Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Personengesellschaftsrecht [5. Aufl.] 9783814558639

Ziel dieses Werkes ist die systematische Aufarbeitung und verständliche Wiedergabe der relevanten Rechtsprechung des Bun

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Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Personengesellschaftsrecht [5. Aufl.]
 9783814558639

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Bergmann Personengesellschaftsrecht

RWS-Skript 20

Personengesellschaftsrecht Höchstrichterliche Rechtsprechung

5., neu bearbeitete Auflage

von Vors. Richter am BGH i.R. Prof. Dr. Alfred Bergmann, Karlsruhe

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: Hundt Druck GmbH, Köln

Vorwort zur 5. Auflage Das Gesetzesvorhaben zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), das voraussichtlich noch in dieser Legislaturperiode zu einem erfolgreichen Abschluss gelangen wird, gibt Anlass, den seit der von Alfred Kellermann und Heinz Dieter Stodolkowitz bearbeiteten Vorauflage aus dem Jahre 1994 erreichten aktuellen Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Personengesellschaftsrecht zusammenzufassen. Das MoPeG verfolgt neben anderen das Ziel, das geschriebene Recht durch konsequente Ausrichtung auf die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an die Fortentwicklung der Rechtspraxis in der Folge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 (BGHZ 146, 341) anzupassen. In der Folge werden grundlegende und weite Teile der seitdem ergangenen Judikate auch nach dem – wegen des mit ihm verbundenen Anpassungsbedarfs nach Art. 135 Satz 1 des Regierungsentwurfs erst für den 1. Januar 2023 vorgesehenen – Inkrafttreten für die Rechtswirklichkeit von Bedeutung bleiben. Bei der systematisch weitgehend an der geplanten Neufassung des Gesetzes ausgerichteten Zusammenstellung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, insbesondere des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats, sind bis einschließlich Januar 2021 veröffentlichte Entscheidungen berücksichtigt worden.

Karlsruhe, im Februar 2021

Alfred Bergmann

V

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort zur 5. Auflage .................................................................................. V A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts .............................................. 1 ........ 1 I.

Allgemeines ................................................................................... 1. Begriff .................................................................................... 2. Erscheinungsformen ............................................................. 3. Rechtsnatur ...........................................................................

II. Begründung des Gesellschaftsverhältnisses .............................. 1. Gesellschaftsvertrag als Entstehungstatbestand ................ a) Vertragsschluss ............................................................ b) Form ............................................................................. c) Förderung des gemeinsamen Zwecks ......................... d) Vertragsauslegung ........................................................ e) Vertragsänderung ......................................................... f) Mängel des Vertrages ................................................... aa) Formnichtigkeit .................................................. bb) Sittenwidrigkeit ................................................... cc) Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB ......................... dd) Anfechtung der Beitrittserklärung ..................... ee) Fehlerhafte Gesellschaft ..................................... 2. Entstehung durch Zweckänderung einer Personenhandelsgesellschaft .............................................................. 3. Entstehung durch Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz ........................................................... III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft (Innenverhältnis) ............................................ 1. Pflichten der Gesellschafter ................................................ a) Beitragsleistung ............................................................ aa) Entstehen der Einlagepflicht .............................. bb) Einbringung von Sachen ..................................... cc) Mehrbelastungsverbot ........................................ b) Treuepflicht .................................................................. aa) Allgemeines Verbandsprinzip ............................ bb) Geschäftschancenlehre ....................................... 2. Rechte der Gesellschafter ................................................... a) Gewinnanteil ................................................................ b) Informations- und Auskunftsrecht ............................

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VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

3. 4.

5.

6.

Gesellschaftsvermögen ....................................................... 60 Beschlussfassung und Beschlusskontrolle ......................... 62 a) Einberufung der Gesellschafterversammlung ............ 62 b) Mehrheitsentscheidungen ........................................... 65 c) Stimmpflicht ................................................................ 76 d) Stimmverbote ............................................................... 77 e) Geltendmachung der Unwirksamkeit der Beschlussfassung .......................................................... 84 aa) Feststellungsklage ............................................... 84 bb) Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten ............................................ 88 Geschäftsführung ................................................................ 91 a) Gesamtgeschäftsführungsbefugnis ............................. 91 b) Notgeschäftsführung .................................................. 92 c) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund ......................................................... 98 d) Actio pro socio ............................................................ 99 Ansprüche im Innenverhältnis ......................................... 100 a) Haftungsmilderung, § 708 BGB ............................... 100 b) Aufwendungsersatz ................................................... 101

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IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten ......................... 1. Vertretung der Gesellschaft .............................................. 2. Außenhaftung der Gesellschafter .................................... a) Grundsatz ................................................................... b) Quotale Haftung ....................................................... c) Haftung des eintretenden Gesellschafters ............... d) Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Altverbindlichkeiten ............................................ e) Haftung als Scheingesellschafter .............................. f) Verjährung ................................................................. g) Gesamtschuldnerausgleich ........................................

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand .......................................... 1. Übertragung und Verpfändung des Gesellschaftsanteils ..................................................................... 2. Ausschluss aus wichtigem Grund .................................... 3. Kündigung durch Gesellschafter aus wichtigem Grund ................................................................................. a) Kündigungserklärung ................................................ b) Wichtiger Grund ........................................................ c) Fortsetzungsklausel ................................................... d) Hinauskündigungsklauseln ....................................... e) Außerordentliche Kündigung bei Auflösung der Gesellschaft ..........................................................

134 ...... 35

VIII

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167 ...... 43

Inhaltsverzeichnis Rn.

4.

Auseinandersetzung .......................................................... a) Auseinandersetzungsanspruch .................................. b) Schuldner des Auseinandersetzungsanspruchs ........ c) Umfang der Auseinandersetzung ............................. aa) Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den letzten verbleibenden Gesellschafter ........ bb) Auseinandersetzung bei Fortsetzung der Gesellschaft ................................................. cc) Schwebende Geschäfte ..................................... dd) Fehlbetragshaftung, § 739 BGB ....................... d) Passivlegitimation bei Klage auf Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz ............................. e) Schiedsgutachten ....................................................... f) Abfindungsvereinbarungen .......................................

VI. Beendigung der Gesellschaft .................................................... 1. Auflösung der Gesellschaft .............................................. a) Fortsetzung nach Auflösung .................................... b) Streit über Auflösung der Gesellschaft .................... c) Klage auf Feststellung der Gewinnbeteiligung nach Auflösung der Gesellschaft .............................. 2. Liquidation der Gesellschaft ............................................. a) Treuepflicht während der Auseinandersetzung ....... b) Behandlung von Einlagen bei Auflösung wegen Insolvenz der Gesellschaft ........................................ aa) Einforderung ausstehender Einlagen ............... bb) Rückforderung von Einlagen ........................... c) Durchsetzungssperre ................................................. aa) Grundsatz .......................................................... bb) Ausnahmen ....................................................... cc) Vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung .... dd) Geltendmachung im Verfahren ........................ d) Verlustausgleichspflicht, § 735 BGB ........................ e) Rechnungslegung ....................................................... f) Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern ......... g) Ausscheiden von Gesellschaftern ............................. VII. Freiberuflersozietäten .............................................................. 1. Kündigungsbeschränkung ................................................ 2. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot ............................ 3. Auseinandersetzung .......................................................... 4. Altersversorgung ............................................................... 5. Haftung wegen berufshaftungsrechtlicher Verbindlichkeiten .............................................................. 6. Haftung bei Eintritt von Sozien .......................................

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242 ...... 60 245 ...... 61

IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

VIII. Innengesellschaft .................................................................... 1. Begriff ................................................................................ 2. Geschäftsführung .............................................................. 3. Beendigung der Innengesellschaft ....................................

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IX. Verfahrensrecht ........................................................................ 259 ...... 64 1. Gerichtliche Vertretung .................................................... 259 ...... 64 2. Umfang der Rechtskraft und Vollstreckung ................... 260 ...... 64 B. Personenhandelsgesellschaften .............................................. 271 ...... 69 I.

Offene Handelsgesellschaft ..................................................... 1. Tätigwerden vor Eintragung ............................................. 2. Eintragungen in das Handelsregister ............................... 3. Wettbewerbsverbot ........................................................... 4. Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters .......... a) Beginn der Nachhaftungsfrist ................................... b) Nachhaftung bei Dauerschuldverhältnissen ............ 5. Vorwegnahme einer für den Todesfall getroffenen Nachfolgeregelung ............................................................

271 271 273 275 276 276 278

II. Kommanditgesellschaft ............................................................ 1. Errichtung der KG ............................................................ 2. Beschlussfassung ............................................................... a) Einberufung der Gesellschafterversammlung .......... b) Schriftliche Abstimmung .......................................... c) Gruppenvertretung der Kommanditisten ................ d) Anfechtung von Ausschließungsbeschlüssen .......... 3. Einlage des Kommanditisten ............................................ a) Erhöhung der Pflichteinlage durch Mehrheitsbeschluss ................................................... b) Wirkung der Einlageleistung ..................................... c) Gewinnunabhängige Ausschüttungen und Rückzahlung der Einlage ........................................... d) Rückforderung von Ausschüttungen und zurückgewährten Einlagen ........................................ aa) Rückzahlung als erneute Einzahlung der Einlage ......................................................... bb) Ersatzanspruch nach § 110 HGB ..................... 4. Wettbewerbsverbot des Kommanditisten ....................... 5. Auskunftsanspruch des Kommanditisten gemäß § 166 HGB ......................................................................... 6. Haftung des Kommanditisten .......................................... a) Drittgeschäfte der Gesellschaft mit einem Gesellschafter ............................................................. b) Haftung nach Einlagenrückgewähr .......................... aa) Gewinnentnahme ..............................................

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X

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Inhaltsverzeichnis Rn.

7.

8.

bb) Rückzahlung eines Agios ................................. cc) Einlagenrückgewähr bei Leistung der KG an eine andere Gesellschaft .............................. c) Haftung nach Übertragung des Kommanditanteils ..................................................... d) Haftung in der Insolvenz der Gesellschaft .............. aa) Regelungsgehalt des § 171 Abs. 2 HGB .......... bb) Darlegung der Forderung des Insolvenzverwalters .......................................... cc) Abwehrrechte des Kommanditisten ................ e) Innenausgleich beim Aufwendungsersatz nach § 110 HGB ........................................................ f) Erstattung von Kapitalertragsteuer .......................... aa) Außerhalb des Insolvenzverfahrens erhobene Kapitalertragsteuer ........................... bb) Im Insolvenzverfahren erhobene Kapitalertragsteuer ............................................ Ausscheiden von Gesellschaftern ..................................... a) Ausschließung aus wichtigem Grund ....................... b) Ausscheiden wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters ..................................................................... c) Ausscheiden wegen Aufgabe der Beteiligung an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks ............. d) Sonderrechtsnachfolge in einen Kommanditanteil .... e) Testamentsvollstreckung .......................................... Auflösung .......................................................................... a) Kündigung der Gesellschaft durch den Privatgläubiger, § 135 HGB ...................................... b) Fortsetzungsbeschluss bei Liquidation ....................

III. GmbH & Co. KG ..................................................................... 1. Kapitalaufbringung ........................................................... 2. Geschäftsführung .............................................................. a) Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre .... b) Geschäftsführeranstellungsverhältnis ...................... aa) Vertragsverlängerung durch den nach § 181 BGB befreiten Fremdgeschäftsführer .... bb) Tätigkeitsvergütungen der nicht nach § 181 BGB befreiten GesellschafterGeschäftsführer ................................................. cc) Anstellungsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage ............................................. dd) Kündigung des Anstellungsvertrages .............. c) Vergütung der Komplementär-GmbH für Haftungsübernahme ..................................................

Seite

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376 ...... 96

378 ...... 97 380 ...... 97 384 ...... 98 385 ...... 99 XI

Inhaltsverzeichnis

3.

4. 5. 6. 7.

Haftung des Geschäftsführers .......................................... a) Haftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG ......................... aa) Begründung der Pflichtenstellung ................... bb) Sorgfaltsmaßstab ............................................... cc) Haftungsausschluss aufgrund von Weisungen, Einverständnis oder Entlastung ....................... dd) Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bei Pflichtverletzung ......................................... b) Haftung für Kapitalerhaltung, §§ 30 ff., 43 Abs. 3 GmbHG .................................................... c) Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife, § 130a Abs. 3, § 177a Satz 1 HGB ............................ Prozessführungsbefugnis des Kommanditisten .............. Auflösung durch Ausscheiden der KomplementärGmbH ................................................................................ EinheitsGmbH & Co. KG ............................................... Rechtsanwaltsgesellschaft .................................................

Rn.

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386 386 386 392

...... 99 ...... 99 ...... 99 .... 100

393 .... 101 401 .... 103 403 .... 103 412 .... 105 426 .... 109 427 .... 109 429 .... 109 430 .... 110

IV. AG & Co. KG .......................................................................... 431 .... 110 C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften ............................................................... 433 .... 111 I.

Gesellschaftsvertrag .................................................................. 1. Beitritt neuer Gesellschafter ............................................. 2. Vertragliche Einbeziehung von Treugebern .................... 3. Streitigkeit über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft ...... 4. Auslegung des Gesellschaftsvertrags ...............................

II. Geschäftsführung und Vertretung .......................................... 1. Übertragung der Geschäftsführung auf einen Geschäftsbesorger ............................................................. 2. Beschränkung von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht ...................................................... 3. Geschäftsführung und Vertretung nach Auflösung der Gesellschaft ................................................................. III. Gesellschafterversammlung; Beschlussfassung ....................... 1. Einberufungsbefugnis ....................................................... 2. Auslegung von Beschlüssen .............................................. 3. Mehrheitserfordernisse bei schriftlicher Beschlussfassung ............................................................... 4. Änderung gesellschaftsvertraglich vereinbarter Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisse ............... 5. Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz ..................

433 433 436 444 445

.... .... .... .... ....

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448 .... 115 448 .... 115 451 .... 116 452 .... 116 457 .... 117 457 .... 117 458 .... 117 460 .... 118 463 .... 119 471 .... 121

IV. Informations- und Auskunftsrecht ......................................... 472 .... 121 1. Informationsrecht ............................................................. 472 .... 121 XII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

Auskunft über Mitgesellschafter ...................................... a) Grundsatz ................................................................... b) Anspruchsberechtigte ................................................ c) Anspruchsschuldner ..................................................

478 478 488 490

Seite

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123 123 125 126

V. Außenhaftung ........................................................................... 492 .... 126 VI. Innenhaftung und Innenausgleich ........................................... 1. Leistung der Einlage .......................................................... 2. Rückforderung von Ausschüttungen ............................... 3. Haftung der Gründungsgesellschafter wegen Prospekthaftung im weiteren Sinne ................................. a) Schuldner und Gläubiger des Schadensersatzanspruchs ............................................................. aa) Schuldner ........................................................... bb) Gläubiger ........................................................... b) Anrechnung von Steuervorteilen .............................. 4. Freistellungsanspruch des Treuhandgesellschafters gegen den Treugeber ......................................................... 5. Innenausgleich zwischen Mitgesellschaftern beim Aufwendungsersatz nach § 110 HGB ..............................

496 .... 127 496 .... 127 498 .... 128 502 .... 129 502 502 508 510

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129 129 130 131

513 .... 132 524 .... 135

VII. „Sanieren oder Ausscheiden“ ................................................... 526 .... 136 VIII. Auflösung und Beendigung ................................................... 1. Kündigung und Kündigungsbeschränkung ..................... 2. Geschäftsführungsbefugnis .............................................. 3. Auseinandersetzung und interner Ausgleich .................. 4. Nachtragsliquidation .........................................................

532 532 536 537 545

.... .... .... .... ....

138 138 139 139 141

D. Partnerschaftsgesellschaft ...................................................... 546 .... 143 I.

Partnerschaftsgesellschaft als Gesellschafterin einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung ............ 546 .... 143

II. Interprofessionelle Partnerschaft ............................................ 551 .... 144 III. Eintragung eines Doktortitels in das Partnerschaftsregister ..... 558 .... 147 IV. Fortführung des Namens der Partnerschaft mit Doktortitel .... 562 .... 147 V. Gesamtschuldnerische Haftung, § 8 PartGG ......................... 568 .... 149 VI. Haftung nach Eintritt von Partnern ........................................ 571 .... 150 1. Haftung gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG, § 130 HGB .... 571 .... 150 2. Haftung entsprechend § 28 Abs. 1 HGB ........................ 575 .... 150 VII. Liquidation der Partnerschaftsgesellschaft ............................. 579 .... 152

XIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

E.

Stille Gesellschaft .................................................................... 580 .... 153

I.

Einlage des stillen Gesellschafters ........................................... 580 .... 153 1. Leistung causa societatis ................................................... 580 .... 153 2. Verjährung des Einlagenanspruchs .................................. 584 .... 154

II. Haftung des stillen Gesellschafters ......................................... 585 .... 154 III. Auflösung der stillen Gesellschaft ........................................... 1. Sofortige Beendigung durch Auflösung .......................... 2. Auflösung durch Kündigung aus wichtigem Grund ....... 3. Auseinandersetzung ..........................................................

586 586 587 589

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154 154 155 155

IV. Fehlerhafte stille Gesellschaft .................................................. 597 .... 157 1. Grundsätze ........................................................................ 597 .... 157 2. Fehlerhafte mehrgliedrige stille Gesellschaft .................. 601 .... 158 V. Unterbeteiligung ....................................................................... 608 .... 160 F.

Rechtsformübergreifende Grundsätze ................................. 614 .... 163

I.

Fehlerhafte Gesellschaft ........................................................... 614 .... 163

II. Treuepflicht ............................................................................... 624 .... 165 III. Selbstorganschaft ...................................................................... 629 .... 166 IV. Besonderer Vertreter ................................................................ 632 .... 167 V. Actio pro socio ......................................................................... 634 .... 167 VI. Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung, § 25 HGB .................................................................................. 640 .... 169 VII. Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters .................... 1. Grundmitgliedsrecht ......................................................... 2. Höhe der Abfindung ......................................................... 3. Abfindungsausschluss und -beschränkung ...................... a) Abfindungsausschluss ............................................... b) Abfindungsbeschränkungen ..................................... aa) Anfängliche Unangemessenheit der Abfindung ................................................... bb) Nachträgliche Unangemessenheit ...................

646 646 647 654 654 660

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665 .... 174 668 .... 174

Stichwortverzeichnis ................................................................................... 177

XIV

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts I. Allgemeines 1. Begriff Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als vertraglicher Zusammenschluss zur 1 Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) setzt wie jede Personengesellschaft ihrem Begriff nach das Vorhandensein von mindestens zwei Gesellschaftern voraus. Haben die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Gesell- 2 schaftsvertrag (in Abweichung von den §§ 723 ff. BGB) vereinbart, dass die Gesellschaft beim Ausscheiden eines Gesellschafters nicht aufgelöst, sondern von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, so führt das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft, sofern die Gesellschafter für diesen Fall keine andere Art der Beendigung vereinbart haben. Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter kraft Gesetzes über. Es kommt zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem allein verbleibenden „Gesellschafter“. BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZB 9/09, ZIP 2010, 1514 Rn. 7; BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 Rn. 9; BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047, 1048 (zum Ausscheiden des Komplementärs einer GmbH & Co. KG).

2. Erscheinungsformen Die Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (z. B. Ehegatteninnengesellschaft; 3 näher zur Innengesellschaft Rn. 248 ff.) ist wie die Außengesellschaft ein vertraglicher Zusammenschluss zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Sie unterscheidet sich von der Außengesellschaft dadurch, dass sie anders als diese nicht als Gesellschaft am Rechtsverkehr teilnimmt und kein Gesamthandsvermögen bildet. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 11; BGH, Urt. v. 26.6.2018 – II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 20; BGH, Urt. v. 12.11.2007 – II ZR 183/06, ZIP 2008, 24 Rn. 10.

Gesellschaften bürgerlichen Rechts können als Dauergesellschaften auf einen 4 längere Zeit andauernden Zusammenschluss angelegt sein, z. B. zur Berufsausübung (Freiberuflersozietäten, dazu Rn. 225 ff.), oder als Gelegenheitsgesellschaften nur für eine vorübergehende Zweckverfolgung bestimmt sein, wie etwa Arbeitsgemeinschaften im Baugewerbe. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Publikumsgesellschaft (z. B. 5 Immobilienfonds) mit einer Vielzahl von Gesellschaftern (Anlegern) kommen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung in bestimmten Bereichen kapi1

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

talgesellschaftsrechtliche Grundsätze zur Anwendung (siehe Rn. 445, 461, 545). 3. Rechtsnatur 6 Seit der Grundsatzentscheidung vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 („ARGE Weißes Ross“) ist anerkannt, dass die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Dementsprechend ist das Gesellschaftsvermögen vom Privatvermögen der Gesellschafter abzusondern (vgl. §§ 718 bis 720 BGB). Ein Wechsel im Mitgliederbestand hat keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 24; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330, 331.

7 Aus der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts folgt weiter die akzessorische Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten entsprechend den §§ 128 ff. HGB. Soweit die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten die Gesellschaft auch persönlich haften, ist der jeweilige Bestand der Gesellschaftsschuld also auch für die persönliche Haftung maßgebend (näher zur Gesellschafterhaftung Rn. 108 ff.). BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330, 336.

8 Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann als Teilnehmerin am Rechtsverkehr jede Rechtsposition einnehmen, soweit nicht spezielle rechtliche Gesichtspunkte entgegenstehen. Sie kann daher grundsätzlich auch Mitglied einer juristischen Person oder Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein oder sich als Kommanditistin an einer Kommanditgesellschaft beteiligen. BGH, Beschl. v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291 = ZIP 2001, 1713; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330, 331.

9 Da es sich bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts um ein eigenständiges Zuordnungssubjekt handelt, ist zwischen ihr und ihren Gesellschaftern zu trennen. Das Prinzip der Trennung zwischen der Gesellschaft als selbständigem Rechtsträger und ihren Gesellschaftern gilt jedoch nicht ausnahmslos. Es gilt insbesondere dann nicht, wenn die Berufung auf die Verschiedenheit von Gesellschaft und Gesellschaftern gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Dann können ausnahmsweise rechtserhebliche Umstände auf Seiten der Gesellschafter der Gesellschaft zugerechnet werden. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für deren Verbindlichkeiten ihre Gesellschafter den Ge2

II. Begründung des Gesellschaftsverhältnisses

sellschaftsgläubigern analog § 128 HGB persönlich haften, kann bei Vorliegen besonderer Umstände ein Dritter einem gegen ihn erhobenen Anspruch der Gesellschaft daher seinen – gegen alle Gesellschafter gerichteten – Schadensersatzanspruch im Wege der Einwendung entgegenhalten, wenn die Berufung der Gesellschaft auf ihre Eigenständigkeit gegen Treu und Glauben verstößt. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 24 f.

Ebenso kann sich eine (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in ent- 10 sprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB als Vertragspartnerin des Mietvertrags und als Vermieterin zur Kündigung des Mietverhältnisses auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen berufen, obwohl der – auf natürliche Personen zugeschnittene – Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht direkt Anwendung findet. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwingt nicht zu dem Schluss, die Interessen der Personenmehrheit, die diese Gesellschaft bildet, seien im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung des mit der Gesellschaft bestehenden Mietverhältnisses rechtlich völlig unbeachtlich. BGH, Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, BGHZ 213, 136 = ZIP 2017, 122 Rn. 16 ff.

Verlegt eine ausländische Gesellschaft, die entsprechend ihrem Statut nach 11 dem Recht des Gründungsstaates als rechtsfähige Gesellschaft ähnlich einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts zu behandeln wäre, ihren Verwaltungssitz nach Deutschland, so ist sie nach deutschem Recht jedenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft und damit vor den deutschen Gerichten aktiv und passiv parteifähig. BGH, Urt. v. 1.7.2002 – II ZR 380/00, BGHZ 151, 204 = ZIP 2002, 1763, 1764.

II. Begründung des Gesellschaftsverhältnisses 1. Gesellschaftsvertrag als Entstehungstatbestand a) Vertragsschluss Der Eintritt in eine Personengesellschaft bedarf grundsätzlich eines Ver- 12 tragsschlusses mit allen bisherigen Gesellschaftern. Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch die Aufnahme neuer Gesellschafter erleichtern. Ein geschäftsführender Gesellschafter kann bevollmächtigt werden, mit weiteren Gesellschaftern deren Beitritt zur Gesellschaft zu vereinbaren. Das erforderliche Einverständnis der übrigen Gesellschafter mit dem Eintritt neuer Gesellschafter kann in einem solchen Fall im Voraus im Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Der Abschluss des Aufnahmevertrags mit den übrigen Gesellschaftern kommt dann im Regelfall dadurch zustande, dass sich der geschäftsführende Gesellschafter im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmun-

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

gen mit dem neu eintretenden Gesellschafter auch im Namen der übrigen Gesellschafter über die Aufnahme einigt. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 9 (Publikumskommanditgesellschaft).

b) Form 13 Der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedarf als solcher keiner besonderen Form. Die Formbedürftigkeit kann sich aber aus anderen Vorschriften ergeben. 14 Ein Gesellschaftsvertrag bedarf gem. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung, wenn sich ein oder mehrere Gesellschafter oder die Gesellschaft unmittelbar oder auch nur mittelbar zum Erwerb oder zur Übertragung des Eigentums an einem bestimmten Grundstück verpflichten. Die Angabe des Grundstückserwerbs als Zweck der Gesellschaft begründet als solche noch keine Verpflichtung i. S. d. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB. BGH, Urt. v. 2.10.1997 – II ZR 249/96, ZIP, 2120, 2122; BGH, Urt. v. 13.2.1996 – XI ZR 239/94, ZIP 1996, 547, 548.

15 Ein Gesellschaftsvertrag, in dem ein im Alleineigentum eines Gesellschafters stehendes und verbleibendes Grundstück der Gesellschaft zur Benutzung überlassen und seinem jeweiligen Wert nach in die Gesellschaft eingebracht werden soll, fällt nicht unter die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, weil eine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums am Grundstück nicht begründet wird. Der Grundstückseigentümer wird vielmehr nur als Gesellschafter verpflichtet, sein Grundstück der Gesellschaft so zur Verfügung zu stellen, als ob es Gesellschaftsvermögen wäre. Die dingliche Stellung des Eigentümers wird durch den Vertrag nach außen in keiner Weise berührt. BGH, Urt. v. 25.3.1965 – II ZR 203/62, WM 1965, 744, 745.

c) Förderung des gemeinsamen Zwecks 16 Jeder erlaubte Zweck kann Gegenstand einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein, auch ein ideeller. BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 81/96, BGHZ 135, 387 = ZIP 1997, 1453.

17 Zur Nichtigkeit bei Vereinbarung eines verbotenen oder sittenwidrigen Zweckes Rn. 27 ff. 18 Die Gesellschafter übernehmen mit der Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die gemeinsame Verpflichtung, ihr Handeln an dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck auszurichten und seine Verwirklichung zu fördern. Sie gehen eine besondere rechtliche Bindung gesellschaftlicher Art ein, kraft deren jeder vom anderen die Förderung eines ge4

II. Begründung des Gesellschaftsverhältnisses

meinschaftlichen Zwecks nicht nur erwarten, sondern auch beanspruchen kann. BGH, Urt. v. 18.10.1976 – II ZR 102/75, WM 1976, 1307; BGH, Urt. v. 15.4.1965 – II ZR 73/62, WM 1965, 795.

Eine Gesellschaft kommt zwar nur zustande, wenn alle Beteiligten verpflich- 19 tet sind, den Gesellschaftszweck durch gemeinsame Leistungen zu fördern. Als Beitragspflicht genügt jedoch regelmäßig bereits die aus dem Halten der Beteiligung folgende Verpflichtung, den gemeinsamen Zweck zu fördern. BGH, Beschl. v. 19.11.2019 – II ZR 263/18, WM 2020, 458 Rn. 16; BGH, Urt. v. 11.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 15.

d) Vertragsauslegung Für Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften gilt die subjektive – bei 20 Publikumspersonengesellschaften dagegen die objektive (vgl. Rn. 445) – Auslegung, bei der nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB auf der Grundlage des von den Parteien vorgetragenen und vom Gericht ggf. nach Beweisaufnahme festgestellten maßgeblichen tatsächlichen Auslegungsstoffs der objektive Sinn der jeweiligen Vertragsbestimmung bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Vertragsinhalts zu ermitteln ist. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 15.

Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der Auslegung selbst nicht um eine der 21 Beweisaufnahme zugängliche Tatsachenfeststellung, sondern um eine nach bestimmten Regeln vorzunehmende Würdigung handelt, die weitgehend in der Verantwortung des Tatrichters liegt und als richterliche Würdigung – anders als die Feststellung der für die Auslegung wesentlichen Tatsachen – weder nach Beweislastgrundsätzen erfolgen noch zu einem non liquet führen kann. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 15.

Bei der nach §§ 133, 157 BGB vom Wortlaut und dem erkennbaren Sinn und 22 Zweck ausgehenden Auslegung gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen ist es auch ohne Bedeutung, ob solche Bestimmungen in zulässiger Weise eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung enthalten. Die dispositive gesetzliche Regelung kommt nur dann zur Anwendung, wenn sich im Wege der Auslegung eine abweichende Vereinbarung der Gesellschafter nicht feststellen lässt. Der Auslegung des (objektiv) erklärten Willens der Vertragsparteien geht ein abweichender übereinstimmender Wille der am Abschluss des Vertrages beteiligten Parteien lediglich dann vor, wenn sie ihren übereinstimmenden Willen einander zu erkennen gegeben haben.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 15; BGH, Urt. v. 29.3.1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263 = ZIP 1996, 750, 752.

e) Vertragsänderung 23 Das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (vgl. § 709 Abs. 1 BGB) gilt auch für Vertragsänderungen und ist grundsätzlich dispositiv ist (vgl. § 709 Abs. 2 BGB). Den Gesellschaftern steht es im Rahmen der Privatautonomie frei, sich dahin zu einigen, ob und in welchem Umfang das starre, praktischen Erfordernissen oftmals nicht gerecht werdende Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt wird. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 16; BGH, Urt. v. 15.1.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 = ZIP 2007, 475 Rn. 6 – OTTO.

24 Aufgrund ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht können die Gesellschafter einer Personengesellschaft in besonders gelagerten Ausnahmefällen gehalten sein kann, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 350/02, ZIP 2005, 25.

25 Bei einer langjährigeren vom Vertrag abweichenden tatsächlichen Übung kann nach der Lebenserfahrung anzunehmen sein, dass diese im Laufe der Zeit durch eine stillschweigende Änderung des Gesellschaftsvertrags auch eine feste vertragliche Grundlage gefunden hat. Daraus kann eine widerlegbare, die Darlegungs- und Beweislast umkehrende tatsächliche Vermutung entstehen. BGH, Urt. v. 5.2.1990 – II ZR 94/89, DB 1990, 931; BGH, Urt. v. 17.1.1966 – II ZR 8/64, WM 1966, 159 f.

26 Bei einer Publikumspersonengesellschaft greift diese tatsächliche Vermutung dagegen nicht. Es besteht dort vielmehr ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich nur um mehrfach erneuerte Entscheidungen („Vertragsdurchbrechungen“) im Einzelfall handelt. BGH, Urt. v. 5.2.1990 – II ZR 94/89, DB 1990, 931.

f) Mängel des Vertrages aa) Formnichtigkeit 27 Zum Formerfordernis siehe Rn. 13 ff. bb) Sittenwidrigkeit 28 Der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann wegen einer ungleichen Lastenverteilung unter den Gesellschaftern sittenwidrig

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II. Begründung des Gesellschaftsverhältnisses

sein. Vertraglich kann allerdings eine Ungleichbehandlung der Gesellschafter wirksam vereinbart werden, etwa indem die Verlustbeteiligung einzelner Gesellschafter beschränkt oder ganz ausgeschlossen wird. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wird erst bei einer groben Ungleichbehandlung der Gesellschafter unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Vormachtstellung des einen oder des Vertrauens und der Unerfahrenheit des anderen Teils überschritten. BGH, Urt. v. 4.6.2013 – II ZR 207/10, ZIP 2013, 1620 Rn. 25.

Diese Voraussetzungen können beispielsweise bei einem auffälligen Missver- 29 hältnis zwischen dem tatsächlichen Wert einer Einlage und dem hierfür vereinbarten Wertansatz erfüllt sein, sofern weitere Umstände wie eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hinzutreten. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit gesellschaftsvertraglicher Regelungen erfordert eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, die zur Zeit des Vertragsschlusses gegeben sind. BGH, Urt. v. 4.6.2013 – II ZR 207/10, ZIP 2013, 1620 Rn. 25 ff.

cc) Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB Zu den Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 30 Satz 2 Nr. 1 KWG (erlaubnispflichtigen Bankgeschäft) BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 21 ff. m. w. N.

dd) Anfechtung der Beitrittserklärung Zum Ausschluss der Anfechtung der Beitrittserklärung wegen Arglist in der 31 Liquidation der Gesellschaft vgl. Rn. 224. ee) Fehlerhafte Gesellschaft Zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach Invollzug- 32 setzung der Organisationseinheit auf fehlerhafter Grundlage siehe Rn. 614 ff. 2. Entstehung durch Zweckänderung einer Personenhandelsgesellschaft Eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft wandelt 33 sich von Gesetzes wegen in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts um, wenn ihr Zweck nicht mehr auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gem. § 1 HGB gerichtet ist. Dabei ist es ohne Belang, ob die Aufgabe des Betriebes auf Grund einer freien Entschließung oder unabhängig vom Willen der Gesellschafter eingetreten ist. Gesellschaft, Gesellschafterbestand und Gesellschaftsvermögen bleiben identisch erhalten. BGH, Urt. v. 14.6.1976 – III ZR 105/74, WM 1976, 1053; BGH, Urt. v. 13.11.1961 – II ZR 202/60, WM 1962, 10;

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 19.5.1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, 307 = WM 1960, 764, 766 f.

34 Soweit dies rechtlich zulässig ist, ist anzunehmen, dass die Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft im Verhältnis der Gesellschafter zueinander im Regelfall weiterhin Anwendung finden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Wille der Gesellschafter, ihre Beziehungen nach dem Recht der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft zu regeln, im Zweifel auch für diesen Fall maßgebend bleibt. Soll das geändert werden, so müssen die Gesellschafter eine entsprechende Vereinbarung treffen. Allein aus der Tatsache der Umwandlung in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts lässt sich eine solche Änderung nicht herleiten. BGH, Urt. v. 10.5.1971 – II ZR 177/68, WM 1971, 1198; BGH, Urt. v. 19.5.1960 – II ZR 72/59, BGHZ 32, 307 = WM 1960, 764, 766 f.

3. Entstehung durch Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz 35 Durch einen Formwechsel können die in § 191 Abs. 1 UmwG aufgeführten Rechtsträger in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts umgewandelt werden (§ 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG). Gesellschafter der mit dem Formwechsel entstehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden grundsätzlich diejenigen, die im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung (§ 235 Abs. 1 UmwG) in das Register Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG), und nicht die Anteilsinhaber zum Zeitpunkt der Fassung des Umwandlungsbeschlusses (hier: Übertragung der Geschäftsanteile an einer GmbH nach dem Beschluss über den Formwechsel, aber vor Eintragung der Umwandlung). BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 10.

36 In diesem Fall ist § 15 Abs. 3 HGB auf die Eintragung der Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in das Handelsregister nicht anwendbar. Der Name der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Gesellschafter nach einem Formwechsel von einer GmbH in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind keine eintragungspflichtigen Tatsachen. Eingetragen werden muss nach § 235 UmwG die Umwandlung der Gesellschaft im Register der GmbH als formwechselnde Gesellschaft, aber in Abweichung von § 198 Abs. 1 UmwG nicht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst als neue Rechtsform. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterliegt nicht der Eintragung in das Handelsregister. Erst recht müssen aus diesem Grund ihre Gesellschafter bei einem Formwechsel nicht in das Handelsregister eingetragen werden. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 11 f.

37 Auf nicht eintragungspflichtige Tatsachen findet § 15 Abs. 3 HGB schon dem Wortlaut nach keine Anwendung. Die Vorschrift ist auch nicht mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des auf eine unrichtige Eintragung und Be8

III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

kanntmachung nur eintragungsfähiger Tatsachen Vertrauenden entsprechend anzuwenden. Derjenige, der auf nicht eintragungspflichtige Tatsachen vertraut, kann einen Anspruch nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen haben. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 13.

Zum Schutz der Gläubiger der formwechselnden Gesellschaft muss beim 38 Formwechsel in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch nicht § 235 Abs. 1 UmwG in richterlicher Rechtsfortbildung dahin ergänzt werden, dass in Analogie zu § 47 Abs. 2 GBO der Name bzw. die Bezeichnung der Gesellschaft und deren Gesellschafter im Handelsregister des formwechselnden Rechtsträgers einzutragen sind, um so § 15 Abs. 3 HGB auch für den Fall der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nutzbar zu machen. Dass der Gläubiger einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Namen der Gesellschafter nicht kennt, weil sie nicht in einem öffentlichen Register verzeichnet sind, ist keine Besonderheit des Formwechsels einer GmbH in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Vielmehr ist beim Formwechsel die Kenntnis von Namen und Anschrift der Gesellschafter sogar erleichtert, weil der Gläubiger Einsicht in die letzte Gesellschafterliste der formwechselnden GmbH nehmen und dadurch in der Regel Namen und Wohnort der Gesellschafter der entstandenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfahren kann. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 14.

Zwar kann der Formwechsel in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine 39 stille Liquidation einer insolvenzreifen GmbH erleichtern. Die Angabe der Gesellschafter im Handelsregister im Zusammenhang mit der Umwandlung ist aber gegenüber den Angaben in der Gesellschafterliste nicht geeignet, die stille Liquidation zu verhindern oder wesentlich zu erschweren bzw. die Rechtsverfolgung durch einen Gläubiger der GmbH zu erleichtern. Es besteht schließlich auch kein Bedarf, über § 15 Abs. 3 HGB eine Rechtsscheinhaftung für einen Gläubiger der GmbH zu eröffnen, der auf eine (unrichtige) Benennung der Gesellschafter im Zusammenhang mit der Umwandlung vertraut, weil insoweit auf die allgemeinen Rechtsscheingrundsätze zurückgegriffen werden kann. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 14.

III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft (Innenverhältnis) 1. Pflichten der Gesellschafter a) Beitragsleistung aa) Entstehen der Einlagepflicht Wird mit der Beitrittserklärung eine ratenweise Leistung der Einlage ver- 40 einbart, wird damit nur eine Stundung des Einlagebetrages gewährt, die als

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

solche nichts am Entstehen der gesamten Einlageverpflichtung in voller Höhe im Zeitpunkt der Beitrittserklärung ändert. BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 18 (zur GmbH); BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 40; BGH, Urt. v. 16.5.2017 – II ZR 284/15, ZIP 2017, 1365 Rn. 23.

41 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts werden entsprechend dem Insolvenzzweck auch die noch nicht fälligen Einlageraten fällig und können, wenn sie zur Liquidation erforderlich sind, vom Insolvenzverwalter eingezogen werden. BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 18 (zur GmbH).

bb) Einbringung von Sachen 42 Beiträge können zu Eigentum („quoad dominum“), im Wege der Gebrauchsüberlassung („quoad usum“) oder dem Werte nach („quoad sortem“) in die Gesellschaft eingebracht werden. Die Einbringung einer Sache dem Werte nach (quoad sortem) begründet nur die schuldrechtliche Verpflichtung des Gesellschafters, die Sache der Gesellschaft so zur Verfügung zu stellen, als ob sie Gesellschaftsvermögen wäre. Sie lässt jedoch die dingliche Rechtsstellung des Gesellschafters und seine Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis unberührt und entfaltet keine Rechtswirkungen gegenüber einem Dritten, der nur das Eigentum des Gesellschafters an der Sache erworben hat, ohne zugleich dessen Gesellschafterstellung zu übernehmen. BGH, Beschl. v. 15.6.2009 – II ZR 242/08, ZIP 2009, 1809 Rn. 3 ff.; BGH, Urt. v. 25.3.1965 – II ZR 203/62, WM 1965, 744, 745.

cc) Mehrbelastungsverbot 43 Nach § 707 BGB besteht vor Auflösung der Gesellschaft eine Nachschusspflicht über die vereinbarte Einlage hinaus grundsätzlich nicht. Die – dispositives Recht enthaltende – Regelung in § 707 BGB greift allerdings unter anderem dann nicht ein, wenn sich die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag keine der Höhe nach festgelegten Beiträge versprochen, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung das zur Erreichung des Gesellschaftszweck Erforderliche beizutragen. BGH, Urt. v. 5.11.2007 – II ZR 230/06, ZIP 2007, 2413 Rn. 17; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 17; BGH, Urt. v. 23.1.2006 – II ZR 306/04, ZIP 2006, 562 Rn. 14.

44 Ebenso ist § 707 BGB dann nicht berührt, wenn sich die Gesellschafter zum einen eine betragsmäßig festgelegte Einlage, zum anderen laufende Beiträge 10

III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

versprochen haben (so genannte gespaltene Beitragspflicht). In einem solchen Fall bedürfen die Festlegung der Höhe und die Einforderung der Beiträge keines Gesellschafterbeschlusses, sondern sind Sache der Geschäftsführer. Allerdings ist auch in diesem Fall das mitgliedschaftliche Grundrecht jedes Gesellschafters zu wahren, nicht ohne seine Zustimmung mit zusätzlichen Beitragspflichten belastet zu werden. Sollen über die eigentliche Beitragsschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden, muss dies deswegen aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen. Zudem muss auch im Falle einer derartigen Aufspaltung der Beitragspflicht die Höhe der laufenden Beiträge im Gesellschaftsvertrag zumindest in objektiv bestimmbarer Weise ausgestaltet sein. BGH, Beschl. v. 3.12.2007 – II ZR 304/06, ZIP 2008, 695 Rn. 5; BGH, Beschl. v. 3.12.2007 – II ZR 36/07, ZIP 2008, 697 Rn. 5; BGH, Urt. v. 5.11.2007 – II ZR 230/06, ZIP 2007, 2413 Rn. 17; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 17; BGH, Urt. v. 23.1.2006 – II ZR 126/04, ZIP 2006, 754, 755.

Den Anforderungen an die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit weiterer ne- 45 ben die Einlagepflicht tretender Beitragslasten trägt eine Vertragsgestaltung Rechnung, nach der sich aus dem Gesellschaftsvertrag i. V. m. der zugehörigen Beitrittserklärung die maximale Höhe der den Gesellschafter treffenden Beitragspflicht z. B. durch Angabe eines „Netto-Gesamtaufwands“ ergibt. BGH, Beschl. v. 3.12.2007 – II ZR 304/06, ZIP 2008, 695 Rn. 7; BGH, Urt. v. 5.11.2007 – II ZR 230/06, ZIP 2007, 2413 Rdn 19.

Die Zustimmung kann auch im Übrigen wirksam antizipiert bereits im Ge- 46 sellschaftsvertrag erklärt werden. Im Hinblick auf § 707 BGB bedarf es dabei einer vertraglichen Begrenzung der Vermehrung der Beitragspflichten durch eine Obergrenze für die Erhöhung. BGH, Urt. v. 25.5.2009 – II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 18; BGH, Urt. v. 9.2.2009 – II ZR 231/07, ZIP 2009, 864 Rn. 14; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18.; BGH, Urt. v. 4.7.2005 – II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455 Rn. 24.

Eine Zustimmungserklärung kann ferner dem Abstimmungsverhalten des 47 Gesellschafters bei der Beschlussfassung über eine Erhöhung der Einlagepflicht zu entnehmen sein. In der Stimmabgabe für eine Erhöhung der Pflichteinlage kann die erforderliche Zustimmung liegen, wenn die Auslegung der Erklärung nicht etwas anderes ergibt. BGH, Urt. v. 25.5.2009 – II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 19; BGH, Urt. v. 9.2.2009 – II ZR 231/07, ZIP 2009, 864 Rn. 15.

Die Zustimmung eines Gesellschafters zu einer Beitragserhöhung ist – sofern 48 nicht eine entsprechende Bedingung vereinbart ist – nicht nur dann wirksam, wenn alle Gesellschafter zustimmen und an der Erhöhung teilnehmen. Es

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

steht den Gesellschaftern frei zu vereinbaren, dass einzelne und nicht alle Gesellschafter ihren Beitrag erhöhen oder einen Nachschuss leisten, auch wenn die Beschlussfassung und die Zustimmung der Gesellschafter zusammenfallen. BGH, Urt. v. 25.5.2009 – II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 19.

49 Eine solche Auslegung des Abstimmungsverhaltens liegt nahe, wenn bei der Abstimmung bekannt ist, dass einzelne Gesellschafter keine weiteren Beiträge leisten wollen oder können und sie dazu nicht verpflichtet werden dürfen, der mit der Erhöhung verfolgte Zweck auch ohne die Beiträge dieser Gesellschafter erreicht werden kann und sich aus den übrigen Umständen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass erhöhte Beiträge nur bei Zustimmung oder bei Teilnahme aller Gesellschafter geleistet werden sollen. Dissentierende Gesellschafter sind mangels Zustimmung dagegen nicht zur Leistung eines mit der notwendigen Mehrheit beschlossenen Nachschusses verpflichtet. BGH, Urt. v. 25.5.2009 – II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 19.

50 Der Gesellschafterbeschluss einer Personengesellschaft, durch den eine Nachschussverpflichtung begründet wird, die im Gesellschaftsvertrag keine Grundlage hat, ist jedenfalls gegenüber dem Gesellschafter grundsätzlich unwirksam, der dem Beschluss nicht zugestimmt hat (§ 707 BGB). Der Gesellschafter kann die Unwirksamkeit des Beschlusses der auf Zahlung gestützten Klage der Gesellschaft auch dann als Einwendung entgegenhalten, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag Beschlussmängelstreitigkeiten binnen einer bestimmten Frist eingeleitet werden müssen und diese Frist abgelaufen ist. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 27 f.

51 Denn durch eine verfahrensrechtliche Regelung im Gesellschaftsvertrag darf das mitgliedschaftliche Grundrecht eines Gesellschafters, nicht ohne seine Zustimmung mit weiteren Beitragspflichten beschwert zu werden, nicht ausgehebelt werden. Beschlüsse, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedürfen, unterfallen nicht den Anfechtungsund Nichtigkeitsgründen im Sinne des Kapitalgesellschaftsrechts, sondern die fehlende Zustimmung stellt eine „dritte Kategorie“ von Mängeln des Beschlusses dar, die im Wege der allgemeinen, nicht fristgebundenen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO oder durch Einwendung im Prozess geltend gemacht werden kann. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 28; BGH, Beschl. v. 26.3.2007 – II ZR 22/06, ZIP 2007, 1368 Rn. 9 ff.; BGH, Urt. v. 5.3.2007 – II ZR 282/05, ZIP 2007, 766 Rn. 13 ff.

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III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

b) Treuepflicht aa) Allgemeines Verbandsprinzip Mit der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses unterliegen die Gesell- 52 schafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip anerkannt ist (dazu näher Rn. 624 ff.). BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 16.

bb) Geschäftschancenlehre Die Geschäftschancenlehre ist auf den geschäftsführenden Gesellschafter ei- 53 ner Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedenfalls dann anwendbar, wenn diese eine „Erwerbsgesellschaft“ oder eine „unternehmenstragende“ Gesellschaft darstellt oder gewerblich tätig ist. Die Anwendung ist nicht davon abhängig, dass in der Gesellschaft ein Wettbewerbsverbot gilt. Die Geschäftschancenlehre steht als eigenständiges Rechtsinstitut, entwickelt aus der Treuepflicht, neben einem Wettbewerbsverbot. Aus der Treuepflicht des Geschäftsführers wird hergeleitet, dass es ihm ohne ausdrückliche Erlaubnis nicht gestattet ist, im Geschäftszweig der Gesellschaft Geschäfte für eigene Rechnung zu tätigen oder tätigen zu lassen oder den Vollzug bereits von der Gesellschaft abgeschlossener Verträge durch Abwicklung auf eigene Rechnung oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen oder zu vereiteln. Ein Geschäftsführer darf keine Geschäfte an sich ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind. Wann diese Voraussetzung im Einzelnen erfüllt ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand des konkreten Einzelfalls bestimmen. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 20 f.; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 257/84, ZIP 1985, 1482, 1483.

Bei einem Verstoß ist der Geschäftsführer verpflichtet, der Gesellschaft einen 54 dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Da der Anspruch auf Schadensersatz nicht auf einer analogen Anwendung des in § 112 HGB normierten Wettbewerbsverbots, sondern auf einer Verletzung der Treuepflicht beruht, ist die Bestimmung des § 113 Abs. 1 HGB bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht heranzuziehen. Die Rechtsfolgen bestimmen sich vielmehr nach den §§ 249 ff. BGB. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 33.

Ansprüche wegen der Ausnutzung einer Geschäftschance in einer Gesell- 55 schaft bürgerlichen Rechts verjähren daher nicht in der Frist des § 113 Abs. 3 HGB. Die für Ansprüche aus Wettbewerbsverstößen geltende kurze Verjährungsfrist des § 113 Abs. 3 HGB kommt einem Gesellschafter ohnehin nicht zugute, der zwar mit der Führung bestimmter Geschäfte zugleich auch gegen das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB verstößt, dessen gesellschaftswidri-

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

ges Verhalten aber darüber hinausgeht und insbesondere darin besteht, dass er für Rechnung der Gesellschaft abzuwickelnde Geschäfte unter Verletzung seiner Geschäftsführungs- und allgemeinen Gesellschafterpflichten auf sich übergeleitet hat (siehe Rn. 304). BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 35.

2. Rechte der Gesellschafter a) Gewinnanteil 56 Die Frage, mit welchem Anteil die Gesellschafter am Gewinn teilnehmen, ist grundsätzlich nach der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag zu beantworten. Fehlen ausdrückliche Absprachen, ist – ggf. anhand einer Vertragsauslegung – zu prüfen, ob sich aus anderen feststellbaren Umständen Hinweise auf eine bestimmte Verteilungsabsicht ergeben. Erst wenn es hieran fehlt, greift ergänzend die Regelung des § 722 Abs. 1 BGB ein, wonach jeder Gesellschafter ohne Rücksicht auf Art und Größe seines Beitrags einen gleich hohen Anteil hat. Wer mehr als die Hälfte für sich beansprucht, muss dies nach allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts darlegen und beweisen. BGH, Urt. v. 3.2.2016 – XII ZR 29/13, ZIP 2016, 860 Rn. 26.

57 Ein Indiz dafür, dass die Gesellschafter eine vom Grundsatz gleicher Beteiligung abweichende Verteilung gewollt haben, sind unterschiedlich hohe Beiträge. Dabei sind nicht nur Arbeitsleistungen, sondern auch Geld- und Sachleistungen einzubeziehen. BGH, Urt. v. 3.2.2016 – XII ZR 29/13, ZIP 2016, 860 Rn. 27.

b) Informations- und Auskunftsrecht 58 Bei einem Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft ist das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich. Es folgt als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem und kann nicht ausgeschlossen werden, auch nicht durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag. Das auf Kenntnis seiner Mitgesellschafter gerichtete Auskunftsbegehren des Gesellschafters ist lediglich durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot gem. § 226 BGB begrenzt. Dieses Auskunftsrecht steht neben den Gesellschaftern auch einem Treugeber zu, der durch vertragliche Vereinbarung im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zu den Treugebern einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichgestellt ist. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 12; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11 = ZIP 2013, 619 Rn. 13 ff.;

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III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09 = ZIP 2011, 322 Rn. 20 (die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschl. v. 8.2.2012 – 1 BvR 623/11); BGH, Beschl. v. 21.9.2009 – II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rn. 9.

Zum Informations- und Auskunftsanspruch in der Publikumspersonenge- 59 sellschaft Rn. 472 ff. 3. Gesellschaftsvermögen Materiell-rechtlich steht das Eigentum an einer zum Gesellschaftsvermögen 60 gehörenden Liegenschaft nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft selbst zu. BGH, Beschl. v. 20.5.2016 – V ZB 142/15, ZIP 2016, 1965 Rn. 10.

Wenn im Grundbuch die einzelnen Gesellschafter mit dem Zusatz „als GbR“ 61 eingetragen sind, wird damit für den Rechtsverkehr – unabhängig von der Frage, ob auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst eingetragen werden könnte – unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, dass Eigentümerin der Liegenschaft die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. BGH, Urt. v. 25.9.2006 – II ZR 218/05, ZIP 2006, 2128 Rn. 10 f.

4. Beschlussfassung und Beschlusskontrolle a) Einberufung der Gesellschafterversammlung Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschaf- 62 terversammlung können bei Personengesellschaften zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Wird dieser „Dispositionsschutz“ verletzt, liegt ein zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führender schwerwiegender Mangel vor. Der Verfahrensmangel führt aber nur zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 22; BGH, Urt. v. 11.3.2014 – II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019 Rn. 13; BGH, Urt. v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, ZIP 1995, 738, 743.

Bei der Nichteinhaltung der Ladungsfrist genügt ihre Eignung, den Disposi- 63 tionsschutz zu verletzen, für die Annahme der Kausalität des Verfahrensmangels für das Zustandekommen des Beschlusses noch nicht. Bei dem Beschluss, einen Gesellschafter auszuschließen, liegen eine Einschränkung der Teilnahmemöglichkeit oder eine Beeinträchtigung der Vorbereitungsmöglichkeiten bei einer geringfügigen Verkürzung der Einladungsfrist um einen

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Arbeitstag fern, soweit nicht ersichtlich ist, dass die dem ausgeschlossenen Gesellschafter zur Vorbereitung zur Verfügung stehende Zeit zu knapp war, um die notwendigen Erkundigungen einzuziehen, sich zu beraten oder eine gütliche Einigung zu treffen und es infolgedessen nicht zu dem Ausschlussbeschluss gekommen wäre. Die Teilnahmemöglichkeit ist vor allem nicht schon deshalb eingeschränkt, weil der Gesellschafter die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gerügt und an der Gesellschafterversammlung nur unter Protest teilgenommen hat BGH, Urt. v. 11.3.2014 – II ZR 24/13, ZIP 2014, 1019 Rn. 14.

64 Das dem Minderheitenschutz dienende Recht, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu verlangen bzw. im Wege des Selbsthilferechts eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, ist davon unabhängig, ob der Gesellschafter in der zur Beschlussfassung anstehenden Frage mitstimmen darf. Auch ein Gesellschafter ohne Stimmrecht oder ein Gesellschafter, der in der konkreten Angelegenheit einem Stimmverbot unterliegt, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, bestimmte Angelegenheiten in der Gesellschaft zur Diskussion und Abstimmung zu stellen. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 24.

b) Mehrheitsentscheidungen 65 Dem früher sog. Bestimmtheitsgrundsatz kommt für die formelle Legitimation einer Mehrheitsentscheidung keine Bedeutung mehr zu. Die Prüfung der formellen Legitimation auf der ersten Stufe erfolgt vielmehr im Wege der Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ist der frühere Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht in Gestalt einer Auslegungsregel des Inhalts zu berücksichtigen, dass allgemeine Mehrheitsklauseln restriktiv auszulegen sind oder Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, jedenfalls von allgemeinen Mehrheitsklauseln, die außerhalb eines konkreten Anlasses vereinbart wurden, regelmäßig nicht erfasst werden. Eine solche Auslegungsregel findet im Gesetz keine Stütze. Die Zweifelsregel in § 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB bezieht sich nur auf die Berechnung der Mehrheit der Stimmen. BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 359/18, ZIP 2020, 2281 Rn. 11; BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 14.

66 Da sich die durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags vorzunehmende Feststellung, ob im konkreten Fall für die formelle Legitimation eines Beschlusses eine Mehrheitsentscheidung genügt, nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen richtet, kann sich die Mehrheitsbefugnis aus jeder Vereinbarung der Gesellschafter ergeben, die einer dahingehenden Auslegung zugänglich ist, also von der ausdrücklichen Anführung des betreffenden Beschlussgegenstands 16

III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

in einem Katalog von Beschlussgegenständen über eine umfassende oder auslegungsfähige Mehrheitsklausel im (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag bis hin zu einer konkludenten Vereinbarung der Mehrheitszuständigkeit. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 30; BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 14.

Es ist keine Eindeutigkeit einer vertraglichen Regelung im Sinne einer aus- 67 drücklichen Spezifizierung im Gesellschaftsvertrag oder in dem Sinne erforderlich, dass sie über ihren Wortlaut hinaus nicht ausgelegt werden kann. Vielmehr genügt es, wenn die subjektive – bei Publikumspersonengesellschaften hingegen objektive – Auslegung des Gesellschaftsvertrags nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu dem Ergebnis führt, dass der betreffende Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel erfasst sein soll. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 30; BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 15.

Diese Grundsätze gelten für alle Beschlussgegenstände, da das gesetzliche Ein- 68 stimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB) – auch für Vertragsänderungen und ähnliche die Grundlagen der Gesellschaft berührende oder in Rechtspositionen der Gesellschafter eingreifende Maßnahmen – grundsätzlich dispositiv ist (§ 709 Abs. 2 BGB, § 119 Abs. 2 HGB). Den Gesellschaftern steht es im Rahmen der Privatautonomie frei, sich dahin zu einigen, ob und in welchem Umfang das starre, praktischen Erfordernissen oftmals nicht gerecht werdende Einstimmigkeitsprinzip durch das Mehrheitsprinzip ersetzt wird. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 30; BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 16.

