich eine Reihe von Studien vorstellen konnte: eine Geschichte der österreichischen Forschungspolitik, eine Erweiterung und Fortsetzung ihres Frauenhandbuchs aus dem Jahr 1967, eine Darstellung der Entwicklung der Frauenpolitik und (anknüpfend an ihre Dissertation) eine Beschäftigung mit Statistik und Soziologie.836 Zu den von ihr nach 1983 erschienenen Publikationen zählen einige kürzere Artikel zum österreichischen Nationalbewusstsein,837 ein statistisch angelegter Beitrag zum Thema Frauen und Forschung838 sowie ein Beitrag über Maria Theresia in einem biografischen Sammelwerk,839 für den Firnberg wohl deswegen angefragt wurde, da sie in 833 »Klagen bringen gar nichts.«, in: Kleine Zeitung, 29. 11. 1987. 834 Das politische Leben ist kein Rosenbett und Getatschel noch keine Katastrophe, in: Der Standard, 20. 10. 1993; Arme Kerle, wehleidige Frauen? (Kommentar der anderen: Terezija Stoisits), in: Der Standard, 23. 10. 1993. 835 Firnberg, »Man muss die Eitelkeit der Männer nutzen«, 162. 836 Hertha Firnberg, Historie und Frauen. »Nicht nur die Frustrierten sollen reden«, in: Die Presse, 21. 5. 1983. 837 Hertha Firnberg, Das österreichische Nationalbewusstsein, in: Die Zukunft 1 (1986) 28–31; Hertha Firnberg, Austrians Found Their Identity, in: Wiener Zeitung, 12. 9. 1986; Hertha Firnberg, Everybody Wanted This State, in: Wiener Zeitung, 19. 9. 1986. 838 Firnberg, Frauen und Forschung. 839 Hertha Firnberg, Maria Theresia, in: Jochen Jung (Hg.), Die großen Österreicher. Einundzwanzig Porträts über ihr Leben und Werk, Salzburg/Wien 1985, 9–25.
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Analogie zur großen Bildungsreformerin des 18. Jahrhunderts als »rote Maria Theresia« bezeichnet worden war.840 Ihr ausführlichster Text stellt eine Geschichte der Zweiten Republik in einer Publikation dar, für die je ein Vertreter/ eine Vertreterin von SPÖ (Firnberg), ÖVP (Fritz Bock) und FPÖ (Wilfried Gredler) eingeladen wurde, die Sicht auf die Entwicklung nach 1945 festzuhalten. Persönliche Erinnerungen sollten dabei inbegriffen sein, fielen bei Firnberg – wie es ihre Art war – aber sehr zurückhaltend aus.841 Eine Autobiografie zu schreiben, lehnte sie – wie einleitend vorausgeschickt wurde – stets ab und begründete dies unterschiedlich: mit der Aussage, dass sie hierfür »zu uninteressant« sei842 oder mit der »Unerheblichkeit des Biografischen, das die Geschichte entwerten würde«,843 was Firnberg als Vertreterin einer struktur- und sozialgeschichtlichen Herangehensweise ausweist. Nach Heinz Fischer war ihre Haltung gegenüber dem Schreiben einer Autobiografie – ähnlich wie bei Rosa Jochmann – jene, dass sie das, was sie schreiben wollte, nicht schreiben konnte und sie das, was sie schreiben konnte, nicht schreiben wollte. Was sie damit ausdrücken wollte, war »dass das, was ihr Leben interessant gemacht hat, gewisse Hintergründe, Enttäuschungen, subjektive Faktoren« nicht das war, worüber sie schreiben konnte und dass sie über das »Routinemäßige«, das ohnehin bekannt war, nicht schreiben wollte.844 Am 14. Februar 1994 verstarb Hertha Firnberg, die über weite Strecken ihres Lebens eine starke Raucherin gewesen war845 und deren Herz immer größere Probleme gemacht hatte, nach einer längeren Krankheit im Hanusch-Krankenhaus in Wien.846 Sie verschied damit nur rund zwei Wochen nach Rosa Jochmann, die am 28. Januar 1994 verstorben war. Jene Person, die in der Zeit im Krankenhaus besonders intensiven Kontakt zu ihr hatte, war Primaria Elisabeth Pittermann, die Tochter ihres alten Parteifreundes Bruno Pittermann.847 Ihr letzter Besucher war Heinz Fischer.848 Auf dem Wiener Zentralfriedhof liegen Hertha Firnberg und Rosa Jochmann heute Seite an Seite in zwei Ehrengräbern.
840 Firnberg gründet Frauenklub, Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 5. 1983. 841 Firnberg, Österreich zuliebe. 842 Firnberg gründet Frauenklub, in: Informationsdienst für Bildungspolitik und Forschung, 19. 5. 1983. 843 Bernold/Blimlinger/Ellmeier, Hertha Firnberg, 46 (FN 94). 844 Interview der Verfasserin mit Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020; Schachinger, Hertha Firnberg, 11. 845 Interview der Verfasserin mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020. 846 Trauer um Grande Dame der Kreisky-Ära, in: Die Presse, 15. 2. 1994; Frau Bundesminister, nicht Frau Ministerin, in: Die Presse, 16. 2. 1994. 847 Interview der Verfasserin mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019. 848 Fischer, Reflexionen, 431f.
8.
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Beinahe 30 Jahre nach ihrem Tod ist Hertha Firnberg in die Geschichtsbücher eingegangen: als jene Frau, die 1970 ein eigenständiges Wissenschaftsministerium aufbaute und als zweite Frau, die in Österreich einem Ministerium vorstand. Sie gilt heute als eine zentrale Trägerin der Modernisierungspolitik in der Ära Kreisky und als eine Persönlichkeit, die nicht zuletzt, weil sie dem Wissenschaftsministerium 13 Jahre vorstand, die Wissenschaftspolitik der Zweiten Republik entscheidend geprägt hat. Ihre Amtszeit stellt gemeinsam mit den späten 1960er-Jahren, die zu ersten Reformen im Universitätswesen und konkreten Schritten zu einer Forschungsförderung geführt haben, die zentrale Aufbruchsphase in der österreichischen Wissenschaftspolitik nach 1945 dar, die sich insbesondere darin zeigte, dass diese erstmals zu einem eigenen (von den Schulen unabhängigen) Aufgabengebiet der Regierung wurde. Die Entwicklung in der Politik, an den Universitäten und in der Forschung ist seit dem Ausscheiden Firnbergs aus dem Wissenschaftsministerium freilich nicht stillgestanden. Das Wissenschaftsministerium hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Bis 1994 existierte ein Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, im selben Jahr kam bis 1997 die Kunst dazu. 1997 wurde ein Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr etabliert, womit Forschungsagenden, die noch aus Zeiten der Verstaatlichen Industrie stammten, mit jenen des Wissenschaftsministeriums zusammengeführt wurden. Im Jahr 2000 wurde das Wissenschaftsministerium dann jedoch erstmals durch ein großes »Bildungsministerium« (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ersetzt, seine Koordinationskompetenz in der Forschung aufgegeben849 und die Forschungsagenden in der Form aufgeteilt, dass die wirtschaftsbezogene Forschung zum Verkehrsministerium und seine Nachfolgeministerien kam, was im Wesentli849 Rupert Pichler, Delegierte Koordination. Zur Koordinationsfunktion intermediärer Organisationen in der österreichischen Forschungsförderung, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 4 (2014) 332.
