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German Pages 100 [102] Year 2017
Barbara Kerkhoff
Die biografische Haltung Der rote Faden im Pflegealltag
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhalt Vorwort
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Von der Biografiearbeit zum biografischen Prinzip
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Vergangenheit, Ressourcen, Entwicklung Neue Lebensaltersstufen
Biografie in der Pflege Zufälle und die biografische Haltung Gestaltete Zugänge Biografische Begegnungen
Biografische Projekte Biografische Gesprächsrunden Lebensbuch Großeltern – Biografie – Kunst – Projekt Symbol trifft Biografie
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Biografien der Pflegekräfte
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Unterschiedliche Biografien prallen aufeinander Kompetenz in biografischer Begegnung Geschichten helfen leben
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Bunte Lebensfäden – biografischer Umgang mit interessanten Lebensthemen
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Einführung Lebensfaden: Zeit Lebensfaden: Ernährung Lebensfaden: Geld Lebensfaden: Wohnen Lebensfaden: Lernen Lebensfaden: Werte Lebensfaden: Begegnung
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Anhang
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Literatur Autorin
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Vorwort Schon in der griechischen Mythologie finden wir den Begriff „der rote Faden“. Der Ariadne-Faden war der griechischen Mythologie zufolge ein Geschenk der Prinzessin Ariadne, Tochter des Königs Minos, an Theseus. Mithilfe des Fadens fand Theseus den Weg durch das Labyrinth. Bis heute hat der „rote Faden“ Bedeutung. Den „roten Faden“ im Leben finden, heißt, sich mit Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Gefühlen auseinanderzusetzen, um das persönliche Wachstum zu fördern. Der „rote Faden“ in einer Geschichte, in einem Buch zeigt den sinnhaften Verlauf des Geschehens, des Inhaltes auf. Hier in diesem Buch geht es um beides. Der Untertitel: „Der rote Faden im Pflegealltag“ soll ausdrücken, dass biografische Betrachtungen den Schwerpunkt in dem Buch darstellen. Die Biografiearbeit durchzieht das ganze Buch. Das Leben eines Menschen ähnelt manchmal einem Labyrinth, um im Bild zu bleiben; durch die Biografie können die Winkelwege, Umwege, Nebenwege begangen und zum Ziel geführt werden. Im ersten Teil des Buches geht es um Grundsätzliches, um Veränderungen der Alternsstruktur und um eine neue Sichtweise auf die Biografie. Der zweite Teil des Buches befasst sich mit bunten Lebensfäden, interessanten Lebensthemen, die uns über ein ganzes Leben immer wieder beschäftigen. Hier sind sie so „abgerollt und aufgespult“, dass es Freude macht, sich mit diesen Darstellungen selbst zu befassen und sie den älteren Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen anzubieten. Für jeden ist etwas dabei.
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Von der Biografiearbeit zum biografischen Prinzip Vergangenheit, Ressourcen, Entwicklung „Das Altern-Müssen beginnt bereits mit der Geburt, das Jungsein-Wollen erst im Alter.“ (H. Glaßl) Und wenn dazu die Lebenserwartung vor allem in den Industrienationen immer noch steigt, können wir wirklich von einem langen Weg des Alterns sprechen. In diesem Buch wird versucht, den langen Weg des Alterns durch biografische Betrachtungsweisen konkret zu sichten, zu bearbeiten und damit den Lebenslauf zu begleiten. Bei der Länge des Weges ist es gut, ab und an innezuhalten, zu reflektieren, um dann den Lebens-Alterns-Weg gegenwärtig und gelassen unter die Füße nehmen zu können. Der nächste Lebensabschnitt hat dann sicherlich eine ganz andere Prägung und neue Aufgaben. Ursula Lehr, deutsche Alternsforscherin: „Unsere Lebenserwartung hängt ab von unserer Lebensführung. Lebenserwartung ist hier im weitesten Wortsinn gemeint, bedeutet also nicht nur Dauer, sondern auch Qualität des Lebens: Es kommt schließlich nicht nur darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.“ (Psychologische Aspekte des Alterns in: „Das Alter“ – Reimann, Enke, 1994) Als körperliches, geistiges, seelisches und soziales Trainingsgeschehen hat das Leben in Kindheit, Jugend und mittlerem Erwachsenenalter („Erstes“ und „Zweites Lebensalter“) zweifellos großen Einfluss auf das Wohlergehen im Alter. Das „Dritte Lebensalter“, weitgehend befreit von beruflichen und familiären Verpflichtungen – „die späte Freiheit“ wie sie Leopold Rosenmayr nennt, bietet die Chance, aus dem bisher Erlebten und Erfahrenen zu lernen und eine biografische Sichtweise einzunehmen; denn Lernen bedeutet hier, Bewusstmachen der aktuellen Lebenssituation, Erkennen, dass man durch viele Ereignisse, frohe und belastende, zu gerade diesem Menschen geworden ist. Jetzt bietet sich Gelegenheit, Einsichten für die Gestaltung des weiteren Lebensweges zu gewinnen. Die Feststellung „Ich bin so frei“ kann dann zu der Konsequenz führen: „… ich löse mich von überholten, jetzt ungültigen Vorstellungen und Einstellungen, ich sortiere mich neu!“ Aber „Ich bin so frei“ macht auch klar, dass es keine vorgezeichneten Wege gibt, kaum Modelle, die zeigen, wie das eigene Leben künftig aussehen kann. Es
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gilt, Konsequenzen für den eigenen Lebensweg zu finden. „Wir sind herausgefordert, einen persönlichen Weg durch die nicht genau vorgezeichnete Landkarte des Alterns zu finden.“ (E. Schlumpf, S. 10) „Ich bin so frei“ kann auslösen, geliebte Aktivitäten zu intensivieren oder – soweit sie während der früheren Lebensphasen zu kurz gekommen sind – wieder aufleben zu lassen. „Es kommt der Moment in deinem Leben, da musst du einiges zurechtrücken, deinen Standpunkt verändern, eine neue Betrachtungsweise wählen. Dieser Einschnitt ist nicht schmerzfrei – aber er macht den Blick frei.“ (Misereor ALTERnativen – 2 „einfach anders altern“) In dieser Lebensphase blicken viele Ältere auf ihre Vergangenheit oder schreiben (soweit sie öffentlicher Wahrnehmung ausgesetzt waren) ihre Memoiren. „Biografie“ heißt dann „Lebensbeschreibung“ = „So sehe ich mich“ oder „So will ich in die Geschichte eingehen!“ Das Leben rückblickend, schreibend zu betrachten setzt intensive Reflexion voraus. Jede Lebensgeschichte ist einzigartig und muss so empfunden werden; sie ist eingebettet in historische, gesellschaftliche, kulturelle und familiäre Prozesse. Dieser Rückblick auf das bisherige Leben ermöglicht, die Bedeutung einzelner Begebenheiten erneut zu betrachten, zu gewichten und in das aktuelle „HIER BI N ICH“ einzuordnen. Unterschiedliche Stationen bieten sich an: „Wie war es doch so spannend: Als braves Mädchen ging ich von zu Hause fort; an der nächsten Ecke tauschte ich die Kleidung und trippelte auf Stöckelschuhen weiter.“ Biografische Erzählungen können mittels Fotos, Zeugnissen und Bildern ergänzt oder erläutert werden, sie sind ein Geschenk an nachfolgende Generationen. Eine ältere Frau bettet ihre Kindheit, die Flucht aus Schlesien mit allen Entbehrungen und auch den Neubeginn mit Gründung der eigenen Familie in einen romanhaften Ablauf ein. Für sie selbst ist dies eine Bearbeitung der eigenen Lebensgeschichte, für die Kinder und Enkel ein persönliches Familienzeitzeugnis. Durch diese intensive Auseinandersetzung mit dem gelebten Leben, mit den Geschehnissen, verändert der/die Schreibende indivi-
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duelle Einstellungen. Überprüfte, bisher lebensleitende Überzeugungen können somit zu einer weiteren persönlichen Entwicklung beitragen. Naturgemäß kann dieses Nachdenken über die eigene Biografie auch zu schmerzhaften, schwer erträglichen Ablösungen führen. Der Lebensweg wurde dann rückblickend betrachtet und eine Bilanz gezogen. Durch die biografische Betrachtung vergegenwärtigt die Person ihr Leben (das Leben wird in die Gegenwart geholt); sichtet die Erinnerungen immer wieder neu und bearbeitet somit die Lebensgeschichte. Die Identität, die einzigartige Persönlichkeit, bekommt eine veränderte Gestalt. Die Lebensgeschichten in ihrer Unterschiedlichkeit können in das Lebensgefüge integriert und angenommen werden und den Blick freimachen für eine zu gestaltende Zukunft. Das biografische Prinzip bedeutet: a. DAS LEBENSMOSA IK ZU SICHTEN. Bilanzierung – Vergangenheit b. DIE W IR K LICHK EITEN I N DAS LEBEN EI NZUOR DN EN. Bearbeitung – Gegenwart I NE NEU E SICHT W EISE ZU BEKOM M EN ODER ZU FESTIGEN. c. E Handlungsoption – Zukunft Eine angenommene Vergangenheit hilft, die Gegenwart realistisch zu sehen, und gibt den Anstoß, die verbleibende Zeit mutig zu gestalten.
Das biografische Prinzip: Der Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft = Bilanzierung/Bearbeitung/Handlungsoptionen wird im Text mit !!! gekennzeichnet.
Das Leben schreibt viele Geschichten Wir lernen Lebensgeschichten kennen, die nicht immer objektiv zutreffend den historischen, gesellschaftlichen, kulturellen oder auch familiären Erinnerungen entsprechen.
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Die folgenden Beispiele zeigen unterschiedliche Aspekte des biografischen Prinzips. Familiengeschichten
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Familienfeste sind biografische Fundgruben. Nicht immer geht es um objektive Wahrheit, sondern z.B. um die Vergewisserung der Lebenseinstellung. „Als das Haus beim Fliegerangriff bebte“, so ist eine Version der Familiensaga, „konnte die betagte und beleibte Großmutter sich nicht schnell genug im Keller auf den Boden legen. Infolge einer Bombenexplosion öffnete sich die Kaminklappe und der daraus strömende Ruß ergoss sich von ihrem erhabenen Hinterteil aus auf die ganze Oma.“ Einer anderen Version zufolge saß Oma während des Ereignisses mit einem Enkelkind auf dem Schoß unter der Klappe. Es ist gleichgültig, welche Version korrekt ist, denn weitergegeben wird, dass der Humor innerhalb der Familie bei allen Kriegsverlusten überlebt hat.
!!! Erschütternde Ereignisse gehören zum Leben, werden immer wieder erzählt und betrachtet. In diesem Beispiel überlebt die Sichtweise „Wir schaffen das!“
Erinnerungen an die Kindheit Sieben Frauen (65 – 75 Jahre) trafen sich, um den 65. Geburtstag einer Beteiligten zu feiern. Sie waren zu Gast bei zwei Künstlerinnen, die anboten, mit der Gruppe an diesem Tag biografisch zu malen. Mit einem Impuls wurden Erinnerungen an die Kindheit der Beteiligten geweckt, verbunden mit der Vorstellung, wie sie vor Jahrzehnten ausgesehen haben, wo sie gelebt, gewohnt haben. Gab es Eltern, Großeltern, Haus, Hof, Schule, Freundinnen …? Es war ein Erleben von besonderer Art. Ganz unterschiedliche Erinnerungen wurden präsent: Ein 10-jähriges Mädchen mit langen blonden Zöpfen mit einem Ball in den Händen vor dem Elternhaus
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mitten in der Stadt. Ein Lichtblick war der Garten von „Tante Öttringhaus“ – am Ende eines schmalen, heckengesäumten Wallgangs hinter einem Eisentor ein kleines Paradies mit einem Wiesenabhang, an dem mit „Fitzebohnenstangen“ Weitsprung geübt werden konnte. Mit zahlreichen Holzsplittern in den Handflächen. Eine wunderbar begrünte Laube spendete Schatten. Mutter hatte dort ein winzig kleines Stückchen Garten, auf dem sie mit Liebe werkelte. In diesem Bild wird ein Stück unbeschwerte Kindheit sichtbar und die Freude am Ballspielen lebt fort, jetzt vorzugsweise mit den Enkeln. Obwohl jeder für sich arbeitet, löst das thematische Malen ein intensives Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gemeinschaft aus. Alle nehmen teil an Empfindungen, freudigen und leidvollen Erinnerungen der Erzählerinnen und Malerinnen. Für die seit Jahrzehnten befreundeten Frauen schenkte dieser Tag einen neuen Blick auf die wechselseitigen Beziehungen und alle spürten intensive Verbundenheit miteinander.
!!! Erinnerungen an die Kindheit erwecken freudige Gefühle. Der Austausch unter Freundinnen führt zu intensiver Kommunikation/Aha-Erlebnissen. Die Vergewisserung der freundschaftlichen Verbindung schafft ein dickes emotionales Polster für die Zukunft.
Versöhnung Am Vorabend ihres 75. Geburtstags lud die Älteste in der Geschwisterreihe zu einem Gesprächsabend ein. Noch immer waren frühere Rivalitäten zwischen „Papas Liebling“ und dem „Muttersöhnchen“ greifbar. Nach einem intensiven Austausch über vergangene Querelen konnten die alternden Geschwister sich versöhnen. Ein Beispiel, das zeigt, dass ein bewusster, behutsamer Blick in die Biografie zur Versöhnung mit Lebenden und auch mit Verstorbenen führen kann.
!!! Genaues Hingucken in die Geschwisterkonstellation schafft Klarheit. Zuhören, Aussprechen und Annehmen der Erfahrungswelten ermöglichen Zulassen
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der Unterschiedlichkeit der Geschwister. Versöhnte, gemeinsame Zukunft scheint möglich zu sein.
Mitten im Alltag „Ich könnte ein Buch schreiben“, sagt die Fußpflegerin. „In meinem Berufsleben habe ich unzählige Menschen kennengelernt und fußpflegerisch begleitet. Gerade ältere und hochaltrige Personen gehören zu meinem Kundenkreis. Ich sehe zunächst den alten Menschen. Aus dem „Neutrum“ – „Alter Mensch“ – wird ein lebendiger Mensch. Ich höre von Begebenheiten, die ihn geprägt haben; viele Männer erzählen vom Krieg. Ich empfinde es wie ein Lebenskunstwerk, das sich mir erschließt.“
!!! In vielen Alltagssituationen, z.B. mal eben beim Schwätzchen überm Gartenzaun, kann es vorkommen, dass plötzlich wichtige Lebensereignisse erzählt werden. Allein durch das Erzählen (manchmal immer und immer wieder) wird das Erzählte in das Lebensmosaik eingebettet. Und manchmal: „Ich bin es einfach mal losgeworden“ und fühl mich besser.
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Hoffnung Die neunundsiebzigjährige Mutter lebte im Haushalt ihrer Tochter und deren Familie. Sehr geschwächt und hilfsbedürftig wandte sich die Mutter an die Tochter, um ihr die Not mitzuteilen, dass sie doch die Kraft und die Zeit der Tochter so sehr beansprucht: „Ach, was soll nur werden?“ Tochter: „Ja, heute ist wirklich ein schlechter Tag; wir versuchen das Beste draus zu machen. Und dann sehen wir weiter, morgen ist ein neuer Tag.“ „Morgen ist ein neuer Tag“, hatte die Mutter früher immer tröstend gesagt, wenn es in der Familie mal hakte.
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!!! Die Mutter hatte oft Rat gewusst. An manchen Tagen ist sie jetzt richtig verzagt ... die Tochter spricht es an. Der Blick in die Zukunft umfasst nicht die nächste Woche, nicht Monate oder gar das nächste Jahr – sondern die folgende Stunde oder den kommenden Tag.
Neue Lebensaltersstufen Immer geht es um Menschen, deren Lebensweg biografisch betrachtet wird. Der demografische Wandel in unserer Bevölkerung macht uns deutlich, dass die Alterspyramide sich längst in einen Alterspilz gewandelt hat, d.h. die ältere Personengruppe übernimmt einen wachsenden Anteil der Bevölkerung. Bedingt durch die Unterschiedlichkeit der Zusammensetzung (vor allem) der älteren Generation suchen Soziologen und Gerontologen nach Worten, nach Bezeichnungen, die die Veränderungen beim Altersaufbau deutlich machen; das ist nicht statisch zu sehen; es ist ein Bemühen, dieses Phänomen sprachlich greifbar zu machen. Peter Laslett (Das Dritte Alter, Juventa, 1995) prägte die Begriffe: 1. Alter = Kindheit/Jugend – Sozialisation 2. Alter = frühes Erwachsenenalter – Beruf und Familie 3. Alter = höheres Erwachsenenalter – „späte Freiheit“ 4. Alter = unabänderliche Abhängigkeit Das 3. Lebensalter als neu zu gestaltende Lebensphase wurde in der Gerontologie ausführlich beschrieben und erforscht. 20 Jahre später: Die Entwicklungen und Veränderungen schreiten jedoch fort und erfordern weiterhin Nachdenken über die Begrifflichkeit, über das „In Worte fassen“.
Höheres Erwachsenenalter Die Befindlichkeit eines Menschenlebens kann sowohl kalendarisch als auch emotional mit den Jahreszeiten verglichen werden. Auf die Frage, welcher Jahreszeit sie sich zuordne, antwortete die 91-jährige Dame: „Dem Frühling, weil ich so gern mit Kindern zusammen bin.“
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Mit ihren Veränderungen in den Jahreszeiten: Frühling/Sommer/ Herbst/Winter bietet die Natur tatsächlich gute Anregungen im Vergleich mit den Lebenssituationen – oder Stationen eines Menschen. In einer neuen Sichtweise wird (das 3. Lebensalter), der Herbst – als Lebensphase des Höheren Erwachsenenalters – noch einmal geteilt in: ӺӺ höheres Erwachsenenalter = Goldener Herbst, ӺӺ eingeschränktes höheres Erwachsenenalter = Spätherbst.
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Die Farben des Herbstes und die Vielfalt der Ernte sind Symbol für das höhere Lebensalter. Viel ist geschafft, auf das der Mensch mit Stolz zurückblicken kann. Die Kinder haben das Haus verlassen, vielleicht benötigen jetzt der Ehepartner oder die Eltern vermehrte Zuwendung. Wenn Enkelkinder das Leben bereichern, ist die Fülle des Lebens greifbar. Reisen und die Nutzung kultureller Angebote erweitern den Horizont und ermöglichen neue Kontakte und Erfahrungen. Das Leben ändert sich: Im höheren Erwachsenenalter (Herbst) sind neue Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Eingeschränktes höheres Erwachsenenalter Im Blick auf die Natur ist das „eingeschränkte höhere Erwachsenenalter“ mit den herbstlich trüben Tagen und Wochen vergleichbar. Es ist der nasskalt-stürmische November, der Nebel – im menschlichen Dasein vergleichbar mit körperlichen und kognitiven Veränderungen. Diese Lebensphase beschreibt die Menschen, die der partiellen Hilfe bedürfen, aber noch aktiv am Leben teilhaben können. Das Leben ändert sich: Das eingeschränkte höhere Erwachsenenalter (Spätherbst) hat gute und schlechte Tage. An zwei Beispielen wird aufgezeigt, dass gerade die Beschreibung des eingeschränkten höheren Lebensabschnittes/des Spätherbstes die Alternsbeschreibung differenzierter werden lässt: Hochaltrige Menschen mit vielen Einschränkungen können dank unterschiedlicher Hilfsangebote (Essen auf Rädern/Notruf/Wohnungsanpassung …) selbstständig zu Hause wohnen.
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Beispiel 1: Auf dem Boden ausgebreitet liegen große Kalenderblätter mit Kunstdarstellungen der Jahreszeiten: Blütenbaum – Sommerwiese – bunter Laubwald – ein Teller mit überreifen, fast faulenden Früchten – eine Winterlandschaft. Die Teilnehmer werden gebeten, sich neben ein Bild zu stellen, das ihrer Lebens situation entspricht.
Das war ein interessantes Treffen mit einer Gruppe hochaltriger Damen, die inzwischen alle älter als 85 Jahre sind, aber noch fit genug, um an einem Gruppentreffen teilzunehmen. Einige stellten sich zu dem bunten Laubwald/die meisten zu dem Teller mit den überreifen Früchten. „Ich hab zwar manches Zipperlein, aber ich bin dankbar, dass es mir noch so gut geht und ich hier sein kann.“ Die Lebenssituation wird als eingeschränkt empfunden, aber mit großer Dankbarkeit angenommen.
Beispiel 2: Das zweite Beispiel zeigt, wie eine 94-jährige Frau, körperlich eingeschränkt, aber geistig fit, die Veränderungen bei der Übersiedlung ins Heim wahrnimmt. Die ehemalige Schulleiterin lebte in einer geräumigen Wohnung. Körperlich geschwächt, zog sie mit 94 Jahren in das nahegelegene Heim. Aufgrund früherer Besuche kannte sie sich dort aus, stellte nun aber bedauernd fest „Bis jetzt habe ich meine Tabletten immer selbst eingeteilt, jetzt nimmt die Pflegerin mir das ab. Die Nachtschwester hat mit mir gesprochen, als sei ich dement. Aber vielleicht ist das Unterscheiden auch schwierig, nachts, ohne Brille und ohne Hörgerät mit wirren, weißen Haaren kann ich nicht so kompetent wirken.“
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Viele Ansprüche und Qualitäten, die an das erfüllte, erfolgreiche Leben erinnern, fallen weg. Trotz Einschränkungen möchte sie weiterhin so selbstständig wie möglich leben. An diesen Beispielen soll deutlich werden, wie sich die Altersphase im höheren Erwachsenenalter verändert hat.
