Heinrich Steinhöwels ‚Apollonius‘: Edition und Studien 9783110297317, 9783110308266

Apollonius of Tyre was one of the most popular stories of the German Middle Ages. In a critical Latin and German paralle

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German Pages 309 [312] Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Erster Teil
1 Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext
1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel
1.1.1 Zur Datierung des ‚Apollonius‘-Prologs
1.1.2 Biographisches
1.1.3 Steinhöwels Werk im Kontext des deutschen Frühhumanismus
1.1.4 Steinhöwel als Übersetzer und interpres
1.2 Autorintention
1.2.1 Steinhöwels philologischer Ansatz
1.2.2 Früh- und Spätwerk?
1.2.3 Der Gelehrte als Vermittler
1.3 Intendiertes Publikum
1.4 Provenienzen
1.4.1 Handschriftenbesitzer
1.4.2 Exkurs: Genealogischer Interessenshorizont
1.4.3 Besitzer des Erstdruckes
1.4.4 Besitzer späterer Inkunabeln
1.4.5 Die mitüberlieferten Texte in den Sammelhandschriften
1.4.6 Die mitüberlieferten Texte nach der Drucklegung
1.4.7 Sammlungstendenzen
1.4.8 Ergebnisse
2 Die Apollonius-Tradition im 15. Jahrhundert
2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jahrhundert
2.1.1 Historia Apollonii regis Tyri
2.1.2 Gottfried von Viterbo: Pantheon
2.1.3 Gesta Romanorum
2.2 ‚Apollonius‘ im volkssprachigen Diskurs des 15. Jahrhunderts
2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung
2.3.1 Steinhöwels Übersetzungsverfahren
2.3.2 Steinhöwels literarischer Anspruch
2.3.3 Gattungsinterferenzen
2.3.4 Ergebnisse
3. Zusammenfassung
Zweiter Teil
1. Überlieferung
1.1 Die Handschriften
1.1.1 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 150 (D)
1.1.2 *Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2° (W)
1.1.3 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86 (D1)
1.1.4 *Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951 (T)
1.1.5 °Wien, ÖNB, Cod. 4119 (V)
1.2 Die Drucke
1.2.1 Augsburg: Günther Zainer, 1471
1.2.2 Augsburg: Johann Bämler, 1476
1.2.3 Augsburg: Anton Sorg, [14]79
1.2.4 Augsburg: Johann Schönsperger, 1488
1.2.5 [Augsburg: Johann Schönsperger, um 1494]
1.2.6 Ulm: Konrad Dinckmut, 1495
1.2.7 Ulm: Johann Zainer d. J., [14]99
1.2.8 Nicht nachweisbare oder unsichere Ausgaben
1.2.9 Bücheranzeige
1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen
1.3.1 Die ältesten Textzeugen D, W und gz
1.3.2 Der Text in D
1.3.3 Der Text in W
1.3.4 Der Text in gz
1.3.5 Überschriftengliederung in gz und W
1.3.6 Die Textzeugen nach der Augsburger Drucklegung bis 1500
1.3.7 Zusammenfassung
2. Textausgabe
Editionsprinzipien und technische Einrichtung
Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘
Anhang
Siglen
Abbildungsnachweis
Abkürzungen
Literaturverzeichnis
Personen- und Werkregister
Verzeichnis der Handschriften
Verzeichnis der Drucke
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Heinrich Steinhöwels ‚Apollonius‘: Edition und Studien
 9783110297317, 9783110308266

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Frühe Neuzeit Band 179

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Tina Terrahe

Heinrich Steinhöwels Apollonius Edition und Studien

De Gruyter

Gedruckt mit Unterstützung der Universitätsstiftung Marburg.

ISBN 978-3-11-029731-7 e-ISBN 978-3-11-030826-6 ISSN 0934-5531 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Gesamtherstellung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier © Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2011 vom Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen und für die Drucklegung überarbeitet. Ich habe mich bemüht, die wichtigste Forschungsliteratur bis zum Frühsommer 2013 einzuarbeiten. Danken möchte ich an erster Stelle Christa Bertelsmeier-Kierst, die mich zu dieser Arbeit ermutigte und das Entstehen mit großem Interesse, viel Engagement und unermüdlicher Geduld betreut hat. Gleichfalls danke ich Jürgen Wolf, der das Zweitgutachten erstellt hat und mir darüber hinaus mit Rat und Tat hilfreich zur Seite stand. Die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Frühe Neuzeit“ verdanke ich Achim Aurnhammer und Jan-Dirk Müller, der mir darüber hinaus wertvolle Korrekturhinweise zukommen ließ. Jacob Klingner und Lena Ebert vom De Gruyter-Verlag bin ich für die kooperative Zusammenarbeit dankbar; so auch den zahlreichen Mitarbeitern der konsultierten Bibliotheken und Archive für die freundlichen Auskünfte in nicht immer einfachen Fragen. Das Graduiertenzentrum der Philipps-Universität Marburg (MARA) hat meine Dissertation aus dem Fonds zur Unterstützung weiblicher Erziehender in der Qualifikationsphase gefördert und die Universitätsstiftung Marburg unterstützte die Drucklegung freundlicherweise mittels eines Stipendiums. Das Register wurde maßgeblich von Teresa Traupe, weiterhin von Annkathrin Beeck und Annika Schubert bearbeitet, für intensive Korrekturen danke ich Benedikt J. Klein, der mir zudem stets mit hilfreichem Rat geduldig zur Seite gestanden hat. Ohne meine Mutter wäre diese Arbeit niemals zustande gekommen, da sie mir viele Stunden am Schreibtisch ermöglichte, indem sie sich meiner Töchter annahm, denen dieses Buch gewidmet sei. Obgleich Frieda und Emmelie das Entstehen dieser Arbeit oft mit Stolz, öfter aber mit zorniger Ungeduld verfolgten, hat auch sie die Geschichte vom traurigen König Apollonius zu Tränen gerührt. Marburg (Lahn) im Juni 2013

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1

Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4

Der Autor Heinrich Steinhöwel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Zur Datierung des ‚Apollonius‘-Prologs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Biographisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Steinhöwels Werk im Kontext des deutschen Frühhumanismus . . 17 Steinhöwel als Übersetzer und interpres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

Autorintention  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Steinhöwels philologischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Früh- und Spätwerk? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Der Gelehrte als Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1.3

Intendiertes Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.4.7 1.4.8

Provenienzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Handschriftenbesitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Exkurs: Genealogischer Interessenshorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Besitzer des Erstdruckes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Besitzer späterer Inkunabeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Die mitüberlieferten Texte in den Sammelhandschriften . . . . . . . 53 Die mitüberlieferten Texte nach der Drucklegung . . . . . . . . . . . . 56 Sammlungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

VIII 2

Die Apollonius-Tradition im 15. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.1

Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im . 15. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.1.1 Historia Apollonii regis Tyri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.1.2 Gottfried von Viterbo: Pantheon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.1.3 Gesta Romanorum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

3.

2.2

‚Apollonius‘ im volkssprachigen Diskurs des 15. Jahrhunderts. . 75

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Steinhöwels Übersetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Steinhöwels literarischer Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Gattungsinterferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1.

Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1.1 Die Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1.1.1 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 150 (D)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1.1.2 *Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2° (W)  . . . . . . . . . . . . . . 107 1.1.3 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86 (D1)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1.1.4 *Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951 (T)  . . . . . . . . . . . . . . 109 1.1.5 °Wien, ÖNB, Cod. 4119 (V)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.2.9

Die Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Augsburg: Günther Zainer, 1471  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Augsburg: Johann Bämler, 1476  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Augsburg: Anton Sorg, [14]79  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Augsburg: Johann Schönsperger, 1488  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 [Augsburg: Johann Schönsperger, um 1494]  . . . . . . . . . . . . . . . 123 Ulm: Konrad Dinckmut, 1495  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Ulm: Johann Zainer d. J., [14]99  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Nicht nachweisbare oder unsichere Ausgaben  . . . . . . . . . . . . . 126 Bücheranzeige  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

IX 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7

Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Die ältesten Textzeugen D, W und gz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Der Text in D  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Der Text in W  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Der Text in gz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Überschriftengliederung in gz und W . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Die Textzeugen nach der Augsburger Drucklegung bis 1500  . . 140 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

2. Textausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Editionsprinzipien und technische Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Personen- und Werkregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Verzeichnis der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Verzeichnis der Drucke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Einleitung Heinrich Steinhöwel gilt als einer der vielseitigsten und meistgelesenen Autoren des 15. Jahrhunderts. Eine breite handschriftliche und gedruckte Überlieferung zeugt vom Erfolg seiner Werke, die teils noch über das 16. Jahrhundert hinaus rezipiert und als Quellen für andere Texte verwendet wurden. Steinhöwel gehörte zur ersten Generation derer, die in Italien die Schriften der Humanisten kennen und schätzen lernten und sich den studia humanitatis zuwandten. Da er in verschiedensten Disziplinen professionell agierte und nicht auf ein spezielles Wissenschaftsgebiete beschränkt war, entspricht er dem Typus des Universalgelehrten. Steinhöwels Œuvre spiegelt seine breit angelegte Bildung wider und ist deshalb durch eine ausgeprägte Heterogenität gekennzeichnet, was in der Forschung zu ambivalenten Einschätzungen geführt hat. Sein Profil als Autor und Schriftsteller lässt sich anhand traditioneller literaturwissenschaftlicher Kategorien kaum definieren, zumal die Debatte um den Humanismus-Begriff und die Annahme einer Epochenschwelle um 1500 diesbezüglich zusätzliche Verwirrung gestiftet hat. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass wir heute für Steinhöwels Werke eine miserable Editionslage konstatieren müssen: Nicht ediert sind seine ‚Tütsche Cronica‘, der ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ sowie die laut eigenen Angaben selbst verfasste Übersetzung der Historia Hierosolymitana, für die bisher nicht einmal die Verfasserfrage zufriedenstellend geklärt wurde.1 Auch seine anderen Texte stehen heute (abgesehen von der ‚Griseldis‘) nur in wissenschaftlich unzureichenden oder antiquierten Ausgaben zur Verfügung.2 In seiner ‚Tütschen Cronica‘ berichtet Steinhöwel von seiner Übersetzung einer Kreuzzugsgeschichte: Zů den selben zyten dett herczog gtfrid die großen herfart, das heilig grab zegewinnen, das er och gewan. Vnd lyt allda begraben, als syn cronick ußwyset, die doctor gwido gemachet hat und ich, heinricus steinhwel doctor, getutschet; Ulm: Johann Zainer, 10. 2. 1473, Ex. Wolfenbüttel, HAB, Wolfenbüttel, HAB, 4 Xylogr. (1) (vorher: 160.1 Quod. 2º [1]), Bl. 21b. Dass die vierte, anonym überlieferte Übersetzung der Historia Hierosolymitana, die Dicke (1995), Sp. 274, aufführt, tatsächlich auf Steinhöwel zurückgeht, konnte aufgrund der schlechten Überlieferungslage bisher nicht eindeutig geklärt werden. Doctor gwido wird man allerdings eher mit Guibert von Nogent identifizieren, eine Übersetzung von dessen Geschichte des ersten Kreuzzuges Gesta Dei per Francos ist allerdings nicht überliefert; vgl. hierzu u.a. Buck (2002), S. 341; Dicke (1995), Sp. 274; ders. (1994), S. 2 Anm. 11; Henkel (1993), S. 57; Haupt (1992), Sp. 115f.; Bernstein (1978), S. 81f.; Haupt (1972); Kraft (1905); Joachimsohn (1896), S. 203; Strauch (1893), S. 731. 2 Zur ‚Griseldis‘ vgl. Hess (1975); sowohl der ‚Aesop’ als auch die ‚Erlauchten Frauen’ liegen zwar in durchaus verlässlichen, jedoch überalterten Editionen vor: Oesterley (1873); Drescher (1895). Die unlängst von Gerd Dicke angekündigte Neuedition der ‚Erlauchten

1

2

Einleitung

Forschungsabriss Zwar schenkte man seinen Werken im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert durchaus einige Aufmerksamkeit, jedoch vorwiegend aus geisteswissenschaftlicher Perspektive. Man interessierte sich für die Einführung des Humanismus in Deutschland und reduzierte die Klassifizierung „humanistisch“ auf die Stoffwahl, also die Rezeption antiker oder humanistischer Quellen. Deshalb beschäftigte man sich zunächst vor allem mit denjenigen Werken Steinhöwels, die auf Boccaccio und Petrarca zurückgingen. Da dem ‚Apollonius‘ die spätantike Historia Apollonii regis Tyri zugrunde liegt und Steinhöwel mit den Gesta Romanorum und Gottfrieds Pantheon zwei mittelalterliche Quellen verwendete, nimmt es nicht wunder, dass der Text bisher ebenfalls im Abseits der Steinhöwel-Forschung stand. Dem Apollonius-Stoff ist in den letzten Jahren durchaus Interesse seitens der Forschung zuteil geworden. Die Bearbeitung Heinrichs von Neustadt wurde ediert und in zahlreichen Beiträgen mit anderen epischen Stoffen in Beziehung gesetzt.3 Auch die Historia Apollonii regis Tyri wurde jüngst mehrfach kritisch herausgegeben, kommentiert und unter dem Aspekt ihrer griechischen Reminiszenzen untersucht.4 Weiter vernachlässigt blieb hingegen (wohl nicht zuletzt aufgrund der schlechten Editionslage) die Bearbeitung Heinrich Steinhöwels, obwohl ihr im Vergleich zu anderen deutschsprachigen Apollonius-Fassungen des 15. Jahrhunderts mit Abstand der meiste Erfolg beschieden war. Der ersten Übersetzung des Ulmer Stadtarztes wurde in der älteren Forschung gemeinhin die „Unbeholfenheit des ersten Versuchs“5 attestiert und Karl Goedeke befand, der ‚Apollonius‘ sei „mehr ein Abenteuerroman im Sinne der Ritterdichtung, als einer, der den von Aeneas Sylvius und Boccaccio gebahnten Wegen folgt, eher ein Rückschritt als ein Fortschritt.“6 Als weiteres Defizit monierte man Steinhöwels Übersetzungsprinzip: Im Gegensatz zu anderen Übersetzern, die sich streng an der Syntax des lateinischen Originals orientierten und diese möglichst wörtlich ins Deutsche zu übertragen suchten, wollte Steinhöwel maximales verstentnüs bei seinen Lesern erreichen. Der freiere Umgang mit den lateinischen Quellen entsprach seinem Bildungsgedanken, wurde ihm aber von der Forschung zu seinen Ungunsten ausgelegt,

3



4



5 6



Frauen‘ war zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht verfügbar. Der Handschriftenabdruck des ‚Apollonius’ von Schröder (1873) ist wissenschaftlich unbrauchbar, der Erstdruck nur als Faksimiledruck zugänglich; vgl. Melzer (2006). Vgl. zuletzt Schultz-Balluff (2010), S. 333–345; Egidi (2009), S. 37–47; dies. (2008); Classen (2007); Schausten (2006); Schultz-Balluff (2006); Achnitz (2005); Birkhan (2005); Schneider (2004); Junk (2003), S. 60–170; Achnitz (2002); Lienert (2001), S. 166–175; Achnitz (1998); Wachinger (1991). Panayotakis (2012); Kortekaas (2007, 2004, 1984); Junk (2003); Archibald (1991, 1984); Holzberg (1990, 1989). Joachimsohn (1896), S. 119; vgl. auch Klebs (1899), S. 503. Goedeke (1884), S. 367.

Forschungsabriss

3

die vor allem die „Volkstümlichkeit“ seiner Literatur und sein Bemühen um die deutschsprachige Dichtung betonte.7 Besonders der ‚Apollonius‘ wurde demnach (im Gegensatz zu Steinhöwels späteren Übersetzungen, seiner Übertragung von Petrarcas Historia Griseldis, Boccaccios De claris mulieribus und seinem ‚Aesop‘) als „ganz und gar unhumanistisch“8 abgeurteilt und von vornherein in die Sparte spätmittelalterlicher Unterhaltungsliteratur verwiesen – eine Wertung, die auch die jüngere Forschung zum Teil noch unwidersprochen übernimmt.9 Konstruiert wurde eine Entwicklung, die Steinhöwels literarisches Schaffen in ein spätmittelalterliches Früh- und ein humanistisches Spätwerk aufspaltete, wobei sich auch die jüngere Forschung bislang nur den sogenannten „humanistischen“ Werken annahm und seinen „unhumanistischen“ ‚Apollonius‘, das ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘, die ‚Tütsche Cronica‘ und den ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ völlig vernachlässigte. Diese starre Polarisierung verkennt jedoch die sozial- und kulturhistorischen Verhältnisse und wird dem Wesen dessen, was innerhalb der heutigen Forschung als deutscher Frühhumanismus bezeichnet wird,10 nicht gerecht, da für die damaligen Gelehrten Mittelalter und Humanismus noch keine Gegensätze darstellten: Die Pioniere der Renaissanceforschung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts achteten aber noch nicht auf die vielfältigen Beziehungen der Renaissance zum Mittelalter, sie übergingen die lang andauernde Vorbereitungsphase, die wir jetzt als Frühhumanismus bezeichnen, und richteten ihr Augenmerk nicht auf die für die deutsche Renaissance besonders typische Überschneidung der Epochen, auf das Phänomen der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.11

Vgl. Borvitz (1914), S. 143; Hagen (1878), S. 22f.; Haupt (1876), S. 28f.; Görres (1807); auch Johannes Wegener spricht von sogenannter „profaner Volksliteratur“ in „Volksbüchern“; vgl. Wegener (1904), S. 5, 17. 8 Bernstein (1978), S. 78. 9 Auch in den aktuellen Auflagen verschiedener Literaturlexika wird der ‚Apollonius‘ nicht als historischer Stoff registriert, sondern – wenn überhaupt – gemeinsam mit „weltlichen Fabeln und Sagen“ aufgeführt; vgl. etwa Zapf (2012), Sp. 180. Steinhöwels Bearbeitung wird nicht erwähnt; vgl. Achnitz (2012). Die Klassifizierung als Unterhaltungsroman begründet Jan-Dirk Müller mit der „relativen rhetorischen Anspruchslosigkeit“ und dem Eindruck der Volkstümlichkeit, der vielen frühen Prosaromanen eigen ist; Müller (2010), S. 109. Allerdings rühre dieser Anschein lediglich daher, dass die frühneuhochdeutschen Prosaromane „in der Regel [...] jede Sinndeutung vermeiden“; ebd., S. 119. Auch unterscheiden sie sich bezüglich des Erzählduktus und der rhetorischen Strukturierung eklatant von der höfischen Epik, sodass ein Vergleich, der auf das Pauschalurteil ‚Trivialisierung‘ hinausläuft, unergiebig bleibt; vgl. hierzu auch Braun (2004), S. 320. 10 Zwar verwende ich den Begriff des „deutschen Frühhumanismus“, möchte ihn aber nicht als Terminus für einen separaten Anschnitt eines epochal gegliederten Systems verstanden wissen, sondern damit lediglich die Anfänge und die Frühzeit des Humanismus im deutschen Sprachgebiet benennen. 11 Schmidt (1993), S. 9; vgl. hierzu auch Münkler (2004), S. 77; Noe (1993), S. 28. 7

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Einleitung

Zielsetzung Steinhöwels Rückgriff auf mittelalterliche Vorlagen – insbesondere auf die Weltchronik Gottfrieds von Viterbo, auf den er auch im Vorwort explizit verweist – kann also aus heutiger Perspektive neu bewertet werden. Da die „Abgrenzung des Humanismus vom Mittelalter zur partiellen Blindheit gegenüber Kontinuitäten führt“12, hatte die ältere Forschung solche Fragen bisher nicht zugelassen. Gottfried von Viterbo, der Gelehrte und Philosoph am Hof Friedrich Barbarossas, dient Steinhöwel als Garant für die historische Seriosität des ApolloniusTextes, womit er durchaus im Trend liegt, denn bekanntlich erlebten nicht nur antike, sondern auch mittelalterliche gelehrte Autoren im 15. Jahrhundert eine Renaissance. Sie wurden vor allem in humanistischen Kreisen wiederentdeckt, wie auch das Beispiel Ottos von Freising zeigt, dessen Chronik von Enea Silvio Piccolomini besonders wertgeschätzt wurde. Es wird daher zu prüfen sein, ob nicht Steinhöwels����������������������������������������������������������� ‚Apollonius‘ gerade im Kontext dieser zeitgenössischer Debatten eine neue Akzentuierung erfährt. Die These einer vermeintlichen Epochenschwelle zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit wie auch die eindimensionale Definition des ‚Humanismus‘ ist inzwischen ebenfalls nahezu passé.13 Legt man mit Jacob Burckhardt die Selbstdefinition der italienischen Humanisten des 14. bis 16. Jahrhunderts zugrunde, so stellten sie „das ästhetische Programm einer Wiederbelebung der klassischen lateinischen Sprache und Literatur auf“.14 In Übereinstimmung mit dem Selbstverständnis des 15. und 16. Jahrhunderts ist demnach ein Humanist, wer den studia humanitatis obliegt, den fünf Wissenschaften der Grammatik, der Rhetorik, der Poetik, der Geschichte und der Moralphilosophie. Als Humaniora gelten sie, weil sie, wie z.B. Leonardo Bruni definierte, ‚den Menschen vervollkommnen und auszeichnen‘. Damit erfüllen sie die für das Selbstverständnis des Humanismus grundlegende Bildungsaufgabe.15

Der Blick auf einzelne Personen kann einen exemplarischen Zugang zum Humanismus bieten, was allerdings nicht implizieren soll, Heinrich Steinhöwels Zugehörigkeit zum Humanismus zu rechtfertigen. Die vorliegende Studie möchte vielmehr Autor und Werk im kultur- und sozialhistorischen Kontext verorten und strebt hierzu eine möglichst umfassende Zusammenstellung aller verfügbaren Informationen an. Da er in Italien die studia humanitatis absolviert und humanistische Texte nach Deutschland gebracht hatte, zählt Steinhöwel unbestritten zu den ersten Gelehrten, die sich humanistischen Arbeits- und Denkweisen annahmen. Deshalb

Schirrmeister (2009), S. 290. Den jüngsten Forschungsbericht hat Schirrmeister (2009) vorgelegt; vgl. auch das Vorwort zum Verfasserlexikon Deutscher Humanismus (1480–1520) von Worstbrock (2008); Noe (1993). 14 Muhlack (2006a), S. 14; neueste Ausgabe: Burckhardt (2009); vgl. u.a. auch Lefère (1998), S. 2. 15 Meuthen (1983), S. 217. 12 13

Zielsetzung

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kann er durchaus als „Frühhumanist“ bezeichnet werden – wobei mit diesem Terminus in der vorliegenden Studie explizit keine klassifikatorische Einteilung oder Wertung vorgenommen werden soll, denn in die literarische Arbeit dieser Gelehrten flossen selbstverständlich auch herkömmliche (um nicht zu sagen: mittelalterliche) Verfahrensweisen mit ein. Ebenso wie Steinhöwel sich mit antiker Literatur beschäftigte und eigene philologische Prinzipien entwickelte, beherrschte er auch die traditionellen Verfahren der Textproduktion und ist als Universalgebildeter darüber hinaus keinem bestimmten Wissenschaftsbereich zuzuordnen. Betrachteten die einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen Steinhöwel bisher allein aus dem eigenen Blickwinkel, so soll er nun erstmals als Lehrer und Arzt, Wiedererzähler und Übersetzer, Humanist und mittelalterlicher Bearbeiter, Moraldidaktiker und Unterhaltungskünstler, Herausgeber und Dichter, Geschichtsschreiber und Großgrundbesitzer mit einem sowohl laiendidaktischen als auch lateinisch-gelehrten Bildungsanspruch verstanden werden. Seine Autorpersönlichkeit soll in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, denn seine Tätigkeit als Historiograph etwa ist in der Forschung bisher stark unterbewertet worden, obwohl seine ‚Tütsche Cronica‘ durchaus Beachtung fand, im 16. Jahrhundert sogar noch erweitert und zweimal nachgedruckt wurde.16 Kaum wahrgenommen wurde weiterhin seine Rolle als Herausgeber lateinischer Werke, obwohl er doch zahlreiche Erstausgaben vorlegte und sich mit diesem Engagement für die Einbürgerung humanistischer Texte in Deutschland bleibende Verdienste erworben hat.17 Darüber hinaus kommt in seinen Übersetzungen sein gelehrt-humanistisches Selbstverständnis, sein Eintreten für die studia humanitatis zum Ausdruck, das er – ähnlich wie Sebastian Brant und Albrecht von Eyb – an die Bedürfnisse seines nicht lateinisch gebildeten Publikums anpassen konnte. Hier wird also nicht nur seine Autorintention deutlich, als Übersetzer und interpres mit universalem Bildungsanspruch in den deutschsprachigen Werken Laien verstendnus zu vermitteln, sondern auch, dass er ebenfalls eine gelehrte Leserschaft vor Augen hatte, der er die lateinischen Schriften unter der Maxime größtmöglicher Originaltreue vorlegte. Angestrebt werden soll also ein möglichst unvoreingenommener Blick sowohl auf den Autor Steinhöwel als auch auf sein Werk. Ohne seine humanistischen Anteile retten zu wollen oder ihn dem spätmittelalterlichen Wiedererzählen zuzuordnen18 soll hier der Versuch unternommen werden, Heinrich

Zur Überlieferung siehe MRFH (Marburger Repertorium zur Übersetzungsliteratur im deutschen Frühhumanismus): http://mrfh.online.uni-marburg.de/43404; im Folgenden werden nur die MRFH-Nummern angegeben. 17 Steinhöwel initiierte die Drucklegung von Petrarcas Epistolae seniles XI, 11 (GW M31499), seiner Historia Griseldis (GW M31570) und Boccaccios De claris mulieribus (GW 4483); möglicherweise veranlasste er ebenfalls die Herausgabe der humanistischen Programmschrift Leonardo Brunis, der Basileius-Übersetzung De legendis libris gentilium (GW 3706), die 1478 von Johann Zainer in Ulm gedruckt wurde; vgl. hierzu auch Bertelsmeier-Kierst (2011), S. 227. 18 Steinhöwels literarische Arbeit könnte man mit Worstbrock (1999) ebenso als mittelalterli16

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Einleitung

Steinhöwel in seinen vielfältigen und teils gewiss auch widersprüchlichen Facetten wahrzunehmen. Mittels einer sozial- und kulturgeschichtlich orientierten Literaturwissenschaft sollen sowohl die Motivation als auch das Handeln des Autors an seinen verschiedenen sozialen Orten genauer bestimmt und somit Fragen der Kommunikationsnetzwerke und deren rezeptionsästhetischer Haltung näher geklärt werden. Seine persönlichen Beziehungen zu den Fürstenhöfen des deutschen Südwestens, an denen er als Arzt verkehrte, aber auch seine Einbindung in die städtische Oberschicht liefern diesbezüglich reichhaltige Informationen, die mit seiner literarischen Arbeit in engem Zusammenhang stehen. Deshalb soll Steinhöwels Literatur im Verhältnis zu ihrem Entstehungskontext und ihrem Wirkungsradius gesehen werden, um so ihren gesellschaftlichen Stellenwert näher zu bestimmen und somit auch die Werke selbst auf ihren geschichtlichen Aussagewert hin befragen zu können. Diese Verbindung zwischen den inhaltlichen Beziehungen des literarischen Textes und dessen gesellschaftlichen und politischen Entstehungshintergründen führt zweifellos zu weiterreichenden Erkenntnissen.

Konzeption der Arbeit Nachdem die antiquierten Forschungsparadigmen ad acta gelegt wurden, wird zunächst Steinhöwels Stellung innerhalb der literarischen und bildungsgeschichtlichen Strömungen seiner Zeit in den Blick genommen und sein Autorprofil vor dem Hintergrund des deutschen Frühhumanismus skizziert. Anhand seiner literarischen Verfahrensweisen werden Rückschlüsse auf das von ihm intendierte Publikum gezogen: An welche Leserschichten wandte er sich mit dem ‚Apollonius‘ und welche Absichten könnten ihn zu seiner Bearbeitung der spätantiken Historia motiviert haben? Da Steinhöwels spätere Wirkungszeit besser erforscht ist, soll nun seine Bildungsintention speziell am ‚Apollonius‘ untersucht und in Bezug zu seinen anderen Werken gesetzt werden. Überprüft werden soll damit einerseits, ob die bisher behauptete Dichotomie von Früh- und Spätwerk aufrechterhalten werden kann und andererseits, ob man bei seinen volkssprachigen Texten nicht mit einer anderen Autorintention rechnen muss, als man sie für die gelehrt-lateinische Literatur zugrunde legt. Im Zuge einer literatursoziologischen Fragestellung, welche die Brüche und das Spannungsfeld der literarischen Situation von der Entstehung des ‚Apollonius‘ bis zur Jahrhundertwende berücksichtigt, stehen die Textzeugen des 15. Jahrhunderts sowie deren Dokumentation und genaue Beschreibung im Zentrum der Untersuchung. Da Steinhöwels Bearbeitung schon vor der ersten Drucklegung

ches Wiedererzählen wie auch als frühneuzeitliches Übersetzen bezeichnen, wodurch sich m.E. allerdings kein literaturwissenschaftlicher Ertrag erzielen ließe.

Konzeption der Arbeit

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in zwei Handschriften aus dem Jahr 1468 bezeugt ist, veranschaulicht die Überlieferung zugleich die Umbruchsituation zwischen handschriftlicher und gedruckter Buchproduktion. Auf der Basis einer nach Vollständigkeit strebenden Durchsicht der Überlieferung werden sämtliche Rezeptionsspuren und Besitzereinträge der (teils neu entdeckten) Textzeugen ausgewertet. Darüber hinaus werden auch zeitgenössische Bibliothekskataloge und Bücheranzeigen herangezogen, um den ‚Apollonius‘ im gesellschaftlichen Umfeld des 15. Jahrhunderts präzise zu situieren. Welche Leseerwartungen wurden zu dieser Zeit an den Text geknüpft und worauf basierte der Erfolg von Steinhöwels Fassung? Weiteren Aufschluss gibt dann die Mitüberlieferung in den zeitgenössischen Sammelbänden, die allerdings bald erhebliche Zweifel an der alten Kategorisierung des ‚Apollonius‘ als Unterhaltungsroman – respektive als frühneuhochdeutscher Prosaroman – aufkommen lässt. Um den literarischen Stellenwert des Werkes insgesamt näher zu definieren, wird parallel zur Rezeption von Steinhöwels volkssprachiger Bearbeitung ein Blick auf die Rezeption der lateinischen Apollonius-Fassungen im 15. Jahrhundert geworfen, der unerwartete Ergebnisse zutage bringt. Der Vergleich mit den anderen volkssprachigen Bearbeitungen des 15. Jahrhundert ermöglicht dann die Frage nach den Eigenheiten der Steinhöwelschen Fassung und den Gründen für ihren einzigartigen Erfolg. Mit dieser Fragestellung soll über die plakative Etikettierung ‚mittelalterlich‘ hinausgegangen und untersucht werden, ob Steinhöwel mit seinem ‚Apollonius‘ nicht gerade umgekehrt im aktuellen literarischen Diskurs seiner Zeit verankert war. Um Steinhöwels konkrete Arbeitsweise nachvollziehbar zu machen, werden seine Quellen und sein Umgang mit diesen Texten betrachtet, denn hieran wird deutlich, dass er nicht rein als Übersetzer verfährt, sondern beide Quellen (die Gesta Romanorum und das Pantheon Gottfrieds von Viterbo) nach einem speziellen Schema kunstvoll zu einem neuen Ganzen zusammenfügt. Darüber hinaus kommt aber besonders im ‚Apollonius‘ nicht nur Steinhöwels moraldidaktischer Anspruch, sondern – und zwar sehr viel intensiver als in allen seinen anderen Werken – ein ganz eigener ästhetischer Anspruch zur Ausformung, dem ebenfalls ein Kapitel gewidmet werden soll. Zwar wurde die Studie unter der Prämisse angelegt, mit dem ‚Apollonius‘ einen der ersten frühneuhochdeutschen Prosaromane zu edieren und literarhistorisch zu kontextualisieren, doch ergaben sich im Laufe der Untersuchungen erhebliche Zweifel an dieser Definition, weshalb im letzten Kapitel eine kritische Betrachtung der herkömmlichen Gattungszuweisungen unerlässlich sein wird. Wie oben schon erwähnt legen die Überlieferungszeugen eine differenziertere Rezeption nahe, die den Text weniger in die Unterhaltungs-Sparte, als vielmehr in den historiographischen Bereich verweist. Diese Befunde führen zwangsläufig zu der Frage nach der zeitgenössischen Auffassung von Fiktionalität und Historizität, die besonders für den ‚Apollonius‘ von Interesse ist, da Steinhöwel enorm viel Arbeit investierte, um den Text als historisch verbürgte Herrschervita zu präsentieren. Selbstverständlich ist dieser Anspruch aus moderner Perspektive indiskutabel, doch kann ein Forschungsansatz, der unsere moderne

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Einleitung

Auffassung von historischer Wahrhaftigkeit auf das Literaturverständnis des 15. Jahrhundert projiziert, m.E. nicht zielführend sein. Die ältere Forschung hat jedenfalls durch diese vermeintlich objektive Sichtweise den Blick auf den ‚Apollonius‘ erheblich verstellt. Das zeitgenössische Publikum hingegen scheint Steinhöwels Wahrheitsanspruch als positives Kriterium gewertet zu haben und nahm offenbar sowohl literarischen als auch historiographischen Texten gegenüber eine vollkommen andere Rezeptionshaltung ein. So sind also in der Frühen Neuzeit weder Leser noch Texte und Autoren in irgendeiner Weise festgelegt – ein Umstand, der die moderne Literaturwissenschaft zu immer neuen Epochenmodellen und Gattungsdifferenzierungen veranlasst hat. Sämtliche Versuche, die heutigen Gattungsbegriffe im 15. Jahrhundert fassbar zu machen, sind bisher allerdings fehlgeschlagen, da moderne Kategorisierungsversuche ohnehin nur rückwirkende Projektionen auf Verhältnisse sein können, deren literatur- und sozialhistorische Umstände wir heute nur noch annähernd nachvollziehen können. Im positiven Sinne eröffnet diese Unmöglichkeit aber die Chance, sich sowohl dem Text als auch dem Autor ohne vorgefertigte Denk- und Interpretationsmuster anzunähern und somit ein möglicherweise antagonistisches, doch durchaus realistischeres Bild zu erhalten, das sich anhand der Überlieferungslage präzise nachvollziehen lässt. Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Arbeit die Trennung zwischen Literaturwissenschaft und Geschichte möglichst aufgehoben und daher der Terminus ‚Roman‘ gemieden werden, da er ein rein fiktionales Erzählen impliziert, was Heinrich Steinhöwel im ‚Apollonius‘ definitiv nicht beabsichtigte. Auch der Begriff der ‚Übersetzung‘ soll in Bezug auf den ‚Apollonius‘ kritisch hinterfragt werden, denn Steinhöwel übersetzt zwar, versteht sich aber ebenfalls als Literat und interpres, der Bildung vermitteln, belehren und gleichzeitig unterhalten will. Weiterhin liegen ihm zeitgenössische Diskurse am Herzen, wie etwa der Liebes- und Ehediskurs, und er hat zugleich den Anspruch, Geschichte zu schreiben – was weder für ihn noch für seine Zeitgenossen einen Widerspruch darstellte. Unter diesem unvoreingenommenen Blick gewinnt der ‚Apollonius‘ zahlreiche Schattierungen hinzu, die durch die rein literaturwissenschaftlichen Betrachtungsweise bisher im Dunkeln geblieben waren.

Einrichtung der Textedition Die Konzeption der Textedition trägt den Entstehungshintergründen des ‚Apollonius‘ Rechnung und bietet entsprechend der Zielsetzung der Arbeit eine Zusammenstellung aller verfügbaren Informationen. Unter Berücksichtigung der lateinischen Quellen wird das Werk erstmals in einer kritischen Edition vorgelegt. Da als Kriterium für die negative Beurteilung seiner Bearbeitung neben der Wahl der Quelle besonders Steinhöwels Übersetzungsverfahren angeführt worden war, werden die Quellen parallel abgedruckt, um so den direkten

Einrichtung der Textedition

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Vergleich zu ermöglichen und Steinhöwels Umgang mit den lateinischen Texten unmittelbar nachvollziehbar zu machen. Bei dem Versuch, die Redaktion von Steinhöwels Übersetzungsvorlage einzugrenzen, konnte erstmals ein besonderer Fund gemacht werden: Die Wolfenbütteler Handschrift 24.5 bietet die Apollonius-Fassung der Gesta Romanorum (Steinhöwels Hauptquelle, der er über weite Strecken wörtlich folgt) in einer Redaktion, die Steinhöwels Übersetzung überaus nahe steht. Auch verschiedene andere Aspekte deuten darauf hin, dass diese Handschrift Steinhöwel tatsächlich als Vorlage gedient haben könnte. Der Codex spricht zudem für die Faszination, die der ‚Apollonius‘ auch auf gelehrt-humanistische Kreise ausübte. Direkten Einfluss auf die Einrichtung der Textedition hat weiterhin der Umstand, dass die Entstehung des ‚Apollonius‘ direkt mit dem medialen Umbruch von der Handschrift zum gedruckten Buch verknüpft ist. Die Leithandschrift aus dem Jahr 1468 steht dem Autor geographisch und auch sprachlich sehr nahe. Da Steinhöwel sein Werk aber eigens für die Drucklegung 1471 nochmals überarbeitete, kann in der Edition zwar einerseits nach dem Leithandschriftenprinzip verfahren werden, andererseits aber auch der Überarbeitungsprozess (von der Handschrift zum Erstdruck) im Apparat nachvollzogen werden. So nähern wir uns also einem Text an, dessen Überlieferung und Genese maßgeblich durch den Medienumbruch bestimmt ist, der sich gattungsmäßig weder auf Historizität noch auf Fiktionalität festlegen lässt und dessen Autor als interdisziplinäre Gelehrtenpersönlichkeit am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit weder mittelalterlich noch humanistisch zu nennen ist. Und trotz – oder gerade wegen – all dieser Unwägbarkeiten, zeugt die breite und lange anhaltende Überlieferung des ‚Apollonius‘ doch eindrücklich von der Beliebtheit eines Werkes, das seine Faszinationskraft bis heute nicht verloren hat.

Erster Teil

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Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel 1.1.1 Zur Datierung des ‚Apollonius‘-Prologs HAINRICVS STAINHOEWELL VON WIL DOCTOR IN ERCNI nennt im Akrostichon des Prologs selbstbewusst seinen Namen und seine berufliche Position. Es folgt eine offenbar verderbte Jahresangabe, deren Deutung in der Forschung bislang nicht überzeugend gelungen ist: MCCCCLCIMS. Im Zuge meiner Untersuchungen konnte ich den Prolog neu datieren und daher sowohl das Entstehungsdatum des ‚Apollonius‘ als auch Steinhöwels Geburtsjahr korrigieren.1 Der Prolog, der den älteren ‚Apollonius‘-Handschriften noch fehlt, wurde von Steinhöwel eigens für den 1471 bei Günther Zainer in Augsburg erschienenen Erstdruck konzipiert. Die zahlreichen Korruptelen im Text lassen darauf schließen, dass auch das Akrostichon bei der Drucklegung nicht der Vorlage entsprechend wiedergegeben wurde. Setzt man nämlich zwei Fehler in dieser Buchstabenfolge voraus, so erhält man das Jahr 1460 und das Akrostichon endet mit dem Christusmonogramm IHS: MCCCCL[X]I[H]S.2 Zunächst wird in der Druckvorlage statt Cristo (Erstdruck) die Schreibung mit X (Xristo) vorgelegen haben, die in vielen anderen Inkunabeln und Handschriften der Zeit bezeugt ist.3 Der zweite Fehler verbirgt sich in dem semantisch problematischen Vers Mer bewar durch deinem Namen (Z. 49). Ersetzt man hier den Anfangsbuchstaben M durch H, so ergibt sich eine nahezu wörtliche Übertragung von Psalm 53,3: Deus in nomine tuo salvum me [...]. Weitere Entsprechungen resultieren aus der Synthese von Pro- und Epilog, der ebenfalls ein Akrostichon trägt: DA PACEM DOMINE. Die Anrufung

Vgl. hierzu ausführlicher Terrahe (2013). Das Christusmonogramm ist in zahlreichen Frühdrucken und Handschriften der Zeit belegt. Allein die Recherche im Inkunabelkatalog INKA (www.inka.uni-tuebingen.de) ergibt für „IHS“ 53 Treffer, häufig in der Kombination mit „Maria“ oder einem Marienmonogramm. 3 Diesen Fehler hatte schon Bartsch angenommen, dem sich die Forschung bis heute angeschlossen hat. Er datierte den Prolog auf 1461 und löste die letzten beiden Buchstaben MS als Monatsangabe (mense septembri[s]) auf; vgl. Bartsch (1875), insb. S. 306; ders. (1878). Wilhelm Scherers Vorschlag (Cristo In Merso) wurde als unplausibel verworfen; vgl. Scherer (1877), S. 73–77; ders. (1878), S. 319f. 1 2

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Gottes (Gib Friede, Herr!) war als Abschlussformel in der gelehrten Literatur durchaus gebräuchlich. Als Introitus für den 19. Sonntag nach Pfingsten könnte das Akrostichon des Epilogs überdies (korrespondierend zur Jahresangabe des Prologs) zur Datierung eines bestimmten Tages gedient haben.4 Zudem harmoniert das Apronym im letzten Vers des Epilogs (MARIA) elegant mit dem Christusmonogramm des Prologs. Da sich Steinhöwel zu Beginn der gereimten Vorrede neunundvierzigjährig nennt (Z. 3f.: In slichem gsang han ich gelept / Nun vnd viertzig iar in hoffnung gswebt), ist sein Geburtsjahr auf 1410/11 zu korrigieren. Zwar verschieben sich somit sämtliche biographischen Daten um ein Jahr, die Werkchronologie wird hierdurch aber nicht beeinträchtigt.

1.1.2 Biographisches Heinrich Steinhöwel entstammte einem seit 1407 in Weil der Stadt (an der Würm) ansässigen Patriziergeschlecht, das seit dem 13. Jahrhundert in Esslingen nachweisbar ist und dessen Mitglieder mehrfach im Stadtrat saßen. Als Vater wird heute Heinrich Steinhöwel d. Ä. angenommen, der anhand seines Steueraufkommens als durchaus vermögend eingestuft werden kann. Der finanzielle und gesellschaftliche Hintergrund seiner Familie ermöglichten dem jungen Heinrich, sich am 14. April 1429 in Wien zu immatrikulieren und neun Jahre lang die Stationen der artistischen Fakultät zu durchlaufen. 1436 erlangte er die Magisterwürde und setzte sein Studium im Jahr 1438 in Padua fort, wo er zunächst die Rechte studierte, dann aber auf das Medizinstudium umschwenkte. 1442 erfolgte die Ernennung zum Rector artistarum und ein Jahr darauf die Promotion zum Doktor der Medizin.5 Während seiner Studienzeit kam Heinrich Steinhöwel mit dem italienischen Humanismus in Berührung. Wie zahlreiche andere deutsche Studenten lernte er Vgl. Grotefend (URL: http://www.manuscripta-mediaevalia.de/gaeste/grotefend/g_d.htm# Dominica%20vacans): „Da pacem domine sustinentibus te ut prophete tui fideles inveniantur, Messeingang des 19. Sonntags nach Pfingsten (18. nach Trinitatis), nach den deutschen Missalen (Eccli. 36,18)“; vgl. auch Dangel-Hofmann (1975), S. 154 u. 166. Laut Grotefend müsste der 19. Sonntag nach Pfingsten auf den 12. Oktober 1460 fallen. Die Introiten wurden allerdings je nach Diözese an unterschiedlichen Sonntagen verwendet, sodass eine tagesgenaue Datierung mit Zweifeln behaftet bleibt. 5 Die zahlreichen biographischen Beiträge, Nachträge und Korrekturen hat Dicke (1991) zusammengetragen; vgl. auch MRFH 0035; Bertelsmeier-Kierst (2011); Mühlberger (2011), 1436 II 7; Dicke (1995), Sp. 259; Dicke (1991), S. 159; Matrikel der Universität Wien (1956) 1429 I R 68; Strauch (1893), S. 728; zur materiellen und ideellen Position der ausländischen Studenten im italienischen Universitätsbetrieb vgl. Sottili (1991), S. 55: „Am Anfang der vierziger Jahre des 15. Jahrhunderts bürgerte sich in Pavia die Gewohnheit ein, daß jeder zweite Rektor der Juristenuniversität ein Ausländer zu sein hatte. Schon früher hatte man an allerhöchster Stelle dafür gesorgt, daß eine bezahlte juristische Professur den Ausländern reserviert bleiben sollte. Sie hieß zuerst ‚Lectura alamannorum‘, die Professur der Deutschen, da sie ausschließlich mit Deutschen besetzt wurde.“ 4



1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel

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hier die klassische Literatur sowie die Schriften der italienischen Humanisten (Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio, Leonardo Bruni, Poggio Bracciolini) kennen und schätzen. So studierten zur selben Zeit wie Steinhöwel etwa auch Johannes Hartlieb6, Hermann Schedel und Albrecht von Eyb in Padua.7 Weitere deutsche Frühhumanisten, die ihre Bildung in Italien erworben hatten, waren Sigismund Gossembrot, Peter Luder, Rudolf Agricola, Gregor Heimburg und Johannes Pirckheimer, allesamt Bewunderer und Rezipienten der italienischen Autoren.8 Nach dem ausgedehnten Studium verweilte Heinrich Steinhöwel in den Jahren 1444/45 in Heidelberg, wo bisher nur seine Immatrikulation belegt, seine dortige Funktion aber unklar geblieben war.9 Gerd Dicke hatte zwar die „Ausübung eines medizinischen Lehramtes“10 vermutet, konnte den Titel des lerers allerdings erst im Jahr 1458 nachweisen. Inzwischen gibt eine neu aufgefundene Urkunde vom 25. Mai 1445 Aufschluss über seine dortige Tätigkeit: Steinhöwel lehrte im Jahr 1445 an der medizinischen Fakultät der Heidelberger Universität. Er wird in der Urkunde als Meister in den fryen künsten und lerer in der Artzeny bezeichnet und beglaubigt dies off den eyt, den ich dem Rector der universitet z Heydelberg [...] gesworn.11 Die ärztliche Tätigkeit nahm er dann 1446 in seiner Heimatstadt Weil auf und ließ sich drei Jahre später in Esslingen nieder. Sein Wechsel nach Ulm und die dortige Anstellung als Stadtarzt ist für den 18. Juli 1450 bezeugt.12 Steinhöwels berufliche Tätigkeit brachte ihn in Kontakt mit verschiedenen Fürsten, darunter Graf Ulrich von Württemberg und dessen Gemahlin Margarethe von Savoyen sowie Mechthild von der Pfalz und ihrem Gemahl Erzherzog Albrecht VI. von Österreich. In seiner Funktion als Leibarzt Philipps des Guten von Burgund begleitete er den Herzog im Sommer 1454 zu den genannten Höfen. Auf dieser Reise lernte er auch den Markgrafen Rudolf von Hochberg – den späteren Rat und Kammerherrn des burgundischen Herzogs – kennen, einen ausgewiesenen Literaturkenner, dem u.a. Thüring von Ringoltingen seine

Dass sich zu dieser Zeit auch Johannes Hartlieb in Padua aufhielt, zu dessen ‚Alexander‘ der ‚Apollonius‘ eine besonders enge Beziehung aufweist, ist in der Forschung lange unbeachtet geblieben. Hartlieb wurde 1439 zum Doktor der Medizin promoviert; vgl. Fürbeth (1992), S. 30; Zonta/Brotto (1970), Nr. 1342, 1352; Klebs/Sudhoff (1926), S. 98. 7 Vgl. zuletzt Sottili (2006), insb. S. 211–297; zu Hermann Schedel vgl. Bauer (2010); Zonta/ Brotto (1970), Nr. 1380, 1438, 1452, 1482, 1551, 1554, 1572, 1588, 1632; zu Albrecht von Eyb, der zudem auch in Pavia und Bologna studierte, vgl. v.a. S. 20 Anm. 46; MRFH 0002; Sottili (2006), S. 218f.; Zonta/Brotto (1970), Nr. 2034, 2166; Knod (1899), S. 106 (Nr. 734). 8 Vgl. u.a. Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 75; Worstbrock (1991), S. 168; Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 19. 9 Toepke (1884), S. 244; Dicke (1991), S. 161, 177. 10 Dicke (1991), S. 161. 11 Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 7b Lade VII–VIIIb Nr. 19; URL: http://www.landesarchivbw.de/plink/?f=7-141249; vgl. auch Terrahe (2013) (mit Transkription der Urkunde). 12 Vgl. Bernstein (1991), S. 164; Dicke (1991), S. 162. 6

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

‚Melusine‘ widmete.13 Der Kontakt wird bezeugt durch Steinhöwels Brief an den Ulmer Rat von 1454.14 Seine Verbindungen zum Hof Mechthilds von der Pfalz erstreckten sich wohl über seine ärztliche Tätigkeit hinaus auch in den Bereich des Literarischen, da bereits 1462 im ‚Ehrenbrief‘ Püterichs von Reichertshausen eine deutsche Grisel in der Bibliothek der Pfalzgräfin bezeugt ist.15 Ihr Sohn Eberhard im Barte besaß zudem den Erstdruck von Steinhöwels ‚Tütscher Cronica‘.16 Auch zu Margarethe von Savoyen ist eine engere Beziehung anzunehmen, da aus dem Jahr 1474 ein Brief Steinhöwels an sie überliefert ist, in welchem er einen „freundschaftlichvertraute[n] Ton“17 anschlägt. Die Stellung als Ulmer Stadtarzt, die Steinhöwel bis zu seinem Tod am ​1. März 1479 innehatte, garantierte ihm wirtschaftliche Unabhängigkeit: Großzügige Renteneinkünfte vom Stuttgarter Hof,18 der Besitz diverser Liegenschaften vor den Toren Ulms und in seiner Geburtsstadt Weil (wie eine jüngst aufgefundene Urkunde dokumentiert)19 sowie der Erwerb und Verkauf von Häusern in Ulm selbst zeugen von seiner Prosperität. Seine Heirat mit der vermögenden Anastasia Egen (von Argon) eröffnete ihm Eingang in das Augsburger Patriziat. Von seiner Einbindung in die städtische Führungsschicht Ulms und dem hohen Ansehen, das Steinhöwel in der Reichsstadt genoss, konnten sowohl seine Tochter Adelheid wie auch seine Enkel profitieren: Durch die Hochzeit mit Stäßlin Mang Krafft heiratete Adelheid in eine der ersten

Vgl. MRFH 0035; Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 334; Dicke (1991), S. 163f.; Fechter (1935), S. 22f.; Markgraf Rudolf von Hochberg [Hachberg] (1427–1487), Sohn des Markgrafen Wilhelm von Hachberg-Sausenberg und der Gräfin Elisabeth von Montfort-Bregenz, war Graf von Neuchâtel und Neuenburg, zugleich Markgraf von Rötteln, Rat und Kammerherr am Hofe des Herzogs von Burgund; vgl. Illi (2007); Schülin (1965), S. 75; Heimgartner (1964), S. 19–26; Seith (1932). 14 Ulm, Staatsarchiv, J Steinhövel V 162/1; vgl. MRFH 0035 (mit Abb.). 15 KultStift BSB (1999), Nr. 98; vgl. auch MRFH 0035; Dicke (1991), S. 165; zu Mechthild v. d. Pfalz und ihrer Bibliothek vgl. MRFH 1740; Wand-Wittkowski (2005); Watanabe-O‘Kelly (2004), S. 371; Eberl (1999); Karnein (1995); Kruska (1989); Raff (1988), S. 275–294; Strohschneider (1986), S. 29–50; Theil (1983); Fechter (1935), S. 86f.; Burdach (1888). 16 Ulm: Johann Zainer, sant scolasticen tag [10. Februar] 1473; „Gemäß den Einträgen von 1624–33 im Katalog der Württ. Hofbibliothek besaß Eberhard im Barte den Ulmer Erstdruck von Steinhöwels ‚Tütscher Cronica‘: Eine teutsche Chronic von anfang der wellt biß uff Kaiser Fridericus III. Ulm 1473. NB. steht voran Attempto und die Jahreszahl 1474 (HStA Stuttgart Hofsachen A 20 Bü. 38, Bl. 10a). Verbleib unbekannt“; vgl. MRFH 20970 mit weiterf. Lit. 17 MRFH 0035 (mit Abb.); Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, A 602 Nr. 260; zu Margarethe von Savoyen und ihren literarischen Beziehungen vgl. MRFH 1660; Drostel (2006); WatanabeO‘Kelly (2004), S. 371; Zimmermann (2003); Lähnemann (2002); Backes (1992); Raff (1988), S. 317–325. 18 Vgl. Dicke (1991), S. 171f.; die Renteneinkünfte, die Steinhöwel vom Hof Ulrichs und Margarethes in Stuttgart bezog, weisen ebenso wie bei Mechthild von der Pfalz auf eine Beziehung hin, die sich über den ärztlichen Bereich hinaus erstreckte. 19 Ludwigsburg, Staatsarchiv, B 95 Bü 152, URL: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=22531921; vgl. hierzu auch Terrahe (2013). 13

1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel

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Familien Ulms ein, ihre Söhne Matthäus und Georg Krafft bekleideten später sogar das Bürgermeisteramt.20

1.1.3 Steinhöwels Werk im Kontext des deutschen Frühhumanismus Der Beginn von Heinrich Steinhöwels literarischer Tätigkeit wird in der Forschung allgemein mit dem ‚Apollonius‘, also vergleichsweise spät, angesetzt, obwohl die Entstehung seines ‚Büchleins der Ordnung der Pestilenz‘ in das Jahr 1446 zurückverfolgt werden kann.21 Schwenkte der Autor später zu unterhaltenden, belehrenden und historischen Stoffen über, so zeugt das ‚Pestbüchlein‘ doch eindrücklich von Steinhöwels literarischer Vielseitigkeit, die sich zudem nicht nur in seiner Tätigkeit als Übersetzer, Dichter und Bearbeiter erschöpfte, sondern ihren Ausdruck auch in der Herausgabe lateinischer und deutscher Werke fand. Dieses außerordentlich breit angelegte literarische Interesse verbindet ihn mit anderen frühhumanistischen Persönlichkeiten seiner Zeit wie Albrecht von Eyb, Niklas von Wyle, Hartmann Schedel und Sebastian Brant.22 Mit Letzterem hat er nicht nur den moraldidaktischen Anspruch gemein, den Brant im ‚Narrenschiff‘ sehr deutlich formulierte, sondern auch das Schreiben in der Volkssprache.23 Steinhöwels Marienverehrung, die im Apronym (MARIA) des ‚Apollonius‘-Epilogs und im Prolog zu den ‚Erlauchten Frauen‘24 zum Ausdruck kommt, mag eine Vorstufe zu der später von Sebastian Brant und Jakob Wimpfeling gepflegten Marienverehrung gewesen sein, die ihren Niederschlag in größtenteils lateinischer Marienlyrik fand und in einer geradezu „agressiven Makulismus-Polemik (im Kampf um das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariä)“25 gipfelte. Auch Hartmann Schedels ‚Weltchronik‘ beginnt in seinem heute in der BSB München aufbewahrten Handexemplar mit einem ganzseitigen Holzschnitt, auf dem Maria als Mater domini speriola abgebildet ist, gefolgt von einem vom Autor persönlich eingetragenen Mariengedicht.26 Vgl. Strauch (1893), S. 728. St. Gallen, Kantonsbibliothek, Ms. Vad. 455, Bl. 44r u. 60r; vgl. MRFH 10940; Dicke (1995), Sp. 262; Rupprich (1970), S. 573; Worstbrock (1991), S. 172: „Auch Steinhöwel griff erst spät, fast fünfzigjährig, zur Feder“. 22 Zu Sebastian Brant vgl. Henkel (2012); Bergdolt (2010); Roloff (2008); Münkler (2004), S. 90–94; Wilhelmi (2002); Knape (1993), S. 156–172; Lemmer (1978), Sp. 992–1005. 23 Vgl. Henkel (2010); Wiegand (1993), S. 84. 24 Geben z Ulm uff den abend der durchlüchtigisten künigin ob allen frowen gesegneten Marie, als sie von irem aingebornen sun usz disem iamertal in syn rych der wigen frden empfangen ward; vgl. Drescher (1895), S. 20; zu Steinhöwels ‚Erlauchten Frauen‘ siehe auch MRFH 43405. 25 Knape (1993), S. 157; vgl. hierzu auch Henkel (2010), S. 136; Wiegand (1993), S. 80; Teilabdruck der Marienlyrik Sebastian Brants vgl. Zarncke (1854), S. 174–195. 26 Nürnberg: Anton Koberger für Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister, 12.7.1493 (GW M40784), München, BSB, Rar. 287 (Cim. 187); Druckbeschreibung ����������������������������������� und Literaturhinweise siehe BSB-Ink (BSB München, Inkunabelkatalog; http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/Exemplar_S–195,4.pdf); Holzschnitt von Michael Wolgemut [Nürnberg, c. 1490]. 20 21

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Diese Form der Frömmigkeit hängt eng mit der humanistischen Forderung nach Rückkehr zu den Quellen (ad fontes) zusammen, die ihren Ausdruck nicht zuletzt auch in der Rezeption der Kirchenväter (Augustinus, Hieronymus, Basilius Magnus) fand.27 Wie Brant engagierte sich auch Steinhöwel intensiv im Buchdruckgewerbe; beide versuchten, das neue Medium verstärkt für die volkssprachige Literatur zu nutzen, doch besorgte Steinhöwel auch die erstmalige Herausgabe zahlreicher lateinischer humanistischer Texte in seinem Hausverlag bei Johann Zainer in Ulm.28 Gemeinsam war ihnen darüber hinaus ein stark moraldidaktischer Impetus, der auf die Vermittlung eines christlichen Weltbildes abzielte. Steinhöwel teilte mit Sebastian Brant und Hartmann Schedel zudem das Interesse für die „nationale Vergangenheit des deutschen Volkes“29, das durch seine ‚Tütsche Cronica‘30 hinreichend belegt sein dürfte. Diese Wertschätzung der älteren ��������������������������������������������������������������������� (�������������������������������������������������������������������� u.a. auch mittelalterlichen) Historiographie war durch keinen Geringeren als Enea Silvio Piccolomini angestoßen worden, der die Werke Ottos von Freising entdeckt und in seinen eigenen Schriften eingehend rezipiert hatte.31 In seiner Germania und den Türkenreden hatte der spätere Papst Pius II. seine Vorstellung von einer gemeinsamen Nation entwickelt, die großen Einfluss auf die deutschen Frühhumanisten ausüben sollte.32 Besonders Hartmann Schedel und Sebastian Brant, aber auch Sigmund Meisterlin, Jakob Wimpfeling und der Gelehrtenkreis um Kaiser Maximilian I. ließen sich für das neue Interesse an mittelalterlicher Geschichtsschreibung begeistern und orientierten sich an Enea Silvios Geschichtsauffassung.33 Dass auch der ‚Apollonius‘ in frühhumanistischen Kreisen als geschichtliches Werk aufgefasst wurde und reges Interesse fand, ist durch zahlreiche humanistische Sammelhandschriften (u.a. aus dem Besitz Hartmann Schedels und Albrechts von Eyb) belegt.34 Auf die im Humanismus aufkommende „Wiederbelebung der Kirchenväter“ weist auch Alfred Noe (1993), S. 29, hin: „Petrarca imitiert Augustinus, Boccaccio und Erasmus nehmen Anleihen bei Hieronymus und Basilius“; vgl. hierzu auch Toepfer (2007); Worstbrock (1991), S. 169; Schucan (1973); Kristeller (1969), S. 22: „Auch der Beitrag der Humanisten zum Studium der Kirchenväter war bedeutend, wird aber im allgemeinen ignoriert.“ 28 Vgl. S. 5 Anm. 17. 29 Wiegand (1993), S. 83; zum Nationaldiskurs deutscher Humanisten vgl. auch Muhlack (2006), S. 138f.; Hirschi (2005), insb. S. 253–301. 30 Vgl. MRFH 43404. 31 Zu Enea Silvio Piccolominis Bedeutung für den deutschen Frühhumanismus vgl. zuletzt Philipowski (2012) mit weiterf. Lit.; Helmrath (2002); Worstbrock (1991), S. 166f.; anlässlich seines sechshundertsten Geburtstages im Jahr 2005 erschienen zahlreiche WerkKommentare und Veröffentlichungen zu seiner Person; vgl. hierzu Wagendorfer (2006). 32 Zu Eneas Türkenreden vgl. S. 42 Anm. 156. 33 Vgl. hierzu zuletzt Mertens (2010); zur Rezeption Ottos von Freising in der Frühen Neuzeit vgl. Philipowski (2012), Sp. 630; Goetz (2010), S. 42; Schürmann (1986); zur Drucklegung seiner Werke siehe Mertens (1983), S. 110; zur Geschichtsschreibung Enea Silvio Piccolominis vgl. Knödler (2007); Helmrath (2002), S. 124; zu seinem Einfluss auf Hartmann Schedels Geschichtswerk siehe Stauber (2002), S. 175–184; Reske (2000), CD 36; Hernad/ Worstbrock (1992), Sp. 618; Worstbrock (1989a), Sp. 662f. 34 Vgl. hierzu S. 67f.; zu Schedels Buchbesitz siehe S. 48f. 27

1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel

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Das kaisertreue, dem Hause Habsburg eng verbundene Geschichtsdenken Steinhöwels korrespondiert mit der geistigen Haltung des späteren Habsburger Parteigängers Sebastian Brant, der – wie Wimpfeling und andere elsässische Humanisten – zahlreiche politische Lobgedichte auf Kaiser Maximilian I. verfasste.35 Der deutsche Humanismus war in seinen frühen Jahrzehnten nicht nur eine noch inkohärente Bewegung, die sich meist nur in lokalen, höchstens regionalen Kreisen sammelte. Er trat in seinen mannigfachen Gruppierungen vor allem auf sehr verschiedene Weise in Erscheinung, verschieden nach Anspruch und Geltung, Wirkung und Funktion in der ihn umgebenden spätmittelalterlichen Lebenswelt. [...] Die Symbiose des Alten und des Neuen, auf die man in den frühhumanistischen Handschriften trifft, kennzeichnet den historischen Charakter auch des Œuvre so gut wie aller humanistischer Autoren der Zeit [...].36

Gerade für Deutschland war die langandauernde Überschneidung der Epochen, während der das Alte unbehelligt neben dem Neuen existierte, charakteristisch und die Ausbreitung und Konsolidierung des humanistischen Gedankengutes ging sehr viel gemächlicher voran als zuvor in Italien. Diese Entwicklung ist dem Umstand zuzuschreiben, dass die studia humanitatis von den deutschen Studenten vorrangig aus den norditalienischen Universitäten (Pavia, Bologna und Padua) in die Heimat getragen wurden. Die Frühhumanisten der ersten Generation lernten dort „die etwas veraltete Variante des norditalienischen Vorhumanismus kennen [...], dessen Vertreter im Vergleich zur Toskana konservativ“37 waren. Somit fehlte den deutschen Frühhumanisten der „direkte[...] Zugang zur Schöpferkraft und Ursprünglichkeit des Florentiner Humanismus“38, was sich inhaltlich in einer verstärkten Rezeption von „Petrarcas Moralphilosophie [...] losgelöst von anderen humanistischen Gedanken“39 niederschlug. Heinrich Steinhöwel entspricht dieser Charakterisierung wie kaum eine andere frühhumanistische Persönlichkeit. Weder in der Stoffwahl noch in seinem Übersetzungsstil lässt er sich eindeutig dem Spätmittelalter oder dem (Früh-)Humanismus zuordnen, und auch seine literarische Intention ist von der Übergangszeit, in der er sich bewegte, gekennzeichnet.40 Seine Zeitgenossen scheinen diese Interferenzen nicht als Makel empfunden zu haben, da sein literarisches Werk als das „erfolgreichste der Zeit“41 zu gelten hat.

Brant war kaiserlicher Rat Maximlians I., Comes palatinus sowie Beisitzer des kaiserlichen Hofgerichts und stand demzufolge hoch in der Gunst des Habsburgers; vgl. Mertens (2010); Lemmer (1978), Sp. 993. 36 Worstbrock (1991), S. 170. 37 Noe (1993), S. 48. 38 Sottili (1989), S. 262; vgl. hierzu auch Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 327; Sottili (1992/93), hier S. 246ff. 39 Noe (1993), S. 48. 40 Noe nennt Steinhöwels ‚Apollonius‘ als Beispiel für ein Werk, in dem der fließende Übergang vom Spätmittelalter zur humanistischen Literatur besonders deutlich sichtbar ist, da hier „beide Strömungen [...] vermischt auftreten“; Noe (1993), S. 51. 41 Worstbrock (1970), S. 46. 35

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

1.1.4 Steinhöwel als Übersetzer und interpres Wenn nun schon die Aenderungen Gotfrieds als Verschlechterung zu beurtheilen sind, so gilt das gleiche Urtheil in erhöhtem Maße von dem Verfahren Steinhöwels, da er meist die beiden abweichenden Fassungen äußerlich verklittert. Die feineren Züge des lateinischen Originals waren schon in der entstellten Bearbeitung, die Steinhöwel zu Grunde legte, verwischt und sind darum auch dem deutschen Volksbuche verloren gegangen. Das Kolorit ist unsicher, weder recht antik, noch recht modern; der Ton ist nüchtern und trocken und wird auch durch die eingelegten Verse nicht gehoben. So gehört dieses Buch zu den wenig gelungenen und wenig erfreulichen unter den Bearbeitungen der Erzählung.42

Dieses vernichtende Urteil, mit dem Elimar Klebs Steinhöwels ‚Apollonius‘ bedachte, trug maßgeblich dazu bei, dass „die wenig löbliche Leistung Steinhöwels“43 lange Zeit von der Forschung vernachlässigt wurde. Die negative Einschätzung der Apollonius-Übertragung bezog sich zumeist auf die Benutzung von zwei unterschiedlichen Quellen, der man kein planvolles Übersetzerprinzip entnehmen konnte.44 Auch im Zuge des althergebrachten Vergleichs von Steinhöwels sin uz sin-Übersetzungen mit dem wort uz wort-Prinzip des Niklas von Wyle wurde der ‚Apollonius‘ als schlechte volkssprachige Adaptation abgewertet, da der Übersetzer durch seinen freien Übertragungsstil die ursprüngliche Eleganz des lateinischen Originals zerstört habe.45 Steinhöwels Prinzip des sinngemäßen Übersetzens korrespondiert mit dem Stil Albrechts von Eyb, der ebenfalls die Fremdartigkeit der Vorlage zu glätten suchte, um das Gefälle zwischen Publikum und Text möglichst auszugleichen.46 Dieses Moment hebt sein Übersetzerprinzip von dem des Niklas von Wyle ab und trug Steinhöwel in der älteren Forschung oftmals das Etikett „unhumanistisch“ ein.47 Gegen diese Klassifizierung spricht aber einerseits der Umstand, dass das Übersetzen per se als Kennzeichen der frühen Phase des deutschen Humanismus gelten kann (die ja im Wesentlichen durch die Rezeption der italienischen Renaissanceliteratur gekennzeichnet war). Andererseits kritisierten schon die italienischen Humanisten die wörtliche Übersetzungstechnik, so wurde an den griechisch-lateinischen Übersetzungen ihrer Vorgänger die „beschränkte[...] Ausdrucksfähigkeit im Lateinischen und [die] daraus resultierende[...] Unverständlichkeit der Übertragung“ bemängelt.48 44 45 46

Klebs (1899), S. 509. Ebd. Vgl. etwa Hankamer (1927), insb. S. 5. Vgl. u.a. Joachimsohn (1896), S. 118f. Vgl. Heyde (2011), S. 215–218; Müller (2007), S. 86f.; Münkler (2004), S. 87f.; Drücke (2001), S. 145; Limbeck (2000), S. 130; zu Albrecht von Eyb vgl. MRFH 0002; Bernstein (1993); Rautenberg (1993); Bernstein (1978), S. 62–75; Klecha (1978); Worstbrock (1970); Knod (1899), S. 106 (Nr. 734); Hermann (1893). 47 Vgl. Borvitz (1914), S. 142f.; Klebs (1899), S. 503; Joachimsohn (1896), S. 118; Goedeke (1884), S. 367. 48 Noe (1993), S. 39; zur Geschichte der humanistischen Übersetzungstheorie vgl. zuletzt Drücke (2001), S. 141–152; Vermeer (2000); Limbeck (2000); Worstbrock (1999). Zur (spät-)mittelalterlichen Übersetzung allgemein vgl. Henkel (1999) mit weiterf. Lit. 42 43

1.1 Der Autor Heinrich Steinhöwel

21

Steinhöwels verhältnismäßig freier Übertragungsstil, der sich sowohl straffend als auch kommentierend von der Quelle entfernt, steht im Kontrast zu der „Art des Übersetzens, welche den lateinischen Vorlagen, um ihre Stilqualitäten fürs Deutsche zu gewinnen, mit möglichster Wörtlichkeit zu folgen hatte“,49 wie sie Niklas von Wyle entwickelte.50 War es für das Verständnis von Wyles Übertragungen notwendig, dass sich der Leser gewissermaßen dem Text annäherte, so hatte Steinhöwel hingegen den Anspruch, den Text seinem Rezipienten anzunähern, um so den größtmöglichen pädagogischen Ertrag zu erzielen.51 Daher rühren seine erklärenden Einschübe und Kürzungen, seine programmatischen Vorreden und Interpretationsvorschläge. Hugo Kuhn hält als Differenz zwischen Wyles und Steinhöwels Übersetzungstheorie fest: Auch schon die Stil-Kontroverse zwischen Steinhöwels Übersetzen ‚Sinn aus Sinn‘ und Wyles Übersetzen ‚Wort aus Wort‘ bezieht sich ganz und gar nicht auf die ‚Deutschheit‘ der Übersetzungssprache, wie man bis heute mißversteht, sondern auf das je gemäßere ‚ad fontes‘ der Übersetzung.52

Dieser Differenz liegt eine unterschiedliche Motivation zugrunde, literarische Texte zu verfassen. ��������������������������������������������������������� Man wollte sich die elegante lateinische Sprachkultur aneignen und durch imitatio die eigene Eloquenz kultivieren: „Humanistischer Code weist sich stilistisch durch Assimilation antiker Latinitas und Elegantia aus.“53 Dieser Code entspricht voll und ganz der Theorie Wyles, die dieser unter Berufung auf Empfehlungen Leonardo Brunis und Enea Silvios zunächst als Unterrichtsverfahren für seine Kanzleischüler entwickelt hatte.54 Sie sollte daher vornehmlich „eine sprachpädagogische Aufgabe erfüllen“.55 Wyle hatte diesen Kanzleistil mittels zahlreicher Latinismen zu einer Kunstprosa etabliert, weshalb seine literarische Schriftkultur eng mit seiner beruflichen Praxis als Stadtschreiber in Esslingen und zweiter Kanzler am Stuttgarter Hof

Worstbrock (1991), S. 172. Zu Niklas von Wyle vgl. MRFH 0021; Münkler (2004), S. 84–87; Hacker (2002), S. 115–122; Drücke (2001), S. 141–152; Vermeer (2000), S. 526–549; Bodemann (1999); Worstbrock (1993) mit weiterf. Lit.; ders. (1987); ders. (1987b); Bernstein (1978), S. 41–61; Schwenk (1978); Strauß (1912); zu Wyles Übersetzungstheorie vgl. u.a. Flood (2007), S. 786–790; Worstbrock (1993); ders. (1987); Reiffenstein (1985), S. 1736f.; Bernstein (1978), S. 60f.; zum Verhältnis von Steinhöwels sinngemäßem und Wyles wörtlichem Übersetzerprinzip, das in nahezu allen themenverwandten Forschungsbeiträgen als Vergleich herangezogen wird, vgl. u.a. Heyde (2011), S. 215–218; Müller (2007), S. 86–88; Drücke (2001), S. 141–152; Henkel (1999), Sp. 1161; Bertelsmeier-Kierst (1998), S. 414 Anm. 19; dies. (1988), S. 36f.; Reiffenstein (1985), insb. S. 196f.; Worstbrock (1970). 51 Hans-Georg Gadamer z.B. differenziert die beiden Übertragungsstile folgendermaßen: „Der Ausleger bedient sich nicht der Worte und Begriffe wie der Handwerker, der die Werkzeuge in die Hand nimmt und fortlegt. Wir müssen vielmehr die innere Durchwebtheit alles Verstehens durch Begriffliches erkennen und jede Theorie zurückweisen, die die innige Einheit von Wort und Sache nicht wahrhaben will“; vgl. Gadamer (1972), S. 381. 52 Kuhn (1980), S. 21. 53 Worstbrock (2000), S. 196; vgl. auch Sottili (1981), S. 177. 54 Vgl. Reiffenstein (1984), S. 200; Worstbrock (1970), S. 47f. 55 Worstbrock (1991), S. 171. 49

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

verbunden war. Seine Translationen widmete er einem vorwiegend fürstlichen Publikum.56 Im Gegensatz dazu verstand sich Steinhöwel, wie die Selbstnennung in den ‚Erlauchten Frauen‘ als doctor in ercznij, maister der süben künst, geschworner arczt ze vlm deutlich macht, in erster Linie als Mediziner, der sich nun, da er ze alter komen (‚Apollonius‘, Z. 9), der Literatur zuwendet.57 Der Stolz auf seinen Gelehrtenberuf als doctor in ercznij ist unverkennbar. Mit seinen Übersetzungen wollte er nicht nur ein präzises Textverständnis erreichen, sondern vor allem einem nicht lateinisch gebildeten Publikum moraldidaktische Inhalte vermitteln: Auß disem ich bewgt [...], ob etwas nutzbars hochsynnigs vnd gůtes in latinischer geschrift gesetzet wre / das in teutsche sprache zetransferieren / vnd zebringen / vnd das die teutschen der latine vnkủnnend söllicher gůtheyt auch nit wren beraubet.58

Hierzu dienten ihm Modifikationen und Kürzungen sowie kommentierende und interpretierende Einschübe, die dem Prinzip der größtmöglichen Originaltreue natürlich entgegenstanden. Zusätzlich kamen in seinem deutschen Werk eigene literarische Ambitionen und ein individuelles Dichtungsverständnis zum Ausdruck. Im ‚Apollonius‘ präsentierte er sich sowohl mit dem langen Ton des Mönchs von Salzburg im Lied der Tarsia als auch den Akrosticha in Pro- und Epilog als Autor, der sich einer literarisch anspruchsvollen Öffentlichkeit gegenüber sah, und positionierte sich „im kulturellen Kräftefeld seiner Zeit“.59 Er entwickelte ebenso wie Eyb und Wyle eine deutsche Kunstprosa, die sich an der lateinischen Sprache bzw. an den lateinischen Quellen orientierte. Somit gehört er zu jener diffuse[n] Gruppe von Schreibern und Literaten [...], die unterhalb einer sich zunehmend abschließenden gelehrten Standeskultur Träger des literarischen Lebens in der Volkssprache wird. [...] Adressat ist ein Laienpublikum, das nicht die Zutrittsbedingungen zur Gelehrtenkultur erfüllt – hier sind selbst für die ‚frühhumanistischen‘ Prosaerzählungen in der Volkssprache die Grenzen zum Publikum der lateinischen Literatur recht scharf gezogen – und das für die umfassende schriftsprachliche Erschließung von Traditionsbeständen: höfisch-ritterlichen, gelehrten, alltagspraktischen, schwankhaft unterhaltsamen usw. der Hilfe jener ‚Kommunikationsspezialisten‘ bedarf.60

Zu seinen Widmungsadressaten zählen unter anderem Markgraf Karl I. von Baden, Pfalzgräfin Mechthild, die Grafen Ulrich und Eberhard von Württemberg, Margarethe von Württemberg (Savoyen) und Abt Johannes von Salem; vgl. hierzu auch MRFH 0021; Worstbrock (1993), S. 40; Fechter (1935), insb. S. 87. 57 Neben Steinhöwel waren verschiedene andere Mediziner literarisch tätig: Johannes Hartlieb war Leibarzt Albrechts III. von Bayern-München; vgl. Schmitt (1966). Hartmann Schedel, der zunächst Stadtarzt in Nördlingen war, führte später in Nürnberg eine eigene Praxis; vgl. Fuchs (2005), S. 599f. Sein Vetter Hermann Schedel war Leibarzt in den Diensten Kurfürst Friedrichs II. von Brandenburg; vgl. Fuchs (2005), S. 600–602. 58 ‚Spiegel menschlichen Lebens‘, [Augsburg: Günther Zainer, nach dem 26. März 1475], Bl. 7a (MRFH 21310; GW M38511). 59 Weinmayer (1982), S. 92. 60 Müller (1985), S. 30f.; vgl. hierzu auch Trunz (1965), S. 158. 56

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1.2 Autorintention

Mit dem Rückgriff auf mehr als eine Quelle wandte Steinhöwel schon beim ‚Apollonius‘ ein Verfahren an, das er in seinen späteren, sogenannten humanistischen Werken (insbesondere im ‚Aesop‘) fortsetzte. Er berief sich in diesem Zusammenhang auf den spruch Oracij [...], Lutend du getrủwer tolmetsch nit wellest allweg eyn wort gegen wort transferieren / sonder gebủrt sich vnd ist gnůg auß eynem synne eynen andern synne / doch geleicher mainung zesetzen / das ich dann in diser meyner translacion auch an etlichen orten getan vnd ettwann etliche wort hab gelassen czů loffen oder abgebrochen czů merer verstntnuß den lesenden menschen diß bůches.61

1.2

Autorintention

1.2.1 Steinhöwels philologischer Ansatz Eigen gedicht wer mir zeschwer Latin zetủtschen ist min ger Leichtenklich nach schlechtem synne Vast hoher zierd ich nit begynne Ob ich zegrob bin an dem schriben (Z. 19–23).

Steinhöwels Ankündigung, lateinische Texte zu übersetzen, da ihm eigen gedicht [...] zeschwer (Z. 19) sei, hat man lange Zeit wörtlich genommen, auf sein gesamtes Œuvre bezogen und dadurch die differenzierte Autorintention des frühhumanistischen Gebildeten auf einen Bruchteil seines literarischen Schaffens reduziert. Im Gegensatz zu seiner Ankündigung im Prolog hat Steinhöwel im ‚Apollonius‘ nämlich nicht nur selbst gedichtet, sondern seine Texte aus mehreren Quellen zusammengestellt – wie später auch in seinem ‚Aesop‘ und im ‚Spiegel menschlichen Lebens‘62 – und zusätzlich ein hochkomplexes Strophenschema für die eingestreuten Rätsel und Lieder verwendet. In Anbetracht dessen beschränkt sich sein literarischer Anspruch also nicht nur auf das tủtschen und verdient – trotz der Bescheidenheitsformel im Prolog – eine genauere Betrachtung, zumal diese poetischen Stellen in seinem literarischen Schaffen eine Ausnahme bleiben. Im Prolog heißt es an späterer Stelle: Wann gůtte main han ich dar inn Iugent zeủbent vnd ir synn Lieb zehaben alt geschicht Dar jnn man fint der wißhait dicht Och annder ler exempel gůt (Z. 25–29).

‚Spiegel menschlichen Lebens‘, [Augsburg: Günther Zainer, nach dem 26. März 1475], Bl. 7b (MRFH 21310; GW M38511). 62 Vgl. Dicke (1995), Sp. 270–273. 61

24

1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Der lateinkundige Gelehrte, als der Steinhöwel sich selbst offenbar verstand, hatte den Anspruch, seine Bildung einem laikalen Publikum zu vermitteln, und verfasste seine Werke folgerichtig in der Volkssprache. Sein didaktischer Anspruch ist für die ‚Griseldis‘, Steinhöwels zweite Übersetzung, in der Forschung stets betont worden,63 dem sogenannten ‚Erstlingswerk‘ hat man diese Eigenschaft bisher jedoch aberkannt.64 Die gemeinsame Überlieferung der beiden Übertragungen lässt jedoch erhebliche Zweifel an dieser Einschätzung aufkommen. Schon 1462 ist die ‚Griseldis‘ in der Bibliothek Mechthilds von der Pfalz bezeugt.65 Damit stehen beide Übersetzungen zeitlich nahe beieinander und die Übersetzung von Petrarcas De insigni obedientia et fide uxoris schließt demgemäß unmittelbar an die Bearbeitung des spätantiken Apollonius-Textes an. Beide Werke verbindet ferner ihre Einbettung in den zeitgenössischen Liebes- und Ehediskurs, der sowohl in höfischen als auch in gelehrt-humanistischen Kreisen geführt wurde. Heinrich Steinhöwel vereint in seinem Œuvre sowohl die Werktreue zu den lateinischen auctores als auch moraldidaktische Orientierung und „‚Lebenshilfe‘ im umfassenden Sinne für den Laien“.66 Dass er „sehr differenziert zwischen seinem deutschsprachigen Publikum und den Literaturinteressen gelehrthumanistischer Kreise zu unterscheiden wußte“67, machen seine lateinischen Ausgaben deutlich, die er 1473/74 parallel zu seinen deutschen Übersetzungen bei Johann Zainer in Ulm herausgeben ließ. Der von Steinhöwel initiierte lateinische Druck von Petrarcas Historia Griseldis strebt eine originalgetreue Wiedergabe des humanistischen Textes an, den der Herausgeber daher mit Petrarcas einleitendem Brief an Boccaccio und dem moraltheologischen Nachwort präsentiert.68 In seiner deutschen Übersetzung der ‚Griseldis‘ verzichtet Steinhöwel auf den Brief librum tuum und das moralische Schlusswort, stattdessen versieht er die Novelle mit einer eigenen Vorrede, in welcher er die ‚Griseldis‘ als belehrendes Beispiel weiblicher Duldsamkeit akzentuiert: umb ander frowen manung zů gedult.69

Vgl. etwa Dicke (1994), S. 21–39; Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 153; Hess (1975), S. 122–128; Drescher (1895), S. XXV–XLIII. 64 Einen Gegensatz zwischen dem ‚Apollonius‘ und den späteren Werken konstatieren u.a. Dicke (1995), S. 259; Weinmayer (1982), S. 91; Hess (1975), S. 18; Rupprich (1970), S. 575; Joachimsohn (1896), S. 119; Goedeke (1884), S. 367. 65 Vgl. hierzu S. 16 Anm. 15. 66 Henkel (1993), S. 53. 67 Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 84. 68 Ulm: Johann Zainer d. Ä., 1473 (GW M31570); vgl. Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 84; die finanzielle Beteiligung an der Drucklegung hat Amelung anhand von Steinhöwels Wappen auf Bl. 1a nachgewiesen; vgl. Amelung (1979), S. 17–19 (Nr. 13 mit Abb. 49). 69 [Ulm: Johann Zainer, vor dem 28. März 1474] (MRFH 21160; GW M31583), Bl. 1a; vgl. u.a. Worstbrock (1991), S. 172; Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 84. 63

1.2 Autorintention

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Wenig später erscheint die lateinische Ausgabe von Boccaccios De claris mulieribus in Steinhöwels Ulmer Hausverlag, wo unmittelbar danach auch seine deutsche Übersetzung mit nahezu identischem Buchschmuck folgt.70 Während er bei dem lateinischen Druck nach der Maxime der möglichst originalgetreuen Darbietung verfährt, bringt er in seiner deutschen Übersetzung eine Reihe von Änderungen an und lässt auch einige Kapitel aus, z.B. Sempronia, weil es uns cristen nit stifftlich ze schryben sei. Die Beschreibung von Triarias kriegerischen Taten gibt er nur sehr gekürzt wieder, da dises unwyplich fechten ihm offensichtlich nicht angemessen erscheint.71 Aufgrund seiner pädagogischen Wirkungsabsicht stellt Steinhöwel in seinen deutschsprachigen Übersetzungen die „unverletzliche[...] Autorität des Ausgangstextes“72 hintan und bereitet den Text so auf, dass er von seinem deutschsprachigen Publikum verstanden werden kann. Dies könnte man, wie vielfach geschehen, als „Praxis spätmittelalterlichen Umformens und Weiterbildens“73 werten, man wird aber in Rechnung stellen müssen, dass Steinhöwel sich als deutscher Autor offenbar nicht nur als Übersetzer, sondern als interpres und tolmetsch für ein nicht lateinisch gelehrtes Publikum versteht. In seiner Herausgebertätigkeit lateinischer Werke hingegen achtet er selbstverständlich die humanistischen auctores und respektiert das literarische Original. Legt man als besonderen Wesenszug des deutschen Frühhumanismus das Interesse an antiken und mittelalterlichen Texten zugrunde, muss Steinhöwels Herausgebertätigkeit lateinischer Werke durchaus als Beleg für seinen Anteil an dieser Strömung gewürdigt werden. Er ist den wenigen Einzelpersönlichkeiten zuzurechnen, die die italienische Renaissanceliteratur nach Deutschland brachten, und hat sich durch die erstmalige Herausgabe verschiedener lateinischer Werke im deutschen Frühhumanismus eine herausragende Stellung verdient.74 Mit seinem deutschsprachigen Werk hingegen verfolgt er entsprechend der horazischen Devise prodesse et delectare zusätzlich auch eine didaktische Absicht, die er im ‚Apollonius‘-Prolog formuliert: Tugent zelernen (Z. 11). Mit seinen Übersetzungen will er einem Laienpublikum lateinische Texte nahebringen, um ler und exempel (Z. 29) als Orientierungshilfen „zur rechten Lebensführung“75 zu vermitteln.

Ulm: Johann Zainer d. Ä., 1473 (GW 4483); vgl. Amelung (1979), Nr. 9 (mit Abb. 41 u. 42); deutsche Erstausgabe der Übersetzung Steinhöwels: Ulm: Johann Zainer [vor dem 28. März 1474] (MRFH 20410; GW 4486); Amelung (1979), Nr. 10 (mit Abb. 1, 12–15, 43–47). 71 Vgl. Drescher (1895), S. XXXIf. 72 Worstbrock (1999), S. 131. 73 Ders. (1970), S. 49. 74 Zu den von Steinhöwe initiierten lateinischen Drucken vgl. auch S. 5 Anm. 17. 75 Henkel (1993), S. 65. 70

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

1.2.2 Früh- und Spätwerk? Anhand der Stoffwahl hat die Forschung lange versucht, in Steinhöwels Œuvre eine fortschreitende Entwicklung zu postulieren: Man klammerte das ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘ zunächst aus und stellte an den Anfang seines literarischen Wirkens als ersten, noch ungelungenen Versuch den ‚Apollonius‘. Dann folgten die Werke, die auf sogenannte humanistische Quellen zurückgingen, wobei die ‚Tütsche Cronica‘, die ebenfalls nicht in dieses Schema passte, meist ignoriert wurde. Die angenommene Entwicklung sollte sein Frühwerk (‚Apollonius‘ 1461) von seinem Spätwerk (‚Griseldis‘ 1462 bis ‚Aesop‘ 1476/77) abgrenzen. Betrachtet man Steinhöwels Werk allerdings unter der Prämisse einer universalen Bildungsethik, so zieht sich diese wie ein roter Faden ����� –���� beginnend beim ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘ und dem ‚Apollonius‘ über die ‚Griseldis‘, die ‚Tütsche Cronica‘, die ‚Erlauchten Frauen‘, den ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ und den ‚Aesop‘ – durch sein gesamtes Œuvre.76 Am deutlichsten formuliert Steinhöwel diese Bildungsintention in der Vorrede zum ‚Aesop‘ mithilfe der mellificatio: [...] daz der leser dises büchlins verstentnüs habe der pinen gegen den pluomen, die der ußern farben nit acht habent, sunder suochent sie die süssikait des honigs und den nucz des wachs zuo ierem buw, daz niement sie hindan, und laußent das übrig taile des pluomen ungelezet. Also wer das büchlin lesen wil, der sol die farb der pluomen, das ist die märlun oder fabeln, nit groß achten, sunder die guoten lere, dar inn begriffen, zuo guoten sitten und tugend ze lernen und böse ding zu schüchen lerende uß sugen und an sich niemen ze narung und spys des gemüts und des lybs.77

„Das Bienengleichnis des Basilius gehört zum Allgemeingut der Gebildeten des deutschen Humanismus“78 und wurde schon in der italienischen und französischen Renaissance-Literatur wieder aufgegriffen. So formulierte auch Petrarca seine Forderung nach ‚ex veteribus novum‘ in seinen Briefen oft mit der bekannten mellificatio: Wie die Bienen von Blüte zu Blüte fliegen, jedesmal einen kleinen Teil Nektar mitnehmen und zu Hause ihren Honig daraus produzieren, soll auch der Dichter sich an vorbildlichen Autoren inspirieren, die Blumen aber auf den Feldern und im Endprodukt nichts mehr von ihnen erkennen lassen.79

Hierfür spricht zudem die gemeinsame Tradierung des ‚Apollonius‘ mit Steinhöwels ‚Griseldis‘ sowie die mitüberlieferten Texte in den Sammelbänden; vgl. hierzu 1. Teil, Kap. 1.4.5– 1.4.8, insb. S. 57f. 77 Oesterley (1873), S. 4; auch in seiner Vorrede zu De claris mulieribus beruft sich Steinhöwel auf die mellificatio, vgl. Drescher (1895), S. 17; siehe hierzu auch Toepfer (2007), S. 191 Anm. 431; dies. (2004), S. 271f.; Henkel (1993), S. 65; Hänsch (1981), S. 107. 78 Toepfer (2007), S. 190f.; vgl. hierzu auch Schneider (2005); Toepfer (2004), S. 272f. u. Anm. 14; Domański �������������������������������������������������������������������������� (1999);���������������������������������������������������������� Waszink (1974); Stackelberg (1956); auch Enea Silvio Piccolomini, Niklas von Wyle, Ulrich Gossembrot und Hermann Schedel rezipierten das Bienengleichnis des Basilius Magnus; vgl. Schucan (1973), S. 138. 79 Noe (2008), S. 30. 76

1.2 Autorintention

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Explizit benennt Steinhöwel seine didaktische Intention im ‚Apollonius‘ zwar nur im Pro- und Epilog, seine pädadogische Wirkabsicht bleibt aber zwischen den Zeilen des gesamten Werks unverkennbar. So ist die Figur des Apollonius deutlich als Herrschervorbild gestaltet. Die Betonung seiner christlichen Tugenden, seiner Klugheit und Großzügigkeit weist teils schon fürstenspiegelartige Züge auf. Cleopatra, seine Gemahlin und Tarsia, seine Tochter, stehen hingegen für weibliche Tugenden wie Keuschheit, Demut und eine bedingungslose Leidensbereitschaft. Die positiven Eigenschaften der Protagonisten heben sich kontrastvoll von dem verwerflichen Handeln negativer Figuren ab. Die belehrenden Züge im ‚Apollonius‘ korrespondieren bestens mit der ‚Griseldis‘, in der die Protagonistin ebenfalls als eindrucksvolles Ideal unerschütterlicher Duldsamkeit und Beständigkeit präsentiert wird. Beide Werke entsprechen somit dem „Modell des von seinem Schöpfer geprüften Menschen“80, das vor allem in Petrarcas Spätwerk zum Tragen kommt. Der Sammelband, in dem Günther Zainer ‚Griseldis‘ und ‚Apollonius‘ gemeinsam auf den Markt brachte, geht daher aller Wahrscheinlichkeit nach auf Steinhöwels Intention zurück.81 Auch in Bämlers Nachfolgedruck ‚Lehre und Unterweisung‘ wird der Aspekt von Trost und Belehrung am Beispiel des ‚Apollonius‘ (1476) bzw. der ‚Griseldis‘ (1472) illustriert.82 Angesichts dieser Übereinstimmungen scheint die bisher in der Forschung angenommene Zäsur zwischen Früh- und Spätwerk, die ‚Apollonius‘ und ‚Griseldis‘ zwei unterschiedlichen Schaffensperioden zugeordnet wissen will, unhaltbar. Steinhöwels ‚Apollonius‘ muss vielmehr aus einem Literatur- bzw. Kulturverständnis heraus betrachtet werden, das sich Petrarcas Ansatz verpflichtet weiß, Geschichte anhand von lehrhaften Beispielen einzelner Persönlichkeiten zu erzählen, um sich diese für die Gegenwart zum Vorbild zu nehmen.83

1.2.3 Der Gelehrte als Vermittler Schon mit seinem ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘, dessen Entstehung im Jahr 1446 bezeugt ist, beginnt Heinrich Steinhöwel, sich um den Kulturtransfer der lateinischen Gelehrtenliteratur hin zu einem Laienpublikum zu bemühen. 1473 bringt er dann mit dem Erstdruck des ‚Pestbüchleins‘ das erste in Deutschland gedruckte medizinische Spezialwerk auf den Markt und verschafft somit

Noe (1993), S. 161. Auch wenn eine bibliographische Einheit nicht nachzuweisen ist, erschien ein Teil der Auflage des Erstdruckes Augsburg: Günther Zainer, 1471 (MRFH 20180; GW 2273) im Textverbund mit der ‚Griseldis‘ (MRFH 21130; GW M31580), der heute noch in einigen Exemplaren erhalten ist; vgl. S. 111–119. 82 Vgl. hierzu S. 56 Anm. 235. 83 Zu Petrarcas Geschichtsverständnis siehe auch Muhlack (2006), S. 132f.; ders. (2002), S. 31f.; Noe (1993), S. 253f., 267, 270; Muhlack (1991), S. 44f.; Keßler (1978); Worstbrock (1974); Keßler (1971); ders. (1969); Heitmann (1958), S. 115–117. 80 81

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

einer lateinunkundigen Leserschaft Zugang zu medizinischer Fachliteratur.84 Noe hat als eines „der bedeutendsten Gebiete der humanistischen Naturwissenschaft [...] ohne Zweifel die Medizin“85 hervorgehoben, die mit einem neuen philologischen Interesse einherging. Übersetzungen und Neueditionen medizinischer Werke beweisen demzufolge „einerseits das anhaltende Interesse des Vulgärhumanismus an der Entwicklung der Volkssprache und andererseits das Interesse der öffentlichen Verwaltung an einer zentralen Gesundheitspolitik“.86 Steinhöwels ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘, das er nach dem Ausbruch der Seuche in seiner Heimatstadt Weil auf Wunsch seines Vaters verfasste,87 unterstützt diesen Befund. Mit diesem Werk schließt Steinhöwel an die italienische Tradition der sogenannten Pestbücher an, die von Gentile da Folignos Tractatus de pestilencia bis Marsilio Ficinos ‚Consiglio contro la pestilentia‘ reicht.88 In diesem Zusammenhang ist auch der humanistische Gelehrte Johannes Sträler aus Ulm zu nennen, der einen deutschen Kommentar zur Pestschrift Hans Wirkers verfasste und Marsilio Ficino seinen Lehrer (praeceptoris mei) nennt. Eine größtenteils von ihm selbst geschriebene Augsburger Sammelhandschrift89 tradiert die lateinische Übersetzung von Marsilio Ficinos Pestschrift mit weiteren deutsch-medizinischen Texten, darunter auch Exzerpte aus Steinhöwels ‚Pestbüchlein‘.90 Im Prolog zum ‚Apollonius‘ wendet sich Steinhöwel direkt an den Leser, erläutert seine Intention und teilt dem Rezipienten mit, wie er die Erzählung verstanden wissen will: als zugleich unterhaltsame und lehrhafte alt geschicht. Hier wird der Anspruch auf Historizität und Wissensvermittlung deutlich. Anschließend führt er in der geschichtlichen Einleitung seine Kenntnisse der Schriften Gottfrieds von Viterbo vor, weist den Leser in den historischen Kontext ein und begründet, mit welcher Absicht er diesen historischen Abriss der eigentlichen Erzählung vorgeschaltet habe. Das komplexe Reimschema im Lied der Tarsia (Z. 1230–1281) übernimmt er aus den geistlichen Liedern des Mönchs von Salzburg,91 beruft sich im Epilog als Quelle für seine Übersetzung erneut auf

Ulm: Johann Zainer, montag nach Erhardi [11. Januar] 1473 (MRFH 21440; GW M43865); vgl. Klebs/Sudhoff (1926), S. 91; als Quellen verwandte Steinhöwel neben Avicennas Canon vermutlich den Tractatus de peste des Pavianers Antonio Guaineri, benutzte aber auch antike historiographische Quellen wie Livius und Valerius Maximus; vgl. Dicke (1995), Sp. 261f. 85 Noe (2008), S. 66; vgl. auch ders. (1993), S. 191. 86 Ebd., S. 193. 87 St. Gallen, Kantonsbibliothek, Ms. Vad. 455, Bl. 44r; vgl. hierzu auch S. 17 Anm. 21. 88 Vgl. Noe (2008), S. 67–70; ders. (1993), S. 193f.; zum Verhältnis zwischen Humanismus und Medizin vgl. auch Bergdolt (2001); Buck (1984). 89 Augsburg, SSB, 4° Cod. 121; Beschreibung der Handschrift vgl. MRFH 10010; Gehrt (1999), S. 172f.; Keil (1999); Kristeller (1983), S. 455; Sudhoff (1924/25), S. 2, 138f.; ders. (1915), S. 185–202. 90 Zu Johannes Sträler vgl. MRFH 2560; Geiger (1971), S. 63f.; Kuhn (1971), Bd. 2, Nr. 3537; Weyermann (1798–1829), Bd. 2, S. 534–536. 91 Vgl. S. 85–89. 84

1.3 Intendiertes Publikum

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die Autorität Gottfrieds von Viterbo und beschließt das Werk nach lateinischer Tradition mit einem Dichtergebet. Seine Bildungsintention wird in der Forschung für seine späteren Werke unbestritten als grundlegende literarische Ambition anerkannt. Sie ist aber bereits im ‚Apollonius‘ voll entwickelt und war vermutlich auch schon für die Abfassung des ‚Pestbüchleins‘ ausschlaggebend. Steinhöwel versteht sich dabei als Gelehrter, der einem Laienpublikum Wissen zugänglich macht, das bisher nur in lateinischer Sprache zur Verfügung stand. Wo sich sonst Übersetzer/Bearbeiter nennen, steht mindestens bis Ende des 15. Jahrhunderts die Rolle des Vermittlers von Wissen aller Art im Vordergrund: [...] erst recht bei Gelehrten wie Hartlieb, Steinhöwel und [...] Wyle. Wissen schließt Geschichte, Sittenlehre, rhetorische Fertigkeiten, aber auch die naturkundliche Kuriosität der Melusine ein. Erst bei den Literaten des 16. Jahrhunderts setzt sich im Bereich der Historien die Vermittlung von Wissen deutlicher von derjenigen ‚schönen‘ Literatur ab.92

In Steinhöwels Fall handelt es sich dabei zunächst um medizinische Fachliteratur (‚Pestbüchlein‘), spätantike und historische Stoffe (‚Apollonius‘, ‚Tütsche Cronica‘), aber auch um die aus Italien eingeführte humanistische Literatur (Petrarca, Boccaccio), lehrhaft-didaktisches wie den ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ oder die Fabelsammlung des ‚Aesop‘. Die Funktion der Wissensvermittlung steht in Steinhöwels Gesamtwerk im Vordergrund, die bislang übliche Aufspaltung (humanistisches vs. unhumanistisches; Unterhaltungsliteratur vs. Fachprosa; Fiktion vs. Historizität; Früh- vs. Spätwerk) läuft daher seiner zugrundeliegenden Intention zuwider. Was Helmut Weinacht für die ähnlich angelegte Forschungs-Problematik bei Albrecht von Eyb feststellt, lässt sich m.E. ohne Weiteres auch für Heinrich Steinhöwel konstatieren: Die Kontroverse, ob es sich bei Steinhöwel eher um einen spätmittelalterlichen Moralisten oder um einen Frühhumanisten handelt, scheint ein müßiges Bemühen um eindeutige Etikettierung eines für diesen Zweck zu facettenreichen Lebenswerkes; je nachdem ob man die deutschen oder die lateinischen Schriften einseitig auswertet, wird man zu diametralen Ergebnissen gelangen.93

1.3 Intendiertes Publikum Dass sich Heinrich Steinhöwel in einer Übergangszeit bewegte, die von verschiedenartigen Umbrüchen gekennzeichnet war, hat sicherlich maßgeblich zu den oft kontroversen Einschätzungen seines Werks und seiner Persönlichkeit beigetragen. Besonders die Einführung des Buchdrucks, dem er sich mit großem Interesse und Engagement zuwandte, hatte bedeutenden Einfluss auf die Konzeption seiner Werke, ließ sich mit dem neuen Medium doch ein überregionales 92 93

Müller (1985), S. 26f. Weinacht (1982), S. X.

