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German Pages 55 [122] Year 1935
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Kriminologie und
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Schußwaffenuntersuchung dem Mikroskop ausgeführt werden. Zu beachten ist dabei, daß dickere Geschosse breitere Feldereindrücke aufweisen können als dünnere, obwohl sie aus der nämlichen W a f f e verfeuert worden sind. Weiter kann eine leichte S t a u c h u n g oder einseitige Abp l a t t u n g eines Geschosses die Meßresultate beeinflussen. Schließlich m u ß darauf geachtet werden, daß die Mikroskopachse senkrecht auf der Mitte des Feldereindrucks steht, da sonst Ablesungsfehler eintreten können. Bis hierher sind gewissermaßen n u r die Systemmerkmale einer Waffe, die sie einem aus ihr verfeuerten Geschoß mitgibt, besprochen worden. Es ist mithin ersichtlich, daß aus den an einem Geschoß erhaltenen Untersuchungsbefunden auf die verfeuernde W a f f e geschlossen werden kann, vorausgesetzt, daß deren Eigenschaften genügend charakteristisch u n d in dieser Hinsicht bek a n n t sind. Die Identifizierung einer W a f f e durch ihr Geschoß auf Grund der individuellen Merkmale des letzteren ist im allgemeinen eine schwierige Aufgabe. Die individuellen Merkmale, die ein Geschoß beim Durchgang durch den Lauf einer W a f f e von diesem e m p f ä n g t , sind bedingt durch Bearbeitungs- und A b n u t z u n g s spuren des Laufs sowie durch zufällige Veränderungen an dessen Oberfläche, soweit sie mit dem Geschoß in B e r ü h r u n g k o m m t . Zur vergleichenden U n t e r s u c h u n g benötigt m a n Geschosse der betreffenden Waffe, die man in W a t t e , Wachs oder Wasser verfeuert. Dann erfolgt die erste P r ü f u n g u n t e r einem binokularen Mikroskop, bei der man häufig bereits Unterschiede oder Übereinstimmungen bemerkt. Für den weiteren Beweis einer Identität gibt es dann zwei Wege. Der eine f ü h r t über die A u f n a h m e mittels der Geschoßkamera, bei der die Manteloberflächen als Bandstreifen 5 f a c h vergrößert dargestellt werden. Die P h o t o g r a m m e werden d a n n auf eine etwa 30fache Vergrößerung gebracht und in der Mitte durchschnitten. Die Hälften von T a t - und Vergleichsgeschoß werden vertauscht und müssen sich ergänzen. Der zweite Weg wird im Vergleichsmikroskop oder durch 2 mit Brückenokular v e r b u n d e n e Mikroskope beschritten. E r liefert stark vergrößerte Teilbilder der übereinstimmenden Zeichnungen der beiden Geschosse neben einander, die dadurch besonders überzeugend wirken.
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Kupfer oder Hartholz zur A u f n a h m e vorbereitet. Auf die Möglichkeit, Geschosse durch die chemische Analyse ihrer Bestandteile zu identifizieren, sei hier nur hingewiesen. Sie spielt eine Rolle bei der Untersuchung zert r ü m m e r t e r Bleigeschosse und bei der Untersuchung von J a g d m u n i t i o n , z. B. von Schrot. Bei letzterer k a n n auch die Untersuchung der Filzpfropfen und der Deckplättchen von Schrotpatronen u. U. von Bedeutung sein. C. D e r b e s c h o s s e n e G e g e n s t a n d u n d s e i n e B e z i e h u n g e n z u m S c h u ß . Wo ein Geschoß in einen Körper eintritt, e n t s t e h t eine Z u s a m m e n h a n g s t r e n n u n g , der „ E i n s c h u ß " , wo es den Körper verläßt, eine zweite, der „ A u s s c h u ß " . Die Verbindung zwischen beiden heißt Schußkanal. Bleibt das Geschoß im beschossenen Gegenstand stecken, so liegt ein „ S t e c k s c h u ß " vor. Beim Streif- und Prellschuß b e r ü h r t das Geschoß den Körper n u r mehr oder weniger oberflächlich. Das sind die bekanntesten „ S c h u ß arten". Der E i n s c h u ß ist meist kleiner als der Ausschuß, jedoch kann der Unterschied verwischt und das Gegenteil sogar der Fall sein. Die Größe des Einschusses h ä n g t vom Kaliber des Geschosses und von der physikalischen Beschaffenheit des beschossenen Gegenstandes ab. Er ist aber im allgemeinen nicht größer als das Kaliber des Geschosses, kann aber kleiner sein, wenn der beschossene Gegenstand elastisch ist. Das t r i f f t z. B. bei tierischer H a u t , Leder und feinen Stoffen wie Seide zu. Treffen Langgeschosse nicht mit der Spitze auf, so wird der Einschuß a b n o r m groß, u. U. elliptisch.
Ein derartiger „ Q u e r s c h l ä g e r " kann die Folge davon sein, daß das Geschoß in seiner Bahn abgelenkt oder aber daß es aus einem Lauf mit schlechter F ü h r u n g verfeuert worden ist. Hie und da trennen sich Mantelgeschosse in Kern und Mantel, so daß e i n Schuß 2 Einschüsse h e r v o r r u f t . Das Geschoß erleidet bei seinem Eindringen in einen Körper Veränderungen, die bei einem Bleigeschoß und Teilmantelgeschoß meist erheblich, bei einem Vollmantelgeschoß aber weniger bedeutend, häufig sogar sehr gering sind. An einem gefundenen Geschoß kann m a n häufig mikroskopisch und chemisch feststellen, womit es in B e r ü h r u n g Sind die Geschosse s t a r k beschädigt, so gekommen ist und was es durchschlagen wird Zug f ü r Zug mikroskopisch u n t e r s u c h t h a t (Blutnachweis). und vergrößert photographiert. Beschädigte Der Einschuß ist meistens, zumal bei BleiMantelgeschosse werden geöffnet, das Blei geschossen, von einem dunkelfarbigen, schmawird durch E r w ä r m e n entfernt und der len Saum umgeben, in dem man in günstig Mantelrest durch P l a t t d r ü c k e n zwischen gelegenen Fällen das abgestreifte Metall des 34 Handwörterbuch der Kriminologie. Bd. II.
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Schußwaffenuntersuchung
Geschosses mikrochemisch oder spektroskopisch nachweisen kann. Diese Erscheinung gilt n u r f ü r einen Schuß mit großem M ü n d u n g s a b s t a n d , wenn also die dem Geschoß zunächst vorauseilenden, in der H a u p t s a c h e aber nachfolgenden Pulvergase den beschossenen Gegenstand nicht mehr erreicht haben. Letzteres ist bei den meisten kriminalistisch erforderlich werdenden Schußuntersuchungen der Fall. Die Beschaffenheit des Laufes ist bei der Saumbildung von Einfluß. Die Frage nach dem M ü n d u n g s a b s t a n d einer W a f f e bei einem Schuß h a t häufig eine sehr erhebliche kriminalistische Bed e u t u n g , so z. B. f ü r die Entscheidung, ob in dem betreffenden Fall Notwehr vorlag oder nicht, und wenn sonst die einfache Unterscheidung in Nah- und Fernschuß nicht ausreicht. Ein „ F e r n s c h u ß " liegt vor, wenn n u r die Wirkung des Geschosses erk e n n b a r ist. K o m m t die W a f f e näher, so setzen z u n ä c h s t der relative Nahschuß, d a n n der u n m i t t e l b a r e Nahschuß und schließlich der aufgesetzte Schuß mit ihren charakteristischen Merkmalen ein, die f ü r jede W a f f e und jede Munition verschieden sein können. Beim „ N a h s c h u ß " wird der beschossene Gegenstand noch von u n v e r b r a n n t e n Teilen des Treibmittels und u. U. von abgerissenen Teilen der Patronenhülse getroffen, die chemisch nachgewiesen werden können. Die „ N a h s c h u ß m e r k m a l e " hängen weitgehend mit dem Kaliber und der Lauflänge der Waffe, dann aber auch mit der Menge und den besonderen Eigenschaften des Treibmittels zusammen. Ein Schmauchhof, d. h. eine D u n k e l f ä r b u n g um den Einschuß findet sich bei diesem allgemeinen (relativen) Nahschuß nicht. Ebenso ist eine Flammenwirkung (Sengspuren) bei ihm nicht nachzuweisen. Zur Erzeugung des relativen Nahschusses m u ß der M ü n d u n g s a b s t a n d bei Schwarzpulvermunition größer sein als bei rauchschwacher Munition, da erstere zu einem erheblichen Teil außerhalb des Laufes, letztere aber im Lauf v e r b r e n n t . Schwarzpulver neigt daher weit mehr zur „ F l a m m e n w i r k u n g " als rauchschwaches Pulver. E i n z e l n e Pulverteilchen können sich f i n d e n bei J a g d b ü c h s e n Kai. 6,5—9,3 m m bis zu 2 m, Revolver (Schwarzpulver) Kai. 9 m m bis zu 1 m, Revolver (Schwarzpulver) Kai. 7 m m bis zu 0,75 m, Pistolen Kai. 9 m m bis zu 0,75 m, Pistolen Kai. 7,65 m m bis zu 0,50 m, Pistolen Kai. 6,35 m m bis zu 30 bis 40 cm, Teschingwaffen mit R a n d f e u e r m u n i tion (Sinoxyd- oder Quecksilber) bis zu 0,75 m.
Die Bestimmung des Mündungsabstandes in einem gegebenen Fall ist zuverlässig n u r d a n n möglich, wenn die betreffende Munition in ausreichendem Maße zur Verfügung s t e h t , denn alle Nahschußerscheinungen hängen ab von der Munition und der Beschaffenheit des Laufs der verfeuernden Waffe. Sie sind z. B. bei gefettetem und unsauberem Lauf stärker als sonst. K o m m t die feuernde W a f f e dem beschossenen Gegenstand näher, so machen sich die Merkmale des Nahschusses in verm e h r t e m Maße bemerkbar. Außer versprengten einzelnen Pulverteilchen, die der Zahl nach zunehmen, finden wir u m den Einschuß den Pulverschmauch in Gestalt des „ S c h m a u c h h o f e s " . Man versteht hieru n t e r den Niederschlag der Pulvergase, der sich in Verbindung mit feinst zerteiltem, abgeriebenem Material des Geschosses und der L a u f w a n d u n g in der Nähe des Einschusses auf dem beschossenen Gegenstand abgelagert hat. Die Form des Schmauchhofes ist kennzeichnend f ü r die Richtung der Waffe, also die Schußrichtung. Da die Schußgase in Glockenform aus dem Lauf hervortreten, so kann sich n u r bei senkrechter H a l t u n g des Laufs zum beschossenen Gegenstand ein S c h m a u c h k r e i s bilden, sonst aber t r i t t immer eine in d e r S c h u ß r i c h t u n g a u s g e z o g e n e E l l i p s e auf. Dabei ist wohl zu beachten, daß Faltenbildung auf Kleidern, also der Schuß auf eine u n e b e n e F l ä c h e , ein v o m Normalen abweichendes Bild geben kann. Bei Nahschüssen, bei denen die W a f f e den Gegenstand noch nicht b e r ü h r t h a t und die Pulvergase noch nicht seitwärts getrieben sind, f i n d e t man also häufig 3 konzentrische Zonen von V e r ä n d e r u n g e n : 1. u n m i t t e l b a r u m den Einschuß den sogenannten Kontusionsring, dann 2. den Kreis der Pulvereinsprengung und 3. den diffusen, nach außen verlaufenden Schmauchhof. Bei aus noch größerer Nähe abgegebenen Schüssen k o m m t , zumal dann, wenn der beschossene Gegenstand kein fester Körper ist, die Wirkung der Pulvergase stärker zur Geltung. Sie ist in weitgehendstem Maße von der Menge des Treibmittels und vom A t m o sphärendruck der Pulvergase abhängig, also bei Schrot- u n d Büchsenschüssen viel stärker als bei Schüssen mit kurzläufigen Waffen. In s t ä r k s t e m Maße m a c h t dies sich beim Schrotschuß bemerkbar. Der Unterschied in der Wirkung zwischen einer Pistole 08 und einer automatischen Pistole kleineren Kalibers t r i t t zumal bei Kopfschüssen deutlich in die Erscheinung. Die Einsprengung von Pulverteilchen (Tätowierung) tritt
Schußwaffenuntersuchung immer mehr zurück, denn die Gase äußern ein Bestreben, zur Seite hin auszuweichen. Das kann dazu f ü h r e n , d a ß die Felder des Laufs im immer kleiner werdenden Schmauchhof hellere Streifen auf dunklem Untergrund bewirken, weil die schmauchbildenden Pulvergase vorzugsweise nur zwischen Geschoß und Zugrücken austreten können, das Feld selber daher frei bleibt. A m menschlichen Körper erzeugen derartige Schüsse, besonders wenn mit verhältnismäßig wenig Gewebe bedeckte Knochen (Schädel) getroffen werden, strahlige Platzverletzungen mit H a u t taschenbildungen, die schon oft infolge ihrer Größe als Ausschüsse angesprochen worden sind. Die mikrochemische Feststellung von Pulverteilchen im Schußkanal v e r h ü t e t ein derartiges Fehlurteil. Eine eigentliche Flammenwirkung, also Sengspuren, beobachtet m a n am beschossenen Gegenstand bei Schüssen dieser Art n u r sehr selten, am ehesten noch bei Schwarzpulverschüssen. Dagegen findet m a n durchweg H a a r e und Stoffe, also zarte Teile, die v o n den heißen Pulvergasen umspült werden, mit äußerst feinen, b r a u n e n bis schwarzen Inkrustationspartikelchen bedeckt, die ihnen a u ß e r o r d e n t l i c h f e s t a n h a f t e n . In diesen Teilchen kann bei Schüssen mit Bleigeschossen häufig mikrochemisch Blei nachgewiesen werden. Eine eingehende Schilder u n g der Verwertbarkeit aller Nahschußspuren im R a h m e n dieser Zusammenstellung würde zu weit f ü h r e n . K o m m t die M ü n d u n g der feuernden W a f f e dem beschossenen Gegenstand so nahe, d a ß sie ihn b e r ü h r t , so e n t s t e h t der a u f g e s e t z t e S c h u ß , der u. U. sehr a r m an äußerlich leicht erkennbaren Nahschußmerkmalen sein k a n n . Vollkommen fehlt z. B. der Schmauchhof, wenn der beschossene Gegenstand die Pulvergase ohne wesentliche Platzwirkung a u f z u n e h m e n vermag. Das ist z. B. beim menschlichen Körper der Fall, zumal d a n n , wenn er mit fest anliegenden Kleidern bedeckt ist. Letztere können allerdings einige Nahschußanzeichen a u f b e w a h r e n , besonders bei Schüssen mit größeren Mengen Treibmittel. Der aufgesetzte Schuß ist meist e t w a s über Kaliber groß u n d h a t , wenn er sich auf Kleidern befindet, einen ganz leicht dunkel gefärbten faserigen R a n d . Die Stofffasern weisen oft deutlich nach a u ß e n , also gegen die Schußrichtung, eine Folge des „ S o g s " nach dem Schuß. Pulverteilchen findet m a n im Einschuß selten, dagegen häufig bei durchschossenen Kleidern inkrustierte Fasern der Außenkleidung auf der Innenkleidung, sogar seitlich neben dem eigentlichen Schußkanal. Hier f i n d e t sich
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meist auch u n v e r b r a n n t e s Pulver. Sind feinere Gewebe durchschossen, so ist häufig eine Lockerung der Fäden festzustellen. Gelegentlich findet sich Pulverschmauch auf der R ü c k s e i t e der durchschossenen Kleidungsstücke. L ä ß t sich der Schußkanal im Körper weiter verfolgen, so kann man darin n a t ü r lich u n v e r b r a n n t e Pulverteilchen, Stoffreste, u. U. auch Kohlenoxyd, das Zersetzungsp r o d u k t des rauchschwachen Pulvers, und bei Schwarzpulverschuß Kohle, Salpeter u n d Schwefel nachweisen. Diese Befunde charakterisieren dann die Verletzung als aufgesetzten Schuß. Beim aufgesetzten Schuß auf den unbekleideten menschlichen Körper k o m m t es manchmal zu „ S t a n z v e r l e t z u n g e n " , die eine mehr oder minder deutliche Abbildung des Vorderteils der W a f f e auf der H a u t sind. Auch Klemmspuren werden an der H a u t und an Kleidern gelegentlich beim aufgesetzten Schuß beobachtet. Alle diese Spuren werden von dem nach dem Schuß vorschnellenden Schlittenstück der a u t o m a t i schen Pistole hervorgerufen und sind ein Merkmal von Selbstladewaffen. Häufig ist der aufgesetzte Schuß v o n einer starken Sprengwirkung begleitet, die aber n u r auf die Pulvergase u n d nicht auf die sogenannte hydrodynamische W i r k u n g des Geschosses z u r ü c k z u f ü h r e n ist. Letztere beginnt erst bei einer Geschoßgeschwindigkeit von über 500 m/sec, k o m m t daher f ü r alle Pistolengeschosse und die Geschosse zahlreicher anderer W a f f e n nicht in Betracht. W a f f e n , mit denen ein aufgesetzter Schuß abgegeben worden ist, enthalten f a s t immer im Innern des Laufs oder der K a m m e r Teile des beschossenen Gegenstandes, der im Einschuß vom Geschoß und den Pulvergasen z e r t r ü m m e r t worden ist und die vom „ S o g " nach dem Schuß in die W a f f e gerissen werden. So findet m a n im Lauf v o n Selbstmörderwaffen f a s t durchweg Blut, Knochensplitter und Gewebeteile. Ist mit der W a f f e ein aufgesetzter Schuß auf die Kleidung abgegeben, so t r i f f t m a n Stoffasern im Lauf. Bei aufgesetzten Schüssen auf Holz dringen Holzteilchen in den Lauf, so daß die Holza r t mikroskopisch b e s t i m m t werden kann. Diese Erscheinungen können bei der E n t scheidung der Frage nach Selbstmord, Töt u n g auf Verlangen oder Mord und anderen kriminalistischen Dingen eine wichtige Rolle spielen. Die Nahschußmerkmale an der W a f f e nehmen mit dem Kaliber z u ; sie finden sich daher an 9-mm-Pistolen stärker ausgeprägt als bei Pistolen des Kalibers 7,65 und 6,35 m m .