Unabänderliche Abhängigkeit/Winter Der letzte Lebensabschnitt (das 4. Lebensalter, Laslett), der von Multimorbidität und unabänderlicher Abhängigkeit geprägt ist, kann mit dem „Winter“ verglichen werden. Sonnige, schneereiche Tage und auch Jahreszeitenfeste (Höhepunkte im betagten Leben) täuschen nicht darüber hinweg, dass der Winter des Lebens mit Einsamkeit, Wegsterben der Lebensgefährten, Demenz und Depression gefüllt sein kann. Unabänderliche Abhängigkeit, oftmals Rundum pflege bei Demenz, mehrere Krankheiten gleichzeitig skizzieren diese Lebenslage. Das Leben ändert sich – bei der unabänderlichen Abhängigkeit kommt zunehmend die Endlichkeit in den Blick. Längst wissen wir, dass auch bei hochaltrigen Menschen Veränderung spürbar ist; die einzigartige Person ist zu beachten, auch und gerade bei demenziell veränderten Menschen. Das Leben ändert sich: „Die Biografie kann trotz der Fragmente angenommen, die Endlichkeit verarbeitet, das eigene Leben in einen umfassenden Kontext eingeordnet werden.“ (Andreas Kruse: „Nicht umsonst gelebt“ Infobrief Nr. 79/1-2015)
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Biografie in der Pflege Viele, die vom biografischen Arbeiten im Umgang mit Menschen gehört, gelesen oder sogar schon erfahren haben, sind bestrebt, den Menschen (wo auch immer, wie alt auch immer) auf dem langen Weg des Alterns biografisch zu begleiten. Es geht hierbei gar nicht um Therapie, sondern um normale, alltägliche Begegnungen. „Alte Menschen sind ja nicht alle gleich, wahrscheinlich sind sie das noch viel weniger als irgendeine andere Altersgruppe: denn ihr langes Leben hat sie zu Individualisten gemacht. Eines unserer augenblicklichen Probleme ist, dass die Gesellschaft sich weigert, das zu verstehen, und alle alten Leute als „gleich“ behandelt.“ (Lily Pincus, Das hohe Alter) Der biografische Blick kann dazu verhelfen, im Alltag die Individualität des älteren Menschen zu beachten und wertzuschätzen. Natürlich ist Biografiearbeit immer noch etwas Besonderes. Wie sie ihren Platz im Alltag findet, zeigt dieses Kapitel. Immer, wenn es gelingt, dem Menschen ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen – sei es durch Sehen, Hören, Fühlen, Spüren, Mitempfinden, also durch Hinwenden mit allen Sinnen unter Einbeziehung der Biografie, können zufällige Zugänge, gestaltete Zugänge zu individueller Begegnung führen.
Zufälle und die biografische Haltung Zufällige Zugänge zur Biografie ereignen sich, wenn man beobachtend und neugierig durchs Leben geht, den Alltag mit offenen Sinnen erlebt. Bilder und Fotos an der Wand oder auf dem Schrank bieten Anknüpfungspunkte, etwas über den anderen Menschen zu erfahren. Gegenstände, wie Kaffeemühle, Handwerkzeug, Landgeräte, holen Erinnerungen hervor. Der Bereich der Musik – Schlager-Oper-Operette bis hin zur klassischen Musik – zufällig im Radio gehört, kann zu biografischem Kennenlernen führen. Bei manchen Menschen bietet die Literatur Anknüpfungspunkte, z.B. Gedichte aus alten Schulbüchern. (Siehe auch Biografisches Arbeiten, Kerkhoff/Halbach Vincentz Network, 2002)
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Bewusste Begrüßungen Wenn wir einem Menschen begegnen, grüßen wir normalerweise: „Guten Morgen, Herr Meier“/Guten Tag/Tach zusammen/Hallo/ Moin, moin/Grüß Gott /Grüß Sie/Mahlzeit/Adieu/Ciao/Tschüss/ Bis dann/Macht‘s gut/Halt dich tapfer. Oder drücken die Wahrnehmung aus durch: ein Lächeln – ein Kopfnicken – ein Weggucken – einen Wangenkuss – Drücken – einen Blick ...
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Reden wir z.B. den Bewohner im Heim mit Namen an? Geben wir ihm die Hand, schauen wir ihn an? Grüßen wir bei Sonnenschein anders als bei Regenwetter? Sind die Worte einfach nur hingesagt oder denken wir uns wirklich etwas dabei? „Als ich ein kleines Mädchen war, wurde ich immer aufgefordert, das „schöne“ Händchen zu geben und mein Bruder musste einen „Diener“ machen. Bei der Begrüßung unserer Lehrerin standen wir stramm und riefen im Chor: „Guten Morgen, Frau Lehrerin.“ Natürlich hat sich viel geändert, aber Gesten der Höflichkeit waren den älteren Menschen immer wichtig und sind es heute noch. Könnten nicht kleine alltägliche Begrüßungen bewusst gestaltet werden; indem ich mich bei „Guten Tag“ direkt dem Menschen zuwende; und wenn ich „Tschüss“ sage, Blickkontakt suche?
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Biografie im Alltag: bewusste Höflichkeit.
Biografieorientierte Achtsamkeit tut gut bei der Begegnung im Pflegealltag. Ein zugewandter Blick kann Wunder wirken; oder ging es Ihnen noch nie so, dass ein freundlicher Blick Sie über den Tag getragen hat?
„Wo drückt der Schuh?“ Zufällig sehe ich, dass die Schuhbänder bei Frau Müller offen sind. Beim Binden erzählt sie: „Diese alten Treter muss ich jetzt tragen, weil sie bequem sind, aber Sie hätten mal meine Schuhgalerie sehen sollen; da standen Prachtexemplare in Reih und Glied.“ Die Schuhe eines Menschen erzählen viel von dessen Leben. Ist er durchs Leben gestöckelt, geschlurft, gewandert, getänzelt, gehumpelt, gelaufen, geturnt, gehetzt oder gar gestiefelt? Und was wurde früher viel Wert auf das Schuhputzen gelegt. Manchmal wurde noch einmal auf das Leder gespuckt bevor es blank gerieben wurde, abgelaufene Absätze „gingen“ gar nicht. Wie roch es schön beim Schuster ... wie oft sind wir in den Schuhen der Mutter gestöckelt. Wo drückt der Schuh?/Fit wie ein Turnschuh/Pantoffelheld/Die Idee steckt noch in den Kinderschuhen/Den Schuh zieh ich mir nicht an/ ein indianisches Sprichwort sagt, man soll nicht über einen Menschen urteilen, ehe man nicht in dessen Schuhen gegangen ist.
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Haben Sie schon mal auf die Schuhe ihrer Mitmenschen geachtet? Was tragen denn unsere Lieben, unsere Nachbarn, unsere Heimbewohner für Schuhe? Was würden wir empfinden, wenn wir einen Tag mal in deren Schuhen laufen würden oder umgekehrt? Was würden die denn denken, wenn sie in meinen Schuhen laufen würden. Dieses Gedankenexperiment soll dahin führen, dass wir uns in den anderen hineinversetzen und evtl. besser verstehen und herausfinden „Wo drückt der Schuh?“ Und die Füße? „Wer noch niemals anderen Leuten auf die Füße getreten hat, hat sich vermutlich noch niemals von der Stelle bewegt.“ (Jones) – „Der geniale Mensch ist der, der Augen hat für das, was ihm vor den Füßen liegt.“ Füße, die uns unser ganzes Leben tragen, brauchen dringend Beachtung – natürlich die Füße der Heimbewohner; aber besonders die der Mitarbeiter. Ein junger Mann erzählte: „Mein Opa bekam jeden Abend ein Fußbad. Als kleiner Junge durfte ich meine Füße mit in die Schüssel tunken.“ Wie wäre es denn, wenn alle Mitarbeiter des Pflegeheimes in den Genuss einer regelmäßigen Fußmassage kämen? Dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los, ich wollte es selbst ausprobieren. So kamen nach Rücksprache mit der Einrichtungsleiterin an 7 Wochentagen innerhalb von 3 Wochen 21 MitarbeiterInnen eines Pflegeheimes in den Genuss von Streicheleinheiten für die Füße. „Das ist ja Luxus“, ... „Ich bin 60 Jahre alt und mache zum ersten Mal was mit den Füßen“ ... „Zuerst war ich etwas zögerlich, aber es ist wirklich eine kurze Erholung“ ... „Es gefällt mir so gut, jetzt könnte ich direkt eine zweite Schicht einlegen“ ... „Ich komme direkt aus dem Stress, und jetzt bin ich entspannt, bekomme ein wenig Abstand und fühle mich gestärkt“ ... „Im Moment stehe ich sehr unter Spannung, diese Aufmerksamkeit für die Füße, die wohltuenden Berührungen tun mir sehr gut“ ... „dass da jemand kommt und sich um unsere Füße kümmert, das ist eine große Wertschätzung“ ... „das war ein gutes Gespräch “... Soweit die Aussagen der MitarbeiterInnen des Fliedner-Heimes in Siegen. Nicht nur die Füße der Bewohner, sondern ganz beson-
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ders benötigen die Füße der Mitarbeiter Beachtung. Von der Einrichtungsleiterin bekam ich grünes Licht ... ein kleines Infoblatt war schnell gezeichnet: 2 Füße und darunter die Einladung zum Fußkontakt. Pro Fuß = 5 Minuten. Diese Einladung zu einer Pause der besonderen Art machte die Runde; natürlich ist es zunächst ungewohnt, sich mitten im Alltag ein Fußpause, eine Streicheleinheit für die Füße zu gönnen. Aber die gemachte Erfahrung zeigt, dass es sehr gut tut. Mund-zu-Mundpropaganda ist die beste Empfehlung und so werde ich sehr freundlich begrüßt, wenn ich morgens von 10.00 – 11.00 Uhr in einem Zimmer meine Fußkontakte anbiete ... ein bequemer Sessel, ein Stuhl davor... etwas Pflegeöl, Handtücher zum Schutz ... dann geht es los. Es geht wirklich nur um 15 Minuten für jeden. Manche setzen sich bequem hin, schließen die Augen ... andere lieben es, zu plaudern ... ganz nach Wunsch. Ich bin keine professionelle Fußpflegerin, allerdings hat die Leiterin der Physiotherapieschule mir zugesichert, beim nächsten Fußreflexzonenmassagekurs teilnehmen zu können. Einen ganz persönlichen „Zugang“ zu Füßen vermittelte meine Mutter, indem sie häufig irgendeinen Fuß massierte; als meine Kinder krank waren, habe ich ihnen die Füße massiert und während einer Deutschlandwanderung massierte mein Mann mir abends die Füße. Ich nenne das Angebot nicht „Fußmassage“ – nicht „Fußpause“, sondern „Fußkontakt“ mit allen Möglichkeiten, die sich entwickeln können: Streicheleinheiten für die Füße und für die Seele.
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Biografie im Alltag: Zeigt her Eure Füße! Die Blickrichtung ändern!
Biografieorientierte Achtsamkeit tut gut bei der Begegnung im Pflegealltag.
!!! Aufruf zur Fußmassage bei den Mitarbeitern. Aufruf zur Nutzung der Füße: „Ich habe mir meine besten Gedanken ERGA NGEN“ und kenne keinen
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Kummer, den man nicht W EGGEHEN kann.“ (Soeren Kierkegaard)
„Kleider machen Leute“ Als Else ihre 98-jährige Schwester im Heim besuchte, staunte sie nicht schlecht – rote Bluse und darüber die grasgrüne Weste – die beiden Schwestern legten immer großen Wert auf Gepflegtheit bei der Kleidung, bei der Frisur und auch der Schmuck wurde sorgfältig ausgewählt. „Je älter und schrumpeliger wir werden, desto gepflegter muss das Drumherum sein.“ Ein aufmerksamer Blick in den Kleiderschrank lässt schon ahnen, wie es um das „Outfit“ des Menschen bestellt ist. Jeder Mensch freut sich über ein „Das steht Ihnen aber gut!“ oder „Die Farbe des Pullovers passt so gut zu Ihrem weißen Haar“ oder „Sie haben eine gute Figur“ oder „Sie haben aber schlanke Fesseln.“ Echtes Interesse bei zufälligem Treffen eröffnet vielleicht einen Austausch über die Einsichten des Kleidens: „Ich habe früher alles selbstgenäht, auch für die Kinder, da wurde nichts weggeworfen, es wurde gestopft und geflickt.“ „Dieser Rock ist mein Lieblingsrock, ich bin so froh, dass er noch passt.“ Alles das bietet eine Fülle von Anknüpfungsmöglichkeiten zum Gespräch.
24 Biografie im Alltag: Was siehst du, wenn du mich an! siehst und was steckt dahinter?
Biografieorientierte Achtsamkeit tut gut bei der Begegnung im Pflegealltag. Wir suchen das Gespräch, aber nicht nur, um zu erfahren: so war es; sondern durch das Berichten wird die Individualität der Person ent-
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deckt, wir merken den Stolz, dass so kompetent mit Kleidung umgegangen wurde. Dieses Wort der Anerkennung kann zur Folge haben, auch in Zukunft immer wieder die Kleidung zum Ausdruck der Persönlichkeit zu nutzen.
Schätze auf der Fensterbank Gucken Sie, wenn Sie in ein Zimmer kommen, mal zur Fensterbank? Sie sollten es tun! Viele Menschen stellen sich Topfblumen auf die Fensterbank; sie erfreuen sich an dem Grün und an den farbigen Blüten, pflegen sie hingebungsvoll. Bei mir ist das nicht so: Auf meiner Fensterbank findet man „Schätze“. Es sind kleine Dinge, die ich irgendwann geschenkt bekommen habe. Nehme ich ein Teil in die Hand, befühle es, denke ich an den Geber und freue mich. Da ist z.B. der kleine getöpferte Vogel, den meine Mutter in hohem Alter fertigstellte, oder das durchlöcherte Schneckenhaus von meinem Enkel; und dann die originelle Idee, dass ein kleiner Stein mit Namen und Datum als Tischkärtchen bei der Hochzeit meiner Nichte auf meinem Platz stand ... und manchmal ist es so, wenn ich die Dinge betrachte und mit etwas Wehmut und inniger Dankbarkeit an die Geber denke, stelle ich mir vor, sie stehen alle bei mir; dann höre ich im Herzen das Lied von E. Humperdinck, das meine Mutter sang: Abends, wenn ich schlafen geh, vierzehn Englein um mich stehn, zwei zu meiner Rechten, zwei zu meiner Linken, zwei zu meinen Häupten, zwei zu meinen Füßen, zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken, zweie, die mich führen ins himmlische Paradeis.
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Biografie im Alltag: Den kleinen Dingen Beachtung schenken!
Zufälliger Zugang im Alltag – Kostbarkeiten stärken die Einmaligkeit.
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Achten wir auf die Schätzchen, die da irgendwo im Zimmer, in der Wohnung zu finden sind. Was sind Ihre Schätze? Vielleicht eine Steinsammlung – wo hat sie ihren Platz – oder die Fotosammlung – die Eisenbahn – Frösche oder Bücher? Erinnerung – gepaart mit Freude und Dankbarkeit. Geben wir immer wieder Gelegenheit, über die Schätze zu sprechen – jeder Schatz, jede Kostbarkeit, zufällig wahrgenommen, bewusst „mit-angeguckt“ stärkt die Einmaligkeit des anderen. Fazit:
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Ein geringfügiger Anlass, ein Lied, ein Geruch, ein Gegenstand, ein Foto erweisen sich als zufälliger Zugang zum Wesen eines Menschen. Entsprechende Wahrnehmungen eröffnen Möglichkeiten des Kennenlernens, zum Schaffen glücklicher Momente, zum Wertschätzen. Mit Blick auf die individuelle Biografie und kleinen Anregungen schaffen wir es, bei uns anvertrauten Menschen – im Heim oder im Rahmen von häuslicher Pflege – Freude zu wecken. Aber nicht nur das, diese zufälligen Zugänge zur Biografie und zum Gespräch fordern uns auf, auch an die Zukunft zu denken. Jeder Tag erfordert einen neuen Zugang, denn der Mensch ändert sich: „Wie waren wir doch so froh, als wir herausfanden, dass der alte Herr so gern Nusskuchen aß.“ Muss der arme Kerl immer noch Nusskuchen essen oder mag er ihn tatsächlich noch gern? Der Mensch ändert sich – jeden Tag – und damit auch sein individueller Zugang zu allen Lebensbereichen, auch der Blick auf die Schätze.
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Biografie im Alltag: Offen sein für alle Veränderungen.
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Gestaltete Zugänge Gestaltete Zugänge sind Bemühungen, gemachten Wahrnehmungen eine Gestalt zu geben. Sie führen zu intensiv gelebten Augenblicken. Nachdem es uns sehr überraschte, dass der sonst so zurückhaltende Herr sich ans Harmonium setzte und ein bekanntes Kirchenlied spielte, bekam er, der ehemalige Organist, oftmals die Gelegenheit sein Lied: „Lobe den Herren“ zu spielen. Die unruhige Bewohnerin wurde ganz still, als sie an einem Gottesdienst teilnehmen konnte. In vielen Einrichtungen wird diesem Bedürfnis Rechnung getragen und es finden Gottesdienste für die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften statt. Um den Gedanken zu stärken, dass demenziell veränderte Menschen in unseren Alltag gehören, gibt es auch in Kirchengemeinden zunehmend Gottesdienste für demenziell veränderte Menschen. Auch Tanzveranstaltungen sind so konzipiert, dass diese Personengruppe herzlich willkommen ist. Singen als verbindendes Element hat wohl in den meisten Einrichtungen Fuß gefasst. Viele A LTGEWOH N TE Tätigkeiten wie Gärtnern, Spazierengehen, Plätzchenund Kuchenbacken, Kochen, evtl. mit Erstellung eines speziellen Kochbuches, bieten sich an, belebt zu werden in festen Ritualen. Ausflüge zu Museen, Kirch- und Marktplätzen und zum Friedhof, die den Blick über den „Heimrand“ hinaus stärken, ebenso. Gedächtnistraining – speziell mit biografischem Schwerpunkt Auf diese Weise kommt nicht nur das Gedächtnis in Schwung, sondern durch den Blick in die Biografie wird das emotionale Band zwischen den Gesprächspartnern gestärkt. V ER SCHIEDENE LEBENSBER EICHE können in diesem Zusammenhang angesprochen werden, z.B. „Wie`s früher in der Schule war?“ ӺӺ Wer saß denn neben Ihnen? ӺӺ Welche Erinnerung haben Sie an den Lehrer? ӺӺ Gab es einen interessanten Schulweg? ӺӺ Wie sah denn Ihr erstes Schulmäppchen aus? ӺӺ Was wurde auf dem Schulhof gespielt? ... (s. auch Biografisches Arbeiten, Kerkhoff/Halbach, Vincentz Network, 2002)
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„Familie“ ӺӺ Wieviel Geschwister gab es? ӺӺ Wie war die Sitzordnung bei Tisch? ӺӺ Wer musste (durfte) vorbeten? ӺӺ War jemand Papas Liebling? ӺӺ Welche Lieblingsspeisen gab es? ӺӺ Das kochte Ihre Mutter besonders gut. ӺӺ Das werden Sie nie vergessen. ӺӺ Erziehung von Jungen und Mädchen ... „Hausarbeit“ ӺӺ Gab es einen Waschtag? ӺӺ Wie oft wurden Schuhe geputzt? ӺӺ Mussten Sie den Hof fegen? ӺӺ Haben Sie ein Haushaltsbuch geführt? ӺӺ Mögen Sie Gartenarbeit? ӺӺ Spare in der Zeit, so hast Du in der Not ... „Nachbarschaft“ ӺӺ Wohnten Sie auf dem Land oder in der Stadt? ӺӺ Kannten Sie Ihre Nachbarn? ӺӺ Haben Sie viel mit den Nachbarskindern gespielt?
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„Mode“ ӺӺ Hatten Sie eine Lieblingshandtasche? ӺӺ Wie hat Ihr schönstes Kleid ausgesehen, war es selbstgenäht? ӺӺ Gehörte ein spezieller Hut dazu? ӺӺ Das saubere Taschentuch. ӺӺ Haben Sie sich früher geschminkt? Diese thematischen Lebensbereiche können sowohl mit einzelnen Personen bearbeitet werden als auch in einer Gruppe besprochen werden.
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Wichtig: Als Faustregel gilt, je mehr die Person hör-, seh- oder geistbeeinträchtigt ist, desto kleiner sollte die Gruppe sein. Die Individualität im hohen Alter wird immer differenzierter und erfordert dementsprechend ganz persönliches Zugehen. Gestaltete biografische Zugänge führen zu intensiv gelebten Augenblicken: Die vorbereitete Thematik bleibt im Hinterkopf – der Mensch und der Augenblick zählen.
Diese Gruppenarbeit mit biografischem Schwerpunkt kann Folgendes bewirken: a. Durch das persönliche Erzählen in der Gruppe werden die anderen durch das Thema und die persönlichen Aussagen angeregt, auch in ihren Erinnerungen zu kramen und eigene Erlebnisse kommen ins Gedächtnis. b. Durch das Austauschen und „Miterleben“ der Erinnerungen entsteht eine emotionale Verbindung der Gruppenteilnehmer untereinander. c. Durch Erinnern, Erzählen wird das Geschehen aus der Vergangenheit bearbeitet. Die Teilnehmer lernen voneinander im Umgang mit Lebenskrisen. d. Nach einem als sinnvoll erlebten Erinnerungsnachmittag wird das soziale Miteinander gestärkt – die Teilnehmer sind über den Nachmittag hinaus miteinander in Kontakt, besonders wenn es sich um eine Veranstaltungsreihe handelt. Fazit: Nur der Augenblick zählt. Zufällige, biografische Zugänge und gestaltete, biografische Zugänge (auch mit uns selbst) können zu echter Begegnung führen, wenn wir darauf achten, dass wir uns und dem anderen die Chance, die Zeit geben, sich selbst einzubringen. Wichtig ist, dass er seine Biografie mit uns teilen kann. Alles genaue, konkrete Hinschauen, Hinhören, alle gestalterische Mühe verschwindet hinter dem Augenblick der echten Begegnung; der Dankbarkeit, des erkennbaren Wohlbefindens, der Ruhe und der Freude.
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Biografische Begegnungen Biografische Begegnungen lassen innehalten und ein neues Bewusstsein wird entwickelt. Bewusstseinsbildung ist hier zu sehen als: Immer lernbereit zu sein, mit Situationen, Menschen, den eigenen Veränderungen, dem Altern umzugehen. Dazu gehört auch, die neue Stufe der Entwicklung zu bejahen mit allen Verlusten und Erkenntnissen. Das Leben ist Veränderung.