30

1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Publikum erreichen. Für die Steinhöwel-Forschung scheint daher ein stärker literatursoziologischer und mediengeschichtlicher Ansatz unverzichtbar, um der Frage nach einer Veränderung von Publikum und Rezeption im Zuge des Medienwandels nachzugehen. Gerd Dicke hat in seiner Untersuchung des ‚Aesop‘ Steinhöwel als Druckautor bezeichnet, der „einen ständisch ‚offenen‘ literarischen Markt und eine anonyme literarische Öffentlichkeit“94 ansprechen will. Zwar wird Steinhöwel bei einem ausschließlich für den Druck konzipierten Werk wie dem ‚Aesop‘ bereits mit anonymen Leserkreisen gerechnet haben, dass er aber von einem ständeübergreifenden Markt ausging, scheint angesichts der hohen Preise, die Inkunabeln in der Frühzeit des Buchdruckes erzielten, doch sehr unwahrscheinlich zu sein.95 Die aufwendige Ausstattung des Ulmer Erstdruckes96 und die vorangestellte Widmung an Sigmund von Tirol signalisieren deutlich, welche Publikumsschichten Steinhöwel in erster Linie mit seinem ‚Aesop‘ ansprechen wollte. So stellt auch Hannes Kästner im Hinblick auf das Publikum antiker Übersetzungsliteratur fest: Albrecht von Eyb, Niclas von Wyle und Heinrich Steinhöwel als erste Repräsentanten einer frühhumanistischen Generation, die mit der Übertragung einzelner antiker Werke ins Deutsche begonnen hatte [...], arbeiteten für ein sozial eng eingrenzbares, d.h. adeliges und patrizisches Publikum, das mangels eigener Lateinkenntnisse sein Interesse an den wiederentdeckten heidnischen Autoren nicht durch die Lektüre von Originaltexten befriedigen konnte. Der anvisierte Leserkreis war quantitativ gesehen noch recht gering.97

Im Hinblick auf das intendierte Publikum bietet der ‚Apollonius‘ wesentlich differenziertere Vergleichsmöglichkeiten als der ‚Aesop‘, da dem Erstdruck von 1471 eine handschriftliche Produktion vorausgeht, die auch nach der Einführung des Buchdruckes weiter fortgesetzt wird, sodass man beim ‚Apollonius‘ noch nicht von einer Differenzierung zwischen Handschriften- und Inkunabelpublikum ausgehen kann.98 Die literarisch anspruchsvolle Repräsentation, die Steinhöwel mit gereimtem Pro- und Epilog sowie dem Akrostichon wählt, schließt auch den Erstdruck noch deutlich an die höfischen Muster der Handschriftentradition an. Im 15. Jahrhundert verwenden neben Steinhöwel auch Jakob Püterich v. Reichertshausen, Ulrich Füetrer und Antonius Pforr Akrosticha, um den Dicke (1994), S. 32; zu dieser These kommt Dicke anhand seiner Untersuchungen zu den Provenienzen des 15.–17. Jahrhunderts, wobei er allerdings die ‚Aesop‘-Ausgaben nicht nach Herausgebern (Heinrich Steinhöwel, Sebastian Brant, Johann Adelphus Muling) unterschied. Nur wenige der von ihm aufgeführten Besitzernachweise stammen aus dem 15. Jahrhundert; seine Schlussfolgerung bzgl. der Rezipientenschaft mag zwar für die spätere ‚Aesop‘-Rezeption zutreffen, gilt aber nur sehr eingeschränkt für das zeitgenössische Publikum Steinhöwels und lässt deshalb keine Rückschlüsse auf dessen Autorintention bzw. das von ihm intendierte Publikum zu. 95 Die umfangreichste Untersuchung zu diesem Themenkomplex hat Uwe Neddermeyer vorgelegt: Neddermeyer (1998), S. 504–517, 545–553; vgl. hierzu auch exemplarisch Wolf (2011), S. 5; Künast (1997); Brandis (1984), insb. S. 186–188. 96 Ulm: Johann Zainer, [um 1476/77] (MRFH 20010; GW 351). 97 Kästner (1998), S. 348. 98 Dieses Phänomen lässt sich z.B. auch bei der ‚Griseldis‘ beobachten, vgl. Hess, S. 81–83. 94

1.3 Intendiertes Publikum

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eigenen Namen oder, wie in zahlreichen Fürstenspiegeln belegt, den Namen des Widmungsempfängers zu verschlüsseln.99 Die Idee, den ‚Apollonius‘ durch Pro- und Epilog einzurahmen, scheint Steinhöwel allerdings erst im Laufe redaktioneller Überarbeitungen gekommen zu sein; so weist die 1468 entstandene Donaueschinger Handschrift (Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 150) noch keinen dieser Textteile auf. Als der ‚Apollonius‘ im selben Jahr in der professionellen Augsburger Schreibstube Konrad Bollstatters abgeschrieben wird (Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2°), liegt der Epilog jedoch bereits vor. Für den Augsburger Erstdruck scheint Steinhöwel dann eigens den korrespondierenden Prolog mit dem Akrostichon entworfen zu haben. Dass er seine Werke vor der Drucklegung nochmals überarbeitete, bezeugen wiederum parallele Befunde bei der ‚Griseldis‘.100 Nach der erstmaligen Drucklegung in Augsburg wird der ‚Apollonius‘Prolog nur noch in zwei Handschriften überliefert: Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86 und Wien, ÖNB, Cod. 4119. Der Donaueschinger Codex 86 ist zweifellos eine Druckabschrift des Erstdruckes; ebenso die Wiener Handschrift, die den Prolog jedoch ohne den ‚Apollonius‘-Text separat unter dem Titel carmen germanicus überliefert. Hieraus resultierte Hermann Menhardts Irrtum, es handele sich um ein selbstständiges Lied Johann Hausers.101 Die späteren ‚Apollonius‘-Drucke überliefern den Prolog nicht mehr, was möglicherweise Rückschlüsse auf das intendierte Publikum zulässt. Steinhöwel hatte sich mit dem gereimten Vorwort stark an der höfischen Literaturtradition orientiert. Die Art der Präsentation seiner ersten Übersetzung ermöglichte ihm, sich als Autor einem literarisch anspruchsvollen Publikum vorzustellen. Die späteren Drucker hatten hingegen offenbar andere Leserschichten im Auge und empfanden den gereimten Prolog wohl als unzeitgemäß. Im frühen Buchdruck finden sich generell verhältnismäßig wenige Texte in Versform – man wollte Prosa und übernahm daher die gereimte Vorrede nicht mehr. Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich nimmt der Prolog eine besondere Stellung ein, da Steinhöwel darin ausdrücklich seine intendierten Rezipienten benennt: die Iugent (Z. 26). Hier wird erneut seine Bildungsethik deutlich, die – im Sinne Petrarcas – darin besteht, „daß Dichtung nicht durch Fabeln unterhalten, sondern zur perfectio mentis führen solle.“102 Dieser Bildungsimpetus, der „für ein stadtbürgerliches Tugendprofil humanistischer Prägung“103 grundlegend war, richtete sich gewiss auch an ein städtisches Oberschichtenpublikum: unter den Besitzern des ‚Apollonius‘ finden sich neben Adeligen auch städtische Vertreter, wie beispielsweise Bürgermeister und Patrizier. Auch hat Steinhöwel im ‚Apollonius‘ nicht unbeträchtliche Bildungsvoraussetzungen an sein Publikum gestellt: Mit Verweisen auf Bibelstellen und spätantike Autoren Vgl. Kiening (2008); Kuhn (1999); Gerdes (1978), Sp. 402f. Vgl. Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 141–148. 101 Vgl. hierzu S. 41 u. Anm 153. 102 Noe (1993), S. 134. 103 Ebd., S. 135. 99

100

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

(z.B. Isidor von Sevilla) stellt er Bezüge her, die von seinen Lesern nicht ohne weiterreichende literarische Kenntnisse wahrgenommen werden konnten. Man darf anhand dieser Umstände vermuten, dass Steinhöwel – besonders zur Abfassungszeit des ‚Apollonius‘ – in erster Linie durch seine Beziehungen zum Hof geprägt war, die ihm als Schriftsteller offenbar einen Schub verliehen hatten. Hierfür sprechen seine zahlreichen Kontakte zu den süddeutschen Fürstenhöfen, die aus seiner beruflichen Tätigkeit erwachsen waren, sich aber in den späteren Werken zusätzlich durch diverse Widmungen belegen lassen. Zwar bleiben die genauen Widmungszusammenhänge, ebenso wie Steinhöwels Anteil an einer literarischen Hofkultur, im Einzelnen unklar, „die Fixierung des Literaten Steinhöwel in solchen Beziehungsgeflechten“ daher aber als „eher vage“104 zu bezeichnen, wird m.E. den Quellen nicht gerecht. Auch in Anbetracht der Gefahr, aufgrund biographischer Umstände unrealistische Wirkungszusammenhänge und Funktionen literarischer Werke zu konstruieren, scheint es im Gegenzug wenig sinnvoll, die belegten Kontakte zwischen Autor und Adressaten zu ignorieren.105 Dass Mechthild von der Pfalz schon 1462 als Besitzerin von Steinhöwels ‚Griseldis‘-Übersetzung nachzuweisen ist, hängt sicherlich mit Steinhöwels beruflichen Kontakten zusammen: Schon 1454 verweilte er als Leibarzt Philipps des Guten an ihrem Rottenburger Hof.106 Mit dem Innsbrucker Hof Herzog Sigmunds von Tirol und seiner Gemahlin Eleonore von Schottland sind zugleich drei Werke Steinhöwels verknüpft. Seine Laudatio auf Eleonore von Österreich, der er die Übersetzung von Boccaccios De claris mulieribus widmete, belegt eine Verbindung, die sich über die ärztliche Tätigkeit hinaus in den literarischen Bereich erstreckte.107 Den ‚Spiegel menschlichen Lebens‘, und den ‚Aesop‘ dedizierte er ihrem Gemahl, Herzog Sigmund von Tirol, der ihn für die Boccaccio-Übertragung mit einem Fass Wein (Tramynner most) entlohnt haben

Dicke (1994), S. 358. Auf diese Gefahr hat Müller (1985), S. 32f. hingewiesen; die persönlichen Widmungen in Steinhöwels Werken vernachlässigend, hält Dicke an der These fest, Steinhöwels literarische Kommunikation ziele eher auf eine allgemeine, breite und Steinhöwel unbekannte Öffentlichkeit, die er anhand von Provenienzen v.a. des 16. und 17. Jahrhunderts belegt; vgl. Dicke (1994), S. 358; Dicke (1991), S. 174f. 106 Vgl. S. 15f. u. Anm. 15; eine weitere Verbindung zum Rottenburger Hof Mechthilds hat Barbara Weinmayer anhand des Bescheidenheitstopos und der „Altersrolle“ Steinhöwels im Prolog des ‚Apollonius‘ herzustellen versucht: „Mit dem biographischen Faktum und den biologischen Zwängen seines ‚hohen‘ Alters operiert Steinhöwel auch noch in späteren Texten [...]. An diesen Stellen nimmt Steinhöwel jene ‚Altersrollen‘ an, die vor allem unter den Autoren um Mechthild von Rottenburg als literarisches Spielelement außerordentlich beliebt ist. Hermann von Sachsenheim und Püterich von Reichertshausen beherrschen sie in grotesker Perfektion“; vgl. Weinmayer (1982), S. 92 Anm. 17; zu diesem Komplex vgl. auch Rischer (1973), S. 81–83. 107 Die Dedikation ist überliefert in den Handschriften München, BSB, Cgm 252 (MRFH 10580); New York, Public Library, Spencer Collection, Ms. 105 (MRFH 10740) sowie im Erstdruck Ulm: Johann Zainer, [vor dem 28. März 1474] (MRFH 20410; GW 4486). 104 105

1.4 Provenienzen

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soll.108 Überdies hat Dicke für Steinhöwel beträchtliche Renteneinkünfte vom Stuttgarter Hof nachweisen können.109 Nähere, über seine medizinische Tätigkeit hinausgehende Kontakte bezeugt 1474 zusätzlich sein Brief an Margarethe von Savoyen, die Gemahlin Ulrichs von Württemberg.110 Steinhöwels ‚Griseldis‘ lässt sich in der ersten Überlieferungsphase bevorzugt in süddeutschen Adelskreisen nachweisen, deren Literaturinteressen sich vor allem an der französisch-burgundischen Hofkultur ausrichteten. Margarethe und Ulrich von Württemberg hatten ihre beiden Söhne zur Ausbildung an den burgundischen Hof gesandt. Auch Eleonore von Österreich hatte vor ihrer Heirat lange am französischen Königshof gelebt.111 Zwar trägt Steinhöwels ‚Apollonius‘ keine Widmung, jedoch legt das Werk nicht zuletzt auch thematisch ein intendiertes höfisches Publikum nahe, da es sich um einen Stoff handelt, an dem vorbildliches Herrscher-Verhalten exemplarisch reflektiert werden soll.112

1.4 Provenienzen Aus dem 15. Jahrhundert sind heute fünf Handschriften und sieben Inkunabeln erhalten. Die ältesten Handschriften stammen aus dem Jahr 1468: Der in Kirchberg geschriebene Donaueschinger Codex 150 (D, heute BLB Karlsruhe) und die von Konrad Bollstatter angefertigte Handschrift W (Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2°). Im Jahr 1471 erschien der Erstdruck des ‚Apollonius‘ bei Günther Zainer in Augsburg (MRFH 20180; GW 2273). Alle späteren Auflagen und Handschriften beruhen entweder auf diesem Erst- oder einem der Nachdrucke, sodass der Text nach der Drucklegung relativ stabil weitertradiert wird. Druckabschriften des Erstdrucks sind die Handschrift D1 (Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86), die zwischen 1471 und 1480 datiert wird, und die Handschrift V (Wien, ÖNB, Cod. 4119), die allerdings nur den Prolog zum ‚Apollonius‘ überliefert. Nachdrucke erschienen in den Jahren 1476, 1479, 1488, 1495 und 1499. Bei der 1488 entstandenen Handschrift T (Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951) handelt es sich um eine Abschrift der Ausgabe Anton Sorgs aus dem Jahr 1479. Im Folgenden werden die zeitgenössischen Besitzer bis 1550 aufgeführt.

Vgl. Dicke (1991), S. 182; Hahn (1990), S. 64; Hess (1975), S. 73f.; Erstdruck des ‚Spiegel menschlichen Lebens‘: [Augsburg: Günther Zainer, nach dem 26. März 1475] (MRFH 21310; GW M38511); Erstdruck ‚Aesop‘: Ulm: Johann Zainer, [um 1476/77] (MRFH 20010; GW 351). 109 Vgl. Dicke (1991), S. 171f. 110 Vgl. S. 16 u. Anm. 17. 111 Vgl. Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 81; dies. (1996), S. 336; dies. (1988), S. 25f.; zu Ulrich von Württemberg vgl. auch Lorenz/Mertens/Press, S. 86–89. 112 Für diesen Befund sprechen zudem die mitüberlieferten Texte; vgl. 1. Teil, Kap. 1.4.5– 1.4.8, insb. S. 59. 108

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

1.4.1 Handschriftenbesitzer D (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Don. 150) Die ehemals Donaueschinger Handschrift D nimmt in der Überlieferung des ‚Apollonius‘ eine Sonderstellung ein.113 Sie repräsentiert die älteste erhaltene Textstufe und steht der schwäbisch-alemannischen Sprache Heinrich Steinhöwels sehr nahe. Zudem überliefert sie den ‚Apollonius‘ in der vom Autor selbst angelegten Überlieferungssymbiose gemeinsam mit der ‚Griseldis‘. Aufgrund dieser Befunde kann man bei der Handschrift D wahrscheinlich mit einer Vorlage aus Steinhöwels Beständen rechnen; sie wurde daher für die vorliegende Edition als Leithandschrift ausgewählt.114 Als Besitzer trug sich Graf Schweikhard von Helfenstein, Freiherr von Gundelfingen und Gemmingen (1539–1599), auf Bl. 1r ein: Sch. Comes Jn Helffenstein Baro Jn Gundelfingen et Gomergins me jure possidet.115 Schweikhard von Helfenstein hatte wichtige politische Funktionen inne, so u.a. das Amt des Statthalters und Reichskammergerichtspräsidenten, später war er bayerischer Rat und Pfleger in Landsberg. Wie sein Vater, Georg II. von Helfenstein (1518–1573), war Schweikhard literarisch interessiert und besaß neben der ‚Apollonius‘Handschrift auch den Erstdruck von Steinhöwels ‚Erlauchten Frauen‘116 sowie eine deutsche Seneca-Ausgabe.117 Er war zudem selbst als Übersetzer tätig, gab die Werke des hl. Basilius in deutscher Sprache heraus und übersetzte den Legendenroman ‚Barlaam und Josaphat‘.118 D entstand im geographischen Umfeld von Heinrich Steinhöwel. Der Schreiber Peter Hamer119 war als Kaplan für die Grafen von Kirchberg tätig, deren Stammsitz Oberkirchberg (heute Illerkirchberg) nur ca. 13 Kilometer von Steinhöwels Wohnsitz in Ulm entfernt liegt. Die Handschrift wird daher für ein Mitglied des Grafengeschlechts von Kirchberg angefertigt worden sein. Aus diesem Umkreis könnte die Handschrift auf verschiedenen Wegen in den Besitz der Helfensteiner gelangt sein. Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Grafen von Kirchberg und den Freiherren von Gundelfingen

Handschriftenbeschreibung siehe S. 106f. Vgl. hierzu auch 2. Teil, Kap. 1.3.2, S. 127–134. 115 Zu Georg II. und Schweikhard von Helfenstein vgl. MRFH 2340; Eberl (1999); Achnitz (1997), S. 36f.; Nolte (1996), S. 221–244; Schuhholz (1994), S. 56–66; Fechter (1935), S. 87; Stälin (1880), S. 686f.; Kerler (1840), S. 137–139. 116 Ulm: Johann Zainer, [vor dem 28. März 1474] (MRFH 20410; GW 4486). 117 Straßburg: Balthasar Beck, 1536 (VD 16/17 S 5775). 118 Konstanz: Nicolaus Kalt, 1603 (VD17 23:238077E); vgl. Toepfer (2007), S. 378f. u. 381–422; Heinzer (1993), S. 8. 119 Zu Peter Hamer vgl. MRFH 0900; Hess (1975), S. 66; Fechter (1935), S. 87; von Peter Hamer ist eine weitere Handschrift bekannt: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 957; vgl. Scarpatetti/Gamper/Stähli (1991), Textbd. S. 81, Abbildungsbd. S. 142 (Abb. 360); Scherer (1875), S. 358f. (Nr. 957). 113 114

1.4 Provenienzen

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und Helfenstein sind seit dem 14. Jahrhundert belegt.120 Aber nicht nur die Kirchberger Grafen, sondern auch die Häuser Montfort, Zimmern, Werdenberg und Öttingen waren durch Konnubium auf das Engste mit den Grafen von Helfenstein und Gundelfingen verbunden.121 Die gemeinsame Tradierung von Steinhöwels ‚Apollonius‘ und ‚Griseldis‘ lässt aufgrund der vorherrschenden Liebes- und Ehethematik am ehesten an eine weibliche Benutzerin der Handschrift denken. Hier sind einerseits die Gemahlinnen der Grafen – seit 1454 waren Konrad VIII. († 1470) und Eberhard VII. († 1472) im Besitz der Grafschaft122 – zu nennen: Eberhard war mit Kunigunde von Wertheim, Konrad mit Anna von Fürstenberg vermählt.123 Neben diesen kämen noch die Schwestern der Grafen, Berta, Anna und Agnes von Kirchberg infrage. Agnes von Kirchberg († 1472) heiratete um 1435

Swigger und Stephan von Gundelfingen bezeichnen 1375 den Grafen Wilhelm von Kirchberg als ihren Oheim; vgl. Schwennicke (1992), Taf. 44. 121 In der Pfarrkirche von Neufra (Riedlingen) bezeugt eine Inschrift mit den Wappen der Häuser Gundelfingen, Montfort und Kirchberg die engen Verbindungen zwischen den Adelsgeschlechtern. Im Inneren der Kirche befinden sich verschiedene Denkmäler, von denen eines Graf Schweikhard von Helfenstein gemeinsam mit seiner Gemahlin Elisabeth, Gräfin von Montfort darstellt. Ein weiteres Denkmal ist der Gräfin Apollonia von Kirchberg († 1517) gesetzt, der Gemahlin des Grafen Johann I. von Montfort; vgl. hierzu Pfaff-Stöhr (1982), S. 54; Matthey/Klaiber (1936), S. 192, 196; Memminger (1838), S. 214. Ein weiterer Hinweis auf das enge Verhältnis der Häuser zueinander ist das gemeinsame Auftreten bei einem Streitfall unter den Gebrüdern von Sonnenberg im Frühjahr 1481: Hier waren Werner von Zimmern, Gottfried von Gundelfingen sowie die Grafen Ulrich von Montfort und Conrat zu Fürstenberg als Schiedsleute anwesend; vgl. Achnitz (1997), S. 178; Uhrle (1960), S. 387f. (Nr. 1750, 1755). 122 Zu den Grafen von Kirchberg vgl. MRFH 1460; Schwennicke (1992), Taf. 76; Baum (1987), S. 219. Konrad von Kirchberg (um 1415–1470) ist als Besitzer einer ‚Schwabenspiegel‘Handschrift bezeugt (��������������������������������������������������������������� München, BSB, Cgm 21������������������������������������������� ), die später nach Schloss Hohenems gelangte; vgl. Fechter (1935), S. 70, 87, 91. Zu diesem Codex vgl. Handschriftencensus (2008): http://www.handschriftencensus.de/9664; Hernad (2000), S. 117 (Nr. 175); Oppitz (1990), S. 680 (Nr. 1040); Unger (1975), S. 71; Burmeister (1968), S. 174–188; Homeyer (1931), S. 178 (Nr. 798); Petzet (1920), S. 37f.; Rockinger (1890), S. 5f. (Nr. 234); Laßberg (1840), S. LXVII–LXIX (Nr. 90). 123 Vgl. Schwennicke (1992), Taf. 76; Riezler (1883), S. 338f.; Barack (1881/82) Bd. 1, S. 337f. Möglicherweise spielte auch die Mutter Konrads und Eberhards von Kirchberg, Agnes geb. von Werdenberg-Heiligenberg († 1436), bzw. ihre literarischen Beziehungen für die Besitzergeschichte von D eine Rolle, denn im Jahr 1461 ist ein Büchertausch zwischen Heiligenberg und Margarethe von Württemberg (Savoyen) bezeugt, die gleichzeitig in engem Kontakt zu Heinrich Steinhöwel stand. Es handelte sich hierbei um den ehemals Donaueschinger Cod. Don. 79, der dann noch im 15. Jahrhundert in den Besitz der Grafen von Helfenstein überging; zur Handschrift vgl. Eichenberger/Mackert (2012): http://www. manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31576719; MR1314 (2011): http://www. mr1314.de/2780; Ernst (2006), S. 186; Klein (1998), S. 98 (Nr. 113); Jaurant (1995), S. 124–133; Stamm (1993); Günther (1993), S. 133–140 (Nr. 11); Roland (1991), S. 14–26; Barack (1865), S. 63–67. Zu Agnes von Kirchberg vgl. auch Schwennicke (1992), Taf. 51, 76; Burmeister (1968), S. 177; Thommen (1928), Nr. 185; Stälin (1856), S. 681; Kaiser/ Brunhart (1847/1989), Bd. 1, S. 256. 120

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Ulrich IX. Vogt von Matsch. Aus dieser Ehe ging Gaudenz von Kirchberg hervor, der 1470 eine Reise ins Heilige Land unternahm und sich dort zum Ritter schlagen ließ.124 Seit 1486 bekleidete Graf Gaudenz das Amt des Hofmeisters unter Herzog Sigmund von Tirol, dem späteren Adressaten von Steinhöwels großen Übersetzungen. Er starb im Jahr 1504 als ultimus familiae.125 Gräfin Berta von Kirchberg († nach 1482) war über ihren Gemahl Johann II. von Montfort-Tettnang mit dem Haus Montfort verbunden, das schon im 14. Jahrhundert durch Konnubium mit den Kirchberger Grafen in Beziehung stand.126 Erneuert wurde diese Verbindung durch die Heirat zwischen Apollonia von Kirchberg († 1517) und Johann IV. von Montfort-Tettnang-Rothenfels († 1529), der 1501 als Pfleger zu Kirchberg bezeugt ist.127 Nach dem Tod Apollonias ehelichte Johann IV. in zweiter Ehe Gräfin Magdalena (geb. von Öttingen-Wallerstein, † 1525), über deren Buchbesitz detaillierte Informationen vorliegen. Neben einer Reihe prächtig illustrierter Codices besaß sie auch den ehemals Donaueschinger Cod. Don. 145, der einen Sterbeeintrag ihres Gemahls Johann IV. trägt und später in Schweikhards Besitz überging.128 Durch Berta von Kirchberg könnte daher auch die Handschrift D in Montforter Besitz und anschließend über denselben Weg wie Cod. Don. 145 in Schweikhards Bibliothek gelangt sein. Auch Anna von Kirchberg († 1478) käme als Auftraggeberin oder Besitzerin von D infrage. Die Gräfin besaß zahlreiche Handschriften und gab eine Legendensammlung in Auftrag. In erster Ehe mit Graf Johann II. von Fürstenberg († 1443) vermählt, heiratete sie nach seinem Tod dessen Kontrahenten Werner von Zimmern († 1483), der pikanterweise erst ein Jahr zuvor siegreich aus einem stechen mit ihrem Gemahl hervorgegangen war.129 Werner von Zimmern, der Sein Diener Friedrich Steigerwalder verfasste einen Bericht über diese Heiliglandreise, der an zwei Stellen von dem Ritterschlag am Heiligen Grab berichtet; vgl. hierzu S. 43 u. Anm. 164. 125 Vgl. Schwennicke (1992), Taf. 76, 140; Kreuer (1990), S. 16–26. 126 Gräfin Berta von Kirchberg († 1371) war mit Graf Hugo VI. von Montfort in Tosters († 1359) vermählt; vgl. Burmeister (1996), S. 308; Schwennicke (1992), Taf. 75. 127 HStA Stuttgart, B 123 II U 198, URL: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-1012254; vgl. hierzu auch Burmeister (1996), S. 308; Schwennicke (1992), Taf. 55; Wiedmann (1982). 128 Zu der Handschrift Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 145 vgl. Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31576113; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/5034; Roth (2003), S. 364; Konrad (1997), S. 291f.; Schlechter (1993); Weiske (1992), Bd. 2, S. 128; Gerdes (1981), Sp. 31; Hommers (1968), S. 20f.; Barack (1865), S. 148f. Zu Magdalena von Montfort und ihrem Buchbesitz vgl. MRFH 1610; Glassner (2005), S. 40; Merkl (1999), Kat. Nr. 9–10 u. Abb. 205–206; Burmeister (1996), S. 279–285; Schneider (1991), S. 474; Hilg (1983), S. 43f.; Wiedmann (1982); Ochsenbein (1982); Kurras (1974), S. 29; Menhardt (1961), S. 258. 129 Vgl. Barack (1881/82) Bd. 1, S. 337–339; die ‚Zimmernsche Chronik‘ berichtet, Anna von Kirchberg habe ihrem Gemahl Johann von Fürstenberg auf dem Sterbebett versprechen müssen, so sie des willens, nach seinem absterben sich widerumb zu verheiraten, allain den von Zimbern nit zu nemen. Das sie aber hernach solchem pitt nit nachkomen, ist die ursach, das sie irn herrn und freunden, die den heirat also fur guot angesehen, gefolgt 124

1.4 Provenienzen

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Begründer der Zimmernschen Bibliothek, war Rat im Dienst Herzog Sigmunds von Tirol. Des Weiteren stand er in direktem Kontakt zur Pfalzgräfin Mechthild und ihrem literarisch interessierten Hof in Rottenburg, den auch Heinrich Steinhöwel 1454 im Gefolge des burgundischen Herzogs besucht hatte.130 Sein Sohn aus der Ehe mit Anna von Kirchberg, Johann Werner der Ältere von Zimmern (um 1450–1496), führte die bibliophile Sammeltätigkeit seines Vaters fort und vererbte die Bibliothek an Johann Werner den Jüngeren (1480–1548), der sie wiederum seinem Sohn Froben Christoph von Zimmern, dem Verfasser der ‚Zimmernschen Chronik‘ (1519–1566) vermachte.131 Als dessen Sohn, Graf Wilhelm, der neben Georg II. von Helfenstein als Kammerrichter tätig war,132 im Jahr 1594 als ultimus familiae kinderlos verstarb, gelangte ein Teil der Güter und Handschriften über die älteste der Schwestern, Anna von Zimmern und ihren Ehemann Graf Joachim von Fürstenberg, in fürstenbergischen Besitz. Die zweitgeborene Tochter Apollonia von Zimmern (1547–1604) heiratete Graf Georg II. zu Helfenstein und Gundelfingen (1518–1573) und überführte so einen

hat; vgl. Barack (1881/82), Bd. 1, S. 339, Z. 13–18; Riezler (1883), S. 334–336. Bei der von ihr in Auftrag gegebenen Legendensammlung handelt es sich um die Handschrift Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 117; vgl. hierzu Eichenberger/Mackert (2012): http://www. manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31576045; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/5027; Brand (2004), S. XIX; ders. (1996), S. XVIII; Heinzer (1993a); Williams-Krapp (1986), S. 201; Fechter (1935), S. 91; Lehmann-Haupt (1929), S. 96f.; Barack (1865), S. 118–121. Zu Anna von Kirchberg vgl. auch Schwennicke (1992), Taf. 76, 83; Riezler (1883), S. 333–336. 130 Vgl. hierzu u.a. Wolf (1993), S. 512; Strohschneider (1986), S. 27; Modern (1899), S. 119. 131 Zu den Herren (ab 1538 Grafen) von Zimmern vgl. Klingner (2008), S. 221–228; Hurwich (2006); Bastress-Dukehart (2002); Heinzer (1993); ders. (1993a); Wolf (1993); Schwennicke (1992), Taf. 83, 84; Hecht (1981); Burmeister (1968), S. 183–185; Modern (1899); Franklin (1884); Barack (1881/82); Ruckgaber (1840); zu Johann Werner d. Ä. von Zimmern vgl. MRFH 1305; Kocher (2005), S. 289–329; Achnitz (2003); Heinzer (2003), S. 143f.; Kocher (2000); Heinzer (1999); Ertzdorff-Kupffer (1999), S. 54–73; Heinzer (1993); ders. (1993a); Schanze (1983), Sp. 813f.; zu Johann Werner d. J. von Zimmern vgl. Klingner (2008), S. 222–228; Strohschneider (1986), S. 26–29; zu Froben Christoph von Zimmern vgl. Heinzer (2003), S. 143f.; Ertzdorff-Kupffer (1999), S. 62–73; Wolf (1993); Jenny (1959); Baumgart (1923); Amrain (1907); zu Wilhelm Werner von Zimmern vgl. Klingner (2008); Holznagel (2005); ders. (2005a); Kiening (2004); Heinzer (2003); Wolf (2002); Irtenkauf (1982); Kraft (1956); Engel (1952); Baumgart (1923); Heiss (1901). Das enge Verhältnis zwischen den Häusern Zimmern und Helfenstein ist durch eine Reihe von Zeugnissen dokumentiert: Konrad Beck aus Mengen (Schreiber der ‚Griseldis‘-Handschrift Klosterneuburg, Bibliothek des Augustiner-Chorherrenstifts, Cod. 747) unternahm in Begleitung Johann Werner d. J. von Zimmern eine Reise ins Heilige Land. Als göttid seiner Kinder nennt Beck unter anderen bedeutenden Vertretern des schwäbischen Adels die Grafen von Helfenstein; vgl. hierzu MRFH 0220; Schröder (2009), S. 55f., 85f., 111; Heinzer (1999), S. 92; Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 333; Hess (1975), S. 63. Gottfried Werner von Zimmern (1484–1554) wird in der ‚Zimmernschen Chronik‘ als naher Bekannter Schweikhards von Gundelfingen (und Helfenstein) genannt und ließ seine Söhne Albrecht und Wilhelm gemeinsam mit einem jungen Grafen von Helfenstein erziehen; vgl. Barack (1881/82), Bd. 1, S. 105f.; Ruckgaber (1840), S. 109. 132 Vgl. Kerler (1840), S. 138.

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

weiteren Teil der Zimmernschen Bibliothek in Helfensteinischen Besitz.133 Von seinem Vater Georg II.134 erbte schließlich Schweikhard von Helfenstein die entsprechenden Zimmernschen Handschriften.

D1 (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Don. 86) Neben der Leithandschrift D steht noch ein weiterer Textzeuge in direktem Zusammenhang mit den Freiherren und späteren Grafen von Zimmern: die Druckabschrift des Erstdruckes Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86.135 Wolfgang Achnitz kommt aufgrund von Untersuchungen zum Schreiber der Handschrift zu dem Ergebnis, dass sie (wie drei weitere Handschriften) zwischen 1471 und 1480 im Auftrag der Freiherren von Zimmern angefertigt wurde.136 Zeitlich käme als Auftraggeber zwar auch Werner von Zimmern (um 1423– 1483) infrage, der mitüberlieferte ‚Gauriel von Muntabel‘ (der Ritter mit dem Bock) des Konrad von Stoffeln137 weist allerdings eher auf seinen Sohn Johann Werner d. Ä. von Zimmern (um 1450–1496),138 der enge Kontakte zu den Freiherren von Stoffeln unterhielt. Daher nimmt Achnitz an, die Freiherren könnten an der Anfertigung der Handschrift beteiligt gewesen sein bzw. die Vorlage für den ‚Gauriel‘ beschafft haben.139 Die enge Beziehung zwischen Johann Werner von Zimmern und Freiherr Heinrich von Stoffeln ist zudem durch eine gemeinsame Heiliglandfahrt belegt, die beide als Räte im Dienst Herzog Sigmunds von Tirol im Sommer 1483 unternahmen. Da die Handschrift D1 neben dem ‚Apollonius‘ auch den ‚Gauriel von Muntabel‘ des Konrad von Stoffeln enthält und Heinrich von Stoffeln sich

Nach dem Aussterben der Grafen von Zimmern gingen nicht nur die Zimmernschen Handschriften in Helfensteinischen Besitz über. Auch die Herrschaft Messkirch mit Burg Falkenstein und Wildenstein/Donau wurde von den neun überlebenden Schwestern für vierhunderttausend Gulden an die Grafen von Helfenstein verkauft; vgl. Hurwich (2006), S. 254; Hermle (1996); Schwennicke (1992), Taf. 84; Schmitt (1990), S. 188. 134 Georg II. heiratete Apollonia von Zimmern in zweiter Ehe; seine erste Gemahlin und Mutter von Schweikhard, ������������������������������������������������������������������������ Maria de Bonnard (Dame de Gomignies, †��������������������� ���������������������� 1565), war vom letzten kinderlosen Freiherrn von Gundelfingen namens Schweikhard (1476–1546) als Erbin adoptiert worden; vgl. Schwennicke (1992), Taf. 44, 59, 84; Kerler (1840), S. 137. 135 Handschriftenbeschreibung siehe S. 108f. 136 Vgl. Achnitz (1997), S. 17f.; bei den anderen drei Handschriften handelt es sich um Wien, ÖNB, Cod. 2795, 2888 u. 3036; vgl. hierzu auch Frühmorgen-Voss (2010), S. 549 (Nr. 42.0.1); Gottlieb (1900), S. 25; ders. (1899), S. 303–314; Modern (1899), S. 113–180. 137 Zu Konrad von Stoffeln vgl. Achnitz (1997), insb. S. 141–184; Cormeau (1985). Achnitz nimmt als Verfasser des ‚Gauriel‘ Konrad von Stöffeln/Gönningen an; dagegen vermuteten noch Deck (1912), �������������������������������������������������������������������� S. 23–76,����������������������������������������������������������� und Cormeau (1985), Sp. 254, es handele sich um den Straßburger Domherrn, der dem in Hohenstoffeln im Hegau ansässigen Ministerialengeschlecht entstammte; vgl. hierzu auch Neugart (1992), S. 615. 138 Zu Johann Werner d. Ä. von Zimmern vgl. MRFH 1305; zu den Freiherren und späteren Grafen von Zimmern siehe auch S. 36ff. u. Anm. 131. 139 Vgl. Achnitz (1997), S. 38f. 133

1.4 Provenienzen

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offenbar als Nachfahre des ‚Gauriel‘-Autors verstand, liegt die Annahme nahe, dass Johann Werner von Zimmern und sein Reisegefährte Heinrich von Stoffeln gemeinsame literarische Interessen hegten, die sich in der Textkonstellation des Codex niederschlugen.140 Das gesamte Buch soll einst ins Wasser gefallen sein und weist tatsächlich einen noch stark sichtbaren Wasserschaden auf. Die ‚Zimmernsche Chronik‘ berichtet dazu: [...] aber durch unfahl und liederlichkait der fuerleut fiel der ain wagen mit den fessern und anderm plunder in die Kinzig, lag auch so lang darin, das die fuerleut usern nechsten dörfern hilf bekammen und den wagen wider userm waser brachten. Uf selbigem wagen waren zu allem unfahl zwai grose fesser oder gestippich geladen, darin des grafen böste geschribne büecher und collectanea, die er von jugendt uf hin und wider zusammen mit groser arbait gepracht, auch etliche [...] autores, so diser zeit sonst nit mer gefunden, zu dem vil von der merertail grafen und herrn geschlechter deutscher nation, von irem herkommen und gepurt, linien; in somma, es war ein schatz in historien, der nit leuchtlich mag dergestalt wider bracht werden. In dieselbigen stippich, in der weil sie in der Kinzig gelegen, hett das wasser getrungen. Die bliben also unaufgethon und ohne gedrucknet bei etlichen monat steen, biſs der graf selbs haim kam. Also da die stippich ufgeschlagen, waren die herrlichen büecher und geschribne alte monumenta mertails erfaulet und verdorben; es hat nit der drittail darvon zu nutz, das mans wider lesen oder abschreiben künden, gebracht werden.141

Mit dem Aussterben der Grafen von Zimmern und der Heirat der Gräfin Apollonia von Zimmern in das Grafengeschlecht der Helfensteiner ging im Jahr 1594 die Zimmernsche Bibliothek sowie die Herrschaft über Meßkirch an die Brüder Froben und Georg, Grafen von Helfenstein, über. Als im Jahr 1627 das Helfensteinische Erbe (das Schloss und die Bibliothek von Meßkirch) durch die 1622 geschlossene Ehe der Gräfin Eleonora von Helfenstein mit Wratislaus II. in den Besitz der Fürsten zu Fürstenberg gelangte, übernahmen die Fürstenberger mit der Herrschaft über Meßkirch auch den Besitz des ausgestorbenen Grafengeschlechts von Zimmern und der Helfensteiner. Seit 1768 waren die einzelnen Bibliotheken des fürstenbergischen Besitzes in Donaueschingen zur Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek vereint, wo die Handschrift D1 im alten Donaueschinger Katalog (Librorum Bibliothecam Moesskirchensis, 1730–1740) als N. 14 Königß Apollonii historie fol. I aufgeführt ist.142

Zum genealogischen Rezeptionsinteresse vgl. 1. Teil, Kap. 1.4.2, S. 42–48. ����������������������������������������������������������������������������������������� Barack (1881/82), Bd. 4, S. 72, Z. 25–37; der Wasserschaden ist laut Auskunft der Bibliothek nicht nach 1865 entstanden; vgl. hierzu auch Achnitz (1997), S. 20; Modern (1899), S. 120. 142 Vgl. Frühmorgen-Voss (2010), S. 549 (Nr. 42.0.1); Achnitz (1997), S. 36; Ruckgaber (1840), S. 253; zur Zimmernschen Bibliothek siehe u.a. Achnitz (2003); Heinzer (1993); Johne (1921), S. 60. 140 141

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Viktor von Thun und Erben Viktor von Thun (1445–1487), der am kaiserlichen Hof in Wien erzogen worden war, stand ebenfalls in enger Beziehung zur süddeutschen Adelsgesellschaft. Er unternahm – wie Johann Werner von Zimmern und zahlreiche andere Adelige seiner Zeit – eine Reise ins Heilige Land, bevor ihn Sigmund von Tirol 1484 zum Hauptmann an der Etsch und Burggrafen von Tirol ernannte.143 Ein detailliertes Nachlassverzeichnis, das nach seinem Tod in den Jahren 1487–1490 angefertigt wurde, liefert genaue Informationen über seinen nicht unbeträchtlichen Buchbesitz. Unter seinem Nachlass, der sich in den Jahren 1487, 1488 und 1490 auf den Schlössern Tirol, Thun und St. Petersburg befand, waren einige tewtsche aufgedrugckte puecher, darunter ain puech sagt von dem kunig Antyochen.144 Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es sich hierbei um eine der ersten Druckauflagen des ‚Apollonius‘ gehandelt haben, möglicherweise sogar um die Vorlage der Druckabschrift des ‚Apollonius‘, die 1488 von den Grafen von Thun (oder für sie) auf dem Schloss Rocken angefertigt worden war (T). Die Handschrift überliefert neben Thürings ‚Melusine‘ und dem ‚Apollonius‘ einen Bericht über die Krönung Maximilians I.145 Da die Druckabschrift 1488 vollendet wurde, kommt Viktor von Thun als Auftraggeber nur noch bedingt infrage, und weil der ‚Apollonius‘ im Nachlassverzeichnis unter der Rubrik aufgedrugckte puecher aufgeführt ist, scheinen sich in der Bibliothek der Grafen von Thun tatsächlich zwei Exemplare des ‚Apollonius‘ befunden zu haben. Als Besitzer bzw. Auftraggeber der Handschrift müssen daher Viktors Erben in Betracht gezogen werden. Eine Verbindung zwischen Steinhöwel und den Grafen von Thun könnte über Vinzenz von Montfort bestanden haben, der zeitgleich mit Steinhöwel in Padua studiert hatte und in den Jahren 1466–1486 Domherr zu Trient war.146

Zu Viktor von Thun vgl. MRFH 2600; Fechter (1935), S. 46, 52, 68 u. 86; Rich (1910); Langer (1909), insb. S. 60ff. 144 Dörrer (1934), S. 256; zum Buchbesitz Viktors von Thun vgl. auch Fechter (1935), insb. S. 86. 145 Handschriftenbeschreibung siehe S. 109f.; die Herkunft der Handschrift aus der Sammlung der Grafen von Thun gibt näheren Aufschluss über die Ortsangabe auf dem Rocken: Pretel III. von Caldes vererbte 1464 das Schloss Rocken (Samoclevo) seinem Neffen Jacob II. von Thun, der sich seit 1467 auch ständig dort aufgehalten zu haben scheint. Die Grafen von Thun übten dort und im Tal Raby die Gerichtsbarkeit aus. Das Schloss Rocken ist identisch mit der heutigen Burg Samoclevo (rocca di Samoclevo) in Val di Sole (Trentino); vgl. Casagrande Mazzoli (1996), S. 49 (Nr. 43) und Tafel LXVIII; Langer (1909), S. 60ff. 146 Vgl. Burmeister (1996), S. 251–278; Zonta/Brotto (1970), Nr. 1142, 1245, 1367, 1368, 1406, 1426, 1579, 1697, 1700; zu Vinzenz von Montfort siehe insb. S. 44 u. Anm. 168. 143

1.4 Provenienzen

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W (Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2°) Die zweite ‚Apollonius‘-Handschrift, die wie D im Jahr 1468 entstand, wurde von Konrad Bollstatter geschrieben, der zeitweise im Dienst der Grafen von Öttingen stand.147 Über die Provenienz des Codex, der zwischen 1655 und 1665 in die Bibliothek Herzog Augusts des Jüngeren von Braunschweig (1576–1666) gelangte, liegen keine Informationen vor.148 Die reiche Blindpressung des heute noch erhaltenen ursprünglichen Einbandes weist auf Bollstatters bevorzugte Buchbinderwerkstatt hin, der auch die Einbände der Münchener Handschriften Cgm 312 und 213 entstammen.149 Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bibliothek im 15. Jahrhundert konnte jedoch bislang nicht ermittelt werden. Aufgrund der „Homogenität des literarischen Programms“ und der aufwendigen „Ausstattung des Codex als Bilderhandschrift mit reichem Initialschmuck“ darf man von einer „Auftragsarbeit für höhere und vermögende Kreise“150 ausgehen.

Johann Hauser, Benediktinerabtei Mondsee Aus dem Ende des 15. Jahrhunderts überliefert die Wiener Sammelhandschrift V (Wien, ÖNB, Cod. 4119) eine Abschrift des ‚Apollonius‘-Prologs aus dem Erstdruck.151 Der Schreiber Johann Hauser152 war Mönch der Benediktinerabtei Mondsee. Da man den Text zunächst nicht identifizieren konnte, hatte Hermann Menhardt Steinhöwels Dichtung irrtümlich als Johann Hausers „Rückschau auf sein Leben an seinem 50. Geburtstag“153 ausgelegt und folglich auch Steinhöwels Angaben zu seiner Übersetzertätigkeit auf Hauser bezogen. Aufgrund Hausers umfassender literarischer Tätigkeit, die sich allerdings auf Sammlungen lateinischer und deutscher Gedichte, Übersetzungen und Lexikographie beschränkte, vermutete Menhardt, dass er als Bibliothekar oder Schulmeister in Mondsee tätig war.154 Am 20. Oktober 1791 wurde das Kloster Mondsee dem Bischof von

Handschriftenbeschreibung siehe S. 107f. Zu Konrad Bollstatter vgl. MRFH 0300; eine Zusammenstellung der umfangreichen Literatur zu Bollstatters Biographie und Schreibertätigkeit bietet Kornrumpf (2008). 148 Diesen Zeitraum (zwischen 1655 und 1665) bestimmt Hess aufgrund des Bücherradkatalogs; vgl. Hess (1975), S. 41. 149 Vgl. zu den Einbänden auch S. 108 Anm. 8. 150 Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 40f.; vgl. auch Hess (1975), S. 69, die den Codex allerdings irreführend als „Konsumhandschrift“ und „Serienprodukt“ klassifiziert; Wolf (1996), insb. S. 85; zu Bollstatters Repertoire vgl. auch Wolf (1996); ders. (1994), S. 22–27. 151 Handschriftenbeschreibung siehe S. 110f. 152 Zu Johann Hauser vgl. Trauden (1995); Heger (1981) sowie den entsprechenden Korrekturnachtrag 2VL 11 (2004), Sp. 593; Herzmann (1972); Fiedler (1950); Menhardt (1936). 153 Vgl. Menhardt (1936); so auch Trauden (1995), S. 485f., 496; Heger (1981); Herzmann (1972), S. 115f., 175f.; Menhardt (1961), S. 999; Fiedler (1950), S. XIf. 154 Vgl. Menhardt (1936), Sp. 227. 147

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Linz als Dotationsgut zugeteilt und die Mondseer Handschriften im Jahr 1792 der Wiener Hofbibliothek übereignet.155

1.4.2 Exkurs: Genealogischer Interessenshorizont Im Zusammenhang mit den personellen Verflechtungen zwischen Heinrich Steinhöwel, den mit ihm in Kontakt stehenden Höfen und den Handschriftenbesitzern fällt ein Publikumsinteresse von besonderer Art auf. Bekanntlich bestand im 15. Jahrhundert aufgrund des Falls von Konstantinopel im Jahr 1453 eine weit ausgreifende politische Diskussion um die Türkengefahr, von der viele Adelsgeschlechter durch den Verlust von Landbesitz direkt betroffen waren. Demzufolge richtete sich ein vermehrtes Interesse auf die Zeit der Kreuzzüge, die als eine Phase der machtvollen Herrschaft christlichen Rittertums im Heiligen Land heraufbeschworen wurde.156 Derartige Bestrebungen sind besonders ausgeprägt in genau jenem Personengeflecht nachweisbar, das sich auch in den frühen Provenienzen der ‚Apollonius‘-Textzeugen widerspiegelt. So gab beispielsweise der Burgundische Herzog Philipp der Gute 1454 – in ebendiesem Jahr war Steinhöwel als Leibarzt für ihn tätig – sein spektakuläres Fasanenfest, das ganz im Zeichen des geplanten Kreuzzuges stand. Bei dieser Gelegenheit schwor er öffentlich, gegen die Türken zu ziehen und instrumentalisierte somit das glanzvolle Hoffest in Lille, um für sein Vorhaben zu werben.157 Auch unternahmen Mitglieder süddeutscher Adelsgeschlechter scharenweise Pilgerreisen nach Jerusalem. Diese Wallfahrten wurden im 15. Jahrhundert regelrecht „zu einer den Status absichernden Reputationspflicht“158 und schlugen sich in zahllosen Reiseberichten dieser Zeit nieder.159 Zu nennen wären hier insbesondere Eberhard V. von Württemberg (Eberhard im Bart),160 der Steinhöwels

Vgl. Herzmann (1972), S. 18; Wintermayr (1948), S. 213. Vgl. u.a. Kühlmann (2010), S. 125f.; Andermann (2000), S. 32; Mertens (1997), S. 40; Thumser (1997); Schmugge (1987); Schulze (1978); Setton (1978), S. 108–137; Boehm (1957), S. 56; zu den Türkenreden Enea Silvio Piccolominis vgl. Helmrath (2000), insb. S. 84–97; ders. (1998), S. 272–274; Mertens (1997); Meuthen (1984), insb. S. 39f.; laut Knödler (2007), S. 75, verfasste Enea seine zweite Redaktion der Historia Austrialis als Kreuzzugsprediger. Zu Sebastian Brant, Kaiser Maximilian I. und dem Türkenkrieg vgl. Kühlmann (2010), S. 125f.; Mertens (2010); Wagner (1969). 157 Vgl. hierzu Hirschbiegel (2008), S. 156; Naegle (2008), S. 281–287; Müller (1993); Meuthen (1984), S. 49–51. 158 Wolf (2012), S. XI. 159 Vgl. hierzu zuletzt Achnitz (2012); Hammes (2011), S. 80–84; zu den Pilgerreisen der Montforter Grafen im 15. Jahrhundert vgl. Burmeister (1996), S. 82f.: „Die Pilgerfahrt nach Jeruralem gehörte eigentlich zu jeder Biographie eines Montforters. [...] Die Reisen ins Heilige Land werden zu den eigentlichen Fernreisen der Grafen.“ Die umfangreiche Literatur zu den Pilgerreisen stellt u.a. Buck (2002), insb. S. 326f. zusammen. 160 Vgl. Zeilinger (2006); zu Eberhard V. von Württemberg siehe auch MRFH 0400; Hammes (2011); Heinzer (2006); Honemann (2006); Schuler (1999); Mertens (1998); Cermann 155

156

1.4 Provenienzen

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‚Tütsche Cronica‘ besaß,161 sowie Johann Werner d. Ä. von Zimmern, Gaudenz von Kirchberg und Heinrich von Stoffeln, die als Besitzer bzw. Auftraggeber der ehemals Donaueschinger ‚Apollonius‘-Handschriften D und D1 infrage kommen. Johann Werner d. Ä. von Zimmern etwa reiste im Sommer 1484 gemeinsam mit Heinrich von Stoffeln und weiteren Räten im Dienst Herzog Sigmunds von Tirol ins Heilige Land, wo er sich am Heiligen Grab zum Ritter schlagen ließ.162 In seinem Auftrag verfasste Felix Fabri im Anschluss an die Reise das lat. Evagatorium, das als einer der umfangreichsten und bedeutendsten Reiseberichte gilt.163 Graf Gaudenz von Kirchberg, der seine Reise im Jahr 1470 unternahm, wurde ebenfalls am Heiligen Grab zum Ritter geschlagen. Sein Diener Friedrich Steigerwalder fertigte über diese Heiliglandfahrt einen Reisebericht an, in dem als Motiv der Reise wiederholt der Ablass Aller Sinden vonn Aller pein und Schulde genannt wird.164 Da einer der frühesten ‚Apollonius‘-Textzeugen (D) in Kirchberg geschrieben wurde und die Druckabschrift D1 wahrscheinlich von einem Mitglied des Zimmernschen Grafengeschlechtes in Auftrag gegeben wurde, liegt die Annahme nahe, dass eine Verbindung zwischen adeligen Interessen am Heiligen Land und dem Apollonius-Stoff bestanden haben könnte, zumal es sich bei den Schauplätzen der Erzählung um die ehemaligen Kreuzfahrergebiete handelt: Als einer der großen Mittelmeerhäfen behauptete Tyrus im südlichen Libanon schon seit phönizischer Zeit eine wichtige Stellung, wurde im Jahre 1124 während des 3. Kreuzzuges erobert und diente nach

163 161

162



164

(1997); Molitor (1995); Maurer (1994); Mertens (1994); Faix (1990); Fischer/Amelung/ Irtenkauf (1985), S. 11–31, 129–143; Worstbrock (1970). Vgl. S. 16 Anm. 16. Vgl. Achnitz (1997), S. 178; Barack (1881/82), Bd. 1, S. 497. Ulm, SB, cod. 19555, 1 und 2 (olim 6718) (Autograph); vgl. hierzu Jahn (2012) mit weiterf. Lit.; Schröder (2009), insb. S. 57–62; Esch (2008), S. 74, 78–81; Graf (2001), S. 206–208; Ertzdorff-Kupffer (1999); Heinzer (1999), S. 90f.; Achnitz (1997), S. 178; Wolf (1993), S. 512f.; Schneider (1992); Hippler (1987); Feilke (1987); Hannemann (1980), insb. Sp. 686f.; Modern (1899), S. 157. Fabris frühneuhochdeutsche Version der Reiseerlebnisse, die Eigentlich beschreibung der hin vnnd wider farth zu dem heyligen Landt Dessau, StB, Georg. Hs. 238, 8°, Autograph), sollte seine Reisegefährten insbesondere an den Ritterschlag am Heiligen Grab erinnern; vgl. Klingner (2012); Schröder �������������������������������������� (2009), S. 63–67; Handschriftencensus (2007): http://www.handschriftencensus.de/8903; Hannemann (1980), Sp. 688; Pensel (1977), S. 187–189. Schloss Churburg bei Schluderns, Archiv der Grafen von Trapp, ohne Sign. (5), hier Bl. 31v, zitiert nach Kreuer (1990), S. 219. Der erste Ritterschlag scheint den Adeligen gegolten zu haben: Da besuechsen wier die heyligen Stött Inn dem Templ. Unnd lagen die Nacht darin. Unnd Umb MitteNacht Schlueg man Zu Ritter Inn dem Heyligen Grab etc; ebd., Bl. 40v, zitiert nach Kreuer (1990), S. 255. Die übrigen Pilger (so vermutlich auch der Autor des Berichts) erhielten den Ritterschlag einige Tage später von nichtadeligen schlechten Leitten: Den abet und die nacht besuechten wier die heyligen Stöt, Inn dem Heyligen Templ gar offt, Unnd wuerden die nacht Von schlechten Leitten, die nit des adels waren: Zu Ritter geschlagen; ebd., Bl. 44v, zitiert nach Kreuer (1990), S. 271. Zu dem Bericht Steigerwalders vgl. auch Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus. de/21631; Herz (1995). Den Ritterschlag am Heiligen Grab erwähnen auch verschiedene andere Pilgerberichte, siehe hierzu etwa Hippler (1987), S. 296–299.

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

dem Fall von Jerusalem bis zur Rückeroberung 1291 fast ausschließlich als Krönungsort der Titularkönige des Heiligen Landes.165 Auch Antiochia und Sidonia (das nördlich von Tyrus im Libanon gelegene Sidon) waren ehemals von den Kreuzfahrern eroberte Gebiete im Vorderen Orient, deren Namen an eine ruhmreiche Zeit christlicher Vormacht im Heiligen Land erinnerten. Über diese Interessen der Grafen von Kirchberg und Zimmern hinaus lassen sich genealogische Herleitungsversuche nachweisen, die einen direkten Besitzanspruch im Heiligen Land begründen sollten. Solche Ansprüche formulierte etwa Vinzenz von Montfort, aber auch Margarethe von Savoyen, die persönliche Kontakte zu Steinhöwel unterhielt. Vinzenz von Montfort, der zur selben Zeit wie Steinhöwel in Padua studiert hatte, kam nach dem Fall von Konstantinopel um 1460 als Flüchtling nach Italien, fand in Rom Asyl und wurde 1466 Domherr in Trient, wo heute noch eine Druckabschrift des ‚Apollonius‘ aus dem Jahr 1488 aufbewahrt wird (T). Diese Druckabschrift hatte Viktor von Thun oder einer seiner Erben in Auftrag gegeben, der selbst ebenfalls eine Heiliglandfahrt unternommen hatte.166 Vinzenz war ein illegitimer Sohn aus dem schwäbischen Adelsgeschlecht Montfort-Tettnang, deren Vorfahren im 13. Jahrhundert die Herrschaft über Tyrus innegehabt hatten.167 Sein Interesse für die Zeit der Kreuzzüge ist durch eine von ihm selbst verfasste Kreuzzugsgeschichte belegt (Stuttgart, WLB, Cod. hist. 2° 618). Darüber hinaus versuchte er, die Linie des Hauses Montfort-Tettnang, der er sich zurechnete, dynastisch auf den zypriotischen Inselheiligen Jean de Montfort l‘Amaury, einen französischen Ritter des Heiligen Grabes, zurückzuführen. Anhand eines persönlichen Briefes, in dem er diverse Beweise für seine Behauptung lieferte, hatte er diese genealogische Herleitung derart erfolgreich betrieben, dass der heilige Johannes von Montfort vom 16.–18. Jahrhundert tatsächlich auf montfortischen Münzen abgebildet und als Lokalheiliger verehrt wurde.168 Mitglieder des Hauses Montfort herrschten im 13. Jahrhundert über den Kreuzfahrerstaat Tyrus und begründeten damit ihren Herrschaftsanspruch im Heiligen Land bis zum Ende des 15. Jahrhunderts.169 Die Grafen von Montfort verstanden sich als Nachfahren der Herren von Tyrus und waren mit den Grafen von Helfenstein und Kirchberg, in deren Besitz sich eine der ältesten Handschriften (D) befand, durch Konnubium eng verwandt.170 Seine gemeinsame Studienzeit mit Vinzenz von Montfort könnte Heinrich Steinhöwel motiviert haben, die Vgl. Mayer (2005); Kristein (2002); Schein (1999). Zu Viktor von Thun vgl. S. 40. 167 Zu Vinzenz von Montfort vgl. Burmeister (1996), S. 251–263; Schwennicke (1992), Taf. 55; Burmeister (1986), S. 37–48; Zonta/Brotto (1970), Nr. 1142, 1245, 1367, 1368, 1406, 1426, 1579, 1697, 1700. 168 Zu dem zypriotischen Inselheiligen Johann von Montfort vgl. Eggart (1934), S. 1–24; es handelte sich bei dem 1248 umgekommenen heiligen Johann von Montfort um einen französischen Kreuzfahrer aus dem Haus Montfort-l‘Amaury, das in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den deutschen Montfortern stand. 169 Vgl. Burmeister (1996), S. 82f., 251–278. 170 Vgl. ebd., S. 98; Nolte (1996), S. 240. 165

166

1.4 Provenienzen

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Geschichte des Apollonius von Tyrus – die aufgrund der breiten Rezeption der lateinischen Historia Apollonii regis Tyri im 15. Jahrhundert als bekannt vorausgesetzt werden konnte – zu übersetzen und sie somit auch dem schwäbischen Adelsgeschlecht Montfort-Tettnang in der Volkssprache zugänglich zu machen, bei dem er gewiss mit regem Interesse für sein Werk rechnen konnte.171 Politische Aktivitäten im Heiligen Land und somit potenzielles literarisches Interesse am Stoff um den Herrscher von Tyrus lassen sich auch für Margarethe von Savoyen, die zweite Gemahlin Ulrichs von Württemberg, belegen, deren persönliche Beziehung zu Steinhöwel durch den Brief des Stadtarztes an sie dokumentiert ist.172 Durch ihre erste Ehe mit Ludwig III., Herzog von Anjou und Titularkönig von Sizilien, Neapel und Jerusalem, übernahm sie nach dessen frühem Tod seine Machtansprüche und versuchte von Neapel aus, diese im Heiligen Land zu behaupten. Zwar konnte sie diesbezüglich keine Erfolge verzeichnen, führte jedoch den Titel ‚Königin von Jerusalem‘ in ihren württembergischen Urkunden bis zu ihrem Tod.173 Über ihren zeitlebens nicht aufgegebenen Herrschaftsanspruch im Heiligen Land lässt sich daher auch für Margarethe von Savoyen ein historisches Interesse an den Kreuzfahrerstaaten um Tyrus und Antiochia und somit auch am Apollonius-Stoff herleiten. Des Weiteren war das Haus Savoyen über Heirat mit dem Geschlecht Lusignan verwandt, was möglicherweise eine Erklärung für die häufige gemeinsame Überlieferung von ‚Apollonius‘ und ‚Melusine‘ sein könnte.174 Zwar besteht weder im ‚Apollonius‘ noch in der ‚Melusine‘ eine Verknüpfung zwischen Werk und Adressaten; auch fehlt die korrespondierende Bindung zwischen Autor und Auftraggeber und darüber hinaus kann – besonders im Fall des ‚Apollonius‘ – nicht von einer „literarische[n] Form[...] genealogischer Geschichtsschreibung“175 die Rede sein. Gleichwohl konstatiert aber Müller für die ‚Melusine‘ ein spezielles literarisches Interesse, das insbesondere in der adeligen Rezipientenschicht ausgeprägt ist: Die ‚Melusine‘ kann so ein adeliges Selbstbewußtsein bestätigen, das nicht mehr an eine bestimmte Lebensform (wie das Rittertum des Hochmittelalters) noch an eine bestimmte soziale Institution (den Hof) gebunden ist, somit jene südwestdeutsche Adelsschicht verbinden kann, die Stadt- und Landadel, aber auch Mitglieder des Hochadels umfassend, in unterschiedlichen Lebensverhältnissen wirkend, wenig später als Rezipient der ‚Melusi-

Da sich die erste Akte der Paduaner Matrikel auf die Promotionen deutscher und niederländischer Studenten bezieht, ist ein direkter Kontakt zwischen Steinhöwel und Vinzenz von Montfort tatsächlich naheliegend, wenn auch nicht sicher zu belegen; vgl. Zonta/Brotto (1970) Nr. 1142. So vermutet auch Burmeister, dass Vinzenz möglicherweise „Anschluß an die Landsleute seines Vaters gesucht hat“; vgl. Burmeister (1996), S. 257. 172 Vgl. S. 16 Anm. 17. 173 Vgl. Lähnemann (2002), S. 160. 174 Zum einen ist hier die Abschrift des Niklaus Meyer zum Pfeil zu nennen: Basel, UB, Cod. O I 18; Exemplarbeschreibung vgl. S. 116f. Die zweite Kopie in der Handschrift T lässt an einen Zusammenhang mit Vinzenz von Montfort denken, da dieser Domherr in Trient war; Handschriftenbeschreibung vgl. S. 109f. 175 Kellner (2000), S. 17. 171

46

1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext ne‘ nachweisbar ist und aus dem sich im 15. Jahrhundert das Publikum volkssprachlicher Historien überhaupt vornehmlich zu rekrutieren scheint.176

Die dynastische Herleitung von einer (pseudo-)realen oder auch gänzlich fiktiven Figur konnte den Glanz des eigenen Geschlechtes erhöhen.177 Diese Motivation könnte auch der Abschrift des ‚Gauriel von Muntabel‘ Konrads von Stoffeln zugrunde liegen, der in der Handschrift D1 gemeinsam mit dem ‚Apollonius‘ überliefert ist. Freiherr Heinrich von Stoffeln, der gemeinsam mit dem potenziellen Auftraggeber von D1, Johann Werner d. Ä. von Zimmern, nach Jerusalem gereist war, hatte den ‚Gauriel‘-Verfasser offenbar als einen Vorfahren begriffen,178 weshalb ihm ein genealogisches Interesse an dem Text unterstellt werden darf. Die ‚Melusine‘ ist in diesem Zusammenhang nicht zufällig als Beispiel gewählt, denn sie wird in zeitgenössischen Sammelbänden mehrfach gemeinsam mit Steinhöwels ‚Apollonius‘ tradiert.179 Auch hier besteht ein komplexes Personengeflecht zwischen Heinrich Steinhöwel, dem Auftraggeber der ‚Melusine‘, den Adelshäusern Lusignan und Montfort sowie der Herrschaft über Tyrus: Steinhöwel kannte den Widmungsempfänger der ‚Melusine‘, Markgraf Rudolf von Hochberg, persönlich. Die Mutter des Markgrafen entstammte dem Haus Montfort, das im 13. Jahrhundert über Tyrus geherrscht hatte und durch Heirat mit dem poitevinischen Haus Lusignan verbunden war.180 Das französische Adelsgeschlecht Lusignan wiederum hatte im 13. Jahrhundert die Titularherrschaft über Antiochia und Jerusalem inne, behauptete sich bis 1489 in Zypern (dem letzten Kreuzfahrerstaat) und vererbte den Titel bis zum Aussterben der männlichen Linie um 1474 weiter.181 In diesem Zweig des Personengeflechtes könnte Müller (1977), S. 65; vgl. hierzu auch Hess (1975), S. 74; zu Aspekten der Genealogie im Zusammenhang mit Melusinen-Geschichten vgl. u.a. Raumann (2010); Müller (2008), S. 440; Steinkämper (2007), S. 73–80; Schausten (2006), S. 152–197; Kiening (2005); Braun (2004), S. 351–353; Kellner (2004), S. 397–471; Quast (2004); Klinger (2003); Kellner (2000); Peters (1999), S. 208–224; Kindl (1984); Roach (1982), S. 21–52; Müller (1977); Ertzdorff (1972). 177 Weitere Beispiele für Prosaromane, die ein vergleichbares Rezeptionsinteresse bedienten, sind etwa der ‚Schwanritter‘ und der ‚Engelhard‘ des Konrad von Würzburg, ‚Friedrich von Schwaben‘, ‚Wilhelm von Österreich‘ des Johann von Würzburg sowie ‚Peter von Staufenberg‘; vgl. Ridder (1998); Achnitz (1997), S. 183; Strohschneider (1997); Graf (1989); Brunner (1981); Wunder (1972), S. 1–36. Motivische Anklänge an die Kreuzzugsthematik und den Kampf gegen die Heiden weisen nicht nur die ‚Melusine‘ und Johanns von Würzburg ‚Wilhelm von Österreich‘ auf, sondern auch der Schwanritterstoff: nach der altfranzösischen Kreuzzugs-Geste stammt der legendäre Kreuzfahrer und erste König Jerusalems, Gottfried von Bouillon, vom ersten Schwanritter Elyas ab; vgl. hierzu Peters (1999), S. 198. Bei Konrad von Würzburg ist Gottfried von Bouillon hingegen der Schwiegervater des Schwanritters und die Dynastie wird durch seine Heirat mit der Tochter des Kreuzfahrers begründet; vgl. Strohschneider (1997), S. 137. 178 Vgl. Achnitz (1997), S. 184 Anm. 187; siehe hierzu auch S. 38f. 179 Vgl. S. 59 Anm. 248. 180 Vgl. Burmeister (1996), S. 309, 311; zu Markgraf Rudolf von Hochberg vgl. S. 15f. u. Anm. 13. 181 Zum französischen Adelsgeschlecht Lusignan vgl. Peters (1999), S. 209–214; Richard (1999), Sp. 19f.; im 14. Jahrhundert ist beispielsweise im Haus Lusignan eine Margarethe, 176

1.4 Provenienzen

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der Konnex zwischen Steinhöwel und einem direkt an dem Stoff interessierten Publikum, also einerseits über Vinzenz von Montfort, andererseits über den Markgrafen Rudolf von Hochberg, bestanden haben. In der ‚Melusine‘-Geschichte wird schon seit dem 14. Jahrhundert die Haus- und Herrschaftsgründung auf die feenhafte Ahnfrau zurückgeführt, die jedesmal auf der Burg Lusignan erscheint, wenn dort ein neuer Herr einzieht.182 Thüring von Ringoltingen stellt darüber hinaus einen deutlichen Bezug zur aktuellen Türkengefahr her und hebt hervor, dass Melusines Geschlecht für die Eroberung des Heiligen Landes prädestiniert sei.183 So beanspruchen auch die Grafen von Zimmern in der ‚Zimmernschen Chronik‘ die Abstammung von einer merfrawen: Zur Zeit der Kreuzzüge seien ein Freiherr von Zimmern, ein Freiherr von Tengen und ein Graf von Kirchberg gemeinsam im Krieg wider die ungleubigen gewesen und hätten dort Bekanntschaft mit drei merfrawen gemacht. Sie seien ir lebenlang bei inen beliben, und soll furnemlich von diesem freiherren von Zimbern ain besondere linia abkomen sein.184 Zufälligerweise handelt der ‚Gauriel‘ Konrads von Stoffeln ebenfalls von einer Feenliebe. Auch wenn weder bei der ‚Melusine‘ noch beim ‚Apollonius‘ eine konkrete genealogische Herleitung intendiert gewesen sein mag, konnten doch „die wunderbaren Ursprünge einer Adelswelt insgesamt, die bis in die eigene Gegenwart fortdauert“,185 eine Faszination ausüben, aus der heraus sich ein Rezeptionsinteresse an derartigen Erzählstoffen durchaus gespeist haben könnte. Diese These wird durch einige Erwähnungen in verschiedenen Reiseberichten und Kreuzzugsgeschichten erhärtet, die sehr anschaulich belegen, dass Apollonius von Tyrus im ausgehenden Mittelalter als eine historische Figur betrachtet und sein Palast in Tyrus als nach wie vor existent imaginiert wurde.186 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass sowohl die Handschriftenbesitzer als auch das adelige Umfeld, in dem sich Steinhöwel im schwäbischen Raum bewegte, an einer genealogischen Herleitung, der Abstammung von den Kreuzfahrern und den daraus resultierenden Machtansprüchen im Heiligen Land interessiert waren. Eine Erzählung über den König von Tyrus

Herrin von Tyrus, nachweisbar, die mit Johannes von Montfort, Herr von Toron und Tyrus, vermählt war; vgl. ebd. Stammtafel II (Jerusalem und Zypern). 182 Die Anbindung der Meerfee an das Haus Lusignan ist seit Petrus Bertorius‘ Reductorium morale fester Bestandteil der Erzählung; vgl. Lafond (2012), S. 51f.; Kellner (2000), S. 16; Lecouteux (1978), S. 80. 183 Vgl. hierzu auch Lafond (2012), S. 62–64; Dumiche (2010), S. 201. 184 Barack (1881/82), Bd. 1, S. 27, Z. 4–17; vgl. hierzu auch Raumann (2010), S. 184 Anm. 52; Müller (1977), S. 55; Ertzdorff (1972), S. 429; das intensive genealogische Interesse der Häuser Zimmern und Kirchberg bezeugt überdies die ‚Genealogie der Grafen von Kirchberg‘, die Wilhelm Werner von Zimmern persönlich verfasste; vgl. Heinzer (1993b); Jenny (1959), S. 55–63, 245 u.ö.; Barack (1865), S. 418f. ��� Müller (1990), S. 1029. 186 Vgl. hierzu Kortekaas (1984), S. 158 Anm. 24.

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

(deren lateinische Fassung schon in Steinhöwels Umkreis rezipiert wurde)187 oder eine Geschichte der Kreuzzüge, die er nach eigenen Aussagen ebenfalls in dieser Zeit verfasst hatte,188 dürfte daher großen Beifall in diesen Adelskreisen gefunden haben. ������������������������������������������������������������� Sicher ist zumindest, dass in der von ihm intendierten Leserschicht ein Interessenshorizont vorhanden war, in den der ‚Apollonius‘ perfekt hineinpasste.

1.4.3 Besitzer des Erstdruckes Hartmann Schedel Zu den frühesten sicher belegten Besitzern des ‚Apollonius‘ zählt der Nürnberger Arzt und Humanist Hartmann Schedel, der dem wohlhabenden und vornehmen Patriziat zuzurechnen ist.189 Er muss bezüglich seiner Bibliophilie aber als einmaliger Extremfall innerhalb der stadtbürgerlichen Oberschicht eingestuft werden, da er „so gut wie alles Geschriebene und Gedruckte“190 besaß, dessen er seinerzeit hatte habhaft werden konnte. Schedels umfangreiche Bibliothek umfasste zu seinem Todeszeitpunkt etwa 900 Bände, von denen die medizinischen, historischen und humanistischen Schriften das Gros ausmachten.191 In seinem Bücherverzeichnis (München, BSB, Clm 263) taucht der ‚Apollonius‘ gleich zweifach auf. Zunächst sind unter den Libri vulgares in lingua theotonica auch die Historia von Appolonio und Griseldis und ob eynem man sey ein weib zu nehmen und sust vil mer verzeichnet.192 Da die umstehenden Titel auf gedruckte Bücher hinweisen, hat Hartmann Schedel vermutlich den Sammelband besessen, in welchem Günther Zainer seine beiden Erstdrucke der ‚Griseldis‘ und des ‚Apollonius‘ auf den Markt brachte.193 Bei dem zweiten Eintrag unter den Moderniores historici handelt es sich um eine lateinische Abschrift der Historia Apollonii regis Tyri, die hier in einer historiographischen Textsammlung tradiert wird.194 Als praktizierender Arzt besaß

Zur Rezeption der Historia Apollonii regis Tyri im gelehrt-humanistischen Kontext vgl. S. 65–68. 188 Vgl. S. 1 Anm. 1. 189 Zu Hartmann Schedel vgl. MRFH 2220; Klingner (2012a); Bauer (2010); Fuchs (2005); Worstbrock (2005); Schnell (1992); Hernad/Worstbrock (1992); Hernad (1990); Wattenbach (1871). 190 Lehmann (1962), S. 488. 191 Die genaue Anzahl der Bände ist umstritten; zu Schedels Büchersammlung vgl. Worstbrock (2005); Jürgensen (2002), S. 33f.; Hacker (1996), S. 28f.; Hernad (1990), S. 16–37; Milde (1984); MBK (1918–39); Stauber (1908). 192 Zitiert nach Stauber (1908), S. 137; zu Schedels index librorum vgl. auch Worstbrock (2005). 193 Druckbeschreibung vgl. S. 111f.; zu der Annahme, dass es sich um diesen Sammelband handelt vgl. Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 338 Anm. 55; Hess (1975), S. 75. 194 Vgl. hierzu S. 67 u. 91. 187

1.4 Provenienzen

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Schedel zudem auch Steinhöwels ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘, das er persönlich handschriftlich ausstattete und glossierte.195

Johannes Wernher von Themar Das ehemals Donaueschinger Exemplar des Erstdruckes trägt den Provenienzeintrag Dr. Johannes Wernher von Themar (1535).196 Es handelt sich hierbei um den Neffen des berühmten Heidelberger Humanisten und Professors der Rechte, Adam Wernher von Themar d. Ä. (1462–1537), der in direkten Beziehungen zu Konrad Celtis, Jakob Wimpfeling und dem Humanistenkreis um Johann von Dalberg stand.197 Johannes Werner von Themar hatte, ebenso wie sein Onkel, die Rechtswissenschaften studiert, wurde 1531 Licentiatus iuris und hatte in ebendiesem Jahr den Lehrstuhl des Johannes Sinapius in Heidelberg inne.198 Er wurde zwischen 1535 und 1541 promoviert und war seit 1533 Prokurator. Nach 1552 war er als Beisitzer am Reichskammergericht tätig, wo er vermutlich auch mit dem damaligen Reichskammergerichtspräsidenten Schweikhard von Helfenstein, dem Besitzer der Handschrift D, zusammentraf. Er starb am 28. Februar 1553 in Speyer.

Niklaus Meyer zum Pfeil und seine Ehefrau Barbara zum Luft Mit Niklaus Meyer zum Pfeil (1435/45–1500) ist ein Vertreter der städtischen Führungsschicht als früher Besitzer des Augsburger ‚Apollonius‘-Erstdruckes dokumentiert. Der Baseler Patrizier war mit Barbara zum Luft verheiratet, deren Vater die Stellung des Ratsherrn bekleidete. Er selbst ist zunächst 1474 als Schultheiß in Mülhausen und seit 1480 als Ratsschreiber in Basel bezeugt.199 Er besaß eine Sammlung von Frühdrucken und tritt auch selbst als Schreiber mehrerer Handschriften in Erscheinung.200 Seine ‚Apollonius‘-Ausgabe war bis 1872 als Sammelband mit Steinhöwels Erstdruck der ‚Griseldis‘, Niklas‘ von Wyle 1. Translation ‚Eurialus und

München, BSB, Inc. 4° s.a. 1701; vgl. Stauber (1908), S. 214. Exemplarbeschreibung siehe S. 118f.; vgl. Günther (1995), S. 12f. (mit Abb.). 197 Zu Johannes Werner von Themar vgl. MRFH 2780; Drüll-Zimmermann (2002); Drücke (2001), S. 150; Flood/Shaw (1997), S. 66; Backes (1992), S. 142–145; Knape (1986), S. 66; Dersch (1916), S. 16–22; Hartfelder (1897), S. 39–41; ders. (1880), S. 1–17. 198 Zu Johannes Sinapius vgl. Flood/Shaw (1997). 199 Zu Niklaus Meyer zum Pfeil vgl. MRFH 1960; Rautenberg (2006), S. 75f.; Backes (2004), S. 104; Geiß (2000), insb. S. 721f.; Ochsenbein (1980); Binz (1938), S. 1f. Sein Sohn Adelberg (1474–1458) war lange Jahre Baseler Bürgermeister; vgl. Bernoulli (1885), S. 555. 200 Thürings ‚Melusine‘ Basel, UB, Cod. O I 18; ebd. Cod. AA I 2, Bl. 1r–102r (Jacobus de Theramo: ‚Belial‘); ebd., Bl. 108r─142r (dt. Plenar, unvollendet); ebd., Cod. B XI 26 (‚Gebetbuch des Niklaus Meyer zum Pfeil‘); vgl. Ochsenbein (1980), Sp. 1119. 195

196

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Lucretia‘, Hans Erhart Tüschs ‚Burgundischen Historien‘ und seiner eigenhändigen Abschrift von Thürings ‚Melusine‘ verbunden.201

Hanns Trunckl In das New Yorker Exemplar des Erstdruckes202 trug sich 1472 Hanns Trunckl als Besitzer ein. Richard Perger führt einen Wiener Hans Trunkl auf; dass es sich hierbei um den Inkunabelbesitzer handelt, lässt sich allerdings nicht mit Sicherheit nachweisen.203

Margaretha Göldi Ein weiteres Exemplar des ‚Apollonius‘-Erstdrucks ist im frühen 16. Jahrhundert im Benediktinerinnenkloster Hermetschwil/Aargau belegt. In die Inkunabel, die sich heute im Benediktiner-Kollegium Sarnen (Schweiz) befindet, trug sich Margaretha Göldi als Besitzerin ein: Das buch ist Margritt Meisteryn.204 Während des 16. Jahrhunderts lebten im Benediktinerinnenkloster Hermetschwil/Aargau lediglich sechs bis acht Nonnen, die zumeist dem wohlhabenden Züricher Patriziat entstammten. Margaretha Göldi war 1521 zur Meisterin des Konvents gewählt, jedoch nicht vom Abt geweiht worden und floh 1523 im Zuge klosterinterner Unruhen und Auflehnungen gegen die Klosterdisziplin. Sie heiratete den Züricher Schuster Hans Germann von Bremgarten. Ihr Vater Kaspar Göldi, päpstlicher Kommandant und Ritter in Zürich, ließ die Eheleute allerdings festnehmen und brachte seine Tochter gegen ihren Willen in den Konvent zurück. Im April 1530 konnte sie im Zuge der Reformation und mit Unterstützung der Züricher Bürger aus dem Konvent austreten, der damals nur noch aus zwei Mitgliedern bestand. Sie ließ sich von Hans Germann scheiden und heiratete später Konrad Holzhalb in Hallau. 1532 bat sie aufgrund finanzieller Schwierigkeiten den Rat in Zürich um ihre Aussteuer von 60 rheinischen Gulden, die ihr 1541 von Hermetschwil ausgezahlt wurde.205 Der ‚Apollonius‘ befindet sich noch heute in dem zeitgenössischen Sammelband, der außerdem das Speculum vitae humanae des Rodericus Zamorensis, den ,Belial‘ des Jacobus de Theramo und Heinrich Steinhöwels ‚Griseldis‘ (Erstdruck) überliefert.206

Exemplarbeschreibung siehe S. 112f.; zur ‚Melusine‘-Handschrift Basel, UB, Cod. O I 18 vgl. u.a. Backes (2004), S. 104; Binz (1938), S. 1f. 202 Exemplarbeschreibung siehe S. 117. 203 Vgl. Perger (2005), S. 158, 198; MRFH 2640. 204 Vgl. Geiß (2002), S. 252; Dahm (1985), S. 250. 205 Vgl. Dubler (1968), insb. S. 319; dies. (1986), insb. S. 1816f. u. 1834f.; MRFH 0720. 206 Exemplarbeschreibung siehe S. 118. 201

1.4 Provenienzen

51

1.4.4 Besitzer späterer Inkunabeln Kaiser Maximilian I. – Erzherzögliche Bibliothek Schloss Ambras, Innsbruck In dem vermutlich um 1564 entstandenen Inventari etlicher buecher, das 329 Schriften aus dem Besitz Kaiser Maximilians I. verzeichnet, findet sich der Eintrag Teutsche histori von kunig Appolonio von Tiria gedruckt in ain gelb pergamen gebunden von pogen plettern dunn.207 Dieses separat gebundene ‚Apollonius‘Exemplar, das üblicherweise in Bämlers Sammelband ‚Lehre und Unterweisung‘ auf den Markt kam, liegt heute in der ÖNB Wien, Hinweise auf eine ursprüngliche Bucheinheit mit ‚Lehre und Unterweisung‘ fehlen allerdings.208 In der kaiserlichen Büchersammlung befand sich weiterhin ein Exemplar von Steinhöwels ‚Aesop‘ (Ulm: Johann Zainer, [um 1476/77]), bei dem es sich „möglicherweise [um das] Widmungsexemplar Steinhöwels an Herzog Sigmund von Tirol“ handelt.209 Zu welcher Zeit Steinhöwels Schriften in Maximilians Besitz gelangten, ist nicht bekannt. Steinhöwel selbst weilte 1475 am Hof des Augsburger Bischofs, Graf Johann von Werdenberg, in Dillingen. Dort traf er mit dem jungen Maximilian zusammen, der als Zögling ein Jahr am Hof des Bischofs verbrachte.210 Ob der Buchbesitz mit dieser Begegnung in Zusammenhang zu bringen ist, bleibt allerdings unklar.

henslin meserlin Im Stuttgarter Exemplar des Sammelbands ‚Lehre und Unterweisung‘, den Johann Bämler 1476 auf den Markt brachte, trug sich vermutlich noch im 15. Jahrhundert ein nicht näher bestimmbarer Besitzer ein: Das buch ist das hab henslin meserlin wer das stilt ist ein dyeb.211 Die Inkunabel gelangte später in den Besitz der Augsburger Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra und befindet sich heute in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.

Gottlieb (1900), S. 103 (Nr. 239); vgl. auch Stummvoll (1968), S. 55; zu Maximilians Büchersammlung siehe MRFH 1720 mit weiterf. Lit.; Lhotsky (1970), S. 149–193; Stummvoll (1968), S. 19–28; Dörrer (1954), S. 496. 208 Augsburg: Johann Bämler, 1476 (MRFH 20190; GW 2274); Wien, ÖNB, Ink 18.G.7; Exemplarbeschreibung vgl. S. 121. 209 Online-Katalog der ÖNB Wien, URL: http://data.onb.ac.at/rec/AC07129376; vgl. auch MRFH 20010; GW 351; Dicke (1994), S. 485; Stummvoll (1968), S. 54; Gottlieb (1900), S. 82, 107 (Nr. 299–301). 210 Vgl. MRFH 0035; Dicke (1991), S. 183. 211 Exemplarbeschreibung siehe S. 121. 207

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Benediktinerabtei St. Ulrich und Afra, Augsburg Neben dem genannten Bämler-Druck ist ein weiteres ‚Apollonius‘-Exemplar aus der Klosterbibliothek der Abtei St. Ulrich und Afra bekannt, das sich heute in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg befindet. Es handelt sich auch hier um einen zeitgenössischen Sammelband, der den ‚Apollonius‘ in der ersten Auflage Anton Sorgs aus dem Jahr 1479 gemeinsam mit zwei weiteren Drucken aus derselben Offizin, einem ‚Beizbüchlein‘ und einer deutschen Übertragung der Historia Melibaeus et Prudentia, enthält.212 Vermutlich gelangte der Band schon früh in den Besitz der Benediktinerabtei, der früheste Katalogeintrag stammt jedoch erst aus dem Jahr 1788.213 Die Klosterbibliothek war zudem im Besitz eines ‚Aesop‘-Druckes, dessen Anschaffung Dicke anhand eines Ausleihgesuches in die Jahre 1476–1484 zurückverfolgen konnte. Zu dieser Zeit leiteten die Äbte Heinrich Fryess und Johannes von Giltingen das Kloster, die sich besonders um Bucherwerbungen bemühten.214 Das Kloster betrieb eine eigene Offizin, als deren Leiter vorübergehend Günther Zainer tätig war.215

Urban Moser, Kartause Basel Neben dem Sammelband des Niklaus Meyer zum Pfeil ist in Basel ein zweiter Textzeuge des ‚Apollonius‘ nachweisbar. Anhand eines Provenienzeintrages auf dem Titelblatt von Nr. 1 des Sammelbandes lässt sich Urban Moser als Besitzer identifizieren. Gebürtig aus Appenzell, hatte er in Basel studiert und 1502 die Profess in der Kartause zu Basel (St. Margarethental) abgelegt. Dort war er als Schaffner und Vikar tätig und erstellte ein systematisches Bücherverzeichnis (Repertorium), das erstmals auch die volkssprachigen Schriften der Klosterbibliothek berücksichtigte.216 Er ist außerdem als Schreiber einiger Handschriften bekannt.217 Exemplarbeschreibung siehe S. 122. Vgl. Braun (1788), S. 206f. 214 Vgl. Dicke (1994), S. 451f.; zu Heinrich Fryess (1474–82) und Johannes von Giltingen (1482–1496) vgl. Augustyn (2010), S. 333f.; Liebhart (1982), S. 145–156; MBK (1977–79), Bd. 3, 1, S. 49; Steichele (1860), S. 275–404; Braun (1788), S. IXf.; zu Buchbestand und -erwerb von St. Ulrich und Afra vgl. MRFH 0165; Augustyn (2010), S. 377–387; Künast (1997), S. 175–180; Schmidt (1985), S. 67–70; zur Klostergeschichte vgl. außerdem R. Schmidt (1997); Seiler (1995); Liebhart (1985); ders. (1982), insb. S. 145–159; Hemmerle (1970), S. 45–50. 215 Vgl. R. Schmidt (1997). 216 Basel, UB, A. R. 14a; zu Urban Moser und der Kartause Basel vgl. MRFH 0210 u. 1820; Scarpatetti/Gamper/Stähli (1991), Textbd. S. 274; Burckhardt (1983), S. 36f.; Sexauer (1978), S. 112–114; Vischer/Stern (1872), S. 340, 362. 217 Basel, UB, B. VII. 22; ebd., A. IX. 34, fol. 18r u.ö.; ebd., A. VI. 12; ebd., A. IX. 30, fol. cr u. ö.; A. N. VI. 49; Bern, Burgerbibliothek, A 82, fol. 192r–208v; Den Haag, Museum Meermanno-Westreenianum, 4° 49 (10. E. 8), fol. 136r, 142r; vgl. Krämer (2006). 212 213

1.4 Provenienzen

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Als Besitzer des ‚Apollonius‘ trug er sich in das einzige erhaltene Exemplar der Ausgabe Konrad Dinckmuts aus dem Jahr 1495 ein. Hierbei handelt es sich um einen zeitgenössischen Sammelband, der außer dem ‚Apollonius‘ noch Alanus‘ de Rupe ‚Unser lieben Frauen Psalter‘ und eine deutsche Übertragung der Historia Salomon et Marcolfus enthält.218 Die Inkunabel befindet sich heute in der UB Basel.

Benediktinerabtei Benediktbeuren Dank der detaillierten Aufzeichnungen, die der damalige Abt Narzissus Paumann (1483–1503) über Kauf- und Abschreibearbeiten anfertigte,219 ist im Jahr 1498 die Anschaffung des ‚Apollonius‘ in der Benediktinerabtei Benediktbeuren dokumentiert: 1498 Puecher kauff [...] Item V tautschi puechern scilicet Tundalus lospuech, Propleumata Aristotelis, Brandan und Hystori von küng Appeloni, das als um XV kr. in vigilia Jacobi.220 Unter den identifizierbaren deutschsprachigen Werken, die in diesem Zeitraum angeschafft wurden, findet sich keines, das zum Anschaffungszeitpunkt schon länger als drei Jahre auf dem Markt war. Dieser Umstand legt nahe, dass die Abtei den Ulmer Druck Konrad Dinckmuts aus dem Jahr 1495 besaß, ein entsprechendes Exemplar ist jedoch nicht mehr erhalten.221

1.4.5 Die mitüberlieferten Texte in den Sammelhandschriften Über die ermittelten Provenienzen ließ sich das soziale Umfeld, in dem Steinhöwels Text zunächst handschriftlich, später auch in Drucken rezipiert wurde, hinreichend ermitteln. Darüber hinaus verspricht die Analyse des literarischen Umfeldes nun Hinweise auf die Interessen der Buchbesitzer und den Gebrauchszusammenhang des Textes. Die zeitgenössischen Bucheinheiten der mitüberlieferten Texte sind bei nahezu allen Sammelbänden des 15. Jahrhunderts durch kodikologische Befunde gesichert.222

Exemplarbeschreibung vgl. S. 123f. Vgl. Hemmerle (1991), S. 485–491. 220 Ruf (1930), S. 223; zur Bibliotheksgeschichte vgl. Hemmerle (1991), S. 64–75. 221 Vgl. hierzu Dicke (1994), S. 484 Anm. 153; Druckbeschreibung vgl. S. 123. 222 Die Analyse des literarischen Umfeldes beruht ausschließlich auf Textzeugen, deren Bucheinheit für das 15. Jahrhundert belegt ist, da nur diese für die kulturhistorische Bewertung relevant sind. Wo die zeitgenössische Synthese nicht mehr erhalten ist, wurde die ursprüngliche Textzusammenstellung der Sammelbände (soweit darüber gesicherte Informationen existieren) rekonstruiert; vgl. hierzu jeweils die Handschriften- und Druckbeschreibungen der entsprechenden Textzeugen. Methodisch bietet die Überlieferung des ‚Apollonius‘ diesbezüglich hervorragende Bedingungen, da die Sammelhandschriften des 15. Jahrhunderts von nur einem Schreiber geschrieben wurden, was durchaus als Indiz für eine planvolle Redaktion in einem relativ kurzen Entstehungszeitraum gewerten werden 218

219

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Bei Steinhöwels ‚Apollonius‘ kann die gemeinsame Tradierung z.T. sogar mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Autor zurückgeführt werden, was eine genauere Definition der Autorintention ermöglicht.223 Die Sammelbände sollen deshalb besonders auf die Frage hin untersucht werden, ob sich der oben konstatierte Bildungsanspruch des Autors auch im Überlieferungsumfeld des Textes widerspiegelt. Zunächst überliefern die beiden frühesten bekannten Textzeugen aus dem Jahr 1468 (D und W) ‚Apollonius‘ und ‚Griseldis‘ gemeinsam, deren motivische Parallelen – wie oben dargelegt – im moraldidaktischen Bereich, der Liebesthematik sowie in ihrer Exempel-Funktion unverkennbar sind: Steinhöwel betont in der Druckausgabe von 1474 die ehedidaktische Gebrauchsfunktion der frühhumanistischen Prosanovelle mit der Formel ob ch slliche geschichten [...] vmb ander frowen manung zů gedult geseczet werden.224 In der von Konrad Bollstatter geschriebenen illustrierten Wolfenbütteler Handschrift W wird dieser Textverbund um eine weitere frühhumanistische Übersetzung, Wyles zweite Translation ‚Guiscard und Sigismunda‘, erweitert.225 Die Konstellationen in D und W sprechen daher beide dafür, dass „Steinhöwels Produktion schon früh als zusammenhängendes Œuvre wahrgenommen und akzeptiert worden ist“.226 Zudem findet sich als letzter Text in W der ‚Ackermann aus Böhmen‘ des Johannes von Tepl, der ebenfalls die Aspekte der Liebe und Ehe behandelt. Bei dieser Kombination von Steinhöwels und Wyles Werken scheint es sich laut Hess um ein „öfters reproduziertes Repertoire seiner Schreibstube“ zu handeln, in der Konrad Bollstatter „feste thematische Schemata (mit kleinen Variationen)“227 einhielt. Die Handschrift T aus dem Besitz der Grafen von Thun vereinigt drei Druckabschriften in einer kodikologischen Einheit, die schon auf das 15. Jahrhundert zurückgeht. Der ‚Apollonius‘ folgt hier auf die Druckabschrift von Thürings ‚Melusine‘ – eine Textkombination, die auch in dem Baseler Sammelband des Niklaus Meyer zum Pfeil vorliegt. Inhaltlich schließt auch dieser frühneuhochdeutsche Prosaroman an die Ehethematik an, wobei die Exempelfunktion hier weniger im Vordergrund steht. Berücksichtigt man die Kombination mit dem dritten Text in T, so scheint allerdings der ‚Melusine‘ in dieser Kollektion möglicherweise noch ein anderer Stellenwert zuzukommen. Der Codex schließt

kann (eine Ausnahme stellt V dar, die aber ohnehin nur den Prolog ohne den restlichen Text überliefert und deshalb für die aktuelle Fragestellung gesondert bewertet werden muss). 223 Dass es sich bei der auffällig häufigen gemeinsamen Überlieferung des ‚Apollonius‘ mit der ‚Griseldis‘ um einen wahrscheinlich von Heinrich Steinhöwel in Umlauf gebrachten Textverbund handelt, legen die überlieferten Textzeugen nahe, die diese Symbiose seit 1468 garantieren; vgl. hierzu auch Hess (1975), S. 88. 224 [Ulm: Johann Zainer, vor dem 28. März 1474], Bl. 1a (MRFH 21160; GW M31583); vgl. hierzu u.a. Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 152. 225 Nach Leonardo Bruni: De Guiscardo et Sigismunda – Boccaccio: Decamerone IV, 1; zur Überlieferung vgl. MRFH 0021. 226 Weinmayer (1982), S. 89; vgl. auch Hess (1975), S. 89. 227 Hess (1975), S. 89f.