Da es auf dieser ersten Stufe nur um die formelle Legitimation für die Mehr- 69 heitsentscheidung und nicht um den erst auf der zweiten Stufe zu prüfenden Umfang der materiellen Wirksamkeit des in Rede stehenden Mehrheitsbeschlusses geht, kommt es auf dieser ersten Stufe auch nicht darauf an, ob bestimmte Beschlüsse wie beispielsweise Beschlüsse über nachträgliche Beitragserhöhungen (vgl. § 707 BGB) gegenüber dem einzelnen Gesellschafter nur mit dessen Zustimmung wirksam werden. Die aus der fehlenden Zustimmung des einzelnen Gesellschafters ihm gegenüber folgende (relative) Unwirksamkeit eines Beschlusses ändert nichts daran, dass er formell wirksam gefasst ist, wenn im Gesellschaftsvertrag für diesen Beschlussgegenstand eine Entscheidung durch die Mehrheit vorgesehen und etwaige weiter vereinbarte formelle Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten worden sind. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 16.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

70 Soweit für nachträgliche Beitragserhöhungen eine eindeutige Regelung im Gesellschaftsvertrag gefordert wird, die Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung der Gesellschafter erkennen lassen muss, geht es nicht um die formelle Legitimation des Beschlusses über die Beitragserhöhung, sondern darum, dass ein Gesellschafter nicht ohne eigene Zustimmung mit zusätzlichen Beitragspflichten belastet werden kann und eine grundsätzlich mögliche antizipierte Zustimmung zu einer nachträglichen Beitragserhöhung durch Mehrheitsbeschluss eine eindeutige gesellschaftsvertragliche Bestimmung voraussetzt, die Ausmaß und Umfang der möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 17.

71 Die fehlende Zustimmung für eine Beitragserhöhung stellt eine besondere, nur gegenüber dem Gesellschafter, der seine Zustimmung verweigert hat, wirkende Kategorie eines Beschlussmangels dar, der auch dann selbstständige Bedeutung behält, wenn der gefasste Beschluss im Übrigen nicht zu beanstanden oder eine im Gesellschaftsvertrag für die Geltendmachung von Beschlussmängeln vereinbarte Frist abgelaufen ist. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 17.

72 Für den Beschluss der Gesellschafterversammlung, mit dem die Einwilligung zur Abtretung eines Gesellschaftsanteils erklärt wird, gilt nichts anderes. Die Übertragung der Mitgliedschaft an einer Personen(handels)gesellschaft setzt die Zustimmung der übrigen Gesellschafter voraus, die bereits im Gesellschaftsvertrag erklärt oder dort von der Zustimmung (nur) der Mehrheit der Gesellschafter abhängig gemacht werden kann. Insoweit gilt wie für (andere) Vertragsänderungen oder mit ihnen vergleichbare „Grundlagengeschäfte“, dass auch hier die formelle Legitimation einer Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter, einer Anteilsübertragung zuzustimmen, (nur) die Feststellung erfordert, ob sich aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass dieser Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen ist. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 18 = ZIP 2014, 2231.

73 Ein etwaiges Zustimmungserfordernis eines einzelnen Gesellschafters betrifft auch dann die erst auf der zweiten Stufe vorzunehmende Prüfung der materiellen Wirksamkeit des Beschlusses einzelnen Gesellschaftern gegenüber, wenn dieses Erfordernis aus einem Eingriff in den sog. Kernbereich hergeleitet wird, wie dies bei Beschlüssen, die Änderungen im Bestand und der Zusammensetzung der Mitglieder einer Personengesellschaft zum Gegenstand haben, erwogen wird. Bei der nach Bejahung der formellen Legitimation des Mehrheitsbeschlusses vorzunehmenden Prüfung der materiellen Unwirksamkeit auf der zweiten Stufe wird in der jüngeren Rechtsprechung

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III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

allerdings nicht (mehr) darauf abgestellt, ob ein Eingriff in den sog. „Kernbereich“ gegeben ist. Der Kreis der nicht ohne weiteres durch Mehrheitsbeschluss entziehbaren Rechte lässt sich nicht abstrakt und ohne Berücksichtigung der konkreten Struktur der jeweiligen Personengesellschaft und einer etwaigen besonderen Stellung des betroffenen Gesellschafters umschreiben. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77, ZIP 2014, 2231 Rn. 19.

Abgesehen von unverzichtbaren und schon deshalb unentziehbaren Rechten 74 – unabhängig davon, ob und in welchem Umfang man solche überhaupt anerkennen will – kommt es bei Eingriffen in die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d. h. in seine rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft, letztlich maßgeblich immer darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwerten Belange zumutbar ist. BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 19.

Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter von einer Mehrheits- 75 klausel im Gesellschaftsvertrag gedeckt, muss auf einer zweiten Stufe im Rahmen einer inhaltlichen Wirksamkeitsprüfung untersucht werden, ob sich der Beschluss als treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit darstellt, oder ob sonstige zur materiellen Unwirksamkeit gegenüber allen oder einzelnen Gesellschaftern führende Gründe vorliegen. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 32; BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 = ZIP 2014, 2231 Rn. 11, 13.

c) Stimmpflicht Ein Gesellschafter ist in der Ausübung seines Stimmrechts grundsätzlich frei 76 und aus gesellschafterlicher Treuepflicht nur dann verpflichtet, einer von den übrigen Gesellschaftern gewünschten Geschäftsführungsmaßnahme zuzustimmen, wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – II ZR 275/14, ZIP 2016, 1220 Rn. 13 (zur GmbH); BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 44; BGH, Urt. v. 24.1.1972 – II ZR 3/69, WM 1972, 489.

d) Stimmverbote Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter über die Entlastung eines Gesell- 77 schafters, die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter sowie die Befrei-

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

ung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit unterliegt der betroffene Gesellschafter auch im Personengesellschaftsrecht einem Stimmverbot. Dem liegt der allgemein geltende Grundsatz (vgl. § 712 Abs. 1, §§ 715, 737 Satz 2 BGB; § 34 BGB, § 47 Abs. 4 Satz 1 Fall 1 und Satz 2 Fall 2 GmbHG, § 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG) zugrunde, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 23; BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16.

78 Das für die Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den betroffenen Gesellschafter geltende Stimmverbot erfasst auch die Beschlussfassung über die Einholung eines Gutachtens zur Prüfung, ob Schadensersatzansprüche gegen den betroffenen Gesellschafter bestehen. Die dieser Ausdehnung des Stimmverbots zugrundeliegende Erwägung, dass der betroffene Gesellschafter andernfalls schon im Vorfeld die Geltendmachung gegen ihn gerichteter Schadensersatzansprüche vereiteln könnte, gilt für Personengesellschaften in gleicher Weise wie für die GmbH. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16.

79 Eine Kommanditgesellschaft als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich nicht von der Beschlussfassung über die Einholung eines Rechtsgutachtens zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen ihren nicht an der Geschäftsführung beteiligten Kommanditisten ausgeschlossen, auch wenn dieser mit 94 % an ihrem Kapital beteiligt und zu 50 % stimmberechtigt ist. Die bloße Befangenheit eines von mehreren Gesellschaftern einer Gesellschafterin der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (hier: des mit 94 % an dem Kapital beteiligten und zu 50 % stimmberechtigten Kommanditisten) führt nur dann zu einem Stimmverbot der Gesellschafterin (hier: der KG), wenn der betroffene Gesellschafter-Gesellschafter (hier: der Kommanditist) maßgeblichen Einfluss in der Gesellschafterin ausüben und ihr Abstimmungsverhalten in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts maßgeblich beeinflussen kann. Dagegen genügt es regelmäßig nicht, dass der Gesellschafter lediglich eine Beschlussfassung der Gesellschafterin verhindern kann. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 17.

80 Ein Gesellschafter(-Geschäftsführer) einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts unterliegt wegen des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann, einem Stimmverbot, wenn Beschlussgegenstand ein pflichtwidriges Unterlassen eines Mitgeschäftsführers ist, das beiden als Geschäftsführer aufgrund übereinstimmender Verhaltensweisen in gleicher Weise angelastet wird; dies gilt auch dann, wenn beide das Unterlassen von Maßnahmen nicht miteinander abgestimmt haben. Ein Gesellschafter ist auch dann von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn Beschlussgegenstand eine Verfehlung des (Gesellschafter-)Geschäftsführers ist, die der Gesellschafter gemeinsam mit diesem begangen haben soll. Hierfür genügt es, dass beiden Geschäftsführern 20

III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

aufgrund übereinstimmender Verhaltensweisen ein pflichtwidriges Unterlassen angelastet wird. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 19.

Maßgeblich ist, dass der Gesellschafter die Vorwürfe gegen den anderen nicht 81 unbefangen beurteilen kann, weil sie ihn selbst als weiteren Geschäftsführer gleichermaßen treffen, und er deshalb Richter in eigener Sache wäre. Ebenso ist es ohne Belang, wenn über die Beauftragung eines Rechtsgutachtens zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen wegen der Pflichtwidrigkeit dieses Verhaltens hinsichtlich beider Geschäftsführer getrennt und nicht in einem Akt abgestimmt wird. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 19.

Ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist von der Ab- 82 stimmung über einen Beschlussgegenstand, der die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft zu einer GmbH betrifft, nicht deshalb ausgeschlossen, weil er Fremdgeschäftsführer oder Prokurist der GmbH ist. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 31 ff.

Ein Stimmverbot, dem ein Gesellschafter unterliegt, erstreckt sich nicht ohne 83 weiteres auf seinen Ehegatten. Ebenso kann ein Stimmverbot für einen Gesellschafter nicht allein aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehegatten hergeleitet werden, da nicht typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass Ehegatten den Interessen des jeweils anderen oder ggf. dadurch vermittelten eigenen (privaten) Interessen stets den Vorzug vor den Interessen der Gesellschaft geben. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 34.

e) Geltendmachung der Unwirksamkeit der Beschlussfassung aa) Feststellungsklage Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Perso- 84 nengesellschaft wird durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen ist. Die Übernahme des kapitalgesellschaftsrechtlichen Klagesystems auf Personengesellschaften ist nicht auf Publikumsgesellschaften oder Personengesellschaften mit zahlreichen Gesellschaftern beschränkt. Ob es ausnahmsweise übernommen ist, hängt von der dem Tatrichter vorbehaltenen Auslegung des Gesellschaftsvertrags im Einzelfall ab. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 19; BGH, Urt. v. 17.7.2006 – II ZR 242/04, ZIP 2006, 1579 Rn. 14; BGH, Urt. v. 7.6.1999 – II ZR 278/98, ZIP 1999, 1391, 1392.

Die Vereinbarung einer Anfechtungsfrist weist auf die Übernahme des kapi- 85 talgesellschaftsrechtlichen Systems auch hinsichtlich der Gesellschaft als

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Klagegegner hin. Allein die Verwendung des Wortes „Anfechten“ oder „Anfechtung“ zwingt aber nicht dazu, einen Gesellschaftsvertrag so auszulegen. Bei der Auslegung ist der Zweck der Übernahme des kapitalgesellschaftsrechtlichen Systems, Gesellschafterstreitigkeiten mit der Gesellschaft anstelle der Mitgesellschafter als Klagegegner überschaubar zu halten, zu berücksichtigen. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 21.

86 Der Gesellschafter einer Personengesellschaft hat grundsätzlich ein Feststellungsinteresse im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Der Gesellschafterbeschluss stellt selbst ein Rechtsverhältnis i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO dar, über welches Rechtsunsicherheit und hieraus folgender Klärungsbedarf besteht, sobald seine Wirksamkeit streitig ist. Der Regelungscharakter innerhalb der Gesellschaft genügt jedenfalls, um ein Interesse des Gesellschafters an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses zu rechtfertigen. BGH, Urt. v. 7.2.2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 24 f.

87 Beschlüsse, die zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bedürfen, unterfallen nicht den Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen im Sinne des Kapitalgesellschaftsrechts, sondern die fehlende Zustimmung stellt eine „dritte Kategorie“ von Mängeln des Beschlusses dar, die im Wege der allgemeinen, nicht fristgebundenen Feststellungsklage gem. § 256 ZPO oder durch Einwendung im Prozess geltend gemacht werden kann. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 27 f.; BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 = ZIP 2009, 2289 Rn. 12 – Sanieren oder Ausscheiden; BGH, Beschl. v. 26.3.2007 – II ZR 22/06, ZIP 2007, 1368 Rn. 9 ff.

bb) Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten 88 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestehen für die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung gewisse inhaltliche Mindestanforderungen, wenn sie auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen. BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 = ZIP 2009, 1003 Rn. 19 ff.- Schiedsfähigkeit II.

89 Zu diesen Mindestanforderungen gehört insbesondere, dass neben den Gesellschaftsorganen jeder Gesellschafter über die Einleitung und den Verlauf des Schiedsverfahrens informiert und dadurch in die Lage versetzt werden muss, dem Verfahren zumindest als Nebenintervenient beizutreten. Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt; dabei kann bei Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite des

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III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

Streitverhältnisses das Mehrheitsprinzip Anwendung finden. Weiter muss gewährleistet sein, dass alle denselben Streitgegenstand betreffenden Beschlussmängelstreitigkeiten bei einem Schiedsgericht konzentriert werden. BGH, Urt. v. 6.4.2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221 = ZIP 2009, 1003 Rn. 20 – Schiedsfähigkeit II.

Unter Hinweis darauf, dass diese Anforderungen zwar im Zusammenhang 90 mit der Satzung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung formuliert, jedoch aus den grundlegenden Maßstäben des § 138 BGB und des Rechtsstaatsprinzips entwickelt 4worden seien, sollen sie nach Ansicht des für Rechtsstreitigkeiten über Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche zuständigen I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften gelten, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind. BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – I ZB 23/16, ZIP 2017, 1024 Rn. 26 – Schiedsfähigkeit III.

5. Geschäftsführung a) Gesamtgeschäftsführungsbefugnis Soweit die (dispositive) Gesamtgeschäftsführungsbefugnis vertraglich abbe- 91 dungen ist, führt der Wegfall des (einzigen) geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters durch Tod zur Gesamtgeschäftsführungsbefugnis der verbliebenen Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB). Bei Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder Amtsniederlegung gilt Entsprechendes; ggf. bleibt es bei der Geschäftsführungsbefugnis der übrigen geschäftsführungsbefugten Gesellschafter. Dass sich die verbleibenden Gesellschafter blockieren können, ist in der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis als dem gesetzlichen Regelfall bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts angelegt und begründet daher keine Regelungslücke. BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 14.

b) Notgeschäftsführung Die analoge Anwendung der Regelung des § 744 Abs. 2 BGB, nach der der 92 Teilhaber einer Gemeinschaft berechtigt ist, die zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilnehmer zu treffen, auf die Geschäftsführung durch einen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt. BGH, Urt. v. 26.6.2016 – II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 23; BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 15; BGH, Urt. v. 17.7.2000 – II ZR 39/99, ZIP 2000, 1725, 1726.

Das Notgeschäftsführungsrecht analog § 744 Abs. 2 BGB erfasst bei einer 93 Gesellschaft bürgerlichen Rechts über den Wortlaut hinaus nicht nur Maß23

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

nahmen zur Erhaltung eines bestimmten Gegenstandes des Gesamthandvermögens, sondern greift auch dann ein, wenn der Gesellschaft selbst eine akute Gefahr droht und zu ihrer Abwendung rasches Handeln erforderlich ist. BGH, Urt. v. 26.6.2016 – II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 24; BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 15.

94 Das Notgeschäftsführungsrecht kann auch die Erhebung einer gesellschaftsrechtlichen Beschlussanfechtungsklage umfassen, wenn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesellschafterin einer GmbH ist. Der Notgeschäftsführer ist zur Wahrnehmung der Rechte im eigenen Namen und damit auch zur Beschlussanfechtung berechtigt. Zugleich verleiht das Notgeschäftsführungsrecht für die Erhebung der Beschlussanfechtungsklage gem. § 744 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Prozessführungsbefugnis. BGH, Urt. v. 26.6.2018 – II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 24.

95 Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich kein Notgeschäftsführer zu bestellen, jedenfalls wenn sie keine Publikumsgesellschaft ist. Für die entsprechende Anwendung der Regelung des § 29 BGB fehlen die rechtlichen Voraussetzungen. Es fehlt bereits eine planwidrige Regelungslücke. Der Notvorstand überbrückt bei der juristischen Person eine vorübergehende Handlungsunfähigkeit beim Fehlen eines ordentlich bestellten Vorstands. Der Wegfall der Geschäftsführungsbefugnis bei einem geschäftsführenden Gesellschafter oder sein Wegfall machen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts dagegen auch beim Fehlen von Vorkehrungen im Gesellschaftsvertrag nicht handlungsunfähig, weil dafür Regelungen im Gesetz vorhanden oder von der Rechtsprechung entwickelt worden sind (siehe Rn. 91). BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 12 f.

96 Soweit etwa im Hinblick auf den Ausschluss des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters rechtliche Unsicherheiten bestehen, kann die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durch eine einstweilige Verfügung vorläufig geregelt werden. Wenn ein dringender Handlungsbedarf wegen einer Gefahr für die Gesellschaft oder ihr Vermögen besteht, die keinen Aufschub bis zu einer Entscheidung der Gesellschafter duldet, bedarf es ebenfalls keines Notgeschäftsführers. BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 15.

97 Jeder Gesellschafter hat entsprechend § 744 Abs. 2 BGB die Befugnis zu den Maßnahmen, die zur Erhaltung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes oder der Gesellschaft selbst notwendig sind. Der Gefahr der Mitwirkung eines zeitweilig geschäftsunfähigen Mitgesellschafters, die sich nachträglich als unwirksam herausstellt, kann durch die Bestellung eines Betreuers für den geschäftsunfähigen Gesellschafter und einen Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) begegnet werden. Wenn in gerichtlichen Verfahren wegen der Eilbedürftigkeit ein Zuwarten mit Nachteilen verbunden

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III. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft

wäre, kann vor der Betreuerbestellung ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt werden. BGH, Beschl. v. 23.9.2014 – II ZB 4/14, ZIP 2014, 2344 Rn. 16.

c) Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis aus wichtigem Grund Ein wichtiger Grund für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis nach 98 § 712 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn das Verhältnis der übrigen Gesellschafter zu dem Geschäftsführer nachhaltig zerstört und es den Gesellschaftern deshalb nicht zumutbar ist, dass der geschäftsführende Gesellschafter weiterhin auf die alle Gesellschafter betreffenden Belange der Gesellschaft Einfluss nehmen kann. Steht fest, dass sich der geschäftsführende Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer anderer Gesellschaften finanzielle Unregelmäßigkeiten zu Lasten des jeweiligen Gesellschaftsvermögens hat zuschulden kommen lassen, rechtfertigt dies die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, ohne dass erforderlich wäre, dass derartige Unregelmäßigkeiten bei der (entziehenden) Gesellschaft selbst bereits festgestellt worden sind. BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 67/06, ZIP 2008, 597 Rn. 16 ff.

d) Actio pro socio Siehe Rn. 634 ff.

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6. Ansprüche im Innenverhältnis a) Haftungsmilderung, § 708 BGB Die Vorschrift des § 708 BGB schränkt die Haftung der Gesellschafter für 100 vertragswidriges Verhalten ein, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt. An den Beweis, in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden, sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB, die nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellen, nicht aus. BGH, Urt. v. 24.9.2013 – II ZR 391/12, ZIP 2013, 2152 Rn. 14.

b) Aufwendungsersatz Bereits vor der Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts 101 kann jeder Gesellschafter die von ihm gemachten Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte, von der Gesellschaft ersetzt verlangen (§§ 713, 670 BGB) oder, wenn der Gesellschaft selbst keine freien

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Mittel zur Verfügung stehen, die Mitgesellschafter auf Aufwendungsersatz – beschränkt auf deren Verlustanteil – in Anspruch nehmen. BGH, Urt. v. 22.2.2011 – II ZR 158/09, ZIP 2011, 809 Rn.11; BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 382/99, ZIP 2002, 394.

102 Die Voraussetzung für den Rückgriff gegen seine Mitgesellschafter, dass er aus der Gesellschaftskasse keinen Ausgleich erlangen kann, ist nicht erst gegeben, wenn die Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen aussichtslos wäre. Es genügt vielmehr, dass der Gesellschaft freie Mittel nicht zur Verfügung stehen und sie noch nicht aufgelöst ist. Die Auflösung der Gesellschaft würde dagegen dazu führen, dass die Gesellschafter die ihnen gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen könnten, diese Ansprüche vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen wären. BGH, Urt. v. 22.2.2011 – II ZR 158/09, ZIP 2011, 809 Rn.13 f.; BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 382/99, ZIP 2002, 394.

IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten 1. Vertretung der Gesellschaft 103 Der Umfang der Vertretungsmacht entspricht, sofern der Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung trifft, der Reichweite der Geschäftsführungsbefugnis (§§ 714, 709 BGB). Im Falle gemeinschaftlicher Geschäftsführungsbefugnis sind die Gesellschafter danach als Gesamtvertreter befugt, Verbindlichkeiten zu Lasten der Gesellschaft zu begründen. BGH, Urt. v. 14.2.2005 – II ZR 11/03, ZIP 2005, 524, 525.

104 Der Grundsatz der Gesamtvertretung gilt aber nicht ausnahmslos, vielmehr kann auch einer der Mitgesellschafter mit der alleinigen Vertretung der Gesellschaft betraut werden. Das muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch in konkludenter Form geschehen und einzelne Fälle betreffen oder generell gelten. An eine derartige Bevollmächtigung sind, wenn der Gesellschaftsvertrag formlos geschlossen wurde, keine besonderen Anforderungen zu stellen. BGH, Urt. v. 14.2.2005 – II ZR 11/03, ZIP 2005, 524, 525.

105 Das rechtsgeschäftliche Handeln für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vollzieht sich insbesondere dann auf der Grundlage einer konkludent erteilten Vollmacht, wenn ein geschäftsführender Gesellschafter, indem er etwa seinen Wirkungskreis auf die internen Verhältnisse der Gesellschaft beschränkt, dem anderen geschäftsführenden Gesellschafter bei der Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis freie Hand gewährt. BGH, Urt. v. 14.2.2005 – II ZR 11/03, ZIP 2005, 524, 525.

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IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten

Bei der Prüfung, ob das nur von einem der beiden gesamtvertretungsberech- 106 tigten Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – entgegen § 181 BGB – vorgenommene Rechtsgeschäft von dem anderen konkludent genehmigt wurde, ist allein auf dessen Kenntnisstand abzustellen. Denn bei der Gesamtvertretung hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts analog § 177 Abs. 1 BGB von der Genehmigung der anderen vertretungsberechtigten Person ab. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 23.

Bei einem Insichgeschäft bedarf es nicht nur einer Genehmigung des voll- 107 machtlosen Handelns, sondern zudem einer nachträglichen Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB. Unbeschadet der Frage, ob der gesamtvertretungsberechtigte Mitgesellschafter zu einer solchen Befreiung überhaupt berechtigt ist, steht jedenfalls der Schutzzweck des § 181 BGB einer – für die Annahme einer konkludenten Genehmigung erforderlichen – Wissenszurechnung entgegen. Danach soll sich der Vertretene eine Handlung seines Vertreters dann nicht zurechnen lassen müssen, wenn die Gefahr eines Interessenkonflikts besteht. Dieser Schutz würde jedoch umgangen, wenn dem einen Gesamtvertreter das Wissen des zuvor – entgegen dem Verbot des § 181 BGB – handelnden anderen Gesamtvertreters bei der Prüfung einer konkludenten Genehmigung zugerechnet und der Vertretene damit möglicherweise zu einem Rechtsgeschäft verpflichtet werden würde, vor dessen Eingehung ihn § 181 BGB gerade schützen will. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 24.

2. Außenhaftung der Gesellschafter a) Grundsatz Für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haften ne- 108 ben dem Gesellschaftsvermögen die Gesellschafter in Konsequenz der Anerkennung der beschränkten Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Anlehnung an die offene Handelsgesellschaft analog § 128 HGB grundsätzlich akzessorisch, persönlich, primär, unbeschränkt und in voller Höhe. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 27; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 34; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 23; 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330, 336.

Die unmittelbare Außenhaftung analog §§ 128, 130 HGB setzt voraus, dass 109 der in Anspruch Genommene selbst Gesellschafter geworden ist; derjenige, der bloß als Treugeber beteiligt ist und dessen Gesellschaftsanteil von einem Treuhänder gehalten wird, haftet für Gesellschaftsschulden nicht analo §§ 128,

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

130 HGB persönlich. Die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses, das darauf beschränkt ist, die gesellschaftsrechtlichen Rechte des „Treugebers“ gegenüber dem Grundbuchamt durch einen Treuhänder halten zu lassen, steht der Außenhaftung des „Treugebers“ analog § 128 HGB jedoch nicht entgegen, wenn die Auslegung des Gesellschaftsvertrags und des Treuhandvertrags ergibt, dass nicht der „Grundbuchtreuhänder“, sondern der „Treugeber“ Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geworden ist. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 36 ff.

110 Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haben grundsätzlich auch für gesetzlich begründete Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft persönlich und als Gesamtschuldner einzustehen. Für die Ausdehnung auf gesetzliche Verbindlichkeiten spricht insbesondere der Gedanke des Gläubigerschutzes: Anders als bei rechtsgeschäftlicher Haftungsbegründung können sich die Gläubiger einer gesetzlichen Verbindlichkeit ihren Schuldner nicht aussuchen; dann aber muss erst recht wie bei vertraglichen Verbindlichkeiten das Privatvermögen der Gesellschafter als Haftungsmasse zur Verfügung stehen. BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88 = ZIP 2003, 664, 666.

111 Wird ein Gesellschafter wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft von einem Gläubiger in Anspruch genommen, so kann er neben den Einwendungen, die in seiner Person begründet sind, analog § 129 Abs. 1 HGB auch alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art in dem Umfang geltend machen, in welchem sie der Gesellschaft selbst zum Zeitpunkt ihrer Erhebung durch den Gesellschafter zustehen. Aus dem Wortlaut des § 129 Abs. 1 HGB ergibt sich, dass die Gesellschafterhaftung grundsätzlich und gerade auch hinsichtlich aller Einwendungen – zugunsten und zuungunsten des Gesellschafters – mit der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit übereinstimmen soll. Der einzelne Gesellschafter hat inhaltlich die gleiche Leistung zu erbringen wie die Gesellschaft selbst; denn die eigentlich geschuldete Leistung ist die Erfüllung der Schuld der Gesellschaft. Der Gesellschafter soll vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme für eine Gesellschaftsschuld, die nicht oder nicht so besteht, geschützt werden. Die jeweilige Gesellschaftsschuld bestimmt deshalb den Inhalt der Gesellschafterhaftung und Umstände, welche die Gesellschaftsschuld inhaltlich beeinflussen, verändern zugleich die Verbindlichkeit des Gesellschafters. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 27;

112 Mit der Gesellschaft zustehenden Einwendungen ist der Gesellschafter analog § 129 Abs. 1 HGB ausgeschlossen, wenn sie der Gesellschaft aufgrund eines rechtskräftigen Urteils abgesprochen worden sind. Eigene Ansprüche des Gesellschafters werden dadurch nicht berührt. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 11, 13;

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IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 31.

Grundsätzlich kann der Gläubiger gem. § 421 Satz 1 BGB frei wählen, wel- 113 chen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will. Nach den für die Gesamtschuld geltenden Grundsätzen trägt der Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger das Risiko dafür, dass andere Gesamtschuldner die ihnen nach dem Innenverhältnis obliegenden Leistungen nicht (vollständig) erbringen. Während der Gläubiger gem. § 421 Satz 1 BGB die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern kann, sind die Gesamtschuldner gem. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet. Das heißt, dass sich der zahlende Gesamtschuldner bei den anderen Gesamtschuldnern, mit denen er gleichsam im selben Lager steht, schadlos halten muss. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 30.

Der Gläubiger braucht im Allgemeinen keine Rücksicht darauf zu nehmen, 114 welcher Gesamtschuldner im Innenverhältnis ausgleichspflichtig ist. In der Regel ist einem Gesamtschuldner auch der Einwand versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem im Innenverhältnis verpflichteten Gesamtschuldner befriedigen können und müssen. Wenn der Gläubiger gem. § 421 BGB das Recht hat, einen Gesamtschuldner in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen und ihn dadurch mit dem Regressrisiko im Innenverhältnis der Gesamtschuldner zu belasten, so kann allein das billigende Bewusstsein, dass dadurch diesen Schuldner ein endgültiger Vermögensverlust treffen kann, für einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichen. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 30.

Allerdings sind der Wahlfreiheit des Gläubigers nach dem Grundsatz von 115 Treu und Glauben Grenzen gesetzt, nämlich dann, wenn sich das Vorgehen des Gläubigers gegen einen bestimmten Gesamtschuldner als rechtsmissbräuchlich darstellt. Ob dies der Fall ist, ist am Maßstab der §§ 421 ff. BGB festzustellen. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Art des der Gesamtschuld zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses an. Rechtsmissbräuchlich erscheint die Inanspruchnahme des – im Innenverhältnis nicht verpflichteten – Gesamtschuldners gem. § 421 Satz 1 BGB, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten für jenen ein besonderes Risiko begründet hat. Dies ist etwa der Fall, wenn er eine dingliche Sicherheit aufgibt, die von einem Gesamtschuldner bestellt worden ist und im Falle der Befriedigung des Gläubigers durch einen – im Innenverhältnis ausgleichsberechtigten – anderen Gesamtschuldner gem. § 426 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 412, 401 Abs. 1 BGB auf diesen übergegangen wäre. Ein Missbrauch kann auch vorliegen, wenn sich der Gläubiger deswegen nur an einen von mehreren Gesamtschuldnern hält, weil er aus missbilligenswerten Motiven die Absicht hat, gerade diesem Schuldner Schaden zuzufügen.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 31.

b) Quotale Haftung 116 Die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann in dem Vertrag zwischen der Gesellschaft und ihrem Gläubiger beschränkt werden. Die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter entspricht dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen, weil die Gesellschaft kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt. Begnügt sich der Gläubiger abweichend von der nach dem Gesetz regelmäßig eintretenden gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter mit deren teilschuldnerischen Haftung entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, sollen jedoch darüber hinaus Zahlungen und Erlöse aus dem Gesellschaftsvermögen die vom ursprünglichen Schuldbetrag berechneten Haftungsbeträge der Gesellschafter vermindern, bedarf dies einer eindeutigen Vereinbarung. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 53; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 29; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 243/09, ZIP 2011, 914 Rn. 20.

117 Die Gesellschaft kann mit ihrem Vertragspartner den Umfang der quotalen Haftung der Gesellschafter regeln, also beispielsweise vereinbaren, dass jede Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht nur die Gesellschaftsschuld, sondern anteilig auch den Haftungsbetrag jedes einzelnen Gesellschafters mindert. Ebenso kann sich der Gläubiger verpflichten, vorrangig vor den Gesellschaftern das Gesellschaftsvermögen in Anspruch zu nehmen und die daraus erzielten Erlöse wiederum nicht nur der Gesellschaft, sondern anteilig den Gesellschaftern auf ihren Haftungsbetrag anzurechnen. Die Gesellschaft und ihr Gläubiger können weiter bestimmen, ob sich die Haftungsanteile auf den Nominalbetrag der Ursprungsforderung oder auf den zur Zeit der Inanspruchnahme noch offenen Schuldsaldo beziehen. Auch insoweit bedarf es jedoch eindeutiger vertraglicher Vereinbarungen. BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 29 f.; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 243/09, ZIP 2011, 914 Rn. 20 f.

c) Haftung des eintretenden Gesellschafters 118 Der in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretende Gesellschafter haftet analog § 130 HGB für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten sind bereits dann begründet, wenn das Rechtsgeschäft abgeschlossen ist und sich ohne Hinzutreten weiterer rechtsgeschäftlicher Akte die konkrete, einzelne Ver-

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IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten

bindlichkeit ergibt. Bei Dauerschuldverhältnissen kommt es daher für die Begründung der hieraus resultierenden Forderungen auf den Abschluss des Dauerschuldvertrages und nicht auf die daraus hervorgehenden Einzelverbindlichkeiten an. BGH, Urt. v. 17.4.2012 – II ZR 95/10, NZG 2012, 701 Rn. 20; BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR 283/03, ZIP 2006, 82 Rn. 7 ff; BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 = ZIP 2003, 899, 900.

d) Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Altverbindlichkeiten Der Gesellschafter haftet nach § 128 HGB auch nach seinem Ausscheiden 119 aus der Gesellschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die während seiner Mitgliedschaft begründet wurden (Altverbindlichkeiten), soweit seine Nachhaftung nicht nach § 736 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 160 HGB begrenzt ist. Für zweigliedrige Gesellschaften, in denen der Betrieb vom letzten verbliebenen Gesellschafter nach dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters fortgeführt wird, gelten keine Besonderheiten. Altverbindlichkeiten sind alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis zum Ausscheiden gelegt worden ist, auch wenn die einzelnen Verpflichtungen erst später fällig werden. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 43; BGH, Urt. v. 3.7.2020 – V ZR 250/19, ZIP 2020, 1704 Rn. 11 ff.; BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 13 f.

Der Gesetzgeber hat mit § 160 HGB nicht lediglich eine zeitliche Obergren- 120 ze festgelegt. Er hat vielmehr eine umfassende Regelung des Problems der Nachhaftungsbegrenzung vorgenommen und wollte dabei auch die Dauerschuldverhältnisse einbezogen wissen. Sinn dieser Regelung ist es in erster Linie zu vermeiden, dass ein ausgeschiedener Gesellschafter zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten belastet wird, obwohl er wegen seines Ausscheidens weder weiteren Einfluss auf die Gesellschaft nehmen noch von den Gegenleistungen und sonstigen Erträgen profitieren kann. Sinn ist es aber zugleich, einen Ausgleich zwischen diesem Anliegen und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schaffen. Allein schon im Hinblick auf diese Zweckrichtung sind Dauerschuldverhältnisse ohne Differenzierung nach gewissem oder ungewissem Verlauf in der Zukunft als Verbindlichkeiten i. S. v. § 160 Abs. 1 HGB anzusehen. BGH, Urt. v. 29.4.2002 – II ZR 330/00, BGHZ 150, 373 = ZIP 2002, 1251, 1252.

Bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen einer rechts- 121 grundlosen Leistung des Bereicherungsgläubigers liegt zwar grundsätzlich eine Altverbindlichkeit vor, wenn der vermeintliche Rechtsgrund, auf den geleistet wurde, bereits beim Ausscheiden bestand; der Zeitpunkt der Leistungshandlung des Gläubigers ist ohne Bedeutung. Die Gläubiger vertrauen 31

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

beim Abschluss eines Geschäfts mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts darauf, auf das Privatvermögen der Gesellschafter zurückgreifen zu können. Diese Möglichkeit muss ihnen erhalten bleiben, wenn ein Gesellschafter ausscheidet. Ähnlich ist die Situation, wenn der Gläubiger nach dem Ausscheiden des Gesellschafters rechtsgrundlos an die Gesellschaft aufgrund eines Geschäfts leistet, das zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, zu dem der ausgeschiedene Gesellschafter noch mit seinem Privatvermögen haftete. BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 15.

122 Erbringt der Schuldner versehentlich eine weitere Zahlung auf seine gegenüber einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete Schuld, obwohl er diese bereits durch eine frühere Zahlung getilgt hat, ist für diese versehentliche Doppelzahlung eine Rechtsgrundlage aber nicht in jedem Fall schon mit dem ursprünglichen Vertrag gelegt. In einer vertraglich eingegangenen Zahlungsverpflichtung, die für eine zur Tilgung dieser Zahlungsschuld führende Leistung einen tatsächlichen und nicht nur vermeintlichen Rechtsgrund darstellt, ist nicht ohne weiteres angelegt, dass die Leistung ein zweites Mal erbracht wird. Der Gesellschafter, der nach dem Abschluss des die Zahlungspflicht begründenden Vertrages, aber vor der versehentlichen Doppelzahlung aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, haftet daher nicht für die Bereicherungsschuld der Gesellschaft, wenn die Doppelzahlung in dem ursprünglichen Vertrag nicht angelegt war. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 43; BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 16.

123 Die Nachhaftung des Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Wohnungseigentümerin ist, erstreckt sich auf Beitragspflichten, die auf nach seinem Ausscheiden von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüssen beruhen; auch insoweit handelt es sich um Altverbindlichkeiten i. S. v. § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil der Rechtsgrund für die Beitragspflicht eines Wohnungseigentümers bereits mit dem Erwerb des Wohnungseigentums gelegt wird. BGH, Urt. v. 3.7.2020 – V ZR 250/19, ZIP 2020, 1704 Rn. 15 ff.

124 Die Fünfjahresfrist nach § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. § 736 Abs. 2 BGB beginnt mit der positiven Kenntnis des jeweiligen Gläubigers von dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft, da man insoweit – anders als bei einer Personenhandelsgesellschaft – nicht an die Publizität durch Registereintragung des Ausscheidens anknüpfen kann. BGH, Urt. v. 3.7.2020 – V ZR 250/19, ZIP 2020, 1704 Rn. 28; BGH, Urt. v. 24.9.2007 – II ZR 284/05, BGHZ 174, 7 = ZIP 2007, 2262 Rn. 17.

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IV. Rechtsverhältnis der Gesellschaft zu Dritten

e) Haftung als Scheingesellschafter Personen können als Scheingesellschafter nach Rechtsscheingrundsätzen 125 haften, wenn sie in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft gesetzt haben oder gegen den durch einen anderen gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen sind und der Dritte sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen trifft die Haftung den Scheingesellschafter sowohl für vertragliche wie auch für außervertragliche Ansprüche. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 15; BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 19; BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 359 = ZIP 2001, 330, 336.

Scheingesellschafter ist auch der Gesellschafter, der aus einer bestehenden 126 Gesellschaft ausgeschieden ist, aber weiterhin als Gesellschafter nach außen auftritt. Wenn nach außen hin für den Rechtsverkehr eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung der Gesellschaft nicht sichtbar geworden ist, muss der ausgeschiedene Gesellschafter sich so behandeln lassen, als bestehe der bisherige Rechtszustand weiter. Für das Auftreten als Gesellschafter kann es genügen, wenn der Gesellschafter im Briefkopf der Gesellschaft genannt wird. BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 20.

Zum pflichtgemäßen Vorgehen gegen den gesetzten Rechtsschein genügt es 127 nicht, dass der ausscheidende Gesellschafter dem verbleibenden Gesellschafter die Weiterverwendung von Hinweisen auf die Gesellschaft wie die Namensverwendung im Briefkopf oder auf einem Firmen- oder Kanzleischild untersagt. Er muss vielmehr im Rahmen des ihm Zumutbaren selbst die Handlungen vornehmen, die geeignet sind, den aus der früheren Kundgabe der Stellung als Gesellschafter erwachsenen Rechtsschein zu zerstören. BGH, Urt. v. 17.1.2012 – II ZR 197/10, ZIP 2012, 369 Rn. 22.

Wer unrichtig als Gesellschafter einer durch Umwandlung entstandenen Ge- 128 sellschaft bürgerlichen Rechts im Handelsregister eingetragen ist, kann nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen für die Kosten eines Rechtsstreits haften, den ein Gläubiger der formwechselnden GmbH im Vertrauen auf seine Haftung als Gesellschafter gegen ihn führt. BGH, Urt. v. 18.10.2016 – II ZR 314/15, ZIP 2017, 14 Rn. 15 ff.

f) Verjährung Die für die Gesellschaftsschuld maßgebliche Verjährung gilt grundsätzlich 129 auch für die akzessorische Haftung des Gesellschafters aus § 128 HGB. Die Gesellschafterhaftung stimmt grundsätzlich und gerade auch hinsichtlich aller

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Einwendungen oder Einreden – zugunsten und zuungunsten des Gesellschafters – mit der jeweiligen Gesellschaftsverbindlichkeit überein. Das Sicherungsinteresse des Gläubigers erfordert es, dass ein Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden, die während oder vor seiner Mitgliedschaft begründet worden sind, auch zeitlich wie die Gesellschaft selbst haftet. Die Tatsache, dass die Gesellschaftsschuld nach rechtskräftiger Verurteilung der Gesellschaft, vollstreckbarem Vergleich bzw. Schuldanerkenntnis oder Feststellung im Insolvenzverfahren der dreißigjährigen Verjährung der § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis Nr. 6, § 201 Satz 1 BGB unterliegt, gilt daher auch gegenüber dem Gesellschafter. BGH, Urt. v. 12.1.2010 – XI ZR 37/09, ZIP 2010, 319 Rn. 40 ff.

g) Gesamtschuldnerausgleich 130 Zwischen mehreren – entsprechend § 128 HGB im Außenverhältnis persönlich haftenden – Gesellschaftern einer Außen-Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht ein echtes Gesamtschuldverhältnis, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet. Der Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Gesellschaftern bemisst sich regelmäßig nicht nach Kopfteilen, sondern nach demjenigen Maßstab, den die Gesellschafter untereinander für ihre Gewinn- und Verlustbeteiligung festgelegt haben. Dieser Maßstab ist grundsätzlich auch für den Ausgleich im Innenverhältnis maßgebend. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 11; BGH, Urt. v. 24.9.2013 – II ZR 391/12, ZIP 2013, 2152 Rn. 9 f.

131 Anderes kann allerdings dann gelten, wenn die der gesamtschuldnerischen Haftung zugrundeliegende Verpflichtung der Gesellschaft auf dem schuldhaften Verhalten eines der Gesellschafter beruht. Wie auch sonst im Innenausgleich von Gesamtschuldnern kann dies unter Heranziehung des Gedankens des § 254 BGB im Innenverhältnis zu einer anderweitigen oder sogar zur alleinigen Haftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters führen. BGH, Urt. v. 24.9.2013 – II ZR 391/12, ZIP 2013, 2152 Rn. 10.

132 Der selbständige Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses. Ist die Schuld fällig, kann der mithaftende Gesamtschuldner schon vor Erbringung seiner eigenen Leistung von seinen Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen. Diese Grundsätze gelten auch unter mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern, wenn von der Gesellschaft kein Ausgleich zu erlangen ist. In diesem Fall kann ein Gesellschafter von seinen Mitgesellschaftern schon dann Freistellung fordern, wenn die ernsthafte Möglichkeit seiner Inanspruchnahme durch einen Gesellschaftsgläubiger besteht.

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand BGH, Urt. v. 16.12.2009 – XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 = ZIP 2010, 270 Rn. 30; BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313 Rn. 14.

Im Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung ist eine 133 unmittelbare Anwendung der §§ 420 ff. BGB dagegen nicht möglich, weil kein echtes Gesamtschuldverhältnis besteht; es ist aber zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der jeweils verschiedenartigen Interessen der Beteiligten der Rechtsgedanke der §§ 420 ff. BGB im Einzelfall zur Anwendung kommt oder nicht. Für die Gesellschaft als originär Verpflichtete ist die entsprechende Anwendung der Gesamtschuldregeln im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung grundsätzlich angebracht. Stehen den Gesellschaftern beispielsweise individuelle Einreden i. S. d. § 425 BGB gegen ihre persönliche Inanspruchnahme zu, wäre es nicht gerechtfertigt, dass sich auch die Gesellschaft darauf berufen könnte. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = ZIP 2001, 330, 336.

V. Wechsel im Gesellschafterbestand 1. Übertragung und Verpfändung des Gesellschaftsanteils Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Gesellschaftsan- 134 teil mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter auf einen Mitgesellschafter oder auf eine dritte Person durch Verfügungsgeschäft (§ 413 BGB) mit der Wirkung übertragen, dass der Erwerber, wenn nichts anderes geregelt ist, ohne weiteres mit allen Rechten und Pflichten in die Rechtsstellung eintritt, die bis dahin der Veräußerer innehatte. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 9; BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 194/00, ZIP 2003, 435, 437.

Erfasst werden grundsätzlich sämtliche gesellschaftsbezogenen Ansprüche 135 und Vermögensrechte. Hat der Veräußerer vor dem Zeitpunkt der Anteilsübertragung Verfügungen hinsichtlich eines bestimmten Anspruchs oder Rechts getroffen, so sind diese auch dem Erwerber gegenüber wirksam. BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 194/00, ZIP 2003, 435, 437; BGH, Urt. v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82 = ZIP 1981, 981, 982.

Diese Rechtsstellung – Gesellschaftsanteil oder Mitgliedschaft – ist der Inbegriff 136 der Rechtsbeziehungen des Altgesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis zu der Gesellschaft, zu deren Vermögen und zu den übrigen Gesellschaftern. Mit der Übernahme der Rechtsstellung des Altgesellschafters können den Neugesellschafter auch Verbindlichkeiten des Altgesellschafters gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis, nicht aber sonstige Verbindlichkeiten des Altgesellschafters treffen. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn.9 f.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

137 Der Erwerber eines Gesellschaftsanteils haftet daher nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Veräußerers, die diesem von einem Anleger zur Last gelegt wird. Die Schadensersatzverpflichtung eines nicht nur kapitalistisch beigetretenen Altgesellschafters wegen Aufklärungspflichtverletzung trifft ihn zwar in seiner Eigenschaft als aufklärungspflichtigen Altgesellschafter, aber nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis gegenüber der Gesellschaft oder den Mitgesellschaftern. Eine (akzessorische) Haftung des Neugesellschafters wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit (analog § 128 HGB) scheidet insoweit gleichfalls aus, weil sich nur der Altgesellschafter schadensersatzpflichtig gemacht hat, nicht auch die Gesellschaft, der die fehlerhafte Aufklärung nicht zugerechnet werden kann. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 10.

138 Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschaftsvermögen aus einem GmbH-Anteil besteht, bedarf nicht schlechthin der notariellen Beurkundung entsprechend § 15 Abs. 4 GmbHG. Formbedürftig ist der Vertrag nur dann, wenn die Errichtung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts dazu dient, die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG zu umgehen. Bei einer der Mitarbeiterbeteiligung dienenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dies jedenfalls zu verneinen, wenn die Schutzzwecke der Formvorschrift nicht berührt sind. BGH, Urt. v. 10.3.2008 – II ZR 312/06, ZIP 2008, 876 Rn. 15 ff.

139 Bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können unter Wahrung der Gesellschaftsidentität gleichzeitig sämtliche Gesellschafter im Wege der Anteilsübertragung ausgewechselt werden. Da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht in einem öffentlichen Register eingetragen ist, sind die Namen der Gesellschafter zwar eine bedeutsame Identifizierungshilfe (siehe auch § 47 Abs. 2 S. 1 GBO). Gleichwohl ist auch in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Gesellschafterwechsel bei identischem Fortbestand der Gesellschaft möglich, obwohl jeder Wechsel eines oder mehrerer Gesellschafter die Funktion des Gesellschafterbestandes als Identifizierungshilfe im Rechtsverkehr beeinträchtigen kann. Eine quantitative Begrenzung des Gesellschafterwechsels auf ein noch zulässiges Maß lässt sich nicht sinnvoll vornehmen. Schon deshalb kann auch ein vollständiger Austausch des gesamten Gesellschafterbestandes nicht untersagt werden, der je nach Lage des Falles keine erheblich größere Irritation des Rechtsverkehrs hervorrufen muss als der Wechsel eines (großen) Teils der Gesellschafter. Im Übrigen bleibt es Aufgabe der (neuen) Gesellschafter, mögliche Zweifel an dem identischen Fortbestand der Gesellschaft auszuräumen. BGH, Urt. v. 3.11.2015 – II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 27; BGH, Urt. v. 8.11.1965 – II ZR 223/64, BGHZ 44, 229 = WM 1965, 1283 f. (für die Personenhandelsgesellschaft).

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand

Mit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerli- 140 chen Rechts scheidet die Eintragung der Verpfändung eines Gesellschaftsanteils in das Grundbuch eines im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücks aus. Nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist Rechtsträgerin des Gesellschaftsvermögens. Grundstücke einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts stehen in deren Alleineigentum und nicht im gemeinschaftlichen Eigentum ihrer Gesellschafter. Die Verpfändung eines Gesellschaftsanteils begründet weder ein Recht des Pfandrechtsinhabers an den im Grundbuch eingetragenen Rechten der Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch wird diese als Rechtsinhaberin in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt. Eine Eintragung der Verpfändung zur Vermeidung eines gutgläubigen (lastenfreien) Erwerbs eines Dritten (§ 892 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB) kommt unter diesem Aspekt nicht in Betracht. BGH, Beschl. v. 20.5.2016 – V ZB 142/15, ZIP 2016, 1965 Rn. 10 ff.

2. Ausschluss aus wichtigem Grund Für die Frage der Ausschließung eines Gesellschafters nach § 737 BGB 141 kommt es – sofern eine Fortsetzungsklausel i. S. d. § 736 BGB vereinbart ist – entscheidend darauf an, ob in der Person des auszuschließenden Gesellschafters ein zur Kündigung berechtigender Umstand i. S. d. § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, mithin ein wichtiger Grund vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft mit dem Auszuschließenden für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 30; BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 8/01, ZIP 2003, 1037, 1038.

Eine Entscheidung hierüber erfordert eine umfassende Würdigung aller in 142 Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer beiden Seiten gerecht werdenden Gesamtabwägung. Dabei sind vor allem Art und Schwere des Fehlverhaltens des Auszuschließenden sowie auch ein etwaiges Fehlverhalten des den Ausschluss betreibenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Die Ausschließung kommt nur als „ultima ratio” in Betracht, nämlich wenn die Unzumutbarkeit nicht durch mildere Mittel – etwa durch vertragliche Änderungen oder Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis – beseitigt werden kann. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 30; BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 8/01, ZIP 2003, 1037, 1038.

Für die Zumutbarkeit einer künftigen Gesellschaftsfortführung kann es da- 143 bei sprechen, wenn die Wiederholungsgefahr aufgrund der Einmaligkeit des Vorfalls eher gering ist. BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 8/01, ZIP 2003, 1037, 1039.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

144 Zur Verneinung des Ausschließungsgrundes trotz groben Verschuldens bei fehlender Wiederholungsgefahr. BGH, Urt. v. 18.10.1965 – II ZR 232/63, WM 1966, 29, 31.

145 Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass ein Gesellschafter ausscheidet, wenn die übrigen Gesellschafter – aus wichtigem Grund – sein Ausscheiden durch Erklärung ihm gegenüber verlangen, so ist diese Klausel regelmäßig dahin auszulegen, dass die Gesellschafter über die Ausschließung eines Mitgesellschafters einen Beschluss zu fassen und darauf gegründet eine Ausschließungserklärung ihm gegenüber abzugeben haben. BGH, Urt. v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, ZIP 2011, 1508 Rn. 18.

146 Ein „Ausscheidungsverlangen“ der übrigen Gesellschafter setzt notwendigerweise eine Meinungsbildung voraus. Zu einem derartigen Verlangen kann es nur kommen, wenn die Gesellschafter zuvor Einigkeit darüber erzielt haben, dass der Mitgesellschafter ausgeschlossen werden soll. Das aber ist ein Beschluss der Gesellschafter und hat nicht nur einen unverbindlichen vorbereitenden Charakter. Das „Ausscheidungsverlangen“ ist demgegenüber lediglich die Umsetzung dieses Beschlusses, nämlich die Mitteilung des Beschlussinhalts an den auszuschließenden Gesellschafter. BGH, Urt. v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, ZIP 2011, 1508 Rn. 18.

147 Der Beschluss wird mit Zugang der darauf gegründeten Ausschließungserklärung dem auszuschließenden Gesellschafter gegenüber wirksam. Hält der betroffene Gesellschafter den Beschluss für nichtig, kann er das mit einer gegen seine Mitgesellschafter zu richtenden Feststellungsklage geltend machen. Für diese Klage kann im Gesellschaftsvertrag eine Frist bestimmt werden. Bei einer Regelung, dass Gesellschafterbeschlüsse binnen zwei Monaten ab Kenntnis von dem jeweiligen Beschluss durch Klage anzufechten sind, ist gegen die Länge der Frist ist nichts zu erinnern. BGH, Urt. v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, ZIP 2011, 1508 Rn. 15.

148 Eine im Gesellschaftsvertrag festgelegte Klagefrist ist angesichts der schwerwiegenden Rechtsbeeinträchtigung, die mit dem Entzug der Gesellschafterstellung verbunden ist, allerdings einschränkend auszulegen, soweit sie für Ausschließungsbeschlüsse gelten soll. Danach ist im Rahmen der Auslegung des Gesellschaftsvertrags im Zweifel anzunehmen, dass sich die Bestimmung einer Klagefrist nicht auf Ausschließungsbeschlüsse bezieht, die die Gesellschafterversammlung nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags gar nicht hätte fassen dürfen, das heißt, die von vornherein unzulässig sind. BGH, Urt. v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, ZIP 2011, 1508 Rn. 16.

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand

3. Kündigung durch Gesellschafter aus wichtigem Grund a) Kündigungserklärung Die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch einen Gesellschafter 149 nach § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB ist als Gestaltungsakt in Bezug auf die Gesellschaftsgrundlagen grundsätzlich an alle Gesellschafter zu richten. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und setzt daher den Zugang an alle Mitgesellschafter voraus. Ein Zugang gegenüber den vertretungsberechtigten Gesellschaftern reicht grundsätzlich nicht aus, weil sich deren Vertretungsbefugnis regelmäßig nicht auf Geschäfte erstreckt, die die Geschäftsgrundlage der Gesellschaft betreffen. Der Zugang gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter ist nur dann ausreichend, wenn der Gesellschaftsvertrag diesen zur Entgegennahme von Kündigungserklärungen ermächtigt oder wenn er die an die Gesellschaft gerichteten Kündigungserklärungen von sich aus an die übrigen Gesellschafter zur Kenntnisnahme weiterleitet. BGH, Urt. v. 11.5.2016 – XII ZR 147/14, ZIP 2016, 1432 Rn. 25.

b) Wichtiger Grund Nach ständiger Rechtsprechung setzt das – unentziehbare – Recht des Ge- 150 sellschafters zur außerordentlichen Kündigung gem. § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB voraus, dass dem Kündigenden nach Lage des Falles eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört oder ein gedeihliches Zusammenwirken aus sonstigen, namentlich auch wirtschaftlichen Gründen, nicht mehr möglich ist. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 28; BGH, Urt. v. 24.7.2000 – II ZR 320/98, ZIP 2000, 1772.

Dabei muss das auf dem wichtigen Grund beruhende Individualinteresse des 151 Kündigenden an der sofortigen Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft höher zu bewerten sein als das Interesse seiner Mitgesellschafter an der unveränderten Fortsetzung der Gesellschaft. Hieraus folgt, dass die Feststellung des wichtigen Grundes zur Kündigung die eingehende Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls erfordert. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 28.

Die Frage der Zumutbarkeit kann nicht ohne Berücksichtigung der beiderseiti- 152 gen Verhaltensweisen der Gesellschafter beantwortet werden. Dies gilt bei wechselseitigen Kündigungen auch dann, wenn das vorangegangene Fehlverhalten des kündigenden Gesellschafters nicht so schwerwiegend ist, dass es die fristlose Kündigung seines Mitgesellschafters rechtfertigt. Die unwirksame fristlose Kündigung eines Gesellschafters kann nicht als wichtiger Grund für die

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Kündigung des anderen Gesellschafters bewertet werden, ohne dessen vorangegangenes Fehlverhalten in die Gesamtabwägung einzubeziehen. BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 367/03, ZIP 2006, 127 Rn. 15 ff.

153 Der wichtige Grund als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung muss weiter bereits im Zeitpunkt der Kündigung vorliegen. Ein Nachschieben von in der Kündigungserklärung nicht angegebenen Gründen ist zulässig, wenn die Gründe im Zeitpunkt der Kündigung objektiv bereits vorlagen, d. h. nicht erst später eingetreten sind, und die Mitgesellschafter mit ihrer nachträglichen Geltendmachung rechnen mussten. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 29.

154 Auch wenn das außerordentliche Kündigungsrecht unverzichtbar ist, kann seine verzögerte Ausübung für die Wirksamkeit der Kündigung Bedeutung erlangen. Wird das Kündigungsrecht in Kenntnis des Bestehens seines Grundes über einen längeren Zeitraum nicht ausgeübt, so kann eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass der Kündigungsgrund nicht so schwer wiegt, dass dem Kündigenden die Fortsetzung der Gesellschaft unzumutbar ist oder dass der Grund dieses Gewicht jedenfalls in der Zwischenzeit verloren hat. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 30.

155 Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor, dass die Insolvenz eines Gesellschafters zu dessen Ausscheiden und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern führt, stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters für einen anderen Gesellschafter nur bei Darlegung besonderer Umstände einen wichtigen Grund für die (außerordentliche) Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses dar. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 33 ff.

c) Fortsetzungsklausel 156 Eine gesellschaftsvertragliche Fortsetzungsklausel, nach der im Falle einer Kündigung eines Gesellschafters dieser ausscheidet und die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, findet mangels anderweitiger gesellschaftsvertraglicher Regelung auch dann Anwendung, wenn die Mehrheit der Gesellschafter die Mitgliedschaft kündigt. BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 3/06, ZIP 2008, 1075 Rn. 9 ff.; BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 13.

157 Eine gesellschaftsvertragliche Fortsetzungsklausel stellt für die ausscheidenden Gesellschafter keine unzulässige Kündigungsbeschränkung i. S. v. § 723 Abs. 3 BGB dar. Dies gilt auch dann, wenn die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Abfindungsregelung zu Lasten der ausscheidenden Gesellschafter grob unbillig ist. In diesem Fall kann allerdings die Abfindungsregelung unwirksam sein. 40

V. Wechsel im Gesellschafterbestand BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 3/06, ZIP 2008, 1075 Rn. 13 ff.; BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 13.

d) Hinauskündigungsklauseln Gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe 158 von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen („Hinauskündigungsklausel“), sind grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. BGH, Urt. v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309 Rn. 19 f.; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 300/05, ZIP 2007, 862 Rn. 9; BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 – Managermodell = ZIP 2005, 1917, 1918; BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 – Mitarbeitermodell = ZIP 2005, 1920, 1921 ff.; BGH, Urt. v. 14.3.2005 – II ZR 153/03, ZIP 2005, 706, 707.