„Das hab ich doch mal gern gemacht.“
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In einem Vorbereitungskurs auf das nachberufliche Alter erinnerte sich ein Teilnehmer, dass er früher gern gelesen hat. Er fasste den Vorsatz, sich in einer Bücherei einzuschreiben, sich Zeit zu nehmen, alles das zu lesen, was ihn immer schon interessierte. Als ein Literaturkreis eingerichtet wurde, war er dabei. Auch im Umgang mit hochaltrigen Bewohnern kann biografisches Erinnern neue Motivation auslösen und verschüttete Interessen und Kompetenzen beleben und das Einbringen zur Bereicherung führen. Unter der Überschrift „Der rote Faden in meinem Leben“ erarbeiteten Mitarbeiterinnen des Sozialen Dienstes mit den Heimbewohnern eine Collage. Eine Beteiligte erinnerte sich, dass sie früher gern gehäkelt hat und fertigte einen breiten, langen roten Faden. Ein Hochbeet im Hof des Heimes lädt ein, zu gärtnern, so wie manche Bewohner es früher gern taten. Eigene Ideen und Erfahrungen werden erfreut angenommen; die Liebe zur Natur verbindet untereinander. Bereichernd ist in vielen Heimen die Möglichkeit, Musik und Gesangsdarbietungen nicht nur passiv zu hören, sondern außerdem selbst zu musizieren und zu singen, z.B. in einem Chor der „rostigen Kehlchen.“ Liedvorschläge sind erwünscht. Zu einer intensiven Gesprächsrunde kam es, als die Teilnehmer miteinander über die Liedtexte nachdachten: „Am Brunnen vor dem Tore“ – bekam ich einen Heiratsantrag.“
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Bewusstseinsbildung: Das Selbstbewusstsein wird gestärkt
Das heißt: Möglichkeiten schaffen, erinnerte Fähigkeiten und Fertigkeiten ins Bewusstsein zu rufen, aufzugreifen, auszuleben und zu fördern und einzubringen und das Selbstbewusstsein zu stärken.
Biografische Erinnerungen geben Kraft „Bei der Beschäftigung mit der Biografie „wird das gelebte Leben thematisiert, damit aus dem eigenen Leben gelernt werden kann. Denn Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie kann Kräfte in Ressourcen erkennen lassen und freisetzen, die helfen, den Herausforderungen und Lernanlässen, die das Leben in der Lebensphase Alter bereithält, zu bewältigen“. (Aus: Altern in Freiheit und Würde) ӺӺ Eine 90-jährige Frau, nach 1945 heimatvertrieben, von ihrem Mann verlassen, gesundheitlich eingeschränkt, macht einen ausgeglichenen, sogar fröhlichen Eindruck: „Ich hatte in meinem ganzen Leben Gesprächspartner, die meinen Kummer anhörten und mitgetragen haben.“ ӺӺ Ein Mann erzählt: „Wenn mich etwas bedrückt, gehe ich am liebsten in den Wald – die Gedanken wandern hin und her, nach einiger Zeit ist es so, dass die trüben Gedanken aufgelöst sind und ich mit frischen Gedanken an die Probleme gehen kann.“ Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens die Erfahrung gemacht, dass Bewegung hilft, Stress und Belastung abzubauen; auch in Altenheimen wird dafür gesorgt, dass unterschiedliche Bewegungsformen möglich sind.
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Bewusstseinsbildung: Lernen am eigenen Leben.
Es geht darum, Methoden auszuprobieren und zu finden (wandern/Musik hören bzw. machen/schreiben, telefonieren ...), die helfen, den Alltag stimmig zu gestalten.
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„Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ (Francis Picabia) Natürlich freuen sich Eltern, wenn die Kinder in ihre Fußstapfen treten und das mühsam aufgebaute Geschäft oder den Betrieb weiterführen. Es ist schwer, zu akzeptieren, dass der Sohn seinen eigenen Weg gehen muss. „Nach langer Zeit konnte ich endlich einsehen, dass der Sohn in seinem selbstgewählten Beruf glücklich ist. Unser Verhältnis ist jetzt viel besser“, sagte ein Teilnehmer als über die Berufswelt gesprochen wurde. Wie oft gibt es in Familienbeziehungen und bei Freundschaften Verletzungen, die über Jahre nicht angesprochen werden; manchmal stirbt die Freundin – und man hat sich nicht mit ihr versöhnt. Immer wieder kommt die Erinnerung an verpasste Gelegenheiten hoch und es breitet sich ein unangenehmes Gefühl aus. „Als ich akzeptieren konnte, dass es in unserer Freundschaft gute und schlechte Zeiten gab und wir beide daran beteiligt waren, bedauerte ich es sehr, dass es nicht mehr zu einem Gespräch gereicht hat. Aber diese Wirklichkeit gehört zu meinem Leben. Innerlich bin ich mit ihr und mir versöhnt.“
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Bewusstseinsbildung: Identitätsfindung wird unterstützt.
Es gilt, sich mit seinen eigenen unerfüllten Erwartungen und Wünschen auseinanderzusetzen. So wird eine Versöhnung mit sich selbst, mit der eigenen Vergangenheit möglich. Die Wandlung durch ein neues Denken verändert unsere Identität.
Der Glaube fordert Respekt 32
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Bei einer Projektarbeit in einem Altenheim behandelte eine Gruppe das Thema: An was glaube ich?
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Die Gesprächsleiterin erzählt: „Es wurde viel über das Erleben von Ritualen gesprochen und dass es ganz normal und selbstverständlich war, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Viele sind im Glauben groß geworden, von Kindesbeinen an mitgenommen worden. Kindergottesdienst, Sonntagsschule, Jugendgruppen wurden besucht. Die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen hat stark verbunden. Die Bewohner sprachen mit Begeisterung davon. Auch beim Erzählen in der Gruppe war eine starke Verbundenheit zu spüren. Es war sehr harmonisch und friedvoll. Aber wenn ich konkreter nach dem eigenen Glauben fragte, war es schwer, das wirklich in Worte zu fassen. Es wurde deutlich, dass religiöse Glaubensinhalte sehr persönlich sind. Und weil es um die ganz persönliche Beziehung zu Gott geht, fällt es schwer, das auszudrücken. Das verdient Respekt. Ich bedanke mich bei den Bewohnerinnen für die Offenheit und auch für das Vertrauen, das sie mir geschenkt haben.“
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Bewusstseinsbildung führt zu Respekterweisung.
Anvertrautes ist anvertraut.
Gleiche Wellenlänge Einen hochaltrigen Bauingenieur zieht es immer wieder zu Baustellen, um dort den Ablauf der Arbeiten zu beobachten. Seine berufliche Karriere hatte er mit einer Pflastererlehre begonnen und kam so in ein Gespräch mit einem Bauarbeiter, der einen Platz mit Natursteinpflaster befestigte. Die Unterbrechung der Arbeit, das Fachsimpeln, tat beiden gut. Schließlich geht die berufliche Identität nicht mit der Pensionierung verloren, kann im Austausch mit anderen dazu führen, Vergangenes zu bearbeiten und ihm einen Sinn zu geben. So kann es sein, dass Pflegekräfte im Umgang mit den anvertrauten Menschen herausfinden, in welcher Sprache diese beheimatet sind, und darauf eingehen können. Unter den Pflegekräften gibt es vielleicht jemanden, der z.B. polnisch spricht oder versteht. Auch unterschiedliche Dialekte führen dazu, dass die Verständigung gut klappt und eine intensive Qualität erreicht.
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Man kann viel erkennen, wenn man genau hinguckt. Eine Heimmitarbeiterin erzählt: „Für mich bedeutet die stattgefundene biografische Erzählrunde, dass ich zunehmendes Interesse und Verständnis für die Biografie meiner Eltern habe. Die Teilnehmer befinden sich im Alter meiner Eltern und ich kann von ihnen viel erfahren und manches auf die Lebenssituation meiner Eltern übertragen. Ich wünsche so sehr, dass die Angehörigen durch die Wahrnehmung der biografischen Aussagen der Heimbewohner die Individualität der Bewohner neu sehen. Wir erleben immer wieder, dass Angehörige gar nicht offen sind für Veränderungen, die mit den Heimbewohnern geschehen. Wir, als Begleiterinnen versuchen, die biografischen Erkenntnisse aufzunehmen und die Bewohner mit anderen Augen zu sehen. Den Verwandten fällt das oft schwer. Ich lerne aus dieser intensiven biografischen Begleitung, dass ich immer wieder offen bin für Veränderungen.“
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Bewusstseinsbildung: Beziehungsvertiefung
Biografische Wahrnehmung bietet interessante Bezugspunkte – bewusst genutzt, vertieft sie die Qualität der Beziehung.
Das Lernen im Sinne von Bewusstseinsbildung hört nie ! auf.
Ich empfinde mich oft als die Gebende. Wenn ich aber achtsam bin, bekomme ich ganz viel zurück von den Menschen, denen ich interessiert und offen begegne. Auch betagte Menschen haben die Gabe, dankbar zu sein und da findet wahrlich Begegnung statt – ein Geschenk.
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Biografische Projekte Biografiearbeit ist an kein Alter gebunden. Darum ist es nicht erstaunlich, dass Biografieprojekte bei Jung und Alt zu finden und beliebt sind. In einem Kurs befand sich ein junger Mann, der in einem Kinderhospiz arbeitete. Er wollte versuchen, für die Eltern eines todgeweihten Kindes ein Lebensbuch zu erstellen und all das aufschreiben und mit Fotos und Zeichnungen bestücken, was dem Kind so wichtig war. Natürlich ist es auch für Ältere ganz reizvoll, ihre Biografie zu bedenken, darüber zu sprechen und zu sie verschriftlichen. Viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich an. Das biografische Prinzip: der Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zieht sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Methoden des biografischen Arbeitens. Zufällige Zugänge, gestaltete Zugänge führen zur biografisch gestalteten Begegnungsmöglichkeit, erfüllten Momenten. An vielen Beispielen wurde aufgezeigt, dass biografieorientierte Achtsamkeit gut tut bei der Begegnung im Pflegealltag. Bei den Projekten, die jetzt angeführt werden, handelt es sich um Methoden und Möglichkeiten, die für jede Altersstufe „passend“ gemacht werden können; die sowohl für einzelne Personen sinnvoll sind, aber auch mit kleinen oder größeren Gruppen je nach Zusammensetzung durchgeführt werden können. Immer ist die Freiwilligkeit zu beachten.
Biografische Gesprächsrunden Mit einem anregenden Zitat kann eingeladen werden, z.B.: ӺӺ „Ich kann die Falten, die das Leben schrieb, viel besser lesen, wenn ich die Bio grafie des älteren Menschen kenne und verstehe.“ ӺӺ „Am interessantesten ist die Innenseite der Außenseite“ (Jean Genet) ӺӺ „Man wandelt nur das, was man angenommen hat.“ (C.G. Jung) In regelmäßigen Abständen, evtl. 1x in der Woche zu einer bestimmten Uhrzeit, treffen sich Biografieinteressierte, um sich über ihre biografischen Erinnerungen auszutauschen. Das persönliche Erinnerungserzählen führt zu Nähe und Akzeptanz innerhalb der Gruppe. Es ist ein echtes Interesse aneinander festzustellen. Ganz klar muss sein, dass alles, was dort gesprochen wird, „im Raum bleibt“; d.h. es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass man das Gesagte, das vertrauensvoll Mitgeteilte, nicht ausplaudert.
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Mögliche Themen können vorgegeben oder auch selbst gefunden werden. ӺӺ Wie`s früher in der Schule war! ӺӺ Mein Umgang mit Geld über den Lebenslauf. ӺӺ Die Stellung in der Geschwisterreihe. ӺӺ Meine Heimat. ӺӺ Orte und Landschaften, die mir gefallen.
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ӺӺ Leckere Gerichte aus meiner Region ... wir gestalten ein Kochbuch. Oftmals bleibt es nicht bei dem Erzählen; manche Teilnehmer möchten gern biografische Erinnerungen aufschreiben.
Tipp! Bei allen Gruppenangeboten ist es ratsam, einen Zeitrahmen abzusprechen. Zum Beispiel. 6 Treffen für jeweils 1,5 Std.
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Lebensbuch Ein Lebensbuch kann eine Sammlung von Informationen, Daten, Geschichten, Liedern, persönlichen Aussagen enthalten. Die Erstellung eines Lebensbuches stellt eine praxisbezogene Methode in der Biografiearbeit dar. Auf freiwilliger Basis begeben sich die Partner auf „Spurensuche“ in die Vergangenheit. So kann ein interessantes Buch entstehen, das z.B. zum 80. Geburtstag einer Person eine Lebensbilanz darstellt, die für sie selbst, aber auch für die Familie und Freunde, eine wichtige Erinnerung darstellt; das, was der Person wichtig war im Leben, wird weitergegeben. Aber auch für demenziell veränderte Menschen und in der Begleitung Sterbender (Hospiz/Palliativarbeit) bietet das Lebensbuch eine Chance des Rückblicks und Ausblicks für ein sinnvoll gestaltetes Lebensende. In Ringbüchern mit Klarsichthüllen werden unterschiedliche Materialien zusammengetragen, die sich im Laufe der Begleitung des Menschen immer wieder erweitern lassen. Inhalte können liebgewordene Gedichte, Fotos, Urkunden, Zeitungausschnitte sein, die dem Besitzer wichtig sind und etwas über ihn aussagen. In einem so gestalteten Ringbuch befand sich eine verbogene Zinkgabel: Sie war das einzige Fundstück, das von dem zerbombten Haus übrig war. Diese Landschaft der Erinnerung ist zum Greifen nah. Im Nachttisch liegt eine bunte Sammlung von Anekdoten, Fotos, lebendigen Geschichten. Was ein Lebensbuch bewirken kann: ӺӺ Die Menschen bleiben in Verbindung mit ihrer eigenen Lebensgeschichte. ӺӺ Ihre Individualität gerät nicht aus dem Blick. ӺӺ Das Lebensbuch bietet Anknüpfungspunkte für Partner/Kinder, den Kontakt zu gestalten (ein Besuch bei einer demenziell veränderten Bewohnerin kann zufrieden verlaufen, weil in dem Lebensbuch steht, welches Gebet sie gern spricht oder welche Lieblingsspeise sie hat). ӺӺ Durch das Lebensbuch besteht die Chance, den Menschen besser zu verstehen. Unterschiedliche Arten von Lebensbüchern: In einem Seminar, in dem Hilfestellung zur Erstellung eines Lebensbuches gegeben wurde, sind folgende Varianten entstanden: ӺӺ Eine Teilnehmerin schrieb das Buch nur für sich, um ihr Leben zu reflektieren. ӺӺ Eine andere formulierte ein schriftliches Zeugnis ihres Lebens, als Angebot für die nachfolgende Generation.
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ӺӺ Die Mitarbeiterin in einem Heim sammelte Geschichten. „Weihnachten, wie es früher war.“ ӺӺ Eine Frau schrieb das Lebensbuch für ihren Mann, der einem runden Geburtstag entgegensah. ӺӺ Eine junge Frau präsentierte einen Schuhkarton mit Fotos und anderen Relikten, um im Blick auf die verstorbene Oma damit ein Erinnerungsbuch zu gestalten. Allen war gemeinsam, dass sie mit hoher Wertschätzung an die Personen dachten und zahlreiche, sehr unterschiedliche Elemente verarbeiten wollten: Gedichte, Fotos, Zeugnisse, Postkarten, Gebete, Geschichten von gemeinsamen Erlebnissen. Während der 5 Termine war die Aufmerksamkeit der Gruppenmitglieder füreinander greifbar, denn alle wurden berührt von den Erinnerungen der anderen.
Großeltern – Biografie – Kunst – Projekt
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Hinter diesem Titel verbergen sich Aussagen und Erzählungen von 4 Generationen. 1. Jeder dieser Großeltern erstellt ein Situationsporträt in Form einer grafischen Darstellung (Hand/Baum/Blume). Dort findet man den Namen, das Geburtsdatum und Eigenschaften, z.B. in der Handfläche stehen der Name und das Geburtsdatum, in den einzelnen Fingern stehen Eigenschaften wie z.B. bewegungsfreudig, offen. 2. Diese Generation der Großeltern berichtet über die eigenen Großeltern und deren Werte. 3. Die Teilnehmer hatten die Gelegenheit, aus einem großen Fundus von Kunstdarstellung mit dem Thema: „Großeltern und Enkelkinder“ ein Bild auszusuchen und zu beschreiben. 4. Zum Abschluss macht sich jeder der Teilnehmer an diesem Projekt intensiv Gedanken in einem Brief an die Enkelkinder. Natürlich sind auch ältere Menschen (ohne Enkelkinder) im „Großelternalter“ eingeladen, die dann einen Brief an die „Enkelgeneration“ schreiben.
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Beispiel 1. In einem Situationsporträt lernen wir Großmütter bzw. Großväter kennen, die sich anhand eines Symbols vorstellen: In einer Blume, im Blütenkelch steht der Name „Hildegard“, geb. 1925. In den Blütenblättern finden sich Eigenschaften dieser Person: dankbar/verlässlich/kreativ/zielstrebig. 2. Der große generationenübergreifende Bogen beginnt mit jeweils einer Geschichte über die eigenen Großeltern: „Als kleines Mädchen von vier Jahren besuchte ich oft meine Oma-ma. Sie lebte mit meinem Großvater und sechs Kindern auf einem Bauernhof. Sie war eine liebe, gütige und herzliche Frau; ich fühlte mich geliebt und beschützt. Besonders aber ihre große Schürze, die sie immer trug, hatte es mir angetan. Bei Regen, Wind und Sonnenschein suchte ich Schutz unter der Schürze. Kam ein Gewitter, ging Oma-ma mit mir auf die Kellertreppe, wir saßen da und beteten den Rosenkranz, umhüllt von der großen Schürze.“ 3. Darstellung aus der Kunst – Großeltern und Kind – lockert die Zusammenstellung auf. 4. Den Abschluss bildet ein Brief an die Enkelkinder: „Was bleibt, welche Spuren werde ich hinterlassen? „Ich bin dankbar für den Zusammenhalt in meiner Familie. Ich lebe meinen Kindern und der Enkeltochter Werte vor, die sie hoffentlich prägen werden. Ich bin für sie da, wenn sie mich brauchen oder in Not sind. Mit guten Gedanken begleite ich sie und bete für sie. Meine Kinder und ich haben viele fröhliche, aber auch schmerzhafte Stunden verbracht. Krieg und Vertreibung haben mein Leben stark geprägt; der Verlust meiner geliebten Heimat ist unbeschreiblich. Durch meine Arbeit im Heimatverein, in der caritativen Seniorenbetreuung, in vielen aktiven Tätigkeiten, wie z.B. Tanzen und Gedächtnistraining, habe ich meine Vergangenheit gut bewältigt. In Gemeinschaft mit anderen neue Wege zu gehen, hat mein Leben bereichert. Ich wünsche mir, dass ich all meinen Freunden und Wegbegleitern, die immer an meiner Seite waren, in guter Erinnerung bleibe.“
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Bei diesem biografischen Projekt ging es auch darum, dass die Teilnehmer immer entschiedener „ja“ zu sich sagen konnten. Wichtig war außerdem das Nachdenken darüber, welche Einsichten haben mir meine Großeltern vermittelt und welche Werte möchte ich meinen Enkeln mitgeben.
Tipp: Dieses Projekt wurde a) innerhalb von 5 Treffen bearbeitet
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b) nachdem die TN sich bei einem Treffen kennengelernt und ein Kunstbild ausgesucht haben, wurde das Projekt per Internet durchgeführt. Den Abschluss bildete eine gemeinsame Sichtung und Gesprächsrunde.
Symbol trifft Biografie Hier geht es um ein Projekt, das nach Vorgabe des Buches „Gedankenbaum“ von Barbara Kerkhoff, erschienen im Vincentz Network, Hannover 2014, durchgeführt wurde. Biografiearbeit = Spurensicherung „Das einzig wichtige im Leben sind die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen.“ (Albert Schweitzer) Und immer sind irgendwo Spuren deines Lebens, Gedanken, Bilder, Augenblicke und Gefühle. Sie werden uns immer an dich erinnern und dich dadurch nie vergessen lassen. (Todesanzeige) Das Projekt „Symbol trifft Biografie“ regte die Teilnehmer zu interessanten, persönlichen Aussagen an. Einige Symbole sind hier ausgewählt. Es kommen Menschen im 3. Lebensalter zu Wort, die sich über ein Jahr mit Fragen des Alterns beschäftigt haben. Entstanden sind biografisch geprägte Lebenskonzentrate.
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Diese Arbeitshilfe wurde sowohl in Einzelarbeit bei fitten bis hin zu demenziell veränderten Personen ausprobiert als auch mit Schülern der Altenpflegeschule, des Gymnasiums bei ausgesuchten Personen in Heimen oder im privaten Umfeld bearbeitet.
Das Projekt lief folgendermaßen: Das Symbol „H A ND“ machte uns mit einer Person bekannt. Auf die Frage „Wie bin ich?“ schrieben die Teilnehmer einige Eigenschaften in die Hand: positiv eingestellt/einfühlsam/beständig/nicht sehr mutig/kinderlieb/zu ernst/beständig/sozial/gläubig/treu/tolerant/naturverbunden/dankbar/bewegungsfreudig/vorsichtig/sportlich ... Die Teilnehmer machten sich Gedanken über sich selbst, so entstand eine kleine persönliche Situations-Identität. Es ist auch möglich, dass ein anderer sagt: „Ich erlebe dich als sehr kommunikativ“...
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Das Symbol „HER Z“ lud ein, darüber zu nachdenken: „Wen mochte ich schon immer gern?“ In den Herzen finden wir: Tante Elly/die Enkel/meinen geliebten Mann – Lebende und Verstorbene – ich werde sie im Himmel alle wiedersehen. Es ist auch eine Gelegenheit, sich an Freunde, Nachbarn, Verwandte zu erinnern. Das Symbol „SPIR A LE“ steht für: „Der rote Faden in meinem Leben.“ Der rote Faden in einem Lebenslauf bildet sich durch immer und immer erneutes Nachdenken über den Lebenssinn. Bezieht sich der rote Faden auf die Karrierestufen? Oder auf Antworten, die ich dem Leben gebe, wenn es mich beutelt?
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Beispiele: „Da 1944 geboren, waren es äußerst arme Zeiten; dennoch hatte ich eine glückliche Kindheit; durch Familie, die Gemeinschaft mit meinen vier älteren Geschwistern und die Geborgenheit im Glauben erwuchs der positive rote Faden.“ „Mein roter Faden hatte noch nie einen Knoten; d.h. Immer war jemand da, wenn ich nach Rat und Hilfe suchte. Auch ich konnte manchem bei der Entdeckung seines roten Fadens helfen.“ „Das, was sich konstant durch mein Leben zieht, ist die Liebe.“ „Gottes Liebe, meine Familie, mein Beruf, die Mitmenschen – meine Verantwortung für sie – gibt meinem Leben Sinn.“
Das Symbol „SPR ECHBL ASE“ steht für: „Was ich noch sagen wollte“. Menschen im 3. Lebensalter haben ihre Lebenseinstellungen hinterfragt und biografisch konzentrierte Lebenskonzentrate notiert.