1.4 Provenienzen

55

mit einem Bericht über die Krönung Maximilians I. und ist somit der erste Textzeuge, der Steinhöwels ‚Apollonius‘ gemeinsam mit einem rein historiographischen Text tradiert. Dies vorausgesetzt muss die ‚Melusine‘ in T möglicherweise stärker in ihrer Funktion gewertet werden, das sowohl spezielle genealogische Interesse eines Adelsgeschlechtes als auch die Faszination an der ruhmreichen Vergangenheit der eigenen Vorfahren zu bedienen.228 In dieses Feld von mitüberlieferten Texten (Herrscherviten, Chroniken u.v.m.), die meist in irgendeiner Weise historische Wahrhaftigkeit beanspruchen, fällt eine Reihe von Werken, mit denen die frühen ‚Apollonius‘-Drucke zusammengebunden wurden, allen voran der ‚Alexander‘ des Johannes Hartlieb. T entstand im Jahr 1488 als eine Kollektion von Druckabschriften und seit der Ausgabe Johann Bämlers von 1476 wurde der ‚Apollonius‘ mit dem Nachschnitt des Einleitungsholzschnitts von Hartliebs ‚Alexander‘ auf den Markt gebracht. Für die Druckvorlage von T ist die Verwendung dieses Einleitungsholzschnitts aufgrund der schlechten Überlieferung zwar nicht mehr nachweisbar, doch sehr wahrscheinlich.229 In dieser geschickten Verkauftsstrategie wird vermutlich der Grund für die häufig anzutreffende gemeinsame Tradierung mit Herrscherviten, Heiligenlegenden, Chroniken und sonstigen historiographischen Schriften liegen, die allerdings ein späteres Phänomen der Drucküberlieferung (respektive der Druckabschriften) ist und in den frühen Handschriften noch nicht auftritt. Die zweite ehemals Donaueschinger Handschrift D­1 (um 1479) enthält eine Druckabschrift des ‚Apollonius‘-Erstdruckes gemeinsam mit dem späten Artusroman ‚Gauriel von Muntabel‘ Konrads von Stoffeln. In dieser Textzusammenstellung überwiegt wiederum das unterhaltende Moment, aber auch die genealogische Anbindung.230 Die in den mitüberlieferten Texten wiederholt auftretende Ehethematik korrespondiert im ‚Gauriel‘ zudem exakt mit der ‚Melusine‘, da auch hier das Motiv der gestörten Mahrtenehe behandelt wird, der schwierigen bzw. unmöglichen Beziehung zwischen einem Sterblichen und einem überirdischen weiblichen Wesen.231 Die letzte hier zu behandelnde Handschrift V muss als Sonderfall betrachtet werden, da sie eine Abschrift des Prologs (Erstdruck) separat unter der Überschrift carmen germanicus überliefert, die von Menhardt noch irrtümlich Johann Hauser zugeschrieben wurde.232 Der übrige ‚Apollonius‘-Text fehlt in der Sammelhandschrift, die von insgesamt sieben Schreibern verfasst wurde und ansonsten Gebete, Segen, Sprüche, geistliche und weltliche Lieder enthält. Vgl. hierzu 1. Teil, Kap. 1.4.2, insb. S. 45–47. Augsburg: Anton Sorg, [14]79 (MRFH 20200; GW 2275); vgl. Druckbeschreibung S. 121f.; zum Einleitungsholzschnitt siehe S. 142f. (Abb. 3). 230 Vgl. hierzu 1. Teil, Kap. 1.4.2, insb. S. 46. 231 Der Begriff der ‚gestörten Mahrtenehe‘ wurde geprägt von Panzer (1902), S. LXXII– LXXX; gerade in jüngster Zeit sind hierzu einige Veröffentlichungen erschienen, vgl. etwa Kraß (2010), S. 98–120; Tang (2009); Steinkämper (2007), insb. S. 14–17; Huber (2004); Schulz (2004); Ziegeler (1985), S. 446–448; Kindl (1984); Lecouteux (1981), insb. S. 59. 232 Zu Johann Hauser vgl. S. 41f. u. Anm 153. 228 229

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

1.4.6 Die mitüberlieferten Texte nach der Drucklegung Die mitüberlieferten Werke in den Sammelbänden der Inkunabelzeit lassen sich in vier große Textgruppen gliedern, von denen die unterhaltende und belehrende Erzählliteratur bei Weitem den größten Anteil ausmacht. Schon früh nimmt auch hier die ‚Griseldis‘ eine besondere Position ein. Die ursprüngliche bibliographische Einheit der beiden Erstdrucke ist für fünf z.T. ehemalige Sammelbände belegt (Exemplare Basel, München [1. Exemplar, Sign.: 2 Inc.c.a. 43], Nürnberg, Sarnen und Stuttgart) und liegt für zwei weitere Exemplare (Berlin und Graz) nahe. Auch Hartmann Schedels Bücherverzeichnis (München, BSB, Clm 263) führt unter den Libri vulgares in lingua theotonica die Historia von Appolonio und Griseldis gemeinsam auf.233 Neben der ‚Griseldis‘ lassen sich innerhalb der Gruppe der Erzählliteratur bevorzugt Symbiosen mit Wyles erster Translation ‚Eurialus und Lucretia‘ und dem Schwankroman ‚Salomon und Markolf‘ beobachten. Darüber hinaus enthalten die zeitgenössischen Sammelbände Schondochs ‚Königin von Frankreich‘,234 Hans Rosenplüts ‚König im Bad‘, ‚Melibeus und Prudentia‘, ‚Tundalus‘, Egenolfs von Staufenberg ‚Peter von Staufenberg‘, die mittelalterliche Fabelsammlung Speculum sapientiae des Bonjohannes de Messana und die deutsche Übertragung dreier Traktate des Albertanus von Brescia unter dem Titel ‚Lehre und Unterweisung‘.235 Der belehrende Aspekt innerhalb dieser Textgruppe bezieht sich vorrangig auf Moral- und Ehedidaxe, Motiventsprechungen liegen im Bereich der Herrschafts- und Ehethematik, Geduld und Leidensbereitschaft der Ehefrauen sowie der gestörten Mahrtenehe. Die zweitgrößte Textgruppe, die gemeinsam mit dem ‚Apollonius‘ in zeitgenössischen Sammlungen überliefert wird, betrifft im weitesten Sinne populäre Wissensliteratur, praktische Handbücher und Gebrauchstexte. Mit drei Exemplaren ist hier der ‚Belial‘ des Jacobus de Theramo am stärksten vertreten, daneben der ebenfalls rechtspragmatische Processus juris, der ‚Lucidarius‘, das ‚Büchlein, wie man Fische und Vögel fangen soll‘, das ‚Beizbüchlein‘, die ständische Abhandlung ‚Der Bauern Lob‘ (‚Wer der erste Edelmann gewesen ist‘), aus dem Bereich der Kinderheilkunde das pädagogisch-diätetische ‚Kinderbüchlein‘ des Bartholomäus Metlinger, Ludolfs von Sudheim Reisebuch Libellus de itinere ad terram sanctam und das Speculum vitae humanae des Rodericus Zamoriensis. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der mitüberlieferten Texte ist der Historiographie Zu Schedels Buchbesitz siehe S. 48f. Schondochs ‚Königin von Frankreich‘ wurde auch in die anonyme Fassung der Historia septem sapientum eingegliedert, die in vier Fünfteln der Handschriften als Teil der Gesta Romanorum tradiert wurde; vgl. hierzu Gerdes (1992), Sp. 1177, 1181. 235 Interessanterweise erschien in Johann Bämlers Sammelband gemeinsam mit ‚Lehre und Unterweisung‘ im Jahr 1472 zunächst die ‚Griseldis‘ (GW M17713), die offenbar bei der zweiten Auflage (GW M17724) im Jahr 1476 durch den ‚Apollonius‘ ersetzt wurde. Bei ‚Lehre und Unterweisung‘ handelt es sich um eine verkürzte Version der Traktate De doctrina (arte) dicendi et tacendi, Liber consolationis et consilii und De amore Dei et proximi des Albertanus von Brescia; vgl. Koppitz (1978), Sp. 152. 233

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1.4 Provenienzen

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zuzurechnen.236 Hierunter finden sich diverse Chroniken wie die ‚Kaiserchronik‘, die ‚Chronik von Andechs‘, Martins von Troppau Chronicon pontificum et imperatorum (‚Chronik des Martin von Polen‘), Johannes Lichtenbergers Revolutio anni Septuagesimi und Hans Erhart Tüschs ‚Burgundische Historien‘. Das Leben historischer Personen thematisieren Johannes Hartliebs ‚Alexander‘ und die ‚Historia. Der Graf von Savoyen‘. Zum literarischen Umfeld des ‚Apollonius‘ zählen schließlich auch geistliche und erbauliche Texte wie ‚Unser lieben Frauen Psalter‘ des Alanus de Rupe und die Heiligenlegenden ‚Leben des hl. Ivo Hélory‘ sowie die Legenda et officium Sancti Wolfgangi.

1.4.7 Sammlungstendenzen Das Rezeptionsinteresse, das sich an der Überlieferung des ‚Apollonius‘ ablesen lässt, korrespondiert nahezu vollständig mit dem der ‚Griseldis‘.237 Wo die Handschriften nicht aus adeligem Umfeld (wie D, D1 und T) stammen, lassen sie das städtische Patriziat oder ein geistlich-gelehrtes Umfeld vermuten (W und V), das zum Teil in direkter Beziehung zum Autor Heinrich Steinhöwel stand. Dem höfischen Literaturgeschmack gemäß vereinen diese Sammelhandschriften unterhaltende und lehrreiche Erzählliteratur, deren thematische Schwerpunkte vorrangig im Liebes- und Ehediskurs zu verorten sind. Ausschlaggebend für das Sammelprinzip war einerseits die Faszination an der wunderbaren oder ungewöhnlichen Geschichte. Man wollte selczene vnd gar wunderliche fremde hystorie funden in franczsischer sprache vñ welscher zungen hören, wie Thüring von Ringoltingen seine Übertragung der Melusine dem Markgrafen von Hachberg-Röteln, dem Rat und Kämmerer des burgundischen Herzogs, anpreist. Andererseits läßt sich gerade für die ältesten Handschriften ein deutlicher Bezug zum höfischen Liebes- und Ehediskurs feststellen.238

Auch spielt das moralisch korrekte Verhalten in Not- und Grenzsituationen eine wichtige Rolle, das zumeist exemplarisch anhand von (pseudo-)historischen (Herrscher-)Viten illustriert wird. Schon in den frühen Handschriften tritt eine charakteristische Sammlungstendenz auf, späthöfische Prosaromane (z.B. die ‚Melusine‘) mit frühhumanistischen Übersetzungen (etwa der ‚Griseldis‘ und Wyles Translationen) zu kombinieren. Neben dem Bedürfnis nach delectatio tritt hier der Bildungsimpetus zutage, „im Rückgriff auf verbürgte Erfahrungsweisheiten allgemein verbindliche Verhaltensregeln aufzustellen.“239 Standen die Provenienzen der meisten frühen ‚Apollonius‘-Textzeugen in einem mehr oder weniger direkten Zusammenhang zu Steinhöwels sozialem Zur Frage nach Fiktionalität und Historizität vgl. S. 91–95, insb. S. 91 Anm. 120. Vgl. Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 31–47; 191–218; Hess (1975), S. 58–107. 238 Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 82. 239 Leipold (1976), S. 251. 236 237

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

und geographischem Umfeld, so findet in der Inkunabelzeit eine allmähliche Öffnung der Rezeptionssphäre statt, die sich sowohl auf die Besitzer als auch auf die mitüberlieferten Textsorten bezieht. Einerseits adaptiert das städtische Publikum den höfischen Literaturgeschmack und „übernimmt die ursprünglich für den Adel konzipierte Literatur ins eigene Selbstverständnis“.240 Andererseits geht mit der Erweiterung der Leserschichten auch eine Ausweitung des Gattungsspektrums einher: Wurde in den Handschriften – mit Ausnahme des Krönungsberichts in T – vor allem Erzählliteratur gemeinsam tradiert, so finden sich in den Sammelbänden der frühen Druckausgaben nun vermehrt lebenshilflich orientierte Schriften, populäre Wissensliteratur, praktische Handbücher und andere Gebrauchstexte. Diese Verbindung des Nützlichen mit dem Angenehmen, die Inge Leipold für die „frühe deutschsprachige Druckprosa“ als charakteristisch bezeichnet,241 tritt besonders ausgeprägt bei Johann Bämler auf, der unter dem Titel ‚Lehre und Unterweisung‘ verschiedene lehrhafte Traktate und novellistische Exempel in einer bibliographischen Einheit auf den Markt brachte: ‚Lehre und Predigt, wie sich zwei Menschen in dem Sakrament der Ehe halten sollen‘, ‚Neun Stücke, damit man Gott einen besonderen Wohlgefallen tut‘, ‚Der menschen spiegel‘ des (Pseudo-)Aurelius Augustinus, ‚Die fünf Anfechtungen‘ und ‚Wie man Höfe, Zehnte und Mühlen verleihen soll‘. Das Register des Stuttgarter Exemplars (Bl. 1arv) führt den ‚Apollonius‘ zwar als zweiten Teil des Sammelbandes auf, diese Bucheinheit ist aber für keines der erhaltenen Exemplare eindeutig zu belegen.242 Der Augsburger Sammelband (Augsburg, SSB, 4° Ink. 231), der neben dem ‚Apollonius‘ mit ‚Melibeus und Prudentia‘ einen Teil der ‚Lehre und Unterweisung‘-Texte enthält, tradiert zudem noch das ‚Beizbüchlein‘, ein rein praktisches Werk der populären Wissensliteratur.243 In diesen Konstellationen überwiegt die praktische Gebrauchsfunktion der Texte, was „auf eine intensive Einbeziehung dieser frühhumanistischen Novellistik in den Alltag ihrer Besitzer und Leser“ schließen lässt.244 Setzt man voraus, dass der ‚Apollonius‘ in diesen Überlieferungszusammenhängen als eine zur Nachahmung geeignete Herrschervita verstanden wurde, passt er sogar auch in den Kontext geistlicher Texte wie Heiligenviten und -legenden, die ebenfalls das vorbildliche Leben einer (pseudo-)historischen Person thematisieren. Den Textkombinationen, die durch kodikologische Befunde gesichert sind, scheinen allerdings nur zum Teil spezielle Sammlungspräferenzen zugrun-

Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 17. Leipold (1976), S. 252; vgl. auch dies. (1974), S. 264–290. 242 Augsburg: [Johann Bämler], 24. 3. 1476 (GW M17724); Druckbeschreibung vgl. S. 120f.. 243 ‚Melibeus und Prudentia‘: Augsburg: Anton Sorg, 6. 8. 1480 (GW 12642); ‚Beizbüchlein‘: [Augsburg: Anton Sorg, um 1480] (GW 3785). 244 Hess (1975), S. 107. 240 241

1.4 Provenienzen

59

de zu liegen. Die im Heidelberger Cpg 154245 zusammengebundenen Werke beschäftigen sich beispielsweise allesamt mit Herrscherpersönlichkeiten, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven: Die Textkombination umfasst Chroniken über Kaiser, Päpste und andere Herrscher (Martins von Troppau Chronicon pontificum et imperatorum, Auszüge der ‚Kaiserchronik‘, ‚Andechser Chronik‘), (pseudo-)historische Herrscherviten (Hartliebs ‚Alexander‘, Steinhöwels ‚Apollonius‘) und Erzählungen über rechtsprechende Herrscher (‚Salomon und Markolf‘, Jacobus‘ de Theramo ‚Belial‘) mit rechtspragmatischer Funktion.246 Diesem Kontext entspricht auch die Widmung an Herzog Albrecht von Bayern und Anna von Braunschweig (Bl. 144r), in der Johannes Hartlieb die exemplarische Vorbildfunktion seines Alexander-Romans unterstreicht: Daz ratt ich auch dier, mein allergnädigister herr, daz du dem nachuolgest. [...] lesett offt vnd geren die altten coronicken, vnd was guettes darinne sey, dem volgett, vnd was rechttem adel nichtt zuestee vnd zuegehor, daz verwerffett [...].247

Ein weiteres Beispiel für eine inhaltszentrierte Textkombination ist der Sammelband des Baseler Patriziers Niklaus Meyer zum Pfeil, der in der typischen Konstellation die beiden frühen Übersetzungen Steinhöwels (‚Apollonius‘, ‚Griseldis‘) mit einer Translation Wyles (hier ‚Eurialus und Lucretia‘) tradiert. Ehemals angebunden waren weiterhin die ‚Burgundischen Historien‘ des Hans Erhart Tüsch und eine Kopie von Thürings ‚Melusine‘, die der Handschriftenbesitzer persönlich angefertigt hatte.248 Abgesehen von diesen thematisch ausgerichteten Textkollektionen treten unter den Sammelbänden der Inkunabelzeit vor allem Textverbünde auf, die einen breiten Querschnitt der aktuellen Neuerscheinungen repräsentieren und vermutlich auf die Vermarktungsstrategien der frühen Buchdrucker bzw. Druckerverleger zurückzuführen sind. Häufig sind zahlreiche Ausgaben eines Druckers aus ein und demselben Jahr zusammengeheftet, was darauf schließen lässt, dass die Inkunabeln gemeinsam verkauft wurden und sich demzufolge in den Sammelbänden oftmals aus rein praktischen Gründen das aktuelle Sortiment eines bestimmten Druckers befindet. Ein markantes Beispiel für eine derartige Textzusammenstellung ist der Sammelband des Erfurter Bistumsarchivs (ehem. Dom-Archiv), Inc. 77a, der neben Johann Zainers ‚Apollonius‘-Ausgabe aus dem Jahr 1499 und zwei Beschreibung des Sammelbandes und weiterf. Lit. vgl. S. 114f. Mit dem ‚Belial‘ ist der ‘Apollonius‘ auch im New Yorker und Sarnener Exemplar des Erstdruckes überliefert; mit ‚Salomon und Markolf‘ im Baseler Exemplar des 1495er Druckes von Konrad Dinckmut (Basel, UB, FP VIII2 3:2); die Textzusammenstellung ist naheliegend, da die beiden Werke (ebenso wie der ‚Apollonius‘) von einem rätsellösenden König handeln. 247 Zitiert nach Pawis (1991), Z. 53f., 63–65. 248 Basel, UB, Inc. 216; Exemplarbeschreibung vgl. S. 112f.; zu Niklaus Meyer zum Pfeil siehe S. 49f.; eine nahezu identische Textkollektion existiert im Grazer Exemplar des ‚Apollonius‘-Erstdruckes (Graz, Steiermärkische Landesbibliothek, T 15.774 III [an 15771 III – 15775 III]), bei dem die zeitgenössische Überlieferungssymbiose allerdings aufgrund einer modernen Bindung nicht mehr nachweisbar ist. 245

246

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1. Teil: 1. Autor und Werk im zeitgenössischen Kontext

Speyerer Drucken nahezu alle Inkunabeln in einer Bucheinheit vereinte, die der Erfurter Drucker Hans Sporer in den Jahren 1497/98 auf den Markt brachte (sechs von acht Ausgaben).249 Weitere Beispiele für Sammlungen, die auf das Sortiment einer bestimmten Offizin zurückzugehen scheinen, sind die ‚Lehre und Unterweisung‘-Ausgaben Johann Bämlers250 (deren Zusammenstellung bisweilen variieren konnte) und der Augsburger Sammelband 4° Ink. 231, der ausschließlich Drucke Anton Sorgs enthält.251 Da diese Textkombinationen nicht in den frühen Handschriften, sondern ausschließlich bei Sammelbänden von Frühdrucken im städtischen Umfeld auftreten, kann auch für die ‚Apollonius‘-Überlieferung als gesichert gelten, was Christa Bertelsmeier-Kierst für Steinhöwels ‚Griseldis‘ feststellte: In ihrer chronologischen Entwicklung betrachtet, gestattet uns die handschriftliche Überlieferung der ‚Griseldis‘, mit der allmählichen Ablösung aus der ersten Rezipientenschicht eine Verlagerung des Literaturgeschmacks zu erkennen. Deutlich zeichnet sich mit dem Übergang zu städtischen Kreisen auch ein gattungsspezifischer Wandel in den Sammelhandschriften ab.252

1.4.8 Ergebnisse Die zeitgenössische Rezeption des Werkes war offenbar stark von persönlichen Beziehungen abhängig, weshalb von einer breiten oder anonymen Öffentlichkeit zumindest in der Frühphase keine Rede sein kann. Somit bestätigt die ‚Apollonius‘-Rezeption Müllers Feststellung, der Verbreitung von Literatur seien relativ enge regionale und – da überwiegend auf persönlichen Verbindungen aufbauend – auch soziale Grenzen gesetzt, weniger durch ständische Schranken, sondern weil Texte nicht ‚öffentlich‘ zugänglich sind.253

Die Rezeption des ‚Apollonius‘ im adeligen Umfeld korrespondiert zwar einerseits mit der Herrscherthematik, es lässt sich aber zusätzlich ein Phänomen beobachten, das neben der ‚Melusine‘ verschiedenen anderen frühneuhochdeutschen Prosaromanen eigen ist: Die höfisch-adelige Kulturwelt wird stark abgewandelt und reduziert dargestellt, sodass der Text auch das Interesse eines Publikums bedient, das selbst keinen Anteil an dieser Kultur hat. Will man bei den entsprechenden Höfen schon nicht von „literarischen Zentren“ sprechen, so kann man doch zumindest von „exklusiven gesellschaftlichen Zirkeln“ ausgehen, „die mit gleichgearteten Zirkeln an anderen Orten – u.a. auch

Exemplarbeschreibung vgl. S. 124f. Exemplarbeschreibungen vgl. S. 120f. 251 Exemplarbeschreibung vgl. S. 122. 252 Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 45. 253 Müller (1985), S. 42. 249

250

1.4 Provenienzen

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über Literatur – kommunizieren“.254 Die Exklusivität dieser Interessenssphäre wird an den vielfältigen mehr oder weniger direkten persönlichen Verbindungen zum Autor deutlich, die bei der Untersuchung der Besitzer wiederholt ins Auge springen.255 Zwar spielt der gemeine Mann als Leser im 15. Jahrhundert definitiv noch keine Rolle, die Überlieferung zeigt aber dennoch eine chronologische Entwicklung, in deren Folge sich das Publikum deutlich erweiterte: Konzentrierte sich die Rezeption in der Frühphase auf den Hochadel, so fand gegen Ende des 15. Jahrhunderts verstärkt eine Öffnung in den städtischen Bereich des gebildeten Bürgertums statt.256 Diese Verlagerung hing selbstverständlich mit dem Medienwechsel von der Handschrift zum Buchdruck zusammen, weshalb die Handschriften überwiegend im adeligen Kontext, die Inkunabeln dagegen auch im städtischen Umfeld zu finden sind. Ebenso kann im literarischen Umfeld des ‚Apollonius‘ eine chronologische Entwicklung konstatiert werden. Der Text wird zunächst handschriftlich in adeligen Kreisen – einem kleinen Personengeflecht, zu dem der Autor z.T. persönlich in Kontakt stand – gemeinsam mit auf delectatio zielenden Texten tradiert. Durch den Medienwechsel und die Vervielfältigung im Buchdruck öffnet sich die Rezeptionssphäre dann schrittweise einem städtischen Publikum, das den Text gemeinsam mit lehrhafter Erzählliteratur sowie Fach- und Gebrauchsliteratur rezipiert. Der direkte Kontakt des Rezipienten zum Autor ist nun nicht mehr gegeben, das Publikum allerdings nach wie vor als eine kleine exklusive Leserschicht zu verstehen.

Müller (1977), S. 73; vgl. auch Bertelsmeier-Kierst (2010), S. 88f.; Müller (2010), S. 110–113. 255 Vgl. zur parallel verlaufenden ‚Griseldis‘-Rezeption Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 335; Hess (1975), S. 74: „Bei einem Autor wie Steinhöwel, den persönliche und literarische Beziehungen mit den Höfen der Pfalz, Württemberg-Badens und Österreichs verknüpfen, scheint mir eine erste Präsentation seiner Novellenübersetzung in eben diesem gesellschaftlichen Umkreis auch durchaus naheliegend: denn all seine folgenden Werke stehen durch ihre Dedikationen im Bannkreis jener durch Verwandtschaft und literarischgesellschaftliche Kontakte verflochtenen Adelsschicht des Südens und Südwestens.“ 256 Um diesen Prozess nachvollziehbar zu machen, wurden in den Exemplarbeschreibungen (S. 112ff.) alle ermittelten Besitzer der überlieferten Inkunabeln verzeichnet. 254

Abb. 1:

Spielstein mit Episode aus dem Leben des Apollonius von Tyrus; Elfenbein. Köln um 1170. Metropolitan Museum of Art, New York.

2

Die Apollonius-Tradition im 15. Jahrhundert

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jahrhundert 2.1.1 Historia Apollonii regis Tyri Die Geschichte des Königs Apollonius von Tyrus zählte in der europäischen Literatur von der Spätantike bis weit über die Renaissance hinaus zu den populärsten Erzählstoffen und übte auf die lateinische wie die volkssprachige Literaturtradition prägenden Einfluss aus.1 Als frühester Beleg für die Kenntnis gilt ein zwischen 566 und 568 entstandenes Distichon des späteren Bischofs von Poitiers Venantius Fortunatus, das auf den Schiffbruch des Apollonius hindeutet: tristius erro nimis patriis vagus exul ab oris, quam sit Apollonius naufragus hospes aquis.2

Zudem belegt ein um 1170 gefertigter Spielstein aus Elfenbein, der die Seebestattung der scheintoten Ehefrau des Apollonius darstellt, die Präsenz des Stoffes im Mittelalter auch über den literarischen Bereich hinaus (Abb. 1). Den verschiedenen Versionen des Apollonius-Stoffes liegt üblicherweise die Historia Apollonii regis Tyri zugrunde.3 So gehen auch Steinhöwels direkte Quellen (das Pantheon Gottfrieds von Viterbo und die Apollonius-Fassung der Gesta Romanorum) auf die Historia zurück. Sie gehört zu den beliebtesten Erzähltexten des Mittelalters, war im gesamteuropäischen Kulturkreis verbreitet und weist eine kontinuierliche Tradierung bis in die Frühe Neuzeit Hier ist vor allem der mhd. ‚Orendel‘ und der afrz. ‚Jourdain de Blaye‘ zu nennen, der ‚Faustinian‘, die mhd. ‚Kaiserchronik‘, der Tristan-Roman in seinen verschiedenen Fassungen, aber auch der ‚Manekine‘-Stoff, die an. ‚Thidrekssaga‘ u.v.m.; vgl. Tomasek (1997); Goepp (1938), S. 150–172; zum ‚Apollonius‘ allgemein vgl. u.a. Lienert (2001), S. 163–175; Haug (1999). 2 Krusch (1885), 1. Carminum Liber VI, Carmen 8 De Coco qui ipsi navem tulit, S. 148, Z. 5f.; zu diesem und weiteren frühen Belegen vgl. Archibald (1991), S. 45; Peters (1904), S. 51f.; Manitius (1892), S. 140; Haupt (1876), S. 11–17. 3 Editionen (Auswahl): Panayotakis (2012), konnte nicht mehr eingearbeitet werden; Kortekaas (2004); Waiblinger (1994); Archibald (1991); Schmeling (1988), Redaktion RC, eine der vielen Mischtexte; Kortekaas (1984). Forschung (Auswahl): Panayotakis (2012); Kortekaas (2007); Junk (2003), S. 12–59; Achnitz (2002), S. 252–277; Lienert (2001), S. 163–175; Müller (1991), S. 267–279; Kortekaas (1990), S. 103–122; Holzberg (1990), S. 91–101; ders. (1989), S. 363–375; Ziegler (1984), S. 220. 1

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

auf. Der spätantike Text geht auf das 5./6. Jahrhundert zurück und bildet den Ausgangspunkt der lateinischen Überlieferung.4 Die aktuelle Forschung kennt 114 lateinische Handschriften aus dem 9. bis 17. Jahrhundert,5 die sich in zwei Hauptredaktionen aufspalten lassen: die jüngere (RB) steht in direkter Abhängigkeit zur älteren (RA), bei den übrigen Bearbeitungen handelt es sich um Mischredaktionen.6 Der Handlungsverlauf stimmt in den verschiedenen Redaktionen der Historia weitgehend überein. Der erste Schauplatz der Geschichte ist Antiochia, wo König Antiochus mit seiner Tochter in einem inzestuösen Verhältnis lebt. Er will seine Tochter nur demjenigen zur Braut geben, der sein Rätsel löst, in welchem er den Inzest gesteht. Kann der Freier das Rätsel nicht lösen, lässt Antiochus ihm den Kopf abschlagen und auf einen Zaunpfahl vor dem Schloss aufspießen. Als der junge König Apollonius erscheint, löst er das Rätsel und deckt die unhaltbaren Verhältnisse am Hof auf. Anstatt ihm die versprochene Tochter zu überlassen, jagt ihn der eifersüchtige Antiochus jedoch fort und schickt ihm einen Boten nach, der ihn töten soll. Auf der Flucht gerät Apollonius in einen Seesturm, durch den er alles Hab und Gut verliert. Nur knapp dem Tod entgangen, gelangt er mittellos zum Hof des Königs Archistrates, der ihn angesichts seiner ausgezeichneten Erziehung und glänzenden musischen Begabung als Hauslehrer für seine Tochter Cleopatra aufnimmt. Diese verliebt sich sogleich in ihren Lehrer und erhält schließlich von ihrem Vater die Erlaubnis, Apollonius zu heiraten. Als die Nachricht eintrifft, der verbrecherische Antiochus und seine Tochter seien verstorben, tritt Apollonius zusammen mit seiner hochschwangeren Frau die Reise nach Antiochia an, um dort die Herrschaft zu übernehmen, die er durch die Lösung des Rätsels erhalten hatte. Auf dieser Schiffsreise wird Apollonius erneut von einem Seesturm überrascht und die Aufregung löst bei der Hochschwangeren Wehen aus. Verfrüht bringt sie das gesunde Kind zur Welt, bleibt selbst aber bewusstlos und wird, da man sie für tot hält, in einem Sarg auf dem Meer zurückgelassen. Apollonius gibt den Säugling, ein Mädchen namens Tarsia, in die Obhut von Pflegeeltern und reist daraufhin viele Jahre ziellos und verzweifelt auf dem Meer umher. Als Tarsia vierzehn Jahre alt ist, vernachlässigen die Zieheltern ihre Pflichten und trachten ihr aus niederen Beweggründen nach dem Leben. Auf der Flucht gelangt sie in die Hände von Piraten, die sie schließlich in ein Bordell verkaufen, wo sie durch ihren scharfen Intellekt und ihre außergewöhnliche Wortgewandtheit ihre Keuschheit bewahren kann. Mit ihrer Sangeskunst gewinnt sie zudem das Herz des jungen Prinzen Athenagoras, der sie von nun an protegiert. Zufällig landet Apollonius in ebendieser Stadt und seine Tochter Tarsia wird zur Aufmunterung auf sein Schiff geschickt. Als sie in einem Lied ihr ungefell besingt, erkennen sich Vater und Tochter. Apollonius bestraft dann in einem ordentlichen Prozess den Bordellbesitzer und gibt Tarsia dem Prinzen Athenagoras zur Frau. Bald darauf erfährt Apollonius in einem Traum den Aufenthaltsort seiner vermeintlich toten Frau. Sie war in ihrem Sarg an Land getrieben, zufälligerweise von einem Arzt entdeckt und wiederbelebt worden, und hatte seitdem ein frommes Leben als Priesterin im Diana-Heiligtum von Ephesos geführt. Dorthin reist nun Apollonius mit seiner Tochter Tarsia und als die Familie glücklich vereint ist, hält Apollonius die Ereignisse seines Lebens in einem Buch fest.

Zur Datierung der Historia Apollonii regis Tyri vgl. Kortekaas (1990), S. 116–121. Vgl. Archibald (1991), S. 3; Übersicht und Beschreibung der Handschriften vgl. Kortekaas (1984), S. 14–58; Auflistung der Handschriften vgl. Schmeling (1988), S. IX–XI; zur Überlieferungsgeschichte vgl. auch Archibald (1991), S. 17–61, 258–261; Klebs (1899), S. 12–186. 6 Eine vergleichende Analyse von RA und RB bietet Kortekaas (2004), S. 25–29. 4 5

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jh.

65

Die Historia apollonii regis tyri verbindet christliche und antike Elemente; ob ihr eine griechische oder lateinische Quelle zugrunde liegt, wird kontrovers beurteilt.7 Auf der Grundlage der Historia-Redaktionen (RA und RB) entstanden bis in die jüngste Gegenwart hinein zahlreiche Adaptationen, Übersetzungen und Nacherzählungen. Elisabeth Archibald zählt insgesamt 43 Versionen, von denen es sich bei neun um lateinische Fassungen, bei den übrigen um Übersetzungen in nahezu alle europäischen Sprachen handelt. Hinzu treten literarische Referenzen u.a. in Chaucers ‚Canterbury Tales‘, im ‚Alexanderlied‘ des Pfaffen Lambrecht, den ‚Carmina Burana‘ und Shakespeares ‚Pericles‘.8 Neben den vielen Fassungen haben auch einzelne Motivketten weitreichenden Einfluss auf die volkssprachige Erzählliteratur des Mittelalters ausgeübt, etwa auf die Tristan-Tradition, wenn bei Gottfried von Straßburg der unerkannte und überaus begabte Königssohn Tristan als musikalischer Hauslehrer auftritt. Noch verbreiteter ist das �������������������������������������������������������������� Motiv des eifersüchtigen Königs, der zur Warnung die abgeschlagenen Köpfe der Freier auf seinen Zaunpfählen anbringen lässt.9 Auch die insgesamt 10 Rätsel der Historia Apollonii regis Tyri haben breit gewirkt.10 Die lateinisch-gelehrte Rezeption des Apollonius-Stoffes im 15. Jahrhundert war vornehmlich auf Belehrung durch historische Exempel ausgerichtet.11 Hier

Nachdem Erwin Rohde (1876) noch einen griechischen Ausgangstext des 3. Jahrhunderts angenommen hatte, stellte Klebs (1899) die Hypothese eines lateinischen Quelltextes auf, der sich Schmeling und zuletzt Junk anschlossen; vgl. Rohde (1876), S. 436–453; Klebs (1899), S. 491–503; Peters (1904), S. 54–62; Schmeling (1988), S. V–XXXI; Vielberg (2000), S. 143f.; Junk (2003), S. 15. Aufgrund von Motiv-Entsprechungen zwischen der Historia und der Odyssee hat jüngst Kortekaas wieder die These eines griechischen Vorläufers angenommen, dessen Entstehung er im 2./3. Jahrhundert in Syrien verortet; vgl. hierzu insb. Kortekaas (2004). Panayotakis (2012) konnte bis zur Fertigstellung des Manuskripts nicht eingesehen werden. 8 Bereits aus dem 10. Jahrhundert ist eine Übersetzung ins Altenglische überliefert und aus dem 13. Jahrhundert eine pikardische Prosafassung sowie ein altfranzösisches Gedichtfragment. Eine Zusammenstellung der literarischen Referenztexte und Anspielungen bietet Archibald (1991), S. 217–233; dies. (1984), S. 248–257. 9 Weiterhin ist in diesem Zusammenhang der Inzest zwischen dem König und seiner Tochter sowie das Motiv des nicht ausgeführten Mordauftrages zu nennen, das bis heute im Märchen von Schneewittchen tradiert wird; vgl. Tomasek (1997), S. 230–233; Clausen-Stolzenburg (1995), S. 147–154. 10 RA 42, 2 – 43, 27; sie entstammen der Rätselsammlung des Symphosius, die heute in das 4./5. Jahrhundert datiert wird und zeigen im Wortlaut nur sehr geringe Abweichungen von der Quelle. Abdruck der Rätsel bei Bergamin (2005): II Flöte (S. 4 ), XIII Schiff (S. 12 ), LXXXIX Bad (S. 64), LXI Anker (S. 44), LXIII Schwamm (S. 46), LVIII Ball (S. 42), LXIX Spiegel (S. 50), LXXVII Räder (S. 56), LXXVIII Treppe (S. 56); vgl. auch Kortekaas (1984), S. 98; Glorie (1968), S. 611–721; zu Symphosius vgl. Schupp (2002), S. 198f.; Marco (1968), S. 149–151; Ohl (1928). 11 Zur Exempelfunktion der Historia vgl. Maigler-Loeser (2004); um die handschriftliche Überlieferung zur Zeit Steinhöwels näher einzugrenzen, wurden exemplarisch die bei Manuscripta Mediaevalia (http://www.manuscripta-mediaevalia.de) verzeichneten Handschriften der Historia Apollonii regis Tyri aus dem 15. Jahrhundert untersucht: Augsburg, SSB, 2° Cod. 126; Augsburg, UB, Cod. II.1.2° 190; München, UB, 8° Cod. ms. 154; Wien, ÖNB, Cod. 362 u. Cod. 480; Zwickau, Ratsschulbibliothek, Ms. XXIV, IVV, 18. 7

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

wurde der Text in der lateinischen Fassung der Historia, aber auch in der Version der Gesta Romanorum im Sinne Petrarcas als historisch verbürgte Herrschervita verstanden.12 Insbesondere die mitüberlieferten Texte legen dies nahe, da die Historia auch in frühhumanistischen Sammelhandschriften meist im Kontext historischer Schriften überliefert wurde. Diese gemeinsame Tradierung steht in engem Zusammenhang mit der humanistischen Wiederentdeckung antiker, aber auch mittelalterlicher Texte des 12. Jahrhunderts, wie den Chroniken Ottos von Freising durch Enea Silvio Piccolomini.13 Neben dem historischen Interesse kann noch ein weiteres wichtiges Moment, vor allem in der lateinisch-gelehrten Rezeption, festgehalten werden: der frühhumanistische Liebes- und Ehediskurs. Auch in diesem Kontext bietet der Apollonius-Text hinreichend Anschauungsmaterial, speziell für tugendhaftes weibliches Verhalten in existenziell bedrohlichen Situationen, die allesamt mit dem Thema Keuschheit verbunden sind. Der dritte Aspekt, der für die lateinisch-gelehrte Rezeption von Bedeutung gewesen zu sein scheint, ist das in der Historia transportierte Tugend- und Herrscherideal, weshalb der Erzählung (wie auch dem ‚Alexander‘) eine Fürstenspiegel-Funktion zukommt. Da die Geschichte geographisch im Vorderen Orient situiert ist, umgibt sie ein exotisches Flair, das ihrer Tradierung eine gesamteuropäische Perspektive eröffnete. Der junge König Apollonius wird als Inbegriff des vernunftgeleiteten und unkriegerischen Herrschers dargestellt, der in lebensbedrohlichen Situationen stets rational und mithilfe seiner Bildung nach friedlichen Lösungen sucht.14 Im christlichen Sinne entspricht Apollonius Petrarcas Modell des geprüften Menschen, dessen Tugendhaftigkeit sich von den Negativbeispielen (König Antiochus, Bordellbesitzer) vorbildlich abhebt.15 Bereits im 12. Jahrhundert lässt sich an einer Stuttgarter Handschrift die Rezeption im historischen Kontext belegen, da die Historia hier gemeinsam mit Excerpten Ottos von Freising tradiert wird.16 Im 15. Jahrhundert wird der Text dann vielfach im Süden des deutschen Sprachgebietes abgeschrieben und vorwiegend im geistlichen Umfeld, meist gemeinsam mit Schriften des Augustinus, Legenden und Mirakeln überliefert. Daneben ist aber auch der historiographische Kontext von Bedeutung, denn die Historia wird ebenso mit Alexander-Viten, dem Brief Alexanders d. Gr. an Aristoteles, der Geschichte über die Zerstörung Trojas, der Chronica des Isidor von Sevilla und anderen geschichtlichen Texten tradiert. In frühhumanistischen Sammelhandschriften kommen Textverbünde mit antiken Autoren wie Boethius, Ovid, Seneca und Terenz hinzu. Zum humanistischen Geschichtsverständnis vgl. grundlegend Kessler (1971). Vgl. hierzu Schmidt (1993), S. 12; Langosch (1981), Sp. 176–178; siehe hierzu auch S. 18. 14 In demütiger Leidensbereitschaft duldet er desaströse Schicksalsschläge (den Verlust aller weltlichen Güter, seines Königsstatus‘ und seines Reiches, den vermeintlichen Tod seiner Frau und seiner Tochter), ohne sich jemals dem Affekt hinzugeben, und wird für dieses besonnene Verhalten schließlich mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Verhältnisse und der Wiedervereinigung mit seiner Familie belohnt. 15 Vgl. Noe (1993), S. 161. 16 Stuttgart, WLB, Cod. hist. 2° 411. 12 13

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jh.

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Auch Hartmann Schedel besaß eine lateinische Abschrift der Historia (München, BSB, Clm 215, Bl. 194–205), die in seinem Bücherverzeichnis unter den Moderniores historici verzeichnet wurde: Liber historiarum in quo Cronica summorum pontificum et imperatorum continentur: historia Troiana Guidonis de Columpa: Alexandri Magni historia et Appolonij Tirij: historia Leonardi Aretini de bello Italico contra Gothos cum quibusdam operibus Enee ac variis aliis lepide scriptis.17 Es handelt sich hierbei um eine 346 Folio-Blätter umfassende Exzerptensammlung, die Schedel gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu großen Teilen selbst anfertigte. Neben Chroniken und historiographischen Werken enthält die Handschrift vor allem Texte zu aktuellen politischen Ereignissen: einige Bullen Papst Pius‘ II. sowie Briefe und Auszüge von Werken namhafter Humanisten wie Francesco Petrarca, Leonardo Bruni, Gregor Heimburg und Nikolaus von Kues. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf den Schriften Enea Silvio Piccolominis, von denen die Handschrift neben päpstlichen Bullen besonders viele Briefe und Reden überliefert. Die lateinische Version des ‚Apollonius‘ wurde im Jahr 1462 von einem unbekannten Schreiber unmittelbar hinter der Historia Alexandri Magni in die Sammelhandschrift eingetragen. Ein weiterer Textzeuge, die Aschaffenburger Handschrift, die sich heute unter der Signatur Ms. 33 in der Hofbibliothek befindet, tradiert die Historia im Kontext von historischen und humanistischen Texten.18 Sie wurde 1466 von Johannes Vogel gebunden und als Schreiber ist der Erfurter Gelehrte Gotfrid Walack d. Ä. belegt, der die Handschrift im Jahr 1459 offenbar für seinen persönlichen Gebrauch anfertigte.19 Die Sammelhandschrift überliefert eine große Anzahl historiographischer Texte zur römischen und böhmischen Geschichte (u.a. Historia de gestis Alexandri Magni, Historia de Karolo Magno, Vite imperatorum imprimis Romanorum), daneben aber auch Briefe Petrarcas und einige Fabeln des Aesop. Der ‚Apollonius‘ erscheint hier auf Bl. 110r–123v unter dem Titel Historia lamentabilis et pulchra de quodam Apollonio Tyro. Zwar lassen sich im Überlieferungskontext der Historia überwiegend historiographische Schriften ausmachen, doch zeigt ein weiterer Fund, dass man sich auch darüber hinaus für das Werk interessierte, da es beispielsweise in einem „humanistische[n] Studienheft eines Nürnberger Scholaren“20 überliefert ist: Stauber (1908), S. 116; zu Schedels Buchbesitz siehe S. 48f.; zum Clm 215 vgl. Sottili (1971), S. 364–382; Stauber (1908), S. 30, 112, 229; Halm (1892), S. 47–52; Chmel (1850). 18 Beschreibung der Handschrift vgl. Kristeller (1983), S. 450f.; Hofmann/Thurn (1978), S. 81–88; Sottili (1971), S. 422–428; Samaran/Marichal (1965), S. 161; Merkel (1836), S. 13 (Nr. 25). 19 Der Schreiber Gotfrid Walack, von dem heute acht Handschriften bekannt sind, lehrte zwischen 1448 und 1475 an der Artistenfakultät in Erfurt; vgl. Krämer (2006); Hofmann/ Thurn (1978), S. 81; Sottili (1971), S. 428; Bénédictins du Bouveret (1967), Nr. 5486; Lieftinck (1964), Textbd. S. 70 (Nr. 162), Tafelbd. Abb. 370–372; Lehmann (1921), S. 8. 20 Bertalot (1910); Beschreibung der Handschrift vgl. auch Klein-Ilbeck/Ott (2009), S. 137–152; Hausmann (1993), S. 106f., Taf. 56 (Abb. Bl. 67v); Dallapiazza (1988), S. 37 (Nr. 52); Kristeller (1983), S. 411; Bolla (1925), S. 90–93. 17

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Cod. Buder q. 105. Diese Handschrift entstand zwischen 1428 und 1464 vermutlich in Pavia.21 Ludwig Bertalot unterscheidet insgesamt vierzehn verschiedene Schreiber überwiegend deutscher Herkunft, unter denen auch Lorenz Schaller auszumachen ist, der zunächst in Leipzig, 1448/50 dann in Bologna studiert hatte und 1463 zum Schreiber des kaiserlichen Landgerichtes in Nürnberg ernannt worden war.22 Die Handschrift enthält eine sehr heterogene Textzusammenstellung, offenbar für Studienzwecke notiert: zahlreiche Briefe, Vorlagen für Reden, Schreibübungen sowie Auszüge aus Werken Enea Silvio Piccolominis, Lorenzo Vallas, Leonardo Brunis, Johannes Pirckheimers und einen Brief Francesco Petrarcas. Darüber hinaus bietet die Handschrift auch eine lateinische Fassung von Brunis Sigismunda-Novelle, die Niklas von Wyle später ins Deutsche übertrug. Einem ähnlichen Kontext entstammt die Augsburger Humanistenhandschrift aus dem Besitz Albrechts von Eyb.23 Der lateinische Codex wurde vermutlich zwischen 1453 und 1459 in Bologna geschrieben und überliefert neben der Historia Apollonii regis Tyri Studien zur frühhumanistischen Komödie, überwiegend eigenhändig von Eyb in den Codex eingetragen.24 Sein Interesse an der Apollonius-Geschichte, aber auch die anderen erwähnten humanistischen Sammelhandschriften, sprechen für das hohe Ansehen und die Aktualität des Apollonius-Stoffes in frühhumanistischen Kreisen.

2.1.2 Gottfried von Viterbo: Pantheon Nicht nur die Historia, Steinhöwels indirekte Quelle, wurde im 15. Jahrhundert breit rezipiert, sondern das humanistisch-gelehrte Interesse galt ebenso dem Pantheon Gottfrieds von Viterbo, den Steinhöwel im Epilog als seinen Gewährsmann anführt.25 Eine Vorbildfunktion für die Liebe zu alten (auch mit-

Auf den Entstehungsort Pavia weisen verschiedene Indizien: Wasserzeichen, Briefe des Antonius Astesanus, der 1434–1436 die Paveser Professur innehatte, eine Petition deutscher Studenten in Pavia sowie ein Brief des Balthasar Rasinus, der ebenfalls als Professor in Pavia tätig war; vgl. Klein-Ilbeck/Ott (2009), S. 138; Bertalot (1910), S. 6. 22 Vgl. Bertalot (1910), S. 7f.; zu Lorenz Schaller vgl. Klein-Ilbeck/Ott (2009), S. 138; Krämer (2006); Wachauf (1972), S. 52 (Nr. 111); Bertalot (1910), S. 8f.; Erler (1895), S. 129. 23 Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 2° Cod. 126; Beschreibung der Handschrift bei Spilling (1984), S. 35–38. 24 Der Hand Albrechts von Eyb entstammen die Texte Titus Maccius Plautus: Bacchides (Bl. 1r–20v), Hugo de Pisanis Philogenia (Bl. 61r–112r), Leon Battista Alberti Philodoxius (Bl. 63r–83r), Mercurius Rancius De falso Hypocrita (Bl. 97v–105r) und ‚Marina‘ (Bl. 105v–112r), eine humanistische Ehenovelle, die Albrecht von Eyb in die Volkssprache übersetzte und in sein ‚Ehebüchlein‘ aufnahm; vgl. Worstbrock (1987a), Sp. 64f. 25 Im 12. Jahrhundert hatte Gottfried von Viterbo den Apollonius-Stoff in das elfte Kapitel des Pantheons, einer als Prosimetrum abgefassten Weltchronik, integriert. Zum Pantheon vgl. u.a. Zapf (2012) mit weiterf. Lit.; Baaken (1999); Dorninger (1997); Sturlese (1993), S. 228–249; Hausmann ����������������������������������������������������������������������������� (1992)�������������������������������������������������������������� ; Archibald �������������������������������������������������� (1991)�������������������������������������������� , S. 185; Kortekaas (1990), S. 111f.; Boockmann (1991); Mulder-Bakker (1988); Langosch, Sp. 173–182 (stellt die Literatur bis 1981 21

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jh.

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telalterlichen) Quellen mag in diesem Zusammenhang kein geringerer als Enea Silvio Piccolomini ausgeübt haben, der im Rahmen der von ihm propagierten studia humanitatis z.B. die Werke Ottos von Freising wiederentdeckt, als Quelle verwendet und wertgeschätzt hatte.26 Das Pantheon Gottfrieds von Viterbo, das möglicherweise auch als Fortsetzung der Chronik Ottos von Freising aufgefasst wurde,27 erfreute sich in humanistisch-gelehrten Kreisen ebenfalls einer besonderen Wertschätzung.28 So belegen zahlreiche Handschriften aus dem süddeutschen Raum,29 dass die Chronik Gottfrieds von Viterbo zur Zeit Steinhöwels keineswegs veraltet, sondern ein nach wie vor geschätztes Werk war, das von Frühhumanisten wie etwa Hartmann Schedel als Quelle für Geschichtsdarstellungen verwendet wurde.30 Da das Pantheon zur Fürstenerziehung bestimmt war,31 verknüpft es lehrreiche und erzieherische Inhalte mit wunderbaren Sagen, Legenden und kurzweiligen Fabeln. So sollte es unter dem Anspruch historischer Glaubwürdigkeit auf unterhaltsame Weise geschichtliche Bildung vermitteln. Neben dem Alexander-Stoff integrierte Gottfried u.a. die Geschichte des Königs Apollonius von Tyrus und reihte sie in einer stark gekürzten Fassung als elftes Kapitel in die Weltgeschichte ein. Hierfür entwarf er eine metrische Neuerung, die sogenannte ‚Gottfriedsche Strophe‘, die sich aus zwei meist gereimten Hexametern zusammensetzt, deren Abschluss ein Pentameter bildet.32 zusammen); Schulz (1926), insb. 111–119; Klebs (1899), S. 338–349; Haupt (1876), S. 26f.; den Apollonius-Teil enthalten die Ausgaben Singer (1895), S. 150–177; Pistorius (1726), Bd. 2, S. 8–392, insb. S. 175–181. Waitz (1870) bietet den entsprechenden Teil nicht und wird im Folgenden vernachlässigt; vgl. zu seinen vielfach irrtümlichen Schlussfolgerungen etwa Sturlese (1993), S. 237 Anm. 410; Schulz (1926). 26 Zur Rezeption Ottos von Freising im (früh-)humanistischen Kontext vgl. S. 18 u. Anm. 31. 27 Dies legt die gemeinsame Überlieferung der Werke Ottos und Gottfrieds (Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek, 4° Cod. 149; Wien, ÖNB­, Cod. 413) nahe; vgl. Langosch, Sp. 176–178. 28 ������������������������������������������������������������������������������������ Die Bedeutsamkeit dieser Werke für die unmittelbare Gegenwart wird nicht zuletzt dadurch erwiesen, dass der Wiener Humanist Johannes Cuspinian die Chronica Ottos von Freising im Jahre 1515 als editio princeps herausbrachte: Straßburg: Matthias Schürer, 1515 (VD 16 O 1434). 29 Manuscripta Mediaevalia (http://www.manuscripta-mediaevalia.de) verzeichnet für das 15. Jahrhundert allein acht Handschriften des Pantheons: ����������������������������� Erlangen, UB, Ms. 589; Frankfurt am Main, Bartholomäusstift, Ms. Barth. 89; ebd. Ms. Barth. 129; Hannover, Niedersächische Landesbibliothek, Ms. XIII 859; Nürnberg, SB, Cent. II, 100; Würzburg, UB, M. ch. f. 23; ebd., M. ch. f. 82; Zwickau, Ratsschulbibliothek, Ms. I, XV, 3. Das Pantheon wird in diesen Handschriften vorrangig mit Chroniken, Annalen und Herrscherviten tradiert, hinzu kommen geistlich-erbauliche Texte (Heiligenlegenden, Mirakel) und Rechtstexte (Gesetze, päpstliche Bullen), vereinzelt auch antike Autoren (z.B. Vergil). 30 Zu Schedels Rezeption mittelalterlicher Geschichtsquellen siehe u.a. Green (2006), S. 206; Worstbrock (2005), S. 303f.; Reske (2000), CD 36. 31 Vgl. Anton (2006), S. 24–26; Dorninger (1997), S. 117–123; Sturlese (1993), S. 244. 32 Vgl. hierzu auch Zapf (1012), Sp. 178; Hagen (1878), S. 21; Gottfrieds Vorlage war eine nicht näher bestimmbare Mischredaktion der Historia Apollonii regis Tyri, die er in verkürzter und leicht abgewandelter Form wiedergab.

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Gottfried richtete seine Schriften an den jungen Heinrich VI. und gleichaltrige Jugendliche am staufischen Hof, deren Erziehung und Bildung ihm ein Anliegen waren.33 Dieses intendierte Publikum besaß zwar grundlegende Lateinkenntnisse, gehörte aber dem Laienstand an.34 Heinrich und den weltlichen Adel als Adressaten seiner Schrift im Blick, betonte Gottfried stets das Ideal eines philosophisch gebildeten und literaturkundigen Herrschers, der nur durch seine eigene Bildung „Vergangenheit und Zukunft erkennen könne“,35 deshalb nicht auf Berater angewiesen sei und daher eine weise Herrschaft ausüben könne. Um dieses Ideal zu erreichen, solle sich der junge Mensch die Biographien und Gesta berühmter Könige und Kaiser einprägen, um an ihrem Beispiel zu lernen.36 Geschichte betrachtete Gottfried als „mistress of life“:37 Die Taten der einstigen Herrscher konnten den gegenwärtigen Königen die ehrenvolle Tradition vergegenwärtigen, in der sie standen, und ihnen Orientierung für ihr Verhalten bieten. Gottfrieds Geschichtsdenken steht der Auffassung Ottos von Freising sehr nahe, der „Geschichtsschreibung mit medizinisch-naturalistischen und platonischen Interessen“38 verband. Otto von Freising stellte mit seiner Chronica und den Gesta Friderici (die nach dem Tod Ottos von Rahewin vollendet wurden) das Vorbild für Gottfrieds Historiographie dar und wurde von ihm (neben verschiedenen anderen Texten) als Quelle benutzt.39 Eine breite Überlieferung zeugt von Gottfrieds Beliebtheit im Mittelalter und auch spätere Chronisten – etwa Martin von Troppau und Rudolf von Ems – orientierten sich an seinem Vorbild.40 Durch sein Bemühen um lehrhafte Unterhaltsamkeit brachte er einem Laienpublikum Philosophie und Geschichte nahe und befriedigte hiermit ebenso den Wissensdurst wie auch das Interesse an bunten und exotisch-fabelhaften Erzählstoffen.

Gottfried widmete seine Schriften Heinrich VI., daher nimmt man allgemein an, er sei als Erzieher Heinrichs tätig gewesen; vgl. Zapf (2012), Sp. 177; Killgus (2001), S. 126–129; Langosch (1981), Sp. 274; Toeche (1867), S. 28. Dagegen geht Baaken (1997), insb. S. 168f., von einem „Zerwürfnis“ zwischen Heinrich VI. und Gottfried um 1186 aus. 34 Mit seinem Ziel, Geschichte in einfacher und eingänglicher Form zu präsentieren, schloss Gottfried Gelehrte als Leser seiner Darstellung sogar explizit aus und legte außerdem entschuldigend Rechenschaft darüber ab, unter welch ungünstigen Umständen er als Kaplan am staufischen Hof seine Werke „in den Winkeln des kaiserlichen Palastes oder auf Reisen zu Pferd unter einem Baum oder im Wald [...], bei der Belagerung von Burgen und in den Gefahren vieler Schlachten“ verfasst habe; vgl. Waitz (1870), S. 105; siehe hierzu auch Sturlese (1993), S. 245f. 35 Ebd., S. 231. 36 Vgl. ebd., S. 230–232. 37 Mulder-Bakker (1988), S. 93. 38 Sturlese (1993), S. 247. 39 U.a. seien hier genannt Wilhelm von Conches: Philosophia; Honorius: Elucidarium; Pseudo-Augustinus: Quaestiones ad Orosium; Nemesius von Emesa: De natura hominis; vgl. Sturlese (1993), S. 239; Hommers (1968), S. 174–193. Zu Gottfrieds Rezeption Ottos von Freising vgl. u.a. Killgus (2001), S. 67–72; Dorninger (1997), S. 168–180. 40 Vgl. Zapf (2012), Sp. 180; Dorninger (1997), S. 180–184. 33

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jh.

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2.1.3 Gesta Romanorum Zu den populärsten kürzenden Bearbeitungen der Historia Apollonii regis Tyri gehört die Fassung, die innerhalb der Gesta Romanorum-Sammlung tradiert wird.41 Die älteste datierte Gesta-Handschrift (Innsbruck, UB, cod. lat. 310) stammt aus dem Jahr 1342. Zwar zählt die Forschung heute alleine für die lateinische, mittelhochdeutsche und mittelenglische Überlieferung knapp 400 Handschriften, die meisten stammen allerdings erst aus der Mitte und dem Ende des 15. Jahrhunderts – also der Zeit, in der die Druckertätigkeit zur Verbreitung der Sammlung beitrug. Dementsprechend handelt es sich bei einem großen Prozentsatz der Handschriften um Druckabschriften.42 Ein wesentliches Merkmal der Gesta-Überlieferung ist die Unfestigkeit des Textes, sodass der Herausgeber Hermann Oesterley resigniert feststellte, es existierten annähernd so viele Textfassungen wie Handschriften.43 Dieser Umstand hängt direkt mit der Gebrauchsfunktion der Sammlung zusammen. Hatte die ältere Forschung noch angenommen, die 250 moralisierenden Exempel hätten als Illustrationsmaterial für Predigten und religiöse Unterweisung gedient und seien generell als Nachschlagewerk und Predigtrepertoire benutzt worden, entspricht dies den neueren Ergebnissen nur noch partiell. Zwar wurden die Gesta Romanorum nachweislich zu Predigtzwecken verwendet, mangelnde topische Indices und die unsystematische thematische Gliederung der Texte erwiesen sich für diese Zwecke allerdings als ungeeignet.44 Insofern geht Brigitte Weiske heute davon aus, dass die Gesta Romanorum vornehmlich „der Vermittlung einer praktisch-seelsorgerischen Heilslehre“ dienten und „in erster Linie als Leitfaden zur christlichen Lebensführung zu verstehen“ seien.45 Bezüglich ihres Alters, der Gattung und der Thematik sind die einzelnen Bestandteile der Sammlungen, die unter dem Titel Gesta Romanorum vereint werden, ausgesprochen heterogen. Sie alle verbindet der – oftmals nur durch eine Eingangsformel angedeutete – Bezug zu Rom oder zu einem römischen Herrscher, der zuweilen selbst nur fiktiv ist. Zwar handeln einige der Geschichten tatsächlich von Geschehnissen der Antike und geschichtlichen Sagen, generell versammeln die Gesta-Corpora aber unterschiedlichste

Dieser Fassung liegt die ältere Historia-Redaktion (RA) der Welser Gruppe zugrunde, zu der nach Klebs 1. die verschollene Augsburger Handschrift Welsers, 2. Breslau, UB, Cod. IV F. 33, 3. Wien, ÖNB, Cod. 3332 zu zählen sind; vgl. Klebs (1899), S. 15, 53 u. 355. 42 Vgl. Röll (1999), S. 107f.; Weiske (1992), Bd. 2, S. 121–144; Gerdes (1981); zu den Gesta Romanorum allgemein vgl. u.a. Gruber (1999), Sp. 772; Mertens (1999); Röll (1999); Weiske (1992); Archibald (1991), S. 190f.; Weiske (1991); Kortekaas (1990), S. 116–118; Gerdes (1981), Sp. 25–34 (stellt die Literatur bis 1975 zusammen); Oesterley (1872). Editionen: Schneider (1987); Singer (1895), S. 61–105; Dick (1890); Oesterley (1872); weitere Ausgaben aus dem 19. Jahrhundert verzeichnet Gerdes (1981), Sp. 26. 43 Vgl. Oesterley (1872), S. 255. 44 Vgl. Weiske (1992), Bd. 1, S. 195f. 45 Ebd., S. 197. 41

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Erzählungen, die durch ihre Verschiedenartigkeit wiederum leicht mit anderen Texten in Verbindung gebracht werden konnten.

Die Apollonius-Fassung in den Gesta Romanorum Heinrich Steinhöwel diente neben Gottfrieds Pantheon als vorrangige Quelle die Apollonius-Fassung einer Gesta Romanorum-Handschrift, die vor dem Erstdruck (Köln: Ulrich Zell, nach 1472)46 entstanden sein muss. Bislang fehlt allerdings eine Übersicht der Gesta-Handschriften, die den ‚Apollonius‘ enthalten. Trotz der Studie von Weiske47 bleibt die Aufarbeitung der reichen Überlieferung ein dringendes Forschungsdesiderat. Die Gesta Romanorum-Forschung kannte bis heute nur einen Textzeugen (Colmar, Bibliothèque Municipale, ms. 10 [Kat.Nr. 432]),48 der die Apollonius-Fassung vor dem Erstdruck innerhalb des Corpus enthält, weshalb Weiske vermutete, es handele sich bei dem ‚Apollonius‘ um einen der Gesta-Tradition an sich fremden Text, der wahrscheinlich kein genuiner Bestandteil gewesen sei.49 Die Überlieferung des ‚Apollonius‘ im zweitältesten Gesta-Textzeugen, dem Colmarer Codex, belegt hingegen, dass der Text schon sehr früh und lange vor der Drucklegung in die Exempelsammlung integriert war. Die Handschrift entstand um 1375 und stammt aus dem Antoniterkloster in Issenheim. Sie bietet zunächst die Historia septem sapientum gefolgt von den Gesta Romanorum. Aufgrund einer Reihe von Sonderlesarten, die Steinhöwels Übersetzung nicht teilt, kommt dieser älteste Textzeuge aber als hypothetische Vorlage nicht infrage.50 Im Zuge meiner Recherche nach weiteren Handschriften, die den ‚Apollonius‘ im Kontext der Gesta Romanorum tradieren, wurden 198 Handschriften überprüft, wovon neben dem Colmarer Codex drei weitere den ‚Apollonius‘ enthalten: München, UB, 2° Cod. ms. 136; Leipzig, UB, Ms. 919 und Wolfenbüttel, HAB, Cod. 24.5 Aug 4°. Diese von der Gesta-Forschung bisher nicht berücksichtigten Textzeugen belegen, dass der ‚Apollonius‘ zwar nicht zum Kernbestand des Corpus zu rechnen ist, jedoch innerhalb der Gesta Romanorum keineswegs unikal überliefert wurde. Zwei dieser Handschriften konnten als Vorlage für Steinhöwels Übersetzung ausgeschlossen werden. Die ältere Handschrift (München, UB, 2° Cod. ms. 136)51 entstand Mitte des 14. Jahrhunderts im franziskanischen Umfeld, wurde teils in Italien geschrieben, enthält aber auch deutsche Einträge. Neben geistlicher GW 10882; Abdruck bei Oesterley (1872), S. 510–532. Weiske (1992). 48 Zur Handschrift vgl. Roth (2004), S. 44f.; Röll (1999); Weiske (1991), S. 117ff.; Schmitt (1969), S. 160f. (Nr. 10); Fischer (1902), S. 10f.; Weiland (1891), S. 2f.; Oesterley (1872), S. 175–181; Abdruck der Apollonius-Erzählung bei Singer (1895), S. 61–105; zur Datierung vgl. Roth (2004), S. 44 Anm. 40. 49 Vgl. Weiske (1991), insb. S. 117f. 50 Diese Sonderlesarten sind z.T. bei Singer (1895), S. 71–105 aufgeführt. 51 Zur Handschrift vgl. Roth (2004), S. 82f.; Daniel/Kornrumpf/Schott (1974), S. 231–240. 46 47

2.1 Die lateinische Apollonius-Tradition und ihre Rezeption im 15. Jh.

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Literatur und zahlreichen anderen Gesta-Texten überliefert sie auf Bl. 103r–106v die Apollonius-Fassung der Gesta Romanorum, die aber an verschiedenen Stellen der jüngeren Historia-Redaktion RB folgt und somit Lesarten bietet, die weder im Erstdruck noch in Steinhöwels Bearbeitung vorkommen.52 Der jüngere Codex (Leipzig, UB, Ms. 919)53 aus dem Besitz des Naumburger Bischofs Dietrich von Bocksdorf entstand im 15. Jahrhundert im Leipziger Dominikanerkloster St. Paul. Die ostmitteldeutsche Sammelhandschrift tradiert neben juristischen und theologischen auch zahlreiche historische Texte, darunter die Goldene Bulle Karls V. Der ‚Apollonius‘ wurde auf Bl. 192v–206v in der Gesta-Fassung eingetragen, allerdings separat und nicht innerhalb des Gesta-Corpus, das 92 Kapitel umfasst und zudem die ‚Sieben weisen Meister‘ enthält. Diese Apollonius-Fassung entspricht zwar wie die Münchener eindeutig der Gesta Romanorum-Bearbeitung, kommt als Vorlage für Steinhöwels ‚Apollonius‘ aber nicht infrage, da der Text an einigen Passagen vom Erstdruck und beiden Historia-Rezensionen abweicht, diese Lesarten aber auch bei Steinhöwel nicht vorkommen. Die dritte Handschrift steht allerdings dem deutschen Text außerordentlich nahe und stammt zudem aus dem unmittelbaren schwäbischen Umfeld der ersten frühhumanistischen Übersetzergeneration:

Wolfenbüttel, HAB, Cod. 24.5 Aug 4° Papier • 177 Bll. • 20,5 × 14 cm • schwäbisch • um 1460 Sammelhandschrift verschiedener Schreiberhände, darin u.a.:54 Bl. 1r–8r Bl. 9r–21r Bl. 22r–31r Bl. 41r–42v Bl. 42v–44v

Marcus Tullius Cicero: Oratio pro M. Marcello. Reden Poggio Bracciolinis an Lorenzo Valla. Leonhardo Bruni: Orationes Homeri. Leonardo Bruni: Orationes (u.a. Demosthenes an den Senat der Athener). Leonardo Bruni: Demosthenes‘ Brief an Alexander d. Gr.

Entsprechend RB hat die Münchener Handschrift etwa auf Bl. 103rb exidit illa pietas et oblitus est se esse patrem: induit coniugem. Sed cum saevi pectoris sui vulnus ferre non posset; vgl. auch Kortekaas (2004), S. 105, Sp. 10f. 53 Zur Handschrift vgl. Mackert (2012), S. 256 Anm. 161; Heckmann (2009), S. 1027 (Nr. 139); Roth (2004), S. 53; Pensel (1998), S. 125; Helssig (1905), S. 43f. 54 Zur Handschrift vgl. MRFH 11140; Handschriftencensus ������������������������������ (2011)������������������������ : http://www.handschriftencensus.de/22907; Weinig (1998), S. 18f., 31, 35; Fürbeth (1995), insb. S. 447; Crossgrove (1994), S. 116f.; Thiermann (1993), S. 26, 41–43; Weiske (1992), Bd. 2, S. 143; Worstbrock (1989), Sp. 961; ders. (1987), Sp. 1020, 1025 u. 1033; ders. (1987b), Sp. 711f.; Cossar (1975), S. 2, 53–55, Plate 22 (Abb. Bl. 114v); Milde (1971), S. 106; Hommers (1968), S. LXXXIV (Nr. 108); Wolkan (1914); Heinemann (1884–1913), S. 335–337 (detaillierte Inhaltsangabe). 52

74 Bl. 79r–85v Bl. 85v–89v Bl. 87rv, 88v, 109r, 111r Bl. 112r–114r Bl. 114v–118r Bl. 119r–173v

1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Reden des Jakob Motz anlässlich der Vermählung Friedrichs III. mit Leonore von Portugal. Briefe und Gedichte, u.a. an Ludwig Rad. Briefe Niklas von Wyle, u.a. an Ludwig Rad (um 1461), Leonhard Burg (1459) u. Felix Hemmerli (18. Aug. 1447). Pseudo-Bernhard von Clairvaux: Epistola de cura domestica ad Raimundum militem. Niklas von Wyle: ‚Lehre vom Haushaben‘ (8. Transl.). Gesta Romanorum (Auszüge), darunter Oesterley (1872), Nr. 153 ‚Apollonius‘ (Bl. 119r–139r), Nr. 81, 18, 20, 172, 89, 59 und der bei Oesterley nicht verzeichnete De Octaviana et de Herode.

Die humanistische Sammelhandschrift entstand um 146055 in Schwaben und ist schlicht konzipiert, wobei der Schreiber des ‚Apollonius‘ (besonders am Textende) auffällig viele Abkürzungen verwendet, die auf eine Abschrift zum persönlichen Gebrauch hindeuten. Der ‚Apollonius‘ wurde in dieser Sammelhandschrift mit sieben weiteren Gesta Romanorum-Texten in einen humanistisch-gelehrten Kontext integriert. Daneben überliefert die Handschrift persönliche Briefe und Schriften Wyles,56 aber auch Texte prominenter antiker und humanistischer Autoren, darunter Cicero, Poggio Bracciolini und Leonardo Bruni. Worstbrock führt die Entstehung der Handschrift auf Niklas von Wyle bzw. sein direktes Umfeld zurück.57 Neben Briefen Wyles spricht hierfür die Abschrift der Epistola de cura domestica ad Raimundum militem, die in der Handschrift auf Bl. 112r–114r zunächst in der lateinischen Fassung des Pseudo-Bernhard von Clairvaux, anschließend in Wyles Übersetzung (der 8. Translation ‚Lehre vom Haushaben‘58 [Bl. 114v–118r]) überliefert ist. Weitere enthaltene lateinische Texte könnten möglicherweise Vorlagen für Wyles 7. und 11. Translation gewesen sein.59 Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang auch Leonardo Brunis Orationes Homeri (Orationes tres in triplici genere dicendi e Greco in Latinum traducte)60 (Bl. 22r–31r), Reden über verschiedene Übersetzungsprinzipien, die auf Wyle und seinen Schülerkreis hindeuten könnten. Auch Wyles Briefe an Ludwig Rad61 legen diesen Entstehungshintergrund nahe: Rad hatte enge Kontakte zu bekannten Vertretern des süddeutschen Frühhumanismus 57 58

Worstbrock (1987b), Sp. 711. Abdruck der Briefe Wyles bei Wolkan (1914). Vgl. Worstbrock (1987), Sp. 1033; ders. (1987b), Sp. 711; vgl. auch Fürbeth (1995), S. 447. Zu Wyles 8. Translation vgl. MRFH 42110; Worstbrock (1987), Sp. 1026; Cossar (1975); Keller (1861). Nach dem derzeitigen Forschungsstand ������������������������������������� handelt es sich hierbei um den ältesten bekannten Textzeugen von Wyles 8. Translation. 59 Vgl. MRFH 11140; Fürbeth (1995), insb. S. 447; Worstbrock (1987), Sp. 1033; ders. (1987b), Sp. 711. 60 Vgl. hierzu Thiermann (1993); Bertalot (1975). 61 Zu Ludwig Rad vgl. insb. Worstbrock (1989). 55

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2.2 ‚Apollonius‘ im volkssprachigen Diskurs

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und war zeitweise am Hof Friedrichs III. tätig. Seit 1465 war er Rat, Sekretär und Kanzler Herzog Sigmunds von Tirol und unterhielt eine enge freundschaftliche Beziehung zu Niklas von Wyle, der den Briefen Rads „antikische Eleganz“ zuschrieb.62 Die Überlieferung des ‚Apollonius‘ in dieser Sammelhandschrift zeugt von der Aktualität und Beliebtheit des Stoffes innerhalb einer humanistisch orientierten Rezipientengruppe. Ob der Wolfenbütteler Codex 24.5 Aug 4° Heinrich Steinhöwel als direkte Vorlage gedient hat, lässt sich nicht beweisen, seine Vorlage muss dieser Handschrift aber zweifellos sehr nahe gestanden haben. Auch der Erstdruck des lateinischen ‚Apollonius‘ in den Gesta Romanorum, den Oesterley edierte,63 stimmt mit der Fassung dieses Textzeugen nahezu überein, sodass möglicherweise diese (oder eine hiervon abhängige) Handschrift dem Drucker als Vorlage diente. Die annähernde Rekonstruktion der Vorlage – zumindest des Vorlagentyps – erlaubt nun, Steinhöwels Umgang mit den Quellen, seine Arbeitsweise und Bearbeitungstendenzen näher zu untersuchen.64 Das humanistische Interesse an Texten wie Gottfrieds Pantheon und der Historia Apollonii regis Tyri rückt Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung in einen unerwarteten Kontext: Der ‚Apollonius‘ war in frühhumanistischen Kreisen offenbar hochaktuell. Hierfür sorgten zunächst die historische Anbindung und die Fixierung in der antiken Geschichte. Ein weiterer Faktor war die tiefere Wahrheit der Erzählung, in der Klugheit und Vernunft stets gegen die Wechselfälle Fortunas siegen. Zuletzt bescherte aber auch das Ideal des gerechten Herrschers dem Stoff eine außerordentliche Beliebtheit, dessen Rezeptionsradius Steinhöwel durch seine Übertragung in die Volkssprache noch erheblich erweiterte.

2.2 ‚Apollonius‘ im volkssprachigen Diskurs des 15. Jahrhunderts Der ‚Breslauer Apollonius‘ Steinhöwel ist nicht der einzige Bearbeiter, der sich im 15. Jahrhundert dem ‚Apollonius‘ in deutscher Sprache annahm. Noch zwei weitere volkssprachige Fassungen sind überliefert; sie gelangten allerdings nicht in den Druck und sind jeweils nur in einer Handschrift tradiert. Zunächst ist hier der ‚Breslauer Apollonius‘ zu nennen: Breslau/Wrocław, Stadtbibliothek, Cod. R 304 (Kriegsverlust).65 Die niederschlesische Handschrift Worstbrock (1989), Sp. 961. Vgl. S. 72 u. Anm. 46. 64 Dicke hatte aufgrund der „Crux der Vorlagenrekonstruktion“ noch die „Bemessung der Eigenanteile“ Steinhöwels grundsätzlich in Frage gestellt, vgl. Dicke (1995), Sp. 263. 65 Beschreibung der Handschrift vgl. Handschriftencensus (2012): http://www.handschrif62

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

wurde wohl aus zwei Teilen zusammengebunden und umfasste insgesamt 306 Blätter. Der erste Teil wurde 1465 von Johannes Clemens geschrieben und enthält neben dem ‚Apollonius‘ andere Prosatexte: die ‚Königin von Frankreich (Cronica)‘, ‚Valentin und Namenlos‘ und die ‚Ungarnchronik‘ des Heinrich von Mügeln.66 Der zweite Teil (2. H. 15. Jh.) überliefert anonyme Übersetzungen von Guidos de Columnis ‚Buch von Troja‘ und der Chronica Bohemorum des Pribík Pulkava von Radenín. Den ‚Apollonius‘ identifizierte Klebs als Übersetzung einer Mischredaktion der Historia Apollonii regis Tyri, die am ehesten mit dem Wiener Cod. lat. 510 übereinstimmt.67 Nicht nur die ‚Königin von Frankreich‘ wird in diesem Kontext als historiographischer Text verstanden – die Königin wird hier als Schwester Herzog Leopolds III. von Österreich umgedeutet –, sondern die Sammelhandschrift präsentiert darüber hinaus „eine weitgespannte Historie der Ungarn“68 und arbeitet in diesen historischen Kontext verschiedene Erzählstoffe ein. Dies hat Ralf Päsler am Beispiel der mitteldeutschen Prosabearbeitung von ‚Valentin und Namenlos‘ gezeigt, deren Schwerpunkt im Überlieferungskontext der Breslauer Sammelhandschrift „nicht in der Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern in ihrem Wert als Ergänzung zur Vorgeschichte Ungarns“69 liegt. Der ‚Apollonius‘ könnte „aus demselben Grund in die Sammlung aufgenommen [worden sein], da die Ungarn nach der Mügelnschen Chronik von Süden, aus dem Vorderen Orient, eingewandert waren.“70 Der ‚Breslauer Apollonius‘ lässt keinen Zusammenhang zu Steinhöwels Bearbeitung erkennen, die Sammelhandschrift belegt aber die Aktualität des Stoffes zu ebenjener Zeit, in der auch Steinhöwel die Erzählung aufgriff. Zugleich bezeugt die Handschrift auch im volkssprachigen Kontext die historisierende Rezeption des ‚Apollonius‘, die sich auch bei anderen frühneuhochdeutschen Prosaromanen belegen lässt.

Der ‚Leipziger Apollonius‘ Der ‚Leipziger Apollonius‘ (Leipzig, UB, Ms. 1279), die zweite volkssprachige Bearbeitung, hat verhältnismäßig mehr Beachtung in der Forschung gefunden.71

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tencensus.de/7412; Päsler (2007), S. 38f.; Süßmann (1940), S. 244–263; Ludwig (1938), S. 62–68; Travnik (1938), S. 96f.; Liepe (1920), S. 273–277; Seelmann (1884), S. XI. Vgl. Philipowski (2012), Sp. 466f.; Jefferis (2004), Sp. 870; dies. (2003), S. 159f. Vgl. Klebs (1899), S. 126, 488–491; Teilabdruck des ‚Breslauer Appolonius‘ und der Vorlage vgl. ders., S. 489f.; Knape (1984), S. 280 und Süßmann (1940), S. 260 ordneten die Fassung irrtümlich Heinrich Steinhöwel zu. Päsler (2007), S. 40. Ebd., S. 39f. Ebd., S. 40. Zur Handschrift vgl. Mackert (2012); Fuchs/Mackert (2012), S. 97f.; Handschriftencensus (2012): http://www.handschriftencensus.de/5348; Mackert (2007), S. 93–96 (mit Abb.); Tomasek (1994), S. 204–206; Pensel (1998), S. 173–175; Klebs (1899), S. 503–509; Haupt

2.2 ‚Apollonius‘ im volkssprachigen Diskurs

77

Der Papiercodex entstand um 146572, umfasst 322 Blätter und wurde von nur einer Hand in ostmitteldeutscher Schreibsprache vermutlich im Leipziger Augustinerchorherrenstift St. Thomas verfasst. Nach Christoph Mackert könnte es sich bei dem Schreiber um den Probst des Stiftes, Johannes Grundemann, handeln, der einige weitere Handschriften verfasst hatte.73 Da er vor allem als volkssprachiger Prediger erfolgreich war, könnte die Handschrift durchaus „als Materialbasis für die offenbar eindrucksvollen Predigt-Auftritte des Probstes von St. Thomas vor der Leipziger Bevölkerung gedient haben“.74 Zur selben Zeit ist der juristische Ordinarius Dietrich von Bocksdorf als Besitzer einer lateinischen Apollonius-Fassung in Leipzig belegt (Leipzig, UB, Ms. 919) und man wird davon ausgehen können, dass er mit Johannes Grundemann bekannt war. Diese Handschrift kommt allerdings als Vorlage für den ‚Leipziger Apollonius‘ nicht in Betracht.75Anhand grober Fehler bei den Rätselübertragungen konnte schon Klebs nachweisen, dass der Schreiber mit dem Übersetzer identisch war.76 Bei seiner Prosaübertragung hatte er sich mit dem Bestreben um Sinntreue eng an der Vorlage orientiert. Weitere Missverständnisse dieser Textfassung beruhen nach Klebs‘ Untersuchung auf einer Vorlage, die dem sehr fehlerhaften Wiener Cod. 480 aus der Pariser Gruppe der Stuttgarter Historia-Rezension nahegestanden haben muss.77 Obwohl sich auch beim ‚Leipziger Apollonius‘ keine textgenetischen Zusammenhänge zu Steinhöwels Fassung beobachten lassen, bleibt die Handschrift bemerkenswert, weil sie neben anderen Texten (Fabeln, Prosaerzählungen, darunter Auszüge der ‚Sieben weisen Meister‘, der Gesta Romanorum sowie geistlichen Gedichten und Liedern)78 drei Texte in deutscher Übersetzung vereinigt, die auch Steinhöwels Œuvre prägen: der ‚Aesop‘, die ‚Griseldis‘ und der ‚Apollonius‘. Der Leipziger Codex, der im Thomaskloster offenbar an einer Schnittstelle zwischen geistlich-gelehrter und höfischer Literaturtradition entstanden ist, bezeugt damit die akutelle Präsenz des Steinhöwelschen Werkes sowie seine Brückenfunktion zwischen dem gelehrt-lateinischen Diskurs und der volkssprachigen Rezeption im 15. Jahrhundert.



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(1836) mit Teilabdruck; Digitalisat: http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/ html/obj90679866,T; Abdruck bei Schröder (1873), S. 23–81; zum ‚Leipziger Apollonius‘ vgl. auch Lienert (2001), S. 173; Knapp (1985), Sp. 684–686. Neudatierung vgl. Mackert (2012), S. 240; ders. (2007), S. 96. Vgl. Mackert (2012), S. 249–263 mit Verzeichnis der entsprechenden Handschriften u. weiterf. Lit. zu Johannes Grundemann; vgl. auch Fuchs/Mackert (2012), S. 97. Mackert (2012), S. 255. Ebd., S. 256 Anm. 161; zu Leipzig, UB, Ms. 919 vgl. auch S. 73 u. Anm. 53. Vgl. hierzu ausführlich Mackert (2012), insb. S. 231–240. Klebs (1899), S. 504f.; vgl. auch Mackert (2012); ders. (2007), S. 93; Knapp (1985), Sp. 684–686; Haupt (1836), S. 116. Ausführliche Inhaltsangabe bei Mackert (2012), S. 221–224; Inhaltsangabe mit Teilabdruck bei Haupt (1836).

78

1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung 2.3.1 Steinhöwels Übersetzungsverfahren Als Heinrich Steinhöwel sich im Jahr 1460 dem ‚Apollonius‘ zuwandte, handelte es sich – wie gezeigt werden konnte – um einen stark rezipierten Erzählstoff, der nicht nur in frühhumanistischen Kreisen großes Interesse fand. Um diese bisher nur in lateinischer Sprache zugängliche Literatur und die darin enthaltene wißhait einem Laienpublikum zugänglich zu machen, übertrug er die Erzählung in die Volkssprache. Da sich Steinhöwel selbst aber offenbar weniger als reiner Übersetzer, sondern viel mehr als interpres verstand, vernachlässigte er bisweilen den lateinischen Wortlaut zugunsten des größtmöglichen verstntnuß. Indem er verschiedene Quellen benutzte und diese eigenhändig um kunstvolle literarische und poetische Ergänzungen erweiterte, schuf er eine individuelle Apollonius-Bearbeitung, die einen profunden literarästhetischen Anspruch erkennen lässt. Der älteren Forschung wurde Steinhöwels ‚Apollonius‘ im Jahr 1873 eher zufällig durch Carl Schröder zugänglich gemacht, der den ‚Leipziger Apollonius‘ (Leipzig, UB, Ms. 1279) herausgab und zum Vergleich einen Abdruck des Steinhöwelschen Textes aus der Handschrift Cod. Don. 150 (D) hinzufügte.79 Hatte bereits Schröder für die historische Einleitung die Benutzung des Pantheons Gottfrieds von Viterbo konstatiert, so ermittelte Bartsch für den restlichen Handlungsverlauf die große Abhängigkeit von der Historia Apollonii regis Tyri. Umfangreiche Forschungen zum Apollonius-Stoff, speziell auch zu Steinhöwels Fassung, legte 1895 Samuel Singer vor.80 Neben der Benutzung des Pantheons konnte er anhand einiger exemplarischer Textstellen die Apollonius-Fassung der Gesta Romanorum als Steinhöwels Hauptquelle identifizieren.81 Seine Hypothese von einer dritten, unbekannten Quelle stieß allerdings auf Widerspruch in der Forschung. So verneinte auch Klebs eine dritte Quelle und verortete 1899 Steinhöwels Vorlage schließlich in den Gesta Romanorum-Handschriften der Welser Gruppe.82 Anhand eines neu durchgeführten Textvergleiches hat sich Klebs‘ These im Wesentlichen bestätigt: Heinrich Steinhöwel folgt grundsätzlich dem Handlungsverlauf der Gesta Romanorum-Fassung, favorisiert allerdings stellenweise das Pantheon Gottfrieds von Viterbo, den er explizit als Gewährsmann nennt: Appoloni strenges leben Clar zetủtschen vß latin Ettlicher alten hystoryn. Mit namen ließ ich nit verderben

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Vgl. Schröder (1873). Vgl. Singer (1895). Vgl. ebd., S. 197–201, Abdruck dieser Fassung siehe S. 164–248. Klebs (1899), S. 496; vgl. auch S. 71 Anm. 41.

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

79

Doctor gotfrids von vitterben Oberstes kronick schreiben (Z. 1563–1568).

Doctor gotfrids kronick verbürgte für Steinhöwel die gelehrte Geschichtsschreibung und diente ihm offensichtlich als Korrektiv für die reich mit Fabeln und fiktionalen Elementen angereicherten Gesta Romanorum. Um die historische Glaubwürdigkeit, die res factae der nachfolgenden Erzählung zu erhöhen, bietet Steinhöwel, entleht aus Gottfrieds Pantheon,83 zunächst in seiner Einleitung einen geschichtlichen Abriss, mit dem die Herrscherperiode des Apollonius präzise datiert wird. Vnd merck, das von dem anfang der stat Rom biß an das rich Octauiani verloffen waren sibenhundert vnd fůffzechen iar, vnd in dem siben vnd drisigosten iar sines riches ward geboren Ihesus Cristus der gottes sun von der junckfrowen Maria. Das tůt an ainer summ von anfang der stat Rom sibenhundert zwaij vnd fünfftzig jar. Nun regniret Seleucus, der durchächter Appolonij, da man zalt von anfang Rom vierhundert vier vnd achczig iar: danocht belibt zwaij hundert acht vnd sechczig jar zů der gepurtt Cristi von Appolonij vngefell (Z. 187–194).

Durch die Anwendung traditioneller Historizitätssignale präsentiert Steinhöwel (ähnlich wie Hartlieb im ‚Alexander‘) den ‚Apollonius‘ als authentische Herrscherbiographie. Zwar übernimmt er die Datierungsform für die Regierungszeit Alexanders zunächst aus Gottfrieds Pantheon, verfährt allerdings bei der Datierung der Regierungszeiten von Ptolemaios III. und Antiochus, dem späteren Gegner des Apollonius, nach demselben Schema, obwohl dies bei Gottfried nicht vorgegeben war. Er entlehnt also das Element zur historischen Verifikation von Gottfried, arbeitet es aber wesentlich stärker heraus. Die mehrfache Datierung, die Chronologie und der Herrscherkatalog der vorhergehenden Dynastien dienen ihm als „objektivierbarer Rahmen“ und zeugen von dem „Bemühen [...], die Histori in der Historie zu verankern“.84 Die Authentizität der Geschichte wird auch im weiteren Verlauf durch Elemente, die Historizität suggerieren (z.B. Grabinschriften, Jahreszahlen, genaue Geldbeträge), unterstrichen. Nach einer ausführlichen Schilderung der Taten Alexanders gibt Steinhöwel einen universalgeschichtlichen Überblick über die Teilung des Reichs nach dessen Tod und zählt zunächst die vier Herrscher der Ptolemäer-Zeit auf.85 Über Antiochos III.86 und dessen Angriff auf das Ptolemäerreich stellt er schließlich die Verbindung zu Antiochos IV. Epiphanes her, dem Seleukiden-Herrscher, der

Edition: Pistorius (1726), Bd. 2, S. 162–174; Abdruck der entsprechenden Passagen siehe S. 156–162. 84 Müller (1985), S. 67; vgl. hierzu auch Schmitt (2005), S. 172–176; dies. (2005a), S. 202– 205. 85 Namentlich erwähnt werden Ptolemaios I. Soter (um 360–283/2 v. Chr.), vgl. Bengtson (1975), S. 9–35, 325; Ptolemaios II. Philadelphos (285–246 v. Chr.), vgl. ebd., S. 111–138, 325; Ptolemaios III. Euergetes I. (246–221 v. Chr.) und Ptolemaios IV. Philopator (221–204 v. Chr.), vgl. ebd., S. 325. 86 Antiochos III. d. Gr. (243–187 v. Chr.), König des Seleukidenreiches (223–187 v. Chr.); vgl. ebd., S. 325. 83

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

in den Makkabäer-Büchern gemeinsam mit Apollonius erwähnt wird87 und um dessen Tochter Apollonius zu Beginn der Erzählung wirbt. Gottfried von Viterbo hatte die Makkabäer-Bücher, die mit dem Leben Alexanders des Großen beginnen, erstmals mit der Erzählung von ‚Apollonius‘ in Zusammenhang gebracht.88 Insofern hatte er die biblische Rolle des Königs Apollonius in den Vordergrund gestellt und ihn somit als einen historisch verbürgten Herrscher im Kontext der christlichen Heilsgeschichte präsentiert.89 Diesen Aspekt betont auch Steinhöwel, der sich ebenfalls mithilfe der Makkabäer-Bücher auf die Bezeugung des Apollonius in der Bibel beruft: als man in den büchern Machabiorum volleclicher geschriben fint (Z. 139f.). Auch die gelehrten Quellenberufungen auf Isidor und die gros sibilla (Z. 98f.) entnimmt Steinhöwel seiner Quelle, sie sind also nicht darauf zurückzuführen, dass er Isidor selbst hinzugezogen hätte, wie später bei seiner ‚Aesop‘-Bearbeitung.90 Gegen Ende der Einleitung (Z. 144–194) kürzt er das Pantheon massiv und greift einige wenige Namen und Ereignisse heraus, deren Kenntnis er bei seinem Publikum bereits voraussetzen konnte, wie Brutus (Z. 132), Scipio Affricanus (Z. 173) und die grossen strit der Römer wider Kartaginenses – die Punischen Kriege (Z. 163f.). Als Überleitung zur eigentlichen Apollonius-Handlung begründet Steinhöwel, warum er die historische Einleitung vorgeschaltet habe, und gewährleistet somit eine elegante Anbindung an die eigentliche Erzählung: So ich aber des selben Appolonio leben schriben wolt, hab ich vorher ains tails erzelt von Allexandro, welchi küng geregniret haben vntz uff Appolonius zijt, [...] das man dar uß dester bas wissen müg, wie lang vor der gepurt Cristi Appolonius gewesen sie (Z. 183–187).

Im Anschluss an die historische Einleitung folgt Steinhöwel dann weitgehend den Gesta Romanorum, weicht aber an diversen Stellen immer wieder von seiner Quelle ab: er zieht das Pantheon überwiegend dann heran, wenn Gottfrieds Text inhaltlich von den Gesta Romanorum divergiert. Gottfried gebührt somit in Zweifelsfällen der Vorrang und Steinhöwel misst ihm sowohl aufgrund der Dignität des Alters als auch der historischen Glaubwürdigkeit Priorität bei. Bezüglich der Anzahl der Rätsel verfährt Steinhöwel sehr frei: Die Gesta Romanorum bieten drei Rätsel (1. Welle/Fisch, 2. Schiff und 3. Bad) mit jeweils drei oder vier Paarreimversen. Gottfrieds Pantheon enthält hingegen neun Rätsel (1. Welle/Fisch, 2. Schiff, 3. Bad, 4. Schwamm, 5. Anker, 6. Ball, 7. Spiegel, 8. Räder und 9. Treppe), die vom Umfang her ebenso wie die Rätsel der Gesta Romanorum

Im Bibeltext tritt zwar ein König Antiochus gemeinsam mit Apollonius auf, doch die Beziehung der beiden zueinander weicht gänzlich von der Konstellation im ‚Apollonius‘ ab. In den Makkabäer-Büchern wird der Widerstand der Juden gegen Antiochos IV. Epiphanes (um 215–264 v. Chr.) beschrieben, vgl. Bengtson (1975), S. 325. 88 Apollonius tritt im 1. Makkabäer-Buch 3;10 und 10;74f. und 77 als Feldherr auf, im 2. Makkabäer-Buch 3;7 als Sohn des Tharseas, Befehlshaber in Zölesyrien und Phönizien. 89 Zu diesem Aspekt vgl. u.a. Achnitz (2002), S. 262; Wade (1995), S. 116f.; Kortekaas (1990), S. 111. 90 Vgl. hierzu Dicke (1994), S. 29–32. 87

81

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

jeweils drei bis vier Versen entsprechen.91 Steinhöwel greift aus diesem Fundus vier heraus (1. Welle/Fisch, 2. Schiff, 3. Ball und 4. Spiegel) und verlängert sie auf insgesamt 40 Verse. Die ersten beiden könnten sowohl aus dem Pantheon wie auch aus den Gesta entnommen sein, die beiden Letzteren (Ball und Spiegel) hingegen kommen in den Gesta nicht vor, und dürften auch nicht aus der Historia, sondern aus Gottfrieds Text stammen, wie das Ball-Rätsel deutlich macht: Steinhöwel

Gottfried v. Viterbo: Pantheon

Historia

Ich bin ussen glat vnd innen ruch. So stost man mir in minen buch Ain stecken hert mit grobem har, Dar von wird ich gefüllet gar. Die hende leren fliegen mich Und loffen für vnd hinder sich. Hoch vnd nider můß ich lencken. Bas leg ich uff hertten bencken.‘ (Z. 1229–1336).

Non sum victa (vincta) comis et non sum victa capillis (sed sum intus plena cap.). intus enim mihi crines, quos non videt ullus meque manus mittunt, rursusque manus (plerumque manusque) remittunt. (Singer, S. 171).

Non sum compta comis et non sum compta capillis: intus enim mihi crines sunt, quas non vidit ullus. Meque manibus mittunt manibusque remittor in auras. (RA 43, 2–4).