Tragende Erwägung hierfür ist, den von der Ausschließung oder Kündigung 159 bedrohten Gesellschafter zu schützen. Denn das freie Kündigungsrecht des anderen Teils kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, so dass er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten Gesellschafters ausgeliefert zu sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch macht oder seinen Gesellschafterpflichten nicht nachkommt, sondern sich den Vorstellungen der anderen Seite beugt („Damoklesschwert“). Das gleiche gilt für eine neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Vereinbarung, die zu demselben Ergebnis führen soll. BGH, Urt. v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309 Rn. 19; BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 ff = ZIP 1989, 36, 37 f.

Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Eine an keine Voraus- 160 setzung geknüpfte Hinauskündigungsklausel oder eine vergleichbare schuldrechtliche Regelung ist wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist; sie kann aber nicht zeitlich unbegrenzt bestehen. BGH, Urt. v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309 Rn. 20; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 300/05, ZIP 2007, 862 Rn. 9; BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 – Managermodell = ZIP 2005, 1917, 1918.

Eine sachliche Rechtfertigung ist angenommen worden, wenn das Kündigungs- 161 recht an den Tod eines Mitgesellschafters anknüpft und auf eine angemessene Zeitspanne nach dem Tod des Mitgesellschafters beschränkt ist. Ist das Kündigungsrecht in Anknüpfung an den Tod eines Mitgesellschafters unbefristet vereinbart worden, kann es in entsprechender Anwendung des § 139 BGB als zeitlich begrenztes Ausschließungsrecht aufrechterhalten werden.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 19.9.1988 – II ZR 329/87, BGHZ 105, 213 = ZIP 1989, 36, 38 f.

162 Ein sog. Mitarbeitermodell, bei dem einem verdienten Mitarbeiter des Gesellschaftsunternehmens – unentgeltlich oder gegen Zahlung eines Betrages in Höhe nur des Nennwerts – eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen zurück zu übertragen hat, stellt ebenfalls keine unzulässige Kündigungserschwerung dar. Auch die Beschränkung der dem Mitarbeiter bei der Rückübertragung des Gesellschaftsanteils zu zahlenden Abfindung auf den Betrag, den er für den Erwerb des Anteils gezahlt hat, und damit sein Ausschluss von etwaigen zwischenzeitlichen Wertsteigerungen sind als grundsätzlich zulässig angesehen worden. BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 – Mitarbeitermodell = ZIP 2005, 1920, 1921 ff.

163 Das ist ebenso der Fall, wenn einem Geschäftsführer im Hinblick auf seine Geschäftsführerstellung eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird, für die er nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu zahlen hat und die er bei Beendigung seines Geschäftsführeramtes gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurück zu übertragen hat (sog. Managermodell). BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 – „Managermodell“ = ZIP 2005, 1917, 1918.

164 Weiter ist ein Ausschließungsrecht bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Freiberuflerpraxis, das dazu dient, den Altgesellschaftern binnen angemessener Frist die Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Gesellschafter das notwendige Vertrauen aufgebaut werden kann, auch ohne Vorhandensein eines in der Person des anderen Teils liegenden wichtigen Grundes als sachlich gerechtfertigt angesehen worden. BGH, Urt. v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309 Rn. 21 f.; BGH, Urt. v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, ZIP 2004, 903, 905.

165 Eine Prüfungszeit von zehn Jahren ist allerdings als unangemessen lang und damit sittenwidrig und nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB) beurteilt und auf die für eine Hinauskündigung für die nach damaligem Zulassungsrecht gebildeten ärztlichen Gemeinschaftspraxen als höchstzulässig angesehene Frist von drei Jahren verkürzt worden. BGH, Urt. v. 7.5.2007 – II ZR 281/05, ZIP 2007, 1309 Rn. 23 f.

166 Vererbt der Inhaber sein einzelkaufmännisches Unternehmen in der Weise an seine beiden Kinder, dass er ihnen dessen Einbringung in eine von ihnen zu gründende Kommanditgesellschaft und den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages auferlegt, der dem einen Kind auch im Falle einer an keine Gründe geknüpften Eigenkündigung das Recht zur Übernahme des Geschäftsbetriebs einräumt, so ist das damit verbundene freie Hinauskündigungsrecht sachlich gerechtfertigt, weil es auf der Testierfreiheit des Erblassers beruht,

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand

der durch diese Gestaltung dem anderen Kind eine bereits mit dem Kündigungsrecht belastete Beteiligung vermacht hat. BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 300/05, ZIP 2007, 862 Rn. 10 ff.

e) Außerordentliche Kündigung bei Auflösung der Gesellschaft Zum Ausschluss der außerordentlichen Kündigung in der Liquidation Rn. 224.

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4. Auseinandersetzung a) Auseinandersetzungsanspruch Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch wirksame Kündigung des Ge- 168 sellschaftsverhältnisses durch einen Gesellschafter oder seine Ausschließung aus wichtigem Grund führt dazu, dass ihm gem. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Auseinandersetzungsanspruch auf dasjenige zusteht, was er erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre. Der Anspruch gem. § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB auf das Auseinandersetzungsguthaben wird in der Rechtsprechung gelegentlich als Abfindung bezeichnet. Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 12.

In anderen Entscheidungen (vor allem zur Auslegung vertraglicher Abfin- 169 dungsvereinbarungen) wird unter dem Abfindungsanspruch dagegen der Anspruch auf eine an dem Wert des Gesellschaftsanteils ausgerichtete Abfindung verstanden. Der so verstandene am anteiligen Unternehmenswert berechnete Anspruch ist aber lediglich ein in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellender Posten (siehe Rn. 177). Zum Recht eines Gesellschafters, bei seinem Ausscheiden aus der Gesell- 170 schaft für den Verlust seines Gesellschaftsanteils eine Abfindung zu erhalten, siehe Rn. 646 ff. b) Schuldner des Auseinandersetzungsanspruchs Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben des aus einer Gesell- 171 schaft bürgerlichen Rechts Ausgeschiedenen nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB richtet sich umfassend gegen die Gesellschaft, unbeschadet der daneben entsprechend § 128 HGB für diese Verbindlichkeit der Gesellschaft bestehenden persönlichen Haftung der Gesellschafter. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 9; BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 11 f.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

c) Umfang der Auseinandersetzung aa) Anwachsung des Gesellschaftsvermögens auf den letzten verbleibenden Gesellschafter 172 Wenn aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft der vorletzte Gesellschafter ausscheidet, führt dies vorbehaltlich einer abweichenden Regelung der Gesellschafter zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft; das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter kraft Gesetzes über. Es kommt zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem allein verbleibenden „Gesellschafter“. BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 Rn. 9; BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047 (zur Kommanditgesellschaft in Gestalt der GmbH & Co. KG).

173 Die Gesellschafter haben zudem die Möglichkeit, im Gesellschaftsvertrag eine Regelung zu treffen, wonach im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters und Verbleibens nur eines Gesellschafters das Vermögen der Gesellschaft ohne Liquidation im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den allein verbleibenden Gesellschafter übergehen soll. BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZB 9/09, NJW 2010, 3100 Rn. 7.

174 Die bei einer zweigliedrigen, vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts für den Fall des Todes eines Gesellschafters vereinbarte Anwachsung seines Gesellschaftsanteils beim überlebenden Gesellschafter unter Ausschluss eines Abfindungsanspruchs kann eine Schenkung i. S. v. § 2325 Abs. 1 BGB sein, wenn der Vereinbarung der Nachfolgeklausel mit Abfindungsausschluss keine gesellschaftsrechtliche Zwecksetzung zur Sicherung des Fortbestands des Gesellschaftsunternehmens zugrunde liegt. BGH, Urt. v. 3.6.2020 – IV ZR 16/19, ZIP 2020, 1298 Rn. 21 ff.

bb) Auseinandersetzung bei Fortsetzung der Gesellschaft 175 Wird die Gesellschaft von den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt und besteht als werbende Gesellschaft mit entsprechendem Gesellschaftsvermögen weiter, ist die durch das Ausscheiden eines Gesellschafters bedingte Auseinandersetzung zwischen dem Ausscheidenden und der Gesellschaft vorzunehmen. Für einen hiervon zu trennenden internen Gesellschafterausgleich ist jedenfalls während des Fortbestands der Gesellschaft vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen kein Raum. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 10.

176 Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Gesellschaft dem Ausscheidenden dasjenige zu zahlen hat, was er bei der Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft zur Zeit seines Ausscheidens aufgelöst worden wäre (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Ausrichtung des Abfindungsanspruchs auf ein fiktives Auseinandersetzungsguthaben bedingt nicht die Übernahme der 44

V. Wechsel im Gesellschafterbestand

im Fall der Auseinandersetzung nach Auflösung in Betracht zu ziehenden Trennung zwischen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens (§ 730 Abs. 1 BGB) und dem internen Ausgleich unter den Gesellschaftern. Weder kommt es beim Ausscheiden eines Gesellschafters zu einer mit der vollständigen Verteilung des Gesellschaftsvermögens verbundenen Vollbeendigung der Gesellschaft, noch hätte eine entsprechende Differenzierung praktische Erleichterungen zur Folge. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 11.

Das dem ausgeschiedenen Gesellschafter zustehende Auseinandersetzungs- 177 guthaben ist zwar auf der Grundlage des anteiligen Unternehmenswerts zu berechnen, die Abrechnung ist aber nicht auf die Erfassung des anteiligen Unternehmenswerts beschränkt. Vielmehr sind, sofern vorhanden, auch sonstige, nicht unternehmenswertbezogene gegenseitige Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis in die Berechnung einzustellen; dabei ist auch ein möglicher Anspruch auf Rückerstattung von Einlagen nach § 733 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Im Übrigen können zu dem Vermögen der Gesellschaft, das der Berechnung des Abfindungsanspruchs zugrunde zu legen ist, auch Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter auf Rückzahlung unberechtigter Entnahmen gehören. Dem Ausgeschiedenen steht zur Ermittlung seines Abfindungsanspruchs ein Anspruch auf Aufstellung der Abfindungsbilanz zu, der sich jedenfalls auch gegen die Gesellschaft richtet. Er kann mit dem noch zu beziffernden Zahlungsanspruch in einer Stufenklage verbunden werden. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 12 ff.

Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters unterliegen sowohl die An- 178 sprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft als auch die der Gesellschaft gegen den Gesellschafter zum Stichtag des Ausscheidens der Durchsetzungssperre (dazu Rn. 198 ff.). BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 43; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 2/11, ZIP 2012, 1500 Rn. 41; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 3/11, ZIP 2012, 2461 Rn. 35; BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 14.

cc) Schwebende Geschäfte Schwebende Geschäfte i. S. d. § 740 BGB sind solche, an die im Zeitpunkt 179 des Ausscheidens des Gesellschafters die Gesellschaft schon gebunden war, die aber beide Vertragspartner bis dahin noch nicht voll erfüllt hatten und die ihrer Art nach bereits am Abfindungstag Zug um Zug hätten abgewickelt sein können und nur nach konkreter Lage der Dinge noch nicht abgewickelt waren. Dauerrechtsverhältnisse, die ihrer Natur nach schweben, rechnen im Allgemeinen nicht dazu. BGH, Urt. v. 7.12.1993 – II ZR 248/91, ZIP 1993, 195, 196;

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 9.6.1986 – II ZR 229/85, ZIP 1986, 1111; BGH, Urt. v. 16.12.1985 – II ZR 38/85, ZIP 1986, 301, 303.

dd) Fehlbetragshaftung, § 739 BGB 180 Der Verlustausgleichsanspruch der Gesellschaft gem. § 739 BGB entsteht grundsätzlich mit Ausscheiden des Gesellschafters. Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert den Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs nicht. Zur Geltendmachung des Anspruchs reicht eine Feststellungsklage. BGH, Urt. 19.7.2010 – II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rn. 8.

181 Beruft sich der ausgeschiedene Gesellschafter gegenüber der Ausgleichsforderung der Gesellschaft nach § 738 Abs. 1 i. V. m. § 739 BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht, gestützt auf seinen Anspruch auf Befreiung von den gemeinschaftlichen Schulden (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist er für das Bestehen derartiger Schulden darlegungs- und beweispflichtig. BGH, Beschl. v. 9.3.2009 – II ZR 131/08, ZIP 2009, 1008 Rn. 2.

182 Hat der ausgeschiedene Gesellschafter mit einem von mehreren Gesellschaftsgläubigern eine Haftungsbeschränkung vereinbart (z. B. quotale und auf einen Teil der Forderung beschränkte persönliche Haftung), kann er sich im Innenverhältnis gegenüber dem Anspruch der Gesellschaft auf Ausgleich seines negativen Auseinandersetzungsguthabens auf diese im Außenverhältnis mit dem Gläubiger vereinbarte Haftungsbeschränkung nicht berufen. Die Gesellschaft ist berechtigt, ihre Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger in der vollen, von ihr zum Stichtag des Ausscheidens geschuldeten Höhe grundsätzlich in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen. BGH, Beschl. v. 9.3.2009 – II ZR 131/08, ZIP 2009, 1008 Rn. 9.

183 Ist durch Feststellungsurteil rechtskräftig nur festgestellt, dass in die Auseinandersetzungsrechnung ein Anspruch gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter auf Ausgleich seines negativen Kapitalkontos in der festgestellten Höhe einzustellen ist, dann folgt daraus noch kein Zahlungsanspruch in gleicher Höhe. Das negative Kapitalkonto zeigt bei der Auflösung oder Auseinandersetzung der Gesellschaft durch Ausscheiden eines Gesellschafters lediglich an, in welcher Höhe der betreffende Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern „gegebenenfalls“ ausgleichspflichtig ist. Ob sich aus dem negativen Kapitalkonto auch ein Zahlungsanspruch gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter in identischer Höhe ergibt, folgt aus der Einstellung in die Auseinandersetzungsrechnung noch nicht. Dies kann das Ergebnis der Auseinandersetzungsrechnung sein, ist es aber schon dann nicht, wenn noch andere im Rahmen der Auseinandersetzung zu berücksichtigende Ansprüche gegen den Gesellschafter gegeben sind oder ihm solche zustehen. BGH, Urt. v. 10.5.2011 – II ZR 227/09, ZIP 2011, 1362 Rn. 13.

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V. Wechsel im Gesellschafterbestand

Nachschusszahlungen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen sind 184 in der Auseinandersetzungsrechnung gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter unabhängig davon zu passivieren, ob sie aufgrund eines wirksamen oder eines unwirksamen Gesellschafterbeschlusses geleistet worden sind, oder ob sich die Gesellschaft gegenüber dem Rückzahlungsverlangen eines Gesellschafters auf Verjährung berufen kann. BGH, Beschl. v. 9.3.2009 – II ZR 131/08, ZIP 2009, 1008 Rn. 11.

Auch bei einer – ursprünglich mehrgliedrigen oder von Anfang an nur – 185 zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt im Falle des Vorhandenseins einer Fortsetzungs- oder Übernahmeklausel das Ausscheiden eines Gesellschafters zur Anwendbarkeit von § 739 BGB, d. h. zu einer Fehlbetragshaftung des Ausscheidenden, soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. BGH, Urt. v. 10.5.2011 – II ZR 227/09, ZIP 2011, 1362 Rn. 10.

Der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter 186 aus § 739 BGB verjährt nach § 195 BGB. Eine entsprechende Anwendung der §§ 159, 160 HGB auf den Anspruch aus § 739 BGB kommt nicht in Betracht. Ein zeitlicher Gleichlauf von Innen- und Außenhaftung ist gesetzlich nicht vorgesehen und wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Zusammensetzung und Herleitung auch nicht geboten. Die Innenhaftung aus § 739 BGB beruht nicht, jedenfalls nicht zwingend auf einer Unterdeckung wegen bestehender, durch das Gesellschaftsvermögen nicht gedeckter Gesellschaftsschulden, für die der Ausgeschiedene gegenüber den Gesellschaftsgläubigern persönlich haftet. Sie besteht z. B. ebenso im Falle einer schuldenfreien Gesellschaft, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter Überentnahmen getätigt hat, die er nach § 739 BGB erstatten muss. BGH, Urt. v. 10.5.2011 – II ZR 227/09, ZIP 2011, 1362 Rn. 16 f.

Für die subjektiven Voraussetzungen des Beginns der Verjährungsfrist ge- 187 nügt es, wenn die Gesellschaft – neben der Kenntnis des Ausscheidens – auch ohne exakte Berechnung in einer Auseinandersetzungsbilanz wusste oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte wissen müssen, dass das Gesellschaftsvermögen zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht ausreicht. BGH, Urt. 19.7.2010 – II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rn. 9.

d) Passivlegitimation bei Klage auf Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz Bei der Erstellung der von der Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesell- 188 schafters geschuldeten Auseinandersetzungsbilanz handelt es sich um eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO mit der Folge, dass gem. § 128 HGB neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter, insbesondere der geschäftsführende Gesellschafter, auf Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz in Anspruch genommen und verklagt werden können. 47

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Beschl. v. 22.9.2008 – II ZR 257/07, ZIP 2008, 2359 Rn. 11.

e) Schiedsgutachten 189 Bestimmt der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft für den Fall, dass eine Einigung unter den Gesellschaftern über die Höhe des einem ausscheidenden Gesellschafter zustehenden Auseinandersetzungsguthabens nicht zustande kommt, die verbindliche Feststellung des Guthabens durch einen Sachverständigen, der von der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu bestellen ist, so kann anstelle der Bestellung auch eine Benennung des Sachverständigen durch die IHK ausreichen, wenn damit der Zweck der gesellschaftsvertraglichen Regelung, eine neutrale Person für die Erstattung des Gutachtens zu gewinnen, erreicht wird. Der Verbindlichkeit des Schiedsgutachtens steht es nicht entgegen, wenn der Gutachter nur von einer und nicht von den Parteien gemeinsam beauftragt wird, beim Abschluss des Schiedsgutachtervertrages aber eindeutig klargestellt wird, dass es sich um ein für beide Seiten zu erstattendes Schiedsgutachten handelt. BGH, Urt. v. 14.2.2005 – II ZR 365/02, ZIP 2005, 614, 615.

190 Unterlässt die nach dem Gesellschaftsvertrag hierzu verpflichtete Gesellschaft bürgerlichen Rechts über einen außerhalb objektiv angemessener Zeit liegenden Zeitraum (hier: fast zwei Jahre) die Benennung eines Schiedsgutachters und die Einholung des Gutachtens über die zwischen ihr und dem ausgeschiedenen Gesellschafter streitige Höhe des Auseinandersetzungs(Abfindungs)guthabens, kann der Ausgeschiedene auf Zahlung des ihm seiner Ansicht nach zustehenden Guthabens klagen. Das angerufene Gericht hat die Bestimmung der Leistung – falls erforderlich mit sachverständiger Hilfe – durch Urteil zu treffen; eine Abweisung der Klage als zur Zeit unbegründet ist nicht (mehr) zulässig. BGH, Urt. v. 7.6.2011 – II ZR 186/08, ZIP 2011, 1358 Rn. 15.

f) Abfindungsvereinbarungen 191 Siehe dazu Rn. 654 ff. VI. Beendigung der Gesellschaft 1. Auflösung der Gesellschaft a) Fortsetzung nach Auflösung 192 Eine Gesellschaft, die gem. § 726 BGB aufgelöst ist, kann von den Gesellschaftern mit einer geänderten Zweckbestimmung fortgesetzt werden. BGH, Urt. v. 15.12.2003 – II ZR 358/01, ZIP 2004, 356, 357.

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VI. Beendigung der Gesellschaft

b) Streit über Auflösung der Gesellschaft Streitigkeiten darüber, ob eine Personengesellschaft – durch Kündigung – 193 aufgelöst ist, sind unter den Gesellschaftern auszutragen, wobei weder auf der Aktiv- noch auf der Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft besteht. Etwas Gegenteiliges kann nicht daraus hergeleitet werden, dass bei einer Auflösungsklage nach § 133 HGB grundsätzlich alle Gesellschafter auf der Aktiv- oder auf der Passivseite beteiligt sein müssen. Dieses Erfordernis hat seinen Grund in der Gestaltungswirkung des Auflösungsurteils und ist auf eine Klage, die darauf gerichtet ist, die Auflösung der Gesellschaft – als gesetzliche Folge der Kündigung – festzustellen, nicht übertragbar. BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 12.

c) Klage auf Feststellung der Gewinnbeteiligung nach Auflösung der Gesellschaft Ein auf Feststellung einer Gewinnbeteiligung an einer Gesellschaft bürgerli- 194 chen Rechts gerichteter Antrag betrifft ein Rechtsverhältnis i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO, an dessen Feststellung nach der Auflösung der Gesellschaft ein schutzwürdiges Interesse besteht, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs mangels Auseinandersetzung und Erstellung einer Schlussabrechnung (§ 734 BGB) nicht vorliegen. BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 59/18, ZIP 2019, 414 Rn. 10; BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 14.

2. Liquidation der Gesellschaft a) Treuepflicht während der Auseinandersetzung Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verlangt von dem Gesellschafter einer 195 Gesellschaft bürgerlichen Rechts, dass er seine Mitgesellschafter im Rahmen der Auseinandersetzung über Umstände, die deren mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren, zutreffend und vollständig informiert. BGH, Urt. v. 9.9.2002 – II ZR 198/00, ZIP 2003, 73, 74.

b) Behandlung von Einlagen bei Auflösung wegen Insolvenz der Gesellschaft aa) Einforderung ausstehender Einlagen Dass die Gesellschaft die noch nicht erbrachte restliche Einlage wegen ihrer 196 Insolvenz nicht mehr zu dem vertraglich zugesagten Zweck verwenden kann, lässt die Leistungspflicht des Gesellschafters nicht entfallen. Mit der Insolvenzeröffnung hat sich der Gesellschaftszweck von der werbenden Tätigkeit in eine Liquidation geändert, so dass ein Gesellschafter die Leistung seiner Einlage nicht mehr von der Erbringung der für die werbende Tätigkeit zuge-

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

sagten Gegenleistung abhängig machen kann, sondern seine Einlage zu leisten hat, soweit sie für die Abwicklung erforderlich ist. BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 45; BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 48.

bb) Rückforderung von Einlagen 197 Mitgliedschaftliche Rechte von Gesellschaftern begründen in der Insolvenz der Gesellschaft nach allgemeiner Meinung keine Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO. Insbesondere kann ein Gesellschafter in der Insolvenz nicht die von ihm erbrachten Einlagen und Beiträge zurückfordern, denn die Einlage stellt haftendes Kapital der Gesellschaft dar. Der Gesellschafter ist daher mit der Rückforderung seiner Einlage auf die Verteilung eines eventuellen Überschusses bei der Schlussverteilung gem. § 199 InsO zu verweisen. Dagegen stellen Drittgläubigerrechte, die den Gesellschaftern unabhängig von ihrer Mitgliedschaft aus einem Schuldverhältnis gegen die Gesellschaft zustehen, grundsätzlich Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO, ggf. mit Nachrang gem. § 39 InsO dar. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 22; BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 68; BGH, Urt. v. 28.1.2020 – II ZR 10/19, BGHZ 224, 235 = ZIP 2020, 511 Rn. 27; BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 23 ff.

c) Durchsetzungssperre aa) Grundsatz 198 Die Auflösung der Gesellschaft führt dazu, dass die Gesellschafter die ihnen gegen die Gesellschaft und die Mitgesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehenden Ansprüche nicht mehr selbständig im Wege der Leistungsklage durchsetzen können, diese Ansprüche vielmehr als unselbständige Rechnungsposten in die Schlussrechnung aufzunehmen sind (sog. Durchsetzungssperre). BGH, Urt. v. 22.2.2011 – II ZR 158/09, ZIP 2011, 809 Rn. 14; BGH, Urt. v. 3.4.2006 – II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 17.

199 Erfüllt ein Gesellschafter eine Schuld der Gesellschaft, für die er wie seine Mitgesellschafter haftet, so ist der Erstattungsanspruch als unselbstständiger Rechnungsposten in die Auseinandersetzungsbilanz aufzunehmen, um ein etwaiges Hin- und Herzahlen zu vermeiden. BGH, Urt. 7.3.2005 – II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068, 1070.

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VI. Beendigung der Gesellschaft

bb) Ausnahmen Drittgläubigeransprüche des Gesellschafters, z. B. Ansprüche aus einem Dienst- 200 vertrag über Beratungsleistungen, sind Ansprüche, die ihre Grundlage nicht im Gesellschaftsvertrag, sondern in einem davon unabhängig mit der Gesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäft haben. Sie unterliegen in der Auseinandersetzung der Gesellschaft keiner Durchsetzungssperre. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19, ZIP 2020, 2460 Rn. 17; BGH, Urt. v. 3.4.2006 – II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 19 f.

Einzelansprüche können außerdem abweichend von dem Grundsatz der 201 Durchsetzungssperre dann gesondert verfolgt werden, wenn sich aus dem Sinn und Zweck der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen ergibt, dass sie im Falle der Auflösung der Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Gesellschafters ihre Selbständigkeit behalten sollen. Weitere Ausnahmen werden vor allem dann zugelassen, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens, der durch die Durchsetzungssperre begegnet werden soll, nicht besteht. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 44; BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 15.

Ob eine Ausnahme von der Durchsetzungssperre immer dann gerechtfertigt 202 ist, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht auf Zahlung gerichtet ist, ist offengelassen worden. Sie ist aber jedenfalls für den Fall einer isolierten Geltendmachung eines Anspruchs einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution gegen einen ausgeschiedenen Gesellschafter-Geschäftsführer bejaht worden, der durch den Eigenerwerb von Grundstücken eine Geschäftschance der Gesellschaft vereitelt hatte. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 44 ff.

Die Ausnahme von der Durchsetzungssperre gilt auch für den mit dem Her- 203 ausgabeanspruch über das Zurückbehaltungsrecht verknüpften Zahlungsanspruch auf Erstattung der auf die herauszugebende Sache getätigten Aufwendungen. Dieser wird ebenfalls nicht von der Durchsetzungssperre erfasst. Etwas anderes gilt für den Wertersatzanspruch nach § 250 BGB. Dieser unterliegt als Zahlungsanspruch der Durchsetzungssperre. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 45 f.

Eine generelle Ausnahme von der Durchsetzungssperre für Treuepflichtver- 204 letzungen gibt es nicht. Auch insoweit ist in der Rechtsprechung eine Ausnahme nur dann zugelassen worden, wenn durch die geforderte Leistung das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den anderen Gesellschaftern in zulässiger Weise vorweggenommen und dadurch ein weiteres Auseinandersetzungsverfahren vermieden wird. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 47; BGH, Urt. v. 22.2.1971 – II ZR 100/68, WM 1971, 723, 725;

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Urt. v. 17.6.1953 – II ZR 205/52, BGHZ 10, 91, 102 f.

cc) Vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung 205 Nach der ständigen Rechtsprechung bedarf es zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens nach Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts keiner – von den Gesellschaftern festgestellten – Auseinandersetzungsbilanz, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. In diesem Fall kann der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben beansprucht, dieses aufgrund einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung – unabhängig von der Existenz zum internen Ausgleich benötigter Nachschussansprüche – unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen. Streitpunkte über die Richtigkeit der Schlussrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19, ZIP 2021, 2460 Rn. 27; BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 15 f.; BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 192/05, ZIP 2006, 2271 Rn. 10; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 17/04, ZIP 2006, 232 Rn. 10 f.

206 Eine vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung muss den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nachvollziehbar und schlüssig darlegen. Zu diesem Zweck sind die für die Berechnung wesentlichen Parameter einzubeziehen. Außerdem gilt auch für die an die Liquidation anschließenden Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander zur Vermeidung eines Hin- und Herzahlens der Grundsatz der Gesamtabrechnung und es besteht grundsätzlich eine Durchsetzungssperre hinsichtlich einzelner Rechnungsposten. Weitergehende Anforderungen sind an eine vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung nicht zu stellen. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 15, 18.

207 Es ist als unschädlich angesehen worden, wenn die Abrechnung nicht in einem Schriftstück zusammengefasst ist, das einen abschließenden Saldo ausweist, sondern in mehreren Aufstellungen Zeitabschnitte erfasst werden, die nahtlos aneinander anschließen. Damit wird der Grundsatz der Gesamtabrechnung in zeitlicher Hinsicht beachtet. Der Umstand, dass die Ermittlung des Gesamtergebnisses auf der Grundlage der vorgelegten Aufstellungen noch eine einfache Addition erfordert, beeinträchtigt die Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit der Abrechnung nicht. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 21.

208 Das Gebot der Gesamtabrechnung führt nicht dazu, dass eine von dem Gesellschafter als umfassend verstandene Abrechnung ihre Eignung als taugliche Grundlage des Ausgleichsanspruchs verliert, wenn sie sich auf begründeten Einwand des anderen Gesellschafters in einzelnen Punkten als ergänzungsbedürftig erweist. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 22.

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VI. Beendigung der Gesellschaft

Ein entscheidender Abrechnungsmangel liegt auch nicht darin, dass die Ge- 209 sellschafter über die Richtigkeit einzelner Positionen streiten. Die möglicherweise unberechtigte Einbeziehung führt nicht zur Unschlüssigkeit der Abrechnung. Vielmehr ist über die Richtigkeit streitiger Positionen der Auseinandersetzungsrechnung im Prozess zu entscheiden. Das Gericht hat die Positionen, die es für unberechtigt hält, abzuziehen. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 23.

Bei dieser vereinfachten Abwicklung macht der Gesellschafter einen eigenen 210 Anspruch geltend, keinen Anspruch der Gesellschaft, der auf Leistung an diese zu richten wäre. Da der Ausgleichsanspruch unter den genannten Voraussetzungen dem Ausgleichsberechtigten unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Mitgesellschafter zusteht, kann er ihn auch abtreten. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – II ZR 214/13, ZIP 2016, 216 Rn. 25.

dd) Geltendmachung im Verfahren Eine Klage der Gesellschaft im ordentlichen Verfahren, die unter Verken- 211 nung der Durchsetzungssperre auf Zahlung gerichtet ist, enthält ohne weiteres das Feststellungsbegehren, dass die entsprechende Forderung in die Auseinandersetzungsrechnung eingestellt wird; das gilt auch für Ansprüche gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter. Eines entsprechenden (ausdrücklichen) Hilfsantrags der klagenden Partei bedarf es nicht. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 25; BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 46; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 3/11, ZIP 2012, 2461 Rn. 36.

Bei einer Klage im Urkundenprozess ist ein solches Feststellungsbegehren 212 dagegen unstatthaft. Nach § 592 ZPO kann im Urkundenprozess (nur) ein Anspruch geltend gemacht werden, „welcher die Zahlung einer bestimmten Geldsumme“ zum Gegenstand hat. Zweck des Urkundenprozesses ist es, dem durch Urkunden legitimierten Gläubiger möglichst schnell einen vollstreckbaren (§ 708 Nr. 4 ZPO), wenn auch vielleicht nur vorläufigen Titel zu verschaffen. Aus diesem Grund ist die Erhebung einer Feststellungsklage im Urkundenprozess unstatthaft. Ein Feststellungsurteil führt nicht zur schnellen (vorläufigen) Befriedigung des Gläubigers; die Vollstreckung eines Feststellungstitels – mit Ausnahme des Kostenausspruchs – scheidet aus. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 3/11, ZIP 2012, 2461 Rn. 36 ff.

Dies gilt im selben Maße, wenn zu prüfen ist, ob ein zunächst klageweise gel- 213 tend gemachter Zahlungsantrag im Urkundenprozess ein Feststellungsbegehren dahingehend enthält, die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Forderung sei in eine Auseinandersetzungsrechnung der Parteien einzustellen. Dass die mit dem (falschen) Ziel auf Zahlung einer Geldforderung erhobene Klage zunächst als im Urkundenprozess statthaft bewertet wurde, führt

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

nicht dazu, dass ein solches Feststellungsbegehren, wenn es durch Auslegung dem Zahlungsantrag auch in diesem Fall zu entnehmen sein sollte, deshalb ebenfalls statthaft wäre. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 3/11, ZIP 2012, 2461 Rn. 39.

d) Verlustausgleichspflicht, § 735 BGB 214 § 735 BGB betrifft allein das Innenverhältnis und ist deshalb dispositiv. Die Ausgleichspflicht der Gesellschafter gem. § 426 Abs. 1 BGB bleibt davon unberührt. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 34.

215 Die mit der Vereinbarung einer (nur) quotalen Haftung im Außenverhältnis beabsichtigte Haftungsbeschränkung geht im Falle einer Anwendung des § 735 BGB nicht ins Leere, insbesondere ist die Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 BGB mit einer solchen Regelung nicht unvereinbar. Eine ausschließlich im Haftungsverhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft vereinbarte quotale Haftungsbeschränkung schützt den Gesellschafter auch in diesem Verhältnis nicht ohne weiteres davor, das Risiko einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit seiner Mitgesellschafter tragen zu müssen. Diese Gefahr wird vielmehr durch die Vereinbarung einer quotalen Haftungsbeschränkung nur dann zuverlässig vermieden, wenn mit dem Gesellschaftsgläubiger vereinbart ist, dass Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen die auf die ursprüngliche Verbindlichkeit bezogenen Haftungsbeträge der Gesellschafter verringern. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 272/09, ZIP 2012, 520 Rn. 19.

216 Etwas Anderes lässt sich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass die Gesellschafter andernfalls der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme durch die Gesellschaft und die Gesellschaftsgläubiger ausgesetzt wären. Es ist im gesetzlichen Haftungssystem der Personengesellschaften angelegt (§§ 730 ff. BGB, §§ 128 ff. HGB), dass die Gesellschafter auch während der Liquidation der Gesellschaft im Außenverhältnis von den Gesellschaftsgläubigern und im Innenverhältnis von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 272/09, ZIP 2012, 520 Rn. 20.

217 Erbringt ein Gesellschafter während der Liquidation der Gesellschaft im Außenverhältnis Zahlungen an Gesellschaftsgläubiger, führt dies zu einem gegen die Gesellschaft – und subsidiär gegen die einzelnen Mitgesellschafter – gerichteten Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 110 HGB, den der Gesellschafter grundsätzlich bei der Schlussabrechnung der wechselseitigen Ansprüche zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern geltend machen und daher, sofern er in der Schlussabrechnung noch nicht berücksichtigt ist, auch seiner Inanspruchnahme auf Nachschusszahlung nach § 735 BGB entgegenhalten kann, mit der Begründung, seine Verlustausgleichspflicht in Höhe

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VI. Beendigung der Gesellschaft

des auf der Grundlage der Schlussrechnung errechneten Betrages stehe nicht (mehr) fest. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 272/09, ZIP 2012, 520 Rn. 20; BGH, Urt. v. 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 42.

Im Übrigen siehe Rn. 180 ff. zur Fehlbetragshaftung gem. § 739 BGB.

218

e) Rechnungslegung Der an der Liquidation nicht beteiligte und auch sonst über den Vermögens- 219 stand der Gesellschaft nicht unterrichtete Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat gegen den die Abwicklung betreibenden Mitgesellschafter einen Anspruch auf Rechnungsabschluss, der den Anspruch auf Rechnungslegung in sich trägt. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 206/09, ZIP 2011, 1145 Rn. 15; BGH, Urt. v. 18.3.1965 – II ZR 179/63, WM 1965, 709; BGH, Urt. v. 14.7.1960 – II ZR 188/58, WM 1960, 1121.

f) Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern Nach der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens, auf die sich nach dem 220 Gesetz die Auseinandersetzung beschränkt (vgl. § § 730 Abs. 1 BGB: „in Ansehung des Gesellschaftsvermögens“), findet der interne schuldrechtliche Ausgleich zwischen den Gesellschaftern statt. Unter Aufgabe der abweichenden früheren Rechtsprechung wird nunmehr 221 auch für eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die keine Publikumsgesellschaft (dazu Rn. 501) ist, angenommen, dass der Liquidator auch ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung befugt ist, namens der Gesellschaft Nachschüsse zum Zweck des Ausgleichs unter den Gesellschaftern einzufordern. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19, ZIP 2020, 2260 Rn. 22 ff.

Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen 222 Rechts sind Ausgleichsansprüche der Gesellschafter nicht mehr als reine Ansprüche der Gesellschafter untereinander anzusehen, sondern als Sozialansprüche bzw. Sozialverbindlichkeiten der Gesellschaft. Gläubigerin des Anspruchs auf Nachschuss gem. § 735 BGB ist die Gesellschaft. Dieser Anspruch umfasst auch den Ausgleich eines durch die Rückerstattung von Einlagen entshehenden Fehlbetrags (§§ 733, 735 Satz 1 Fall 2 BGB). Solange der Gesellschaft noch ein Anspruch auf Nachschuss gem. § 735 BGB zusteht, ist ihre Vollbeendigung nicht eingetreten. Sie besteht als Rechtssubjekt fort und wird vorbehaltlich einer anderweitigen gesellschaftsvertraglichen Regelung durch ihre Liquidatoren vertreten. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19, ZIP 2020, 2260 Rn. 23.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

223 Eine Befugnis des Insolvenzverwalters zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern ist dagegen im Hinblick auf den Hauptzweck des Insolvenzverfahrens, vorrangig die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, – auch für die Insolvenz einer Publikumsgesellschaft (siehe Rn. 501) – zu verneinen. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021 Rn. 70 ff.

g) Ausscheiden von Gesellschaftern 224 In der Liquidation der Gesellschaft ist die Anfechtung der Beteiligung wegen Arglist durch einen Gesellschafter ebenso wie ihre außerordentliche Kündigung ausgeschlossen, da es bei Auflösung der Gesellschaft vor der Anfechtungs- bzw. Kündigungserklärung des Gesellschafters nicht mehr erforderlich ist, ihm das Ausscheiden auf diesem Wege zu gewähren, und das Interesse an einer reibungslosen und zügigen Liquidation ein gesondertes Ausscheiden eines einzelnen Gesellschafters während des Auseinandersetzungsverfahrens verbietet. BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 19; BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 55; BGH, Urt. v. 11.12.1978 – II ZR 41/78, WM 1979, 160.

VII. Freiberuflersozietäten 1. Kündigungsbeschränkung 225 In einem Rechtsanwalts-Sozietätsvertrag stellt der Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von 30 Jahren auch dann eine unzulässige Kündigungsbeschränkung i. S. d. § 723 Abs. 3 BGB dar, wenn sie Teil der Alterssicherung der Seniorpartner ist. § 723 Abs. 3 BGB kann auch bei überlangen Befristungen von Gesellschaftsverträgen eingreifen. Jedenfalls in Sozietätsverträgen von Rechtsanwälten führen übermäßige Befristungen aufgrund ihrer durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit dazu, dass die Gesellschaftsverträge wie unbefristete zu behandeln sind mit der Folge, dass der Ausschluss oder die Erschwerung der ordentlichen Kündigung unzulässig sind. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 7 f.

226 Die Frage, wo die Grenze zulässiger Zeitbestimmungen verläuft, lässt sich nicht generell abstrakt, sondern nur anhand des Einzelfalls unter Abwägung aller Umstände beantworten. Hierbei sind einerseits die schutzwürdigen Interessen des einzelnen Gesellschafters an einer absehbaren, einseitigen Lösungsmöglichkeit, andererseits die Struktur der Gesellschaft, die Art und das Ausmaß der für die Beteiligten aus dem Gesellschaftsvertrag folgenden Pflichten sowie das durch den Gesellschaftsvertrag begründete Interesse an einem möglichst langfristigen Bestand der Gesellschaft in den Blick zu nehmen.

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VII. Freiberuflersozietäten BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 13.

Wegen der Bedeutung der Ausstrahlungswirkungen der verfassungsrechtli- 227 chen Wertentscheidungen, sind die vertraglichen Regelungen nicht deshalb der Kontrolle am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG entzogen, weil der betroffene Gesellschafter ihnen zugestimmt hat. Eine vertragliche Regelung, die einem Rechtsanwalt nahezu für die gesamte Zeit seiner Berufstätigkeit die Möglichkeit nimmt, beruflich auf Veränderungen des Anwaltsmarkts zu reagieren und die damit gegebenen Chancen zu ergreifen, engt die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufsausübungsfreiheit unvertretbar ein. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 15 f.

Ein derartig einschneidender Eingriff in die Berufsfreiheit eines Rechtsan- 228 walts lässt sich auch dann nicht rechtfertigen, wenn er als Berufsanfänger als – quasi gestundete – Gegenleistung für den von Anbeginn gleichberechtigten Erwerb der Gesellschafterstellung in einer von den Altsozien durch die Einbringung ihrer bereits etablierten Kanzleien geprägten Rechtsanwaltsgesellschaft die Verpflichtung zur Altersversorgung der älteren Mitgesellschafter übernommen hat. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 18.

Den berechtigten Interessen der Altgesellschafter, durch die Altersversor- 229 gung die „Gegenleistung“ für die Übernahme von Sozietätsanteilen ohne sofortige Kaufpreiszahlung zu erhalten, kann auf andere, weniger einschneidende Weise als durch den Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts Rechnung getragen werden. Im Rahmen der finanziellen Auseinandersetzung zwischen dem ausgeschiedenen und den verbliebenen Gesellschaftern ist der Gegenwert der übernommenen Pensionsverpflichtungen wertmäßig in angemessenem Rahmen zu Lasten des ausscheidenden Rechtsanwalts zu berücksichtigen. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 18.

Die überlange Bindung an den Vertrag führt nur zur Unwirksamkeit der 230 Laufzeitklauseln, nicht zur (Gesamt-)Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages. An die Stelle der nach den genannten Maßstäben unzulässigen Kündigungsbeschränkung tritt das dispositive Recht, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrag deutlich wird, dass die Parteien übereinstimmend eine langanhaltende Bindung (Alterssicherung) gewollt und mit der Nichtigkeit aus § 723 Abs. 3 BGB bzw. der Behandlung der Gesellschaft als unbefristete entsprechend § 724 BGB nicht gerechnet haben. Dann ist der Vertrag anzupassen. Der Schutzzweck des § 723 Abs. 3 BGB steht dem nicht entgegen, weil er nur eine zeitlich unbegrenzte und deshalb unüberschaubare Bindung verhindern will. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 21.

Bei einer Alterssicherung kann die Abwägung einerseits des Grundrechts des 231 von der Kündigungsbeschränkung betroffenen Anwalts aus Art. 12 GG und

57

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

andererseits der berechtigten Interessen seiner Seniorpartner an ihrer mit dem Sozietätsvertrag bezweckten Alterssicherung ergeben, dass eine über 14 Jahre hinausgehende Bindung von den Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit der überlangen Befristung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht vereinbart worden wäre. Das ist vor allem berechtigt, wenn die bezweckte Vertragsparität dadurch erhalten werden kann, dass die nicht mehr zu leistenden Pensionszahlungen bei der Auseinandersetzung der Gesellschafter berücksichtigt werden können. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/04, ZIP 2006, 2316 Rn. 22.

232 Zu „Hinauskündigungsklauseln“ siehe Rn. 158 ff. 2. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 233 Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht gem. § 138 BGB sittenwidrig, wenn und soweit sie notwendig sind, um die Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit oder vor einem Missbrauch der Ausübung der Berufsfreiheit zu schützen; sie dürfen insbesondere nicht dazu eingesetzt werden, den früheren Mitgesellschafter als Wettbewerber auszuschalten. BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1779; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1338 f.

234 Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten Nur wenn eine solche Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet, im Übrigen aber unbedenklich ist, kommt eine geltungserhaltende Reduktion in Betracht; die Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen dagegen hat die Nichtigkeit des Verbots zur Folge. BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1779 f.; BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251, 2252; BGH, Urt. v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, ZIP 2000, 1337, 1339.

235 Ein Wettbewerbsverbot, das einem Rechtsanwalt jegliche Konkurrenztätigkeit für einen Zeitraum von fünf Jahren seit dem Ausscheiden aus der Sozietät für den Bereich eines Regierungsbezirks mit einer Einwohnerzahl von mehreren Millionen verbietet, geht nicht nur zeitlich weit über die zulässige Dauer von zwei Jahren hinaus, sondern auch in gegenständlicher und räumlicher Hinsicht. Die Überschreitung der räumlichen, gegenständlichen und zeitlichen Grenzen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann nicht mit dem Wunsch gerechtfertigt werden, den ausgeschlossenen Gesellschafter einer besonderen Sanktion zu unterwerfen. BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, ZIP 2005, 1778, 1779 f.

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VII. Freiberuflersozietäten

3. Auseinandersetzung Nach der Rechtsprechung ist die Teilung der Sachwerte und die rechtlich 236 nicht begrenzte Möglichkeit, um die bisherigen Mandanten zu werben, die sachlich nahe liegende und angemessene Art der Auseinandersetzung einer Freiberuflersozietät. Gehen die Gesellschafter in dieser Weise vor, ist damit der Geschäftswert abgegolten. Eine weitergehende Abfindung kann grundsätzlich nicht beansprucht werden und bedarf einer entsprechenden Vereinbarung. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – II ZR 74/14, ZIP 2016, 1627 Rn. 16; BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 24; BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZR 29/09, ZIP 2010, 1594 Rn. 2 f.

Die gleichberechtigte Möglichkeit für die Gesellschafter, um die Mandanten 237 der Sozietät zu werben, stellt sich nicht ausnahmsweise als unzureichend dar, wenn ein Wettbewerb um die bisher von den anderen Gesellschaftern betreuten Mandanten der Sozietät wegen ihrer starken Bindung an die Person des jeweiligen Beraters nicht Erfolg versprechend ist. Die Mandanten der Sozietät können grundsätzlich nicht gezwungen werden, ihre Geschäftsbeziehung mit der Gesellschaft oder bestimmten Gesellschaftern fortzuführen. Deshalb besteht auch dann kein zusätzlicher Ausgleichsanspruch, wenn es einem Gesellschafter nicht gelingt, die Mandanten der aufgelösten oder durch sein Ausscheiden beendeten Sozietät in einem seiner Beteiligung an der Gesellschaft entsprechenden Umfang für sich zu gewinnen und diese sich überwiegend für einen anderen Gesellschafter entscheiden. BGH, Beschl. v. 31.5.2010 – II ZR 29/09, ZIP 2010, 1594 Rn. 8; BGH, Urt. v. 6.12.1993 – II ZR 242/92, ZIP 1994, 378, 380.

Haben die Gesellschafter einer aus Rechtsanwälten und Steuerberatern be- 238 stehenden Sozietät mit zwei Kanzleiorten eine Auseinandersetzung vereinbart, die eine Abfindung des Ausscheidenden in Höhe des anteiligen Ertragswerts der Sozietät vorsieht, so liegt einer solchen Regelung typischerweise die Vorstellung zugrunde, dass die Mandanten der Gesellschaft (im Wesentlichen) erhalten bleiben und nicht von dem Ausscheidenden mitgenommen werden sollen. Hiervon ausgehend liegt es fern, dem Ausscheidenden neben den tatsächlich weitergeführten Mandaten auch diejenigen anzurechnen, die er hätte weiterführen können. Der Umstand, dass die ausscheidenden Gesellschafter als Rechtsanwälte und wegen der räumlichen Entfernung der beiden Kanzleistandorte die Steuerberatungsmandate nicht ohne weiteres übernehmen konnten, steht dem nicht entgegen. Denn es besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Sozietät auf eine Weiterführung der Steuerberatungsmandate personell und organisatorisch einzurichten. BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 24.

Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Sozietät von Freiberuflern einen am Pra- 239 xiswert ausgerichteten Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschaf59

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

ters vor, ohne eine Regelung über die Mitnahme von Mandaten zu treffen, so führt eine ergänzende Vertragsauslegung in der Regel zu dem Ergebnis, dass sich der Ausscheidende den Wert mitgenommener Mandate mindernd anrechnen lassen muss. BGH, Urt. v. 17.5.2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 22.

4. Altersversorgung 240 Wird eine in einem Sozietätsvertrag zugunsten altersbedingt ausscheidender Partner vorgesehene, an den Jahresgewinn der aktiven Sozietät anknüpfende Versorgungsregelung undurchführbar, weil die aktiven Partner die Praxis veräußert haben, kann im Rahmen der erforderlichen beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung den in der Vergangenheit ausgeschiedenen Partnern unter Umständen ein Anspruch auf Abfindung nach dem Wert ihrer Beteiligung zum Zeitpunkt des Ausscheidens zuzuerkennen sein. BGH, Urt. v. 17.5.2004 – II ZR 261/01, ZIP 2004, 1264, 1266.

241 Vgl. ferner zur Altersversorgung Rn. 228 f. 5. Haftung wegen berufshaftungsrechtlicher Verbindlichkeiten 242 Im Falle eines mit einer Sozietät geschlossenen Beratungsvertrags haften die Sozien für den gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch wegen Schlechterfüllung in entsprechender Anwendung des § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich. Die persönliche Haftung erstreckt sich dabei auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten. BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 = ZIP 2012, 1413 Rn. 69.

243 Da die Sozietät selbst Partei eines Anwaltsvertrags sein kann, und zwar auch dann, wenn dieser neben Rechtsanwälten auch Sozien anderer Berufsgruppen angehören, ist die auf der früheren Doppelverpflichtungslehre beruhende Beschränkung der Haftung auf diejenigen Sozien, die in eigener Person berufsrechtlich zur Bearbeitung des Mandats befugt sind, überholt. Wird ein Anwaltsvertrag mit einer Sozietät geschlossen, der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater angehören, so haften für einen Regressanspruch wegen Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten daher auch diejenigen Sozien persönlich, die selbst nicht Rechtsanwälte sind. BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 = ZIP 2012, 1413 Rn. 71.

244 Die Regelung des § 8 Abs. 2 PartGG kann auf Sozietäten in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts übertragen werden. Eine solche Analogie setzte nicht nur die auf der Grundlage der Doppelverpflichtungslehre vorgenommene Beschränkung der Haftung auf die anwaltlichen Sozien fort, sondern führte weiter gehend – entgegen der Regelung des § 52 Abs. 2 Satz 1

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VIII. Innengesellschaft

BRAO (früher § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO) – eine Haftungskonzentration auf die mit dem Mandat befassten Sozien auch insoweit ein, als diese Rechtsanwälte sind. Ein solcher Analogieschluss ist zudem wegen des Fehlens einer Regelungslücke unzulässig, weil die Haftungskonzentration im Falle der Partnerschaftsgesellschaft gesetzlich gerade nur für diese Rechtsform geschaffen worden ist und zudem im Gegenzug für dieses Haftungsprivileg die Publizität der Gesellschaftsverhältnisse gem. § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 PartGG verlangt wird. BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 = ZIP 2012, 1413 Rn. 74.

6. Haftung bei Eintritt von Sozien Der Grundsatz, dass der in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretende 245 Gesellschafter analog § 130 HGB für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet (siehe Rn. 118), gilt auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, in denen sich Angehörige freier Berufe zu gemeinsamer Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Ob für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen dieser Gesellschaften eine Ausnahme zu machen ist, bleibt offen, da sie, wie die Bestimmung des § 8 Abs. 2 PartGG zeigt, eine Sonderstellung einnehmen. BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 = ZIP 2003, 899, 900, 901 f.

Schließt sich ein Rechtsanwalt mit einem bisher als Einzelanwalt tätigen an- 246 deren Rechtsanwalt zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen, so haftet er nicht entsprechend § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 128 Satz 1 HGB für die im Betrieb des bisherigen Einzelanwalts begründeten Verbindlichkeiten. BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 65/01, BGHZ 157, 361 = ZIP 2004, 458, 459 ff.

Bringt ein Rechtsanwalt seine Einzelkanzlei in eine Gesellschaft bürgerlichen 247 Rechts ein, haftet die Gesellschaft auch dann nicht für eine im Betrieb des bisherigen Einzelanwalts begründete Verbindlichkeit, wenn dieser im Rechtsverkehr den Anschein einer Sozietät gesetzt hatte. BGH, Urt. v. 17.11.2011 – IX ZR 161/09, ZIP 2012, 28 Rn. 18 ff.

VIII. Innengesellschaft 1. Begriff Eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts liegt nur vor, wenn zwischen den 248 Beteiligten ein Gesellschaftsvertrag geschlossen worden ist, der jedenfalls die Einigkeit darüber enthält, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen und diesen durch vermögenswerte Leistungen zu fördern.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts BGH, Beschl. v. 19.11.2019 – II ZR 263/18, WM 2020, 458 Rn. 14; BGH, Beschl. v. 20.10.2008 – II ZR 207/07, JR 2010, 33 Rn. 5; BGH, Urt. v. 12.11.2007 – II ZR 183/06, ZIP 2008, 24 Rn. 10.

249 Die typischen Merkmale einer Innengesellschaft sind die mangelnde Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr, der Verzicht auf die Bildung von Gesamthandsvermögen und das Fehlen einer Vertretungsregelung für die Gesellschaft. Die Geschäfte der Innengesellschaft werden durch den Außengesellschafter im eigenen Namen, wenn auch im Innenverhältnis für Rechnung der Gesellschaft geführt BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 11; BGH, Urt. v. 26.6.2018 – II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 20.

2. Geschäftsführung 250 Im Innenverhältnis einer Innengesellschaft bleiben die Vorschriften der §§ 709 bis 713 BGB über die Geschäftsführung anwendbar. Aus dem Wesen der Innengesellschaft ergibt sich keine alleinige Geschäftsführungsbefugnis des Außengesellschafters. Aus dem Umstand, dass er die Geschäfte der Innengesellschaft im eigenen Namen führt, lässt sich nicht ableiten, der Außengesellschafter sei im Innenverhältnis allein geschäftsführungsbefugt, weil die Innengesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen seien. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 19 f.

251 Die vertragliche Beschränkung des Außenhandelns auf den Außengesellschafter hat nicht notwendig oder im Regelfall den Ausschluss der Mitgesellschafter von der Geschäftsführung zur Folge. Diesen steht grundsätzlich das Zustimmungsrecht des § 709 Abs. 1 BGB zu. Es besteht auch keine Notwendigkeit für eine generelle Entmachtung der Innengesellschafter, weil die Gesellschafter die Geschäftsführung generell oder für einzelne Geschäfte auf den Außengesellschafter übertragen können und dies auch konkludent geschehen kann. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 20.

252 Soweit der Außengesellschafter seine Geschäftsführungsbefugnis überschreitet, führt dies nicht dazu, dass das Geschäft nicht mehr der Innengesellschaft, sondern dem Außengesellschafter persönlich zuzurechnen ist. Der Außengesellschafter führt die Geschäfte im eigenen Namen. Er wird unabhängig davon verpflichtet, ob er die ihm im Innenverhältnis zukommende Geschäftsführungsbefugnis überschreitet. Da der Außengesellschafter die Geschäfte der Innengesellschaft im Innenverhältnis für Rechnung der Gesellschaft führt, sind die durch solche im Außenverhältnis ihn verpflichtenden, im Innenverhältnis aber für Rechnung der Gesellschaft geführten Geschäfte entstanden Kosten der Innengesellschaft zuzurechnen. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 25.

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VIII. Innengesellschaft

Überschreitet der Außengesellschafter einer Innengesellschaft seine Ge- 253 schäftsführungsbefugnis, liegt darin aber ein Pflichtverstoß, der bei Vorliegen eines am Maßstab des § 708 BGB orientierten Verschuldens einen Schadensersatzanspruch begründet. Der Außengesellschafter kann demgegenüber darlegen und ggf. beweisen, dass durch den Pflichtverstoß kein Schaden an den im Außenverhältnis von ihm in seinem Namen geführten Geschäften der Innengesellschaft eingetreten ist. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 26.

Ist nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch begründet, kann 254 der auf der Basis einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung in Anspruch genommene Mitgesellschafter den Schadensersatzanspruch mit der gegen ihn geltend gemachten Ausgleichsforderung verrechnen. Der zum Schadensersatz verpflichtete Ausgleichsberechtigte hätte dann den von ihm zu vertretenden Verlust im Verhältnis zu dem im Innenverhältnis gemeinschaftlich betriebenen Geschäft allein zu tragen, während andere Verluste die Gesellschafter nach dem maßgeblichen Verlustverteilungsschlüssel träfen. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 26.

3. Beendigung der Innengesellschaft Da bei der Innengesellschaft kein gesamthänderisch gebundenes Gesellschafts- 255 vermögen vorhanden ist, kommt nach ihrer Auflösung eine Liquidation nicht in Betracht. Die Gesellschaft ist mit ihrer Auflösung vielmehr zugleich vollbeendet. Außengesellschafter und Innengesellschafter stehen sich nunmehr als Gläubiger und Schuldner eines schuldrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs gegenüber, bei dem die Einzelansprüche der Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis grundsätzlich unselbständige Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung sind und daher nicht mehr selbständig geltend gemacht werden können. Stichtag für die zu erstellende Abschlussrechnung ist der Tag der Vollbeendigung der Gesellschaft. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 13; BGH, Urt. v. 8.12.2015 – II ZR 333/14, ZIP 2016, 523 Rn. 9.

Von einigen Ausnahmen abgesehen gelten die gesetzlichen Bestimmungen 256 über die Auseinandersetzung einer Gesellschaft (§§ 730 bis 735 BGB), sofern sie nicht abbedungen wurden, auch für eine Innengesellschaft. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 16.

Zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens bedarf es bei der 257 Innengesellschaft, die von vornherein kein liquidierbares Gesellschaftsvermögen hat, keiner von den Gesellschaftern festgestellten Auseinandersetzungsbilanz. Der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben beansprucht, kann dieses auf Grund einer vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen. Streitpunkte über die Richtigkeit der Schlussrechnung sind in diesem Pro63

A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

zess zu entscheiden. Ein Direktanspruch kommt erst Recht in Frage, wenn der Zweck der Innengesellschaft auf ein Projekt begrenzt ist. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 14.

258 Bei der vereinfachten Auseinandersetzungsrechnung handelt es sich der Sache nach um die Geltendmachung des auf § 735 BGB gestützten Nachschussanspruchs. Anstatt zunächst gegen die Gesellschaft vorzugehen, die dann wiederum den Anspruch nach § 735 BGB im benötigten Umfang gegen die ausgleichspflichtigen Gesellschafter verfolgen muss, geht der Ausgleichsberechtigte unmittelbar gegen den Ausgleichspflichtigen vor. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 161/17, ZIP 2018, 2267 Rn. 16; BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 28.

IX. Verfahrensrecht 1. Gerichtliche Vertretung 259 Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird gerichtlich durch alle Gesellschafter vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält. Die Gesellschafter können einen Vertretungsmangel durch Eintritt in den Prozess als gesetzliche Vertreter und Genehmigung der bisherigen Prozessführung heilen. BGH, Urt. v. 19.7.2010 – II ZR 56/09, ZIP 2010, 1639 Rn. 6, 8.

2. Umfang der Rechtskraft und Vollstreckung 260 Nimmt ein Dritter in einem Rechtsstreit die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus ihrer persönlichen Haftung für eine Gesellschaftsschuld in Anspruch, entfaltet die Rechtskraft eines in diesem Prozess ergangenen Urteils keine Wirkung in einem weiteren Prozess, in dem er nunmehr den Anspruch gegen die Gesellschaft verfolgt. Dies gilt auch dann, wenn alle Gesellschafter am Vorprozess beteiligt waren. Nach § 325 ZPO wirkt die Rechtskraft eines Urteils grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits, in dem das Urteil ergangen ist. Richtet sich eine Klage ausschließlich gegen die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sind nur diese und nicht auch die Gesellschaft am Verfahren beteiligt. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 6 f.

261 Allerdings kann sich die Rechtskraft eines Urteils ausnahmsweise auch auf einen nicht am Verfahren beteiligten Dritten erstrecken. Eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Dritter an ein ohne seine Mitwirkung zustande gekommenes gerichtliches Erkenntnis grundsätzlich nicht gebunden sein soll, kommt nur in Betracht, wenn dies im Einzelfall vom Gesetz ausdrücklich angeordnet oder zumindest nach dem Sinn einer Gesetzesvorschrift geboten ist. Weder § 129 Abs. 1 HGB noch § 736 ZPO kann entnom-

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IX. Verfahrensrecht

men werden, dass ein in einem Rechtsstreit mit einem Dritten gegen sämtliche Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangenes Urteil über deren persönliche Haftung für eine Gesellschaftsschuld für und gegen die nicht am Prozess beteiligte Gesellschaft Wirkung entfaltet, wenn der Anspruch nunmehr gegen die Gesellschaft verfolgt wird. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 8.

Die sinngemäß für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltende Vorschrift 262 des § 129 Abs. 1 HGB befasst sich nicht mit der Frage, ob ein rechtskräftiges Urteil gegen alle Gesellschafter Wirkung für und gegen die Gesellschaft entfaltet. Vielmehr regelt sie umgekehrt Inhalt und Umfang der Bindungswirkung eines gegen die Gesellschaft ergangenen rechtskräftigen Urteils für und gegen die Gesellschafter. § 129 Abs. 1 HGB ist Ausdruck und Folge der in § 128 Abs. 1 HGB geregelten akzessorischen Haftung der Gesellschafter für die Schuld der Gesellschaft. Die Gesellschaft haftet aber für die Schuld der Gesellschafter nicht akzessorisch. Aus diesem Grund bedarf es einer § 129 Abs. 1 HGB entsprechenden, die Bindungswirkung eines gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils gegenüber der Gesellschaft regelnden Bestimmung nicht. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 9.

Die Rechtskraftwirkung eines Urteils gegen alle Gesellschafter einer Gesell- 263 schaft bürgerlichen Rechts für und gegen die Gesellschaft lässt sich auch nicht auf § 736 ZPO stützen. § 736 ZPO bestimmt nur, dass zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass – anders als bei der offenen Handelsgesellschaft (§ 124 Abs. 2 HGB) – zur Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen nicht zwingend ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich ist, sondern auch mit einem Titel gegen alle einzelnen Gesellschafter, der im Hinblick auf ihre persönliche Mithaftung ergangen ist, in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 10 f.

Mit der Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft unter Berufung 264 auf § 736 ZPO aus dem gegen die einzelnen Gesellschafter ergangenen Titel wird zwar der Grundsatz durchbrochen, dass die Vollstreckung in das Vermögen eines eigenständigen Rechtssubjekts grundsätzlich einen Titel voraussetzt, dessen Gegenstand eine nach materiellem Recht bestehende Verpflichtung dieses Schuldners ist und ein Titel nur die Vollstreckung in das Vermögen des im Titel bezeichneten Schuldners eröffnen kann. Dies ist aber hinnehmbar, wenn Gegenstand der titulierten Verpflichtung eine Verbindlichkeit der Gesellschaft ist, für die die in Anspruch genommenen Gesellschafter haften, und alle Gesellschafter dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 12.

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A. Gesellschaft bürgerlichen Rechts

265 Für eine Erstreckung der Rechtskraft auf die Gesellschaft besteht nicht deshalb ein unabweisbares Bedürfnis, weil ein Gläubiger wegen des gestörten Gleichlaufs zwischen materieller Rechtskraft und Vollstreckbarkeit zum einen aus dem gegen alle Gesellschafter ergangenen stattgebenden Urteil in das Gesellschaftsvermögen vollstrecken kann und ein zweites Mal aus einem ihm günstigen Urteil gegen die Gesellschaft. Die Interessen der Gesellschaft werden nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn wegen derselben Gesellschaftsschuld unterschiedliche Titel ergehen können. Der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Gesellschaftsvermögens kann ohne weiteres dadurch begegnet werden, dass die Gesellschaft den Erfüllungseinwand in dem gegen sie geführten Prozess erhebt oder mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend macht. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 13.

266 Dass das Bestehen der Verbindlichkeit der Gesellschaft im Gesellschaftsund Gesellschafterprozess möglicherweise unterschiedlich beurteilt wird, ist – ebenso wie bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft – hinzunehmen, wenn in getrennten Prozessen zuerst die Gesellschafter und dann die Gesellschaft verklagt werden. Als Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Rechtskraft eines Urteils nur zwischen den Parteien des rechtskräftig entschiedenen Prozesses wirkt, ist lediglich anerkannt, dass ein im Gesellschafterprozess ergangenes Urteil jedenfalls für die Gesellschaft bindend ist, wenn über die Grundlagen der Gesellschaft entschieden wurde. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 249/09, ZIP 2011, 1143 Rn. 15 f.

267 Richtet sich ein Vollstreckungstitel gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vollstreckungsschuldnerin, steht die Befugnis zur Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage der Gesellschaft zu, nicht ihren Gesellschaftern. Die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO ist von „dem Schuldner“ zu erheben. Das ist derjenige, gegen den sich die Zwangsvollstreckung richtet, der also in dem vollstreckbaren Titel oder in der gegen den Rechtsnachfolger erteilten Vollstreckungsklausel als Schuldner aufgeführt ist. BGH, Urt. v. 3.11.2015 – II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 22.

268 Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann ein Aktivprozess der Gesellschaft nicht mehr von den Gesellschaftern „als Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ geführt werden. Vielmehr ist in derartigen Rechtstreitigkeiten grundsätzlich nur die rechtsfähige Gesellschaft die richtige Partei, sofern nicht besondere Voraussetzungen vorliegen, unter denen Gesellschafter Ansprüche der Gesellschaft – etwa im Wege der actio pro socio oder anderweitig als Prozessstandschafter – gerichtlich geltend machen können. BGH, Urt. v. 3.11.2015 – II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 28.

269 Bei einer von allen Gesellschaftern erhobenen Klage kann ggf. die Möglichkeit einer einfachen Rubrumsberichtigung in Betracht zu ziehen sein, wenn 66

IX. Verfahrensrecht

die Auslegung der Klage ergibt, dass sie von der Gesellschaft erhoben worden ist und die Benennung der Gesellschafter (nur) der Bezeichnung der Gesellschaft dienen soll. Die (stillschweigende) Geltendmachung von Einwendungen der Gesellschaft durch die Gesellschafter in gewillkürter Prozessstandschaft ist bei einer Vollstreckungsabwehrklage grundsätzlich nicht statthaft. BGH, Urt. v. 3.11.2015 – II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 29.

Auch die akzessorische Gesellschafterhaftung entsprechend den §§ 128, 129 270 HGB bietet keine tragfähige Begründung dafür, den Gesellschaftern die Prozessführungsbefugnis für eine von der Gesellschaft als Vollstreckungsschuldnerin zu erhebende Vollstreckungsgegenklage zuzubilligen. Dies folgt schon daraus, dass aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten Schuldtitel nicht gegen die Gesellschafter vollstreckt werden kann (§ 129 Abs. 4 HGB) und dass den Gesellschaftern unbeschadet der aus § 129 Abs. 1 HGB folgenden Rechtskraftwirkungen eines gegen die Gesellschaft ergangenen Urteils die von der Gesellschaft abgeleiteten Einwendungen erhalten bleiben, mit denen die Gesellschaft nicht ihrerseits präkludiert ist (§ 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO) und auf die sie somit eine Vollstreckungsabwehrklage allein stützen könnte. BGH, Urt. v. 3.11.2015 – II ZR 446/13, ZIP 2016, 211 Rn. 34.

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B. Personenhandelsgesellschaften I. Offene Handelsgesellschaft 1. Tätigwerden vor Eintragung Eine offene Handelsgesellschaft wird gem. § 123 Abs. 2 HGB bereits vor der 271 Eintragung in das Handelsregister wirksam, wenn die Gesellschafter einem Dritten gegenüber eine den vereinbarten Geschäftsbetrieb vorbereitende Handlung vornehmen, sofern der Gesellschaftszweck auf den Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes gerichtet ist und ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Unternehmen eine entsprechende Ausgestaltung und Einrichtung in Kürze erfahren wird. Bereits die Eröffnung eines Bankkontos kann dafür ausreichen. Ebenso können Verhandlungen über den Kauf eines Betriebsgrundstücks oder die Vorbereitung des notariellen Abschlusses des Grundstückskaufvertrages genügen. BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, ZIP 2004, 1208, 1209.

Ob die Rechtsfolge des § 123 Abs. 2 HGB nur dann eintritt, wenn alle Ge- 272 sellschafter dem Geschäftsbetrieb zustimmen, bleibt offen. BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, ZIP 2004, 1208, 1209.

2. Eintragungen in das Handelsregister Wird eine von sämtlichen Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft 273 vorgenommene Anmeldung (§§ 106 ff. HGB) zurückgewiesen, sind die zur Anmeldung berufenen Gesellschafter und nicht die Gesellschaft selbst beschwert und gem. § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt. BGH, Beschl. v. 21.7.2020 – II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 23, 30.

Eintragungen in das Handelsregister wie die Bestellung von Fremdgeschäfts- 274 führern und deren Vertretungsmacht sind nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch. BGH, Beschl. v. 21.7.2020 – II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 29; BGH, Urt. v. 14.5.2019 – II ZR 299/17, BGHZ 222, 32 = ZIP 2019, 1374 Rn. 34; BGH, Urt. v. 17.2.2003 – II ZR 340/01, ZIP 2003, 666, 667.

3. Wettbewerbsverbot Die für Ansprüche aus Wettbewerbsverstößen geltende kurze Verjährungs- 275 frist des § 113 Abs. 3 HGB kommen einem Gesellschafter nicht zugute, der zwar mit der Führung bestimmter Geschäfte zugleich auch gegen das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB verstoßen hat, dessen gesellschaftswidriges Verhalten aber darüber hinausgeht und insbesondere darin besteht, dass er für Rechnung der Gesellschaft abzuwickelnde Geschäfte unter Verletzung

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B. Personenhandelsgesellschaften

seiner Geschäftsführungs- und allgemeinen Gesellschafterpflichten auf sich übergeleitet hat. BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, ZIP 2013, 361 Rn. 35; BGH, Urt. v. 22.6.1972 – II ZR 67/70, WM 1972, 1229, 1230; BGH, Urt. v. 11.1.1971 – II ZR 143/68, WM 1971, 412, 414.

4. Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters a) Beginn der Nachhaftungsfrist 276 Seit der konzeptionellen Neuregelung des Enthaftungsrechts der Personengesellschaften durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz vom 18.3.1994 (BGBl I 1994, 560 ff.) und der damit bezweckten Einheitlichkeit der Haftungsbegrenzung im Personengesellschaftsrecht (BT-Drucks. 12/1868, S. 2) wird der Beginn der Enthaftungsfrist des § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB über den Wortlaut der Vorschrift hinaus, wonach sie mit dem Ende des Tages beginnt, an dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Handelsregister des für den Sitz der Gesellschaft zuständigen Gerichts eingetragen wird, wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 Abs. 1 HGB) auch mit der – durch die Kundgabe seitens des Gesellschafters erlangten – positiven Kenntnis des jeweiligen Gläubigers von dem Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft angenommen. BGH, Urt. v. 24.9.2007 – II ZR 284/05, BGHZ 174, 7 = ZIP 2007, 2262 Rn. 16 ff.

277 Zur Begründung wird angeführt, die gegenteilige Auffassung führte zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Besserstellung der Gesellschaftsgläubiger einer offenen Handelsgesellschaft im Verhältnis zu den Gläubigern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der man insoweit – anders als bei einer Personenhandelsgesellschaft – nicht an die Publizität durch Registereintragung des Ausscheidens anknüpfen könne. Außerdem solle die für die offene Handelsgesellschaft getroffene besondere Regelung des § 160 Abs. 1 Satz 2 HGB ihrem Sinn nach den Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft nur der Notwendigkeit entheben, alle Gläubiger einzeln in Kenntnis zu setzen. BGH, Urt. v. 24.9.2007 – II ZR 284/05, BGHZ 174, 7 = ZIP 2007, 2262 Rn. 16 ff.

b) Nachhaftung bei Dauerschuldverhältnissen 278 Siehe Rn. 120. 5. Vorwegnahme einer für den Todesfall getroffenen Nachfolgeregelung 279 Der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft kann aufgrund seiner gesellschafterlichen Treuepflicht gehalten sein, der von einem Mitgesellschafter aus Alters- oder Krankheitsgründen gewünschten Vorwegnahme einer im

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II. Kommanditgesellschaft

Gesellschaftsvertrag für den Fall seines Todes getroffenen Nachfolgeregelung zuzustimmen, wenn die Vorsorge für die Zukunft des Gesellschaftsunternehmens dies erfordert. BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 350/02, ZIP 2005, 25 f.; BGH, Urt. v. 20.10.1986 – II ZR 86/85, ZIP 1987, 166.

II. Kommanditgesellschaft 1. Errichtung der KG Anmeldungen nach § 108 Satz 1 HGB sind bei einer Kommanditgesellschaft 280 nicht nur von vertretungsberechtigten Gesellschaftern, sondern auch von den regelmäßig nicht vertretungsberechtigten Kommanditisten vorzunehmen (vgl. § 170 HGB). Die Anmeldungen nach § 108 Satz 1 HGB sind von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken. Unerheblich ist, ob die Gesellschafter geschäftsführungs- oder vertretungsberechtigt sind oder nicht. BGH, Beschl. v. 21.7.2020 – II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 30.

Ist Kommanditistin einer Kommanditgesellschaft eine (Außen-)Gesellschaft 281 bürgerlichen Rechts, so sind neben der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als solcher auch die ihr zum Zeitpunkt ihres Beitritts zu der Kommanditgesellschaft angehörenden Gesellschafter mit Namen, Geburtstag und Wohnort (entspr. § 106 Abs. 2 HGB) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Entsprechendes gilt für jeden späteren Wechsel in der Zusammensetzung der Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Fähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, als Kommanditistin in eine Kommanditgesellschaft einzutreten, stehen spezielle rechtliche Gesichtspunkte nicht entgegen. Insbesondere ist die fehlende Registerpublizität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts kein entscheidender Hinderungsgrund für die Annahme ihrer Fähigkeit, die Stellung einer Kommanditistin einzunehmen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Bestimmungen in § 162 Abs. 3, 1 i. V. m. § 106 Abs. 2 HGB zur Publizität der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft. BGH, Beschl. v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291 = ZIP 2001, 1713 f.

2. Beschlussfassung a) Einberufung der Gesellschafterversammlung Bei der Kommanditgesellschaft führt die Einberufung der Gesellschafterver- 282 sammlung durch einen Unbefugten zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Der Einberufungsbefugnis entspricht bei der schriftlichen Abstimmung die Befugnis zur Einleitung des Abstimmungsverfahrens. BGH, Urt. v. 25.10.2016 – II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 30; BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 12.

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B. Personenhandelsgesellschaften

b) Schriftliche Abstimmung 283 Bei einer schriftlichen Abstimmung ist ein Beschluss grundsätzlich erst gefasst, wenn er festgestellt und den Gesellschaftern mitgeteilt ist. Die Beschlussfeststellung besteht darin, dass der Abstimmungsleiter das Ergebnis der Abstimmung feststellt und verlautbart. BGH, Urt. v. 25.10.2016 – II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 19.

c) Gruppenvertretung der Kommanditisten 284 Das Rechtsverhältnis zwischen den durch einen Gruppenvertreter vertretenen Gesellschaftern richtet sich nach den Regeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die mangels gegenteiliger vertraglicher Regelung grundsätzlich Einstimmigkeit bei Beschlüssen voraussetzen (§ 709 BGB). BGH, Urt. v. 4.10.2004 – II ZR 356/02, ZIP 2004, 2282, 2284.

d) Anfechtung von Ausschließungsbeschlüssen 285 Für die Klagen von Kommanditisten auf Feststellung der Nichtigkeit der Ausschließung anderer Kommanditisten fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Jeder Kommanditist kann grundsätzlich nur die Unwirksamkeit seiner eigenen Ausschließung aus der Gesellschaft im Klageweg geltend machen, während er von den Ausschließungen anderer Kommanditisten nicht selbst unmittelbar rechtlich betroffen ist. Dass bei Bestehenbleiben der Ausschließung der anderen Kommanditisten ihre eigenen Kommanditanteile um die dann von der Gesellschaft geschuldeten Abfindungsbeträge wertmäßig gemindert werden, betrifft lediglich die wirtschaftliche Interessenlage und führt daher nicht zu einer Bejahung des Feststellungsinteresses i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO. BGH, Urt. v. 17.7.2006 – II ZR 242/04, ZIP 2006, 1579 Rn. 16.

286 Wenn die anderen Kommanditisten nicht ihrerseits im Klagewege gegen die jeweils sie betreffenden Ausschließungsbeschlüsse innerhalb der Klagefrist vorgegangen sind, so ist dieses auf freier Willensentschließung jener (ehemaligen) Mitgesellschafter beruhende Verhalten, das deren Recht auf Abfindung begründet, ebenso hinzunehmen wie ein etwaiges sonstiges freiwilliges, mit derselben Konsequenz verbundenes Ausscheiden solcher Kommanditisten aus der Gesellschaft. BGH, Urt. v. 17.7.2006 – II ZR 242/04, ZIP 2006, 1579 Rn. 16.

3. Einlage des Kommanditisten a) Erhöhung der Pflichteinlage durch Mehrheitsbeschluss 287 Im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann vereinbart werden, dass die Erhöhung von Pflichteinlagen mit einer Mehrheit von 90 % be-

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II. Kommanditgesellschaft

schlossen werden kann. Der Erhöhungsbeschluss kann mit der Bedingung versehen werden, die Pflichteinlagen nur einzufordern, wenn in den Verhandlungen mit der finanzierenden Bank bestimmte Ziele erreicht werden. Beschlüsse können mit einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung verknüpft werden (§ 158 BGB), solange keine schutzwürdigen Interessen der Beteiligten oder Dritter berührt sind. Die Erhöhung der Pflichteinlage berührt Interessen Dritter nicht unmittelbar. Der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern ist die mit dem Schwebezustand verbundene Ungewissheit zuzumuten. Besondere Unsicherheitsfaktoren entstehen nicht allein deshalb, weil die Frage, ob die Bedingung eingetreten ist oder nicht, kontrovers beurteilt werden könnte. Die Wirksamkeit eines unbedingten Erhöhungsbeschlusses kann ebenfalls rechtlichen Zweifeln unterliegen. BGH, Urt. v. 25.5.2009 – II ZR 259/07, ZIP 2009, 1373 Rn. 14 f.

b) Wirkung der Einlageleistung Der Kommanditist ist im Innenverhältnis zur Kommanditgesellschaft ver- 288 pflichtet, die vereinbarte Einlage zu erbringen. Im Außenverhältnis haftet er den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar (§ 171 Abs. 1 Halbs. 1 HGB). Erbringt der Kommanditist seine Einlage, erlischt im Innenverhältnis seine Einlageverpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Seine Haftung im Außenverhältnis entfällt gem. § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB, wenn er einen der eingetragenen Haftsumme entsprechenden Wert in das Gesellschaftsvermögen geleistet und ihn auch dort belassen hat. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 11.

c) Gewinnunabhängige Ausschüttungen und Rückzahlung der Einlage Es ist allgemein anerkannt, dass über die Regelung des § 169 Abs. 1 HGB hin- 289 aus Ausschüttungen an die Kommanditisten zulässig sind, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht oder die Ausschüttung durch das Einverständnis aller Gesellschafter gedeckt ist. Solche Ausschüttungen können in der Weise vereinbart werden, dass sie auch insoweit zu gewähren und zu belassen sind, als sie nicht durch Gewinne gedeckt sind, also letztlich in Form einer festen Kapitalverzinsung oder garantierten Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals gehen. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 9.

Es gibt bei der Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden 290 Kapitalerhaltungsgrundsatz. Die Gesellschafter können daher ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis insoweit untereinander und zur Gesellschaft weitgehend frei gestalten. Das schließt die Entscheidung darüber ein, ob und wie erbrachte Einlagen zurückgewährt werden. Auch die Auslegungsregel in § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 706 Abs. 2 Satz 1 BGB, nach der beizutragende vertretbare und verbrauchbare Sachen im Zweifel in das Eigentum

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B. Personenhandelsgesellschaften

der Gesellschaft zu übertragen sind, rechtfertigt nicht die Annahme, dass im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehene Kapitalrückzahlungen der Gesellschaft im Zweifel wieder zuzuführen sind. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 12.

291 Wird eine Auszahlung an den Kommanditisten entgegen § 169 Abs. 1 HGB auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag geleistet, führt dies selbst dann nicht zu einer Rückzahlungspflicht, wenn die Auszahlung dessen Kapitalanteil unter die bedungene Einlage herabmindert oder eine bereits bestehende Belastung vertieft. Zwar gilt die Einlage, wenn sie dem Kommanditisten ganz oder teilweise zurückbezahlt wird, gem. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber insoweit als nicht geleistet, d. h. die Außenhaftung entsteht wieder; dasselbe gilt nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB. Die in § 172 Abs. 4 HGB beschriebene Wirkung tritt aber nur gegenüber den Gläubigern ein, d. h. das Innenverhältnis zur Gesellschaft ist davon nicht berührt. Ein Rückgewähranspruch der Gesellschaft entsteht bei einer Rückzahlung der Einlage somit nicht automatisch, sondern kann sich nur aus anderen Rechtsgründen ergeben, insbesondere aus einer entsprechenden vertraglichen Abrede. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 281 Rn. 10 f.

292 Eine Rückgewähr der Einlage kann auch dann anzunehmen sein, wenn der Gesellschafter die betreffende Leistung, namentlich eine gewinnunabhängige Ausschüttung, aufgrund einer besonderen – von seinem Ausscheiden oder einer Auseinandersetzung der Gesellschaft unabhängigen – gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung beanspruchen kann. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 26.

293 Ansprüche der Gesellschafter, die auf die Rückzahlung der Einlage gerichtet sind, betreffen das Eigenkapital der Gesellschaft und fallen deshalb nicht unter § 38 InsO. Sie sind auch keine (grundsätzlich) nachrangigen Insolvenzforderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, da die Einlagen dem Eigenkapital der Gesellschaft zugewiesen sind und damit von lediglich eigenkapitalersetzendem Fremdkapital der Gesellschaft zu unterscheiden sind, für das mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I, 2026) die frühere Gleichstellung mit Eigenkapital aufgegeben und durch im Insolvenzfall greifende Regelungen der Nachrangigkeit und Anfechtbarkeit ersetzt wurde. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 24.

d) Rückforderung von Ausschüttungen und zurückgewährten Einlagen aa) Rückzahlung als erneute Einzahlung der Einlage 294 Behält sich eine Kommanditgesellschaft die erneute Einforderung der an einen Kommanditisten zurückgezahlten Einlage vor, indem sie den Zahlungsvor-

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II. Kommanditgesellschaft

gang ungeachtet des Fehlens darlehenstypischer Regelungen, insbesondere zur Verzinsung, als Darlehensgewährung bezeichnet, so stellt sich die spätere Rückzahlung des vermeintlichen Darlehens als erneute Einzahlung der Einlage dar. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 34.

Leistungen eines Kommanditisten an die Kommanditgesellschaft erhöhen – 295 soweit sie werthaltig sind – den Bestand seiner Einlage allerdings nur, wenn sie auf die Einlage erbracht werden, wofür etwa die Erfüllung eines von der Einlageverpflichtung unabhängigen Verkehrsgeschäfts nicht genügt. Ausreichend ist aber jedenfalls eine mindestens konkludente Übereinstimmung zwischen der Gesellschaft und dem Kommanditisten, der Gesellschaft Eigenkapital zuzuführen. Die Einlage kann auch durch die Gewährung eines „Darlehens“, das Bestandteil der im Handelsregister einzutragenden Haftsumme ist, geleistet werden. Schließlich kann der Kommanditist, auch wenn im Innenverhältnis zur Gesellschaft keine Einlageverpflichtung besteht, eine den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB haftende Einlage mit haftungsbefreiender Wirkung in das Vermögen der Gesellschaft zur Stärkung ihres Haftungsfonds leisten und sich hierdurch seiner Außenhaftung entledigen. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 29.

Die Rückzahlung dem Kommanditisten zuvor gewährter Ausschüttungen 296 stellt eine Leistung auf die Einlage dar, wenn die Zahlung des Kommanditisten nach den Umständen des Falles (auch) dazu dient, seine Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auszuschließen, wofür die entsprechende Aufstockung des Haftungsfonds der Gesellschaft eine notwendige Voraussetzung bildet. Die Wechselwirkung zwischen gewinnunabhängigen Ausschüttungen und der persönlichen Haftung der daran teilnehmenden Gesellschafter kann sich bereits in einer Regelung des Gesellschaftsvertrags aufzeigen, in der die Möglichkeit angesprochen wird, „im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung“ auf gewinnunabhängige Ausschüttungen zu verzichten. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 31.

Beschränkt die Gesellschaft ihr Zahlungsbegehren auf den Betrag, um den 297 „die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage jedes einzelnen Kommanditisten gemindert worden ist“, und ist damit ersichtlich das (teilweise) Wiederaufleben der nach der eingetragenen Haftsumme zu bemessenden Außenhaftung gemeint, die durch die Rückgewähr der Ausschüttungen wieder entfallen sollte, so verdeutlich diese Erklärung der Gesellschaft anlässlich ihres Rückzahlungsverlangens die angestrebte Verknüpfung von Rückzahlung und Haftungswegfall. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 31.

Im Regelfall will ein Kommanditist, der eine ihm zugeflossene gewinnunab- 298 hängige Ausschüttung zurückgibt, für die Gesellschaft erkennbar, vernünfti75

B. Personenhandelsgesellschaften

gerweise damit zugleich das Risiko vermeiden, den nämlichen Betrag ggf. nochmals an einen Gesellschaftsgläubiger zahlen zu müssen und insoweit auf einen Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft verwiesen zu sein, dessen Durchsetzbarkeit zweifelhaft sein kann. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 32.

299 Dass der Kommanditist mit seiner Zahlung (auch) einen vermeintlichen Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft (teilweise) erfüllen will, steht dem Verständnis der Zahlung als einer Leistung auf die Einlage nicht entgegen, wenn die Gesellschaft den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags entnommen hat, dass die Ausschüttungen darlehensweise gewährt würden, so dass sie ggf. zurückgefordert werden könnten. Ein solches „Darlehen“ wäre kein von den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen getrennt zu sehendes Verkehrsgeschäft. Es hinderte die Anwendung der für die Einlageleistung geltenden Regeln ebenso wenig wie – umgekehrt – ein Anspruch des Gesellschafters auf Auszahlung einer gewinnunabhängigen Ausschüttung, der auf einer besonderen gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung beruht. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 33 f.

bb) Ersatzanspruch nach § 110 HGB 300 Dem Kommanditisten, der empfangene Ausschüttungen zur finanziellen Unterstützung der Gesellschaft zurückgezahlt hat, ohne hierzu im Innenverhältnis rechtlich verpflichtet gewesen zu sein, steht ein – wenn auch ggf. nicht sofort durchsetzbarer – Erstattungsanspruch aus § 110 HGB zu. Er erbringt auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn er mit der Zahlung zugleich dafür sorgt, dass er in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden kann. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 37; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – II ZR 403/13, BGHZ 207, 54 Rn. 15 = ZIP 2015, 2268; BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 252/03, ZIP 2005, 1552.

301 Ein Ersatzanspruch aus § 110 Abs. 1 HGB, der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft als Insolvenzforderung zur Tabelle angemeldet werden kann, wird nicht begründet, wenn ein Kommanditist seine Einlage durch eine Zahlung an die Gesellschaft wieder auffüllt, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 37 ff.

302 Durch diesen Vorgang wird eine zur Tabelle feststellbare Insolvenzforderung nicht erlangt, weil das den Anspruch aus § 110 HGB rechtfertigende Sonderopfer des Gesellschafters nicht in der freiwilligen Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers liegt und er damit im Verhältnis zur Gesellschaft gleichsam an die Stelle des von ihm befriedigten Gläubigers tritt, sondern die Zahlung – 76

II. Kommanditgesellschaft

gleich ob freiwillig oder in der irrtümlichen Annahme eines Rechtsgrundes – der Gesellschaft unmittelbar zugewendet wird, wodurch der Gesellschafter den vor der Ausschüttung bestehenden Zustand (in Höhe des gezahlten Betrages) wiederherstellt und seine Einlage in entsprechendem Umfang wieder auffüllt. BGH, Urt. v. 10.10.2017 – II ZR 353/15, ZIP 2018, 18 Rn. 38.

4. Wettbewerbsverbot des Kommanditisten Insbesondere dann, wenn ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsfüh- 303 rung besteht, kann auch für den Kommanditisten ein Wettbewerbsverbot bestehen. Da es sich auf das Innenverhältnis der Gesellschafter bezieht, kann es hierbei nicht entscheidend darauf ankommen, welche Stellung der verpflichtete Gesellschafter nach außen einnimmt. Maßgeblich ist vielmehr seine innere Stellung. Bestimmt er im Innenverhältnis ausschlaggebend die Geschicke der Gesellschaft, so trifft ihn auch eine erhöhte Treuepflicht und demgemäß ein Wettbewerbsverbot. Einem Wettbewerbsverbot kann daher auch unterliegen, wer in einer Kommanditgesellschaft mit hoher Mehrheit sowohl am Kommanditkapital als auch am Kapital der Komplementärin beteiligt ist und aufgrund dieser mehrheitlichen Beteiligungen die Gesellschaft beherrscht. Ist dieser Gesellschafter eine Holding-Gesellschaft, deren sich ihre Muttergesellschaft beim Erwerb jener Mehrheitsbeteiligungen bedient hat, so kann das Wettbewerbsverbot auch gegenüber der Muttergesellschaft durchgreifen. BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 = ZIP 1984, 446, 448.

Ist der Kommanditist – durch langjährige Übung stillschweigend – mit der 304 Geschäftsführung betraut, kann ihn entgegen § 165 HGB das grundsätzlich nur den Komplementär treffende Wettbewerbsverbot des § 112 HGB treffen. Unabhängig davon ist es ihm aufgrund der Treuepflicht verboten, Geschäfte an sich zu ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser bereits zugeordnet sind (zur Geschäftschancenlehre siehe Rn. 53 ff.). BGH, Urt. v. 8.5.1989 – II ZR 229/88, ZIP 1989, 986 f.

Das Fehlen eines gesetzlichen Wettbewerbsverbots schließt nicht aus, dass 305 die Gründung eines Konkurrenzunternehmens durch einen Kommanditisten als grober Undank gegenüber dem Schenker des Gesellschaftsanteils zu werten ist. BGH, Urt. v. 4.12.2001 – X ZR 167/99, ZIP 2002, 479, 480 f.

5. Auskunftsanspruch des Kommanditisten gemäß § 166 HGB Das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte außerordentliche Informationsrecht des 306 Kommanditisten ist nicht auf Auskünfte beschränkt, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erfor77

B. Personenhandelsgesellschaften

derlich sind. Vielmehr erweitert § 166 Abs. 3 HGB das Informationsrecht des Kommanditisten bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch auf Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen der Gesellschaft. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 13.

307 Der Wortlaut des § 166 Abs. 3 HGB nennt neben der Mitteilung einer Bilanz und eines Jahresabschlusses sowie der Vorlegung der Bücher und Papiere auch die Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ durch das Gericht. Die Vorschrift enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf das in § 166 Abs. 1 HGB geregelte Informationsrecht des Kommanditisten, das die Mitteilung des Jahresabschlusses und dessen Prüfung unter Einsicht der Bücher und Papiere vorsieht. Die Nennung der Anordnung „sonstiger Aufklärungen“ stellt gegenüber den in beiden Absätzen ausdrücklich genannten Informationsquellen ein Mehr an Informationsmöglichkeiten dar und geht damit inhaltlich über das in § 166 Abs. 1 HGB geregelte Informationsrecht hinaus. Die Anordnung kann zudem „jederzeit“ auf Antrag eines Kommanditisten ergehen; auch dies spricht dafür, dass das in § 166 Abs. 3 HGB geregelte Auskunftsrecht vom Jahresabschluss unabhängig ist. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 15.

308 Aus der Regelungssystematik des § 166 HGB ergibt sich ebenfalls eine eigenständige Stellung des in § 166 Abs. 3 HGB geregelten außerordentlichen Informationsrechts. Während das Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGB ohne weitere Voraussetzungen besteht und in § 166 Abs. 2 HGB klargestellt wird, dass dem Kommanditisten die in § 118 HGB dem von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft eingeräumten Kontrollrechte – also insbesondere das Recht auf (jederzeitige) persönliche Unterrichtung von den Angelegenheiten der Gesellschaft – nicht zustehen, besteht das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 16.

309 Hinzu kommt, dass die Geltendmachung des Anspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB im Wege der zivilprozessualen Klage zu erfolgen hat, während § 166 Abs. 3 HGB die Geltendmachung des außerordentlichen Informationsrechts in einem Streitverfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorschreibt. Bei einer inhaltlichen Beschränkung auf Auskünfte, die der Prüfung des Jahresabschlusses dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind, würde eine Verbindung mit der prozessualen Durchsetzung des Anspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB eher naheliegen. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 16.

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Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 166 HGB sprechen für 310 einen außerordentlichen Auskunftsanspruch des Kommanditisten, der inhaltlich über das in § 166 Abs. 1 HGB geregelte Informationsrecht hinausgeht. Seinem Zweck nach dient § 166 HGB insgesamt dazu, die Auskunftsansprüche des Kommanditisten von denen eines von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementärs abzugrenzen, der sich anlassunabhängig von den Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten kann. Dazu reicht es aus, die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs an das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu knüpfen. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 17, 19.

Das außerordentliche Informationsrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 311 HGB rechtfertigt von vornherein nur die Zuerkennung solcher Informations- und Aufklärungsrechte, die zur Durchsetzung gesellschaftsvertraglicher Rechte bzw. zur Wahrung berechtigter Interessen des Kommanditisten geeignet und angemessen sind. Es wird insoweit durch das Informationsbedürfnis des Kommanditisten begrenzt, das sich aus dem wichtigen Grund ergibt. Es steht dem Kommanditisten deshalb auch nicht zur Verfügung, um auf Maßnahmen hinzuwirken, die Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführung sind. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 23.

Ein wichtiger Grund ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Belange des 312 Kommanditisten durch das vertragliche oder aus § 166 Abs. 1 HGB folgende Einsichtsrecht nicht hinreichend gewahrt sind und darüber hinaus die Gefahr einer Schädigung besteht. Ein wichtiger Grund ist deshalb etwa dann anzunehmen, wenn die Überwachung der Geschäftsführung im Interesse des Kommanditisten geboten ist, z. B. bei drohender Schädigung von Gesellschaft oder Kommanditist. Der Kommanditist muss konkrete Umstände für die Erforderlichkeit und Bedeutung der begehrten Informationen darlegen, d. h. zumindest dafür, dass ein begründetes Misstrauen gegenüber der Geschäftsführung besteht. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 11.

Eignung, Erforderlichkeit und Umfang der zu erteilenden Auskunft hängen 313 von dem geltend gemachten wichtigen Grund ab. In diesem Zusammenhang muss eine Abwägung zwischen dem gewichteten Informationsbedürfnis des Kommanditisten und den Interessen der Gesellschaft vorgenommen werden. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 25.

Ein Auskunftsanspruch des Kommanditisten kann sich grundsätzlich nur auf 314 die geschäftlichen Belange und die Geschäftsführung derjenigen Komman-

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B. Personenhandelsgesellschaften

ditgesellschaft beziehen, dessen Gesellschafter er ist; zwar umfasst das Auskunftsrecht auch die eventuellen Rechtsbeziehungen zwischen dieser Gesellschaft und Dritten, nicht jedoch die geschäftlichen Belange anderer Kommanditgesellschaften oder Rechtsbeziehungen zwischen Dritten. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 26.

315 Die gleichzeitige Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs aus § 166 Abs. 1 HGB durch eine Leistungsklage steht der Zulässigkeit des Antrags nach § 166 Abs. 3 HGB nicht entgegen. Das Kontrollrecht des Kommanditisten aus § 166 Abs. 3 HGB tritt neben das Informationsrecht aus § 166 Abs. 1 HGB. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 11.

316 Das Antragsrecht des Kommanditisten nach § 166 Abs. 3 HGB dient ebenso wie der allgemeine Informationsanspruch eines Gesellschafters in jeder Personengesellschaft der Durchsetzung der dem Kommanditisten zustehenden mitgliedschaftlichen Informationsrechte. Ebenso wie beim allgemeinen Informationsanspruch des Gesellschafters gilt auch hier, dass sich die aus dem Informationsrecht des Kommanditisten folgenden Ansprüche neben der Gesellschaft auch gegen das geschäftsführende Organ richten, das die Auskunft unschwer erteilen kann. BGH, Beschl. v. 14.6.2016 – II ZB 10/15, BGHZ 210, 363 = ZIP 2016, 1769 Rn. 12.

6. Haftung des Kommanditisten a) Drittgeschäfte der Gesellschaft mit einem Gesellschafter 317 Für Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft aus einem Drittgeschäft mit einem Gesellschafter haften Kommanditisten gem. §§ 128, 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB. Ein Drittgeschäft ist jedes Geschäft, das seinen Rechtsgrund nicht im Gesellschaftsverhältnis, sondern in einem davon zu unterscheidenden Rechtsverhältnis hat. Ein Drittgeschäft kann auch ein Darlehen sein, welches ein Gesellschafter der Gesellschaft gewährt hat. Aus einem solchen Drittgeschäft kann ein Gesellschafter grundsätzlich gegen seine Mitgesellschafter Ansprüche geltend machen. Eine Ausnahme ist dann denkbar, wenn der Gesellschafter aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung zur Gewährung der Leistung verpflichtet ist und deshalb das Darlehen nicht vorzeitig kündigen kann. BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 18.

318 Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft

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aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. BGH, Urt. v. 20.5.2014 – II ZR 186/13, DNotZ 2014, 865 Rn. 15 f.; BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 34.

Zwar ist anzuerkennen, dass ein Gesellschafter, wenn möglich, nicht sein ei- 319 genes Vermögen einsetzen soll, vielmehr Gesellschaftsschulden vor allem aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem Gesellschafter-Gläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft gem. § 110 HGB, wenn er die Gesellschaftsschuld begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen. Ist die Gesellschaft zur Zahlung bereit und in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst wenn sich der Gesellschafter-Gläubiger direkt an ihn wendet. Kann oder will die Gesellschaft ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der Gesellschafter auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften. BGH, Urt. v. 20.5.2014 – II ZR 186/13, DNotZ 2014, 865 Rn. 15 f.; BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 34.

Aus der Rechtsprechung zum Innenausgleich zwischen Gesellschaftern, 320 nachdem ein Gesellschafter einen (dritten) Gesellschaftsgläubiger befriedigt hat, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese Fallgestaltung ist mit der Geltendmachung einer Drittgläubigerforderung durch den Gesellschafter nicht vergleichbar. Obwohl der Aufwendungsersatzanspruch des leistenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus § 110 HGB ein Sozialanspruch ist und Sozialansprüche während des Bestehens der Gesellschaft grundsätzlich nicht gegen die Gesellschafter geltend gemacht werden können, ist eine Regressmöglichkeit des leistenden Gesellschafters nach § 426 BGB bei Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft anerkannt. BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 35.

Diese Ausnahme ist geboten, da es mehr oder weniger vom Zufall abhängen 321 kann, welcher Gesellschafter von einem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen wird. Insoweit reicht aber eine Haftung in den Fällen aus, in denen von der Gesellschaft keine Befriedigung zu erlangen ist. Diese Besonderheit schlägt auf den gem. § 426 Abs. 2 BGB übergehenden Anspruch durch, so dass auch dieser nicht mit der hier vorliegenden Konstellation eines Anspruchs eines Gesellschafter-Gläubigers aus einem Drittgeschäft vergleichbar ist. BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 35.

Allerdings bestehen Treuepflichten nicht nur zwischen der Gesellschaft und 322 ihren Gesellschaftern, sondern obliegen auch den Gesellschaftern unterein-

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B. Personenhandelsgesellschaften

ander. Diese müssen auf die Belange ihrer Mitgesellschafter Rücksicht nehmen. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen der Mitgesellschafter auch die Wahrnehmung außergesellschaftsrechtlicher Befugnisse und damit die Geltendmachung von Ansprüchen aus Drittgeschäften eingeschränkt ist. BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305 Rn. 37.

b) Haftung nach Einlagenrückgewähr aa) Gewinnentnahme 323 Gewinn i. S. d. § 172 Abs. 5 HGB ist allein der aufgrund eines Jahresabschlusses und eines Gewinnverwendungsbeschlusses ausgeschüttete Gewinn. Nicht darunter fallen Gewinnvoraus- oder -garantiezahlungen. BGH, Urt. v. 20.4.2009 – II ZR 88/08, ZIP 2009, 1222 Rn. 7.

324 Ob der Kapitalanteil eines Kommanditisten durch Verlust oder durch eine Gewinnentnahme i. S. d. § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert, beurteilt sich allein nach dem Inhalt der Bilanz und nicht nach dem guten Glauben des Gesellschafters. § 172 Abs. 5 HGB setzt eine unrichtige Bilanz voraus. BGH, Urt. v. 20.4.2009 – II ZR 88/08, ZIP 2009, 1222 Rn. 9 ff.

bb) Rückzahlung eines Agios 325 Die persönliche Haftung des Kommanditisten lebt nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB auch dann wieder auf, wenn an ihn ein Agio zurückgezahlt wird, sofern dadurch der Stand seines Kapitalkontos unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat. BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 105/07, ZIP 2008, 1175 Rn. 10; BGH, Beschl. v. 9.7.2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Rn. 8.

cc) Einlagenrückgewähr bei Leistung der KG an eine andere Gesellschaft 326 Die Zurechnung einer Leistung der Kommanditgesellschaft an eine andere Gesellschaft im Rahmen der Einlagenrückgewähr und des § 172 Abs. 4 HGB als Leistung an den Kommanditisten setzt eine Mehrheitsbeteiligung des Gesellschafters an der anderen Gesellschaft nicht voraus. Sie ist bei geringerer Beteiligung aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Gesellschafter auf die Geschäftsführung der anderen Gesellschaft maßgeblichen Einfluss hat. BGH, Beschl. v. 25.5.2009 – II ZR 99/08, ZIP 2009, 1273 Rn. 6.

c) Haftung nach Übertragung des Kommanditanteils 327 Nach Übertragung des Kommanditanteils haften Alt- und Neukommanditist gesamtschuldnerisch bis zur Höhe der eingetragenen Haftsumme gem. § 173

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II. Kommanditgesellschaft

Abs. 1, § 172 Abs. 4, § 171 Abs. 1 HGB, soweit die Kommanditeinlage im Zeitpunkt der Übertragung noch nicht erbracht oder zurückgezahlt worden ist. Die gesetzliche Haftung des Altkommanditisten ist dabei auf Gesellschaftsverbindlichkeiten beschränkt, die bis zu seinem Ausscheiden begründet worden sind, und unterliegt zudem der zeitlichen Begrenzung des § 160 HGB. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 9; BGH, Urt. v. 26.3.2019 – II ZR 413/18, ZIP 2019, 965 Rn. 19; BGH, Urt. v. 29.6.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82, 85 = ZIP 1981, 981, 982 f.

d) Haftung in der Insolvenz der Gesellschaft aa) Regelungsgehalt des § 171 Abs. 2 HGB Den Gesellschaftsgläubigern wird durch § 171 Abs. 2 HGB die Möglichkeit 328 genommen, selbst gegen den Kommanditisten vorzugehen, damit der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung im Insolvenzverfahren der Kommanditgesellschaft auch im Hinblick auf die Haftung der Kommanditisten verwirklicht werden kann. Der Insolvenzverwalter wird bei der Geltendmachung der Haftung nach § 171 Abs. 2 HGB mit treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, so dass der in Anspruch genommene Gesellschafter durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 14; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 26; BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227 = ZIP 2016, 274 Rn. 13; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – IX ZR 217/11, ZIP 2012, 1683 Rn. 9; BGH, Urt. v. 9.10.2006 – II ZR 193/05, ZIP 2007, 79 Rn. 9.

Der Übergang der Einziehungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter berührt 329 nicht den materiellen Gehalt der Ansprüche, die der Insolvenzverwalter lediglich für Rechnung der Gläubiger im eigenen Namen wahrnimmt. Eine Rechtsänderung tritt aber durch die Insolvenz der Gesellschaft insofern ein, als vor der Insolvenzeröffnung jeder Gläubiger den Kommanditisten bis zur Höhe der Haftsumme unbegrenzt in Anspruch nehmen kann, nach der Insolvenzeröffnung hingegen die vom Insolvenzverwalter einzuziehende Hafteinlage nur noch zur gleichmäßigen (anteiligen) Befriedigung der berechtigten Gläubiger verwendet werden darf. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 14; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 27; BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 = ZIP 2018, 640 Rn. 17.

Hieraus folgt zugleich, dass die Berechtigung der Gläubiger, an der Vertei- 330 lung teilzunehmen und sich auf diese Weise (teilweise) Befriedigung auf ihre 83

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Forderungen zu verschaffen, und die Einziehungsbefugnis sich nicht in jedem Fall entsprechen müssen. Der Kommanditist kann durch eine mit der Zahlung an den Insolvenzverwalter verbundene Tilgungsbestimmung die auf eine gleichmäßige Befriedigung der berechtigten Gläubiger ausgerichtete Bestimmung seiner Leistung nicht unterlaufen und ist, damit das von ihm Geschuldete zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung steht, auch nicht zur Aufrechnung mit einer gegen einen Gesellschaftsgläubiger gerichteten Forderung berechtigt. BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 28; BGH, Urt. v. 17.9.1964 – II ZR 162/62, BGHZ 42, 192, 193 = WM 1964, 1147.

331 Ebenso, wie den Gesellschaftern innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens die Wirkungen eines Vergleichs zu Gute kommen, können diese sich entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB darauf berufen, das zur Befriedigung der Gläubiger ihrerseits Erforderliche getan zu haben. Die Gesellschafter haften für die Gläubigerforderungen untereinander als Gesamtschuldner, die Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 Halbs. 1, § 161 Abs. 2, § 128 Satz 1 HGB jeweils beschränkt auf die (wiederaufgelebte) Haftsumme. BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 29; BGH, Urt. v. 29.9.2015 – II ZR 403/13, ZIP 2015, 2268 Rn. 20.

332 Da der Gesellschafter im Regelinsolvenzverfahren mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter die Möglichkeit der Einflussnahme auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft verliert und dessen Verwaltung zudem vorrangig im Interesse der Gesellschaftsgläubiger und nicht der Gesellschafter zu erfolgen hat, ist aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen eine teleologische Reduktion der Haftung des Kommanditisten im Rahmen der § 171 Abs. 1 Halbs., § 172 Abs. 4, § 161 Abs. 2, § 128 HGB geboten. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 28 ff.

333 In welchem Umfang danach die Haftung zu beschränken ist, hat die Rechtsprechung offengelassen und zunächst lediglich entschieden, dass die Gesellschafter jedenfalls für Verbindlichkeiten unabhängig von ihrer insolvenzrechtlichen Einordnung haften, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Da die Beschränkung der persönlichen Gesellschafterhaftung in der Regelinsolvenz der Gesellschaft auch auf der einem ausgeschiedenen Gesellschafter ähnlichen Interessenlage beruht, muss die persönliche Haftung auch in der Insolvenz jedenfalls die Verbindlichkeiten umfassen, für die auch ein ausgeschiedener Gesellschafter nach § 160 HGB noch haften müsste. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 37 ff., 42 ff.

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II. Kommanditgesellschaft

bb) Darlegung der Forderung des Insolvenzverwalters Zur hinreichenden Individualisierung des Klageanspruchs nach § 253 Abs. 2 334 Nr. 2 ZPO und zur substantiierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Dass die angemeldeten Forderungen dort nur schlagwortartig (z. B. „Warenlieferung“, „Dienstleistung“ o. ä.) ohne Bezugnahme auf eine konkrete Berechnung oder einen Leistungszeitraum bezeichnet werden, steht einer hinreichenden Individualisierung nicht entgegen. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 17; BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671 Rn. 12, 16; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 11 ff.; BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 = ZIP 2018, 640 Rn. 15 ff.

Die mittelbar aus § 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwir- 335 kung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gem. § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen. BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671 Rn. 16; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 15; BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 = ZIP 2018, 640 Rn. 21.

cc) Abwehrrechte des Kommanditisten Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesell- 336 schaft kann der Kommanditist dem Insolvenzverwalter zwar keine Einwendungen entgegenhalten, die ihm nur gegen einzelne Gläubiger zustehen, wohl aber solche, die sich gegen alle von § 171 Abs. 2 HGB begünstigten Gläubiger richten. BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, ZIP 2017, 2407 Rn. 19.

Dem Kommanditisten steht ferner gegenüber dem Insolvenzverwalter der 337 Einwand zu, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden, für die er haftet, nicht erforderlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist. BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671 Rn. 24;

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B. Personenhandelsgesellschaften BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 21 ff.; BGH, Urt. v. 20.2.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 = ZIP 2018, 640 Rn. 39; BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 18.

338 Die Prüfung, ob die Inanspruchnahme des Kommanditisten unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse erforderlich ist, ist von einer Prognose abhängig, die naturgemäß mit Unsicherheiten belastet ist. Der Insolvenzverwalter ist angesichts dessen berechtigt, den nach den Verhältnissen der Insolvenzmasse für die Gläubigerbefriedigung erforderlichen Betrag unter Berücksichtigung solcher Unsicherheiten zu schätzen. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 79; BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671 Rn. 14; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 34.

339 Der Kommanditist kann gegen seine Inanspruchnahme entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB einwenden, dass durch Zahlungen anderer Kommanditisten der zur Deckung der von der Haftung erfassten Gesellschaftsschulden nötige Betrag bereits aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten ist nicht allein davon abhängig, ob diese Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können. Die Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten ist ein für die Gläubigerbefriedigung bedeutsamer Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich ist. BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 20, 55; BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 133/19, ZInsO 2020, 2671 Rn. 25; BGH, Urt. v. 21.7.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25.

340 Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht es im Belieben des Kommanditisten, welchen Gläubiger der Gesellschaft er befriedigt. Durch Befriedigung eines solchen Gläubigers wird er in Höhe der getilgten Gesellschaftsschuld von seiner Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB auch im Verhältnis zu den anderen Gläubigern frei. Dabei tritt diese Haftungsbefreiung im Fall der Gläubigerbefriedigung auch dann in Höhe des Nennwerts der getilgten Forderung ein, wenn die Gläubigerforderung nicht mehr werthaltig war, so dass der in das Gesellschaftsvermögen gelangte Vermögenswert diesen Betrag nicht erreicht. BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, ZIP 2017, 2407 Rn. 21.

341 Zahlungen für Auslagen der Gesellschaft ohne Leistung auf eine Außenhaftung bzw. die Verrechnung eines daraus resultierenden Erstattungsanspruchs des Kommanditisten aus § 110 HGB mit seiner Einlageverpflichtung führen wegen des insoweit im Außenverhältnis geltenden Kapitalaufbringungsgrundsatzes aber nur in Höhe des objektiven Werts der getilgten Gläubigerforderung bzw. des Erstattungsanspruchs zur Haftungsbefreiung. Dabei kommt es für die Bewertung der Forderung auf die Vermögenslage der Gesellschaft 86

II. Kommanditgesellschaft

an. Entscheidend ist, ob und ggf. inwieweit das Vermögen der Gesellschaft ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Für die Werthaltigkeit ist der Kommanditist darlegungs- und beweispflichtig. BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, ZIP 2017, 2407 Rn. 26.

Im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gilt der Kapi- 342 talaufbringungsgrundsatz des § 171 HGB dagegen nicht. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Kommanditist daher gegen seine noch offene Einlageverpflichtung mit einem Erstattungsanspruch aus § 110 HGB aufrechnen, der auf vor der Insolvenzeröffnung an die Gläubiger der Gesellschaft erbrachten Zahlungen beruht, ohne dass es insoweit im Innenverhältnis auf die Werthaltigkeit der getilgten Gläubigerforderungen ankommt. Insoweit hält er der Einlageforderung nicht lediglich eine eventuell wertlose Forderung entgegen, sondern hat mit der Befriedigung der Gläubiger die Masse in Höhe des Nennwerts der Forderungen mit der Folge des entsprechenden Erlöschens seiner Außenhaftung entlastet. BGH, Urt. v. 25.7.2017 – II ZR 122/16, ZIP 2017, 2407 Rn. 29 f.

e) Innenausgleich beim Aufwendungsersatz nach § 110 HGB Ein Kommanditist, der ohne Verpflichtung im Außenverhältnis einen Ge- 343 sellschaftsgläubiger freiwillig befriedigt hat, kann nicht nur die Gesellschaft nach § 110 HGB auf Aufwendungsersatz, sondern den Komplementär nach § 426 BGB in gleicher Weise in Anspruch nehmen, als hätte er selbst auch die Stellung eines Komplementärs. Der ggf. um den eigenen Verlustanteil zu kürzende Ersatzanspruch gegen den Mitgesellschafter besteht nur, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage oder nicht bereit ist, den Aufwendungsersatzanspruch nach § 110 HGB zu erfüllen; dies ist bereits dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft auf Aufforderung nicht zahlt. BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 382/99, ZIP 2002, 394, 396.

f) Erstattung von Kapitalertragsteuer aa) Außerhalb des Insolvenzverfahrens erhobene Kapitalertragsteuer Bei einer werbenden Personenhandelsgesellschaft ist die gem. § 43 Abs. 1 344 Satz 1 EStG durch Abzug auf Kapitalerträge der Gesellschaft erhobene Einkommensteuer (Kapitalertragsteuer) vermögensmäßig als Abzug von Gesellschaftskapital anzusehen und durch deren steuerliche Anrechnung auf die Einkommensteuer des Gesellschafters wie eine Entnahme ihres Gesellschafters zu behandeln. Ob eine Kommanditgesellschaft gegen ihren Kommanditisten einen Anspruch darauf hat, dass er ihr den auf Kapitalerträge der Gesellschaft entfallenden Teil der Kapitalertragsteuer erstattet, der von dem Kapitalertragsschuldner einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird, richtet sich nach dem Gesellschaftsvertrag. BGH, Urt. v. 5.4.2016 – II ZR 62/15, ZIP 2016, 1019 Rn. 12;

87

B. Personenhandelsgesellschaften BGH, Urt. v. 16.4.2013 – II ZR 118/11, ZIP 2013, 1174 Rn. 14.

345 Der auf Erstattung einer unberechtigten Entnahme gerichtete Anspruch der Gesellschaft ist, wie sich aus § 111 HGB ergibt, mit Herausnahme des Geldes aus der Gesellschaftskasse fällig. Wird eine einer unberechtigten Entnahme gleichkommende Vermögensverschiebung dadurch bewirkt, dass die Gesellschaft durch die Abführung von Zinsabschlägen eine Vorauszahlung auf eine Steuerschuld des Gesellschafters leistet und besteht ein – sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebender – Anspruch der Gesellschaft auf Erstattung des Geleisteten, so ist bereits mit der den Anrechnungsanspruch des Gesellschafters gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auslösenden Erhebung der Kapitalertragsteuer die für den Erstattungsanspruch maßgebliche Vermögensverschiebung zu Gunsten des Gesellschafters bewirkt. BGH, Urt. v. 16.4.2013 – II ZR 118/11, ZIP 2013, 1174 Rn. 19.