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Beispiele: G.: „Ich fühle mich getragen und beschenkt, weil ich immer Menschen an meiner Seite hatte, die an entscheidenden Weichenstellungen mich begleitet haben.“ C.: „An meine Kinder: Bewahrt die schönen Erinnerungen an eure Kindheit, den Zusammenhalt und den Frieden in der Familie.“ M.: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine von dem andern zu unterscheiden.“
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Ch.: „Dass ich mit meinem Leben zufrieden bin und dankbar für jeden Tag. Mögen wir ehrfurchtsvoll mit der von Gott uns anvertrauten Erde umgehen.“ G.: „Das Beste an der Zukunft ist, dass sie uns immer einen Tag nach dem anderen serviert.“ (Abraham Lincoln) „Mit meinem Vater hätte ich mich gern versöhnt.“ M.: „Für diesen Kurs möchte ich mich gern bedanken; er hat mir gezeigt, dass ich noch lernfähig bin.“ G.: „Drei Dinge helfen, die Mühen des Lebens zu tragen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“ (Immanuel Kant) „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“ (J.W. Goethe) W.: „Es stimmt: wenn sich eine Tür schließt, geht immer eine andere Tür auf – man muss sie nur finden.“ B.: „Das Glück kommt zu denen, die lachen.“ – Japan „Lächle das Leben an – und es lächelt zurück.“ E.: „Es darf kein Widerspruch sein zwischen dem, was wir denken und sagen. Wir müssen das, was wir sagen auch tun; wir müssen das, was wir tun, auch sein.“
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A.: „Bist du einmal traurig, so denke an das Gute und danke Gott dafür, so wirst du wieder fröhlich.“ G.: „Ich bin dankbar für jeden Tag in meinem Leben nach meiner heimtückischen Krankheit.“ B.: „Alles, was ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, die Aufgaben, die mir in den Weg gestellt wurden – haben mich zu dem geprägt, der ich heute bin. Gott hat seine schützende Hand über mich gehalten.“ M.: „Ich bin so dankbar für deine Liebe, Treue und Fürsorge, lieber W. – für mein Leben – geborgen in Gottes Hand.“ W.: „Gott liebt dich. Er hat einen Plan für dein Leben. Sprich mit ihm wie mit einem Freund.“ D.: „Erfolg hat 3 Buchstaben „TUN“. K.: „Leben mit Jesus; bei Jesus kannst du alles abgeben und loslassen.“ L.: „Aufmerksamkeit und Liebe, das ist für mich der größte Wunsch, dass ich das verschenken kann.“ L.: „Solange man mit Augen, Mund und Ohren neugierig ist, trotzt man dem Alter.“ (L. Lencester) „Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“ (Franz Kafka) M.: „Immer mehr, mehr, mehr!! Kann unsere Erde das ertragen?“
Das Buch „Gedankenbaum“, das uns als Idee diente, zeigt noch Symbole, um über Sternstunden, Höhepunkte, traurige Momente im eigenen Leben nachzudenken. Für religiöse Erfahrung steht das Kreuz. Bei diesem Projekt wurde deutlich, dass ganz einfache Symbole Schlüssel zum Menschen sein können. Jeder kann selbst entscheiden, welche Gedanken und Einsichten er in das Lebensbuch schreibt. Für die Gruppe war es eine intensive Erfahrung, die nicht zuletzt dazu führte, dass sie nach Beendigung des Kurses sich regelmäßig weiter treffen und sich mit interessanten und persönlichen Themen auseinandersetzen. Die Arbeitshilfe „Lebensbaum“ wurde sowohl in Einzel, Partner- und Gruppenarbeit eingesetzt. Die einfache Umsetzungsanleitung ist sofort verständlich.
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Biografien der Pflegekräfte Die Beschäftigung mit der Biografie eines anderen, z.B. eines älteren Menschen, kann zu einer Beschäftigung mit dem eigenen Lebenslauf anregen, ihn bereichern und somit zur eigenen Entwicklung, zur Reifung beitragen. Durch Anteilnahme und Offenheit werden Nähe und intensive Kommunikation möglich, und – im Ergebnis – ein Lernen miteinander und voneinander. Naturgemäß zeigen sich die unterschiedlichen Gesichter des Alterns im 3. Lebensalter – hier unterschieden in „höheres Erwachsenenalter“ und „eingeschränktes höheres Erwachsenenalter“ – gegenüber dem von unabänderlicher Abhängigkeit gekennzeichneten 4. Lebensalter. Bei den wahrgenommenen Lebensgeschichten wurde deutlich, dass die Biografie im Alltag ihren Platz gefunden hat. Biografische Sicht hat sowohl die Vergangenheit, Gegenwart als auch die Zukunft im Blick. Intensiv erlebte Augenblicke führen zu Lebensqualität, gerade bei eingeschränkter Lebenswirklichkeit. Neues Denken wird möglich durch gemeinsame Gesprächsrunden in einer Gruppe. Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass die Begegnung der Menschen miteinander uns vor große Herausforderungen stellt. In der Altenpflege, das heißt, in der Begegnung professionell Pflegender mit den von ihnen Betreuten, treffen unterschiedliche Lebenswelten aufeinander.
Unterschiedliche Biografien prallen aufeinander In den bisherigen Darstellungen der vielen Gesichter und Geschichten, die das Altern bietet, ist deutlich geworden, wie vielfältig, unterschiedlich und facettenreich das Leben älterer, hochaltriger und betagter Menschen sein kann. Der Liedermacher Reinhard Mey beschreibt, dass Erinnerungen an einzelne Ereignisse und Stimmungen aus der Kindheit ein ganzes Leben beeinflussen können. Kleine Andenken, die wie „bunte Steine im Mosaik unserer Seele ihren Platz finden.“ (Reinhard Mey: Beim Blättern in den Bildern meiner Kindheit“) In der Absicht einem Menschen zu helfen, den letzten Lebensabschnitt mit sich und anderen versöhnt zu gestalten, ist es unverzichtbar, ihn vor dem Hintergrund seines lebenslangen „Gewordenseins“ zu betrachten.
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48 ӺӺ Welche Herangehensweise ist angemessen, betagten, womöglich mit ausgeprägten Einschränkungen belasteten Menschen Lebensqualität zu ermöglichen? ӺӺ Kann eine begleitende Person hilfreich sein, die veränderten Ansprüche, die Gedankenwelt eines langen, jetzt belastenden Daseins wahrzunehmen und zu bearbeiten? ӺӺ Wie kann den unterschiedlichen Biografien – denen der älteren Menschen und auch denen der Begleiter – Raum und Zeit gegeben werden? Ein hochaltriger, hinfälliger Mensch kommt ins Altenheim oder wird in seiner Wohnung aufgesucht. Der pflegebedürftige Mensch ist auf einen fremden Menschen angewiesen. Die über Jahrzehnte gewonnene Selbstständigkeit entwickelt sich zurück in Abhängigkeit; es kann dazu führen, dass das vertraute Umfeld verlassen werden muss. „Keiner weiß, dass ich meine Fingernägel gern ganz kurz trage, keiner kennt mein reiches, interessantes Leben, keiner kennt meine Freunde, Nachbarn und Verwandten, keiner weiß, wie selbstständig ich noch vor ein paar Wochen war. Jetzt bin ich bedürftig, ich fühle mich traurig, trostlos. Das Zimmer ist zu eng, die Flure zu weitläufig, die Tischnachbarin legte ihr Gebiss auf den Tisch, die Essenszeiten sind zu ungewohnt“, so die Worte einer Bewohnerin. Und auf der anderen Seite? Da sind professionell tätige Altenpflegerinnen, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes, Ehrenamtliche, Reinigungsfrauen, Küchenpersonal und andere. Jeden Tag haben diese Mitarbeiter ihr persönliches Leben mit Ehepartner oder alleinerziehend, mit Kindern oder Angehörigen oder allein zu gestalten und zu organisieren; dazu kommt die berufliche Aufgabe: Begleitung, Betreuung und Pflege der anvertrauten Menschen. Es begegnen sich fremde Welten, unterschiedliche Biografien prallen aufeinander. Selbst gut ausgebildete Fachkräfte bleiben vielfach hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Zeitmangel sowie körperliche und psychische Überbeanspruchung lassen dann die gewünschte Qualität der Pflege und Begleitung nicht zu.
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Im Bemühen, den vorher unbekannten pflegebedürftigen Menschen kennenzulernen, bietet sich mit der Biografiearbeit ein „Werkzeugkasten“ an. Im Interesse einer qualitativ anspruchsvollen Arbeit und Pflege sind BIOGR A FISCHE KOMPETENZEN erforderlich. Hier gilt es, nicht nur biografische Daten zu sammeln, sondern auch Spuren in individuellen Lebensgeschichten wahrzunehmen.
Kompetenz in biografischer Begegnung Voraussetzung für jegliche biografische Arbeit ist ausreichendes historisches und gerontologisches Wissen. Dazu ist es erwiesen, dass soziale Fähigkeiten (Empathie/ Freundlichkeit/Toleranz/Wohlwollen/Offenheit/Geduld) den Umgang mit dem Menschen erleichtern.
Mut Eine biografisch orientierte Begegnung, verbunden mit der Wahrnehmung auch schmerzhafter Erinnerungen und die angemessene Beschäftigung damit, erfordert Mut. Mut bedeutet hier, sich in eine mit Unsicherheit behaftete Situation zu begeben. Das gilt sowohl für die Person, die bei sich selbst Erinnerungen aufrufen will, als auch für Menschen in Gruppen, die sich auf gemeinsame Spurensuche begeben. Es gilt vor allem im Altenpflegebereich, hier verbunden mit der Absicht, die Lebensqualität der Bewohner durch biografische Arbeit zu verbessern.
Uneingeschränkte Zugewandtheit Ungeteilte Aufmerksamkeit, Zuhören können, Offenheit für alle Gefühle und Äußerungen bei sich und bei anderen sind Attribute, die hilfreich sind, um bei sich selbst und anderen Erinnerungen aufzuspüren: „dann öffnet sich der Panzer und lässt mich einen Blick in das Innere tun.“ Eine Atmosphäre der Zugewandtheit schafft die Voraussetzung für eine Begegnung, in der nicht nur wichtig ist, was ich erfahre, sondern beim gemeinsamen Eintauchen in die Situation kann die Erinnerung, die geteilt wird, „die Seelen zum Klingen bringen“. Gerade im Umgang mit Menschen, die sich im Verlauf ihrer Demenzerkrankung verändern, ist „konkretes Hingucken“ notwendig. „Man kann viel erkennen, wenn man einfach nur hinschaut.“ Vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit benötigen alte Menschen
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oft Jahre der Fürsorge, wobei sich die Ansprüche verändern und der Hilfsbedarf meist stetig steigt. „Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, entwickeln ihre eigene Lebenskultur und Kommunikation. Die in der Demenz eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten verschieben sich zugunsten emotionaler und nonverbaler Aufnahmefähigkeiten“ (Berry, Monika, Zu Hause pflegen). Das erfordert eine besondere Aufmerksamkeit im Umgang mit den Betroffenen. Und es ist kein Widerspruch, sondern konsequent: das genaue Hinschauen und die Aussage von Saint-Exupery: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Stimmig sein Erst dann, wenn der Mensch, der eine Person begleitet, mit sich im Reinen ist, wenn er selbst „ja“ sagen kann zu seiner ganz eigenen Lebensbiografie, wenn seine Mitteilungen stimmig sind und seine Haltung zu seinen Worten passt, wird er wahrscheinlich eher in der Lage sein, sich beim Begegnungsprozess zurückzunehmen. Sein Blick geht dann über die Pflege „satt“, „sauber“ und „still“ hinaus. „Stimmig sein“ heißt aber genauso, dass der Pflegende dafür sorgen muss, dass es ihm gut geht, nur dann profitiert der Betreute von ihm. Die Bedürfnisse des Begleiters sind genauso wichtig wie die des Bewohners. Er muss Kraftquellen für sich ausfindig machen und sie auch nutzen. Oftmals empfinden die Pflegebedürftigen, dass Geben und Nehmen im Pflegeprozess, in der Lebensbegleitung, beim Erinnerungsbemühen ungleichgewichtig ist. Dann ist es von hoher Bedeutung, dass sie Erlebtes mitteilen können, um verstanden zu werden und ein wenig zu spüren, dass sie etwas geben können, das zu Verbundenheit und Respekt führt. Werden Empfindungen mitgeteilt, schafft das eine intensive Verbundenheit. Es können Wesenszüge bei Hochaltrigen erkannt werden, die als Vorbild dienen können: Geduld, Nachsicht und eine oft rührende Dankbarkeit dem Leben und den Mitarbeitern gegenüber.
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Engagement ist nicht alles „Ein prägender Eindruck wurde mir bei einer der ersten Altenpflegeaktionen vermittelt. Das Programm: „Heute malen wir Fensterbilder wurde von einer 90-jährigen Dame zornig kommentiert: „Wenn du mit mir Fensterbilder malen willst, renne ich schreiend raus.“ Beschäftigungsangebote zu erstellen und vorzubereiten macht viel Mühe und kostet einige Überlegungen. Die Hauptaufgabe besteht aber darin, das je passende Angebot für den jeweiligen Bewohner zu finden. „Meine drei hochbetagten Tanten verlebten ihre letzten Jahre in einem Altenheim. Rückblickend stelle ich fest, dass die Älteste in ihrer Musik- und Singgruppe sehr gut aufgehoben war. Die Mittlere war „pflegeleicht“ und hat sich überall wohlgefühlt; gern hat sie gebacken. Die Jüngste aber war anspruchsvoll. Für sie hatten die Mitarbeiter herausgefunden, dass sie gern bei der Gottesdienstvorbereitung eingebunden wurde; sie hat Fürbitten formuliert und auch vorgetragen. Der „gefüllte Korb“ Viele Mitarbeiter der aktivierenden Altenhilfe sind bestrebt, mit einem „gefüllten Korb“ in die Runde/Beschäftigung/Begegnung zu gehen. Das gibt Sicherheit; aber beim biografischen Arbeiten ist immer das „Zurücknehmen“ der eigenen Person und der eigenen Ideen gefragt. Das ist Übungssache, man kann es lernen, Momente der Stille, des Nachdenkens beim Gegenüber auszuhalten. Die Vorbereitungen und die Mühe sind wichtig. Aber alles wird in den „Hinterkopf gepackt“ und nur bei Bedarf herausgeholt.
Beispiel: Bernd, seit frühester Kindheit rechtsseitig gelähmt, mit schweren Wortfindungsstörungen, meistert sein Leben selbstständig in seiner Geburtsstadt. Diese Eigenständigkeit ist ihm sehr wichtig und für seine Verwandten immer noch bewundernswert. Mehrere Stürze und ein Schlaganfall machen einen Krankenhausaufenthalt notwendig und die Aussicht, wieder in seine Wohnung zurückzukehren, schwindet zusehends. Bernd reagiert in seiner Hilflosigkeit aggressiv und beschimpft das Pflegepersonal. Im Kurzzeitpflegeheim beruhigt und erholt er sich; jetzt erfolgt der endgültige Umzug in das Altenheim, das er schon seit Jahren kennt, weil er viele Verwandte dort besucht hat.
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Wie kann ein erster Besuch Zufriedenheit und Freude auslösen? Worüber kann die unsichere Besucherin mit Bernd sprechen? Er sitzt gut gepflegt am Tisch, das Zimmer ist weitgehend kahl, aber auf einem Bücherbord befinden sich mehrere Bildbände über den gemeinsamen Heimatort. Nach einem ersten Informationsaustausch über den Fußballverein seines Herzens erklärt und kommentiert Bernd – diesmal als echter Heimatkundler – die abgebildeten Straßen, Kirchen, Häuser und Landschaften seiner Heimat. Die Besucherin war bereichert und staunte, war aber auch mit sich selbst zufrieden; schließlich hatte sie sich selbst zurückgenommen, sich ganz auf Bernd eingelassen. Die Fotos der Enkel blieben im „Korb“ und sind beim nächsten Mal vielleicht interessant. Ja, es gehört Mut dazu.
Qualität des Augenblicks
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Über einen Zeitraum von acht Jahren haben Altenpflegeschülerinnen jeden Freitag einen Vormittag für die Bewohner eines Pflegeheimes gestaltet. Eine auf allen Stationen zu hörende Erkennungsmelodie gab das Startzeichen, alle Auszubildenden holten die mit ihnen vertraute Person ab. So wusste z.B. jeder, an welcher Seite das Hörgerät sich befindet. Es erwartete sie ein reich gefächertes Angebot: singen, bewegen, lachen, Gottesdienstfeiern, Biografische Gesprächsrunden. Die Auszubildenden suchten für jeden Bewohner ein passendes Angebot aus. Wenn die Melodie wieder erklang, endete die Veranstaltung. Die Bewohner wurden von ihren Bezugspersonen wieder auf die Stationen gebracht, verbunden mit einer intensiven Erfahrung für sie selbst. „Umso erstaunter waren wir, als wir feststellten, dass die Heimbewohner, gefragt von den Pflegekräften: „Was haben Sie denn gemacht, Sie wirken so entspannt?“, oftmals nichts zu antworten wussten. Das war zunächst sehr enttäuschend“, sagte eine Schülerin. In einer Reflexionsrunde stellten wir fest, dass die Bewohner bei den Veranstaltungen sehr gelöst, fröhlich und mitteilsam waren. Wir lernten daraus, jeder Augenblick der Begegnung ist intensiv zu leben; der Augenblick zählt.“
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Arbeiten an der eigenen Biografie Die Teilhabe an der Biografie eines anderen Menschen ist ein Geschenk. Es erfordert die Bereitschaft, an der eigenen Biografie zu arbeiten und mit der gewonnenen Erkenntnis die Zukunft zu gestalten. „Anfang des vorigen Jahrhunderts wurde mein Großvater enterbt, weil er als Katholik eine evangelische Frau heiratete. Diese erzog ihre fünf Kinder katholisch, wie bei der Eheschließung versprochen; blieb aber selbst ihrer evangelischen Kirche treu. 50 Jahre später, bei ihrer Beerdigung waren Priester beider Konfessionen vertreten, einer sprach aus: „In dieser Person vereinten sich beide Glaubensrichtungen ganz liebenswert. Die Enkelin: „Seit ich denken kann, beschäftigen mich die unterschiedlichen Glaubensrichtungen; obwohl ich im katholischen Glauben erzogen bin, möchte ich aufgrund dieser biografischen Erfahrungen, meine Zukunft ökumenisch leben.“
Einlassen auf verdrängte Themen mit historischem Hintergrund Lebensthemen, die ins Bewusstsein kommen, sind so unterschiedlich wie die Menschen, die von ihnen ergriffen werden. Immer wieder ist zu beachten, welcher Generation die uns anvertrauten Menschen angehören, welche Zeit sie erlebt haben und was sie geprägt hat. Beispielhaft dafür ist die Situation der „vaterlosen Kriegskinder“, 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Forschungen bestätigen: Die lebenslange Sehnsucht nach dem Vater, der die Tochter beschützt, der dem Sohn Vorbild ist, kann Verhaltensweisen auslösen, die depressive Züge vermuten lassen oder auch zu erhöhten Leistungsansprüchen an sich selbst führen. „Die Zeit, die ihre Biografie formte, war bestimmt vom Wiederaufbau des Landes nach den verlorenen Weltkriegen und politischem Umbau nach der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. „Es zu etwas zu bringen“ war die sinngebende Lebensüberzeugungen dieser entwurzelten Generation. Viele der heute Pflegebedürftigen mussten darüber hinaus Flucht und Vertreibung verkraften und können bis heute den Verlust der Heimat nicht verwinden. Zu spüren ist bei diesen Menschen häufig ein grundlegendes Misstrauen und eine emotionale Zurückhaltung, die in den früheren Erlebnissen begründet sein könnte. Auch die oft anzutreffende Befürchtung, bestohlen zu werden oder plötzlich alles, was man sich geschaffen hat, zu verlieren, ist möglicherweise auf erfahrene, nicht bewältigte Entbehrungen zurückzuführen.
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Es gehörte oft zu den Einstellungen dieser Generation: „Mit meinen Problemen werde ich allein fertig.“ Sie haben nicht gelernt, darüber zu sprechen.“ (Nach Monika Berry, Zu Hause pflegen)
Geschichten helfen leben
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Jeder von uns hat schon erfahren, wie wohltuend es ist, Erlebnisse zu erzählen. Durch das „in Worte fassen“ des Erlebten wird es greifbar, man kann besser damit umgehen. Wenn man dann noch auf einen aufmerksamen Zuhörer trifft, kann der Lebensfaden abgerollt und dann wieder neu aufgespult werden. Die erlebten Ereignisse werden in die Gegenwart geholt, allein oder mit anderen bedacht, nachempfunden und daraus Konsequenzen gezogen. Somit stehen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in direktem Bezug. In dem Buch „Ein gutes Leben ist die beste Antwort“ von Friedrich Dönhof sagt der 86-jährige Holocaust-Überlebende Jerry Rosenstein: „Es ist merkwürdig. Jetzt, im hohen Alter, da ich über mein Leben nachdenke und dir davon berichte, lerne ich mich selbst nochmal neu kennen.“ Bei einer Veranstaltung „Der alte Mensch in den Märchen“ war es sehr interessant, wie gut die Teilnehmer in der Märchenwelt bewandert waren. Zuerst gab es einen Rückblick und wir erfuhren, dass ein Teilnehmer nur ein einziges Buch in der Kindheit besessen hatte: ein Märchenbuch. Das war ein „Schatz“. Aber auch die Inhalte waren so präsent, dass fast jeder sein Lieblingsmärchen nennen konnte und auch begründen konnte, warum ihm das Märchen so gut gefiel. Aus der Psychologie wissen wir, dass den Märchen große Bedeutung zugesprochen wird. In unserer Kultur gibt es viele Geschichten, die zum Leben verhelfen können; besonders die Märchen. Seit Generationen werden sie weitergegeben, um Werte und Lebenseinstellungen zu vermitteln. Gibt es auch für die ältere Generation ein Märchen, das als Lebenshilfe dienen kann? In der Grimmschen Geschichte „Die Bremer Stadtmusikanten“ geht es um vier Tiere: Esel, Hund, Katze und Hahn, die aufgrund ihres Alters nicht mehr zu gebrauchen sind. Es ist erlaubt, diese Geschichte auf die Menschen zu übertragen. Und auch da gibt es viele Menschen, die sich alt und unnütz vorkommen. Sie waren fleißig und haben jetzt ausge-
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dient. Die vier Tiere verzagen nicht, sie schließen sich zusammen und machen sich auf den Weg nach Bremen, um dort als Musikanten ein neues Leben anzufangen. Ihr Motto: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“ lässt sie kreativ an diese Lebensphase herangehen. Sie erreichen Bremen nicht, weil sie auf ihrem Weg dorthin Räuber aus einem Haus im Wald verjagen müssen. Ende gut – alles gut; sie leben froh und zufrieden in einer Wohngemeinschaft. Und wenn sie nicht gestorben sind. Aus dieser Geschichte ist zu lernen: Der mutige, kreative Weg in Gemeinschaft ist das Ziel. „Hans im Glück“ (Grimm) erzählt den Lebensweg eines jungen Mannes. Hans bekam nach seiner Lehre einen Goldklumpen als Lohn und machte sich auf den Weg nach Hause. Immer wieder tauschte er seine Habe gegen ein neues Gut: Goldklumpen, Pferd, Kuh, Schwein, Gans, Schleifstein … Alles Symbole für Reichtum, Bewegungsfreiheit, gutes Essen und Wohnen und für den Beruf. Nach jedem Tausch lesen wir: „Hans war sehr glücklich“; obwohl es sich beim ersten Betrachten um einen sogenannten gesellschaftlichen Abstieg handelt, gefällt dem Hans jede neue Lebensstufe sehr gut. Auch der Schleifstein wurde zur Last und fiel in den Brunnen. Ganz frei konnte er seinen Durst löschen und kam glücklich bei seiner Mutter an. Hans im Glück ist ein Märchen, das wir alle kennen. Es geht um einen jungen Mann, der sein Glück sucht und immer wieder findet, indem er sich vom Vorherigen trennt, es gegen etwas anderes eintauscht und dabei sehr glücklich ist. Das Märchen endet: „Leichten Herzens, frei von jeder Bürde kam er glücklich zu Hause an.“ Eine Deutung sagt: „Die Zumutung dieses Märchens liegt in der Aussage: Glück ist nicht nur Besitz, sondern der loslassende Umgang damit.“ Diese Lebensgeschichte lehrt, dass auf jeder Lebensstufe die Werte, die lebensleitend waren, neu „gewichtet“ werden müssen. Dazu passt die Aussage von Leopold Rosenmayr: „Langes Leben kann letztlich nur durch innere Umstrukturierung ‚glücklich‘ werden.“ Und Karl Rahner (Altern in Freiheit und Würde) schreibt: „Das Leben wird durch Erinnern vor uns gebracht; es ist keine Vergangenheitsbewältigung; es geht um „Neugestaltung der Vergangenheit.“ Darum ist es sinnvoll, den langen Weg des Alterns zu begleiten.