Von seiner Hauptquelle (den Gesta Romanorum) entfernt sich der Übersetzer zuweilen kurzfristig, um eigene Zusätze anzubringen wie beispielsweise bei der Darstellung des Inzests zwischen Antiochus und seiner Tochter (Z. 210–220). Im Vergleich zu seiner Quelle erweitert Steinhöwel die Szene, stellt die emotionale Komponente stark in den Vordergrund und gibt eine moralisierende Wertung vor, um dem Leser ein klares Interpretationsmuster an die Hand zu geben. Ähnlich weicht er bei dem Gespräch zwischen Apollonius und Elemitus (Z. 382–410) von den Gesta ab: Elemitus hat den König gewarnt, dass Antiochus Geld auf seinen Kopf gesetzt habe, und rät ihm, sich an einen sicheren Ort zu begeben. Apollonius bedankt sich bei Elemitus dafür und überreicht ihm Geld. Diese rein pekuniäre Entlohnung des Freundschaftsdienstes variiert Steinhöwel und legt Apollonius im Gespräch mit Elemitus die Worte in den Mund, dass sich recht liebe vnd früntschafft vmb gold vnd silber nit erkouffen lassen (Z. 408). Aus dem Pantheon übernimmt Steinhöwel die Klagerede, die Apollonius nach dem Schiffbruch anstimmt (Z. 486–493). Sie ist bei Gottfried wesentlich emotionaler und beklagt das Walten Fortunas – bei Steinhöwel das gelückrad (Z. 488f.). Diese Stelle aus dem Pantheon soll den Leser zu Identifikation und Mitgefühl anregen. Das Gespräch zwischen dem schiffbrüchigen Apollonius und dem Fischer (Z. 498–522) ist zunächst noch nach den Gesta Romanorum gearbeitet, folgt aber dann dem Pantheon, das Apollonius‘ Antwort in direkter Rede wiedergibt und so gegenüber den Gesta Romanorum überzeugender wirkt. Auch an anderer Stelle präferiert Steinhöwel gegenüber den Gesta Romanorum die wörtliche Rede.92 Die Historia hingegen enthält insgesamt 10 Rätsel: 1. Welle/Fisch, 2. Flöte, 3. Schiff, 4. Bad, 5. Anker, 6. Schwamm, 7. Ball, 8. Spiegel, 9. Räder und 10. Treppe; Kortekaas (1984) RA 42, 2 – 43, 27; die Historia wird im Folgenden nach dieser Ausgabe zitiert. 92 Als die Königstochter Cleopatra Apollonius nach seiner Herkunft fragt, berichtet er ihr 91

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Der erste Auftritt des schiffbrüchigen Apollonius am Hof des Königs Archistrates (Z. 576–627) ist bei Steinhöwel stark umformuliert, vermutlich wiederum mit dem Ziel, Verständnis und Einfühlungsvermögen für die Nöte des Schiffbrüchigen zu vermitteln. Zum Teil lassen sich dabei Übereinstimmungen mit dem Pantheon erkennen, das die Szene eingehender und vor allem zeremoniöser als die Gesta Romanorum darstellt. Dies betrifft insbesondere Apollonius‘ Antwort auf die Bitte, sich an den Tisch des Königs Archistrates zu begeben. Im Gespräch zwischen Cleopatra und ihrem Vater Archistrates folgt Steinhöwel wieder dem Pantheon: Als Cleopatra ihren Vater bittet, Apollonius heiraten zu dürfen, den sie als Schiffbrüchigen an ihrem Hof aufgenommen hatten, antwortet ihr der Vater ausführlich. Pantheon

Steinhöwel

55. „Que mihi scripsisti, si, filia, corde petisti, quod volo, quesisti, nec in hoc tibi quero resisti. quod petis, ecce dabo, namque libenter ago.

,O liebes künd, du solt dich nit betrüben in dinem gemüt von forcht wegen gegen mir, das du des begeret haust den ich och lieb han vnd von gůtem willen sin uatter worden bin. Wann ob wir siner gepurt, sines geschlächtes, adels vnd gůtes vnwissend sind, so kenn wir doch sin tugend vnd erberkait, dar durch er den küngen wol zeglichend ist.‘ (Z. 757–762).

56. Non genus aut patriam juvenis, non nomina scimus; ed, si virtutes actusque notare velimus, regibus est potior nec probitate minor.“ (Singer, S. 158).

Den Gesta Romanorum fehlt diese Rede. Sie dient sowohl im Pantheon wie auch in Steinhöwels Fassung zur Hervorhebung von Apollonius‘ Tugendadel, der ihn zum vorbildlichen Herrscher prädestiniert. Dieses Motiv führt Steinhöwel bei der Hochzeit zwischen Apollonius und Cleopatra explizit aus, indem er aus dem Pantheon den Zusatz entnimmt: Pantheon

Steinhöwel

59. Copula regalis mandatur et aula parari, ille coronari, rex et gener inde vocari (...) (Singer, S. 158).

... vnd war Appolonius gekrönet vnd ain gewaltiger tochterman des künges gehaissen (Z. 769f.).

Das Verhältnis zwischen Apollonius und seinem Schwiegervater Archistrates nimmt in Steinhöwels Bearbeitung einen besonderen Stellenwert ein. Als Apollonius vom Tod des Antiochus erfährt und er dessen Königreich übernehmen soll, eröffnet er zunächst seiner Frau und dem Schwiegervater seine Identität und bei Steinhöwel von seinem Schiffbruch (Z. 615–619), wohingegen die Gesta Romanorum nur schildern, dass er seine Geschichte erzählt: Tunc Appollonius nomen suum et omnes casus exposuit (Gesta Romanorum, Z. 199). Dieser Zusatz Steinhöwels, den auch das Pantheon nicht kennt, entspricht seiner psychologisierenden Tendenz. Dementsprechend wandelt er auch den indirekten Bericht der Gesta Romanorum von Cleopatras Liebe zu Apollonius, ausgelöst durch seinem Gesang, in die direkte Rede der Königstochter um (Z. 752–755).

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

83

bittet ihn dann um Erlaubnis, in das Königreich fahren zu dürfen, um die ihm angetragene Herrschaft anzutreten (Z. 792–805). Die Erlaubnis des Schwiegervaters Archistrates ist für Apollonius unentbehrlich, da er tief in dessen Schuld steht: Dieser hatte ihn nach seinem Schiffbruch aufgenommen, ihm zu Besitz und Ehre verholfen und obendrein seine Tochter zur Frau gegeben. Diese Passage findet sich in keiner der Quellen und auch hier veranschaulicht Steinhöwel in der Bitte des Apollonius das korrekte Verhalten des künftigen Herrschers, der dem König Archistrates Demut und Dankbarkeit entgegenbringt und sich der Situation entsprechend bescheiden zeigt. Die exemplarisch dargestellten Tendenzen des psychologisierenden und moralisierenden Erzählstils führt Steinhöwel im gesamten Werk fort. Er verstärkt einerseits historische Bezüge und akzentuiert andererseits den moraldidaktischen Bildungsanspruch seiner Erzählung, der auf die Vermittlung rechter Lebensführung im christlichen Sinne zielt. Diesem Anspruch dienen sowohl die neu geschaffenen Textteile (insbesondere Pro- und Epilog, aber auch das Lied der Tarsia) als auch die in die Erzählung eingeflochtenen Zusätze: Tarsia ruft zweimal Gott an (Z. 1374; 1389) und als Antiochus vom Blitz erschlagen wird, fügt Steinhöwel gegenüber seinen Quellen hinzu, der König sei von dem hellischen für uff dem mer verbrennt vnd dar in versuncken (Z. 786f.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Steinhöwel die Priorität auf den Kontrast zwischen Tugend und Laster legt und diese Gegenpole stark pointiert. Dies erreicht er durch die jeweils intensivere Auswertung der detaillierteren Quelle. Daneben unterdrückt er aber auch Informationen, die seiner Figurendarstellung entgegenlaufen.93 Mit der erklärten Absicht, seinen Leser zu Identifikation, Mitgefühl und rechtem Lebenswandel anzuleiten, indem er ihm mit den dargestellten Personen gute wie abschreckende Beispiele zur Hand gibt, richtet er sich jeweils nach der Quelle, die ihm für diese Zwecke am geeignetsten erscheint. Bietet keine der Quellen die notwendige Lesehilfe, so fügt er den moralisierenden Kommentar kurzerhand selbst hinzu. Diese über seine Quelle hinausweisenden Einschübe dienen überwiegend psychologisierenden Darstellungen, schildern die Emotionen der handelnden Personen oder geben Erklärungen für logische Schwachpunkte im Handlungsgefüge. So entwirft Steinhöwel mithilfe seiner moralisch belehrenden und handlungslogischen Modifikationen eine Apollonius-Bearbeitung, die fundierte didaktische Ziele verfolgt.

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Etwa in der Szene, als Apollonius von Dionisiades hört, dass Tarsia gestorben sei (Z. 1142ff.). In den Gesta Romanorum fragt er spontan nach dem Verbleib des Geldes und der Kleider: O mulier, si filia mea defuncta est, ut dicis, numquid et pecunia ac vestes simulque perierunt? (Gesta Romanorum, Z. 518f.). Da diese Reaktion einen äußerst materialistischen und geschäftsmäßigen Eindruck vermittelt, entschärft Steinhöwel die Stelle, indem er Apollonius (das Geld und die Güter Tarsias nicht erwähnend) nur ausrufen lässt: ‚O wijb, wie übel hast du dan gehütet‘ (Z. 1152). Das Pantheon hat hier keinen entsprechenden Dialog.

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

2.3.2 Steinhöwels literarischer Anspruch Heinrich Steinhöwel leitet den ‚Apollonius‘ im Erstdruck von 1471 mit einem gereimten Prolog ein und schließt das Werk mit einem Epilog ab. Der Autor definiert hier seine eigene Rolle, seinen literarischen Anspruch und seine Intention. Diese Faktoren bezieht er dann konkret auf sein intendiertes Publikum und setzt sie gekonnt mit traditionellen literarischen Topoi in Beziehung. Dem Bescheidenheitstopos gemäß bittet der Autor zunächst die Trinität um Beistand für sein Werk. Er kündigt an Latin zetủtschen [...], Dar jnn man fint der wißhait dicht / Och annder ler exempel gůt wobei er beabsichtige, die Iugent zebent vnd ir synn (Z. 20–29). Im Epilog beruft sich Steinhöwel auf seine Quellen und nennt hier Ettlicher alten hystoryn (Z. 1565, womit die Gesta Romanorum gemeint sind), stärker wird allerdings Gottfried von Viterbo als Autorität hervorgehoben (s.o.). Steinhöwel schließt den Epilog mit einem Dichtergebet ab, in dessen letzter Zeile er MARIA in Form eines Apronyms verschlüsselt und somit eine sinnvolle Entsprechung zum Christusmonogramm IHS am Ende des Prolog-Akrostichons herstellt. Beide Textteile sind in Paarreimen verfasst, doch erscheinen auch im Hauptteil der Erzählung unvermittelt metrisch gebundenen Passagen, wodurch die Prosa aufgelockert wird und den entsprechenden Versen besonderes Gewicht zukommt. Das erste Rätsel schildert verschlüsselt den Inzest zwischen Antiochus und seiner Tochter: Der sünden wagen menen ich. Müterlich flaisch das spiset mich. Wie fast mich mant miner můter man, So wil sich doch nit finden lan Der brůder des ich begert han (Z. 284–288).

Es handelt sich hierbei um fünf Verse, die ein regelmäßiges vierhebiges Metrum und das Reimschema a–a–b–b–b aufweisen. Das Lied der Tarsia, in dem die Tochter dem unerkannten Vater ihr Schicksal klagt, ist die längste Verspassage. Bartsch hatte hier den Langen Ton des Mönchs von Salzburg als Strophenform erkannt 94 und Burghard Wachinger identifizierte später auch die einzelnen Rätsel als Auf- und Abgesänge des Langen Tons.95 Das Lied der Tarsia fand Aufnahme in das Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder,96 darüber hinaus aber wurde den gereimten Textstellen Steinhöwels in der

Vgl. Bartsch (1875), S. 307–312; zur Melodie des Langen Tons siehe Brunner/Hartmann (2010), S. 265–270; zur Rezeption des Mönchs vgl. auch Schneider (2008), S. 91–93; Waechter (2005); Bärnthaler (1983), S. 42–52; der Autor oder die Autorengruppe ‚Mönch von Salzburg‘ wird hier als Autorchiffre verwendet; vgl. hierzu Schneider (2008), S. 83–93. Zu den Zweifeln an der Zuschreibung der Lieder an einen einzigen Autor vgl. insb. März (1999), S. 1–8; Wachinger (1989), S. 135. 95 Vgl. Wachinger (1989), S. 180. 96 Vgl. Brunner (1994), S. 332 (Nr. 8A). 94

85

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

Forschung wenig Beachtung zuteil.97 Das Lied umfasst zwei Strophen des Langen Tons: ‚Min wesen han ich in dem kat, Doch vnvermalget blibt min wat. Das rößlin bij dem dorn stat, Kan schande es dar von an gat, Es blibt fin rain nach siner sat. Also flüch ich der sel vnflat En mitten in den sünden. Dem ich solt wesen lieb vnd wert, Der aller maist mins todes gert, Der find lost mich von findes schwert. Min vngefell sich täglich mert Je mer vnd mer glück sich verkert, Der künschait haß mins libs begert. Mer wil ich dir verkünden: Verkouffet ward ain blům der florn. Aint gebott ging uß mit grimen zorn, Ich solt min künschait han verloren. Got halff mir uß den nötten. So edle ist ietz nit geborn, Stäch mich nit vngefelles dorn. Noch tůn ich als das künsch ain horen, So man es sůcht zetötten. Ich stüpff min sinn mit wißhait sporn. Also tů och, herr ußerkorn. Haust hüt nit glick, es kompt morn. Din laid solt du beschniden.

a a a a a a b c c c c c c b d d d e d d d e d d d (e)98

1. Strophe, Aufgesang (1. Stollen)

Vff götlich gnad setz din geding, Mit siner hilff nach fröden ring. Herr wie min harpff so süß erkling, Zů fröden ich laidiges hertz zwing. Din gemüt also zů got uff schwing, Der wirt dir wenden misseling, Din truren gar verkeren.‘ Der küng Appolonius Er süftzet ser vnd sprach alsus ,Vss dir rett got Mercurius! Ich sag dir danck, kom ich hin uß Wann ich mins küngrichs wider gnus, Ich löste dich uß kümmernuß, Ellend solt dich nit seren. So aber laid vnd vngefell Min wijbe ist vnd fröd min gell, So nim das gold, da mit verschwell

a a a a a a b c c c c c c b d d d

2. Strophe, Aufgesang (1. Stollen)

(2. Stollen)

Abgesang

(2. Stollen)

Abgesang

Tomasek hat in seiner Untersuchung die Rätsel in Steinhöwels ‚Apollonius‘ analysiert; vgl. Tomasek (1994), S. 199–204; zu den Rätseln in der Historia vgl. Müller (1991). 98 Der Erstdruck (gz) bietet den korrekten Reim beschntten ( – nötten – tötten) und in der zweiten Strophe hat auch D den richtigen Reim an der entsprechenden Stelle: achen – sachen – schwachen; vgl. auch den textkritischen Apparat zu Z. 1281. 97

86

1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh. Din truren vnd din achen.‘ Sie sprach ‚Ich mich nit zů dir gesell Vmb miet noch gab. Vß diser hell Brächt ich dich geren. Darumb so well Mir betütten zwifflich sachen.‘ Er sprach ‚Gang uß! Din red verstell! Und halt din er, künsch nit empfel. Ald sag mir bald diner frage brell, Dann las mich allweg schwachen.‘ (Z. 1230–1281).

e d d d e d d d e

Das Reimschema des Aufgesangs verwendet Steinhöwel im Anschluss noch einmal für das erste der vier Rätsel Tarsias und das Schema des Abgesangs für das zweite Rätsel. Die letzten beiden Rätsel sind schließlich wieder in Reimpaarversen abgefasst. Die Verbindung von Paarreim und Langem Ton in den Rätseln, der zu den anspruchvollsten Bauformen spätmittelalterlicher Liedkunst gehört, wirft ein neues Licht auf Steinhöwels Dichtungsintention und lässt ein beachtliches poetisches Potential erkennen.99 Er stellt sich somit in die literarische Tradition des Mönchs von Salzburg, der sowohl das Akrostichon als auch das Apronym verwendete.100 Der handschriftlichen Überlieferung zufolge erreichte die Mönch von Salzburg-Rezeption ihren Höhepunkt erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts, obwohl seine literarische Schaffensperiode schon in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts lag.101 Neben dem liturgischen Bereich scheinen die Lieder allerdings auch im Adel und der städtischen Oberschicht rezipiert worden zu sein, denn man begegnete „sich im Rahmen einer gemeinsam geteilten Festkultur, wenn diese sich etwa in den Häusern wohlhabender Bürger ereignete.“102 Verschiedene Handschriften weisen darauf hin, dass die Töne des Mönchs nicht nur von Steinhöwel für eigene Dichtungen verwendet wurden.103 Auch die meisterliche Liedtradition adaptierte mehrere Töne, sie gingen kontinuierlich ins Repertoire des Meistersangs über, weshalb der Name des Mönchs von Salzburg auch in Meisterkatalogen (u.a. von Hans Folz und Konrad Nachtigall) genannt wird.104 Die Lieder des Mönchs scheinen im 15. Jahrhundert demnach sehr verbreitet gewesen zu sein, und Steinhöwel konnte möglicherweise ihre Kenntnis bei seinem literarisch versierten Publikum voraussetzen.

Vgl. hierzu auch Tomasek (1994), S. 203. Vgl. Terrahe (2013). 101 Vgl. Wachinger (1987), Sp. 662: „Die Mehrzahl der Hss. stammt aus dem 2. und 3. Drittel des 15. Jh.s“; zum Mönch von Salzburg vgl. auch Foidl (2011) mit weiterf. Lit.; Janota (2004), S. 163–168. 102 Schneider (2008), S. 97. 103 Spechtler (1972), S. 91 Anm. 80, zählt alleine vier Handschriften auf, die Töne des Mönchs von Salzburg separat überliefern: Berlin, SB, Ms. germ. fol. 24, Bl. 158v–161v; Weimar, Anna Amalia Bibliothek, Q 576.1, Bl. 100 v–104r; Nürnberg, Stadtbibliothek, Will. III. 792, Bl. 7v; Ebd., Will. III. 793, Bl. 61v. 104 Vgl. Wachinger (1987), Sp. 668f. 99

100

87

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

Eine Handschrift, die für diese Rezeption exemplarisch ist und in bemerkenswerter Weise Parallelen zu Steinhöwels Liedkunst aufweist, ist der Heidelberger Cpg 356 aus dem späteren Besitz Kurfürst Ottheinrichs von der Pfalz, der in das Jahr 1460 datiert wird.105 Der Codex überliefert neben verschiedenen anderen Texten106 mehrere Lieder im Langen Ton des Mönchs von Salzburg: das ‚Marienlob‘107 (Bl. 87r–90r), die berühmte Mariensequenz mit dem alphabetischen Akrostichon ‚Das guldein Abc‘108 (Bl. 90v–96r) und schließlich das geistliche Lied ‚Got, in drivaldikait ainvalt‘109, das bezüglich der Reimbildung eine frappierende Ähnlichkeit zu Steinhöwels Lied der Tarsia aufweist. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ 1. Rätsel der Tarsia (Aufgesang im Langen Ton):

Mönch v. Salzburg: G 37 4. Strophe (Aufgesang im Langen Ton):

‘Ich sach ain hus, da von man sait Es sie schön, zierlich, wolbeklait, Mit gůtem gestain vnd holtz gemait. Ich hor das hus wijt vnd brait, E wan die gest. In kurtzer bait Floch es von mir on arebait, [...] (Z. 1289–1294).

Ain liblich speis ist uns berait zu trost der höchsten selikhait, sie ist der ellenden gelait und senfte ru nach aribait, der süder scham sie zirlich chlait, der sel ain süsser gast gemait [...] (Spechtler [1972], S. 292).

2. Rätsel der Tarsia (Abgesang im Langen Ton): ,Ain ris, er zogen in ainem wald, Starck, schön, gros, edel vnd och ald, Rit uß, gelaitet mänigfalt, Mit dieneren siner naturen. Wie wol sie kamen schnell vnd bald In manchen grüsenlichen hald, Noch fand man kainer spor gestald. Her, sag mir diß figuren.‘ Er sprach ‚Wer ich vor laid nit kalt, Du hörtest sprüch aller herald. Der segelbom din frage spald Mit sinen nachgepuren [...] (Z. 1311–1323).

1. Strophe (Aufgesang im Langen Ton): Got, in drivaldikait ainvalt, ain ding, ain wesen, drei gestalt, an zuval, weder jung noch alt; der alle ding schuff mit gewalt, der hat uns christen ausgezalt, das er uns ewiklich behalt in seiner engel chören (Spechtler [1972], S. 287).

Handschriftenbeschreibung mit Literaturhinweisen vgl. http://digi.ub.uni-heidelberg.de/ sammlung2/werk/pdf/cpg356.pdf; Volldigitalisat unter http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/ diglit/cpg356/; schon Bartsch (1875) verwies in diesem Zusammenhang auf die Handschrift. 106 Konrad von Würzburg: ‚Die goldene Schmiede‘; ‚Passional‘ (Auszug); Konrad Harder: ‚Frauenkranz‘; Ave praeclara maris stella, dt.; Heinrich von Mügeln: Sangspruchdichtung; vgl. hierzu Handschriftencensus (2009): http://www.handschriftencensus.de/4926. 107 G 33, Spechtler (1972), S. 268–275. 108 G 1, Ebd., S. 113–124. 109 G 37, Ebd., S. 287–295; Melodieüberlieferung und Text nach den Handschriften D, A, K bei Waechter (2005), S. 247–249. 105

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Der Heidelberger Cpg 356 belegt die Beliebtheit der Lieder des Mönchs von Salzburg um 1460 in literarischen Zirkeln, die seinen anspruchsvollen Langen Ton auch für die eigene Verskunst nutzten. Zugleich ist der Codex ein eindrucksvolles Zeugnis für die ausgeprägte Marienfrömmigkeit dieser Zeit, die durch das Apronym in Steinhöwels Epilog ebenso zum Ausdruck kommt wie in der Mariensequenz ‚Ave Balsams Creatur‘, die als einer der ersten Drucke im Frühjahr 1473 bei Johann Zainer in Ulm erschien (Abb. 2).110 Die Verbindung zwischen der Offizin Johann Zainers in Ulm und Heinrich Steinhöwel ist hinlänglich bekannt. Peter Amelung hat Steinhöwels finanzielle Beteiligung an der Gründung der Offizin und ihrem Verlagsprogramm überzeugend dargelegt.111 In der ersten Bücheranzeige aus Johann Zainers Offizin erscheint die Sequenz im Jahr 1474 als einziger Text neben Steinhöwels deutschsprachigen Werken (‚Griseldis‘, ‚Pestbüchlein‘ und ‚Tütsche Cronica‘);112 man wird daher die frühe Drucklegung der Mariensequenz durchaus in Zusammenhang mit Steinhöwels Vorliebe für die Lieder des Mönchs von Salzburg bringen dürfen.113

G 1, Spechtler (1972), S. 113–124; vgl. GW 12290; ISTC im00791500; BSB-Ink M–543,1; Eisermann (2009); Wagner (2009), S. 22; Eisermann (1998), S. 36–41; Henkel (1993), S. 69 Anm. 10; Wachinger (1987), Sp. 661; Amelung (1979), S. 76, Nr. 7 u. Abb. 39; Geldner (1968), S. 196f. 111 Vgl. Amelung (1979), S. 15–21; ders. (1977), S. 129–144; vgl. hierzu auch BertelsmeierKierst (2011); Domanski (2007), S. 47–50; Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 207–209; Hess (1975), S. 62 u. Anm. 14, 141f., 156–159; Wegener (1904), S. 8f.; Joachimsohn (1896), S. 124; Strauch (1893), S. 730. 112 Einblattdrucke (1914), Nr. 1561; vgl. Amelung (1979), S. 88 (Nr. 19), S. 45 (Abb. 21); Eisermann (1998), S. 39. 113 Zu Steinhöwels Interesse an den Liedern des Mönchs vgl. auch Eisermann (1998), S. 39f.; Dicke (1991), S. 171; Beutler (1927), S. 41; eine zusätzliche Parallele besteht zur MondseeWiener-Liederhandschrift (Spechtler [1972], S. 46–49, Sigle: D), die fast das gesamte Œuvre des Mönchs überliefert. In dem Benediktinerkloster Mondsee arbeitete auch Johann Hauser, der den Prolog zum ‚Apollonius‘ in die Wiener Handschrift Cod. 4119 eintrug. Demzufolge wurde in Mondsee der Mönch gemeinsam mit Heinrich Steinhöwel rezipiert. Eine ähnliche Zusammenstellung findet sich auch in dem St. Galler Codex Vad. 455, der Steinhöwels ‚Pestbüchlein‘ gemeinsam mit einem Tischsegen des Mönchs von Salzburg überliefert; vgl. Handschriftencensus (2008): http://www.handschriftencensus.de/5673. 110

Abb. 2:

Mönch von Salzburg: Sequenz von Unser Lieben Frauen ‚Ave Balsams Creatur‘; Ulm: Johann Zainer d. Ä., [Frühjahr 1473] (GW 12290); München, Bayerische Staatsbibliothek, Einbl. III,28.

90

1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

Nachfolgend wird eine Übersicht aller Verspassagen und ihrer Bauformen im Vergleich zu Steinhöwels Quellen geboten. Gesta Romanorum (Oesterley)

Textstelle

Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘

Prolog

50 Reimpaarverse

1. Rätsel des Antiochus

5 Verse, 1 Paar- und ein Dreireim: Der sủnden wagen menen ich Mtterlich flaisch das speiset mich Wie vast mich mant miner můter man So will sich doch nit finden lon Der brůder des ich begeret han

Scelere vehor, materna carne vescor, quero fratrem meum matris mee virum, nec invenio. (Z. 44f.)

Scelere vereor, materna carne vescor, quero patrem meum, matris mee virum, uxoris mee filium: nec invenio (S. 154).

Ausruf d. Knaben

6 Reimpaarverse

Prosa

Gottfriedsche Strophe: 2 Hexameter und 1 Pentameter

Lied der Tarsia

2 Strophen im Langen Ton d. Mönchs von Salzburg (26 Verse), Reimschema (1 Strophe): a–a–a–a–a–a–b– c–c–c–c–c–c–b– d–d–d–e– d–d–d–e– d–d–d–e

12 rhythmische Hexameter

Prosa

1. Rätsel der Tarsia (Welle/ Fische)

ein Aufgesang im Langen Ton d. Mönchs von Salzburg (14 Verse), Reimschema: a–a–a–a–a–a–b– c–c–c–c–c–c–b

4 Verse, Paarreim

insg. 9 Rätsel in Prosa

2. Rätsel der Tarsia (Schiff)

ein Abgesang im Langen Ton d. Mönchs von Salzburg (12 Verse), Reimschema: d–d–d–e–d–d–d–e–d–d–d–e

4 Verse, Paarreim

3. Rätsel der Tarsia (Ball)

8 Reimpaarverse



4. Rätsel der Tarsia (Spiegel)

6 Reimpaarverse



Epilog

14 Reimpaarverse





Gottfried von Viterbo: Pantheon (Singer) –



2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

91

2.3.3 Gattungsinterferenzen Aber auch der Versuch, aus Traditionen plus Werkstrukturen plus Rezeptionen konkrete Gattungskonventionen zusammenzuknüpfen, bleibt gerade fürs 15. Jh. ganz problematisch. Die Durchlässigkeit solcher Konventionen für jederart ‚Inhalte‘ und ihre Übergänglichkeit ineinander ist [...] jetzt so allgegenwärtig, daß man nirgends festen Fuß faßt.114

Bisher hatte die Forschung Steinhöwels ‚Apollonius‘ – den unterhaltenden Aspekt betonend – den „Liebes- und Reiseromanen“ (auch Minne- und Abenteuerromanen) zugeordnet.115 Innerhalb dieser Gruppe wurde er als „AbenteuerPrüfungsroman“ oder gar als „Märchenroman“ verstanden, der von Trennungen, langen Irrfahrten und glücklichen Wiedervereinigungen handelt.116 Steinhöwels gelehrter Impetus, den er auch im Prolog deutlich zum Ausdruck bringt, wurde hierbei durchweg negiert. Bei der Analyse des literarischen Umfeldes war neben der gemeinsamen Tradierung mit der ‚Griseldis‘ vor allem die Überlieferung des ‚Apollonius‘ mit historischen Texten aufgefallen. T ist der früheste Textzeuge, der neben der ‚Melusine‘ den Krönungsbericht Maximilians I. gemeinsam mit dem ‚Apollonius‘ bietet und ihn somit erstmals im geschichtlichen Kontext präsentiert. Als weiteres Beispiel wurde bereits der Heidelberger Cpg 154 genannt, der den Erstdruck zusammen mit Chroniken und Hartliebs ‚Alexander‘ tradiert. Auch das Bücherverzeichnis Maximilians nennt den ‚Apollonius‘ unter der Überschrift Historien neben Chroniken und Geschichtsdarstellungen.117 Schedels index librorum verzeichnet Steinhöwels ‚Apollonius‘ unter den Libri vulgares in lingua theotonica, die lateinische Apollonius-Fassung dann aber unter den Moderniores historici: historia [...] Appolonij Tirij.118 Da sich mitunter beim zeitgenössischen Publikum genealogische Interessen mit dem Text verbinden, kann man davon ausgehen, dass der König Apollonius auch in diesem Zusammenhang weniger als Protagonist einer fiktionalen Erzählung, sondern vielmehr als historische Figur verstanden wurde.119 Das eigentümliche Changieren zwischen fiktionaler und historischer Literatur belegt auch Müller anhand einer Buchanzeige aus den 1480er Jahren, in der die Titel Chronica, hystori, buch u.ä. sowohl für fiktionale als auch für rein geschichtliche Werke gebraucht werden.120

Kuhn (1980), S. 25f. Auch im aktuellsten Literaturlexikon Achnitz (2012) wird der ‚Apollonius‘ nicht als historischer Stoff registriert, sondern gemeinsam mit „weltlichen Fabeln und Sagen“ aufgeführt; vgl. Zapf (2012), Sp. 180. Steinhöwels Bearbeitung wird nicht erwähnt. 116 Vgl. hierzu Lienert (2001), S. 163; Ridder (1998), S. 6 Anm. 26; Bachorski (1993); Bachtin (1989), S. 10; Kuch (1985), hier S. 4. 117 Vgl. Gottlieb (1900), S. 101–105. 118 Vgl. zu Hartmann Schedels Buchbesitz auch S. 48f. 119 Vgl. hierzu S. 47 u. Anm. 186. 120 Vgl. Müller (1997), S. 347; zu der in der Forschung breit diskutierten Frage nach der Gewichtung von Fiktionalität und Historizität bzw. Faktizität vgl. u.a. Fasbender (2012); Raumann (2010); Peters/Warning (2009); Goetz (2006); Knapp (2005); Müller (2004); 114

115

92

1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh. Eine Sozialgeschichte dieser ‚schönen Literatur‘ kann also gerade nicht Geschichte der literarischen, historischen, sozialen usw. Rückverbindungen isoliert fiktiver Setzungen sein, sondern nur umgekehrt Geschichte ihrer realen (historischen, sozialen usw.) Gebrauchs-Faszination. Nur so wird auch die jetzt ungehemmte Übergänglichkeit aller Stoffe und literarischen Formen ineinander verständlich: religiöser, staatlich-rechtlichöffentlicher, praktischer und gesellschaftlicher Lebensnotwendigkeiten, in allen Formen des Anspruchs der neuen volkssprachlichen Öffentlichkeit.121

Dieser Befund legt nahe, einen genaueren Blick auf das zeitgenössische Textbzw. Gattungsverständnis zu werfen und der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße das Werk im Literaturverständnis der Zeit als historischer Text wahrgenommen wurde. Grundsätzlich ist Steinhöwels ‚Apollonius‘ den frühneuhochdeutschen Prosaromanen zuzurechnen – ein Terminus, der hier allerdings nicht als Gattungsbegriff, sondern mit Müller als „Zielform“ aufgefasst werden soll, „auf die hin sich gemeinsame Entwicklungstendenzen von unterschiedlichen Ausgangspunkten bewegen.“122 Als „Minimalexplikation“ für den frühneuhochdeutschen Prosaroman definiert Müller daher: Erzählung größeren Umfangs, durch die Prosaform vom mittelalterlichen Versroman abgegrenzt, mit dem Anspruch, ‚wirkliches‘ oder ‚wahres‘ Geschehen zu vermitteln, und mit der Tendenz zur Konzentration auf einzelmenschliche Schicksale.123

Der überaus unscharfe Oberbegriff bezeichnet eine sehr heterogene Gruppe von Texttypen wie romanhafte Erzählungen, Wunder- und Reiseberichte, Schwänke und Exempel, Heiligenlegenden und Mirakel sowie den gesamten (pseudo-) historiographischen Bereich (Lebensbeschreibungen historischer Personen, Chroniken u.ä.). Innerhalb dieser Texte bildet die Hystori gewissermaßen eine Untergruppe, für die Müller einerseits eine Erweiterung konstatiert, die auch Verserzählungen, Lieder, Spiele und Bildtexte mit einschließt, andererseits aber auch eine Verengung, da sie „meist das Kriterium Fiktionalität ausklammert und eine als faktisch wahr geglaubte, in belehrender Absicht vorgetragene Darstellung von Ereignisfolgen meint.“124 So definiert auch Steinhöwel im ‚Aesop‘ den Begriff Hystorie als ware beschechene ding.125 Neben dem ‚Apollonius‘ sind in dieser Zeit noch eine Reihe anderer Prosaromane durch Anbindung an historische Ereignisse oder Personen im

Haug (2003), insb. S. 144; Neudeck (2003), S. 15–55; Haug (2002); Müller (1985), S. 61–75; Moos (1976); Faksimile der zitierten Buchanzeige siehe Vorderstemann (1980), S. 46. 121 Kuhn (1980), S. 32f. 122 Müller (2010), S. 109; vgl. hierzu grundlegend Müller (2003); eine Bibliographie der Prosaroman-Forschung (1985–2009) hat zuletzt Schnyder (2010) zusammengestellt. 123 Müller (1997), S. 340; vgl. auch Müller (1985). 124 Müller (1997), S. 339; dagegen Braun (2004), S. 341f., der schon von der „Genese eines Fiktionsbewußtseins“ spricht: der Wahrheitsanspruch sei unspezifisch und auf die Heilsgeschichte reduziert, die Erfindungen in den Historien hingegen dienten der Zerstreuung der Melancholiker. 125 Oesterley (1873), S. 6.

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

93

weltgeschichtlichen Geschehen fixiert, weshalb Joachim Knape von einer ‚Biographischen Historie‘126 spricht. Das biographische Element liegt bei diesen Texten darin begründet, dass sie neben der Lebensgeschichte eines Helden – sei er fiktiv, legendär oder historisch –, die sie zum Erzählgegenstand haben, auch im Titel oder Incipit den Namen des Helden tragen und das ����������������������� zeitgenössische Publikum für diese Texte vermutlich einen historischen Hintergrund annahmen.127 Durch diese historische Fixierung kann den Schilderungen ungewöhnlicher Geschehnisse und profaner Liebesgeschichten durchaus ein didaktisches Potential im Sinne der Historie beigemessen werden, wobei zugleich der unterhaltende Aspekt der Erzählung erhalten bleibt. Steinhöwels ‚Apollonius‘ erfüllt alle diese Merkmale. Die Übersetzung ist bis auf wenige Stellen in Prosa verfasst und der didaktische Anspruch wird schon im Prolog angesprochen. Der Protagonist ist einerseits durch mehrfache Datierung, andererseits durch die historische Einleitung im Kontext der Weltgeschichte verankert und garantiert somit den Wahrheitsanspruch der Geschichte. Die historische Authentizität ist für Steinhöwels ‚Apollonius‘ von besonderer Bedeutung, was sich an seiner Beglaubigungsstrategie, der zeitlichen Verortung des Textes, der Bibelbezeugung und seiner ausführlichen Benutzung des Pantheon Gottfrieds belegen lässt, das als wissenschaftliche Quelle galt. Auch das literarische Umfeld in den Sammelhandschriften zeugt von einer vielfältigeren Gebrauchsfunktion, als sie etwa den rein novellistischen Erzähltexten zukommt. Abgesehen von der historischen Anbindung lässt sich bei Steinhöwels ‚Apollonius‘ die Nähe zur Fürstenspiegelliteratur ebenso wie zur Tugend- und Ehethematik festhalten. Da er die Erzählung ins Deutsche überträgt und sich damit vorrangig an nicht lateinisch gebildete Leserschichten wendet, versteht er sich, wie oben gezeigt, als Vermittler zwischen lateinischer Gelehrsamkeit und seinem deutschsprachigen Publikum. Im Prolog nennt er daher sein Werk auch exempel, womit er seine eigene didaktische Kompetenz programmatisch hervorhebt. Diese Kennzeichnung entspricht dem Exempelcharakter der Gesta Romanorum, die er für den Handlungsverlauf vorrangig als Quelle verwendete. Unter diesem Aspekt liegt der Vergleich mit der Rahmenhandlung der Historia septem sapientum nahe, die oftmals in Auszügen den Gesta Romanorum eingegliedert wurden und interessante motivische Parallelen zum ApolloniusStoff aufweist:128 Der zum Tode verurteilte Königssohn wird durch das Erzählen Knape (1984), S. 276; vgl. auch Koppitz (1980), S. 196f. Hierunter fallen beispielsweise die Troja-Erzählungen, ‚Herzog Ernst‘, Johannes Hartliebs ‚Alexander‘, Johanns von Würzburg ‚Wilhelm von Österreich‘, ‚Pontus und Sidonia‘, ‚Drakula‘, ‚Willehalm von Orlens‘ des Rudolf von Ems und der ‚Huge Scheppel‘ Elisabeths von Lothringen; vgl. hierzu auch Braun (2004); Henkel (1993), S. 58; Spriewald (1972), S. 259. 127 Vgl. Knape (1984), S. 276; Koppitz (1980), S. 196f.; siehe hierzu auch Wade (1995), S. 115. 128 Die älteste bekannte Gesta Romanorum-Handschrift Innsbruck, UB, Cod. lat. 310, die den ‚Apollonius‘ noch nicht enthält, bietet schon die ‚Sieben weisen Meister‘; vgl. Gerdes 126

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

von Exempeln vor dem Tod gerettet.129 Gemein ist beiden Texten der Themenkomplex des vorbildlichen Handelns (besonders in Bezug auf das Verhalten eines Herrschers), sowie der religiös-erbauliche Aspekt.130 Vor allem aber führen die ‚Sieben weisen Meister‘ vor, „daß das Erzählen von Beispielen das Leben und Handeln von Menschen zu lenken vermag.“131 Dieses Motiv ist nicht nur im ‚Apollonius‘ vorhanden, sondern tritt auch in Steinhöwels späteren Werken wiederholt auf: Im ‚Apollonius‘ rettet Tarsia ihr Leben und ihre Keuschheit durch das Erzählen ihrer Geschichte. Die ‚Griseldis‘ ist dem ‚Decameron‘ entnommen, das selbst eine Sammlung von Erzählungen ist (ebenfalls von einer Rahmenhandlung umgeben), die dazu dienen, mithilfe der narratio eine gefährliche Zeitspanne zu überbrücken.132 Zuletzt kann auch im ‚Aesop‘ der Fabelerzähler, als er von den Priestern in Delphi zur Hinrichtung geführt wird, seinen Tod viermal durch Erzählungen hinauszögern.133 Versteht man den Exempel-Begriff im Sinne Walter Haugs „nicht als Gattungs-, sondern als Funktionsbegriff“,134 erfüllt Steinhöwels Erzählung die exemplarische Aufgabe, dem Leser alt geschicht nahezubringen, Dar jnn man fint der wißhait dicht / Och annder ler exempel gůt (Z. 28f.). Das Erzählen wird somit in die belehrende Kategorie des Exempels erhoben, dessen Überzeugungskraft „von ihrem historischen Wahrheitsgehalt ab[hängt], und um diesen darzutun, wird der Roman wie ein historiographischer Text behandelt“.135 Dadurch, dass Steinhöwel lateinisches Gelehrtenwissen in die Volkssprache transferiert, zusätzlich aber auch die unterhaltenden Momente akzentuiert (spannende und überraschende Handlungsverläufe, fesselnde Dramatik mit glücklichem Ausgang, exotische Schauplätze), bedient er zusätzlich die horazische Formel des prodesse et delectare. Steinhöwel verbindet mit dem ‚Apollonius‘ demnach drei Komponenten: Er verstand den Stoff als belehrendes exempel, als unterhaltende Erzählung und als historisch verbürgte Herrschervita. Die gemeinsame Überlieferung des ‚Apollonius‘ mit geschichtlichen Werken bestätigt darüber hinaus die

(1992), Sp. 1181; Abdruck der Hs. vgl. Buchner (1889). Zur Überlieferung der Historia septem sapientum vgl. Roth (2004); die ältere Literatur führt Gerdes (1992) auf; zuletzt erschienen zur Historia septem sapientum Roth (2008); ders. (2004); ders. (2003). 129 Vgl. Gerdes (1992), Sp. 1175; Haug (1991), S. 275. 130 Vgl. Gerdes (1992), Sp. 1175. 131 ������������������������������������������������������������������������������������ Ebd., Sp. 1176; zum argumentativen Gebrauch des Exempels in den ‚Sieben weisen Meistern‘ vgl. Steinmetz (2000), S. 127–173. 132 �������������������������������������������������������������������������������������� Gerdes (1992), Sp. 1176: „In Europa haben die ‚Sieben weisen Meister‘ auf das ‚Dekameron‘ Boccaccios und damit auf die Entwicklung der Rahmenerzählung gewirkt.“ 133 Haug (1991), S. 277. 134 Ebd., S. 264. 135 Müller (1997), S. 348f. Aufgrund des historischen Wahrheitsanspruchs bezeichnet Müller (1985), S. 65, die Geschichtsschreibung für diese Romane als „Ebene der Integration“. Die narrativen Prosa-Texte orientieren sich in einem „naiv-unmittelbaren“ Verhältnis an der Historiographie, die ebenfalls in Prosa verfasst wurde. Dementsprechend haben die ersten Prosaromane geschichtliche Ereignisse oder Personen zum Hauptgegenstand und beziehen sich in „romantheoretische[n]Reflexion[en]“ wiederholt auf Geschichtsschreibung.

2.3 Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung

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Überzeugungskraft von Steinhöwels Historizitätsanspruch, der für die Konzeption und die moraldidaktische Exempelfunktion des Textes eine fundamentale Voraussetzung bildete. Selbst wenn es sich bei den Termini hijstori und exempel um zeitgenössische handelt, wird jedwede Kategorisierung eine „nachträgliche literaturgeschichtliche Konstruktion“ bleiben.136 Ob und inwieweit sich hieraus literaturwissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen lassen, ist m.E. äußerst fraglich. Der Versuch, einen derart vielschichtigen Text wie Steinhöwels ‚Apollonius‘ in klassifikatorische Gattungskonzepte einzuordnen, muss fehlschlagen und soll hier nicht erneut unternommen werden. Die Faszination des ‚Apollonius‘ scheint eben gerade darin bestanden zu haben, dass er nahezu allen genannten Texttypen auf eine gewisse Weise zuzurechnen ist und als ein hybrides Textmuster im zeitgenössischen Literaturverständnis eine außerordentliche Variationsbreite an Interpretationsmöglichkeiten bot, die weder aufgrund von Bildungsvoraussetzungen noch aufgrund von gesellschaftlichen Positionen einer speziellen Rezeptionssphäre vorbehalten waren.137

2.3.4 Ergebnisse Ebenso wie der Autor Heinrich Steinhöwel schwer einzuordnen ist, da sein Œuvre die verschiedensten literarischen Bereiche berührt, ist auch der ‚Apollonius‘ – wie viele andere Texte der Zeit – als hybrides Objekt gattungsmäßig kaum fassbar.138 Die hochkomplexen Verspassagen, die Heinrich Steinhöwel in das Werk einbindet, stehen in bemerkenswertem Kontrast zu seinem erklärten Vorsatz Eigen gedicht wer mir zeschwer / Latin zetủtschen ist min ger / Leichtenklich nach schlechtem synne / Vast hoher zierd ich nit begynne / Ob ich zegrob bin an dem schriben (Z. 19–23). Steinhöwel bedient sich hier dem in der gelehrten Dichtung üblichen Bescheidenheitstopos, mit dem er die eigene dichterische und literarische Leistung herunterspielt.139 Durch die poetische Stilisierung, die

Müller (1997), S. 339; vgl. auch Neudeck (2003), S. 21. In diesem Aspekt sieht Elizabeth Archibald die breite und gesamteuropäische Rezeption der Historia Apollonii regis Tyri begründet; vgl. Archibald (1991), S. 106: „The secret of the success of the story of Apollonius seems to have lain in its indeterminate genre and lack of explicit motivation or moralization [...].“ 138 So konstatiert auch Jan Dirk Müller für den ‚Fortunatus‘ eine „Hybridisierung und Subvertierung älterer Erzählformen“, die dazu führen, dass „ein solcher Text [...] im 17. Jahrhundert unbrauchbar erscheinen [müsse]. Er befriedigt allenfalls Sensationslust“; vgl. Müller (2010), S. 124. 139 Tomasek (1994), S. 204, beurteilt die Rätsel in Steinhöwels Fassung als „ein wichtiges Stück deutscher Rätselgeschichte“ und führt die „besondere Note“ bei Steinhöwel auf die Affinität der Humanisten zum Rätsel zurück. 136 137

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1. Teil: 2. Die Apollonius-Tradition im 15. Jh.

in seinem weiteren Œuvre ohne Entsprechung bleibt,140 zeigt er seine literarische Bildung auf subtile und elegante Weise. Mit der Adaptation des Langen Tons, der kunstvollen Verschränkung von Lied und Prosa, und den durch Akrosticha und Apronym herausgehobenen Textstellen (Pro- und Epilog) wendet sich Steinhöwel an ein literarisch versiertes Publikum, das mit diesen Stilmitteln hoher Dichtkunst bestens vertraut war. Der Vergleich von Steinhöwels Bearbeitung mit seinen Quellen hat zudem gezeigt, dass er sich durchaus nicht nur als Übersetzer, sondern auch als interpres versteht, dem es um eine eigene literarische Adaptation des Stoffes geht. Narrativ den Gesta Romanorum folgend bindet er Gottfrieds Pantheon gezielt mit ein und schafft somit ein planvoll konzipiertes und neues literarisches Werk. Steinhöwels Apollonius-Bearbeitung wurde durch die Etikettierung der älteren Forschung als ‚Unterhaltungsroman‘ verkannt und auf einen Bruchteil des gesamten Bedeutungsspektrums reduziert.141 Die breite Rezeption des Werkes kann anhand der angewandten sozialgeschichtlichen Fragestellung auf seine Polyvalenz zurückgeführt werden, die im Wesentlichen die Deutungsmuster bewahrt, die auch die lateinische Apollonius-Tradition im 15. Jahrhundert erfahren hat.

Auch in seinen späteren Werken (‚Tütsche Cronica‘, ‚Von den Erlauchten Frauen‘ und insbesondere im ‚Spiegel menschlichen Lebens‘) streute Steinhöwel gelegentlich kleinere gereimte Textstellen ein, eine Zusammenstellung derselben fehlt in der Forschung aber bislang; vgl. Joachimsohn (1896), S. 122. 141 Vgl. hierzu etwa Buck (2002), der unter parallelen Aspekten die Historia Hierosolymitana des Robertus Monachus untersucht hat. 140

3. Zusammenfassung Heinrich Steinhöwels ‚Apollonius‘, dem das abschätzige Urteil der älteren Forschung lange anhaftete, kann angesichts der vorliegenden Untersuchung auf einer neuen wissenschaftlichen Grundlage bewertet werden. Die pejorative Einschätzung des Werkes gründete sich auf das Kriterium der Stoffwahl, das heute in einem differenzierteren Zusammenhang betrachtet werden muss. Zwar geht der ‚Apollonius‘ auf einen spätantiken Text zurück, ist deswegen jedoch keinesfalls als „späthöfisch“ oder „unhumanistisch“ zu werten, da auch Steinhöwels indirekte Quelle, die Historia Apollonii regis Tyri, im Zuge der humanistischen Antikerezeption unter lateinkundigen Gelehrten nachweislich große Beachtung gefunden hat. Die Klassifizierung als ‚Volksbuch‘ implizierte darüber hinaus, die Priorität des Textes läge in seinem Unterhaltungswert. Dass der Autor Steinhöwel aber vor allem im ‚Apollonius‘ einen ausgeprägten ästhetischen Anspruch hatte, zeigen insbesondere die gereimten Textstellen, daneben aber auch die Ausstattung des Werkes mit Akrosticha, Pro- und Epilog. Auch Steinhöwels didaktische Intention konnte im ‚Apollonius‘ präzise ermittelt werden, weshalb das Werk den späteren Übersetzungen gegenüber keine abwertende Beurteilung verdient. Steinhöwels systematische Differenzierung zwischen den Interessen eines volkssprachigen und eines lateinisch-gelehrten Publikums hat in der Forschung zwar durchaus Berücksichtigung gefunden, nicht erkannt wurde bisher allerdings, dass sein moraldidaktischer Bildungsimpetus bereits im ‚Apollonius‘ voll ausgebildet und durchaus im Denken des Frühhumanismus verankert war. Die althergebrachte Aufspaltung seines Œuvres in eine spätmittelalterliche Frühund eine humanistische Spätphase hat sich daher als antiquiert erwiesen. Speziell der ‚Apollonius‘, dessen Überlieferung auf das Engste mit Steinhöwels ‚Griseldis‘ verbunden ist, lässt deutliche motivische Parallelen zu der nur wenig später entstandenen Petrarca-Übersetzung erkennen, da beide die Liebes- und Ehethematik behandeln: Die Protagonistinnen bewahren trotz heftiger Prüfungen in schwierigen Lebenssituationen stets ihre Keuschheit und werden durch ihr rationales und tugendhaftes Verhalten am Ende belohnt. Vergleicht man also das Werk auf der inhaltlichen Ebene mit der ‚Griseldis‘, so erweist sich die Einordnung des ‚Apollonius‘ als unhumanistisches Werk in der Tradition späthöfischer Erzählliteratur als eklatante Fehleinschätzung. Daher müssen Steinhöwels durchaus humanistischer Bildungsauftrag und sein Ziel, einem deutschsprachigen Publikum lateinisches Gelehrtenwissen sowie unterhaltsame und nachahmenswerte Vorbilder zu präsentieren, künftig stärker gewürdigt werden. Der Anspruch, wißhait an Laien zu vermitteln, beschränkte sich zudem nicht nur auf seine literarischen Übersetzungen, sondern

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1. Teil: 3. Zusammenfassung

zeichnet sich schon in dem medizinischen ‚Pestbüchlein‘ und seiner historiographischen ‚Tütschen Cronica‘ ab. Dieses intendierte Laienpublikum lässt sich anhand der zeitgenössischen Rezeptionszeugnisse zweifelsfrei innerhalb Steinhöwels sozialgeschichtlichem Umfeld verorten, wovon auch die Widmungen zeugen, mittels derer er seine Werke den großen südwestdeutschen Adelshöfen zueignete. Am Beispiel von Heinrich Steinhöwels Œuvre wird weiterhin deutlich, dass die Humanismus-Debatte auch in jüngerer Zeit Werke auseinanderdividiert hat, die im zeitgenössischen Literaturverständnis als zusammengehörig empfunden wurden, wie beispielsweise die Textkombination des Leipziger Ms. 1279 belegt. Die literarhistorische Einordnung von Steinhöwels Gesamtwerk krankte bisher offenbar an der traditionellen Annahme einer Epochenschwelle innerhalb des 15. Jahrhunderts zwischen Spätmittelalter und Humanismus. Daher scheint es künftig geboten, diese Phase als eine lange Zeit kontinuierlicher und stufenloser Veränderungen zu betrachten, in der das Alte stets gleichwertig neben dem Neuen weiterexistierte. Diese besonders lange Übergangsphase war für den deutschen Frühhumanismus, im Gegensatz zum italienischen Vorbild, charakteristisch. Steinhöwel und viele andere Studenten dieser ersten Generation waren aufgrund ihres Studiums mit dem konservativeren petrarkischen Frühhumanismus Norditaliens in Berührung gekommen; dementsprechend lag ihr Schwerpunkt vornehmlich auf der Rezeption der moralphilosophischen Ansätze Petrarcas und Boccaccios. Bei Steinhöwel lässt sich dieser Einfluss zunächst deutlich an seinem Engagement für die Drucklegung der lateinischen Texte Petrarcas und Boccaccios ablesen, die dem philologischen Konzept nach für ein lateinisch-gelehrtes Publikum bestimmt waren. Parallel zu seiner regen Herausgebertätigkeit verfasste er aber auch volkssprachige Übertragungen, die sich allerdings mitnichten an den gemeinen Mann oder eine breite volkssprachige Masse richteten, wie es vereinzelt noch immer zu lesen ist. Seinen beruflichen Verbindungen entsprechend, die Steinhöwel zu Mitgliedern der südwestdeutschen Adelsgesellschaft unterhielt, finden sich zunächst in der handschriftlichen Überlieferung des ‚Apollonius‘ Textzeugen, die vielmehr aus adeligem Besitz stammen. Nach der Einführung des Buchdrucks beschränkte sich das Publikum noch zumindest bis zum Ende des 15. Jahrhunderts auf einen kleinen exklusiven Personenkreis, der anfangs vornehmlich in der Adelsgesellschaft, nach der Drucklegung aber auch vermehrt im aufsteigenden Patriziat der Städte zu verorten ist. Im Umkreis dieses typischen Handschriftenpublikums wurde der ‚Apollonius‘ zunächst überwiegend gemeinsam mit auf delectatio zielenden Texten tradiert. In einer zweiten Rezeptionsphase, die wesentlich durch die Vervielfältigung des Textes im Buchdruck und die verbesserten Absatzmöglichkeiten bestimmt war, erschloss sich dem Werk zwar ein etwas breiteres Publikum, das den ‚Apollonius‘ auch gemeinsam mit lehrhafter Erzählliteratur sowie praktischen Gebrauchstexten und historiographischen Werken rezipierte, von

1. Teil: 3. Zusammenfassung

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einer breiten, anonymen Publikumsmasse kann aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein. Zudem konnte anhand der auffälligen Parallelüberlieferung die Annahme widerlegt werden, dass Steinhöwels sogenannte humanistische ‚Griseldis‘ anders rezipiert worden sei als der angeblich unhumanistische ‚Apollonius‘. Zu überdenken ist in diesem Zusammenhang die konservative Definition humanistischer bzw. unhumanistischer Quellen, die nicht nur im Falle Steinhöwels zwangsläufig zu der Hypothese einer scharfen Zäsur innerhalb seines Œuvres geführt hat. Auch sollte das Klischee in Zukunft endgültig ad acta gelegt werden, die humanistische Rückkehr ad fontes habe mittelalterliche Quellen ausgeschlossen und sich ausschließlich auf die antike Literatur bezogen: Ein Blick auf die zeitgenössische Rezeption von Steinhöwels lateinischen Quellen konnte zeigen, dass auch andere humanistische Gelehrte (etwa Hartmann Schedel oder Albrecht von Eyb) die von Steinhöwel verwendeten mittelalterlichen Werke schätzten, abschrieben und als Quelle für eigene historiographische Schriften verwendeten, seit Enea Silvio Piccolomini – der als Leitfigur des deutschen Frühhumanismus zu gelten hat – die Chronik Ottos von Freising als signifikante historiographische Quelle wiederentdeckt und rezipiert hatte. Auch wurden von den deutschen Humanisten zahlreiche Autoren des lateinischen Mittelalters zum Druck gebracht, wie etwa Hrabanus Maurus und Hrosvit von Gandersheim. So wurde auch Gottfrieds Pantheon in der humanistischen Historiographie als eine zuverlässige historische Darstellung eingestuft. Demzufolge zeigt sowohl die lateinische als auch die deutschsprachige Rezeption, dass der ‚Apollonius‘ gerade in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein literarisch gefragter und äußerst populärer Text war, dessen Überlieferungslage von seiner Präsenz in humanistischen, aber auch in (stadt-)adeligen Publikumsschichten zeugt. Steinhöwels Konzeption des ‚Apollonius‘ wie auch die Auswahl seiner Quellen entsprach demnach dem modernen Literaturverständnis des späten 15. Jahrhunderts und geht mit der Arbeitsweise zeitgenössischer Humanisten konform. Der Apollonius-Stoff war damals erwiesenermaßen sehr gefragt, folglich muss Steinhöwels Werk rückblickend als hochaktuell gewertet werden; zudem erfüllt es auf ganzer Linie das frühhumanistische Bildungsideal. Nicht nur die Aktualität der Quellenauswahl konnte für Steinhöwels ‚Apollonius‘ belegt werden. Daneben hat sich auch sein philologischer Umgang mit den Quellen als zielgerichtet und systematisch erwiesen. Anders als etwa Niklas von Wyle wendet er sich bewusst vom Sprachduktus des lateinischen Originals ab und versieht seinen Text mit dezenten aber stringenten Anweisungen zur Interpretation, um seinen volkssprachigen Lesern den Sinn der Erzählung möglichst verständlich darzubieten. Die Apollonius-Bearbeitung trägt im Vergleich zu seinen späteren Übersetzungen einzigartige Züge, und die simple Gegenüberstellung von wort uz wort vs. sin uz sin wird seinem komplexen und vornehmlich moraldidaktisch ausgerichteten Übersetzerprinzip keineswegs gerecht.

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1. Teil: 3. Zusammenfassung

Eckhard Bernstein, der den ‚Apollonius‘ noch nicht zu Steinhöwels „im engeren Sinne humanistischen Arbeiten“1 zählt, verleiht dem Autor (im Zusammenhang mit seinem ‚Spätwerk‘) nur unter der Bedingung „den Namen Humanist, wenn man darunter jemanden versteht, der sich ernsthaft mit Grammatik, Rhetorik, Dichtkunst und Moralphilosophie beschäftigt.“2 Steinhöwels Übersetzerintention beruht aber zweifellos schon im ‚Apollonius‘ auf dieser Prämisse: Bereits in seiner ersten Übersetzung will der Autor seine Leserschaft zur moralischen Bewertung des Geschehens, Empathie und Identifikation anregen sowie Vorbilder und abschreckende Beispiele darstellen. Mit seiner Anleitung zur korrekten Lebensführung im christlichen Sinne bereitet er den Boden für den christlichen Humanismus und die ausgeprägte Marienverehrung, die später Sebastian Brant und Jakob Wimpfeling – insbesondere in Bezug auf Makulismus-Polemik – weiter fortführen. Den religiösen und heilsgeschichtlichen Aspekt betonend entwirft Steinhöwel eine ApolloniusFassung, die er durch den Einschub der kunstvoll gereimten Textstellen (vor allem im Vergleich mit den vorherigen und etwa zeitgleichen Bearbeitungen des Stoffes) zu einer einzigartigen Komposition vervollständigt. Die durch zahlreiche Bearbeitungen und Rezeptionszeugnisse belegte Beliebtheit des Textes im 15. Jahrhundert beruhte offenbar auf den vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten, die der Stoff bietet. Von der älteren Forschung als trivialer Unterhaltungsroman verkannt, der seine Popularität plakativen Themen wie Verrat, Entführung, Inzest und Mord verdanke, erweist sich die Erzählung bei genauerer Betrachtung als ein Werk, das keinem der gängigen Gattungskonzepte ohne Weiteres zuzuordnen ist. Vielmehr scheint sich der Erfolg des ‚Apollonius‘ eben gerade aus seiner Diversität und seinem hybriden Gattungscharakter herzuleiten, der sich auch in den zeitgenössischen Bibliothekskatalogen und im literarischen Umfeld abzeichnet, mittels derer der Text im literarhistorischen Kontext situiert werden konnte. Hier ist der ‚Apollonius‘ einerseits mit historiographischen Texten verbunden, wird andererseits aber auch in rein literarischen Sammelhandschriften tradiert. Die Analyse erweist, dass der Stoff im Literaturverständnis des 15. Jahrhunderts zwar als didaktischer und unterhaltsamer Familien-, Ehe- und Abenteuerroman verstanden wurde, daneben aber auch als historisch verbürgte Herrscherbiographie. Dieser Befund wird durch die Beobachtung gestützt, dass diverse Adelshäuser der Geschichte offenbar sogar ein genealogisches Interesse entgegenbrachten. Der Humanismus-Begriff hat für die literarhistorische Beurteilung Heinrich Steinhöwels also eher Missverständnisse verursacht als fundierte Einsichten ermöglicht; die bisherigen Kategorisierungsversuche haben eine differenzierte Gesamteinschätzung des universalgelehrten Autors und seines literarischen Schaffens eher verhindert als gefördert. Diese Problematik muss allerdings nicht

1 2

Bernstein (1991), S. 164. Ders. (1978), S. 88.

1. Teil: 3. Zusammenfassung

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nur in der zukünftigen Steinhöwel-Forschung, sondern in Bezug auf den Frühhumanismus generell stärker berücksichtigt werden: Sollten die traditionellen Konzepte auf einen Autor nicht anwendbar sein, erlaubt dies im Umkehrschluss nicht, Brüche und Wirkungsphase innerhalb seines Œuvres zu konstruieren, bis sich schließlich Autor und Werk mehr schlecht als recht in die herkömmlichen Gattungsdefinitionen eingliedern lassen. Vielmehr muss Heinrich Steinhöwel als Autor in einer Übergangszeit wahrgenommen werden, auch wenn sein literarisches Werk „für eine Historiographie der sauberen Schnitte irritierend sein“3 mag – eine Sichtweise, die sich bezüglich anderer frühhumanistischer Persönlichkeiten (etwa Albrecht von Eyb oder Jakob Wimpfeling) bereits etabliert hat: eine Gestalt des Übergangs, die eine notwendige Funktion zwischen zwei Perioden ausübte, indem sie von der einen zur anderen hinüberleitet und deshalb ungeachtet der subjektiven Intentionen weder als Bewahrer einer alten Tradition noch als Begründer einer neuen gelten kann.4

Die Ambivalenzen und Interferenzen sollten in zukünftigen Untersuchungen als Teil seiner Gelehrtenpersönlichkeit stets mitberücksichtigt werden. Decken sich die daraus resultierenden Ergebnisse nicht mit der Definition dessen, was aktuell als humanistisch oder unhumanistisch gilt, sollte weder der Autor noch das Werk in Kongruenz gebracht, sondern vielmehr die Definition neu überdacht werden.

3 4

Bernstein (1993), S. 107. Mertens (1993), S. 55.

Zweiter Teil

1. Überlieferung Vorbemerkungen Die Überlieferung von Steinhöwels ‚Apollonius‘ wurde völlig neu gesichtet. Im Folgenden sind alle mir bekannt gewordenen Handschriften und Druckausgaben vor 1500 (mit entsprechenden Exemplarnachweisen) verzeichnet. Zu den meisten Handschriften lagen bereits ausführliche Beschreibungen vor. Sie wurden überprüft, zudem Einbände, handschriftliche Marginalien und Einträge zu Herkunft und Besitzergeschichte der Überlieferungszeugen untersucht. Die Druckbeschreibungen folgen grundsätzlich den Konventionen des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke (GW), dem auch die typologischen Angaben zu den einzelnen Druckausgaben entnommen sind. Alle mit Asteriskus (*) gekennzeichneten Exemplare wurden im Original, die mit ° gekennzeichneten in Kopie eingesehen. Autoren- und Titelbezeichnungen richten sich nach dem Verfasserlexikon (2VL). Die eindeutige Identifizierung einzelner Druckexemplare wird einerseits durch die Angabe aller ermittelter Provenienzen, andererseits durch eine möglichst vollständige Bibliographie erleichtert, die auch ältere Forschungen aufführt. Da der Schwerpunkt auf der zeitgenössischen Rezeptionsgeschichte liegt, wurden die ermittelten Besitzer des 15. und 16. Jahrhunderts separat im Kapitel „Provenienzen“ aufgeführt. Alle späteren Provenienzen werden in den Druckbeschreibungen skizziert. Grundsätzlich wurden die Textzeugenbeschreibungen knapp, aber so detailliert wie nötig gehalten, um „die Funktion des Exemplars im historischen Prozeß des Umgangs mit der literarischen Überlieferung zu rekonstruieren“.1

1

Hertrich (1979), S. A352.

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2. Teil: 1. Überlieferung

1.1 Die Handschriften 1.1.1 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 150 (D) Papier • 58 Bll. • 29,5 × 19,2 cm • schwäbisch (Kirchberg; Schreiber: Peter Hamer)2 • 1468. Explicit Bl. 53r: Explicit per me petrum hamer, tunc temporis Cappellanum in kirchberg Anno domini M° cccc° lxviijuo feria 4a post letare. Inhalt: 1. Bl. 2r–40v Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘. 2. Bl. 41r–53r Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘. Bl. 53v–58v leer. ‘Apollonius‘-Teil einspaltig, 27–30 Zeilen, gereimte Verse und Personennamen rot unterstrichen, einfache zwei- bis fünfzeilige rote Lombarden. Auf dem Vorsatzblatt Skizze eines Männerkopfes und Kritzeleien in Tinte; das in den Spiegel geklebte Papier ist unten rechteckig eingerissen, darunter lateinisch beschriebenes Pergament (3. V. 13. Jh.); der hintere Spiegel trägt Schriftproben, Tintenflecke und eine einfache Federzeichnung dreier aus dem Schornstein rauchender Häuser; das Papier ist stark abgenutzt, nachgedunkelt und verschmutzt; Pergamentfalzverstärkungen (3. V. 13. Jh.); moderne Foliierung. Wasserzeichen: 1) Lagen 1–4: Ochsenkopf mit Augen, darüber einkonturige Stange, darüber Blume, darunter Beizeichen Marke aus Schaft, zwei Kreuzsprossen und Dreieck, ein Zeichen Variante zu Piccard-Online 66379 (Innsbruck 1467); das andere Piccard-Online 66395 (Innsbruck 1471/72), 2) Lage 5: Variante zu Piccard-Online 69051 (Memmingen 1468); Piccard Ochsenkopf XI 336 (Aalen u.a. 1464–1468); Lagen: 5 VI59.3 Einband: Zeitgenössisch, grün gefärbtes Leder auf Holz mit zwei Metallschließen, heute stark abgenutzt, beschmutzt und wurmstichig; vier erhabene Bünde, zwischen erstem und zweitem Bund Titelschild (18. Jh.?), auf unterem Buchrücken Signaturenschild 150. Provenienz: Schweikhard I. Graf von Helfenstein, Freiherr von Gundelfingen und Gemmingen (1539–1599; Besitzereintrag des 16. Jh.s auf Bl. 1r Sch. Comes Jn Helffenstein Baro Jn Gundelfingen et Gomergins me jure possidet);4 Bibliothek Messkirchen;5 Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek Donaueschingen (1936).

Hierbei handelt es sich um das südlich von Ulm gelegene Oberkirchberg (heute Illerkirchberg), den Stammsitz der Grafen von Kirchberg, in dessen Diensten er stand; zu Peter Hamer vgl. insb. S. 34 u. Anm. 119. 3 Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/ obj31577219. 4 Zu Schweikhard von Helfenstein vgl. S. 34–38 u. Anm. 115. 5 Vgl. hierzu Achnitz (1997), S. 37: „In dem zwischen 1730 und 1740 angefertigten ‚Catalogus Librorum Bibliothecae Moesskirchensis‘, der alle Bücher erfaßt, die mit dem Erwerb des Schlosses und der Bibliothek von Meßkirch durch Wratislaus II. in den Besitz der Fürsten 2

1.1 Die Handschriften

107

Literatur (Auswahl): MRFH 10490; Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscriptamediaevalia.de/dokumente/html/obj31577219; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/10567; Frühmorgen-Voss (2010) 42.0.1 u. Abb. 208; Kiening (1998), 479; Achnitz (1997) 37; Dicke (1995) 262; Heinzer (1995) 313; ders.(1993), 9; MBK-Erg. (1989) 393; Bertelsmeier-Kierst (1988) 41f., 192; Hess (1975) 20–23, 177ff.; Fechter (1935) 87; Koehne (1898) 695; Goedeke (1884) I:367.1; Scherer (1877) 73–76; Schröder (1873) VI, Abdruck des ‚Apollonius‘ 83–131; Barack (1865) 151–153; Scheffel (1859) 38–39.

1.1.2 *Wolfenbüttel, HAB, Cod. 75.10 Aug. 2° (W) Papier • 108 Bll. • 30,2 × 21,2 cm • illustriert (6 kolorierte Federzeichnungen) • ostschwäbisch (Augsburg; Schreiber: Konrad Bollstatter)6 • 1468 (Bl. 53v, 71r, 82v, 108r). Explicit Bl. 53v: Amezel 1468; Bl. 71r: finitus dominica die post Dorothee virginis de Conrado scriptore de Oetingen in civitate Augusta anno 1468; Bl. 82v: Anno domini MCCCCLXVIII; Bl. 108r: Amen. Anno domini 1468. Finis. Inhalt: 1. Bl. 1r Auflösung des Buchstabenorakels. 2. Bl. 2v–53v Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘. 3. Bl. 55r–71r Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘. 4. Bl. 73r–82v Niklas von Wyle: 2. Translation ‚Guiscard und Sigismunda‘. 5. Bl. 84r–107r Johannes von Tepl: ‚Der Ackermann aus Böhmen‘. Zweispaltig, 30–34 Zeilen, Lombarden, Personennamen sind unterstrichen. Vorderer Spiegel unbeklebtes Holz, Buchstabenorakel: kreisrunde mit Papier beklebte Vertiefung (2 mm tief, Durchmesser 10 cm) mit Spuren zur Befestigung einer Drehscheibe, darin sind abwechselnd in roter und blauer Tinte die Buchstaben des Alphabets notiert; Bl. 1 Auflösung des Orakels in grün, rot, blau und schwarz;7 Blattweiser aus Leder jeweils am Beginn der Texte (Bl. 55r, 73r, 84r). Der Text des ‚Apollonius‘ ist rubriziert und mit Lombarden in rot, blau und grün (einfache Großbuchstaben, nur teilweise verziert) sowie mit roten Überschriften versehen. Es befinden sich zu Beginn eine runde und fünf hochformatige kolorierte Federzeichnungen in Spaltenbreite (9–11 × 5 cm) auf Bl. 2v, 8ra, 19va, 27vb, 47va, 51rb. Die ‚Griseldis‘ enthält einheitlich verzierte rote und blaue Lombarden sowie Überschriften in rot und blau, es ist Platz für vier Illustrationen (Format wie im ‚Apollonius‘) freigelassen, die jedoch nicht ausgeführt wurden (Bl. 58va, 64va, 67vb, 69vb). ‚Guiscard und Sigismunda‘ hat nur eine große blau und rot verzierte Initiale, rubriziert sind Bl. 73r–74r, der Rest des Textes (Bl. 74v–83v) ist ohne Verzierungen in schwarzer Tinte geschrieben. ‚Der Ackermann aus Böhmen‘ trägt wieder rot, blau und grün verzierte Lombarden zu Fürstenberg gelangten, findet sich auch die laut Explicit Bl. 53r 1468 von Petrus Hamer geschriebene Hs. Donaueschingen 150 der BLB Karlsruhe“; vgl. auch Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31577219. 6 Zu Konrad Bollstatter vgl. S. 41 u. Anm. 147. 7 Zu Losbüchern mit Drehscheiben vgl. Daxelmüller (1999); Wade (1995), S. 210–216.

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2. Teil: 1. Überlieferung

und rote Überschriften; auf Bl. 105rb ist Platz für eine Illustration freigelassen. Das letzte Blatt der Handschrift ist mit dünnerem und hellerem Papier ersetzt, das an Bl. 106 geklebt wurde; das ursprüngliche Blatt ist abgeschnitten, der Text handschriftlich auf dem neueren Blatt ersetzt. Einband: Zeitgenössischer brauner leicht wurmstichiger Lederband über Holz, Blindpressung mit Goldresten, aufgenagelte Metallschliessen und vier erhabene Bünde am stark zerfallenen Buchrücken.8 Provenienz: Herzog August der Jüngere von Braunschweig (1576–1666).9 Literatur (Auswahl): MRFH 11050; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/6690; Fujii (2007) 129–131; Ott (2004); Graf (1997), 447f.; Wolf (1996), insb. 60 (Nr. 5); Dicke (1995) 262; Knape (1995) 357; Schneider (1995) 8–26, insb. 15f. u. 19f.; Wade (1995) 200–216 (mit Abb.); Frühmorgen-Voss (1991) 20f., 256–258 u. Abb. 138 (Bl. 27v); BertelsmeierKierst (1988) 40f., 192; Koppitz (1980) 52; Schneider (1978) 931–935; Hess (1975) 41–44, 68f.; Niewöhner (1933); Lehmann-Haupt (1929) 112, 211 u. Abb. 53; Heinemann (1884–1913) 2722 (Abb. 53); Scherer (1877) 73–76.

1.1.3 *Karlsruhe, BLB, Cod. Don. 86 (D1) Papier • I + 274 Seiten10 • 28,5 × 20,5 cm • schwäbisch-alemannisch • um 1470–1480. Inhalt: Bl. Iv Titelminiatur zu ‚Gauriel von Muntabel‘. 1. S. 1–188 Konrad von Stoffeln: ‚Gauriel von Muntabel‘. S. 189–210 leer. 2. S. 211–273 Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘. Einspaltig, 35–37 Zeilen, gereimte Textstellen sowie Epilog in Versen abgesetzt, durchgehend rubriziert, rote Kapitelüberschriften, nur die Titelinitiale (S. 211) verziert, sonst einfache und stark verblichene 3–6zeilige Lombarden in blau, rot, grün und braun. Zeitgenössische Kustoden, handschriftliche Foliierung und Verszählung, Kapitelnummerierung und Glossierung mit Bleistift (von Laßberg?), auch einige Lombarden sind mit Bleistift nachgezeichnet (nach Neubindung, Anfang 19. Jh.). Ganzseitige Titelminiatur zu ‚Gauriel von Muntabel‘ (Bl. IIv), deren Farben stark auf S. 1 abgefärbt haben und z.T. darauf haften geblieben sind.11 Besonders die ersten Blätter sind sehr fleckig, wurmstichig,

Der Einband stammt aus einer Buchbinderwerkstatt, mit der Konrad Bollstatter vermehrt zusammenarbeitete, so wurden dort z.B. auch die Einbände des Wolfenbütteler Cod. 37.17 Aug. 2° sowie der Handschriften München, BSB, Cgm 312 und 213 angefertigt; vgl. Hess (1975), S. 68f.; Niewöhner (1933); Lehmann-Haupt (1929), S. 112, 211 u. Abb. 53. 9 Zur Provenienz vgl. S. 41. 10 Die Zählung erfolgt alternativ nach der Paginierung des 19. Jahrhunderts: „Beginnend mit der ersten Textseite wurden mit Bleistift die Seiten 1–188, dann 1–11 (leer) und 1–63 gezählt; ungezält sind die Vor- und Nachsatzblätter sowie das Bl. mit der Titelminiatur des 15. Jh.s (Bl. II)“; vgl. Achnitz (1997), S. 14. 11 Abb. bei Achnitz (1997), S. 23; die Handschrift und die Titelminiatur wurden 1999 in 8

1.1 Die Handschriften

109

stark beschädigt und das fehlende Papier ersetzt; im gesamten Buchblock ist ein starker Wasserschaden sichtbar.12 Im vorderen Spiegel Besitzereintrag der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen, darunter: s. Wackernagel, Lesebuch 1839 und Inhaltsangabe (19. Jh.); S. 272 mit Textverlust abgerissen. Bei dem Apollonius-Teil handelt es sich um eine Abschrift von Günther Zainers Erstdruck.13 V������������������������������������������������������������ ������������������������������������������������������������� on der Hand des Schreibers stammen vermutlich noch drei weitere Handschriften, die wie D1 für die Herren von Zimmern angefertigt worden sind.14 Einband: Moderner Einband (19. Jh.). Wasserzeichen: Ochsenkopf, 1. Piccard (1961–1997) XII 582 (Zürich 1477), 2. Typ Piccard (1961–1997) XII 584 (Zug 1478–1481); Reichsapfel, ähnlich Briquet (1923) 3036 (München 1470).15 Provenienz: Freiherren von Zimmern, vermutlich Johann Werner von Zimmern, d. Ä.;16 Joseph Freiherr von Lassberg (1839);17 1855 Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek Donaueschingen (Stempel auf der ersten Seite des Vorsatzblattes [Ir]). Literatur (Auswahl): MRFH 10480; Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscriptamediaevalia.de/dokumente/html/obj31576134; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/5016; Frühmorgen-Voss (2010) 42.0.1 u. Abb. 208; Christoph (2007) 4; Siegfried (2007) 4; Achnitz (1997) 13–39; Dicke (1995) 262; Johne (1955) 391; ders. (1921) 60; Goedeke (1884) I:367.1; Schröder (1873) LXXV; Barack (1865) 72–74; Scheffel (1859) 39–40.

1.1.4 *Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951 (T) Papier • jetzt 147 Bll. • ca. 21 × 15,5 cm • bairisch-österreichisch (südtirol.; Schloss Rocken in Val di Sole, Trentino) • 1488 (Bl. 125r), 25. Juli.18 Explicit Bl. 125r: Hie enndet sich die histori des Kuniges Appoloni geschriben auf dem Rocken an Sant Iacobstag des hailigen zwölff boten nach cristi gepurt. M°. CCCC°LXXXVIII°.

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der BLB von Frau Komlosy restauriert, der ich für die bereitwillige Auskunft und die Überlassung einer Kopie ihres Restaurationsberichts sehr zu Dank verpflichtet bin. Vgl. hierzu S. 39. Augsburg: Günther Zainer, 1471 (MRFH 20180; GW 2273), Druckbeschreibung vgl. S. 111. Vgl. hierzu S. 38 Anm. 136. Eichenberger/Mackert (2012): http://www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/ obj31576134. Zur Provenienz vgl. S. 38f. u. Anm. 138. Die Handschrift befand sich allerdings offenbar nur als Leihgabe im Besitz Laßbergs und wurde 1853/55 mit seinem Nachlass wiederum nach Donaueschingen verkauft; vgl. Achnitz (1997), S. 35 Anm. 49; Heinzer (1993), S. 12; Johne (1955), S. 390. Vgl. hierzu S. 40 u. Anm. 145.

110 Inhalt:19 1. Bl. 1r–90v 2. Bl. 91r–125r 3. Bl. 126r–147v

2. Teil: 1. Überlieferung

Thüring von Ringoltingen: ‚Melusine‘ (defekt). Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (defekt). Maximilian I., Römischer Kaiser: ‚Krönung‘ (defekt).

Einspaltig, 26 Zeilen, 2–3zeilige Lombarden, gereimte Textstellen sowie Epilog in Versen abgesetzt, farbige Linien, Explicit Bl. 125r rot unterstrichen und einige Korrekturen in rot. Den von Maria Casagrande Mazzoli verzeichneten Schreiberwechsel (Bl. 90v/91r)20 konnte ich anhand eines Schriftvergleichs nicht bestätigen; es scheint lediglich ein Federwechsel vorzuliegen. Christa Bertelsmeier-Kierst machte die Handschrift der Forschung als Überlieferungszeuge des ‚Apollonius‘ bekannt, anhand einer Autopsie konnte ich zudem eine Druckabschrift der ‚Melusine‘ Thürings von Ringoltingen identifizieren.21 Anfang und Schluss der ‚Melusine‘ wie auch des ‚Apollonius‘ fehlen in der Handschrift, sodass die Werke unvermittelt ineinander übergehen. Beide Texte tragen keine Überschriften, der Beginn der Kapitel ist mit Initialen gekennzeichnet. Einband: Holzdeckeleinband mit Lederbezug (15. Jh.), 1980 restauriert.22 Provenienz: Bibliothek der Grafen von Thun.23 Literatur (Auswahl): MRFH 11010; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/20598; Trento, Cat. (http://www.bibcom.trento.it/webfm_send/91); Terrahe (2009); Paolini (2006) 101 u. Taf. CI; Groff/Paolini (2000) 251; Bertelsmeier-Kierst (1996) 337 Anm. 50; Casagrande Mazzoli (1996) 43 u. Taf. LXVIII; Mazzatini (1942) 105.

1.1.5 °Wien, ÖNB, Cod. 4119 (V) Papier • 225 Bll. • 11 × 7,5 cm • bairisch-österreichisch (Schreiber: 7 Hde. [1. Hd. Joh. Hauser])24 • Ende 15. Jh. Handschriftlicher Vermerk Bl. 1r: Anno Domini 15° X 8 obiit Frater Iohannes hawser plebanus in vigilia andree apostoli (29. 11.), comportator diuersorum ibi existencium.

Druckvorlagen: 1. Thüring von Ringoltingen: ‚Melusine‘. Augsburg: Johann Bämler, 18. 2. 1480 (GW 12660); 2. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius von Tyrus‘. Augsburg: Anton Sorg, [14]79 (MRFH 20200; GW 2275); 3. Maximilian I.: ‚Krönung‘. Augsburg: Anton Sorg, 1486 [nach dem 12. April] (GW M22103); vgl. hierzu auch Terrahe (2009), S. 51. 20 Vgl. Casagrande Mazzoli (1996), S. 43. 21 Vgl. Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 337 Anm. 50; Terrahe (2009), S. 50f. 22 Die Handschrift wurde 1980 in der Buch-Restaurationswerkstatt von S. Maria di Rosano (Florenz) restauriert; vgl. Mazzatini (1942), S. 105. 23 Zur Provenienz vgl. S. 40; Matteo Thun schenkte die Handschrift im Jahr 1859 der Biblioteca Comunale; vgl. Casagrande Mazzoli (1996), S. 49. 24 Von Hausers Hand stammen Bl. 2r–100r, 100v–104r nur oben, 104r–148v, 151v unten, 152r unten, 154r–202v, 206r unten, 209r; vgl. Herzmann (1972), mit Abb.; Menhardt (1961), S. 1002. 19

1.2 Die Drucke

111

Inhalt: Sammelhandschrift mit geistlichen und weltlichen Liedern und Texten (Gebete, Segen und Sprüche), darin Bl. 105v–106v Heinrich Steinhöwel: Prolog zum ‚Apollonius‘ (eingetragen als carmen germanicus), Bl. 199r–199v Vers 1–12 des Prologs zum ‚Apollonius‘.25 Einspaltig, 24 Zeilen, Verse abgesetzt, Foliierung des 19. Jahrhunderts, zum Teil rote Überschriften, Lombarden (teilweise rot gestrichelt), Haken, Unterstreichungen und Reklamanten. Einband: Zeitgenössischer Pergamenteinband, auf Vorderdeckel überklebter Buchstabe H (?) und Aufschrift: In isto libello continentur diversa dicta scriptorum; auf dem Buchrücken oben: Ioan. Hauser, Dicta Script. (16. Jh.); Signatur des 16. Jahrhunderts überklebt; zweimal 93 (18. Jh.). Literatur (Auswahl): MRFH 11110; Handschriftencensus (2011): http://www.handschriftencensus.de/6595, dort Lit. zu den mitüberlieferten Texten; Fürbeth (1997) 95f.; Dicke (1995) 262; Trauden (1995) 485f., 496 (irrt. Johann Hauser zugeschrieben); Henkel (1988) 199f.; Heger (1981) 552 (irrt. Johann Hauser zugeschrieben) sowie den entspr. Korrekturnachtrag 2VL 11 (2004), Sp. 593; Herzmann (1972); Wien, K. K. Hofbibliothek (1965) 168–170; Menhardt (1961) 995–1002 (irrt. Johann Hauser zugeschrieben); Fiedler (1950) XIf. (irrt. Johann Hauser zugeschrieben); Menhardt (1936) 227f. (irrt. Johann Hauser zugeschrieben).

1.2 Die Drucke 1.2.1 Augsburg: Günther Zainer, 1471 2°. 32 Bll. (Bl. 1 leer). Lagen: [a8–d8]. 35 Z. Type: 2: 118G. Stützsatz u.a. Bl. 2b u. 32a. Ein Teil der Auflage erscheint im Textverbund mit: Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘ (Augsburg: Günther Zainer, 1471 = MRFH 21130; GW M31580), eine bibliographische Einheit ist jedoch nicht belegbar. Literatur: MRFH 20180; GW 2273; ISTC ia00925000; BSB-Ink H–293; IDS 003124746; Inkunabelcensus Österreich; Schlechter/Ries (2009) 116, 474, 1010; Fujii (2007) 27; van der Haegen (2006) 45,4; Backes (2004) 104; Zimmermann (2003) 335–337; Geiß (2002) 252; Griese (1999) 144; Bertelsmeier-Kierst (1996) 338 Anm. 55; Dicke (1995) 262; Günther (1995) 12f.; Mittler/Kind (1995) 217; Brunner (1994) 8A; Sotheby‘s (1994) 29; Gotzkowsky (1991) 185, 1; Pawis (1991) 9f.; Bertelsmeier-Kierst (1988) 193; Dahm (1985) 480; CIBN (1981–1992) A-477; Koppitz (1980) 14; Büchler-Mattmann (1976) 17; Gajek (1974) 28, 27; Hellwig (1970) 83; Pellechet (1970) 913; NUC (1968–1981) NA0355445; Goff (1964) A-925; JAP (1951) 9; Neufforge (1940) 172; Binz (1938), 1f; GK (1931–1935) 5.7758; Karl & Faber (1936) 3; ders. (1932) 47; JBP (1932) 7f.; Klebs/Sudhoff (1926), Taf. 1 und 2 (= 4 Seiten Faksimiles); Heitz/ Ritter (1924) 25; Quaritch (1923) 36059; Schottenloher (1922) 42; Voulliéme (1919) Abb. I 1. 2.; BMC (1908–1912) II 316 (IB 5426); Rosenthal (1906) 1642; Voulliéme (1906) 3; Proctor (1898–1906) 1527; Schröder (1892) 19; Bartsch (1887) 95; Goedeke (1884) I:367.1; Schröder (1873) LXXVff.; Hain (1826–1938) 1294.

25

Druckvorlage: 2. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius von Tyrus‘. Augsburg: Günther Zainer, 1471 (MRFH 20180; GW 2273); von Menhardt (1936) u.a. irrtümlich als literarisches Eigentum Johann Hausers gewertet; vgl. S. 41f. u. Anm 153.

112

2. Teil: 1. Überlieferung

Reproduktionen: Schröder (1873), VI, 83–131. Faksimiledruck: Melzer (2006). Faksimile digital: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg154/.

Aberystwyth, National Library of Wales26 Defekt: Bl. 8, 30 und 31 fehlen, sie sind durch Faksimiles ersetzt. Blau eingemalte Titelinitiale auf Bl. 3, sonst rot eingemalte Lombarden und Unterstreichungen. Einband: mod. Einband (18. Jh.). Provenienz: seit 1797 im Besitz von Michael Wodhull (Wodhull Library);27 1888 im Antiquariat Bernard Quaritch (London) zum Verkauf angeboten; Francis William Bourdillon;28 seit 1922 in der National Library of Wales. Signatur: Inc 3. *Basel, UB Bl. 25 fehlt, rubriziert, rot eingemalte Lombarden, blau eingemalte Zierinitiale am Textbeginn (Bl. 2a), handschriftliche Anmerkungen von verschiedenen Händen. Zeitgenössischer Sammelband (erhalten bis 1872), ursprünglicher Inhalt:29 1. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: Inc. 216.30 2. Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘; Augsburg: Günther Zainer, 1471 (GW M31580); Signatur: Inc. 217. 3. Niklas von Wyle: 1. Translation ‘Eurialus und Lucretia‘; [Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1478] (GW M33548); Signatur: AM VI 9a. 4. Hans Erhart Tüsch: ‚Burgundische Historien‘; Straßburg: [Heinrich Knoblochtzer], 1477 (GW M48074); Signatur: AM VI 9b. 5. Thüring von Ringoltingen: ‚Melusine‘; Handschrift: Basel, Andreas Meyer zum Pfeil, 29. 3. 1471; Signatur: Cod. O I 18. Einband: mod. Einband (1872).

Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von T. Cutts, National Library of Wales. 27 Michael Wodhull (1740–1816) war Büchersammler und Dichter, seine Bibliothek (Wodhull Library) wurde 1886 verkauft; vgl. Woodhull/Stevens (1904), S. 30–32. 28 Francis William Bourdillon (1852–1921), Dichter, Literaturwissenschaftler und Bibliograph aus Midhurst, Sussex. 29 Eintrag auf Vorsatzblatt: Bis zum Sept. 1872 mit Manuscript O I 18 zusammengebunden. 30 Geiß (2002), S. 252, gibt irrtümlich die Signatur Inc. 217 (1) für den ‚Apollonius‘ und Inc. 217 (2) für die ‚Griseldis‘ an, die im IDS (003125660) unter der Signatur Inc. 217 geführt wird. 26

1.2 Die Drucke

113

Provenienz: auf vorderem Spiegel ganzseitiger Exlibris-Holzschnitt mit den Wappen der Baseler Bürger Niklaus Meyer zum Pfeil († um 1500) und seiner Ehefrau Barbara zum Luft,31 auf leerem Bl. 1a handschriftlicher Eintrag Hütt froid Morn leyd, einmal unterschrieben von Mich. Meyer und einmal Andres Meyer Zu Bassell; Bibliothek Remigius Faesch.32 *Berlin, SB33 Aufgrund der gleichen Rubrizierung und des identischen Papierschnitts (26,7 x 17,5 cm) vermutlich ursprüngliche Bucheinheit mit Inc. 4 Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘ (Augsburg: Günther Zainer, 1471 = GW M31580).34 Zwei rot eingemalte Lombarden, durchgehend rubriziert. Einband: mod. Einband (19. Jh.) mit handschriftlicher Pergamentmakulatur bezogen. Provenienz: Bibliothek des Generalpostmeisters von Nagler (runder Besitzstempel v. N. auf der ersten Textseite unten rechts);35 seit Februar 1835 in der Königlichen Bibliothek Berlin. Signatur: Inc 3. Cologny (Genf), Bibliotheca Bodmeriana Bl. 3a blau eingemalte Initiale auf rotgemustertem Grund mit langgezogenen Ranken; rot eingemalte Lombarden und Rubrikzeichen. Einband: mod. Einband (20. Jh.). Provenienz: im Mai 1951 durch Martin Bodmer bei Hauswedell, Hamburg erworben (Kat. 43, Nr. 9). Signatur: Inc. Bodmer 17. *Göttingen, SUB Bl. 1 (leer) fehlt, unkoloriert. Einband: mod. Einband.

Vgl. IDS 003124746; van der Haegen (2006), Nr. 45,4; Backes (2004), S. 104; Binz (1938), S. 1f. Niklaus Meyer zum Pfeil († um 1500) fertigte die Abschrift der ‚Melusine‘ persönlich an und ließ vermutlich auch die oben genannten Inkunabeln anbinden; zur Provenienz vgl. auch S. 49f. 32 Remigius Fäsch (1595–1667), Baseler Rechtsgelehrter, Kunstsammler, Gründer und erster Verwalter des faeschischen Kunst-Museums, dessen Bibliothek mit ca. 5000 Bänden die Baseler UB ergänzte, die zu diesem Zeitpunkt kaum mehr Bände besaß; vgl. Faesch/Salvisberg (2005), S. 19; Backes (2004), S. 104; Scholze (1959), S. 741f. 33 Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der Autopsie durch Christa Bertelsmeier-Kierst sowie der freundlichen Auskunft von P. Boewer, SB Berlin. 34 Vgl. Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 338 Anm. 55; Hess (1975), S. 105. 35 Karl Ferdinand Friedrich von Nagler (1770–1846) war preußischer General-Postmeister in Berlin und legte eine bedeutende Kunstsammlung (Kupferstiche, Holzschnitte und Gemälde) an; vgl. Kelchner (1886), S. 233f.; durch den Ankauf seiner Bibliothek im Februar 1835 kam dieses Exemplar gemeinsam mit dem Berliner Exemplar der Ausgabe Augsburg: Johann Bämler, 1476 (vgl. S. 120) in die königliche Bibliothek. 31

114

2. Teil: 1. Überlieferung

Provenienz: G. Chr. Gebauer, Bibliotheca Germanica (1773/74).36 Signatur: 4o Auct. Gr. VI, 6770 INC. Graz, Steiermärkische Landesbibliothek Unkoloriert, auf Bl. 3a ist eine aus einem anderen Druck stammende ausgeschnittene Holzschnittinitiale A eingeklebt.37 1. Albrecht von Eyb: ‚Ehebüchlein‘; [Nürnberg: Anton Koberger, 16. 10. 1472] (GW 9520); Signatur: T 15.771 III. 2. Niklas von Wyle: 1. Translation ‚Eurialus und Lucretia‘; [Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1478] (GW M33548); Signatur: T 15.772 III. 3. Egenolf von Staufenberg: ‚Peter von Staufenberg‘; [Straßburg: Martin Schott, um 1489/90] (GW 9243); Signatur: T 15.773 III. 4. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: T 15.774 III. 5. Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘; [Ulm: Johann Zainer, vor dem 9. April 1474]; (GW M31583); Signatur: T 15.775 III. Einband: Pergamentband (19. Jh.). *Heidelberg, UB38 Papierhandschrift mit angebundenen Drucken, durchgehend rubriziert und handschriftlich foliiert (17. Jh.), wenige Marginalien in rot, Wappenskizze in rot auf Bl. 327b, Reklamant handschriftlich auf Bl. 286b. Vermutlich zeitgenössischer Sammelband.39 1. Martin von Troppau: Chronicon pontificum et imperatorum, dt.; Handschrift: Papier, um 1470. 2. ‚Kaiserchronik‘, Auszug; Georg Christian Gebauer (1690–1773) war Rechtsgelehrter und Historiker, seit 1734 Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen. Seine umfangreiche Bibliotheca Germanica wurde 1773/74 von der UB Göttingen vollständig angekauft; vgl. Glitsch (2006), S. 135; Frensdorff (1878), S. 449–452. 37 Verschmutzungen auf den äußeren Blättern lassen darauf schließen, dass die Texte erst im 17./18. Jh. zusammengebunden wurden. Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von Dr. H. Lambauer, Steiermärkische Landesbibliothek Graz. 38 Vgl. hierzu Zimmermann (2003), S. 335; Griese (1999), S. 144, Sigle H; Pawis (1991), S. 9f., Sigle H 2; Vorderstemann (1976), S. 8 (Nr. 11); Hartmann (1934), S. IV, Sigle H; Schröder (1892), S. 19 (Nr. 14); Bartsch (1887), S. 39f. (Nr. 95); Schaumberg (1876), S. 2. 39 Zwar stammt der Einband aus Rom (17. Jh.), die Heftung ist allerdings wesentlich älter. Der gesamte Buchblock ist mit einheitlichen Falzverstärkungen (22 lat. Fragmente aus dem 14. Jh.) versehen, weshalb eine zeitgenössische Bucheinheit nahe liegt, allerdings nicht sicher belegt werden kann. Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von Dr. K. Zimmermann, UB Heidelberg. 36

1.2 Die Drucke

115

Handschrift: Papier, um 1470. 3. ‚Salomon und Markolf‘; Handschrift: Papier, um 1470. 4. Johannes Hartlieb: ‚Alexander‘; Handschrift: Papier, 1474. 5. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.). 6. ‚Andechser Chronik‘; Augsburg: Johann Bämler, [14]73 (GW 1640). 7. Jacobus de Theramo: ,Belial‘; [Augsburg: Johann Bämler, um 1476] (GW M11062). Einband: Pergamentband (17. Jh.), Titelaufschrift auf Buchrücken. Provenienz: Schlossbibliothek der Heidelberger Kurfürsten später Bibliotheca Palatina (bis 1622); Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana (1623–1816). Signatur: Cpg 154. London, British Library Provenienz: Dr. Georg J. B. F. Kloss;40 seit 1835 London, British Library. Signatur: IB 5426. °Minsk, National Library of Belarus41 Defekt: 2 Bll. fehlen; rubriziert, rot eingemalte Lombarden und Rubrikzeichen sowie rot unterstrichene Kapitelüberschriften, Goldschnitt. Einband: restaurierter Einband (1992). Provenienz: seit 1950 in der National Library of Belarus. Signatur: 096/1037. *München, BSB, 1. Exemplar Unkoloriert, handschriftliche Kustoden und Foliierung (Bleistift, 19. Jh.?), wahrscheinlich ursprünglich mit 2 Inc.c.a. 73 Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘ (Augsburg: Günther Zainer, 1471 = GW M31580) zusammengebunden.42 Einband: mod. Einband (19. Jh.). Provenienz: Exlibris der königlichen Bibliothek München.43 Signatur: 2 Inc.c.a. 43.