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chen noch heute so ist. Von 2007 bis 2013 bestand erneut ein Ministerium für Wissenschaft und Forschung, das 2013 von einem Ressort für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und 2019 wiederum von einem großen »Bildungsministerium« (Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung) abgelöst wurde.850 Das Ministerium hat somit – sowohl was die Bezeichnung als auch die Kompetenzen betrifft – eine Vielzahl von Veränderungen hinter sich. Dass es ein Ministerium gibt, das in seinem Namen die Wissenschaft führt, ist seit Firnberg jedoch zum Standard geworden und etwas, das von ihr geblieben ist.851 Die Aufmerksamkeit, die Wissenschaft und Forschung in einem großen Bildungsministerium inklusive dem viel größeren Schulbereich geschenkt werden kann, ist freilich eine deutlich Geringere, was 1970 auch ein wichtiges Motiv für die Gründung eines eigenen Wissenschaftsressorts war. Gleichfalls haben sich die universitäre Landschaft und das Universitätsrecht verändert, was Hertha Firnberg nach ihrem Abgang aus der Politik teilweise noch miterlebte. Neben die staatlichen Universitäten sind Fachhochschulen und Privatuniversitäten getreten, und auch die bestehenden Universitäten wurden aufbauend auf den Investitionen der Ära Kreisky erweitert. Das Universitäts-Organisationsgesetz 1975, das oftmals als »Hauptwerk« Firnbergs bezeichnet wird, wurde erst durch das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten 1993 und dann durch das Universitätsgesetz 2002 abgelöst. Die Firnberg’sche Reform, zu der eine ganze Bibliothek an Publikationen erschienen ist, polarisiert in der retrospektiven Betrachtung ob seiner Mitbestimmungsregelungen noch immer: Während die einen in ihr einen wichtigen Schritt zur Demokratisierung der Universitäten sehen, verbinden sie die anderen mit fehlender Effizienz und Flexibilität, aber auch einer zu starken Bindung der Universitäten ans Ministerium.852 Eine kontroverse Diskussion ist jedoch nicht nur mit dem UniversitätsOrganisationsgesetz 1975, sondern auch mit den ihm nachfolgenden Gesetzen verbunden. Nachdem das Hochschul-Organisationsgesetz 1955 noch ohne größere Auseinandersetzung und Aufmerksamkeit verabschiedet worden war, verhielt sich dies 1975, 1993 und 2002 anders. Selbst Kritiker*innen am UniversitätsOrganisationsgesetz 1975 müssen diesem jedoch attestieren, dass es – bei allen Unzulänglichkeiten, die an ihm festgemacht wurden – »einen frischen Wind« in die verkrusteten Universitätsstrukturen brachte853 und dass es – wenn auch nicht so wie von Firnberg erhofft – zu einem größeren Interesse bzw. zu einer größeren
850 851 852 853
Wolf Frühauf, Aufbruch in die Zukunft, in: Wiener Zeitung, 1. 9. 2020. Interview der Verfasserin mit Dr. Erhard Busek am 3. 11. 2020. Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 479f. Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021.
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Anteilnahme von Studierenden und Mittelbau am universitären Geschehen beigetragen hat.854 Die Studierendenzahlen sind weiter angestiegen, womit die Diskussion über Zugangsbeschränkungen und die Frage, wie mit der großen Anzahl an Studierenden umzugehen ist, geblieben ist. Nachdem 2001 Studiengebühren eingeführt und 2008 bzw. 2012 wieder abgeschafft wurden, besteht heute im Wesentlichen wieder der freie Hochschulzugang,855 wenngleich das Studium von besonders stark frequentierten Fächern (wie zum Beispiel der Medizin) auch mit Aufnahmeprüfungen verbunden ist. Grundsätzlich ist der offene Hochschulzugang – wie es Firnberg stets wichtig war und als »Erbe« ihrer Amtszeit angesehen werden kann – somit als »soziale Dimension« erhalten geblieben.856 Der Andrang der Frauen zum Studium, der in den 1960er- und dann vor allem in den 1970erJahren verstärkt einsetzte, hat sich fortgesetzt. Mit über 50 Prozent der Studierenden haben die Studentinnen mittlerweile ihre Kollegen überholt. Im Bereich der Professuren gibt es aber noch immer deutlich »Luft nach oben«. Die in den 1990er-Jahren eingeführten und über den FWF abgewickelten Förderprogramme für Frauen, wurden inzwischen teilweise – wie das nach Hertha Firnberg benannte Programm für Wissenschaftlerinnen am Beginn der akademischen Karriere – aufgelöst bzw. in neue Programme integriert.857 Die Diskussion darüber, dass die universitären Bildungsmöglichkeiten wirklich von allen sozialen Schichten genützt werden sollen und können, ist ins Hintertreffen geraten. Soziale Benachteiligungen im Bildungsbereich sind nach wie vor gegeben und wurden zuletzt auch im Nationalen Bildungsbericht 2021 thematisiert.858 Eine Einladungspolitik an »bildungsferne Schichten« – wie sie von der Regierung Kreisky betrieben wurde – fehlt heute jedoch.859
854 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 21. 1. 2020; Reiter-Zatloukal, Restauration – Fortschritt – Wende, 480. 855 2008 wurde das Studium innerhalb der Mindeststudiendauer samt zwei Toleranzsemestern von Gebühren befreit. Nachdem dies für verfassungswidrig erklärt worden war, konnte sich die Regierung nicht auf eine Neuregelung einigen. Einige Unis erhoben autonom Gebühren. Ende 2012 trat die Regelung von 2008 im Wesentlichen wieder in Kraft. 856 Schriftliche Mitteilung von Dkfm. Dr. Hannes Androsch vom 10. 9. 2021. 857 Das Elise Richter-Programm befindet sich derzeit nicht in Auflösung – wenn auch hier eine Umstrukturierung angekündigt worden war. Vgl. hierzu ausführlich: Wirth, Hertha Firnberg sowie Programme zur Stärkung des Wissenschaftssystems, URL: https://www.fwf.ac.a t/de/forschungsfoerderung/fwf-programme (abgerufen: 10. 1. 2022). 858 Vgl.: Bildungsbericht: Soziale Herkunft bestimmt weiterhin Schullaufbahn, in: Der Standard, 30. 12. 2021 (online), URL: https://www.derstandard.at/story/2000132229096/bildungs bericht-soziale-herkunft-bestimmt-weiterhin-schullaufbahn (abgerufen: 3. 1. 2022). 859 Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021. Vgl. aktuell zur Thematik: Günther Sandner / Boris Ginner (Hg.), Emanzipatorische Bildung. Wege aus der sozialen Ungleichheit, Wien/Berlin 2021.