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Bunte Lebensfäden – biografischer Umgang mit interessanten Lebensthemen Einführung Es gibt viele interessante Themen, die uns über den Lebenslauf begleiten. Da wir uns ständig verändern, Entwicklungen durchmachen, neue Erkenntnisse und Erfahrungen sammeln, ändert sich der Blick auf das Leben und auch auf die Themen, die es uns anbietet. Im Folgenden wird versucht, die Themen in einer ritualisierten Weise zu bearbeiten. Folgende Themenbereiche stehen zu Auswahl: ӺӺ Zeit ӺӺ Ernährung ӺӺ Geld ӺӺ Wohnen ӺӺ Lernen ӺӺ Werte ӺӺ Begegnung 1 – Wissenswertes zum Thema Bietet Hintergrundwissen als theoretische Einführung. 2 – Zitate Sprichwörter aus aller Welt zum Thema eröffnen den Blick auf das Thema Methode: Es bietet sich an, die Zitate auf DIN A4 Karten zu schreiben und evtl. zu laminieren. Dieser Fundus an Aussagen zum Thema kann in Einzelarbeit und auch in der Gruppenarbeit genutzt werden. Die Karten liegen beispielsweise gut sichtbar aus, jeder Teilnehmer kann sich einen zu ihm passenden Text oder einen Text, dem er widersprechen möchte, aussuchen. Bei eingeschränkten Teilnehmern kann die Gesprächsleiterin die Karten wie einen Fächer halten; die TN ziehen einen Spruch, der laut vorgelesen wird und dann zum Gespräch anregen kann; oder auch so stehen bleiben kann.
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3 – Erweiterung und Vertiefung Durch viele persönliche Ansichten, Gedanken, Texte, aufgezeichnete, biografische Gespräche – „Gesammeltes“ wird das Thema vertieft. Es kann der eigenen Sichterweiterung dienen; Passendes kann auch vorgelesen werden. 4 – Reflexion Dieser Punkt ist so wichtig, weil er dazu führen soll, durch die vorherigen Aussagen und Gedanken eigene Schlüsse zu ziehen und diese in das persönliche Leben zu integrieren.
Lebensfaden: Zeit Wissenswertes zum Thema 58
Wissenswertes zu diesem Thema erfahren wir aus der Südsee. Nach einem einjährigen Aufenthalt in Samoa schrieb Erich Scheurmann die Europa-Erfahrungen des Südseehäuptlings Tuiavii nieder, mit denen er bereits 1920 den „zivilisierten Mitmenschen“ einen Spiegel vorhielt, in dem wir uns heute noch erkennen können. Der Papalagi hat keine Zeit „Der Papalagi liebt das runde Metall und das schwere Papier… er liebt vor allem auch das, was sich nicht greifen läßt und das doch da ist – die Zeit. Er macht viel Wesens und alberne Rederei darum. Obwohl nie mehr davon vorhanden ist, als zwischen Sonnenaufgang und -untergang hineingeht, ist es ihm doch nie genug. Der Papalagi ist immer unzufrieden mit seiner Zeit und er klagt den großen Geist dafür an, daß er nicht mehr gegeben hat. Ja, er lästert Gott und seine große Weisheit, indem er jeden neuen Tag nach einem ganz gewissen Plane teilt und zerteilt. Er zerschneidet ihn geradeso, als führe man kreuzweise mit einem Buschmesser durch eine weiche Kokusnuß. Alle Teile haben ihren Namen: Sekunde, Minute, Stunde. Die Sekunde ist kleiner als die Minute, diese kleiner als die Stunde; alle zusammen machen die Stunden, und man muß sechzig Minuten und noch vielmehr Sekunden haben, ehe man soviel hat wie eine Stunde.“ (Der Papalagi, Seite 75) …
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„Es gibt in Europa nur wenige Menschen, die wirklich Zeit haben. Vielleicht gar keine. Daher rennen auch die meisten durchs Leben wie ein geworfener Stein. Fast alle sehen zu Boden und schleudern die Arme weit von sich, um möglichst schnell voranzukommen … Sie tun geradeso, als ob ein Mensch, der schnell geht, mehr wert sei und tapferer, als der, welcher langsam geht.“ (Der Papalagi, Seite 79/80) Aus: Scheurmann, Erich: Der Papalagi. Oesch Verlag Zürich, 2016 Dieser so ganz andere Blick auf das Thema „Zeit“ macht nachdenklich – treffen diese Aussagen auf alle Lebensalter zu? Wie ist wohl das allgemeine Zeitgefühl bei unseren Mitmenschen – mehr so wie eine Schlange, die entschlüpft, oder wie das breite Lagern auf der Matte?
Zitate, Sprichwörter aus aller Welt eröffnen den Zugang zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden. ӺӺ Zeit ist Geld. ӺӺ Nimm dir Zeit und nicht das Leben. ӺӺ Die Zeit läuft mir weg. ӺӺ Kommt Zeit, kommt Rat. ӺӺ Alles zu seiner Zeit. ӺӺ 1,2,3, im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit. ӺӺ Die Gegenwart ist die einzige Zeit, die in Wahrheit uns gehört (Blaise Pascal). ӺӺ Was dich im Nachhinein quält, lass es. Was du sein willst, liegt vor dir (Theresia Hauser). ӺӺ Gott hat uns die Zeit geschenkt, aber von Eile hat er nichts gesagt.
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ӺӺ Zu einem modernen Leben gehört ein erholsames Wochenende. ӺӺ Niemand kommt weit, nützt er nicht seine Zeit (Sprichwort). ӺӺ Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am wenigsten (Lichtenberg). ӺӺ Man muss lange leben, um ein Mensch zu werden (Antoine de Saint-Exupéry). ӺӺ Wir müssen jeden Tag neu anfangen (Franz von Assisi). ӺӺ Zeit heilt Wunden – Zeit allein heilt keine Wunden. ӺӺ Der Tag ist verloren, an dem du nicht geliebt hast. ӺӺ Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nützen (Seneca). ӺӺ Wer sich heute freuen kann, sollte nicht bis morgen warten. ӺӺ Eine halbe Stunde in Ruhe nachdenken, bringt oft mehr als ein ganzer Tag harter Arbeit. ӺӺ Verbring die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis, vielleicht ist keins da (Franz Kafka). ӺӺ Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss nehmen, was übrig bleibt. ӺӺ Das Alter ist die Zeit, die nach der Wärme des Herzens gemessen wird (J. Kuhn). ӺӺ Auf der großen Zeitenuhr steht nur ein einziges Wort: „Jetzt“ (Cervantes).
Zeit – Erweiterung und biografische Vertiefung ӺӺ „Drei Uhr nachmittags ist eine fürchterliche Stunde, die Stunde ohne Gefälle, flach und aussichtslos; ich erinnere mich an die ferne Kinderzeit, wenn ich krank im Bett lag, und es war drei Uhr nachmittags, Bilderbücher, Apfelmus, Ewigkeit.“ (Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein – Suhrkamp – Berlin 2011)
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ӺӺ „Ich bin ein Morgenmensch, eine Lerche, mein Mann ist eine Nachteule, zu Anfang unserer Ehe gab es viele Diskussionen deswegen ...“
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ӺӺ „Was bin ich so froh, dass ich jetzt mit Freude und ohne schlechtes Gewissen ein Mittagsschläfchen halten kann.“ Gleichnis vom großen Terminkalender: Ein Mann hatte einen großen Terminkalender und er sagte zu sich selbst: „Alle Termine sind eingeschrieben, aber noch sind die Tagung X und die Konferenz Y sowie die Sitzung der Unterausschüsse und die Treffen unseres Teams nicht eingeplant. Wo soll ich sie alle unterbringen? Und er kaufte sich einen größeren Terminkalender mit Einteilungsmöglichkeiten der Nachtstunden, machte aus Abendessen Arbeitsessen, aus Wochenende Klausurtage, disponierte noch einmal, trug alles sorgfältig ein und sagte zu sich selbst: „Nun sei ruhig, liebe Seele, du hast alles gut eingeplant, versäume nur nichts.“ Und je weniger er versäumte, umso mehr wuchs sein Informationsvorsprung – er konnte überall klug mitreden, er stieg im Ansehen und wurde in den Ausschuss Q und in den Vorstand K gewählt, zweiter und erster Vorsitzender, Ehrenmitglied, und eines Tages war es dann soweit und Gott sagte: „Du Narr, diese Nacht stehst du auf meinem Terminkalender.“ (Moderne Variation zu Lk. 12,16-20, gefunden: Gottfried Hänisch, geistliches Wort der Ev. Gemeinde Ergste) Aus „Der Kleine Prinz“ von Antoine de Saint Exupéry: „Guten Tag“, sagte der kleine Prinz. „Guten Tag“, sagte der Händler. Er handelte mit höchst wirksamen, durststillenden Pillen. Man schluckt jede Woche eine und spürt überhaupt kein Bedürfnis mehr zu trinken. „Warum verkaufst Du das?“, sagte der kleine Prinz. „Das ist eine große Zeitersparnis“, sagte der Händler. „Die Sachverständigen haben Berechnungen angestellt. Man erspart dreiundfünfzig Minuten in der Woche.“ „Und was macht man mit diesen dreiundfünfzig Minuten? ...“ „Wenn ich dreiundfünfzig Minuten übrig hätte“, sagte der kleine Prinz, „würde ich ganz gemächlich zu einem Brunnen laufen ...“ © Der Kleine Prinz, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf, 1950 und 2016 Auf die Frage: „Wie hat sich dein Zeitempfinden gegenüber früher gewandelt?“, antwortete der 78-jährige Mann: „Die Zeit vergeht schneller, als ich neulich ehemalige Kollegen traf, hatte ich das Gefühl, unser letztes Treffen war vor 10 Jahren, dabei waren es 20 Jahre her.“
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62 Silke erinnert sich: „Ich war eine eifrige Schülerin; in der Sexta hatte ich Englisch und kam froh nach Hause, um meiner Tante Ilse etwas vorzulesen. „Deine Aussprache ist miserabel“ ... „Lange hatte ich Hemmungen, englisch zu sprechen.“ Auch nach Jahren trägt man noch Verletzungen mit sich herum. „Zeit allein heilt keine Wunden“ Silke ist durch einen Gesprächskreis in englischer Sprache selbstbewusst geworden.
Beispiel Projekt: 12 Teilnehmer im Alter von 70 bis 82 Jahren bedachten lange das Zitat: Die Zeit heilt alle Wunden – und erzählten Beispiele (Tod des Kindes/Verlust der Freundin), bei denen Zeit allein nicht die Wunden heilt. Bei der Einteilung des Lebenslaufes in Dekaden, sagte E.: „Die Zeit zwischen 10 – 20 Jahren war meine unbefangenste Zeit „meine Traumzeit.“ B.: „In der Zeit zwischen 50 – 60 Jahren bin ich neu durchgestartet und habe studiert.“ Bei der Suche nach einer Überschrift über die Lebenszeit: W.: „In allen Zeiten getragen.“ S.: „Trotz allem dankbar für die geschenkte Zeit.“ B: „Zwei Begriffe für die Lebenszeit: Lernen und Lieben.“
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Methode zur Erkennung des Umgangs mit der Zeit: Zeichnen Sie zwei „Uhren“ mit 24 Segmenten. Versuchen Sie sich zu erinnern: „Wie war Ihr Tagesablauf vor ca. 40 Jahren? Wie ist er heute? (Schlaf, Hygiene, einkaufen, kochen, essen, abwaschen, aufräumen, putzen, waschen, bügeln, Reparaturen, Beruf, Besorgungen, Arzt, Freizeit ...) Die frühere Zeituhr wird sicherlich gefüllt sein mit vielen Aktivitäten „alles ändert sich – alles ist im Fluss. Und heute? Anders? Wie möchten Sie leben? Gerade der Umgang mit der Zeit sollte intensiv reflektiert werden. Es stellt sich die Frage: Wie sieht die Zeituhr bei einem Bewohner im Heim, bei einem hochaltrigen Menschen aus? Wie viel Zeit kann er selbstbestimmt nutzen? Wie würde ein Bewohner seine Zeit wohl am liebsten nutzen – wissen wir es? Wäre er lieber in Gemeinschaft oder allein? Beschäftigung um jeden Preis? Wir geben dem Leben mehr Jahre – schaffen wir es auch den Jahren mehr Leben zu geben? Und was bedeutet denn „Leben“ für uns selbst und für die uns Anvertrauten? „Als ich mich vor Jahren mit dem Thema „Zeit“ beschäftigte, wurde mir klar, was Meister Eckhart formulierte: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht, das notwendigste Werk ist immer die Liebe.“ Daraufhin kaufte ich mir eine besondere Armbanduhr: auf dem Zifferblatt steht „NOW“ (Jetzt ist die Zeit), in diesem Sinne versuche ich zu leben.“
Reflexion Gehen Sie mit der Zeit? Leben Sie am Puls der Zeit? Nagt der Zahn der Zeit an Ihnen? Schlagen Sie gern die Zeit tot? Ist es für Sie schwer auszuhalten, wenn Langsamkeit, Schlurfen, Trödeln, Leere auf Ihren aktiven, manchmal hektischen Lebensstil treffen? Müssen Sie sich dann echt zusammennehmen, um nicht zu drängeln, zu „schubsen?“ Bischof Klaus Hemmerle: „Eines der forderndsten Probleme, die auf uns zukommen, ist das Wachstum an leerer Zeit in unserer Gesellschaft. Zeit haben – etwas Wunderbares. Leere Zeit haben – etwas Schreckliches. Und wenn leere Zeit nur überdeckt wird mit Angeboten und Programmen, die man uns anliefert, oder vollgestopft mit Terminen, die sie auffressen, wird sie nicht erfüllt ...“
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Nicht der Mensch, der mit einem vollen Terminkalender loslebt – sollte etwas gelten, sondern eher der Mensch, der Gelassenheit und Gegenwärtigkeit in sich vereinen kann: Natürlich muss ich auf die Uhr sehen, ich hab ein Gespräch vereinbart, einen Besuch angekündigt, eine Konferenz einberufen – nun kommt etwas dazwischen. „Ich möchte lernen, auch für eine ganz kurze Zeit so für jemanden da zu sein, als hätte ich für den Rest des Tages nichts mehr vor. Das kann man lernen. GEL ASSEN HEIT U ND GEGEN WÄ RTIGK EIT. Nichts ist schlimmer, als mit halbem Herzen für jemanden da zu sein. Aber das ist auch ein Anruf an uns selber – ganz achtsam mit uns zu sein und auf unsere „innere Uhr“ zu hören. Vielleicht ist es möglich, sich täglich eine kleine Zeitinsel zu schaffen, frei von Sorgen und Stress. Wenn Sie es noch nicht haben, so fangen Sie doch heute damit an.
Lebensfaden: Ernährung Wissenswertes zum Thema: Essen bedeutet mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es ist auch wichtig für die Lebensqualität. In der zweiten Lebenshälfte verlangsamt sich der Stoffwechsel – der Körper braucht weniger Nahrung, um seinen Energiebedarf zu decken. Zu bevorzugen sind frisches Obst, Gemüse und Vollkorngetreideprodukte; fett- und zuckerhaltige Lebensmittel daher nur in Maßen. Außerdem rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, täglich Milchprodukte aufzutischen, sowie 1x pro Woche Seefisch.
Zitate, Sprichwörter aus aller Welt zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber
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nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden. ӺӺ Essen hält Leib und Seele zusammen. ӺӺ 5 sind geladen – 10 sind gekommen, gieß Wasser in die Suppe, heiß alle willkommen. ӺӺ „Geselliges Vergnügen, munteres Gespräch muss einem Festmahl die Würze geben“ (William Shakespeare). ӺӺ „Wenn ich gut gegessen habe, ist meine Seele stark und unerschütterlich; daran kann auch der stärkste Schicksalsschlag nichts ändern“ (Moliere). ӺӺ Gut gekaut ist halb verdaut. ӺӺ Kurzes Abendessen – langes Leben (Bulgarien). ӺӺ Die Liebe geht durch den Magen. ӺӺ Der Mensch ist, was er isst. ӺӺ Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettelmann. ӺӺ Fresser werden nicht geboren, sie werden erzogen. ӺӺ Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schritte tun. ӺӺ Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss essen, was übrig bleibt. ӺӺ Fantasie und Liebe sind gute Gewürze. ӺӺ Ein voller Bauch studiert nicht gern. ӺӺ Aller Augen warten auf dich, du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. ӺӺ Ein Apfel täglich, keine Krankheit quält dich. ӺӺ Der Mund ist ein kleines Loch, aber es verschlingt Haus und Hof. ӺӺ Der Teller wird leergegessen, sonst gibt es morgen schlechtes Wetter. ӺӺ Weniger ist mehr. ӺӺ Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.
Ernährung – Erweiterung und biografische Vertiefung Gedanken können geäußert werden, Erfahrungen werden mitgeteilt – hier einige Beispiele: „Mir ist am bekanntesten: Gut gekaut, ist halb verdaut, das ist auch heute im Alter noch wichtig, obwohl die Zähne nicht immer „kaufähig“ sind“.
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„Wer nicht kommt zur rechten Zeit … Ich weiß noch, dass wir bei meiner Tante zu Besuch waren. Vetter Wolfgang nahm uns alle mit in den Wald. „100 Kartoffeln werden geschält“, verkündete die Tante und der Onkel: „Pünktlich um 12.30 Uhr wird gegessen!“ Leider kamen wir (nach unserem Gefühl) eine Minute zu spät. Das Essen wurde gestrichen. Die gute Tante reichte uns heimlich ein paar Butterbrote zum Fenster raus!“ „Wenn ich daran denke, wie viel Lebensmittel vernichtet werden, wird mir ganz schlecht. Mein Vater ist im Krieg verhungert.“ „Vielleicht ist es gar kein so schlechter Brauch, dass nach einer Beerdigung Kaffee und Kuchen angeboten werden, in dem Sinne: Die gemeinsame Mahlzeit ist das Symbol dafür, dass das Leben weitergeht.“ „Wir hatten wenig Geld – sonntags gab`s für drei Personen-für 1,– DM Bratwurst; daraus ist der Wunsch entstanden, mich einmal an Fleisch richtig satt zu essen.“ „Früher hat mir alles geschmeckt, Hauptsache fertig – und ich brauchte nicht zu kochen: heute bin ich anspruchsvoll, mag es frisch – ohne Geschmacksverstärker. Ich habe jetzt über 50 Gewürze im Schrank, frische Kräuter auf der Fensterbank und nehme mir viel Zeit.“ „Meine Mutter mochte keinen Reis und keinen Fisch; durch meine vielen Auslandsaufenthalte hab ich gerade an Fisch und Reis „Geschmack“ bekommen.“
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„Ich esse immer noch so wie früher und vor allen Dingen nichts „Neues“. Was der Bauer nicht kennt ...“ „Unser gemeinsames Essen begann immer mit einem Gebet; heute gibt es nur noch das Ritual, dass wir uns anfassen und guten Appetit wünschen.“ „Jedes Mal, wenn ich von einer Reise nach Hause komme, esse ich mit Genuß sieben kleine Pellmänner mit Butter und Salz.“
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Reflexion Es ist bestimmt anregend, sich mit Bewohnern über Erinnerungen rund ums Essen auszutauschen. Vielleicht überlegt der eine oder andere dann auch: „Wie ist es denn um mein eigenes Essverhalten bestellt?“ „Als mein Mann 75 Jahre alt wurde, haben wir eine Gruppe sozialengagierter Männer und Frauen eingeladen. Eine Ökotrophologin hat für uns Kürbisgerichte in vielen Variationen aufgetischt; sehr bedeutsam war für mich das Gespräch über Ernährung und der Austausch über Essgewohnheiten.“ Will ich meinen Körper mit Nahrung vollstopfen oder mit wichtigen Lebensmitteln versorgen? „Sich nähren“ geht also weit über das Essen hinaus. Ist es nicht so, dass ein schön gedeckter Tisch, mit schönem Porzellan, Tischdecke und Servietten auch das einfache Essen zu einem freudigen Ereignis machen kann? Legen wir manchmal Wert auf einen sorgfältig gedeckten Tisch, ist die Mahlzeit eine Gelegenheit, in der wir das Tischgespräch kultivieren? Nehmen wir uns Zeit, zu essen? Läuft Ihnen das Wasser im Mund zusammen, wenn Sie den Bewohnern das Essen reichen?