Der Frankfurter Arzt, Büchersammler und Historiker Georg Johann Burkhard Franz Kloss (1787–1854) hatte zum Teil ganze Klosterbibliotheken angekauft und so eine beachtliche Sammlung von Handschriften und frühen Drucken zusammengebracht, die 1835 bei Sotheby‘s in London versteigert wurde; vgl. Oppitz (1997), S. 1; Stricker (1882), S. 228. 41 Für die Informationen zu diesem Exemplar bin ich T. I. Roshchina, National Library of Belarus, zu Dank verpflichtet. 42 Diese Vermutung liegt nahe, da der Schnitt eine identische Wellenform aufweist; die ‚Griseldis‘ muss demzufolge vor den ‚Apollonius‘ gebunden gewesen sein. Auch weisen die Einbände große Ähnlichkeit auf und die ersten Blätter der ‚Griseldis‘ sind stärker nachgedunkelt als die des ‚Apollonius‘-Druckes. Beide Werke scheinen also zur gleichen Zeit neu gebunden worden zu sein. 43 Vgl. Dreßler/Schröder (1972), S. 75, F 5. 40

116

2. Teil: 1. Überlieferung

*München, BSB, 2. Exemplar Sammelband, durchgehend foliiert und glossiert, unkoloriert, Inhaltsangabe des 19. Jh.s im vorderen Spiegel. 1. Ludolf von Sudheim: Libellus de itinere ad terram sanctam; [Straßburg: Heinrich Eggestein, um 1475/80] (GW M44168); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a. 2. Bonjohannes de Messana/Pseudo-Cyrillus: Speculum sapietiae; [Basel: Michael Wenssler, um 1475] (GW 7890); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.1. 3. Michael Francisci de Insulis: Quodlibet de veritate fraternittis rosarii; [Basel: Bernhard Richel, um 1479/80] (GW 10259); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.2. 4. Felicianus: De divina praedestinatione; [Augsburg: St. Ulrich und Afra, 1473/74] (GW 9731); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.3. 5. Legenda. Legenda et officium Sancti Wolfgangi; Burgdorf: [Drucker von Jacobus de Clusa: De apparitionibus animarum (H 9349)], 1475 (GW M51767); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.4. 6. ‚Leben des hl. Ivo Hélory‘; Handschrift: Papier (Ende 15. Jh.); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.5. 7. Johannes Lichtenberger: Revolutio anni Septuagesimi; Handschrift: Papier (Ende 15. Jh.); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.6. 8. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.7. 9. Bartholomäus Metlinger: ‚Kinderbüchlein‘; [Augsburg: Günther Zainer, nach 7. 12. 1473] (GW M23095); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.8. 10. Disputationen an der Universität Ingolstadt, lat.; handschriftlicher Nachtrag (1543); Signatur: 2 Inc.s.a. 807 a#Beibd.9. Einband: restaurierter Holzdeckel, wurmstichig mit Befestigungsspuren von aufgenagelten Metallschließen, neuer Kalbslederbezug mit Resten des zeitgenössischen Einbandes; Blindprägung über Buchrücken und einem Drittel der Buchdeckel, Buchrücken mit fünf erhabenen Bünden, Rückenaufschrift Ludelphus de Terra Sancta Cum alijs tract, darunter Signaturenschild 2 Inc. s. a. 807a, gebunden in Augsburg;44 aus Einband abgelöst: Almanach, Einblattdruck [Augsburg: Günther Zainer, 1476/77], Fragment (Z. 35–62), auf der Rückseite handschriftliches lat. Inhaltsverzeichnis des Sammelbandes (15. Jh.). Provenienz: Augsburg, Dombibliothek; Dillingen, Kreis- und Studienbibliothek.

44

Vgl. Kyriß (1951–1958), Nr. 92.

1.2 Die Drucke

117

New York, Public Library (Spencer Collection)45 Defekt: 3 Bll. fehlen, rot eingemalte Lombarden, Marginalien. 1. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.). 2. Jacobus de Theramo: ,Belial‘; [Augsburg]: Günther Zainer, 26. 6. 1472 (GW M11082). Einband: rotes Schweinsleder auf Holz, Reste von später hinzugefügten Metallund Lederschließen (15. Jh.). Provenienz: Hanns Trunckl (1472)46; Antiquariat Hans Peter Kraus, New York; seit 1941 in New York, Public Library. Signatur: o. Sign. *Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum47 Bl. 1 (leer) fehlt, rubriziert, rot eingemalte Lombarden, Bl. 3a mehrfarbig eingemalte Zierinitiale. 1. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: N 4. 2. Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘; Augsburg: Günther Zainer, 1471 (GW M31580); Signatur: 740. Einband: Kalbslederband mit Streicheisenlinien und Stempelprägung aus der Werkstatt des um 1471–88 tätigen Augsburger Buchbinders Ambrosius Keller,48 Deckelbezüge vielfach ausgebessert und Rücken erneuert. Provenienz: Gotha, radierter, nur ungenau erkennbarer Stempel der BIBLIOTHECA DVCALIS GOTHANA, darüber Doubletten-Stempel (Bl. 2a); am 20. 9. 1932 bei Karl & Faber (München) zum Verkauf angeboten. Paris, Bibliothèque Nationale de France 49 Rubriziert, eingemalte Zierinitiale auf Bl. 3. Einband: mod. Einband (18./19. Jh.). Provenienz: Königliche Bibliothek Paris (18. Jh.). Signatur: Rés. Y2. 16.

Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von M. Glover, Public Library New York. 46 Es handelt sich möglicherweise um den Wiener Hans Trunkl, den Perger erwähnt; vgl. Perger (2005), S. 158, 198.; vgl. auch S. 50. Die New Yorker Public Library kaufte das Exemplar von dem New Yorker Antiquar Hans P. Kraus, der 1939 aus Wien emigriert war; vgl. Herstatt (2003), S. 49. 47 Zu diesem Exemplar vgl. insb. Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 338 Anm. 55; Hellwig (1970), Nr. 83 u. 740; siehe auch Geiß (2002), S. 252, der irrtümlich beide Werke unter der Signatur N 4 (2) verzeichnet; Abb. vgl. Karl und Faber (1932), S. 47. 48 Vgl. Kyriß (1951–1958), Werkstatt Nr. 49 (Taf. 101, Stempel 2 u. 3). 49 Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von N. Petit, Bibliothèque Nationale de France. 45

118

2. Teil: 1. Überlieferung

Sarnen (Schweiz), Benediktiner-Kollegium50 Teilweise zweifarbig rubriziert. 1. Rodericus Zamorensis: Speculum vitae humanae; Augsburg: Günther Zainer, [11. 1.] 1471 (GW M38455); Signatur: o. Sign., Dahm (1985), Nr. 793. 2. Jacobus de Theramo: ,Belial‘; [Augsburg]: Günther Zainer, [26. 6.] 1472 (GW M11082); Signatur: o. Sign., Dahm (1985), Nr. 513. 3. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: o. Sign., Dahm (1985), Nr. 480. 4. Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘; Augsburg: Günther Zainer, 1471 (GW M31580); Signatur: o. Sign., Dahm (1985), Nr. 710. Einband: Zeitgenössischer Kalbslederband, Nordschweiz, vom „Binder mit dem Muschelstempel“ um 147551; im Spiegel Fragment einer neumierten spätkarolingischen Missalehandschrift auf Pergament; 4 Bll. mit Wasserzeichen vorgebunden: gekreuzte Hämmer mit Krone (Briquet [1923], Nr. 11638 [Bern, Solothurn, 1463]).52 Provenienz: Das buch ist Margritt Meisteryn (Margaretha Göldi);53 Diz buch, darin man findt Ginther zainersche Drucke vom jar 1571 schanke ich dem wirdigsten herrn Adalbero (Regli) Fürst-Abt des Stiftes Muri in sine fortreffenliche Lybery als ein lützeles Zeichelin genozner Gastfryntschaft, mit dem Wunsch, das diz alt Gotshus unter ihm ufs new gedeih. H. v. L. d. A. e. M. B. z. G. i. A. MDCCC 39 (Hermann von Liebenau, der Arznei ein Meister, Burger zu Geltwil im Aargau 1839). *Stuttgart, WLB Rubriziert, rot eingemalte Lombarden, Bl. 2 u. 3 handschriftlich foliiert. Einband: mod. Einband (19. Jh.). Provenienz: Stuttgart, Königliche Hofbibliothek. Signatur: Inc. 2° 1294. ehem. Privatbesitz: Clemens Brentano (Berlin) 1819 bei Bratring in Berlin zum Verkauf angeboten,54 Verbleib unbekannt. ehem. Privatbesitz: Antiquariat Günther (Hamburg); ehem. Donaueschingen, (Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek), Inc. 35 1995 zum Verkauf angeboten, Verbleib unbekannt.

Vgl. Dahm (1985), Nr. 480, 513, 710, 793; Geiß (2002), S. 252; ich danke Dr. E. Pellin von der Aargauer Kantonsbibliothek herzlich für die Lokalisierung des Bandes. 51 Vgl. Geiß (2002), S. 252. 52 Vgl. auch Dahm (1985), S. 250f.; Mattmann (1970), Tafel 18 u. S. 147f. 53 Zur Provenienz vgl. auch S. 50. 54 Vgl. Gajek (1974), S. 15. 50

1.2 Die Drucke

119

Defekt: 3 Bll. (Bl. 1 [leer], 2, 8) fehlen, rubriziert, rot eingemalte Lombarden und Rubrikzeichen sowie rot unterstrichene Kapitelüberschriften. Ursprünglicher Textverbund mit Inc. 2° 12817 (ehem. Donaueschingen Inc. 387) Heinrich Steinhöwel: ‚Griseldis‘ (Augsburg: Günther Zainer, 1471 = GW M31580).55 Einband: mod. Einband (19. Jh.). Provenienz: Dr. Johannes Wernher von Themar (1535) (Bl. 3a).56 ehem. Privatbesitz: Antiquariat Jacques Rosenthal (München) 1906 zum Verkauf angeboten, Verbleib unbekannt. Defekt: 2 Bll. (das erste und letzte Blatt) fehlen. ehem. Privatbesitz: Karl & Faber (München) Am 13./14. November 1936 zum Verkauf angeboten, Verbleib unbekannt. Rubriziert, mehrfarbige Initiale. ehem. Privatbesitz: Hartmann Schedel In Hartmann Schedels Bücherverzeichnis (München, BSB, Clm 263) findet sich unter den Libri vulgares in lingua theotonica auch eine Historia von Appolonio und Griseldis. Da die übrigen Titel auf gedruckte Bücher hinweisen, hat Hartmann Schedel vermutlich den Sammelband Günther Zainers besessen.57

Bücheranzeigen Augsburg: Günther Zainer, Verlagsanzeige 1471. Were yemant hye der zů kouffen begerte etlich teutsch vnd gedruckte bcher der nam hernach geschriben stat / der kom in des schmidlins huß vff dem crùcz zů dem Ginthero genant zainer von Reutlingen da findet er die vnd werdent im gegeben vmb ain gleich zimlich gelt. Ain bchlin der siben teutschen psalmen / vesper / vigili vnd selmeß / vnd vil der andern andechtigen gebete des wirdigen sacramentes Die histori von dem leben aines kùnigs vß tiria vnd sydonia gehaissen Appolonius / Ain epistel gezogen vß francisco petrarcha vnd zeteutsch gemachet / von ainer tugentreichen frowen Griseldis gehaissen.58

Vgl. Geiß (2002), S. 252; Bertelsmeier-Kierst (1996), S. 338 Anm. 55; Hess (1975), S. 105; Sotheby‘s (1994), S. 40, 29. 56 Vgl. Günther (1995), S. 12f. (mit Abb.); zu Johannes Werner von Themar siehe auch S. 49. 57 Zu Schedels Buchbesitz siehe auch S. 48f. 58 Voulliéme (1919), Abb. I, 1.2.; vgl. auch Schottenloher (1922), S. 42. 55

120

2. Teil: 1. Überlieferung

1.2.2 Augsburg: Johann Bämler, 1476 4°. 82 Bll. (Bl. 1 leer). Lagen: [a10 –g10h12]. 19 Z. Type: 1a: 140G. Init.: c, d, f. Rubr.: α. 34 Holzschnitte59 (ein Einleitungsholzschnitt60 und eine Wiederholung); Bl. 1a Überschrift der Vorrede rot gedruckt (Ex. München, Stuttgart); das Berliner Exemplar variiert und bietet die Überschrift in schwarz. Dem Register des Stuttgarter Exemplars zufolge (Bl. 1a) erscheint der ‚Apollonius‘ als 2. Teil des Sammelbandes ‚Lehre und Unterweisung‘ (Augsburg: [Johann Bämler], 24. 3. 1476 = GW M17724).61 Diese Bucheinheit ist heute in keinem Exemplar mehr erhalten, liegt aber anhand der kodikologischen Befunde für die Exemplare München und Stuttgart nahe.62 Die Variante im Berliner Exemplar lässt darauf schließen, dass Bämler den ‚Apollonius‘ auch separat auf den Markt brachte. Literatur: MRFH 20190; GW 2274; ISTC il00126100; BSB-Ink L–90; Dicke (1995) 262; Günther (1995) 20; Frühmorgen-Voss (1991) 258f.; Gotzkowsky (1991) 186, 2; Koppitz (1980) 15; ders. (1978) 152; Stummvoll (1968) 55; GK (1931–1935) 5.7759; Heitz/Ritter (1924) 26; Schramm (1921) III:15, 16 und Abb. 483–517; Voulliéme (1906) 73; Gottlieb (1900) 239; Goedeke (1884) I:367.2; Schröder (1873) LXXVIII; von der Hagen (1857) 641; Hain (1826–38) 1295.

°Berlin, SB 63 Variante: Der Rotdruck fehlt auf Bl. 2a (s. Münchener und Stuttgarter Ex.), die Holzschnitte und Holzschnittinitialen sind durchgehend koloriert. Der ‚Apollonius‘ ist separat gebunden, es gibt keinen Hinweis auf eine ursprüngliche Bucheinheit mit ‚Lehre und Unterweisung‘. Einband: mod. Einband (19. Jh.). Provenienz: Bibliothek des Generalpostmeisters von Nagler64 (runder Besitzstempel v. N. auf der ersten Textseite unten rechts); seit Februar 1835 in der Königlichen Bibliothek Berlin. Signatur: Inc 73. *München, BSB65 Einige Holzschnitte unachtsam koloriert, Bl. 1 (Einleitungsholzschnitt), 10, 20, 26, 29, 32, 39, 40, 72, 81 und 82 fehlen; fehlende Bll. zum Teil ersetzt und Text handschriftlich ergänzt; moderne Foliierung. Die Holzschnitte stammen vom sogenannten Sorg-Meister; vgl. Frühmorgen-Voss (1991), S. 258. 60 Alexanderportrait, Nachschnitt von Bämlers Ausgabe von 1473 (GW 884); vgl. hierzu auch S. 142f. (Abb. 3). 61 Vgl. hierzu auch S. 56 Anm. 235. 62 Vgl. BSB-Ink L–90; die beiden ehemaligen Sammelbände wurden im 19. Jh. separat gebunden. 63 Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von P. Boewer, SB Berlin. 64 Vgl. S. 113 Anm. 35. 65 Vgl. BSB-Ink L–90. 59

1.2 Die Drucke

121

Der ‚Apollonius‘ ist zwar separat gebunden, war vermutlich aber ursprünglich Teil des Sammelbandes ‚Lehre und Unterweisung‘ (Sig. 4 Inc.c.a. 84). Einband: mod. Einband (19./20. Jh.). Signatur: 4o Inc.c.a. 77 m. *Stuttgart, WLB Unkolorierte Holzschnitte, handschriftliche Marginalien, moderne Foliierung. Einband: mod. Einband (19. Jh.). Provenienz: Bd. 3, Bl. 1b Das buch ist das hab henslin meserlin wer das stilt ist ein dyeb (15. Jh.?);66 Benediktiner-Kloster St. Ulrich und Afra, Augsburg;67 Königlich Öffentliche Bibliothek Stuttgart (Stempel auf Bl. 1a in Bd. 5). Signatur: Inc.qt.10006–2.4. Wien, ÖNB68 Es fehlen 12 Bll. [a1, a2, a9, c2–9, h12]. Unkoloriert, fehlender Text teilweise ergänzt (um 1900). Der ‚Apollonius‘ ist separat gebunden und es gibt keinen Hinweis auf eine ursprüngliche Bucheinheit mit ‚Lehre und Unterweisung‘. Einband: mod. Einband unter Verwendung eines alten Druckblattes. Provenienz: Kaiser Maximilian I., Erzherzögliche Bibliothek Schloss Ambras bei Innsbruck.69 Signatur: Ink 18.G.7. ehem. Privatbesitz: Friedrich Heinrich von der Hagen (Berlin) Am 18. Mai 1857 bei R. Friedländer & Sohn in Berlin zum Verkauf angeboten,70 Verbleib unbekannt. Für dieses Exemplar gibt es keinen Hinweis auf eine ursprüngliche Bucheinheit mit ‚Lehre und Unterweisung‘.

1.2.3 Augsburg: Anton Sorg, [14]79 4°. 72 Bll. Lagen: [a8–i8]. 20–22 Z. Type: 2: 118G. Init.: a, e. Rubr.: α. 35 Holzschnitte (identisch mit Bämlers Holzschnitten von 1476; 2 Holzschnitte ersetzt, eine Wiederholung).71 Literatur: MRFH 20200; GW 2275; ISTC ia00925600 (irrtümlich Johann Bämler); Fürbeth (2009) 162; Šimáková/Vrchotka (2001) 147 u. 148; Dicke (1995) 262; Frühmorgen-Voss (1991) 259, Abb. 139 (Bl. 65a); Gotzkowsky (1991) 186f. 3; Koppitz (1980) 16; Hubay (1974) 157;

Zur Provenienz vgl. S. 51. Zur Provenienz vgl. S. 52. 68 Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von K. Mittendorfer, ÖNB Wien. 69 Zur Provenienz vgl. S. 51. 70 Vgl. von der Hagen (1857), S. 27. 71 Vgl. Frühmorgen-Voss (1991), S. 259. 66 67

122

2. Teil: 1. Überlieferung

Heitz/Ritter (1924) 27; Schramm (1921) III: Abb. 485–498, 500–517 und IV: 14,50; Goedeke (1884) I:368.3; Schröder (1873) LXXVIII; Mezger (1840) 51; Hain (1826–38) 1296.

*Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek Bl. 1 fehlt (Einleitungsholzschnitt?), Holzschnitte unkoloriert (außer Titelinitiale von ‚Melibeus und Prudentia‘), im vorderen Spiegel Bleistifteinträge (19. Jh.), bibliographische Notizen (auch auf Bl. 2), handschriftliche Kustoden jeweils auf erstem Blatt der Lagen und Foliierung (Bleistift, 20. Jh.), Holzschnitt auf Bl. 13b horizontal gespiegelt. 1. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.). 2. ‚Beizbüchlein‘; [Augsburg: Anton Sorg, um 1480] (GW 3785). 3. ‚Melibeus und Prudentia‘; Augsburg: Anton Sorg, 6. 8. 1480 (GW 12642). Einband: zeitgenössischer und stark beschädigter Holzdeckeleinband, mit stark nachgedunkeltem purpur gefärbtem Leder bespannt, Befestigungsspuren aufgenagelter Metallbeschläge an allen vier Ecken und in der Deckelmitte, ehemals fünf erhabene Bünde, unleserliche handschriftliche Aufschrift und Signaturenschild: 4° Ink 231, der hintere Deckel trägt Reste der Metallschließen. Provenienz: Benediktiner-Kloster St. Ulrich und Afra,72 Augsburg; Königliche Kreisbibliothek Augsburg (Stempel auf Bl. 2). Signatur: 4° Ink. 231. °Praha, Národní muzeum, 1. Exemplar Fragment, nur Bl. 42 vorhanden. Signatur: Praha KNM 65 F 13. °Praha, Národní muzeum, 2. Exemplar Fragment, nur Bl. 42 vorhanden.73 Signatur: Praha KNM 65 F 14.

1.2.4 Augsburg: Johann Schönsperger, 1488 4°. 72 Bll. Lagen: a8–i8. 22 Z. Type: 1: 120G. Init.: b. Rubr.: α. 31 Holzschnitte (ein Einleitungsholzschnitt74, spiegelverkehrte Nachschnitte von Sorgs Ausgabe). Literatur: MRFH 20210; GW 2276; ISTC ia00926000; Dicke (1995) 262; Frühmorgen-Voss (1991) 259f.; Gotzkowsky (1991) 187, 4; Koppitz (1980) 17; NUC (1968–1981) 18:415; Goff (1964) A–926; Mead (1937) 1080.

Zur Provenienz vgl. S. 52. Šimáková/Vrchotka (2001), Nr. 147f. geben irrtümlich Bl. 48 an. Anhand von Kopien konnte ich verifizieren, dass es sich zweifelsfrei um zwei Blätter (keine Korrekturbögen) zweier verschiedener Exemplare handelt. 74 Alexanderportrait, Nachschnitt von Bämlers Ausgabe von 1473 (GW 884); vgl. hierzu auch S. 142f. (Abb. 3). 72 73

1.2 Die Drucke

123

°San Marino, Henry E. Huntington Library75 Unkoloriert. Einband: zeitgenössischer Kalbslederband mit Stempelprägung und Metallbeschlägen (15. Jh.), im Spiegel mit Pergamentmakulatur (spätes 14. Jh.) beklebt. Provenienz: Otto Vollbehr (1930)76; seit 23. 3. 1925 Henry Huntington. Signatur: 89922.

1.2.5 [Augsburg: Johann Schönsperger, um 1494] 4°. ? Bll.77 28 Z. Type: 2: 96G. Init.: l. Rubr.: β. Holzschnitte (sofern heute erhalten identisch mit Schönspergers Holzschnitten von 1488) und gedruckte Kustoden. Literatur: MRFH 20220; GW 0227610N; ISTC ia00926050.

°ehem. Privatbesitz: Karl & Faber (München) Im März 1940 zum Verkauf angeboten, Verbleib unbekannt. Fragment, 2 Doppelblätter, gemeinsam überliefert mit Johann Geiler von Kaysersberg: ‚Der Pilger‘ [Augsburg: Johann Schobser, 14]94 (GW 10587).

1.2.6 Ulm: Konrad Dinckmut, 1495 4°. 40 Bll. Lagen: a8–e8. 31 Z. Type: 5: 91G. Init.: c, d, e, f, k. Rubr.: ε. 26 Holzschnitte (ein Einleitungsholzschnitt78, identisch mit Schönspergers Holzschnitten von 1488, mit einer Wiederholung). Literatur: MRFH 20230; GW 2277; ISTC ia00926100; IDS 003161744; van der Haegen (2006) 52,4; Dicke (1995) 262; Frühmorgen-Voss (1991) 260; Gotzkowsky (1991) 187, 5; Koppitz (1980) 18; Sexauer (1978) 164; Heitz/Ritter (1924) 29; Schramm (1921) VI:16, 17, 19 und Abb. 652–678; HCR (1905–1908) 20; Goedeke (1884) I: 368.5; Schröder (1873) LXXVIII; Hain (1826–38) 1298.

*Basel, UB79 Unkoloriert. 1. Alanus de Rupe: ‚Unser lieben Frauen Psalter‘; [Ulm: Konrad Dinckmut, 1496] (GW M39204); Signatur: FP VIII2 3:1. Die Informationen zu diesem Exemplar verdanke ich der freundlichen Auskunft von S. Tabor, Huntington Library (San Marino). 76 Zu dem Berliner Antiquar und Buchhändler Otto Heinrich Friedrich Vollbehr und seiner Büchersammlung vgl. Ashley (1934). 77 Die ursprüngliche Blattzahl kann aufgrund der schlechten Überlieferung nicht mehr ermittelt werden. 78 Vgl. auch S. 144, es handelt sich um Bämlers Einleitungsholzschnitt S. 142f. (Abb. 3). 79 Vgl. IDS 003161744; van der Haegen (2006), Nr. 52,4. 75

124

2. Teil: 1. Überlieferung

2. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.); Signatur: FP VIII2 3:2. 3. ‚Salomon und Markolf‘; Ulm: Johann Zainer d. J., [14]96 (GW 12785); Signatur: FP VIII2 3:3. Einband: zeitgenössischer Lederband (15. Jh.) auf Holz mit drei erhabenen Bünden und z.T. zerstörtem Titel- und Signaturenschild auf dem Buchrücken, Reste von Metallschließen auf dem vorderen Buchdeckel, vermutlich aus Baseler Werkstatt.80 Provenienz: Bl. 1a, am Schluss und auf Titelblatt von Nr. 1 des Sammelbandes: Cartuser ze Basel (Urban Moser, 1495, Kartause Basel).81 ehem. Benediktiner-Kloster Benediktbeuren82 Die Anschaffung des ‚Apollonius‘ ist für das Jahr 1498 bezeugt; Verbleib unbekannt..83 Da das Kloster üblicherweise hochaktuelle Drucke kaufte, liegt die Ausgabe Konrad Dinckmuts von 1495 nahe, kann aber nicht mit Sicherheit erwiesen werden.

1.2.7 Ulm: Johann Zainer d. J., [14]99 4°. 32 Bll. Lagen: a8–d8. 35 Z. Type: 12: 85G. Min. f. Init. Rubr: δ. 31 Holzschnitte (2 Einleitungsholzschnitte84, identisch mit Schönspergers Holzschnitten von 1488, mit 5 Wiederholungen). Literatur: MRFH 20240; GW 2278; ISTC ia00926200; Dicke (1995) 262; Frühmorgen-Voss (1991) 260; Gotzkowsky (1991) 187f., 6; Breitenbruch (1987), 48; Amelung (1979) I:79; Koppitz (1980) 19; Heitz/Ritter (1924) 30; Wegener (1904) 63; Goedeke (1884) I:368.6; Schröder (1873) LXXVIII; Hain (1826–38) 1299; Panzer (1788–1805) 481.

*Erfurt, Bistumsarchiv (ehem. Dom-Archiv) Bl. 1–4 fehlen, rot eingemalte Lombarden auf Bl. 5–15, Fragment eines Holzschnittes im hinteren Spiegel, Holzschnitte (Bl. 38–70) sowie Holzschnitt im hinteren Spiegel (St. Hubertus?) koloriert und mit Federkritzeleien zeichnerisch ergänzt.

Vgl. Kyriß (1951–1958) ������������������������������������������������������������� 163; EBDB w000026 (http://www.hist-einband.de/recherche/suchergebnis.php?typ=ws). 81 Zur Provenienz vgl. S. 52f. 82 Vgl. hierzu S. 53. 83 Vgl. Ruf (1930), S. 223; siehe hierzu auch Dicke (1994), S. 484 Anm. 153. 84 Alexanderportrait, Nachschnitt von Bämlers Ausgabe von 1473 (GW 884); vgl. hierzu auch S. 142f. (Abb. 3). 80

1.2 Die Drucke

125

Zeitgenössischer Sammelband:85 1. Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘ (s.o.). 2. ‚Büchlein, wie man Fische und Vögel fangen soll‘; Erfurt: [Hans Sporer], 1498 (GW 5681). 3. ‚Tundalus‘; [Speyer; Konrad Hist, um 1495/98] (GW 12831). 4. ‚Lucidarius‘; S[peyer]: K[onrad] H[ist], 1497 (GW M09342). Ursprünglich zusätzlich angebunden: 5. Hans Rosenplüt: ‚Der König im Bad‘; Erfurt: Hans Sporer, 1498 (GW M38990). 6. Schondoch: ‚Die Königin von Frankreich‘; Erfurt: Hans Sporer, 1498 (GW M40883). 7. ‚Lied. Der edle Moringer‘; Erfurt: Hans Sporer, 1497 (GW M18319). 8. ‚Historia. Der Graf von Savoyen‘; Erfurt: Hans Sporer, 1497 (GW 12578). 9. ‚Wer der erste Edelmann gewesen ist‘ (‚Der Bauern Lob‘); Erfurt: In S. Pauls Pfarr (Hans Sporer), [14]97 (GW 3734). Einband: Restaurierter Kalbslederbezug mit Resten des zeitgenössischen Einbandes, Blindprägung mit fünf erhabenen Bünden und Metallschließen. Signatur: Inc. 77a. *Ulm, Stadtbibliothek Unkoloriert. Einband: mod. Einband (20. Jh.). Signatur: 34774. ehem. Privatbesitz: Hr. Heidegger, des täglichen Raths und Zunftmeister (Zürich); Verbleib unbekannt.86

Die ehemals angebundenen Drucke 1.–4. wurden vor 1885 aus dem Band gelöst und am 13. 7. 1948 bei Sotheby‘s versteigert; vgl. Hase (1966), Sp. 1142–1152; bei 5. handelt es sich möglicherweise um das heute im Londoner British Museum vorhandene Exemplar. 86 Vgl. Panzer (1788–1805), S. 481; es handelt sich vermutlich um Hans Conrad Heidegger (* 12. Juli 1649 in Zürich; † 30. August 1721 ebenda), Sohn des gleichnamigen Statthalters, von 1675 bis 1678 Landschreiber von Bülach, von 1689 bis 1693 Mitglied im Grossen Rat von Zürich für die Zunft zur Schmiden, deren Zunftmeister er von 1689 bis 1693 und von 1700 bis 1721 war. 1694 wurde er Landvogt von Kyburg, 1700 bis 1720 Obervogt von Höngg, 1719 Statthalter; vgl. Lassner (2006), S. 196; Dütsch (1994), S. 81, 194. 85

126

2. Teil: 1. Überlieferung

1.2.8 Nicht nachweisbare oder unsichere Ausgaben Augsburg: Anton Sorg, Montag nach unsers Herrn Fronleichnam [5. VI.] 1480 4°. 72 Bll. Holzschnitte.

Literatur: GW 2 Sp. 515a; Frühmorgen-Voss (1991) 259; Gotzkowsky (1991) 190; Heitz/Ritter (1924) 28; Schramm (1921) IV: 50; Schröder (1873) LXXVIII; Hain (1826–38) 1297.

Kein Exemplar mehr nachweisbar, das Datum ist jedoch identisch mit dem Kolophon einer bei Anton Sorg erschienenen Ausgabe des ‚Alexander‘ von Johannes Hartlieb (Augsburg: Johann Bämler, 5. 6. 1480 = GW 886), sodass möglicherweise eine Verwechslung Hains mit diesem Druck vorliegt.

1.2.9 Bücheranzeige Augsburg: Johann Bämler [nicht vor 1487]

[…] von dem aderlassen / Item von dem künig Apolonio / Item ein bůch sagt von allen stntten […].87 Drucker und Jahr der hier angezeigten Ausgabe können heute allerdings nicht mehr mit Gewissheit festgelegt werden; es könnte sich hier um den Druck von Johann Bämler (1476), Anton Sorg (1479) oder Johann Schönsperger (1488) handeln.88

Rechnungsbuch Peter Drach Der Speyerer Druckherr Peter Drach verkaufte zwischen 1483 und 1485 auf der Leipziger Buchmesse ein Exemplar des ‚Apollonius‘, um welchen Druck es sich dabei handelt, kann allerdings nicht zurückverfolgt werden: Jtem hat mijn diner Johannes Schmidhoffer mit mir gerechelt zu Lipß jn sant Michelß marck jm Lxxxv jar vnd hat gerecht, waß er hat ferkaufft von der letsten rechnung an, daß waß vff Pilipe vnd Jacobj jm ostermarck jm Lxxxiij jar, diß ist iij jar. Jn den hat er verkaufft diße noch folgende bucher vnd diß gelt hie noch geschriben dar vß gelost: [...] j Apolonium.89

Speyer, Pfälzische Landesbibliothek, Inc. 166; Datierung nach Vorderstemann (1997), S. 64f. (Abb. 4a). 88 Vgl. Vorderstemann (1997), S. 63–69; zu den geschäftlichen Verbindungen der Drucker Johann Schönsperger d. Ä., Johann Bämler, Anton Sorg und deren „gemeinsame[n] Sortimentsanzeigen“ vgl. auch Künast (1997), S. 87–95; ders. (1995b), S. 244–246. 89 Zitiert nach Geldner (1962), Sp. 115–119; vgl. auch Mäkeler (2005), S. 171 (Nr. 208). 87

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

127

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen 1.3.1 Die ältesten Textzeugen D, W und gz Das Akrostichon des Prologs legt als Entstehungszeit für Heinrich Steinhöwels ‚Apollonius‘ das Jahr 1460 nahe.90 Die ersten Handschriften stammen aus dem Jahr 1468: die heute in Karlsruhe befindliche ehemals Donaueschinger Handschrift Cod. Don. 150 (D), die von Peter Hamer in Kirchberg (Illerkirchberg) geschrieben wurde, und die Wolfenbütteler Handschrift Cod. 75.10 Aug. 2° (W), die Konrad Bollstatter im gleichen Jahr anfertigte. Beide enthalten noch nicht den Prolog. Erst acht Jahre später überliefert der Augsburger Erstdruck Günther Zainers aus dem Jahr 1471 (gz) den Prolog des ‚Apollonius‘. Da der Druck noch weitere stilistische Varianten gegenüber der älteren Überlieferung aufweist, versorgte Heinrich Steinhöwel Günther Zainer offenbar mit einem überarbeiteten Manuskript.91 Als Leittext scheint gz allerdings ungeeignet, da der Druck eine Reihe sinnentstellender Korruptelen aufweist und sich dialektgeographisch und sprachlich deutlich von Steinhöwels durch Autographen bezeugter Sprache unterscheidet.92 Unter den ältesten Handschriften erweist sich D als zuverlässigster Textzeuge, weshalb die Handschrift für die Edition des ‚Apollonius‘ als Leithandschrift gewählt wurde.

1.3.2 Der Text in D Die Donaueschinger Handschrift Cod. Don. 150 überliefert den Text des ‚Apollonius‘ noch ohne Pro- und Epilog und scheint die älteste Textgestalt zu repräsentieren. Sinnabschnitte sind in D durch zwei- bis fünfzeilige Lombarden gekennzeichnet, sie werden in W und gz zusätzlich mit Überschriften versehen. Die Handschrift weist eine Reihe kleiner Flüchtigkeitsfehler auf, so fehlen einzelne Wörter und auch ganze Satzteile sind irrtümlich doppelt geschrieben:93

Zur Datierung vgl. Terrahe (2013). Vgl. hierzu S. 138–141; Steinhöwel hat auch seine zweite Übersetzung, die ‚Griseldis‘, erneut für die Drucklegung überarbeitet; vgl. Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 141; Hess (1975), S. 141f. 92 Autographen: 1. Brief von Heinrich Steinhöwel an Margarethe von Württemberg: Ulm, 27. Mai 1474 (Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, A 602 Nr. 260), vgl. MRFH 0035 (mit Abb.), Abdruck bei Strauch (1893a), S. 286f.; 2. Brief Steinhöwels aus Freiburg an den Ulmer Rat vom 8. Juli 1454 (Ulm, Stadtarchiv, J Steinhövel V 162/1), vgl. MRFH 0035 (mit Abb.), Abdruck bei Dicke (1991), S. 179 (Nr. 15); 3. ‚Spiegel menschlichen Lebens‘, München, BSB, Cgm 1137, vgl. MRFH 10650 (mit Abb.), Abdruck bei Borvitz (1914), S. 144–146. 93 Zum Vergleich wird (unter Vernachlässigung orthographischer Differenzen) gz herangezogen. 90 91

128

2. Teil: 1. Überlieferung

a) Auslassung einzelner Wörter oder Satzteile: D

gz

zů lob dem höchsten gott der im verhaissen hett gewalt zegeben über Persen vnd Indien wider Porum der zwaijer vnd drissig rich ain küng was (Z. 80–83).

zů lob dem höchsten gott der im verhaissen hett gewalt zegeben über Persen vnd Indien. Dar nauch zoch Allexander gen Indien wider Porum der zwaijer vnd drissig rich ain küng was (Bl. 3b).

Er ließ ir an legen küngliche vnd leget sie in den sarch (Z. 847f.).

Er ließ ir an legen küngliche claider vnd leget sie in den sarch (Bl. 18b).

b) Verdoppelung von Wörtern oder Satzteilen: D

gz

Do ward der küng bewegt in sinem gemüt in sinem gemüt vnd sprach (Z. 280f.).

Do ward der küng bewegt in sinem gemüt vnd sprach (Bl. 7b).

c) Verlesung: D

gz

was wir got geben mügen, das ist vor hin sin on vnßren frijen willen, wann es wer fremd zehören, das im ain tempel oder ain bild oder fǜr von wiroch, von menschen hand gemacht, empfenclicher wer wann sin haimlicher tempel (Z. 112–115).

was wir got geben mügen, das ist vor hin sin on vnßren frijen willen, wann es wer fremd zehören, das im ain tempel oder ain bild oder fǜr von wiroch, von menschen hand gemacht, empfenclicher wer wann sin hymelschlicher tempel (Bl. 4a).

Do wurde sie zerstöret in die gantzen welt (Z. 145).

Do wurde sie zerstrwet in die gantzen welt (Bl. 4b).

lat sich recht liebe vnd früntschafft vmb gold vnd silber nit verkouffen (Z. 408).

lat sich recht liebe vnd früntschafft vmb gold vnd silber nit erkoffen (Bl. 10a).

d) Veränderung der Wortstellung: D

gz

Dar nach, als Antiochus gestarb, ward ich gesůcht, das küngrich ze in nehmen (Z. 1477f.).

Dar nach, als Antiochus gestarb, ward ich gesůcht, das küngrich jn zenemen (Bl. 30b).

e) Verschreibung: D

gz

Pptholomeus (Z. 134)

Ptholomeus (Bl. 4b)

D

gz

Ich ward in dem ellend befolchen zeleren vnd ze neen Strangwilioni (Z. 1086f.).

Ich ward in dem ellend befolchen zeleren vnd zeneren Strangwilioni (Bl. 23b).

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

129

Obwohl D derartige Flüchtigkeiten und kleinere Fehler aufweist, bietet die Handschrift im Vergleich zu den anderen Textzeugen eine außergewöhnlich gute Textqualität. Sie gibt zudem als einziger Überlieferungszeuge die komplexen Reimschemata in den Rätseln und dem Lied der Tarsia (Z. 1230–1281) fehlerfrei wieder; dem Schreiber muss also eine sehr gute Vorlage zur Verfügung gestanden haben, die – wie von Hess bereits für die ‚Griseldis‘ vermutet wurde – an ein autornahes Manuskript denken lässt.94

Schreibsprache Zum schreibsprachlichen Befund in der Donaueschinger Handschrift liegen bisher die Untersuchungen von Bohnenberger und Hess vor.95 Bohnenberger hat in seiner ‚Geschichte der schwäbischen Mundart‘ Belegstellen aus Peter Hamers Abschrift des ‚Apollonius‘ aufgeführt,96 und Hess bietet eine schreibsprachliche Untersuchung der ‚Griseldis‘ in D, für die sie auch ältere Untersuchungen zur Sprache Heinrich Steinhöwels herangezogen hat.97 Die vorliegende Studie setzt Peter Hamers Schreibsprache überdies in Beziehung zur Orthographie Steinhöwels in seinen autorisierten Drucken bei Johann Zainer und seinen beiden Autographen, die der älteren Forschung noch nicht zur Verfügung standen.98

Haupttonvokalismus Mhd. a, â a ist die Normalschreibung; nur selten e (des [das] Z. 644); ä (ächt Z. 390) bzw.  (hefmen [Hebamme] Z. 816); vereinzelt schwäbische Diphthongierung: wauffen (Z. 119), staut (Z. 167, 622), haur (Z. 223), hautt (Z. 460, 1498).

Vgl. Hess (1975), S. 141f.; zur möglichen Verbindung zwischen dem Autor und den Besitzern von D vgl. S. 42–48. 95 Vgl. Bohnenberger (1892), S. 21–139; Hess (1975), S. 21f. 96 Bohnenbergers Untersuchung ist allerdings streckenweise fehlerhaft, da er als Quelle für den ‚Apollonius‘ nur die Transkription von Carl Schröder herangezogen hat, der die Schreibung der Handschrift zum Teil verfälscht wiedergibt; vgl. Schröder (1873); Bohnenberger weist daher die diakritischen Zeichen  (S. 49),  (S. 130) und  (S. 84) im ‚Apollonius‘ „vielfach“ nach, wobei  in D nur zweimal (Bl. 22v),  und  gar nicht auftreten; Schröder hingegen hat ä und ü in D durchweg als  und  wiedergegeben,  kann ich weder in Schröders Text noch in D nachweisen. Auch die von Bohnenberger angeführte Schreibung hülff (S. 59) hat nur Schröder in seiner Transkription, D hat stattdessen hilff (Z. 101, 234, 431 u.ö.). 97 Vgl. Hess (1975), S. 21f.; zum Graphie- und Formengebrauch im Autograph siehe Fujii (2007), S. 229f.; zu Heinrich Steinhöwels Sprache vgl. Borvitz (1914); Drescher (1895), S. XLVI–LXIV. 98 Vgl. Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 247–255, insb. S. 254f.; zu den Autographen siehe S. 127 Anm. 92. 94

130

2. Teil: 1. Überlieferung

â ist meist bewahrt geblieben; vor Nasal o in: komen (Z. 434),99 mones (Z. 122), geton (Z. 517).100 Umlautsbezeichnung: Beim Sekundärumlaut wechseln ostobd. ä und e: andächtiger (Z. 142), mänig (Z. 209), beschwäret (Z. 614), zächern (Z. 620), täglich (Z. 1104, 1240), mengclich (Z. 346, 634), beschweren (Z. 823), zecherend (Z. 1105); gelegentlich bleibt der Sekundärumlaut unbezeichnet: verschmacher (Z. 366).101 Mhd. e, ê e ist Leitgraphie; daneben ö: geschöpffet (Z. 116), wölln (Z. 436), frömder (Z. 1462); gelegentlich ä bzw. : sätzst (Z. 297), bdarfst (Z. 810); nur einmal a: warck (Z. 1095).102 Vor Nasal zeigt sich i/ie: niemen (Z. 340, 345, 403, 520), dinen (Z. 817)103; morphemgebunden als i vor r in wiermij (Z. 879);104 noch keine Rundung zeigen zwelff (Z. 61, 133, 982), ergeczet (Z. 148), hellen (1389).105 ê ist meist erhalten.106 Mhd. i i ist meist erhalten; Diphthongschreibungen gelegentlich vor r: diern (Z. 1064, 1074), wiert (Z. 1215);107 Rundung und Senkung treten mehrfach auf: stürnen (Z.103), vergüffte (Z. 123), künder (Z. 261, 428, 708).108 Mhd. o, ô o ist Leitgraphie, gelegentlich erscheint ö: wöl (Z. 72), dröet (Z. 124), söll (Z. 257).109 ô ist meist gewahrt: gelegentlich a: kat (Z. 1230).110 Umlautsbezeichnung ö: söliche (Z. 403 u.ö.);111 vereinzelt auch ä: sältest (Z. 807); gelegentlich fehlt die Umlautsbezeichnung vor -lich: volleclicher (Z. 139f.),

Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 14. Ebd., § L 11, L 18, L 22; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 42; Moser (1929/1951), § 75; Bohnenberger (1892), § 11. 101 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 11, L 12, L 20; Moser/Stopp (1978), § 10; Moser (1929), § 17 Anm. 1, § 69, 75; Bohnenberger (1892), § 11, 15, 31. 102 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 11. 103 Ebd., § L 30. 104 Ebd., § L 13 Anm. 2. 105 Hartweg/Wegera (2005) 7.2.6; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 12, L 36; Moser (1929), § 66, 70 Anm. 7, § 71; Bohnenberger (1892), § 15, 19. 106 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 19. 107 Ebd. (1993), § L 13, L 30; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 17, 18; Moser (1929), § 72 Anm. 1; Bohnenberger (1892), § 83. 108 Hartweg/Wegera (2005) 7.2.7; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 33, L 36; Moser (1929), § 66,2 u. 69; Bohnenberger (1892), § 35. 109 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 11, L 14. 110 Ebd., § L 22. 111 Ebd., § L 9, L 15, L 23. 99

100

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

131

erschrockenliche (Z. 279), gewonlich (Z. 384);112 sporadisch entrundet zu e: leset (Z. 149).113 Mhd. u, ü u ist Normalschreibung und bleibt erhalten vor Nasalen z.B. in sunnen (Z. 133), gewunnen (Z. 143), trummeten (Z. 655). Umlautsbezeichnung ü; mehrfach Umlauthemmung von Nasal und Guttural: jungling (Z. 406 u.ö.), kungrich (Z. 1752), gluk (Z. 672).114 Mhd. î, û, iu Die mhd. Langvokale sind wie bei Steinhöwel in der Regel noch nicht diphthongiert. î ist meist gewahrt; Ausnahmen: zeitten (Z. 691), zeijt (Z. 1534);115 gelegentlich Rundung zu ü: rüch (Z. 676), küngrüch (Z. 927).116 Die Länge wird regelmäßig durch die Graphie ij bzw. ÿ realisiert: wijb (Z. 63 u.ö.), ijsen (Z. 72, 324), frijhait (Z. 79, 1434).117 û ist in der Regel nicht diphthongiert;118 morphemgebundene Ausnahmen: auß (Z. 101), auch (Z. 299, 1104).119 iu Hauptgraphie ü; Nebengraphien ủ, ǜ, ẅ: ủch (Z. 77, 431 u.ö.), ủwer (Z. 444, 1147), fǜr (Z. 114) haimstǜr (Z. 718), bezǜgen (Z. 960), hǜt (Z. 1091), vntrẅ (Z. 955);120 gelegentlich auch Entrundung i: frintlich (Z. 814);121 vereinzelt Diphtongschreibungen: leütten (Z. 145), heüt (Z. 553), treẅ (Z. 91, 319, 343), eẅer (Z. 424, 716, 1404).122 Mhd. ie, uo, üe ie ist Leitgraphie, vor Nasal ist die Opposition ie : i schwach ausgebildet: fieng (Z. 60, 1226), fing (Z. 66, 143), zergieng (Z. 128), ging (Z. 222, 272 u.ö.), zedinen (Z. 549), diner (Z. 550, 560, 566, 843, 1197, 1201);123 mehrfach gerundet ü:

Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 9; Besch (1967), S. 100–103, 106; Moser (1929), § 16, 59 Anm. 1. 113 Ebd., § L 36; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 85; Moser (1909), § 71. 114 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 9, L 16, L 17; Besch (1967), S. 104–106; Moser (1929), § 74; Bohnenberger (1892), § 67. 115 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 21, L 27. 116 Ebd., § L 36. 117 Hartweg/Wegera (2005) 7.2.6; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 7, L 36; Moser (1929), § 18, 66.2. 118 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 24. 119 Moser (1929), § 77 Anm. 2. 120 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 25. 121 Ebd., § L 36; Bohnenberger (1892), § 87. 122 Die Diakritika sind entweder Umlautsbezeichnung für ü oder Anzeichen für die diphthongierte Aussprache /eu/; Hartweg/Wegera (2005) 6.4; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 29; Moser (1929), § 24, 82. 123 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 30. 112

132

2. Teil: 1. Überlieferung

nümer (Z. 174, 518), güng (Z. 751, 768, 1284); schwäb. Neutralisierung ie > e vor Nasal: demütticlich (Z. 499).124 uo wird üblicherweise mit  wiedergegeben: erschlůg (Z. 65), můter (Z. 66, 204).125 üe: Umlautsbezeichnung ist ü, eine graphische Unterscheidung von ú und üe wie in Steinhöwels Drucken wird nicht realisiert;126 Entrundung zu ie: wietrich (Z. 180), fieß (Z. 435, 1040), gijtig (Z. 1126).127 Mhd. ei, ou, öu ei wird normalerweise mit ai, nur selten mit ei wiedergegeben: kaiser (Z. 57), gestain (Z. 86, 483), eignetin (Z. 168f.), zeitten (Z. 691), beweiset (Z. 1404); in einem Fall als a: Kan [kein] (Z. 1233).128 ou bleibt wie bei Steinhöwel meist erhalten oder wird als o realisiert: ouch (Z. 944, 1105, 1185, 1569), kouffet (Z. 1179), louffend (Z. 1394), och (Z. 29, 66 u.ö.), erkoffet (Z. 446), loffen (Z. 1334);  nur in gen (Z. 891, 1093, 1145 u.ö.)129; bair./ ostschwäb. au nur vereinzelt: verkauffen (Z. 72), traum (Z. 1452).130 öu wird ohne Besonderheiten als ö wiedergegeben.131

Nebentonvokalismus Der obd. Sprossvokal rn > ren erscheint sporadisch bei koren (Z. 433, 448 u.ö.) und horen (Z. 1250).132 Das Suffix -nis/-nüß wird immer als -nus oder -nuß realisiert: kümmernuß (Z. 1268, 1363), gedächtnus (Z. 1442).133 Das Adjektivsuffix -ec, -ic ist meist zu -ig umgewandelt; nur bei nachfolgendem -lich erscheint -igc oder -ec: ewigclich (Z. 97), volleclicher (Z. 139f.), ellendeclich (Z. 222);134 auch einmal die Verkürzung zu flijßclich (Z. 1386).

Hartweg/Wegera (2005) 7.2.6; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 26, L 36; Moser (1929), § 81; Bohnenberger (1892), § 83. 125 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 26, L 30; Moser/Stopp (1978), § 56. 126 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 26, L 30; Moser (1929), § 25, 81; Bohnenberger (1892), § 99. 127 Hartweg/Wegera (2005) 7.2.2 u. 7.2.5; Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 32, L 36; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 86; Bohnenberger (1892), § 103. 128 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 27; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 55; Moser (1929), § 79; Bohnenberger (1892), § 75. 129 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 22. 130 Ebd., § L 28; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 75, 76; Bohnenberger (1892), § 91. 131 Ebd., § 95; unklar bleibt hier Bohnenbergers Nachweis der Graphie , die weder in D noch in Schröders (1873) Transkription erscheint. 132 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 41; Moser/Stopp (1970), § 38.1; Moser (1909), § 92. 133 Moser/Stopp (1970), § 34; Besch (1967), S. 225–228. 134 Moser (1951), § 148 Anm. 40. 124

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

133

Volle Endsilben sind bei wenigen femininen Substantiven erhalten, so z.B. liebi (Z. 213, 226 u.ö.), grössij (Z. 478), vngestümij (Z. 479), schönij (Z. 1049).135 -ost im Superlativ kommt mehrfach vor bei obrost (Z. 402, 671 u.ö.).136

Konsonantismus Im Konsonantismus stimmt D in allen wichtigen Punkten mit Steinhöwels Sprache überein. Es werden nur die wichtigsten Schreibungen mitgeteilt. Mhd. b Normalschreibung ist b, die Lenis wird auch im Auslaut beibehalten: wijb (Z. 63 u.ö.).137 Mhd. d In der Regel nicht verhärtet: kind (Z. 99); einmal kinthait (Z. 1456).138 Mhd. t t-Epithese kommt sporadisch vor: dannocht (Z. 1117), aint (Z. 1245); die Tilgung des auslautenden d/t erscheint häufiger neben der Normalform: hunder (Z. 369, 397), beweg (Z. 638), wir (Z. 639), war (Z. 769), begangen (Z. 1178), Antwir (Z. 1420, 1503);139 alemannischer Dentalplural tritt häufig auf: tragent (Z. 866), gelernent (Z. 939), werdent (Z. 958), bringent (Z. 1003).140 Mhd. g Normalschreibung g, auch im absoluten Auslaut; nach r ausgefallen: morn (Z. 6, 1091, 1254).141 Mhd. m, n Mhd. m > n erscheint vereinzelt: enpfachen (Z. 626), Appoloniun (Z. 676), ninmer (Z. 800); umgekehrt aber n > m häufiger: sim můter (Z. 68), batten sie alle got Neptunum, das er im hilffe (Z. 1165), dem man … schlecht (Z. 1341f.), dem befolhem was (Z. 1433).142 n-Abfall im Anlaut oder medial kommt selten vor: it (Z. 277, 782), vnordelicher

Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 95. Ebd., 99; Moser/Stopp (1973), § 52 Anm. 2. 137 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 44. 138 Ebd., § L 46. 139 Hartweg/Wegera (2005) 7.4.6; Moser (1951), § 130.5; Weinhold (1863), § 177f. 140 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 47; Kleiber/Kunze/Löffler (1979) 213; Besch (1967), S. 311f. 141 Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 48. 142 Ebd., § L 61f.; Moser (1951), § 133f.; Weinhold (1863), § 203. 135

136

134

2. Teil: 1. Überlieferung

(Z. 213), gegewirtikait (Z. 1528); im Auslaut aber häufiger: de küng (Z. 273), süchte (Z. 341), zefinde (Z. 966), andre (Z. 1307), zesage (Z. 1385).143 Sprosskonsonant n tritt gelegentlich auf: eignetin (Z. 167f.), menen (Z. 284, 294), sünftzen (Z. 869), künschait (Z. 221 u.ö.); Einschub von p zwischen m und t nur zweimal bei kompt (Z. 541, 1254).144 Konsonantenhäufungen treten verhältnismäßig selten auf, meistens cz: leczst (Z. 121), ergeczet (Z. 148), fünffczig (Z. 162, 368, 396, 1438), saczt (Z. 175), spaczieren (Z. 415, 862, 1544); daneben meist ff und tt: zwelff (Z. 61, 133, 983), hilff (Z. 101 u.ö.), gehörtt (Z. 85), vatter (Z. 99 u.ö.).145 Kontraktion gegen > gen (Z. 82 u.ö.) erscheint vielfach, zumeist bei richtungsangebenden Adverbien.146

Resümee Der Schreiber Peter Hamer war Kaplan in Kirchberg147 und stammt aus Weißenhorn. Seine Schreibsprache ist schwäbisch, sie weist große Übereinstimmungen mit Heinrich Steinhöwels Orthographie auf.148 So realisiert Peter Hamer wie Steinhöwel in seinen Autographen die Längenbezeichnung bei mhd. î durch die Graphie ij bzw. ÿ. Die neuhochdeutsche Diphtongierung ist auch sonst bis auf wenige Ausnahmen noch nicht durchgeführt, ei erscheint überwiegend in der schwäbisch-ostoberdeutschen Graphie ai, ou (bzw. o) bleibt hingegen wie bei Steinhöwel meist gewahrt. Vereinzelt wird von Steinhöwels konservativerer Schreibung abgewichen, so wird nicht mehr zwischen ü und üe unterschieden, auch kommen Schwankungen bei der Umwandlung von -ig > -ec/-ic stärker vor. Sonstige Abweichungen sind überwiegend rein graphischer Art.

1.3.3 Der Text in W Der illustrierte Wolfenbütteler Codex 75.10 Aug. 2° überliefert den ‚Apollonius‘ im Jahr 1468 erstmals mit dem Epilog und unterteilt den Text durch Kapitelüberschriften. Zu der Handschrift des Augsburger Berufsschreibers Konrad Ebert/Reichmann/Solms/Wegera (1993), § L 62; Moser (1951), §134.4; Moser (1909), § 121; Weinhold (1863), § 202. 144 Besch (1967), S. 132; Moser (1929), § 29.3; Moser (1909), § 126; Weinhold (1863), § 149, 201. 145 Hartweg/Wegera (2005) 6.4; Moser (1929), § 29. 146 Kleiber/Kunze/Löffler (1979), 199. 147 Hierbei handelt es sich um das südlich von Ulm gelegene Oberkirchberg (heute Illerkirchberg), den Stammsitz der Grafen von Kirchberg, in dessen Diensten er stand; zu Peter Hamer vgl. S. 34 Anm. 119. 148 Zu Steinhöwels Autographen vgl. S. 127 Anm. 92; Steinhöwel ������������������������������������ stammt aus Weil, das dialektgeographisch zum Westschwäbischen zählt. 143

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

135

Bollstatter liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor,149 sodass hier nur die markantesten Merkmale der ‚Apollonius‘-Abschrift skizziert werden sollen. Hess hat für Bollstatters ‚Griseldis‘-Abschrift 286 Sondervarianten gezählt, die wohl zum Großteil auf redaktionelle Eingriffe Konrad Bollstatters zurückgehen.150 Für den ‚Apollonius‘ ergibt sich ein paralleler Befund.151 Weitere Zusätze in W veranschaulichen Bollstatters Arbeitsweise: D W hinflus (Z. 56) zungen (Z. 56) Nijni in Assiria (Z. 57) zerstörung (Z. 58) ain küng (Z. 63)

Syntfluss (Bl. 3r) zungen zů babilonia (Bl. 3r) Nurine vnd Massÿria des lands (Bl. 3r) zerstörung der grossen statt (Bl. 3r) ains kunigs sůne (Bl. 3r)

gewan (Z. 65) darumb (Z. 67) wijb (Z. 68) regnirer siner (Z. 70) Allexander (Z. 71) Nach vnd (Z. 73) Dann (Z. 77) sicht (Z. 78)

gewan er (Bl. 3r) darumb das kunig (Bl. 3r) sein weÿb (Bl. 3v) regnirer sein siner (Bl. 3v) künig Allexander (Bl. 3v) nach dem als der künig (Bl. 3v) Von dem (Bl. 3v) findt vnd sicht (Bl. 3v)

Die Lesart findt vnd sicht (W, Bl. 3v) ist ein typisches Beispiel für die Doppelformeln, die den Kanzleistil Bollstatters kennzeichnen: Statt laid oder ungemach hat W häufig laid und ungemach (Bl. 7r). Bieten die übrigen Textzeugen nur das Pronomen er oder der kung, so schreibt Bollstatter oft der küng von Tyria und Sydonia. Es handelt sich bei Bollstatters Lesarten zwar meist um Zusätze, doch finden sich bisweilen auch Auslassungen einzelner Wörter oder auch ganzer Satzteile wie z.B. von dem anfang der stat Rom vierhundert siben vnd zwaintzig jar (D, Z. 59f.). Die vielen nur in W überlieferten Sonderlesarten beweisen, dass die Handschrift nicht als Vorlage für die Drucklegung von gz gedient hat. Zudem teilt gz weder die fehlerhafte Auslassung in W (Bl. 3r) Von dem anfang der stat Rom [tusent]vierhundertsiebeundzwainzig jar, noch den Zusatzvers im Lied Wie wol mir sein die nit gülden (Bl. 44r). Darüber hinaus legt auch der Bilderzyklus der Handschrift nahe, dass die Drucküberlieferung nicht auf W basiert: gz ist nicht illustriert und auch die Holzschnitte späterer Auflagen stehen in keinem

Vgl. hierzu S. 41 Anm. 147. Vgl. Hess (1975), S. 131. 151 Der Zusatzvers, den Bollstatter auf Bl. 44r einfügt, ist ein Indiz dafür, dass Bollstatter das komplexe Reimschema aus dem Langen Ton des Mönchs von Salzburg nicht erkannte: En mitten in den sünden. / Wie wol mir sein die nit gülden. / Dem ich solt wesen lieb vnd wert (Bl. 44r). Bollstatters Reim ist weder metrisch noch lautlich korrekt; er kann als ein Versuch gewertet werden, den vermeintlich isolierten Reim sünden zu ergänzen bzw. den gewohnten Paarreim herzustellen. 149

150

136

2. Teil: 1. Überlieferung

ikonographischen Zusammenhang zu dem Wolfenbütteler Bilderzyklus.152 Entsprechend vergleichbaren Frühdrucken befinden sich die Holzschnitte der späteren Ausgaben direkt unter den Kapitelüberschriften und bilden meist das in den Überschriften beschriebene Geschehen ab. Der Text Konrad Bollstatters ist zwar gut lesbar, weicht insgesamt aber stark von der übrigen Überlieferung ab.

Schreibsprache Akihiko Fujii hat die Handschrift kürzlich einer detaillierten Sprachanalyse unterzogen.153 Bollstatters Apollonius-Abschrift weist stark ostschwäbischbairische Züge auf (so zeigt W beispielsweise regelmäßige Diphtongschreibung und bair. p) und steht damit Steinhöwels Sprache ferner als D.

1.3.4 Der Text in gz Verschiedene Indizien weisen darauf hin, dass Steinhöwel selbst die Herausgabe des ‚Apollonius‘ bei Günther Zainer veranlasst hat.154 Neben dem Vorwort, das er offenbar eigens für die Drucklegung verfasste, legen verschiedene Textvarianten eine Bearbeitung durch den Autor selbst nahe. So fehlen der älteren Überlieferung (D) folgende Stellen: gz

D

zů lob dem höchsten gott, der im verhaissen hett gewalt zegeben über Persen vnd Indien. Dar nauch zoch Allexander gen Indien wider Porum, der zwaijer vnd drissig rich ain küng was (Bl. 3b).

zů lob dem höchsten gott, der im verhaissen hett gewalt zegeben über Persen vnd Indien wider Porum, der zwaijer vnd drissig rich ain küng was (Z. 80–84).

Vgl. hierzu auch Ott (2004). Vgl. Fujii (2007), S. 129–131; zur Augsburger Schreib- und Druckersprache vgl. auch die zahlreichen Veröffentlichungen von Künast; einen Forschungsüberblick bietet zudem Knape (1995), S. 2–13. 154 Für den ersten Druck der ‚Griseldis‘ bei Johann Zainer in Ulm (GW M31583, MRFH 21160) konnten Hess (1975), S. 141f., und Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 141, eine unmittelbare Autorisierung durch Heinrich Steinhöwel nachweisen; siehe hierzu auch Amelung (1979), S. 17f. u. 79; Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 206f. 152 153

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

137

Als sie die gelesen hett, do sach sie Appolonium innerclichen an vnd sprach ‚Maister, bist du nit laidig das ich ainem andern ze weib geben werden sol?‘ Antwurt Appolonius ‚Nain ich, wann dein er vnd nutz ist mein gefůr.‘ Sprach die iunckfraw ‚O maister, maister, wer ich dir lieb, din hertz wurd dar uon beschwäret (Bl. 16a–b).

Als sie die gelesen hett, do sach sie Appolonium innerclichen an vnd sprach maister, maister, wer ich dir lieb, din hertz wurd dar uon beschwäret (Z. 726–730).

Do das der küng mercket, er sprach ‚Appoloni, hastu den schiffbrichigen funden?‘ Er gab vor scham wenig antwurt. Do aber der kủng mercket, das sin tochter Appolonium liebet, er sprach zů den iunglingen (Bl. 16b).

Do das der küng mercket, das sin tochter Appolonium liebet, er sprach zů den iunglingen (Z. 742–745).

da erlüchtet karfunckels brinender schin, rubines röttin, granaten brünin, iacincten füres gilbin, thopasius goldes farb, nit minder was sich in grien erzaigen solt, was von smaracten wol gezieret (Bl. 3b).

da erlüchtet karfunckels brinender schin, rubines röttin, granaten brünin, iacincten füres gilbin, thopasius goldes farb, nit minder von smaracten wol gezieret (Z. 86–89).

Zunächst könnte man anhand dieser Lesarten einen Augensprung-Fehler in D unterstellen, bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass der Text ohne die Zusätze aus gz ebenso verständlich ist. D ist deshalb als eine ältere Textstufe zu werten und die Lesarten als Indizien für eine Überarbeitung, vermutlich durch den Autor selbst. Gegen eine Überwachung des Druckes durch Steinhöwel – und somit auch gegen gz als Leittext – sprechen allerdings viele, teils sinnentstellende Korruptelen, von denen die wichtigsten nachfolgend aufgeführt werden. a) Fehlerhafte Datierung: gz

D

von dem kaiser tům Nijni in Assiria nünhundert ains vnd zwaintzig jar (Bl. 3a).

von dem kaiser tům Nijni in Assiria tusent nünhundert ains vnd zwaintzig jar (Z. 57f.).

b) Falscher syntaktischer Bezug: gz das sie ainen man hab, der mit wißhait vnd künsten also begabet sij, das er nach seinem tod das küngrich regniren müg (Bl. 7a).

D das sie ainen man hab, der mit wißhait vnd künsten also begabet sij, das er nach minem tod das küngrich regniren müg (Z. 253–255).

138

2. Teil: 1. Überlieferung

c) Verderbter Reim: gz

D

Din truren vnd din achen. [...] Dann las mich allweg schwczen (Bl. 27a).

Din truren vnd din achen. [...] Dann las mich allweg schwachen (Z. 1273–1281).

d) Semantischer Fehler durch Vertauschung der Vers-Reihenfolge: gz

D

Es sie schön, zierlich, wolbeklait Ich hor das hus wijt vnd brait Mit gůtem gestain vnd holtz gemait (Bl. 27a).

Es sie schön, zierlich, wolbeklait, Mit gůtem gestain vnd holtz gemait. Ich hor das hus wijt vnd brait (Z. 1290–1293).

e) Fehlender Vers im Reimschema: gz

D

Min wijbe ist vnd fröd min gell, Din truren vnd din achen‘ (Bl. 27a).

Min wijbe ist vnd fröd min gell, So nim das gold, da mit verschwell Din truren vnd din achen (Z. 1271– 1273).

Zu diesen Korruptelen kommen die Fehler im Prolog, durch den die Datierung nicht mehr korrekt zu entziffern ist.155

Sprache Nicht nur zahlreiche Druckfehler, sondern auch die Sprache des Druckes weisen auf eine nicht autorisierte bzw. nicht durch Steinhöwel überwachte Ausgabe hin. Fujii hat bereits den ‚Apollonius‘-Erstdruck detailliert untersucht, daher wird hier nur auf die markantesten Differenzen zu Steinhöwels Schreibsprache verwiesen:156 Der Druck ist fast vollständig diphthongiert. Nur in der ersten Lage (a) des ‚Apollonius‘ hat sich Günther Zainer noch an der Sprache Steinhöwels orientiert, passt sie dann aber mehr und mehr an die Augsburger Druckersprache

155 156

Vgl. hierzu S. 13f. und Terrahe (2013). Fujii hat in ihrer Untersuchung „eine Auseinandersetzung mit der steinhöwelschen bzw. westschwäbischen Manier beobachten“ können; vgl. Fujii (2007), S. 170. Sie bietet auf S. 17f. einen Vergleich von Steinhöwels Autograph des ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ (München, BSB, Cgm 1137; MRFH 10650) mit Zainers Druck des ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ (MRFH 21310; GW M38511), eine detaillierte Sprachanalyse von gz auf S. 27–32 und 145–170; Steinhöwels Sprache hat Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 254f. mit dem Erstdruck der ‚Griseldis‘ bei Günther Zainer in Augburg 1471 (MRFH 21130; GW M31580) verglichen.

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

139

an157 und vermeidet zugunsten des gemeinen teutsch die schwäbischen Dialektismen Steinhöwels, um einen überregionalen Absatzmarkt beliefern zu können.158

1.3.5 Überschriftengliederung in gz und W Der Erstdruck des ‚Apollonius‘, den Günther Zainer 1471 in Augsburg verlegte, hat die einzelnen Kapitel (in D nur durch Initialen gekennzeichnet) mit Überschriften versehen, die das Geschehen knapp zusammenfassen. Der Platz für Initialen ist ausgespart und in zahlreichen Exemplaren wurden rote Lombarden eingemalt. Günther Zainers Ausgabe zeigt bezüglich der Abschnittsunterteilung eine auffällige Übereinstimmung mit W, die die gleichen Kapitel ebenfalls durch Überschriften markiert. In Steinhöwels Quellen (den Gesta Romanorum oder dem Pantheon Gottfrieds von Viterbo) lassen sich derartige Unterteilungen nicht nachweisen. Möglicherweise hat ein Augsburger Redaktor Günther Zainers bei der Formulierung der Überschriften auf eine Augsburger Handschrift (etwa die ‚Apollonius‘-Abschrift Bollstatters) zurückgegriffen,159 was die streckenweise eklatante wörtliche Übereinstimmung zwischen den Überschriften in W und gz erklären würde: gz

W

Hie komt Appolonius vnd begert seiner tochter (Bl. 7a)

Hye kompt Appolonio der kunig von Tyria vnd Sydonia vnd begertt des kunigs Anthyochus tochter (Bl. 10v).

Wie des kủnges tochter kam vnd mit Appolonio redet (Bl. 13b).

Wie des kunigs tochter genant Cleopatra kom und mitt Appollonius redt vnd in fraget wer er were vnd wie er hiesse darauff er ir antwirttet (Bl. 21v).

Wie der Riffian ain gepuren beryeffet der Tarsiam schmehen solt / vnd wie er sy och rain ließ / vnd wie er ir sunst half gelt gewynnen (Bl. 24a).

Wie der Ruffyon ainen gepauren berůffen der die Jungfrawen Tarssyam schmähe vnd fellen solt vnd wie er sie ouch rain vnd unuermaliget liesse vnd ir sunst halff gelt gewynnen (Bl. 40r).

Vgl. Fujii (2007), S. 167; man könnte also allenfalls für die erste Lage eine Überwachung durch Steinhöwel vermuten. 158 Vgl. Fujii (2007), S. 170; Knape (1995), S. 342. 159 Den Einfluss einer Handschrift aus dem Überlieferungszweig der W nahestehenden Handschriften auf die Druckfassung Johann Bämlers hat Hess für Steinhöwels ‚Griseldis‘ ebenfalls festgestellt; vgl. Hess (1975), S. 141. Die Möglichkeit, dass Günther Zainer für den Druck neben Steinhöwels Manuskript noch eine Handschrift Bollstatters vorlag, ist zwar nicht auszuschließen, aber wenig wahrscheinlich. Zainer hätte dann vermutlich auch die Überschriften und andere charakteristische Emendationen Bollstatters übernommen. 157

140

2. Teil: 1. Überlieferung

1.3.6 Die Textzeugen nach der Augsburger Drucklegung bis 1500 Druckabschriften Die Überlieferung des ‚Apollonius‘ ist durch eine enge Verschränkung handschriftlicher und gedruckter Textzeugen gekennzeichnet: Handschriften dienen als Druckvorlagen, und von den Drucken werden wiederum Abschriften hergestellt. Auch personell waren Handschriften- und Druckproduktion in dieser Phase nicht von einander zu trennen. Die ersten Drucker waren ebenfalls Schreiber, mitunter auch Rubrikatoren, und es fand eine enge Zusammenarbeit zwischen Schreibern und Druckern statt, die sich besonders in Augsburg für Günther Zainer, Johann Bämler, Anton Sorg und Konrad Bollstatter nachweisen lässt.160 Die handschriftliche Überlieferung des ‚Apollonius‘ bietet nach 1470 ausschließlich Druckabschriften, die entweder auf dem Erstdruck oder einer der späteren Auflagen beruhen.

Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 86 (D1) Die zweite ehemals Donaueschinger Handschrift Cod. Don. 86 erweist sich aufgrund der Leitfehler, die sie mit gz teilt, zweifelsfrei als Abschrift des Erstdrucks. Auch die Überlieferung von Prolog, Kapitelüberschriften und Epilog lässt als Vorlage nur gz in Betracht kommen, da die späteren Druckauflagen den Prolog nicht mehr überliefern. Die Handschrift wurde um 1479 in Schwaben, wahrscheinlich für die Freiherren von Zimmern geschrieben. Das Akrostichon des Vorworts scheint der Schreiber nicht mehr erkannt zu haben, denn es ist durch orthographische Varianten stark verderbt.161

Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951 (T) Die zweite Druckabschrift, die am 25. Juli 1488 auf Schloss Rocken für die Grafen von Thun angefertigt wurde, befindet sich heute unter der Signatur Cod. 1951 in der Biblioteca Communale in Trento. Ob die Handschrift ursprünglich auch den Prolog aus gz überlieferte, lässt sich heute aufgrund des Textverlustes nicht

So klebte Konrad Bollstatter ausgeschnittene Holzschnittinitialen von Zainer-Drucken in seine Handschriften ein; vgl. Schmidt (2003), S. 239–248. Carl Wehmer hat anhand von Schriftproben eine frappierende Ähnlichkeit zwischen der Schrift Heinrich Molitors – vermutlich ein enger Verwandter Konrad Bollstatters – und Zainers Drucktype gezeigt; vgl. Wehmer (1938), S. 114, 121 Anm. 3, Abb. 7 u. 8. Zum Verhältnis zwischen Druckern und Schreibern vgl. Janota (1997), S. 137f.; Künast (1995). 161 Durch die abweichenden Schreibungen in D1 (cz < z; c > k; e > ä/a) ist das Akrostichon in Z. 7, 17, 19, 30, 38, 42 defekt. 160

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

141

mehr feststellen.162 Der Epilog ist jedenfalls erhalten und weist den Textzeugen gemeinsam mit weiteren spezifischen Lesarten eindeutig als Druckabschrift der Ausgabe Anton Sorgs von 1479 (MRFH 20200; GW 2275) aus.

Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 4119 (V) Die undatierte Wiener Sammelhandschrift des Mondseer Benediktiners Johann Hauser überliefert in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts den Prolog zum ‚Apollonius‘ isoliert vom übrigen Text: Auf Bl. 105v–106v wurde das gereimte Vorwort vollständig (50 Verse) unter der Überschrift carmen germanicus eingetragen. Ein zweites Mal notiert Hauser nur die Verse 1–12 des Prologs auf Bl. 199r–199v.163 Die Sammelhandschrift mit geistlichen und weltlichen Liedern (Gebeten, Segen und Sprüchen) ist in dem von Hauser geschriebenen Teil164 sehr flüchtig ausgeführt. Auch weicht der Text geringfügig von der Vorlage ab, indem einzelne Wörter umgestellt oder durch andere ersetzt wurden. Ebenso wie der Schreiber von D1 hat Johann Hauser offensichtlich das kunstvolle Akrostichon des Erstdrucks nicht erkannt, denn durch die Varianten Vß > Auß (Z. 8) und Eigen > Aigen (Z. 19) ist es verderbt.

Inkunabeln Die Überlieferung der ‚Apollonius‘-Drucke ist ein anschauliches Beispiel für die enge Zusammenarbeit der Drucker Günther Zainer, Johann Bämler, Anton Sorg und Johann Schönsperger. Das Verhältnis der Augsburger Buchdrucker untereinander war nicht nur durch Wettbewerb geprägt, sondern man nutzte auch gemeinsame Vertriebssysteme, gab Holzschnitte aneinander weiter und verkaufte oftmals nicht nur die eigenen Werke, sondern auch die der anderen ortsansässigen Drucker.165 Im 15. Jahrhundert entstehen sämtliche Neuauflagen des ‚Apollonius‘ in Augsburg. Während es sich bei gz um einen nicht illustrierten Foliodruck handelt, sind die darauf folgenden Auflagen ausnahmslos im Quart-Format gedruckt und mit absatzfördernden Holzschnitten ausgestattet. Vgl. Terrahe (2009), S. 52. Vgl. S. 41f., Handschriftenbeschreibung siehe S. 110f. 164 Bl. 2r–100r, Bl. 100v–104r nur oben, Bl. 104r–148v, Bl. 151v unten, Bl. 152r unten, Bl. 154r–202v, Bl. 206r unten, Bl. 209r; neben Hauser finden sich sechs weitere Hände; vgl. Herzmann (1972); Menhardt (1961), Sp. 1002. 165 Zum Verhältnis der frühen Buchdrucker untereinander vgl. Vorderstemann (1997), S. 66ff.; insbesondere zu den Augsburger Druckern siehe Müller (1997), S. 345; Künast spricht von einer „Art Genossenschaft“ unter Johann Schönsperger d. Ä., Johann Bämler, Anton Sorg u.a.; vgl. Künast (1995a), S. 228; Künast (1995b), S. 244–246; Künast (1997), S. 86–95; Künast (1997a), S. 1207f., 1211. 162

163

142

2. Teil: 1. Überlieferung

Augsburg: Johann Bämler, 1476 Der Nachdruck, den Johann Bämler im Jahr 1476 innerhalb des Sammelbandes ‚Lehre und Unterweisung‘ (GW M17724) auf den Markt brachte, ist der erste illustrierte Druck des ‚Apollonius‘ (MRFH 20190; GW 2274).166 Die Holzschnitte befinden sich durchgehend am Beginn der Kapitel und einige Kapitelüberschriften wurden inhaltlich an die Thematik der Holzschnitte angepasst, andere hingegen unverändert aus gz übernommen.167 Eine weitere Neuerung dieser Ausgabe sind Holzschnittinitialen, die – abgesehen von der ersten, die sechs Zeilen umfasst – fünfzeilig in den Text eingerückt sind. Bämlers Ausgabe enthält, wie alle weiteren Nachdrucke, Steinhöwels Prolog nicht mehr. Möglicherweise empfand man die Reimvorrede mit dem Akrostichon als veraltet oder unpassend für das intendierte Publikum früher deutscher Druckprosa. Vorlage für Bämlers Druck war zweifellos gz. Verschiedene Lesarten, zusätzliche Korruptelen und sogar Auslassungen ganzer Satzteile weisen auf eine erneute Überarbeitung des Textes in Bämlers Offizin hin.168 Ein besonderes Charakteristikum der Bämler-Drucke sind großformatige „Einleitungsholzschnitte“, mit denen er seine Werke fast durchgängig ausstattete. Hiermit legte er den Grundstein für die Entwicklung des „holzschnittgeschmückten Titelblattes“.169 Im Falle des ‚Apollonius‘ ließ Bämler durch den Sorg-Meister als Einleitungsholzschnitt das gleiche Motiv nachschneiden, das er in seiner 1473 erschienenen Ausgabe von Hartliebs ‚Alexander‘ verwendet hatte (Abb. 3),170 jedoch mit der

Knape (1995), S. 341, weist auf die intensive Illustrierung des Druckes hin, der auf 72 Blättern 35 Illustrationen, d.h. auf jedem zweiten Blatt einen Holzschnitt enthält. 167 Insofern haben die Überschriften in den Drucken nach 1471 beide Funktionen: Sie sind sowohl Kapitelüberschriften als auch Bildunterschriften (Bildtituli). Dass sie im ‚Apollonius‘ ursprünglich als Kapitelüberschriften konzipiert wurden, zeigen die Textzeugen gz und D: Die frühe Handschrift kennzeichnet die Kapitel nur durch Initialen, der Druck versieht dieselben Abschnitte mit Überschriften, die den Inhalt zusammenfassen, allerdings ohne Illustrationen. Erst in einem dritten Schritt kommen 1476 die Holzschnitte hinzu, die dann direkt unter die Überschriften platziert werden. 168 Als Beispiel für eine neue Korruptele in Bämlers ‚Apollonius‘-Ausgabe, die von allen Nachdrucken weitertradiert wird, vgl.: ward geporen jhs xpus von maria der junckfrauen die Sum von anfang der Stadt Rom (Bämler); ward geboren ihesus cristus der gottes sun von der iunckfrowen maria daz tut an ainer sum von anfang der stat rom (gz); auch hier ist die Parallele zur ‚Griseldis‘-Überlieferung klar ersichtlich: Hess konnte für Bämlers Nachdruck (MRFH 20990; GW M17713) von Günther Zainers Erstdruck der ‚Griseldis‘ (MRFH 21130; GW M31580) ebenfalls nachweisen, dass er „sämtliche wichtige[...] Leitfehler“ tradiert und „noch eine Anzahl neuer Fehler“ hinzukommt, „so etwa die Auslassung eines ganzen Satzteils“; vgl. Hess (1975), S. 140f. 169 Breyl (1997), S. 248; zum Titelblatt der deutschen Frühdrucke siehe auch Duntze (2009); Rautenberg (2008); Koppitz (1980), S. 189–195; vgl. auch das von Ursula Rautenberg geleitete Projekt „Buchtitelblatt in der Inkunabel- und Frühdruckzeit“ (http://inkunabeln.ub.unikoeln.de/titelblatt/). 170 GW 884; das Motiv stammt vermutlich aus der Handschrift Darmstadt, Universitäts- und Landesbibliothek, Hs. 4256; zum Einleitungsholzschnitt im ‚Apollonius‘ vgl. Gossart 166

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

143

leicht veränderten Inschrift ALEXANDER MAG[NUS]. Da Alexander in der Vorrede des ‚Apollonius‘ wiederholt erwähnt wird, lag es nahe, den Holzschnitt noch einmal zu verwenden – möglicherweise auch, um an den Erfolg des Alexander-Romans anzuknüpfen.171

Abb. 3:

Ganzseitiger Einleitungsholzschnitt; Augsburg: Johann Bämler, 1476, Bl. 1a, Berlin, Staatsbibliothek, Inc. 3 (MRFH 20190; GW 2274).

(2010), S. 77–84; Duntze (2009), S. 25; Breyl (1997), S. 251–253; Frühmorgen-Voss (1991), S. 258f.; Ross (1971), S. 148 Anm. 26; Schramm (1921), Bd. III, S. 15, Fig. 24 und 483; zur Vorlage des Holzschnittes (GW 884) vgl. Vorderstemann (1976), S. 22f. u. Abb. 1; Schramm (1921), Bd. III, S. 24; zu Johannes Hartlieb siehe u.a. Weinmayer (1982), S. 61ff.; Grubmüller (1981); Hartliebs ‚Alexander‘ ist als Faksimile nach dem Bämler-Druck von 1473 erschienen: Friebertshäuser (1975). 171 Die mehrfache Verwendung von Holzschnitten stellt bekanntlich keine Besonderheit dar, verwendete Bämler doch auch in seiner ‚Melusine‘ (GW 12655 und 12660) Holzschnitte aus seinen Alexander- und Troja-Romanen; vgl. Vöhringer (2008), S. 334. Dies „zeigt, dass es Bämler primär um das formale Gestaltungsprinzip, die Eröffnung durch einen ganzseitigen Holzschitt, ging, während dem engen inhaltlichen Bezug zum Text eine geringere Bedeutung beigemessen wurde“; Duntze (2009), S. 20.

144

2. Teil: 1. Überlieferung

Augsburg: Anton Sorg, [14]79 Ob auch Anton Sorg in seiner Ausgabe von 1479 (MRFH 20200; GW 2275) den Einleitungsholzschnitt aus Bämlers Druck verwendete, kann heute nicht mehr festgestellt werden, da dem einzigen erhaltenen Exemplar das erste Blatt fehlt. Die übrigen Holzschnitte sind jedoch mit Bämlers identisch, und auch der Text folgt seiner Ausgabe: die Leitfehler aus gz und Bämlers Lesarten sind erhalten.

Augsburg: Johann Schönsperger, 1488 und [um 1494] Johann Schönspergers Ausgabe aus dem Jahr 1488 (MRFH 20210; GW 2276) trägt denselben Einleitungsholzschnitt, den Bämler im Jahr 1476 schneiden ließ, alle anderen Holzschnitte sind hingegen spiegelverkehrte Nachschnitte von Bämlers Druck, dem auch der Text ohne nennenswerte Änderungen folgt. Schönspergers zweite erhaltene Auflage, die um 1494 erschien (MRFH 20220; GW 0227610N), ist mit denselben Holzschnitten illustriert und unterscheidet sich kaum von seiner ersten Auflage. Da heute nur noch ein Fragment von zwei Doppelblättern erhalten ist, kann die Verwendung des Einleitungsholzschnittes nicht mehr belegt werden.

Ulm: Conrad Dinckmut, 1495 Konrad Dinckmuts Druck aus dem Jahr 1495 (MRFH 20230; GW 2277) scheint in enger Kooperation mit Johann Schönsperger entstanden zu sein, denn die Holzschnitte hat der Ulmer Drucker von dem Augsburger übernommen. Die Ausgabe beginnt wie ihre Vorläufer mit dem Einleitungsholzschnitt aus Bämlers Druck und hat auch den Text von Bämlers oder einem der anderen Nachdrucke übernommen. Das Akrostichon des Epilogs wurde durch orthographische Abweichungen (Clar > Klar [Z. 1564]) verderbt zu PAKEM.

Ulm: Johann Zainer d. J., [14]99 Die zweite Ulmer Ausgabe, die Günther Zainers Bruder Johann im Jahr 1499 verlegte (MRFH 20240; GW 2278), hat den Einleitungsholzschnitt gleich zweimal: auf Bl. 1a und 1b, der Text beginnt auf Bl. 2a, weicht von den anderen Nachdrucken nicht nennenswert ab und hat Platz für Initialen ausgespart, die aber nicht ausgeführt wurden. Die Holzschnitte sind auch in dieser Ausgabe identisch mit denjenigen, die Schönsperger erstmals 1488 verwendete. Die Lieder und der Epilog sind nun (abgesehen von einer Ausnahme) nicht mehr in Versen abgesetzt, wodurch das Akrostichon im Epilog nicht mehr lesbar ist. Der Drucker scheint es – möglicherweise durch die Variante in Dinckmuts Ausgabe – nicht mehr erkannt zu

1.3 Textgenese und Abhängigkeitsverhältnis der Überlieferungszeugen

145

haben und bietet die fehlerhafte Lesart Billich (statt Pillich [Z. 1562]), wodurch das Akrostichon nun BAKEM (statt ursprünglich PACEM) lautet.

1.3.7 Zusammenfassung Obwohl auch D nicht fehlerfrei ist, gebührt dem Textzeugen doch angesichts des Alters und der größeren sprachlichen Nähe zu Steinhöwel der Vorrang vor allen übrigen Textzeugen. Der Vergleich mit Steinhöwels Autographen belegt, dass die Handschrift dem Autor sprachlich näher als alle anderen Textzeugen steht. Überdies hat D als einziger Überlieferungsträger die Reimschemata vollständig und richtig bewahrt. Der Wolfenbütteler Codex W kommt infolge der redaktionellen Eingriffe Konrad Bollstatters als Leithandschrift nicht in Betracht, und auch für die Texterstellung kann W nur bedingt herangezogen werden. Dennoch sind gz und W durch eine Reihe gemeinsamer Lesarten miteinander verbunden, die möglicherweise auf Autorkorrekturen beruhen könnten, sofern man nicht unterstellt, dass gz auch eine Bollstatter-Handschrift mit herangezogen hat.172 Der Erstdruck wurde von Steinhöwel zweifellos intendiert, die zum Teil gravierenden und sinnentstellenden Korruptelen und Druckfehler weisen allerdings darauf hin, dass er den Druck nicht umfassend überwachte.173 Der Erstdruck folgt nur zu Beginn noch „den Konventionen des Ulmer Autors“,174 unterdrückt aber bereits nach der ersten Lage die für Steinhöwel charakteristischen schwäbischen Merkmale, führt die Diphthongierung durch und nähert den Text insgesamt der Augsburger Druckersprache an.175 Die dialektalen Eigenheiten wurden für die Drucklegung entfernt, um einen überregionalen Absatzmarkt bedienen zu können. Günther Zainers ‚Apollonius‘-Druck (gz) ist aufgrund der zahlreichen Korruptelen und der sprachlichen Befunde als Leittext zwar ungeeignet, bietet aber auch Varianten (insbesondere Plusstellen), die möglicherweise auf einer erneuten Korrektur- bzw. Überarbeitungsstufe des Autors für die Drucklegung beruhen. Hierfür spricht der gereimte Prolog, den Steinhöwel offenbar eigens für den Erstdruck verfasst hat und der den älteren Handschriften D und W aus dem Jahre 1468 noch fehlt. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Steinhöwel seine Übersetzung nochmals überarbeitete bzw. einzelne Abschriften seines ‚Apollonius‘ an manchen Stellen nochmals korrigierte. So weist W bereits den Epilog auf, gz dann Pro- und Epilog. Auch die gemeinsamen Lesarten von gz und W sowie die Überlieferung des Epilogs in W könnten auf eine neuerliche Korrekturstufe hinweisen.

Vgl. S. 139 Anm. 159. Vgl. hierzu S. 137ff. 174 Fujii (2007), S. 167–170. 175 Vgl. ebd.; zur Augsburger Schreib- und Druckersprache vgl. S. 138f. 172 173

146

2. Teil: 1. Überlieferung

Die Autorüberarbeitung in gz sowie der Sprachstand und die Provenienz in D sind deutliche Hinweise darauf, dass für die Leithandschrift eine Vorlage aus dem direkten Umfeld des Autors zur Verfügung stand.176 Diese für das 15. Jahrhundert ungewöhnliche Nähe zum Autor, die der Überlieferungsbefund belegt, bietet die außergewöhnliche Chance, zwei Stufen der Textgenese nachvollziehen zu können: D wird als frühester Textzeuge angenommen, der für die Drucklegung vom Autor selbst stilistisch überarbeitet, um einen Prolog erweitert und sprachlich in der Offizin Günther Zainers der Augsburger Druckersprache angenähert wurde. Demzufolge waren die semantischen Varianten in gz von Steinhöwel selbst evoziert und werden deshalb im Apparat aufgeführt. Somit kann hier also die frühe und autornahe Textstufe erhalten und zusätzlich der Überarbeitungsprozess dokumentiert werden, den der Autor für die Drucklegung des Textes durchführte. Zusammenfassend lassen sich für die Überlieferung des ‚Apollonius‘ im 15. Jahrhundert folgende Tendenzen festhalten: Der Prolog wird in den Nachdrucken nicht weitertradiert und erscheint nach dem Erstdruck nur noch in D1 und V, in beiden Fällen aber mit defektem Akrostichon.177 Das Reimschema im Lied der Tarsia, durch gz verderbt, bleibt in allen Nachdrucken defekt, und der ohnehin schon fehlerhafte Text von gz wird durch Johann Bämlers Lesarten zusätzlich korrumpiert. In dieser Textgestalt wird der ‚Apollonius‘ von den Nachdrucken übernommen, schließlich auch das Akrostichon im Epilog nicht mehr erkannt und durch orthographische Modifikation verderbt. Bämlers Einleitungsholzschnitt übernehmen – soweit heute überprüfbar – alle nachfolgenden Ausgaben; von den übrigen Holzschnitten werden 1488 für Schönspergers Ausgabe Nachschnitte angefertigt, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts weiterverwendet werden. Wurde der Erstdruck offensichtlich im Auftrag des Autors herausgebracht, so legt der Überlieferungsbefund für alle nach 1471 erschienenen Ausgaben nahe, dass sie ohne Autorisierung Heinrich Steinhöwels verlegt wurden.178

Vgl. den parallelen Befund für die ‚Griseldis‘-Überlieferung bei Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 141 und Hess (1975), S. 141f. 177 Im Allgemeinen wird jedoch schon im Erstdruck von einem Fehler im Akrostichon ausgegangen; vgl. S. 13f. u. Terrahe (2013). 178 Auch in diesem Punkt stimmen die Ergebnisse mit der ‚Griseldis‘-Überlieferung überein, bei der sich in den Folgeausgaben immer mehr Fehler einschlichen; nur bezüglich der Ulmer Ausgabe weicht der Befund ab: Johann Zainer stand für die ‚Griseldis‘ offensichtlich eine neue und wesentlich bessere Vorlage zur Verfügung, was sicherlich damit zusammenhängt, dass der Erstdruck erst kurz zuvor mit finanzieller Beteiligung des Autors verlegt worden war; vgl. Hess (1975), S. 141f. Die Ulmer ‚Apollonius‘-Ausgabe erscheint bei Johann Zainer hingegen erst 28 Jahre nach dem Erstdruck und 20 Jahre nach Steinhöwels Tod. Zur intensiven Zusammenarbeit zwischen Steinhöwel und Johann Zainer vgl. insb. S. 88–90 u. Anm. 111, siehe auch S. 5 Anm. 17; 18; 24f. u. Anm. 68. 176

2. Textausgabe Editionsprinzipien und technische Einrichtung Im Sinne des Leithandschriften-Prinzips1 wird die ehemals Donaueschinger Handschrift Cod. Don. 150 (D) als Leittext zugrunde gelegt und der ‚Apollonius‘ somit in einer neuen Edition zugänglich ������������������������������������������ gemacht������������������������ . Die gemeinsame Tradierung mit Steinhöwels ‚Griseldis‘ und die „hervorragende Textqualität [...] legen die Vermutung nahe, daß die Handschriftenvorlage möglicherweise aus dem direkten Umkreis Steinhöwels, vielleicht sogar aus seinen eigenen Beständen stammt.“2 Deshalb wird bei der Edition die Handschrift von 1468 als zuverlässigster Textzeuge mit möglichst wenigen Eingriffen wiedergegeben. Bereinigt wurden absolute Fehler, also „in sich unmittelbar als verderbt erkennbare“3 Lesarten, „durch die der Text in sich sinnlos geworden ist“.4 Diese Fehler oder auch Lücken wurden grundsätzlich nach dem Erstdruck (gz) gebessert. Bei Unsicherheiten wurde auf eine Emendation verzichtet und die entsprechende Lesart im Apparat vermerkt. Nur in Fällen, in denen sich auch gz als fehler- oder lückenhaft erwies, wurde aus W gebessert. Neben den Eingriffen dokumentiert der textkritische Apparat kleinere Varianten von D und gz. Sofern diese allerdings textgeschichtlich relevant sind (etwa Pro- und Epilog oder andere längere Passagen) wurden sie dem Leittext im Kursivdruck hinzugefügt, da anhand dieser Varianten die Überarbeitung des Textes für die Drucklegung – die offenbar vom Autor selbst vorgenommen wurde – unmittelbar nachvollzogen werden kann. Um den Charakter der Leithandschrift zu erhalten wurde auf einen Abdruck der Überschriften aus gz verzichtet. Die in D durch Initialen markierten Abschnitte wurden durch eine Nummerierung gekennzeichnet. Dialektale Schreibungen in D wurden möglichst belassen und nur an vereinzelten Stellen aus gz gebessert, wenn die Schreibung in D fehlerhaft oder sinnentstellend wirkt. Wo D in Einzelfällen stark dialektale Formen, ansonsten aber die Normalschreibung verwendet, wurden diese Ausnahmen angeglichen und im Apparat vermerkt. Orthographische Differenzen zwischen D und gz wurden vernachlässigt. Wo D und gz semantisch variieren, wird im Apparat zusätzlich auf die

Die Einrichtung des Textes und die Editionsprinzipien orientieren sich an Hübner (1995), S. 94–98. 2 Bertelsmeier-Kierst (1988), S. 42; vgl. hierzu auch S. 127 sowie S. 148 u. Anm. 176. 3 Heinzle (1978), S. 144. 4 Ders. (1991), S. 808. 1

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2. Teil: 2. Textausgabe

entsprechenden Lesarten des Wolfenbütteler Codex (W) verwiesen. Auf einen Abdruck der zahlreichen Sonderlesarten der Bollstatter Handschrift – ebenso wie der späteren Drucke und der auf ihnen basierenden handschriftlichen Überlieferung – wurde jedoch aufgrund der autornahen Überlieferung in D und gz verzichtet. Grundsätzlich sind alle Eingriffe in den Leittext durch Kursivierung hervorgehoben und im Apparat vermerkt. Falls Lesarten der Leithandschrift nicht in den Textabdruck übernommen wurden (etwa vom Schreiber vorgenommene Korrekturen, Durchstreichungen oder Doppelt-Schreibungen), wurde das darauf folgende Wort respektive der darauf folgende Buchstabe kursiv gesetzt, um den Eingriff kenntlich zu machen. Das Graphiesystem der Leithandschrift wurde im Wesentlichen beibehalten und lediglich Abkürzungen stillschweigend aufgelöst. Mehrfachkonsonanz sowie Getrennt- und Zusammenschreibung entsprechen dem Leittext. Auch der Gebrauch von i/j und u/v wurde aus D übernommen, die s-Graphien allerdings auf Rund-s vereinheitlicht. Diakritische Zeichen wurden den technischen Möglichkeiten entsprechend wiedergegeben. Die Groß- und Kleinschreibung wurde gemäß den Vorgaben der Handschrift normiert: Satzanfänge und Eigennamen sind groß, alle anderen Wörter klein geschrieben. D hat die Satzanfänge zwar immer groß, Eigennamen jedoch unregelmäßig groß oder klein, wobei diese aber immer durch Unterstreichung gekennzeichnet sind. Alle anderen Wörter schreibt D klein. Die Leithandschrift kennzeichnet zwar die meisten Satzanfänge und Sprecheinheiten durch Großbuchstaben, hat aber ansonsten nur sehr vereinzelte und unsystematische Interpunktionszeichen. Syntaktische Einheiten von D wurden daher möglichst beibehalten, um aber eine komfortablere Lesbarkeit zu gewährleisten, wurde die Interpunktion nach modernen Gesichtspunkten geregelt. Absätze wurden nur an den Stellen realisiert, wo D diese durch Initialen kennzeichnet. Die gereimten Textstellen, die in D nur durch Unterstreichung hervorgehoben sind, wurden in abgesetzten Versen wiedergegeben. Anhand des lateinischen Paralleldruckes wird nun erstmals der direkte Vergleich zwischen Steinhöwels Fassung und seinen Quellen ermöglicht. Zudem wird die alte Literatur, die heute z.T. nur unter erheblichem Aufwand einsehbar ist, bequem zugänglich gemacht: Gottfrieds Pantheon wurde von Singer nur teilweise ediert, die fehlenden Stellen sind daher aus Pistorius‘ Abdruck wiedergegeben.5 Dem Gesta Romanorum-Text liegt Oesterleys Edition des Erstdrucks zugrunde.6 Gegen die Apollonius-Fassung aus dem Colmarer Gesta Romanorum-Codex spricht die Entstehung im 14. Jahrhundert. Die Wolfenbütteler Handschrift Cod. 24.5 Aug 4° mag Steinhöwels Quelle zeitlich und geographisch näher gestanden haben, doch konnten mittels eines detaillierten Textvergleichs bei meist wört-

5 6

Vgl. Singer (1895), S. 153–177; Pistorius (1726). Vgl. Oesterley (1872), S. 510–532.