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Schußwaffenuntersuchung — Schutzpolizei
Schrifttum: K o m m t eine bestimmte Person in den o c k , Moderne F a u s t f e u e r w a f f e n und ihr Verdacht des Waffenmißbrauchs, und hanGebrauch, N e u d a m m 1922. — D e r s e l b e , delt es sich dabei um Faustfeuerwaffen, so Pistolenschießen in Notwehr, Berlin 1932.— empfiehlt es sich, die H ä n d e des Betreffenden R. W i l l e , Waffenlehre, Berlin 1900. — einer genauen P r ü f u n g zu unterziehen. Denn Zi m m e r l e , Waffenlehre, Berlin 1927. — beim Schießen mit einem Revolver erhält Pietrusky, Die naturwissenschaftlichf a s t durchweg die zum Schießen b e n u t z t e kriminalistischen Untersuchungen bei H a n d eine Pulverschmauchanlagerung, weil Schußverletzungen, Abt. IV, Teil 12. — zwischen Trommel und Lauf Pulvergase ausA b d e r h a l d e n , H a n d b u c h der biolog. Art r e t e n . Sie finden sich hauptsächlich a m beitsmethoden, 2. Hälfte, H e f t 2, Berlin. — M a h r h o l d t , H a n d b u c h f ü r Waffenfreunde, Zeigefinger bis auf der H a u t f a l t e zwischen Innsbruck 1931. — S ö d e r m a n , L'experdiesem und dem Daumen. Die s t ä r k s t e tise des armes à feu courtes, Lyon 1928 Pulverschmauchanlagerung erhält der Zeige(zahlr. Literaturangaben). — D e r o m e , finger beim sogenannten amerikanischen Expertise des armes à feu, Montreal 1929. Schießen, bei dem mit dem Mittelfinger ab— L o c a r d , Manuel de technique poligezogen und der Zeigefinger auf das Ziel cière, Paris 1923. — Einzelabhandlungen deutend neben Trommel und Lauf gelegt im Archiv f ü r Kriminologie, Kriminaliwird. Aus der Art des Pulverschmauchs stische Monatshefte, Zeitschrift f ü r die ges a m t e gerichtliche Medizin und in Revue kann sogar auf die verfeuerte Munition geinternationale de Criminalistique. schlossen werden, weil Schwarzpulver einen dunkelfarbigen, rauchschwaches Pulver daAugust Brüning. gegen einen mehr gelblich-grauen Schmauch h e r v o r r u f t . Weiter ist es in derartigen Fällen erforderlich, der H a u t f a l t e zwischen D a u m e n u n d Zeigefinger auch deshalb besondere Be- Schutzaufsicht bei bedingter Begnadigung a c h t u n g zu schenken, weil zahlreiche kleine s. Entlassenenbehandlung. automatische Pistolen dazu neigen, beim Schuß diese H a u t f a l t e mit dem Schlitten einzuklemmen. Die Folge hiervon sind dann zwei sehr scharfe Einschnitte in der H a u t , Schutzhaft s. Verwahrung, polizeiliche, aus deren A b s t a n d sogar die hintere Breite Sicherheits- und S c h u t z h a f t . des Schlittenstücks der betreffenden Pistole bestimmt werden kann. Zu einem derartigen Einklemmen der H a u t neigt z. B. die Mannpistole. Die Bedeutung der Schußwaffen und der Munition als Beweisstücke bei der Aufklär u n g von S t r a f t a t e n und die daraus sich ergebenden u n d möglichen Untersuchungen lassen sich einigermaßen voraussehen und in abgegrenzte Formen bringen, wie es in der vorliegenden A b h a n d l u n g geschehen ist. Meist sind es immer dieselben Fragen, auf die es dabei a n k o m m t . Beim beschossenen Gegenstand aber ist das nicht der Fall, denn er kann infolge seiner Vielgestalt unbegrenzt wechseln. Daher sind auch hier n u r einige allgemein wichtige Fälle herausgegriffen worden, in deren umfassenden R a h m e n in der Praxis sich ergebende Fragen sich mehr oder minder gut einordnen lassen. Zudem ist bei der B e t r a c h t u n g der W a f f e n - und Schußuntersuchung nicht zu vergessen, daß die Schußwaffen sich in einer ständigen Weiterentwicklung befinden und daß daher immer mit dem A u f t r e t e n neuer W a f f e n zu rechnen ist, deren Wirkung uns zunächst u n b e k a n n t ist. Daher ist in der Beurteilung aller Fragen, die das Gebiet der Schußwaffenuntersuchung allgemein betreffen, doppelte Vorsicht geboten.
Schutzpolizei.
(Verhältnis zur Kriminalpolizei.) Der § 163 S t P O . begründet auch f ü r die Schutzpolizei die Pflicht, s t r a f b a r e H a n d lungen zu untersuchen und alle keinen Aufschub duldenden M a ß n a h m e n zu t r e f f e n ; er berechtigt durch Sonderbestimmungen über Freiheitsentziehung, Durchsuchung, Beschlagnahme die Polizei ohne Unterschied der F a c h s p a r t e n zur Vornahme bestimmter A m t s handlungen. Die T r e n n u n g der Aufgabenkreise von Kriminal- und Schutzpolizei — soweit sie, wie überwiegend, a m gleichen Ort vertreten sind — ist lediglich eine solche auf G r u n d innerdienstlicher Verwaltungsanordnung. Zweifellos entspricht diese T r e n n u n g den modernen Bedürfnissen und hängt mit der sich überall durchsetzenden Spezialisierung zusammen. Macht doch diese Spezialisierung auch in der innerdienstlichen Verwend u n g der großen Kriminalpolizeien immer weitere der technischen Entwicklung sich anpassende Fortschritte. Die a n g e f ü h r t e innerdienstliche Anweisung an die Polizeisparten entbindet jedoch den einzelnen Schutzpolizeib e a m t e n nicht von der ihm auf Grund des
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Schußwaffenuntersuchung — Schutzpolizei
Schrifttum: K o m m t eine bestimmte Person in den o c k , Moderne F a u s t f e u e r w a f f e n und ihr Verdacht des Waffenmißbrauchs, und hanGebrauch, N e u d a m m 1922. — D e r s e l b e , delt es sich dabei um Faustfeuerwaffen, so Pistolenschießen in Notwehr, Berlin 1932.— empfiehlt es sich, die H ä n d e des Betreffenden R. W i l l e , Waffenlehre, Berlin 1900. — einer genauen P r ü f u n g zu unterziehen. Denn Zi m m e r l e , Waffenlehre, Berlin 1927. — beim Schießen mit einem Revolver erhält Pietrusky, Die naturwissenschaftlichf a s t durchweg die zum Schießen b e n u t z t e kriminalistischen Untersuchungen bei H a n d eine Pulverschmauchanlagerung, weil Schußverletzungen, Abt. IV, Teil 12. — zwischen Trommel und Lauf Pulvergase ausA b d e r h a l d e n , H a n d b u c h der biolog. Art r e t e n . Sie finden sich hauptsächlich a m beitsmethoden, 2. Hälfte, H e f t 2, Berlin. — M a h r h o l d t , H a n d b u c h f ü r Waffenfreunde, Zeigefinger bis auf der H a u t f a l t e zwischen Innsbruck 1931. — S ö d e r m a n , L'experdiesem und dem Daumen. Die s t ä r k s t e tise des armes à feu courtes, Lyon 1928 Pulverschmauchanlagerung erhält der Zeige(zahlr. Literaturangaben). — D e r o m e , finger beim sogenannten amerikanischen Expertise des armes à feu, Montreal 1929. Schießen, bei dem mit dem Mittelfinger ab— L o c a r d , Manuel de technique poligezogen und der Zeigefinger auf das Ziel cière, Paris 1923. — Einzelabhandlungen deutend neben Trommel und Lauf gelegt im Archiv f ü r Kriminologie, Kriminaliwird. Aus der Art des Pulverschmauchs stische Monatshefte, Zeitschrift f ü r die ges a m t e gerichtliche Medizin und in Revue kann sogar auf die verfeuerte Munition geinternationale de Criminalistique. schlossen werden, weil Schwarzpulver einen dunkelfarbigen, rauchschwaches Pulver daAugust Brüning. gegen einen mehr gelblich-grauen Schmauch h e r v o r r u f t . Weiter ist es in derartigen Fällen erforderlich, der H a u t f a l t e zwischen D a u m e n u n d Zeigefinger auch deshalb besondere Be- Schutzaufsicht bei bedingter Begnadigung a c h t u n g zu schenken, weil zahlreiche kleine s. Entlassenenbehandlung. automatische Pistolen dazu neigen, beim Schuß diese H a u t f a l t e mit dem Schlitten einzuklemmen. Die Folge hiervon sind dann zwei sehr scharfe Einschnitte in der H a u t , Schutzhaft s. Verwahrung, polizeiliche, aus deren A b s t a n d sogar die hintere Breite Sicherheits- und S c h u t z h a f t . des Schlittenstücks der betreffenden Pistole bestimmt werden kann. Zu einem derartigen Einklemmen der H a u t neigt z. B. die Mannpistole. Die Bedeutung der Schußwaffen und der Munition als Beweisstücke bei der Aufklär u n g von S t r a f t a t e n und die daraus sich ergebenden u n d möglichen Untersuchungen lassen sich einigermaßen voraussehen und in abgegrenzte Formen bringen, wie es in der vorliegenden A b h a n d l u n g geschehen ist. Meist sind es immer dieselben Fragen, auf die es dabei a n k o m m t . Beim beschossenen Gegenstand aber ist das nicht der Fall, denn er kann infolge seiner Vielgestalt unbegrenzt wechseln. Daher sind auch hier n u r einige allgemein wichtige Fälle herausgegriffen worden, in deren umfassenden R a h m e n in der Praxis sich ergebende Fragen sich mehr oder minder gut einordnen lassen. Zudem ist bei der B e t r a c h t u n g der W a f f e n - und Schußuntersuchung nicht zu vergessen, daß die Schußwaffen sich in einer ständigen Weiterentwicklung befinden und daß daher immer mit dem A u f t r e t e n neuer W a f f e n zu rechnen ist, deren Wirkung uns zunächst u n b e k a n n t ist. Daher ist in der Beurteilung aller Fragen, die das Gebiet der Schußwaffenuntersuchung allgemein betreffen, doppelte Vorsicht geboten.
Schutzpolizei.
(Verhältnis zur Kriminalpolizei.) Der § 163 S t P O . begründet auch f ü r die Schutzpolizei die Pflicht, s t r a f b a r e H a n d lungen zu untersuchen und alle keinen Aufschub duldenden M a ß n a h m e n zu t r e f f e n ; er berechtigt durch Sonderbestimmungen über Freiheitsentziehung, Durchsuchung, Beschlagnahme die Polizei ohne Unterschied der F a c h s p a r t e n zur Vornahme bestimmter A m t s handlungen. Die T r e n n u n g der Aufgabenkreise von Kriminal- und Schutzpolizei — soweit sie, wie überwiegend, a m gleichen Ort vertreten sind — ist lediglich eine solche auf G r u n d innerdienstlicher Verwaltungsanordnung. Zweifellos entspricht diese T r e n n u n g den modernen Bedürfnissen und hängt mit der sich überall durchsetzenden Spezialisierung zusammen. Macht doch diese Spezialisierung auch in der innerdienstlichen Verwend u n g der großen Kriminalpolizeien immer weitere der technischen Entwicklung sich anpassende Fortschritte. Die a n g e f ü h r t e innerdienstliche Anweisung an die Polizeisparten entbindet jedoch den einzelnen Schutzpolizeib e a m t e n nicht von der ihm auf Grund des
Schutzpolizei § 163 StPO. auferlegten Verpflichtung. Eine Unterlassung notwendiger Schritte wäre gesetzwidrig. Richtig gesehen widersprechen sich Gesetz und Verwaltungsanordnung nicht. Es ist dies auch nicht organisatorisch beabsichtigt. Es ist a n e r k a n n t e Praxis, daß jeder Polizeibeamte, also auch der Schutzpolizeibeamte, überall, wo er aus eigenem Recht und ohne besonderen A u f t r a g t ä t i g wird, schlechthin Vertreter der Polizei ist und als solcher zu handeln hat. F ü r die Schutzpolizei wird die Frage praktisch, wie weit sie in der Ausü b u n g dieser Pflicht am kriminellen T a t o r t g e h e m m t ist und wie weit sie in wohlverstandener Auslegung der Dienstanweisung t ä t i g zu werden hat. Ohne Zweifel sind die Grenzen zwischen Kriminalpolizei und Schutzpolizei so flüssig wie zwischen vielen anderen Polizeiarten. Ist a m T a t o r t die Schutzpolizei allein anwesend — es wird dies infolge der größeren Anzahl von Schutzpolizeibeamten u n d ihrem Tätigkeitsfeld, der Straße, sehr oft der Fall sein —, so r u h t in ihrer H a n d bis zum Eintreffen der Kriminalpolizei die volle V e r a n t w o r t u n g . Wie wirkt sich diese a u s ? Es m u ß unterschieden werden zwischen 1. denjenigen Handlungen, die die Schutzpolizei v o r n i m m t , u m der spezialpolizeilichen Tätigkeit der Kriminalpolizei die Wege offen zu halten, und 2. denjenigen Handlungen, welche die Schutzpolizei ohne Rücksicht auf das f r ü h e r e oder spätere Erscheinen der Kriminalpolizei ex officio vornehmen m u ß . Zu 1. Die Praxis ist feststehend. Die Schutzpolizei h a t lediglich der Arbeit der Kriminalpolizei die Wege zu ebnen. Sie h a t den T a t o r t abzusperren, d. h. f ü r seine Unberührtheit zu sorgen, sie h a t vorhandene Spuren vor Veränderung zu schützen, sie hat Zeugen zu notieren und schließlich — aber nicht zum geringsten —• den m u t m a ß l i c h e n T ä t e r festzunehmen. Mit anderen W o r t e n : sie h a t alles zu t u n , was unaufschiebbar ist und der später eintreffenden Kriminalpolizei die Tätigkeit erleichtert, und sie hat alles zu unterlassen, was aus diesem Grunde nicht erforderlich ist. Eine P r ü f u n g dieser Abgrenzung der Aufgaben des Schutzpolizeib e a m t e n am T a t o r t ergibt schon, daß sich dieser scheinbar klare Pflichtenkreis verschieben kann, wenn das Eintreffen der Kriminalpolizei — wie das in S t ä d t e n häufig, auf dem Lande f a s t immer der Fall ist — länger auf sich w a r t e n läßt. Zu 2. Nach dem Gesetz ist auch der Schutzpolizeibeamte verpflichtet, alle keinen Aufschub duldenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu v e r h ü t e n . Ist dieser Pflicht mit den zu 1. gekennzeichneten M a ß n a h m e n g e n ü g t ?
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Das wird häufig nicht der Fall sein. Es können darüber hinaus Schritte notwendig sein, die unbedingt von dem zuerst an Ort und Stelle befindlichen Beamten getan werden müssen, weil sie später nicht mehr getan werden können. Hier aber liegt ein Mangel in der herrschenden Praxis vor, der häufig genug hervorgetreten ist. Wenn jeder Schutzpolizeibeamte sich darüber klar ist, was er n i c h t t u n darf, um der Kriminalpolizei in der Spezialarbeit später keinen Abbruch zu t u n , so ist f ü r ihn freie Bahn geschaffen, um das zu bedenken, was er n u n noch t u n könnte, um die Sache aufzuklären und den T ä t e r zu ermitteln. Das Nächstliegende ist die Verfolgung des Täters selbst, falls dieser sich nach deutlichen Merkmalen oder Zeugenaussagen noch in der Nähe befindet oder sich nach Lage der Dinge noch nicht weit befinden k a n n . Hier t r e t e n die ersten Bedenken des Schutzpolizeibeamten auf. Was ist wichtiger, den T a t o r t in seinem Spurenbestande zu schützen und zu erhalten, oder den T ä t e r zu verfolgen und zu ergreifen? Es ist durchaus der Fall denkbar, daß der mutmaßliche T ä t e r ergriffen wird und sich später nicht überführen läßt, weil inzwischen die Spuren des T a t o r t e s verwischt waren. Der andere Fall ist jedoch noch übler, daß die Spuren des T a t o r t s erhalten bleiben und der T ä t e r f ü r alle Zeit entschwindet. Diese Sachlage stellt an das kriminalistische Verständnis eines E x e k u t i v b e a m t e n ganz zweifellos große Anforderungen und es geht daraus hervor, daß der Pflege auch einer kriminalistischen Ausbildung der Schutzpolizei eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken ist. Eine weitere beim „ersten Angriff" entscheidend zu regelnde Frage ist die Sicherung der Personalien derjenigen Zeugen, die f ü r die A u f k l ä r u n g der Sache von Belang sind. Wenn auch manche Zeugen sich vielfach später freiwillig bei der Polizeibehörde einfinden, so besteht doch die Möglichkeit, daß wichtige Zeugen aus angeborener Behörden- und Gerichtsscheu f ü r immer verloren gehen. Ihrer Organisation entsprechend wird die Schutzpolizei häufig schneller mit ihren Bea m t e n am T a t o r t zur Stelle sein, als es die Kriminalpolizei kann. Die Überfallkommandos in den Großstädten werden in erster Linie die Aufgabe haben, den angedeuteten Pflichten gerecht zu werden. Darüber hinaus wird der Vorsteher des in Frage kommenden Polizeireviers bald eintreffen und mit dem Schutzpolizeibeamten, den nun ebenfalls herbeigeeilten diensttuenden Kriminalbeamten mit Sachkenntnis zur Seite stehen müssen. Im Laufe der S t u n d e n wird sich am T a t o r t das Bild derartig verschieben, daß immer mehr Kriminalpolizei eintrifft. Die Pflicht,
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Schutzpolizei — Sektion und Obduktion
alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, geht selbstverständlich nunmehr auf diese über. Der Schutzpolizeibeamte kommt nicht in die Lage, die reizvolle Aufgabe zu lösen und die Kette der Beweisglieder an einander zu reihen, den entwichenen Täter zu ermitteln und zu ergreifen. Er muß diese Aufgabe der Schwesterbehörde überlassen, die nun einmal dafür da ist. Er darf aber nicht so lange auf das Eintreffen der Kriminalpolizei warten, bis wichtige Spuren verwischt, wichtige Zeugen verschwunden sind oder gar der Täter entwichen ist. Neben der selbständigen Tätigkeit der Schutzpolizei in kriminellen Fällen hat sie — wie schon angedeutet — die Kriminalpolizei bei deren Tätigkeit zu unterstützen. Die Ausf ü h r u n g von Festnahmen wird der leitende Kriminalbeamte häufig durch Beamte der Schutzpolizei vorziehen, nämlich immer dann, wenn sie aus einem größeren Personenkreis heraus vor sich geht und Aufsehen nicht vermieden zu werden braucht. Auch die Verfolgung von Tätern wird durch die Schutzpolizei dann erfolgreicher vorgenommen werden können, wenn mit der Hilfe des Publikums gerechnet werden kann. Hier unterscheiden sich Verfolgter und Verfolgender besser von einander. Die Mitwirkung der Schutzpolizei bei Razzien und Durchsuchungen großen Stils ist die Regel geworden. Hier beschränkt sich die Kriminalpolizei meist auf die Vornahme der eigentlichen Durchsuchungen, während alle Absperrungsmaßnahmen durch die Schutzpolizei vorgenommen werden. Auch der Schutz der Kriminalpolizei gegen größere Menschenmengen wird öfter der Schutzpolizei übertragen werden müssen. Die Zusammenarbeit von Schutzpolizei und Kriminalpolizei ist in den einzelnen Ländern verschieden geregelt. Allzu scharfe Trennung der Kompetenzen f ü h r t zu Spartenneid und ist organisatorisch nicht zu empfehlen. Gustav Langenscheldt.