Lebensfaden: Geld Wissenswertes zum Thema Die historische Entwicklung zeigt, dass in alten Zeiten getauscht wurde: Ware gegen Ware, dann Ware gegen Gold und Silber. Die ersten Münzen wurden vor mehr als 2000 Jahren geprägt, vor ca. 1.500 Jahren waren sie in annähernd allen damals bekannten Ländern verbreitet. Papiergeld kam im 15. – 18. Jahrhundert dazu. Für die Währung und ihre Einzelwerte wurden zeitlich und regional sehr unterschiedliche Bezeichnungen gewählt: In Deutschland z.B. Taler und Groschen oder Mark und Pfennig, in Frankreich Francs, in Italien Lire. Mit dem Ziel einer Begünstigung des grenzüberschreitenden Reiseverkehrs und wirtschaftlichen Austauschs wurde im Jahr 2002 der EURO als gemeinsame Währung für 19 der 28 EU-Länder eingeführt.
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Zitate, Sprichwörter aus aller Welt zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden.
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ӺӺ Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt (Albert Einstein). ӺӺ Was der liebe Gott vom Geld hält, kann man an den Leuten sehen, denen er es gibt (Peter Bamm). ӺӺ Man empfindet es oft als ungerecht, dass Menschen, die Stroh im Kopf haben, auch noch Geld wie Heu besitzen (Gerhard Uhlenbrock). ӺӺ Es stimmt, dass Geld nicht glücklich macht; allerdings meint man damit das Geld der anderen (George Bernard Shaw). ӺӺ Wenn man genug Geld hat, stellt sich der gute Ruf von selbst ein (Erich Kästner). ӺӺ Geld stinkt nicht – pecunia non olet. ӺӺ Reichtum besteht nicht darin, ein großes Vermögen zu besitzen, sondern wenige Wünsche zu haben (Epiktet). ӺӺ Als ich Geld hatte, nannte mich jeder Bruder (Polnisch). ӺӺ Kleine Diebe hängt man an den Galgen, die großen an die goldenen Ketten (Sprichwort). ӺӺ Das letzte Hemd hat keine Taschen (Sprichwort). ӺӺ Der größte Reichtum ist die Selbstgenügsamkeit (Epikur). ӺӺ Kein Mensch ist so reich, dass er nicht seinen Nachbarn braucht (Ungarn). ӺӺ Dem Wachsen des Geldes folgt die Sorge (Horaz).
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ӺӺ In der ersten Hälfte unseres Lebens opfern wir die Gesundheit, um Geld zu erwerben, in der zweiten Hälfte opfern wir unser Geld, um die Gesundheit wieder zu erlangen (Voltaire). ӺӺ Geld hat noch keinen reich gemacht (Seneca). ӺӺ Wenn mit dem Taler geläutet wird, öffnen sich alle Türen (Sprichwort). ӺӺ Geld auf den Kopf hauen (Sprichwort). ӺӺ Geld wie Heu (Sprichwort). ӺӺ Im Geld schwimmen (Sprichwort).
Geld – Erweiterung und biografische Vertiefung Der Volksmund kennt viele Bezeichnungen für das Zahlungsmittel „Geld“: ӺӺ schnöder Mammon (Bibel) ӺӺ Groschen/Taler = alte deutsche Bezeichnungen ӺӺ Kröten – niederl. Groten (Groschen) ӺӺ Moos = jiddische Sprache – Geld = moes = Moos Wie reden wir vom und über das Geld? Ist Geld wichtig für uns? Haben Sie ein eigenes Konto oder gibt es ein Familienportemonnaie? Frühere Erfahrungen haben häufig noch ihre Bedeutung in der Gegenwart.
Beispiel B. „Könntest du in Zukunft mal bei Aral tanken?“ E.: „Warum das denn?“ B.: „Ich sammle die kleinen Klebebälle. Pro 10 Liter bekommt man einen – wenn das Kärtchen voll ist, bekommt man einen Ball.“ Sie dachte, jetzt spinnt er; ich soll an eine Tankstelle fahren, die nicht an meinem Weg liegt, um so`n paar Klebemarken zu bekommen. Sie fand es ziemlich „abwegig“. Am nächsten Tag beobachtete sie, wie B. am Küchentisch saß, ganz sorgfältig das Klebebällchen in das dafür vorgesehene Quadrat klebte, liebevoll darüberstrich, das Kärtchen zuklappte und stolz beiseitelegte.
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B.: „So habe ich das früher bei meiner Mutter auch immer gemacht; wir hatten nicht viel Geld, es war Krieg; und ich war zuständig für die Rabattmarken.“ E. stellte sich vor, wie der kleine Knirps ganz sorgfältig die von der Mutter aufgetragene Aufgabe ausführte und so zum Familienunterhalt beisteuerte. Fazit: E. wurde zur eifrigen „Ballpunktesammlerin“.
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Sterntaler Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr hatte, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stückchen Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach: „Ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungrig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte: „Gott segne dir`s „und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach: „Es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: Da gab es im seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: „Es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben“, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter blanke Taler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag. (Gebrüder Grimm)
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Eine Frau erzählt: „Das Märchen Sterntaler begleitete mich durch meine Kindheit: ich war das Mädchen – wir waren tatsächlich arm, ich musste die abgewetzten Sachen meines Bruders und der Cousins auftragen; ich erinnere mich, dass ich zur Kommunion zum allerersten Mal eine eigene neue Hose bekam; natürlich wurden wir sehr sozial erzogen, teilen war ganz wichtig. Ich glaube, ich hab bis heute noch keine Tafel Schokolade ganz allein gegessen. Und dann der wunderbare Schluss – wie gut konnte ich mir das vorstellen: blanke Taler, „reich für sein Lebtag“, das war ein Lohn für alles Darben. Heute bin ich „reich“ in dem Sinn, dass mein Leben stimmig ist.“ „Wenn es um Geld geht, dann streiten wir immer“, erzählt eine Frau in einer biografischen Gesprächsrunde. „Ich habe eine ganz andere Einstellung als mein Mann. Wir waren arm, meine Mutter, Kriegerwitwe, hat es aber geschafft, uns, als wir Kinder waren, ein kleines Taschengeld zu geben – sie hat uns dazu angehalten, über Ein- und Ausgaben Buch zu führen, das mach ich heute noch. Es war selbstverständlich, dass wir in den Schulferien gearbeitet haben. Ich könnte mir auch überhaupt nicht vorstellen, kein eigenes Konto zu haben oder etwas auf Pump zu kaufen. Rote Zahlen auf dem Kontoauszug machen mir schlaflose Nächte. Mein Mann sieht das alles lockerer; als Lehrling hat er seinen Eltern das vorher von ihnen gezahlte Schulgeld erstattet und das anschließende Studium durch zahlreiche, oft gleichzeitige Nebenjobs finanziert.“ Ein Teilnehmer: „Bei uns kommen unsere Verdienste auf ein Konto und ein Teil davon ins Portemonnaie; jeder bedient sich.“ Eine weitere Frau: „Wenn ich gestresst bin, dann habe ich das große Bedürfnis, mir was Schönes zum Anziehen zu kaufen; das gibt manchmal Stirnrunzeln.“ Eine Teilnehmerin: „Als ich mein erstes selbstverdientes Geld in der Hand hatte, ging ich in eine Bäckerei und spendierte ein riesiges Tablett Kuchen – als ich freudestrahlend ins Zimmer kam, sagte mein Bruder: „Das konnte ich mir ja direkt denken, dass du es mal zu nichts bringen wirst.“ Einer Teilnehmerin fällt ein: „Ich erinnere mich an ein Foto, das in meiner Kindheit gemacht wurde; da bin ich schnell hinter meine Freundin gesprungen, damit man meine furchtbaren Schuhe nicht sieht.“ Gelderfahrungen im Laufe des Lebens Viele Menschen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration haben es zu kleinem Wohlstand gebracht und können jetzt ihre nachberufliche Zeit auf unterschiedliche Weise
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genießen. Trotzdem gibt es gerade unter den hochaltrigen Witwen von Armut bedrohte Mensch. Ihnen ist das Sparen in Fleisch und Blut übergegangen. So fanden wir bei einer hochaltrigen Freundin in einer Schublade – abgebrannte Streichholzstöckchen zur Weiterverwendung und in einer anderen Schublade – glattgestrichenes Papier (manchmal war noch etwas Käse daran); Geschenkpapier wurde natürlich gebügelt. Manche Lebensmittel im Kühlschrank waren nicht mehr genießbar, aber sie sagte dann: „Man kann doch nichts wegschmeißen.“ So gibt es bei hochaltrigen Menschen diejenigen, die auch an ihrem Lebensabend bescheiden und genügsam leben möchten und auch die, die sich jetzt endlich etwas gönnen möchten. Wie ist es aber, wenn der Lebensabend im Heim verbracht wird? Gibt es noch Möglichkeiten, über Geld zu verfügen oder wird alles geregelt?
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Reflexion Bekommen Sie – oder geben Sie sich selbst Taschengeld? Brauchen Sie immer eine aktuelle Übersicht über Ihre Geldsituation? Führen Sie ein Haushaltsbuch? Oder haben Sie eher die Einstellung: „Wenn das Geld weg ist, ist es weg.“ Brauchen Sie ein Sparguthaben für alle Fälle? Oder horten Sie einen Notgroschen unter der Matratze? Können Sie verstehen, dass hochaltrige Menschen Schwierigkeiten haben, Brot oder Essen wegzuwerfen? Haben Sie schon in Erfahrung gebracht, dass der betagte Mensch, die Strümpfe gestopft und nicht weggeworfen hat? Können Sie nachvollziehen, dass die betagten Menschen gern über etwas Geld verfügen möchten, nicht, um für sich was zu kaufen, sondern, um es verschenken zu können? Sich selbst etwas Gutes tun, das musste diese Generation erst lernen. Darum wird es eine Aufgabe über den Lebenslauf bleiben, das richtige, individuelle Maß im Umgang mit Geld zu finden.
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Lebensfaden: Wohnen Wissenswertes zum Thema Im heutigen Sprachgebrauch heißt „wohnen“ „ansässig sein“. Sprachgeschichtlich stoßen wir auf „Wunian“, d.h. zufrieden sein. Demnach genügt nicht nur ein Dach über dem Kopf, „wohnen“ bedeutet mehr. Die eigenen vier Wände sind ein Ort zum Wohlfühlen, um sich zurückzuziehen in ganz individuellem Stil, mit liebgewordenen Möbelstücken, Erinnerungsstücken, Fotos ... Otto Friedrich Bollnow (1903 – 1991) zählt zu den bedeutendsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Bollnow empfiehlt, dass der Mensch sich einen Eigenraum der Geborgenheit schaffen soll. Es besteht allerdings die Gefahr, sich in diesem Eigenraum abzukapseln; die „feindliche“ Welt bleibt draußen – Bollnow sieht die Aufgabe, auch die Außenwelt voll ins Leben mit einzubeziehen, damit sie die Bedrohlichkeit verliert und selbst zum bergenden Raum werden kann. Der Wohnraum bietet Schutz und Rückzugsmöglichkeit. Aber das Leben gehört zum Menschen, gestärkt durch die Intimität der Wohnung sind Begegnung und Kontakt mit der Welt möglich. Fremde werden Gäste, die Welt wird ins Haus geholt. So könnte sich die Umwelt/Nahwelt zum bergenden Raum entwickeln. Wie sieht es beim alten Menschen aus? Da viele über 70-jährige Menschen im Durchschnitt ca. dreieinhalb Stunden außerhalb ihrer Wohnung verbringen, hat das Wohnen einen ganz besonderen Stellenwert. Wilfried Saup (Altern und Umwelt, Kohlhammer, 1993) sagt: „Alltag und Alter heißt vor allem Wohnalltag“. Befragt, wo die Menschen gern im Alter wohnen wollen, antworten viele: „In der Nähe der Kinder, aber selbstständig.“ Intimität auf Abstand gibt das Gefühl von Selbstständigkeit und emotionaler Nähe. Darum ist ganz wichtig, Sorge zu tragen, dass Einkaufsmöglichkeiten, Arzt, Friseur, Fußpflege, Verkehrsanbindung, Kirche, Sportmöglichkeiten und andere Gruppenaktivitäten im räumlichen Nahbereich als Angebote vor Ort zu finden sind. Längst ist festgestellt, dass Wohnen und Wohnumfeld die Lebensqualität im Alter erhöhen kann. Besonders, wenn die Beweglichkeit nachlässt, entwickelt sich die Wohnung zum Lebensmittelpunkt. Und wie ist die Situation für Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt ins Heim verlegen müssen? Ist es ein Ort zum Wohlfühlen, zum Sich zurückziehen und auch ein Ort, die Welt zu empfangen?
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Gibt es die Möglichkeit, so lang wie möglich eigenständig zu agieren und auch „so wenig wie möglich“ und „so viel wie nötig“ Hilfsangebote zu erhalten?
Zitate, Sprichwörter aus aller Welt zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden. ӺӺ Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wir mit einer Axt (Heinrich Zille). ӺӺ Wohnhaft: Wohn-Haft? (Walter Ludin). ӺӺ Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie (Joh. Gottfried von Herder). ӺӺ Nichts macht ein Zimmer behaglicher als garstiges Wetter (unbekannt). ӺӺ Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern da, wo man verstanden wird (Christian Morgenstern). ӺӺ Raum ist in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar (Friedrich Schiller). ӺӺ Ein neues Haus, ein neuer Mensch (Goethe). ӺӺ Eigener Herd ist Goldes wert (Sprichwort). ӺӺ Mein Haus ist meine Burg – my home is my castle (E. Coke). ӺӺ Der Topf daheim kocht lustiger als jeder andere (aus Russland). ӺӺ Vom Fenster her lässt sich niemals die ganze Welt überschauen (aus Spanien).
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ӺӺ Trautes Heim – Glück allein (Sprichwort).
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ӺӺ Am Nest kann man sehen, was für ein Vogel darin wohnt (Sprichwort). ӺӺ In einem aufgeräumten Zimmer ist auch die Seele aufgeräumt (Ernst Freiherr von Feuchtersleben). ӺӺ Mit vielen lässt sich schmausen – mit wenigen lässt sich hausen (Sprichwort). ӺӺ Heimat ist nicht da oder dort. Heimat ist in dir drinnen oder nirgends (H. Hesse). ӺӺ Fürchte nicht die Enge des Hauses, fürchte vielmehr die Enge des Herzens (China). ӺӺ Männer bauen ein Haus – Frauen schaffen ein Zuhause (unbekannt). ӺӺ Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe wohnt, wohnt in Gott und Gott in ihm (Meister Eckart)
Wohnen – Erweiterung und biografische Vertiefung In einem Kloster in Südfrankreich findet sich diese Begrüßungsformel: „Du kommst zu uns herein, sei willkommen. Wir freuen uns, Dir auf Deiner Reise eine Rast anbieten zu können. Gib Dich aber nicht damit zufrieden, von uns, die wir hier leben, zu profitieren. Lass uns auch profitieren von dem, was Du lebst, was Du weißt, was Du hoffst. Schenke uns die Gemeinschaft mit Dir als Gegengabe für Dein Zusammensein mit uns. Dass unser Zusammentreffen an diesem Ort uns führe, miteinander zu sprechen und miteinander zu teilen, das wünschen wir uns und nicht anderes.“ Bei einem einjährigen Kurs „Orientierung und Hilfe im Alter“ geht es um Fragen rund ums Alter und Altern. Unter anderem werden Handlungsfelder aufgezeigt, wie Menschen im 3. Lebensalter sich für andere einsetzen, sei es bei den „Grünen Damen“, bei der „Tafel“, bei der Durchführung von Kursen in Tanz und Gedächtnistraining. Ehepaar K. wohnt am Ende einer langen Dorfstraße in einem Einfamilienhaus. Durch die Teilnahme an diesem Kurs wuchs in ihnen die Idee, die Einliegerwohnung, aus der die erwachsenen Kinder ausgezogen waren, als einen Treffpunkt für Hochaltrige des kleinen Ortes anzubieten. Fünf Teilnehmerinnen des Kurses waren von dem Vorhaben begeistert und machten mit. Mit Unterstützung des Vereins ALTERAktiv entstand ein wöchentliches Aktiv-Café, in dem neben Entspannungsübungen, Bewegung im Sitzen, PC-nutzung, Musik und Singen natürlich auch Kaffee getrunken wurde. Die Besucher und die Besucherinnen haben sogar eine kleine Broschüre erstellt, in der sie Anekdoten und biografische Ereignisse aus dem Dorfleben niedergeschrieben haben. Inzwischen ist es eine schon 7-jährige Erfolgsge-
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76 schichte. Das Haus, das leer zu werden drohte, ist gefüllt mit Begegnungen. Viele ältere Menschen haben, bedingt durch Kriegs- und Fluchterfahrungen, oft auf sehr beengtem Raum gelebt. Daher ist es nur zu verständlich, dass die Bevölkerung sich nach privatem und ausreichendem Wohnraum sehnte. E. K., Jahrgang 1937, erzählt: „Nach dem Krieg, in den 40er-Jahren, mussten meine Eltern Untermieter aufnehmen. Einer hieß Leo, rauchte zahlreiche Zigaretten der Marke Gloria, hatte einen Watschelgang und grässliche Schweißfüße. Ihm war unser Wohnzimmer zugewiesen. Meine Eltern hatten ihr eigenes Schlafzimmer, mein Bruder (13) und ich (12) schliefen im Kinderzimmer in einem Etagenbett, unsere Schwester (8) auf einem Gestell, das tagsüber zusammengeklappt wurde. Die kleine Toilette war gleichzeitig Abstellraum. Es gab darin keine Waschgelegenheit und auch keine Heizung. Lüftung war nur möglich durch ein winziges, schwer zu öffnendes Oberlicht-Fenster. Daraus ergab sich eine erhebliche Belastung, denn im Winter bestand Frostgefahr für den Spülkasten. Außerdem war mein Vater kälteempfindlich. Während seiner ausgedehnten Sitzungen rauchte er mindestens 2 Zigaretten (Overstolz). Deshalb war der Aufenthalt im Toilettenraum vor allem im Winter für mich unerträglich; die Erinnerung daran ist wie ein Alptraum. Das eigentliche Leben – Unterhaltung, Schularbeiten usw. bis hin zur Körperreinigung – fand in der Küche statt. Das Keramik-Waschbecken war selbst für Leos Füße groß genug. Bevor er – zu unterschiedlichen Zeiten – zur Fußwäsche schritt, mussten wir darauf achten, dass die Geschirrreinigung erledigt war. Das habe ich meistens zu meiner Aufgabe gemacht und dabei sorgfältig jede Berührung mit Leos blauem Handtuch vermieden; dieses hing neben unseren Küchentüchern. Noch heute, nach 50 Jahren, ruft die Erinnerung an zwei Geruchscocktails bei mir heftige Reaktionen aus: es sind die Mischungen aus Zigarettenrauch mit Fuß- und Toilettengeruch.“
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Enge, unangenehme Gerüche, latente Belastung der familiären Intimsphäre sind für mich kaum zu ertragen. Ein eigener großzügiger Wohnraum, große Fenster für Helligkeit und frische Luft sind meine Wohnwünsche. B. K., Jahrgang 1942, erzählt: „Das Haus der verwitweten Großmutter war Zuflucht für die Töchter bzw. Schwiegertöchter, deren Männer sich im Krieg befanden. Fünf Zimmer des Hauses waren an Einzelpersonen vermietet. 1950 – meine Mutter, mein Bruder (9) und ich (8) lebten in drei winzigen Zimmern im Dachgeschoss. Unter dem Dach wohnten noch eine Mieterin und ein Mieter. Die kleine Küche wurde von ihnen mitbenutzt. Die einzige Toilette für alle befand sich 2 Treppen tiefer. Wir essen zu Abend, die Mieterin brutzelt zur gleichen Zeit Kartoffelpuffer; meiner Mutter war es gar nicht Recht, dass wir probieren durften; sie fühlte sich sehr gestört ... die Wohnsituation führte zu Konflikten. Es gab nur einen beheizbaren Raum.“ Diese Erfahrungen des beengten Wohnens und den darin begründeten Konflikten führten zu dem ausgeprägten Wunsch nach einem eigenen Tisch, einem eigenen Zimmer, einem eigenen Haus. Weihnachten feierten wir dank unserer weitherzigen Großmutter mit der gesamten Hausgemeinschaft: jeder brachte etwas zu essen mit … so trafen sich die Witwen mit ihren Kindern, der Geiger, der Fischverkäufer, die Stadtangestellte, der Türke ... – ein lebendiges, lustiges Fest in Gemeinschaft. Die Erinnerung an die Weihnachtsgemeinschaft trug zur Grundhaltung des „Offenen Hauses“ als Lebensstil bei. (Aus: Barbara Kerkhoff, Jörg Siebert – Alternativen) Es ist sicherlich einfach, die Gesprächsteilnehmer auf das Thema „Wohnen – früher“ einzustimmen. Bei den meisten wird nach dem Rückblick auf die frühere Zeit ein Gefühl der Dankbarkeit vorherrschen, dass die Familien es geschafft haben, genügend Wohnraum für sich zu erwerben; oftmals ein kleines Häuschen ihr Eigen zu nennen. Die Umstellung von einem eigenen Haus in eine kleinere Wohnung und dann ins Heim ist ein Prozess, der unbedingt verständnisvolle Begleitung erfordert.
Reflexion Wie viel bedeuten Ihnen die eigenen vier Wände? Besitzen Sie eine ganz persönliche Ecke/ein persönliches Zimmer in Ihrem Haus oder in Ihrer Wohnung? Haben Sie manchmal den dringenden Wunsch, die Tür hinter sich zu schließen, um zur inneren Ruhe zu finden.