2.1 Editionsprinzipien und technische Einrichtung

149

licher Entsprechung nur geringfügige syntaktische und semantisch irrelevante Veränderungen eruiert werden.7 Da auch für Cod. 24.5 Aug 4° nicht eindeutig belegt werden konnte, dass Steinhöwel die Handschrift benutzte, kann für den Paralleldruck die bequem zugängliche Edition Oesterleys verwendet werden.

7

Vgl. hierzu S. 75.

Heinrich Steinhöwel: ‚Apollonius‘

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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HEtt ichs geton / zaigt sumnus haß Ain rapp singt all zeit cras cras cras In slichem gsang han ich gelept Nun vnd viertzig iar in hoffnung gswebt Rủwiger der vergangen zeitt Ich gedacht allweg bis morn beitt Cumst du dannocht zelernen wol Vß dem bleib ich an kủnsten hol So ich nun ze alter komen bin Stt brucht ich gern hertz můt vnd sin Tugent zelernen · frủnd zemachen Aber mein sinn wllen mir schwachen In arbait mag ich nit gduren Nun můß ich vmb verganges truren Han ich des schnits versamet mich Ob allen dingen begere ich Eheren als ruth tet in dem schnitt Weil mir got tailt das leben mit Eigen gedicht wer mir zeschwer Latin zetủtschen ist min ger Leichtenklich nach schlechtem synne Vast hoher zierd ich nit begynne Ob ich zegrob bin an dem schriben Noch slt ir mir zů dem besten schyben Wann gůtte main han ich dar inn Iugent zebent vnd ir synn Lieb zehaben alt geschicht Dar jnn man fint der wißhait dicht Och annder ler exempel gůt Crafft verlich mir got vnd rechten můt Tommen sin alweg zehassen Oberen bß / in sủnden lassen Raine magt des hilf mir bitten Ihesum der fủr vnß hat gelitten Ntliche engst vnd marter groß Er hieng am crủcz ellent vnd bloß Rechte lieb das er vnß zgett Czarte magt hast in gesgett Nain spricht er nymer zů dir Ist vnß ouch not wann vnßer gir

___________ 1-50 gz; f. D u. W.

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Gottfried von Viterbo: Pantheon

(Pistorius, S. 162) 11. Teil Annis ab Adam 5888, a diluvio 1638: a divisione linguarum 1537: ab imperio Nini 1731: a destructione Trojae 772: anno ab Urbe condita 427: mortuo rege Graecorum Philippo, Alexander, filius ejus, in regnum successit: de quo traditur quod non Philippi sed magis cujusdam nomine Nathanabi regis, ab Aegypto expulsi, & in domo Philippi tunc commorantis, filius fuerit. Igitur Alexander, terminis patris sui non contentus, subito cogitat obtinere imperium. Unde compositis rebus in Graecia, & assumptis secum paucis, scilicet 32000. peditum, & 7000. equitum, & 580 navibus, darium regem Persarum, Arsami filium, qui a Cyro 14 erat imperator Persarum, propterea maximo bello aggreditur, quod Darius a patre suo Philippo postulabat tributum. Cui Darius legatos & epistolam, superbiam continentem transmisit, dicens se regem regum & consanguineum deorum Alexandrum vero esse famulum suum. Misit etiam Alexandro obviam exercitum militu 200000, qui ab Alexandro non minus ingenio, quam viribus superati sunt. Darius iterum restaurato exercitu, cum eo congreditur, ubi ipse fugatur, mater Rogodom, & soror ejus & filia Rosanen, & uxor cum parvulis ejus capiuntur. Darius pro redimendis captivis, mediam partem regni sui obtulit Alexandro, sed non obtinuit. Alexander super Darium victoriam bis adeptus, Parmenionem principem suum, navigio cum exercitu mittit, invadere classem Persarum; ipse vero cum exercitu transit in Syriam. Ubi reges ultro se sibi subjicientes, partim in gratiam recepit, quosdam permutavit, quosdam peremit: Tyrum & Sidonem cepit; Siciliam, Rhodum, & Aegyptum suae ditioni subjecit. Eodemque tempore condidit urbem, quam Alexandriam nomine suo vocavit. Judaeis, tributa & forum sibi denegantibus, minas terribiles intulit, & ad eos tanquam perdendos accessit. Sed Jadus princeps sacerdotum, a Domino in visione commonitus, cum processione totius populi portans nomen Domini tetragamaton aureis laminis in fronte conscriptum, ei venienti occurit. Alexander, viso nomine Dei, ab equo descendit, & nomen Domini pronus adoravit, atque animo mitigatus, per manum sacerdotis templum intravit, datisque holocaustis & oblationibus, Judaeos in gratiam recepit, & a tributo per septem annos absolvit. (...)

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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Můtter kủnsch hand wir geseczet Czů dir / das niemant werd geleczett Crfftenklichen kanst du wennden Clain vnd groß was vnß geschennden Chan ald mag an sel an lib Liecht der welt das von vns trib Cristo mach vns gnem gesellen In engstlich not noch pin der hellen Mer bewar durch deinen namen So helff vns got sprecht alle Amen [1]

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[2r] Als volgiengen von Adam viertusent siben hundert acht vnd viertzig iar, von dem hinflus zwaijtusent acht vnd drisig jar, von tailung der zungen tusent nünhundert siben vnd drissig iar, von dem kaiser tům Nijni in Assiria tusent nünhundert ains vnd zwaintzig jar, von der zerstörung Troije siben hundert zwaij vnd sibentzig jar, von dem anfang der stat Rom vierhundert siben vnd zwaintzig jar, fieng an zeregniren der gros Allexander, der gewalticlich in zwelff jaren mit starcker hand die gantzen welt im selb machet vndertänig. Des anfang was in Kriechen land, von siner můter Olimpias, des künges Philippi wijb, von Nectanabo geboren, der ain küng in Egipten was vnd von dannen vertriben. Der selb Alexander im zwaintzigosten jar sines alters gewan ab dem küng Dario sin rich vnd erschlůg gros mengin sines uolks. Er fing och sin můter, sin schwester, sin tochter vnd sin wijb, darumb Darius sin hochen můt hin leget vnd schrib Allexandro dümüticlich, das er im sim můter, wijb vnd schwester wider gäbe. Darumb solt er halb tail sins gantzen riches haben vnd all sin schätz allain besitzen vnd gewaltiger regnirer siner gantzen macht von mengklichem gehalten werden. Antwürt im Allexander [2v] ‘Dir gehört zů din rich zebeschirmen mit dem ijsen vnd nit mit dem gold, wann vnser er wöl wir nit verkauffen.‘ Nach vnd Darius gantz überwunden was, gewann Allexander Tijriam vnd Sidoniam, vnd von dröen hette sich das gantz hebraisch volk an Allexandrum ergeben, wan das sie von der götlichen stim gesterckt wurden, die do sprach ,Ir söllend den frechen nit fürchten, ir söllend frölich sitzen mit geschribner stirnen miner namen Ioth He Vau. Dann wirt ủch Allexander günstig sin, so er eẅere höbter mit diser geschrifft gezieret sicht.‘ Das och beschach, wann er liess sie nit allain vndurchächtiget, sunder gab er in frijhait mer wann sie

___________ 53 Das ist ain vorred in die hijstori / des kủniges appolonij / das man wisse wenn er geregnieret hab gz; f. D. 58 tusent] D, W; f. gz. 62 můter] gz, W; f. D. 68 sim] D; sin gz; sein W. 71 Antwürt] Aantwürt D; Antwurt gz. 73 Nach vnd] D; nach dem als gz; nach dem als der künig W. 74 dröen] D; drwen gz; träen W. 75 der götlichen stim] D, W; von gttlicher stijm gz.

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Gottfried von Viterbo: Pantheon

(Pistorius, S. 163) Inde in Indiam procedens, Porum Indorum regem fortissimum, opulentissimum, & singulari congressu vicit & obtinuit. Rursumque in signum suae victoriae regno restituit, & eum ductorem per ultimas & ignotas partes Indiae sibi constituit. De cujus domo aurea & vinea aurea & argentea, atque de racemis ex hyacintho & smaragdo factis, versifice inferius dicemus. Porus tandem cum contra Alexandrum perfide moliretur, occisus est. Alexander ad arbores Solis & Lunae accessit; a quibus etiam, qua morte & ubi esset periturus, audivit. Cum leonibus & serpentibus & unicornibus pugnavit. Brachmanicos per epistolas consuluit. Goth & Magoth aeternaliter conclusit. (Pistorius, S. 168) (...) Finibus Indorum species fuit una virorum, Goth erat atque Magoth, divtum cognomen eorum, De causis quorum scribere pauca volo. Ex aliis scriptis poteris cognoscere, quid sit, Narrat Wsaias, Isidorus, Apocalypsis, Tangit & in titulis magna Sibylla suis. Carnibus humanis solet haec gens sordida vesci, quid sit rex, vellex, vel dux, vel jus ibi nescit, Regula tunc illis normaque nulla fuit. Fertur ab his lupus atque canis vel rana vorari, Funeribus voluit Goth, atque Magoth, saturari, Turba cadaveribus vescitur ore pari. Patribus ipsorum tumulus fit venter eorum, Tumbaque natorum patris est in ventre suorum, tale dedit populo vita ferina forum. (...) Gens ea, quae tanto conamine clausa tenetur. Fine dato mundi, post fortior egredietur, Tunc quoque deficiet lex nova, lex vetus. Tunc Antichristi robur praestabitur isti, Ut queat ecclesiis gens ipsa resistere Christi, Ipsaque Christicolis tunc gravis hostis erit. Tunc rex Romanus surget, testante Sibylla, Viribus imperii, qui gentem destruet illam, Qui rex Ausoniae fiet & Italiae. Nomen & ille Dei conscriptum fronte tenebit. (...) Brachmanides vidit, nec eos servire coegit, Scripsis eis, & ab his rescripta volumina legit, Quae loca sint regi, quomodo regna regit. Scribite quas leges, quod opus, quae jura tenetis, Praelia si geritis, si tempora pacis habetis, Bacchus adest vobis, sive bibenda Thetis. Quod genus armorum, vel opes, quae forma ciborum, Quis ritus, quis honor, quae templa vel ara deorum, Venditor aut emptor, quae bona, quodve forum? (...) Talia dum quaerit cupiens rex ipse doceri, Hic ait: austeri nolo sub lege teneri, Sed magis innatum jus mihi semper erit. Praelia non gerimus, pia tempora semper habemus, Vina per horremus, sed aquas potare solemus, Nata mihi domus est, crypta, spelunca, nemus. Non genus armorum teneo, neque templa deorum, non caro, non panis mihi dant alimenta ciborum, Nec mihi sunt urbes, nescio ferre forum. Idola non colimus ,nec thura Diis adolemus, Mente Deum verum colimus, veneramur habemus, Munera phana Deo reddere nolo meo. Si Deus est, si cuncta tenet, si cuncta creavit, Nec domibus claudi voluit, neque munus amavit, Quaerit adorari, non sibi dona dari. Si Deus est caeli, templo nequit ipse teneri, si sua, non tua sunt, a te sua quomodo quaerit, tu sua si tribuis, non tibi gratus erit. Ergo supervacuum fuit, illi sistere templum, aut dare, quae sua sunt, aut idola condere centum, Quae penitus miseros novimus esse deos. (...)

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von Dario irem herren vor ie gehebt hetten, zů lob dem höchsten gott, der im verhaissen hett, gewalt zegeben über Persen vnd Indien. Dar nauch zoch Allexander gen Indien wider Porum, der zwaijer vnd drissig rich ain küng was, den er mechticlich überwand vnd gewann im ab die stat Susis, dar in der köstlichost palast was, von dem von angang der welt vntz vff die zijt ije gehörtt ward, in dem ain reben wercklich von luterm gold gemacht was, die truben von allerhand edlem gestain. Da erlüchtet karfunckels brinender schin, rubines röttin, granaten brünin, iacincten füres gilbin, thopasius goldes farb, nit minder was sich in grien erzaigen solt, was von [3r] smaracten wol gezieret. Kainer hand edel gestaine ward do nit gefunden. Do Allexander des alles gewaltiger herr was, het er erbärmd über Porum vnd gab im daz alles wider. Doch hielt Porus nit sin treẅ an sinem herren Allexandro, darumb ward er erschlagen. Fürbas zoch Allexander in Ammosoniam der frowen land, die macht er im vndertänig. Er facht och mit löwen, ainhorn vnd mengerlaij tracken. Er fand och ains von den zechen geschlechten der iuden, deren fürer Gog vnd Manog waren. Bat er got, sie zebeschliessen in die berg. Do ze hand fieln die berg zesamen vnd wurden vmb ir vnmenschlich leben ewigclich dar in verdampnet. Wann, als Ijsidorus schribt vnd die gros sibilla, fürten sie ain wülfisch leben: sie aussen menschen flaisch, der vatter sine kind, wann sie gesturben, die kind iren vatter. Sie lebten on alle ordnung, on alle recht, on alle gesatzt, darumb sie vntz an die zů kunfft des endcrist beschlossen sin müssen. Dann komen sie her auß zů hilff dem endcrist wider die cristenhait, mit dem sie gewalticlich richsnen werden, so lang biß ain römischer küng uff erstan wirt, der an siner stürnen den namen Cristi in gold geschriben tragen wirt. Von dem werden sie gedämbt vnd erschlagen. Darnach [3v] kam Allexander in Bragmaniam vnd begeret an sie, zewissen ir leben vnd das sie im vndertänig weren. Dindimus ir küng antwürt im in geschrifft ,Wir wöllen von kainem gesatzt verbunden sin, sunder dem angebornen rechten nach uolgen. Wir pflegen kaines krieges, wir trincken wasser, vnßre hüser wachsen mit vns uff, wir hand kainerlaij wffen, vnser spijß ist weder flaisch, brot noch win, wir hand weder stett noch merckt, wir eren kain abgott, wir brennen in weder wiroch noch mirren, sunder eren wir got mit rainem gemüt, wann was wir got geben mügen, das ist vor hin sin on vnßren frijen willen, wann es wer fremd zehören, das im ain tempel oder ain bild oder fǜr von wiroch, von menschen hand gemacht, empfenclicher wer wann sin hÿmellischer tempel vnd das menschlich gemüt, die er selb geschöpffet haut. Darumb solt du lernen, gott uß frijem gemüt lieb haben, glob in in vnd tů aim andren, als du dir wellest beschechen. Das du got wellest buwen, das gib den armen, vnd leg von dir dine wauffen vnd tů ab alle krieg, wilt du got gefällig sin.‘ Allexander gab

___________

81f. Dar nauch zoch Alexander gen Indien] gz; f. D, W. 84 von] gz; f. D, W. 85 reben] D; reb gz; weynreb W. 86 allerhand] D; aller lay hand gz; aller handt W. 88 was sich in grien erzaigen solt / was] gz­­; was sich in grönen erzaygen solt, das was W; f. D. 103 biß] D, W; bis das gz. 115 hÿmellischer] W; haimlicher D; hymelschlicher gz.

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Gottfried von Viterbo: Pantheon

(Pistorius, S. 167) Munera des miseris, quae ferre Deo voluisti, Quae tribuendo, bonum recipis, quod mente petisti, Arma, quibus noceas, bellaque nulla geras. (...) (Pistorius, S. 168) Arboreas voces Solis Lunaeque loquentes Consulit, didicitque ibi sua fata frequenter, Et licet haec didicit, mors fuit ipsa sibi. His ita perspectis, vicit tandem Babylonem, Saepe minas scripsit devincere moenia Roma, Sed prius horribili forte venena tulit. (Pistorius, S. 163) Alexander, toto Oriente devicto, venit Babyloniam; ubi totius Occidentis regum legatos ultro se offerentium recepit; Romanis etiam terrorem incussit; scribens eis epistolam continentem sic: Si venero, venero. Cui tunc Romani scripsisse leguntur: Si veneris, invenies. Horum tamen eventum mors Alexandri subito praepedivit. (...) (Pistorius, S. 168) Post mortem Alexandri, in diversis mundi partibus Romani triumphare coeperunt. (...) (Pistorius, S. 169) (...) Primus erat Consul vir, Brutus nomine, Romae, Valerius collega suus, plenus ratione, Et regimen Romae consul uterque fovet. (...) Qualiter regnum Alexandri divisum est in duodecim partes, post mortem ejus. (...) Ptolemaeus enim tenuit Aegyptum; Antipater tenuit Graeciam; Seleucus, id est Antiochus, Syriam cum Antiochia & Babylonia. Cassander tenuit Lyciam & Pamphiliam; Antigonus autem majorem Phrygiam: & alii alias quasi rapuere provincias, & singula portabant diademata, sicut in libro Machabaeorum scripta reperimus. (Pistorius, S. 170) Ptolemaeus autem Sother, qui tenebat Aegyptum, in necem Judaeorum vehementer exardens, occasione orandi in templo Domini in Hierusalem sabbatho, nemine prohibente, intravit, & viros & mulieres ac pueros, com omni substantia eorum, captivos in Aegyptum deduxit, & totius orbis mercatoribus pro servis vendidit. Unde & omnes tunc per totum mundum leguntur fuisse dispersi. Josephus dicit; quia nunquam fuit tam magnum exilium Hebraeorum, sicut hoc. Sicut & his versibus acta leguntur. (...) (Pistorius, S. 171) Nota, quia Ptolemaeus iste Philadelphus, volens ad plenum cognoscere, si scripta Judaeorum veraciter ex Deo essent: Septuaginta eorum interpretes, ad invicem, singulos in singulis cellulis separavit, nec eos invicem consilium aut colloquium habere permisit, donec unusquisque per se cuncta transferret. Quumque ipsorum

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im mengerlaij antwürt, dar uff [4r] im Dindimus hin wider schrib, doch zů leczst ließ in Allexander in friden leben nach siner alten gewonhait. Dar nach kam Allexander zů den bomen, der sunnen vnd mones vnd fraget, wie es im ergan sölt, vnd fand ain antwurt, er sölt von vergüffte sterben. Doch e das er starb, macht er im die gantz Babilonia vndertänig vnd dröet den Römern zekomen vnd schrib in in ainem brieff nit mer wan ,Kom ich, kom ich, kom ich.‘ Antwürten im die Römer in geschrifft nit mer den so vil ,Komst du so findst du, komst du so findst du, komst du so findst du.‘ Doch e das er zů inen kam, ward im vergeben vnd starb ellendiclich, vnd zergieng gächlingen der gros gewalt des, der alle dise welt vndertänig gemachet het. Do ward die welt getailt vnd vnder wand sich ain jeder, als er bestritten mocht. Die Römer gewunnen vil durch ir macht vnd wißhait, besunder durch zwen man, der ain Brutus, der ander Valerius Maximus gehaissen. Aber in der ersten tailung des landes Allexandri ward es getailt in zwelff tail, deren ich etlich sagen wil: Ptholomeus het Egipten, Antipater kriechenland, Seleucus Antiochus het Sijriam, Babiloniam vnd Antiochiam, von der ich [4v] hin nach aller maist sagen wil, Cassander hett Litthiam, Antiogonus hett die grössern Frigiam, die andern die nam ieder mit sinez gewalt, was im werden mocht, vnd trůg jeglicher nach sinem willen ain küngliche kron sines landes, als man in den büchern Machabiorum volleclicher geschriben fint. Als aber der erst Ptholomeus, der nach dem Allexandro regnieret, Egiptum inhett, ward er enzündet wider die Juden vnd kam mit grosser mengin gen Jherusalem in andächtiger gestalt, got zeloben an irem hochen fest vnd sabath, vnd fing dar uß alle man, wib vnd kind, mit allem irem gůt, vnd fůrt sie gefangen in Egiptum vnd uerkoufft sie allen kouff leütten. Do wurde sie zerstrwet in die gantzen welt, vnd spricht Josephus, das sie grösser ellend nie gelitten haben. Der selb Ptholomeus sother gewan och Sijriam vnd Damascum. Nach dem Ptholomeo kam ain ander Ptholomeus, Philadelphus gehaissen, der ergeczet die Iuden alles laides, das in von dem vorigen geschehen was. Er het sie lieb vnd leset sie uß aller fencknuß, vnd wa sie verkoufft waren, kouft er sie wider umb vnd brachtz wider ze land vnd uß gefencknuß, ob zwaij malen hundert tusent Iuden. Der selb Ptholomeus het got lieb, vnd was der [5r] Philadelphus, der die zwen vnd sibentzig maister iedlichen in ain besunder wonung tet vnd hies iedlichen sunderlich, on des andern wissen, die hebraisch geschrifft der Iuden vnd die bibel zů siner sprach machen. Do fand er, das ir aller ußlegung gelich was, darumb er och gelobt vnd bekennet, das ir geschrifft

___________ 125f. Kom ich] D, W drei mal; gz zwei mal. 127 Komst du so findst du] D, W drei mal; gz zwei mal. 134 Ptholomeus] gz,W; Pptholomeus D. Antipater] D, W; Antipater het gz.​ 135 Seleucus] gz, W; Seuleucus D. 137 andern die] D; andern vnd och die gz; andern W. nam] D, W; nommen gz. 141 Egiptum inhett, ward er enzündet] D, W; egiptum ward enczủndt gz. 145 wurde] D; wurden gz, W. zerstrwet] gz; zerstöret D; zerstrett W. 148 Philadelphus] gz; Phyladelphus W; Philadephus D. 149 vorigen] D; anderen gz; vorgenanten Ptholomeo W. 156 gelobt] D; gelobt ward gz, W.

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omnium dicta conferret, nullam inter eos potuit discordiam invenire; quo casu credidit & asseruit, (Pistorius, S. 171) uno Dei spiritu eos omnes omnia, quae scripserant, didicisse, & unum verum Deum esse, a quo omnia Judaeorum scripsa manarent. Iste Philadelphus dicitur Esdram prophetam in palatio suo tenuisse charissimum, & ejus petitione, Judaeos maxime ab exilio revocasse.(...) (Pistorius, S. 172) Regnat Evergetes, qui tertius est Ptolemaeus (...). (Pistorius, S. 173) Regnum Philopator quartus Ptolemaeus habebat, Antiochus Syriam propria virtute regebat, Qui duo, dum vivunt, praelia dira gerunt. Qbtinet Antiochus, sed & interimit Prolemaeum, Subjugat Aegyptum, populum quoque subdit Hebraeum, Atque tributarium canone fecit eum. (...) Rex gravis hostis erat, populus dolet absque medela, Consulibus Romae defertur Hebraea querela, Onias princeps summus Hebraeus erat. Missus Romanus Scipio datus est Aphricanus, Es Scipio Nasica, collecto milite vadunt, Cedat ut Antiochus contineatque malum, Cogitur Antiochus, sed eo sub consule jurat, Amodo Judaeis quia nulla feret nocitura, Obses & Antiochi filius ipse fuit. Filius hic obses Seleucus rite vocatur, Cui pater Antiochus in Perside forte necatur, Est caro per frusta plurima secta fuisse, Ultio digna Dei talia reddit ei.

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der bibel vnd ander inen von aim götlichen gaist in geflossen was. Er gelobt och, das ain warer got wer, uß dem alle geschrifft der Iuden wer. Der selb Ptholomeus het bij im in grossen eren Esdram, den propheten, vnd starb vnder Pompeio. Dar nach regniert der drit Ptholomeus, Energetes gehaissen. Das het sich verzogen von dem anfang des gewaltes Allexandri siben vnd fünffczig jar, vnd was von dem anfang der stat Rom vier hundert vnd vier vnd achczig jar. Zů denen zijtten erhůben sich die grossen strit der Römer wider Kartaginenses, doch gewunnen die Römer zeletst den sig. In den selben zijtten regniert in Egiptum der vierd Ptholomeus, Philopater gehaissen, der die Iuden och lieb hett. Aber Antiochus Seleucus, von des uatter vor geschriben staut, das er nach dem tod Allexandri im selber eignetin Sijriam, Babiloniam vnd Antiochiam, der ward im inträg tůn [5v] vnd krefticlich wider in kriegen mit so grosser macht, das der selb Antiochus oblag vnd Ptholomeum erschlůg vnd macht im Egipten land vndertänig vnd durchächtet das hebraisch uolk mer wann die andren. Darumb die Iuden iren fürsten Oniam gen Rom santen, clag zefüren über Antiochum. Do ward gesendet von den Römern Scipio Affricanus; der stillet in mit gewaltiger hand vnd schwůr im Antiochus, den Iuden fürbas nümer kain vngemach zů fiegen. Dar über saczt er zů gijsel sinen sun, och Antiochus Seleucus, sin uatter der grösser, der sun der minder gehaissen. Dar nach in kurtzer zijt ward der gros Antiochus von rechtem gottes rach von der pristerschafft in Persia ze clainen stucken erhowen, vnd ward nach im regnieren sin sun Antiochus der minder, der gen Rom gisel was gesetzt für sin uatter. Der selb Seleucus was ain wietrich vnd het kain erbärmd über die Iuden. Och tet er andre vnzimliche ding mit siner tochter, von deren wegen er menigen man ertötten lies. Besunder ließ er durchächten Appolonium, der ain küng in Tiria vnd Sidonia was. So ich aber des selben Appolonio leben schriben wolt, hab ich vorher ains tails [6r] erzelt von Allexandro, welchi küng geregniret haben vntz uff Appolonius zijt, och von anfang des buwes Rom vntz uff Allexandrum, das man dar uß dester bas wissen müg, wie lang vor der gepurt Cristi Appolonius gewesen sie. Vnd merck, das von dem anfang der stat Rom biß an das rich Octauiani verloffen waren sibenhundert vnd fůffzechen iar, vnd in dem siben vnd drisigosten iar sines riches ward geboren Ihesus Cristus, der gottes sun, von der junckfrowen Maria. Das tůt an ainer summ von anfang der stat Rom sibenhundert zwaij vnd fünfftzig jar. Nun regniret Seleucus, der durchächter Appolonij, da man zalt von anfang Rom vierhundert vier vnd achczig iar; danocht belibt zwaij hundert acht vnd sechczig jar zů der gepurtt Cristi von Appolonij vngefell.

___________ 158 Iuden] D; iuden kommen gz, W. 164 gewunnen die Römer zeletst] gewunnen die Römer zů zeletst D hs. korrigiert; gewonnen zeleczst die rmer gz; gewunnen zůlecst die römer W. 167f. eignetin] D; aigneti gz; aygnete W. 173 Römern] römrn D; rmern gz; Römeren W. 174f. vngemach zů fiegen] D; laid zů fiegen gz; layde noch ungemache zů zefügen W. 177 gros] D, W; groesser gz. 181 wegen er] D, W; wegen gz. 182 ertötten] D; er tette gz; tötten W.

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CAP. 153. De tribulacione temporali, que in gaudium sempiternum postremo commutabitur.

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Antiochus in civitate Antiochia regnavit, a quo ipsa civitas Antiochia nomen accepit. Ex conjuge sua filiam speciosissimam genuit. Que cum pervenisset ad etatem legitimam et species pulchritudinis accresceret, multi eam in matrimonium petebant cum magna et inestimabili dotis quantitate. Sed cum pater deliberaret, cui potissime filiam suam daret in matrimonium, hoc nesciens, quia iniqua concupiscentia crudelitatisque flamma in amorem filie sue exarsit, cepitque eam amplius diligere, quam patrem oporteret. Qui cum luctaretur cum furore, pugnat cum pudore, vincitur amore. Quadam die accessit ad cubiculum filie sue et omnes a longe sedere jussit, quasi cum filia sua colloquium secretum habiturus. Stimulante furore libidinis diu repugnante filia nodum virginitatis eripit et pudorem violavit. Cumque puella quid faceret cogitaret, nutrix subito ad eam intravit. Quam ut vidit, flebili vultu ait: Ob quam rem affligitur anima tua? Puella ait: O carissima, modo in cubiculo isto duo nobilia nomina perierunt. Ait nutrix: Domina, quare hoc dicis? At illa: Quia ante matrimonium meum pessimo scelere sum violata. Nutrix cum hec audisset et vidisset, amens quasi facta ait: Et quis diabolus tanta audacia thorum regine ausus est violare? Ait puella: Impietas fecit hoc peccatum. [120] Nutrix ait: Cur non indicas patri? Puella ait: Ubi est pater? Si intelligas, peribit nomen patris in me; mortis mihi remedium placet. Nutrix audivit eam mortis remedium querere, blando eam sermonis eloquio

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His temporibus Apollonius, rex Tyri et Sidonis, ab Antiocho juniore Seleuco rege, a regno Tyri et Sidonis fugatur: qui navigio fugiens mira pericula patitur, sicut in subsequentibus versifice exponemus. 1. Filia Seleuci regis stat clara decore, matreque defuncta pater arsit in eius amore: res habet effectum, pressa puella dolet. 2. Stat scelus occultum, sed non remanebit inultum. ante patris vultum flet pressa puellula multum, crimen inhumanum corde patrasse manu.

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Hie vachet an Appolonius vngefell [2] 200

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In der stat Antiochia regniret Antiochus Seleucus der minder, dem gemächelt was ain tochter Antipatris, die im gebar ain überschöne tochter, die nach künglichen eren wol vnd schon erzogen ward vntz uff die manbare jar. Do ward die můter kranck vntz in den tod. Sie befalch insunderhait dem uatter ir liebes kind inerclichen vnd verschied. Sie ward bestatet [6v] zů der erd nach künglichen eren vnd geklaget von mengclichem lange zijt. Die tochter wůchs in schöne vnd tugenden, das man irs gelichen nindert finden mocht, so vil das ir lob brait ward in allen landen. Vmb das begeret ir mänig man von künglichem geschlächt zů wijbe mit vnschätzlicher grosser zů gabe. Die wil sich aber der vatter betrachtet, welcherm er sine tochter aller liebest zů wijb geben wölte, wais ich nit, von was vngerechter vnuätterlicher begirde vnd scharpffem flammen er enzündet ward in vnordelicher liebi siner tochter, mer wann ainem vngesiptem zimlich wer, ich geschwig aines vatters, so vil das er im fürsetzet, mit ir die werck der vnkünschait zů verbringen. Aines tages ging er in die kamer siner tochter vnd hieß all sin diener uss gan, och der tochter alles hoffgesind, als ob er etwas haimlichs mit ir ze reden hett. Er ward bewegt von wietendem raissen der vnkünschait, das er siner tochter gewalt anlegt so krefticlich, das ir macht des uatters bössen willen nit wider stan mocht, den sie zwungenclich volbringen můst. Do aber der uatter von ir uss gangen was, sass die tochter vnd betrachtet innerclichen, was sie getan hett, wie ir ir künschait so [7r] ellendeclich genomen was von irem vatter. Ging in ir maisterin vnd fand sie mit wainenden ogen, zerstrobletem haur vnd trurigem angesicht vnd sprach also ,O, vmb was vrsach ist din sel also bekümret?‘ Antwirt die küngin ,O aller liebste, uff dise stund sind zwen edel namen von mir entwichen, künschait vnd vätterliche liebi, die ich baide verloren han, vnd e ich gemachelt bin, bin ich mit der grösten sünd geschmacht worden.‘ Do das die maisterin erhort, mit erschrockem hertzen vnd amächtigem gemüt, sprach sie ,O welcher tüfel ist so türstig gewesen, das er die haimlichait ainer künglichen iunckfrowen vnderstanden hat ze offnen?‘ Antwürt die tochter ‚Ungütikait hat das gemachet.‘ Sprach die maisterin ‚Warumb offnest du das nit dinem uatter?‘ Antwürt die tochter ‚Wa ist min uatter? Wann du mich recht mercken wilt, so ist vätterlicher nam in mir verloren worden vnd waiß mir ander hilff nit ze sůchen wann den tod.‘ Do aber die

___________ 197 Hie vachet an Appolonius vngefell] D; f. gz. 199 Hie hebet an die hystori von appolonio der ain kủng in tiria vnd sidonia was. gz; f. D. 212 scharpffem] D; scharpfen gz. 213 vnordelicher] D; vnordenlicher gz, W. 223 zerstrobletem] D, W; mit zerstrobletem gz. 224 sel also] D, W; sel also sere gz. bekümret] D; bekümmert gz; bekumbert W. 228 amächtigem] D; unmchtigem gz; f. W.

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revocavit, ut a proposito suo recederet. Inter hec impius pater, cum simulata mente ostenderet civibus pium patrem, inter domus parietes maritum se esse filie letatur, et ut semper impiis filie thoris frueretur, ad expellendos petitores, qui eam in conjugem petebant, novum genus nequicie cogitavit; questionem vero proponebat, dicens: Si quis questionis mee solucionem invenerit, filiam meam in uxorem habebit, et si defecerit, decollabitur. Plurimi undique reges propter incredibilem et inauditam puelle speciem venerunt, si quis forte prudentia litterarum questionis solucionem invenisset. Quasi nihil dixisset, decollabatur et caput ejus supra portam suspendebatur, ut advenientes imaginem mortis viderent et turbarentur, ne ad tales condiciones accederent. Hoc totum fecerat, ut ipsemet cum filia sua poterat in adulterio permanere. Cum vero tales crudelitates exerceret Antiochus, interposito brevi tempore adolescens quidam Tyrus patrie sue princeps locuples valde, Appollonius nomine, bene litteratus, navigans Antiochiam intravit, ingressusque ad regem ait: Ave, rex! Et ille: Salvi sint nupturi parentes tui! Ait juvenis: Peto filiam tuam in

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3. Sorde jacente patre rumor volat undique late, qua niteat specie sua filia, qua probitate; hec tamen in populo sordida culpa latet. 4. Patre requisito, verboque satis repetito, poscitur, ut proprio tradatur nata marito; progenies regum namque rogabat eum. 5. Corde pater doluit pro nata sepe rogari; solus enim voluit violentus amator amari, nec cupit hanc alii cum ratione dari. 6. Unde parat fraudem, qua se queat ipse tueri: ante suam portam problemata jussit haberi. „qui sciet hec“, inquit, „dicere, sponsus erit.“

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maisterin höret, das sie von grosses laides wegen vnd erkantnuß der sünde wegen sůchet sich selb zetötten, ward sie die tochter trösten vnd mit senften wortten ir laid vnd truren minder zemachen, da mit sie von dem fürsatz sich selber zetötten gezogen ward.

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[3] [7v] In den wijlen erzaiget sich der küng gegen allem sinem hoffgesind als ain senftmütiger gütiger uatter gegen siner tochter, die er maint insunderhait mit uatterlicher liebi. Das tätt er darumb, das er on arckwan sinen uss vnd in gang dester öffter zů ir haben möcht. Sin gemüt ward erhebt, das er siner tochter ain gemachel funden hett in sinem huß, darumb billicher sin sel in laid bewegt worden were. Das er aber sin angenomne boßhait vnd liblich vnzimliche wollust mit siner tochter dester bas allain uolbringen möchte, ward er erdenken einen nüwen weg der schalkhait, da mit er vertriben möchte alle, die siner tochter zewijbe begertten, vnd sprach vor mengclichem also ,Wie vil sind der werber vmb mine tochter! Nu ist sie durch ir schöne vnd wolkündendi aller eren wol wirdig, vnd besunder das sie ainen man hab, der mit wißhait vnd künsten also begabet sij, das er nach minem tod das küngrich regniren müg. Darumb so wil ich, das disß gesatzt stät gehalten werd: Welcher ußleg min frag, die ich tůn wird, das der selb min tochter zewijb haben söll. Welcher sich aber des vnderstünde vnd an der usslegung felen wurd, dem sölt man sin hobt abschlachen.‘ Diß gesatzt ließ er schriben an das tor mit grossen bůchstaben, das sie mengclich sechen möchtt. [8r] In kurtzen zijtten dar nach wurden beweget durch die vngelöbliche schöne der tochter menig küng vnd fürsten künder, das sie ir zewib begertten, vnd ob ir ettlich durch ir kunst vnd wißhait des künges frag wol vnd recht usslegten, nit dester minder sprach er, sie hetten gefeltt, vnd liesß in ire höpter abschlachen vnd die selben vff die tor stecken, darumb das alle die dar ab erschrecken sölten, die da kämen umb sin tochter zewerben. [4]

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Nit lang dar nach ufferhůb sich ain jüngling, Appolonius gehaissen, ain gewaltig küng zwaier küngrich, Tiria vnd Sidonia, dem der uffsatz vnd böß list Antiochi vnwissend was, vnd fůr über mer gen Antiochia. Er ging in für de küng vnd sprach also ‚Küng, du siest gegrüsset!‘ Antwürt im

___________ 241 Wie der kủng ain gesaczt machet / wer siner tochter begerte, das er sein frag vßlegti oder man solt in ttten gz; f. D. 244 gütiger] D, W; f. gz. 246 erhebt] D, W; erhchet gz. 248 worden] D, W; f. gz. 249 wollust] D; wolnust gz; wolluste W. 254 vnd] gz, W; in D doppelt. 255 minem] D, W; seinem gz. 257 des] D, W; sliches gz. 268 Hie komt Appolonius vnd begert seiner tochter gz; f. D. 273 de] D; den gz, W.

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uxorem. Rex, ut audivit, quod audire nolebat, at respiciens juvenem et ait: Nosti nuptiarum condicionem? Ait juvenis: Novi et ad portam vidi. Indignatus rex ait: Audi ergo questionem! Scelere vehor, materna carne vescor, quero fratrem meum matris mee virum, nec invenio. Puer accepta questione paullulum recessit a rege, et cum scientiam quereret, deo favente solucionem questionis invenit, et reursus ad regem ait: Bone rex, proposuisti questionem, audi ergo solucionem! Nam quod dixisti: Scelere vehor, non es mentitus; te enim ipsum intuere! Materna carne vescor; filiam tuam respice. Rex cum audivit solucionem questionis juvenem solvisse, timens, ne peccatum suum patefieret, irato vultu eum respiciens dixit: Longe es juvenis a questione, nichil verum dixisti, decollari quidem promerueris, sed ecce habebis dierum triginta spacium; recogita tecum, revertere ad terram tuam! Et si solucionem questionis inveneris, filiam meam in matrimonium accipies; sinautem, decollaberis! Juvenis turbatus accepto comitatu navem ascendens tendens in patriam Tyrum, sed post recessum adolescentis vocavit rex

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Scelere vereor, materna carne vescor; quero patrem meum, matris mee virum, uxoris mee filium, nec invenio. 7. Tunc et Apollonius Tyrus regnabat honestus, cui satis infestus fuerat rex ille scelestus, cuius et (ab) insidiis mira pericla tulit. 8. Tyrus Apollonius, predoctus grammate legis, Antiochi regis scelerum problemata legit: „cum patre concubuit filia“ dixit ei. 9. Crimine detecto metuit penalia lector; nam dolet Antiochus patulo problemate lecto, et parat ut pereat, qui modo lector erat.

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Antiochus ‚Welcher min tochter zewijb wirt haben, der sie behalten.‘ Do sprach Appolonius ‚Küng, ich bin darumb kommen, das ich diner tochter zewijb begere.‘ Do der küng hören můst, das er vngeren hort, sach er den iungling an vnd sprach also ,Ist dir it wissend die vmbstend des bittens? On gross sorg dines lebens macht du nit dar zů komen.‘ Antwürt der iungling ,Ich wais es alles wol. Ich han och gesechen erschrockenliche vrkund uff 280 der porten vnd din gesatzt gelesen.‘ Do ward der küng bewegt [8v] in sinem gemüt vnd sprach ‚Nun hör die frag vnd gib rechte usslegung, oder du wirst din hobt verliessen. Die ist also: 275

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Der sünden wagen menen ich, Müterlich flaisch das spiset mich. Wie fast mich mant miner můter man, So wil sich doch nit finden lan Der brůder des ich begert han.‘

Der iungling vernam die frag vnd ging ain klaine wil hin sich zů bedencken vnd fand durch sin kunst vnd göttliche gnade die ware usslegung der frage. Er ging wider in zů dem küng vnd sprach also ‚O gůtter küng, du haust mich gefragt, nun hör die antwürt. Wann so du sprichst: Der sünden wagen menen ich – sich dich selber an vnd dine werck. Die andren wort so du 295 sagst: Müterlich flaisch das spijset mich. Wie fast mich mant miner můter man, so wil sich doch nit finden lan der brůder des ich begert han. Wann du zů samen sätzst dich selb vnd die werck diner tochter, so findest du das dise letste wort din tochter berürent. Ob aber din will were, das ich din frag klarlicher uss legen sölt, dar zů wil ich auch berait sin.‘ Do aber Antiochus 300 mercket, das sin sünd offenbar werden wolt, sach er Appolonium zornicliche an vnd verschlůg im sine wort, das er [9r] nit me redetin, vnd sprach also ,O wie wijtt ist din usslegung von der warhait! Sie mag miner frag nit gelichen, in kainen weg. Darumb ich dir ietz solt laussen dinen kopff abschlachen. Aber von diner gůter gestalt wegen so wil ich dir geben drij tag zug, dich 305 bas zů bedencken, oder aber züch haim in din land vnd bedenck dich nach dinem willen, vnd wan dich beduncke, das du die rechte usslegung funden habest, so kom her wider, so gib ich dir min tochter zů ainem wijb. Vnd tůst du das nit, so wirt dir din kopff abgeschlagen.‘ Das tet Antiochus darumb, das er in haimlichen tötten möchte, als man hin nach findet. 290

___________ 277 it] D; nit gz, W. wissend] D, W; wissent vmb gz. 280f. in sinem gemüt] in D doppelt. 281 wirst] D; wùrdst gz; wirdest W. 282 verliessen] D, W; verlieren gz. 284 menen] D; mene gz; mänen W. 290 frag] D, W; frag des kủnigs gz. hin] D, W; hin dan gz. 292 gůtter] D, W; giettiger gz. haust] D; hast gz, W. 294 menen] vgl. 284. 303 kopff] D; hopt gz, W. 308 kopff] vgl. 303.

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dispensatorem suum, Thaliarchum [120b] nomine, cui ait: Taliarche secretorum meorum magister fidelissime, scias, quod Tyrus Appollonius invenit questionis mee solucionem! Ascende ergo confestim navem ad persequendum eum, et cum perveneris Tyrum, quere eum et cum ferro vel veneno interfice eum! Reversus dum fueris, premium magnum accipies. Thaliarchus scutum accipiens pecuniamque pergens ad patriam juvenis venit. Appollonius vero prius venit et ad domum suam introivit, apertoque scrinio omnes libros respexit et nihil aliud invenit, nisi quod regi dixerat, et dixit intra se: Ni fallor, Antiochus rex impio amore diligit filiam suam. Et recogitans secum dixit: Quid agis, Appolloni? Conclusionem ejus solvisti et filiam non accepisti. Ideo delatus es a deo, ut non morieris. Continuoque jussit sibi naves preparare et eas centum millibus modiorum frumenti onerari et multo pondere auri et argenti et veste copiosa, et cum paucis secum fidelissimis hora noctis tercia navim ascendit tradiditque se alto pelago. Alia vero die queritur a civibus suis et non invenitur. Meror ingens nascitur, quod amantissimus princeps patrie nusquam comparuit, planctus magnus erat in civitate, tantus vero amor civium circa eum erat, ut multo tempore tonsores cesearent, publica spectacula tollerentur, balnea clauderentur, non templa nec tabernas

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10. Cedit Apollonius tormenta timens inimici, navigio celeri Sidonia regna reliquit, que prius incoluit, regna paterna sibi.

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[5] Appolonius ward betrübet von disen worten, vnd in grossen sorgen ging er wider in sin schiff mit allem sinem volk vnd fůr wider in sin küngrich Tiria. Aber als bald er von dannan kam, berüffett Antiochus sinen hoffmaister, Thaliarchus gehaissen, vnd sprach zů im ,O aller liebster Thaliarche, du bist der, der min hertz vnd all min haimlichait gantz erkennet. So ich dich och treẅ vnd verschwigen wais, so wil ich dir sagen die beschwerung 320 mines gemütes vnd was ich wölle, das du dar zů tůn solt. Du solt wissen, das Appolonius von Tiria hat rechte usslegung funden miner frag. Darumb [9v] so berait vnd wapne schiffung nach dinem willen vnd far nach dem Appolonio vnd sůch in so lang bisß das du in findest, vnd tötte in, es sie mit ijsen oder mit vergifft. Darumb solt du von mir begabet werden nach allem 325 dinem willen.‘ Thaliarchus lies zů richten die schiff vnd nam zů im gros gůt von gold vnd silber, vnd fůr uß zů durchächten Appolonium. 315

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In dem was Appolonius haim komen vnd ging in sin hus vnd besůcht sine bücher vnd fand, das er in allen dingen dem küng recht gesagt hett, vnd gedacht in im selb ,So der küng so in inbrünstiger böser liebe siner tochter also brinnet, so lasset er nit, er trachte künstencliche nach minem lib, mich 335 zetötten, darumb das ich nach siner tochter nit mer gestellen müg. Nun ist besser von im geflochen wan gestorben.‘ Zů hand ließ er im zů beraitten galeen vnd grosse schiff vnd die laden mit hundert tusent steren korns. Er nam zů im von gold, silber vnd gewand grosse richtum vnd fůr mit wenig siner liebsten diennern in der dritten stund der nacht uß uon Tiria, vngesegnet, 340 och on wissen aller siner burger. Do ain tag verging vnd der her von niemen gesechen ward, süchte sie iren liebn herrn mit truri- [10r] gem gemüt, aber ward nit gefunden, darumb die stat vnd das gantz land in klag vnd vnmůt gesetzt ward. Vnd das sie ir treẅ vnd libi des gemüttes mit den wercken dester bas erzaigen, liessend sie verbutten, das sich niemen scheren torst,

___________ 312 Wie Appolonius haim fůr in sorgen vnd der kủnig im nach sendet jn ze ttten gz; f. D. 316 dannan] D; dannen gz, W. 317 im] D; im also gz, W. 318 gantz] gant D; gancz gz; gantze W. 321 funden] D, W; gefunden gz. 322 wapne] D; wappen gz, W. 326 vnd] in D doppelt. 329 Wie appolonius haim kam vnd wider haimlich hinweg fůr dar vmb sein volck trurig ward gz; f. D. 331 dem] D; den zeitten gz, W. 333 so in] D; in so gz, W. 334 trachte künstencliche] D; betrachtet listenklichen gz, W. 340 on wissen] D; vnwissent gz, W. 341 süchte] D; do sůchten gz; sůchten W. aber] D; aber er gz, W.

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Gesta Romanorum

quisquis ingreditur, et cum talia agerentur, supervenit Thaliarchus, qui a rege Antiocho ad necandum missus erat, et videns omnia clausa, dixit quidam puero: Indica mihi, si vivere velis, ex qua causa civitas ista in luctu moratur? Ait puer: O carissime, nescis tu illud? Quid interrogas? Civitas hec in luctu moratur, quia Appollonius princeps patrie hujus ab Antiocho rege regressus nusquam comparuit. Thaliarchus cum hoc audisset, gaudio plenus ad navem rediit et Antiochiam intravit, ingressusque ad regem ait: Domine mi rex, letare, quia Appollonius vos timens nusquam comparuit. Rex ait: Fugere quidem potest, sed effugere non potest. Statim hujusmodi edictum posuit: Quicunque Appollonium Tyrum contemptorem regni mei exhibuerit, accipiet quinquaginta talenta auri; qui vero caput ejus, centum accipiet. Hoc facto non tantum inimici sed amici cupiditate seducti ad persequendum Appollonium properabant. Querebatur vero Appollonius per mare, per terras, per silvas, per universas indagines, et non inveniebatur. Tunc rex jussit sibi classes navium preparari ad persequendum juvenem,

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius 345

och niemen tantzen, niemen baden noch hochzijt haben. Alle tabernen warn beschlossen, aber die tempel der götter geoffnet, dar in mengclich ging ze bitten, das ir küng Appolonius gefunde wurde.

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Die wijl die klag also weret, kam Thaliarchus, der von dem küng Antiocho gesendet was, Appolonium zetötten, in die stat Tiria. Er sach, das alles uolk in truren was, da von er wunder hett, vnd sprach zů ainem jungling ,Ob du leben wöllest, so sag mir: Warumb ist dise stat in laid gesetzett? Warumb ist alle fröwd in dem uolk erloschen?‘ Antwürt der jungling ‚O ho, waist du das nit, das ijeder man kuntlich ist? Vnser herr Appolonius, nach dem als er von Antiocho komen ist, ist er verloren worden vnd waist nieman, ob er in leben oder tod sie.‘ Do Thaliarchus das erhöret, sin gemüt ward erfüllet mit fröwden vnd ging wider in sin schiff vnd fůr haim gen Antiochia vnd ging in frölicher gestalt für den küng vnd sprach also ,Herr küng, [10v] du solt dich fröwen, wann Appolonius ist von diner forcht wegen uss sinem land geflochen vnd waist nieman, wo er sie, vnd gedenckt man mer, ob er in dem mer versuncken sie, wann das er lebe.‘ Sprach der küng ‚Er mag wol fliechen, aber nit entrinnen. Darumb so setz ich uff sinen lib: Welcher mir gefangen bringt Appolonium, der ain verschmacher ist miner künglichen maiestat vnd sin leben verwircket haut, wann er min frag nit usslegen kund, der sol haben fünffczig pfund goldes; welcher aber mir sin hobt brächte, dem wil ich geben hundert pfund goldes.‘ Als bald das berüffet ward, do wurden nit allain die find, sunder och die vor sin fründ gewesen waren, durch gijtikait bewegt, das sie Appolonium durchächten zetötten oder ze fachen. Er ward von in gesůcht uff dem mer, uff dem land, in den wälden, in den bergen vnd in allen haimlichen hölern, aber nit gefunden. Der küng liess och zů beraitten ain grosse mengi der schiff in zesůchen, so wijt man uff dem mer gefaren möcht.

___________ 345 tantzen, niemen baden] D; baden niemant tantzen gz, W. 347 Appolonius] D, W; Appolonius wider gz. gefunde] D; gefunden gz, W. 350 Wie taliarchus in tiriam kam / vnd erfůr das appolonius geflohen was / vnd wider haim fůr das dem kủnig zesagen / vnd wie der kủng anthiochus wider vßschickt vnd gelt vff in saczt gz; f. D. 352 von dem] D, W; vom gz. 356 jungling] D; jung gz, W. 357 herr] D; kủng gz, W. 364 lebe] D, W; bey leben sey gz. 368 aber mir] D; mir aber gz, W. 369 hundert] gz, W; hunder D. 370 find] D; veind gz, W. 373 den bergen] D; bergen gz, W. allen] in D doppelt.

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Gesta Romanorum

sed et moram facientibus, qui classes sibi navium preparabant, Appollonius Tharsim devenit et deambulans juxta litus, visus est a quodam servo suo Elinato nomine, qui supervenerat in ipsa hora, et accedens ad eum dixit: Ave, rex Appolloni! [121] Ille salutatus fecit, ut potentes facere consueverant, sprevit hominem. Tunc senex indignatus est valde et iterum salutavit eum et ait: Ave, rex Appolloni! Resaluta et noli despicere paupertatem ho90 nestis moribus decoratam! Si enim scis, quod scio, cavendum est tibi! Et ille: Si placet, dicito mihi! Qui ait: Proscriptus es. At ille: Et quis patrie sue proscripsit principem? Elinatus ait: Rex Antiochus. Qua ex causa? Elinatus ait: Quia quod pater est, tu esse voluisti. Appollonius ait: Et pro quanto me proscripsit? Et ille: Quicunque te illi vivum exhibuerit, quinquaginta talenta 95 auri, qui vero caput tuum protulerit, centum accipiet; et ideo moneo te, fuge in presidium. Sed cum hec dixisset, Elinatus recessit. Tunc Appollonius eum rogavit, ut ad se veniret, et centum talenta auri daret ei, et ait: Accipe tantum de paupertate mea, quia meruisti, et amputa caput meum et regi presentes et tunc magnum gaudium habebit! Ecce habes centum talenta auri et tu es 100 innocens, quia te conduxi, ut gaudium offeras regi. Cui senex ait: Domine, absit hoc a me, absit ut hujusmodi rei causa premium accipiam! Apud bonos homines amicicia premio non est comparanda. Et valedicens discessit. Post hec Appollonius cum spaciatur in eodem loco supra litus, vidit 85

Gottfried von Viterbo: Pantheon

11. Dum fugiens plangit, Tharsensia littora tangit, qua populos immensa fames tam duriter angit, ut pereant vita, si tribulentur ita. 12. Hec ubi presentit, res subvenit (pres. populo favet) esurienti, copia frumenti populo (genti) prestatur ementi, atque dedit gratis pondera multa satis. 13. Hoc erat auxilium, quo salva fit illa propago, unde fit in pago mox aurea regis imago, qua sibi perpetuo munia laudis agunt.

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E das aber die schiff gantz berait wurden, lendet Appolonius in die porten des meres bij der stat Tarsis. Als er aber ging [11­r] vff vnd ab bij dem mer, do begegnet im ainer siner burger von Tiria, Elemitus gehaissen, der och uff die selben stund dar komen was, vnd sprach zů im ,Gegrüsset sijest du, küng Appoloni!‘ Appolonius, als die mechtigen gewonlich gegen den armen tůnd, verachtet sinen grůs. Do ward der alt Elemitus beweget wider Appolonium vnd grüsset in aber vnd sprach ,Gegrüsset siest, Appoloni! Vnd grüs mich wider umb vnd versmach nit min armůt vnd min alter, das von der erberkait vnd gůtten sitten her komen ist! Wann wistest du das ich waiß, du wärest bas behütet wann du bist.‘ Sprach Appolonius ‚Ich bitt dich ze sagen, was das sie.‘ Antwürt Elemitus ‚Du bist in der aber ächt vnd ist mengclichem über dinen lib erlobet vnd dar uff gelt gesetzet.‘ Sprach Appolonius ‚Welcher getar ainen fürsten verfüren?‘ Antwürt Elemitus ‚Der küng Antiochus ht das getan.‘ Sprach Appolonius ‚Umb was vrsach?‘ Antwürt er ,Darumb das dir kuntlich ist, ob er ain uatter oder sin selbs tochterman sie.‘ Sprach Appolonius ‚Was hat er gesetzet uff minen lib?‘ Antwürt Elemitus ,Fünffczig pfund goldes welcher dich lebend gefangen bringet; welcher aber dinen kopff [11v] brechte, der sol hundert pfund goldes ze lon haben. Darumb soltu bewaret sin vnd mer sicherhait sůchen.‘ Da mit schied er von im. Als er aber hin dan kam, rüffet im Appolonius wider vnd sprach in grossem vnmůt zů im ,Gang mit mir, so wil ich dir geben die hundert pfund goldes, das du mir den koppff abschlachest vnd den küng dar mit erfröwest.‘ Antwirt Elemitus ,Das wende der obrost got, das ich vmb söliche sach gold niemen sölle.‘ Sprach Appolonius ,Dir ist das wol zimlich ze tůn, wann ich dich darumb bitte vnd bestelle, das du dem küng die fröwd bringest. Dar zů so hast du die hundert pfund goldes wol an mir verdienet mit diner trüwen warnung.‘ Antwirt Elemitus ,Mit miner warnung hab ich trüwe früntschafft erzaigt, die vss rechtem gemüt ainen ursprung haut, vnd lat sich recht liebe vnd früntschafft vmb gold vnd silber nit erkouffen, sonder wirt sie geboren uss ainikait zwaijer gemütt vnd nit uss gaben. Da mit so schaid ich von dir.‘

___________ 378 Wie appolonius in tarsiam kam vnd sy erlset von hungers ntten / und wie Elemitus in warnet· gz; f. D. 388 gůtten] D; gůtem gz, W. 389 bas behütet wann du bist] D; baß in hůt wann du bist gz; behütter W. 393 was] gz, W; f. D. 395 Was] D; Sag an, was gz, W. 397 hundert] gz, W; hunder D. 398 bewaret] D; bewarnet gz; beraytt W. sicherhait] gz, W; sichererhait D. 400 Gang] D, W; gee gz. 403 sach gold] gz, W; got sach gold D hs. korrigiert. niemen] D; nehmen gz, W. Sprach Appolonius] D; Sprach Appolonius zů im gz; Sprach aber Appollonius W. 406 Antwirt] D; Atnwurt gz. 408 erkouffen] erkoffen gz, W; verkouffen D. 409f. Da mit so] D; da mit gz; damit so W.

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Gesta Romanorum

hominem contra se venientem dolentem et mesto vultu, Stranguilionem no-

105 mine. Accessit ad eum protinus et ait Appollonius: Ave, Stranguilio! Et ipse

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ait: Ave, domine Appolloni! Et rursum ait: Quare in his locis turbata mente versaris? Ait Appollonius: Quia filiam regis, ut verum dixeram, conjugem et in matrimonium petivi: petivi itaque, si fieri potest, in patria nostra nolo latere. Stranguilio ait: Domine Appolloni, civitas nostra pauperrima est et non potest tuam nobilitatem sustinere; preterea duram famem et sterilitatem patimur annone, nec eciam jam civibus ulla spes est salutis, sed crudelissima mors est ante oculos nostros. Appollonius ait: Agite gratias deo, qui me profugum vestris finibus applicuit! Dabo civitati vestre centum millia modiorum frumenti, si fugam meam tantum celaveritis. Stranguilio ut hec audivit, prostravit se ante pedes ejus et ait: Domine Appolloni, si esurienti civitati subveneris, non solum fugam tuam celabimus, sed, si necessitas fuerit, pro salute tua dimicabimus. Ascendensque Appollonius tribunal in foro presentibus cunctis civibus de ejus civitate dixid: Cives Tharsenses, quos annone penuria turbat et opprimit, ego Tyrus Appollonius relevo; credo enim vos hujus beneficii memores fugam celaturos. Scitote enim, non me malicia [121 b] Antiochi esse fugatum, sed per viam feliciter huc sum delatus. Dabo itaque vobis centum milia modiorum frumenti eo precio, quo sum in patria mercatus, octo ereis singulos modios. Cives hec audientes, quod singulos modios octo ereis mercarentur, hilares effecti sunt ac gratias agentes statim frumenta parabant. Tunc Appollonius ne deposita regia dignitate

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Appolonius ging mit trurigem hertzen hin vnd her spaczieren, gedenckend, wie er sich bewaren wölte, vnd sach gegen im gan ainen, den er wol erkante: Strang- [12r] wilionem, vnmütigen vnd truriges angesichtes. Er sprach zů im ‚Gegrüsset siest du, Strangwilio!‘ Er antwirt im ‚O herr Appoloni, das dir och allweg wol sie! Was sůchest du hie in diser gegen? Din gestalt betüttet uff kümernus.‘ Antwirt Appolonius ‚Ich bin geächtet vnd verschriben von dem küng Antiocho.‘ Sprach Strangwilio ‚Warumb ist das?‘ Anttwirt Appolonius ‚Darumb das ich siner tochter oder, das ich bas rede, sines gemachels zů wijb begert han. Darumb, Strangwilio, wölt ich geren in eẅer stat verborgen ligen. Möcht es gesin?‘ Antwirt Strangwilio ,O herr Appoloni, vnser stat die ist die ermest vnder allen stetten vnd mag dir nit genůg tůn nach dinen eren, von grossem hunger vnd türin, die wir liden, vnd ist den burgern fürbas kain hoffnung des lebens. Sie sechen ire künder sterben vor hungers nöten. Was sol ich mer sagen? Der grüsenlich tod sitzet vns allen vor der tür, dem wir nit entrinnen mügen. Darzů vns der hunger zwinget.‘ Appolonius sprach ,So sagend lob vnd danck dem höchsten got, das er mich flichtigen ủch zehilff vnd trost gesendet hatt. Wan wöltent ir mich halten verborgenlich in gůter hůt, so wil ich üwer hungrigen stat zehilff komen mit hundert tusent meß koren.‘ Strangwilio bracht es an die burger. Die komen gesamlet für Appolonium. Sie fielen für sin [12v] fieß vnd sprachen also ‚O herr Appoloni, du wilt vnsern hunger vertriben. Darumb so wölln wir nit allain din flucht verbergen, sunder, ob es not wurde, für dich strijtten vntz in den tod.‘ Appolonius ging mit in in die stat vnd stůnd an offnem marckt uff dem obresten richterstůl, do gesammnet was die mengin alles volkes, vnd sprach also ,Ir burger von Tharsia, die von hungers nöten betrübet sind vnd nider getrukt vntz in des todes not, merckend was ich ủch sag: Ich wil ủch uss nötten helffen, darumb das ir der gůthait, die ich an ủch tůn, ingedenck siend vnd min flucht verborgen haltent vnd min leben ủch befolchen sie, wann ich doch nit von schulden wegen von Antiocho verschriben bin. Vnd durch ủwer hail ich flüchtiger zů ủch bring hundert tusent meß kornes, die ich ủch verkouffe vmb das, als sie in minem land erkoffet sind: ain mes vmb acht schilling.‘ Die burger wurden wolgemůt vnd verschwand in alles ir laid. Zů hand ließ er vss messen mengclichem das koren, iederm nach siner notturfft. Des sie danckber waren vnd williclich bezalten, ieder nach dem als er genomen hett. Do

___________ 413 Wie appolonius von den burgern in Tarsia wol empfangen ward / vnd wie er in das korn verkoft / vnd das gelt wider gab gz; f. D. 417 angesichtes] D, W; angesicht gz. 424 geren] D, W; gern gz. 425 die ist] D; ist gz, W. 426 türin] D, W; teurin gz. 431 trost] D; ze trost gz, W. 433 koren] D; korn gz; korns W. 434 komen] D, W; kamen gz. 438 offnem] D, W; offen gz. richterstůl] D, W; richt stůl gz. 440 vntz in des todes not] D, W; huncz in den tod gz. 442 ingedenck] D; in gedencken gz; ingedencke W. 444 flüchtiger] D, W; flichtig gz. 445f. das, als sie] das / sie / als D; das als sy gz; das gelt, als sie W.

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Gesta Romanorum

mercatoris magis quam donatoris nomen videretur assumere, preciumque assumens ejusdem civitatis utilitatibus redonavit. Cives autem ut tanta viderent ejus beneficia, bigam in foro statuerunt, in qua stans dextra manu fruges et sinistro pede calcaret, et in base scripserunt: Civitati Tharsie Tyrus 130 Appollonius donum dedit, quod civitatem a seva morte liberavit. Deinde interpositis paucis diebus hortante Stranguilione et Dionysiade ejus conjuge ad Pentapolim Tyrenorum navigare proposuit, ut illic lateret eo, quod beneficia cum opulentia et tranquillitate agerentur. Ideo cum ingenti honore ducitur ad mare, et valedicens omnibus, ascendit ratim, sed tribus diebus 135 et noctibus totidem ventis proesperis navigans, subito pelagus mutatus est, postquam littus Tharsie reliquit. Nam paucis horis ventis concitatis aquilone vento auroque instante classe celum nimia se pluvia erupit, populus Tyri procella corripitur, ratis pariter dissolvitur, zephyri fretum perturbant, grando ac nubes tenebrosa incumbebant, flant venti fortiter intantum, quod mors 140 cunctos occuparet; tunc unusquisque rapuit sibi tabulas, tamen in illa caligine tempestatis omnes perierunt, Appollonius vero unius tabule beneficio in Pentapolitanorum litore est pulsus. Stans autem in litore, intuens mare

Gottfried von Viterbo: Pantheon

14. Erigit interea pergens super equora vela. dum sine cautela pergunt, movet unda querelam, ventus enim validus turboque grandis erat. 15. Turbine de celis ruptis super equora velis regia pompa perit; sed opes Neptunus ademit: enatat infelix res, caro nuda tremit.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

aber das koren usgeben was, gedacht Appolonius, das koffmanschafft vnd küngliche wirdikait nit zesamen fůgtin, wolt er lieber ain milter geber den ain koffman gehaissen [13r] werden, vnd berüffet wider alles volk vnd schencket in das gelt, das er vmb das koren empfangen hett. Darumb das uolk in grossem gunst vnd innerclichen liebi gegen im enzindet ward vnd 455 liessend im howen ain staine sul vnd die stellen mittel an den marckt, vnd dar uff sin bild, das mit der rechten hand das koren ussgab vnd mit dem linggen fůß das gelt von im stieß, zů ainer ewiger gedächtnuß des gůtten, das Appolonius an in getan hett, vnd liessend schriben an den fůß der sul ,Da mit sol begabet sin Appolonius von Tiria, der dise stat von tödlichem 460 hunger erlediget hautt, des wir nümermer vergessen süllen.‘ Er ward alda behalten in gůter hůt von Strangwilione vnd sinem wib Dionisiades, die im warteten mit zimlichen eren, als er wol wirdig was. 450

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Nit lang dar nach ging Strangwilio vnd sin wib Dijonisiades ingehaim zů Appolonio vnd sprachen also ,Herr, wir haben sorg, du ligest ze lang an ainem end, darumb dester e du verkuntschafft werden möchtest. Darumb ratten wir, ob es din wil were, ain zijt hin weg zefaren, bis din vergessen wurde, vnd dann hör wider komen, so möchtest in besserem frid beliben.‘ Appolonius volget irem ratt vnd richtett zů sin schiffung vnd besegnet alles uolk, die in mit grossem trurn in das schiff belaiteten, vnd schied von dann, in willen ze [13v] faren in ain insel, dar in er mainet vnerkant zesin. Do er aber dri tag vnd dri nacht gefůr, do erhůb sich ain vngestümes wetter vnd grosse widerwärtikait der winde, Eurus von mittentag, Aquilo von mitternacht, von den erhůbe sich hagel, regen vnd nebel, die pläwe des himels verbarge sich, das mer ward also beweget, das von dere grössij der wellen vnd ir vngestümij ire schiff ietz ze grund des meres, ietz in höchin der wolken gesehen wurden. Affricus vnd Zephirus in widerwertigem starcken ween zerrissen alle segel. Die schiff zerbrachen, darumb sie in todes not kamen. Jeder behalff sich so er best mocht. Do ging in meres grund alle künglich zier von gold, silber, gewand vnd gestain des künges Appolonij. Alle sine diner verdurben. Er schwam uff ainem brett, das er begriffen hett, nackender, so lang bis in das mer uss schlůg an das tirenisch gestad. Als er

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451 den] D; wann gz; dann W. 455 stellen mittel an den marckt] D; stecken mitten an dem marckt gz; selben mitten an den marckte setzen W. 457 ewiger] D; ewigen gz, W. 462 warteten] D, W; warttenten gz. 465 Wie Appolonius von seinem wirt Strangwilioni gewarnet ward / das er ain zeit hin weg fr / vnd wie seine schiff mit allem gůt vnd diener vnder giengen gz; f. D. 469 darumb dester e du] D; dar umb du dester ee gz, W. 471 hör wider] D; herwider gz, W. 472 besegnet] D; gesegnet gz, W. 476 mittentag] D; mittemtag gz, W. 477 erhůbe sich] D, W; sich erhůbe gz. pläwe] D, W; plauwe gz. 478 von dere] W; f. D, gz. 480 widerwertigem] gz, W; widerwätigem D. 482 kamen] D; komen gz, W. 483 vnd] D, W; f. gz. 485 nackender] D, W; nackende gz.

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Gesta Romanorum

tranquillum, sic ait: O pelagi fides, facilius incidam in manus crudelissimi regis, quo pergam, quam patriam petam; quis notus huic ignoto auxilium 145 dabit? Hec dum loqueretur Appollonius, aspexit juvenem venientem contra se, quendam robustum piscatorem, sordido sacco coopertum. Cogente necessitate prostravit se ad pedes ejus, profusis lacrimis ait: Miserere, quicunque es, nudo naufrago, non humilibus parentibus sed notabilibus genito, et ut scias, cui misereris, ego sum Tyrus Appollonius patrie mee princeps; 150 deprecor te auxilium vite mee. Piscator, ut vidit speciem juvenis, misericordia motus erigit illum et duxit infra tecta domus, posuit epulas, quas habere potuit, et, ut plenius sue pietati satisfaceret, exuens se, tribunarium in duas partes dividens, unam dedit juveni, dicens: Tolle, quod habeo, et vade in civitatem! Ibi invenies forsitan, qui tui misereatur; si non invenies, 155 huc ad me revertere; paupertas quecunque sufficiat. Piscemur simul; illud tantum admoneo te, ut, si quando dignitati tue redditus [122] fueris, ne despicias tribunarii paupertatem. Appollonius: Si non memor fuero, iterum naufragium patiar, nec tui similem inveniam! Et hec dicens, demonstrata

Gottfried von Viterbo: Pantheon

16. Nuda sub algore stant viscera plena dolore, dedita merore nudataque prorsus honore. dum data damna dolet, rex ea dicta movet: 17. „0 male Neptune, fallax super equora numen, quo rota Fortune convertit in ima cacumen et cito precipitat, que meliora parat! 18. Que mihi Sidonem Fortuna dedit regionem, nunc male perversa nomen mihi tulit et omen, fit gravis atque fera (fitque noverca fera), que mihi mater erat.“ 19. Astitit interea misero piscator et inquit „Heu, quia te juvenem miserum fortuna relinquit! dic, quis es? unde venis?“ Naufragus inquit ei: 20. „Qui fueram non sum, pelago quo nescio veni,

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

aber uss kam, do stůnd er an dem land vnd sprach also ,O du vngetrüwer trugenhaffter Neptune, wie hast du mich berobet aller miner eren vnd gůtes, das ich nackender vnd ellend on alle hoffnung der hilff stan můß! Das gelückrad hat mir den namen geben aines künges von Tiria vnd Sidonia. Des 490 hastu [14r] mich berobet vnd dar für armůt vnd ellend gegeben. Für gůte gestalt vnd gezierd mines libes machest du mich nackenden vnd ellenden vor grosser keltin zittrenden vnd krafftlosen bij dir stan, das ich nit waiß, welch end ich keren söll!‘ 495

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[11] Die wil er aber also sin not erklaget, so sicht er gegen im gan ainen starken iungling in bösen zwilchinen klaidern. Den rüffet er an demütticlich vnd sprach wainend also ,O wer du siest, so erbarmd dich durch gottes güttikait über mich!‘ Er sprach ‚Sag an, wer du bist.‘ Er antwürt im vnd sprach ‚Ich bin nit mer der ich was, mir hat das mer min gůt vnd den namen vnd er genomen. Ich bitt dich du wellest mir ellenden, doch nit von niderm geschlecht geborn, zehilff komen vnd mich wijsen wie ich min leben früsten müg.‘ Der iungling erbarmet sich über in vnd füret in vnferre von dem mer in sin ellendes hußlin vnd tailet mit im williclichen sin armůt vnd setzet im für die spijß, die er haben mocht, vnd das er sinen gůten willen desterbas gen im erzaigte, zoch er ab sinen ellenden rock vnd tailet in in zwen tail vnd gab im den ainen, das er sinen nackenden lib ains tails dar mit bedecken möcht, vnd sprach also ,Se, iungling, nim güticlich von mir das ich vermag, hett [14v] ich mer, ich dette bas. Vnd ge hin in die stat Pentapolim, die nach hie bij lijt. Villicht wirdest du finden der sich über dich erbarmet, wann da ist küngliche richtum. Bij mir macht du nit mer gehaben, wann du gesechen haust. Ob du aber niemant fündest, der diner armůt bas wölt zů hilff kommen weder ich, so ker wider zů mir, so wöllen wir mit ain ander gemain fischen. Doch alweg das hin zů gesetzet: ob du ijmer in din wirdikait wider gesetzet wirdest, das du miner armůt vnd gütikait, die ich dir geton hab, nümer vergessen wöllest vnd mich nit verschmachen.‘ Antwürt Appolonius ‚Ich dancken dir nach minem vermügen. Vnd ob ich din vergesse, so wölle mir got aber meres not vnd schiffbruch zů fügen, vnd sij niemen, der sich

___________ 486 uss] D; uff gz; auß W. 491f. nackenden vnd ellenden, vor grosser keltin zittrenden vnd krafftlosen] D; nackend vnd ellend / vor grosser kelty zittren vnd kraftloß gz, W. 493 end] gz, W; f. D. 496 Wie ain armer fischer dem kủnig Appolonio sein armủt mit tailet / vnd in zů der stat Pentapolim weyset· gz; f. D. 500 erbarmd] D; erbarm gz, W. 501 Er sprach] D; Er sprach zů im gz, W. 502f. gůt vnd den namen vnd er genomen] D; gůt / er / vnd den namen genommen gz, W. 505 vnferre] D, W; auff her gz. 511 hett] in D doppelt. 516 alweg] D; allwegen gz; allewegen W. din] D; din alt gz, W. 517 hab] D; han gz; hon W.

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Gesta Romanorum

sibi via carpens igitur portas civitatis ingreditur. Dumque cogitaret, unde pe-

160 teret auxilium vite, vidit per plateam puerum nudum currentem, oleo caput

unctum, sabano precinctum, voce magna clamantem et dicentem: Audite, omnes, audite, peregrini et servi, qui ablui vult, pergat gymnasium! Audito hoc Appollonius, exuens se tribunarium, ingreditur lavacrum, utitur liquore, et dum singulos intuetur, querit sibi parem nec invenit, et subito Altistratus 165 rex totius regionis ingressus est cum turba famulorum. Cum rex ludum spere cum servis suis exerceret, admisit se Appollonius regi, et decurrentem

Gottfried von Viterbo: Pantheon

naufragus egredior, nomen Neptunus ademit. tu pietate Dei, vir, miserere mei!“ 21. Ille videns speciem juvenis, formamque decoram, tradit ei medie chlamydis, qua fungitur, horam, contulit hospitium. pavit et absque mora 22. Convaluit, dum concaluit caro frigida regi (regis). hospes ei bona pauca dedit, sed largus adegit. lectulus hospitii stramina pauca dedit. 23. Naufragus inquirit, qua vir solet arte potiri, que bona sortiri, quod opus nunc possit iniri, ut valeat miseri surgere vita viri. 24. Parvulus hospes ait: „Soleo piscando (quandoque) vagari, retia mando mari. solitus sum pauca lucrari: esto mihi socius, si cupis, arte pari. 25. Si tamen ignores piscantis inire labores, aut si majores alibi sperabis honores, est tibi materies utilis ante fores. 26. Archistrates (Architrates) rex est dominus nostre regionis, curia regalis satis est ornata patronis, qua bene te poteris plus recreare bonis. 27. Utere veste mea, regisque require plateam! filia regis ea residet, constante chorea, rexque per arva meat: vade, videbis ea!“ 28. Regis erant festa, juvenes lusere palestra. naufragus ad gesta veniens predoctior extat. aspicit Archistrates (Architrates): virque jocusque placet.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

über mich erbarmen werde als du getan hast.‘ Da mit zaiget er Appolonio den weg vnd schied von im. [12]

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Als aber Appolonius in die stat kam vnd betrachtet, wie er hilff sines leben finden möchte, da sach er ainen nackenden knaben mit ainem beckin durch die stat klopffen vnd schrijen mit lutter stim 530

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‘Hört, rich vnd arm, das bad ist warm! Wer sich wöl wäschen vnd salben am hobt vnd allenthalben, er sij herr, knecht, frow oder man, dem wirt gewartet schon.‘

Do Appolonius [15r] das erhöret, er gedacht ‚In bedern vnd tabernen lernet man mengin des uolkes erkennen.‘ Er zoch sich ab vnd ging in das bad 540 vnd wůsch sich vnd sach all vmb vnd vand nieman, zů dem er willen hett zedienen. Zů hand ward ain růff in dem bad ‚Der küng kompt zebaden!‘ Appolonius ging für das bad, in zeschowen. Do sach er her gan den küng Archistrates mit vil siner diener, die ir kürtzwijl triben mit dem bal. Do gedacht der nackend Appolonius ‚Des spiles kennest du dich maijster

___________ 525 Wie Appolonius in die stat Pentapolim kam vnd in das bad kam dar jnn er dem kủng Archistrates so wol dienet das er an seinen hoff berieffet ward gz; f. D. 528 nackenden] D, W; f. gz.

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Gesta Romanorum

sustulit speram, et subtili velocitate percussam ludenti regi remisit. Tunc rex suis famulis ait: Recedite, hic enim juvenis, ut suspicor, mihi comparandus, est Appollonius. Appollonius, ut audivit se laudari, constanter accessit ad 170 regem, et accepto cyramoco docta manu circumlavit eum cum subtilitate; deinde in solio gratissimo fovit eum et exeunte eo ab officio discessit, dixitque rex ad amicos suos post discessum adolescentis: Juro vobis in veritate, melius me nunquam abluisse, quam hodie beneficio adolescentis nescio cujus. Et respiciens unum de famulis ait: Juvenis ille, qui mihi officium fecit, 175 vide, quis sit! Et ille secutus juvenem, vidit eum sordido tribunario indutum, reversusque ad regem dixit: Juvenis ille naufragus est. Rex ait: Unde scis? Et ille tacente illo, habitus indicat causam. Ait rex: Vade celerius et dic ei: Rogat te rex, ut venias ad cenam. Appollonius, ut audivit, acquievit et cum famulo venit ad regem. Famulus prius ingressus ait ad regem: Naufragus 180 adest, sed propter sordidum habitum introire verecundatur. Statimque rex jussit eum vestibus indui dignis et ad cenam ingredi. Ingressus Appollonius triclinium regis contra regem assignato loco discubuit, infertur prandium, deinde cena regalis. Appollonius cunctis epulantibus non epulabatur, sed aurum et argentum in ministerium regis diu flens intuebatur. Tunc unus Gottfried von Viterbo: Pantheon

29. Dumque pila ludunt, jaciunt, manibusque retrudunt, incaluit ludus: placuit super omnia nudus, naufragus arte sui primus ubique fuit. 30. Balnea regis erant solita statione parata: dum venit Archistrates (Architrates) regalia ferre lavacra, naufragus ingreditur, servitioque (obsequioque) vacat. 31. Hic ubi se regi servi moderamine jungit, rex bonus injungit regalia membra perungi, pectora dans lavacro rite lavanda suo. 32. Dum placet obsequium, jam regia mensa paratur. naufragus ad mensam precone vocante vocatur; ast homo nudatus verba dedisse datur: 33. „Non ego regali sum dignus in ede vocari nec convivari neque sedis honore locari; totus enim perii me spoliante mari.“ 34. Retulit hec regi missus, qui jussa peregit. rex ubi dicta legit, vestes miseratus adegit. hic, ubi dona vehit, nuda verenda tegit. 35. Curia regalis convivia magna perornat, egregia norma rex gaudia magna reformat, inclytus ornatus lustrat utrumque latus. 36. Gaudia de more resonant, rex fulget honore: naufraga pauperies, nimio depressa pudore,

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

sin‘, vnd mocht nit verhalten. Er lieff dem bal engegen vnd schlůg in so subtilclich, das der küng ain besunder uff sechen uff in hett. Er flisse sich och, das er dem küng mer wann den andren den bal zů schlüge, wann er an gepurt sines gelichen was. Als sie aber in das bad kamen, Appolonius nachet sich zů dem küng im zedinen. Alsbald aber Archistrates das ersach, 550 do hieß er von im gan all sin diner vnd wolt allain von dem jungling gewaschen vnd gesalbet werden, dar ab er ain gros wolgefallen hett. Als er aber uss dem bad kam, sprach er zů sinem hoff gesind ‚Mir ist nie in kainem bad so wol uss gewartet worden als heüt von disem fremden jungling. Darumb gang ainer vnder üch vnd berüffe in zů minem tisch, des er mich nach siner 555 gebärde nit vnwirdig dunket.‘ 545

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[15v] Des künges diner kam zů Appolonio vnd fand in ingeklaidet in sinem halben zerrissen rock vnd sprach also ,Es ist des künges wille, das du mit im zehof das mal nemest.‘ Antwirt Appolonius ,Du sichst, das ich minen lib nit bedecken mag, darumb ich vnwirdig bin zeberüffen über ainen künglichen tisch oder uff den stůl der eren zesetzen, wann miner er, gůt vnd wirdikait mit dem namen hat mich das mer berobet. Das bit ich dich dem küng zesagen, dar nach tůn ich nach sinem gebot.‘ Der diner saget dem küng alle ding vnd sprach ‚Herr, der jungling ist vnbeklaidet. Er hat ainen schiff bruch gelitten, darumb er gůtz vnd zierd berobet ist vnd treijt an sinem lib nit mer denn ain halben zerrissen rock, der im durch barmhertzikait gegeben ist. Darumb er sich vnwirdig schätzet in dinem sal ze sitzen.‘ Zů hand hies in der küng beschlöffen in gůte klaider. Dar in ging er für den küng so hoflich vnd wolkunend, das der küng ain besundern willen zů im gewan. Da ward berait nach künglicher wirdikait ain kostlich mal, der sal vnd die tisch mit teppich, gold vnd silber wol gezieret. Da erklungen die trummeten zů dem tisch mit grossem schall vnd fröwden des hoffgesindes. Der küng ließ [16r] den jungling gegen im an sinem tisch setzen vnd manet in ze essen vnd frölich ze sin. Aber dar mit der küng mainet Appolonium frölich zemachen, bracht er in intruren, wann do er küngliche essen vnd von gold vnd silber die kostliche klainet sach, do ward er gedencken, was er verloren het in dem mer vnd uß sinem land vertriben. Darumb er in sölichen vnmůt

___________ 546f. Er flisse sich och] D, W; Er flisse och sich gz. 551 wolgefallen] D (wol nachträglich oberhalb der Zeile eingefügt), W; gefallen gz. 553 uss gewartet] D; aufgewarttet gz; außgewartet W. gang] D, W; gee gz. 558 Wie Appolonius gen hoff kam vnd beclaidet ward vnd wie sich ob dem tisch hielt gz; f. D. 560 ingeklaidet] D; eingeschlft gz; eingeschläffet W. 574 wol gezieret] D, W; wolgetan gz.

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Gesta Romanorum

185 de discumbentibus ad regem ait: Nisi fallor, juvenis iste fortune regis invidet.

Rex ait: Male suspicaris, fortune mee non invidet, sed plura se perdidisse tristatur. Et respiciens Appollonium hilari vultu, ait rex: Juvenis, epulare nobiscum et de deo meliora spera! Et dum hortaretur juvenem, subito introivit filia regis virgo jam adulta, deditque osculum patri suo, deinde cunctis 190 discumbentibus amicis. Que dum [122 b] oscularetur singulos, reversa est ad patrem et alt: Bone pater, quis est iste juvenis, qui contra te locum honoratum tenet, qui multum dolet? Ait rex: O dulcis filia, juvenis iste naufragus est et gymnasia mihi gratissime fecit, propter quod ad cenam vocavi illum; quis autem sit nescio; sed si vis scire, interroga eum; te decet omnia nosse, 195 et forsitam, dum cognoveris, misereberis ei. Hec audiens puella ad juvenem accessit et ait: Carissime, generositas nobilitatem ostendit. Si tibi molestum non est, indica mihi nomen tuum et casus tuos. Et ille: Si nomen queris, in mare perdidi, si nobilitatem, Tyro reliqui. Ait puella: Apertius dic, ut intelligam! Tunc Appollonius nomen suum et omnes casus exposuit. Finitis 200 sermonibus fundere lacrimas cepit. Quem ut vidit rex flentem, ait filie: Nata

Gottfried von Viterbo: Pantheon

erubuit comedens, dum sua damna dolet. 37. Deflexo capite dum naufragus ille sederet, et rex et proceres sua gesta notanda viderent, arguitur juvenis tristia facta gerens. 38. Dicit ad hec quidam: „quod cogitat ille, notavi: aurea, si poterit, clam tollere vasa putavit.“ nobilis Archistrates (Architrates) „non ita sentit“, ait. 39. „Imo recordatur, quia naufragus expoliatus, non habet ornatus, quales decet hos comitatus. tristior est cunctis et dolet ipse sibi.“ 40. Advenit interea pulcherrima filia regis.

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fiel, das er nit essen mocht vnd ward im sin hopt sincken von truren. Do aber das hoffgesind mercket, das er ain sunder uffsechen hett uff die klainet, sprach ainer vnder in ,Ich merck, warumb er nit essen mag. Er ist so gar verstocket in sinem gemüt mit gedencken, wie er die klainet gestelen 585 möcht, das er sin selbs vergessen hat vnd nit essen mag.‘ Der edel küng Archistrates vernam iren bösen arckwan vnd sprach also ,Ir irrend fast an der warhait. Diser jungling gedenckt, was er verloren hat, vnd klaget sin vngefell in sinem gemüt, wann er on zwiffel wol gnůgsame zierd gehaben möcht, in künglichem sal ze sitzen, hette im das gluk rad die nit empfüret‘, 590 vnd sach Appolonium an in frölicher gestalt vnd sprach ,Iungling, du solt din truren lassen vnd iß vnd trinck mit gůtem můt vnd hab hoffnung zů got vmb besser glück, der wirt dich nit verlassen.‘ [14]

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[16v] Die wijl aber der küng den jungling also tröstet, do kam in gegangen ain überschöne iunckfrow, des künges tochter Cleopatra mit irem hofgesind, vnd grüsset iren uatter vnd gab im den kuß des frides vnd dar nach allen denen, die mit im zetisch sassen. Do ging sie wider zů dem uatter vnd sprach zů im ,Aller liebster uatter, wer ist der jungling den du hast setzen laussen an die erlichen stat dines tisches? Er bedunket mich über laden sin mit truren.‘ Antwürt der küng ,O min süsse tochter, diser jungling hat ainen schiffbruch gelitten, vnd hat mir hüt in dem bad so wol gedienet, das ich in berüffet han zů minem tisch. Das ich aber aigenclich wisse, wer er sij, sag ich nit. Doch zimet dir nit übel, das du in fragest, vnd wenn du das wissend bist, im gütig vnd barmhertzig sijest.‘ Zů hand ging die tochter zů im vnd sprach also ,Aller liebster iungling, din gestalt vnd gebaren zaigen uff tugent, da uon ich din gemüt geadlet schätze, vnd wölt geren von dir wissen, ob es dir nit schwär wölt sin ze sagen dinen namen, din gepurt vnd din vngefell.‘ Antwirt der [17r] iungling ,Fragest du mich nach minem namen? Den han ich in dem mer verloren. Fragest du aber nach minem adel? Den han ich in Tiria gelassen.‘ Do sprach die junckfrow ‚Ich bit dich, sag es mir verstentlicher, wann din vngefell beschwäret mich.‘ Do sprach Appolonius ,So du das wissen wilt, so sag ich dir, das ich nit von nidrem geschlächt geboren bin in Tiria, vnd von vrsach wegen dar uß geschaiden mit grossem gůt, das mir alles mit den schiffen in dem mer versuncken ist, vnd bin ich nackender mit grosser arbait uff ainem brett an das gestad komen.‘ Mit disen wortten kund Appolonius nit verhalten, im wurden sine

___________ 581 nit] D, W; nit mer gz. 583 sprach] D; do sprach gz. 584 wie er die] gz, W; wia er dia D. 589 empfüret] D, W; entpfremdet gz. 595 Wie des kủnges tochter kam vnd mit Appolonio redet. gz; f. D. 607 barmhertzig sijest] D, W; barmherczikait syest bewisen gz. 610 es] gz, W; er D. 617 den schiffen] D, W; dem schiff gz. 618 nackender mit grosser arbait uff ainem brett] D, W; nackender uff ainem brett mit grosser arbait gz.

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Gesta Romanorum

dulcis, peccasti; dum nomen et casus adolescentis petivisti, veteres ejus dolores renovasti. Dulcis ergo filia, ex quo jam scis veritatem, justum est, ut liberalitatem tuam quasi regiam ei ostendas. Puella ut audivit voluntatem patris, respiciens juvenem ait: Noster es, Appolloni! Depone merorem et a patre meo locupleteris. Appollonius cum gemitu et verecundia gratias egit. Tunc rex ait filie sue: Defer liram, ut cum cantu exhilares convivium. Puella jussit sibi afferri liram et cepit cum omni dulcedine liram percutere. Omnes eam ceperunt laudare et dicere. Non potent melius nes dulcius audiri. Inter quos solus Appollonius tacuit. Ait ei rex: Appolloni, fedam rem facis. Omnes filiam meam in arte musica laudant; quare tu solus vituperas? Ait ille: Bone rex, si permittas, dico, quod sentio. Filia tua in artem musicam incessit et nondum didicit; igitur jubeas mihi tradi liram et statim scias, quod nescivisti! Rex ait: Appolloni, video te eruditum in omnibus. Jussit sibi tradi liram et egresso foras corona capitis eum decoravit, accipiensque liram intravit triclinium, pulsabat ante regem tanta dulcedine, ut omnes non Appollonium sed Appollinem crederent. Discumbentes cum rege dixerunt, quod nunquam melius audissent nec vidissent. Filia regis hec audiens respiciens juvenem capta est in amorem ejus et ait ad patrem suum: O pater, permittas me dare juveni, quod mihi placet. Ait rex: Permitto. Illa respiciens Appollonium ait: Magister Appolloni, accipe ex indulgentia patris mei auri ducenta talenta, argenti libras quadringentas vestemque copiosam servos xx, x ancillas. Quibus ait: Afferte, quod promisi! Et presentibus amicis exposito

Gottfried von Viterbo: Pantheon

organa cum citharis cantumque decenter adegit, unde domus regis gaudia magna vehit. 41. Virgineos gestus et cetera curia laudat. naufragus arguitur, cur non super omnia plaudat. rex ait:. „o socie, nonne puella placet?“ 42. Ille refert: „bone rex, strepitum nunc, si placet, arce! fllia non artem novit, sed percipit artem. ars“, ait, „arte mei plena patebit ei. 43. Filia desistat, si noscere vis citharistam, porrigat huc citharam; nos experiemur in ipsa: curia percipiet, quid mea musa potest.“ 44. Surgit Apollonius facie formaque decora. intonuit cithara, dedit organa voce sonora. visus eis satis est Orpheus arte bona. 45. Audit et obstupuit Cleopatra puella canorem, prebuit et juveni (prebet Apollonio) magnum reverenter honorem, hunc quoque doctorem vult sibi virgo fore.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

ogen zächern. Do das der küng ersach, er sprach zů der tochter ,Hör uff, du hast gnůg ge fraget, du machst im new sin vergangen laid. So ferr er aber dir sin vngefell vnd staut erzellet haut, so zimmet dir wol, das du din milti gegen im erzaigest nach künglichen eren.‘ Zů hand sach die junckfrow den iungling an vnd sprach zů im ‚Iungling, leghin din truren vnd nim an dich 625 mannes můt. Du solt sin vnser hoffgesind vnd richtum von minem uatter enpfachen.‘ Appolonius saget lob vnd danckt mit scham vnd sünffczen irer gütikait, die sie im erzaiget hett nach sinem grossen vngefell. 620

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[17v] Zů hand sprach der küng ,Tochter, das der iungling vnd das hoffgesind wider erfröwet werden, so laß vns hören din harpffen vnd ander saitten spil.‘ Die ließ sie bringen vnd sang so wol dar uff, das mengclich dar uon erfröwet ward, vnd was nieman alda der die junckfrowen in sunderhait nit lobet, vnd sprachen all, das sie besser vnd siesser gesang nie gehört hetten, on allain Appolonius. Der schwig vnd saget ir kain lob. Darumb der küng wider in beweg ward vnd sprach also ‚Appoloni, du tůst vnhofflich! Min tochter wir gelobet von mengclichen für die beste in musica vnd allen saitten spilen, vnd du allain schwigest. Da mit du ain schelten erzaigen wilt. Sag mir, ob sie dir nit gefal in irem gesang?‘ Antwirt Appolonius ,Ist es dir gefällig, das ich dir sage die warhait von den künsten diner tochter, so sag ich dir, das sie in der musica vngelert ist. Sie hat dar in ain anfang, aber die kunst ist ir beschlossen. Vnd ob du des wöllest wissend sin, so schaff mit diner tochter, das sie mir die harpffen liche, so wil ich dich hören lassen die rechte kunst.‘ Er nam die harpffen vnd stůnd uff in frölicher gestalt vnd sang so wol daruff, das der gantz sal dar von erklange, vnd lobet [18r] in der küng vnd alles hofgesind übertrefenlich für alle, die sie ije gehöret hetten. Cleopatra die iunckfraw het besunder wundern von siner kunst, wan sie das bas verstund wann die andren, vnd sprach zů im ,Du haist Appolonius, billicher werest du Appollo gehaissen, dem die harpff geaignet wirt. So hat och dich Orpheus in sinen künsten nije übertroffen. Darumb so wirdest du aller eren wert billich geschätzet.‘ Vnd keret sich gegen dem uatter vnd sprach also ,O aller liebster vatter, ich bitt dich, du wellest mir ginnen das ich disen iungling begabe nach sinen künsten vnd wirdikait.‘ Antwirt der küng ‚Tochter, mir sol wol gefallen, was du im zeeren tůst.‘ Zů hand ging sie uss vnd bracht mit ir zwaihundert marck goldes vnd mer silbers vnd kostlich gewand, vnd ordnet im zů knecht vnd megt vnd sprach also ,Se,

___________ 621 hast] D, W; hast in gz. new] gz, W; nun D. 627 hett nach sinem grossen vngefell] D; f. gz, W. 630 Wie die Iunckfrow uff der harpffen sang / vnd von mengklichem gelobt ward / on von Appolonio gz; f. D. 633 din] D, W; die gz. 635 die] gz, W; f. D. 638 beweg] D; bewegt gz, W. 639 wir] D; wirt gz, W. 641 nit gefal] D, W; gefall oder nit gz. 646 rechte] D; rechten gz, W. 650 vnd] in D doppelt. 655 wirdikait] D, W; wirdikaiten gz.

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Gesta Romanorum

triclinio jussu regine allata sunt omnia. Quo facto levaverunt se omnes et licenciati discesserunt. Appollonius ait: Bone rex miserorum misericors et tu regina amatrix studiorum et dilectrix philosophie, valete! [123] Et respiciens famulos, quos sibi regina donaverat, ait: Attollite, famuli, hec, que mihi data sunt, et eamus et hospicium queramus. Puella timens, ne amatorem perderet, tristus est facta; respiciens ad patrem ait: Bone rex et pater optime, placeat tibi, ut Appollonius hodie ditatus abscedat, et quod illi donavimus a malis ne rapiatur. Tunc rex festinus jussit sibi assignari aulam, ubi honeste quiesceret. Puella vero amore accensa inquietam habuit noctem, mane vero cubiculum patris adiit. Quam ut vidit pater, dixit: Quid est hoc, quod preter consuetudinem ita mane evigilasti? Puella ait: Requiem habere non potero, et ideo, carissime pater peto, ut me tradas juveni ad doctrinandam, quod potero artem musicam et alia addiscere. Rex hec audiens gavisus est, jussit ad se juvenem vocari, cui ait: Appolloni, filia mea multum cupit artem tuam addiscere; ideo rogo te, ut ei ostendas omnia, que nosti, et ego mercedem condignam retribuam. Et ille: Domine, paratus sum voluntati vestre satisfacere. Docuit puellam, sicut ipse didicit; post hec puella pre nimio amore juvenis infirmatur. Rex ut vidit filiam suam

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46. Traditur extemplo Cleopatra docenda magistro, tradidit et juveni varios pater ipse ministros et loca distribuit cantibus apta sibi. 47. Docta satis tandem cithara miroque canore doctoris bona virgo sui fervebat amore: languida de more pectora virgo fovet.