Sektion und Obduktion. 1. Unter Sektion (Autopsie, Obduktion) versteht man eine kunstgerechte vom Arzt ausgeführte Leichenöffnung. Die Obduktion dient zur Feststellung der Todesursache und sonstigen Veränderungen, die f ü r die medizinische Wissenschaft von Interesse sind. Die Fragestellung bei der Leichenöffnung ist durchaus von Fall zu Fall verschieden; vom S t a n d p u n k t der Kriminalistik ist die Sektion unter dem Gesichtswinkel eines gerichtlichen Ermittlungsverfahrens zu betrachten. Durch
eine Leichenöffnung als gerichtliche Handlung werden wesentliche Tatsachen und Bef u n d e ermittelt und festgelegt, die über die Begehungsart fraglicher gewaltsamer Todesursachen, über das dazu verwandte Werkzeug, über die Schuldfrage und anderes mehr Aufklärung geben können. Dabei hat die gerichtliche Sektion an sich die Aufgabe, den bestimmten vorliegenden Fall von der medizinisch-kriminalistischen Seite her aufzuklären; sie dient daneben in ihren Ergebnissen der gerichtlichen Medizin als Unterlage f ü r Lehre und Forschung. 2. Die Strafprozeßordnung beschäftigt sich in §§ 87ff. mit den bei einer gerichtlichen Leichenöffnung einzuhaltenden Vorschriften. Während die richterliche Leichenschau unter Hinzuziehung e i n e s Arztes vor sich geht (im übrigen wird hiervon sehr wenig Gebrauch gemacht und in den meisten Fällen die Obduktion vorgenommen), muß die Leichenöffnung im Beisein des Richters von zwei Ärzten, unter welchen sich ein Gerichtsarzt befinden muß, stattfinden. Der behandelnde Arzt kann der Leichenöffnung beiwohnen, darf sie jedoch selbst nicht ausführen (§ 87). Die Leichenöffnung muß sich, soweit der Zustand der Leiche dies gestattet, stets auf die Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken (§ 89). Bei der Obduktion eines Neugeborenen ist besonders auf das Gelebthaben zu achten und stets Reife und Lebensfähigkeit festzustellen (§ 90). Besteht der Verdacht einer Vergiftung, so hat eine Untersuchung der in der Leiche oder sonst gefundenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker, unter Umständen unter Mitwirkung oder Leitung eines Arztes, s t a t t z u finden (§ 91). Die gerichtliche Leichenöffnung wird nur dann vorgenommen, wenn ein Anlaß zu strafrechtlichen Ermittelungen vorliegt. Versicherungsrechtliche Fragen, zivilrechtliche Haftansprüche und dergleichen zu klären, ist an sich nicht Aufgabe einer gerichtlichen Sektion. Die Ausführung der gerichtlichen Sektion erfordert einen besonders geschulten, fachmännisch vorgebildeten Arzt. Dieser muß nicht nur die Technik der Leichenöffnung beherrschen und über pathologisch-anatomische Kenntnisse verfügen, sondern auch große Erfahrung in gerichtsärztlichen Fragen haben. Aus den gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, daß zwei Ärzte die Sektion gemeinsam vorzunehmen haben. Der eine davon muß, der andere soll ein Gerichtsarzt sein. Die näheren Bestimmungen sind in den deutschen Ländern etwas verschieden. In Preußen werden in den größeren Städten die Gerichts-
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Schutzpolizei — Sektion und Obduktion
alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, geht selbstverständlich nunmehr auf diese über. Der Schutzpolizeibeamte kommt nicht in die Lage, die reizvolle Aufgabe zu lösen und die Kette der Beweisglieder an einander zu reihen, den entwichenen Täter zu ermitteln und zu ergreifen. Er muß diese Aufgabe der Schwesterbehörde überlassen, die nun einmal dafür da ist. Er darf aber nicht so lange auf das Eintreffen der Kriminalpolizei warten, bis wichtige Spuren verwischt, wichtige Zeugen verschwunden sind oder gar der Täter entwichen ist. Neben der selbständigen Tätigkeit der Schutzpolizei in kriminellen Fällen hat sie — wie schon angedeutet — die Kriminalpolizei bei deren Tätigkeit zu unterstützen. Die Ausf ü h r u n g von Festnahmen wird der leitende Kriminalbeamte häufig durch Beamte der Schutzpolizei vorziehen, nämlich immer dann, wenn sie aus einem größeren Personenkreis heraus vor sich geht und Aufsehen nicht vermieden zu werden braucht. Auch die Verfolgung von Tätern wird durch die Schutzpolizei dann erfolgreicher vorgenommen werden können, wenn mit der Hilfe des Publikums gerechnet werden kann. Hier unterscheiden sich Verfolgter und Verfolgender besser von einander. Die Mitwirkung der Schutzpolizei bei Razzien und Durchsuchungen großen Stils ist die Regel geworden. Hier beschränkt sich die Kriminalpolizei meist auf die Vornahme der eigentlichen Durchsuchungen, während alle Absperrungsmaßnahmen durch die Schutzpolizei vorgenommen werden. Auch der Schutz der Kriminalpolizei gegen größere Menschenmengen wird öfter der Schutzpolizei übertragen werden müssen. Die Zusammenarbeit von Schutzpolizei und Kriminalpolizei ist in den einzelnen Ländern verschieden geregelt. Allzu scharfe Trennung der Kompetenzen f ü h r t zu Spartenneid und ist organisatorisch nicht zu empfehlen. Gustav Langenscheldt.
Sektion und Obduktion. 1. Unter Sektion (Autopsie, Obduktion) versteht man eine kunstgerechte vom Arzt ausgeführte Leichenöffnung. Die Obduktion dient zur Feststellung der Todesursache und sonstigen Veränderungen, die f ü r die medizinische Wissenschaft von Interesse sind. Die Fragestellung bei der Leichenöffnung ist durchaus von Fall zu Fall verschieden; vom S t a n d p u n k t der Kriminalistik ist die Sektion unter dem Gesichtswinkel eines gerichtlichen Ermittlungsverfahrens zu betrachten. Durch
eine Leichenöffnung als gerichtliche Handlung werden wesentliche Tatsachen und Bef u n d e ermittelt und festgelegt, die über die Begehungsart fraglicher gewaltsamer Todesursachen, über das dazu verwandte Werkzeug, über die Schuldfrage und anderes mehr Aufklärung geben können. Dabei hat die gerichtliche Sektion an sich die Aufgabe, den bestimmten vorliegenden Fall von der medizinisch-kriminalistischen Seite her aufzuklären; sie dient daneben in ihren Ergebnissen der gerichtlichen Medizin als Unterlage f ü r Lehre und Forschung. 2. Die Strafprozeßordnung beschäftigt sich in §§ 87ff. mit den bei einer gerichtlichen Leichenöffnung einzuhaltenden Vorschriften. Während die richterliche Leichenschau unter Hinzuziehung e i n e s Arztes vor sich geht (im übrigen wird hiervon sehr wenig Gebrauch gemacht und in den meisten Fällen die Obduktion vorgenommen), muß die Leichenöffnung im Beisein des Richters von zwei Ärzten, unter welchen sich ein Gerichtsarzt befinden muß, stattfinden. Der behandelnde Arzt kann der Leichenöffnung beiwohnen, darf sie jedoch selbst nicht ausführen (§ 87). Die Leichenöffnung muß sich, soweit der Zustand der Leiche dies gestattet, stets auf die Öffnung der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken (§ 89). Bei der Obduktion eines Neugeborenen ist besonders auf das Gelebthaben zu achten und stets Reife und Lebensfähigkeit festzustellen (§ 90). Besteht der Verdacht einer Vergiftung, so hat eine Untersuchung der in der Leiche oder sonst gefundenen verdächtigen Stoffe durch einen Chemiker, unter Umständen unter Mitwirkung oder Leitung eines Arztes, s t a t t z u finden (§ 91). Die gerichtliche Leichenöffnung wird nur dann vorgenommen, wenn ein Anlaß zu strafrechtlichen Ermittelungen vorliegt. Versicherungsrechtliche Fragen, zivilrechtliche Haftansprüche und dergleichen zu klären, ist an sich nicht Aufgabe einer gerichtlichen Sektion. Die Ausführung der gerichtlichen Sektion erfordert einen besonders geschulten, fachmännisch vorgebildeten Arzt. Dieser muß nicht nur die Technik der Leichenöffnung beherrschen und über pathologisch-anatomische Kenntnisse verfügen, sondern auch große Erfahrung in gerichtsärztlichen Fragen haben. Aus den gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, daß zwei Ärzte die Sektion gemeinsam vorzunehmen haben. Der eine davon muß, der andere soll ein Gerichtsarzt sein. Die näheren Bestimmungen sind in den deutschen Ländern etwas verschieden. In Preußen werden in den größeren Städten die Gerichts-
Sektion und Obduktion ärzte bzw. die gerichtsärztlichen Universitätsinstitute zu den Sektionen herangezogen. Auf dem Lande f ü h r t der Kreisarzt als der zuständige Gerichtsarzt die Leichenöffnung aus und n i m m t sich häufig dazu einen in gerichtsärztlichen Dingen erfahrenen Arzt, evtl. einen Assistenten eines gerichtsärztlichen Instituts zu Hilfe. Bei der Sektion diktiert gewöhnlich der erste Sachverständige das nach besonderen Vorschriften anzufertigende Protokoll, das in einzelnen P u n k t e n abzufassen ist, während der zweite Sachverständige die Obduktion a u s f ü h r t und dem anderen die erhobenen Befunde demonstriert. Das a m Ende der Sektion von beiden Ärzten abzugebende vorläufige G u t a c h t e n wird gemeinsam abgefaßt. Die Bestimmung, daß zwei Ärzte die Sektion auszuführen haben, daß einer davon einen amtsärztlichen C h a r a k t e r haben muß, ist besonders beachtlich. Es soll dadurch vermieden werden, daß durch falsche Beschreibungen oder Beurteilungen ein wichtiger Sachverhalt verschleiert werden kann. Das Gesetz sieht ferner die Anwesenheit des Richters bei der O b d u k t i o n vor und fordert, daß das Protokoll gleich bei der Leichenöffnung einem gerichtlichen Protokollführer diktiert wird. Die A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n , niedergelegt in den „Vorschriften über das Verfahren der Ärzte bei den gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichen" sind in Bayern zuletzt a m 30. V I I . 1930 geändert worden. F ü r P r e u ß e n sind die Bestimmungen vom 31. V. 1922 gültig. F ü r Sachsen ist am 22. VI. 1923 eine B e k a n n t m a c h u n g des Ministeriums des Innern erfolgt. Diese Vorschriften enthalten alle Einzelheiten über die Technik und über die Abfassung des P r o t o kolls. Es ist hier nicht der Platz, näher auf diese Ausführungen einzugehen. Wichtig ist der Hinweis (sächsische und preußische Vorschriften), daß die Ärzte darauf einzuwirken haben, daß eine Leichenöffnung möglichst frühzeitig vorgenommen wird, daß aber in Fällen vor Ablauf von 12 S t u n d e n nach dem Tode die Gründe f ü r diese frühzeitige Leichenö f f n u n g im Protokoll niedergelegt werden müssen. Auch m u ß in diesem Falle, u n d n u r dann, v e r m e r k t werden, in welcher Weise der Tod festgestellt worden ist. Wegen Fäulnis darf eine Sektion niemals abgelehnt werden, da in vielen Fällen doch noch die Möglichkeit besteht, t r o t z der weitgehenden Fäulnis wichtige Befunde (Fremdkörper, Schwangerschaft, Vergiftungen, Knochenveränderungen) festzustellen. Die entscheidenden und erheblichen Befunde sollen dem anwesenden Richt e r vorgezeigt werden, bevor sie protokolliert werden.
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Die Sektion h a t sich, worauf schon in den gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen ist, in keinem Falle mit der Ö f f n u n g einer der drei Höhlen zu begnügen, sondern m u ß sich stets auf Kopf-, Brust- und Bauchhöhle erstrecken. Am genauesten ist in den neuen preußischen Vorschriften die Technik der Zergliederung der einzelnen Höhlen und Organe beschrieben. Die Untersuchung an Leichen Neugeborener weicht etwas von der gewöhnlichen Sektion Erwachsener ab. Hier wird zur Zeit meist die sogenannte Henkelkorbmethode bei der Ö f f n u n g der Kopfhöhle geübt. Sie ges t a t t e t am besten den Überblick über die leicht zerreißliche und bei der Geburt häufig beschädigte Hirnsichel und das Hirnzelt. Bei der Neugeborenensektion ist, wenn das Kind nach der 26. Woche geboren worden ist, darauf zu achten, ob es in oder nach der Geburt geatmet hat. Es ist ferner jedesmal festzustellen, ob das Kind reif und lebensfähig war. Bei den Lebensproben h a t in den letzten J a h r e n insbesondere durch die neueren Vorschriften der Länder die Magen-Darmschwimmprobe neben der Lungenschwimmprobe erhöhte Bedeutung gewonnen. Bei negativem oder zweifelhaftem Ergebnis der Lungenschwimmprobe m u ß die Magen-Darmschwimmprobe ergänzend herangezogen werden. Diese wird in der Weise vorgenommen, daß der am Magenmund u n t e r b u n d e n e Magen mit dem ganzen D ü n n d a r m herausgenommen und auf Wasser gelegt wird, u m festzustellen, ob und welche Teile lufthaltig sind. Ist L u f t im Magen und D a r m vorhanden, so beweist dies, falls sich Fäulnisgasbildung ausschließen läßt, daß das Neugeborene gelebt h a t . L u f t in tieferen Abschnitten spricht f ü r längeres Gelebthaben. Das zu e r s t a t t e n d e vorläufige G u t a c h t e n , das in direktem Anschluß an die Sektion gemeinsam von den Obduzenten abgegeben wird, soll zunächst die Todesursache, dann aber auch die Frage nach dem Vorliegen eines Verbrechens beantworten. Wenn der Fall sich durch die Obduktion nicht vollständig aufklären läßt, m u ß im vorläufigen Gutachten eine weitere Untersuchung bea n t r a g t werden. Insbesondere ist hier auf die Notwendigkeit vorzunehmender mikroskopischer Untersuchungen hinzuweisen. Beim Verdacht einer Vergiftung müssen nach bes t i m m t e n Vorschriften Leichenteile in gesonderten Behältnissen aufgehoben und durch das Gericht einem Chemiker z u g e f ü h r t werden. Bei einer Kohlenoxydvergiftung m u ß die Untersuchung auf Kohlenoxyd von den Gerichtsärzten bei der Sektion vorgenommen werden. Eine Abschrift des gerichtsärztlichen Sektionsprotokolls geht in Preußen den Medi-
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Sektion und Obduktion
zinalabteilungen der Provinz zu und wird hier einer sorgfältigen Durchsicht auf etwaige Fehlerquellen und Ungenauigkeiten unterzogen. Die gesammelten Protokolle werden dann noch einmal dem Landesgesundheitsrat vorgelegt. 3. Durch die bis ins Einzelne gehenden Vorschriften wird eine Gewähr f ü r richtige D u r c h f ü h r u n g der Leichenöffnung so weit wie möglich gegeben. Es sollte deshalb in keinem Falle, bei dem der Tod eines Menschen auf eine s t r a f b a r e Handlung zurückzuführen ist, v e r a b s ä u m t werden, die Sektion vornehmen zu lassen. Nicht nur in den großen Mordfällen, sondern auch bei vielen plötzlichen Todesarten, bei Verkehrsunfällen (fahrlässige Tötung) und bei allen t o t aufgef u n d e n e n Personen ist aus kriminalistischen Gründen die Leichenöffnung erforderlich. Was hier einmal versäumt worden ist, läßt sich nie wieder gut machen, da die Fäulnis und Verwesung die H a u p t s p u r e n zerstören kann. Auch der Richter und der Kriminalist sollte deshalb auf eine frühzeitige Leichenö f f n u n g dringen und d a f ü r Sorge tragen, daß sie nach Möglichkeit von der H a n d eines erfahrenen Arztes ausgeführt wird. Die Bedenken und Gründe, die oftmals in Laienkreisen gegen die Leichenöffnung a n g e f ü h r t werden, sind immer dann, wenn es sich um gerichtliche Obduktionen handelt, von vorn herein hinfällig. Hier liegt ja stets der Verdacht einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g vor, und die Angehörigen müssen auch gegen ihren Willen nach der Rechtslage die Sektion dulden. Die Frage, ob den nächsten Anverw a n d t e n das Recht der Sektionsverweigerung in anderen Fällen zusteht, ist noch ums t r i t t e n . Es wird jedoch allgemein angen o m m e n , daß ein vorhandenes wissenschaftliches Interesse auch hier etwaigen Bedenken vorgeht, die aus Pietätsgründen oder aus menschlich verständlichem Verlangen, die R u h e des Toten nicht zu stören, vorgetragen werden könnten. Es verdient im übrigen hervorgehoben zu werden, daß mit der Sektion in der Regel keinerlei Entstellung der Leiche verbunden ist. Im Regelfalle werden n u r wenige H a u t schnitte angelegt, die nachher durch N ä h t e geschlossen werden. Auch bei der Kopfsektion geschieht die D u r c h t r e n n u n g der Kopfschwarte so, daß bei der Lage der Leiche auf dem Rücken die Nahtstelle nicht zu sehen ist. Die kunstgerecht ausgeführte Sektion läßt deshalb gewöhnlich die Form unversehrt, und es ist an dem aufgebahrten Leichnam f ü r den Betrachter nicht möglich, die Spuren der Sektion ohne weiteres wahrzunehmen.