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In der Forschungspolitik haben sich nicht nur durch die genannten Kompetenzänderungen in der Bundesregierung Änderungen ergeben. Auch durch den EU-Beitritt 1995 haben sich die Rahmenbedingungen, Möglichkeiten und Herausforderungen gewandelt. Hinzu kamen neue rechtliche Regelsysteme sowie eine Reihe neuer Institutionen und Förderinstrumente, wie der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die anstelle des FFF und weitere Förderagenturen trat, während andere abgeschafft wurden. So wurde etwa die von Firnberg aufgebaute und ständig ausgeweitete Auftragsforschung des Ministeriums um 2000 aufgelöst,860 nachdem an dieser zuletzt immer stärker eine fehlende Transparenz hinsichtlich Begutachtung, Auswahl und Mittelvergabe kritisiert worden war.861 Und auch die außeruniversitäre Forschung, die in Firnbergs Denken eine wichtige Rolle bei einer inhaltlichen Erneuerung der österreichischen Wissenschaft gespielt hatte, wurde in den 2000er-Jahren massiv zurückbaut, was sich etwa bei der Ludwig Boltzmann Gesellschaft in der Form zeigte, dass an die Stelle vieler (138) Kleininstitute wenige (18) Großinstitute traten.862 Die Frage der Koordinierung und wer diesbezüglich welche Agenden haben soll, blieb nach 1983 ein Dauerthema in der Forschungspolitik.863 Und auch hinsichtlich einer Steigerung des Forschungsbewusstseins wurden nach dem Ausscheiden Firnbergs aus der Politik weitere Initiativen gesetzt. Dazu gehören etwa die Einrichtung von Außeninstituten an den Universitäten 1989, um die Beziehung und Information nach außen zu professionalisieren, die Veranstaltung der »Science Week« oder ab 2005 der »Langen Nacht der Forschung«.864 Aktuelle Eurobarometer-Umfragen – wie eine Erhebung aus dem Jahr 2021 – zeigen jedoch, dass die Wertschätzung für die Wissenschaft in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern nach wie vor gering ist. Dass die große Wissenschaftsskepsis, -ignoranz oder -ablehnung konkrete Ausdrucksformen annehmen kann, wurde während der Corona-Pandemie in einer geringeren Bereitschaft zur Impfung bzw. sogar Impfverweigerung deutlich.865 Das von Firnberg angesprochene Ziel, »eine Wende im Denken der Öffentlichkeit zu erreichen«, ist somit noch immer aktuell.866 Dass eine Stärkung des Forschungsbewusstseins ein wichtiges Element und Ziel der Wissenschaftspolitik sein muss, bleibt ein wichtiges Vermächtnis von ihr. Gleiches gilt für den Um860 861 862 863 864 865
Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 237. Ebenda, 236f. Bergmann-Pfleger/Hachleitner, 60 Jahre Ludwig Boltzmann Gesellschaft, 39–45. Vgl. hierzu ausführlich: Pichler, Delegierte Koordination. Hüffel, Wissenschaft braucht Öffentlichkeit!, 179f. Klaus Taschwer, Österreichs fatale Wissenschaftsskepsis, in: Der Standard, 10. 11.2021 (online), URL: https://www.derstandard.at/story/2000131037835/oesterreichs-fatale-wissenschaftsskepsis (abgerufen: 3. 1. 2022). 866 Klaus Taschwer, Forschung – wos brauch ma des?, in: Der Standard. Forschung Spezial, 26. 5. 2021.
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stand, dass Österreich mit den während ihrer Amtszeit getätigten Investitionen in der Forschung die Gruppe der »Entwicklungsländer« verlassen und zur zweiten Liga der Industrieländer aufschließen konnte.867
Abb. 19: Treffen von Unterrichts- und Wissenschaftsminister*innen anlässlich des 80. Geburtstages von Theodor Piffl-Percˇevic´ 1991. Von links nach rechts: Helmut Zilk, Heinz Fischer, Alois Mock, Theodor Piffl-Percˇevic´, Hans Tuppy, Hertha Firnberg, Erhard Busek, Rudolf Scholten
Ihren Weggefährt*innen ist Hertha Firnberg – wenn auch unterschiedliche Sichtweisen in einzelnen Punkten bestehen können – als Person in Erinnerung geblieben, die ein echtes Interesse an der Wissenschaftspolitik hatte, einen großen Einsatz für ihr Ressort zeigte,868 und ihr Amt mit Leidenschaft ausübte. Wie Erhard Busek anlässlich ihres 80. Geburtstages formulierte, hat sie stets »für die Politik« und nicht »von der Politik« gelebt.869 Gleichfalls wird sie von Zeitzeug*innen als eine Person erinnert, die nie eine »graue Politikerin« oder Technokratin war, sondern die sich mit ihrem Auftreten und ihrem Habitus von anderen Politiker*innen unterschieden hat. In der Retrospektive ist »die Firn867 Pichler/Stampfer/Hofer, Forschung, Geld und Politik, 197. 868 Interview der Verfasserin mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 21. 1. 2020; Interview der Verfasserin mit Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021; Interview der Verfasserin mit Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021. 869 Geburtstagsfeier für Firnberg, in: Wiener Zeitung, 19. 9. 1989.
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berg« für sie eine Frau, die ein großes Selbstbewusstsein ausstrahlte, die sich ihren Platz in der männlich dominierten Politik und Wissenschaft nahm und sich Respekt verschaffen konnte.870 Der Name Hertha Firnberg ist für viele daher mit der Erinnerung an eine »starke Ministerin« verbunden,871 mit der es – so »Die Presse« im Jahr 1985 – als Leiterin des Wissenschaftsressorts nie langweilig geworden war und die nun, nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministerium, »vielen fehlen« würde.872
870 Vgl. hierzu etwa: Sigurd Höllinger, Fenster auf an den hohen Schulen, in: Die Presse, 30. 7. 2020. 871 Interview der Verfasserin mit Dr. Raoul Kneucker am 19. 3. 2021. 872 »Die Enttäuschung meines Lebens«. Warum Hertha Firnberg vielen fehlt, in: Die Presse, 28. 12. 1985.