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aller liebster iungling, nim hin die gab von minem uatter vnd mir, deren du wol wirdig bist von diner künsten wegen.‘ Do ward die junckfraw gelobet von menglichem vmb ir gütikait vnd miltij. [16]

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Zů hand dar nach nam das hofgesind urlob von dem küng vnd ging ijeder in sin herberg. Appolonius stůnd och uff vnd sprach also ,O gůter küng, der [18v] armen barenhertzikait, vnd du küngin, ain liebhaberin der künsten, ich dancken ủch nach minem vermügen – wann nach minem willen kan ich ủch nit gedanken – umb die gütikait, die ir an mir nackenden erzaiget haben. Der obrost got wöll ủch bewaren!‘ Vnd sprach zů sinen knechten, die man im ergeben hett ‚Nemend hin die gaben, das wir usgangen herberg sůchen.‘ Do aber die küngin erhöret, das der iungling von ir schaiden solt, in des liebij sie enzündet was, do ward sie betrübet in irem gemüt vnd sach iren uatter jnnerclichen an vnd sprach also ,O aller liebster uatter, du hast Appoloniun hüt rüch gemachet, du solt nit liden das er vervntrüwet werd vmb das, da mit wir jn begabend hand. Ich wölt raten, du behieltest in so lang vntz das er bessre kuntschafft des uolkes über käm.‘ Zů hand ließ im der küng ordnen ain wonung in sinem sal nach siner wirdikait, dar in er sin wesen haben solt. Des künges tochter vertrib die selben nacht vngeschlaffen. Morgens frü ging sie zů irem uatter in sin schlaff kamer. Do sie der uatter sach, er sprach zů ir ,O tochter, was betütet das du so frü wider din gewonhait [19r] hüt uff stast von dinem bett?‘ Die tochter antwürt vnd sprach ‚O min uatter, ich kan nit rů haben, du gebest zů mir Appolonium, mich ze leren in musica vnd andren künsten.‘ Zů hand ließ der küng berüffen Appolonium vnd sprach zů im ‚Jungling, min tochter begeret von dir zelernen dine kunst. Ich bitt dich, du wellest sie vnder wijsen vnd leren nach dinem vermügen alles, das du kanst. Darumb wil ich dich begaben nach dinem verdienen.‘ Antwirt Appolonius ‚Herr, ich bin alweg berait ze leben vnd ze tůn nach dinem willen.‘ Er leret die tochter mit grossem flijs, das sie in kurtzen zeitten wol dar in geübet ward.

___________ 659 hin] D; W; f. gz. deren] D; der eren gz; der W. 664 Wie die tochter den vatter bat / das er im wonung gebe in seinem huß / und das er sy leret in Musica. gz; f. D. 672 ergeben] D; erst gegeben gz, W. 676 Appoloniun] D; Appolonium gz; Appolloni W. 684 gebest] D; gebest dann gz, W. 687 leren] D; lernen gz, W.

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Gesta Romanorum

incurrisse egritudinem, subito medicos vocavit, illi vero venas et singulas partes corporis tangebant et nullam egritudinem invenerunt. Post paucos dies tres juvenes nobilissimi, qui per longum tempus filiam in matrimonium petierant, regem una voce pariter salutaverunt. Quos intuens rex ait: Qua de causa venistis? At illi: Quia sepius nobis promisistis uni ex nobis dare filiam vestram in matrimonium; propter quod hodie simul venimus; cives tui sumus, divites et ex nobilibus parentibus geniti, et ideo de tribus tibi elige, quem vis habere generum. Rex ait: Non apto tempore me interpellastis. Filia mea studiis vacat et ob amorem studiorum imbecillis jacet. Sed ne videar vobis nimis diferre, scribite in codicillis vestris nomina vestra et dotis quantitatem, que transmittam filie mee, ut ipsa eligat, quem voluerit. Illi hoc fecerunt, rex accepit scripturam et legit, signavitque, dedit Appollonio, dicens: Tolle, magister, has scripturas et trade discipule tue! Appollonius recepit scripturas et puelle portavit. Puella ut vidit, quem diligebat, ait: Magister, quid est, quod solus introisti in cubiculum? Appollonius ait: Sume codicillos, quos tibi misit pater tuus, et lege! Puella codices aperuit et legit tria nomina petitorum, projectisque codicillis respiciens Appollonium dixit: Magister Appolloni, utrum non doles, quod alteri debeo in matrimonium tradi? Et ille: Non, quia omne, quod est tibi honor, erit et commodum meum. Ait puella: Magister, si me amares, doleres. Hec dicens [123 b] rescripsit, signavit codicillos, traditque Appollonio, ut eos regi deferret, et scripsit hec: Rex et pater optime, quoniam clementia permisit mihi, ut rescribam,

Gottfried von Viterbo: Pantheon

48. Nescit Apollonius, qua langueat arte puella, indicat ista patri. metuit pater edita verba ingrediturque tacens, qua gravis illa iacet. 49. Filia conticuit. querit pater, unde doleret. incipit hec flere, lachrymas gemitumque movere. plorat et ipse pater viscera mesta ferens: 50. „Filia, quid pateris?“ „Gravis est mihi passio“, dicit, „solvere quam medici nequeunt neque prorsus amici.“ „ve mihi! cur moreris? dicito, queso, mihi!“ 51. Illa refert: „discede, pater, modicumque quiescas, nam mihi plus morbi tua jam presentia prestat, scriptaque suscipies, ex quibus ista scies.“ 52. Filia scripta parat, quibus hec dat gesta notari:

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Nit lang dar nach ward die iunkfrow kranck vnd abnemen an irem lib von tag ze tag ie mer vnd ie mer. Der uatter ließ die artzat berüffen, die iren lib besachen vnd die adren begriffen vnd kundend kranckhait ires lijbes nit befinden noch dar zů ratten, das och wol billich was, wann es was ain kranckhait des gemütes. Dar umb der uatter laidig ward vnd ging in zů der tochter vnd sprach ,O liebe tochter, was schwärer kranckhait [19v] mag das gesin, die die artzet nit erkennend vnd och dar zů nit wissend ze raten? We mir, solt du von mir sterben one alle hilff? Sag mir doch, wa von du mainest, das dir dise kranckhait komen sie.‘ Antwirt die tochter ,Aller liebster uatter, ich kan dir nit gesagen was das sie, doch wais ich, das mir din gegenwirtikait schmertzen bringet in minem gemüt. Darumb so gang ain wijl von mir, so will ich mich bedencken, wie ich dir min kranckhait kund müg tůn.‘ In den wijlen waren komen zwen iungling, zwaier fürsten künder, die güngen für den küng vnd grüseten in. Der küng fraget sie, was vrsach irer zů kunfft were. Sie sprachen ,Herr, wir sijen komen dich zebitten vmb din tochter, wann du ieglichem uorhin an laitung geben hast. So haut vns der weg vngefär zesamen tragen. Darumb bitten wir dich baid mit ain ander, das du ainem, der dir gefall, din tochter gebest.‘ Antwirt der küng ,Ir sid nit zů rechten zitten komen, wann min tochter übet sich in der lernung musice, vnd von grossem willen vnd inbrünstiger liebij, die sie zů den künsten hat, ist sie kranck worden. [20r] Doch das ir nit gedenckend, das ich verziechen dar in sůchen wöll, so schrib eẅer ieder sinen namen vnd sin richtum mit der haimstǜr vnd morgen gab. Das wil ich miner tochter schicken, das sie uß ủch erwele welchen sie haben wölle.‘ Des waren sie willig. Sie gaben dem küng die geschrifft. Der über laß sie vnd versigelt sie mit sinem ring vnd rüffet Appolonio vnd sprach ,Maister, nim hin dise brief vnd antwirt sie dinem schůler.‘ Appolonius enpfing sie vnd ging in die schlaffkamer der küngin. Als bald sie aber den an sach, in des liebij ir hertz enzündet was, sprach sie ,O maister, was bedütet, das du ainig über min bett kommest?‘ Antwirt Appolonius ‚Das ist von gebot dines vatters, der sendet dir dise brieff.‘ Als sie die gelesen hett, do sach sie Appolonium innerclichen an vnd sprach ‚Maister, bist du nit laidig, das ich ainem andern ze weib geben werden sol?‘ Antwurt Appolonius ‚Nain ich, wann dein er vnd nutz ist mein gefůr.‘ Sprach die iunckfraw ‚O maister, maister, wer ich dir lieb, din hertz wurd dar uon beschwäret.‘ Dar mit schrib sie ain antwirt irem uatter vnd sendet im die versigelt widerumb bij Appolonio. Der küng las sie, die was also ,Aller güttigister uatter, du begerest antwirt von mir, welchen ich haben

___________ 694 Wie die tochter kranck ward von Appollonius lieby / vnd wie sy kainen man wolt wann in· gz; f. D. 700 in] D; ein gz; f. W. 702 dar zů nit wissend] D; nit dar tzů wissend gz; nit wissend dar zů W. 705f. gegenwirtikait] D, W; wirdigkait gz. 706 gang] D, W; gee gz. 718 Das … schicken] in D doppelt. 723 sie aber] D, W; aber sy gz. 724 sprach] D, W; Do sprach gz. 727-729 Maister … O] gz, W; f. D. 730 wurd] D, W; wủrd dir gz.

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Gesta Romanorum

rescribo: Illum naufragum volo in conjugem habere. Rex cum legissit voluntatem puelle, ignorans, quem naufragum diceret, respiciens ad juvenes ait: Quis vestrum naufragium passus est? Unus ex illis nomine Ardonius dixit: Ego passus sum naufragium. Alius ait: Morbus te consumat nec salvus nec sanus sis, cum sciam te coetaneum meum! Portam civitatis nunquam exiisti! Ubi naufragium fecisti? Rex cum non invenisset, quis eorum naufragium fecisset, respexit Appollonium dicens: Tolle codicillos et lege! Potest enim fieri, quod ego non noverim; tu intelligis, qui presens fuisti. Appollonius acceptis codicillis velociter percurrit, et ut sensit se amari, erubuit. Cui rex ait: Appolloni, invenisti naufragum? At ille pre rubore pauca dixit; rex vero cum intellexit, quod filia eum voluit, aliis ait: Dum tempus fuerit, veniam ad vos. Illi vero valedicentes recesserunt. Ipse vero solus introivit ad filiam suam et ait: Quem tibi elegisti conjugem? Illa autem prostravit se cum lacrimis et ait: Pater carissime, naufragum Appollonium peto. Rex cum lacrimas filia sue vidisset, levavit eam a terra et sic alloquitur dicens: Nata dulcis, noli de aliqua re cogitare, quia talem concupisti, quem et ego; ut enim vidi, quia et amando factus sum pater, diem tibi nuptiarum sine mora constituam. Postera ergo die vocantur amici vicinarum urbium ad regem, quibus ait: Carissimi, filia mea vult nubere Appollonio magistro suo; peto itaque, ut vobis omnibus sit leticia, quia filia mea prudenti viro sociatur. Hec igitur dicens constituit diem nuptiarum. Que cito concepit, et dum puerum in utero haberet, accidit, quod Gottfried von Viterbo: Pantheon

„nolo maritari regi neque sponsa rogari (vocari); naufragium passo me, pater, oro dari.“ 53. Naufragus ignorat, que filia scripta subegit, et tulit hec regi. rex sustulit atque relegit menteque collegit, quid data (que sibi) charta vehit. 54. Visitat in thalamo rursus pater ipse puellam et, que scripta dedit, manibus conclusa reservat ac verbis placidis intulit ista sibi: 55. „Que mihi scripsisti, si, filia, corde petisti, quod volo, quesisti, nec in hoc tibi quero resisti. quod petis, ecce dabo, namque libenter ago. 56. Non genus aut patriam juvenis, non nomina scimus; sed, si virtutes actusque notare velimus, regibus est potior nec probitate minor.“ 57. Leta puella satis languoribus evacuatis oscula dat patri surgens sanissima gratis (gratissima satis). gaudet et optatis voce reversa patris. 58. Hoc ita prescito juveni favet illa cupito. leta nec invito contraditur ipsa marito. quo satis ascito sana fit illa cito.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

wöl zů ainem man. [20v] So du aber die wal zů mir setzest, so beger ich des schüffbrüchigen.‘ Er sach die iungling an vnd sprach zů in ‚Welcher hat 735 vnder ủch meres not gelitten, der sol min tochter haben.‘ Zů hand sprach der ain iungling ‚Küng, der bin ich.‘ Von stund an sprach der ander iungling ‚Schwig! Das du alweg betrübet sijest! Ich wais, das du für die porten des meres nie komen bist.‘ Do aber der küng nit mercken mocht, welchen sie mainet mit ir geschrifft, sach er Appolonium an vnd sprach ,Se hin, liß 740 du disen zedel! Villicht machst du bas verstan ir mainung, wan du bist dar bij gewessen do sie in geschriben hat.‘ Appolonius erschrak von der geschrifft vnd errotet. Do das der küng mercket, er sprach ‚Appoloni, hastu den schiffbrichigen funden?‘ Er gab vor scham wenig antwurt. Do aber der kủng mercket, das sin tochter Appolonium liebet, er sprach zů den 745 iunglingen ,Ziechend haim, vnd wenn die zijt komt, so wil ich nach ủch senden.‘ Sie namen urlob vnd schieden von dannen. [18] 750

Der küng güng zů der tochter vnd sprach ,Cleopatra, sag an, welchen hast du erwelet zů ainem man?‘ Die tochter fiel im für die füß vnd sprach ,Aller liebster vatter, so du begerest ze wissen den willen diner tochter, so sag ich dir, das ich kaines beger [21r] wann des schüffbrüchigen Appoloni, mines 755 maisters, vnd sol mir der nit werden, so verlürest du dine tochter.‘ Do aber der uatter sach sin tochter so innerclichen wainen, do hůb er sie uff von der erd vnd sprach zů ir ,O liebes künd, du solt dich nit betrüben in dinem gemüt von forcht wegen gegen mir, das du des begeret haust, den ich och lieb han vnd von gůtem willen sin uatter worden bin. Wann ob wir siner 760 gepurt, sines geschlächtes, adels vnd gůtes vnwissend sind, so kenn wir doch sin tugend vnd erberkait, dar durch er den küngen wol zeglichend ist.‘ Die iunckfraw ward erfröwet vnd verschwand ir all ir kranckhait vnd küsset iren uatter ze lon, das er ir den rechten artzat gegeben hett. Der uatter stecket den tag der hochzijt vnd ließ berüffen allen sinen adel vnd die nach 765 burschafft vnd sprach zů in ,Ich tůn ủch ze wissen, das min tochter mit minem willen Appolonium, iren maister, zů ainem man genome hat. Darumb bit ich ủch, mit mir vnd inen fröwd zehaben.‘ Do ward berait nach küngclicher wirdikait grosse wirtschafft, die weret menigen tag vnd er güng mit fröwden, vnd war Appolonius gekrönet vnd ain gewaltiger tochterman des ___________ 733f. so beger] D, W; beger gz. 742-744 er … mercket] gz, W; f. D. 749 Wie der kủng appolonio die tochter gab vnd hochzeit hett gz; f. D. 752 du] D, W; f. gz. 754 beger] gz, W; f. D. 762 kranckhait] D, W; laid / och ir kranckhait gz. 763 gegeben hett] D, W; zů het gegebe gz. 766 genome] D; genomen gz; genom W. 768 menigen] D; mangen gz; manigen W. 769 war] D; ward gz, W.

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Gesta Romanorum

cum ambularet cum rege Appollonio viro suo juxta litus maris, vidit navem

285 speciosam. Cognovit eam Appollonius, quod esset de patria sua; conversus

ad nauclerum ait: Unde venis? At ille: A Tyro. Appollonius ait: Patriam meam nominasti. Alter respondit: Ergo Tyrus es tu? Et ille: Ut dicis. Nauclerus ait: Nosti aliquem patrie illius principem, nomine Appollonius? Nauclerus dixit: Peto ubicunque illum videris, dicas ei, ut gaudeat et exultet, quia rex

Gottfried von Viterbo: Pantheon

59. Copula regalis mandatur et aula parari, ille coronari, rex et gener inde vocari: in solio soceri sedet honore pari. 60. Antiochus moritur; nam fulminis igne crematur. filia cum patre parili de sorte necatur. materies cineris corpus utrumque fuit. 61. Rege carent proceres regemque creare laborant. quilibet illorum dominum se velle perorat, quisque sibi dominum querit Apollonium. 62. Hunc dominum fieri primatum turba requirit, poscit et asciri regnique decore potiri. hec ita sortiri fata dedere viri. 63. Littera missa foras et missus ubique laborat et satis explorat, qua rex manet orbis in ora. per varios fluctus missa carina volat. 64. Dum cito festina premit equora missa carina, vidit Apollonius venientia vela marina et stetit in prora querere facta nova. 65. Querit et a nautis, quid agant, que sint nova rerum, si vel emenda gerunt vel ibi venalia querunt. respondent homines et nova magna ferunt: 66. „Mortuus Antiochus rex est, dominus dominorum, querit Apollonium regem robur seniorum; hunc etenim solum regna tenere volunt. 67. Innumeri iam legati mittuntur in orbem querere per patrias, per singula regna vel urbes. nos quoque legati mittimur ista pati. 68. Dicite, queso, viri, quo debeat orbe requiri, quo studio, qua parte queat quesitus adiri (questus reperiri); orbis enim dominum, patria querit eum.“ 69. Archistrates (Architrates) loquitur genero caute reticente: „quis sit Apollonius, non nosco (nescimus), suive parentes (suosve parentes, eumque potentem). miror, ubi latuit, qui modo summus (tantus) erit.“

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius 770

künges gehaissen. In kurtzen zijtten hin nach ward die tochter schwanger, da uon mengclich erfröwet ward. [19]

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[21v] Nit lang dar nach ging der küng Appolonius mit sinem schwecher vnd wijb spacieren bij dem gestad des meres. So sicht er von ferren her faren ain grosses schiff vnd erkennet, das es von sinem land was. Sie wartete an dem gestad bis es zů lendet. Do sprach Appolonius zů dem patron ‚Sag 780 an, von wanne du komest.‘ Antwirt er ,Von Tiria.‘ Sprach Appolonius ‚Du nemmest ain land, das mir wol erkennet ist.‘ Do sprach der patron ,O herr, sagg mir, ob du it kennest den fürsten des selben, der haisset Appolonius, den wir lang zijt verloren haben.‘ Antwirt er ‚Ja, ich kenn in so wol als mich selber.‘ Do sprach der patron ,Ich bit dich, ob du zů im kemest, das 785 du im grosse fröd verkünden wöllest, wann der küng Antiochus mit siner tochter ist von dem hellischen für uff dem mer verbrennt vnd dar in versuncken, vnd ist vnser herr Appolonius von mengclichem ze küng erwelet worden vnd sind im die schätz vnd richtum behalten, darumb ich vnd vil ander uß gesendet sind, in zesůchen.‘ Do sprach Archistrates ,Es ist wol ze 790 wundern, wo der verborgen lig, so er das obrest hobt der welt werden sol.‘ Appolonius ward erfröwet in sinem gemüt vnd sprach zů sinem schwecher

___________ 774 Wie Antiochus verbran / vnd man Appolonium sůchet in allen landen das er daz kủngrich besß vnd wie er mit dem weib gen Antiochia fůr gz; f. D. 778 wartete] D; warteten gz, W. 779 es] D; er gz, W. 780 er] D; der patron gz. 781 nemmest] D; nennest gz, W. 782 sagg] D; so sag gz, W. it] D, gz; nit W. selben] D; selben lanndes gz, W. 783 ich] gz, W; ch D. 790 lig] D, W; lit gz.

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Gesta Romanorum

290 Antiochus fulmine percussus est cum filia sua, opes autem regni Antiochie

reservantur Appollonio. Appollonius ut hoc audivit, plenus gaudio ad conjugem suam ait: Peto itaque, ut me abire permittas ad percipiendum regnum. Illa ut audivit, profusis lacrimis ait: O domine, si in longinquo itinere esses constitutus, ad partum meum festinare debueras, et modo recedere velis, 295 cum juxta me sis; sed si hoc velis, pariter navigemus. Et veniens ad patrem ait: O pater, letare et gaude, quia sevissimus [124] rex Antiochus cum filia sua dei judicio in fulmine percussus est, opes autem et diademata nobis sunt reservata. Permitte me navigare cum viro meo! Rex autem exhilaratus naves jubet produci in litus et omnibus bonis impleri; propterea nutricem 300 ejus, nomine Ligozidem, et obstetricem propter partum ejus simul navigare precepit, et data proficiscendi copia deduxit ad litus, osculaturque filiam et generum, navigabant. Sed cum per aliquot dies in mari fuissent, surrexit tempestas magna; puella interim infirmatur, procreans filiam, quod facta est quasi mortua. Quod cum videret familia, exclamabat voce magna et ululatu. 305 Hec audiens Appollonius, cucurrit, vidit conjugem suam quasi mortuam

Gottfried von Viterbo: Pantheon

70. Ridet Apollonius conceptaque gaudia celat. se prius ignotum socero ridendo (post pauca) revelat, exprimit et nomen, quo reverendus erat. 71. „Hic ego sum“, dixit, „quem nuntius iste requirit. ergo, pater, jubeas, si me cupis orbe potiri: omne, quod est vel erit, me quoque subdo tibi. 72. De nihilo nihilum pietas tua me relevavit, rebus adornavit, socero sponsaque beavit, regem restituit, me recreavit“, ait. 73. Hoc pater audito loquitur verbo redimito: „filia, quid facimus? tu glorificata marito, ante virum propera, gaudia funde cito! 74. Tolle, gener, gemmas, aurum totumque decorem, Antiochum tollas, quo congaudemus, honorem, sponsaque te sequitur munera multa movens. 75. Tu mihi par fueras — nunc orbe tuo dominaris, filius ante mihi — dominus nunc esse probaris: perge precor, fili, suscipe regna tibi!“ 76. Pergit Apollonius socero cum pace manente, pergunt et naute vento valido veniente, letaque prosequitur sponsa vocata virum. 77. Conjuge pregnante redit (pergit) (hinc), qua venerat ante; sed maris in medio male tempestate minante parturiens mater mortua visa jacet.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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,Herr vnd uatter, so min glück [22r] miner geburt nit glich was, wolt ich dir min wirdikait nit ze wissen tůn. So sich aber das gelückrad nun gewendet hat, so tůn ich dir kunt, das ich der selb Appolonius bin, den man sůchet. Darumb so sag mir, was din will sie, das wil ich alweg volbringen. Darumb, wilt du, das ich das küngrich jn neme, so tůn ich es vnd machen dich gewaltig über alles, das mir wirt, wann du hast mich armen ufferhebt vnd uß nichten ettwas gemachet. Du hast mich nackenden kostlich geklaidet vnd wol begabet. Du hast mich gesäliget mit ainem wijb vnd schwecher, du hast mich mit künglicher eren gezierett, des ich ninmer vergessen sol.‘ Der künig Archistrates ward erfröwet vnd sprach zů der tochter ,Du solt dich fröwen, das du von dinem man so hoch gewirdiget bist. Nim war, sun, ich gib dir von gold, silber, gewand vnd edlem gestain, was du begerest, das du zierlich in din künglich er gesetzt werdest.‘ Do sprach Appolonius zů sinem wijb ‚Ich bitt dich, du wöllest dinen willen dar zů geben.‘ Sie ward innerclichen wainen vnd sprach zů im ,O herr, vnd werest du von mir in ferren landen, du sältest haim zů mir gachen, so ich der geburt so nahet bin, vnd wilt von [22v] mir hin weg faren? Ob du aber nit beliben wilt, so wil ich mit dir. Darumb, vatter min, bit ich dich, mir zegünnen, mit minem man zefaren.‘ Antwirt der uatter ,Mines willen bdarfst du nit wartten, din man hat uollen gewalt mit dir zeschaffen nach sinem willen. Gestern was er mir glijch, hüt ist er ain herr der welt. Vor ist er min sun gewesen, nun bin ich minder dann er.‘ Da mit lies er in zů beraitten die schiffung vnd wes man dar uff nottirfftig was. Sie namen baide frintlich urlob von dem küng vnd fůren hin weg. Darumb das ir gepurt so nachet was, fůrten sie mit in hefmen, pflegerin vnd was ainer kintbetterin not ist, besunder aine die sich in dinen dingen geübet erkanten, Ligorides gehaissen. [20]

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Do sie aber wenig tag gefůren, von dem vngestümen wegen des meres ward das geblüt der küngin sich entrichten vnd iren lib so ser beschweren, das ir we ward zů dem kind vnd gebar ain schöne tochter, doch mit sölichem grossem we vnd nötten, das alle gaist des lebens sich hinder sich zochen zů dem hertzen, dar uon das hertz also verstoppet ward, das man kain zaichen des lebens an ir gespüren mocht. Die frowen [23r] wurden schrijen vnd wainen mit lutter stijmm vmb ir frowen. Do das Appolonius erhöret, er lieff schnelliclich zů ir. Als er aber sach sin wijb tod ligen, als

___________

798 geklaidet] D; beclaydet gz, W. 800 künglicher] D; kủnigklichen gz, W. ninmer] D; nymmer mer gz, W. 801 ward] D, W; ward fast gz. 805 dinen] D; f. gz, W. 807 sältest] D; soltest gz, W. 808 hin weg faren] D, W; gachen gz. 811 Gestern] D; gester gz; gestert W. 815 Darumb] D; Vnd dar vmb gz, W. 816 aine die sich] D, W; ainen den sy gz. 817 dinen] D; denen gz; den W. 820 Wie die kủngin ain Tochter gebar auff dem mer / vnd wie sy starb an der geburt vnd in ainem sarch auff das mer geworffen ward. gz; f. D. 822 aber] D, W; aber ain gz. dem] D; den gz. wegen] D, gz; wäen W. 823 sich] D, W; f. gz.

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Gesta Romanorum

jacentem, ut ei videbatur, scidit a pectore suo vestes, profusis fletibus jactavit se super corpus ejus et ait: Cara conjux Altistratis filia, quid respondebo patri tuo pro te? Et cum hoc dixisset, dixit ei gubernator: Corpus mortuum navis sufferre non valet; jube ergo corpus in pelagum mitti, ut possimus evadere. 310 Appollonius ait ad eum: Quid dicis, pessime? Placet tibi, ut hoc corpus in pelagus inmittam, quod naufragum me et egenum suscepit? Vocavit servos suos et ait: Faciatis loculum et foramina et cum bitumine liniri et sit carta plumbea intus posita et obturetur, perfecto loculo regalibus ornamentis exornent. Puellam in loculo ponunt et copiam auri ad caput ejus, et dedit 315 osculum furneri, fundens super eam lacrimas. Tunc jussit infantem tolli et diligenter nutriri, ut pro filia nepotem regi ostenderet, et jussit loculum mitti in mari cum maximo fletu. Tercia vero die unda maris ejecit loculum ad litus Ephesorum a longe a domo cujusdam medici, Cerimonis nomine, qui cum discipulis suis eadem die in litore ambulavit. Tunc vidit loculum effusis fluc320 tibus jacentem, ait servis suis: Tollite hunc loculum cum omni diligentia et ad villam perferte! Quod cum fecissent, medicus aperuit, vidit puellam regalibus

Gottfried von Viterbo: Pantheon

78. Filia viva quidem, sed mater obisse putatur. capsa satis digna (digne) pro funere clausa paratur, quam sibi pro tamulo rex tribuisse datur. 79. Fertur et indulta pro morte pecunia multa, qua fierent pulchra domine quandoque (pro nobilitate) sepulchra congrua regine, cum (si) maris aura (unda) sinet. 80. Flebilis hac arca (arta) dum femina ponitur arta (arca), arca tulit chartam conscripto grammate partam, que loquitur, que sit, quid velit, unde venit. (Singer, S. 161) [81. In mare projicitur, per littora multa vagatur. reperit hanc medicus. reserat. medicina paratur. femina concaluit viva movetque caput.] 81. Dummodo Neptunus rejicit per littora funus, funereum munus marium sinus excipit unus, fluctibus ejectum sicca retentat humus. 82. Architrates nata defuncta jacet Cleopatra. suscipit hanc Cerimon medicus. capsa reserata

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er wenet, er zerrisß sine klaider von der brust vnd leget sich für ir füß vnd schraij wainend mit lutter stijmm vnd sprach ,O aller liebster gemachel, des künges Archistrates tochter, wie sol ich dinem uatter antwürten für dich? Vmb die fröd, die er mir gemachet hatt, můß ich im truren vnd laid bringen. Wie mag ich fürbas on dich leben, aller liebstes wijb?‘ Die wil er also klaget, kam zů im der patron des schiffes vnd sprach ‚Herr, das mer lidet nit in im das schiff mit dem totten lichnam. Darumb senck sie in das mer, das wir entrinnen mügen.‘ Antwirt Appolonius ,O du verstockter mensch, woltest du, das ich den edlen lichnam in das mer wurffe, der mich armen vnd nackenden von meres nöten erlöset, erfröwet vnd gerichet hat? Billich were, vmb wider gelten des gůten, das mir von ir beschechen ist, das ich für sie sturbe, wann es gesin möcht.‘ Do sprach der patron ‚Herr, es ist besser, der lib werd in das mer geworffen wann das wir alle sterben.‘ Do berüffet Appolonius sin diner vnd sprach zů in ,So es dann nit anders gesin mag, so [23v] richtend mir zů ainen sarch, der wol gebicht vnd gewichset sie, dar in sie nit versincken müg. Villicht wird sie bewaret vor den mer fischen vnd komet ze land vnd wird nach künglichen eren bestätet.‘ Der sarch ward berait. Er ließ ir an legen küngliche claider vnd leget sie in den sarch vnd zů ir vil goldes vnd silbers vnd ain tafel von blij vnder ir hopt, dar in geschriben was also ,Welcher disen sarch findet, der sol wissen, das diser lichnam aines künges tochter vnd aines künges wijb gewesen ist. Darumb erfülle er die barmhertzikait vnd bestätte sie nach künglichen eren, vnd neme zů sinem lon des goldes, das bij ir liget zehen pfund, vnd das übrig sol man verbruchen zů lob dem obrosten got vnd dem totten lichnam ze eren.‘ Da mit liessen sie den sarch uff das mer mit grossem laid vnd klagen.

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Der sarch schwam uff dem mer vntz an den tritten tag. Do schlůg in das mer an das land Epheseorum, nit ferr von dem huß Cerimonis, der ain grosser maister in der ercznij was vnd vngeuarlich zů den selben zijtten mit sinen jungern [24r] bij dem mer spaczieren ging. Sie zochen den sarch uff das land, sij tetten in uff vnd sachen dar in ligen ain überschönen frowen lichnam mit künglichen klaidern wol gezieret, da von sie in truren beweget wurden. Sie funden das gold vnd die tafel vnder irem hopt, vnd sprach Cerimon zů den dieneren ,Tragent hin den sarch in min hus, das wir mit grossem fliß volbringen mügen den willen des, der die tafel geschriben hat.

___________ 833 ich] W; f. D, gz. 842 wir] D; mir gz. 847 claider] gz, W; f. D. 849 Welcher] D, W; Wer gz. 857 Wie die kủngin in das lannd Epheseorum kam vnd alda wider kam tzů ir kraft / vnd in ain frowen closter geton. gz; f. D. 860 Cerimonis] D; Ceremonis gz, W.

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Gesta Romanorum

ornamentis decoratam et speciosam valde et quasi mortuam jacentem, obstupuit et ait: O bona puella, quare estis sic derelicta? Vidit subtus caput ejus pecuniam positam et sub pecunia cartam scriptam et ait: Perquiramus, quid continetur in carta! Quam cum aperuisset, invenit titulum scriptum: Quicunque hunc loculum invenit, peto, ut x aureos habeat et x funeri impendat; hoc enim corpus multas lacrimas reliquit parentibus et dolores amaros. Quod si aliud fecerit, quam quod dolor exposcit, ultimum diem incidat, nec sit, qui ejus corpus sepulturae commendat. Perlectis autem cartulis ad servos suos ait: Prestemus corpori, quod dolor [124 b] exposcit! Juro vobis per spem vite mee, in hoc funere amplius me erogaturum, quam dolor imperat. Continuo jubet parari rogum, sed cum edificatur atque deponitur, supervenit discipulus medici adolescens et, quantum ad ingenium pertinet, senex. Hic cum corpus speciosum super rogum positum videret, intuens eum magister ait: Bene venisti, hec enim hora expectavit te. Tolle ampullam unguenti et quod supremum est de funere, superfunde sepulture! Venit juvenis ad corpus, extraxit de pectore vestes, fudit unguentum tractum manu, totum corpus ad precordia vivere sensit. Obstupuit juvenis, palpat venas et indicia rimatur narium, labia labiis probat, sensit vitam cum morte luctantem et ait ad servos: Supponite faculas per quatuor angulos lente et temperate! Quo facto sanguis ille, qui coagulatus erat, est liquefactus. Quod ut vidit juvenis, ait magistro: Puella, quam mortuam dicis, vivit, et ut facilius mihi posses credere, experimento satisfaciam. Hiis dictis tulit puellam et in cubiculum Gottfried von Viterbo: Pantheon

carta refert, que sit, quid velit, unde natat. 83. Ordine regali tumulus de more parari et rogus aptari mandatur et illa cremari. discipulus medici sorte (forte) vocatus ait: 84. „Non opus est, viri, corpus tumulumve parari, rursus ad hanc vitam regina potest revocari: hanc mihi doctrinam physica nostra parit.“ 85. Dicit ei Cerimon: „puer es, stulta meditaris. mortua, mersa mari, qua sorte potest animari?“ discipulus saliens: „ecce, videbis“, ait. 86. „ Sepe secundina partus veniente ruina se nimis inclinat matrix, male viscera, minat: unde solet mulier mortis inire viam. 87. Crede mihi, Cerimon, vultumque remitte minacem, respice, quod gelidum stringit diafracma toracem: sie quasi defuncta visa puella jacet.“ 88. Alter ait: „si reginam de morte vocabis, corpora mortua, funera torrida viva probabis, me tibi discipulum mancipiumve dabo.“

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Ob wir och barmhertzikait mit disem lichnam erzaigen, ist nit vnbillich, wann on zwiffel er hat vil wainen, sünftzen vnd klagen hinder im gelassen.‘ Zů hand sprach er zů den dienern ,Ir söllend zů beraitten alles das ainer küngliche lich zů gehöret, wann ich sag ủch für war, das min gemüt von kaines menschen sterben nie so ser betribet worden ist.‘ Als bald ward zů berait die bar, dar uff man sie verbrennen solt, vnd was dar zů gehöret nach irer ordnung. Do was ain iunger des maisters, der für die andren in den künsten der ertznie wol geübett was. Zů dem sprach Cerimon ‚Dir sol befolchen sin, den lijchnam ze salben mit [24v] dem balsam, das der schmack des füres dester besser sie, als irer künglichen gepurt wol zimlich ist.‘ Der iunger nam die salben vnd zoch ir ab ire klaider vnd salbet ir den gantzen lib, vnd als er zů dem hertzen kam, beducht in die natürlich wiermij nit gantz erloschen sin. Er salbet sie vmb das hertz ie bas vnd ie bas senfticlich vnd begriff ir iren puls, er leget ir erzaiste bom wollen für die naßlöcher vnd tet sine leftzen uff die iren vnd befand kuntlich, das das leben strittet wider den tod. Zů hand sprach er zů den dieneren ,Beraittend zů die secklen mit den krüttern, sie wider zewermen, wann ir geblüt ist verstocket vnd erkaltet.‘ Er rüffet sinem maister vnd sprach ‚O herr, die iunckfrow lebet, die du tod schätzest. Gib hilff vnd ratt, das sij bij dem leben belib.‘ Zů hand ließ er ir wermen die gůten öl vnd die legen mit wollen über das hertz vnd

___________ 869 sünftzen] D; seufczen gz; seufftzen W. 872 worden ist] D, W; ist worden gz. 875 ertznie] D; arczney gz; ertzneÿ W. 876 dem] in D doppelt. 881 begriff] D; begraiff gz, W. 885 herr] D; herr vnd mayster gz, W.

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Gesta Romanorum

suum posuit, super pectus ejus calefaciens oleum, madefecit lanam et po-

345 suit super corpus suum, sic, quod sanguis ejus, qui intus erat, coagulatus

esset, tempore liquefactus est, cepitque spiritus per medullas descendere. Venis itaque patefactis, aperuit oculos et recipiens spiritum ait: Qualis tu es, non tangas aliter, quam oportet tangere, quia filia regis sum et regis uxor. Juvenis hec audiens, gaudio plenus introivit ad magistrum in cubiculum, 350 et ait: Ecce, magister, puella vivit! Qui ait: Probo peritiam, artem laudo, prudentiam miror. Diligentiam audi discipline, noli artis tue esse ingratus, accipe mercedem, hec enim puella multam pecuniam secum attulit! Et jussit eam salubribus vestibus cibis et fomentis optimis recreari. Post paucos dies, ut cognovit eam ex regio genere ortam esse, adhibitis amicis, filiam sibi 355 adoptavit, et rogabatur ab ea cum lacrymis, ne ab aliquo tangeretur. Inter sacerdotes Dyane templi eam cum feminis misit, ut inviolabiliter servaretur. Inter hec dum Appollonius navigat cum ingenti luctu, gubernante deo

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89. Ille parans aptum lectum modice calefactum, ex oleo tactum calido manibusque retractum imposuit corpus sepe calente manu. 90. Ignibus appositis unguenta perobtima misit. mox ubi concaluit, flatum pulsumque remisit. dum bene convaluit, pauca loquela redit. 82. 91. Mortua regina loquitur sumpta medicina: „huc licet, o medice, me vexerit aura marina, sum quia regina, turpia nulla sinam. 83. 92. Vivere casta volo, mea jam tibi munera dono, ne violanda thoro tribuar, lacrimosa peroro, non habitare foro prostituenda volo.“ 84. 93. Annuit et (Sic medicus) mane tulit hanc ad templa Diane, ordine virgineo qua precipit hanc habitare atque dee vane pinguia thura dare. 94. Tristis et infelix plorat regina fidelis, virginibus sociata sacris velataque velis. cogitur Ephesiis solvere vota deis. 95. Dum genus et mores eius didicere sorores, flos quasi per flores majores captat honores, summa fit in cunctis, cum minor ante foret. 96. Sic apud Ephesios velut abbatissa moratur, virginibus multis probitate sua dominatur est et apud Grecos majus ubique caput.

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senfteclichen strichen, so lang bis das verstocket blůt von wermij des öles wider entschläpffett. Do wurden die gaist des lebens wider uß gan von dem hertzen vnd dem hobt durch die adren vnd das marck in dem [25r] gantzen lib. Do ward sie ire gen uff tůn vnd sach den iungling an, der sie salbett umb das hertz, vnd sprach zů im ,Du siest wer du wellest, so begriff mich nit vnzimlich, wann ich bin ains künges tochter vnd ains künges wib vnd wil min rainikait, so lang ich von minem man bin, ewiclich behalten. Aber umb die ertznij, die du mir getan hast, solt du von mir mit gold begabet sin.‘ Do aber der maister höret ire vernünfftige wort, sprach er zů ir ‚Frow, du solt bewaret sin vor allen schanden. Ich wil dir zů dienste geben min ainige tochter, vnd wes du von mir begerest, solt du alles geweret sin.‘ Danck im die frow nach irem vermügen vnd sprach ‚Ich beger nit mer von dir, wann das du mich haltest in sämlicher hůt, das ich von kainem man berüret werd.‘ Do sprach der maister ‚Frow, so dann du söllichen willen haust, rain ze leben, so ist all hie der tempel der göttin Dijane, im dem so vil gaistlicher frowen sind, das du bij in wol bewaret bist.‘ Die küngin kam dar in williclich mit grossen fröden vnd lernett in kurtzen zijtten bij in, das sie in gottes dienst [25v] über treffenlicher wann die andren ward vnd ain hobt aller tugent in allem Krichen land geschätzet.

___________ 891 ire] D; die gz, W. an] D, W; f. gz. 898 ainige] D; aigne gz, W. 899 Danck] D; danncket gz, W. 900 sämlicher] D, W; slcher gz. 901 so dann du] D; so du dan gz, W. 902 im] D; in gz, W. 904 williclich] D, W; f. gz. in kurtzen zijtten] D; in kurczer zeit gz; in kurtzen tagen W.

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Gesta Romanorum

applicuit Tharso et descendens a rati petiit domum Stranguilionis et Dyonisiadis. Quos cum salutasset, omnes casus suos exposuit ei dicens: Cum dolore mortua est conjux mea; tamen filia est servata, de qua gaudeo; ideo sicut in vobis confido, amissum regnum, quod mihi servatur, accipere volo, neque ad socerum revertar, cujus in mari perdidi filiam, sed agam potius opera mercatoris. Vobis commendo [125] filiam meam, ut cum filia vestra Philomacia nutriatur nomine, et ut filia mea vocetur Tharsia; preterea uxoris mee nutricem Ligozidem nomine curam tue puelle custodire volo. Hec dicens tradidit Stranguilioni infantem, deditque aurum, argentum et vestes copiosas et juravit, neque barbam neque capillos nec ungulas tonsurum, nisi prius filiam suam dedisset in matrimonium. At illi stupentes, quod tam graviter juraverat, cum magna diligentia educaturos se puellam repromittunt; Appollonius autem navem ascendit et ad longinquas regiones navigabat. Interea puella Tharsia expleta quinquennis studiis liberalibus traditur una cum Philomacia filia eorum coetanea sua; cumque ad XIV annos pervenisset, reversa de auditorio invenit nutricem suam Ligozidem subitaneam invalitudinem incurrisse, et sedens juxta eam causas infirmitatis explorat. Cui nutrix: Audi, bona filia, verba mea et in corde tuo reserva. Quem putas

Gottfried von Viterbo: Pantheon

85. 97. Pergit Apollonius nimium pro conjuge plorans. Tharsorum portum modica sortitur in hora. suscipit hunc populus, pergit et ipse foras. 86. 98. Parvula nata quidem cito commendatur ibidem. rex redit in patriam, quam rexerat ordine pridem. hospita non tenuit cum pietate fidem. 87. 99. Filia regis erat ex nomine Tharsia dicta urbeque Tharsorum populo rogitante relicta. post data suppliciis hospitis arte fuit. 88. 100. Tranquilio tunc hospes erat, cui parva puella est data, quam conjunx Dionysia nomine servat: Tharsensis patria servat, honorat eam. 89. 101. Hospitis unica filia parvula tunc generata est, cui Tharsia filia regia fit sociata. utraque nunc nata stat paritate rata. 90. 102. Regis et ex thalamis nutrix ibi digna remansit, ubere cujus ali pater hanc pro tempore sanxit, que vacat obsequiis nocte dieque suis. 91. 103. Una fuit nutrix et vita coeva puellis, gloria dissimilis; genus est et forma rebellis: parque dee Veneri Tharsia pulchra fuit. 104. Rebus in extremis nutrix moritura laborat,

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In den zijtten was Appolonius gefaren in grossem truren vnd laid, vnd von ordnung der götter kam er an das gestad des landes Tarsis. Er ging von dem schiff in die stat Tarsia, die er vor von tödlichem hunger erlediget het, in des hus siner alten wonung Strangwilionis vnd Dionisiades, vnd ging mit im Ligorides, der das kindlin befolchen was. Er erzelet inen sin vngefell, wie im sin wib uff dem mer an dem geberen gestorben wer, doch wer das künd bij dem leben beliben. Darumb so bat er sie, das sie im das kindelin ziechen vnd neren wölten, als ob es ir aigen were, vnd nieman dar von sagen. Darumb wolt er sie begaben nach irem willen. Vnd gaben dem kind ainen namen Tarsia nach der selben stat. Strangwilio vnd sin wib wurden laidig ab sinem vngefell, doch empfiengen sie das kind williclich vnd verhiessen im, das ze halten nach allen eren. Er gab in von gold, silber vnd gewand grosse richtum vnd lies bij dem kind Ligorides, die ir wartten solt. [26r] Da mit tet Appolonius ain gelüpt, das er weder siner bart scheren noch dar har oder negel beschniden wölte e das die zijt käme, das sin tochter manbar were, das er sie sinem schwecher für sin verlorne tochter bringen möchte. Da mit ging er wider in sin schiff vnd fůr in sin küngrüch Tiria vnd besetzet das nach sinem willen, vnd nam zů im vil siner alten diener von Tiria vnd fůr gen Antiochia. Da ward er empfangen nach künglichen eren vnd regnieret das land mit gůtem frid, dar umb er von mengclichem über all sin uordern gelobet ward. [23]

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In den wijlen ward Tarsia wol erzogen von Strangwilione bij siner tochter Philomancia, die in gelichem alter was mit ir. In dem fünften iar ward sie in die schůl gesetzet, dar in sie lernet in den siben künsten, das sie in kurtzen zijtten übertreffend was alle, die lang vor ir gelernent hetten. Do sie aber in das zwelft iar kam, do ward ir pflegerin Ligorides kranck bis in den tod, vnd do sie sach, das ires lebens nit mer was, sie berüffet ire

___________ 909 Wie Appolonius das kind gen Tarsia fůrt / vnd gab es seinem wirt Strangwilioni ze zyehen gz; f. D. 911 vnd von] D, W; von gz. 912 der] gz, W; des D. 913 vor] D, W; f. gz.​ 914 des] D; das gz, W. 917 so bat] D; so bar gz; batt W. im] D; f. gz, W. 918 es] gz, W; er D. ir] D, W; in gz. 923 Ligorides] D; Ligoridem gz, W. ir] D; im gz, W. 924 siner] D; seinen gz, W. 925 dar] D; das gz, W. oder] D, W; oder die gz. 928 nam] gz, W; f. D. alten] D, W; f. gz. 930f. von mengclichem über all sin uordern] D; von mengklichem ủber all gz; von menigklichen W. 934 Wie Tarsia in die schůl geseczt ward / vnd ir magt starb / vnd wie sy erst an dem tod bett saget wer sy wer von geschlcht. gz; f. D. 936 den] gz, W; der den D. 937 Philomancia] D, W; Philomatia gz.

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Gesta Romanorum

tu patrem aut matrem vel patriam? Ait puella: Patriam Tharsum, patrem Stranguilionem, matrem Dyonisiadem. Nutrix ingemuit et ait: Audi, filia, originem natalium tuorum, ut scias, quomodo post mortem meam agere debeas! Est tibi pater nomine Appollonius, et mater Lucina Altistratis regis 380 filia. Que cum te pareret, statim preclusa spiritu mortua est. Quam pater tuus Appollonius effecto loculo cum ornamentis regalibus in mare misit, et XX sistercias auri posuit sub caput, et ubicunque esset devoluta, ille in auxilium ejus fuissent. Navis quoque luctantibus ventis cum patre tuo lugente et te in cunabulis posita pervenit ad hanc civitatem. Hiis ergo hospitibus 385 Stranguilioni et Dyonisiade una mecum te commendavit Tyrus Appollonius, votumque fecit, nec barbam nec capillos nec ungues tonsuros, nisi prius te nuptui traderet. Nunc autem moneo, si post mortem meam hospites, quos parentes appellas, injuriam aliquando tibi forte fecerint, ascende in forum et ibi invenies statuam patris tui stantem. Apprehende illam et clama: Filia ejus 390 sum, cujus est hec statua! Cives vero memores beneficiorum patris tui injuriam tuam vindicabunt. Cui Tharsia: Cara nutrix, deum testor, si ista mihi non dixisses, unde essem penitus nescirem. Et cum adinvicem loquerentur, nutrix emisit spiritum. Tharsia vero corpus nutricis sue sepelivit et per totum annum ejus mortem lugebat. Post vero induit priorem dignitatem, petiit

Gottfried von Viterbo: Pantheon

nomine Licorides, fatum sua Tarsia plorat. illa loquens alios jussit abire foras. 105. „Regia tu proles! cognosce tuos genitores: Tyrus Apollonius patrios tibi servat honores. Antiochi regni tu diadema coles. 106. Est tibi rex anus Architrates Cleopatraque mater, que moriens te parturiens partus feritate, nescio quo marium fine sepulta jacet. 107. Me tibi nutricem dedit extincta genitrice te modo felicem videro, me perdis alicem. tu mihi post mortem virgo repende vicem. 108. Tarsia respondet: „patrem mihi Tranquillionem credideram; tu commemoras regem genitorem: non sum que fueram. que nova dicta moves!“ 109. Illa refert: „ego vota tui patris omnia novi. non caput aut barbam tondere vel ungere vovit, donec te videat: spes tua vivat ob id!“

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tochter Tarsiam vnd redet in gehaim mit ir also ‚Aller liebste tochter, ich wil dir sagen das dir vor verborgen ist, das behaltt [26v] in dinem hertzen: Die du haltest für uatter und můter, die sind es nit, du bist ouch nit des geschlächtes Strangwilionis. Wer du aber siest, wil ich dir darumb sagen, ob dir von iemand kain laid gescheche, das du dich wissest zehalten. Der küng Appolonius ist din uatter, du bist geboren uff dem mer von der küngin Cleopatra, des künges Archistrates tochter, die an dinem geberen gestorben ist vnd in ainer truchen mit gold, silber vnd künglicher zierd uff das mer gelassen. Wa hin sie aber komen sij, wais ich nit. Doch so füret dich din uatter her in dise stat vnd hat dich befolchen mir vnd Strangwilioni vnd sinem wijb, vnd hat ain verhaissen getan, das er sinen bart, har oder negel nit beschniden wil, bis du manbär werdest, das er dich für sin wijbe sinem schwecher bringe. Darumb so wil ich dich des warnen: Ob dir die, die du vatter vnd můter nemmest, die es doch nit ensind, kainerlaij vntrẅ erzaigen wölten, das du denn gangest an den gemainen blatz, da findest du ain hoche sul, die dinem uatter ze eren uff gericht ist worden, vnd sprich: Ich bin des tochter, dem die sul gesetzet ist, so werdent [27r] die burger von der stat, als die danckberen der gütikait, die sie von dinem vatter empfangen haben, dir zů hilff komen in allen nötten.‘ Do sprach Tarsia ‚Ich wil got bezǜgen: Hettest du mir da von nit gesagt, mir werend die ding alle vnwissend.‘ Zů hand starb Ligorides. Tarsia ließ sie loblich bestätten zů dem grab in ainem kirchhoff nachet bij dem mer, vnd wainet vnd klaget sie das gantze iar,

___________ 942 Tarsiam] D, W; Tarsiaz gz. 943 vor] D; f. gz, W. 944 můter] můter in dinem hertzen in D durchgestrichen. 952 har] D, W; hor gz. 955 nemmest] D; nennest gz, W. ensind] D, W; sind gz. 957 ist worden] D; worden ist gz, W. 959 gütikait] D; gůthait gz; güthait W.

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Gesta Romanorum

395 scolas ad studia liberalia, et dum de scolis reverteretur, non prius cibum

sumpsisset, antequam nutricis monumentum introisset. Ferens ampullam vini ingrediebatur et ibi manens parentes suos vocabat. Et dum hec agerentur, quadam die Dionisiades [125 b] cum filia sua Philomacia transibat per forum. Videntes omnes cives speciem Tharsie et ornamentum dixerunt: 400 Felix pater, cujus filia Tharsia est! Illa vero et que adheret ei turpis est et dedecus. Dyonisiades ut audivit Tharsiam laudari et filiam suam vituperari, conversa in insaniam furoris sola sedens secum cogitavit: Pater ejus, ex quo hinc profectus est, habet anmos XIV; non veniet ad recipiendum filiam, nec litteras pro ea misit; puto quod mortuus est, nutrix ejus mortua 405 est, neminem habeo emulum; occidam eam et ornamentis ejus filiam meam ornabo. Et cum hec cogitasset, venit quidam de villa Theophilus nomine, quem vocans ait: Si cupis premium accipere, Tharsiam interfice! Ait villicus: Quid peccavit innocens virgo? Et illa: Pessima est, et ideo mini negare non debes; fac quod jubeo, et si non feceris, male tibi eveniet. Et ille: Dic 410 mihi, domina, qualiter hoc potest fieri? Que ait: Consuetudo ejus est, mox ut venerit de scolis, non prius sumere cibum, quam nutricis sue introierit monumentum, ubi te cum pugione paratum inveniat. Apprehende crines ejus a vertice, et eam interfice, et corpus ejus mitte in mare, et libertatem tuam

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92. 110. Virgo decennalis fuerat, cum (dum) sedula nutrix, Fine diem claudens (Licorides moriens) tulit ultima gaudia lucis. littore Neptuni tunc sibi tumba fuit. 93. 111. Ingemuit pro morte nimis nutricis alumna, quotidie lamenta movet, quia luctus inundat. sola petit tumulum Tharsia sepe suum. 94. 112. Regius ornatus dum virginis acta decorat, totus eam populus laudat, reveretur, honorat. hospitis invidia nascitur absque mora; 95. 113. Filia nam propria, (Filia Flothemia) minus hac formosa videtur, et minor ornatus, quo glorificetur, habetur. omne tulit secum Tharsia virgo decus. 96. 114. Precipitur servi manibus clam virgo necari, eius ut ornatu queat altera virgo parari et magis aptari splendidiorque dari. (filia Flothemia splendeat arte pari) 97. 115. Tranquilio dum sepe suo servo iubet ista, hospita pessima plus Dionysia mandat et instat; clam tamen id querit sponsus et illa geri. 98. 116. More suo tumulum nutricis virgo requirit.

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vnd wann sie von oder zů der schůl ging, so nam sie kain libliche spis, si opffert vor brott vnd win uff ir grab, vnd begeret bittende, ir natürlich fründ zefinde. [24]

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Das gestůnd so lang, bis uff ain tag das Dionisiades mit Philomancia irer tochter vnd Tarsia über den marckt gingen, in ungelicher zierd, wann Tarsia lichtet als der morgensteren, Veneri wol zeglichen, aber Philomancia ward von dem uolk zů Zephee geschätzet, vnd sprachen die burger gemainlich ,O wie hat sich widerwärtikait, schöne vnd vngestalt so gar zesamen gesellet!‘ Do aber die můter erhöret, das ir tochter Philomancia gescholten vnd Tarsia gelobet ward, gewan sie ain nijd zů ir vnd gedacht sie zetötten, darumb das ir tochter Philomancie Tarsie zierd vnd klaider wurden, vnd sprach zů irem man ,O aller liebster Strangwilio, vnser tochter wirt verschlagen von dem volk, vmb das Tarsia so wol gezieret gat. Wann vnser tochter so wol geklaidet [27v] ging als sie, so würd sie och schön gehaissen. So ist ir uatter Appolonius zwelff jar ussgewesen, sölt er in leben sin, er hett sie so lang nit verlassen. So ist ir pflegerin gestorben, das wir die Tarsia on sorg wol tötten möchten vnd ire klaider vnd klainet vnser tochter geben, vnd wann sie getöttet wer, wölten wir sie bestätten lassen zeglicher wiß, als ob sie rechtes tod gestorben were.‘ Strangwilio gab sinen willen dar zů. Zů hand berüffet die frow ainen iren gepuren, Theophilus gehaissen, vnd sprach zů im ,Theophile, du bist arm. Ob du mir folgen wilt, so wil ich dich rijch machen. Du solt mir Tarsiam tötten, so wil ich dich richlich begaben.‘ Sprach der gebur ‚Was hat sie übels getan?‘ Antwürt die frow ,Ire boßhait ist vnzalbärlich vil, darumb solt du min gebot volbringen. Wann wöltest du das nit tůn, du müstest vngefelles von mir warttend sin.‘ Sprach Theophilus ‚Frow, wie möcht ich das volbringen, das es verborgen belib? Wann käm es uss, ich wurd och getöttet.‘ Sprach die frow ,Sie haut ain gewonhait, wann sie von schůl gat, das sie kain liblich spiß nüsset, sie gange vor in den tempel Neptuni über das grab Ligorides irer pflegerin. Alda solt du ir wartten, wann die stat von den lütten ist, da magst du sie wol haimlich tötten.

___________ 965 brott vnd win] D; weyn vnd brot gz, W. 966 zefinde] D; ze finden gz; zu finden W. 969 Wie Strangwilio vnd sein weyb Tarsiam erttten lyessen / das irer Tochter die klaider beliben. gz; f. D. 974 zů] W; tzů gz; f. D. 976f. gescholten vnd Tarsia gelobet ward] D, W; gescholten ward vnd Tarsia gelobt gz. 981 So] D, W; Och so gz. 985 als] D, W; f. gz. 986 tod] D; tods gz, W. 997 sie] D, W; in gz.

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Gesta Romanorum

a me cum magno premio accipies. Villicus tulit pugionem; gemens et flens

415 ibat ad monumentum et dixit: Heu non merui libertatem, nisi per sanguinis

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effusionem innocentis virginis? Puella autem rediens de scolis monumentum cum ampulla vini intravit, sicut solebat facere; villicus impetum fecit et apprehendens crines puelle jactavit eam in terram. Dum autem volebat eam percutere, ait ad eum Tharsia: O Theophile, quid peccavi contra te vel contra aliquem, ut moriar? Ait villicus: Tu nihil peccasti, sed pater tuus, qui te cum magna pecunia et ornamentis regalibus reliquit. Cui puella: Peto, domine, ut si nulla spes mihi est, permittas me deum testari. Cui villicus: Testare, et deus ipse scit, quod coactus te interficio. Illa vero cum esset posita in oratione, venerunt pirate videntes puellam sub jugo mortis stare, et hominem armatum volentem percutere eam, clamaverunt: Parce, crudelissime barbare! Illa est nostra preda, non tua victoria. At ille, ut talia audivit, fugiens post monumentum latuit in litore, pirate vero rapuerunt virginem, mare petunt. Villicus rediit ad dominam et ait: Quod jussisti, factum est; tu vero, ut consulo, induas te lugibilem vestem et ego tecum, et effundamus lacrimas falsas in conspectu civium, et dicemus eam ex gravi infirmitate defunctam. Stranguilio ut audivit, terror et stupor eum invasit, et dixit: Da ergo et mihi vestem lugibilem, ut lugeam, quia tali scelere sum involutus! Heu quid faciam! Pater puelle istam civitatem a periculo [126] mortis liberavit, propter istam civitatem naufragium pertulit, bona perdidit et penuriam perpessus est, et restitutum est ei malum pro bono! Filiam suam, quam Gottfried von Viterbo: Pantheon

servus, ut hanc perimat, clam mane paratior (Theophilus) ivit. fata sue famule Tharsia plorat ibi. 99. 117. Virgo videns animum servi petiit misereri. vir mala corde gerit neque vult pietate moveri; imo tenens gladium: „mors tibi“, dixit, „erit.“ 100. 118. Dum timet illa viri collum feritate feriri, plorat et inquirit, cur debeat istud iniri: „dic, homo, cur morior?“ retulit ille sibi: 101. 119. „Fata tue mortis species tua pulchra meretur et bonus ornatus, qui te gradiente videtur. auferet hoc secum nostra puella decus.“ 102. 120. Dum ratiocinium perimenda puella teneret (moveret), turba piratarum videt hanc (Concitus hanc pirata videt) satagitque tenere. servus abit fugiens, sola puella sedet. 103. 121. Mirantur naute faciem formamque decoram. preda fit egregia, quam ferre pirata (quam tollere nauta) laborat. Tharsia dum rapitur, navigat absque mora. 104. 122. Procidit ante pedes regina puella virorum narrat et horribiles casus mortesque suorum et petit, ut parcant commaculare thorum.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

Dann so beschwer iren lichnam mit ainem stain vnd wirff sie in das mer.‘ Der gebur ging [28r] in die kirchen mit beschwertem gemüt vnd wartet der 1000 iunkfrawen. Zů hand kam Tarsia von der schůl, als ir gewonhait was, über das grab irer pflegerin. Der gebur begriff sie bij dem har vnd sprach ‚Tarsia, du můst sterben.‘ Sprach sie ‚O was hab ich in dich gesindet?‘ Antwirt Theophilus ,Din zierlich gestalt vnd dine kostliche klaider bringent dich zů dem tod, wider mich hast du nit gesindet.‘ Sprach Tarsia ,O so ich dan 1005 sterben sol, so tail din barmhertzikait mit mir vnd laß mich got anrüffen vor minem tod, das er miner sele gnad mittailen wölle.‘ Da sprach der gebur ‚Knie nider vnd bette nach dinem willen, das wil ich dir günnen, wann wer ich nit gezwungen, dich zetöten, waist got wol das ich es nit entätte.‘ 1010

[25]

Dje wil sie aber also mit ainander redeten, do fůren mer rober uff dem mer, die schnelleclich zů lendeten, sie baide zefachen. Das ersach Theophilus, 1015 e das er die iunckfrowen er töttet, vnd floch von dannen. Die rober namen die iunckfrowen zů in in das schiff vnd fůrten sie hin weg. Der gebur kam haim zů siner frowen vnd sprach ,Frow, ich han volendet din gebot.‘ Sie sprach ‚Nim hin ain pfund goldes vnd zwai silbers vnd biß ewiclichen frij von allen diensten.‘ Sie ging zů irem man Strangwilioni vnd sprach ‚Unser 1020 tochter Tarsia ist getöttet. Wir söllen wainen [28v] vnd trurig sin vor dem volk vnd schwartze klaider anlegen vnd sprechen, Tarsia sie von grosser

___________ 1008 nit] D; nit dar tzů gz; nicht W. 1011 Wie die mer rober Tarsiam erlsten / vnd wie Strangwilio vnd sein weyb wonten sy wre tod vnd klagten sye vor dem volck / vnd wie die Burger ir lyessend ain kstlich grab gyessen. gz; f. D.

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Gesta Romanorum

nobis misit nutriendam, crudelis leena devoravit. Heu cecatus sum, lugeam innocentem, vinctus sum ad pessimum venenosumque serpentem. Elevans oculos ad celum ait: Deus, tu scis, quia mundus sum a sanguine Tharsie; et requiras a Dyonisiada! Respexit uxorem suam et ait: Quomodo suffocasti 440 filiam regis, inimica dei hominumque obprobrium! Illa vero induit se et filiam suam lugubres vestes, falsasque lacrimas fuderunt coram civibus, [dicentes:] Cives carissimi, ideo ad vos clamamus, quia spes oculorum nostrorum Tharsia, quam vidistis, subito dolore defuncta est et nobis cruciatus et amaros fletus reliquit; quam digne sepeliri fecimus. Tunc pergunt cives 445 ubi figuratum erat ex promeritis patris fabricatum ex ere corpus, ubi cives Tharsie virgini pro beneficiis patris ejus sepulchrum ex ere collatum fecerunt. Igitur qui puellam rapuerant venerunt ad civitatem Machilentam; deponitur ergo illa inter cetera mancipia venalis. Audiens eam leno infaustissimus ac impurus, contendere cepit, ut eam emeret; sed Athanagora princeps ejusdem 450 civitatis videns eam nobilem, pulchram, sapientem, obtulit decem sistercias auri. Leno ait: Ego dabo XX. Athanagora ait: Ego dabo LXX. Leno: Ego Gottfried von Viterbo: Pantheon

105. 123. Dicit eis: „Curate mei misere misereri, turpibus obsequiis ne me jubeatis haberi; credite, quod fuerim filia regis heri. 106. 124. Me peto vobiscum sub virginitate tueri; artibus et meritis justis scio justa mereri, sepe meis manibus questus honestus erit.“ 107. 125. Complacuit nautis, quod provida Tharsia dicit, et juvenum mentes ornata locutio vicit, castaque prevaluit virgo relicta sibi. 108. 126. Vela dedit ventis, tulit altos nauta meatus. virgo sue carnis nullos capit inde reatus. urbs Militena rati littora prima facit. 109. 127. Magnus Athenagoras rex prefuit in Militena. urbs populo plena fuit, inclyta, dives, amena. civibus in medio grande lupanar erat. 110. 128. Tharsia venalis media producta platea dum super arva meat, concurrit ab urbe chorea; nam maris esse deam turba putabat eam. 111. 129. Venditur emptori, qui stupra tenet regionis, arte lupanari vendebat jura pudoris. actor erat scorti turpis amore jori. 130. Leno Leoninus dictus ductor meretricum arte sua solitus corpus violare pudicum, unde solet patrie commaculare situs. 112. 131. Primus Athenagoras rex querit habere puellam.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

kranckhait gestorben.‘ Strangwilio volget irem rat. Sie klagten, sie wainten zwungenlich vnd schrijen mit lutter stijm ‚O was grossen vngefelles! Alle vnser fröd hat sich geendet, so die gestorben ist, von der wir richtum vnd 1025 glück empfangen haben!‘ Do die burger in der stat das klagen erhorten, sie lieffen zů vnd fragten vrsach ires trurens. Do sprach Strangwilio ,Tarsia die ain tochter gewesen ist des, der dise stat von hungers nöten erlöset vnd mir sie befolchen haut, die ist gählingen gestorben vnd hat vns nit gelassen wann wainen vnd klagen.‘ Do ward beweget mit laid vnd truren alles uolk 1030 vnd liess0en irem uatter zů eren, vmb die güttikait, die er in er zaiget het, giessen ain kostlich grab von meß vnd dar an schriben: Ir götter manes, dise begrebt hand giessen lassen die burger von Tarsia diser iunckfrowen umb das verdienen ires vatters.‘ 1035

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[26] Als aber die mer rober Tarsiam genomen hetten in das schiff vnd sie ser wunderten von irer schöne vnd mit vnzimlichem anfechten gegen ir beweget wurden, fiel sie dem patron des schiffes für die fieß vnd erzellet im ir grosses vngefell vnd bat sie, ir barmhertzig ze sin, [29r] das ir lib vnuermalget beliben möcht, vnd bezwang sie mit iren vernüftigen worten, das kainer vnder in was, der nit ain mitliden mit ir hette, vnd liessen sie vnuermalget. Sije fůren so lang, biß sie kamen zů der mächtigen stat Militena, dar in der gros künig Athanagoras regniret. Do lieff ain grosse mengin des uolkes zů dem schiff, ze sechen, was man koffmanschacz brechte, och der künig selber. Do ward ußgefüret Tarsia mit andren scheffen vnd offenlich fail gebotten. Do aber der küng Athanagoras die Tarsiam er sach, er het gros wunder von irer adelicher gestalt, schönij vnd gebärd, dar durch er bewegett ward, sie zekoffen, vnd leget uff sie ain grosse summ geltes. Das ersach der riffian vnd obrester maijster der offnen Sünderin, der och rich vnd möchtig worden was von den süntlichen wercken der frowen. Der gedacht ,Wann dir dise iunckfraw werden möchte, so gewunnest du grosses gůt, wann ir schöni ist nit menschlich sunder den göttin zeglichen‘, vnd schlůg mer uff sie, denn der künig getan hett. Der künig meret sin summ über in. Der riffian schlůg so lang über in uff, das der küng abließ vnd gedacht, er wölte

___________ 1026 vnd fragten vrsach ires trurens] D; vnd fragten, was vrsache irs trauren were W; f. gz. 1031 giessen] D; giessen vnd machen gz, W. 1036 Wie Tarsia in der stat Militena in das gemain frowen huß verkoffet ward. gz; f. D. 1038 die] gz, W; der D. 1040 fieß] gz, W; f. D. 1041 barmhertzig ze sin] D, W; ze barmhertzig sin gz. 1046 brechte] D; dar jnn brchte gz, W. 1047 selber] D, W; f. gz. scheffen] D; scheffan gz; schäffen W. 1048 die] D; f. gz, W. 1055 denn] D; wann gz, W. 1056 der] gz, W; f. D.

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Gesta Romanorum

XL. Athanagora: Ego L. Leno: LX. Athanagora: LXX Leno: LXXX. Athenagora: XC. Leno: C sistercias in presenti dabo. Et ait: Si quis amplius X sistercias auri, dabo supra. Athanagora ait: Ego, si cum lenone contendere voluero, ut unam emam, plures venditurus sum; permittam eum emere, et cum prostituerit eam, lupanar intrabo, prius ad illam, et eripiam nodum virginitatis ejus, et erit mihi sicut emerim eam. Quid plura? Perrexit cum lenone in salutatorium, ubi habuit Priapum aureum et gemmis adornatum et ait: Puella, adora istum! Ait illa: Nunquam tale adorem. Et ait: Domine, numquid Lapsatenus es tu? Leno ait: Quare? Et illa: Quia Lapsateni colunt Priapum. Leno ait: Nescis tu misera, quia in domo lenonis avari incurristi? Puella prosternens se ad pedes ejus ait: O domine, miserere virginitati mee, ne prostituas hoc corpus pro tali turpi titulo! Cui leno: Nescis, quia apud lenonem et tortorem nec preces nes lacrime valent? Tamen vocavit villicum puellarum et ait: Hes puella ornetur vestibus puellaribus preciosis et scribatur si titulus: Quicunque Tharsiam violaverit, mediam libram dabit; postea ad singulos solidos parebit populo. Villicus fecerat, quod jussum fuerat. Cum lenone antecedente turba [126 b] tercia die cum symphonia ducitur ad lupanar, sed Athanagora princeps primus ingreditur velato capite. Tharsia videns eum, projecit se ad pedes et ait: Miserere mei, domine, propter deum, et per deum te adjuro, ne velis me violare! Resiste libidini tue, et audi casus infelicitatis mee, et originem unde sim diligenter considera. Cui cum universos casus suos exposuisset, princeps confusus et pietate plenus ait ei: Habeo et ego filiam tibi similem, de qua similes casus metuo. Hec dicens dedit ei XX aureos dicens: Ecce habes amplius pro virginitate, quam impositum est.

Gottfried von Viterbo: Pantheon

primitias cui virgineas dum leno reservat, in thalamum regis Tharsia tracta venit. 113. 132. Solus ubi soli rex debita querit amoris, virgo suis lacrimis defendit jura pudoris et petit audiri pro bonitate viri. 114. 133. „Parce mihi, bone rex! sed plus tibi parcere cura! respice preterita, potius perpende futura: tu tibi precipias nobilitate tua. 115. 134. Regis Apollonii sum filia. Tranquilioni dum commissa forem, sum tradita perditioni sumque manu servi jussa sub ense mori. 116. 135. (Res erat in fatis et ego quasi perdita gratis, cum properando ratis adiit me plena piratis, meque datam morti predo pirata rapit.) 135. Dum mediis pratis fueram quasi perdita gratis, piratis cito plena ratis venit. hisque citatis me mea fati pati dum videt, ipse rapit.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

sunst der erst sin, der sine libliche begirde mit der iunckfrowen volbrechten, vnd were im glich, als ob er sie selb gekoffet hette. Der riffan füret sie haim in das gemain hus [29v] der sünden in ain zierliche kamer, dar inn het 1060 er den got Priapum mit gold vnd edlem gestain wol gezieret, vnd sprach zů ir ,Den soltu anrüffen vnd bitten, das er dir gelücklich vnd hilfflich sie in dinen wercken.‘ Sie sprach ‚O herr, kainen sölichen got hab ich nie an gebetten. Ich main du siest ain Lapsetenus, der selben got ist Priapus.‘ Do sprach der riffian ‚O du gůtte diern, sichest du nit das du mittel in dem 1065 selben leben bist? Durch die werk der selben wil ich richer von dir werden.‘ Do das die iunckfrow erhöret, sie fiel im für die füß vnd sprach ,O herr, biß barmhertzig miner künschait vnd laß mich nit gesetzet werden in den schantlichen namen der sünden.‘ Antwirt er ‚Waist du nit, das gegen dem hencker vnd dem riffian weder gebett noch wainen hilfflich sind?‘ 1170

[27] Dar mit berüffet er sinen knecht vnd sprach zů im ,Las mir die diernen

1075 zieren mit kostlichen klaideren vnd gebenden, vnd schrib ainen zedel an

das tor: Welcher der erst wel sin zů der Tarsia, der sol geben ain schilling guldin, der ander ain halben, dar nach ieder ain guldin.‘ Aber der küng Athanagoras hett bestellet, das er der erst wölt sin, vnd ging haimlich vnd verbunden in die kamer Tarsie vnd liebet sich zů ir nach vnzimlicher bewe1080 gung des gemütes. Do Tarsia das ersach, sie fiel im für die füß vnd sprach zů im [30r] ,O herr, biß mir barmhertzig vmb den willen des obrosten gottes! Du bist ain künig vnd söllend alle tugend in dir erlüchten. So bit ich dich, du wellest durch die tugent der sterckin dinen bösen glüsten wider stan, vnd hör vor min vngefell, so wirst du mit mir laidig werden. Ich bin 1085 küngliches geschlächtes von vatter vnd můter. Ich bin uff dem mer geboren, min můter starb an dem geberen. Ich ward in dem ellend befolchen zeleren vnd ze neren Strangwilioni, der wolt mich lassen tötten. Do ward ich erlediget von der hand des morders von denen, die mich in diß süntlich leben verkofft hand. O künig, das laß dich erbarmen, wann es ist wol zimlich, das 1090 küngklich geschlächt von kunigen geeret werd vnd beschirmet, vnd hilff mir das ich morn als hǜt min künschait behalten müg nach minem willen, dar durch dir lob vnd er von aller welt gesprochen wirt.‘ Der küng ward beweget in barmhertzikait, das im die gen mit ir zächern wurden, vnd sprach zů ir ,Din vngefell hat mich beschwäret. Nim hin zwaintzig guldin, ___________ 1057f. volbrechten] D; volbrchte gz, W. 1064 mittel] D; mitten gz, W. 1072 Wie Tarsia von dem kủng vnd mengklichem vnvermalget belib / vnd wie sy all man beweget in barmherczikayt daz sy wainen wurden gz; f. D. 1083 glüsten] D; gelùsten gz; gelüsten W. 1084 vor min] D, W; von meim gz. 1087 ze neren] gz, W; zeneen D. 1088 denen] D, W; denen mer rober gz. 1089 wann es ist wol zimlich] D, W; wann es wol zimlich ist gz. 1091 künschait] D; keuschait gz, W.

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Gesta Romanorum

Dic advenientibus, sicut mihi dixisti, et liberaberis. Puella profusis lacrimis ait: Ego pietati tue gracias ago, et ne alicui narres, que a me audisti! Athanagora ait: Nisi narravero filie mee, cum ad talem etatem pervenerit, similem casum ne patiatur. Et cum lacrimis discessit. Cui exeunti obviavit ei alius et ait: Quomodo tibi convenit cum puella? Ait princeps: Non potest melius. Erat enim tristis. Intravit juvenis, puella more solito ostium claudit. Cui juvenis ait: Quantum dedit tibi princeps? Ait puella: Quadraginta aureos. Et ille: Accipe integram libram auri! Princeps audiens ait: Quanto plus dabis, tanto plus plorabit. Puella nummos accepit, projiciens se ad pedes et casus indicavit. Apoziatus juvenis ait: Surge, domina, homines sumus, casibus omnes subjacemus. Hiis dictis exiit, vidit itaque Athanagoram ridentem, ait illi: Magnus homo es, non habes, cui lacrimas propines, nisi mihi. Et jurabant, ne hec verba cuiquam proderent, et ceperunt adventum aliorum exspectare. Venerunt multi dantes pecuniam, sed flentes exibant. Postea obtulit pecuniam lenoni dicens: Ecce pecuniam virginitatis mee! Ait leno: Vide cotidie, ut tantas pecunias mihi offeras! Altera die adhuc eam virginem audiens iratus vocans villicum puellarum dixit: Duc eam ad te et frange nodum virginitatis ejus! Cui villicus ait: Dic mihi, si virgo es? At illa: Quamdiu vult deus, virgo sum. At ille: Unde tantam tulisti pecuniam? Puella ait: Lacrimis profusis exponens casus meos rogavi homines, ut misericordiam virginitatis mee haberent. Et prosternens se ad pedes ejus ait: Miserere mihi, domine, subveni captive regis filie, ne violes me! Ait ille: Leno est avarus; nescio, si possis virgo permanere. At illa: Studiis liberalibus erudita sum et in genere musicali possum, modulari. Duc me in forum, ubi poteris facundiam meam

Gottfried von Viterbo: Pantheon

136. Sic juvenem fortem fugiens incurro cohortem, sic mea mors mortem peperit, sors horrida sortem, perdita que fueram, perdita rursus eram. 117. 136. 137. Regula mercati contraria nobilitati, dedita luxuriis, gravis emula virginitati, me tibi prostituit, turpia lucra pati. 118. 137. 138. Hec tibi displiceant, quia te decet atra vereri. regia sum genere, cupio te rege tueri: sit mihi virginitas cras, peto, sicut heri. 119. 138. 139. Integra censeri cupio, volo casta teneri, unde tibi laudem poteris sine fine mereri, et tibi perpetuo gloria grandis erit. 120. 139. 140. Tharsia dum thalamo jam prostituenda putatur, obtinuit probitate sua, ne prostituatur. alterius generis lucra parantur ei. 121. 140. 141. Tharsia lenoni cupiens lucrosa putari (videri) versibus et citharis studuit quam plura lucrari (mereri),

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

1095 das ist mer wann uff dich gesetzet ist vmb die warck der sünden, vnd bitte

dich, das du wöllest din künschait behalten gegen den andren, als du sie vor mir behalten haust.‘ Die iunckfrow wainet vor fröden vnd saget lob vnd danck siner gütikait. Da mit schied er von ir. Zů hand ging zů ir in die kamer [30v] ain iungling, des künges Athanagoras diener, vnd sprach zů ir 1100 ,Der künig ist truriger von dir ußgangen. Du solt mir früntlich sin, so wil ich dir mer geben wann der künig.‘ Die iunckfrow nam das gold vnd fiel im für die füß vnd erzelet im ir vngefel, als sie dem künig vor getan hett. Do das der iungling höret, er erschrack dar ab vnd sprach ‚O fraw, stand uff! Wir sind auch menschen vnd müssen täglich sölichs vngefells wartend sin.‘ 1105 Da mit schied er ouch zecherend von ir. Das ersach der künig vnd sprach lachend zů im ,Du bist iung vnd starck, wilt du dich nit schämen, das du lachend zů ainer iunckfrowen ingast, mit ir fröd zehaben, vnd wainend von ir uss schaidest?‘ Da mit verhiessen sie ainer dem andren, das sie nit sagen wölten, wie es in ergangen were, vnd hetten ain uff mercken uff die andren, 1110 die in gingen zů ir, vnd sachend sie all wainend usgan. Do es abend ward, der riffian vordret das gelt von ir. Sie sprach ,se hin den lon von miner künschait, die ich mit zächeren vnd bett behalten han.‘ 1115

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Do aber der riffian höret, das sie dannocht iunckfrow was, er berüffet ainen buren, dar zů geordnet, vnd sprach zů im ,Für hin die dirnen in din gemach vnd [31r] brich die schlos irer kunschait.‘ Als er sie in sin kamer gefüret, 1120 sprach er zů ir ‚Sag an ob du ain iunckfrow siest?‘ Sie antwirt ,Ia ich bins vnd wil es sein so lang als mir der obrost got bijstendig wesen will.‘ Do sprach der gebur ‚So sag an, wie hast du dich rain behalten vor so vil mannen vnd dar zů vil geltes gewunnen?‘ Antwirt Tarsia ,Ich han in allen erzelet min vngefell, so hand sie ain erbärmd mit mir gehäbt. Wil ich dich bitten, 1125 du wellest mir och gütig und barmhertzig sin.‘ Do sprach der schel ,Ob ich das geren däte, so ist din maister so gijtig uff das gůt, wann er hat dich vmb gewinnes willen koffet. Doch wistest du ander weg, gelt zegewinnen, so wölt ich dir hilflich sin.‘ Antwirt Tarsia ,Ich bin wol geübet uff singen vnd sprechen, dar zů ain maistrin uff der harpffen, da mit ich das gemüte ___________ 1095 warck] D; werck gz, W. 1096 als du] D, W; als gz. 1098f. ging zů ir in die kamer ain iungling D; gieng ain ander jủngling zů ir in die kamer gz; gienge zů ir ein in die cammere ain edler iungling W. 1105 von ir] D, W; da hin gz. 1108 ainer dem andren] D, W; ainander gz. 1112 bett] D; gebet gz, W. 1115 Wie der Riffian ain gepuren beryeffet der Tarsiam schmehen solt / vnd wie er sy och rain ließ / vnd wie er ir sunst half gelt gewynnen gz; f. D. 1119 irer] D, W; ir gz. in] in D doppelt, einmal hs. durchgestrichen. 1121 sein so lang als] gz; lang beliben, ist das D; also lang beleiben als W. 1125 und] gz, W; um D. schel] D; gebur gz; schele W. 1127 koffet] D; gekoffet gz; gekaufft W.

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Gesta Romanorum

500 audire, propone questiones populo, et proposita solvam. In hac arte applica-

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bo pecunias cotidie. At ille: Mihi bene placet. Omnis populus cucurrit ad virginem videndam. At illa aggreditur facundiam studiorum, questiones sibi proponi jussit, omnes clare solvit, et sic per talem modum multam [127] pecuniam a populo recepit. Athanagora vero illam integra virginitate custodivit ut unicam filiam, ita, ut eam donis multis villico commendaret. Cum hec agerentur, venit Appollonius, XIV anno jam transacto, ad domum Stranguilionis et Dyonisiadis ad civitatem Tharsim. Quem cum vidisset Stranguilio, perrexit rapido cursu dixitque uxori sue Dyonisiade: Dixisti Appollonium naufragum esse mortuum; ecce venit ad repetendam filiam! Ecce, quid dicturi sumus pro filia? Et illa: Miser vir et ego conjux accipiamus vestes lugubres, perfundamus lacrimas et credet nobis, quod filia ejus naturali morte defuncta est. Cum hec ita agerentur, intravit Appollonius; ut vero vidit eos lugubri veste indutos, ait: Quare in adventu meo fundtitis lacrimas? Credo, quod iste lacrime non sunt vestre, sed mee. Ait mulier nequam: Utinam ad aures tuas alius et non ego aut conjux meus diceret, quod jam dicam! Tharsia tua filia subito defuncta, est. Appollonius hec audiens, totem corpus ejus contremuit, diuque defixus stetit. Tandem resumpto spiritu intuens mulierem ait: O mulier, si filia mea defuncta est, ut dicis, numquid et pecunia ac vestes simulque perierunt? At illa: Alique sunt, alique perierunt. Et dixerunt: Crede nobis, quia credidimus, quod filiam venientem invenires, et ut scias, nos non esse mentitos, habemus testimonium; cives enim nostri memores beneficiorum tuorum in proximo litore ex ere collato filie tue monumentum fecerunt, quod potes videre. Appollonius credens, eam esse defunctam, ad famulos ait: Tollite hec, famuli, et ferte ad navem! Ego vadam ad filie mee monumentum. Legit titulum sicut superius est scriptum. Gottfried von Viterbo: Pantheon

unde lupanari distulit ipsa dari. 141. 142. Villicus est et claviger est scorti domitatus, sed pius est et virginis est precibus miseratus, cuius ab auxiliis protegit ipsa latus. 122. 142. 143. Nobilium dona conquirere Tharsia prona, membra pudicitie redimit laudisque coronam, lucraque multiplicat, dum citharista sonat. 123. 143. 144. Taliter obtinuit, ne corpore commaculetur, neve lupanari vel sorde viri violetur. integra stat secum fertque tenetque decus. 124. 144. 145. Magnus Apollonius cum jam sua regna teneret, pergit, ut et natam secum mereatur habere, atque sepulturam matris adire geret. 125. 145. 146. Rex pater ut venit, ubi sit sua Tharsia querit, hospita defunctam satagit mentita fateri. rex sine fine gemit, spesque paterna perit.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

1130 des uolkes wol bewegen wil, mir ze geben. So bin ich och der siben künst

gelert. Für mich an den marckt, so wil ich erzaigen was ich kan.‘ Der gebur erhöret ir gebett vnd füret sie mit irem saittenspil an offnen marckt. Da lies sie ir fragen uffbietten vnd verantwirt sie so subtilclich, das mengclich dar ab wundert. Sie sang och so wol uff der harpffen, das grosse mengin des 1135 uolkes zů höret, dar durch sie vil geltes verdienet, [31v] das sie alles irem maister gab. Athanagoras het ain sunder uffsechen zů der iunckfrowen vnd was ir zů allen zijtten hilfflich vnd rätlich, das sie ir künschait behielte. 1140

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In den zijtten, als vierzehen iar vergangen waren, kam der künig Appolonius in die stat Tarsiam, das er sin tochter mit im hin weg fůrte. Do das Strangwilio vnd sin wijb erhörten, sie legten bald an ir schwartze klaider vnd gingen im 1145 engegen wainend mit nassen gen vnd falschen zächeren. Do sprach der küng ‚O was bedütet, das ir wainend in miner zů kunft? Ich han sorg, die zächer sien min, nit ủwer.‘ Do sprach die frow ,O herr, ich můß dir sagen das ich vngeren tůn vnd wer mir lieber es würde dir von ainem andren wann von mir oder minem man kunt getan: Din tochter Tarsia ist gächlingen 1150 gestorben.‘ Do das Appolonius erhöret, aller siner lib erzittret vnd ward sin gemüt verstoppet, das er lang vor schreken nit reden kund. Über lang, als er wider zů krefften kam, sprach er ‚O wijb, wie übel hast du dan gehütet.‘ Do sprach sie ,Herr, ich hab getan nach minem vermügen, vnd als sie gestorben ist, han ich gesagt den burgeren von diser stat, das sie din tochter gewesen 1155 ist, die haben dir zů eren ain kostlich grab von messing güssen lassen.‘ Do sprach [32r] Appolonius ‚Ich wil da hin gan vnd das sechen.‘ Als er aber

___________ 1130 mir] D, W; f. gz. künst] D, W; kùnsten gz. 1131 mich] D, W; mith gz. 1132 ir] D, W; der Junckfrowen gz. 1140 Wie Appolonius in Tarsiam kam / das er sein tochter neme / vnd wie er sich vor layd an den boden des schiffes leget vnd nit mer dar uß kommen wolt· gz; f. D. 1143 das er] D, W; da er gz. 1145 engegen wainend] D; waynend engegen gz, W.

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Gesta Romanorum

Stetit quasi extra se, maledicens oculos proprios et ait: O crudeles oculi filie mee Cernue, non potuistis lacrimas fundere! Hiis dictis ad navem perrexit et ait famulis suis: Projicite me, queso, in profunditatem maris! Cupio enim in undis exhalare spiritum. Et dum prosperis navigat Tyrum, reversus subito, mutatum est pelagus et per diversa maris discrimina naves jactabantur; omnibus autem deum rogantibus ad Machilenam civitatem, in qua erat filia sua Tharsia, venerunt; gubernator autem cum omnibus magnum plausum dedit. Ait Appollonius: Quis sonus hilaritatis aures meas percussit? Ait gubernator: Gaude, domine, quia hodie natalicia celebrantur! Appollonius ingemuit et ait: Et omnes diem festum celebrent preter me; sufficiat famulis meis pena mea ac dolor, dono eis X aureos, et emant, que voluerint, et diem festum celebrant, et quicunque vocaverit me vel gaudium mihi fecerit, crura illorum frangi jubeo. Dispensator itaque necessaria [127 b] tulit et rediit ad navem. Cum igitur omnibus navibus navis Appollonii honoracior esset, cum magno convivio ceteris melius celebrant naute Appollonii. Athenagora, qui Tharsiam diligebat, juxta navem in litore ambulabat, vidit navem Appollonii et ait: Ecce, amici, navis ista mihi placet, quam video decenter esse paratam. Naute ut audiunt suam navem laudari, dixerunt ei: O domine, rogamus, in navem nostram ascendatis! Et ille: Mihi placet. Ascendit et libenti animo discubuit, posuitque decem aureos in mensa et ait: Ecce non frustra me invitaveritis! Et dixerunt: Domine, regratiamur vobis. Cum autem princeps vidisset omnes discumbentes, ait: Quis est dominus navis? Ait gubernator: Dominus navis in luctu moratur; jacet inferius et mori optat in mari, conjugem perdidit et falicam in terra aliena. Athanagora ait uni servo Ardalio nomine: Dabo tibi duos aureos; tantum descende et dic ei: Rogat te princeps civitatis hujus, procede de tenebris ad lucem! Ait juvenis: Non possum aureis tuis crura reparare. Quere alium, quia jussit, quicunque eum appellaverit, crura ejus frangantur. Athanagora ait: Hanc legem vobis constituit, non mihi; ego autem descendam ad eum. Dicito mihi, quomodo vocatur. At illi: Gottfried von Viterbo: Pantheon

126. 146. 147. Dicta pater credit: dolor inclytus intima ledit, tristior incedit, dum per maris alta recedit. urbis ad arva redit, que Militona (Militena) dedit. 127. 147. 148. Grandis erat festiva dies recolenda per urbem. adveniunt turbe patremque venire perurgent, ut curet festis letus adesse suis. 128. 148. 149. Rex cito festinat clausa latitare carina, qua sua sentina tenebras, non gaudia, minat, et jubet, ut famuli gaudia nulla sinant. 129. 149. 150. Magnus Athenagoras rex advenit ex Militena tristitiam removere volens ad gaudia plena. nec sibi permissum, quod cupiebat, erat.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

des grabes übergeschrifft lase, redet er vngestümlich vnd verflüchet sine gen vnd sprach ,O ir herten gen, wie mügen ir vngewainet sin, so ir lesend den titel des grabes miner tochter?‘ Da mit schied er von dann vnd 1160 ging in sin schiff, in mainung, wider umb in sin küngrich ze faren. Do er aber uff das mer kam, ward er mit sölichem vnmůt beweget, das er abging in den boden des schiffes vnd sprach zů sinen dienern ,Alle min fröd hat sich geendet, da sol min wonung sin bis in den tod.‘ Zů hand erhůbe sich ain grosses vngewitter, das der patron von dem schiff schier verzwiffelt 1165 was. Do batten sie alle got Neptunum, das er im hilffe zů ainer porten, wa die were. Also warff sie der wind zů der stat Militena da sin tochter inne was. Do lobten sie alle got, das sie von sorgen erlediget waren. [30]

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Als sie aber an das gestad kamen, da sachen sie grosse fest, wann man beging den hochzijtlichen tag Neptuni des meres got. Do ging der schiff herr zů Appolonio vnd sprach ‚O herr, dise stat ist erfüllet mit fröden, man machet Neptunalia.‘ Antwirt der küng ‚Ich günne ijederman siner fröden, ich sol aber trurig sin. Doch das min kumer min diener nit zevil beschwere, so nim hin die zwaintzig guldin, da mit ir dises hochzijt [32v] insundern fröden och begangen. Doch so ferr, welcher mich zů den fröden berüffe, das man im sine schinbain erschlache.‘ Er nam das gelt vnd kouffet darumb, das im not was zů den fröden. Athanagoras der küng sach das schiff vnd sprach zů sinen dieneren ,So ain kostlich wol beraittes schiff hab ich nit mer gesechen.‘ Do das die schiff lütt erhörtten, sie sprachen ,O her, wir bitten dich das du her in gangest, das recht zesechen nach dinem willen.‘ Er ging zů in in das schiff vnd hielt wirtschafft mit in vnd schencket in nach sinen eren ouch zwaintzig guldin vnd sprach ,Das ir mich nit vmb sunst geladen habend, so söllend ir da mit begabet sin. Doch wölt ich geren wissen, welcher der herr dises schiffes were.‘ Do sprach der patron ,Der herr hat laid vnd liget an dem boden des schiffes vnd begeret, in dem mer ze sterben, darumb das im sin tochter uff dem land gestorben ist.‘ Do sprach Athanagoras zů ainem knecht, Ardalio gehaissen ,Ich schencke dir zwen guldin, das du in haissest uffher gan.‘ Antwirt er ‚Vmb zwen guldin möcht ich mine schinbain nit wider machen. Er hat gesetzet, wer in zů fröden berüffet, dem sol man sine schinbain zerschlachen.‘ Do sprach Athanagoras ‚Diß gesatzt hat er ủch, nit mir gemacht. [33r] Ich wil abgan zů im, ob ich in

___________ 1157 grabes] gz, W; graber D. 1165 im] D; in gz, W. 1170 Wie sy gen Militena kamen / vnd wie jn der kủnig Athanagoras gern zů frden bracht hett vnd wie er in trost gz; f. D. 1172 kamen] D; kommen waren gz, W. 1176 ich sol aber trurig sin] D; aber ich sol trurig sein gz, W. 1178 begangen] D; begangend gz, W. 1179 erschlache] D, W; zerschlache gz. 1181 nit] D, W; nye gz. 1184 schencket in] D; schencket innen gz, W. 1191 uffher] D, W; heruff gz.

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Gesta Romanorum

555 Appollonius. Audito hoc nomine, ait intra se: Et Tharsia appellavit patrem

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suum Appollonium! Descendit ad eum; quem ut vidit barba prolixa, caput squalidum, submissa voce dixit: Ave, Appolloni! Appollonius ut audivit, putans se ab aliquo servorum appellari, turbulento vultu respiciens vidit ignotum hominem, honestum et decorum, siluit. Ait ei princeps: Scio, te mirari, quod ego ignotus te appellavi. Disce, quia princeps sum hujus civitatis, Athanagora nomine; descendi ad litus naves contuendas; inter cetera vidi navem tuam decenter ornatam et amavi aspectum suum; invitatus eram a nautis tuis, ideo ascendi et libenti animo discubui; inquisivi dominum navis, quem dixerunt in luctu grandi esse; propter quod ad te descendi, ut te de tenebris producerem ad lucem; spero, quia dabit tibi deus post luctum gaudium. Appollonius levavit caput et dixit: Quis es, domine, vade in pace; ego autem non sum dignus epulari, et ideo amplius vivere nolo. Athanagora confusus ascendit in superiori navis et dixit: Non valeo persuadere domino vestro, ut ad lucem exeat; quid faciam, ut revocem a proposito mortis? Vocavit unum de pueris suis et ait: Vade ad lenonem et roga eum, ut mittat ad me Tharsiam; habet enim sapienciam et sermonem suavem; poterit eum forsitan exhortari, ne talis taliter moriatur. Venit igitur puella ad navem, ad quam ait Athanagora: Veni ad me, Tharsia! Ubi nunc est ars studiorum tuorum, ut consoleris dominum navis in tenebris sedentem, [128] et ut provoces eum exire ad lucem, quia nimis dolet pro conjuge et filia sua. Accede ergo ad eum, ut ad lucem veniat, quia forte deus per te luctum suum in gaudium convertet. Si enim hoc poteris facere, dabo XXX sestercias auri et totidem argenti et triginta dies redimam te a lenone. Puella hec audiens, constanter ad eum descendit et humili voce salutavit eum dicens: Salve, quicunque es, et letare scias; quia innocens virgo, que virginitatem suam inter naufragia sua et castitatem inviolatam conservavit te salutat! Tunc in carminibus cepit Gottfried von Viterbo: Pantheon

130. 150. 151. Dicit Athenagoras: „o Tharsia, virgo decora! versibus et citharis hunc letificare labora! munera percipies, que cupis, absque mora.“ 131. 151. 152. Ad patris ignota (ignoti) solatia Tharsia venit, nec tamen arte sua tormenta doloris ademit; nam pater in tenebris stans sua fata gemit. 132. 152. 153. Hicg emit, illa canit cantuque resultat inani; nam pater insanit, rumpuntur vertice cani, commotusque magis rex lacrimanter ait: 133. 153. 154. „Vade, puella, foras! mea mens merore laborat: longius a prora, si vis, tua dicta perora! si mea vis dona, desine! vade foras!“ 134. 154. 155. „Non tua dona volo; sed que problemata promo, nunc mihi te solo solvi reserante peroro.

223

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

1195 zů fröden bringen möchte.‘ Er kam zů im vnd sach in ruchen vnflätigem mit

langem bart, vnd sprach zů im mit senffter stimm ‚Gegrüsset siest, herre!‘ Appolonius gedacht, es wer ainer siner diner, vnd wolt in zoren gegen im bewegt sin, vnd hebet sin antlüt uff vnd sicht ain künglich person vor im stan wolgezieret, vnd verdrucket sinen zoren. Do sprach Athanagoras ‚Herr, 1200 du solt nit wundern, das ich zů dir komen bin. Ich bin ain fürst von diser stat, vnd hand mir dine diner gesaget, du siest in laid gesetzet. Darumb ich beschwäret bin vnd kom zů dir dich zetrösten, vnd bitte dich du wellest uß der finstrin gan an das liecht vnd hoffnung haben zů got, das er din truren in fröd verkeren werde.‘ Appolonius antwirt im ‚Nach minem vngefell bin 1205 ich nit wirdig, kainerlaij fröd zehaben. In disem boden des schiffes wil ich ersterben. Dar umb, du siest wer du wellest, so dancken ich diner güttikait, vnd gang hin in dem frid. Du magst bij mir nit mer geschaffen.‘ Athanagoras ging hin uff zů sinen dieneren vnd saget inen, das er iren herren nit möcht ze fröden bringen. 1210

[31] Athanagoras gedacht ainen weg, wie er in ze fröden brecht, vnd berüffet

1215 siner diener ainen vnd sprach zů [33v] im ‚Ge hin zů dem frowen wiert

vnd bitt in von minen wegen, das er mir Tarsiam senden wölle, die ist wol gespräch vnd süsser wort. Villücht möcht sie durch ir wijßhait den küng berüffen zů den fröden vnd bewaren vor dem tod.‘ Tarsia kam in das schiff. Da sprach Athanagoras zů ir ,Ich bit dich, du wellest ussziechen alle dine 1220 kunst, ze trösten den herren dises schiffes, der an der fünstrin des bodes sitzet, ob du in bewegen möchtest zů fröden, das er heruß ging an das liecht. Darumb wil ich dir geben drissig stuck goldes vnd so vil silbers.‘ Die iunckfrow ging kecklich hin ab in das schiff vnd grüsset in mit senffter stimm vnd sprach zů im ‚Du siest wer du wellest, so grüsset dich ain raine 1225 iunckfrow, die ir künschait in grosser anfächtung behalten haut.‘ Mit den

___________ 1195f. sach in ruchen vnflätigem mit langem bart] D; sach in mit ruch, vnfltig, lang bart gz; fandt in rauh vnflättigen mitt langem partt W. 1196 herre] D; Der herre gz; du herre W. 1198f. vor im stan] D; f. gz, W. 1204 verkeren] D, W; keren gz. 1207 magst] D, W; macht gz. 1212 Wie Athanagoras Tarsiam berieffet vnd wie vil er ir verhieß wann sye jn frlich machte. gz; f. D. 1214 vnd] D, W; f. gz. 215 siner] D, W; seinen gz. Ge] D; gang gz, W. 1216 mir] gz, W; mar D. 1221 zů] D, W; zů den gz. ging] D, W; die gieng gz.