4. Bereits aus den obigen Ausführungen geht hervor, daß das Ziel der gerichtlichen Leichenöffnung sich keineswegs auf die Feststellung der Todesursache beschränkt. W ä h rend die in pathologisch-anatomischen Ins t i t u t e n s t a t t f i n d e n d e n Obduktionen h a u p t sächlich dazu dienen, den Ablauf des zum tödlichen Ende f ü h r e n d e n k r a n k h a f t e n Geschehens zu ermitteln, herrschen bei der gerichtlichen Sektion die kriminalistischen Gesichtspunkte vor. Die Klärung der Todesursache ist besonders bei den gewaltsamen Todesarten oft leicht, die Erörterung der Schuldfrage und das In-Beziehung-Setzen der vorgefundenen Veränderungen mit einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g erfordert hingegen nicht nur eine Kenntnis der Leichenerscheinungen und der k r a n k h a f t e n Organveränderungen, sondern auch ein großes Wissen von kriminalistischen Einzelheiten. In manchen Fällen ist im Gegensatz zur klinischen Sektion im K r a n k e n h a u s die Persönlichkeit der Toten u n b e k a n n t . Dann gilt es, die vorgefundenen Einzelheiten klar und p r ä g n a n t zu beschreiben (eventuell durch eine photographische Aufn a h m e festzulegen), d a m i t später an H a n d des bei jeder Leichenöffnung aufzunehmenden Protokolls eine Rekognoszierung der Toten möglich ist. Das Anlegen der Kleiderkarte, die Verwertung der in und an den Kleidern gefundenen Gegenstände und auch die Herstellung von Fingerabdrücken, eventuell die vergleichende Untersuchung von Fußeindrücken am T a t o r t mit F u ß a b d r u c k von der Leiche sind Aufgaben, die gewöhnlich von einem geschulten Kriminal- oder Polizeib e a m t e n gut ausgeführt werden können. In schwierigen Fällen, z. B. bei mumifizierten Leichen (s. d. Art. Mumifikation) oder auch bei starker W a s c h h a u t b i l d u n g durch längere Lagerung der Leiche in Wasser, wird der Gerichtsarzt durch Anwendung von Spezialverfahren auch bei der Herstellung der Fingerabdrücke dem Kriminalisten überlegen sein. Die die Sektion ausführenden Ärzte müssen bei u n b e k a n n t e n Leichen stets die vorhandenen Eigenarten der Gesichtsbildung, narbige Veränderungen, H a a r f a r b e und Art der Behaarung, Farbe der Augen, Gebißstellung und Veränderungen an den Zähnen, Tätowierungen, Muttermale u. s.f. genauestens beschreiben. Stets ist Geschlecht, Körpergröße und nach Möglichkeit das Gewicht festzustellen sowie eine Schätzung des Alters vorzunehmen. Auch sollte bei unbek a n n t e n Leichen immer eine Blutgruppenbestimmung vorgenommen werden. Bei s t a r k gefaulten oder verwesten Leichen bereitet die Festlegung dieser Befunde oft große Schwierigkeiten. Häufig f ü h r e n auch Tierf r a ß oder ausgedehnte Verletzungen zu einer
Sektion und O b d u k t i o n starken Entstellung gerade der f ü r die Rekognoszierung so wichtigen Gesichtszüge, Ist die Oesichtshaut, wenn auch gedunsen und v e r f ä r b t , erhalten, so läßt sich manchmal durch Einspritzen von Konservierungsflüssigkeit u n t e r die Gesichtsweichteile noch ein leidliches Ergebnis erzielen. Sind die Augäpfel mehr oder weniger völlig zerstört, so empfiehlt es sich, bevor man die photographischen A u f n a h m e n anfertigt, Glasaugen einzusetzen, da hierdurch das Bild wesentlich lebendiger wirkt. 5. Die Feststellung des eingetretenen Todes wird gewöhnlich der zum T a t o r t hinzugezogene Arzt zu treffen haben. Die „primären Todeszeichen", dauerndes Erlöschen der A t m u n g und des Blutumlaufs sind bei den gewaltsamen Todesarten in der Regel leicht und eindeutig festzustellen. Für die kriminalistischen E r m i t t l u n g e n spielt die Zeit, zu welcher der Tod eingetreten ist, häufig eine wichtige Rolle. Die Erschlaffung der Gesichtszüge und der Muskulatur, der E i n t r i t t , die Art und die Ausbildung der Totenflecke, die u n t e r U m s t ä n d e n auch A n h a l t s p u n k t e f ü r die Lagerung der Leiche geben können ( W a n d e r n der Totenflecke!), die Entwicklung der Leichenstarre, die von A u s n a h m e n abgesehen (kataleptische Totenstarre!) gesetzmäßig erfolgt, und mit gewisser Vorsicht das Erkalten der Leiche, der Grad der Eint r o c k n u n g an den Augäpfeln u. a. m. geben A n h a l t s p u n k t e (sekundäre Todeszeichen) f ü r die seit dem Tode verflossene Zeit. Es soll schon hier erwähnt werden, daß häufig auch der Füllungszustand des Magens, der Grad der Verdauung genossener Speisen einen Hinweis auf die Todeszeit erlauben. Die Kenntnis der von zahlreichen äußeren und inneren Ums t ä n d e n abhängigen Fäulnisveränderungen an der Leiche ist eine wesentliche Vorauss e t z u n g f ü r die Beurteilung der hier erwähnten Befunde. Ist eine längere Zeit nach dem Tode vergangen, so geben der Grad der vorgef u n d e n e n Fäulnis und Verwesung, eventuell auch die durch Maden und Fliegen gesetzten Zerstörungen der Leiche oft wichtige Hinweise. 6. Die gerichtliche Sektion hat wie jede Leichenöffnung stets mit der äußeren Besichtigung zu beginnen. Im Gegensatz zu der klinischen Sektion ist hierbei den Veränderungen der äußeren H a u t eine peinlich genaue Beachtung zu schenken. Die geringsten H a u t a b s c h ü r f u n g e n , die an der Leiche als Vertrocknungen hervortreten, können f ü r die A u f k l ä r u n g eines v e r ü b t e n Verbrechens wichtig sein. Sie sind nach Lage, Größe und Beschaffenheit genau zu beschreiben und eventuell in Skizzen niederzulegen. Hieb-, Stichund Quetschwunden, K r a t z e f f e k t e und Ab-
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wehrverletzungen können an der Leiche gewöhnlich eindeutig unterschieden werden. Nicht selten gelingt es, aus der Art der H a u t defekte einen einigermaßen sicheren Rückschluß auf das verwendete Tatwerkzeug zu ziehen. Man findet in der kriminalistischen Literatur interessante Veröffentlichungen, in denen von A u f f i n d u n g kleinster F r e m d k ö r p e r in W u n d e n (Metall-, Emaille-, Holzteilchen) berichtet wird, die die Feststellung des T a t werkzeuges einwandfrei ermöglichten. In Zweifelsfällen wird man sich nicht mit der Besichtigung mit bloßem Auge begnügen, sondern die verletzte Hautstelle herausschneiden und auch mikroskopisch nach F r e m d k ö r p e r n untersuchen. Besonders bei Schußverletzungen spielt die Verunreinigung der W u n d r ä n d e r durch Pulvereinsprengungen und Kleiderfasern (Einschußzeichen!) eine große Rolle (s. die Art. Spuren, Mord) und ermöglicht oft eine Abschätzung der Schußentfernung, der Schußrichtung und der angewendeten Waffe. Es würde zu weit f ü h r e n , auch n u r eine größere Anzahl der H a u t veränderungen aufzuzählen, die einen Schluß auf die s t a t t g e h a b t e Gewalteinwirkung erlauben. Hierzu gehören: Fingernägeleindrücke am Halse bei Erwürgten, Abdrücke des Drosselwerkzeugs, Gebißabdrücke an der weiblichen Brust in Fällen von Sittlichkeitsverbrechen, endlich blutige Abdrücke von bestimmt gemusterten Kleidungsstücken durch Beknieen des Opfers, Eindrücke von geformten Werkzeugen oder von hervorstehenden Teilen eines Autos bei Verkehrsunfällen (Kühlerabdrücke) u. a. m. Stets h a t m a n sich hierbei die Frage vorzulegen, ob die vorgefundenen H a u t v e r ä n d e r u n g e n zu Lebzeiten entstanden sein müssen oder ob sie auch nach dem Tode eingetreten sein können. In vielen Fällen geben auch A n h a f t u n g e n von Blut, Haaren oder kleinster Kleiderfasern an den H ä n d e n , u n t e r den Nägeln oder sonst an der H a u t , Besudelungen an den weiblichen Geschlechtsteilen bei Notzuchtsverbrechen und ähnliche außerordentlich wichtige Anh a l t s p u n k t e zur Ü b e r f ü h r u n g des Täters. Wir können heute infolge der Verfeinerung der Technik bereits in geringsten Blutmengen, die sich im Fingernagelschmutz finden, eindeutig den Blutgruppennachweis f ü h r e n und feststellen, ob die B l u t a n h a f t u n g e n von dem Getöteten selbst herrühren können oder dasselbe Merkmal wie das Blut des Verdächtigen aufweisen. Ü b e r h a u p t sollte in allen Fällen, in denen der T ä t e r oder das Opfer Blutverluste erlitten haben, stets eine Gruppenb e s t i m m u n g an der Leiche und an den mit Blut besudelten Gegenständen vorgenommen werden. Auch ist stets der Scheideninhalt einer weiblichen Leiche auf die Anwesenheit
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Sektion und Obduktion — Selbstmord
von Samenfäden zu untersuchen. Bei der Sektion ist dieser Nachweis gewöhnlich noch leicht zu f ü h r e n , nachträglich sind derartige Feststellungen meist nicht mehr möglich. 7. Die eigentliche Sektion, die Ö f f n u n g der drei Körperhöhlen (Kopf-, Brust- und Bauchhöhle) dient zunächst der E r m i t t l u n g der Todesursache. S t e h t diese einwandfrei fest, so ist die Schuldfrage an H a n d des Leichenbefundes zu erörtern. Bei vielen gewaltsamen Todesarten (Erwürgen, Erdrosseln, Erhängen, Fälle von Kindesmord) können die Veränderungen an den inneren Organen gering sein. Bei Schußverletzungen, beim Tod durch Stich und Hieb, bei bestimmten Arten von Vergiftungen (Ätzgifte!) sind die inneren Verletzungen ausschlaggebend. Sie ermöglichen eine Rekonstruktion des T a t werkzeuges oder geben einen Hinweis auf die b e n u t z t e Schußwaffe oder das angewendete Oift. Im letzteren Falle gibt gewöhnlich die notwendige chemische Untersuchung der Leichenteile eine endgültige Aufklärung. In denjenigen Fällen, wo zwischen der Gewalteinwirkung (Körperverletzung) u n d dem Tode längere Zeit verstrichen ist und die gerichtliche Sektion den ursächlichen Zus a m m e n h a n g e r h ä r t e n soll, erlaubt der Zus t a n d der W u n d e oder der Organveränderungen den Obduzenten mehr oder weniger sichere Schlußfolgerungen. Meist läßt sich das Alter der vorgefundenen Verletzungen a n n ä h e r n d bestimmen, u n t e r U m s t ä n d e n wird eine nachfolgende mikroskopische Untersuchung ein noch bestimmteres Urteil erlauben. Besonders eindrucksvoll läßt sich oft in den Fällen, wo die Gewalteinwirkung zu Knochenverletzungen Anlaß gegeben h a t , der Nachweis des angewendeten T a t w e r k zeuges erbringen. Schartenspuren an Skelettteilen bei Anwendung von Hieb- und Stichwaffen, geformte Lochbrüche in der Schädeldecke bei Schlagwerkzeugen sind zur Aufdeckung und Beurteilung eines T a t b e s t a n d e s außerordentlich wertvoll. Man t u t gut, in allen Fällen von Knochenverletzungen bei gewaltsamen Todesarten die betreffenden Knochenabschnitte herauszusägen und, wenn nötig, besonders zu präparieren bzw. zu mazerieren. Nicht selten gelingt es dann u n t e r Zuhilfenahme besonderer Mikroskope, wichtige Einzelheiten an den Knochenverletzungen festzustellen, die Hinweise auf das verletzende Werkzeug gestatten. Fast regelmäßig läßt sich am Knochen, besonders a m Schädel, die Ein- u n d A u s s c h u ß ö f f n u n g gut unterscheiden. Auch kann u n t e r U m s t ä n d e n durch den Verlauf der Knochensprünge a m Schädel bei mehreren Schädelschüssen der Nachweis des ersten eventuell bereits t ö d -
lichen Schusses erbracht werden (Priorität der Schädelbrüche). Die eingehende Untersuchung desKnochensystems bietet auch bei s t a r k gefaulten oder verwesten u n b e k a n n t e n Leichen die Möglichkeit einer genaueren Altersbestimmung. Neben dem Verhalten der gelenknahen Teile der Röhrenknochen (Epiphysenknorpell) k a n n m a n besonders leicht an dem Zustand der knorpeligen G r u n d p l a t t e der Wirbelkörper, die erst nach Abschluß der Wachstumsperiode verknöchert und auch d a n n sich ziemlich gesetzmäßig weiter v e r ä n d e r t , in gewissen Grenzen das Alter des betreffenden Individuums feststellen. Macht die Geschlechtsbestimmung beim Fehlen von Weichteilen Schwierigkeiten, so läßt sich bei Erwachsenen aus der Form des Beckens, die beim Weibe mehr rundlich, beim Manne mehr kartenherzförmig ist, ein A n h a l t s p u n k t f ü r das Geschlecht des Toten gewinnen. Auch ist das Knochensystem im allgemeinen bei der F r a u schlanker und der K o p f u m f a n g kleiner. Beim Manne t r e t e n gewöhnlich die Muskelu n d Sehnenansätze deutlicher hervor. Schrifttum: K o c k e l , R i c h a r d , H a n d b . der biologischen Arbeitsmethoden, Abt. IV. Angewandte chemische und physikalische Methoden, Teil 12, H e f t 1, S. 1—104, Leipzig. — K o c k e l , R i c h a r d , Arch. f. Krim., 5, 126, 1900. — M e r k e l , H e r m a n n , Dtsch. Zeitschr. f. d. ges. ger. Med., 12, 137, 1928. — D e r s e l b e , Dtsch. Zeitsch. f. d. ges. ger. Med., 10, 2 5 6 , 1 9 2 7 . — N i p p e , Königsberg, Dtsch. Zeitschr. f. d. ges. ger. Med., 18, 103—120, 1932. — O l b r y c h t , J . , Dtsch. Zeitschr. f. d. ges. ger. Med., 9, 529,1927. — P u p p e , Dtsch. med. Wochenschr., 1913, Nr. 29. — S t r a ß m a n n , G e o r g , Beitr. z. ger. Med., 5, 157—188, 1922. — W a l c h e r , K u r t , Dtsch. Zeitschr. f. d. ges. ger. Med., 8, 430, 1926. Wilhelm Hallermann.
Selbstmord. A.
Der Selbstmord in kriminologischer, ethischer und sozialer Beurteilung. 1. K r i m i n o l o g i s c h e s . D a nach herrschender Ansicht der Selbstmord s t r a f l o s ist, so f r a g t es sich zunächst, wie diese positivstrafrechtliche Ansicht kriminologisch zu deuten i s t : ob die Straflosigkeit uns deshalb hier ein Axiom ist, weil ein Toter nicht mehr b e s t r a f t werden k a n n — die Folge wäre, daß doch der Versuch, die A n s t i f t u n g u n d die Teilnahme s t r a f b a r sein k ö n n t e n — oder ob die Straflosigkeit auf tieferen Rechtsgründen (Recht auf den eigenen Körper, Recht auf den Tod, vgl. R u p p , Das Recht auf den
Selbstmord (A. Der Selbstmord in kriminolog., ethischer u. sozialer Beurteilung) Tod) b e r u h t . T r i f f t letzteres zu, dann ist Selbstmord, sobald wirklich ein solcher bew u ß t e r Entschluß d u r c h g e f ü h r t wird, nicht rechtswidrig und es können mithin ( L o b e , L p z . K o m m . (1933) S.43) auch Anstiftung, Teiln a h m e u n d Versuch nicht s t r a f b a r sein. Damit scheidet die Selbsttötung als solche aus dem u n m i t t e l b a r e n kriminologischen Umkreis aus, in den sie jedoch aus anderen, neben dem eigentlichen T ö t u n g s e n t s c h l u ß liegenden, Gründen mittelbar wieder hineink o m m e n kann. Die ethische Rechtfertigung — nicht des Selbstmords, wohl a b e r : — der N i c h t s t r a f b a r k e i t d ü r f t e auf die seelischen Qualen und Leiden hindeuten, die zum E n t schluß der S e l b s t t ö t u n g eines Gesunden drängen u n d an denen die Umwelt vielfach eine größere Schuld t r ä g t als der „ T ä t e r " selbst. Kriminell aber wird der Fall, wenn e i n e n A n d e r e n die Schuld an dem Selbstmord t r i f f t , sei es daß die „ A n s t i f t u n g " einen Willensschwachen gefunden h a t (oder etwa durch hypnotische Mittel), sei es daß k r a n k h a f t e Z u s t ä n d e (etwa melancholische) durch einen Anstiftenden in eigennütziger Weise ausgenutzt worden sind, sei es daß J e m a n d durch seelische oder andere Quälerei in den T o d getrieben worden ist. Es k o m m t dann darauf an, im Einzelfall festzustellen, ob nicht ein Tötungsdelikt des Anderen vorliegt, der angebliche „ S e l b s t m ö r d e r " also u n t e r Z w a n g oder in entsetzlicher Furcht, unter Auss c h a l t u n g der eigenen freien E n t s c h l u ß k r a f t gehandelt h a t (man denke etwa an Luise Millerin und den diktierten Brief, dem der Doppelselbstmord der Liebenden folgt). Eine reifere kriminalistische Wissenschaft kann sich dann nicht auf den S t a n d p u n k t des formalen „ S e l b s t " m o r d e s , der Nichtrechtswidrigkeit und mithin der Straflosigkeit der A n s t i f t u n g stellen. Ferner k o m m t der Selbstmord in eine Beziehung zur Kriminologie, wenn er begangen wird, u m e i n e r S t r a f e z u e n t g e h e n . Hier richtet der T ä t e r sich selbst, wählt eine eigene, schnellere Sühne, u m sich der des Rechtss t a a t e s zu entziehen ( F r a n z Moor im Gegensatz zu Karl Moor). O f t genug handelt es sich dabei aber nicht so sehr u m kriminelle S t r a f e als vielmehr u m andere E h r e n k r ä n k u n g , u m Schulstrafen, B e s t r a f u n g durch die Eltern, Vorbeugung vor Schande. Hierher gehören die Schülerselbstmorde, die Soldatenselbstmorde, die Selbsttötung schwangerer Mädchen, die u n t e r U m s t ä n d e n d a d u r c h der Kriminalität der A b t r e i b u n g oder des Kindesmordes entgehen. W ä h r e n d J e m a n d kriminell auf einen Anderen, der aus irgendwelchen Gründen z u m Freitod neigt, einzuwirken v e r m a g und
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so durch den f r e m d e n Willen einen Mord begeht, kann andererseits auf primitivere, mehr äußerliche Weise ein M o r d z u v e r s c h l e i e r n versucht werden, indem der Mörder einen Selbstmord des Getöteten v o r t ä u s c h t . Hier setzt die enge kriminalpolizeiliche Beziehung zwischen Mord und Selbstmord als Untersuchungsaufgabe ein. Es scheint so leicht, dem Getöteten die Schußwaffe in die H a n d zu geben, als habe er sie selbst gebraucht, oder dem Vergifteten die Veronalhülsen auf den Nachttisch zu stellen oder den E r w ü r g t e n a u f z u h ä n g e n und einen umgeworfenen Stuhl zu seinen Füßen anzubringen oder dgl. (Uber die — oft schwierige — Differenzialdiagnose in solchen Fällen vgl. insbesondere R e h f e i d t , „ Z u m S e l b s t m o r d p r o b l e m " — insbes. S. 50ff. — und „Gerichtliche T a t b e s t a n d s feststellungen" — s. S c h r i f t t u m . ) Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Merkmalen aus E r f a h r u n g und Überlegung, die die Vort ä u s c h u n g a u f d e c k e n : Einschußstelle, Verb r e n n u n g der Ränder, Art der F ü h r u n g von Schnitten, A r t und Ort der Leichenflecke, anderweitige Verletzungen als die tödlichen, so daß etwa auf einen vorherigen Kampf des Opfers mit dem Mörder zu schließen ist, Geruch oder Geruchlosigkeit des Giftes u. dgl. m . Auch das Fehlen oder Vorhandensein von Motiven der T a t spielt dabei eine sehr große Rolle. All dies sind Aufgaben, die dem Kriminalisten f a s t täglich gestellt werden u n d f ü r die ihn Scharfsinn und E r f a h r u n g ausbilden. Eine weitere sehr wichtige kriminologische Beziehung ist aber der U m s t a n d , daß der Selbstmörder noch kurz vor dem Selbstmord oder im Verlauf der A u s f ü h r u n g der T a t A n d e r e s c h w e r g e f ä h r d e t oder mit in den Tod reißt. Es ist an die zahlreichen Fälle v o n Familienselbstmord zu denken, in denen die Angehörigen von dem Selbstmörder zuvor getötet wurden, besonders bei N a h r u n g s sorgen des Familienvaters, oder daß in Liebesaffären beim „ D o p p e l s e l b s t m o r d " der P a r t n e r nicht immer mit voller Z u s t i m m u n g mit in den Tod genommen wird — ganz abgesehen von den Fahrlässigkeitsgefährdungen durch den in dieser Hinsicht völlig u n b e d a c h t sam gewordenen Selbstmörder, der Gash ä h n e öffnet oder Feuer anzündet oder ins Wasser geht und da den R e t t e r mit sich hinabzieht. Eine weitere Beziehung ist mehr diagnostischer Art. Es kann die Frage a u f geworfen werden, o b d i e K u r v e der K r i m i n a l i t ä t u n d die K u r v e des S e l b s t m o r d e s , da j a beide Erscheinungen durch die soziale u n d wirtschaftliche Lage, durch die allgemeine S t i m m u n g eines Volkes u n d Landes, durch politisches Glück und Un-