Dank
Die Basis für die vorliegende Publikation bildete die vom Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank geförderte Studie »Hertha Firnberg – eine wissenschaftspolitische Biografie«, die von 2019 bis 2021 am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien entstanden ist. Mein Dank gilt daher in erster Linie dem Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank und dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien bzw. insbesondere Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb, ohne deren Unterstützung dieses Projekt nicht hätte durchgeführt werden können. Bei Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb möchte ich mich zudem dafür bedanken, dass er meine Arbeit in seine Schriftenreihe »Zeitgeschichte im Kontext« aufgenommen hat. Seitens der im Zuge meiner Recherchen konsultierten Archive und Institutionen danke ich Jennifer Karl MA, Stefan Mach MA, Mag. Roman Eccher, Dr. Susanne Kühberger, Dieter Lautner (Österreichisches Staatsarchiv), Dr. Susanne Fritsch-Rübsamen (Wiener Stadt- und Landesarchiv), Torsten Zarwel und Daniela Kraus (Deutsches Bundesarchiv Berlin), Mag. Susanne Uslu-Pauer und Irma Wulz, BA (Israelitische Kultusgemeinde Wien), Mag. Stephan Roth (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes), Mag. Peter HauerPawlik (SOWIDOK in Arbeiterkammer Wien), Dr. Florian Wenninger (Institut für historische Sozialforschung), Alexander Schwab, Elfriede Pokorny, Dr. Georg Spitaler (Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung), Mag. Maria Steiner (Kreisky Archiv), Dr. Anna Vukan (Archiv des BSA), Mag. Thomas Maisel, Dr. Ulrike Denk, Mag. Barbara Bieringer (Universitätsarchiv Wien), Dr. Johannes Koll und Regina Zodl (Archiv der Wirtschaftsuniversität Wien), Dr. Wolfgang Reder und MMag. Andreas Reichl (Archiv der Johannes Kepler Universität Linz), Dr. Barbara Litschauer (Institut für Wissenschaft und Kunst), Dr. Jürgen Busch und Dr. Katharina Bergmann (Ludwig Boltzmann Gesellschaft), Mag. Christiane Schwaiger (Europäisches Forum Alpbach), Herbert Fröhler (Wirtschaftskammer Österreich), Dr. Inge Unfried und Mag. Ingrid Ladner (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung), Dr. Johannes Schönner (Karl von Vogelsang Archiv), Dr. Christian H. Stifter (Österreichisches Volkshochschularchiv), Mag.
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Dank
Herbert Hayduck, Ruth Stifter-Trummer und Kurt Schmutzer (ORF-Archiv), Dr. Karin Schneider (Parlamentsarchiv) und Mag. Michaela Pfundner (Österreichische Nationalbibliothek/Bildarchiv). Desgleichen möchte ich mich bei meinen Interviewpartner*innen dafür bedanken, dass sie bereit waren, mit mir ihr Wissen und ihre Erinnerungen an Hertha Firnberg zu teilen: Vizekanzler a.D. Bundesminister a.D. Dkfm. Dr. Hannes Androsch, Vizekanzler a.D. Bundesminister a.D. Dr. Erhard Busek (†), Ing. Paul und Dagmar Firnberg, Bundespräsident a.D. Bundesminister a.D. Dr. Heinz Fischer, Sektionschef a.D. Dr. Wolf Frühauf, Anna Elisabeth Haselbach, Sektionschef a.D. Dr. Sigurd Höllinger, Sektionschef a.D. Dr. Raoul Kneucker, Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller, Dr. Elisabeth Pittermann, Dkfm. Dr. Margarethe Pompl, Sektionschef a.D. Dr. Norbert Rozsenich, Dr. Edith StumpfFischer und Dr. Eva Knollmayer sowie Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan. Die geführten Gespräche haben für mich wesentlich dazu beigetragen, Hertha Firnberg als Mensch und Politikerin besser kennenlernen zu können. Ing. Paul und Dagmar Firnberg sowie Sektionschef a.D. Dr. Wolf Frühauf waren zudem so großzügig, mich mit Unterlagen aus ihren Archiven zu unterstützen.873 Für einen Gedanken- und Materialaustausch in unterschiedlichen Phasen meiner Arbeit möchte ich Dr. Barbara Sauer, Dr. Ilse Reiter-Zatloukal, Dr. Veronika Duma, Dr. Marion Wittfeld, Dr. Michaela Raggam-Blesch, Dr. Herbert Posch, Dr. Alexander Pinwinkler, Dr. Erich Landsteiner sowie Dr. Thomas König, Dr. Rupert Pichler, Dr. Petra Mayrhofer, MMag. Andreas Huber, Dr. Klaus Taschwer und Dr. Johannes Feichtinger meinen Dank aussprechen. Dr. Ingrid Böhler hat meine Arbeit über Hertha Firnberg besonders intensiv begleitet und mir in zahlreichen Gesprächen wichtige Anregungen und moralische Unterstützung gegeben, als Corona bedingt ein Forschen nur schwer möglich war. Dr. Christoph Mentschl, Dr. Paulus Ebner, Dr. Ina Markova, Andreas Prentner MA und Mag. Agnes Meisinger danke ich dafür, dass sie das Manuskript nach seiner Fertigstellung einer kritischen Durchsicht unterzogen haben. Sie haben viel Zeit in die Lektüre des Textes investiert und dem Manuskript damit seinen letzten Schliff verpasst. Mag. Agnes Meisinger danke ich zudem für die Unterstützung bei der Buchproduktion im Rahmen der Reihe »Zeitgeschichte im Kontext« und Oliver Kätsch für die gute Zusammenarbeit mit V&R unipress.
873 Diese Unterlagen wurden wie – eingangs festgehalten wurde – mittlerweile dem Bruno Kreisky Archiv übergeben.
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Archive / Bestände / Schnittsammlungen
Arbeiterkammer für Niederösterreich (AKNÖ) Arbeiterkammer für Wien, SOWIDOK (Sozialwissenschaftliche Dokumentation) Archiv des Bundes Sozialistischer Akademiker (BSA) Archiv der Universität Freiburg (UAF) Archiv der Universität Wien (UAW) Archiv Ing. Paul Firnberg Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien Archiv des Instituts für Wissenschaft und Kunst (IWK) Bruno Kreisky Archiv Bundesarchiv (BA) Berlin Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) Gemeindeamt Niederrußbach Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien: Trend-Profil-Archiv Johanna Dohnal Archiv (im Bruno Kreisky Archiv) Niederösterreichisches Landesarchiv (NÖLA) ORF-Archiv Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA) Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Archiv der Republik (AdR): Bestände ZNsZ (Zivilakten NS-Zeit), DWM (Deutsche Wehrmacht), BMLV (Bundesministerium für Landesverteidigung), BMU (Bundesministerium für Unterreicht), BKA (Bundeskanzleramt) Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA) Österreichisches Volkshochschularchiv Parlamentsarchiv Stenographische Protokolle des Bundesrats (StPBR) Stenographische Protokolle des Nationalrats (StPNR) Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung (VGA) Wienbibliothek: Tagblattarchiv Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) Wirtschaftskammer Wien: Schnittsammlung