346 Ein etwaiger gesellschaftsvertraglicher Anspruch der Gesellschaft auf Erstattung der aus ihren Zinseinkünften abgeführten Kapitalertragsteuern besteht – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – unabhängig davon, ob der Gesellschafter sein daraus folgendes Anrechnungsrecht gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wirtschaftlich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung verwertet. Der Gesellschafter ist damit unter dem Gesichtspunkt der gesellschafterlichen Treuepflicht schon nicht verpflichtet, sein Anrechnungsrecht zu realisieren. Vor allem entsteht der Gesellschaft aber durch die Nichtrealisierung kein Schaden. BGH, Urt. v. 16.4.2013 – II ZR 118/11, ZIP 2013, 1174 Rn. 22.

bb) Im Insolvenzverfahren erhobene Kapitalertragsteuer 347 Die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Abzug auf die Kapitalerträge der Insolvenzmasse erhobene Einkommen- oder Körperschaftsteuer (Kapitalertragsteuer) ist ebenso wie der darauf entfallende Solidaritätszuschlag auch im Insolvenzverfahren vermögensmäßig als Abzug von Gesellschaftskapital anzusehen und wegen der steuerlichen Anrechnung auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Gesellschafter wie eine Entnahme zu behandeln. Die Gesellschafter sind deshalb, selbst wenn im Gesellschaftsvertrag ein Steuerentnahmerecht vereinbart sein sollte, zur Erstattung der Zinsabschläge in die Masse verpflichtet. BGH, Urt. v. 5.4.2016 – II ZR 62/15, ZIP 2016, 1019 Rn. 16 ff.

348 Die einkommen- oder körperschaftsteuerrechtliche Behandlung der während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter erwirtschafteten Zinseinkünfte unterscheidet sich nicht von den Regeln, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten. In beiden Fällen sind Steuerschuldner („Steuersubjekte“) die Gesellschafter, nicht dagegen schuldet die Gesellschaft die Einkommenoder Körperschaftsteuer und damit auch die Kapitalertragsteuer auf die Zinserträge und den Solidaritätszuschlag.

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II. Kommanditgesellschaft BGH, Urt. v. 5.4.2016 – II ZR 62/15, ZIP 2016, 1019 Rn. 16.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter 349 nach § 80 InsO befugt, alle Einkünfte, die er erwirtschaftet, zur Insolvenzmasse zu ziehen. Er hat keine Möglichkeit, den Zinsabschlag durch Beantragung einer sog. Nichtveranlagungsbescheinigung nach § 44a EStG oder auf andere Weise abzuwenden. Dann aber sind die Gesellschafter auch – unabhängig vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages – zur Erstattung der Zinsabschläge in die Masse verpflichtet. Denn die Zinsabschläge sind, da sich die steuerrechtliche Lage durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verändert, Teil der von den Gesellschaftern geschuldeten Einkommen- oder Körperschaftsteuer und dürfen daher nicht die Insolvenzmasse schmälern. BGH, Urt. v. 5.4.2016 – II ZR 62/15, ZIP 2016, 1019 Rn. 18 f.

7. Ausscheiden von Gesellschaftern a) Ausschließung aus wichtigem Grund Im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann vereinbart wer- 350 den, dass anstelle der in § 140 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB vorgesehenen Ausschließung aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung eine Ausschließung durch Beschluss der Gesellschafter erfolgen kann. BGH, Urt. v. 21.6.2011 – II ZR 262/09, ZIP 2011, 1508 Rn. 15.

b) Ausscheiden wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters Eine Bestimmung in einem Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesell- 351 schaft, nach der ein Gesellschafter, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, aus der Gesellschaft ausscheidet, findet auch im Fall der Simultaninsolvenz von Kommanditgesellschaft und Komplementärgesellschaft jedenfalls dann Anwendung, wenn noch weitere Gesellschafter verbleiben. § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB kommt auch in der Simultaninsolvenz der Kommanditgesellschaft und Komplementärgesellschaft uneingeschränkt zur Anwendung, weil die Personengesellschaft und die anderen Gesellschafter davor geschützt werden sollen, sich in Angelegenheiten der Gesellschaft mit dem Insolvenzverwalter des insolventen Mitgesellschafters auseinandersetzen zu müssen. BGH, Urt. v. 8.5.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 = ZIP 2014, 1280 Rn. 19.

Die Notwendigkeit dieses Schutzes entfällt nicht dadurch, dass zeitnah über 352 das Vermögen sowohl der Kommanditgesellschaft als auch der Komplementärgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Insolvenzverwalter der insolventen Komplementärin hat andere Aufgaben und Pflichten als der Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft und die übrigen Gesellschafter. Dies gilt jedenfalls für die Fallkonstellation, in der nach der Simultanin89

B. Personenhandelsgesellschaften

solvenz der Kommanditgesellschaft und ihrer Komplementärgesellschaft zwei weitere Kommanditisten als Gesellschafter verbleiben. Dadurch werden Interessenkonflikte zwischen der Kommanditgesellschaft und ihren verbliebenen Gesellschaftern einerseits und den Insolvenzverwaltern der übrigen Gesellschafter andererseits verhindert. BGH, Urt. v. 8.5.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 = ZIP 2014, 1280 Rn. 19.

c) Ausscheiden wegen Aufgabe der Beteiligung an der Verfolgung des Gesellschaftszwecks 353 Besteht die Aufgabe einer Gesellschaft ausschließlich in dem Betrieb einer Ferienanlage durch Vermietung der den einzelnen Kommanditisten gehörenden und von ihnen bestimmungsgemäß „gewerblich zu nutzenden“ Wohnungen mitsamt der zu einem solchen Objekt gehörenden Infrastruktur wie Hafenanlage, Restaurationsbetrieb und anderen Gemeinschaftsanlagen und bestimmt der Gesellschaftsvertrag, dass Kommanditist nur sein kann, wer zugleich Eigentümer einer von der Kommanditgesellschaft bewirtschafteten Eigentumswohnung ist, führt der Verkauf der Wohnung zum automatischen Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft mit der Folge, dass der Gesellschafter nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages bzw. des Gesetzes abzufinden ist. BGH, Urt. v. 24.3.2003 – II ZR 4/01, ZIP 2003, 843, 844 f.

354 Mit der Veräußerung des Wohnungseigentums an einen außenstehenden Dritten, der nicht der Gesellschaft beitritt und die Nachfolge des bisherigen Kommanditisten antritt, wird der Gesellschaft ein Teil des Gegenstandes, auf den sich ihr Betrieb bezieht, entzogen; der veräußernde Gesellschafter bringt damit zum Ausdruck, dass er sich an der weiteren Verfolgung des gemeinsamen Zwecks, der gewerblichen Nutzung seines Eigentums durch die Kommanditgesellschaft, nicht mehr beteiligen will. Wenn der Gesellschaftsvertrag seine Kommanditistenstellung automatisch als beendet behandelt, so als habe er das Gesellschaftsverhältnis gekündigt, liegt dies in der Konsequenz des von der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag zu verfolgenden Zwecks. BGH, Urt. v. 24.3.2003 – II ZR 4/01, ZIP 2003, 843, 845.

d) Sonderrechtsnachfolge in einen Kommanditanteil 355 Die Eintragung eines Sonderrechtsnachfolgevermerks zum Zwecke der zulässigen Kennzeichnung der gesetzlich nicht geregelten Rechtsnachfolge in einen Kommanditanteil aufgrund Übertragung der Mitgliedschaft und zu deren notwendiger Abgrenzung von dem im Gesetz normierten (gleichzeitigen) Austritt eines alten sowie Eintritt eines neuen Kommanditisten (vgl. § 162 Abs. 3 HGB) ist gewohnheitsrechtlich anerkannt. Für die Eintragung eines derartigen Vermerks ist das berechtigte Interesse Dritter maßgeblich, über

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II. Kommanditgesellschaft

die der Mitgliedschaftsänderung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse korrekt informiert zu werden. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, ZIP 2005, 2257 Rn. 6.

Nur durch einen solchen Vermerk kann nämlich (weiterhin) im Handelsre- 356 gister deutlich gemacht werden, ob – mit unterschiedlichen Haftungskonsequenzen – zeitgleich mit dem Ausscheiden eines Kommanditisten ein neuer Kommanditist eintritt oder ob sich lediglich die Person des Gesellschafters in Bezug auf einen gleichbleibenden Kommanditanteil verändert. Während im erstgenannten Fall eine Verdoppelung der Haftungssumme dadurch eintritt, dass sowohl der ausgeschiedene Kommanditist nach §§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 1 HGB als auch der neu eingetretene Kommanditist gem. § 173 HGB den Gläubigern gegenüber haften, besteht bei einem Kommanditistenwechsel im Wege der Sonderrechtsnachfolge lediglich die einmalige Möglichkeit der Inanspruchnahme der eingetragenen Haftsumme. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, ZIP 2005, 2257 Rn. 6.

Vor dem Hintergrund dieser gewohnheitsrechtlich anerkannten Ausgangslage 357 sind die Registergerichte berechtigt, die Eintragung des Sonderrechtsnachfolgevermerks von der Einreichung einer sog. (negativen) „Abfindungsversicherung“ abhängig zu machen. Diese Versicherung ist zwar nicht stets, wohl aber im Regelfall das geeignete Mittel für die vom Registergericht nach pflichtgemäßem Ermessen im Anmeldungsverfahren zu treffende Tatsachenfeststellung und zugleich Grundlage für die Beurteilung der Richtigkeit der Anmeldung des gesetzlich nicht geregelten Sonderfalls des Kommanditistenwechsels durch Sonderrechtsnachfolge. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, ZIP 2005, 2257 Rn. 7 ff.

Der grundsätzlichen Eignung der negativen „Abfindungsversicherung“ als 358 Beurteilungsgrundlage für die Abgrenzung der Sonderrechtsnachfolge von dem rechtsgeschäftlich miteinander verbundenen Aus- und Eintritt steht nicht entgegen, dass in Einzelfällen besonderer Vertragsgestaltungen – wie etwa einem vertraglichen Ausschluss des Abfindungsanspruchs bei Austritt und Eintritt ohne Einzelrechtsnachfolge oder bei bewusster Falschangabe der Verhältnisse – die Abgrenzung selbst durch eine solche Versicherung allein nicht zweifelsfrei möglich ist. Dies ändert nichts daran, dass die „Abfindungsversicherung“ dem Registerrichter jedenfalls im Regelfall die zutreffende Entscheidung in Ausübung seines pflichtgemäßen Prüfungsermessens ermöglicht. BGH, Beschl. v. 19.9.2005 – II ZB 11/04, ZIP 2005, 2257 Rn. 12.

e) Testamentsvollstreckung Ist über den Nachlass eines Kommanditisten Dauertestamentsvollstreckung 359 angeordnet, so ist auf Antrag des Testamentsvollstreckers ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen. Grundsätzlich wer91

B. Personenhandelsgesellschaften

den in das Handelsregister allerdings nur die Tatsachen und Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Aufgrund der Funktion des Handelsregisters, Umstände zu verlautbaren, die für den Rechtsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind, sind aber auch darüber hinausgehende Eintragungen zuzulassen, wenn ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht. Ein solches Bedürfnis besteht jedenfalls bei einer Dauertestamentsvollstreckung. BGH, Beschl. v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, ZIP 2012, 623.

360 Hat ein Erblasser hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben grundsätzlich gem. § 2205 Satz 1, § 2211 BGB von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Die den Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungsund Vermögensrechte werden allesamt von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt, der hierbei an den Willen der Erben nicht gebunden ist und in seinen Kompetenzen lediglich durch die Verbote der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 Satz 3 BGB und der Begründung einer persönlichen Haftung der Erben (vgl. § 2206 BGB) sowie durch seine generelle Pflichtenstellung gegenüber den Erben eingeschränkt ist. Die klageweise Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen obliegt deshalb ebenfalls dem Testamentsvollstrecker (§ 2212 BGB), es sei denn, dass der Testamentsvollstrecker selbst unzulässigerweise anstelle der Erben mitgestimmt hat und insoweit seine Verwaltungsbefugnis beschränkt ist. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 14.

361 Die Rechte der Erben werden ausreichend dadurch geschützt, dass sie von dem Testamentsvollstrecker die ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses, zu welcher der Testamentsvollstrecker gem. § 2216 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, verlangen und dies, wenn nötig, auch gerichtlich im Klage- oder einstweiligen Verfügungsverfahren durchsetzen können. Entsteht den Erben durch die nicht pflichtgemäße Verwaltung des Nachlasses ein Schaden, den der Testamentsvollstrecker zu vertreten hat, ist dieser zum Schadensersatz verpflichtet (§ 2219 Abs. 1 BGB). Gegebenenfalls kommt auch die Abberufung des Testamentsvollstreckers aus wichtigem Grund durch das Nachlassgericht in Betracht (§ 2227 BGB). BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 27.

362 Der Testamentsvollstrecker verdrängt die Erben zwar nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich auch hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts als Teil seiner umfassenden Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses, es sei denn, ihm sind durch § 2205 Satz 3, § 2206 BGB und etwaige Anordnungen des Erblassers Grenzen gesetzt. Der Testamentsvollstrecker kann aber dann das Stimmrecht nicht ausüben, wenn ihn ein gesellschaftsrechtliches Stimmverbot trifft. Er unterliegt, wie andere Vertreter von Gesellschaftern auch, dem

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II. Kommanditgesellschaft

in § 47 Abs. 4 GmbHG normierten, im Personengesellschaftsrecht ebenso geltenden Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, auch wenn er selbst nicht Gesellschafter ist. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 23.

In einem solchen Fall der persönlichen Betroffenheit des Testamentsvoll- 363 streckers ist der Erbe anstelle des Testamentsvollstreckers auf einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung stimmberechtigt, wie auch in anderen Fällen der rechtlichen Verhinderung eines Vertreters oder Amtswalters das Stimmrecht vom Vertretenen ausgeübt werden kann. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 23.

Ist der Testamentsvollstrecker in einem solchen Fall oder etwa wegen seiner 364 Stellung als Beiratsmitglied gehindert, bei seiner eigenen Entlastung abzustimmen und wird diese gesellschaftsrechtliche Beschränkung seiner Befugnisse missachtet, steht den Erben ein eigenes Anfechtungsrecht zu, das seinen Grund in der Verletzung ihrer – wegen gesellschaftsrechtlicher Verhinderung des Testamentsvollstreckers bestehenden – Befugnis hat, das Stimmrecht selbst auszuüben. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 25; BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 = ZIP 1989, 913, 914 ff.

Auch wenn die Gesellschafterbefugnisse durch einen Testamentsvollstrecker 365 ausgeübt werden, ist das dem Minderheitenschutz dienende Recht, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zu verlangen bzw. im Wege des Selbsthilferechts eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, von einem hinsichtlich der Beschlussfassung bestehenden Stimmverbot unabhängig, sofern dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes zu entnehmen ist. Unterliegt der Testamentsvollstrecker einem Stimmverbot, werden seine Befugnisse nur insoweit eingeschränkt, d. h. er darf auf einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung nicht abstimmen. Die übrigen Gesellschafterrechte können von ihm weiterhin ausgeübt werden und verdrängen die Befugnisse der Erben als Gesellschaftsanteilsinhaber. BGH, Urt. v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = ZIP 2014, 1422 Rn. 24.

8. Auflösung a) Kündigung der Gesellschaft durch den Privatgläubiger, § 135 HGB Für § 135 HGB reicht es aus, wenn – vor oder nach Zustellung des Beschlusses 366 über die Pfändung des Auseinandersetzungsguthabens – ein ernsthafter Vollstreckungsversuch in das sonstige Vermögen des Gesellschafters unternom-

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B. Personenhandelsgesellschaften

men worden ist. Der Ausgang weiterer Vollstreckungsversuche, insbesondere in das unbewegliche Vermögen, braucht nicht abgewartet zu werden. BGH, Beschl. v. 25.5.2009 – II ZR 60/08, ZIP 2009, 1863 Rn. 12 f.

b) Fortsetzungsbeschluss bei Liquidation 367 Befindet sich die Kommanditgesellschaft in der Liquidation, muss ein – grundsätzlich möglicher – Beschluss der Gesellschafter über die Aufhebung der Liquidation und Fortsetzung der Gesellschaft einstimmig gefasst werden, solange nicht nach dem Gesellschaftsvertrag eine mehrheitliche Beschlussfassung zugelassen ist. BGH, Beschl. v. 2.7.2007 – II ZR 181/06, ZIP 2007, 1988 Rn. 5; BGH, Urt. v. 12.11.1952 – II ZR 260/51, BGHZ 8, 35 ff.

III. GmbH & Co. KG 1. Kapitalaufbringung 368 Die allgemeinen Kapitalaufbringungsregeln des GmbH-Rechts (§ 19 GmbHG) gelten auch bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG, ohne dass unter dem Gesichtspunkt einer „wirtschaftlichen Einheit“ der beiden Gesellschaften ein „Sonderrecht“ für die Kapitalaufbringung bei der Komplementär-GmbH anzuerkennen wäre. Danach ist die Einlageforderung der (Komplementär-)GmbH nicht erfüllt, wenn die an sie gezahlten Einlagemittel umgehend als „Darlehen“ an die von dem oder den Inferenten beherrschte Kommanditgesellschaft weiterfließen. BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 = ZIP 2008, 174 Rn: 8 f.

2. Geschäftsführung a) Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre 369 In einer GmbH & Co. KG sind (allein) die persönlich haftenden Gesellschafter nach § 114 Abs. 1, § 164 Satz 1 Halbs. 1 HGB zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, sofern die Gesellschafter nichts anderes vereinbart haben. Die allgemein mit der Mitgliedschaft verbundene Geschäftsführungs- und Vertretungsberechtigung ist kein Sonderrrecht i. S. d. § 35 BGB, das grundsätzlich unentziehbar ist, sondern ein relativ unentziehbares Recht, dessen Entziehung einer besonderen Rechtfertigung bedarf. BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 359/18, ZIP 2020, 2281 Rn. 16 f.

370 Der Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis kann auch ohne wichtigen Grund durch den Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden. Erfolgt die Einführung der Möglichkeit zur Entziehung in den Gesellschaftsvertrag

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aber erst nachträglich, so wird damit bereits in das relativ unentziehbare Recht eingegriffen. Der Eingriff ist nur rechtmäßig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist oder er dem Eingriff zugestimmt hat. BGH, Urt. v. 13.10.2020 – II ZR 359/18, ZIP 2020, 2281 Rn. 18 ff.

Von der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementärin 371 ausgenommen sind – vorbehaltlich anderweitiger Regelungen im Gesellschaftsvertrag – sog. Grundlagengeschäfte. Zu den Grundlagengeschäften gehören Maßnahmen, die das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, also etwa die Aufnahme neuer Gesellschafter, die Regelung der Vertretungsmacht und die Organisation der Geschäftsführung. Entscheidungen auf dieser Ebene sind der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft vorbehalten. Dabei sind die Kommanditisten zu beteiligen. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 27.

Der Abschluss eines Anstellungsvertrags mit dem Geschäftsführer der Kom- 372 plementär-GmbH ist allenfalls dann ein Grundlagengeschäft und begründet damit die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, wenn es darum geht, die grundsätzliche Zuständigkeit für die Geschäftsführung oder die sonstige Organisation der Geschäftsführung in der Kommanditgesellschaft anders als nach der gesetzlichen Regel festzulegen – also etwa einen Kommanditisten zum geschäftsführenden Gesellschafter zu bestellen –-, nicht aber, wenn lediglich die Anstellungskonditionen des zur Geschäftsführung nach der gesetzlichen Regelung ohnehin berufenen Geschäftsführers der Komplementär-GmbH festgelegt werden sollen. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 29.

Wenn keine außergewöhnlichen Regeln für die Geschäftsführung der Kom- 373 plementär-GmbH aufgestellt werden, greifen die einzelnen Bestimmungen des Anstellungsvertrags nicht derart stark in die Rechte und Pflichten der Kommanditgesellschaft und ihrer Gesellschafter ein, dass eine Befassung ihrer Gesellschafterversammlung angezeigt wäre. Dabei sind an die Abgrenzung von Grundlagengeschäft und laufender Geschäftsführungsmaßnahme keine besonderen Anforderungen zu stellen, nur weil der Geschäftsführer vom Verbot des § 181 BGB befreit ist. Zwar kann dadurch eine Interessenkollision in der Person des Geschäftsführers entstehen. Das haben die Gesellschafter aber in Kauf genommen, indem sie den Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag vom Verbot des § 181 BGB befreit haben. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 29; BGH, Urt. v. 11.2.1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160, 163 = ZIP 1980, 369, 370.

Jedenfalls ist auch eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung der GmbH 374 nicht erforderlich, wenn es nur um die Verlängerung eines Anstellungsver95

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trags geht, während die grundsätzliche Entscheidung, einen Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers mit der Kommanditgesellschaft zuzulassen, schon gefallen ist, der Anstellungsvertrag zudem bereits die Möglichkeit der Verlängerung vorsieht, die Verlängerung unter Beibehaltung aller übrigen Vertragsbedingungen erfolgt, es ferner um eine GmbH & Co. KG mit identischen Gesellschafterkreisen in der Kommanditgesellschaft und der GmbH geht, bei der (für die Kommanditgesellschaft) ein Beirat bestellt ist, dem zumindest bei einem auf mehr als drei Jahre befristeten Anstellungsvertrag oder einer Jahresvergütung in festgelegter Höhe eine Entscheidungskompetenz zukommt, die er auch wahrgenommen hat. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 32.

375 Es bedarf in diesem Fall keines zusätzlichen Schutzes der Gesellschafterversammlung der GmbH durch eine entsprechende Anwendung des § 46 Nr. 5 GmbHG. Auch hier gilt, dass die Gesellschafter ein gewisses Risiko dadurch eingegangen sind, dass sie den Geschäftsführer überhaupt vom Verbot des Insichgeschäfts befreit haben. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 32.

b) Geschäftsführeranstellungsverhältnis aa) Vertragsverlängerung durch den nach § 181 BGB befreiten Fremdgeschäftsführer 376 Soll ein Geschäftsführeranstellungsvertrag zwischen der GmbH & Co. KG und dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH durch Erklärungen des Geschäftsführers im eigenen Namen und nach § 181 BGB im Namen der GmbH als der gesetzlichen Vertreterin der Kommanditgesellschaft verlängert werden, ist eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft nicht erforderlich. Zur Wirksamkeit dieses Vertrags bedarf es jedenfalls dann, wenn die Kommanditgesellschaft und die GmbH identische Gesellschafterkreise haben und bei der Kommanditgesellschaft ein Beirat besteht, dessen Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Verlängerungsvertrags erforderlich ist, auch nicht der Zustimmung der Gesellschafterversammlung der GmbH. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 22 ff.

377 Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der sowohl im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft als auch der GmbH vom Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB befreit ist, hat grundsätzlich die erforderliche Vertretungsmacht, den Vertrag zur Verlängerung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags mit der Kommanditgesellschaft im eigenen Namen und im Namen der Komplementärin als der gesetzlichen Vertreterin der GmbH & Co. KG zu schließen. Denn er ist als Geschäftsführer der GmbH sowohl zur Abgabe von Willenserklärungen für diese nach § 35 Abs. 1 Satz 1

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GmbHG als auch zur Abgabe von Willenserklärungen für die Kommanditgesellschaft nach § 126 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB berechtigt. BGH, Urt. v. 19.4.2016 – II ZR 123/15, ZIP 2016, 1332 Rn. 22.

bb) Tätigkeitsvergütungen der nicht nach § 181 BGB befreiten Gesellschafter-Geschäftsführer Bewilligen sich zwei Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, die allei- 378 nige Gesellschafter der GmbH und alleinige Kommanditisten der Kommanditgesellschaft sind, gegenseitig von der Kommanditgesellschaft zu zahlende Tätigkeitsvergütungen, die ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft dem Grunde nach zustehen, während die Bestimmung der genauen Höhe dem Beschluss der Gesellschafterversammlung überlassen ist, so ist diese Absprache grundsätzlich wirksam, auch wenn die Geschäftsführer nicht vom Verbot des § 181 BGB befreit sind. BGH, Urt. v. 15.3.2016 – II ZR 114/15, ZIP 2016, 1376 Rn. 21 ff.

Zwar wird der Geschäftsführer in der GmbH & Co. KG von der Gesell- 379 schafterversammlung der GmbH bestellt. Einen Anstellungsvertrag kann er aber auch mit der Kommanditgesellschaft schließen. Dabei kann er sich auch darauf beschränken, nur eine Tätigkeitsvergütung zu vereinbaren und andere Fragen – etwa nach einer Altersversorgung oder nach dem Urlaubsanspruch – offen zu lassen. Ferner ist es möglich, ohne Abschluss eines Anstellungs(dienst)vertrages für den Kommanditisten, der in der GmbH & Co. KG aufgrund einer Bestellung zum Geschäftsführer der KomplementärGmbH die dieser (allein) obliegende Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft ausübt, eine Vergütung für diese Geschäftsführungstätigkeit im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft zu vereinbaren. BGH, Urt. v. 15.3.2016 – II ZR 114/15, ZIP 2016, 1376 Rn. 22.

cc) Anstellungsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage Wenn ein Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einen Anstellungsver- 380 trag mit der Kommanditgesellschaft abschließt, er aber nur im Verhältnis zur GmbH von dem Verbot des § 181 BGB befreit ist, ist der Vertragsschluss nach § 181 BGB grundsätzlich schwebend unwirksam und sind auf den nicht genehmigten Anstellungsvertrag die Grundsätze des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage anwendbar. Voraussetzung dafür ist, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage des Anstellungsvertrags aufgenommen hat und dies mit Wissen des für den Vertragsschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder jedenfalls eines Organmitglieds geschehen ist. Die Vereinbarung ist dann für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam. BGH, Urt. v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 12.

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381 Vereinbart der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der einen Anstellungsvertrag mit der Kommanditgesellschaft abgeschlossen hat und nur im Verhältnis zur GmbH von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit ist, mit sich selbst eine Gehaltserhöhung, ist die Vertragsänderung ebenfalls nach § 181 BGB schwebend unwirksam. Wird die Änderung nicht genehmigt, hat er nach den Grundsätzen des Anstellungsverhältnisses auf fehlerhafter Vertragsgrundlage einen Anspruch auf die erhöhte Vergütung, wenn er seine Tätigkeit mit Kenntnis des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder zumindest eines Organmitglieds von der Erhöhungsvereinbarung fortgesetzt hat. BGH, Urt. v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 14.

382 Die Anwendung der Grundsätze über das Anstellungsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage auf eine wegen § 181 BGB unwirksame Vereinbarung über die Erhöhung der Bezüge setzt aber voraus, dass der Geschäftsführer seine Tätigkeit mit Kenntnis des für den Vertragsschluss zuständigen Organs oder mindestens eines Organmitglieds von der Erhöhung fortgesetzt hat, ohne dass es auf die Kenntnis der genauen Höhe ankommt. Die Kenntnis des zuständigen Organs nur von der Tätigkeit als Geschäftsführer und ihrer Fortsetzung rechtfertigt es noch nicht, unwirksame Erhöhungen der Bezüge als wirksam zu behandeln. BGH, Urt. v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 16.

383 Anders als bei der Begründung eines Anstellungsverhältnisses, bei der die zuständigen Organe davon ausgehen können, dass der Geschäftsführer nicht unentgeltlich tätig wird, lässt die Fortsetzung der Tätigkeit allein nicht erkennen, dass der Geschäftsführer sie nur gegen erhöhte Bezüge fortsetzt. Der Verzicht auf die Kenntnis des Organs oder eines Organmitglieds würde dazu führen, dass der Geschäftsführer sich beliebig Gehaltserhöhungen und andere Leistungen verschaffen könnte. Er ist aber nur schutzwürdig, wenn eine unwirksame Vereinbarung redlicherweise getroffen ist. BGH, Urt. v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 16.

dd) Kündigung des Anstellungsvertrages 384 Bei der Kündigung des zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Anstellungsverhältnisses handelt es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme, die allein der Komplementär-GmbH obliegt (vgl. § 164 HGB). Darüber hat – wie auch sonst bei der Abberufung und Kündigung gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer – deren Gesellschafterversammlung aufgrund ihrer Annexkompetenz gem. § 46 Nr. 5 GmbHG zu entscheiden. Die Kündigung ist durch den weiteren Geschäftsführer der Komplementär-GmbH in deren Namen zu erklären. BGH, Beschl. v. 8.1.2007 – II ZR 267/05, ZIP 2007, 910 Rn. 7.

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c) Vergütung der Komplementär-GmbH für Haftungsübernahme Hängt die Höhe der einer Komplementär-GmbH u. a. für die Haftungs- 385 übernahme zu zahlenden Vergütung nach dem Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft von der Höhe des Stammkapitals der GmbH ab, dürfen deren Gesellschafter das Stammkapital nicht ohne Wahrung der gesellschafterlichen Treuepflichten gegenüber der Kommanditgesellschaft in erheblichem Umfang (hier: um das 42-fache) erhöhen. BGH, Urt. v. 5.12.2005 – II ZR 13/04, ZIP 2006, 230 Rn. 9 ff.

3. Haftung des Geschäftsführers a) Haftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG aa) Begründung der Pflichtenstellung Jedenfalls dann, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe einer Komple- 386 mentär-GmbH in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, erstreckt sich der Schutzbereich des Dienstverhältnisses zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer oder der zwischen diesen durch die Bestellung begründeten organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet in diesem Fall der Kommanditgesellschaft nach denselben Grundsätzen wie sonst der Geschäftsführer der GmbH dieser gegenüber. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 18; BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 15; BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, ZIP 2002, 984, 985.

Unabhängig von dem Bestehen eines vertraglichen Dienstverhältnisses i. S. v. 387 § 611 Abs. 1 BGB oder eines sonstigen vertraglichen Anstellungsverhältnisses zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH, aufgrund dessen er verpflichtet ist, die Geschäfte der Komplementär-GmbH entgeltlich oder unentgeltlich zu besorgen (vgl. § 662 BGB), und unabhängig davon, ob sich aus diesem Vertragsverhältnis Schutzpflichten zugunsten der Kommanditgesellschaft ergeben, besteht bereits infolge der Bestellung zum Geschäftsführer jedenfalls ein Organverhältnis zu der Komplementär-GmbH. Die organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH entfaltet ebenfalls drittschützende Wirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 19; BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 16.

Die Haftung des Geschäftsführers gem. § 43 Abs. 2 GmbHG gegenüber der 388 GmbH knüpft unmittelbar an die Verletzung der Pflichten aus der organ99

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schaftlichen Sonderrechtsbeziehung an und ist nicht von der Existenz eines Anstellungsvertrags abhängig. In gleicher Weise kann der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH für Schäden der Kommanditgesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG allein aufgrund der organschaftlichen Sonderrechtsbeziehung zur GmbH haften, wenn deren alleinige oder wesentliche Aufgabe darin besteht, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 17 f.

389 In diesem Fall geht das wohlverstandene Interesse der GmbH dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der Kommanditgesellschaft im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt, weil sie auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein muss und als persönlich haftende Gesellschafterin selbst aus dem Gesellschaftsverhältnis der Kommanditgesellschaft zu einer sorgfältigen Geschäftsführung verpflichtet ist. Die Komplementär-GmbH muss darauf vertrauen dürfen, dass ihr Geschäftsführer den Angelegenheiten der Kommanditgesellschaft die gleiche Sorgfalt widmet wie ihren eigenen. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 18.

390 Die Kommanditgesellschaft ist auch schutzbedürftig. Eine Verletzung der Pflichten aus dem Organverhältnis geht, soweit es die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft betrifft, vor allem zu deren Lasten. Die Kommanditgesellschaft bzw. die Kommanditisten sind auf die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH angewiesen; sie haben jedoch regelmäßig keine Befugnisse, um unmittelbar auf ihn einzuwirken. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 18.

391 Sowohl das Interesse der Komplementär-GmbH als auch die Schutzbedürftigkeit der Kommanditgesellschaft sind für den Geschäftsführer ohne weiteres erkennbar. Das rechtfertigt es, die in der Organstellung begründete Verantwortlichkeit des Geschäftsführers und die hieran anknüpfende Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft zu erstrecken. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 18.

bb) Sorgfaltsmaßstab 392 § 708 BGB begrenzt die Haftung der Komplementär-GmbH und ihres Geschäftsführers weder bei einer Publikums-Kommanditgesellschaft noch bei einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG. Der Geschäftsführer hat vielmehr bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Das gilt auch dann, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist und die alleinige oder wesentliche

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Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft besteht. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 37 ff.; BGH, Urt. v. 16.2.1981 – II ZR 49/80, WM 1981, 440, 441; BGH, Urt. v. 17.3.1980 – II ZR 85/79, WM 1980, 593; BGH, Urt. v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 = WM 1980, 30.

cc) Haftungsausschluss aufgrund von Weisungen, Einverständnis oder Entlastung Ein Handeln des Geschäftsführers einer GmbH im – auch stillschweigenden – 393 Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern stellt – solange kein Fall des § 43 Abs. 3 GmbHG oder der Existenzvernichtung vorliegt – grundsätzlich keine (haftungsbegründende) Pflichtverletzung i. S. v. § 43 Abs. 2 GmbHG dar und kann deshalb keinen ersatzpflichtigen Schaden begründen. Dies gilt auch dann, wenn die Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH für Schäden der Kommanditgesellschaft in Frage steht. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 33.

Eine von den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH erteilte Weisung, 394 bei der insoweit nichts anderes gilt als bei einem Einverständnis, schließt in der Regel mindestens subjektiv eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers auch gegenüber der Kommanditgesellschaft aus, wenn sie sachlich vertretbar und nicht erkennbar ungesetzlich oder, z. B. wegen bewusster Schädigung der Kommanditgesellschaft, sittenwidrig ist. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 33.

Eine pflichtwidrige haftungsbegründende Handlung kann im Hinblick auf 395 das für die Haftungserstreckung nach § 43 Abs. 2 GmbHG notwendige Schutzbedürfnis der Kommanditgesellschaft regelmäßig auch dann nicht angenommen werden, wenn sämtliche Gesellschafter der Kommanditgesellschaft als potentiell Geschädigte nach zutreffender Information über den Sachverhalt mit dem Handeln des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH einverstanden sind. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 33.

Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG 396 durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 20.

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397 Entlastet allerdings die Gesellschafterversammlung der KomplementärGmbH ihren Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG, führt das jedenfalls in der nicht personen- und beteiligungsidentischen GmbH & Co. KG nicht zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer. Ein bereits entstandener Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den GmbH-Geschäftsführer ist dem Einfluss der GmbH-Gesellschafter entzogen. Die Entlastung durch die GmbH-Gesellschafter kann nur dazu führen, dass die wegen des pflichtwidrigen Verhaltens ihres Geschäftsführers selbst gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtete Komplementär-GmbH ihren Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG nicht mehr geltend machen kann. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 21.

398 Entlastet demgegenüber die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG ihre Komplementärin ohne Vorbehalt, führt das im Umfang der Entlastungswirkung zugleich zum Ausschluss der Kommanditgesellschaft mit Ansprüchen gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG kann den Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH unmittelbar entlasten. In diesem Fall kann sie von der Ausschlusswirkung des Entlastungsbeschlusses erfasste Ansprüche gegen den Geschäftsführer nicht mehr geltend machen. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 22 f.

399 Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH kann sich gegenüber der Inanspruchnahme durch die Kommanditgesellschaft aber auch auf die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin berufen. Mit der Entlastung der Geschäftsführung billigen die Gesellschafter die Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode und sprechen ihr, soweit sie ihre Tätigkeit fortsetzt, gleichzeitig für die künftige Geschäftsführung ihr Vertrauen aus. An die Entlastung ist ferner die Folge geknüpft, dass die Gesellschaft mit Ersatzansprüchen und Kündigungsgründen ausgeschlossen ist, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar sind oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis erlangt haben. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 24 f.; BGH, Urt. v. 15.4.2014 – II ZR 44/13, ZIP 2014, 1278 Rn. 21; BGH, Urt. v. 13.3.2012 – II ZR 50/09, ZIP 2012, 1197 Rn. 4, 31.

400 Wird in der GmbH & Co. KG die Komplementär-GmbH vorbehaltlos entlastet, bewirkt dies zugleich den Ausschluss mit Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer der GmbH. Da die Entlastung der Komplementär-GmbH in der Billigung ihrer Amtsführung für die Dauer der zurückliegenden Entlastungsperiode besteht, umfasst sie zwingend die Billigung der Amtsführung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH, durch den diese die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führen lässt. Wol102

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len die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft den Geschäftsführer von der Entlastungswirkung ausnehmen, müssen sie einen dahingehenden Vorbehalt aufnehmen. Anders als dies bei einer Wirkungserstreckung auf die Kommanditgesellschaft bei der Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter der Komplementär-GmbH der Fall wäre, verzichtet die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft mit der Entlastung der Geschäftsführung auf die Geltendmachung von Ansprüchen ihrer Gesellschaft und entscheidet nicht über Ansprüche Dritter. BGH, Urt. v. 22.9.2020 – II ZR 141/19, ZIP 2020, 2117 Rn. 26.

dd) Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs bei Pflichtverletzung Die Geltendmachung der Ansprüche der Kommanditgesellschaft aus § 43 401 Abs. 2 GmbHG hängt nicht von einem Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG ab. Denn es handelt sich nicht um Ansprüche der GmbH, sondern um solche der Kommanditgesellschaft, für die keine dem § 46 Nr. 8 GmbHG entsprechende Vorschrift besteht. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 20.

Im Prozess gegen den Geschäftsführer muss die einen Anspruch nach § 43 402 Abs. 2 GmbHG verfolgende klagende Gesellschaft darlegen und beweisen, dass und inwieweit ihr durch ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr ggf. die Erleichterungen des § 287 ZPO zu Gute kommen. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Diese Grundsätze gelten auch bei der Haftung gegenüber der Kommanditgesellschaft. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, BGHZ 197, 304 = ZIP 2013, 1712 Rn. 22.

b) Haftung für Kapitalerhaltung, §§ 30 ff., 43 Abs. 3 GmbHG Für nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlungen aus dem Vermögen 403 der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der KomplementärGmbH haftet neben dem Gesellschafter der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nach § 43 Abs. 3 GmbHG, und zwar gegenüber der Kommanditgesellschaft. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 12.

Wegen der gesellschaftsrechtlichen Bindung an die GmbH & Co. KG dürfte 404 die GmbH aus dem Verstoß gegen das Verbot des § 30 GmbHG keinen Vorteil zu Lasten des Vermögens der Kommanditgesellschaft ziehen und deshalb nicht Leistung an sich, sondern nur Rückzahlung in das Vermögen der Kom-

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manditgesellschaft zur Wiederherstellung ihres Stammkapitals verlangen. Aus diesem Grund steht der dem Anspruch gegen die Gesellschafter nach §§ 30, 31 GmbHG entsprechende Anspruch gegen den Geschäftsführer nach § 43 Abs. 3 GmbHG der Kommanditgesellschaft zu. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 12.

405 Auch insoweit erstreckt sich der Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organverhältnisses auf die Kommanditgesellschaft. Das Einverständnis der Gesellschafter mit den Entnahmen entlastet den Geschäftsführer nicht. Er hat unabhängig von Weisungen der Gesellschafter von GmbH oder Kommanditgesellschaft dafür sorgen, dass das Stammkapital der GmbH nicht angegriffen wird. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 12 f.

406 Eine Zahlung aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder an einen Kommanditisten ist eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird. Das ist die Konsequenz daraus, dass die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft für deren Verbindlichkeiten haftet und entsprechende Passivposten bilden muss. Andererseits kann sie den gegen die Kommanditgesellschaft gerichteten Freistellungsanspruch aus § 161 Abs. 2, § 110 HGB in ihrer Bilanz aktivieren. Führt eine Leistung der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter zur Aushöhlung des Vermögens der Kommanditgesellschaft, so ist der Freistellungsanspruch der GmbH nicht mehr durchsetzbar und in der Bilanz nicht aktivierbar, so dass eine Unterbilanz oder Überschuldung entstehen oder vertieft werden kann. BGH, Urt. v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, BGHZ 214, 258 = ZIP 2017, 971 Rn. 12; BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 8.

407 Der Ausgleichsanspruch bzw. Freistellungsanspruch der GmbH nach § 161 Abs. 2, § 110 HGB gegen die Kommanditgesellschaft kann bei der GmbH grundsätzlich dann nicht als werthaltig aktiviert werden, wenn die Kommanditgesellschaft überschuldet ist. Da es auf eine Bewertung des Freistellungsanspruchs ankommt, sind für die Überschuldung der Kommanditgesellschaft nicht die handelsrechtlichen Bewertungsansätze maßgebend, sondern die tatsächlichen Werte der Vermögensgegenstände. Auf die Insolvenzreife nach § 19 Abs. 1 und 2 InsO kommt es dagegen nicht an. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 17.

408 Eine Haftung für nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlungen scheidet nicht aus, wenn zwar neben der GmbH eine natürliche Person als Komplementär unbeschränkt haftet, der Zahlungsempfänger aber (auch) Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist. Dann ist es für seine Haftung nach § 30

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III. GmbH & Co. KG

Abs. 1 GmbHG grundsätzlich ohne Bedeutung, ob daneben eine natürliche Person unbeschränkt haftet. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 9.

Die Haftung nach § 30 Abs. 1 GmbHG für eine mittelbare Auszahlung aus 409 dem gebundenen Vermögen der GmbH setzt voraus, dass der Zahlungsempfänger für die Ausstattung der Gesellschaft mit haftendem Kapital verantwortlich ist. Das ist bei demjenigen, der (auch) GmbH-Gesellschafter ist, immer der Fall. Es macht keinen Unterschied, ob er eine Leistung zu Lasten des Gesellschaftsvermögens von der GmbH direkt oder auf dem Umweg über die Kommanditgesellschaft erhält. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 10.

Beim Nur-Kommanditisten kann eine solche Verantwortlichkeit für die Ka- 410 pitalausstattung auch der GmbH und damit für die verbundene Gesellschaft aber im Regelfall nur angenommen werden, wenn nicht auch eine natürliche Person unbeschränkt haftet, die ansonsten für die Kapitalausstattung der Kommanditgesellschaft zumindest mitverantwortlich wäre. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 10; BGH, Urt. v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 356 = ZIP 1990, 578, 583 ff.

Die Beteiligung einer natürlichen Person als Komplementär neben der 411 GmbH kann aber aus anderen Gründen Einfluss auf die Haftung haben. Wenn die Kommanditgesellschaft einen weiteren Komplementär hat, ist bei der Prüfung, ob bei der GmbH eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird, ein Freistellungsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB gegen den (Mit-)Komplementär zu aktivieren. Zwischen mehreren nach § 128 HGB im Außenverhältnis persönlich haftenden Gesellschaftern besteht ein Gesamtschuldverhältnis, auf das § 426 Abs. 1 BGB Anwendung findet. Ob sich daraus ein Freistellungsanspruch ergibt, hängt von den Haftungsquoten der persönlich haftenden Gesellschafter ab. Die Haftungsquote des einzelnen Gesellschafters folgt dabei den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen bzw. dem Gewinn- und Verlustanteil. Darüber hinaus kann ein rechtlich bestehender Freistellungsanspruch bei der GmbH nur aktiviert werden, wenn er auch realisierbar ist. BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 11.

c) Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife, § 130a Abs. 3, § 177a Satz 1 HGB Voraussetzung für die Haftung des Geschäftsführers für Masseschmälerun- 412 gen nach Eintritt der Insolvenzreife ist die Veranlassung der Zahlung. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens ist gegeben, wenn diese mit seinem Wissen und Wollen geschehen sind oder wenn diese von ihm hätten verhindert werden können. 105

B. Personenhandelsgesellschaften BGH, Urt. v. 11.2.2020 – II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 13 f.

413 Bei einem auf § 130a Abs. 3 HGB gestützten Anspruch ist der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die die Masse schmälernde Zahlung (hier: Abbuchung von einem Gesellschaftskonto) von dem beklagten Geschäftsführer veranlasst worden ist. An einer haftungsbegründenden Veranlassung kann es fehlen, wenn die Belastung des Kontos auf einer Kontopfändung beruht. BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 Rn. 13 f.

414 § 130a Abs. 1 HGB soll im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 9; BGH, Urt. v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4.

415 Der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH & Co. KG muss aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür sorgen, dass Zahlungen von Gesellschaftsschuldnern nicht auf ein debitorisch geführtes Bankkonto der Gesellschaft geleistet werden; andernfalls haftet er für die Zahlungen gem. §§ 64 Abs. 2 GmbHG, 130 a Abs. 3 HGB. Bei Insolvenzreife ist der Einzug von Forderungen auf ein debitorisches Konto grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird. Der auf das debitorische Konto eingezahlte Betrag wird aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet und dadurch mit Gesellschaftsmitteln an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt. BGH, Urt. v. 8.12.2015 – II ZR II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 10; BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 = ZIP 2015, 1480 Rn. 11 f.; BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12.

416 Zahlungen mit Kreditmitteln aus einem debitorisch geführten Bankkonto einer insolvenzreifen GmbH oder GmbH & Co. KG fallen nicht unter die – dem Schutz ihrer Gläubigergesamtheit dienenden – §§ 64 Abs. 2 GmbHG, 130 a Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, sondern gehen allein zum Nachteil der Bank. Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger berühren, wenn die Bank über keine freien Gesellschaftssicherheiten verfügt, weder die verteilungsfähige Vermögensmasse noch gehen sie zum Nachteil der Gläubigergesamtheit. Es handelt sich vielmehr um eine Zahlung mit Kreditmitteln, welche einen bloßen Gläubigeraustausch zur Folge hat. BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, ZIP 1619 Rn. 13; BGH, Urt. v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 Rn. 38;

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III. GmbH & Co. KG BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7.

Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife nach § 130a 417 Abs. 1 HGB i. V. m. § 177a Satz 1 HGB entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 9.

Der Erstattungsanspruch gegen das Organ entfällt nicht nur bei Erfüllung 418 durch das Organ, sondern auch, wenn die Massekürzung anderweitig ausgeglichen und der Zweck der Ersatzpflicht erreicht ist. Aus diesem Grund besteht kein Erstattungsanspruch gegen das Organ mehr, soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, durch die Insolvenzanfechtung eine Rückerstattung der Zahlung zu erreichen und so die Masseschmälerung wettzumachen. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 9; BGH, Urt. v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14.

Der Anspruch entfällt ferner, wenn die Massekürzung dadurch ausgeglichen 419 wird, dass für die Zahlung ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, und der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 9; BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 – Fleischgroßhandel; BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006.

Da der „Schaden“ bereits in dem Abfluss von Mitteln aus der im Stadium der 420 Insolvenzreife der Gesellschaft zugunsten der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhaltenden Vermögensmasse liegt, ist nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich der Masseschmälerung zu berücksichtigen. Vielmehr ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 10; BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 7; BGH, Beschl. v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 4.

Dagegen ist es nach dem Zweck der Vorschrift nicht erforderlich, dass der 421 Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Sollten die Entscheidungen, in denen die Berücksichtigung eines „Aktiventausches“ für möglich erachtet wurde, wenn die Gegenleistung nicht nur ins Gesellschaftsvermögen gelangt ist, sondern auch darin

107

B. Personenhandelsgesellschaften

verbleibt, anders zu verstehen sein (BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 21 – Fleischgroßhandel; Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006; Urt. v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, 1897; Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089), wird daran nicht festgehalten. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 11.

422 Die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist. Wenn ein Gegenstand oder eine Geldleistung, die als Ausgleich der Masseschmälerung in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist, danach wieder ausgegeben wird, führt dies ggf. zu einem neuen Erstattungsanspruch nach § 130a Abs. 1 HGB. Würde demgegenüber der zuvor erfolgte Ausgleich der ersten Masseverkürzung nicht beachtet, würde es ggf. sogar zu einer Vervielfachung des zu erstattenden Betrags kommen, obwohl wertmäßig die Masse nur einmal verkürzt wurde. Das „Zahlungsverbot“ soll aber nur eine Masseverkürzung verhindern, nicht einer Massebereicherung dienen. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 11.

423 Eine dem Gesellschaftsorgan nicht zurechenbare, insbesondere zufällige Verschlechterung des Gegenstands des Ausgleichs bei der Gesellschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt schon nicht unter den Schutzzweck § 130a Abs. 1 HGB. Das Organ ist nach dieser Vorschrift nicht für jede Masseverkürzung verantwortlich. § 130a Abs. 1 HGB schützt nur vor Massekürzungen, die das Organ veranlasst hat, und erfasst nicht jeden Schaden, der durch die Insolvenzverschleppung entsteht. Für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht in einer Masseschmälerung durch Zahlung bestehen, haftet das Organ nach § 15a Abs. 1 InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 12.

424 Auch bei einer durch das Organ veranlassten Verarbeitung oder ähnlichen Fällen eines Verlusts eines als Ausgleich in die Masse gelangten Gegenstands entstehen keine Schutzlücken. Regelmäßig bleibt dadurch der geschaffene Wert im Vermögen der Gesellschaft erhalten oder es wird eine Gegenleistung erwirtschaftet. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, kommt auch hier eine Haftung nach § 15a Abs. 1 InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB wegen Insolvenzverschleppung in Betracht. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 = ZIP 2015, 71 Rn. 13.

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III. GmbH & Co. KG

Im Übrigen gelten für die Voraussetzungen der Haftung des Geschäftsfüh- 425 rers einer GmbH & Co. KG für Zahlungen nach Insolvenzreife die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 64 Satz 1 GmbHG1) entsprechend. 4. Prozessführungsbefugnis des Kommanditisten Ein Kommanditist einer GmbH & Co. KG kann nicht Ansprüche der Kom- 426 manditgesellschaft im Wege der actio pro socio gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen (siehe oben Rn. 638). BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 9 ff.

5. Auflösung durch Ausscheiden der Komplementär-GmbH Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplemen- 427 tär-GmbH einer GmbH & Co. KG mit einem einzigen Kommanditisten führt zum Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der Kommanditgesellschaft (§ 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB) und zur liquidationslosen Vollbeendigung der Kommanditgesellschaft unter Gesamtrechtsnachfolge des Kommanditisten. Er haftet für Gesellschaftsverbindlichkeiten nur mit dem übergegangenen Vermögen. Prozessual sind auf einen solchen Rechtsübergang während eines laufenden Rechtsstreits die §§ 239, 246 ZPO sinngemäß anzuwenden. BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047, 1048.

Zur Simultaninsolvenz von Komplementär-GmbH und Kommanditgesell- 428 schaft siehe Rn. 351. 6. EinheitsGmbH & Co. KG In einer Komplementär-GmbH, deren Anteile von der Kommanditgesell- 429 schaft gehalten werden, nehmen – sofern der Gesellschaftsvertrag der KG keine abweichenden Regeln enthält – die der Kommanditgesellschaft als Alleingesellschafterin zustehenden Rechte in der Gesellschafterversammlung die organschaftlichen Vertreter der GmbH wahr. Über die Kündigung des organschaftlichen Anstellungsverhältnisses eines Geschäftsführers der Komplementärin entscheiden deswegen dessen Mitgeschäftsführer. Sie beschließen in der Gesellschafterversammlung der GmbH gem. § 46 Nr. 5 GmbHG als Vertreter von deren Alleingesellschafterin die Kündigung und erklären sodann für die GmbH in deren Namen die Kündigung gegenüber ihrem Mitgeschäftsführer. BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 109/06, ZIP 2007, 1658 Rn. 8 ff.

___________ 1)

Siehe dazu Born, GmbH-Recht, Höchstrichterliche Rechtsprechung, 2. Aufl., 2020, Rn. 216 ff.

109

B. Personenhandelsgesellschaften

7. Rechtsanwaltsgesellschaft 430 Eine GmbH & Co. KG kann nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft zwecks „Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch die Übernahme von Anwaltsaufträgen zur Beratung und Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten“ zugelassen werden. § 161 Abs. 1 HGB knüpft – wie auch § 105 Abs. 1 HGB für die offene Handelsgesellschaft – zur Bestimmung des Wesens der Kommanditgesellschaft an den Betrieb eines Handelsgewerbes und damit an die Definition in § 1 Abs. 2 HGB an, wonach Handelsgewerbe jeder Gewerbebetrieb ist, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Nach § 2 Abs. 1 BRAO übt der Rechtsanwalt aber einen freien Beruf aus; seine Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 Abs. 2 BRAO). BGH, Beschl. v. 18.7.2011 – AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 Rn. 4 f.

IV. AG & Co. KG 431 Dem personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB unterliegen auch bei der gesellschaftsrechtlichen Sonderform der AG & Co. KG zwar die Komplementär-AG und eine diese beherrschende, als Aktiengesellschaft organisierte Mehrheitskommanditistin, nicht jedoch auch deren Vorstandsmitglieder als ihre gesetzlichen Vertreter. BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 = ZIP 2009, 1162 Rn. 9 f. – Vorstandsdoppelmandat.

432 Der Minderheitskommanditist einer AG & Co. KG hat kein aus dem Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB ableitbares Mitwirkungsrecht in Form eines Zustimmungsvorbehalts („Vetorecht“) bei der Besetzung der Vorstände der Komplementär-AG und der Mehrheitskommanditistin (AG) mit Doppelmandatsträgern. Auch in dieser Konstellation fallen die Bestellung derartiger Vorstände und deren Befreiung von einem Wettbewerbsverbot in die alleinige Zuständigkeit der Aufsichtsräte der beteiligten Aktiengesellschaften. BGH, Urt. v. 9.3.2009 – II ZR 170/07, BGHZ 180, 105 = ZIP 2009, 1162 Rn. 7 ff. – Vorstandsdoppelmandat.

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften I. Gesellschaftsvertrag 1. Beitritt neuer Gesellschafter Bei Publikumsgesellschaften wird regelmäßig der persönlich haftende Gesell- 433 schafter bevollmächtigt, nach seiner Wahl mit weiteren Kommanditisten deren Beitritt zur Gesellschaft zu vereinbaren. Das erforderliche Einverständnis der übrigen Gesellschafter mit dem Eintritt neuer Gesellschafter kann in einem solchen Fall im Voraus im Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Der Abschluss des Aufnahmevertrags mit den übrigen Gesellschaftern kommt dann im Regelfall dadurch zustande, dass sich der persönlich haftende Gesellschafter im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen mit dem neu eintretenden Gesellschafter auch im Namen der übrigen Gesellschafter über die Aufnahme einigt. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 9.

Schließt der Komplementär den Aufnahmevertrag „namens der Publikums- 434 kommanditgesellschaft“ ab, kann das nach dem objektiven Erklärungswert als ein Handeln sowohl im Namen der Kommanditgesellschaft als auch im Namen der Altgesellschafter verstanden werden. Bei der Beurteilung der Frage, in welchem Namen der Vertreter einen Vertrag abschließt, kommt es – wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen – auf den objektiven Inhalt der Erklärung des Vertreters an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsgegners darstellt (§§ 133, 157 BGB). Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere auch die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 11.

Aus dem Inhalt des Beitrittsvertrages (Zeichnungsscheins), vor allem aus der 435 ausdrücklichen Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag und dem zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden, auf dieser Grundlage die Kommanditistenstellung begründen zu wollen, kann zu erkennen sein, dass der jeweilige Beitrittsantrag nach seinem objektiven Erklärungsinhalt gegenüber den Gesellschaftern der Fondsgesellschaft als den richtigen Adressaten abgegeben werden sollte und der Vertreter den Antrag im Namen der Gesellschafter für diese angenommen hat. Hierfür spricht es vor allem, wenn nur diese Vorgehensweise durch die dem persönlich haftenden Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag erteilte Vollmacht gedeckt ist und der Komplementär zu einer Annahme der Beitrittserklärungen im Namen der Fondsgesellschaft gerade nicht befugt war. BGH, Urt. v. 1.3.2011 – II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn.11.

111

C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

2. Vertragliche Einbeziehung von Treugebern 436 Ist – wie bei Publikumsgesellschaften häufig – die mittelbare Beteiligung erst noch zu werbender Anleger über einen Treuhandgesellschafter und damit eine Verzahnung von Gesellschaft und Treuhand im Gesellschaftsvertrag von vornherein vorgesehen und sind im Hinblick darauf bestimmte Rechte und Pflichten der Anleger schon im Gesellschaftsvertrag geregelt, hat der Treugeber im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 13; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 14 f.

437 Im Falle einer so genannten offenen oder qualifizierten Treuhand, gerade bei der treuhänderischen Zusammenfassung zahlreicher Geldgeber, können die an der Gesellschaft Beteiligten ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Durch eine solche Regelung besteht für die Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehungen untereinander der wirklichen Sachlage anzupassen; in dieser Hinsicht, d. h. bezogen auf das Innenverhältnis, sind sie durch zwingendes Recht nicht eingeschränkt, da die Gestaltung ihrer internen Rechtsbeziehungen im allgemeinen einer freien vertraglichen Vereinbarung zugänglich ist. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 13; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 15.