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Selbstmord (A. Der Selbstmord in kriminolog., ethischer u. sozialer Beurteilung)
glück, durch erbbiologische Verschlechterung der Rasse beeinflußt werden, nicht eine Ähnlichkeit in ihrem Verlauf zeigen. Dies würde freilich lediglich über die M o t i v i e r u n g beider Erscheinungen etwas aussagen, aber es ist gewiß nicht abwegig, zu v e r m u t e n , daß Gründe, die K u m m e r und Verzweiflung bedingen, den Einen die Gewalttat gegen Andere, den Anderen die Gewalttat gegen sich selbst t u n lassen und daß Gründe, die die seelische und körperliche W i d e r s t a n d s k r a f t des Volkes verschlechtern, sowohl zu Selbstmorden wie zu Verbrechen f ü h r e n . Dennoch scheint sich ein statistischer Nachweis — und nur ein solcher durch ungefähre Gleichläufigkeit der K u r v e der Selbstmordziffer mit der a l l g e m e i n e n Kriminalitätsziffer eines Landes käme in Betracht — nicht f ü h r e n zu lassen; ein Vergleich z. B. der Selbstmordziffer und der allgemeinen Kriminalitätsziffer im Deutschen Reich von 1893—1910, also J a h r e n verhältnismäßig ruhiger E n t wicklung, zeigt zwar einen Anstieg von 10780 Sm-Ziffer und 470403 Kr.-Ziffer im J a h r e 1893 auf 13935 und 546818 im J a h r e 1910, aber die Kurve verläuft in den einzelnen J a h r e n doch verschieden f ü r die beiden Zahlenreihen. 2. U r s a c h e n d e r S e l b s t t ö t u n g . Bei der Untersuchung, ob in einem zweifelhaften Fall Selbstmord, Unglücksfall oder Verbrechen vorliegt, spielt der E i n b l i c k in d i e allgemeinen u n d die f a l l w e i s e bes o n d e r e n U r s a c h e n einer Selbsttötung eine erhebliche Rolle. G a u p p und nach ihm F ü l l k r u g (s. S c h r i f t t u m ) unterscheiden „ B e w e g g r ü n d e " und „ U r s a c h e n " des Selbstmordes: „Motive oder Beweggründe seien die im Bewußtsein des T ä t e r s a u f t r e t e n d e n Veranlassungen seines Handelns, die Ursachen seien die treibenden K r ä f t e , die sehr oft dem T ä t e r gar nicht zum Bewußtsein k ä m e n . " Ich halte diese Unterscheidung f ü r überflüssig, wenn nicht ü b e r h a u p t f ü r verfehlt. Denn wenn u n t e r den „ B e w e g g r ü n d e n " Geisteskrankheit, körperliche Leiden, K u m mer, F u r c h t , Zank usw., unter den „ U r s a c h e n " erbliche Belastung, Kampf ums Dasein, Einsamkeit, religiöse Sitte usw. genannt werden, so m u ß eine nähere B e t r a c h t u n g dieser einzelnen Positionen die tatsächliche Gleichheit des Kausalzusammenhanges von „ M o t i v e n " und „ U r s a c h e n " d a r t u n : Geisteskrankheit und erbliche Belastung, K u m m e r und Kampf ums Dasein, Zank auf dem Boden wirtschaftlicher Not, Einsamkeit als Ursache von F u r c h t und K u m m e r — wo sind da feste Grenzen etwa derart, daß an einem bestimmten P u n k t das klare Bewußtsein einsetzt und das instinktmäßige von den unbeherrschbaren Mächten getriebene H a n -
deln nicht mehr allein maßgebend i s t ? Das sind seelische Wechselwirkungen, die vielleicht im Einzelfall einmal, aber allermeist nicht klar geschieden werden können. W ä h r e n d u n t e n zu C (S. 551 ff.) der statistisch erfaßbare Überblick über die einzelnen Ursachen ersichtlich ist, sollen hier nur die psychologischen H a u p t m e r k m a l e der drei wesentlichsten Ursachengruppen kurz besprochen werden im Hinblick darauf, daß der Kriminalist auf diese in erster Linie zu achten h a t . a) K r a n k h e i t . Nach v. O e t t i n g e n ist ein Drittel aller Selbstmordfälle bei Männern, beinahe die Hälfte aller Fälle bei Frauen auf Geisteskrankheit zurückzuführen, auch nach v. M a y r steht Geisteskrankheit als Grund an erster Stelle. Aber es m u ß beachtet werden, daß „ A n fälle geistiger T r ü b u n g " gern als Grund angegeben werden, wenn andere — ethische, wirtschaftliche, gesellschaftliche — Gründe verheimlicht werden sollen. Außer der eigentlichen Geisteskrankheit sind es aber d a n n noch die psychotischen und psychopathischen Erscheinungen, die teils u n m i t t e l b a r , teils über den Umweg des Lasters, der T r u n k s u c h t , der Leidenschaft m i t t e l b a r den durch abgeschwächte Willenskraft ausgelösten Selbstmord bedingen. Diese abgeschwächte W i l l e n s k r a f t ist es j a dann auch, die viel eher als bei willenskräftigen Personen körperliche Leiden, wirtschaftliche Nöte u n d seelischen K u m m e r unerträglich erscheinen lassen. Um also im Einzelfall den Selbstmord zu begründen, bleibt es f ü r den Beurteiler dringend erforderlich, d i e gesundheitl i c h e n u n d d i e e r b b i o l o g i s c h e n Verhältnisse des Toten zu ermitteln. Näheres s. u n t e n zu B, S. 543ff. b) S o z i a l w i r t s c h a f t l i c h e E i n f l ü s s e . Der „ L e b e n s ü b e r d r u ß " , der nach den bei F ü l l k r u g (s. S c h r i f t t u m ) S. 124ff. angegebenen Ziffern als Ursache immer mehr nachläßt, kann wohl k a u m als scharf u m rissene Sonderursache des Selbstmordes gelt e n ; denn Lebensüberdruß im weiteren Sinne ist doch n u r das Ergebnis aus anderen, mehr greifbaren U m s t ä n d e n : ein Mensch, dem seine Lebensarbeit keine Freude mehr m a c h t , dem die Geltung unter den Mitmenschen entschwindet oder ü b e r h a u p t v o r e n t h a l t e n wird, der seinen Kampf ums Dasein als aussichtslos oder nicht lohnend b e t r a c h t e t und der, was das Wichtigste ist, nicht genügend s t a r k e ethisch-weltanschaulich-religiöse Gegengewichte h a t , wird „ L e b e n s ü b e r d r u ß " empfinden können, dessen Ursachen aber eben mannigfaltiger Art sind. (Über den Lebensü b e r d r u ß im engeren Sinne als- das Miß-
Selbstmord (A. Der Selbstmord in kriminolog., ethischer u. sozialer Beurteilung) behagen über das Einerlei des Lebens ist im Anschluß an Goethes Äußerungen u n t e n zu c zu sprechen.) Wirtschaftliche Not und sozialer Rückgang werden immer Gründe bleiben, die den k ä m p f e n d e n und um die Existenz ringenden Menschen aufreiben können. In welcher Gestalt im besonderen dieses Schicksal sich ihm erfüllt, ob der „ K u m m e r " oder der „ Ä r g e r " oder „ g e k r ä n k t e s E h r g e f ü h l " (auch Minderwertigkeitsgefühl) als Selbstmordgründe überwiegen, ist nur Vor Ursache; die auslösende Ursache ist die vollendete Negation der Lebensfreude, woher diese sonst auch k o m m e n mag, die völlig fehlende Aussicht auf glücklichere Tage. Aber auch dies alles wirkt nicht f ü r sich allein, sondern zusammen mit den Gründen der Konstitution (oben zu a : geschwächte Willenskraft auf physischer Grundlage) und der E t h i k (unten zu c). Denn auch das Glück in W i r t s c h a f t und Sozialleben h ä n g t — von Ausnahmefällen abgesehen — mit Körperkonstitution und E t h i k eng zusammen (vgl. meine „Sozialbiologie", Berlin und Leipzig 1923). Außerdem aber ist die Häufigkeit von Selbstmorden aus wirtschaftlicher Not eine Anklage gegen die sozialen Verhältnisse im Großen, die so gestaltet sein sollten, daß Niemand aus wirtschaftlich-sozialen Gründen sollte freiwillig aus dem Leben scheiden müssen. Selbstverständlich ist dies aber nach Beruf, Rasse, Zeitalter verschieden; wie der Bauer u n d H a n d a r b e i t e r körperliche Leiden besser v e r t r ä g t , v e r t r ä g t er auch wirtschaftliche Schwankungen leichter, ohne sogleich das Rennen aufzugeben. J e differenzierter ein Mensch sowohl nach seiner Geistesverfassung wie nach seiner Arbeitsart ist, um so empfindlicher reagiert er auf Störungen sowohl dieser Geistesverfassung wie dieser Arbeitsart. Auch Alter, Familienverhältnisse (namentlich der Stolz, f ü r die Familie zu sorgen, und der mit Schmach gepaarte K u m mer, dies nicht mehr zu können) spielen eine große Rolle. Plötzliche Entziehungen der Existenzgrundlage und der A r b e i t s h o f f n u n g müssen die Selbstmordneigung anschwellen lassen. Wenn bei e i n z e l n e n Berufen die Selbstmorde häufiger sind, so h a t auch das keineswegs einheitliche G r ü n d e : bei den Dienstboten und Kellnerinnen z. B. h a t m a n es festgestellt infolge der besonderen Gef ä h r d u n g durch uneheliche Schwangerschaft, bei Apothekern infolge ihrer großen Verantwortung einerseits und der Leichtigkeit der A u s f ü h r u n g des Giftselbstmordes andererseits, bei Soldaten infolge der Strenge des Dienstes und seiner besonderen Anforderungen. Ü b e r h a u p t k o m m t M o r s e l l i zu dem Ergebnis, daß sich die geringste Selbstmord-
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ziffer bei denen findet, die a m wenigsten mit den Schwierigketen des Daseins zu k ä m p f e n haben, und bei der Urproduktion (Forst-, L a n d w i r t s c h a f t usw.) sowie — aus ethischen Gründen — bei den Geistlichen, während die stärksten Durchschnittsziffern bei den Beschäftigungen zu finden sind, die auf die Befriedigung nicht so dringender Lebensbedürfnisse gerichtet s i n d : schöne Künste, Rechtspflege, Luxusindustrie und solche anderen Berufszweige, die s t a r k von den Schwankungen der wirtschaftlichen Lage abhängig, ungleich und unsicher sind. c) E t h i s c h e u n d n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e E i n f l ü s s e . A d o l p h W a g n e r kam zu dem Ergebnis (und G. v. M a y r s t i m m t e ihm zu): „ L a s t e r f ü h r e n weit öfter als Leidenschaften, besonders idealere Leidenschaften; Ärger und Zwist in der Familie a u ß e r o r d e n t lich viel häufiger als Schmerz und Betrübnis über den Verlust von Angehörigen; K u m m e r über den Verlust von Vermögen weit öfter als K u m m e r über den Verlust von Menschen und im Ganzen auch noch etwas mehr als Ärger in der Familie; Reue und Scham, F u r c h t und Schande über begangene T a t e n unendlich viel seltener als F u r c h t vor Strafe und vor den Folgen übler T a t e n zum Selbstmorde". In der großen H a m l e t f r a g e „Sein oder Nichtsein" sind es also d i e s c h l e c h t e r e n R e g u n g e n , die z u m N i c h t s e i n , die b e s s e r e n , d i e z u m S e i n f ü h r e n . Wenn es einen „ L e b e n s ü b e r d r u ß " im engeren Sinne gibt, von dem G o e t h e ( „ D i c h t u n g u n d W a h r h e i t " , 13. Buch, im Z u s a m m e n h a n g mit dem Eindruck, den „die Leiden des jungen W e r t h e r s " seinerzeit gemacht haben) sagt, es sei der Überdruß an dem ewig wiederkehrenden Einerlei der Welt, sich „in einem schleppenden, geistlosen, bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen", so liegt der tiefere Grund f ü r solche Einstellung darin, daß m a n vom Leben, sei es aus Genialität, aus W a h n sinn oder verbrecherischer Neigung, weit mehr verlangt, als das Leben u n t e r den jeweils obwaltenden U m s t ä n d e n zu geben vermag. Insofern stellt sich ein Selbstmord aus Ü b e r d r u ß als ein gemäßigter Bruder des Verbrechens dar, denn auch der Verbrecher will mit Gewalt über das hinaus, was ihm normalerweise zusteht. Und so ist es eine weitere Bestätigung d a f ü r , daß der gewaltsame Freitod mehr auf schlechten als auf guten Regungen b e r u h t (es sei denn, daß wirklich bei der Abschwächung eigener und f r e m d e r E h r a n s p r ü c h e der Ausweg unvermeidlich scheint), wenn wir bei G o e t h e lesen, daß e r s e l b s t , wie er an der genannten Stelle, wo er W e r t h e r namentlich mit damaliger englischer Lebensauffassung zu verteidigen
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Selbstmord (A. Der Selbstmord in kriminolog., ethischer u. sozialer Beurteilung)
teriellen Bedingung ist, w ä h r e n d z. B. v. (Dett i n g e n , M a s a r y k , F ü l l k r u g die menschliche Willensfreiheit in dieser Hinsicht betonen. Zweierlei ist dabei zu berücksichtigen: wenn man die Einflüsse von Klima, J a h r e s zeiten u. dgl. auf die Selbstmordhäufigkeit untersucht und in den Ziffern Gesetzmäßigkeiten findet, so spricht das f ü r die — an sich j a unleugbare — Tatsache, daß der Mensch als physisch-psychisches Wesen dieser Erde von tellurischen und kosmischen Schwankungen teilweise abhängig ist u n d zu gewissen Zeiten anders auf Ereignisse reagiert als sonst (z. B. im Frühling Ansteigen der Selbstmordziffer); — und wenn m a n von Bewahrung vor dem Selbstmord, von Verh ü t u n g und Heilung spricht, so gibt m a n d a m i t der freien Willensbestimmung einen gewissen "Raum. Es wird auch wesentlich darauf a n k o m m e n , welche physische Komponente m a n dem Willen u n d seiner Freiheit Dies s t i m m t auch mit den E r f a h r u n g e n beimißt. So schwierig diese Frage ist, so über den Einfluß der R e l i g i o s i t ä t auf den grundsätzlich wichtig bleibt sie jedoch in Selbstmord überein. Nach D a n t e s Sentenz kriminologischer Hinsicht. (im 13. Gesang der ,Hölle') „ D e n n was der 3. B e k ä m p f u n g d e r SelbstmordMensch sich r a u b t , soll er nicht h a b e n " , ist das Leben, das der denkende Mensch weg- n e i g u n g . W e n n nach den Darlegungen zu wirft, ihm ewig verloren. Die maßgebenden 1 und 2 der Selbstmord eine von vielen verAutoren unserer Frage — A. W a g n e r , schiedenartigen Ursachen und Bedingungen M o r s e l l i , M a s a r y k — sind sich darüber abhängige Tatsache sozialethischer Art ist, einig, daß der gläubige Mensch am sichersten so kann eine V e r h ü t u n g und B e k ä m p f u n g a m vor der Selbstvernichtung bewahrt ist. Geist- besten durch Beseitigung der Ursachen geliche und Nonnen haben nach der Statistik schehen. Das aber ist, ähnlich wie bei der die niedrigsten Selbstmordziffern. Die K a t h o - Kriminalpolitik, etwas wie die „ L ö s u n g der Entsprechend den Urliken stehen in der Selbstmordhäufigkeit weit sozialen F r a g e " . sachen (s. zu 2 a—c) m ü ß t e auch die Bebesser da als die P r o t e s t a n t e n (vgl. insbesondere die sehr sorgfältigen Darlegungen bei k ä m p f u n g folgende drei H a u p t g r u p p e n in K r o s e , S. 137ff.), n i c h t weil in dieser sich schließen: die V e r h ü t u n g von GeistesHeilung Hinsicht ihr Glaube ein a n d e r e r , aber wohl krankheit, die V e r h ü t u n g u n d anderer, Leben u n d Arbeit zerstörender weil er im allgemeinen ein s t ä r k e r e r ist; der Grad der Gottgläubigkeit pflegt beim K r a n k h e i t e n , die erbbiologische A u f a r t u n g , Katholiken größer zu sein, die I n t e n s i t ä t die körperliche E r t ü c h t i g u n g f ü r den Kampf des Kirchenlebens stärker, die seelische Hilfe ums Dasein; die Besserung der sozialen u n d durch die Beichte wohl erheblicher (vgl. die wirtschaftlichen Verhältnisse, die J e d e m ArÄußerungen von v. M a y r und A. W a g n e r , beit und Brot geben und ihn nach Möglichkeit vor wirtschaftlichen K a t a s t r o p h e n s c h ü t z e n ; s. R o s t S. 29). die E r h ö h u n g der W e l t a n s c h a u u n g zu einer Aber eine ethische Beurteilung des Selbst- umfassenden Ethik, die S t ä r k u n g des Gottesmordes — abgesehen schon von dem Um- glaubens, die Hingabe an Religion u n d stände, daß die Fälle durchaus nicht einheit- Kirche; im Einzelfall freundliche Beratung, lich zu beurteilen sind, sondern neben hohen tätige Hilfe, Einrichtung von sozialen BeBeweisen von Mut u n d Verantwortungs- ratungsstellen aller Art, kirchliche Hilfe, gefühl auch solche niedriger Feigheit und Förderung des Familienlebens, Beseitigung geradezu krimineller Art stehen — ist nicht trostloser Einsamkeit — alles P r o g r a m m ohne Stellungnahme zu der Frage der p u n k t e , inhaltsschwer und auch f ü r die BeW i l l e n s f r e i h e i t möglich; hierin sind die k ä m p f u n g der Kriminalität gleich b e d e u t s a m . Ansichten aber völlig geteilt; bezüglich Näher auf sie einzugehen, würde hier zu weit des Selbstmordes t r e t e n z. B. Q u e t e l e t , f ü h r e n . Das überaus reichhaltige S c h r i f t t u m A. W a g n e r , M o r s e l l i d a f ü r ein, daß der (s. unten) h a t alle diese Fragen aufs sorgSelbstmord die Folge eines naturnotwendigen fältigste behandelt. Mit Verschärfung s t r a f Gesetzes als der Ursache, der Einzelfall nur rechtlicher Drohung d ü r f t e jedoch weniger das Ergebnis einer h i n z u k o m m e n d e n m a - zu erreichen sein. sucht, mitteilt, „in dem Fall war und am besten weiß, was f ü r Pein er darin erlitten, was f ü r Anstrengung es ihn gekostet, ihr zu e n t g e h e n " . Denn da h a t ihm zweierlei geholfen: bei dem Durchdenken der Todesarten k o n n t e ihm n u r die des Kaisers Otho als „die einzig nachahmungswürdige" erscheinen, nämlich sich den Dolch ins Herz zu stoßen. „ W e r nicht hierin handeln könne, wie Otho, dürfe sich nicht erlauben, freiwillig aus der Welt zu gehen. Durch diese Überzeugung r e t t e t e ich mich nicht sowohl von dem Vorsatz als von der Grille des Selbstmordes, welche sich in jenen herrlichen Friedenszeiten bei einer müßigen J u g e n d eingeschlichen h a t t e . " Und das zweite war, daß er diese Anwandlungen eben durch den Roman „ W e r t h e r s Leiden" abreagierte. Die R e t t u n g lag also in einer Besinnung auf höhere ideale Güter.