Interviews
Interview mit Dr. Trautl Brandstaller und Dr. Heinrich Keller am 30. 1. 2020 Interview mit Vizekanzler a.D. Bundesminister a.D. Dr. Erhard Busek (†) am 9. 11. 2020 Interview mit Ing. Paul und Dagmar Firnberg am 3. 2. 2020 Interview mit Bundespräsident a.D. Bundesminister a.D. Dr. Heinz Fischer am 13. 10. 2020 Interview mit Sektionschef a.D. Dr. Wolf Frühauf am 20. 5. 2019, 29. 11. 2019, 8. 9. 2020, 9. 6. 2021 und 23. 6. 2021 Interview mit Anna Elisabeth Haselbach am 7. 11. 2019 Interview mit Sektionschef a.D. Dr. Sigurd Höllinger am 15. 2. 2021 Interview mit Sektionschef a.D. Dr. Raoul Kneucker am 8. 3. 2021 und am 19. 3. 2021 Interview mit Dr. Elisabeth Pittermann am 2. 12. 2019 Interview mit Dkfm. Dr. Margarethe Pompl am 31. 10. 2019 Interview mit Sektionschef a.D. Dr. Norbert Rozsenich am 15. 3. 2021 Interview mit Dr. Edith Stumpf-Fischer und Dr. Eva Knollmayer am 4. 3. 2019 Interview mit Univ.-Prof. Dr. Manfried Welan am 24. 1. 2020 Anstatt eines Interviews: Schriftlich beantworteter Fragenkatalog von Vizekanzler a.D. Bundesminister a.D. Dkfm. Dr. Hannes Androsch, Mitteilung per Mail vom 10. 9. 2021
Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg
Hertha Hon-Firnberg, Lohnarbeiter und freie Lohnarbeit im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit. Ein Beitrag zur Geschichte der agrarischen Lohnarbeit in Deutschland (Veröffentlichungen des Seminars für Wirtschafts- und Kulturgeschichte an der Universität Wien 11), Wien/Leipzig 1935. Hertha Firnberg, Österreichische Jugendprobleme – wie sie der Bevölkerungsstatistiker sieht, in: Die Zukunft 7 (1951) 193–195. Hertha Firnberg, Die soziale Herkunft der niederösterreichischen Studierenden an Wiener Hochschulen (Der niederösterreichische Arbeiter 3), Wien 1951. Hertha Firnberg, Wert und Unwert der Statistik, in: Der Sozialistische Akademiker 6 (1952) 4–6. (Hertha Firnberg,) Österreichs Akademikerinnen in Zahlen. Ein Beitrag der Frauensektion im BSA, zusammengestellt von Hertha Firnberg, in: Der Sozialistische Akademiker 7/8 (1953) 3–7. Hertha Firnberg, Die Entwicklung der Frauenarbeit in Österreich zwischen 1934 und 1951, in: Die Zukunft 4 (1953) 101–103. Hertha Firnberg, Bevölkerungspolitische Probleme, in: Die Zukunft 8/9 (1953) 256–258. Hertha Firnberg, Österreich in Bild und Zahl, in: Die Zukunft 8/9 (1953) 266. Hertha Firnberg, Die Kriminalität in Österreich, in: Die Zukunft 10 (1953) 298–299. Hertha Firnberg, Berufslaufbahn und Berufsschicksale niederösterreichischer Arbeiter (Untersuchungen über Berufsprobleme der niederösterreichischen Arbeiterschaft in Gegenwart und Vergangenheit 3/Der niederösterreichische Arbeiter 4), Wien 1954. Hertha Firnberg, Inventur im Kleiderkasten. Erhebung über Bestand u. Bedarf an Bekleidung u. Wäsche in Wiener Arbeitnehmerhaushalten, Wien 1954. Hertha Firnberg, Neues aus der Statistik, in: Die Zukunft 5 (1954) 156–158. Hertha Firnberg, Die Sozialstruktur des akademischen Nachwuchses, in: Der Sozialistische Akademiker 7/8 (1955) 2–4 und 9 (1955) 2–4. Hertha Firnberg / Gustav Otruba / Ludwig Siegfried Rutschka, Ausgewählte Dokumente und statistische Materialien zur historischen Entwicklung und gegenwärtigen Struktur (Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Niederösterreichs von der industriellen Revolution bis zur Gegenwart 2), Wien 1957. Hertha Firnberg, Bericht der sozialstatistischen Arbeitsgemeinschaft, in: Institut für Wissenschaft und Kunst (Hg.), Die Großstadt Wien als Lebensstätte der Wiener. Ein
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Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg
Hertha Firnberg, Die Hochschulpolitik seit 1970, in: Österreichische Hochschulzeitung 1 (1974) 4–6. Hertha Firnberg, Vorwort, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Österreichisches Energieforschungskonzept, Wien 1975, 5–8. Hertha Firnberg, Der Sozialdemokrat, in: Johannes Kunz (Hg.), Die Ära Kreisky. Stimmen zu einem Phänomen, Wien/München/Zürich 1975, 38–65. Hertha Firnberg, Wissenschaftspolitik als zentrales gesellschaftliches Anliegen. Das 1970 neuerrichtete Ministerium stellt die Weichen für die Zukunft unseres Landes, Wien 1975. Hertha Firnberg, Gleichberechtigt aber nicht gleichwertig, in: Der Sozialistische Akademiker 6/7 (1975) 2–5. Hertha Firnberg, Weichenstellung in die Zukunft. Fünf Jahre sozialistische Wissenschaftspolitik, in: Der Sozialistische Akademiker 10 (1975) 5–7. Hertha Firnberg, Wissenschaftspolitik im Wandel, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Idee und Wirklichkeit. 30 Jahre Europäisches Forum Alpbach, Wien/New York 1975, 17–32. Hertha Firnberg, Zum Internationalen Jahr der Frau 1975, in: Zeitgeschichte 6 (1974/1975) 133–134. Hertha Firnberg, Der Bürger und die Wissenschaft, in: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 3 (1976) 68–74. Hertha Firnberg, Zur Problematik von Politik und Wissenschaft, in: Michael Neider (Hg.), Festschrift für Christian Broda, Wien 1976, 7–15. Hertha Firnberg, Ein Anfang von Gestalt für Österreich. Ansprache anlässlich der Geburtstagsfeier für Dr. Bruno Kreisky am 21. 1. 1976, Wien 1976. Hertha Firnberg, Rede anlässlich der Jahresversammlung 1976 des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, in: zeitgeschichte 8 (1975/1976) 247–251. Hertha Firnberg, Geleitwort, in: Edith Rigler, Frauenleitbild und Frauenarbeit in Österreich. Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, Wien 1976, 7–8. Hertha Firnberg, Sozialwissenschaftliche Forschung in Österreich, in: Gesellschaft und Politik 1 (1976) 49–53. Hertha Firnberg, Warum ich in der Österr. Hochschulzeitung schreibe, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1976) 3. Hertha Firnberg, Forschungspolitik im Wandel, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1976) 5. Hertha Firnberg, UOG – Reform unserer Universitäten, in: Österreichische Hochschulzeitung 7 (1976) 5. Hertha Firnberg, Kritisches zur Kritik an der Berufungspolitik, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1976) 5. Hertha Firnberg, Forschungspolitik aktuell, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1976) 7. Hertha Firnberg, Grenzen der Beratung für Studium und Beruf, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1976) 5. Hertha Firnberg, Die OECD zu Österreichs Hochschulen, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1976) 5.
Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg
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Hertha Firnberg, Überlegungen zum Thema Freiheit und Wissenschaft, in: Otto Molden (Hg.), Zu den Grenzen der Freiheit. Europäisches Forum Alpbach 1976, Wien/München/Zürich/Innsbruck 1977, 29–33. Hertha Firnberg, Zur Diskussion mit der Rektorenkonferenz, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1977) 5. Hertha Firnberg, Forschungsorganisation im Interesse aller, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1977) 7–8. Hertha Firnberg, Neue Aktivitäten der Studien- und Berufsförderung, in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1977) 5. Hertha Firnberg, Zur Frage der sogenannten Akademikerarbeitslosigkeit, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1977) 5. Hertha Firnberg, Zwei Jahre der UOG-Praxis, in: Österreichische Hochschulzeitung 6/7 (1977) 5. Hertha Firnberg, Vorbereitungslehrgänge und Studienberechtigung, in: Österreichische Hochschulzeitung 7 (1977) 3. Hertha Firnberg, Hochschulzugang in Österreich, in: Österreichische Hochschulzeitung 8 (1977) 5. Hertha Firnberg, Hochschulzugang in Österreich, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1977) 5. Hertha Firnberg, Forschungsgespräch in Alpbach, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1977) 7. Hertha Firnberg, Mehr Raum für die Hochschulen, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1977) 6–7. Hertha Firnberg, Hochschulbudget 1978, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1977) 3. Hertha Firnberg, Vorwort, in: Ernst Zaruba, Das Instrument des Forschungsauftrages in der österreichischen Rechtsordnung und Forschungspolitik, Wien/New York 1978, 5–6. Hertha Firnberg, Wissenschaft – Konflikt – Ordnung, in: Otto Molden (Hg.), Europäisches Forum Alpbach 1977, Wien/München/Zürich/Innsbruck 1978, 18–20. Hertha Firnberg, Die Frau in der sozialistischen Arbeiterbewegung (1900–1938). Eröffnungsreferat zur 14. Internationalen Tagung der Historiker der Arbeiterbewegung in Linz, 13. September 1978, in: zeitgeschichte 2 (1978) 47–55. Hertha Firnberg, Die Frau im Beruf (Einführungsreferat), in: Der Sozialistische Akademiker 7 (1978) 20–22. Hertha Firnberg / Fred Sinowatz / Karl Blecha, Kultur, die wir meinen. Wissenschaft, Bildung, Kultur und das neue Parteiprogramm (Zeitdokumente 16), Wien 1978. Hertha Firnberg, Demokratisierung von Wissenschaft und Forschung. Referat am BSABundestag 1978, in: Der Sozialistische Akademiker 5/6 (1978) 2–7. Hertha Firnberg, Zur Frage der Studienwahl, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1978) 7. Hertha Firnberg, Das UOG-Bibliothekswesen, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1978) 7. Hertha Firnberg, UOG-Novelle, in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1978) 7. Hertha Firnberg, Studentenzahlen, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1978) 7. Hertha Firnberg, Neue Form des Universitätszuganges, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1978) 7.
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Schriftenverzeichnis von Hertha Firnberg
Hertha Firnberg, Budgetautonomie und Budgethoheit, in: Österreichische Hochschulzeitung 7/8 (1978) 9. Hertha Firnberg, Für die Bildungschancen der Jugend, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1978) 7. Hertha Firnberg, Großgeräte – Datenbank in Erprobung, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1978) 7. Hertha Firnberg, Das Hochschulbudget 1979, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1978) 5. Hertha Firnberg, Zur Rolle der Sozialwissenschaften in der österreichischen Wissenschaftspolitik: Das Anwendungsdefizit der Soziologie, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 1 (1979) 4–10. Hertha Firnberg, Eröffnungsvortrag, in: Otto Molden (Hg.), Wissen und Macht. Europäisches Forum Alpbach 1978, Wien/München/Zürich/Innsbruck 1979, 15–18. Hertha Firnberg, Eröffnungsansprache: Wissenschaftliche Forschung und gesellschaftliche Zukunft, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Symposium: Wissenschaftliche Forschung und gesellschaftliche Zukunft, Wien 1979, 5–7. Hertha Firnberg, Rede von Frau Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Hertha Firnberg gehalten in der Generaldebatte der UN-Konferenz über Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung, am 22. August 1979, in: Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik 3 (1979) 217–219. Hertha Firnberg, Wie sich die Wissenschafts- und Forschungslandschaft Österreichs verändert hat, in: Der Sozialistische Akademiker 3/4 (1979) 3–5. Hertha Firnberg, 1979: UN-Konferenz für Wissenschaft und Technologie, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1979) 9. Hertha Firnberg, Studienförderung, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1979) 7. Hertha Firnberg, Hochschule und Öffentlichkeit, in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1979) 5. Hertha Firnberg, Zielrichtung Innovation, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1979) 9. Hertha Firnberg, Innovation in Hochschule und Studium, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1979) 7. Hertha Firnberg, »Bewusstseinsspaltung« oder sind das unsere Sorgen?, in: Österreichische Hochschulzeitung 7/8 (1979) 9. Hertha Firnberg, Latein als Voraussetzung, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1979) 7. Hertha Firnberg, Wissenschaft als Weltmaßstab, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1979) 7. Hertha Firnberg, 10 Jahre EDV-Planung im Wissenschaftsbereich, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1979) 11. Hertha Firnberg, Freiheit und Verantwortung der Wissenschaft, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1979) 7. Hertha Firnberg, Die Frau in den 80er Jahren, in: Der Sozialistische Akademiker 11/12 (1980) 3–4. Hertha Firnberg, An der Schwelle der achtziger Jahre, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1980) 5. Hertha Firnberg, Neue Wege in der Studienförderung, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1980) 7.
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Hertha Firnberg, Das Kunsthochschul-Studiengesetz, in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1980) 7. Hertha Firnberg, »Massenuniversität«?, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1980) 7. Hertha Firnberg, Assistenten, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1980) 7. Hertha Firnberg, Studienreform konkret, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1980) 7. Hertha Firnberg, Studienbeginn – Studienentscheidung, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1980) 7. Hertha Firnberg, Universität und Öffentlichkeit, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1980) 25. Hertha Firnberg, Universität und Öffentlichkeit (II), in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1980) 7. Hertha Firnberg, Der Mensch in der unvollkommenen Gesellschaft, in: Otto Molden (Hg.), Der Mensch in der unvollkommenen Gesellschaft. Europäisches Forum Alpbach 1980, Wien/Zürich/München/Innsbruck 1981, 18–21. Hertha Firnberg (Hg.), Studieren in Österreich. Ein Leitfaden für den Universitäts- und Hochschulbesuch, Wien 1981. Hertha Firnberg, Forschungspolitik für morgen, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Aspekte und Perspektiven: Wissenschaft und Forschung im neuen Jahrzehnt, Wien 1981, 7–16. Hertha Firnberg, Das Anwendungsdefizit der Soziologie. Vorwort zur Rolle der Sozialwissenschaften in der österreichischen Wissenschaftspolitik, in: Karin Korr / Max Haller / Hans-Georg Zilian, Sozialwissenschaftliche Forschung in Österreich. Produktionsbedingungen und Verwertungszusammenhänge (Gesellschaftswissenschaftliche Studien 7), Wien 1981, V–XXII. Hertha Firnberg, Forschungskonzeption der achtziger Jahre, in: Der Sozialistische Akademiker 5/6 (1981) 2–6. Hertha Firnberg, Zu aktualisierten Fragen, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1981) 7. Hertha Firnberg, Plädoyer für eine Europäische Wissenschaftspolitik, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1981) 7. Hertha Firnberg, ÖH-Wahl 1981: Wahlrecht nützen!, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1981) 7. Hertha Firnberg, Studieren in Österreich. Information und Beratung – eigene Entscheidung aber wohl überlegen, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1981) 7. Hertha Firnberg, Innovation und Wissenschaft, in: Österreichische Hochschulzeitung 7/8 (1981) 9. Hertha Firnberg, Forschung wieder zur Volksschule?, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1981) 5. Hertha Firnberg, Das schönste Gesetz hilft, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1981) 7. Hertha Firnberg, Budget 1981. Vorrang von Wissenschaft und Forschung, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1981) 7. Hertha Firnberg, Mobilität in Europa, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1981) 9. Hertha Firnberg, Die Frau in der sozialistischen Arbeiterbewegung Österreichs 1900–1938, in: Ernest Bornemann (Hg.), Arbeiterbewegung und Feminismus. Berichte aus vierzehn Ländern, Frankfurt/Main 1982, 81–87.