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„Bei uns ist es üblich, dass die Gardinen weit zurückgezogen sind. Jetzt, als ich so k.o. war und keinen mehr treffen wollte, ertappte ich mich dabei, dass ich die Gardinen zuzog.“ Können Sie verstehen, wie schwierig es ist, wenn die älteren Menschen mit viel Mühe, Arbeit und Entbehrung ein eigenes Häuschen gebaut und eingerichtet haben; einen Garten, wahrscheinlich einen Gemüsegarten, angelegt haben und dann ins Heim kommen? „Als ich (75 J.) in einer Freundesrunde erzählte, dass mein Mann und ich heftig diskutiert haben, ob wir unser Haus und Garten verkaufen sollten, um in eine Mietwohnung zu ziehen, sagte eine Freundin: „Wenn ihr das macht, dann geht dir dein Franz ein; den kannst du doch nicht von seinem Grundstück trennen.“ Eingebunden in Nachbarschaft und Wohnviertel ist es schwer, diese Lebensqualität loszulassen und sich zunächst zu verkleinern und dann evtl. sogar auf einen Heimeinzug einzustellen. Natürlich wird der älteren Generation vielleicht zugutekommen, dass sie im Laufe ihres Lebens viele Notsituationen verkraftet hat, aber in einem Heim zufrieden zu sein, dazu gehört eine große innere Reife und intensive Begleitung. Erfreulicherweise ist es in vielen Heimen möglich, dass die Bewohner liebgewordene Einrichtungsgegenstände, Bilder, Fotos mitbringen dürfen. Als ich die 95-jährige Ilse im Heim besuchte, sah ich ein freundliches, sonniges Zimmer, bestückt mit persönlichen Schätzen. Geistig sehr rege, bedachte sie ihre Situation. Ihre körperliche Verfasstheit führte zum Heimeinzug. „Ach, ich meine, ich hätte noch gut ein halbes Jahr in meiner Wohnung bleiben können.“ Es dauerte ein halbes Jahr, bis sie äußern konnte: „Zu Hause hätte ich eine so gute Pflege nicht organisieren können.“ Ältere, hochaltrige, betagte Menschen benötigen Zeit und Zuwendung, die notwendige Entwicklungsaufgabe, den Übergang ins Heim, zu bearbeiten. Vielleicht bekommen wir Zugang zu ihnen, entwickeln Verständnis und können Hilfestellung leisten beim Akzeptieren der Situation, beim Loslassen des „Gewohnten“.
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Lebensfaden: Lernen Wissenswertes zum Thema In einem Brainstorming zum Thema: „Lernen“ kommen viele Begriffe zur Sprache: Schule/Wissensaneignung/learning by doing/Herzensbildung/Vorbild/bilde dich selbst und wirke durch das, was du bist/Lernen als Bewusstseinsbildung – alle diese Aufzählungen haben mit „lernen“ im weitesten Sinne zu tun. Wenn wir jetzt an den Spruch denken: „Nicht für die Schule, sondern für`s Leben lernen wir, so müsste er heißen: „Das ganze Leben ist ein Lernen“. Es geht eben nicht nur darum, Wissen zu konsumieren – ABC/Deutsch/Rechtschreibung/Mathe/Sprachen zu erlernen, sondern der Lernort „Leben“ benötigt Neugier, Interesse, Emotionen, Selbstbestimmung – es geht um ein lernendes Individuum, um emanzipiertes Lernen, um Veränderung von Verhaltensweisen. Ursula Lehr, Gerontologin, beschäftigt sich konkret mit Aspekten zur Lernfähigkeit im Alter. ӺӺ „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ ist schlichtweg falsch. Es müsste heißen: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans auf andere Weise.“ ӺӺ „Die gerontologische Forschung bestätigt, dass Lernen lebenslang möglich ist. Nicht das Alter ist der bestimmende Faktor im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit, sondern Schulbildung, berufliche Trainingsmöglichkeiten, Gesundheit, stimulierende Umgebung, biografische Lernerfahrung, motivationale Aspekte sind zu beachtende Elemente – auch beim Lernen im Alter.“ (Ursula Lehr, Lebenslanges Lernen, Vortrag Uni Heidelberg, 2003) ӺӺ „In der Gerontologie bedeutet Lernen im weitesten Sinne – eine körperliche, geistige und soziale Aktivität, die bis ins hohe Alter geradezu notwendig ist.“ (Ursula Lehr, Psychologie des Alterns, Quelle und Meyer) ӺӺ Der Lernbegriff muss korrigiert werden: „Lernen ist nicht nur Wissens- und Kenntniserwerb. Lernen bedeutet Verhaltensänderung aufgrund von Erfahrung“. (Hildgard/Parreren) ӺӺ „So kann das Alter als eine Lebensphase gelten, in der das Lernen nicht aufhört. Die neuen Freiräume, als auch die zu verkraftenden Einschränkungen bieten Lern anlässe, bieten die Chance zu einer bewussten Lebensumstellung und Lebensausrichtung in einem ganzheitlichen Sinn.“ (Elisabeth Bubolz-Lutz)
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Zitate, Sprichwörter aus aller Welt zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden. ӺӺ Lange leben heißt: lange lernen (Russisch). ӺӺ Altsein ist ein herrlich Ding, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt (Martin Buber). ӺӺ Phantasie ist wichtiger als Wissen (Albert Einstein). ӺӺ Die späte Lust am Lernen: Versuch auf andere Gedanken zu kommen, anders zu denken, zu lernen, als man schon gedacht hat, vielleicht auch anders zu leben, als man bisher gelebt hat. ӺӺ Der Lehrer hat immer Recht. ӺӺ Schuster, bleib bei deinen Leisten. ӺӺ Was du im Schweiße deines Angesichtes erlernt hast, das tue gern dein Leben lang. ӺӺ Es ginge manches viel besser, wenn man mehr ginge. ӺӺ Wer sich bewegt, dem fällt das Denken leichter.
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ӺӺ Jedes Lernen ist ein biologischer Prozess, bei dem körperliche, psychische und geistige Vorgänge untrennbar miteinander verbunden sind (Frederic Vester). ӺӺ Use it or lose it. ӺӺ Die Bewältigung der veränderten Lebenssituation ist nur durch den Weg des Lernens möglich. ӺӺ Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann (Francis Piabia). ӺӺ Lebe, als würdest du morgen sterben, lerne, als würdest du ewig leben (M. Gandhi).
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ӺӺ Die Verluste unseres Lebens schenken uns kostbare Erkenntnisse, wenn wir sie bejahen und dadurch verwandeln.
Lernen – Erweiterung und biografische Vertiefung Immer wieder wird das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse als lebensbegleitendes Wort angesehen – oftmals findet man es als Text auf einer Einladung zum runden Geburtstag: “… des Lebens Ruf wird niemals enden, wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde.“ Genau das ist doch mit „lernen“ gemeint: Auf die Situation, die uns das Leben liefert, zu antworten und die lebensnotwendigen Entwicklungsstufen zu bewältigen, um abschiedlich zu leben und zu gesunden. Eugen Drewermann, Theologe: „Es ist das Wichtigste, was wir im Leben lernen können, das eigene Wesen zu finden und ihm treu zu bleiben. Wir müssen begreifen, wer wir selber sind, und den Mut gewinnen, uns selbst zu leben ... Denn es gibt Melodien, es gibt Worte, es gibt Bilder, es gibt Gesänge, die nur in uns, in unserer Seele schlummern, und es bleibt die zentrale Aufgabe unseres Lebens, sie auszusagen und auszusingen.“(Eugen Drewermann, Das Wichtigste im Leben – Worte mit Herz und Verstand, Patmos 2016) Die Kleingruppe von Älteren bei einem Seminar versuchte herauszufinden: „Was bedeutet Lernen für mich heute?“ „dass ich mitreden kann“, “dass ich mich auf Neues einlasse“, „dass ich Risiken und Nebenwirkungen einschätzen kann“ (Medienkompetenz), „dass ich meine Vorurteile hinterfrage“, „dass ich mich auf meine Enkelkinder und ihre Ansichten einlasse“, „dass ich schöpferisch tätig sein kann“. Die Runde war sehr interessant und aufschlussreich, denn alle Teilnehmer merkten, dass „Lernen“ auf konkrete Lebenssituationen bezogen wurde. In einer Gesprächsrunde mit älteren Erwachsenen ging es um das Thema: Wie es früher in der Schule war. Maria: „Mein Vater war Schreiner, er schnitzte den Zeigestock, und ich war mächtig stolz, den Zeigestock zur Schule mitzubringen.“ Erich: „Mein Bruder durfte „Lehrers Tasche“ tragen; ich dagegen wurde als „Betrüger“ entlarvt, als ich aus einem leeren Heft einen fiktiven Hausaufsatz vorlas.“
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Grete: „Ich bekam einen Ranzen zur Einschulung; er war aus Pappe; meine Eltern haben bestimmt viel Mühe gehabt, ihn in den schlechten Zeiten zu besorgen. Wie untröstlich war ich, als ältere Jungen ihn mir wegnahmen und versteckten. Als ich ihn wiederfand, war er völlig nass und die Pappe aufgeweicht – furchtbar.“ Hermann: „Ich kann mich noch an den ersten Kugelschreiber erinnern.“ Heide: „Meine Mutter sagte immer: ‚Kinder lernt, was ihr gelernt habt, kann euch keiner mehr nehmen.‘“
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Hildegard: „Ich fand den Schulweg so toll; was haben wir unterwegs alles gemacht: Beeren gepflückt, Birnen geklaut, im Winter ging`s mit dem Schlitten zur Schule.“ Mathilde: „Ich hatte eine Freundin, die tauschte mit mir ihr Butterbrot; bei mir gab es eine Schnitte mit Margarine; ihr Brot war mit Wurst oder Käse belegt.“ Dieter: „Unser Biolehrer hieß „Nagel“. Er machte zwischendurch zur Auflockerung schon mal ein Bio-Quiz. Kam eine richtige Antwort kam, rief einer aus der Ecke: „Jawoll, dem Nagel auf den Kopf getroffen!“ Die Geschichten über die Schulzeit sprudeln nur so in dieser Runde. Gemeinsam war ihnen die konkrete Erinnerung an die Lehrerpersönlichkeit. Sie wurde wahrgenommen als: korrekt, streng, gütig, naturverbunden ... Daher ist es verständlich, dass bei den Menschen, die in der Kriegs- und Nachkriegszeit zur Schule gingen, in großem Maße diese Tugenden geformt wurden: Die Schüler sollten ordentlich, sauber, ruhig, diszipliniert, pünktlich und gehorsam sein.
Reflexion Wie sieht es mit unserer Lernerfahrung über den Lebenslauf aus? Entdecken wir in äußeren Widerständen eine Chance, daraus zu lernen und uns innerlich zu entwickeln?
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Leben wir aus der Erfahrung: Wenn ich gewillt bin, „ich selbst“ zu sein, verändere ich mich und damit auch die anderen (nach Rogers). Stimme ich überein mit der Aussage: „Ich kann von jedem Menschen, der mir begegnet, etwas lernen.“ Ausgewählte Autorenzitate können zum Nachdenken anregen, um unser eigenes Verständnis zum Lernen zu reflektieren und um eine Haltung zu entwickeln, die es möglich macht, dass auch die uns anvertrauten Menschen den Raum bekommen: lernend zu altern – altern zu lernen. Elisabeth Bubolz-Lutz zum Lernen und zur Bildung im Alter: ӺӺ „Gebildet ist, wer in ständigem Bemühen lebt, sich selbst, die Welt und die Gesellschaft zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln. Dieses Lern/ Bildungsverständnis geht über das Erlernen von Informationen weit hinaus. Das zentrale Merkmal ist die Reflexivität: gemeinsames Nachdenken, geistige Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Lebensumständen und denen von anderen.“ ӺӺ Lernen am Lebensende bedeutet, Abschied zu nehmen von vielen Einstellungen, die mal wichtig und richtig waren; Abschied zu nehmen von Menschen, die uns lieb waren, von Fähigkeiten, die uns ausmachten, Abschied zu nehmen von vielen Hoffnungen „und zu gesunden“. Und vielleicht können wir dann Hermann Hesse zustimmen, der in seinem Gedicht „Stufen“ diese Zeile schreibt: ӺӺ Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde uns neuen Räumen jung entgegensenden, des Lebens Ruf wird niemals enden; drum Herz, nimm Abschied und gesunde. Während der Besichtigung eines Hospizes wurde der Leiter der Einrichtung gefragt, ob fromme, gottesfürchtige Menschen „leichter, besser“ sterben als jene ohne religiösen Hintergrund. Antwort: „Meine Erfahrung geht dahin, dass diejenigen eine besonders gute Sterbestunde haben, deren Leben „rund“ ist. Das kann natürlich jemand sein, der sich in Gottes Hand geborgen weiß, aber vor allem zeigt sich, dass Personen, die mit sich und ihren Mitmenschen versöhnt sind, die ‚stimmig‘ sind, auch das Sterben in dieser Haltung bewältigen.“
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Lebensfaden: Werte Wissenswertes zum Thema Werte sind Ideen, Überzeugungen, die für Menschen und Gemeinschaften wichtig sind. Sie entwickeln sich aus historischen, kulturellen und sozialen Zusammenhängen. Werte sind wie ein innerer Kompass; sie geben uns Orientierung. ӺӺ Moralische Werte:
Aufrichtigkeit, Treue
ӺӺ Religiöse Werte:
Gottesfurcht, Nächstenliebe
ӺӺ Politische Werte:
Toleranz, Freiheit, Gleichheit
ӺӺ Ästhetische Werte: Kunst, Schönheit ӺӺ Materielle Werte:
Wohlstand
Hans Joas: Werte = Bindung an das Gute durch Ergriffensein = lebensleitende Überzeugungen, demnach sind Werte emotional stark besetzte Vorstellungen über das Wünschenswerte. Jede Zeit hat ihre Werte:
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Die ältere Generation musste in der akuten Mangelsituation unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg zunächst materielle Bedürfnisse befriedigen (physische Sicherheit/wirtschaftliches Wachstum/Ruhe und Ordnung im Staat). Aber schon die Kinder, im Wohlstand geboren, folgen den „postmateriellen Werten“, der Selbstverwirklichung. Heute gibt es viele Mischformen – von materialistischen Prägungen bis hin zu Selbstverwirklichungswerten. Zum Beispiel die Familie: Im 20. Jahrhundert unterlagen in der westlichen Gesellschaft Familienwerte einem tiefgreifenden Wandel: Mobilität, soziale Proteste, steigende Scheidungsraten, sinkende Geburtenziffern, gewandelte Erziehungsziele, unverheiratetes Zusammenleben sind nur Stichworte, die die Veränderungen benennen.
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Leopold Rosenmayr: „Werte müssen immer neu gewogen werden.“ Das gilt für jedes Lebensalter, immer wieder muss ich das, was mir an Werten und Einstellungen während der Kindheit und Jugend vermittelt wurde, entweder auf neue Weise aneignen oder mich davon distanzieren. Darum ist es auch im höheren Erwachsenenalter sinnvoll zu fragen: „Was ist mir wichtig und wertvoll im Leben; was sind meine Lebensüberzeugungen?“
Werte – Eine Auflistung eröffnet den Zugang zum Thema Methode: Hier bietet sich in einer Gruppe an, verschiedene Werte auf Karten zu schreiben. Die Teilnehmer suchen sich je 2 Werte aus, die ihnen am wichtigsten sind. Sie können erklären, warum sie diese Werte ausgewählt haben. Dann werden diese Werte, die von dieser Gruppe ausgesucht wurden, in die Mitte gelegt; jeder bekommt 3 rote Punkte und kann diese Punkte auf seine Prioritätenwerte kleben. So bekommt die Gruppe eine eigene Werterangfolge. ӺӺ Ehrlichkeit ӺӺ Freiheit ӺӺ Liebe ӺӺ Harmonie ӺӺ Verständnis ӺӺ Gerechtigkeit ӺӺ Geborgenheit ӺӺ Toleranz ӺӺ Schönheit ӺӺ Anerkennung ӺӺ Mitgefühl ӺӺ Zuverlässigkeit ӺӺ Pünktlichkeit ӺӺ Genauigkeit ӺӺ Ruhe ӺӺ Gelassenheit ӺӺ Lebendigkeit
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ӺӺ Erfolg ӺӺ Sicherheit ӺӺ Veränderung ӺӺ Weiterentwicklung ӺӺ Wachstum ӺӺ Glück ӺӺ Humor ӺӺ Kreativität ӺӺ Leidenschaft ӺӺ Gesundheit ӺӺ Fleiß ӺӺ Geld ӺӺ Macht ӺӺ Neugierde
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ӺӺ Intelligenz ӺӺ Wohlstand ӺӺ Reichtum ӺӺ Zufriedenheit ӺӺ Spaß ӺӺ Abwechslung ӺӺ Freundschaft ӺӺ Respekt ӺӺ Achtung ӺӺ Wertschätzung… In einem Eurobarometer der Europäischen Kommission wurde eine Wertehierarchie erstellt. (2011) 12 Werte wurden vorgegeben – und die ausgewählten Forschungsteilnehmer aus Europa konnten ihre wichtigsten Werte in Reihenfolge bringen. Das Ergebnis: Menschenrechte/Frieden/Respekt gegenüber menschlichem Leben/ Demokratie/Freiheit des Einzelnen/Rechtsstaatlichkeit/Gleichheit/ Toleranz/Solidarität, Unterstützung anderer/Selbstverwirklichung/ Respekt gegenüber anderen Kulturen/Religion.
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Werte – Erweiterung und biografische Vertiefung In unserem Alltag sind Werteäußerungen in den Todesanzeigen zu finden: Zierte früher das Kreuz oder ein anderes christliches Symbol die Anzeige, so ist heute oftmals ein Hund, ein Abdruck einer Pfote, ein Pferd, ein Baum, ein Foto, ein Weg als Symbol zu finden. Die Darstellungen drücken aus, was dem Verstorbenen wichtig war. Berührt hat mich die Inschrift des Grabsteins von Johannes Rau (1999 – 2004 Bundespräsident), 16.1.1931 – 27.1.2006. Sein Lebenszitat ist dort zu finden: Math. 26.71 „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“. Ein Vater lebte nach dem Grundsatz: „Ich unterstütze Euch bei allem, was Ihr tut.“ Vielleicht war diese großzügige Haltung der Motor für die Kinder, genau zu überlegen, was sie tun. Es gibt viele biografische Impulse, seinen Werten auf die Spur zu kommen. Leopold Rosenmayr, der österreichische Alternsforscher stellt fest: „Werte müssen immer wieder neu gewogen werden.“ Das heißt: Wir streben die Entwicklung eines ganz individuellen Leitbildes an. Es ist ein Reifen zu sich selbst – was treibt uns an, das Gute zu tun – wertvoll zu leben? Vielleicht hatten wir Vorbilder – leuchtende Personen über den Lebenslauf, die uns vorlebten, wie ein Mensch sein könnte. Welche Eigenschaften, welche Werte haben mich beeindruckt? In einer Gruppe Älterer fragten wir uns, welche Eigenschaften unserer Großeltern fallen uns ein? ӺӺ „Standfest im Gauben“, ӺӺ „gutes Benehmen war sehr wichtig“, ӺӺ „er brachte mir das Veredeln von Obstbäumen bei“, ӺӺ „sie war voll Güte und Liebe“, ӺӺ „von ihr habe ich den Spaß am Spielen geerbt“, ӺӺ „ich glaube, die Liebe zur Natur hat sie in mich hinein gepflanzt“, ӺӺ „bei aller Mühe, die das Überleben nach dem Krieg mit sich brachte, habe ich sie immer froh und still erlebt“, ӺӺ „seine Worte waren Befehl und niemand hat gewagt zu widersprechen“, ӺӺ „beim Wandern lernte ich Heilkräuter wie Arnika und Johanniskraut kennen“, ӺӺ „er nahm mich mit ins Trauerhaus, als seine Schwester gestorben war“, ӺӺ „tu Wasser in die Suppe, heiß alle willkommen“,
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Reflexion Die uns gestellte Frage lautet: Welche Werte sind uns wichtig; was würden wir unseren Enkeln gern mitgeben bzw. vorleben? 15 Großeltern befragten ihre Lebenseinstellungen und äußerten sie in einem „Brief an die Enkel(generation). Was ich meinen Enkeln gern sagen möchte“: ӺӺ „Es tut den Eltern und Großeltern sehr weh, wenn ihr auf die schiefe Bahn geratet. Darum bemüht euch, euren Weg ins Leben so zu gehen, dass ihr allezeit stolz und gern Rückschau halten mögt.“ ӺӺ „Meine lieben Enkelkinder, ich habe schon ein langes Leben mit vielfältigen Erfahrungen hinter mir und möchte Euch sagen: Sucht nicht nur euren eigenen Vorteil, habt ein weites Herz, ein offenes Ohr, einen wachen Blick für die Menschen in eurem Umfeld und in der weiten Welt.“ ӺӺ „Das Engagement für andere bereichert das Leben und macht es spannend: darum sucht etwas, wofür es sich lohnt, sich zu engagieren, damit euer Leben sinnvoll wird.“ ӺӺ „Ihr könnt auf mich bauen.“ ӺӺ „Geht achtsam mit euch um, traut euren Gefühlen und Wahrnehmungen, lasst auch anderen diese Achtsamkeit zukommen.“ ӺӺ „Wir werden dich immer lieben und begleiten.“ ӺӺ „Ich wünsche euch, dass ihr in aller Ruhe eure Persönlichkeit entwickeln könnt und darüber hinaus ein gutes Maß an Sozialkompetenz gewinnt.“ ӺӺ „Verliert nie den Humor.“ ӺӺ „Ich wünsche dir, dass du wirkliche Freunde findest.“
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Lebensfaden: Begegnung Wissenswertes zum Thema: Mitten auf einem großen Blatt Papier steht das Wort: „Begegnung“. Die Anwesenden sind aufgefordert, alles, was ihnen zu diesem Begriff einfällt, kommentarlos aufzuschreiben. Ergebnis: ӺӺ zwei Menschen wenden sich einander zu, ӺӺ wie eine Sternstunde/ein Lichtblick/ein Wunder, ӺӺ wie ein Regenbogen nach einem Gewitter, ӺӺ Kollision, ӺӺ andauernde Beziehungspflege, ӺӺ wie das Öffnen einer neuen Tür, ӺӺ wie das „Geraderücken“ von Gefühlen ... Begegnungen finden auf unterschiedliche Weise statt: ӺӺ von Person zu Person (Liebende, Freunde, Feinde, Nachbarn, Bekannte, Kollegen, Mitarbeiter, Fremde) ӺӺ Begegnung mit Tieren, mit der Natur, der Musik oder Kunst, dem geschriebenen Wort, mit Gott, mit dem ‚Selbst‘. Viele Begegnungen verlaufen bedeutungslos. Sie können lustig, ärgerlich, aufregend verlaufen, oft sind sie von langer Dauer (Partnerschaft, Freundschaft), andere sind wie einmalige kleine Lichtblicke, an die man sich gern erinnert. Der jüdische Philosoph Martin Buber (1878 – 1965) hat viel über die Begegnung von Mensch zu Mensch nachgedacht und stellt fest: „Dialogisches Leben ist nicht eins, indem man viel mit Menschen zu tun hat, sondern eins, in dem man mit den Menschen, mit denen man zu tun hat, wirklich zu tun hat ...“ Martin Buber, Das dialogische Prinzip © 1999 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Erinnern wir uns an das Experiment, dass Friedrich II (1310 – 1349) zugeschrieben wird: Säuglinge bekamen Essen und Körperpflege – er wollte erkunden, welche Sprache sich entwickelt, wenn keinerlei Ansprache und Zuneigung erfolgte. Das Ergebnis war niederschmetternd. Alle starben. Wie wäre es bei hochaltrigen Menschen? Pflege beinhaltet Beziehungspflege. Alles wirkliche Leben ist Begegnung (Martin Buber). Übersetzt: „Der Mensch braucht Begegnungspflege“.