Selbstmord (B. Forensisch-i-medizinische E r f a h r u n g e n ) Schrifttum : Der umfassendste Nachweis findet sich i n : H a n s R o s t , Bibliographie des Selbstmords, Augsburg 1927; dort ist in zahlreichen Kapiteln von sorgfältiger Gruppierung (im ganzen 392 S. mit vielen Abbildungen) nicht nur eine wohl bis 1927 ziemlich lückenlose Bibliographie gegeben, sondern auch ausgezeichnete sachliche Überblicke in den einzelnen Kapiteln. — T r o t z d e m seien noch einige weitere, wichtigere Schriften hier g e n a n n t : A d o l p h W a g n e r , Gesetzmäßigkeit in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen, H a m b u r g 1864. — T h . G. M a s a r y k , Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung der modernen Zivilisation, Wien 1881. — H. M o r s e l l i , Der Selbstmord, Leipzig 1881. — A. v. O e t t i n g e n , Moralstatistik, 3. Aufl., Erlangen 1882. — D e r s e l b e , Über a k u t e n und chronischen Selbstmord, D o r p a t 1881. — E. R e h f i s c h , Der Selbstmord, Berlin 1893. — G. F ü l l k r u g , Der Selbstmord, eine moralstatistische und volkspsychologische Untersuchung, Schwerin i. M. 1919. — R. G a u p p , Über den Selbstmord, 2. Aufl., München 1910. — G. v. M a y r , Selbstmordstatistik, im H a n d b . d. öffentl. Rechts, Einl.-Bd., 7. Abt., 2. Liefg., Tübingen 1910. — H. R o s t , Der Selbstmord als sozialstatistische Erscheinung, Köln 1905. — M. U n g e r , Der Selbstmord in der Beurteilung des geltenden deutschen bürgerlichen Rechts, Berlin 1913. — H. A. K r o s e , S. J . , Die Ursachen der Selbstmordhäufigkeit, Freiburg i. Br. 1906. — R e h f e i d t , Z u m Selbstmordproblem, Kriminalist. Probleme, Liefg. 3, Berlin, Mai 1929. — O. M ö n k e m ö l l e r , A r t . Selbstmord, in G r o t j a h n - K a u p , H a n d w ö r t e r b . d. Sozialen Hygiene, Leipzig 1912. — R u p p , Das Recht auf den Tod, 1913. — A. L e g o y t , Le suicide ancien et moderne, Paris 1881. — E. D ü r k h e i m , Le suicide, étude de sociologie, Paris 1897. Alexander Elster.
B. Forensisch-medizinische Erfahrungen. 1. Es ist nicht immer leicht, festzustellen, ob ü b e r h a u p t ein S e l b s t m o r d v o r l i e g t . Ein solcher ist z. B. auszuschließen, wenn ein Mensch bei Rettungsversuchen Anderer zu Grunde geht (Selbstaufopferung) (Vers. Praxis 1927 Nr. 38). Auch der Zweikampf u n t e r schärfsten Bedingungen ist vom Selbstmord abzutrennen. Ferner jene Fälle, in denen sich ein Mensch aus sexuellen Motiven stranguliert und sich nicht selbst befreien kann ( H ü b n e r A. Sachv. Ztg. 1927; Ziemke, Zeitschr. f. d. ges. ger. Med. Bd. 4, S. 103). Zur Feststellung, ob Selbstmord oder Unfall vorliegt, m u ß die Behörde „alle äußeren, besonders aber die inneren Momente, die Vor-
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gänge des Seelenlebens würdigen, soweit sie nach außen e r k e n n b a r werden und einen solchen Schritt der Verzweiflung nahelegen" ( J W . 1906, S. 120, 26). Es müssen infolge dessen die h i n t e r l a s s e n e n P a p i e r e , die wirtschaftliche Lage, die Familienverhältnisse, der Lebenslauf einschl. des Sexuallebens und des Alkoholkonsums und die Gesundheitsverhältnisse des Verstorbenen genau geprüft werden. Die A r t u n d T o p o g r a p h i e d e r V e r l e t z u n g e n ermöglicht nicht selten die E n t scheidung der Frage, ob der Verstorbene durch Selbstmord oder durch Mord bzw. T o t schlag s t a r b (G. S t r a ß m a n n , Müller-Heß u n d Wiethold). Eines der wichtigsten Aufklärungsmittel ist die von wirklich Sachverständigen vorgenommene S e k t i o n (vgl. d. Art. oben S. 534ff.). In manchen Fällen kann aus der A r t d e r A u s f ü h r u n g Selbstmord erschlossen werden. So ist z. B. die Mehrzahl der Todesfälle durch Erhängen u n d E r t r ä n k e n auf Selbstmord zurückzuführen, ebenso ein erheblicher Teil der Vergiftungen. Weiter sprechen Kombinationen mehrerer Todesarten manchmal f ü r Selbstmord (z. B. Vergiften mit E r t r ä n k e n oder Vergiften m i t Durchschneiden der Pulsadern und Sprung aus dem F e n s t e r ; Einnehmen von Schlafmitteln im Bade). Da manche Selbstmörder sehr grausame Todesarten wählen ( S t a r k s t r o m — Übergießen mit Petroleum — Eintreiben eines Nagels in den Kopf — E n t h a u p t u n g durch einen S t a h l d r a h t , an den der T ä t e r mit dem A u t o h e r a n f u h r — 31 Beilhiebe gegen den eigenen Schädel), andererseits Morde und T o t schläge nicht selten dadurch larviert werden, daß die Leiche nachträglich aufgehängt oder ins Wasser geworfen wird, so wird die Frage, ob Selbstmord, Verbrechen oder Unfall vorliegt, nur in den typischen Fällen ohne Zuziehung eines erfahrenen gerichtsärztlichen Sachverständigen gelöst werden können. — 2. Über die H ä u f i g k e i t des Selbstmords wissen wir deshalb nichts Endgültiges, weil sich die mißglückten Versuche der statistischen Erfassung entziehen. (Vgl. jedoch u n t e n Abschnitt C.) Das Verhältnis der geglückten zu den mißlungenen Selbstmordversuchen schätze ich auf G r u n d des Materials, welches ich in den letzten J a h r e n gesehen habe, auf 1:100. Von 1006 t r u n k s ü c h t i g e n Selbstmördern, die Grzywo-Dabrowski studierte, starben 5 8 % der Männer, 1 2 % der Frauen. Man sieht auch daraus, daß, namentlich bei Frauen, die meisten Versuche mißglücken, teils weil der T ä t e r in der Wahl des Ortes und der Zeit unvorsichtig war, teils weil ihm die erforderlichen Kenntnisse zur richtigen Ausf ü h r u n g der T a t fehlten, weiter deshalb, weil
Selbstmord (B. Forensisch-i-medizinische E r f a h r u n g e n ) Schrifttum : Der umfassendste Nachweis findet sich i n : H a n s R o s t , Bibliographie des Selbstmords, Augsburg 1927; dort ist in zahlreichen Kapiteln von sorgfältiger Gruppierung (im ganzen 392 S. mit vielen Abbildungen) nicht nur eine wohl bis 1927 ziemlich lückenlose Bibliographie gegeben, sondern auch ausgezeichnete sachliche Überblicke in den einzelnen Kapiteln. — T r o t z d e m seien noch einige weitere, wichtigere Schriften hier g e n a n n t : A d o l p h W a g n e r , Gesetzmäßigkeit in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen, H a m b u r g 1864. — T h . G. M a s a r y k , Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung der modernen Zivilisation, Wien 1881. — H. M o r s e l l i , Der Selbstmord, Leipzig 1881. — A. v. O e t t i n g e n , Moralstatistik, 3. Aufl., Erlangen 1882. — D e r s e l b e , Über a k u t e n und chronischen Selbstmord, D o r p a t 1881. — E. R e h f i s c h , Der Selbstmord, Berlin 1893. — G. F ü l l k r u g , Der Selbstmord, eine moralstatistische und volkspsychologische Untersuchung, Schwerin i. M. 1919. — R. G a u p p , Über den Selbstmord, 2. Aufl., München 1910. — G. v. M a y r , Selbstmordstatistik, im H a n d b . d. öffentl. Rechts, Einl.-Bd., 7. Abt., 2. Liefg., Tübingen 1910. — H. R o s t , Der Selbstmord als sozialstatistische Erscheinung, Köln 1905. — M. U n g e r , Der Selbstmord in der Beurteilung des geltenden deutschen bürgerlichen Rechts, Berlin 1913. — H. A. K r o s e , S. J . , Die Ursachen der Selbstmordhäufigkeit, Freiburg i. Br. 1906. — R e h f e i d t , Z u m Selbstmordproblem, Kriminalist. Probleme, Liefg. 3, Berlin, Mai 1929. — O. M ö n k e m ö l l e r , A r t . Selbstmord, in G r o t j a h n - K a u p , H a n d w ö r t e r b . d. Sozialen Hygiene, Leipzig 1912. — R u p p , Das Recht auf den Tod, 1913. — A. L e g o y t , Le suicide ancien et moderne, Paris 1881. — E. D ü r k h e i m , Le suicide, étude de sociologie, Paris 1897. Alexander Elster.
B. Forensisch-medizinische Erfahrungen. 1. Es ist nicht immer leicht, festzustellen, ob ü b e r h a u p t ein S e l b s t m o r d v o r l i e g t . Ein solcher ist z. B. auszuschließen, wenn ein Mensch bei Rettungsversuchen Anderer zu Grunde geht (Selbstaufopferung) (Vers. Praxis 1927 Nr. 38). Auch der Zweikampf u n t e r schärfsten Bedingungen ist vom Selbstmord abzutrennen. Ferner jene Fälle, in denen sich ein Mensch aus sexuellen Motiven stranguliert und sich nicht selbst befreien kann ( H ü b n e r A. Sachv. Ztg. 1927; Ziemke, Zeitschr. f. d. ges. ger. Med. Bd. 4, S. 103). Zur Feststellung, ob Selbstmord oder Unfall vorliegt, m u ß die Behörde „alle äußeren, besonders aber die inneren Momente, die Vor-
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gänge des Seelenlebens würdigen, soweit sie nach außen e r k e n n b a r werden und einen solchen Schritt der Verzweiflung nahelegen" ( J W . 1906, S. 120, 26). Es müssen infolge dessen die h i n t e r l a s s e n e n P a p i e r e , die wirtschaftliche Lage, die Familienverhältnisse, der Lebenslauf einschl. des Sexuallebens und des Alkoholkonsums und die Gesundheitsverhältnisse des Verstorbenen genau geprüft werden. Die A r t u n d T o p o g r a p h i e d e r V e r l e t z u n g e n ermöglicht nicht selten die E n t scheidung der Frage, ob der Verstorbene durch Selbstmord oder durch Mord bzw. T o t schlag s t a r b (G. S t r a ß m a n n , Müller-Heß u n d Wiethold). Eines der wichtigsten Aufklärungsmittel ist die von wirklich Sachverständigen vorgenommene S e k t i o n (vgl. d. Art. oben S. 534ff.). In manchen Fällen kann aus der A r t d e r A u s f ü h r u n g Selbstmord erschlossen werden. So ist z. B. die Mehrzahl der Todesfälle durch Erhängen u n d E r t r ä n k e n auf Selbstmord zurückzuführen, ebenso ein erheblicher Teil der Vergiftungen. Weiter sprechen Kombinationen mehrerer Todesarten manchmal f ü r Selbstmord (z. B. Vergiften mit E r t r ä n k e n oder Vergiften m i t Durchschneiden der Pulsadern und Sprung aus dem F e n s t e r ; Einnehmen von Schlafmitteln im Bade). Da manche Selbstmörder sehr grausame Todesarten wählen ( S t a r k s t r o m — Übergießen mit Petroleum — Eintreiben eines Nagels in den Kopf — E n t h a u p t u n g durch einen S t a h l d r a h t , an den der T ä t e r mit dem A u t o h e r a n f u h r — 31 Beilhiebe gegen den eigenen Schädel), andererseits Morde und T o t schläge nicht selten dadurch larviert werden, daß die Leiche nachträglich aufgehängt oder ins Wasser geworfen wird, so wird die Frage, ob Selbstmord, Verbrechen oder Unfall vorliegt, nur in den typischen Fällen ohne Zuziehung eines erfahrenen gerichtsärztlichen Sachverständigen gelöst werden können. — 2. Über die H ä u f i g k e i t des Selbstmords wissen wir deshalb nichts Endgültiges, weil sich die mißglückten Versuche der statistischen Erfassung entziehen. (Vgl. jedoch u n t e n Abschnitt C.) Das Verhältnis der geglückten zu den mißlungenen Selbstmordversuchen schätze ich auf G r u n d des Materials, welches ich in den letzten J a h r e n gesehen habe, auf 1:100. Von 1006 t r u n k s ü c h t i g e n Selbstmördern, die Grzywo-Dabrowski studierte, starben 5 8 % der Männer, 1 2 % der Frauen. Man sieht auch daraus, daß, namentlich bei Frauen, die meisten Versuche mißglücken, teils weil der T ä t e r in der Wahl des Ortes und der Zeit unvorsichtig war, teils weil ihm die erforderlichen Kenntnisse zur richtigen Ausf ü h r u n g der T a t fehlten, weiter deshalb, weil
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Selbstmord (B. Forensisch-medizinische E r f a h r u n g e n )
bei A u s f ü h r u n g der T a t der Wille zum Leben schließlich doch siegte oder weil rechtzeitig eingeleitete ärztliche Behandlung lebensr e t t e n d wirkte. Unter den „Lebengebliebenen" f i n d e n sich auch manche Fälle, in denen eine wirkliche Absicht, sich zu töten, gar nicht bestanden hat, der T ä t e r vielmehr nur zur Erreichung eines b e s t i m m t e n Zweckes einen Selbstmord vortäuschte. 3. Obwohl Selbstmord und Selbstmordversuche an sich nicht s t r a f b a r sind, so sind mit ihnen doch öfters Handlungen v e r b u n d e n , die u n t e r das Strafgesetzbuch fallen. Als solche kommen folgende Möglichkeiten in Frage: a) Der T ä t e r b r a u c h t bei der T a t eine Schußwaffe oder Gifte, die er sich auf unrechtmäßige Weise, z. B. durch Diebstahl oder durch Ü b e r t r e t u n g der Verordnungen über den W a f f e n h a n d e l bzw. des Opiumgesetzes oder der Bestimmungen über den Verkehr mit Giften besorgt. b) Es liegt ein „ D o p p e l s e l b s t m o r d v e r s u c h " vor, d. h. zwei Menschen beschließen, gemeinsam in den Tod zu gehen. F ü r gewöhnlich t ö t e t dabei der Eine den Anderen auf dessen „ernstliches und ausdrückliches Verlangen" (§ 216 StGB.). Der T ä t e r selbst bleibt leben, entweder weil es ihm an Mut gebricht, sich gleichfalls zu erschießen, oder weil er sich keine lebensgefährliche Verletzung beibringt oder weil er rechtzeitig in ärztliche Behandlung k o m m t . Als Motiv der T a t k o m m e n hier meist Liebeskummer (auch bei homosexuellen Paaren), Mitleid mit einem unheilbar Kranken (der krebskranke Ehegatte!), erhebliche wirtschaftliche Not (Inflation, Arbeitslosigkeit) oder F u r c h t vor Strafe ( B a n k r o t t nach bedenklichen Spekulationen, Unterschlagung von Mündelgeldern, Amtsunterschlagungen) in Betracht. c) In einer weiteren Gruppe t ö t e t oder verletzt der T ä t e r aus Eifersucht oder Rache zunächst einen Anderen oder die ganze Familie u n d begeht dann Selbstmord. Letzteres geschieht meist, um sich den Folgen seiner H a n d l u n g zu entziehen, bisweilen auch deshalb, weil ihm nach dem Verlust des Anderen das Leben nicht mehr lebenswert erscheint. Da die Opfer mit dem Handeln des Täters nicht einverstanden waren, liegt Mord, Totschlag oder Körperverletzung (Angriffe mit Säuren oder Messern usw., um die Schönheit des Opfers zu zerstören) vor. d) Die Frage, ob ein Mensch sich dadurch, daß er einen Anderen durch Schikane und Quälereien zum Selbstmord treibt, s t r a f b a r m a c h t , ist in der Mehrzahl der Fälle verneint worden. Anders m u ß man jedenfalls urteilen, wenn der T a t b e s t a n d der Beleidigung, Miß-