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Gesta Romanorum

modulata voce cantare et in tanta dulcedine, quod admirabatur Appollonius; et dixit cantando ea, que hic sequuntur: 585 Per scortes gradior, sed scortum conscia non sum,

Sis spinis rosa nescit violari et ullis, Corruit et raptor gladium ferientis ab ictu. Tradita lenoni, non sum violata pudore. Vulnera cessassent animi, lacrimeque deessent. 590 Nulla ergo melior, si noscem certa parentes. Unica regalis generis sum stirpe creata. Ipsa jubente deo letari credo aliquando. Fuge modo lacrimas, curam dissolve modestam! Redde polo faciem mentemque ad sidera tolle! 595 Jam deus est hominum plasmator rector et auctor; Non sinet has lacrimas casso finire labore.

Ad hec Appollonius levavit oculos, et ut puellam vidit, ingemuit et ait: Heu

Gottfried von Viterbo: Pantheon

surge! recede solo, te precor absque dolo.“ 135. 155. 156. Tharsia fortunam memorat cantando (cantatque) paternam et mala, que patitur, numerat psallendo moderna, regis Apollonii tristia fata canit. (fert sua vel patris tristia fata satis). L 86, 10. Per sordes gradior, sed sordis conscia non sum, ut rosa per spinas non novit acumine pungi. eripior gladio servi ferientis iniquo. 87, 1. vendita lenoni sum non violata pudore. si lacrime et luctus mihi non tam grandis adesset, 5. nobilior nulla me nata parentibus esset. regio sum genere et stirpe propago priorum. letari jubeor casu dominante dolorum. fige modum lacrimis curamque resolve tuorum! redde polo faciem mentemque ad sidera tolle! 10. sic deus hic aderit hominum solator et actor, qui sinit hos fletus fieri, jubet ipse resolvi.

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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wortten fieng sie an zesingen mit senffter stimm zů der harpffen so maisterlich, das Appolonius gros wundern dar ab hett, vnd was ir gesang von wortten uff die mainung 1230

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‚Min wesen han ich in dem kat, Doch vnvermalget blibt min wat. Das rößlin bij dem dorn stat, Kan schande es dar von an gat, Es blibt fin rain nach siner sat. Also flüch ich der sel vnflat En mitten in den sünden. Dem ich solt wesen lieb vnd wert, Der aller [34r] maist mins todes gert, Der find lost mich von findes schwert. Min vngefell sich täglich mert Je mer vnd mer glück sich verkert, Der künschait haß mins libs begert. Mer wil ich dir verkünden: Verkouffet ward ain blům der florn. Aint gebott ging uß mit grimen zorn, Ich solt min künschait han verloren. Got halff mir uß den nötten. So edle ist ietz nit geborn, Stäch mich nit vngefelles dorn. Noch tůn ich als das künsch ain horen, So man es sůcht zetötten. Ich stüpff min sinn mit wißhait sporn. Also tů och, herr ußerkorn. Haust hüt nit glick, es kompt morn. Din laid solt du beschniden. Vff götlich gnad setz din geding, Mit siner hilff nach fröden ring. Herr wie min harpff so süß erkling, Zů fröden ich laidiges hertz zwing. Din gemüt also zů got uff schwing, Der wirt dir wenden misseling, Din truren gar verkeren.‘ Der küng Appolonius

___________ 1233 Kan] D; Kain gz, W. 1244 der] in D doppelt. 1245 Aint] D; Ain gz, W. grimen] D; grimem gz, W. 1250 horen] D; horn gz, W. 1253 tů och] D; tů ich gz; tůn ouch W. 1254 glick] D; glủck gz; gelück W. 1255 beschniden] D; beschntten gz; beschnatten W. 1258 Herr] D; Hör gz, W. 1259 ich laidiges hertz] D; laidigs hercz ich gz, W.

226

Gesta Romanorum

mihi misero, quamdiu luctabor! Gratias ago prudentie tue et nobilitati! Hanc

600 vicem rependo, ut memor tui sim; quando letari licet, regni mei viribus le-

vabor; forsitan, ut dicis, regio genere orta es, natalibus parentum tuorum representaberis; nunc accipe centum aureos et recede! Noli me appellare; recenti enim luctu renovata calamitate tabesco. Puella acceptis aureis abire cepit et ait ad eam Athanagora: Quo vadis, Tharsia ? Sine effectu laborasti; 605 non potuisti facere misericordiam ac subvenire homini interficienti se? Et ait Tharsia: Omnia, quecunque potui, feci, et dans mihi centum aureos abire rogavit. Athanagora ait: Dabo tibi ducentos et descende et redde ei, quos dedit, et dic: Salutem tuam quero et non pecuniam. Desesndens Tharsia ait, et sedit juxta eum: Si in isto squalore estimasti manere, permitte me tecum 610 sermocinari: Si ergo parabolarum mearum solveris questionem, vadam; sin alias, refundam tibi pecuniam et recedam. Tunc Appollonius, ne reciperet pecuniam, sed eciam puelle prudentis ne negaret sermones, ait: Licet in malis meis nulla cura mihi suppetat, nisi flendi et lugendi, tamen, ne ornamento prudentie tue caream, dic, que mihi interrogatura es, et abscede; peto enim 615 ut fletibus meis [128 b] spacium tribuas. Ait Tharsia: Audito me! Est domus in terris, que nobis clausa resultat; Ipsa domus resonat, tacitus sed non sonat hospes, Ambo cum currunt, hospes simul et domus una. 620 Gottfried von Viterbo: Pantheon

His versibus auditis Apollonius levato capite dixit: „Heu me miserum! Quamdiu contra 88, 1. pietatem luctabor?“ Et erigens se resedit et ait ad Tarsiam: „Ago prudentiae tue et nobilitati tue maximas gratias et, si aliquando 5. me letari contigerit, consolationis tibi vicem rependam, et quia dicis te natalibus regalibus ortam, ego te forsitan parentibus tuis reddam. nunc accipe aureos CC, et tamquam me in lucem 9. produxeris, remunerata discede; detentus enim luctu et renovata crudelitate tabesco. peto te 89, 9. ut discedas.“ ait Tarsia: „ego salutem, non pecuniam tuam quero, permitte me adhuc disputare tecum, et si nodos parabolarum mearum 11. solveris, discedam.“ Ait (Rex) Apollonius: 90, 1. „dic cito, quod interrogatura es, et discede et da et spatium fletibus meis.“ Tunc ait illa: L 90, 5. „Est domus in terris, que clara voce resultat. ipsa domus resonat, sed non tacitus sonat hospes. ambo tamen currunt, hospes simul et domus una.“

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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Er süftzet ser vnd sprach alsus ,Vss dir rett got Mercurius! Ich sag dir danck, kom ich hin uß Wann ich mins küngrichs wider gnus, Ich löste dich uß kümmernuß, Ellend solt dich nit seren. So aber laid vnd vngefell Min wijbe ist vnd fröd min gell, So nim das gold, da mit verschwell Din truren vnd din achen.‘ Sie sprach ‚Ich mich nit zů dir gesell Vmb miet noch gab. Vß diser hell Brächt ich dich geren. [34v] Darumb so well Mir betütten zwifflich sachen.‘ Er sprach ‚Gang uß! Din red verstell! Und halt din er, künsch nit empfel. Ald sag mir bald diner frage brell, Dann las mich allweg schwachen.‘

Da mit richtet Appolonius uff sin hopt vnd ließ die iunckfrowen zů im setzen vnd fragen, was sie welt, darumb das sie bald wider hin weg güng, 1285 das er stat hette zů truren. Sie waren och baide vor laid also verstocket in irem gemüt, das ir kaines gedacht, das der uatter mit der tochter redete. Da mit füng die iunckfrow an zefragen vnd sprach also: 1290

1295

1300

‘Ich sach ain hus, da von man sait Es sie schön, zierlich, wolbeklait, Mit gůtem gestain vnd holtz gemait. Ich hor das hus wijt vnd brait, E wan die gest. In kurtzer bait Floch es von mir on arebait, Stůnden die gest gar stillen. Gar bald dar nach, in kurtzer zijt Die gest och flochen wider strijt, Ainer nach der ander wijt. Her, von dir ich der antwirt bijt.‘ Er sprach ‚Ich mach dich zwiffels quijt:

___________ 1267 mins] D; mein gz, W. gnus] D; gnủsß gz; gnüß W. 1272 So nim das gold, da mit verschwell] D, W; f. gz. ​1274 nit] gz, W; f. D. 1278 Gang] D; ge gz. 1281 schwachen] D; schwczen gz; swachen W. 1285 also verstocket] D, W; erstocket also gz. 1291f. Mit … brait] D, W; gz hat die Verse in vertauschter Reihenfolge.

228

Gesta Romanorum

Et ait: Si rex es, ut dicis, convenit te mihi esse prudentiorem; solve questionem! Ait Appollonius: Nec scias, me esse mentitum! Domus, que in terra resonat, unda est; hospes tacitus piscis est, qui cum domo sua currit. At illa: 625

Longa feror velox formose filia silve, Innumera pariter comitum stipante caterva, Curro vias multas, vestigia nulla relinquo.

630 Appollonius ait: Si licitum esset, ostendam tibi multa, que nescis, cum res-

pondebo questionibus tuis; miror te tam tenera etate mirifica prudentia esse imbutam, namque arbor stipata catervis vias multas currens et vestigia nulla relinquens navis est. Et addit puella:

635 Per rotas et edes innoxius ille pertransit,

Est calor in medio magnus, quem nemo removit; Non est nuda domus, nudus sed convenit hospes; Si luctum poneres, innocens intrares in ignes.

Gottfried von Viterbo: Pantheon

(Apollonius respondit:) „domus, que in terris resonat unda est, hospes tacens piscis est, qui simul cum domo sua currit, id est (cum) unda.“ 91, 10. (Tarsia verum dixit:) „Longa feror velox comitum stipata catervis. curro vias multas, vestigia nulla relinquo. sum tamen innumeris comitum stipata catervis.“ 92, 3. (Apollonius respondit:) „Miror te tam teneram tante esse prudentie. Longa arbor est formosa filia silve, que fertur velox vento impellente, stipata catervis arborum et ventorum, que omnia nulla relinquunt vestigia.“ (Tarsia dixit:) „Per totas edes innoxius introit ignis. circiter his flammis ego sum vallata, nec uror. nuda domus, nudus sudans cui competit hospes.“

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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In wassers flus der fisch lüt Blibt vnd gat nach willen.‘ Do sprach Appolonius ‚Ich nim wunder ab diner vernunfft, so du so iung

1305 bist. Dine sinn sind englisch, wann menschlich vernunfft möcht din kunst

nit begriffen.‘ Da mit bat er sie hin weg [35r] ze gan. Aber sie leget im für ain andre frag in sölicher form vnd batt in die uß zelegen, wann sie wol verstůnd, das die vorig frag die fisch bedüte, deren hus das wasser ist, das hin weg loft so die fisch still stand.

1310

1315

1320

,Ain ris, er zogen in ainem wald, Starck, schön, gros, edel vnd och ald, Rit uß, gelaitet mänigfalt, Mit dieneren siner naturen. Wie wol sie kamen schnell vnd bald In manchen grüsenlichen hald, Noch fand man kainer spor gestald. Her, sag mir diß figuren.‘ Er sprach ‚Wer ich vor laid nit kalt, Du hörtest sprüch aller herald. Der segelbom din frage spald Mit sinen nachgepuren, wann der segelbom wirt belaitet mit den andren bomen die in dem schiff

1325 sind, das da gantz hiltzij ist, vnd fert schnelliclich von dem wind durch

menig grüssenlich fortun vnd wellen vnd lat doch kain spor siner fart.‘ Sie fraget in aber in sölicher form, was das were:

1330

1335

Ich bin ussen glat vnd innen ruch. So stost man mir in minen buch Ain stecken hert mit grobem har, Dar von wird ich gefüllet gar. Die hende leren fliegen mich Und loffen für vnd hinder sich. Hoch vnd nider můß ich lencken. Bas leg ich uff hertten bencken.‘ Do sprach zů ir Appolonius ‚Du bewegest [35r] mich in nües laid, wann du

___________ 1306 leget] D, W; gab gz.

1312 edel] D, W; ded gz.

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Gesta Romanorum

640 Appollonius ait: Intrarem balneum, ubi hincinde flamme per tabulas urgunt;

nuda domus, in qua nihil est, nudus hospes convenit et nudus sudabit. Cumque hec et similia dicerent, puella misit se super Appollonium et Gottfried von Viterbo: Pantheon

93, 1. (Apollonius respondit:) „ego si in luctu non essem, nudus intrarem domum illam balneariam, ubi per totam domum innoxius introit ignis et calor, ubi et per totam domum flamme per tubulos pergunt, sed non nocent nudo homini ibi balneanti. nuda domus dicitur, quia nihil habet preter sedilia sua.“ 94, 1. (Tarsia dixit:) „Ipsa gravis non sum, sed aque mihi pondus adheret. viscera tota tument patulis diffusa cavernis. intus lympha latet, que se non sponte profundit.“ (Apollonius respondit:) „Spongia cum sit levis, viscera eius tota tument aqua gravata, patulis diffusa cavernis, infra quas lympha latet, que se non sponte profundit.“ 93, 6. (Tarsia dixit:) „Mucro mihi geminus ferro conjungitur uno. cum vento luctor et gurgite pugno profundo. scrutor aquas medias, imas quoque mordeo terras.“ (Apollonius respondit:) „que te in hac nave sedentem continet, ancora est, que mucrone gemino in duobus capitibus suis uno ferro contingitur, que etiam cum vento luctatur et cum gurgite profundo et scrutatur aquas medias. et ima tenet et terram mordet anchora, dum terre adheret.“ 94, 8. (Tarsia item dixit:) „Non sum victa (vincta) comis et non sum victa capillis (sed sum intus plena cap.). intus enim mihi crines, quos non videt ullus meque manus mittunt, rursusque manus (plerumque manusque) remittunt.“ 95,1. (Apollonius respondit:) „spera est, que non est vincta comis sed intus plena capillis, manibus mittitur manibusque remittitur.“ (Tarsia iterum dixit:) „Nulla mihi certa est, sed fit peregrina figura. fulgor inest intus divini sideris instar, qui nihil ostendit, nisi quod sibi viderit ante.“ (Apollonius respondit:) „nulla certa figura speculum est, quia mutatur aspectu; nullam peregrinam figuram, nisi quam ante se habet, ostendit.“ 96,1. (Tarsia dixit:) „ Quatuor equales forma sunt arte sorores sic quasi certantes, ut sit labor omnibus unus, et prope cum fuerint, non se contingere possunt.“ (Apollonius respondit:) „quatuor sorores (sunt)

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

machest mich gedencken an minen schwecher, der mich am ersten erkennet

1340 durch den ball, dar von din frag ist, der ussen lidrij vnd in wendig mit

har gefüllet ist, dem man mit den henden hin vnd her, hoch oder nider schlecht.‘ Do fraget si aber:

1345

1350

‘Alles das uff erden ist, Dem gib ich bald in kurtzer frist Was es begert nach siner gestalt, Lebend, tod, klain, gros, jung ald alt, Und kan mir selber geben nit Das ich aim andre taile mit.‘ Appolonius antwirt ir ,Das du fragest ist ain spiegel der ijeder man sin gestalt gijt, an im selber.‘ Söliche frag vnd vil ander verantwirt ir Appolonius vnd het ain gros wundern ab irer vernunft vnd sinen. Do aber die iunckfrow

___________ 1341 dem] D; den W; dē gz.

oder] D, W; vnd gz.

1349 andre] D; annderen gz, W.

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Gesta Romanorum

distractis manibus eum amplexebatur dicens ei: Exaudi vocem deprecantis, respice virginem, quia virum talem prudentem mori nefarium est. Si conju645 gem, quam desideras, deus ex sua gratia tibi restituat, si filiam salvam, quam defunctam dicis, invenire poteris, pre gaudio oportet te vivere. Appollonius, cum verba hec audisset, in iracundiam versus est, surrexit et puellam cum pede percussit. Impulsa vero cecidit virgo et genis ejus ruptis cepit sanguis effluere. Conturbata virgo cepit flere et dixit: O deus conditor celorum, vide 650 afflictionem meam! Nata sum inter fluctus et procellas marins, mater mea doloribus constricta defuncta est, et sepultura est ei negata in terris, ornata a patre meo et in loculo posita cum XX sisterciis auri mari tradita est; ego infelix Stranguilioni et Dionisiade impiisimis hominibus a patre meo sum tradita cum ornamentis et vestibus regalibus, et jussa sum a servis eorum 655 occidi; tandem petivi, ut deum invocarem, antequam me occideret; mihi concessit; piratis supervenientibus rapta sum, et qui me occidere volebat, Gottfried von Viterbo: Pantheon

rote quatuor (qu. r.) in quadriga, que certatim currunt, sed numquam se contingunt, quamvis prope sint sibi.“ (Tarsia dixit:) „Nos sumus, ad celum qui tendimus alta petentes. montibus equales, cum mansio constet in imo, altaque cum petimus, per nos comitantur ad auras.“ (Apollonius respondit:) „grandes scale sunt et 97, 1. gradus uno ordine conserti, equali mansione manentes, alta illa quicumque petit, alias comitatur ad auras.“ His dictis misit se puella super eum et apprehensa veste Apollonii traxit eum fortiter dicens: „egredere domine ad lucem et da honorem mihi, puelle, quia non decet, ut permittam perire virum tam prudentem.“ Apollonius ad hoc (hec) in iram conversus surrexit et calce eam fortiter (graviter) percussit. Tarsia impulsa concidit, et sanguis ab eius crure fluere coepit, sedens quod puella in navi cepit lacrimabiliter conqueri et dicere: „Ardua 98. potestas celorum, que me innocentem pateris tantis calamitatibus ab ipsis nativitatis mee exordiis fatigari! nam statim ut nata fui in mari, mater mea mortua est, et a patre meo Apollonio cum competenti loculo est missa in mare et terre caruit sepultura, et ego Tranquilioni ei Dionysie parvula sum commendata cum ornamentis et vestibus regalibus, pro quibus postea jussa sum occidi a servo 99. ejus. qui dum me perimere (percutere) vellet, rapta sum a piratis et in hac urbe sum lenoni

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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mercken ward, das er ain gefallen ab ir hett, sie mainet in hin uß ze bringen

1355 an das liecht, von truren zů den fröden, vnd nam jn bij sinem rock vnd

zoch in uff vnd sprach zů im ,O herr, stand uff vnd gang uß der finstrin, mir iunckfrowen ze eren, wann es wer vnzümlich, das ain man von so hocher kunst vnd vernunfft durch truren vergan sölt.‘ Appolonius ward beweget in zoren vmb das fräuelich ziechen das sie im tett bij sinem rock, vnd stieß 1360 sie mit ainem fůs, das sie fiel, vnd letzet sie an ainem schinbain, das sie schwaissen ward. Dar [36r] umb hůb sie an zeklagen vnd ir vngefell erzelen in sölicher maß ,O trager der himel, wie verlast du mich vnschuldige in so vil kümmernuß vnd trübsälij von an fang miner geburt vntz uff dise stund, das ich rechter fröden nie tailhäfftig worden bin! We mir arme, we minem 1365 ellenden uatter, we miner můter! O tod, war umb niemst du mich nit uss disem ellend? Min vngeluckliche geburt ist gewesen uff dem mer, ich bin ain vrsach gewesen des todes miner můter, die min vatter in einem sarch in das mer ließ vnd mocht ir so vil ertrichs nit ze tail werden, das sie begraben wurd. Do ward ich erstgebornes kindlin von minem vatter vntrüwen lütten 1370 befolchen in der stat Tarsia, die mich wolten getöt haben durch iren knecht. Doch ward ich von den merroberen von in genomen vnd her gefürt in dise stat vnd verkoffet an offem marckt in das gemain süntlich leben, dar inn ich minen lib künsch vnd rain behalten han. Vnd han dich uß trurigem hertzen

___________ 1355 sinem] D, W; dem gz. 1369 kindlin] D, W; kindlin vnd gz. W. 1373 trurigem] D; trủwem gz, W.

1371 von in] D; von im gz,

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Gesta Romanorum

fugam petiit et in hunc locum deducta, et deus, quando ei placet, me reddat patri meo Appollonio. Appollonius audiens omnia hec signa certissima, exclamavit voce magna et ait: O domine misericors, qui conspicis celum et 660 abyssum, et omnia secreta patefacis, benedictum sit nomen tuum! Cum hec dixisset, cecidit super amplexus Tharsie filie sue et osculatus est eam cum leticia et pre gaudio [129] flevit amare et ait: O dulcissinia nata mea et unica, dimidium anime mee, non moriar propter te; inveni, propter quam volui mori! Alta voce clamabat dicens: Currite, famuli, currite, amici, currite, 665 omnes, et miserie mee finem imponite! Inveni quam perdideram, scilicet unicam filiam meam. Audito clamore, famuli currerunt, currit inter illos Athanagora princeps, et descendentibus illis in navem, invenerunt illum flentem pre gaudio super collum filie sue et dicentem: Ecce filia mea, quam Gottfried von Viterbo: Pantheon

distracta. deus reddat (reddat me) Tyrio Apollonio (Apollonio Tyro), qui hominibus impiis me commendavit. 136. 156. 157. Tristis Apollonius gemitans plenusque dolore gaudia non recipit neque carmina digna canore, pulsaque calce patris Tharsia lesa dolet. 137. 157. 158. Lesa puella dolens plangit nimis et lacrimatur, cum gemitu planctuque suo patris memoratur, hos quoque versiculos protulit ore suo: (his quoque versiculis increpat acta patris:) 138. 158. 159. „Tharsia, ve misera, miseri proles genitoris! regis Apollonii dolor et fortuna doloris! nunc utinam moriar, dedita sepe mori! 139. 159. 160. O pater infelix! o nata, caduca parentis! causa fui mortis genitricis, mors morientis et patris et matris mortis origo fui. 140. 160. 161. Nunc et ego moriar! utinam neque nata fuissem! nec mihi nec patribus tot fata nociva dedissem. mallem non nasci vel male nata mori. 141. 161. 162. O rota Fortune, que tempora cuncta revolvis, cur mala, que patior, nullo mihi tempore solvis? hec mala non merui, que modo lesa lui. 142. 162. 163. Quid merui? quid desipui, quia lesa recedo? numquid ob hoc patior, quia facta mei patris edo? regis Apollonii filia semper ero. 163. 164. Quicquid agant homines, quicquid fortuna laboret, semper Apollonium deploro meum genitorem. o utinam morerer, jamque sepulta forem!“ 143. 164. 165. Gesta paterna canens dum versibus exprimit illa, nescia, cui loquitur, patris est accensa favilla, que satis ardore pectora mesta movet.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

getröstet. So hast du mir den lon gegeben des vngefelles. O got, wann sol

1375 sich enden min vngemach? Besser wer mir, das ich sturbe oder nie geboren

wer! O glückrad, so du alle ding verkerest, warumb wilt du min vngemach nit enden? Was han ich wider dich gesündet, das du mich geleczte von dir sendest? Doch wil ich als min liden in geduld setzen, vntz [36v] ich von minem uatter Appolonio laides ergetzet werd, in den ich all min hoffnung 1380 gesetzet han.‘ [32]

1385 Als bald sie aber anfing zesage, das sie uff dem mer geboren wer, do losset

Appolonius flijßclich uff vnd mercket an allen iren wortten, das sie sin tochter Tarsia was, vnd fiel ir vmb den hals, hälset vnd küsset sie vnd wainet innerclichen vor grossen fröden, vnd schrij mit lutter stimm ,O barmhertziger got, der du kennest die himel vnd die tieffin der hellen vnd die 1390 haimlichhait aller betrübten hertzen, gesegnet sij din nam! O aller süsseste tochter, min sel vnd leben, ich wil fürbas nit mer sterben, von dinen wegen. Ich han die funden, durch deren willen ich des todes begeret. Stand uff, aller liebste tochter, vnd frö dich mit dinem uatter, des du begeret haust.‘ Vnd rüffet sinen knechten mit luter stimm ‚Louffend zů, all min diener! 1395 Nun komend, all min fründ, vnd helffent mir vertriben vnmůt vnd truren, wann ich han wider funden min ainige tochter, die ich verloren hett.‘ Do das die diener erhortten, sie lieffen zů im vnd mit in der fürst Athanagoras, vnd funden in wainend vor fröden vmb den hals siner tochter vnd sprach zů in ‚Nemend war, die ist min tochter von deren wegen ich trurig was vnd

___________ 1378 als] D; alles gz; f. W. 1383 Wie Appolonius sein tochter erkennet vß ir red vnd enpfieng mit frden· gz; f. D. 1385 zesage] D; zesagen gz, W. 1387 hälset] D; f. gz, W. 1389 kennest] D, W; erkennest gz. 1391 mer] D; f. gz, W. 1399 Nemend] D, W; niemend gz.

236

Gesta Romanorum

lugeo, dimidium anime mee! Jam volo vivere. Omnes pre gaudio cum eo

670 flebant. Tunc erigens se Appollonius, projectis vestibus lugubribus, indutus

est vestibus mundissimis et omnes dixerunt: O domine, quam similis est filia tua vobis! Si non esset aliud experimentum, sufficeret ejus similitudo ad probandum, eam esse filiam tuam! Tunc filia bis, ter, quater osculata est patrem et ait: O pater, benedictus deus, qui mihi gratiam dedit, quod te vide675 re potero, tecum vivere, tecum mori! Et narravit ei, quomodo a lenone comparata et in lupanari esset posita, et quomodo deus virginitatem suam Gottfried von Viterbo: Pantheon

145. 165. 166. Rex animo tristi dixit: „dic, quid cecinisti? quo patre venisti? patria qua nata fuisti? dic cito, quid loqueris? que nova mira geris?“ 145. 166. 167. Illa genus patriamque refert et cetera cuncta (et qualiter empta), quomodo perdita captaque vendita sitque redempta, et quod Athenagoras rex pius hospes erat. 146. 167. 168. Dum pater attente considerat ista loquentem, mox ait ad flentem: „me, Tharsia, nosce parentem! jam tua causa patet: filia, nosce patrem! 147. 168. 169. Verus ego genitor, tu, filia, vera propago, moribus et specie materna videris imago: matris es indago; jus tibi patris ago.“ 148. 169. 170. Rapta patris veri dulcedine Tharsia querit filia censeri, regalia jura mereri: amodo dives erit Tharsia pauper heri. 149. 170. 171. Cognita nata patri fuit illico vera medela. gaudia jam reparat nate resonante loquela. lux et vita patris filia regis erat. 150. 171. 172. Rex dedit amplexus, vivam redivivus adeptus, sepeque complexus satis est per oscula fessus; nam velut exanimis nata paterque cadit. 151. 172. 173. Deserit alta ratis, rex letus adest tribulatis. filia, vita patris, mediis stat Tharsia pratis, vestibus auratis glorificata satis. 152. 173. 174. Stabat Apollonius populo rogitante vocatus, Rite coronatus, solioque thronoque levatus. nobilis archatus stipat utrumque latus. 153. 174. 175. Narrat Athenagoras, quos pertulit ipsa labores, et varios casus mortis variosque dolores, multorum lacrimas pro pietate movens. 154. 175. 176. Testaturque patri so testem virginitati, cum fuerint illam multi violare parati, ipsa tamen meruit turpia nulla pati.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

1400 des todes begeret. Nun wil ich [37r] wider leben.‘ Da was nieman dem sine

gen vor fröden nit zächern wurden. Do warff er hin sine trurige klaider vnd zieret sich in küngliche waut. Do sprach menglich ‚O her, wie gar hat dise iunckfrow din gestalt, vnd wann du sunst nit wistest, das sie din tochter were, so beweiset das eẅer baide gelichin.‘ Die tochter küsset iren uatter 1405 aber vnd aber vnd sprach ‚Gesegnet sij der obrest got, der mir hat gnad gegeben, dich zesechen vnd mit dir zeleben vnd zesterben.‘ [33] 1410

Zů hand fraget Appolonius sin tochter von allem irem vngefell. Die saget sie im, wie sie der vngetrü riffian erkouffet vnd in das offen süntlich leben gesetzet hett, das er durch iren lib gerijchet wurd, vnd wie sie durch die gottes hilff ir künschait behalten hett. Athanagoras was enzündet in ir liebij

___________ 1403 sunst] D, W; susszt gz. 1406 gegeben] D, W; geben gz. 1409 Wie Tarsia irem vater saget von der vntrew des riffians vnd wie sye dem fủrsten Athanagora zeweib geben ward gz; f. D. 1411f. saget sie] D; saget gz, W. 1412 offen] D; f. gz, W.

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Gesta Romanorum

custodivit. Audiens hec Athanagora, timens scilicet, ne filiam alteri in uxorem daret, misit se ad pedes Appollonii dicens: Adjuro te per deum vivum, qui te patrem filie restituit, ne alteri filiam des in conjugem, nisi mihi; sum enim princeps hujus civitatis, meo auxilio virgo permansit et me duce te patrem agnovit. Cui Appollonius ait: Non possum tibi esse contrarius, quia multa pro filia mea fecisti, et ideo opto, ut sit uxor tua; et tunc restat, ut vindicem me a lenone. Athanagora civitatem intravit convocatisque civibus dixit: Ne pereat civitas propter unum impium! Sciatis Appollonium regem, patrem Tharsie, huc venisse! Ecce classes navium properant cum grandi exercitu destruendam civitatem propter lenonem, qui filiam suam Tharsiam in lupanari constituit. Hiis dictis concursus factus est et tanta commotio populi, ut nec viri nec femine manerent, quin currerent omnes ad Appollonium regem, videndo eum et misericordiam ab eo petendo. Ait Athanagora: Consulo ad hoc, ne destruatur civitas, deducatur ad eum leno. Captus est statim et ligatis manibus leno a tergo deducitur ad regem. Appollonius regia veste indutus, tonso capite, diadema imposuit capiti suo, tribunal ascendit cum filia et civibus dixit: Videtis Tharsiam virginem a patre suo hodie cognitam, quam cupidissimus leno, quod erat in eo, ejus corruptionem confusionem perpetuam procurabat, nec amicicia sua, nec precio, nec prece desistere volebat. Facite ergo filie mee vindicacionem! Omnes una voce dixerunt: Domine, leno vivus comburatur, et divitie [129 b] ejus puelle dentur! Protinus adducitur leno et coram omnibus in igne ponitur si totaliter comburitur. Tharsia ait villico: Dono tibi libertatem, quia beneficio tuo et civium virgo permansi. Et donavit ei ducentos aureos et libertatem, libertatem vero cunctis puellis coram es presentatis perdonavit et dixit: Quid de corpore vestro attenus fuisstis, ex hoc libere estote! Appollonius ad populum loquens: Gratias vobis de beneficiis vestris reddo, mihi et filie mee factis; nunc ego tribuo vobis auri pondera quinquaginta. Illi ei capita sua inclinabant, gracias referentes; cives omnes statuam Appollonii in medio civitatis statuerunt et in basi scripserunt: Tyro Appollonio restauratori domuum Gottfried von Viterbo: Pantheon

155. 176. 177. Rex et (Letus) Athenagoras nunc a patre premia querit, cum meruisset heri, patris gener optat haberi. filia tunc tacuit, sed pater inquit: „erit.“ 156. 177. 178. Ergo subarrari datur et regina vocari, gaudia regali mandantur in urbe parari, sponsaque pro meritis Tharsia virgo dari. 178. 179. Urbs Militonia congregat omnia cantica rerum, commovet organa, tympana, cymbala flos mulierum, militie strepitus gaudia mira gerunt. 157. 179. 180. Exilii prisci jam Tharsia vult reminisci et satis ulcisci, que pertulit, amodo gliscit. „prima lupanari pena paretur“, ait.

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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1415 vnd besorget, das sie nit aim andren gegeben wurd, vnd fül Appolonio für

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sin füß vnd sprach ,Ich beschwer dich bij dem lebendigen got, der dich wider gesetzt haut zů ainem uatter diner tochter, das du dine tochter kainem andren wan mir wöllest zů gemächlen, wann ich bin ain fürst diser stat, so ist sie durch min hilff iunckfrow beliben, so haut sie durch min zů tůn dich iren uatter erkennet.‘ Antwir Appolonius ,Du hast vil getan von miner tochter wegen, darumb ich dir sie nit versagen wil, vnd begern, das sie din wijb sie, [37v] doch vor allen dingen wil ich, das du mir über den riffian recht lassest folgen.‘ Zů hand ging Athanagoras in die stat vnd berüffet die richter vnd sprach zů in ‚Der küng Appolonius hat funden sin tochter in diser stat, die schentlich von disem riffian zů sünden vnd schanden genöttet ist, wann das sie im mit der gottes hilff wider standen ist. Darumb ir söllen im das recht lassen widerfaren über in, das die statt nit in grösser sorg gesetzet werd.‘ Zů hand lieff uß der stat alles volk Appolonium ze sechen, vnd sprachen gemainlich zů im ‚O herr, was du begerest das sol sin.‘ Der riffian ward gefangen vnd für recht gefüret vnd nach klag vnd antwirt ain ainhellige vrtail gegeben, das man den riffian lebend verbrennen sölt vnd der iunckfrowen all sin rijchtum gegeben werden. Do berüffet Tarsia den geburen, dem befolhem was, sie zefellen, vnd sprach zů im ,Ich gib dir frijhait, wann durch din güttikait bin ich maget beliben‘, vnd schencket im zwaijhundert stuck goldes, vnd frijet alle die dirnen, die in dem hus der sünden waren, dar inn sie was verkouffet worden. Appolonius sprach zů dem uolk ,Ich sag ủch allen lob vnd danck vmb die gütikait, die ir mir vnd miner tochter erzaiget hand‘, vnd schencket dem common fünffczig pfund goldes, das sie in grossen eren vnd danck von im empfingen, vnd liessen [38r] im setzen ain sul mittel in die stat vnd dar an schriben ,Dise sul ist gesetzet ze eren dem künig Appolonio Tirio vnd siner tochter Tarsie zů ainer ewigen gedächtnus ires lebens.‘ Zů hand gab er sine tochter dem

___________ 1418 fürst] D; fủrst von gz, W. 1420 Antwir] D; Antwurt gz, W. 1422 ich] gz, W; f. D. 1430 antwirt] D; antwirt ward gz, W. 1432 Tarsia] gz, W; arsia D. 1433 befolhem] D; befolchen gz, W. 1435 dem] gz, W; das D. 1436 waren] gz, W; f. D. worden] D, W; f. gz. 1438 dem common] D, W; der gemaind gz. 1440 mittel] D; an mitten gz; mitten W.

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Gesta Romanorum

nostrarum et Tharsie sanctissime filie ejus virgini. Post paucos dies Appollonius tradidit filiam suam in conjugem Athanagore cum ingenti leticia totius civitatis set cum genero et filia navigans cum omnibus suis volens 710 per Tharsum proficiscendo ad patriam suam ire, in sompnis admonitus est per angelum, ut Ephesum iret et intraret in templum Ephesorum cum filia et genero suo, ibique omnes casus suos alta voce exponeret, quos passus esset a juventute sua; postea venerit Tharsum et vindicaret filiam suam. Gottfried von Viterbo: Pantheon

158. 180. 181. Tharsia contendit. reus in cruce leno pependit, quem rogus incendit. sic Tharsia digna rependit. sic mala sunt reprobis, sic bona nata bonis. 159. 181. 182. Nititur et reliquas regina referre querelas, quomodo perdita, tradita, vendita, capta revelat, quantaque perfidia Tranquilionis erat. 182. 183. Dum scelus ulcisci vult Tharsia Tranquilionis, dicit: „Apolloni, scelus hoc dimittere noli; denique jure fori debet uterque mori.“ 183. 184. Ducitur in causam vir et uxor digna cremari, sede tribunali censetur uterque vocari. affuit et populi turba favore pari. 184. 185. „Dic, Dionisia, dic, ubi filia nostra tenetur. mortua Tharsia, filia regia, numquid habetur? nostra perit secum gloria, pompa, decus?“ 185. 186. „Cede magis“, vir et uxor ait, „deposcere natam! jam cinis est, defuncta jacet dudum tumulata. quod faciunt (quod facit, eri) fata, stet ratione rata.“ 186. 187. Dum titulum mortis Dionisia fraude perorat, Tharsia progreditur, forma specieque decora. mirantur populi, dum venit illa foras. 187. 188. Clamat (Dicit) Apollonius: „populi, nunc cernite verum, crimina quot rerum fallacia dat mulierum. dicite, que mortis digna flagella gerunt 188. 189. Nun cruce, non igni pro tanto crimine digni: si valeat fingi magis aspera pena malignis, nescio quot, penis, pena perennis erit. 160. 189. 190. Rex, ubi signa movet, perdit cito Tranquilionem, perdit et uxorem, cuius Dionysia nomen. Tharsenses cives gaudia multa movent. 161. 190. 191. Rex pater uxoris recolit nunc fata prioris, scire sepulture loca vult funusque doloris, qua potuit genitrix parturiendo (tunc paritura) mori. 162. 191. 192. Gaudia post multa, cum Tharsia jam foret ulta, vela vehunt ultra, materna videre sepulcra,

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

fürsten Athanagoras vnd hielt kostlich hochzijt nach künglichen eren, mit grossen fröden aller menglichs. 1445

[34] In kurtzen tagen dar nach lies Appolonius ordnen sine schiff, das er mit

1450 siner tochter vnd tochterman in Tarsian füre, rch ze geben Strangwilioni

vnd sinem wijb, die sine tochter hetten geschaffen ze tötten. Als er aber des nachtes an sinem bett lag, da kam im für ain schwärer traum, das er danckber wer vmb die gütikait, die im got erzaiget, das er sine tochter wider funden hett, vnd wie er solte faren vor allen dingen in den tempel

___________ 1447 Wie Appolonius mit seiner tochter vnd tochterman gen epheseos kam vnd sein weib fand. gz; f. D. 1450 Tarsian] D; Tarsiam gz, W. 1454 vnd] D, W; vnd ze gz.

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Gesta Romanorum

Appollonius expergefactus omnia indicavit generi et filie sue; illi autem di-

715 xerunt: Fac, domine, quod tibi videtur bonum! Tunc jussit gubernatori navi-

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gare Ephesum. Qui cum descendisset ratim, cum suis templum petiit, ubi conjux sua inter sacerdotes sancte vixit; rogavit, ut templum aperiretur, quod factum est; hec audiens uxor ejus, quod quidam rex venerat cum filia si generi, gemmis regalibus ornavit caput suum et induit se veste purpurea et cum honesto comitatu templum intravit; erat enim nimis pulchra et ob nimium castitatis amorem asserebant omnes, nullam tam gratam esse virginem. Quam videns Appollonius in nullo noticiam ejus habebat, misit se ad pedes ejus cum filia sua et genere; tantus enim splendor ejus pulchritudinis imminebat, ut ipsa Dianam esse videntibus putaretur; statuit in templo preciosa munera et post hec cepit Appollonius dicere, sicut angelus ei dixerat: Ego ab adolescentulo rex natus Tyrus Appollonius nominatus, cum ad omnem scientiam pervenissem regis iniqui Antiochi questionem exsolvi, ut ejus filiam acciperem; ille vero eam defloraverat ac in impietate sua continue tenuit, et me occidere conabatur; fugam petii et in mari omnia perdidi, et post a rege Altistrate gratissime susceptus intantum ejus benevolentiam sum expertus, ut michi filiam suam in uxorem daret. Deinde mortuo Antiocho ad regnum percipiendum uxorem meam mecum duxi. [130] Hanc filiam peperit uxor mea in mari, de cujus partu defuncta est, quam ego cum viginti sisterciis aureis in loculo clausam in mare misi, ut inventa digne sepeliretur; et hanc filiam meam nequissimis hominibus ad nutriendum commendavi, et superiores partes Egipti pecii. Quarto autem decimo anno adveniens, ut filiam meam expeterem, dixerunt, eam esse defunctam, et dum credidi, in luctu vixi et in lugubribus vestibus, et mori cupiens, mihi filia mea reddita est.

Gottfried von Viterbo: Pantheon

si qua revelare vir, mare, terra valet. 163. 192. 193. Dummodo regales laxant super equora naves, fortuito (Ephesium) mane veniunt ad templa Diane, qua genitrix plane viva potensque (qu. g. pl., jam Cleopatra) manet. 193. 194. Hanc apud Ephesios meruit tunc ipse videre. notus ad ignotam cepit sua fata movere, tristia cum lacrimis pristina gesta ferens.

Heinrich Steinhöwel: Apollonius

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1455 Epheseorum, ze lob vnd er der göttin Dijane, vor der er och knieend alles

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sin vngefell von siner kinthait vntz uff die zijtt mit lutter stimm erzelen sölt. Dar nach sölt er dann sine tochter rechen. Als bald er aber erwachet, do berüffet er sinen tochterman vnd tochter vnd wurden ze rautt, das sie gen Epheseum faren wölten. Als sie aber da hin kamen, sie fragten in den tempel Dijane und begerten von den closterfrowen, das in der altar der göttin geoffnet wurde, das sie ir oppffer dar in bringen möchten. Do aber die küngin Cleopatra erhöret, das ain frömder küng da [38v] hin komen wolt, sie leget an ir zierliche klaider vnd ging uß mit den andren gaistlichen frowen, den küng ze sechen in dem tempel, wenig gedenckend, das ir man Appolonius mit ir tochter komen solte. Appolonius sach sie an vnd wundert ser von irer schöne, vnd tet ir so grosse er als ob sie die göttin Dijane selber were. Doch het er kain gedencken, das sie sin wijb wesen sölte, wann er nit anders wiste, wann sie were tod. Da mit ging er für den alter Dijane vnd kniet nider vnd sprach mit lutter stimm also ,Ich Appolonius, ain geborner küng von Tiria, do ich gelert ward in den künsten, das ich vil fragen verantwirten mocht, kam ich zů dem bösen küng Antiocho vnd verantwirt sine frag, darumb er mir sin tochter zewijb solt gegeben han. Aber durch sin boßhait behielt er im die selber vnd trib mit ir vnzimliche werck vnd sůchet mich in mengen weg zetötten. Darumb ich flichtig ward vnd verlor uff dem mer als min gůt vnd diener vnd schwam nackend uß uff ainem brett vnd kam ellender zů dem küng Archistrato. Der empfieng mich gütlich mit sölicher tugend, das er mir sine tochter zů ainem wijb gab. Dar nach, als Antiochus gestarb, ward ich gesůcht, das küngrich jn zenemen. Do fůr ich uß mit minen schwangeren wijb, die mir ain tochter gebar uff dem mer. Doch starb [39r] sie mir an der geburt. Do lies ich iren totten lijchnam in ainem sarch mit gold vnd silber uff das mer, ob sie ußkäme, das sie da mit wirdiclich bestättet wurde, vnd dise min tochter hett ich befolhen zeleren vnd zeneren den aller schalkhafftigisten litten, bis das sie zů iren tagen käme. Dar nach in dem vierzechenden iar, als ich wider kam in Tarsiam, min tochter zesůchen, sprachen sie, sij wer gestorben. Das gelobet ich vnd setzet mir darumb für, in truren vnd laid all min tag ze vertriben vnd also sterben. Indem ist mir min tochter on fürbetrachten wider gegeben.‘

___________ 1462 die küngin] D, W; f. gz. 1466 tet] D, W; erzaiget gz. 1475 gůt] gz, W; gů D. 1477 zů ainem wijb gab] D; gab zů ainem weibe gz; z weÿb gabe W. 1478 jn zenemen] gz; ze in nemen D; ein z nemen W. 1483 den] gz, W; der D. schalkhafftigisten] D, W; schalbarosten gz. 1485 sprachen] D, W; sprach gz. 1487 sterben] D; ersterben gz, W. min] D, W; mein liebe gz.

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Gesta Romanorum

Cum hec et hiis similia narraret, Altistratis regis filia uxor ipsius levavit se

740 et rapuit eum in amplexus, volensque eum osculari, Appollonius autem re-

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pulit eam a se cum indignacione, ignorans quod uxor sua esset. At illa: O domine mi, dicebat cum lacrimis, dimidium anime mee, cur sic agis? Ego sum conjux tua Altistratis regis filia, et tu es Tyrus Appollonius maritus et dominus meus, tu es magister meus, qui me docuisti, tu es naufragus meus, quem amavi, non causa libidinis sed sapientie. Appollonius hec audiens noticiam ejus statim habens, cecidit super collum ejus et pre gaudio lacrimas emisit dicens: Benedictus altissimus, qui mihi filiam cum uxore reddidit! At illa: Ubi est filia mea? Et ipse ostendens Tharsiam dixit: Hec est filia tua Tharsia. Illa vero osculata est eam, et sis cum leticia magna in tota civitate illa et in circuitu, quod rex Appollonius uxorem suam in templo invenit, famatum est. Appollonius ascendit navem cum uxore et filia et genere revertentes ad patriam suam. Veniens igitur Appollonius Antiochiam, regnum sibi reservatum recepit, et pergens Tyrum constituit in locum Athanagoram generum suum. Deinde cum ipso genere, uxore et filia et cum exercitu regio veniens Tharsum, jussit apprehendere Dyonesiadem et Stranguilionem et duci ante se, et coram omnibus ait: Cives Tharsenses, numquid vestrum alicui exstiti ingratus? Omnes dixerunt: Non, domine! Parati sumus pro vobis mori. Hec statua est facta, quia nos a morte servastis. Appollonius ait: Commendavi filiam meam Stranguilioni et Dyonisiadi uxori sue et eam mihi reddere noluerunt. Infelix mulier ait: Bone domine, numquid tu ipse titulum monumenti ejus legisti? Appollonius jussit filiam suam venire in

Gottfried von Viterbo: Pantheon

164. 194. 195. Rex pius uxoris dum signa refert morientis, viva sedens loquitur, cognoscit et acta loquentis. viva videns vivum suscipit illa virum. 165. 195. 196. Letus Apollonius reginaque cum regione exornant thalamum. gestantur utreque corone: filia cum genero gaudia mira movent. 166. 196. 197. Tempora passiva fugiunt redeuntque dativa, mater adest viva natamque videt redivivam. sic rota castigat, solvit et ipsa ligat.

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Die wijl er aber also redet, do mocht sich Cleopatra nit lenger uffenthalten. Sie ging zů dem knienden Appolonio vnd vmbfüng in begürlich mit iren armen vnd wolt in geküsset han. Appolonius weret sich in ungedult, vnwis1495 send sines wijbs. Do sprach sie mit wainenden gen ,O herr, min trost, min sel vnd leben, nit tů also. Ich bin din wijb, des künges Archistrates tochter, so bist du Appolonius Tijrus, min man vnd min maister, der mich gelert hautt, du bist min schiffbrüchiger, den ich lieb han gehabt vnd erwelet han, nit vmb liblich begird, sunder von künsten vnd wijßhait wegen.‘ Do das 1500 Appolonius erhöret vnd bij disen zaichen erkennet, das sie sin wijb was, er fiel ir vmb den hals und wainet vor fröden vnd sprach ,Gesegnet sij der obrost got, der mir min tochter vnd das [39v] wijb wider gegeben hatt.‘ Do sprach sie ‚Sag, wa ist die selb min tochter?‘ Antwir er ir vnd zaiget uff Tarsiam vnd sprach ‚Die ist es.‘ Sie küsset sij innerclichen nach müterlicher 1505 trü und wurden baidenthalb innerclichen erfröet, mit groscem iubilieren aller meng des uolkes, das die küngin iren man wider funden hett. [36] 1510

Appolonius nam mit im sin wib vnd ander sin uolk vnd fůren über das hoch mer gen Antiochiam vnd besaß wider das küngrich, das im behalten was. Dar nach fůr er in Tiriam vnd machet sinen tochterman Athanagoram gewaltigen herren des selben küngrichs. Von dannen fůr er in Tarsiam mit 1515 grosser mengin sines uolkes vnd ließ da fachen Strangwilonen vnd sin wijb vnd fůrtent die für die burger der stat, vnd sprach vor mengclichem mit lutter stimm also ,Ir burger von Tarsia, nun sagend, ob ich eẅerem kainem ie kain laid zů gefüget hab?‘ Sie sprachen all mit ainhelliger stimm ‚Du bist vnser gütiger herr, wir sind all berait für dich zesterben. Wir hand och dise 1520 sul gesetzet zů ainem zaichen das du vns von dem tod erlöset haust.‘ Do sprach Appolonius ,So klagen ich ủch, das mir diser Strang- [40r] wilio vnd sin wijb mine tochter, die ich in befolchen hett, nit wider wolten geben.‘ Do sprach das wijb ,O her, nun hast du selber ir grab gesechen vnd die über geschrifft gelesen.‘ Antwirt Appolonius ‚Die mainung der burger, die das 1525 grab gemachet hand ist gůt, aber dine werck sind böß gewesen.‘ Da mit ___________ 1490 Wie cleopatra iren man appolonium erkennet gz; f. D. 1494f. vnwissend] D, W; on wissend gz. 1497 vnd] D; vnd mein gz, W. 1502 got] D, W; go gz. 1503 Antwir] D; Antwirt gz; f. W. 1509 Wie Appolonius wider gen anthiochiam und tarsiam fůr. gz; f. D. 1511 fůren] D; fůr gz; fůrent W. 1515 Strangwilonen] D; Strangwilionem gz, W. 1516 vnd fůrtent die] D; vnd die fůren gz; vnd liesse sie füren für W. 1517 sagend] D, W; sgend gz. 1518 ainhelliger] D; ainhellender gz; ainhallig W. 1522 befolchen] D, W; enpfolchen gz.

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Gesta Romanorum

presentia omnium, et Tharsia maledixit mulieri et dixit: Ave, salutat te Tharsia ab inferis revocata! Infelix mulier videns eam toto corde contremuit, cives mirabantur si gaudebant, et jussit Tharsia venire villicum, cui ait: Theophile, tu agnosti, clara voce responde, quis me interficiendum [130 b] te obligavit? Villicus ait: Dyonisiades domina mea. Tunc cives rapuerunt Stranguilionem et Dyonisiadem, et extra civitatem trahentes lapidaverunt, volentes et Theophilum occidere; sed Tharsia eum a morte liberavit dicens: Nisi mihi spatium ad orandum dedisset, modo eum non defenderem. Appollonius dedit munera civitati ad restaurandum civitatem et moratus est ibi tribus mensibus, navigans inde Pentapolin civitatem. Curiam ingreditur ad Altistratem regem gaudens. Rex vero senex factus est, vidit filiam et neptim cum marito suo rege. Per integrum annum letanter insimul permanserunt. Post hec moritur perfecta etate, manibus eorum dimittens dimidietatem regni sui Appollonio et medietatem filie sue. Omnibus hiis peractis dum ambularet Appollonius juxta mare, vidit piscatorem, qui eum post naufragium accepit, jussitque eum apprehendere et ad palacium duci. Videns piscator a militibus se apprehendi, putavit occidi. Ingressus Appollonius jussit eum adduci ad se dicens: Hic paranymphus meus, qui mihi post naufragium opem dedit, et ad civitatem venire ostendit! Et dixit ei: Ego sum Appollonius Tyrue. Et jussit sibi dari CC sistercias, servos et ancillas, et fecit eum comitem suum, quamdiu vixit. Elamitus vero, qui ei de Antiocho nunciavit, procidens se ad pedes Appollonii et ait: Memor esto, domine, Elamiti servi tui! Appollonius apprehensa manu ejus erexit eum fecitque eum divitem et ordinavit in comitem. Hiis expletis genuit Appollonius filium de conjuge sua, quem in locum avi sui Altistratis constituit regem. Vixit vero Appollonius cum conjuge sua LXXXIV annos et tenuit regnum Antiochie et Tyri et Tyrensium quiete ac feliciter. Casus suos descripsit ipse, duo volumina perfecit, unum in templo Ephesorum, alterum in sua bibliotheca collocavit. Defunctus est et perrexit ad vitam eternam, ad quam etc.

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167. 197. 198. Visitat Archistratem (Architratem) rex. sponsa videt genitorem. post apud Antiochos, regum veneratus honore, obtinet imperium regna paterna fovens.

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Heinrich Steinhöwel: Apollonius

berüffet er Tarsiam. Die ging her für vnd sprach mit senffter stimm ,Tarsia die von den toten ufferstanden ist, saget ủch allen iren grůs.‘ Die burger hetten gros wundern vnd fröd von irer gegewirtikait. Tharsia lies berüffen Theophilum, den geburen, der sie sölt getötet haben, vnd sprach zů im ,Dar 1530 umb das dir vergeben werde, so sag die warhait: Wer hat dich besildet, das du mich töten söltest?‘ Anttwirt Theophilus ‚Das hat getan Dijonisiades min frow.‘ Zů hand namen die burger von der stat Strangwilionem vnd sin wijb vnd fůrten sie für die stat vnd verstainten sie. Theophilum wolt Tarsia nit tötten lassen, vmb das er ir zeijt het gegeben zebetten, dar durch 1535 sie erlediget ward. Appolonius begabet die stat vnd fůr in grossen fröden mit sinem wijb vnd tochter gen Pentapolim zů dem künig Archistrates, sinem schwecher, von deren zů kunft der küng vnd das gantz land erfröwet ward. Nit lang dar nach starb der küng Archistrates vnd besassen sie das küngrich. 1540

[37] [40v] Ains tages ritt der küng Appolonius spaczieren bij dem mer vnd sach

1545 den fischer, der im sinen halben rock mit getailet hett, vnd sprach zů sinen

dieneren ,Nemend den vnd fürend in für vns in vnsern sal.‘ Der fischer erschrack vnd besorget, man wölt in tötten. Als man in für füret, do sprach Appolonius ,Nemend war, das ist min wirt, der mir die erste barmhertzikait nach minem schiffbruch erzöget vnd mich in dise stat gewiset hat. Darumb 1550 söllend ir in begaben mit zwaihundert pfund goldes, knechten vnd megten, vnd für min hoffgesind halten, die wijl ich lebe.‘ Elemitum der in gewarnet hett vor dem küng Antiocho, begabet er mit ainer graffschafft. Nach dem allem gebar im sin wijb ainen sun, dem er das küngrich Pentapolim in gab, vnd behielt im das kungrich Antiochiam. Alda lebet er bij sinem wijb vier 1555 vnd sijbentzig iar in friden vnd sälikait, vnd lies sin leben beschriben in zwaij grosse bücher vnd leget das ain in den tempel Epheseorum, das ander behielt er in siner liberij, vnd endet sin leben in friden. Amen. Hie hat Appolonius lessen ain end.

___________ 1528 gegewirtikait] D; gegenwirtikait gz, W. 1542 Wie Appolonius den fischer vnd Elemitum begabet. gz; f. D. 1558 Hie hat Appolonius lessen ain end] D; f. gz, W.

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Da mit sag ich lob danck vnd er Alpha vnd o on wider ker Pillich / wann er hat gegeben Appoloni strenges leben Clar zetủtschen vß latin Ettlicher alten hystoryn Mit namen ließ ich nit verderben Doctor gotfrids von vitterben Oberstes kronick schreiben Mit dem die kirch ouch wil beleiben Iunckfrow hilf vnß gnad erwerben Nit laß vns in den sủnden sterben Ewig das wir synd behalten Mit allen rainen iungen alten

___________ 1560-1573 Da mit ... alten] gz, W; f. D.

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Siglen D Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Don 150 D1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Don 86 T Trento, Biblioteca Comunale, Cod. 1951 V Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vind. 4119 W Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 75.10 Aug. 2° gz Augsburg: Günther Zainer, 1471

Abbildungsnachweis Abb. 1: Spielstein mit Episode aus dem Leben des Apollonius von Tyrus; Elfenbein. Köln um 1170. Metropolitan Museum of Art, New York. Quelle: http://www.metmuseum.org/ Collections/search-the-collections/170006205. Abb. 2: Mönch von Salzburg: Sequenz von Unser Lieben Frauen ‚Ave Balsams Creatur‘; Ulm: Johann Zainer d. Ä., [Frühjahr 1473] (GW 12290); München, Bayerische Staatsbibliothek, Einbl. III,28. Abb. 3: Ganzseitiger Einleitungsholzschnitt; Augsburg: Johann Bämler, 1476, Bl. 1a, Berlin, Staatsbibliothek, Inc. 3 (MRFH 20190; GW 2274).

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Anhang

Textausgaben Albrecht von Eyb: ‚Ob einem Manne sey zunemen ein eelichs weyb oder nicht‘. Mit einer Einführung zum Neudruck von Helmut Weinacht. Darmstadt 1982 (Texte zur Forschung 36). Brant, Sebastian: ‚Narrenschiff‘. Hg. v. Friedrich Zarncke. Hildesheim 1961 (Nachdruck d. Ausg. Leipzig 1854). Fortunatus, Venanius. Monumenta Germaniae Historica. Auctorum Antiquissimorum. Bd. IV/1. Hg. v. Bruno Krusch. Berlin 1885. Froben Christoph von Zimmern: ‚Zimmerische Chronik‘. 4 Bde. Hg. v. Karl A. Barack. Freiburg i. Br. 21881–1882 (BLVSt 91–94). Gesta Romanorum Hg. v. Hermann Oesterley. Hildesheim 1963 (Nachdruck d. Ausg. Berlin 1872) [Apollonius-Fassung Nr. 153, S. 510–532]. – Nach der Innsbrucker Handschrift vom Jahre 1342 und vier Münchener Handschriften hg. v. Wilhelm Dick. Erlangen/Leipzig 1890 (Erlanger Beiträge zur englischen Philologie 7). – Geschichte des Königs Apollonius von Tyrus. Ein antiker Liebesroman nach dem Text der Gesta Romanorum übertragen von Ilse Schneider u. Johannes Schneider. Mit Illustrationen von Harry Jürgens. Frankfurt a.M. 1987. Gottfried von Viterbo: Pantheon. In: Rerum Germanicarum Scriptores Aliqvot Insignes, Qvi Historiam Et Res Gestas Germanorvm. Bd. 2, hg. v. Johann Pistorius. Regensburg 1726, S. 175–181. – Singer, Samuel: ‚Apollonius von Tyrus‘. Untersuchungen über das Fortleben des antiken Romans in spätern Zeiten. Halle 1895, S. 153–177. – Gotifredi Viterbiensis Gesta Friderici I. et Heinrici VI. imperatorum metrice scripta ex ed. [Georg] Waitzii. Hannover 1870 (Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 30). Hartlieb, Johannes: ‚Alexander‘. Mit einem Nachwort und einer Bibliographie von Hans Friebertshäuser. Hildesheim/New York 1975 (Deutsche Volksbücher in Faksimiledrucken A/1). – Eingeleitet und hg. v. Reinhard Pawis. München 1991 (MTU 97). ‚Der Heiligen Leben‘. Bd. 1: Der Sommerteil. Hg. v. Margit Brand, Kristina Freienhagen-Baumgardt, Ruth Meyer u. Werner Williams-Krapp. Tübingen 1996 (Texte und Textgeschichte 44). – Bd. 2: Der Winterteil. Hg. v. Margit Brand, Bettina Jung u. Werner Williams-Krapp. Tübingen 2004 (Texte und Textgeschichte 51). Heinrich von Neustadt: ‚Apollonius von Tyrlant‘. Farbmikrofiche-Ed. der Hs. Chart. A 689 der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha. Einführung in das Werk und Beschreibung der Handschrift von Wolfgang Achnitz. München 1998 (Codices illuminati medii aevi 49). – Leben und Abenteuer des großen Königs Apollonius von Tyrus zu Land und zur See. Ein Abenteuerroman von Heinrich von Neustadt verfaßt zu Wien um 1300 nach Gottes Geburt übertr. mit allen Miniaturen der Wiener Hs. C, mit Anm. und einem Nachw. von Helmut Birkhan. Bern u.a. 22005. Historia Apollonii regis Tyri. Archibald, Elizabeth: ‚Apollonius of Tyre‘. Medieval and Renaissance Themes and Variations. Including the text of the Historia Apollonii Regis Tyri with an English translation. Cambridge 1991. – Kortekaas, Georgius A. A.: Historia Apollonii regis Tyri. Prolegomena, Text Edition of the two Principal Latin Recensions, Bibliography, Indices and Appendices. Groningen 1984 (Mediaevalia Groningana 3). – Kortekaas, Georgius A. A.: The story of Apollonius King of Tyre. A study of its Greek origin and an edition of the two oldest Latin recensions. Leiden u.a. 2004 (Mnemosyne, Supplementum 253). – Panayotakis, Stelios: The Story of Apollonius, King of Tyre. A Commentary. Berlin 2012 (Texte und Kommentare 38). – Die Geschichte des Königs Apollonius von Tyrus. Eingel. u. nach der ältesten lat. Textform zum erstenmal übers. von Richard Peters. Berlin/Leipzig 21904 (Kulturhist. Liebhaberbibl. 18).

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Personen- und Werkregister Adam Wernher von Themar d. Ä. 49 Agnes von Kirchberg, geb. von WerdenbergHeiligenberg 35 u. Anm. 123 Agricola, Rudolf 15 Alanus de Rupe ‚������������������������� �������������������������� Unser lieben Frauen Psalter‘ 53, 57, 123 Albertanus von Brescia De doctrina (arte) dicendi et tacendi; Liber consolationis et consilii; De amore Dei et proximi 56 u. Anm. 235 Alberti, Leon Battista Philodoxius 68 Anm. 24 Albrecht von Eyb 5, 15 u. Anm. 7, 17f., 20 Anm. 46, 22, 29f., 68 u. Anm. 24, 99, 101, 114 – ‚Ehebüchlein‘ 68 Anm. 24, 114 Albrecht III. von Bayern-München 22 Anm. 57, 59 Albrecht VI. von Österreich (Erzherzog) 15 Albrecht von Zimmern 37 Anm. 131 Alexander der Große 66, 73, 79f., 120 Anm. 59, 122 Anm. 74 ‚Andechser Chronik‘ 57, 59, 115 Andres Meyer [zum Pfeil] 113 Anna von Braunschweig 59 Anna von Fürstenberg 35 Anna von Kirchberg (Fürstenberg u. Zimmern; Gräfin) 35–37 Anna von Zimmern 37 Antiochos III. d. Gr. 79 u. Anm. 86 Antiochos IV. Epiphanes 79f. u. Anm. 87 Apollonia von Kirchberg 35 Anm. 121, 36 Apollonia von Zimmern 37, 38 Anm. 134, 39 Aristoteles 53, 66 – Propleumata 53 Astesanus, Antonius 68 Anm. 21 August der Jüngere von Braunschweig (Herzog) 41, 108 Augustinus 18 u. Anm. 27, 58, 66 Augustinus Aurelius (Pseudo-) 58 – ‚Der menschen spiegel‘ 58 – Quaestiones ad Orosium 70 Anm. 39 Ave praeclara maris stella, dt. 87 Anm. 106 Avicenna Canon 28 Anm. 84 Bämler, Johann 27, 51 u. Anm. 208, 52, 55, 56 Anm. 235, 58 u. Anm. 242, 60, 110

Anm. 19, 113 Anm. 35, 115, 120–126, 139–144, 146 – ‚Lehre und Unterweisung‘ 27, 51 u. Anm. 208, 56 u. Anm. 235, 58, 60, 120f., 142 Barbara zum Luft 49, 113 Basilius Magnus 5 Anm. 17, 18 u. Anm. 27, 26 u. Anm. 78, 34 – De legendis libris gentilium 5 Anm. 17 ‚Der Bauern Lob‘ (‚Wer der erste Edelmann gewesen ist‘) 56, 125 Beck, Balthasar 34 Anm. 117 Beck, Konrad 37 Anm. 131 ‚Beizbüchlein‘ 52, 56, 58 u. Anm. 243, 122 Bernhard von Clairvaux (Pseudo-) Epistola de cura domestica ad Raimundum militem 74 Berta von Kirchberg (Gräfin) 35f. Boccaccio, Giovanni 2f., 5 Anm. 17, 15, 18 Anm. 27, 24f., 29, 32, 54 Anm. 225, 94 Anm. 132, 98 – Decamerone 54 Anm. 225, 94 – De claris mulieribus 3, 5 Anm. 17, 25, 32 Boethius 66 Bollstatter, Konrad 31, 33, 41 u. Anm. 147 u. Anm. 150, 54, 107 u. Anm. 6, 108 Anm. 8, 127, 135f., 139f., 145, 148 Bonjohannes de Messana Speculum sapientiae 56, 116 Bourdillon, Francis William 112 u. Anm. 28 Brant, Sebastian 5, 17 u. Anm. 22 u. Anm. 25, 18f., 30 Anm. 94, 42 Anm. 156, 100 – ‚Narrenschiff‘ 17 Brentano, Clemens 118 ‚Breslauer Appolonius‘ 75f. Bruni, Leonardo 4, 5 Anm. 17, 15, 21, 54 Anm. 225, 67f., 73f. – De Guiscardo et Sigismunda 54 Anm. 225 – Orationes Homeri 73f. – De bello Italico contra Gothos 67 ‚��������������������������������������� Büchlein, wie man Fische und Vögel fangen soll‘ 56, 125 Carmina Burana 65 Celtis, Konrad 49 Chaucer, Geoffrey ‚Canterbury Tales‘ 65

292 Cicero, Marcus Tullius Oratio pro M. Marcello 74 Conrat zu Fürstenberg 35 Anm. 121 Cuspinian, Johannes 69 Anm. 28 Demosthenes 73 Dinckmut, Konrad 53, 59 Anm. 246, 123f., 144 ‚Drakula‘ 93 Anm. 126 Eberhard VII. von Kirchberg (Graf) 35 u. Anm. 123 Eberhard V. (im Barte) von Württemberg 16 u. Anm. 16, 22 Anm. 56, 42 u. Anm. 160 Egen, Anastasia (von Argon) 16 Egenolf von Staufenberg ���������������� ‚��������������� Peter von Staufenberg‘ 46 Anm. 177, 56, 114 Eggestein, Heinrich 116 Eleonore von Schottland (Österreich) 32f. Elisabeth von Lothringen ‚Huge Scheppel‘ 93 Anm. 126 Elisabeth von Helfenstein (Gräfin) 35 Anm. 121 Elisabeth von Montfort-Bregenz (Gräfin) 16 Anm. 13 Erasmus 18 Anm. 27 Fabri, Felix Evagatorium 43 u. Anm. 163 Fäsch, Remigius 113 Anm. 32 ‚Faustinian‘ 63 Anm. 1 Felicianus De divina praedestinatione 116 Ficino, Marsilio Consiglio contro la pestilencia 28 Foligno, Gentile da Tractatus de pestilencia 28 Folz, Hans 86 ‚Fortunatus‘ 95 Anm. 138 Fortunatus, Venantius, Bischof von Poitiers 63 Friedrich I. Barbarossa 4 Friedrich II. von Brandenburg (Kurfürst) 22 Anm. 57 Friedrich III. (Kaiser) 74f. ‚Friedrich von Schwaben‘ 46 Anm. 177 Froben Christoph von Zimmern 37 u. Anm. 131, 39 – ‚Zimmernsche Chronik‘ 36 Anm. 129, 37 u. Anm. 131, 39, 47 Fryess, Heinrich 52 Füetrer, Ulrich 30 Fürstenberg s. Anna, Conrat, Joachim, Johann II., Wratislaus II. Gaudenz von Kirchberg 36, 43 Gebauer, Georg Christian 114 Georg II. zu Helfenstein und Gundelfingen, (Graf) 34 u. Anm. 115, 37f. Gesta Romanorum 2, 7, 9, 56 Anm. 234, 63, 66, 70–75, 77–84, 90, 93f., 96, 139, 148

Anhang Göldi, Margaretha 50, 118 Göldi, Kaspar 50 Gossembrot, Sigismund 15 Gossembrot, Ulrich 26 Anm. 78 Gottfried von Bouillon 46 Anm. 177 Gottfried von Gundelfingen 35 Anm. 121 Gottfried von Straßburg ‚Tristan‘ 63 Anm. 1, 65 Gottfried von Viterbo 2, 4, 7, 28f., 63, 68– 70, 72, 75, 78–81, 84, 90, 93, 96, 99, 139, 148 – Pantheon 2, 7, 63, 68f., 72, 75, 78–83, 90, 93, 96, 99, 139, 148 Gottfried Werner von Zimmern 37 Anm. 131 Grundemann, Johannes 77 Guaineri, Antonio Tractatus de peste 28 Anm. 84 Guido de Columnis 67, 76 Guibert von Nogent Gesta Dei per Francos 1 Anm. 1 Hamer, Peter 34 u. Anm. 119, 106f., 127, 129, 134 Hans Germann von Bremgarten 50 Harder, Konrad ‚Frauenkranz‘ 87 Anm. 106 Hartlieb, Johannes 15, 22 Anm. 57, 29, 55, 57, 59, 79, 91, 93 Anm. 126, 115f., 142, 143 u. Anm. 170 – ‚Alexander‘ 15 Anm. 6, 55, 57, 59, 66, 79f., 91, 93 Anm. 126, 115, 120 A 59, 122 A 74, 126, 142f. Hauser, Johann 31, 41 u. Anm. 152, 55, 88 Anm. 113, 110f. u. Anm. 24f., 141 u. Anm. 164 Heidegger, Hans Conrad 125 Heimburg, Gregor 15, 67 Heinrich VI. 70 u. Anm. 33 Heinrich von Mügeln 76, 87 Anm. 106 – Sangspruchdichtung 87 Anm. 106 – ‚Ungarnchronik‘ 76 Heinrich von Neustadt ‚Apollonius von Tyrlant‘ 2 Heinrich von Stoffeln (Freiherr) 38f., 43, 46 Helfenstein s. Elisabeth, Georg II., Schweikhard Hermann von Sachsenheim 32 Anm. 106 ‚Herzog Ernst‘ 93 Anm. 126 Hieronymus 18 u. Anm. 27 Hist, Konrad 125 Historia Apollonii regis Tyri 2, 6, 45, 48, 63–69, 71, 73, 75–78, 81, 85, 91, 95, 97 Historia de gestis Alexandri Magni 67 ‚Historia. Der Graf von Savoyen‘ 57, 125 Historia de Karolo Magno 67 Historia Melibaeus et Prudentia 52 Historia Salomon et Marcolfus 53

Personen- und Werkregister Historia septem sapientum 56 Anm. 234, 72, 93, 94 Anm. 128 Holzhalb, Konrad 50 Honorius Elucidarium 70 Anm. 39 Horaz 25, 94 Hugo de Pisanis Philogenia 68 Anm. 24 Hugo VI. von Montfort (Graf) 36 Anm. 126 Isidor von Sevilla 32, 66, 80 – Chronica 66 Jacobus de Clusa: De apparitionibus animarum 116 Jacob II. von Thun 40 Anm. 145 Jacobus de Theramo ‚Belial‘ 49 Anm. 200, 50, 56, 59, 115, 117f. Jean de Montfort l‘Amaury 44 u. Anm. 168 Joachim von Fürstenberg (Graf) 37 Johann von Dalberg 49 Johann II. von Fürstenberg 36 Johann Geiler von Kaysersberg ‚Der Pilger‘ 123 Johannes von Giltingen 52 Johannes von Montfort 47 Anm. 181 Johannes von Montfort (Hl.) 44 Johann I. von Montfort 35 Anm. 121 Johann II. von Montfort-Tettnang 36 Johann IV. von Montfort-Tettnang-Rothenfels 36 Johannes von Salem (Abt) 22 Anm. 56 Johannes von Tepl ‚Der Ackermann aus Böhmen‘ 54, 107 Johann von Werdenberg (Graf) 51 Johannes Wernher von Themar 49, 119 Johann Werner von Zimmern, d. Ä. 35–38, 43, 46, 109, 142 Johann Werner von Zimmern, d. J. 38–40 Johann von Würzburg ‚Wilhelm von Österreich‘ 46 Anm. 177, 93 Anm. 126 Joseph Freiherr von Lassberg 109 ‚Jourdain de Blaye‘ 63 Anm. 1 ‚Kaiserchronik‘ 57, 59, 63 Anm. 1, 114 Kalt, Nicolaus 34 Anm. 118 Kammermeister, Sebastian 17 Anm. 26 Karl I. von Baden (Markgraf) 22 Anm. 56 Karl V. (HRR) 73 Kirchberg, s. Agnes, Anna, Apollonia, Berta, Eberhard VII., Gaudenz, Konrad VIII., Wilhelm Kloss, Georg Johann Burkhard Franz 115 Knoblochtzer, Heinrich 112, 114 Konrad VIII. von Kirchberg (Graf) 35 u. Anm. 122f. Konrad von Stoffeln und Gönningen ‚���� ����� Gauriel von Muntabel‘ 38 u. Anm. 137, 46f., 55, 108

293 Konrad von Würzburg 46 Anm. 177, 87 Anm. 106 – ‚Die goldene Schmiede‘ 87 Anm. 106 – ‚Engelhard‘ 46 Anm. 177 – ‚Schwanritter‘ 46 Anm. 177 Krafft, Adelheid (geb. Steinhöwel) 16 Krafft, Georg 17 Krafft, Matthäus 17 Krafft, Stäßlin Mang 16 Kunigunde von Wertheim 35 Lambrecht, Pfaffe ‚Alexanderlied‘ 65 ‚Leben des hl. Ivo Hélory‘ 57, 116 Legenda et officium Sancti Wolfgangi 57, 116 ‚Leipziger Apollonius‘ 76–78 Leopold III. von Österreich (Herzog) 76 Lichtenberger, Johannes Revolutio anni Septuagesimi 57, 116 Livius 28 Anm. 84 ‚Lucidarius‘ 56, 125 Luder, Peter 15 Ludolf von Sudheim Libellus de itinere ad terram sanctam 56, 116 Ludwig III. (Herzog von Anjou) 45 Lusignan (Geschlecht) 45–47 Magdalena von Montfort, geb. von ÖttingenWallerstein 36 u. Anm. 128 ‚Makkabäerbücher‘ 80 ‚Manekine‘ 63 Anm. 1 Margarethe von Montfort, geb. von Lusignan 47 Anm. 181 Margarethe von Württemberg (Savoyen) 15f., 22 Anm. 56, 33, 35 Anm. 123, 44f., 127 Anm. 92 Maria de Bonnard (Dame de Gomignies) 38 Anm. 134 ‚Marina‘ 68 Anm. 24 Martin von Troppau Chronicon pontificum et imperatorum (‚Chronik des Martin von Polen‘) 57, 59, 70, 114 Maximilian I. (HRR) 18f., 42 Anm. 156, 51, 91, 110, 121 – ‚Krönung‘ 40, 55, 58, 91, 110 Maximus, Valerius 28 Anm. 84 Mechthild von der Pfalz 15f., 22 Anm. 56, 24, 32f. Meisterlin, Sigmund 18 ‚Melibeus und Prudentia‘ 56, 58 u. Anm. 243, 122 Meserlin, Henslin 51, 121 Metlinger, Bartholomäus ‚Kinderbüchlein‘ 56, 116 Meyer zum Pfeil s. Andres, Michael, Niklaus Michael Francisci de Insulis Quodlibet de veritate fraternittis rosarii 116

294 Mich[ael] Meyer [zum Pfeil] 113 Monachus, Robertus Historia Hierosolymitana 1 u. Anm. 1, 96 Anm. 141 Mönch von Salzburg 22, 28, 41, 84–90 – ‚Ave Balsams Creatur‘ 88f. – ‚Das guldein Abc‘ 87 – ‚Marienlob‘ 87 Montfort, s. Elisabeth, Hugo VI., Jean, Johannes, Johann I., II., IV., Magdalena, Margarethe, Ulrich, Vinzenz Moser, Urban 52, 124 Muling, Johann Adelphus 30 Anm. 94 Nachtigall, Konrad 86 Nagler, Karl Ferdinand Friedrich von 113, 120 Nemesius von Emesa De natura hominis 70 Anm. 39 Niklas von Wyle 17, 20–22, 26, 29f., 49, 65, 56f., 59, 68, 74f., 99, 107, 112, 114 – ‚1. Translation: Eurialus und Lucretia‘ 49, 56, 59, 112, 114 – ��������������������������������������� ‚2. Translation: Guiscard und Sigismunda‘ 54 u. Anm. 225, 109f. – ‚7. Translation: 7. Translation: Die athenischen Räte (Orationes ad Athenienses; Oratio ad Alexandrum regem)‘ 74 – ‚8. Translation: Lehre vom Haushaben‘ 74 – ‚11. Translation: Giovanni Francesco Poggio Bracciolini an Leonardo Bruni: Über die Verbrennung des Hieronymus von Prag‘ 74 Niklaus Meyer zum Pfeil 45 Anm. 174, 49 u. Anm. 199 u. 200, 52, 54, 59 u. Anm. 248, 113 u. Anm. 31 – ‚Gebetbuch des Niklaus Meyer zum Pfeil‘ 49 Anm. 200 Nikolaus von Kues 67 Odyssee 65 Anm. 7 ‚Orendel‘ 63 Anm. 1 Ottheinrich von der Pfalz (Kurfürst) 87 Otto von Freising 4, 18, 66, 69f., 99 – Chronica 69f. – Gesta Friderici 70 Ovid 66 ‚Passional‘ 87 Anm. 106 Paumann, Narzissus 53 Petrarca, Francesco 2, 3, 5 Anm. 17, 15, 18 Anm. 27, 19, 24, 26f., 29, 31, 66–68, 97f. – De insigni obedientia et fide uxoris 24 – Epistolae seniles XI, 11 5 Anm. 17 – Historia Griseldis 3, 5 Anm. 17, 24 Pforr, Antonius 30 Philipp III. der Gute (Herzog von Burgund) 15, 16 Anm. 13, 32, 42

Anhang Piccolomini, Enea Silvio (Pius II.) 2, 4, 18, 21, 26 Anm. 78, 42 Anm. 156, 66–69, 99 – Germania 18 – Historia Austrialis 42 Anm. 156 – Türkenreden 18, 42 Anm. 156 Pirckheimer, Johannes 15, 68 Plautus, Titus Maccius Bacchides 68 Anm. 24 Poggio Bracciolini, Gianfrancesco 15, 73f. ‚Pontus und Sidonia‘ 93 Anm. 126 Pretel III. von Caldes 40 Anm. 145 Pribík Pulkava von Radenín Chronica Bohemorum 76 Processus juris 56 Ptolemaios I. Soter 79 Anm. 85 Ptolemaios II. Philadelphos 79 Anm. 85 Ptolemaios III. Euergetes 79 Ptolemaios IV. Philopator 79 Anm. 85 Püterich von Reichertshausen, Jakob 16, 30, 32 Anm. 106 – ‚Ehrenbrief‘ 16 Rahewin 70 Rancius, Mercurius De falso Hypocrita 68 Anm. 24 Rasinus, Balthasar 68 Anm. 21 Richel, Bernhard 116 Rosenplüt, Hans ‚König im Bad‘ 56, 125 Rudolf von Ems ‚Willehalm von Orlens‘ 93 Anm. 126 Rudolf von Hochberg [Hachberg]-Röteln (Markgraf) 15f., 46f. ‚Salomon und Markolf‘ 56, 59 u. Anm. 246, 115, 124 Schaller, Lorenz 68 u. Anm. 22 Schedel, Hartmann 15 u. Anm. 7, 17f., 22 Anm. 57, 26 Anm. 78, 48f., 56, 67, 69, 91, 99, 119 – ‚Weltchronik‘ 17 Schedel, Hermann 15 u. Anm. 7, 22 Anm. 57, 26 Anm. 78 Schobser, Johann 123 Schondoch 56 u. Anm. 34 – ‚Königin von Frankreich‘ 56 u. Anm. 34, 76, 125 Schönsperger, Johann 122–124, 126, 141, 144, 146 Schreyer, Sebald 17 Anm. 26 Schürer, Matthias 69 Anm. 28 ‚Schwabenspiegel‘ 35 Anm. 122 Schweikhard von Helfenstein und Gundelfingen (Graf) 34–38, 49, 106 – ‚Barlaam und Josaphat‘ 34 Seneca 66 Shakespeare, William ‚Pericles‘ 65 ‚Sieben weisen Meister‘ 73, 77, 94 Sigmund der Münzreiche (Tirol-Österreich) 30, 32, 36–38, 40, 43, 51, 75

Personen- und Werkregister Sinapius, Johannes 49 Sonnenberg, Gebrüder 35 Anm. 121 Sorg, Anton 33, 52, 55 Anm. 229, 58 Anm. 243, 60, 110 Anm. 19, 120 Anm. 60, 121f., 126, 140–142, 144 Sporer, Hans 60, 125 St. Ulrich und Afra 51f., 116, 121f. Steigerwalder, Friedrich 36 Anm. 124, 43 u. Anm. 164 Steinhöwel, Adelheid s. Krafft Steinhöwel, Heinrich – ‚Aesop‘ 1 Anm. 2, 3, 23, 26, 29, 30, 32, 33 Anm. 108, 51f., 77, 80, 92, 94 – ‚Büchlein der Ordnung der Pestilenz‘ 3, 17, 26–29, 49, 88, 98 – ‚Griseldis‘ 1, 24, 26f. 30–35, 37 Anm. 131, 48–50, 54, 56f. 59f. 61 Anm. 255, 77, 88, 91, 94, 97, 99, 106f., 111–115, 117–119, 127, 129, 135, 136 Anm. 154, 138, 139 Anm. 159, 142 Anm. 168, 146 Anm. 176 u. 178, 147 – ‚Spiegel menschlichen Lebens‘ 1, 3, 22 Anm. 58, 23, 26, 29, 32, 33 Anm. 108, 96 Anm. 140, 127 Anm. 92, 138 Anm. 156 – ‚Tütsche Cronica‘ 1, 3, 5, 16, 18, 26, 29, 43, 88, 96 Anm. 140, 98 – ‚Von den erlauchten Frauen‘ 1 Anm. 2, 17, 22, 26, 34, 96 Anm. 140 Steinhöwel, Heinrich d. Ä. 14 Stephan von Gundelfingen 35 Anm. 120 Stoffeln, s. Heinrich, Konrad Sträler, Johannes 28 Swigger von Gundelfingen 35 Anm. 120 Symphosius 65 Anm. 10 Terenz 66 Themar s. Adam W., Johannes W. ‚Thidrekssaga‘ 63 Anm. 1 Thun, s. Jacob II., Viktor Thüring von Ringoltingen ‚Melusine‘ 15, 40, 47, 50, 54, 57, 59, 110, 112 Trunckl, Hans 50, 117 Tüsch, Hans Erhart ‚��������������������� ���������������������� Burgundische Historien‘ 50, 57, 59, 112 ‚Tundalus‘ 53, 56, 125 Ulrich IX. von Matsch (Vogt) 36 Ulrich von Montfort (Graf) 35 Anm. 121 Ulrich von Württemberg (Graf) 15, 16 Anm. 18, 22 Anm. 56, 33, 45 ‚Valentin und Namenlos‘ 76 Valla, Lorenzo 68, 73 Vergil 69 Anm. 29 Viktor von Thun 40 u. Anm. 143f., 44, 54, 110, 140 Vinzenz von Montfort 40, 44 u. Anm. 167, 45 Anm. 171, 47 Vite imperatorum imprimis Romanorum 67

295 Walack, Gotfrid d. Ä. 67 Wenssler, Michael 116 Werdenberg, s. Agnes, Johann Wilhelm von Conches Philosophia 70 Anm. 39 Wilhelm von Hachberg-Sausenberg (Markgraf) 16 Anm. 13 Wilhelm von Kirchberg (Graf) 35 Anm. 120 Wilhelm Werner von Zimmern 37 Anm. 131, 47 Anm. 184 Wimpfeling, Jakob 17–19, 49, 101f. Wirker, Hans ‚Pestschrift‘ 28 Wodhull, Michael 112 Wolgemut, Michael 17 Anm. 26. Wratislaus II. von Fürstenberg (Graf) 39, 109 Anm. 5 Zainer, Günther 1, 22 Anm. 57, 23 Anm. 61, 27, 33, 48, 52, 109, 111–119, 127, 136, 138–142, 145, 146 Zainer, Johann 1 Anm. 1, 5 Anm. 17, 16 Anm. 16, 18, 24 Anm. 68f., 25 Anm. 70, 28 Anm. 84, 30 Anm. 96, 32 Anm. 107, 33 Anm. 108, 34 Anm. 116, 51, 54 Anm. 224, 59, 88, 89, 114, 124, 129, 144, 146 Anm. 178 Zamorensis, Rodericus Speculum vitae humanae 50, 118 Zimmern, s. Albrecht, Anna, Apollonia, Froben Christoph, Gottfried Werner, Johann Werner d. Ä., Johann Werner d. J., Wilhelm Werner

Verzeichnis der Handschriften Aschaffenburg, Hofbibliothek – Ms. 33: 67 Augsburg, UB – Cod. II.1.2° 190: 65 Anm. 11 Augsburg, SSB – 2° Cod. 126: 65 Anm. 11 – 4° Cod. 121: 28 Anm. 89 – 4° Cod. 149: 69 Anm 27 Basel, UB – A. N. VI. 49: 52 Anm. 217 – A. R. 14a: 52 Anm. 216 – A. VI. 12: 52 Anm. 217 – A. IX. 30: 52 Anm. 217 – A. IX. 34: 52 Anm. 217 – B. VII. 22: 52 Anm. 217 – Cod. AA I 2: 49 Anm. 200 – Cod. B XI 26: 49 Anm. 200 – Cod. O I 18: 45 Anm. 174, 49 Anm. 200, 50 Anm. 201, 115 Berlin, SB – Ms. germ. fol. 24: 86 Anm. 103 Bern, Burgerbibliothek – A 82: 52 Anm. 217 Breslau, UB – Cod. IV F. 33: 71 Anm. 41 Breslau/Wrocław, StB – Cod. R 304 (Kriegsverlust): 75 Churburg (Schloss) bei Schluderns, Archiv der Grafen von Trapp, ohne Sign.: 43 Anm. 164 Colmar, Bibliothèque Municipale – ms. 10 [Kat.-Nr. 432]: 72 Darmstadt, ULB – Hs. 4256: 142 Anm. 170 Den Haag, Museum Meermanno-Westreenianum – 4° 49 (10. E. 8): 52 Anm. 217 Dessau, StB – Georg. Hs. 238, 8°: 43 Anm. 163 Erlangen, UB – Ms. 589: 69 Anm. 29 Frankfurt am Main, Bartholomäusstift – Ms. Barth. 89: 69 Anm. 29 – Ms. Barth. 129: 69 Anm. 29 Hannover, Niedersächische LB – Ms. XIII 859: 69 Anm. 29

Heidelberg, UB – Cpg 154: 59, 91, 115 – Cpg 356: 87f. Innsbruck, UB – Cod. lat. 310: 71, 94 Anm. 128 Jena, ThULB – Cod. Buder q. 105: 68 Karlsruhe, BLB – Cod. Don. 79: 35 Anm 123 – Cod. Don. 86 (Sigle D1): 31, 33, 38, 108, 140 – Cod. Don. 117: 36f. Anm. 129 – Cod. Don. 145: 36 u. Anm. 128 – Cod. Don. 150 (Sigle D): 31, 34, 78, 106, 127, 147 Klosterneuburg, Bibliothek des AugustinerChorherrenstifts – Cod. 747: 37 Anm. 131 Leipzig, UB – Ms. 919: 72f., 77 u. Anm. 75 – Ms. 1279: 76, 78, 98 München, BSB – 2 Inc.s.a. 807 a: 116 – Cgm 21: 35 Anm. 122 – Cgm 213: 41, 108 Anm. 8 – Cgm 252: 32 Anm. 107 – Cgm 312: 41, 108 Anm. 8 – Cgm 1137: 127 Anm. 92, 138 Anm. 156 – Clm 215: 67 u. Anm. 17 – Clm 263: 48, 56, 119 München, UB – 2° Cod. ms. 136: 72f. – 8° Cod. ms. 154: 65 Anm. 11 New York, PL (Spencer Collection) – Ms. 105: 32 Anm. 107 Nürnberg, StB – Cent. II, 100: 69 Anm. 29 – Will III.792: 86 Anm. 103 – Will. III. 793: 86 Anm. 103 St. Gallen, Kantonsbibliothek – Ms. Vad. 455: 17 Anm. 21, 28 Anm. 87, 88 Anm. 113 St. Gallen, Stiftsbibliothek – Cod. 957: 34 Anm. 119 Stuttgart, WLB – Cod. hist. 2° 618: 44 – Cod. hist. 2° 411: 66 Anm. 16

298 Trento, Biblioteca Comunale – Cod. 1951 (Sigle T): 33, 109f., 140 Ulm, SB – Cod. 19555, 1 und 2 (olim 6718): 43 Anm. 163 Weimar, Anna Amalia Bibliothek – Q 576.1: 86 Anm. 103 Wien, ÖNB – Cod. 362: 65 Anm. 11 – Cod. 413: 69 Anm. 27 – Cod. 480: 65 Anm. 11, 78 – Cod. 2795: 38 Anm. 136 – Cod. 2888: 38 Anm. 136 – Cod. 3036: 38 Anm. 136

Anhang – Cod. 3332: 71 Anm. 41 – Cod. 4119 (Sigle V): 41, 89 Anm. 113 – Cod. lat. 510: 76 u. Anm. 67 Wolfenbüttel, HAB – Cod. 24.5 Aug 4°: 73f., 150f. – Cod. 37.17 Aug. 2°: 110 Anm. 8 – Cod. 75.10 Aug. 2° (Sigle W): 33, 41, 109, 129 Würzburg, UB – M. ch. f. 23: 69 Anm. 29 – M. ch. f. 82: 69 Anm. 29 Zwickau, Ratsschulbibliothek – Ms. I, XV, 3: 69 Anm. 29 – Ms. XXIV, IVV, 18: 65 Anm. 11

Verzeichnis der Drucke GW 2 Sp. 515a Augsburg: Anton Sorg, Montag nach unsers Herrn Fronleichnam [5. VI.] 1480: 126 GW 351 Ulm: Johann Zainer, [um 1476/77]: 30 Anm. 96, 33 Anm. 108, 51 Anm. 209 GW 884 Augsburg: Johann Bämler, 28.VI.1473: 120 Anm. 59, 122 Anm. 74, 124 Anm. 84, 142f. Anm. 170 GW 886 Augsburg: Johann Bämler, 5. 6. 1480: 126 GW 1640 Augsburg: Johann Bämler, [14]73: 115 GW 2273 Augsburg: Günther Zainer, 1471: 3 Anm. 2, 9, 13, 16, 27 Anm. 81, 31, 33, 38, 41, 48–50, 55f. 59 Anm 246; 73, 84, 85 Anm. 98, 91, 109 Anm. 13, 111–119, 127, 138–142, 145–148 GW 2274 Augsburg: Johann Bämler, 1476: 33, 51 Anm. 208, 113 Anm. 35, 120–122, 126, 142f. GW 2275 Augsburg: Anton Sorg, [14]79: 33, 55 Anm. 229, 110 Anm. 19, 121, 126, 141, 146 GW 2276 Augsburg: Johann Schönsperger, 1488: 33, 122–124, 126, 144, 146 GW 0227610N [Augsburg: Johann Schönsperger, um 1494]: 123, 144 GW 2277 Ulm: Konrad Dinckmut, 1495: 33, 53, 59 Anm. 246, 123f., 144 GW 2278 Ulm: Johann Zainer, d. J., [14]99: 33, 124, 144 GW 3706 Ulm: Johann Zainer, 1478: 5 Anm. 17 GW 3734 Erfurt: In S. Pauls Pfarr (Hans Sporer), [14]97: 125

GW 3785 [Augsburg: Anton Sorg, um 1480]: 58 Anm. 243, 122 GW 4483 Ulm: Johann Zainer d. Ä., 1473: 5 Anm. 17, 25 Anm. 70 GW 4486 Ulm: Johann Zainer, [vor dem 28. März 1474]: 25 Anm. 70, 32 Anm. 107, 34 Anm. 116 GW 5681 Erfurt: [Hans Sporer], 1498: 125 GW 7890 [Basel: Michael Wenssler, um 1475]: 116 GW 9243 [Straßburg: Martin Schott, um 1489/90]: 114 GW 9520 [Nürnberg: Anton Koberger, 16. 10. 1472]: 114 GW 9731 [Augsburg: St. Ulrich und Afra, 1473/74]: 116 GW 10075 Ulm: Johann Zainer, sant scolasticen tag [10. Februar] 1473: 1 Anm. 1, 16 Anm. 16 GW 10587 [Augsburg: Johann Schobser, 14]94: 123 GW 10882 Köln: Ulrich Zell, nach 1472: 72 u. Anm. 46 GW 10259 [Basel: Bernhard Richel, um 1479/80]: 116 GW 12290 Ulm: Johann Zainer d. Ä., [Frühjahr 1473]: 88f. u. Anm. 110 GW 12578 Erfurt: Hans Sporer, 1497: 125 GW 12642 Augsburg: Anton Sorg, 6. 8. 1480: 58 Anm. 243, 122 GW 12642 Augsburg: Anton Sorg, 6. 8. 1480: 58 Anm. 243, 122

300 GW 12655 Augsburg: Johann Bämler, 2.XI.[14]74: 143 Anm. 171 GW 12660 Augsburg: Johann Bämler, 18. 2. 1480: 110 Anm. 19 GW 12785 Ulm: Johann Zainer d. J., [14]96: 124 GW 12831 [Speyer; Konrad Hist, um 1495/98]: 125 GW M09342 S[peyer]: K[onrad] H[ist], 1497: 125 GW M11062 [Augsburg: Johann Bämler, um 1476]: 115 GW M11082 [Augsburg]: Günther Zainer, 26. 6. 1472: 117f. GW M17713 Augsburg: Johann Bämler, 23.IV.1472 [vielmehr 22.IV.1472(?)]: 56 Anm. 235, 142 Anm. 168 GW M17724 Augsburg: [Johann Bämler], 24. 3. 1476: 56 Anm. 235, 58 Anm. 242, 120, 142 GW M18319 Erfurt: Hans Sporer, 1497: 125 GW M22103 Augsburg: Anton Sorg, 1486 [nach dem 12. April]: 110 Anm 19 GW M23095 [Augsburg: Günther Zainer, nach 7. 12. 1473]: 116 GW M31499 Ulm: Johann Zainer d. Ä., [um 1473]: 5 Anm. 17 GW M31570 Ulm: Johann Zainer d. Ä., 1473: 5 Anm. 17, 24 Anm. 68 GW M31580 Augsburg: Günther Zainer, 1471: 27 Anm. 81, 111–113, 115, 117–119, 138 Anm. 156, 142 Anm. 168

Anhang GW M31583 [Ulm: Johann Zainer, vor dem 28. März 1474]: 24 Anm. 69, 54 Anm. 224, 114, 136 Anm. 154 GW M33548 [Straßburg: Heinrich Knoblochtzer, um 1478]: 112, 114 GW M38455 Augsburg: Günther Zainer, [11. 1.] 1471: 118 GW M38511 [Augsburg: Günther Zainer, nach dem 26. März 1475]: 22 Anm. 58, 23 Anm. 61, 33 Anm. 108, 138 Anm. 156 GW M38990 Erfurt: Hans Sporer, 1498: 125 GW M39204 [Ulm: Konrad Dinckmut, 1496]: 123 GW M40784 Nürnberg: Anton Koberger für Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister, 12.7.1493: 17 Anm. 26 GW M40883 Erfurt: Hans Sporer, 1498: 125 GW M43865 Ulm: Johann Zainer, montag nach Erhardi [11. Januar] 1473: 28 Anm. 84 GW M44168 [Straßburg: Heinrich Eggestein, um 1475/80]: 116 GW M48074 Straßburg: [Heinrich Knoblochtzer], 1477: 112 GW M51767 Burgdorf: [Drucker von Jacobus de Clusa: De apparitionibus animarum (H 9349)], 1475: 116 VD 16 O 1434 Straßburg: Matthias Schürer, 1515: 69 Anm. 28 VD 16/17 S 5775 Straßburg: Balthasar Beck, 1536: 34 Anm. 117 VD17 23:238077E Konstanz: Nicolaus Kalt, 1603: 34 Anm. 118