438 Sollen im Einzelfall die Treugeber Rechte ausüben dürfen, die, wie z. B. das Stimmrecht, von der Mitgliedschaft des Treuhänders grundsätzlich nicht abgespalten werden können, ist das ausnahmsweise zulässig, weil dem alle Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zugestimmt haben. Der Anleger muss die ihn betreffenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages, auf den er bei seinem Beitritt Bezug nimmt, regelmäßig so verstehen, dass die Gesellschafter damit schlüssig den Treuhandgesellschafter, mit dem er unmittelbar abschließt, bevollmächtigt haben, ihn wie einen Gesellschafter in das Gesellschaftsverhältnis einzubeziehen, soweit seine Rechtsstellung im Gesellschaftsvertrag angesprochen ist. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 14; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 16 f.; BGH, Urt. v. 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 16 f.

439 Auch wenn der Gesellschaftsvertrag weder eine ausdrückliche Gleichstellung von Treugebern mit Direktkommanditisten im Innenverhältnis noch Regelungen über unmittelbare Rechte und Pflichten der Treugeber im Verhältnis zur Gesellschaft oder eine Verpflichtung zur Zahlung der Einlage unmittelbar an die Gesellschaft enthält, kann dem Treugeber auf Grund der vertraglichen Konstruktion eine den Direktkommanditisten entsprechende Stellung zukommen.

112

I. Gesellschaftsvertrag BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 108/16, ZIP 2018, 829 Rn. 22 ff.

Bei den durch den Beitritt bzw. den Anteilserwerb zustande gekommenen 440 Rechtsverhältnissen zwischen dem Treugeber und den unmittelbaren Gesellschaftern handelt es sich nicht um bloß schuldrechtliche Rechtsbeziehungen, sondern um von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagerte Vertragsverhältnisse. Die Ausgestaltung der Rechtsstellung des Treugebers beruht in derartigen Fallgestaltungen auf dem Gesellschaftsvertrag und nicht auf einer (bloß) schuldrechtlichen Abrede mit der Gesellschaft. Nur die Gesellschafter, nicht die Gesellschaft, können dem Treugeber die einem unmittelbaren Gesellschafter entsprechende Stellung verschaffen. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 19 ff.; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 19 f.; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 16 f.

Insbesondere die Regelung, dass der Treugeber das Stimmrecht in der Ge- 441 sellschaft als originäres eigenes Recht ausüben soll und damit unmittelbar an der internen Willensbildung der Gesellschaft im Wege der Beschlussfassung, mithin an der kollektiven rechtsverbindlichen Willensbildung des Verbandes mitwirkt, belegt eine einer unmittelbaren Mitgliedschaft entsprechende Berechtigung (und Verpflichtung) des Treugebers. Durch sein Stimmrecht hat er die Rechtsmacht, unmittelbar auf die Verwirklichung und die Förderung des Gesellschaftszwecks und den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft einzuwirken. Durch einen schuldrechtlichen Vertrag können keine solchen einer Mitgliedschaft gleichkommenden Herrschaftsrechte in einer Gesellschaft begründet werden. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 20; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 21 f.

Durch den Gesellschaftsvertrag ist der Treugeber entsprechend einem un- 442 mittelbaren Gesellschafter statutarisch in das Innenverhältnis der Gesellschaft einbezogen. Er ist wie ein Gesellschafter verpflichtet, den Gesellschaftszweck zu fördern; ebenso trifft ihn die gesellschafterliche Treuepflicht. Durch seine Haftung im Innenverhältnis nach § 735 BGB (bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und bei der offenen Handelsgesellschaft) und durch den Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675, 670 BGB bzw. aufgrund entsprechender Regelungen in den Treuhandverträgen (bei der Kommanditgesellschaft) ist der Treugeber zudem von dem, von ihm durch sein Stimmrecht (mit)beeinflussten Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft im Ergebnis wirtschaftlich genauso betroffen, als wäre er (Voll-)Gesellschafter. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 21; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 21; BGH, Urt. v. 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 40.

113

C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

443 Angesichts dessen begegnet die Annahme einer einer unmittelbaren Mitgliedschaft entsprechenden Rechtsstellung des qualifizierten Treugebers auch keinen Bedenken im Hinblick darauf, dass die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft nach der Rechtsordnung allgemein auf eine in sich abgestimmte „Einheit von Rechten, Pflichten und Verantwortung“ hin angelegt ist. Der qualifizierte Treugeber unterscheidet sich von einem Vollgesellschafter lediglich dadurch, dass beim (qualifizierten) Treugeber die dingliche Berechtigung am Gesamthandsvermögen und die mit der formalen Gesellschafterstellung verbundene Außenhaftung fehlen. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 21; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 21.

3. Streitigkeit über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft 444 Auch bei einer in der Form einer Publikumsgesellschaft geführten Kommanditgesellschaft sind Streitigkeiten über die Frage, ob jemand Mitglied ist oder nicht, grundsätzlich zwischen den Gesellschaftern und nicht mit der Kommanditgesellschaft auszutragen. Hiervon kann jedoch im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden. Das kann anzunehmen sein, wenn für Beschlussmängelstreitigkeiten abweichend von den personengesellschaftsrechtlichen Regeln in mehr oder weniger weitem Umfang das kapitalgesellschaftsrechtliche System vereinbart worden ist. BGH, Urt. v. 24.3.2003 – II ZR 4/01, ZIP 2003, 843, 844.

4. Auslegung des Gesellschaftsvertrags 445 Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft ist objektiv auszulegen. BGH, Urt. v. 11.9.2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 17; BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 17; BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 12; BGH, Urt. v. 19.3.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 8.

446 Die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unterliegen unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14; BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 32 f.

447 Unabhängig von der Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB müssen sich für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte

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II. Geschäftsführung und Vertretung

und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben. Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Gesellschafter müssen in ihrem Vertrauen darauf geschützt werden, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind. Lässt sich ein von der Gesellschaft behaupteter Anspruch dem Gesellschaftsvertrag durch Auslegung nicht positiv entnehmen, weil der Gesellschaftsvertrag insoweit missverständlich oder unklar ist, bedarf es zur Anspruchsverneinung nicht noch der Feststellung eines vertretbaren Auslegungsergebnisses. BGH, Beschl. v. 7.11.2017 – II ZR 127/16, ZIP 2017, 2399 Rn. 6; BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14.

II. Geschäftsführung und Vertretung 1. Übertragung der Geschäftsführung auf einen Geschäftsbesorger Ein Vertrag, durch den ein als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgestalte- 448 ter geschlossener Immobilienfonds die Führung seiner Geschäfte umfassend auf einen Geschäftsbesorger überträgt, der nicht Gesellschafter ist, sowie die ihm erteilte umfassende Vollmacht fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes. Ein solcher Vertrag ist seinem Inhalt nach im Schwerpunkt nicht auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, sondern auf die Wahrung wirtschaftlicher Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter gerichtet. BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 19.

Der in der Personengesellschaft geltende Rechtsgrundsatz der Selbstorgan- 449 schaft steht der Wirksamkeit der Beauftragung und Bevollmächtigung des Geschäftsbesorgers nicht entgegen. Die gesellschaftliche Geschäftsführungsbefugnis kann zwar nicht ohne den Gesellschaftsanteil an einen Dritten übertragen werden. Dies schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss oder von vornherein im Gesellschaftsvertrag einen Dritten in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und ihm umfassende Vollmacht erteilen, sofern sie selber die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten. BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 21.

Diesen Anforderungen genügt es, wenn der Geschäftsbesorger nach dem 450 Geschäftsbesorgungsvertrag an die Vorgaben des Gesellschaftsvertrags und die Weisungen der Gesellschafter gebunden ist und mit Abschluss des Gesellschafts- sowie des Geschäftsbesorgungsvertrags bereits alle wesentlichen Grundlagen der Fondsgesellschaft geschaffen und die Rechtsverhältnisse der künftigen Gesellschafter wie auch der Umfang der Kreditaufnahme festgelegt sind.

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 21.

2. Beschränkung von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht 451 Im Gesellschaftsvertrag können die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Geschäftsführerin auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt und kann diese verpflichtet werden, gem. § 714 BGB „die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter auf ihre Anlage sämtlichen Gläubigern bekannt zu geben“. Eine solche Regelung betrifft die – für geschlossene Immobilienfonds in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch nach Aufgabe der Doppelvertretungslehre weiterhin mögliche – Haftungsbeschränkung durch eingeschränkte Vertretungsmacht auf das Gesellschaftsvermögen zum Ausschluss der persönlich unbeschränkten Haftung der Anleger. Eine Befreiung der Gesellschafter von ihrer internen Verlustbeteiligung ergibt sich daraus nicht. BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 174/19, ZIP 2020, 1807 Rn. 30.

3. Geschäftsführung und Vertretung nach Auflösung der Gesellschaft 452 Auch bei einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgestalteten Publikumsgesellschaft hat die Auflösung der Gesellschaft grundsätzlich zur Folge, dass die einzelnen Gesellschaftern verliehene Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB erlischt. Geschäftsführung und Vertretung stehen von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter können die Geschäftsführung und Vertretung der Abwicklungsgesellschaft durch Beschluss aber einzelnen Gesellschaftern übertragen. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 10 ff.

453 Für eine analoge Anwendung von § 265 Abs. 1 AktG, § 66 Abs. 1 GmbHG dahingehend, dass ein bisheriger Geschäftsführer zum Liquidator berufen ist, fehlt dagegen eine Regelungslücke, selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich um eine Publikumsgesellschaft handelt. Die Gesellschafter können auch ohne Übertragung der Regelungen aus dem Kapitalgesellschaftsrecht die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft in der Liquidation sicherstellen. Ihnen steht es frei, durch einen Beschluss eine von § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB abweichende Anordnung zu treffen und die Abwicklung auf einen bestimmten Gesellschafter zu übertragen. Daneben besteht die Möglichkeit, dass das Gericht auf Antrag eines Gesellschafters analog § 146 Abs. 2 HGB einen Liquidator ernennt, wenn dafür ein wichtiger Grund besteht. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 19.

454 Gegen eine analoge Anwendung der § 265 Abs. 1 AktG, § 66 Abs. 1 GmbHG spricht weiter, dass dies den objektiven und in § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Interessen der Gesellschafter zuwiderliefe. Ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst oder durch Erreichung oder Un-

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III. Gesellschafterversammlung; Beschlussfassung

möglichwerden des vereinbarten Zwecks beendigt, so ist ihr Zweck, soweit sie noch als fortbestehend gilt (§ 730 Abs. 2 BGB), ein anderer geworden. Er beschränkt sich nunmehr auf die Auseinandersetzung und die hierzu erforderlichen Maßnahmen bei der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 20.

Die Entscheidung darüber, ob eine Liquidationsmaßregel erforderlich ist, 455 will das Gesetz ersichtlich nicht in die Hände eines einzelnen Gesellschafters legen, dessen Interesse bei der Auseinandersetzung nicht mehr, wie während des Bestehens der werbenden Gesellschaft, als mit dem Gesellschaftszweck und dem Interesse der übrigen Gesellschafter parallel laufend vermutet wird. Im Liquidationsstadium gehen die Interessen der Gesellschaft stärker auseinander als während des Bestehens der werbenden Gesellschaft. Deshalb sollen sämtliche Gesellschafter über die erforderlichen Liquidationsmaßnahmen entscheiden. Dieses Recht würde den Gesellschaftern durch eine analoge Anwendung der kapitalgesellschaftsrechtlichen Normen genommen. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 20.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht deshalb, weil auf die körperschaft- 456 lich strukturierte Publikumskommanditgesellschaft weithin kapitalgesellschaftsrechtliche Regeln angewendet werden. Eine Übertragung der Regeln des Kapitalgesellschaftsrechts auf eine Personengesellschaft scheidet aus, wenn die konkrete Ausgestaltung des zu beurteilenden Gesellschaftsverhältnisses dem entgegensteht. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 21.

III. Gesellschafterversammlung; Beschlussfassung 1. Einberufungsbefugnis § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG, wonach Personen, die in das Handelsregister als 457 Vorstand eingetragen sind, als einberufungsbefugt hinsichtlich der Hauptversammlung gelten, ist auf die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch eine zu Unrecht im Handelsregister eingetragene persönlich haftende Gesellschafterin einer Publikumskommanditgesellschaft nicht entsprechend anzuwenden. Die unterschiedliche Interessenlage und die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft einerseits und einer Publikumskommanditgesellschaft andererseits rechtfertigen die analoge Anwendung des § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG auf die persönlich haftende Gesellschafterin nicht. BGH, Urt. v. 25.10.2016 – II ZR 230/15, ZIP 2017, 281 Rn. 40.

2. Auslegung von Beschlüssen Der Beschluss einer Publikumsgesellschaften ist nach seinem objektiven Er- 458 klärungsbefund auszulegen. Es bedarf bei Beschlüssen von Publikumsgesell-

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

schaften ebenso wie bei Gesellschaftsverträgen wegen der körperschaftlichen Struktur dieser Gesellschaften mit einer Vielzahl von persönlich nicht miteinander verbundenen Gesellschaftern und einem wechselnden Mitgliederbestand grundsätzlich einer einheitlichen objektiven Auslegung, um den Inhalt des Beschlusses auch für später beitretende Gesellschafter verlässlich zu bestimmen. BGH, Urt. v. 6.3.2018 – II ZR 1/17, ZIP 2018, 929 Rn. 16; BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 12 f.; BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13 f.; BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 18.

459 Maßgeblich für die Auslegung sind danach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck des Beschlusses aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters. Umstände, die in dem Beschluss keinen Niederschlag gefunden haben und bei einem Publikumsgesellschafter nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können oder für ihn anhand des Beschlussantrags oder -protokolls nicht ohne weiteres erkennbar sind, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden. BGH, Urt. v. 6.3.2018 – II ZR 1/17, ZIP 2018, 929 Rn. 17; BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 12.

3. Mehrheitserfordernisse bei schriftlicher Beschlussfassung 460 Ist im Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft geregelt, dass über bestimmte Beschlussgegenstände nicht die Mehrheit der abgegebenen, sondern die Mehrheit der anwesenden Stimmen entscheidet, und ergibt die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, dass die Mehrheit der anwesenden Stimmen als Mehrheit aller teilnehmenden und nicht als Mehrheit der mit Ja oder Nein stimmenden Gesellschafter zu verstehen ist, sind bei schriftlicher Beschlussfassung mit den „anwesenden“ Gesellschaftern im Regelfall nicht alle, sondern nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der schriftlichen Abstimmung beteiligen. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 16; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 11 ff.; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 209/09, WM 2011, 1851 Rn. 10 ff.

461 In einer eher körperschaftlich strukturierten Publikumsgesellschaft mit einer Vielzahl von Mitgliedern können nicht nur personengesellschaftsrechtliche, sondern auch kapitalgesellschaftsrechtliche Regeln Anwendung finden, so auch § 47 Abs. 1 GmbHG. Nach dieser Vorschrift ist die Mehrheit nicht nach der Zahl der stimmberechtigten Gesellschafter, sondern ausschließlich nach der Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen unter Außerachtlassung der Enthaltungen zu bestimmen. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 12; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 209/09, WM 2011, 1851 Rn. 11.

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III. Gesellschafterversammlung; Beschlussfassung

Ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 GmbHG 462 kann auch der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft über diese Vorschrift hinausgehende gesteigerte Mehrheitserfordernisse aufstellen. Soll jedoch abweichend von den geltenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundsätzen nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden, sollen also nicht nur die Ja- und Nein-Stimmen, sondern auch die Enthaltungen mit der Wirkung von Nein-Stimmen zählen, muss dies allerdings aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, weil derjenige, der sich der Stimme enthält, seine Unentschiedenheit bekunden und gerade nicht mit Nein stimmen will. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 12; BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 209/09, WM 2011, 1851 Rn. 11.

4. Änderung gesellschaftsvertraglich vereinbarter Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisse Beschließen die Gesellschafter einer Publikumspersonengesellschaft mit der 463 nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Mehrheit, dass Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag aufgehoben werden, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen für Änderungen des Gesellschaftsvertrags ein höheres Mehrheitserfordernis bzw. Einstimmigkeit vorschreiben, sind diese Änderungsbeschlüsse für sich genommen nicht treuwidrig, auch wenn die in den aufgehobenen Bestimmungen genannten Voraussetzungen bei der Fassung der Änderungsbeschlüsse nicht gegeben sind. Fasst die Mehrheit auf der Grundlage des geänderten Gesellschaftsvertrags künftig treuwidrige Entscheidungen zu Lasten der Minderheit, ist die Minderheit durch die gegen diese Beschlüsse gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten hinreichend geschützt. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 21 ff.

Ein Beschluss, der die Regelung der qualifizierten Mehrheitserfordernisse 464 bzw. des Einstimmigkeitserfordernisses aufhebt, ist, sofern die Geltungsvoraussetzungen für die potentiell höheren Mehrheitserfordernisse nicht vorliegen, (formell) wirksam gefasst ist, wenn er die für Änderungen des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Mehrheit von 3/4 der anwesenden Stimmen gefunden hat. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 23.

Ist die Entscheidung der Mehrheit der Gesellschafter danach von der Rege- 465 lung im Gesellschaftsvertrag gedeckt, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob sie sich als treuwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht gegenüber der Minderheit darstellt und deshalb inhaltlich unwirksam ist. Erfordert eine Mehrheitsentscheidung ihrem Inhalt nach die Zustimmung jedes einzelnen Gesellschafters, wie es beispielsweise bei Beschlüssen über nachträgliche Beitragserhöhungen (vgl. § 707 BGB) der Fall ist, führt ungeachtet sonstiger Beschlussmängel schon die fehlende Zustimmung eines Gesellschafters dazu,

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

dass der Beschluss ihm gegenüber unwirksam ist. Unerheblich ist, ob dieser Gesellschafter an der Beschlussfassung beteiligt war. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 36.

466 Bei einem im Gesellschaftsvertrag geregelten Einstimmigkeitserfordernis handelt es sich nicht um ein Sonderrecht der Gesellschafter im Sinn von § 35 BGB, in das nicht ohne ihre Zustimmung eingegriffen werden könnte. Lediglich Rechtspositionen, die individuell einem Gesellschafter oder einer Gesellschaftergruppe durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumt und zudem als unentziehbare Rechte ausgestaltet sind, stellen Sonderrechte dar. Dies trifft für ein im Gesellschaftsvertrag geregeltes Einstimmigkeitserfordernis aber nicht zu, das vielmehr eine Rechtsstellung vermittelt, die allgemein mit der Mitgliedschaft verbunden ist. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 37.

467 Das Erfordernis einer Zustimmung aller Gesellschafter lässt sich auch nicht damit begründen, die Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses greife in den „Kernbereich“ der Gesellschafterrechte ein. Gesellschaftsvertragliche Einstimmigkeitserfordernisse oder Sperrminoritäten gehören nicht zu dem Mehrheitsentscheidungen entzogenen Bereich der individuellen Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters, sondern schützen die Minderheit insgesamt. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass die im (konkreten) Gesellschaftsvertrag festgelegten Mehrheitserfordernisse in stärkerem Maße vor Änderungen geschützt wären, als es der Gesellschaftsvertrag selbst vorsieht. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 38.

468 Ein Beschluss über die Aufhebung eines gesellschaftsvertraglichen Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernisses verletzt nicht bereits deshalb treupflichtwidrig die Rechte der Minderheit, weil die Mehrheitsgesellschafter nach Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses ein im Gesellschaftsvertrag festgelegtes Gesellschaftskonzept ohne Weiteres gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter ändern könnten, wenn dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen ist, dass die Minderheitsgesellschafter vor Änderungen des Gesellschaftskonzepts schon nicht in diesem weiten Umfang geschützt sind. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 39 f.; BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, ZIP 2013, 65 Rn. 21.

469 Die Zulassung von Mehrheitsentscheidungen ist für sich genommen nicht treuwidrig. Sie verfolgt den gerade in einer Publikumsgesellschaft grundsätzlich legitimen Zweck, die bei Geltung des Einstimmigkeitsprinzips gefährdete Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicher zu stellen. Zwar wird den Mehrheitsgesellschaftern durch die Änderung des Gesellschaftsvertrags die abstrakte Möglichkeit verschafft, künftig mit ihrer Mehrheitsmacht treuwidrige Beschlüsse zu Lasten der Minderheit zu fassen. Dies rechtfertigt es aber

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IV. Informations- und Auskunftsrecht

grundsätzlich nicht, schon im „Vorfeld“ den Beschluss über die Änderung des Gesellschaftsvertrags als treuwidrig und deshalb unwirksam zu bewerten. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 41; BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, ZIP 2013, 65 Rn. 22.

Künftige Beschlüsse sind nicht schon deshalb treuwidrig, weil sie die Mehr- 470 heit aufgrund des geänderten Gesellschaftsvertrages gegen den Willen der Minderheit fassen kann. Die Minderheit ist vor treuwidrigen Entscheidungen der Mehrheit zudem durch die gegen diese Beschlüsse gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten hinreichend geschützt. Verletzen künftige – durch die Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses lediglich formell legitimierte – Beschlüsse der Mehrheit treuwidrig die Interessen der Minderheit, steht es der Minderheit offen, die materielle Unwirksamkeit solcher Beschlüsse durch eine Klage gegen diese Beschlüsse geltend zu machen. BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 251/10, ZIP 2013, 68 Rn. 41; BGH, Urt. v. 16.10.2012 – II ZR 239/11, ZIP 2013, 65 Rn. 22.

5. Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz Verlangt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft bürgerlichen 471 Rechts für die Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz als Grundlage der Verlustausgleichspflicht nach Auflösung der Gesellschaft keine qualifizierte Mehrheit, ist ein mit einfacher Mehrheit gefasster Beschluss von einer gesellschaftsvertraglichen Klausel gedeckt, nach der Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit zu fassen sind. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 272/09, ZIP 2012, 520 Rn. 21 ff.

IV. Informations- und Auskunftsrecht 1. Informationsrecht In einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG 472 folgt aus einer nach § 316 Abs. 1 HGB oder aufgrund des Gesellschaftsvertrags bestehenden Prüfungspflicht nicht die Verpflichtung, den Prüfungsbericht den Kommanditisten mit der Einladung zu der Gesellschafterversammlung, die über die Feststellung des Jahresabschlusses zu beschließen hat, zu übersenden. Dies gilt auch dann, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag allen Gesellschaftern mit der Einladung zu der Gesellschafterversammlung der Entwurf des Jahresabschlusses zu übersenden ist. § 42a Abs. 1 GmbHG ist auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, in der die Kommanditisten nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind, nicht analog anwendbar. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 9 ff.

Aus dem Bestehen einer gesetzlichen oder einer ihr gleichgestellten vertragli- 473 chen Prüfungspflicht folgt keine Pflicht, den Prüfungsbericht mit der Einla121

C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

dung zur Gesellschafterversammlung zu übersenden. Nach § 166 Abs. 1 HGB kann ein Kommanditist zwar die abschriftliche Mitteilung des (festgestellten) Jahresabschlusses verlangen, ist aber hinsichtlich vorliegender Prüfungsberichte auf ein Einsichtsrecht verwiesen. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 10.

474 Die Norm des § 42a Abs. 1 GmbHG gilt nicht für das Recht der Kommanditgesellschaft. Sie kann jedenfalls auf eine Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, in der die Kommanditisten nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind, auch nicht analog angewandt werden. An der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit des zu beurteilenden Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, fehlt es hier schon deshalb, weil die Mitwirkungsrechte von Kommanditisten wesentlich schwächer ausgebildet sind als die gesetzlichen Befugnisse der Gesellschafter einer GmbH. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 11.

475 Die Kommanditisten einer Publikumsgesellschaft müssen über den Prüfungsbericht nicht in der gleichen Art und Weise unterrichtet werden wie über den Entwurf des Jahresabschlusses. Gegen einen solchen Gleichlauf der Information spricht gerade bei Personengesellschaften mit zahlreichen Mitgliedern der Umstand, dass der Prüfungsbericht vertrauliche Informationen enthalten kann, die dem Jahresabschluss nicht zu entnehmen sind. Der für Jahresabschlüsse unter den Voraussetzungen des § 325 HGB geltenden Pflicht zur Offenlegung unterliegt der Prüfungsbericht nicht. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 14.

476 Den Kommanditisten muss auch nicht zur Meidung eines (schwerwiegenden) Einladungsmangels mit dem Entwurf des Jahresabschlusses zumindest das Ergebnis des Prüfungsberichts übersandt werden. Der das Prüfungsergebnis zusammenfassende Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) enthält zwar keine vertraulichen Informationen und ist gem. § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem festgestellten Jahresabschluss zur Offenlegung einzureichen. Danach mag es in einer Publikums-Kommanditgesellschaft erwägenswert sein, den Kommanditisten den Bestätigungsvermerk, sofern er bereits vorliegt, zusammen mit dem Entwurf des Jahresabschlusses zur Vorbereitung der zur Feststellung des Jahresabschlusses anberaumten Gesellschafterversammlung zu übermitteln. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 15.

477 Es besteht aber keine dahingehende, von den besonderen Umständen des Einzelfalls unabhängige Verpflichtung, deren Nichterfüllung zur Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses führen würde. Aus der Vorschrift des § 316 Abs. 1 Satz 2 HGB, nach der der Jahresabschluss nicht festgestellt werden kann, wenn die (gesetzlich vorgeschriebene) Prüfung nicht stattgefunden hat, folgt lediglich, dass die Gesellschafterversammlung vor der Beschlussfas122

IV. Informations- und Auskunftsrecht

sung über den Bestätigungsvermerk zu unterrichten ist. Im Übrigen stellt der Bestätigungsvermerk nach Inhalt und Funktion) regelmäßig kein für die inhaltliche Befassung mit dem Jahresabschluss notwendiges Hilfsmittel dar. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 105/13, ZIP 2015, 778 Rn. 16.

2. Auskunft über Mitgesellschafter a) Grundsatz Bei einem Gesellschaftsvertrag einer Personen- bzw. Personenhandelsgesell- 478 schaft ist das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich. Es folgt als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem und kann nicht ausgeschlossen werden, auch nicht durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 11, 20; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 12, 24; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 13 ff.; BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 11; die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschl. v. 8.2.2012 – 1 BvR 623/11; BGH, Beschl. v. 21.9.2009 – II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Rn. 8, 10.

Eine andere Beurteilung ergibt sich für eine Publikumskommanditgesell- 479 schaft, die körperschaftlich strukturiert ist, nicht deshalb, weil auf sie nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung weithin kapitalgesellschaftsrechtliche Regeln Anwendung finden. Im Kapitalgesellschaftsrecht hat der Gesetzgeber zwar bei der Aktiengesellschaft in Abänderung des § 67 Abs. 5 AktG a. F. den Aktionär auf die Einsichtnahme in seine eigenen im Aktienregister eingetragenen Daten gem. § 67 Abs. 6 AktG beschränkt. Die Rechtsstellung des Anlegers, der sich über einen Treuhandkommanditisten an einer Publikumskommanditgesellschaft beteiligt, ist im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Auskunftsanspruch aber nicht mit der eines Aktionärs vergleichbar. Hinzu kommt, dass es auch bei Kapitalgesellschaften keinen unbegrenzten Schutz der Anonymität der Kapitalanleger gibt. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 26; BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 16.

Das Auskunftsinteresse kann sich daraus ergeben, dass auch bei einer Publi- 480 kumspersonengesellschaft sich die Frage stellen kann, ob in der Person eines Stimmberechtigten Umstände vorliegen, die ein Stimmverbot begründen. Sind Anlegern, die sich lediglich als Treugeber beteiligen, innerhalb der Gesellschaft wie unmittelbaren Gesellschaftern Stimmrechte eingeräumt, müs-

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

sen sich die unmittelbaren Gesellschafter und die stimmberechtigten Treugeber folglich Kenntnis über die Identität der anderen stimmberechtigten Anleger verschaffen können, um beurteilen zu können, ob andere Anleger möglicherweise wegen des Bestehens eines Stimmverbots von der Beschlussfassung ausgeschlossen sind. Der Treugeber, dem in der Gesellschaft eigene Rechte wie einem unmittelbaren Gesellschafter eingeräumt sind, hat einen Anspruch darauf, dass ihm die Identität der anderen (stimmberechtigten) Anleger offengelegt und er dadurch in die Lage versetzt wird, diese Rechte informiert auszuüben. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 30.

481 Der einem Kommanditisten im Innenverhältnis gleichgestellte Treugeber unterliegt zudem wie jener der gesellschafterlichen Treuepflicht. Etwaige Treupflichtverstöße können Gesellschaftern und Mittreugebern, wenn ihnen die Identität der wie unmittelbare Gesellschafter beteiligten (anderen) Treugeber nicht offengelegt werden muss, aber bereits deshalb verborgen bleiben. So darf etwa ein Kommanditist – und folglich auch ein ihm im Innenverhältnis gesellschaftsvertraglich gleichgestellter Treugeber – auch dann, wenn er, wie im Regelfall nach § 165 HGB, keinem Wettbewerbsverbot unterliegt, wegen der ihm als Gesellschafter obliegenden Treuepflicht keine Geschäfte an sich ziehen, die in den Geschäftsbereich der Gesellschaft fallen und dieser aufgrund bestimmter konkreter Umstände bereits zugeordnet sind. Einen derartigen Treuepflichtverstoß könnten die Mitgesellschafter und Mittreugeber beispielsweise ohne Wissen um die Wettbewerbssituation nicht erkennen. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 31.

482 Ferner besteht ein für die Beteiligung an der Gesellschaft beachtenswertes Interesse der einzelnen Anleger, sich über die Zusammensetzung des Gesellschafter- und Treugeberkreises zu informieren. Es kann für den Anleger beispielsweise von Bedeutung sein, ob sich der bei seinem Beitritt vorhandene Gesellschafterkreis später verändert und ob etwa Anteile von bestimmten (natürlichen oder juristischen) Personen erworben werden. Wenn die Treugeber nach den Treuhandverträgen und den Gesellschaftsverträgen zur Übertragung „ihres Gesellschaftsanteils“ nur der Zustimmung des geschäftsführenden Gesellschafters der Fondsgesellschaft bedürfen, kann sich der Gesellschafterkreis der Publikumskommanditgesellschaft ohne weiteres erheblich verändern. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 32.

483 Ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse der Mittreugeber besteht aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 24;

124

IV. Informations- und Auskunftsrecht BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 41.

Das Übermitteln personenbezogener Daten war gem. § 28 Abs. 1 Nr. 1 484 BDSG a. F. im Rahmen eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses zulässig, wenn es für dessen Durchführung erforderlich ist. Das war anzunehmen, wenn der Auskunftsberechtigte bei vernünftiger Betrachtung auf die Datenverwendung zur Erfüllung der Pflichten oder zur Wahrnehmung der Rechte aus dem Vertragsverhältnis angewiesen war. In diesem Sinn war die Kenntnis der Mitgesellschafter zur effektiven Nutzung der Rechte in der zwischen den Treugebern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts erforderlich. BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17.

An diesen Grundsätzen hat sich mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grund- 485 verordnung nichts geändert. Vielmehr erlaubt Art. 6 Abs. 1b DS-GVO die Verarbeitung der Daten zur Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft. BGH, Beschl. v. 19.11.2019 – II ZR 263/18, WM 2020, 458 Rn. 28 ff.

Da die persönlichen Daten der Kommanditisten auch bei der Publikums- 486 kommanditgesellschaft schon von Gesetzes wegen für jedermann offen zu legen sind, kann nicht angenommen werden, dass der unmittelbare Kommanditist einer Publikumskommanditgesellschaft dem seinen Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis zustehenden Anspruch auf Mitteilung von Name und Wohnort ein grundsätzliches Geheimhaltungsinteresse entgegenhalten oder die begehrte Auskunft von seiner Einwilligung abhängig machen kann. BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 18.

Sind die Namen und Anschriften der anderen Gesellschafter nicht nur durch 487 Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft ersichtlich, sondern in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann der Gesellschafter zum Zweck der Unterrichtung einen Ausdruck über die geforderten Informationen verlangen. BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 19.

b) Anspruchsberechtigte Das Auskunftsrecht steht neben den Gesellschaftern auch einem Treugeber 488 zu, der im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zu den Treugebern einem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichgestellt ist. BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 12.

125

C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

489 Ebenso steht es Anlegern zu, die sich als Treugeber über eine Treuhandkommanditistin an einer Publikumsgesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft beteiligt haben, wenn die Anleger aufgrund der im konkreten Fall getroffenen vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden. BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 11.

c) Anspruchsschuldner 490 Der Anspruch des einem Kommanditisten gleichgestellten, ebenfalls gesellschaftsvertraglich verbundenen Treugebers auf Auskunft über die Namen und Anschriften der Kommanditisten und anderen Treugeber richtet sich wie die aus dem Informationsrecht des Kommanditisten folgenden Ansprüche – jedenfalls – gegen die Gesellschaft, daneben auch gegen das geschäftsführende Organ und ggf. auch gegen andere Mitgesellschafter, soweit dafür im Einzelfall sachlich berechtigte Gründe sprechen, also z. B. gegen die registerführende Treuhandkommanditistin, die die begehrte Auskunft unschwer erteilen kann. BGH, Beschl. v. 19.11.2019 – II ZR 263/18, WM 2020, 458 Rn. 13; BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 28 ff.; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 48 f.; BGH, Urt. v. 11.1.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 11, 18.

491 Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das geschäftsführende Organ bzw. der Mitgesellschafter, die anstelle der – jedenfalls – auskunftspflichtigen Gesellschaft verklagt werden, mit Prozesskosten belastet werden können. Diese können sie von der Gesellschaft ersetzt verlangen, wenn sie die Prozessführung für im Interesse der Gesellschaft erforderlich halten durften. BGH, Urt. v. 16.12.14 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 30; BGH, Urt. v. 5.2.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 = ZIP 2013, 570 Rn. 48.

V. Außenhaftung 492 Verhindert eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Vereinigung von Forderung und Schuld einer Gesellschaftsverbindlichkeit bei sich durch Veranlassung einer Inkassozession an einen Treuhänder, der für die Gesellschaft Gesellschafter aus der Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch nehmen soll, können diese gegen ihre Inanspruchnahme einwenden, dass der Inkassozessionar die Gesellschaft aus der Forderung nicht in Anspruch nehmen kann, da er die erlangten Beträge an die Gesellschaft auskehren muss. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 16 ff.

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VI. Innenhaftung und Innenausgleich

Die Haftung der Gesellschafter eines als Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus- 493 gestalteten geschlossenen Immobilienfonds für Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft kann in dem Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Darlehensgeber beschränkt werden. Der Umfang dieser Haftungsbeschränkung ist durch Auslegung des Darlehensvertrages zu ermitteln. Ergibt die Auslegung anhand des Verhältnisses der in dem ausdrücklich im Darlehensvertrag in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrag genau bezifferten Beträge des Gesellschaftskapitals, der einzelnen Einlagen, des Gesamtdarlehens und der auf die einzelnen Anteile entfallenden Darlehensrückzahlungsverpflichtung eine Haftungsquote von 1/180, haftet der einzelne Gesellschafter nicht mit einer höheren Quote, wenn weniger als 180 Anleger der Gesellschaft beitreten, sofern der Gesellschaftsvertrag keinen Anhaltspunkt dafür enthält. BGH, Urt. v. 27.11.2012 – XI ZR 144/11, ZIP 2013, 266 Rn. 16 f.; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 24.

Ein Gesellschafter, der gem. § 128 HGB auf eine anderweitig – bei Immobi- 494 lienfonds typischerweise durch eine Grundschuld – gesicherte Gesellschaftsschuld zahlt, hat jedenfalls bei nicht akzessorischen Sicherheiten keinen Zugum-Zug zu erfüllenden Anspruch auf anteilige Übertragung der Sicherheit, den er dem Gläubiger als Einrede entgegenhalten kann. Ein solcher Anspruch ergibt sich im Regelfall weder aus den Darlehensverträgen mit der Gesellschaft noch aus § 426 Abs. 2, §§ 412, 401 BGB, da Gesellschaft und Gesellschafter im Verhältnis zueinander nicht gesamtschuldnerisch haften. Auch für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift besteht kein rechtfertigender Anlass. Für den Rückgriff des zahlenden Gesellschafters auf die Gesellschaft gelten gesellschaftsrechtliche Grundsätze; maßgeblich ist hierfür § 110 HGB, der lediglich einen Erstattungsanspruch vorsieht. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 59.

Ebenso scheidet eine analoge Anwendung von § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. 495 Es fehlt die für eine Analogie erforderliche eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat den Erstattungsanspruch des Gesellschafters, der noch in der Gesellschaft verbleibt, abschließend in § 110 HGB geregelt. Ein darüber hinausgehender Forderungsübergang ist nicht vorgesehen. BGH, Urt. v. 19.7.2011 – II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 60.

VI. Innenhaftung und Innenausgleich 1. Leistung der Einlage Der gegen einen Treugeber gerichtete Anspruch auf Leistung der Einlage 496 steht unmittelbar der Gesellschaft zu, wenn der – in den Treuhandvertrag einbezogene – Gesellschaftsvertrag eine unmittelbare Verpflichtung der Treugeber vorsieht und ihnen im Innenverhältnis die Stellung eines unmittelbaren Gesellschafters einräumt.

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 11.

497 Der Widerruf des Beitritts zu einer Publikums-Personengesellschaft in einer sog. „Haustürsituation“ lässt die Verpflichtung des Widerrufenden zur Leistung seiner bis dahin noch nicht vollständig erbrachten, rückständigen Einlage nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft (siehe Rn. 614 ff.) weder rückwirkend noch ex nunc entfallen. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 52 ff.; BGH, Urt. v. 15.5.2000 – II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1209; BGH, Beschl. v. 5.5.2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 9 ff.

2. Rückforderung von Ausschüttungen 498 Wird an einen Kommanditisten auf der Grundlage einer Ermächtigung im Gesellschaftsvertrag eine Auszahlung geleistet, obwohl sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert wird, ist der Kommanditist nur dann zur Rückzahlung an die Gesellschaft verpflichtet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Allein der Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass eine solche Ausschüttung „auf Darlehenskonto gebucht wird“ und bei einem Verzicht des Gesellschafters auf diese Entnahmen „die Bildung einer Darlehensverbindlichkeit“ entfällt, lässt sich nicht mit der aus der Sicht eines beitretenden Gesellschafters erforderlichen Klarheit entnehmen, dass die Ausschüttung unter dem Vorbehalt der Rückforderung steht. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 15 ff.

499 Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass Ausschüttungen von Liquiditätsüberschüssen den Kommanditisten als unverzinsliche Darlehen gewährt werden, sofern die Ausschüttungen nicht durch Guthaben auf den Gesellschafterkonten gedeckt sind, genügt den Anforderungen an eine klare und unmissverständliche Regelung der Rückzahlungspflicht der Kommanditisten gleichfalls nicht, wenn unklar ist, ob und wie nach einem Beschluss der Gesellschafterversammlung, Liquiditätsüberschüsse auszuschütten, entstandene Entnahmeansprüche der Kommanditisten auf den Gesellschafterkonten gebucht werden müssen. BGH, Urt. v. 16.2.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 15 ff.

500 Gesellschaftern, die einen Gläubiger befriedigt haben, steht ggf. ein Ausgleichsanspruch gem. § 426 Abs. 1 BGB gegen die anderen Gesellschafter zu, der in der Liquidation als unselbständiger Rechnungsposten in die Schlussabrechnung einzustellen ist. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 34;

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VI. Innenhaftung und Innenausgleich BGH, Urt. v. 29.9.2015 – II ZR 403/13, BGHZ 207, 54 = ZIP 2015, 2268 Rn. 17.

Die Rechtsprechung hat nunmehr entschieden, dass der Liquidator (nicht da- 501 gegen der Insolvenzverwalter) auch ohne entsprechende gesellschaftsvertragliche Ermächtigung, die die Gesellschafter jedoch unabhängig davon beschließen können, zur Herbeiführung des Ausgleichs unter den Gesellschaftern befugt ist (siehe Rn. 221, 223). BGH, Urt. v. 15.12.2020 – II ZR 108/19, ZIP 2021, 255 Rn. 69; BGH, Urt. v. 27.10.2020 – II ZR 150/19, ZIP 2020, 2460 Rn. 20; BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 34; BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 67 ff., 75.

3. Haftung der Gründungsgesellschafter wegen Prospekthaftung im weiteren Sinne a) Schuldner und Gläubiger des Schadensersatzanspruchs aa) Schuldner Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der Haftung 502 für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB. Danach obliegen dem, der selbst oder durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des § 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die 503 schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen. Bei einer Publikumspersonengesellschaft ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 10; BGH, Urt. v. 8.1.2019 – II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 23; BGH, Urt. v. 17.4.2018 – II ZR 165/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 17; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 8; BGH, Urt. v. 9.5.2017 – II ZR 344/15, ZIP 2017, 1267 Rn.15; BGH, Urt. v. 21.6.2016 – II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478 Rn. 12; BGH, Urt. v. 9.7.2013 – II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 28.

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

504 Die Aufklärungspflichten, die einen nicht rein kapitalistisch als Anleger mit eigener Einlage einer Publikumsgesellschaft beigetretenen Altgesellschafter bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags gegenüber den nach ihm rein kapitalistisch als Anleger beitretenden Gesellschaftern treffen, sind unabhängig von der Höhe der Beteiligung des Altgesellschafters und der Anzahl weiterer Gesellschafter. BGH, Urt. v. 17.4.2018 – II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 21.

505 Die Schadensersatzverpflichtung trifft nur den Altgesellschafter, nicht auch die Gesellschaft, weil die fehlerhafte Aufklärung der Gesellschaft nicht zugerechnet werden kann. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 10; BGH, Urt. v. 6.2.2018 – II ZR 17/17, ZIP 2018, 826 Rn. 18; BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707.

506 Sie trifft ihn zwar in seiner Eigenschaft als aufklärungspflichtigen Altgesellschafter, aber nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis gegenüber der Gesellschaft oder Mitgesellschaftern. Der Erwerber eines Kommanditanteils haftet daher nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Veräußerers, die diesem von einem Anleger zur Last gelegt wird. BGH, Urt. v. 15.9.2020 – II ZR 20/19, ZIP 2020, 2236 Rn. 10.

507 Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen, unabhängig davon, ob der Beitritt zur Gesellschaft unmittelbar oder nur mittelbar erfolgt. Einer vom aufklärungspflichtigen Gesellschafter bis zum Vermittler führenden vertraglichen „Auftragskette“ bedarf es hierbei nicht. BGH, Urt. v. 8.1.2019 – II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 24; BGH, Urt. v. 6.11.2018 – II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 16; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 10; BGH, Urt. v. 9.7.2013 – II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 37.

bb) Gläubiger 508 Dem über einen Treuhänder beitretenden Anleger haften Gründungsgesellschafter auf Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren Sinne, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beitretender Gesellschafter behandelt werden soll. Bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, bestehen solche (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kom-

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VI. Innenhaftung und Innenausgleich

manditisten jedenfalls dann, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll. BGH, Urt. v. 8.1.2019 – II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 23; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 358/16, ZIP 2018, 1664 Rn. 8; BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; BGH, Urt. v. 11.10.2011 – II ZR 242/09, ZIP 2011, 2299 Rn. 16.

Da Anknüpfungspunkt für die Aufklärungspflichten die Anbahnung des 509 Aufnahmevertrags ist, haftet ein mit einer eigenen Kapitaleinlage beteiligter Treuhandkommanditist nicht nur gegenüber den neu eintretenden Treugebern, sondern auch gegenüber den neu eintretenden Direktkommanditisten, mit denen der Treuhandkommanditist den Aufnahmevertrag schließt. Die an die Anbahnung eines Vertragsschlusses anknüpfenden Schutz- und Aufklärungspflichten treffen grundsätzlich denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Gegenüber einem beitrittswilligen Neugesellschafter haftet daher nur der bereits vor diesem beigetretene Altgesellschafter. Der hierfür maßgebliche, Schutzpflichten begründende Zeitpunkt ist regelmäßig der Abschluss des Aufnahmevertrags des Altgesellschafters. Auf die für die Erlangung der Gesellschafterstellung lediglich deklaratorische Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht an. BGH, Urt. v. 9.5.2017 – II ZR 10/16, ZIP 2017, 1515 Rn. 11 ff.

b) Anrechnung von Steuervorteilen Aufgrund typisierender Betrachtungsweise (§ 287 ZPO) scheidet eine Vor- 510 teilsanrechnung bezogen auf die steuerlichen Vorteile, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds erlangt hat, im Rahmen des nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB geltend gemachten Schadensersatzes grundsätzlich aus, wenn die entsprechende Schadensersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist. Soweit die Schadensersatzleistung – als Rückfluss der zuvor angefallenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten – vom Anleger zu versteuern ist, ohne dass es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise darauf ankommt, ob der Anleger die Schadensersatzleistung tatsächlich versteuert, sind die erzielten Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen. Dafür reicht noch nicht die Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes. BGH, Urt. v. 11.2.2014 – II ZR 276/12, BGHZ 200, 51 = ZIP 2014, 468 Rn. 14; BGH, Urt. v. 18.12.2012 – II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 10.

Ist die steuerrechtliche Lage bei Rückabwicklung der Vermögensbeteiligung 511 unklar, erscheint es angemessen, das Risiko, ob eine Besteuerung der Schadensersatzleistung rechtlich möglich ist und tatsächlich erfolgt, dem Schädi-

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

ger aufzuerlegen. Der Geschädigte müsste ansonsten bereits im anhängigen Verfahren die Übertragung seiner Beteiligung gegen eine möglicherweise nicht vollständige Schadensersatzleistung anbieten, ohne den vollen, ihm gebührenden Ersatz zu erhalten. Ihm würde zugemutet, wegen eines rechtlich nicht gesicherten möglichen Vorteils über einen weiteren Zeitraum das Risiko zu tragen, dass der Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung nicht mehr erbringen kann. Tritt dieser Fall ein, würde im Vermögen des Geschädigten ein dauerhafter Schaden verbleiben, beim Schädiger hingegen ein dauerhafter Vorteil. BGH, Urt. v. 11.2.2014 – II ZR 276/12, BGHZ 200, 51 = ZIP 2014, 468 Rn. 18.

512 Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Finanzierungskosten, sondern auch für die aus den Anschaffungskosten hergeleiteten Absetzungen für Abnutzung – AfA. Auch die Anschaffungskosten sind der Sache nach Werbungskosten, die nur nicht im Zeitpunkt ihres Abflusses angesetzt werden können, sondern ratierlich als AfA gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG geltend zu machen sind. Soweit sie als AfA steuerlich berücksichtigt worden sind, der Anleger also entsprechende Steuervorteile erlangt hat, ist die Schadensersatzleistung bei der Einkunftsart, bei der diese Werbungskosten geltend gemacht worden sind, hier also bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, zu versteuern. BGH, Urt. v. 18.12.2012 – II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 19.

4. Freistellungsanspruch des Treuhandgesellschafters gegen den Treugeber 513 In einer Publikumspersonengesellschaft, an der sich die Anleger im Rahmen eines Treuhandverhältnisses beteiligen können, welches so ausgestaltet ist, dass die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbare Gesellschafter gestellt werden, können sie gegen den in einen Zahlungsanspruch übergegangenen Anspruch des Treuhandgesellschafters auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger nicht mit Schadensersatzansprüchen aus Prospekthaftung aufrechnen, die ihnen gegen den Treuhandgesellschafter zustehen. Dies gilt auch, wenn der Treuhandgesellschafter seinen Freistellungsanspruch an den Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft abgetreten hat. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 33 ff.; BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 26 ff.

514 Über die gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ist eine Aufrechnung verboten, wenn nach dem besonderen Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses der Ausschluss als stillschweigend vereinbart angesehen werden muss (§ 157 BGB) oder wenn die Natur der Rechtsbeziehung oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfül-

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VI. Innenhaftung und Innenausgleich

lung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar (§ 242 BGB) erscheinen lassen. Der Treuhandkommanditist übernimmt und hält die Beteiligung in der Regel treuhänderisch für Rechnung der Treugeber. Der Anleger darf bei einer solchen Gestaltung zwar grundsätzlich, soweit sich das nicht aus der Zwischenschaltung des Treuhänders unvermeidbar ergibt, nicht schlechter stehen, als wenn er selbst Kommanditist wäre; er darf aber auch nicht bessergestellt werden, als wenn er sich unmittelbar beteiligt hätte. Ihn trifft daher, wenn keine besonderen Verhältnisse vorliegen, auch das Anlagerisiko so, als ob er sich unmittelbar als Kommanditist beteiligt hätte. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 27.

Die Einbindung der Anleger durch das Treuhandverhältnis erfasst auch die Haf- 515 tung des Treuhandkommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern, soweit die Einlagen nicht erbracht oder wieder zurückbezahlt worden sind. Aus diesem Grund kann sich der Anleger der ihn mittelbar über die Inanspruchnahme durch den Treuhandkommanditisten treffenden Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB nicht durch Aufrechnung mit Ansprüchen gegen den Treuhandkommanditisten entziehen. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 27.

In einer Fondsgesellschaft in der Rechtsform einer offenen Handelsgesell- 516 schaft, bei der die Anleger aufgrund der Verzahnung von Gesellschafts- und Treuhandvertrag im Innenverhältnis zur Gesellschaft die Stellung unmittelbarer Gesellschafter haben, ist wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft nach § 128 HGB, die mit der den Kommanditisten treffenden, ggf. nach § 172 Abs. 4 HGB wiederaufgelebten Haftung nach §§ 128, 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1 HGB ohne weiteres zu vergleichen ist, die Beurteilung dieselbe. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 36 f.

Der Unterschied, dass die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft 517 den Gesellschaftsgläubigern persönlich mit ihrem gesamten Vermögen haften, während die Haftung der Kommanditisten – abgesehen von dem Sonderfall des § 176 HGB – durch die Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme begrenzt ist und durch Zahlung der Einlage in Höhe der Haftsumme ganz ausgeschlossen werden kann, rechtfertigt es nicht, nur beim (Treugeber-)Kommanditisten ein Aufrechnungsverbot anzunehmen, nicht dagegen auch bei dem unbegrenzt haftenden (Treugeber-)Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft. Der tragende Grund für das Aufrechnungsverbot, dass nämlich der Treugeber in Gesellschaften der vorliegenden Art grundsätzlich nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden soll als der unmittelbare Gesellschafter und er deshalb das Anlagerisiko ebenso

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

wie der unmittelbare Gesellschafter tragen soll, trifft auf beide Gesellschaftsformen gleichermaßen zu. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 37.

518 Eine Differenzierung ist auch nicht gegenüber den Fällen geboten, in denen der Insolvenzverwalter der Fondsgesellschaft die Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger nach § 171 Abs. 2 HGB geltend macht. Es besteht kein Grund, die Treugeber-Anleger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens strenger haften zu lassen als zuvor, indem ihnen nur im Insolvenzverfahren der Fondsgesellschaft die Aufrechnung verwehrt wird. Die gesellschaftsrechtliche Haftung hängt nicht vom Eintritt der Insolvenz ab. Zudem wird häufig nur deshalb kein Insolvenzantrag gestellt, weil zahlungskräftige Anleger vorhanden sind, von denen erwartet wird, dass sie die Schulden der Gesellschaft begleichen können. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 38.

519 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass ein Kommanditist gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht mit Ansprüchen aufrechnen kann, die ihm nur gegen einzelne Gesellschaftsgläubiger zustehen, während das für den Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft nicht angenommen wird. Die Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit des Kommanditisten beruht auf dem insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger. Das hier eingreifende Aufrechnungsverbot des Treugebers beruht dagegen auf dem Grundsatz der Gleichstellung von mittelbaren und unmittelbaren Gesellschaftern einer Publikumsgesellschaft mit entsprechender Vertragsgestaltung. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 39.

520 Es ist auch keine Differenzierung geboten zwischen einem Anspruch, den der Treuhänder gegen den Treugeber geltend macht, und einem solchen, den der Gesellschaftsgläubiger oder der Insolvenzverwalter nach einer Abtretung gegen den Treugeber verfolgt. Entscheidend ist in beiden Fällen, dass der Gesellschaftsgläubiger bzw. der Insolvenzverwalter wegen der regelmäßigen Beschränkung des Vermögens des Treuhandgesellschafters auf die Freistellungsansprüche gegen die Treugeber bei mangelnder Liquidität der Anlagegesellschaft nur dann seine Ansprüche ohne den Umweg der Pfändung etwaiger Ansprüche der Gesellschaft gegen die (Treugeber-)Gesellschafter realisieren kann, wenn die Inanspruchnahme der Treugeber aus den Freistellungsansprüchen gelingt. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 40.

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VI. Innenhaftung und Innenausgleich

Da der Treugeber durch die Zwischenschaltung des Treuhänders nicht bes- 521 sergestellt werden soll, als wäre er (unmittelbarer) Gesellschafter geworden, muss ihm auch gegenüber dem Treuhänder die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen verwehrt sein. Dem Anleger bleibt die Möglichkeit, den etwaigen Schadensersatzanspruch im Wege eines Aktivprozesses, ggf. einer Widerklage, zu verfolgen. Er trägt dabei das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Treuhandgesellschafters und damit im Ergebnis das Anlagerisiko. BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 297/11, BGHZ 194, 180 = ZIP 2012, 1706 Rn. 40.

Das Abtretungsverbot nach § 399 Fall 1 BGB steht der Abtretung des An- 522 spruchs des Treuhandkommanditisten gegen den Treugeber auf Freistellung von der Haftung für Ansprüche von Gläubigern der Gesellschaft an den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft mit der Folge, dass sich dieser in einen Zahlungsanspruch umwandelt, nicht entgegen. Zwar verändert der Freistellungsanspruch infolge der Abtretung seinen Inhalt, da er sich in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Eine solche Veränderung des Leistungsinhalts hindert die Abtretung aber nicht, wenn der Freistellungsanspruch gerade an den Gläubiger der zu tilgenden Schuld abgetreten wird. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 14.

Als solcher ist hinsichtlich der sich aus der Kommanditistenhaftung gem. 523 § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ergebenden Ansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft der Insolvenzverwalter anzusehen. Gemäß § 171 Abs. 2 HGB ist er zur Durchsetzung der Ansprüche gegen Kommanditisten ermächtigt, während die Gesellschaftsgläubiger, die materiell-rechtliche Anspruchsinhaber bleiben, daran gehindert sind, ihre Ansprüche selbst geltend zu machen. Berechtigte Interessen des Schuldners des Freistellungsanspruchs, deren Schutz das Abtretungsverbot nach § 399 Fall 1 BGB bezweckt, werden durch die Abtretung an den Insolvenzverwalter anstelle des Gesellschaftsgläubigers nicht beeinträchtigt. BGH, Urt. v. 22.3.2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 = ZIP 2011, 906 Rn. 14.

5. Innenausgleich zwischen Mitgesellschaftern beim Aufwendungsersatz nach § 110 HGB Tilgen Treugeberkommanditisten ohne Verpflichtung im Innenverhältnis zur 524 Gesellschaft Gesellschaftsverbindlichkeiten, können sie von der Gesellschaft jedenfalls dann nach § 110 HGB Aufwendungsersatz verlangen, wenn sie im Innenverhältnis zur Gesellschaft, den anderen Treugebern und Gesellschaftern eine einem unmittelbaren Gesellschafter entsprechende Rechtsstellung haben. Einer Anwendung der Vorschrift steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter, der Schulden der Gesellschaft tilgt, zugleich eine ihn treffende

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

Pflicht erfüllt und auf diese Weise dafür vorsorgt, dass er von Gesellschaftsgläubigern oder im Falle einer Insolvenz vom Insolvenzverwalter nicht mehr nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB in Anspruch genommen werden kann. BGH, Urt. v. 29.9.2015 – II ZR 403/13, BGHZ 207, 54 = ZIP 2015, 2268 Rn. 15 f.

525 Leistet ihnen die Gesellschaft keinen Aufwendungsersatz, können Treugeberkommanditisten, die im Rahmen eines Sanierungskonzepts Verbindlichkeiten der Gesellschaft getilgt haben, von Mit-Treugebern, soweit diese für die getilgten Gesellschaftsverbindlichkeiten (mittelbar) haften und sich nicht durch Tilgungszahlungen an der Sanierung beteiligt haben, entsprechend § 426 Abs. 1 BGB einen deren Beteiligung an der Gesellschaft entsprechenden anteiligen Ausgleich verlangen. Den Mit-Treugebern ist es nach § 242 BGB verwehrt, sich gegenüber den zahlenden Treugeberkommanditisten darauf zu berufen, dass sie lediglich mittelbare Gesellschafter sind und deshalb im Außenverhältnis nicht (unmittelbar) haften. BGH, Urt. v. 29.9.2015 – II ZR 403/13, BGHZ 207, 54 = ZIP 2015, 2268 Rn. 21 ff.

VII. „Sanieren oder Ausscheiden“ 526 Beschließen die Gesellschafter einer zahlungsunfähigen und überschuldeten Publikumspersonengesellschaft mit der im Gesellschaftsvertrag für Änderungen des Vertrages vereinbarten Mehrheit die Gesellschaft in der Weise zu sanieren, dass das Kapital „herabgesetzt“ und jedem Gesellschafter frei gestellt wird, eine neue Beitragspflicht einzugehen („Kapitalerhöhung“), dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aber aus der Gesellschaft ausscheiden muss, so sind die nicht zahlungsbereiten Gesellschafter aus gesellschafterlicher Treuepflicht jedenfalls dann verpflichtet, diesem Gesellschafterbeschluss zuzustimmen, wenn sie infolge ihrer mit dem Ausscheiden verbundenen Pflicht, den auf sie entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, finanziell nicht schlechter stehen, als sie im Falle der sofortigen Liquidation stünden. BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 = ZIP 2009, 2289 Rn. 23 ff. – Sanieren oder Ausscheiden.

527 Regelt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass eine Kapitalerhöhung auch im Krisenfall nur einstimmig beschlossen werden kann und das Nichterreichen der Einstimmigkeit zur Folge hat, dass die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben, so sind die zahlungsunwilligen Gesellschafter nicht aus gesellschaftlicher Treuepflicht verpflichtet, einem Beschluss zuzustimmen, dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 19 ff.