handlung, unvorschriftsmäßigen Behandlung eines Untergebenen oder Ähnliches vorliegt. Disziplinarverfahren sind bei B e a m t e n in solchen Fällen öfters eingeleitet worden (Lehrer!). Die Möglichkeit der A n s t i f t u n g zum Selbstmord durch Hypnose ist meiner Ansicht nach bisher nicht genügend bewiesen. e) Neuerdings ist in der medizinischen Literatur das Problem viel erörtert worden, ob der Arzt das Recht hat, bei einer unehelich Geschwängerten, die e r n s t l i c h mit dem Selbstmord droht, die S c h w a n g e r s c h a f t z u u n t e r b r e c h e n . Ich selbst habe bisher noch keinen Fall gesehen, bei dem ich mich entschlossen h ä t t e , die Einleitung des Aborts anzuregen. Meist gelang es, durch Hilfe auf sozialem Gebiete, geeignete U n t e r b r i n g u n g (eventuell Klinikaufnahme) und Überwachung den Selbstmord zu vermeiden. Ich kann mir aber mit Bumke denken, daß es einzelne — d a n n selbstverständlich auch besonders zu begründende — Fälle gibt, bei denen m a n nur durch E n t f e r n u n g der F r u c h t das Leben der Mutter erhalten kann. f) Auf dem Gebiete des V e r s i c h e r u n g s b e t r u g s ist zu erwähnen, daß Selbstmorde zur Erlangung der Versicherungssumme vorgetäuscht werden. Schmitt f a n d u n t e r 168 zwei derartige Fälle. Bisweilen wird von den Angehörigen des Versicherungsnehmers der Versuch gemacht, einen vor Ablauf der Karenzzeit v e r ü b t e n Selbstmord vor dem Arzte, der den Totenschein ausstellen soll, zu verheimlichen. Einige Male haben auch g u t m ü t i g e Ärzte wider besseres Wissen unrichtige Todesbescheinigungen ausgestellt, um den Hinterbliebenen zur Erlangung der Versicherungssumme zu verhelfen. Daß manche Selbstmorde deshalb nicht e r k a n n t werden, weil die Leichenschau nicht sorgfältig genug ausgeführt wurde, wissen die Polizeibehörden und S t a a t s a n w a l t s c h a f t e n längst. g) In der R V O . spielt der Selbstmord in mehrfacher Beziehung eine Rolle. Bei Selbstmordversuchen nach Unfällen werden Renten nur gezahlt, wenn die T a t im Z u s t a n d e der Geschäftsunfähigkeit begangen wurde. Eine E r k r a n k u n g , die sich ein Versicherter bei einem Selbstmordversuch zuzieht, gilt als vorsätzlich herbeigeführt und ist nicht entschädigungspflichtig (ebenso § 2 Abs. 4 RVG.), es sei denn, daß sie im Zustande k r a n k h a f t e r Störung der Geistestätigkeit, durch welchen die freie Willensbestimmung ausgeschlossen war, herbeigeführt wurde. 4. Der U m s t a n d , daß in vielen Fällen Rechtsnachteile, die ein Selbstmordversuch zur Folge hat, d a n n nicht entstehen, wenn der T ä t e r in zurechnungsunfähigem Zustande gehandelt h a t , nötigt uns, Einiges über den
S e l b s t m o r d ( B . Forensisch-medizinische
Erfahrungen)
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G e i s t e s z u s t a n d d e r S e l b s t m ö r d e r zu der Strafe, Eheschwierigkeiten, das Liebess a g e n : N a c h U n t e r s u c h u n g e n , die j e t z t m e h r leben, G e l d v e r l u s t , R e n t e n e n t z i e h u n g , u n als 23 J a h r e l a n g d u r c h g e f ü h r t w e r d e n , sind g ü n s t i g e F a m i l i e n v e r h ä l t n i s s e ( „ B i l a n z s e l b s t 3 0 — 5 0 % der S e l b s t m ö r d e r g e i s t e s k r a n k im m o r d e " I) als „ a u s l ö s e n d e F a k t o r e n " eine engeren Sinne ( G a u p p ) . Ein sehr großer große Rolle. Z u r e c h n u n g s Unfähigkeit liegt Teil dieser G r u p p e ist a u c h als z u r Zeit der bei ihnen meist nicht vor. W o sie angeT a t z u r e c h n u n g s u n f ä h i g zu e r a c h t e n . Kli- n o m m e n wird, m u ß der Beweis e r b r a c h t nisch h a n d e l t es s i c h : a) u m D e p r e s s i o n s - w e r d e n , d a ß e n t w e d e r eine s e h r s t a r k e E r z u s t ä n d e bei Arteriosklerose (z. B. u n m i t t e l - r e g u n g oder eine so s t a r k e Urteilsschwäche b a r vor oder n a c h Schlaganfällen), senilen Ver- b e s t a n d , d a ß ein „ K a m p f der M o t i v e " ausf o l g u n g s - u n d B e e i n t r ä c h t i g u n g s w a h n , R e a k - geschlossen w a r . t i o n e n eines S e n i l d e m e n t e n auf u n a n g e n e h m e 5. Ist ein Mensch, der S e l b s t m o r d g e d a n k e n Erlebnisse, b) Eine zweite G r u p p e u m f a ß t hegt, G e g e n s t a n d ä r z t l i c h e r F ü r s o r g e die M a n i s c h - D e p r e s s i v e n . 8 0 % aller geworden u n d f ü h r t er die T a t , n a c h d e m ein Melancholiker sind s e l b s t m o r d v e r d ä c h t i g . A r z t die B e h a n d l u n g ü b e r n o m m e n h a t , doch E s g i b t ganze Familien Manisch-Depressiver, noch aus, so e r h e b t sich die F r a g e , ob der die d u r c h S e l b s t m o r d e n d e n , c) U n t e r den A r z t den T o d oder die K ö r p e r v e r l e t z u n g Schizophrenen begehen S e l b s t m o r d v e r - m i t v e r s c h u l d e t h a t . Hierzu sei Folgendes suche die im Beginn des Leidens s t e h e n d e n g e s a g t : S e l b s t m o r d v e r d ä c h t i g e in der freien Depressiven. Im s p ä t e r e n Verlauf k o m m e n P r a x i s zu b e h a n d e l n , ist sehr gefährlich. Die gelegentlich infolge v o n V e r f o l g u n g s w a h n A n s i c h t der Angehörigen, d a ß sie Versuche S e l b s t m o r d e vor. A u c h als impulsive H a n d - v e r h i n d e r n k ö n n t e n , ist irrig. Der Arzt m u ß l u n g e n sind sie b e o b a c h t e t worden, d) Bei die V e r w a n d t e n ü b e r die G e f a h r a u f k l ä r e n , der G e h i r n e r w e i c h u n g sind S e l b s t m o r d e seinerseits die V e r a n t w o r t u n g a b l e h n e n , z u m selten. Die wenigen Fälle, welche ich k e n n e n m i n d e s t e n f ü r sofortige B e w a c h u n g d u r c h g e l e r n t h a b e , b e t r a f e n d e p r i m i e r t e K r a n k e im geschultes Pflegepersonal, a m besten f ü r die B e g i n n des Leidens, e) D a s D e l i r i u m Ü b e r f ü h r u n g in eine S p e z i a l a n s t a l t sorgen. tremens, der Verfolgungswahn d e r Ein gewöhnliches K r a n k e n h a u s ist meist T r i n k e r , die A l k o h o l e p i l e p s i e u n d m a n - nicht in der Lage, einen d e r a r t i g e n P a t i e n t e n che I n f e k t i o n s p s y c h o s e n e n d e n gelegent- a u s r e i c h e n d v o r seinen S e l b s t t ö t u n g s i d e e n zu lich d u r c h S e l b s t m o r d . In allen diesen Fällen s c h ü t z e n (Z. f. d. ges. K r a n k e n h a u s w e s e n 1932 ist die freie W i l l e n s b e s t i m m u n g wohl ausge- S. 386.) Bei der s t r a f r e c h t l i c h e n B e u r t e i l u n g schlossen. Der K r a n k e h a t oft (z. B. wenn solcher Fälle ist zu b e r ü c k s i c h t i g e n , d a ß es eine B e w u ß t s e i n s t r ü b u n g vorliegt) gar nicht viele Melancholische gibt, die ihre Selbstdie A b s i c h t , sich zu t ö t e n , f ) Weniger klar m o r d g e d a n k e n sehr g u t zu v e r h e i m l i c h e n liegen die Verhältnisse bei m a n c h e n M o r p h i - (dissimulieren) v e r s t e h e n u n d so geschickt n i s t e n , organisch G e h i r n k r a n k e n (Ge- v o r g e h e n , d a ß sie sogar das Personal der Heilhirnsyphilis, Gehirngeschwulst), der E n c e - a n s t a l t e n t ä u s c h e n . E s ist deshalb f ü r d e n p h a l i t i s l e t h a r g i c a , der U r ä m i e , den ärztlichen P r a k t i k e r m a n c h m a l sehr schwer, d u r c h Unfall u n d Kriegsdienst G e h i r n v e r - solche G e d a n k e n ü b e r h a u p t n a c h z u w e i s e n . l e t z t e n . Hier m u ß jeder Fall darauf beF e r n e r ist zu b e d e n k e n , d a ß die g a n z s o n d e r s g e p r ü f t w e r d e n , wie weit gerade die leichten Fälle v o n melancholischer Depression Willenssphäre u n d d a s Urteil d u r c h die K r a n k n i c h t ohne weiteres in eine geschlossene A n heit b e e i n f l u ß t w a r e n , g) In der medizinischen stalt gebracht werden können. Hinzu k o m m t , L i t e r a t u r w i r d i m m e r wieder die B e h a u p t u n g d a ß n i c h t alle Depressionen q u o a d Selbsta u f g e s t e l l t , d a ß geistesgesunde S e l b s t m ö r d e r m o r d g e f a h r gleichwertig sind. Die e c h t e n eine Seltenheit seien. D a s ist insofern richtig, Melancholieen sind e r n s t e r zu n e h m e n als die als bei d e n j e n i g e n , die n i c h t g e i s t e s k r a n k im r e a k t i v e n V e r s t i m m u n g e n . E s l ä ß t sich a u c h engeren Sinne sind, irgend eine F o r m d e r bei einmaliger U n t e r s u c h u n g nicht i m m e r P s y c h o p a t h i e (s. d.) oder des S c h w a c h e n t s c h e i d e n , o b eine melancholische oder s i n n s zu f i n d e n ist. Bei dieser G r u p p e ist es r e a k t i v e Depression vorliegt. v o r w i e g e n d „ d i e e r h ö h t e Schwierigkeit, m i t Die T a t s a c h e , d a ß sich sogar in d e n ged e m Leben u n d seinen A l l t a g s f o r d e r u n g e n schlossenen A n s t a l t e n Selbstmordversuche f e r t i g zu w e r d e n " , die d e n V e r z w e i f l u n g s a k t n i c h t g a n z v e r m e i d e n lassen, lehrt, d a ß die auslöst. M a n c h e T y p e n , z. B. die k o n s t i t u Verhältnisse n i c h t i m m e r klar ü b e r s e h b a r tionell Depressiven, die k r a n k h a f t R e i z b a r e n , sind. E s ist d e s h a l b bei Verlegungen v o n einzelne Q u e r u l a n t e n (s. d.) u n d Pseudologen Selbstmordkandidaten aus dem Wachsaal sind besonders g e f ä h r d e t . (Vgl. a u c h d. A r t . auf. offene S t a t i o n e n oder bei G e w ä h r u n g Geisteskranke.) Hier spielen ä u ß e r e E r l e b f r e i e n A u s g a n g s große Vorsicht g e b o t e n . nisse, insbesondere w i r t s c h a f t l i c h e Schwierig6. A m 21. I. 1932 (I M II 66/32 W M) ist k e i t e n , körperliche K r a n k h e i t e n , F u r c h t v o r ein E r l a ß des P r e u ß i s c h e n W o h l f a h r t s - u n d 35 Handwörterbuch der Kriminologie. Bd. II.
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S e l b s t m o r d ( B . Forensich-medizinische E r f a h r u n g e n ) (C. S t a t i s t i k )
I n n e n m i n i s t e r i u m s h e r a u s g e k o m m e n , der die A u f n a h m e n u n d E n t l a s s u n g e n a u s den Heilu n d P f l e g e a n s t a l t e n neu regelt. D a es n a c h § 15 P o l V e r w G . zu den A u f g a b e n der Polizei g e h ö r t , P e r s o n e n zu i h r e m eigenen S c h u t z e in V e r w a h r u n g zu n e h m e n u n d zu b e t r e u e n , so w e r d e n wohl a u c h in Z u k u n f t bei E i n w e i s u n g v o n p s y c h o p a t h i s c h e n S e l b s t m ö r d e r n (vgl. 5) in H e i l a n s t a l t e n keine Schwierigkeiten e n t s t e h e n . Die Polizei wird sich dieses Mittels notwendigerweise oft bedienen müssen. D e n n d u r c h A n s t a l t s ü b e r w a c h u n g wird m a n solche Todesfälle a m ehesten v e r m e i d e n k ö n n e n . E i n e F r e i h e i t s b e r a u b u n g oder Nötig u n g ist in einer E i n w e i s u n g nicht zu erblicken. 7. Die S e l b s t m o r d e J u g e n d l i c h e r nehm e n insofern eine S o n d e r s t e l l u n g ein, als bei i h n e n a u s g e s p r o c h e n e P s y c h o s e n n u r in e t w a 2 0 % der Fälle nachzuweisen sind. Dagegen f i n d e t m a n h ä u f i g e r p s y c h o p a t h i s c h e Veranlagungen (Geltungstrieb, Insuffizienzgef ü h l e , H e i m w e h l ) . Bei vielen v o n ihnen spielt a u c h eine a b n o r m v e r l a u f e n d e P u b e r t ä t eine Rolle. Meist h a n d e l t es sich u m R e a k t i o n e n auf v e r m e i n t l i c h e oder wirkliche Mißerfolge oder schlechte B e h a n d l u n g in Familie, Schule oder Beruf. Die gegen Lehrer, A r b e i t g e b e r u. a. v o r g e b r a c h t e n Beschuldigungen sind b e s o n d e r s sorgfältig zu p r ü f e n , ehe s t r a f r e c h t lich oder disziplinar v o r g e g a n g e n wird. D e n n sie sind vielfach nicht berechtigt. N e b e n den e r w ä h n t e n ä u ß e r e n U r s a c h e n spielen L i e b e s a f f ä r e n ( „ F r ü h l i n g s e r w a c h e n " ) , R e a k t i o n e n auf Zeitereignisse, schlechte Lekt ü r e u n d K i n o ( T o e b b e n ) eine Rolle bei Auslösung der T a t . Gelegentlich w e r d e n v o n Gleichgesinnten Gruppenselbstmorde begangen. 8. W e n n hier ü b e r die T h e r a p i e u n d P r o p h y l a x e a u c h ein W o r t gesagt wird, so geschieht es, weil das Schicksal m a n c h e r S e l b s t m ö r d e r in den H ä n d e n der Polizei u n d der J u s t i z b e h ö r d e n liegt. J e d e r Mensch, der u n m i t t e l b a r n a c h einem S e l b s t m o r d v e r s u c h v o n der z u s t ä n d i g e n B e h ö r d e in Fürsorge gen o m m e n wird, m u ß nicht allein wegen der chirurgischen Verletzungen d e m A r z t e zug e f ü h r t w e r d e n , s o n d e r n er bedarf a u c h p s y c h i a t r i s c h e r U n t e r s u c h u n g , d e n n es ist zu e n t s c h e i d e n , ob A n s t a l t s p f l e g e erforderlich ist oder ob er z u m m i n d e s t e n einer d e r j e n i g e n O r g a n i s a t i o n e n , die sich m i t der B e t r e u u n g d e r a r t i g e r Persönlichkeiten befassen, zugewiesen w e r d e n m u ß . Als solche k o m m e n in B e t r a c h t : In m a n c h e n G r o ß s t ä d t e n bes o n d e r e Fürsorgestellen f ü r L e b e n s m ü d e , f e r n e r die Heilsarmee, die Fürsorgestellen f ü r J u g e n d l i c h e , P s y c h o p a t h e n , Schwachsinnige u n d Alkohol k r a n k e je n a c h Lage des Falles. F ü r die P r o p h y l a x e besonders geeignet sind
f e r n e r die bei den P r o v i n z i a l h e i l a n s t a l t e n vorhandenen Sprechstunden der Außenf ü r s o r g e u n d die N e r v e n p o l i k l i n i k e n . D u r c h die T ä t i g k e i t dieser W o h l f a h r t s e i n r i c h t u n g e n ist schon m a n c h e r v o r neuen S e l b s t m o r d v e r suchen bewahrt worden. Schrifttum: Friedjung, Kinderselbstmorde, Zeitschr. K i n d e r f o r s c h u n g 36, 502. — D r e y k u r s , S e l b s t m o r d p r o p h y l a x e , Allg. Zeitschr. f . P s y c h . 93, 98 u n d 88, 469. — P r e ß l e r , Suicide chez les e n f a n t s , S t r a ß b o u r g . m e d . 89, 477 u. 511. — G o l d m a n n , S e l b s t m o r d infolge H y p n o s e , Arch. f. K r i m . 86, 81. — T o e b b e n , Selbstmord Jugendlicher, Dtsch. Zeitschr. gerichtl. Medizin 14, 499. — S i m o n , Briefe v o n S e l b s t m ö r d e r n . . Verw e r t u n g bei der B e g u t a c h t u n g , Ärztl. S a c h v e r s t . - Z t g . 36, 69. — E r i c h M e y e r , Selbstmordprophylaxe, Münch. Med. W o c h e n s c h r . 1929, S. 1459. — W e i c h brodt, in Liniger-Weichbrodt-Fischer, H a n d b . d. B e g u t a c h t u n g II, 390, Leipzig 1931. — D o n a l i e s , Statistische Erh e b u n g e n , M o n a t s s c h r . f. P s y c h . 69, 380. — H e i m b e r g e r , Straf r e c h t , Berlin-Wien 1931. — H ü b n e r , Psychische B e g u t a c h t u n g in der Lebensversicherung, Medizin 1928 ( L i t e r a t u r ! ) . — B u m k e , P s y c h i a t r i e , München 1929. — Romen-Rissom, M i l i t ä r s t r a f g e s e t z b u c h , Berlin 1918.
Arthur
Hübner.