Zitate, Sprichwörter aus aller Welt zum Thema Methode: Es braucht genügend Zeit, diese Impulse wirken zu lassen; das kann allein oder mit Begleitung geschehen. Die Zitate können auf DIN A4 Papier geschrieben werden. Jeder Teilnehmer hat Gelegenheit, die Sprüche zu lesen und darüber nachzudenken. Es kann einer ausgesucht werden, dem man zustimmen möchte oder dem man gern widersprechen möchte. Die Gedanken können dann für alle mitgeteilt werden. Den Abschluss kann eine kleine Geschichte bilden. ӺӺ Alles wirkliche Leben ist Begegnung (Martin Buber). ӺӺ Eine echte Begegnung kann in einem einzigen Augenblick geschehen (Anaïs Nin). ӺӺ Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen (Guy de Maupassant). ӺӺ Lass nicht zu, dass du jemandem begegnest, der nicht nach der Begegnung mit dir glücklicher ist (Mutter Teresa). ӺӺ Nur den Menschen, die du geliebt hast, bist du wirklich begegnet in dieser Welt (Hans Kruppa). ӺӺ Der Egoismus ist oft das Gitter, das uns den Weg zum Du verschließt (A. Rademacher). ӺӺ Erinnerung ist eine Form der Begegnung – Wer selbst keinen inneren Frieden kennt, wird ihn auch in der Begegnung mit anderen Menschen nicht finden (Dalai Lama).
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ӺӺ Vermeide niemand, der dir begegnet. Du findest leicht einen, dem du hilfst, einen, der dir helfen kann (J.W. von Goethe). ӺӺ Jede Bekanntschaft, jede sympathische Begegnung ist ein Gewinn (Ricarda Huch). ӺӺ Auf meinem Lebenswege werden mir Menschen aller Art begegnen, und jeden muss ich zu nutzen verstehen (Heinrich v. Kleist). ӺӺ In allem, was uns begegnet, das große Leben (Karlfried Graf Dürkheim). ӺӺ Ich respektiere das „Nichtverstehbare“ am anderen als Zeichen seiner Eigenständigkeit, seiner Würde als Person (E. Böhm). ӺӺ … denn man muss Grenzen haben, um werden zu können (A. de Saint-Exupery). ӺӺ Die Welt ist so leer, wenn man nur Berge, Flüsse, Städte darin denkt, aber hie und da jemand zu wissen, der mit uns übereinstimmt, mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht dieses Erdenrund erst zu einem bewohnten Garten (J.W. von Goethe). ӺӺ Wir wohnen Wort an Wort, sag mir deins liebster Freund, meins heißt Du (Rose Ausländer).
Begegnung – Erweiterung und biografische Vertiefung Über den Lebenslauf hinweg erfreut sich jeder Mensch an vielfältigen Begegnungen. Manche Begegnungen führen dazu, dass ganz persönliche Gedanken ausgetauscht werden und hoffentlich auch bewahrt werden. Wie enttäuschend ist es aber, wenn Geheimnisse ausgeplaudert werden. Das schürt Aggressivität. Es wird dann nötig, über Nähe und Distanz nachzudenken. „Aggressionen wollen das Verhältnis von Nähe und Distanz regeln. Wenn wir also aggressiv werden, ist es immer ein Zeichen, dass wir mehr Distanz brauchen; dass wir anderen zu viel Macht über uns gegeben haben“ (Anselm Grün, Buch der Lebenskunst, 2002, Herder). „Gute Pflege braucht Nähe und Distanz“ (Infoportal: „Besser länger leben“ 2015): Sinngemäß geht darum, dass viele Mitarbeiter den Bewohnern bzw. den zu Pflegenden mit Nähe und Empathie begegnen möchten. Da aber die alten Menschen oft mit vielen Krankheiten behaftet sind (Demenz, Depressionen) und sich zudem mit der Nähe des Todes auseinandersetzen müssen, sind diese Pflegerinnen oft ausgebrannt. Es entstehen so hohe Anforderungen, dass manche versuchen, Distanz zu wahren; das kann oft zu der Erfahrung führen, dass der Sinn der Arbeit verloren geht.
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Empfehlenswert wäre es, dem Bewohner mit distanzierter Anteilnahme zu begegnen, indem man das Gegenüber versteht, empathisch wahrnimmt, ohne dabei auf Abgrenzung zu verzichten. Dazu Arthur Schopenhauer („Die Stachelschweine“) Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertag recht nahe zusammen, um, durch die gegenseitige Wärme, sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder voneinander entfernte. Wenn nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so dass sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.
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Eine Erzählung nach John Kord Lagemann verdeutlicht, wie vielschichtig Begegnungen erfahrbar sind. Es gibt Begegnungen durch Zeichen, Begegnungen durch Miterleben ... „Einmal saß ich bei einer Bahnfahrt neben einem jungen Mann, dem sichtlich etwas Schweres auf dem Herzen lastete. Schließlich rückte er dann auch damit heraus, dass er ein entlassener Sträfling und jetzt auf der Fahrt nach Hause sei. Seine Verurteilung hatte Schande über seine Angehörigen gebracht, sie hatten ihn nie im Gefängnis besucht und auch nur ganz selten geschrieben. Er hoffte aber trotzdem, dass sie ihm verziehen hatten. Um es ihnen aber leichter zu machen, hatte er ihnen in einem Brief vorgeschlagen, sie sollten ihm ein Zeichen geben, an dem er, wenn der Zug an der kleinen Farm vor der Stadt vorbeifuhr, sofort erkennen könne, wie sie zu ihm stünden. Hatten die Seinen ihm verziehen, so sollten sie in dem Apfelbaum an der Strecke ein weißes Band anbringen. Wenn sie ihn aber nicht wieder daheim haben wollten, sollten sie gar nichts tun, dann werde er im Zug bleiben und weiterfahren, weit weg. Gott weiß wohin. Als der Zug sich seiner Vaterstadt näherte, wurde die Spannung so groß, dass er es nicht über sich brachte, aus dem Fenster zu schauen. Ein anderer Fahrgast tauschte den Platz mit ihm und versprach, auf
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den Apfelbaum zu achten. Gleich darauf legte er dem jungen Sträfling die Hand auf den Arm. „Da ist er“, flüsterte er, und Tränen standen ihm plötzlich in den Augen. „Alles in Ordnung. Der ganze Baum ist voller weißer Bänder.“ In diesem Augenblick schwand alle Bitternis, die ein Leben vergiftet hatte. „Mir war“, sagte der Mann später „als hätt ich ein` Wunder miterlebt. Und vielleicht war`s auch eines.“ In einer Gesprächsrunde mit älteren Erwachsenen ging es um prägende Begegnungen im Lebenslauf. Viele Begegnungen kamen uns in den Sinn. Irmgard: „Meine Großmutter kommt mir sofort ins Gedächtnis. Ich sehe sie noch auf dem Hof sitzend mit einer großen Schüssel Äpfel auf dem Schoß – immer wenn wir vorbeigerannt kamen, steckte sie uns ein Stückchen Apfel in den Mund; sie war es auch, die einen selbst gestickten Spruch in der Küche hängen hatte: „5 sind geladen, 10 sind gekommen, gieß Wasser in die Suppe und heiß alle willkommen.“ Ich erkenne, dass sie eine sehr gastfreundliche Frau war und deutlich wird auch die Erfahrung, dass echte Begegnung oft bei einem einfachen Mahl möglich sein kann.“ „... ich befand mich an einem Sommertag 1944 allein auf dem ca. 1,2 km langen Heimweg von der Schule. Auf halbem Weg kamen mir zwei Männer entgegen, die dicht hintereinander auf der Straßenmitte gingen, der vordere in extrem gebückter Haltung mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Um seinen Hals war ein Strick gebunden, der zwischen den Beinen durchlief. Mit dessen Ende hielt der hinten Gehende den Gequälten in der Zwangslage und trieb ihn voran. Offensichtlich kamen beide aus einem Lager, das sich unweit der elterlichen Wohnung befand. Hier wurden sogenannte Fremd- und Zwangsarbeiter festgehalten ... Es ist mir nicht in Erinnerung, ob ich meiner Mutter oder anderen von dieser Begegnung erzählt habe. Aber diese Begegnung hat mich derart geprägt, dass ich hier die Erklärung für mein ungebrochenes Engagement in der Menschenrechts- und Eine-Welt-Arbeit sehe. Eine Begegnung kann zu lebensleitenden Werten führen.“(Erich, „mein Schulweg“, S. 154, Waxmann, 2007) Brigitte: „Viele der Bewohner, die ich begleite, lebten früher mit Tieren zusammen. Jetzt hatten wir einer hochaltrigen halbseitig gelähmten Bewohnerin im Rollstuhl ein kleines Kaninchen in den Schoß gelegt. Nie werde ich vergessen, wie sie ganz zart mit der gesunden Hand über das Fell strich.“
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Die Schreibtische der Kollegen E. und H. (Jahrgang 1937 bzw. 1939) standen gegenüber, und in den ersten 10 Jahren stand für beide gemeinsam nur ein Telefonapparat zur Verfügung. Neben den beiderseitigen beruflichen Aufgaben wurde auch die Wahrnehmung privater und familiärer Ereignisse unvermeidbar. Nach dem 25-jährigen „Gegenüber“ blieb die Verbindung im Rentnerdasein durch gelegentliche handwerkliche Unterstützung erhalten, dann aber zunehmend seltener. Erst aufgrund der tödlichen Erkrankung der Ehefrau H., der anschließend problematischen Jahren des Witwers und seiner zunehmenden Hinfälligkeit, erhielt die Verbindung eine neue Qualität. Gegenseitige sporadische Anrufe wurden seltener, E.`s Besuche beim erkrankten H. häuften sich und nach dessen Aufnahme in ein Krankenhaus zeichnete sich sein Lebensende bald ab. In der Palliativstation lag H. nur wenige Tage und kaum mehr ansprechbar. Am Bett sitzend hielt E. seine Hand und erinnerte halblaut an die gemeinsame Berufszeit. Einzelne Ereignisse, Anekdoten und Personen- und Projektbeschreibungen schien H. wahrzunehmen und mühte sich immer wieder, den Vornamen seines alten Kumpels auszusprechen. Eine hinzukommende Krankenschwester bekräftigte: „Es ist gut, wenn sie da sind ...“ In der folgenden Nacht starb H. „Abgezählte Unterhosen, die Zahnbürste, einen spannenden Krimi – wer eine Reise tut, packt einen Koffer. Doch was ist, wenn es die letzte Reise ist. Der Bestatter Fritz Roth schickte 103 Menschen (berühmten und einfachen, alten und jungen) einen kleinen Koffer mit der Aufforderung, für die letzte Reise zu packen. In einer Ausstellung waren die Exponate zu sehen. Wir, B. + E., wurden gebeten, einen Koffer zu packen – als Ehepaar – wir sind 47 Jahre verheiratet. Unser Rezept für die Ehe lautet: Immer im Gespräch miteinander und mit anderen Menschen zu bleiben. Deshalb war auch das Kofferpacken ein Prozess. Und auch nicht gerade leicht, schließlich mussten wir beide uns mit dem eigenen Ende und – viel schmerzlicher – mit dem des anderen beschäftigen. Wir haben unsere gemeinsame Zeit reflektiert, uns mit Höhen und Tiefen versöhnt, den Weg in den Koffer fanden die Namen unserer Lieblingsmenschen, denen wir viel Begegnungen verdankten, Sym-
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bole aus der gemeinsamen Lebenszeit – Kerze mit Stacheldraht umwickelt – als Erinnerung an die Arbeit bei Amnesty International; oder ein Stein aus dem Schwarzwald, den wir von einer Wanderung mitgebracht haben. Wenn wir an diese Zeit des Kofferpackens zurückdenken, werden in uns die Begegnungen unseres Lebens ins Bewusstsein geholt und es ergreift uns eine tiefe Dankbarkeit über die Begegnung zwischen uns und anderen.“ (B. + E. „Ein Koffer für die letzte Reise“, Auszug aus Westf. Rundschau Siegen v. 12.2.13)
Reflexion An vielen Beispielen und aufgrund eigener Erfahrung erkennen wir, dass Begegnungen lebensnotwendig sind: „Man erzählt, ein Hund und ein Pferd waren befreundet. Der Hund sparte dem Pferd die besten Knochen auf, und das Pferd legte dem Hund die duftigsten Heubündel vor, und so wollte jeder dem anderen das liebste tun, und so wurde keiner von beiden satt“ (Ernst Bloch). Was braucht der andere, was brauche ich, um satt und zufrieden zu sein, um für Begegnung offen zu sein? Eine Altenpflegerin sagt: „Wenn es mir gut geht, kann ich auch gut pflegen.“ „Erst wenn du weißt, was du tust, weshalb du es tust, bist du mündig“ (Kyrilla Spiecker) Das Aufeinandertreffen ganz unterschiedlicher Lebenswelten im Bereich der Altenpflege erfordert viel Reflexion, damit Begegnung stattfinden kann. „Oft ist es so, dass meine eigenen Ansprüche und Erwartungen im Umgang mit Bewohnern zu Überforderungen führen.“ ӺӺ „Gern möchte ich Nähe und Zuwendung geben, aber die intensive, körperliche, nackte und ekelerregende Nähe ist für mich manchmal schwer auszuhalten.“ ӺӺ „Ich hab oft nicht die Kraft, auf die sich verändernden Verhaltensweisen der demenziell Erkrankten einzugehen.“ ӺӺ „Wenn ich mich zurückhalte, habe ich oft ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht genug um die anvertrauten Alten gekümmert habe.“ ӺӺ „Wie gut, dass wir im Team mal Dampf ablassen können.“ ӺӺ „Ich wünsche mir regelmäßige Supervision, um mit diesen Anforderungen klarzukommen.“
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ӺӺ „Erst wenn es den Mitarbeitern gut geht, kann gute Pflege, können gute Begegnungen gelingen.“ Zum Schluss: Begegnungen mit Humor ӺӺ „Eine Bewohnerin hatte das Polster ihres Sessels eingenässt. Bevor das Personal Zeit hatte, den Schaden zu beheben, strich eine andere Bewohnerin zärtlich über das Polster und meinte bewundernd: „Ist das ein sauberes Haus. Alles schon wieder gewaschen.“ ӺӺ Eine Pflegerin fragte eine Bewohnerin, die den Namen Hildegard hatte: „Kennen Sie Hildegard von Bingen?“ „Klar“, war die Antwort, „ist doch meine Cousine.“ ӺӺ „Sie dürfen die Schwestern nicht anspucken!“, ermahnte ein Arzt eindringlich seine Patientin. „Doch!“, entgegnete diese trotzig, „Ich treffe ja doch nicht.“ ӺӺ Zwei Bewohnerinnen zogen sich am Vormittag unbeobachtet ihre Kleider aus und saßen mit nacktem Oberkörper einträchtig vor der Aufzugstür. Eine Schwester wies sie zurecht: „Das geht doch nicht! Stellen Sie sich mal vor, wenn das alle tun würden!“ Die Antwort der Beiden: „Das wäre dann wie im Paradies!“
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ӺӺ „Die Messer sind absichtlich so stumpf, damit wir wenigstens beim Essen Bewegung haben!“, mutmaßte eine der Bewohnerinnen. (herzhafte Anekdoten und Zitate aus dem Franziskusheim, VS-Schwenningen, S. 46 f.) „Humor ist die Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.“ (Wikipedia)
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Anhang Literatur Alter-nativen 9: Zeit haben – Zeit nehmen, älter werden, Bildungswerk der Erzdiözese Freiburg, 1994 ALTERnativen – 2: Eine-Welt-Arbeit und 3. Lebensalter, „einfach anders altern“ Misereor Zukunftswerkstatt: Wohnen im Alter, 1999 Berry, Monika: Zu Hause pflegen – Ein Ratgeber, mvg Verlag, 2007 Blasberg-Kuhnke, Martina, Wittrahm, Andreas: Altern in Freiheit und Würde, Kösel-Verlag, München 2007 Bubolz-Lutz, Elisabeth, Gösken Eva, Kircheldorff Cornelia, Schramek Renate: Bildung und Lernen im Prozess des Alterns, Kohlhammer, 2010 Drewermann, Eugen: Das Wichtigste im Leben – Worte mit Herz und Verstand, Patmos 2016 Dönhof, Friedrich: Ein gutes Leben ist die beste Antwort, Das Leben des Jerry Rosenstein, Diogenes, 2014 Frisch, Max: Mein Name sei Gantenbein – Suhrkamp, Berlin 2011 Grond, Erich: Altenpflege als Beziehungspflege, Brigitte Kunz Verlag, 1997 Grün, Anselm: Buch der Lebenskunst, Herder, 2002 Hausmann, Manfred: Kleine Begegnungen mit großen Leuten, Neukirchener Verlag, 1973 Kast, Verena: Altern immer für eine Überraschung gut, Patmos, 2016 Kerkhoff, Barbara, Halbach Anne: Biografisches Arbeiten – Beispiele für die praktische Umsetzung, Vincentz Network, Hannover, 2002 Kerkhoff, Barbara: Gedankenbaum – Mein persönliches Lebensbuch, Vincentz Network, Hannover, 2014 Kruse, Andreas: Alter – was stimmt?, Herder, Freiburg, 2007 Laslett, Peter: Das dritte Alter, Juventa, 1995 Lehr, Ursula: „Lebenslanges Lernen – eine Herausforderung in einer Zeit des technischen, sozialen und demografischen Wandels.“ Vortrag Uni Heidelberg, 2003 Martin, Mike, Schelling, Hans Rudolf: Demenz in Schlüsselbegriffen, Huber, Bern, 2005 Pincus, Lily: Das hohe Alter, 1992 Reimann, Helga und Horst (Hg.).: Das Alter, Enke, Stuttgart 1994 Rosenmayr, Leopold: Schöpferisch Altern, LIT Verlag, Wien, 2007 Saint Exupery, Antoine: Der kleine Prinz Saup, Winfrid: Altern und Umwelt, Kohlhammer, 1993
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Schlumpf, Elisabeth: Wenn ich einst alt bin, trage ich mohnrot, Kösel, 2003 Schweighöfer, Kerstin: 100 Jahre Leben, Hoffmann und Campe, 2016 Wackernagel-Jacobs: SPUTNIK MOMENT – 30 gewonnene Jahre, Bundes ministerium Fam./Sen./Frauen und Jugend 2015 Wiegandt, Klaus, und Joas, Hans: Die kulturellen Werte Europas, Fischer, 2005 Jüttemann, Gerd, Hans Thomae: Biografische Methoden in den Humanwissenschaften, Beltz, 1999 www.methodenpool.uni-koeln.de
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Autorin Barbara Kerkhoff, Dipl.-Sozialpädagogin, Dipl.-Sozialgerontologin, Seniorentanzleiterin, langjährige Erfahrung als Ausbildungsreferentin im Bundesverband für Gedächtnistraining e.V. und als Dozentin an Fachseminaren für Altenpflege, seit 1997 freiberuflich tätig. Durchführung von Kursen und Veranstaltungen mit den Schwerpunktthemen „Altersbilder“, „Biografiearbeit als Schlüssel zum Verständnis eines Menschen“, „Lernen im Alter“ und „Lebensgestaltung im Alter“.
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Barbara Kerkhoff
Gedankenbaum Mein persönliches Lebensbuch
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Altenpflege Vorsprung durch Wissen
Gedankenbaum Mein persönliches Lebensbuch Barbara Kerkhoff Biografiearbeit dient dem Kennenlernen des alten Menschen. Pflege- und Betreuungskräften ermöglicht die Kenntnis der Lebensgeschichte(n) einen intensiven Kontakt. So wertschätzend und kenntnisreich begleitet, lassen sich Bewohner zum Erinnern und Erzählen anregen. Eine wundervolle Idee, wie sich „biografische Fundstücke“ sammeln lassen, stellt die Autorin und Gerontologin Barbara Kerkhoff vor. Das liebevoll illustrierte „Lebensbuch“ – ein persönliches Exemplar pro Bewohner – ist von Senioren, Angehörigen und Betreuern gleichermaßen zu füllen. Ansprechend gestaltete Musterseiten animieren zu eigenen Einträgen. So füllt sich das „Lebensbuch“ mit Gedanken: Wie bin ich? Wer lebt in meinem Herzen? Welche „Sternstunden“ oder traurigen Momente haben mein Leben geprägt? Was möchte ich noch sagen? 2014, 36 Seiten, Spiralbindung, Format: 17 x 24 cm ISBN 978-3-86630-330-0, Best.-Nr. 701
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Barbara Kerkhoff, Dipl.-Sozialpädagogin, Dipl.-Sozialgerontologin, Seniorentanzleiterin, langjährige Erfahrung als Ausbildungsreferentin im Bundesverband für Gedächtnistraining e.V. und als Dozentin an Fachseminaren für Altenpflege, seit 1997 freiberuflich tätig. Durchführung von Kursen und Veranstaltungen mit den Schwerpunktthemen „Altersbilder“, „Biografiearbeit als Schlüssel zum Verständnis eines Menschen“, „Lernen im Alter“ und „Lebensgestaltung im Alter“.
Dieses Buch lenkt im ersten Teil den Blick auf Grundsätzliches, auf Veränderungen der Alternsstruktur und auf eine neue Sichtweise der Biografie. Die Autorin spricht vom biografischen Prinzip, was bedeutet: − Das Lebensmosaik zu sichten – der Blick in die Vergangenheit. − Die Wirklichkeiten in das Leben einzuordnen – die Bearbeitung der Gegenwart. − Eine neue Sichtweise zu bekommen oder zu festigen – Handlungsoptionen für die Zukunft. Das Buch enthält zahlreiche Beispiele dafür, in welcher Weise jede Pflegekraft und der Soziale Dienst dieses Prinzip im Alltag leben und so Zugänge zu den Bewohnern aufbauen können. Der zweite Teil des Buches befasst sich mit bunten Lebensfäden, interessanten Lebensthemen, die uns über ein ganzes Leben immer wieder beschäftigen. Hier sind sie so „abgerollt und aufgespult“, dass es Freude macht, sich mit diesen Darstellungen selbst zu befassen und sie den älteren Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen anzubieten.
ISBN 978-3-74860-111-1