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VII. „Sanieren oder Ausscheiden“

Grundlage solcher Treuepflichten eines Gesellschafters ist stets nur die auf 528 dem konkreten Gesellschaftsverhältnis beruhende berechtigte Erwartungshaltung der übrigen Gesellschafter. Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschafterlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang; der einzelne Gesellschafter ist nur insoweit verpflichtet, wie er es im Gesellschaftsvertrag versprochen hat. Der Gesellschaftsvertrag muss jedoch für eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu seinem Ausscheiden aus gesellschafterlicher Treuepflicht in besonders gelagerten Ausnahmefällen keine ausdrückliche Regelung enthalten. Diese Treuepflicht ist jedem Gesellschaftsverhältnis ohne ausdrückliche Regelung immanent. BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23; BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21.

Ein Gesellschaftsvertrag kann allerdings diese Treuepflicht ausdrücklich oder 529 im Wege der Auslegung konkretisierende Regelungen enthalten, die insbesondere die aus der Treuepflicht folgende Zustimmungspflicht für bestimmte Sachverhalte einschränken oder an weitere Voraussetzungen knüpfen. Enthält ein Gesellschaftsvertrag solche die Zustimmungspflicht einschränkende oder modifizierende Regelungen, dürfen die Mitgesellschafter nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass sie einen Gesellschafter ohne seine Zustimmung ausschließen können. Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis insoweit keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen. BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23; BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21.

Wenn die Zustimmungspflicht auch ohne eine (ausdrückliche) Regelung im 530 Gesellschaftsvertrag schon aus der allgemeinen gesellschafterlichen Treuepflicht folgt, dann ist es unschädlich, wenn der Gesellschaftsvertrag zwar Regelungen zur Nachschusspflicht und zum Ausschluss bei Nichterfüllung der Nachschusspflicht enthält, diese den Anforderungen an eine antizipierte Zustimmung aber nicht genügen. Allein dadurch werden Umfang und Inhalt der sich aus der gesellschafterlichen Treuepflicht ergebenden Verpflichtungen des einzelnen Gesellschafters in der Krisensituation der Gesellschaft nicht verändert. BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 33.

Jedenfalls kann ihnen keine die aus der gesellschafterlichen Treuepflicht fol- 531 gende Zustimmungspflicht einschränkende Wirkung zukommen. Solange der Gesellschaftsvertrag keine die Erwartungshaltung der sanierungswilligen Gesellschafter einschränkende Regelung bezüglich der Zustimmung der nicht sanierungswilligen Gesellschafter zu ihrem Ausscheiden enthält, bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass die gesellschafterliche Treuepflicht in jedem Gesellschaftsverhältnis auch ohne entsprechende Regelung ergeben kann,

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

dass die Gesellschafter in besonders gelagerten Ausnahmefällen verpflichtet sind, einem ihre Gesellschafterstellung aufhebenden Beschluss der Gesellschafterversammlung zuzustimmen. BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 33.

VIII. Auflösung und Beendigung 1. Kündigung und Kündigungsbeschränkung 532 Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen im Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist; er hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens. BGH, Urt. v. 20.1.2015 – II ZR 444/13, ZIP 2015, 630 Rn. 7.

533 Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 723 Abs. 3 BGB, die Freiheit des Einzelnen zu wahren, können bei bestimmten Gesellschaftsverträgen den Ausschluss einer übermäßig langen Bindung erfordern, wenn diese in ihrer praktischen Wirkung einem Kündigungsausschluss für unbestimmte Zeit gleichkommt. Die Frage, wo die zeitliche Grenze einer zulässigen Zeitbestimmung verläuft, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantworten. Hierbei sind außer den schutzwürdigen Interessen der einzelnen Gesellschafter an absehbaren, einseitigen, ohne wichtigen Grund gewährten Lösungsmöglichkeiten auch die Struktur der Gesellschaft, die Art und das Ausmaß der für die Beteiligten aus dem Gesellschaftsvertrag folgenden Pflichten sowie das durch den Gesellschaftszweck begründete Interesse an möglichst langfristigem Bestand der Gesellschaft zu berücksichtigen. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 205/10, ZIP 2012, 1599 Rn. 18 f.

534 Die Regelung im Gesellschaftsvertrag einer Kapitalanlagegesellschaft in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die dem nur in geringem Umfang kapitalmäßig beteiligten Anleger eine ordentliche Kündigung seiner Beteiligung erstmals nach 31 Jahren gestattet, stellt wegen des damit für den Anleger verbundenen unüberschaubaren Haftungsrisikos eine unzulässige Kündigungsbeschränkung nach § 723 Abs. 3 BGB dar. Eine langfristige Bindung ist sittenwidrig, wenn durch sie die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit so beschränkt wird, dass die eine Seite der anderen in einem nicht mehr hinnehmbaren Übermaß „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert ist. Maßgebend ist eine Abwägung der jeweiligen vertragstypischen und durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägten Umstände. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 205/10, ZIP 2012, 1599 Rn. 12 ff.

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VIII. Auflösung und Beendigung

Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 723 Abs. 3 BGB besteht in der 535 Nichtigkeit (nur) der entgegenstehenden Kündigungsbeschränkung. An die Stelle der nichtigen Kündigungsregelung tritt dispositives Recht, das heißt der Gesellschafter kann seine Beteiligung jederzeit nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB ordentlich kündigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Gesellschaftszweck oder die sonstigen zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen erkennen lassen, dass sie übereinstimmend eine zeitlich unbegrenzte oder lang anhaltende Bindung gewollt haben und mit der Nichtigkeit aus § 723 Abs. 3 BGB nicht gerechnet haben. In derartigen Fällen ist das Gericht befugt, den Parteiwillen durch ergänzende Vertragsauslegung, das heißt durch Festsetzung einer den Vorstellungen der Beteiligten möglichst nahe kommenden, noch zulässigen Befristung Rechnung zu tragen. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 205/10, ZIP 2012, 1599 Rn. 22.

2. Geschäftsführungsbefugnis Auch bei einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgestalteten Publi- 536 kumsgesellschaft hat die Auflösung der Gesellschaft grundsätzlich zur Folge, dass die einzelnen Gesellschaftern verliehene Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB erlischt. Die Geschäftsführung und Vertretung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Die Gesellschafter können die Geschäftsführung und Vertretung der Abwicklungsgesellschaft durch Beschluss aber einzelnen Gesellschaftern übertragen. BGH, Urt. v. 5.7.2011 – II ZR 199/10, ZIP 2011, 1865 Rn. 10 ff.

3. Auseinandersetzung und interner Ausgleich Nach § 735 Satz 2 BGB haften die übrigen Gesellschafter subsidiär, wenn der 537 auf einen Mitgesellschafter nach § 735 Satz 1 BGB entfallende Verlustausgleichsbetrag nicht erlangt werden kann, weil er zahlungsunfähig oder die Forderung gegen ihn aus sonstigen Gründen nicht durchsetzbar ist. Die Darlegung, dass und ggf. in welcher Höhe die Gesellschaft mit Nachschussforderungen gegen Gesellschafter konkret ausgefallen ist, ist zwar erforderlich, wenn im Zuge der Schlussabrechnung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern der Umfang der Nachschusspflicht der einzelnen Gesellschafter unter Berücksichtigung der subsidiären Ausfallhaftung nach § 735 Satz 2 BGB endgültig festgestellt werden soll. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 28 f.

Anders ist es aber, wenn es nach einem Beschluss der Gesellschafterver- 538 sammlung noch nicht um die (auf den Zeitpunkt der Vollbeendigung der Gesellschaft bezogene) endgültige Abrechnung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern geht. Soweit in der mit einem Beschluss der Gesellschafterversammlung mehrheitlich gebilligten Liquidationsbilanz bei der 139

C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

Ermittlung des zur Berichtigung der Gesellschaftsverbindlichkeiten benötigten Betrages berücksichtigt worden ist, dass von etwa 20 % der Gesellschafter voraussichtlich keine Zahlung zu erlangen sein wird, ist damit die Höhe des auf die einzelnen Gesellschafter nach § 735 Satz 1 und 2 BGB entfallenden Verlustausgleichs trotz der Bezeichnung als „Schlussbilanz“ ersichtlich nur vorläufig festgestellt worden. Diese Verfahrensweise unterliegt bei einer Publikumsgesellschaft weder unter dem Blickwinkel der gesellschafterlichen Treuepflicht noch im Hinblick auf die Regelung des § 735 BGB rechtlichen Bedenken. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 29.

539 Die in diesem Stadium der Abwicklung der Gesellschaft erstellte Auseinandersetzungsbilanz dient dazu, durch eine Gegenüberstellung des Aktivvermögens mit den Verbindlichkeiten der Gesellschaft einschließlich der Gesellschaftereinlagen festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Überschuss verteilt werden kann oder von den Gesellschaftern Nachschüsse benötigt werden, um die Verbindlichkeiten begleichen und die Einlagen zurückerstatten zu können. Dabei ist das Aktivvermögen zu bewerten. Bestehen bei Aufstellung der Bilanz ernsthafte Zweifel an der Werthaltigkeit von Forderungen der Gesellschaft, ist diesem Umstand in der Bilanz in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Auch bei den Ansprüchen gegen die Gesellschafter auf Zahlung von Verlustausgleich, die in eine zu dem genannten Zweck erstellte Bilanz eingestellt werden, handelt es sich um Forderungen der Gesellschaft, die das – zur Begleichung der Verbindlichkeiten und Rückerstattung der Einlagen – unzureichende Aktivvermögen ergänzen. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 30.

540 Bestehen schon bei der Aufstellung dieser Auseinandersetzungsbilanz greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der ermittelte Fehlbetrag durch die Anforderung von Nachschüssen in gleicher Höhe nicht aufgebracht werden kann, weil zu erwarten ist, dass Gesellschafter teilweise nicht in der Lage sein werden, die auf sie entfallenden Nachschüsse zu leisten, kann die Gesellschafterversammlung mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Mehrheit beschließen, dass diesem Umstand bereits bei der Festlegung der Höhe der von den Gesellschaftern anzufordernden Nachschusszahlungen Rechnung getragen wird, und den Liquidator zur Einforderung der entsprechenden Beträge anweisen. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 30.

541 Die Geltendmachung der sich aus der Schlussabrechnung gegen die einzelnen Gesellschafter entsprechend ihrer Verlustbeteiligung ergebenden Ansprüche auf Zahlung eines Nachschusses gem. § 735 BGB ist als Teil der Abwicklung Aufgabe des Liquidators. Dieser hat die jeweils geschuldeten

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VIII. Auflösung und Beendigung

Nachschusszahlungen von allen Gesellschaftern, deren Zahlungsunfähigkeit nicht feststeht, einzufordern, hat diese ggf. zu verklagen und einen sich abweichend vom prognostizierten Ausfall ergebenden Überschuss an die Gesellschafter zu verteilen. BGH, Urt. v. 15.11.2011 – II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 = ZIP 2012, 515 Rn. 36.

Im Rechtsstreit über die Einziehung ausstehender Einlagen durch den Liqui- 542 dator einer Fondsgesellschaft ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die ausstehenden Einlagen zur Durchführung der Liquidation erforderlich sind, der Schluss der mündlichen Verhandlung. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 137/16, ZIP 2018, 781 Rn. 43.

Bei Auflösung einer Publikums-Kommanditgesellschaft in Form einer Mas- 543 sengesellschaft ist der Liquidator zur Einforderung rückständiger Einlagen zum Zweck des internen Gesellschafterausgleichs befugt, da der Ausgleich unter den Gesellschaftern noch zu den Aufgaben des Liquidators gehört (siehe Rn. 501, 221). Dies gilt auch dann, wenn die Abwicklung der Gesellschaft nach § 38 KWG angeordnet wurde. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 95/16, BGHZ 217, 237 = ZIP 2018, 721 Rn. 67 ff.; BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 137/16, ZIP 2018, 781 Rn. 60.

Im Fall der Anordnung der Abwicklung einer Fondsgesellschaft nach § 38 544 KWG handelt es sich bei der Einforderung rückständiger Gesellschaftseinlagen durch den Abwickler zum Zweck der Liquidation um kein neues, werbendes Geschäft, das aufgrund der Abwicklungsanordnung nach § 38 KWG, § 149 HGB untersagt wäre. BGH, Urt. v. 30.1.2018 – II ZR 108/16, ZIP 2018, 829 Rn. 40.

4. Nachtragsliquidation Für eine Publikumskommanditgesellschaft können anders als bei einer offe- 545 nen Handelsgesellschaft oder einer typischen Kommanditgesellschaft die Vorschriften des HGB über die Liquidation (§§ 146 ff., 157 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) nicht gelten. Die Durchführung einer Nachtragsliquidation setzt hier vielmehr in entsprechender Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG voraus, dass ein Nachtragsliquidator gerichtlich bestellt worden ist. Mit dieser entsprechenden Heranziehung der kapitalgesellschaftsrechtlichen Bestimmung über die Einleitung einer Nachtragsliquidation wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Publikumskommanditgesellschaft, der regelmäßig eine unüberschaubare Zahl einander unbekannter, nicht am Ort des Gesellschaftssitzes lebender Kommanditisten angehören und deren Funktion als Kapitalsammelstelle im Vordergrund steht, nicht wie das dem Gesetzgeber des HGB vor Augen stehende Modell der Handelsgesellschaft personalistisch, sondern körperschaftlich strukturiert ist. Entsprechend sind auch die

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C. Publikumspersonengesellschaften; Fonds und Anlagegesellschaften

auf andere Verhältnisse zugeschnittenen handelsrechtlichen Liquidationsbestimmungen ungeeignet, bei einer Publikumskommanditgesellschaft eine sachgerechte und den Interessen aller Beteiligten gerecht werdende Nachtragsabwicklung zu gewährleisten. BGH, Urt. v. 2.6.2003 – II ZR 102/02, BGHZ 155, 121 = ZIP 2003, 1338, 1339.

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D. Partnerschaftsgesellschaft I. Partnerschaftsgesellschaft als Gesellschafterin einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung Eine Partnerschaftsgesellschaft (§ 1 PartGG) kann gem. § 59e Abs. 1 Satz 1 546 BRAO – anders als unter bestimmten (engen) Voraussetzungen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB) – nicht Gesellschafterin einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung sein (§ 59c Abs. 1, § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO). Gesellschafter sind nicht, wie es § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft verlangt, nur Rechtsanwälte und Angehörige der in § 59a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BRAO genannten Berufe, sondern (allein) eine Partnerschaftsgesellschaft (mit beschränkter Berufshaftung). BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ(Brfg) 33/16, BGHZ 214, 235 = ZIP 2017, 811 Rn. 13.

Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass eine Gesellschaft 547 bürgerlichen Rechts unter bestimmten (engen) Voraussetzungen als Gesellschafterin einer Patentanwaltsgesellschaft und dementsprechend auch einer Rechtsanwaltsgesellschaft in Betracht kommt. Zu den nach § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO in Betracht kommenden Gesellschaftern einer Rechtsanwaltsgesellschaft gehören die dort genannten – natürlichen – Personen und zudem eine aus diesen bestehende, auf das Halten von deren GmbH-Anteilen beschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht hingegen eine Partnerschaftsgesellschaft. BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ(Brfg) 33/16, BGHZ 214, 235 = ZIP 2017, 811 Rn. 17 f.

Die Erweiterung des Kreises zulässiger Gesellschafter einer Rechtsanwaltsge- 548 sellschaft widerspräche dem insoweit in § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO erkennbar zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers. Der besonders gelagerte (Ausnahme-)Fall einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren alleiniger Gegenstand das Halten von Gesellschaftsanteilen der an ihr beteiligten Berufsangehörigen an einer von diesen ausgeübten Anwaltsgesellschaft ist und die gesellschaftsrechtlichen und berufsrechtlichen Besonderheiten einer solchen Form der Beteiligung lassen sich nicht auf die Fallgestaltung der Beteiligung einer Partnerschaftsgesellschaft übertragen, die gegenüber der Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtlich stärker verselbständigt ist und deren Gesellschaftszweck bereits nach dem Gesetz nicht eine (ausschließliche) Beteiligung an einer anderen Gesellschaft in dem vorbezeichneten Sinne, sondern gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PartGG die gemeinsame Berufsausübung der ihr angehörenden Partner ist. BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ(Brfg) 33/16, BGHZ 214, 235 = ZIP 2017, 811 Rn. 25, 36.

143

D. Partnerschaftsgesellschaft

549 Bei der Partnerschaftsgesellschaft handelt es sich, wie die in § 7 Abs. 2, 3 und 5 PartGG enthaltenen Verweisungen auf die entsprechenden Vorschriften des Handelsgesetzbuchs verdeutlichen, um eine der Offenen Handelsgesellschaft – als deren „Schwesterfigur“ – angenäherte rechtsfähige Personengesellschaft. Der Gesetzgeber hat die Partnerschaftsgesellschaft insoweit als einer juristischen Person weitgehend angenähert angesehen. Nur soweit im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz – und den darin in Bezug genommenen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs – nichts anderes bestimmt ist, finden auf die Partnerschaft die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung (§ 1 Abs. 4 PartGG). Gesellschafter einer Partnerschaft können nur natürliche Personen sein (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PartGG), da dies am ehesten dem Leitbild der auf ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber ausgerichteten freiberuflichen Tätigkeit entspricht. Gemäß § 8 Abs. 4 PartGG kann die Partnerschaft auch als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung ausgeübt werden. BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ(Brfg) 33/16, BGHZ 214, 235 Rn. 16 = ZIP 2017, 811.

550 Der Gesetzgeber hat die Partnerschaftsgesellschaft deutlich selbständiger ausgestaltet und sie insbesondere als Rechtssubjekt gegenüber den ihr als Gesellschafter angehörenden natürlichen Personen rechtlich deutlich stärker verselbständigt als dies bei der teilrechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Fall ist. Damit ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts den in § 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO genannten natürlichen Personen rechtlich gesehen näher und treten die in ihr verbundenen Berufsangehörigen als natürliche Personen gegenüber der Gesellschaft weniger stark in den Hintergrund als dies bei einer völlig verselbständigten juristischen Person oder einer dieser angenäherten Partnerschaftsgesellschaft der Fall ist. BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ(Brfg) 33/16, BGHZ 214, 235 = ZIP 2017, 811 Rn. 37.

II. Interprofessionelle Partnerschaft 551 Die Anmeldung einer „interprofessionellen Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ (Name), deren Gegenstand die Ausübung des selbständigen Berufs des Rechtsanwalts durch einen Partner und der Ärztin und Apothekerin durch eine Partnerin ist, wobei letztere nur gutachterlich und beratend tätig werden und in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen ausüben noch eine Apotheke betreiben soll, erfüllt die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung nach dem Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (PartGG). Insbesondere stehen der Eintragung weder die Ausgestaltung und der Gegenstand der angemeldeten Partnerschaft noch der Umstand entgegen, dass sich die Partnerin als Ärztin und Apothekerin beteiligen will; auch greifen Bedenken nach § 2 PartGG, § 18 Abs. 2 HGB gegen den Namen der Partnerschaft nicht durch. 144

II. Interprofessionelle Partnerschaft BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 8, 10.

Die selbständige Ausübung des Berufs des Arztes und diejenige des Rechts- 552 anwalts gehören zu den in § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ausdrücklich aufgeführten Beispielen für die Ausübung eines Freien Berufs im Sinne des Gesetzes. Die Tatsache, dass die Partnerin in der Partnerschaft nur gutachterlich und beratend tätig werden soll, steht ihrer Eignung als Partnerin i. S. d. § 1 Abs. 1 und 2 PartGG nicht entgegen. Die selbständige Ausübung des Berufs des Arztes setzt nicht voraus, dass die Heilkunde auch in Form der Heilbehandlung ausgeübt wird. Die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit des Arztes stellt ebenso eine selbständige Ausübung dieses Berufes dar. Dementsprechend unterliegt auch der nur gutachterlich tätige Arzt grundsätzlich der nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht, und das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO umfasst grundsätzlich alle Tatsachen, deren Kenntnis der Arzt als ärztlicher Sachverständiger erlangt hat. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 11 f.

Auch die Ausübung des selbständigen Berufs des Apothekers stellt jedenfalls 553 bei nur gutachterlicher und fachlich beratender Tätigkeit die Ausübung eines Freien Berufs i. S. v. § 1 Abs. 1 und 2 PartGG dar. Zwar findet sich der Beruf des Apothekers nicht unter den ausdrücklich benannten Beispielen des § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG ist aber auch die Ausübung „ähnlicher Berufe“ Ausübung eines Freien Berufs im Sinne des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes. Die selbständige Ausübung des Berufs des Apothekers stellt, jedenfalls dann, wenn keine Apotheke betrieben, sondern eine gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit ausgeübt wird, die Ausübung eines solchen ähnlichen Berufs dar. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 13 f.

Der nur gutachterlich und beratend ausgeübte Apothekerberuf ist den in § 1 554 Abs. 2 Satz 2 PartGG ausdrücklich aufgeführten Berufen als ein akademischer Heilberuf ähnlich. Die Ähnlichkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der nicht ausdrücklich genannte Beruf mit einem der Katalogberufe in wesentlichen Punkten vergleichbar ist, wobei auf die für die Freiberuflichkeit typischen Merkmale abzustellen und ein wertender Vergleich anzustellen ist. § 1 Abs. 2 Satz 1 PartGG definiert die Freien Berufe als Berufe, die im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt haben. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 15 f.

145

D. Partnerschaftsgesellschaft

555 Diese Voraussetzungen erfüllt auch der Beruf des Apothekers, wenn er durch gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit ausgeübt wird. Grundlage ist eine Hochschulausbildung; es werden persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Dienstleistungen höherer Art erbracht, die im Interesse des Auftraggebers und – mittelbar – auch im Interesse der Allgemeinheit (Volksgesundheit) liegen. Ähnlichkeit in den wesentlichen Punkten besteht – unter Berücksichtigung der hier relevanten gutachterlichen und fachlich beratenden Berufsausübung – danach insbesondere mit den anderen Heilberufen, vor allem dem des Arztes, sowie mit dem des Handelschemikers. Weiter besteht eine Nähe zum Beruf des hauptberuflichen Sachverständigen. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 16.

556 Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bewusst von der Aufnahme des Apothekerberufs in den Katalog des § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG abgesehen hat, weil er, ohne die Freiberuflichkeit des Apothekerberufs in Frage stellen zu wollen, den berufsrechtlichen Vorschriften Vorrang einräumen und der Vorschrift des § 8 ApothG Rechnung tragen wollte, nach der eine Apotheke von mehreren nur in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft betrieben werden darf. Zwar wird deshalb der Apotheker auch vom Schrifttum überwiegend nicht zu den partnerschaftsfähigen Berufen gezählt. Gesetzgeber und Schrifttum stellen hierbei aber auf den Betrieb einer Apotheke und nicht auf die gutachterliche und fachlich beratende Tätigkeit eines Apothekers ab. Jedenfalls für einen solchen Fall der nichtgewerblichen Betätigung ist der Apotheker als „ähnlicher Beruf“ i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG anzusehen, ohne dass dieser Auslegung der gesetzgeberische Wille entgegenstünde. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 17.

557 § 59a Abs. 1 BRAO steht der Eintragung der Partnerschaft nicht entgegen. § 59a Abs. 1 BRAO enthält zwar eine abschließende Aufzählung derjenigen Berufe, mit deren Angehörigen sich ein Rechtsanwalt in einer Berufsausübungsgesellschaft verbinden darf. § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist jedoch mit diesem abschließenden Inhalt mit Art. 12 Abs. 1 des GG unvereinbar und nichtig, soweit Rechtsanwälten untersagt wird, sich mit Ärzten und Apothekern zur Ausübung ihrer Berufe zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen. BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11, BGHZ 210, 48 = ZIP 2016, 1115 Rn. 21 ff.; BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13, WM 2016, 379 Rn. 44 – 93; BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – II ZB 7/11 = WM 2013, 1417 Rn. 36.

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IV. Fortführung des Namens der Partnerschaft mit Doktortitel

III. Eintragung eines Doktortitels in das Partnerschaftsregister Doktortitel sind aufgrund Gewohnheitsrechts in das Partnerschaftsregister 558 eintragungsfähig. Das Partnerschaftsregister soll dem Handelsregister vergleichbare Funktionen für die für freie Berufe vorgesehene besondere Gesellschaftsform der Partnerschaftsgesellschaft erfüllen. Dementsprechend wird es registerrechtlich dem Handelsregister weitgehend gleichgestellt. BGH, Beschl. v. 4.4.2017 – II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 10 ff.

Die gesetzlichen Regelungen sehen eine Eintragung von Doktortiteln in das 559 Partnerschaftsregister nicht vor. Nach § 5 Abs. 1 PartGG hat die Eintragung in das Partnerschaftsregister die in § 3 Abs. 2 PartGG genannten Angaben sowie das Geburtsdatum jedes Partners und die Vertretungsmacht der Partner zu enthalten. Zu den in § 3 Abs. 2 Nr. 2 PartGG genannten Angaben zu den Partnern gehören der Name und der Vorname sowie der in der Partnerschaft ausgeübte Beruf und Wohnort jedes Partners. Akademische Grade wie der Doktortitel werden hiervon nicht erfasst. Sie sind weder Bestandteil des Namens noch sind sie begrifflich zur Berufsangabe zu rechnen. BGH, Beschl. v. 4.4.2017 – II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 15 f.

Die Eintragungsfähigkeit einer Information in das Partnerschaftsregister 560 kann – ebenso wie in das Handelsregister – auch rein gewohnheitsrechtlich begründet werden. Gewohnheitsrecht steht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht, so dass es auch Grundlage einer registerrechtlichen Eintragung sein kann. Für das Handels- und infolge dessen auch für das Partnerschaftsregister ist von der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Eintragungsfähigkeit von Doktortiteln auszugehen. Daran hat sich auch durch die Reform des Personenstandsrechts zum 1. Januar 2009 nichts geändert. BGH, Beschl. v. 4.4.2017 – II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 22 f.

Gewohnheitsrecht beruht nach ständiger Rechtsprechung auf einer lang an- 561 dauernden und ständigen, gleichmäßigen und allgemeinen tatsächlichen Übung, mit der ein bestimmter Lebenssachverhalt durch die beteiligten Verkehrskreise behandelt wird. Hinzutreten muss in subjektiver Hinsicht, dass diese Übung von der Überzeugung getragen wird, mit ihrer Anwendung geltendes Recht zu befolgen. Für das Handels- und das Partnerschaftsregister ist die Eintragungsfähigkeit von Doktortiteln bislang gewohnheitsrechtlich anerkannt. Es entspricht langjähriger ständiger Übung der Registergerichte, Doktortitel auf Wunsch der Beteiligten einzutragen. BGH, Beschl. v. 4.4.2017 – II ZB 10/16, ZIP 2017, 1067 Rn. 24 ff.

IV. Fortführung des Namens der Partnerschaft mit Doktortitel Wenn der namensgebende Partner ausscheidet und in die Fortführung seines 562 Namens eingewilligt hat, ist gem. § 2 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 24 Abs. 2

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D. Partnerschaftsgesellschaft

HGB die Fortführung der bisherigen Firma bzw. des bisherigen Namens der Partnerschaft gestattet, § 24 Abs. 2 HGB, um unter Durchbrechung des in § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB enthaltenen Grundsatz der Firmenwahrheit den ideellen und materiellen Wert der bisherigen Firma zu erhalten. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 Rn. 8.

563 Diese Fortführungsbefugnis gilt nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 HGB für die gesamte bisherige Firma und damit auch für den in der bisherigen Firma bzw. im bisherigen Namen der Partnerschaft angegebenen Doktortitel des ausscheidenden Namensgebers. Der Doktortitel ist zwar nicht Bestandteil des bürgerlichen Namens des Ausscheidenden, wohl aber als Namenszusatz Bestandteil des Namens der Gesellschaft. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 Rn. 9.

564 Die Fortführungsbefugnis nach § 24 HGB steht allerdings unter dem Vorbehalt des Irreführungsverbots des § 18 Abs. 2 Satz 1 HGB. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 Rn. 10.

565 § 24 HGB setzt sich nur mit Blick auf Änderungen im Gesellschafterbestand gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit durch. Täuschende Zusätze können hingegen grundsätzlich auch bei der abgeleiteten Firma nicht hingenommen werden. Dieser Vorbehalt des Irreführungsverbots gilt entsprechend auch für die Namensfortführung einer Partnerschaft gem. § 2 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 24 Abs. 2, 18 Abs. 2 HGB und wurde im Zuge der Liberalisierung des Firmenrechts durch das Handelsrechtsreformgesetz im Jahr 1998 im Interesse des Verkehrsschutzes beibehalten. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 Rn. 11 f.

566 Die Fortführung des Doktortitels nach Ausscheiden des einzigen promovierten Partners im Fall einer Partnerschaft von Rechtsanwälten ist nicht als unzulässige Irreführung anzusehen. Bei einer Partnerschaft von Rechtsanwälten müssen alle Partner, ob promoviert oder nicht, eine akademische Ausbildung abgeschlossen haben. Die Zulassung als Rechtsanwalt setzt gem. § 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO grundsätzlich die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz und damit gem. § 5 Abs. 1 DRiG den Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Universitätsstudiums voraus. Die besondere Wertschätzung, die dem Doktortitel aufgrund der darin zum Ausdruck kommenden abgeschlossenen Hochschulausbildung von der breiten Öffentlichkeit entgegengebracht wird, ist daher in der Sache auch bei sämtlichen Partnern einer Partnerschaft von Rechtsanwälten begründet. Eine Eignung zur Irreführung über wesentliche Umstände, die der Fortführungsberechtigung nach § 24 Abs. 2 HGB entgegenstehen könnte, liegt nicht vor. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 Rn. 17 ff.

567 Dasselbe gilt für eine als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anerkannte Partnerschaft mit einem Wirtschaftsprüfer und einem vereidigten Buchprüfer als 148

V. Gesamtschuldnerische Haftung, § 8 PartGG

Partnern und eine als Steuerberatungsgesellschaft anerkannte Partnerschaft mit einem vereidigten Buchprüfer und Steuerberater sowie einem Rechtsanwalt als Partnern. BGH, Beschl. v. 8.5.2018 – II ZB 27/17, ZIP 2018, 1439 Rn. 17 ff.

V. Gesamtschuldnerische Haftung, § 8 PartGG Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG haften die Partner neben dem Vermögen der 568 Partnerschaft als Gesamtschuldner für Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Das gilt auch dann, wenn der in Anspruch genommene Partner selbst keinen beruflichen Fehler zu verantworten hat. BGH, Urt. v. 12.9.2019 – IX ZR 190/18, ZIP 2019, 1955 Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 17.

Waren nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so 569 haften nur sie für berufliche Fehler neben der Partnerschaft; ausgenommen sind Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung (§ 8 Abs. 2 PartGG). Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 PartGG begründet nicht die Haftung des einzelnen Partners, sondern schränkt sie ein. Sie setzt die Bearbeitung des Auftrags durch einen oder mehrere Partner voraus und besagt, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung diejenigen Partner, die nicht oder nicht wesentlich mit dem Mandat befasst waren, nicht haften. Sinn der in § 8 Abs. 2 PartGG angeordneten Haftungsbeschränkung ist es, den betroffenen Angehörigen der freien Berufe Planungssicherheit zu vermitteln und ihre jeweiligen Haftungsrisiken kalkulierbar zu machen. Das Haftungsrisiko der Partner, die mit der Sache nicht befasst waren, soll eingeschränkt werden. BGH, Urt. v. 12.9.2019 – IX ZR 190/18, ZIP 2019, 1955 Rn. 8 f.

War ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mit- 570 haftung nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft. Ein Ende der Haftung eines Partners mit Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft und eine gesonderte Prüfung ordnet § 8 Abs. 1 und Abs. 2 PartGG nicht an. Für eine entsprechende teleologische Reduktion der Vorschrift besteht kein Anlass. Wer den Fehler intern begangen hat, können schon die Partner oft nicht leicht erkennen. Umso mehr gilt dies für den geschädigten Mandanten. Da der Gesetzgeber eine einfache und unbürokratische gesetzliche Regelung der Handelndenhaftung schaffen wollte, darf der Mandant denjenigen Partner in Anspruch nehmen, der sich – für ihn erkennbar – mit seiner Sache befasst hat. BGH, Urt. v. 12.9.2019 – IX ZR 190/18, ZIP 2019, 1955 Rn. 10.

149

D. Partnerschaftsgesellschaft

VI. Haftung nach Eintritt von Partnern 1. Haftung gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG, § 130 HGB 571 Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG in Verbindung mit § 130 HGB haftet der neu eintretende Gesellschafter auch für vor seinem Beitritt begründete Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Der hierin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke findet seine Begründung und Rechtfertigung in den Eigenheiten rechtsfähiger Personengesellschaften mit auf dem Prinzip der Akzessorietät aufbauender Haftungsverfassung. BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 15.

572 Diese Erwägung trifft gleichermaßen auch für Verbindlichkeiten zu, die sich aus fehlerhafter Berufsausübung ergeben. Die Sonderregelung der Haftungskonzentration in § 8 Abs. 2 PartGG für Verbindlichkeiten aus dem vorgenannten Bereich modifiziert lediglich den weit gefassten Haftungstatbestand des § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG, schließt ihn aber nicht aus. Der neu eintretende Partner kann zwar vor seinem Eintritt nicht mit der „Bearbeitung eines Auftrags befasst“ gewesen sein, danach aber schon, und dies genügt, um ihn in den Kreis der Haftenden miteinzubeziehen. Grundsätzlich gilt daher § 8 Abs. 1 Satz 2 PartGG auch für die Verbindlichkeiten aus Berufshaftung. BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 16.

573 Sind mehrere Partner mit der Sache befasst, dann haften diese gesamtschuldnerisch. Die Haftung ist lediglich an das Merkmal der Befassung gebunden, nicht dagegen an die Verletzungshandlung, die zu dem konkreten Berufsausübungsfehler führt. Die Beraterhaftung des § 8 Abs. 2 PartGG kann mithin als verschuldensunabhängige Handelndenhaftung verstanden werden. Sie trifft auch solche an der Bearbeitung beteiligte Partner, die selbst nicht fehlerhaft gehandelt haben. Es kommt entscheidend nur darauf an, wer von den Partnern einen Bearbeitungsbeitrag von nicht untergeordneter Bedeutung geleistet hat. Dabei ist ein Bearbeitungsbeitrag nicht schon deshalb von untergeordneter Bedeutung, weil der Fehler von einem anderen Partner begangen wurde. BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 17.

574 Ist ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so kann er daher auch für vor seinem Eintritt in die Partnerschaft begangene berufliche Fehler eines anderen mit dem Auftrag befassten Partners haften, selbst wenn er sie nicht mehr korrigieren kann. BGH, Urt. v. 19.11.2009 – IX ZR 12/09, ZIP 2010, 124 Rn. 18 ff.

2. Haftung entsprechend § 28 Abs. 1 HGB 575 Treten einer Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft Rechtsanwälte bei, die zuvor mit anderen Rechtsanwälten eine Sozietät in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben haben, haftet die Partnerschaftsge150

VI. Haftung nach Eintritt von Partnern

sellschaft nur aufgrund eines erklärten Schuldbeitritts, nicht jedoch entsprechend § 28 Abs. 1 HGB für die bisher die Sozietät verpflichtenden Versorgungsansprüche eines aus der Sozietät ausgeschiedenen Altpartners. BGH, Beschl. v. 23.11.2009 – II ZB 7/09, ZIP 2010, 2042 Rn. 4 ff.

Es ist zweifelhaft, ob § 28 HGB auf die Partnerschaftsgesellschaft bereits 576 deshalb nicht anwendbar ist, weil § 2 Abs. 2 PartGG zwar eine Reihe von Vorschriften des 3. Abschnitts des HGB ausdrücklich für anwendbar erklärt, aber neben § 25 HGB und einigen anderen Vorschriften auch den § 28 HGB nicht aufführt. Offen bleiben kann auch die Frage, ob – wofür gute Gründe angeführt werden können – jeder Unternehmensträger, nicht bloß der Kaufmann im Sinne des HGB, als Einzelkaufmann i. S. d. § 28 Abs. 1 HGB angesehen werden kann und ob es genügt, wenn durch den Eintritt in das Geschäft des bisherigen Einzelunternehmers eine (das Unternehmen tragende) Gesellschaft bürgerlichen Rechts entsteht. Denn eine Haftung der aufnehmenden Partnerschaftsgesellschaft für Versorgungsansprüche des ausgeschiedenen Altpartners kann ausgehend von Wortlaut, Systematik, Zweck und Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht auf eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 HGB gestützt werden. BGH, Beschl. v. 23.11.2009 – II ZB 7/09, ZIP 2010, 2042 Rn. 5.

§ 28 Abs. 1 HGB ordnet die Haftung der Gesellschaft für Altschulden des 577 aufnehmenden Geschäftsinhabers an. Altschulden des eintretenden Gesellschafters hat dagegen der hier mangels Übernahme des Sozietätsnamens nicht eingreifende § 25 HGB im Blick. Bei § 28 Abs. 1 HGB geht es nicht um die Altschulden des Eintretenden. Geschützt werden sollen vielmehr die Gläubiger des „alten Geschäfts“. Eine Anwendung des § 28 Abs. 1 HGB auf den Beitritt in eine bestehende Gesellschaft mit der Folge der Haftung der Gesellschaft für die Altverbindlichkeiten des Beitretenden verlässt den Boden einer zulässigen Analogie, also die Anwendung einer im Gesetz geregelten Rechtsfolge auf einen vergleichbaren Fall. BGH, Beschl. v. 23.11.2009 – II ZB 7/09, ZIP 2010, 2042 Rn. 6 f.

Dies wäre zudem mit dem Grundsatz einer notwendigerweise engen Auslegung 578 des § 28 HGB nicht vereinbar. Dem Gesetzgeber ging es allein um die Sicherstellung der Haftung des Eintretenden für die Altschulden des Einzelkaufmanns und nicht um die Haftung der entstehenden Gesellschaft für Altschulden des Eintretenden. Ausgangspunkt der Überlegungen des Gesetzgebers war die Haftung des Eintretenden gem. § 130 HGB, der allerdings nur eingreift, wenn jemand in eine bereits bestehende Gesellschaft eintritt. Da sich die Verhältnisse bei einem Zusammenschluss eines Einzelkaufmanns mit einem Teilhaber und der daraus erst entstehenden Gesellschaft und die Verhältnisse bei einem Beitritt in eine bereits bestehende Gesellschaft ähneln und eine „grundsätzlich verschiedene Behandlung sachlich nicht“ zu rechtfertigen ist, hat der Gesetzgeber den § 28 HGB als Ergänzung zu § 130 HGB geschaffen. BGH, Beschl. v. 23.11.2009 – II ZB 7/09, ZIP 2010, 2042 Rn. 8.

151

D. Partnerschaftsgesellschaft

VII. Liquidation der Partnerschaftsgesellschaft 579 Auch bei einer Partnerschaftsgesellschaft können die Partner durch einstimmigen Beschluss anstelle der Liquidation nach §§ 145 ff. HGB eine andere Art der Auseinandersetzung wählen. Diese kann in einer Naturalteilung bestehen. Nach Beendigung der Liquidation findet der interne Ausgleich der Partner/Gesellschafter zwischen diesen statt. Zur Geltendmachung eines Ausgleichsanspruchs genügt eine sog. einfache Auseinandersetzungsrechnung. BGH, Beschl. v. 11.5.2009 – II ZR 210/08, ZIP 2009, 1376 Rn. 3 f.

152

E. Stille Gesellschaft I. Einlage des stillen Gesellschafters 1. Leistung causa societatis Die Anwendung der Schenkungsregeln ist ausgeschlossen, wenn ein Gesell- 580 schafter, ohne dazu nach dem Gesellschaftsvertrag oder aus einem anderen Rechtsgrund verpflichtet zu sein, eine Leistung an die Gesellschaft im Hinblick auf seine Mitgliedschaft (causa societatis) erbringt oder eine solche zusagt. Eine solche Verpflichtung wird auch ohne die Vereinbarung einer unmittelbaren Gegenleistung im Rechtssinne regelmäßig vor dem Hintergrund abgegeben, dass sich der Gesellschafter von ihr eine Stärkung der Gesellschaft und damit mittelbar eine Verbesserung seiner durch die Mitgliedschaft vermittelten Vermögenslage oder auch nur immaterielle Vorteile verspricht. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, ZIP 2013, 19 Rn. 19.

Aus demselben Grund fallen Verpflichtungen oder Zuwendungen der Gesell- 581 schaft an ihre Gesellschafter gleichfalls nicht in den Anwendungsbereich der §§ 516 ff. BGB, wenn sie im Hinblick auf die Mitgliedschaft erfolgen. Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen an einzelne Gesellschafter, die im Hinblick auf die Mitgliedschaft erfolgen, beruhen regelmäßig auch dann, wenn im Leistungszeitpunkt keine rechtliche Verpflichtung zur Erbringung der Leistung besteht, auf der gesellschaftsvertraglich verabredeten gemeinsamen Zweckverfolgung, an deren Erfolg der Gesellschafter teilhaben soll. Der im Gesellschaftsverhältnis wurzelnde Leistungszweck steht der Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung i. S. d. § 516 Abs. 1 BGB ebenso entgegen wie bei entsprechenden freiwilligen Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft. Für das stille Gesellschaftsverhältnis (§ 230 Abs. 1 HGB), das gleichfalls die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks voraussetzt und bei dem die Teilhabe des stillen Gesellschafters am Erfolg des Handelsgewerbes durch Leistungen aus dem Vermögen des Geschäftsinhabers vollzogen wird, ist eine andere Beurteilung nicht geboten. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, ZIP 2013, 19 Rn. 20.

Erbringt die Gesellschaft eine Zahlung an den stillen Gesellschafter und be- 582 zeichnet sie diese unter Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag ausdrücklich als Vergütung auf die stille Einlage, die dem stillen Gesellschafter in der „vertraglich vereinbarten“ Höhe am „vertraglich vereinbarten“ Fälligkeitstag zufließen solle, obwohl die nach dem stillen Gesellschaftsvertrag vereinbarten Voraussetzungen für eine Vergütungszahlung für das betreffende Geschäftsjahr nicht gegeben waren und die Gesellschaft dies im Zusammenhang mit der Zahlung zum Ausdruck gebracht hat, steht das der hierdurch begründeten Annahme einer Leistungszusage causa societatis, die eine Anwendung der Schenkungsregeln ausschließt, nicht entgegen.

153

E. Stille Gesellschaft BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, ZIP 2013, 19 Rn. 17 ff., 23.

583 Eine unentgeltliche schenkweise Zuwendung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die versprochene Leistung (zuvor) rechtlich nicht geschuldet wird. Für die Annahme einer Leistung causa societatis ist es auch unerheblich, ob die Zusage der Zahlung der Vergütung für dieses Geschäftsjahr als selbstständiges Schuldversprechen i. S. d. § 780 Satz 1 BGB zu beurteilen ist. Auch ein Schuldversprechen wäre nicht schenkweise erteilt (§ 518 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern hätte seinen Rechtsgrund in dem zwischen den Parteien bestehenden gesellschaftsrechtlichen Verhältnis. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – II ZR 50/11, ZIP 2013, 19 Rn. 23.

2. Verjährung des Einlagenanspruchs 584 Die Verjährung des Anspruchs des Inhabers des Handelsgeschäfts gegen den stillen Gesellschafter auf Erbringung der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage richtet sich nach §§ 195, 199 BGB. Eine analoge Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist der § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG, § 54 Abs. 4 Satz 1 AktG kommt auch bei einer im Innenverhältnis erfolgten Gleichstellung des stillen Gesellschafters mit einem Kommanditisten nicht in Betracht. BGH, Beschl. v. 1.3.2010 – II ZR 249/08, ZIP 2010, 1341 Rn. 9.

II. Haftung des stillen Gesellschafters 585 Ein stiller Gesellschafter haftet im Außenverhältnis grundsätzlich auch dann nicht für die Verbindlichkeiten des Inhabers des Handelsgeschäfts nach §§ 128, 171 HGB persönlich, wenn die stille Gesellschaft atypisch ausgestaltet und er im Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten einem Kommanditisten gleichgestellt ist. Die Haftungslage ändert sich selbst dann nicht, wenn der stille Gesellschafter zum Generalbevollmächtigten ernannt und ihm die diesem besonderen Verhältnis zugrunde liegenden Pflichten übertragen werden. Der stille Gesellschafter haftet vielmehr nur dann im Außenverhältnis persönlich, wenn dafür ein besonderer Haftungsgrund besteht, etwa ein Schuldbeitritt oder ein Rechtsschein. BGH, Beschl. v. 1.3.2010 – II ZR 249/08, ZIP 2010, 1341 Rn. 2.

III. Auflösung der stillen Gesellschaft 1. Sofortige Beendigung durch Auflösung 586 Die Auflösung der stillen Gesellschaft, die als bloße Innengesellschaft über kein gesamthänderisch gebundenes Gesellschaftsvermögen verfügt, führt grundsätzlich zu deren sofortiger Beendigung. Dies gilt in gleicher Weise für eine mehrgliedrige stille Gesellschaft, die als sog. „Innen-KG“ ausgestaltet ist, jedenfalls dann, wenn nur die Auflösung der stillen Gesellschaft beschlossen worden ist. Der auf Berechnung seines Auseinandersetzungsgut154

III. Auflösung der stillen Gesellschaft

habens zum Zeitpunkt der Auflösung der stillen Gesellschaft gerichtete Anspruch des stillen Gesellschafters entsteht demgemäß nicht erst dann, wenn sämtliche Schulden des Geschäftsherrn berichtigt sind. BGH, Urt. v. 8.12.2015 – II ZR 333/14, ZIP 2016, 523 Rn. 9 ff.

2. Auflösung durch Kündigung aus wichtigem Grund Eine stille Gesellschaft kann gem. § 234 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 723 BGB aus 587 wichtigen Gründen ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Das – unentziehbare – Recht zur außerordentlichen Kündigung setzt allerdings voraus, dass dem Kündigenden nach Lage des Falles eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört oder ein gedeihliches Zusammenwirken aus sonstigen, namentlich auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich ist. Die Feststellung des wichtigen Grundes zur Kündigung erfordert deshalb die eingehende (tatrichterliche) Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 16.

Die Kündigung führt zur Auflösung der stillen Gesellschaft und zur Ausei- 588 nandersetzung nach Maßgabe des § 235 HGB, bei der die Einzelansprüche unselbstständige Rechnungsposten werden. Der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens wird regelmäßig erst nach dieser Auseinandersetzung fällig. Insoweit gilt – entsprechend der Durchsetzungssperre bei der Auflösung einer Personengesellschaft – auch für die Beendigung einer stillen Gesellschaft das Prinzip der Gesamtabrechnung. Erst der Saldo der Auseinandersetzungsrechnung ergibt, wer von wem noch etwas zu fordern hat. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 15.

3. Auseinandersetzung Wird ein atypisch stilles Gesellschaftsverhältnis beendet, hat der atypisch 589 stiller Gesellschafter einen gesetzlichen Abfindungsanspruch, der nicht allein den Buchwert seiner Einlage umfasst, sondern so zu ermitteln ist wie das Auseinandersetzungsguthaben des Mitglieds einer beendeten Offenen Handelsgesellschaft, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vereinbart ist. BGH, Urt. v. 9.7.2001 – II ZR 205/99, ZIP 2001, 1414; BGH, Urt. v. 13.4.1995 – II ZR 132/94, WM 1995, 1277; BGH, Urt. v. 16.5.1994 – II ZR 223/92, NJW-RR 1994, 1185.

Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens des stillen 590 Gesellschafters entsteht – ebenso wie der Verlustausgleichsanspruch – mit

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E. Stille Gesellschaft

der Beendigung der stillen Gesellschaft und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit einer Klage durchgesetzt werden (§ 271 BGB). Fällig wird der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens – ebenso wie ein eventueller Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers – regelmäßig erst nach der Auseinandersetzung gem. § 235 Abs. 1 HGB in Form der Durchführung einer Gesamtabrechnung, die der Geschäftsinhaber allerdings nicht ungebührlich hinauszögern darf. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 14, 16.

591 Die selbstständige Geltendmachung von Einzelansprüchen vor Beendigung der Auseinandersetzung ist nur dann ausnahmsweise zuzulassen, wenn dadurch das Ergebnis der Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens nicht besteht. Der stille Gesellschafter kann daher, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, ausnahmsweise ohne Auseinandersetzung Zahlung verlangen, wenn vor Beendigung der Auseinandersetzung mit Sicherheit feststeht, dass er jedenfalls einen bestimmten Betrag fordern kann. Darüber hinaus ist das Interesse des (stillen) Gesellschafters an einer raschen Zahlung nicht schutzwürdig. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 18 f., 22 f.

592 Ist der stille Gesellschafter allerdings nach dem Gesellschaftsvertrag auch am Verlust der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage beteiligt, so steht nicht von vornherein und ohne Auseinandersetzungsrechnung fest, dass er – wie ein stiller Gesellschafter, der nicht am Verlust beteiligt ist – einen Betrag jedenfalls in Höhe seiner Einlage verlangen kann. BGH, Urt. v. 3.2.2015 – II ZR 335/13, ZIP 2015, 1116 Rn. 19.

593 Kommt der ratenweise zu erbringenden Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters einer mehrgliedrigen Publikumsgesellschaft nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen Eigenkapitalcharakter zu, ist der stille Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft zur Zahlung seiner noch nicht erbrachten Einlageraten einschließlich der im Beendigungszeitpunkt noch nicht fälligen Raten jedenfalls zu den vertraglichen Fälligkeitsterminen verpflichtet, soweit seine Einlage zur Befriedigung der Gläubiger des Geschäftsinhabers benötigt wird. BGH, Urt. v. 16.5.2017 – II ZR 284/15, ZIP 2017, 1365 Rn. 10, 19 ff.

594 Wird eine (mehrgliedrige atypisch) stille Gesellschaft aufgelöst, sind die stillen Gesellschafter zur Rückzahlung der ihnen zugeflossenen gewinnunabhängigen Ausschüttungen an den Geschäftsinhaber verpflichtet, wenn dieser Rückzahlungsanspruch im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.

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IV. Fehlerhafte stille Gesellschaft BGH, Urt. v. 20.9.2016 – II ZR 120/15, ZIP 2016, 2262 Rn. 13 ff.

Der künftige Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, 595 der mit der Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses entsteht, kann im Voraus abgetreten werden und im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Wird das stille Gesellschaftsverhältnis abgewickelt, ist darin die Auflösung zu sehen, selbst wenn die Höhe des Auszahlungsbetrages noch umstritten ist. BGH, Urt. v. 13.11.2000 – II ZR 52/99, ZIP 2001, 69; BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 122/96, ZIP 1997, 1589, 1590.

Führen Eheleute eine atypisch stille Gesellschaft, dann kann es interessenge- 596 recht sein, hinsichtlich der Abfindung des stillen Gesellschafters danach zu differenzieren, ob gleichzeitig mit der Beendigung der stillen Gesellschaft auch das Unternehmen des Inhabers eingestellt oder ob es fortgeführt wird. Enthält der Gesellschaftsvertrag dementsprechend ausdrücklich differenzierende Abfindungsregeln, verletzt eine Auslegung, die sich hierüber hinwegsetzt, den Grundsatz beiderseits interessengerechter Vertragsauslegung. BGH, Urt. v. 9.7.2001 – II ZR 205/99, ZIP 2001, 1414 f.

IV. Fehlerhafte stille Gesellschaft 1. Grundsätze Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft (siehe Rn. 614 ff.) sind auf 597 eine stille Gesellschaft anwendbar, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als „typische“ oder „atypische“ stille Gesellschaft. BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 755; BGH, Urt. v. 29.11.2004 – II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255.

Dem steht nicht entgegen, dass bei der stillen Gesellschaft kein Gesamthands- 598 vermögen besteht. Sie ist gleichwohl ebenfalls eine echte Risikogemeinschaft mit einer meist auf lange Zeit vereinbarten Teilung des Gewinns und Verlusts des Unternehmens, zu dem auch der stille Gesellschafter seinen Beitrag erbracht hat. Die Gesichtspunkte, die für die Anwendung der Regeln der fehlerhaften Gesellschaft sprechen, dass es nämlich zu unerträglichen Ergebnissen führen würde, eine auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft, für welche die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, mit rückwirkender Kraft aufzuheben und damit so zu behandeln, als ob sie niemals bestanden hätte, treffen daher im Grundsatz gleichermaßen zu. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 11; BGH, Urt. v. 23.7.2013 – II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 17.

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E. Stille Gesellschaft

599 Bei Ansprüchen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten beim Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags ist die Rechtsprechung zunächst davon ausgegangen, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eine rückwirkende Auflösung des Vertragsverhältnisses verbieten und bis zur Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses der Durchsetzung eines auf Rückgewähr der Einlage gerichteten Schadensersatzanspruchs aus vorvertraglichem Verschulden entgegenstehen. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 136/92, ZIP 1993, 1089, 1090 f.

600 Später wurde angenommen, dass ein solcher Schadensersatzanspruch mit dem Begehren, den stillen Gesellschafter so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet, jedenfalls in einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft nicht den Beschränkungen nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft unterliegt. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 13.

2. Fehlerhafte mehrgliedrige stille Gesellschaft 601 Für den Beitritt zu einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft ist dagegen entschieden worden, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass der stille Gesellschafter nicht im Wege des Schadensersatzes wegen eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens die Rückabwicklung seiner Beteiligung durch Rückgewähr seiner Einlage Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus der stillen Beteiligung verlangen kann. Er hat vielmehr einen Anspruch auf ein (etwaiges) Abfindungsguthaben nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft und ergänzend, je nach Vermögenslage des Handelsbetriebs und der Höhe der – hypothetischen – Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter, einen Anspruch auf Ersatz seines durch den Abfindungsanspruch nicht ausgeglichenen Schadens. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 16.

602 Bei der dieser Entscheidung zugrunde liegenden mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beschränkte sich die mit der Abgabe der Beitrittserklärung begründete Rechtsbeziehung nicht auf ein nur zweiseitiges stilles Gesellschaftsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anleger und der Geschäftsherrin, sondern der stille Gesellschafter trat einer aus der Geschäftsherrin und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Publikumsgesellschaft bei. Auf diese – zulässige – Gestaltung eines einheitlichen Gesellschaftsverhältnisses zwischen dem Geschäftsinhaber und mehreren stillen Gesellschaftern sind nach Invollzugsetzung schon wegen des schutzwürdigen Bestandsinteresses der Beteiligten grundsätzlich die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 17 ff.

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IV. Fehlerhafte stille Gesellschaft

Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ist bei dieser 603 Gestaltung nicht nur im Verhältnis zu der aus der Geschäftsherrin und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft, sondern auch in Bezug auf den aus dem Beitrittsvertrag hergeleiteten Schadensersatzanspruch gegen die Geschäftsherrin geboten, mit dem der stille Gesellschafter so gestellt werden will, als habe er sich nicht als stiller Gesellschafter beteiligt. Zwar ist auch hier wie bei bloß zweiseitigen stillen Gesellschaftsverhältnissen allein die Geschäftsherrin als Inhaberin des Handelsgewerbes i. S. d. § 230 HGB rechtlich Adressatin des nach Beendigung des fehlerhaften Gesellschaftsverhältnisses gegebenen Abfindungs- oder Auseinandersetzungsanspruchs. Bei einer isolierten Betrachtung, die allein auf die rechtliche Trennung zwischen der nach außen handelnden Geschäftsherrin und der lediglich als Innengesellschaft bestehenden (stillen) Gesellschaft zwischen der Geschäftsherrin und allen stillen Gesellschaftern abstellt, bliebe jedoch unberücksichtigt, dass die Regelungen über den Bestand der einzelnen Beteiligungen einschließlich der Rechtsfolgen ihrer Beendigung im Gesellschaftsvertrag der aus allen stillen Gesellschaftern und der Geschäftsherrin bestehenden Gesellschaft vereinbart und die Bestimmungen über Auseinandersetzung und Abfindung beim Ausscheiden eines stillen Gesellschafters mit Blick auf die Gesamtheit aller stillen Gesellschafter getroffen sind. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 25 f.

Macht bei einem stillen Gesellschaftsvertrag, der nach den Grundsätzen der 604 fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu behandeln ist, ein Vertragsteil von seinem Recht, den Vertrag unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB zu beenden, Gebrauch, muss die fristlose Kündigung – zumindest auch – auf den Vertragsmangel gestützt werden. Der Gesellschafter muss den Fehler „geltend machen“. Für die Annahme einer Kündigung reicht die Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit rückwirkender Kraft beseitigen zu wollen, aus, weil darin in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 32; BGH, Urt. v. 23.7.2013 – II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 23.

Die Kündigung hat zur Folge, dass dem stillen Gesellschafter ggf. ein nach 605 den gesellschaftsrechtlichen Regeln zu berechnender Abfindungsanspruch zusteht und er dazu auch die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz verlangen kann. Dabei ist ein etwaiger auf einer Pflichtverletzung des Geschäftsinhabers bei dem Beitritt des stillen Gesellschafters beruhender Schadensersatzanspruch dergestalt zu berücksichtigen, dass sich der geschädigte Anleger seinen Abfindungsanspruch anrechnen lassen muss und daher allen-

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E. Stille Gesellschaft

falls Ersatz eines den Abfindungsanspruch übersteigenden Schadens verlangen kann. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 28.