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Hertha Firnberg, »Österreichs Forschungspolitik in den 80er Jahren«, in: Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg.), Forschung – Perspektiven für die achtziger Jahre, Wien 1982, 9–21. Hertha Firnberg, Wissenschaft und Gemeinwirtschaft, in: Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Gemeinwirtschaft, Wien 1982, 11–12. Hertha Firnberg, Kunsthochschul-Studiengesetz – Konservatorien, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1982) 11. Hertha Firnberg, Hochschulenquete (II), in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1982) 5. Hertha Firnberg, Diskussion zwischen Politik und Hochschulen, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1982) 7–8. Hertha Firnberg, Wissenschaft – Wirtschaft – Technologietransfer, in: Österreichische Hochschulzeitung 6 (1982) 7. Hertha Firnberg, Vom »Luxuslinier« zum überladenen »Frachtschiff«, in: Österreichische Hochschulzeitung 7/8 (1982) 9. Hertha Firnberg, Studienwahl gut überlegen, in: Österreichische Hochschulzeitung 9 (1982) 7. Hertha Firnberg, Hochschulbau für die Zukunft, in: Österreichische Hochschulzeitung 10 (1982) 9. Hertha Firnberg, Budget 1983, in: Österreichische Hochschulzeitung 11 (1982) 7. Hertha Firnberg, Wegweiser für Zukunft der Forschung, in: Österreichische Hochschulzeitung 12 (1982) 5. Hertha Firnberg, Kunsthochschul-Studiengesetz, in: Österreichische Hochschulzeitung 1/2 (1983) 11. Hertha Firnberg, Brauchen wir ein Wissenschaftsministerium?, in: Österreichische Hochschulzeitung 3 (1983) 11. Hertha Firnberg, Wissenschaft und Politik – ein notwendiger Dialog, in: Österreichische Hochschulzeitung 4 (1983) 9. Hertha Firnberg, Hochschule und Arbeitsmarkt, in: Österreichische Hochschulzeitung 5 (1983) 7. Hertha Firnberg, Die Rolle des Akademikers in der heutigen Gesellschaft – Akademiker und Intellektuelle in der Geschichte, in: Johann Götschl / Christoph Klauser (Hg.), Der sozialdemokratische Intellektuelle. Analysen – Bewertungen – Perspektiven, Wien 1983, 3–14. Hertha Firnberg, Die Rolle des Akademikers in der heutigen Gesellschaft. Referat am BSABundestag 1982, in: Der Sozialistische Akademiker 1–2 (1983) 3–7. Hertha Firnberg, Geleitwort, in: Helmut Konrad / Wolfgang Neugebauer (Hg.), Arbeiterbewegung – Faschismus – Nationalbewusstsein. Festschrift zum 20jährigen Bestand des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands und zum 60. Geburtstag von Herbert Steiner, Wien/München/Zürich 1983, 11. Fritz Bock / Hertha Firnberg / Wilfried Gredler, Österreich zuliebe, Wien 1985 (Firnberg: 83–154). Hertha Firnberg, Für Erika Weinzierl, in: Rudolf G. Ardelt (Hg.), Unterdrückung und Emanzipation, Salzburg, 1985, 7–9. Hertha Firnberg, Maria Theresia, in: Jochen Jung (Hg.), Die großen Österreicher. Einundzwanzig Porträts über ihr Leben und Werk, Salzburg/Wien 1985, 9–25. Firnberg, Hertha, Das österreichische Nationalbewusstsein, in: Die Zukunft 1 (1986) 28–31.
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Hertha Firnberg, Frauen und Forschung, in: Verband der Akademikerinnen Österreichs (Hg.), Frauenstudium und akademische Frauenarbeit in Österreich 1968–1987, Wien 1987, 17–29. Hertha Firnberg, Forschungspolitik für die Zukunft. Rede anlässlich der Präsentation der »Forschungskonzeption für die 80er-Jahre« im Kongresszentrum Laxenburg am 9. März 1981, in: Alois Mock / Herbert Schambeck (Hg.), Verantwortung in unserer Zeit. Festschrift für Rudolf Kirchschläger, Wien 1990, 49–54.
Bildnachweis
Archiv der Universität Wien: 42 Ing. Paul Firnberg: 21 Anna Elisabeth Haselbach: 68 Fritz Klinsky / KURIER / picturedesk.com (20200728_PD4665): 119 Bruno Kreisky Archiv: 66, 82, 191 (ohne Angabe); 106 (Franz Blaha/© Österreichische Nationalbibliothek); 124 (Simonis/© Österreichische Nationalbibliothek); 138, 163, 172, 183 (Fritz Kern/© Österreichische Nationalbibliothek); 186 (Fotostudio Kucera&Co.); 201 (Renate Apostel) Gernot Stimmer (Publikation »Eliten in der Österreich«, Band 2): 33 Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung (VGA): 96 (Johann Klinger); 147 (Walter Henisch jun.) Votava / brandstaetter images/picturedesk.com (19700421_PD0016): 115 Sollten trotz der Bemühungen, alle Bildrechte zu klären, Urheberrechte verletzt worden sein, werden diese nach der Anmeldung berechtigter Ansprüche entgolten.