606 Wegen des vorrangigen Interesses der Mitgesellschafter an einer geordneten Abwicklung ist die weitere Einschränkung geboten, dass ein über den nach gesellschaftsrechtlichen Regeln zu berechnenden Abfindungsanspruch hinausgehender Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährden darf. Solange eine Schmälerung solcher Ansprüche anderer Anleger droht, ist der einzelne Anleger an der Durchsetzung eines auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Beitritt gestützten Schadensersatzanspruchs gegen den Geschäftsinhaber gehindert. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 29.

607 Ist die Gesellschaft zwischen allen stillen Gesellschaftern tatsächlich aufgelöst und bestehen nach Beendigung der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsherrn und allen stillen Gesellschaftern keine Auseinandersetzungsansprüche mehr, so stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem verbleibenden, ggf. dem Grunde und dem Betrag nach bereits festgestellten Schadensersatzanspruch eines geschädigten Anlegers nicht mehr entgegen. Es mag dann zwar zu einem „Wettlauf“ zwischen geschädigten Anlegern mit ihren gegen den Geschäftsinhaber gerichteten Schadensersatzansprüchen kommen. Die Mitgesellschafter stehen sich dabei jedoch nicht als solche, sondern lediglich als wie auch sonst miteinander konkurrierende Gläubiger eines Schuldners gegenüber. Es ist dann nicht erforderlich, dass das verbleibende Vermögen des Geschäftsinhabers ausreicht, um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller Gesellschafter zu befriedigen. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 30.

V. Unterbeteiligung 608 Bei der Beteiligung eines Dritten (Unterbeteiligten) an dem Gesellschaftsanteil des Hauptbeteiligten kommt zwischen dem Hauptbeteiligten und dem Unterbeteiligten eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen zustande, in der dem Dritten eine schuldrechtliche Mitberechtigung zumindest am Gewinn des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt wird. Auf die Unterbeteiligungsgesellschaft sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 230 bis 236 HGB analog anzuwenden. Der Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft kann jedoch abweichend hiervon regeln, dass der Unterbeteiligte über eine schuldrechtliche Forderung auf Vermögensleistungen hinaus mitgliedschaftliche Teilhaberechte in der (Innen-)Gesellschaft erwerben soll.

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V. Unterbeteiligung BGH, Urt. v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 = ZIP 2012, 326 Rn. 19; BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 277/09, ZIP 2011, 2145 Rn. 11.

Die unentgeltliche Zuwendung einer durch den Abschluss eines Gesell- 609 schaftsvertrages entstehenden Unterbeteiligung, mit der dem Unterbeteiligten über eine schuldrechtliche Mitberechtigung an den Vermögensrechten des dem Hauptbeteiligten zustehenden Gesellschaftsanteils hinaus mitgliedschaftliche Rechte in der Unterbeteiligungsgesellschaft eingeräumt werden, ist mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Sinn von § 2301 Abs. 2, § 518 Abs. 2 BGB vollzogen. BGH, Urt. v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 = ZIP 2012, 326 Rn. 18.

Die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil kann Gegenstand einer 610 Schenkung sein, das Schenkungsversprechen bedarf gem. § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung. Wird die Unterbeteiligung zu Lebzeiten, jedoch erst auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers zugewendet, liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nur dann vor, wenn die Schenkung bereits vollzogen wurde (§ 2301 Abs. 2 BGB). Hierfür ist erforderlich, dass der Schenker alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um die Schenkung zu vollziehen. Dementsprechend genügt es für den Vollzug einer Schenkung, dass für den Beschenkten ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wird, das sich bei Eintritt der Bedingung, hier des Todesfalls, zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt. BGH, Urt. v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 = ZIP 2012, 326 Rn. 20.

Jedenfalls für die Ausgestaltung, dass dem Unterbeteiligten nicht nur schuld- 611 rechtliche Ansprüche auf Beteiligung am Gewinn des Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften und auf eine Abfindung bei Auflösung der Innengesellschaft eingeräumt werden, sondern er auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft erhält, wird nunmehr angenommen, dass die Schenkung mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen ist. BGH, Urt. v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 = ZIP 2012, 326 Rn. 26.

Zwar kommt es auch bei der Zuwendung einer solchen Unterbeteiligung – 612 anders als bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft – nicht zu einer dinglichen Mitberechtigung an der Hauptgesellschaft, da die Innengesellschaft – wie bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig – über kein Gesamthandsvermögen verfügt. Beschränkt sich aber die Unterbeteiligung nicht nur auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den zuwendenden Hauptbeteiligten auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, sondern werden dem Unterbeteiligten in der Innengesellschaft darüber hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt, durch die er Einfluss auf die Innenge-

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E. Stille Gesellschaft

sellschaft nehmen kann, erhält er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern eine in dem Anteil an der Innengesellschaft verkörperte mitgliedschaftliche Rechtsposition. BGH, Urt. v. 29.11.2011 – II ZR 306/09, BGHZ 191, 354 = ZIP 2012, 326 Rn. 26.

613 Vor dem Abschluss eines Unterbeteiligungsvertrages zu Anlagezwecken ist der Vertragspartner des Kapitalanlegers verpflichtet, diesen über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären, die er an einen zugleich für den Anleger beratend tätigen Anlagevermittler leistet Bei einer Aufklärungspflichtverletzung bei der Vertragsanbahnung ist er ihm zum Schadensersatz verpflichtet. Die Haftungsmilderung nach § 708 BGB gilt in diesem vorvertraglichen Stadium jedenfalls dann nicht, wenn die Pflichtverletzung in einer Fehlinformation oder einer Aufklärungspflichtverletzung besteht, die den Geschädigten zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages erst bewogen hat. BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 277/09, ZIP 2011, 2145 Rn. 11, 23.

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F. Rechtsformübergreifende Grundsätze I. Fehlerhafte Gesellschaft Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, der der fehlerhafte Gesellschafts- 614 beitritt gleichsteht, gehört zum „gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts“. Danach ist ein fehlerhafter Gesellschaftsvertrag grundsätzlich als wirksam zu behandeln, wenn er in Vollzug gesetzt worden ist. Lediglich für die Zukunft können sich die Parteien von dem Vertrag lösen. BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 755; BGH, Urt. v. 29.11.2004 – II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255.

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft trägt der Besonderheit des Ge- 615 sellschaftsrechts Rechnung, dass – nachdem die Organisationseinheit erst einmal, wenn auch auf fehlerhafter Grundlage in Vollzug gesetzt worden ist – die Ergebnisse dieses Vorgangs, der regelmäßig mit dem Entstehen von Verbindlichkeiten verbunden ist, nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Die gegenläufigen Interessen des oder der fehlerhaft Beigetretenen, der Mitgesellschafter und der Gläubiger der Gesellschaft werden gleichmäßig berücksichtigt. Darin liegt die Eigenheit der gesellschaftsrechtlichen Konstellation. Der Kern der Aussagen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft bzw. von dem fehlerhaften Betritt besteht darin, dass jeder fehlerhaft Beigetretene – bis zum Austritt infolge der geltend gemachten Fehlerhaftigkeit durch Widerruf/Kündigung – Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten ist, und zwar sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis. BGH, Beschl. v. 12.7.2010 – II ZR 269/07, ZIP 2010, 1689 Rn. 6; BGH, Urt. v. 2.7.2001 – II ZR 304/00, ZIP 2001, 1364, 1366; BGH, Urt. v. 29.6.1970 – II ZR 158/69, BGHZ 55, 5, 8 = WM 1971, 127.

Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft beruht allge- 616 mein darauf, dass es zu unerträglichen Ergebnissen führen würde, eine auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft, für welche die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, mit rückwirkender Kraft aufzuheben und damit so zu behandeln, als ob sie niemals bestanden hätte. Ein – bereits durch Zahlung der Einlage – in Vollzug gesetztes fehlerhaftes Gesellschaftsverhältnis ist daher unabhängig von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen etwaiger anfänglicher Mängel nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 11; BGH, Urt. v. 23.7.2013 – II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 17.

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F. Rechtsformübergreifende Grundsätze

617 Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kommen nur dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 755.

618 So hat die Rechtsprechung Ausnahmen u. a. dann anerkannt, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt oder der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist. BGH, Urt. v. 16.12.2002 – II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 222 = ZIP 2003, 165, 168; BGH. Urt. v. 16.5.1988 – II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379; BGH, Urt. v. 9.2.1970 – II ZR 76/68, WM 1970, 850.

619 Allein der Umstand, dass ein (stiller) Gesellschafter durch betrügerisches Verhalten zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags bestimmt worden ist, rechtfertigt es aber nicht, die durch die Invollzugsetzung des Gesellschaftsverhältnisses geschaffenen Rechtstatsachen rückwirkend zu beseitigen und statt des Gesellschaftsrechts die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts zur Anwendung zu bringen. Der Schutz des Betrogenen wird dadurch hinreichend gewahrt, dass die arglistige Täuschung für ihn einen wichtigen Grund zur Kündigung der Gesellschaft bildet. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 12.

620 Wenn ein Gesellschaftsvertrag nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft als wirksam zu behandeln ist, dann hat aber jeder Vertragsteil das Recht, den Vertrag unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB zu beenden. Dabei muss die fristlose Kündigung – zumindest auch – auf den Vertragsmangel gestützt werden. Der Gesellschafter muss den Fehler „geltend machen“. Für die Annahme einer Kündigung reicht die Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit rückwirkender Kraft beseitigen zu wollen, aus, weil darin in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden. BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 = ZIP 2013, 2355 Rn. 32; BGH, Urt. v. 23.7.2013 – II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 23.

621 Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft finden auch bei einem fehlerhaften Beitritt zu einer Personengesellschaft Anwendung. BGH, Urt. v. 11.5.2016 – XII ZR 147/14, ZIP 2016, 1432 Rn. 22; BGH, Urt. v. 16.12.2002 – II ZR 109/01, BGHZ 153, 214 = ZIP 2003, 165, 168; BGH, Urt. v. 14.10.1991 – II ZR 212/90, ZIP 1992, 247, 248.

164

II. Treuepflicht

Der fehlerhaft vollzogene Beitritt ist damit regelmäßig nicht von Anfang an 622 unwirksam, sondern kann nur mit Wirkung für die Zukunft durch eine von dem Gesellschafter erklärte Kündigung geltend gemacht werden. Ein Beitritt ist dann vollzogen, wenn Rechtstatsachen geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann. Dies ist der Fall, wenn der Beitretende Beiträge geleistet oder gesellschaftsvertragliche Rechte ausgeübt hat. BGH, Urt. v. 11.5.2016 – XII ZR 147/14, ZIP 2016, 1432 Rn. 22; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 174/99, ZIP 2000, 1430, 1432; BGH, Urt. v. 14.10.1991 – II ZR 212/90, ZIP 1992, 247, 249.

Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist vereinbar mit der Richtlinie 623 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, die auf den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Offenen Handelsgesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft anwendbar ist, wenn der Zweck des Beitritts nicht vorrangig darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie schließt damit auch nicht aus, den widerrufenden Verbraucher auf seine Haftsumme als Kommanditist nach § 171 Abs. 1 HGB in Anspruch zu nehmen. BGH, Urt. v. 12.7.2010 – II ZR 292/06, BGHZ 186, 167 = ZIP 2010, 1540 Rn. 11 ff. – FRIZ II; BGH, Beschl. v. 5.5.2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 9 – FRIZ I; EuGH, Urt. v. 15.4.2010 – C-215/08, ZIP 2010, 772 Rn. 11.

II. Treuepflicht Mit der Begründung des Gesellschaftsverhältnisses unterliegen die Gesell- 624 schafter der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als rechtsformübergreifendes Verbandsprinzip anerkannt ist. Sie ist jedem Gesellschaftsverhältnis auch ohne ausdrückliche Regelung immanent. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich sowohl auf das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft („vertikale Treuepflicht“) als auch auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander („horizontale Treuepflicht“). BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 13 (KG); BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23 (Publikumspersonengesellschaft); BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 16 (Gesellschaft bürgerlichen Rechts).

Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht schließt gegenüber der Gesellschaft 625 die Pflicht ein, deren Interessen wahrzunehmen und geschäftsschädigende

165

F. Rechtsformübergreifende Grundsätze

Handlungen zu unterlassen. Gegenüber den einzelnen Mitgesellschaftern gebietet sie, in dem durch den Gesellschaftszweck vorgegebenen mitgliedschaftlichen Bereich bei der Verfolgung der eigenen Interessen an der Beteiligung auf die Belange der Mitgesellschafter Rücksicht zu nehmen. Inhalt und Umfang der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht werden durch den ihre Grundlage bildenden Gesellschaftsvertrag bestimmt und konkretisiert. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 31; BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 13; BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23; BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12, ZIP 2014, 565 Rn. 16.

626 Der Gesellschaftsvertrag bildet die Grundlage der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und bestimmt damit auch deren Inhalt und Umfang. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 31; BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23; BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21.

627 Grundlage der Treuepflichten eines Gesellschafters kann stets nur die auf dem konkreten Gesellschaftsverhältnis beruhende berechtigte Erwartungshaltung der übrigen Gesellschafter sein. Erlaubt das eingegangene Gesellschaftsverhältnis insoweit keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, besteht auch keine Treuepflicht, diese zu erfüllen. BGH, Urt. v. 29.9.2020 – II ZR 112/19, ZIP 2020, 2179 Rn. 31; BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 Rn. 23; BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 Rn. 21.

628 Die Treuepflicht besteht auch im Stadium der Liquidation der Gesellschaft. Ihr Inhalt und Umfang werden durch den Liquidationszweck bestimmt. BGH, Urt. v. 11.1.1971 – II ZR 143/68, WM 1971, 412, 414.

III. Selbstorganschaft 629 Die Bestellung eines Fremdgeschäftsführern ist in der Regel ausgeschlossen, da das Recht der Personengesellschaften von dem Grundsatz beherrscht wird, dass die gesetzliche (organschaftliche) Vertretungsbefugnis nur einem Gesellschafter und nicht einem Dritten zustehen kann. Ausdrücklich zugelassen ist die Fremdgeschäftsführung lediglich für die Liquidation der Personenhandelsgesellschaften, § 148 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB. Ob die Fremdorganschaft bei der Kommanditgesellschaft im Insolvenzverfahren zuzulassen ist, ist offengelassen worden. BGH, Beschl. v. 21.7.2020 – II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 18 ff.; BGH, Beschl. v. 4.11.2014 – II ZB 15/13, ZIP 2015, 424 Rn. 9; BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 21.

166

V. Actio pro socio

Dies schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass die Gesellschafter durch 630 Gesellschafterbeschluss oder von vornherein im Gesellschaftsvertrag einen Dritten in weitem Umfang mit Geschäftsführungsaufgaben betrauen und ihm umfassende Vollmacht erteilen, sofern sie selber die organschaftliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis behalten. BGH, Urt. v. 8.2.2011 – II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 = ZIP 2011, 909 Rn. 21.

Zur Vereinbarkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters entsprechend 631 § 46 Nr. 8 Halbs. 2 GmbHG, § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG mit dem Prinzip der Selbstorganschaft vgl. Rn. 633. IV. Besonderer Vertreter Die Gesellschafter einer Personengesellschaft können zum Zwecke der 632 Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen ihren organschaftlichen Vertreter in entsprechender Anwendung von § 46 Nr. 8 Halbs. 2 GmbHG, § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG einen besonderen Vertreter bestellen. BGH, Beschl. v. 7.6.2010 – II ZR 210/09, ZIP 2010, 2345 Rn. 8.

Als ein solcher besonderer Vertreter kann der Beirat einer Publikums- 633 Kommanditgesellschaft bestellt werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Gesellschafter oder um einen Dritten handelt. Der Grundsatz der Selbstorganschaft steht der Übertragung der Prozessvertretung auf Dritte nicht entgegen. Dieser Grundsatz ist Ausdruck eines grundsätzlich gleichgerichteten Gesellschafterinteresses und gilt – wie § 146 Abs. 1 HGB zeigt – dann nicht, wenn ein solches Interesse nicht (mehr) besteht. So liegt es auch bei einem Prozess der Kommanditgesellschaft gegen den persönlich haftenden Gesellschafter, weil insoweit gleichgerichtete Interessen der Gesellschafter gerade nicht gegeben sind. BGH, Beschl. v. 7.6.2010 – II ZR 210/09, ZIP 2010, 2345 Rn. 18 f.

V. Actio pro socio Als actio pro socio wird die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Ge- 634 sellschaftsverhältnis durch einen Gesellschafter im eigenen Namen gegen einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft bezeichnet. Sie wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters. BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 10; BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 26.4.2010 – II ZR 69/09, ZIP 2010, 1232 Rn. 3.

Das Recht des einzelnen Gesellschafters, im Wege der actio pro socio gegen 635 einen Mitgesellschafter vorzugehen, ist beschränkt durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und kann sich unter diesem Blickwinkel

167

F. Rechtsformübergreifende Grundsätze

nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen, zu denen auch das Verhalten des sich auf die Befugnis berufenden Gesellschafters gehört, als rechtsmissbräuchlich darstellen. BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 11; BGH, Beschl. v. 26.4.2010 – II ZR 69/09, ZIP 2010, 1232 Rn. 3; BGH, Urt. v. 13.5 1985 – II ZR 170/84, ZIP 1985, 1137, 1138; BGH, Urt. v. 27.6.1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, 50 = WM 1957, 976.

636 Die eigene zeitgleiche Klagerhebung eines Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft zusammen mit der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter, die lediglich die Kosten der Durchsetzung der Sozialverpflichtung erhöht, kann gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. BGH, Urt. v. 22.1.2019 – II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 15.

637 Die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Nichtgesellschafter im Wege der actio pro socio ist in der Rechtsprechung vereinzelt zugelassen worden, wenn der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten des die Gesellschaftsklage ablehnenden Mitgesellschafters beteiligt ist. BGH, Urt. v. 19.6.2008 – III ZR 46/06, ZIP 2008, 1582 Rn. 37; BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/86, BGHZ 102, 152, 154 f. = ZIP 1988, 12, 13; BGH, Urt. v. 10.1.1963 – II ZR 95/61, BGHZ 39, 14, 17 ff. = WM 1963, 211.

638 Ein Kommanditist einer GmbH & Co. KG kann dagegen nicht im Wege der actio pro socio einen Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen. Mit dem Anspruch der Kommanditgesellschaft gegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH wird kein Anspruch gegen einen Mitgesellschafter geltend gemacht, sondern gegen einen Nichtgesellschafter. Die Einziehung einer Gesellschaftsforderung ist bei einer Personenhandelsgesellschaft ein Akt der Geschäftsführung, die grundsätzlich Aufgabe der geschäftsführenden Gesellschafter ist. Demgemäß braucht auch kein Gesellschafter zu dulden, dass ein nichtberechtigter Gesellschafter die in der klageweisen Geltendmachung einer Forderung gegen Dritte liegende Geschäftsführungsmaßnahme allein trifft und damit die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Geschäftsführungsbefugnis durchbricht. Dies gilt auch für die GmbH & Co. KG. Die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen der Kommanditgesellschaft gem. § 43 Abs. 2 GmbHG analog gegen einen Fremdgeschäftsführer obliegt deren geschäftsführender Gesellschafterin, der Komplementär-GmbH. BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 10 ff.

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VI. Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung, § 25 HGB

Eine Erweiterung der Grundsätze der actio pro socio dahin, dass die Kom- 639 manditisten einer GmbH & Co. KG Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte (actio pro societate) und damit auch gegen den Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend machen können, ist nicht angezeigt. Für einen unmittelbaren Durchgriff besteht kein Bedürfnis. Die Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers bei der Geschäftsführung für die GmbH als Komplementärin und zugleich für die Kommanditgesellschaft muss sich im Innenverhältnis zwischen Komplementär-GmbH und Kommanditgesellschaft erstere nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Komplementär-GmbH ist damit gegenüber der Kommanditgesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, hat aber selbst einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Ansprüche der KG gegen die Komplementär-GmbH können die Kommanditisten im Wege der actio pro socio geltend machen. Sie können daher auch einen Titel gegen die Komplementär-GmbH erstreiten und daraus in deren Anspruch gegen ihren Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG vollstrecken. BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 14 ff.

VI. Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung, § 25 HGB Eine Unternehmensfortführung i. S. v. § 25 Abs. 1 HGB liegt auch dann vor, 640 wenn nur ein Teilbereich des Unternehmens fortgeführt wird, sofern es sich aus der Sicht des maßgeblichen Rechtsverkehrs um den – den Schwerpunkt des Unternehmens bildenden – wesentlichen Kernbereich handelt. Für die Frage, ob der wesentliche Kernbereich eines Unternehmens fortgeführt wurde, kommt dem Wert der Unternehmensteile maßgebliche Bedeutung zu. BGH, Beschl. v. 7.12.2009 – II ZR 229/08, ZIP 2010, 83 Rn. 2 f.

Die Firmenfortführung beim Wechsel des Inhabers ist eine der Vorausset- 641 zungen für die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, die der Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist. BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, ZIP 2006, 367 Rn. 7; BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 324/01, ZIP 2004, 1103 1104.

Eine Firmenfortführung ist nach der auch hier maßgebenden Sicht des be- 642 troffenen Verkehrs anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Inhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht. Dabei genügt es, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird. BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, ZIP 2006, 367 Rn. 12; BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 324/01, ZIP 2004, 1103, 1104.

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F. Rechtsformübergreifende Grundsätze

643 Das Tatbestandsmerkmal Fortführung der bisherigen Firma setzt nicht voraus, dass die verwendete Bezeichnung eine nach §§ 17 ff. HGB zulässige Firma ist. Entscheidend ist, dass der prägende Teil der alten Firma, mit dem der Verkehr das Unternehmen gleichsetzt, weitergeführt wird. BGH, Urt. v. 12.2.2001 – II ZR 148/99, BGHZ 146, 374 = ZIP 2001, 567 f.

644 Eine für die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB weiter erforderliche Unternehmensfortführung ist nach der maßgeblichen Sicht der beteiligten Verkehrskreise gegeben, wenn ein Unternehmen in seinem wesentlichen Bestand fortgeführt wird. Dabei kommt es auf die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung an, nicht darauf, ob ihr ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerbsvorgang zugrunde liegt. BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, ZIP 2006, 367 Rn. 9.

645 Die Tatsache, dass ein zahlungsunfähiges und insolventes Unternehmen fortgeführt wird, steht der Anwendung des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht entgegen. Die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB tritt unabhängig davon ein, ob das übernommene und fortgeführte Unternehmen noch einen zur Befriedigung seiner Gläubiger ausreichenden Wert verkörpert. BGH, Urt. v. 28.11.2005 – II ZR 355/03, ZIP 2006, 367 Rn. 14.

VII. Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters 1. Grundmitgliedsrecht 646 Das Recht eines Gesellschafters, bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eine Abfindung zu erhalten, gehört zu seinen Grundmitgliedsrechten. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 Rn. 12; BGH, Urt. v. 27.9.2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 8.

2. Höhe der Abfindung 647 Die Bemessung der Höhe der Abfindung richtet sich, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart ist oder wenn die vertragliche Vereinbarung von Anfang an gem. § 138 BGB nichtig ist, nach § 738 BGB. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich auch, ob durch eine nachträgliche Entwicklung ein ggf. durch Vertragsanpassung zu behebendes Missverhältnis zwischen der vertraglich vereinbarten und der ansonsten geltenden Höhe der Abfindung entstanden ist. 648 Der Abfindungsanspruch bestimmt sich gem. § 738 BGB nach dem Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters an dem tatsächlichen Wert des Vermögens der werbenden Gesellschaft einschließlich der stillen Reserven und des „Goodwill“ zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Das beruht darauf, dass der Ausgeschiedene bis zu seinem Ausscheiden am tatsächlichen Wert der le-

170

VII. Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters

benden Gesellschaft beteiligt war und sein Anteil nunmehr den verbleibenden Gesellschaftern zugewachsen ist. BGH, Urt. v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365 = ZIP 2000, 1294, 1296; BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1162; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237.

Dieser wirkliche Wert ergibt sich im Allgemeinen aus dem Preis, der bei einem 649 Verkauf des Unternehmens der Gesellschaft als Einheit erzielt würde. BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 240; BGH, Urt. v. 24.9.1984 – II ZR 256/83, WM 1984, 1506, 1507.

Bei der Schätzung des Werts des Gesellschaftsvermögens nach § 738 Abs. 2 650 BGB herrscht seit längerem die Berechnungsweise auf der Grundlage des Ertragswerts vor. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1162; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 240.

Der Tatrichter ist aber nicht an eine bestimmte Wertermittlungsmethode ge- 651 bunden. BGH, Urt. v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, ZIP 2006, 851, 852.

Er kann daher eine andere Bewertungsmethode wählen, wenn dies im Einzel- 652 fall geboten ist. So kann etwa bei einem überdurchschnittlich hohen Anteil des nicht betriebsnotwendigen Vermögens dem Substanzwert eine erhöhte Bedeutung zukommen. Ob stets oder jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen der Liquidationswert die Untergrenze für den der Abfindung zugrunde zu legenden Unternehmenswert bildet, hat die Rechtsprechung bislang offengelassen. BGH, Urt. v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, ZIP 2006, 851, 852.

Es ist jedoch als rechtsfehlerhaft beanstandet worden, bei der Berechnung 653 der Abfindung allein auf den Ertragswert abzustellen, wenn dieser so sehr unter dem Liquidationswert liegt, dass ein vernünftiger Gesellschafter auf dieser Grundlage von dem ihm an sich zustehenden Kündigungsrecht nach § 723 Abs. 3 BGB keinen Gebrauch machen würde BGH, Urt. v. 13.3.2006 – II ZR 295/04, ZIP 2006, 851, 852.

3. Abfindungsausschluss und -beschränkung a) Abfindungsausschluss Ein gesellschaftsvertraglicher Ausschluss der Abfindung ist grundsätzlich sit- 654 tenwidrig im Sinn von § 138 Abs. 1 BGB und nur in Ausnahmefällen zulässig.

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F. Rechtsformübergreifende Grundsätze BGH, Urt. v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 Rn. 12; BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 81/96, BGHZ 135, 387, 390 = ZIP 1997, 1453 f.

655 Soweit ein Gesellschafter durch Kapitaleinsatz und ggf. Mitarbeit zu dem im Wert seines Geschäftsanteils repräsentierten Gesellschaftsvermögen beigetragen hat, darf die Gesellschafterstellung dann nicht ohne Wertausgleich verloren gehen. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 Rn. 12.

656 Ausnahmefälle, in denen eine Abfindung ausgeschlossen sein kann, sind die Verfolgung eines ideellen Zwecks durch die Gesellschaft, BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 81/96, BGHZ 135, 387, 390 = ZIP 1997, 1453 f.,

657 Abfindungsklauseln auf den Todesfall, BGH, Urt. v. 20.12.1976 – II ZR 115/75, WM 1977, 192, 193; BGH, Urt. v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338 f.; BGH, Urt. v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194 f. = WM 1957, 24,

oder auf Zeit abgeschlossene Mitarbeiter- oder Managerbeteiligungen ohne Kapitaleinsatz. BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, BGHZ 164, 107 – „Mitarbeitermodell“ = ZIP 2005, 1920, 1921 ff.; BGH, Urt. v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, BGHZ 164, 98 – Managermodell = ZIP 2005, 1917, 1918.

658 In diesen Ausnahmefällen besteht ein sachlicher Grund für den Ausschluss der Abfindung darin, dass die ausscheidenden Gesellschafter kein Kapital eingesetzt haben oder bei der Verfolgung eines ideellen Ziels von vorneherein auf eine Vermehrung des eigenen Vermögens zugunsten des uneigennützigen Zwecken gewidmeten Gesellschaftsvermögens verzichtet haben. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 Rn. 13.

659 Eine vertragliche Regelung, dass eine Abfindung bei einer groben Verletzung der Interessen der Gesellschaft ausgeschlossen sein soll, ist als sittenwidrig und damit nichtig angesehen worden, weil ein sachlicher Grund dafür fehle, eine Abfindung allein aufgrund einer (groben) Pflichtverletzung auszuschließen. Der Abfindungsausschluss führe insbesondere zu der unangemessenen Rechtsfolge, dass dem Gesellschafter wegen einer – unter Umständen – einzigen (groben) Pflichtverletzung der Wert seiner Mitarbeit und seines Kapitaleinsatzes entschädigungslos entzogen werden könne. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – II ZR 216/13, BGHZ 201, 65 = ZIP 2014, 1327 Rn. 15 ff.

172

VII. Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters

b) Abfindungsbeschränkungen Gesellschaftsvertragliche Beschränkungen des Abfindungsrechts sind dage- 660 gen grundsätzlich zulässig. Ihr Zweck besteht darin, den Bestandsschutz der Gesellschaft durch Einschränkung des Kapitalabflusses zu gewährleisten und/oder die Berechnung der Höhe des Abfindungsanspruches zu vereinfachen. Derartige Beschränkungen können jedoch auch unter Berücksichtigung solcher Zwecke nicht schrankenlos vorgenommen werden. Abfindungsbeschränkungen können vor allem dann unzulässig sein, wenn die nach § 738 BGB zu bemessende Abfindung den nach der vertraglichen Regelung zu zahlenden Betrag erheblich überschreitet. BGH; Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 239 f.

Vertragliche Abfindungsbeschränkungen, die einen Gesellschafter unange- 661 messen benachteiligen, sind in der Rechtsprechung vereinzelt auch als unzulässige Kündigungsbeschränkungen angesehen worden. Nach § 723 Abs. 3 BGB ist bei einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschaft nicht nur der Ausschluss, sondern auch eine der Vorschrift zuwiderlaufende Beschränkung des Kündigungsrechts des Gesellschafters nichtig. Unzulässig ist nach dieser Bestimmung eine Regelung, durch die an die Kündigung derart schwerwiegende Nachteile geknüpft werden, dass ein Gesellschafter vernünftigerweise veranlasst sein kann, von dem ihm formal zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch zu machen. Ein solcher Nachteil kann darin bestehen, dass der im Falle einer Kündigung bestehende Abfindungsanspruch des Gesellschafters unzumutbar eingeschränkt wird. BGH, Urt. v. 7.4.2008 – II ZR 181/04, ZIP 2008, 1276 Rn. 19.

Ratenzahlungsvereinbarungen und hinausgeschobene Fälligkeitstermine, die 662 sich für den ausscheidenden Gesellschafter durchaus ähnlich auswirken können wie eine Abfindungsbeschränkung, sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, insbesondere wenn die für den ausscheidenden Gesellschafter ergebenden Nachteile durch eine angemessene Verzinsung des Abfindungsguthabens zumindest teilweise wieder ausgeglichen werden. BGH, Urt. v. 9.1.1989 – II ZR 83/88, ZIP 1989, 770, 772 f.

Hierfür spricht vor allem, dass es für die Gesellschaft eine erhebliche Belas- 663 tung bilden kann, wenn größere Abfindungsbeträge innerhalb einer kurzen Frist bereitgestellt werden müssen. Das Interesse der Unternehmenserhaltung darf aber nicht einseitig über das Abfindungsinteresse gestellt werden. Für eine Auszahlungsdauer von fünfzehn Jahren ist selbst für den Fall einer Hinauskündigung aus wichtigem Grund angenommen worden, dass eine derartig lang bemessene Laufzeit der Raten den Abfindungsanspruch in seinem Gehalt in untragbarer Weise schmälert und daher rechtlich unzulässig ist. BGH, Urt. v. 9.1.1989 – II ZR 83/88, ZIP 1989, 770, 772 f.

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F. Rechtsformübergreifende Grundsätze

664 Soweit bei einer unangemessenen vertraglichen Abfindungsbeschränkung eine Anwendung des § 138 BGB in Betracht kommt, sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: aa) Anfängliche Unangemessenheit der Abfindung 665 Ist die getroffene Regelung, z. B. eine gesellschaftsvertragliche Buchwertklausel, nach der sich der Abfindungsanspruch nach den Buchwerten der Vermögenswerte der Gesellschaft bestimmen soll, bereits bei ihrer Entstehung wegen eines grob unbilligen Missverhältnisses zwischen vertraglich vereinbarter und gesetzlich an sich geschuldeter Abfindung sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB und damit nichtig, so ist die Abfindung nach den gem. § 738 BGB zur Anwendung kommenden Grundsätzen zu bemessen. BGH, Urt. v. 27.9.2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357, 2358 Rn. 12; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 239 f.

666 Die vertraglich vereinbarte Abfindung weicht dann i. S. d. § 138 BGB von dem gesetzlich geschuldeten Wert in vollkommen unangemessener Weise ab, wenn letzterer den vertraglich vereinbarten Wert erheblich, möglicherweise um ein Vielfaches übersteigt, und das an dem gesellschaftlichen Zweck ausgerichtete Interesse der verbleibenden Gesellschafter an dem Fortbestand der Gesellschaft und des Unternehmens eine derart weitgehende Beschneidung des Abfindungsrechtes nicht erforderlich erscheinen lässt. BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 242.

667 Die Beurteilung, ob diese Schranke überschritten ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Feste Grenzen hat die Rechtsprechung bisher nicht aufgestellt. bb) Nachträgliche Unangemessenheit 668 Ist eine vertragliche Abfindungsklausel nicht schon bei ihrer Vereinbarung unwirksam, sondern entsteht erst aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft durch die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Abfindungsbeschränkung ein Missverhältnis zwischen dem vertraglichen und dem nach § 738 BGB zu bemessenden Abfindungsanspruch, so kann dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Gesellschaftsrecht durch die besondere Treuepflicht des Gesellschafters verstärkt sind, dazu führen, dass dem von dieser tatsächlichen Entwicklung betroffenen Gesellschafter das Festhalten an der vertraglichen Regelung auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Mitgesellschafter nicht mehr ohne weiteres zugemutet werden kann. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1161 f.;

174

VII. Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters BGH, Urt. v. 25.9.1980 – II ZR 255/79, ZIP 1981, 75, 76;

Ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind, hängt allerdings nicht allein 669 vom Ausmaß des zwischen jenen Werten entstandenen Missverhältnisses ab. Es müssen vielmehr die gesamten Umstände des konkreten Falles in die Betrachtung einbezogen werden. Zu ihnen können außer dem Verhältnis zwischen den genannten Werten unter anderem die Dauer der Mitgliedschaft des Ausgeschiedenen in der Gesellschaft und sein Anteil am Aufbau und am Erfolg des Unternehmens gehören. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1161.

Zu den bei der gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigenden Um- 670 ständen ist ferner der Anlass des Ausscheidens zu rechnen. Demjenigen, der wegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grundes aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden ist, kann unter Umständen das Festhalten an der sich für ihn ungünstig auswirkenden vertraglichen Vereinbarung in weiterem Umfang zugemutet werden als etwa einem Gesellschafter, der sich wegen eines von den anderen Gesellschaftern veranlassten wichtigen Grundes zum freiwilligen Ausscheiden veranlasst gesehen hat. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1161 f.; BGH, Urt. v. 9.1.1989 – II ZR 83/88, ZIP 1989, 770, 772.

Auf der anderen Seite braucht aber auch der aus wichtigem Grund wirksam 671 Ausgeschlossene nicht jede durch die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetretene Entwertung seines Abfindungsanspruchs hinzunehmen. BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1161.

Ergibt die Interessenabwägung ein solches Missverhältnis, dass dem Gesell- 672 schafter das Festhalten an der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Abfindungsregelung nicht zugemutet werden kann, dann ist die Abfindung nicht nach dem gem. § 738 BGB maßgebenden Verkehrswert des Unternehmens zu bemessen, sondern die vertraglich vereinbarte Abfindungsbeschränkung ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung so an die veränderten Verhältnisse anzupassen, dass ein dem – dem schriftlichen Vertrag und den sonstigen Umständen zu entnehmenden – wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien entsprechender, beiden Teilen zumutbarer Interessenausgleich herbeigeführt wird. BGH, Urt. v. 27.9.2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357, 2358 Rn. 13; BGH, Urt. v. 24.5.1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1162; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359 = ZIP 1992, 237, 241.

175

Stichwortverzeichnis

Abfindung

646 ff. – anfängliche Unangemessenheit 665 – Ausschluss 654 ff. – Beschränkung 654 ff., 660 ff. – Fälligkeitstermin 662 – Höhe 647 – Interessenabwägung 670 ff. – nachträgliche Unangemessenheit 668 ff. – Ratenzahlungsvereinbarung 662 – vertraglich vereinbarte 666 Abfindungsanspruch 648 Abfindungsversicherung 358 Abfindungswert 649 ff. – Ertragswert 653 – Liquidationswert 652 – Substanzwert 652 – Wertermittlungsmethode 651 – wirklicher 649 Abtretung – Geschäftsanteil 72 Actio pro socio 634 ff. – actio pro societate 639 – Kommanditist 638 – Nichtgesellschafter 637 – Treuepflicht 635 AG & Co. KG 431 f. – Wettbewerbsverbot 431 f. Aktiventausch 421 Altverbindlichkeit – Doppelzahlung 122 – ungerechtfertigte Bereicherung 121 Anfechtung – Beitrittserklärung 31 Anlagesellschaften s. Publikumsgesellschaft Apotheker – interprofessionelle Partnerschaft 553 ff. Aufnahmevertrag 12

Auseinandersetzung 168 ff. – Anspruch 168 – Bilanz 188 – Fehlbetragshaftung 180 ff. – Fortsetzung der Gesellschaft 175 ff. – Haftungsbeschränkung 182 – Nachschusszahlung 184 – Rechnung 183 – Schiedsgutachten 189 – Schuldner 171 – schwebende Geschäfte 179 – Umfang 172 – Verjährung 186 f. Auseinandersetzungsguthaben 366 Ausschluss 141 ff. – Ausscheidungsverlangen 146 – Ausschließungserklärung 145 – Fehlverhalten 142 – Unzumutbarkeit 142 – wichtiger Grund 141 ff.

Beendigung der Gesellschaft

2 ff., 192 ff. – Auflösung 192 – liquidationslose Vollbeendigung 2 – Streit über Auflösung 193 Beitragsleistung 40 ff. – Bestimmtheit 45 – Einbringung von Sachen 42 – Entstehen 40 f. – Erhöhung 47 ff., 70 f. – Mehrbelastungsverbot 43 – Nachschusspflicht 43, 50 – Pflichteinlage 47 – ratenweise Leistung 40 – Zustimmungserklärung 47 ff. Beitrittserklärung 45 – Anfechtung 31 Beschlussfassung 62 ff. – Anfechtungsfrist 85 – Feststellungsklage 84 ff. 177

Stichwortverzeichnis

– Gesellschafterversammlung 62 – Unwirksamkeit 84 ff. Beschlusskontrolle 62 ff. Beschlussmängelstreitigkeiten 50 Besonderer Vertreter 632 f. Beurkundung, notarielle 14, 138

Dauergesellschaften

4 Dauerschuldverhältnis 120 – Nachhaftungsbegrenzung 120 Drittgeschäfte 317 ff. – Begriff 317

Ehegatten – Stimmverbot 83 Ehegatteninnengesellschaft 3 Eigenbedarfskündigung 10 EinheitsGmbH & Co. KG 429 Erscheinungsformen 3 ff. – Dauergesellschaft 4 – Ehegatteninnengesellschaft 3 – Gelegenheitsgesellschaft 4 – Publikumsgesellschaft 5

Fehlerhafte Gesellschaft

614 ff. – Ausnahme 617 f. – Beitritt 614, 621 – betrügerisches Verhalten 619 – Kündigung, fristlose 620 – Vertrag 614 Ferienanlage 353 Finanzierungskosten 512 Firmenfortführung 640 ff. – Haftung 640 ff. – Insolvenz 645 – Wechsel des Inhabers 641 – Zahlungsunfähigkeit 645 Fonds – geschlossene 451 Fondsgesellschaft 450, 516 – offene Handelsgesellschaft 516 s. a. Publikumsgesellschaft Formwechsel 35 ff. – insolvenzreife GmbH 39

178

Freiberuflerpraxis 164 – Prüfzeit 165 Freiberuflersozietät 225 ff. – Altersversorgung 240 – Auseinandersetzung 236 ff. – Haftung 242 ff. – Kanzleiort 238 – Kündigungsbeschränkung 225 ff. – Laufzeitklauseln 226 ff. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 233 ff.

Gelegenheitsgesellschaft 4 Gesamtgeschäftsführung 91 Gesamtschuldner 113 – Ausgleich 130 ff. – Rechtsmissbrauch 115 – Wahlfreiheit 115 Geschäftsanteil – Abtretung 72 – Mitarbeiteranteil 138 – Übertragung 134 ff. – Verpfändung 134 ff., 140 Geschäftschancenlehre 53 Geschäftsführer – Anstellungsvertrag GmbH & Co. KG 372 f. – Dienstverhältnis 386 ff. – Entlastung 396 ff. – Gehaltserhöhung 381 – Haftung 386 ff. – Haftungsausschluss 393 – Kündigung 384 – Masseerhaltungspflicht 415 – Pflichtenstellung 386 ff. – Schadensersatzanspruch 401 – Sorgfaltsmaßstab 392 – Tätigkeitsvergütung nach § 181 BGB 378 – Vertragsgrundlage, fehlerhafte 380 ff. – Vertragsverlängerung nach § 181 BGB 376 f. – Weisung 394, 405

Stichwortverzeichnis

Geschäftsführung 91 ff., 448 ff. – Beschränkung 451 – Entziehung 98 – Gesamtgeschäftsführung 91 – Geschäftsbesorger 448 ff. – GmbH & Co. KG s. dort – Notgeschäftsführung 92 ff. – Selbstorgan 449, 629 ff. – Zumutbarkeit 143 Gesellschaft – ausländische 11 – fehlerhafte 32, 614 ff. s. a. Fehlerhafte Gesellschaft – Fortsetzung 175 ff., 192 – Gesamtvertretung 104 ff. – Insichgeschäft 107 – Kündigung bei Auflösung 167 – Liquidation s. dort – stille 580 ff. s. a. Stille Gesellschaft – Vertretung 103 – Vertretungsmacht 103 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1 ff. – Auflösung 452 – Auseinandersetzung bei Fortsetzung 175 ff. – Begriff 1 f. – Entstehung durch Formwechsel nach dem UmwG 35 ff. – Entstehung durch Zweckänderung einer Personenhandelsgesellschaft 22 f. – Erscheinungsformen 3 ff. – gemeinsamer Zweck 16 ff. – Gesamtrechtsnachfolge 2 – Gesellschafterin einer RA-Gesellschaft mbH 546 ff. – Gesellschaftsvertrag 12 – gesetzliche Vertretung 259 – Handelsregister 36 – Innengesellschaft 248 ff. – als Kommanditist 280 f. – Kündigung bei Auflösung 167 – Liquidation 2, 31

– – – – –

Publikumsgesellschaft 452 Rechtsfähigkeit 6 Rechtsnatur 6 ff. selbständiger Rechtsträger 9 Umfang der Rechtskraft 260 ff. – Vollstreckung 264 ff. – Vollstreckungsabwehrklage 267 ff. Gesellschafter – Abfindung 646 ff. – Altgesellschafter 136 – Aufnahmevertrag 433 – Aufwendungsersatz 101 f. – Außengesellschafter 249 ff. – Ausscheiden 224, 350 ff. – Ausschließung aus wichtigem Grund 350 – Ausschluss s. dort – Auseinandersetzung 101 – ausgeschiedener 119 – Beitragsleistung 40 – Beitritt 435 – eintretender 118 – Entlastung 77 – Gesamtschuldner 113 – Gesamtschuldnerausgleich 130 ff. – Geschäftsanteil s. dort – geschäftsführender 12, 105 – Gewinnanteil 56 – Gründungsgesellschafter 502 – Haftung 108 ff., 279, 502 – Haftungsmilderung 100 – Informations- und Auskunftsrecht 58 – Innenausgleich 220 – Innenverhältnis 40 – Kündigung s. dort – Mitgesellschafter 524 – Neugesellschafter 136 – Pflichten 40 ff. – Rechte 56 f. – Scheingesellschafter 125 ff.

179

Stichwortverzeichnis

– Treuepflicht 24, 52 ff., 195 s. a. dort – Verfolgung des Gesellschaftszwecks 353 f. – Verpflichtung 18 – Wettbewerbsbeschränkung 233 Gesellschafterbeschluss – Auslegung 458 f. – Mehrheit 460 – schriftliche Beschlussfassung 460 Gesellschafterversammlung 457 ff. – Dispositionsschutz 62 – Einberufung 62, 457 – Einstimmigkeitsprinzip, gesetzliches 68 – Feststellungsklage 84 – Ladungsfrist 63 – Mehrheitsentscheidungen 65 ff. – Minderheitenschutz 63 – Nichtigkeit 62 – Stimmpflicht 76 – Stimmverbote 77 ff. Gesellschaftsanteil 72, 134 ff. – Mitarbeiterbeteiligung 138 – Verpfändung 140 Gesellschaftsvermögen 60 f. – Liegenschaft 60 Gesellschaftsvertrag 12 ff., 433 – Änderung 25 ff. – Aufnahmevertrag 12 – Auslegung 20 ff., 65 ff., 445 ff. – Einstimmigkeitserfordernis 466 ff. – fehlerhafter 614 – Feststellung der Auseinandersetzungsbilanz 471 – Form 13 ff. – Formnichtigkeit 27 – Mängel 27 – Mehrheitsentscheidung 465 – Mehrheitserfordernis 468

180

– Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoßes 30 – notarielle Beurkundung 14 – Schiedsvereinbarung 88 – Sittenwidrigkeit 28 ff. Gewinnbeteiligung 194 Gewohnheitsrecht 560 f. GmbH & Co. KG – Anstellungsvertrag 372 – Auflösung 427 – Ausscheiden der Komplementär-GmbH 427 – EinheitsGmbH & Co. KG 429 – Gehaltserhöhung 381 – Geschäftsführeranstellungsverhältnis 376 ff. – Geschäftsführung 369 ff. – Geschäftsführungsbefugnis Komplementär 369 ff. – Geschäftsführungsmaßnahme, laufende 373 – Grundlagengeschäft 371, 373 – Haftungsübernahme der Komplementär-GmbH 385 – Insolvenzreife 415 ff. – Kapitalaufbringung 368 – Kommanditist 371 – Kündigung Anstellungsvertrag 384 – Rechtsanwaltsgesellschaft 430 – Tätigkeitsvergütung 378

Haftung

7, 108 ff. – Altverbindlichkeiten 119 – ausgeschiedener Gesellschafter 119 – Außenhaftung 108 ff. – eintretender Gesellschafter 118 – Eintritt von Partnern 571 ff. – Eintritt von Sozien 245 ff. – Einwendungen 111 ff. – Erwerber 137, 640 – Fehlbetragshaftung 180 ff. – Freiberuflersozietät 242 ff.

Stichwortverzeichnis

– – – – – – – –

Gesamtschuldner 113 Geschäftsführer 386 ff. Gesellschafter 108 ff. Grundsatz 108 ff. Haftungsmilderung 100 Innenverhältnis 100 Kapitalerhaltung 403 ff. Kommanditist s. dort – Partnerschaftsgesellschaft 568 ff. – quotale 116 f. – Scheingesellschafter 125 ff. – Sorgfaltsmaßstab 392 – stiller Gesellschafter 585 – Verbindlichkeiten, berufsrechtlicher 242 ff. – Verjährung 129 – Zahlung nach Insolvenzreife 412 ff. Handelsregister 36, 38, 128, 281, 357, 457

Immobilienfonds

448, 494 – geschlossene 451 Informations- und Auskunftsrecht 58, 472 ff. – Anspruchsberechtigte 488 – Anspruchsschuldner 490 – Auskunft über Mitgesellschafter 478 – Auskunftsinteresse 480 – Bestätigungsvermerk 476 – Jahresabschluss 475 – Geheimhaltungsinteresse 483 – personenbezogene Daten 484 – Prüfungsbericht 472 ff. – Treuepflichtverstoß 481 Innengesellschaft 218 ff. – Auseinandersetzung 256 – Auseinandersetzungsrechnung, vereinfachte 257 f. – Außengesellschafter 249 ff. – Beendigung 255 ff. – Begriff 248

– Geschäftsführung 250 ff. – Liquidation 255 – Pflichtverstoß 253 – Schadensersatzanspruch 254 – typische Merkmale 249 Insichgeschäft 107 Insolvenz – Abwehrrechte 336 ff. – Firmenfortführung 645 – Haftung des Kommanditisten 328 ff. Insolvenzanfechtung 418 Insolvenzmasse 339 Insolvenzverfahren 41, 629 – Beitragsleistung 40 – Kapitalertragsteuer 344 ff., 347 ff. Insolvenzverschleppung 423 Insolvenzverwalter 223, 334 ff., 349, 351 f., 413, 518 f. – Darlegung der Forderung 334 f. Interprofessionelle Partnerschaft 551 ff. – Apotheker 553 ff. – Arzt 552

Kapitalaufbringungsgrundsatz 342 Kapitalerhaltung 403 Kapitalertragsteuer 344 ff. – Erstattung 344 ff. – Insolvenzverfahren 344 ff., 347 ff. – Zinseinkünfte 348 Kommanditanteil 355 f. Kommanditist 280 f. – Abwehrrechte 336 ff. – actio pro socio 638 – Auskunftsanspruch 306 ff. – Einlage 287, 323 – Einlagenrückgewähr 326 – GbR 280 f. – Gewinnentnahme 323 – GmbH & Co. KG 371

181

Stichwortverzeichnis

– – – – –

Gruppenvertretung 284 Haftung 317 ff., 323 f., 327 ff. Innenausgleich 343 Insolvenz 328 ff. Kapitalerstragsteuererstattung 344 ff. – Prozessführungsbefugnis 426 – Rückzahlung 325 – Sonderrechtsnachfolge 355 f. – Testamentsvollstreckung 359 ff. – Übertragung des Kommanditanteils 327 – Wettbewerb 303 ff. Kommanditgesellschaft 33 – Abstimmung, schriftliche 283 – Auflösung 366 – Aushöhlung 406 – Ausscheiden von Gesellschaftern 350 ff. – Ausschließungsbeschluss 285 f. – Ausschüttung 289 ff., 294 ff. – Beschlussfassung 282 – Einlage 288 ff., 294 ff. – Erhöhung der Pflichteinlage 287 – Errichtung 280 – Ersatzanspruch 300 ff. – Fortsetzungsbeschluss bei Liquidation 367 – Gesellschafterversammlung 282 – Handelsregister 281 – Kündigung durch Privatgläubiger 366 – Rückforderungen 294 ff. – Rückzahlung der Einlage 289 ff. – Stimmverbote 79 – Simultaninsolvenz 351 – Testamentsvollstreckung 359 ff. – Umwandlung durch Zweckänderung 33

182

– Wirkung der Einlageleistung 288 Komplementärgesellschaft 351 f. Kündigung 149 ff. – Auflösung der Gesellschaft 167, 366 – aus wichtigem Grund 150 ff. – Auseinandersetzung 168 ff. – Erklärung 149 – Fortsetzungsklausel 156 f. – Hinauskündigungsklausel 158 ff.

Liquidation

2, 31, 579 – Abrechnungsmangel 209 – Ausscheiden von Gesellschaftern 224 – Einlagen 196 ff. – Durchsetzungssperre 198 ff., 211 – Fortsetzungsbeschluss 367 – Gesamtabrechnung 207 – Innenausgleich Gesellschafter 220 – Innengesellschaft 255 – Nachschusszahlung 217 – Nachtragsliquidation 545 – Rechnungslegung 219 – Schlussabrechnung 217 – Selbstorganschaft 629 – Treuepflicht 195, 628 – vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung 205 ff. – Verlustausgleichspflicht 21 ff.

Managermodell

162 Massekürzung 419 ff. Masseschmälerung 412 Mehrheitsentscheidungen 65 ff. – Kernbereich 73 – Unwirksamkeit 75 Mitarbeitermodell 162

Nachschusspflicht 43 f., 50 Notgeschäftsführung 92 ff.

Stichwortverzeichnis

Offene Handelsgesellschaft (OHG) 33 – Fondsgesellschaft 516 – Handelsregister 273 ff. – Nachhaftung ausscheidender Gesellschafter 276 ff. – Umwandlung durch Zweckänderung 33 – Vorwegnahme einer Nachfolgeregelung 279 – vollkaufmännisches Handelsgewerbe 271 – Wettbewerbsverbot 275 Organverhältnis 405

Partnerschaftsgesellschaft

546 ff. Altschulden 580 Bearbeitungsbeitrag 573 Firmenwahrheit 562, 565 gesamtschuldnerische Haftung 568 ff. – Gesellschafterin einer RA-Gesellschaft mbH 546 ff. – Haftung 571 ff. – interprofessionelle Partnerschaft 551 – Irreführung, unzulässige 566 – Liquidation 579 – Partnerschaftsregister 558 ff. – Steuerberatungsgesellschaft 567 – täuschende Zusätze 565 – verschuldensunabhängige Handelndenhaftung 573 – Versorgungsanspruch 575 – Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 567 Partnerschaftsregister 558 ff. – Doktortitel 558 – Namensfortführung mit Doktortitel 562 Personenhandelsgesellschaften 271 ff. s. a. Offene Handelsgesellschaft – – – –

– Fortsetzungsbeschluss bei Liquidation 367 Prospekthaftung 502 ff. – Altgesellschafter 503 ff., 509 – Anrechnung von Steuervorteilen 510 ff. – Aufklärungspflicht 504, 509 – Gläubiger 508 f. – Gründungsgesellschafter 502, 507 f. – Schuldner 502 – Treuhandkommanditist 509 Publikumsgesellschaft 5, 20, 433 ff., 593, 602 – Änderung des Mehrheitserfordernisses 463 ff. – Auflösung 452, 532 ff. – Aufnahmevertrag 433 – Aufrechnungsverbot 514, 517 – Auseinandersetzung 537 ff. – Auslegung Gesellschaftsvertrag 445 ff. – Außenhaftung 492 ff. – Beendigung 532 ff. – Beitrittsvertrag 435 – Beschluss 458 f. – Einbeziehung von Treugebern 436 ff. – Freistellungsanspruch des Treuhandgesellschafters 513 ff. – Innenausgleich zwischen Mitgesellschaftern 524 ff. – GbR 452 ff. – Geschäftsführung 448 ff. – Geschäftsführungsbefugnis bei Auflösung 536 – Gesellschafterversammlung 457 – Gesellschaftsvertrag 433 – Haftungsbeschränkung 493 – Immobilienfonds 5 – Informations- und Auskunftsrecht s. dort – Innenausgleich 496 f.

183

Stichwortverzeichnis

– Innenhaftung 496 f. – Kündigung 532 ff. – Kündigungsbeschränkung 532 ff. – Leistung der Einlage 496 f. – Mehrheitserfordernis 460 – Nachtragsliquidation 545 – Notgeschäftsführung 95 – Prospekthaftung s. dort – Rückforderung von Ausschüttungen 498 ff. – Sanieren oder Ausscheiden 526 ff. – Stimmverbot 480 – Streitigkeit über Zugehörigkeit 444 – Treuepflicht 526 ff. – Treuhandgesellschafter 438 ff. – Vertretung 448 ff. – Zeichnungsschein 435 f.

Rechtsanwaltsgesellschaft

430

Rechtsberatungsgesetz 448

Schadensersatzanspruch

254 – Pflichtverletzung 401 Schiedsvereinbarung 88 ff. – Mindestanforderung 88 Selbstorganschaft 629 ff. – besonderer Vertreter 631 ff. – Insolvenzverfahren 629 – Liquidation 629 Simultaninsolvenz 351 Sittenwidrigkeit 28 ff. Sonderrechtsnachfolge 355 ff. – Abfindungsversicherung 358 – Handelsregister 357 – Kommanditanteil 355 f. Stille Gesellschaft 580 ff. – Abfindungsguthaben 601 – atypische 589, 593, 596 f. – Aufklärungspflicht, vorvertragliche 599 – Aufklärungspflichtverletzung 613

184

– Auflösung 586 – Auseindersetzung 588 – Auseinandersetzungsguthaben 586, 595 – Auseindersetzungsrechnung 592 – Beendigung, sofortige 586 – Einlage des stillen Gesellschafters 580 – Ersatzanspruch 591 – fehlerhafte 597 ff., 601 ff. – fristlose Kündigung 604 – Gesamtabrechnung 589 ff. – Haftung 585 – Kündigung aus wichtigem Grund 587 – Leistung causa societatis 580 ff. – mehrgliedrige 601 ff. – Schenkung 580 ff., 610 ff. – typische 597 ff. – unentgeltliche Zuwendung 609 – Unterbeteiligung 608 ff. – Verjährung Einlagenanspruch 584 – Verlustausgleichsanspruch 590 – zweigliedrige 600

Testamentsvollstrecker

362 ff. – Stimmrecht 362 – Stimmverbot 362, 365 Testamentsvollstreckung 359 ff. Treuepflicht 24, 52 ff., 195, 526 ff. 624 ff. – allgemeines Verbandsprinzip 52, 624 – Anwendungsbereich 624 – Geschäftschancenlehre 53 – Grundlage 626 f. – horizontale 624 – Inhalt und Umfang 625 – Liquidation 628 – vertikale 624

Stichwortverzeichnis

Treugeber 441 – Stimmrecht 441 – Treuepflicht 442 Treuhand – offene 437 – qualifizierte 437 Treuhandgesellschafter 436 ff., 513 ff.

Umwandlung 35 ff. Umwandlung durch Zweckänderung – Kommanditgesellschaft 33

– offene Handelsgesellschaft 33 Unterbeteiligungsgesellschaft 608 ff. – Gesellschaftsvertrag 608

Verjährung

129

Wettbewerbsverbot

55

– OHG 275

Zeichnungsschein

435 f.

185