Personenregister
Adam, Adolf 29 Adler, Alfred 78 Adler, Friedrich 78 Adler, Max 31, 34, 78 Adler, Victor 30 Adlmüller, Fred 57 Albrecht, Anneliese 77, 123 Androsch, Hannes 111, 114, 122, 125, 139 Auspitz, Paul 47 Bauer, Otto 31, 34 Bebel, August 128 Bernstein, Eduard 31 Blecha, Karl 134 Bloch, Ernst 43 Bock, Fritz 196 Borodajkewycz, Taras 94 Brand, Marianne 58, 63 Brandstaller, Trautl 123 Brautferger, Josef 20, 52 Broda, Christian 9, 70, 73, 83, 86, 100, 111, 114, 122f., 127, 142 Broda, Engelbert 73, 97 Brunner, Walter 136, 154 Burgstaller, Paul 195 Busek, Erhard 105, 125, 192f., 201 Charaus, Hans 44 Czernetz, Karl 134 Czerny, Anna 106 Czettel, Hans 109, 114 Demuth, Stefan 44 Dohnal, Johanna 123, 127f., 140, 191
Dollfuß, Engelbert 10, 26, 49, 81, 88, 105 Dopsch, Alfons 10, 40–42, 49, 59f. Drimmel, Heinrich 83, 92, 100, 139 Eckstein, Hans 44, 47 Emhart, Maria 105 Engels, Friedrich 31 Eypeltauer, Beatrix 123, 191 Fast, Franziska 123 Feigl, Susanne 77 Feldmann, Maurice 30, 32, 47 Firnberg, Anna (geb. Schamanek) 19–21, 23–25, 38, 57 Firnberg, Gertrud (Trude) 22, 37, 59, 191f. Firnberg, Harald 22 Firnberg, Johanna (Julie) 19f., 52 Firnberg, Josef 19–25, 38, 52f. Firnberg, Paul jun. 16, 22 Firnberg, Paul sen. 22, 39 Fischer, Ernst 139, 145 Fischer, Heinz 86, 95, 105, 111, 117f., 126, 145f., 159, 173, 189f., 196, 201 Frank, Karl 31 Frühauf, Wolf 16, 118, 138, 145, 154, 181 Fuchs, Josef 64 Geiringer, Alfred 33f. Glaser, Ernst 35, 63, 73 Glöckel, Otto 9, 26f., 29f., 32, 45 Gratz, Leopold 114, 130, 132, 134f. Gredler, Wilfried 196 Grimburg, Wilhelm 136 Gross, Heinrich 76, 103
240 Hanke, Maria Josefa 19 Hanusch, Ferdinand 63 Hartl, Karl 33 Haselbach, Anna Elisabeth 68, 78, 138 Häuser, Rudolf 125 Hawlicek, Hilde 116, 127 Hesoun, Josef 195 Hirsch, Bettina 77 Hitzinger, Walter 44 Hlawka, Maria 106 Holaubek, Josef 192 Höllinger, Sigurd 137, 171 Höltei, Gerti 32 Hon, Walter Karl Maria 39, 54 Hons, Paula 77 Hornig, Iris 154 Hurdes, Felix 139 Jahoda, Marie 31f., 34, 80 Jochmann, Rosa 104–106, 189, 196 Jonas, Franz 114–116, 119, 125 Karl, Elfriede 123 Karlik, Berta 169 Kautsky, Karl 31 Keller, Heinrich 123 Kelsen, Hans 40, 46 Kirchschläger, Rudolf 125, 149 Klanfer, Julius 32 Klaus, Josef 84f., 115 Klein-Löw, Stella 86, 100 Kleiner, Viktor 68, 100, 138 Kneucker, Raoul 148, 154, 183 Knollmayer, Eva 137, 168 Kolb, Ernst 139 Koref, Ernst 150 Körner, Theodor 74 Korninger, Siegfried 150 Kreisky, Bruno 9, 11–13, 35, 46, 84, 104, 106, 108–111, 113–115, 117–126, 128f., 131–133, 138f., 142, 144, 148, 150f., 165, 180, 189, 193, 197–199 Krist, Josef Hugo Maria 61 Lachs, Minna 76 Lassnigg, Maria 170
Personenregister
Lazarsfeld, Paul 31f., 34, 80 Leichter, Käthe 64, 80 Leodolter, Ingrid 123 Lichtenberger, Elisabeth 169 Loebenstein, Edwin 151 Lukas, Ilse 33 Luptowits, Michael 86 Mandl, Hans 71 Maria Theresia 183, 195f. Marinelli, Wilhelm 71, 99 Mark, Karl 81, 86 Marx, Karl 31 März, Eduard 64 Matzenauer, Lothar 154 Matzner, Maria 105 Meinhart, Marianne 171f. Mock, Alois 95, 132f., 135, 139–141, 164, 189, 201 Moik, Wilhelmine 81, 105 Muhr, Rudolfine 105 Nadler, Josef 40, 46 Neck, Rudolf 62 Neugebauer, Max 83, 86 Neurath, Otto 79f. Nowotny, Ewald 126 Offenbeck, Jolanda 127 Olah, Franz 85, 109 Otruba, Ludwig 145 Papanek, Ernst 69 Papanek, Helene 69 Patzelt, Erna 41, 59f., 62 Peter, Friedrich 114 Piffl-Percˇevic´, Theodor 89, 92, 100, 102, 137, 139, 154, 201 Pittermann, Bruno 44, 75, 86, 100, 108– 110, 122, 192, 196 Pittermann, Elisabeth 196 Pleyl, Josef 65 Pollak, Marianne 76–78, 81 Pollak, Oscar 78 Pompl, Margarethe 138 Popp, Adelheid 77
241
Personenregister
Postranecky, Helene 114 Prager, Theodor 64 Probst, Otto 81f. Proft, Gabriele 77, 104, 106 Rehor, Grete 114, 116 Reiner, Ella 32 Reiner, Helmut 32 Renner, Karl 31, 75, 114, 143 Rieger, Philipp 64 Rohracher, Hubert 99 Rösch, Otto 122 Rosenzweig, Wilhelm 32 Rozsenich, Norbert 145, 176, 179, 182 Rutschka, Ludwig Siegfried 69f., 72 Salzborn, Eduard 20 Schacherl, Franz 37 Schamanek, Johann 19 Schärf, Adolf 34, 75, 78 Schärf, Paul 32 Scheer, Brigitte 169 Scheu, Friedrich 32, 34 Schlick, Moritz 40, 46 Scholten, Rudolf 201 Schuschnigg, Kurt 10, 26, 41, 49, 81, 88, 105 Schuster, Franz 37 Schütz, Waltraud 195 Scrinzi, Otto 132, 134 Simon, Joseph T. 32, 34, 45, 47 Sinowatz, Fred 135, 189 Skotton, Franz 86, 95, 145 Skowronnek, Karl 60–62, 138 Slavik, Felix 114 Solar, Lola 92 Soyfer, Jura 33 Speiser, Wolfgang 47 Srbik, Heinrich (Ritter von) 40, 46 Stadler, Karl R. 172 Staribacher, Josef 111, 114, 122, 125, 132, 141, 165
Stark, Eduard 44, 47, 62 Stern, Josef Luitpold 78 Stoisits, Terezija 195 Stoisser, Doris 77 Strasser, Rudolf 103, 154 Stumpf-Fischer, Edith 137, 182 Szecsi, Maria 64 Thirring, Walter 86 Till, Johanna (Theresia, Julie) 52 Tomschik, Otto 58, 63 Trappl, Robert 145 Tschadek, Otto 44, 47, 61–63 Tuppy, Hans 85, 154, 201 Varga, Lucie 41 Veselsky, Ernst Eugen Vogt, Werner 103
111
Wagner, Ludwig 31f. Waldbrunner, Karl 44, 86, 100, 109, 114 Walter, Robert 150, 154 Wang, Erich 44 Weinzierl, Erika 169f. Welan, Manfried 149 Werlhof, Claudia von 173 Winkler, Günther 85, 150 Winkler, Herta 106 Winkler, Wilhelm 65 Winter, Max 77 Wirlander, Stefan 64 Wodak, Walter 32, 34 Wondrak, Gertrude 106, 114, 123, 127 Zawisch-Ossenitz, Clara Zechner, Leopold 70f. Zeilinger, Gustav 134 Zeisel, Hans 31, 80 Zigmund, Otto 47 Zilk, Helmut 201
169