C. Statistik. 1. Der S e l b s t m o r d l ä ß t sich im S y s t e m der wissenschaftlichen S t a t i s t i k v o n drei v e r schiedenen G e s i c h t s p u n k t e n aus b e t r a c h t e n . Als besondere u n d z w a r a b n o r m e Spezies der T o d e s u r s a c h e n m u ß der S e l b s t m o r d erstens in d e r S t a t i s t i k d e r T o d e s u r s a c h e n als einem Teilgebiet der S t a t i s t i k d e r B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g Berücksicht i g u n g f i n d e n , wie es t a t s ä c h l i c h a u c h in dieser v o n f a s t allen K u l t u r s t a a t e n b e a r b e i t e t e n S t a t i s t i k geschieht. Zweitens b e s t e h t in einer Reihe v o n S t a a t e n ein öffentliches p o l i z e i l i c h e s oder sogar s t r a f - o d e r z i v i l r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e an der s t a t i s t i s c h e n E r m i t t l u n g der S e l b s t m o r d e . So ist h e u t e noch, wie e h e d e m allgemein, in E n g l a n d , S p a n i e n u n d Schweden der Selbstm o r d bzw. dessen Versuch, die A n s t i f t u n g u n d Beihilfe z u m S e l b s t m o r d m i t S t r a f e oder gewissen R e c h t s n a c h t e i l e n b e d r o h t . A u ß e r d e m erscheint eine polizeiliche oder gerichtliche P r ü f u n g der S e l b s t m o r d f ä l l e in vielen S t a a t e n schon a u s d e m G r u n d e g e b o t e n , u m ein verschleiertes V e r b r e c h e n a u f z u d e c k e n . In diesem Falle ist die s t a t i s t i s c h e E r f a s s u n g
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S e l b s t m o r d ( B . Forensich-medizinische E r f a h r u n g e n ) (C. S t a t i s t i k )
I n n e n m i n i s t e r i u m s h e r a u s g e k o m m e n , der die A u f n a h m e n u n d E n t l a s s u n g e n a u s den Heilu n d P f l e g e a n s t a l t e n neu regelt. D a es n a c h § 15 P o l V e r w G . zu den A u f g a b e n der Polizei g e h ö r t , P e r s o n e n zu i h r e m eigenen S c h u t z e in V e r w a h r u n g zu n e h m e n u n d zu b e t r e u e n , so w e r d e n wohl a u c h in Z u k u n f t bei E i n w e i s u n g v o n p s y c h o p a t h i s c h e n S e l b s t m ö r d e r n (vgl. 5) in H e i l a n s t a l t e n keine Schwierigkeiten e n t s t e h e n . Die Polizei wird sich dieses Mittels notwendigerweise oft bedienen müssen. D e n n d u r c h A n s t a l t s ü b e r w a c h u n g wird m a n solche Todesfälle a m ehesten v e r m e i d e n k ö n n e n . E i n e F r e i h e i t s b e r a u b u n g oder Nötig u n g ist in einer E i n w e i s u n g nicht zu erblicken. 7. Die S e l b s t m o r d e J u g e n d l i c h e r nehm e n insofern eine S o n d e r s t e l l u n g ein, als bei i h n e n a u s g e s p r o c h e n e P s y c h o s e n n u r in e t w a 2 0 % der Fälle nachzuweisen sind. Dagegen f i n d e t m a n h ä u f i g e r p s y c h o p a t h i s c h e Veranlagungen (Geltungstrieb, Insuffizienzgef ü h l e , H e i m w e h l ) . Bei vielen v o n ihnen spielt a u c h eine a b n o r m v e r l a u f e n d e P u b e r t ä t eine Rolle. Meist h a n d e l t es sich u m R e a k t i o n e n auf v e r m e i n t l i c h e oder wirkliche Mißerfolge oder schlechte B e h a n d l u n g in Familie, Schule oder Beruf. Die gegen Lehrer, A r b e i t g e b e r u. a. v o r g e b r a c h t e n Beschuldigungen sind b e s o n d e r s sorgfältig zu p r ü f e n , ehe s t r a f r e c h t lich oder disziplinar v o r g e g a n g e n wird. D e n n sie sind vielfach nicht berechtigt. N e b e n den e r w ä h n t e n ä u ß e r e n U r s a c h e n spielen L i e b e s a f f ä r e n ( „ F r ü h l i n g s e r w a c h e n " ) , R e a k t i o n e n auf Zeitereignisse, schlechte Lekt ü r e u n d K i n o ( T o e b b e n ) eine Rolle bei Auslösung der T a t . Gelegentlich w e r d e n v o n Gleichgesinnten Gruppenselbstmorde begangen. 8. W e n n hier ü b e r die T h e r a p i e u n d P r o p h y l a x e a u c h ein W o r t gesagt wird, so geschieht es, weil das Schicksal m a n c h e r S e l b s t m ö r d e r in den H ä n d e n der Polizei u n d der J u s t i z b e h ö r d e n liegt. J e d e r Mensch, der u n m i t t e l b a r n a c h einem S e l b s t m o r d v e r s u c h v o n der z u s t ä n d i g e n B e h ö r d e in Fürsorge gen o m m e n wird, m u ß nicht allein wegen der chirurgischen Verletzungen d e m A r z t e zug e f ü h r t w e r d e n , s o n d e r n er bedarf a u c h p s y c h i a t r i s c h e r U n t e r s u c h u n g , d e n n es ist zu e n t s c h e i d e n , ob A n s t a l t s p f l e g e erforderlich ist oder ob er z u m m i n d e s t e n einer d e r j e n i g e n O r g a n i s a t i o n e n , die sich m i t der B e t r e u u n g d e r a r t i g e r Persönlichkeiten befassen, zugewiesen w e r d e n m u ß . Als solche k o m m e n in B e t r a c h t : In m a n c h e n G r o ß s t ä d t e n bes o n d e r e Fürsorgestellen f ü r L e b e n s m ü d e , f e r n e r die Heilsarmee, die Fürsorgestellen f ü r J u g e n d l i c h e , P s y c h o p a t h e n , Schwachsinnige u n d Alkohol k r a n k e je n a c h Lage des Falles. F ü r die P r o p h y l a x e besonders geeignet sind
f e r n e r die bei den P r o v i n z i a l h e i l a n s t a l t e n vorhandenen Sprechstunden der Außenf ü r s o r g e u n d die N e r v e n p o l i k l i n i k e n . D u r c h die T ä t i g k e i t dieser W o h l f a h r t s e i n r i c h t u n g e n ist schon m a n c h e r v o r neuen S e l b s t m o r d v e r suchen bewahrt worden. Schrifttum: Friedjung, Kinderselbstmorde, Zeitschr. K i n d e r f o r s c h u n g 36, 502. — D r e y k u r s , S e l b s t m o r d p r o p h y l a x e , Allg. Zeitschr. f . P s y c h . 93, 98 u n d 88, 469. — P r e ß l e r , Suicide chez les e n f a n t s , S t r a ß b o u r g . m e d . 89, 477 u. 511. — G o l d m a n n , S e l b s t m o r d infolge H y p n o s e , Arch. f. K r i m . 86, 81. — T o e b b e n , Selbstmord Jugendlicher, Dtsch. Zeitschr. gerichtl. Medizin 14, 499. — S i m o n , Briefe v o n S e l b s t m ö r d e r n . . Verw e r t u n g bei der B e g u t a c h t u n g , Ärztl. S a c h v e r s t . - Z t g . 36, 69. — E r i c h M e y e r , Selbstmordprophylaxe, Münch. Med. W o c h e n s c h r . 1929, S. 1459. — W e i c h brodt, in Liniger-Weichbrodt-Fischer, H a n d b . d. B e g u t a c h t u n g II, 390, Leipzig 1931. — D o n a l i e s , Statistische Erh e b u n g e n , M o n a t s s c h r . f. P s y c h . 69, 380. — H e i m b e r g e r , Straf r e c h t , Berlin-Wien 1931. — H ü b n e r , Psychische B e g u t a c h t u n g in der Lebensversicherung, Medizin 1928 ( L i t e r a t u r ! ) . — B u m k e , P s y c h i a t r i e , München 1929. — Romen-Rissom, M i l i t ä r s t r a f g e s e t z b u c h , Berlin 1918.
Arthur
Hübner.
C. Statistik. 1. Der S e l b s t m o r d l ä ß t sich im S y s t e m der wissenschaftlichen S t a t i s t i k v o n drei v e r schiedenen G e s i c h t s p u n k t e n aus b e t r a c h t e n . Als besondere u n d z w a r a b n o r m e Spezies der T o d e s u r s a c h e n m u ß der S e l b s t m o r d erstens in d e r S t a t i s t i k d e r T o d e s u r s a c h e n als einem Teilgebiet der S t a t i s t i k d e r B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g Berücksicht i g u n g f i n d e n , wie es t a t s ä c h l i c h a u c h in dieser v o n f a s t allen K u l t u r s t a a t e n b e a r b e i t e t e n S t a t i s t i k geschieht. Zweitens b e s t e h t in einer Reihe v o n S t a a t e n ein öffentliches p o l i z e i l i c h e s oder sogar s t r a f - o d e r z i v i l r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e an der s t a t i s t i s c h e n E r m i t t l u n g der S e l b s t m o r d e . So ist h e u t e noch, wie e h e d e m allgemein, in E n g l a n d , S p a n i e n u n d Schweden der Selbstm o r d bzw. dessen Versuch, die A n s t i f t u n g u n d Beihilfe z u m S e l b s t m o r d m i t S t r a f e oder gewissen R e c h t s n a c h t e i l e n b e d r o h t . A u ß e r d e m erscheint eine polizeiliche oder gerichtliche P r ü f u n g der S e l b s t m o r d f ä l l e in vielen S t a a t e n schon a u s d e m G r u n d e g e b o t e n , u m ein verschleiertes V e r b r e c h e n a u f z u d e c k e n . In diesem Falle ist die s t a t i s t i s c h e E r f a s s u n g
Selbstmord ( C . der S e l b s t m o r d v o r k o m m e n A u f g a b e der P o lizei- oder Justizstatistik. W i r d schließlich die Selbstmordstatistik v o n der s o z i a l e t h i s c h e n Seite ausgew e r t e t , so ist sie systematisch der M o r a l s t a t i s t i k und z w a r der Statistik der negat i v e n Moralität zuzuweisen ( N ä h e r e s hierüber siehe im A r t . Moralstatistik), deren wichtigstes K a p i t e l sie nächst der K r i m i n a l statistik ist. Die Statistik der Selbstmorde soll i m theoretischen Sinne zunächst ein möglichst erschöpfendes Bild v o n den persönlichen und sozialen Merkmalen der Selbstmördermasse vermitteln. Es k o m m e n hierbei in der Hauptsache in Betracht zahlenmäßige Feststellungen über Geschlecht, A l t e r , Familienstand, Familienverhältnisse (insbesondere A n gaben über ledige Selbstmörder mit bedürftigen A n v e r w a n d t e n sowie verheiratete, v e r w i t w e t e und geschiedene Selbstmörder mit unversorgten K i n d e r n ) , Beruf und soziale Stellung, Religionszugehörigkeit, Bildungsgrad, wirtschaftliche L a g e ( m i t Unterscheid u n g : ob noch nicht erwerbsfähig, in welchem L o h n oder Gehalt stehend, ob Grund- oder Hausbesitzer, ob ganz mittellos, ob gegebenenfalls wie lange bereits arbeitslos), K ö r p e r b e s c h a f f e n h e i t , Rasse, Nationalität und Stammeszugehörigkeit der Selbstmörder. Zu den A u f g a b e n der Selbstmordstatistik gehören weiterhin Untersuchungen über die regionale V e r t e i l u n g der Selbstmorde (nach Siedlungsverhältnissen, insbesondere nach Stadt und L a n d ) , über ihre zeitliche Gestaltung (Jahreszeiten, M o n a t e , Wochentage, Tageszeiten), über die T e c h n i k des Selbstmordes ( W a h l der T ö t u n g s m i t t e l und Ort der Selbstentleibung) sowie besondere U m s t ä n d e der T a t (gemeinsame Selbstmorde von Liebespaaren, Familienselbstmorde, Selbstmorde im Anschluß an eine M o r d t a t , Selbstmorde b e s t i m m t e r ausgelesener Bevölkerungsschichten wie Schüler, W e h r m a c h t und Polizeiangehörige, Strafgefangene). Schließlich hat die Selbstmordstatistik eingehend die M o t i v e zu erforschen sowie durch möglichst weitgehende Kombination der letzteren mit den zahlreichen individuellen M e r k m a l e n der Selbstmörder die physischen und moralischen Ursachen der Selbstmordhäufigkeit zu ergründen. F ü r die S t o f f g e w i n n u n g stehen der Selbstmordstatistik im allgemeinen v i e r M ö g lichkeiten zur V e r f ü g u n g , die aber in e i n e m Staate selten alle gegeben sein dürften. N a c h v . M a y r (a. a. O. I I , S. 263) können als Verzeichnungen der Selbstmorde, die unm i t t e l b a r oder m i t t e l b a r das U r m a t e r i a l der die Selbstmordstatistik liefern, in B e t r a c h t k o m m e n : 1. Verzeichnungen aus A n l a ß der
Statistik)
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Eintragungen der Sterbefälle in das standesamtliche Sterberegister; 2. Verzeichnungen des Selbstmordes als einer Todesursache in besonderen medizinal-polizeilichen Urkunden, 3. Verzeichnungen polizeilicher A r t , 4. V e r zeichnungen gerichtlicher A r t . D i e Rücksicht auf den R a u m v e r b i e t e t im Folgenden auf die allgemeine M e t h o d e der Selbstmordstatistik näher einzugehen. Ich verweise daher auf die diesbezüglichen ausführlichen Darstellungen u. a. v o n G. v . M a y r (a. a. O. I I , S. 258) und Z a h n (a. a. O. I, S. 4 3 5 f f . ) . B e m e r k t sei hier nur, daß sich einer genauen und vollständigen statistischen Erfassung der Selbstmorde eine Reihe v o n erheblichen Hindernissen in den W e g stellen, da v o r allem die Feststellung des Selbstmordes als Todesursache zum Unterschied v o n einem Verbrechen, Unglücksfall oder natürlichen T o d e nicht i m m e r leicht möglich und weiterhin auch die m i t der Ermittlung des T a t b e s t a n d e s beim Selbstmord betrauten Organe nicht überall geeignet sind. Diese und noch andere Schwierigkeiten, die namentlich v o n K r o s e (a. a. 0 . I, S. 3 f f . ) eingehend erörtert w o r d e n sind, stehen v o r allem einer V e r w e r t u n g der v o n den einzelnen L ä n d e r n gelieferten Selbstm o r d d a t e n und -Ziffern zu internationalen Vergleichen entgegen. T r o t z d e m sind auf diesem Gebiet in erster Linie durch die p r i v a t e Forschungsarbeit bereits bemerkenswerte R e sultate erzielt w o r d e n . Es sind in dieser Beziehung die i m S c h r i f t t u m a u f g e f ü h r t e n Untersuchungen v o n Q u e t e l e t , A . W a g n e r , v. O e t t i n g e n , M o r s e l l i , M a s a r y k , B o d i o , D ü r k h e i m , v. M a y r , K r o s e , R o s t , F ü l l k r u g , Z a h n u. a. zu nennen. In der Mehrzahl der Staaten w i r d keine selbständige Selbstmordstatistik bearbeitet. Die Nachweise der Selbstmorde werden v i e l mehr i m R a h m e n der Todesursachenstatistik v e r ö f f e n t l i c h t . In Frankreich, den N i e d e r landen, E n g l a n d und W a l e s sowie in Spanien erscheinen die Selbstmorde b z w . deren V e r suche als ein besonderer Bestandteil oder als Ausweis der Kriminalstatistik. Daneben werden sie auch in der Todesursachenstatistik a u f g e f ü h r t . 2. Ü b e r den S e l b s t m o r d liegen ziemlich e i n w a n d f r e i e D a t e n bereits aus d e m 17. Jahrhundert v o r . In I. P . S ü ß m i l c h s „ D i e g ö t t liche Ordnung in den Veränderungen des Menschengeschlechts" (s. d. A r t . Morals t a t i s t i k ) f i n d e t sich eine T a b e l l e über die in den Jahren 1686—1758 in L o n d o n durch eigene Schuld zu T o d e G e k o m m e n e n , in der außer Selbstmördern auch Hingerichtete und solche, die an „ S o f f " und an Geschlechtskrankheiten starben, a u f g e f ü h r t sind. Die Gesamtzahl der in diesen mehr als 7 J a h r -
35»
Selbstmord (C. Statistik)
548
1. D i e E r h e b u n g s g e g e n s t ä n d e
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Deutsches Reich . Ägypten . . . . Australischer Staatenbund Belgien Bulgarien Canada Chile Dänemark . . . . England und Wales Schottland . Estland Finnland . . Frankreich . Griechenland Italien Japan
. . . . . . . .
Lettland . . . . Litauen Luxemburg . . . Mexiko Niederlande . . . Norwegen . . . . Österreich . . . . Polen Rußland ( U d S S R . ) Schweden . . . . Schweiz . . . . Südafrikanische Union Spanien . . . Tschechoslowakei Ungarn . . . . , Uruguay . . . . Ver. Staaten v o n Amerika zehnten durch Selbstmord geendeten Personen betrug 2620, w o v o n allein auf die letzten 30 Jahre des Beobachtungszeitraums (1728—57) 1371 Selbstmorde entfielen. Auch f ü r Berlin besitzen wir Zahlenmaterial über die Selbstmorde schon aus der zweiten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts. I. L . C a s p e r ( v g l . Beiträge zur medizinischen Statistik und Staatsarzneikunde, Berlin 1825) berichtet, daß in der Zeit v o n 1758—74 bei einer Bevölkerung v o n 133520 Seelen (im Jahre 1770) 45 Selbstmörder und 90 im
Wasser Gefundene, und von 1788—98 57 Selbstmörder und die gleiche Zahl im Wasser Gefundene gezählt wurden. Die beiden ersten Länder, welche die Selbstmorde f ü r das gesamte Staatsgebiet statistisch ermittelten, sind Finnland und Schweden; dort werden seit 1751 bzw. 1754 die Selbstmorde registriert. In den übrigen Ländern wurde eine amtliche und damit nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geordnete Selbstmordstatistik erst vereinzelt zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder in
Selbstmord (C. Statistik) wichtigsten europäischen und außereuropäischen
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549 Länder.
Amtliche Quellen
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dessen weiterem Verlauf in Angriff genommen. Von den d e u t s c h e n B u n d e s s t a a t e n fangen nach K r o s e , der sich nächst M o r seil i um die erschöpfende Sammlung und Auswertung des außerordentlich reichen internationalen Zahlenmaterials wohl die größten Verdienste erworben hat, als erste Mecklenburg-Schwerin im Jahre 1811, wenige Jahre später (1816) Preußen und Hamburg mit der statistischen Aufzeichnung der Selbstmorde an. Es folgen 1830 Sachsen und Baden, 1836 Sachsen-Koburg, 1838 Sachsen-
Meiningen, 1844 Bayern, 1846 Württemberg und Sachsen-Altenburg, 1848 Hannover, 1854 Oldenburg, 1866 Hessen, 1872 Bremen, ein J a h r darauf Anhalt und 1875 die Reichslande Elsaß-Lothringen. In den übrigen deutschen Bundesstaaten wurde eine Selbstmordstatistik im Jahre 1880 in Angriff genommen. Es ist daher möglich, vom Jahre 1881 ab aus der Summe der einzelstaatlichen Daten die Gesamtzahl der Selbstmorde im ganzen Deutschen Reich festzustellen. Im e u r o p ä i s c h e n A u s l a n d e reicht nächst Finnland und Schweden (s. oben)
550
Selbstmord (C. S t a t i s t i k )
die Selbstmordstatistik von Österreich zeitlich a m weitesten zurück, wo die Erhebungen im J a h r e 1819 einsetzen. Seit dem dritten J a h r z e h n t des vergangenen J a h r h u n d e r t s liegen aus Norwegen (1826) und Frankreich (1827) Angaben vor. Im Verlauf des nächsten J a h r z e h n t s werden in Irland (1831), Dänem a r k (1835), Belgien (1836) sowie in England und Wales (1838) E r m i t t l u n g e n über die Zahl der v o r k o m m e n d e n Selbstmorde a u f g e n o m m e n . In Portugal wird mit der selbstmordstatistischen Beobachtung 1850, in Ungarn und R u ß l a n d 1851, in Spanien 1859, im gesamten Italien 1864, in Schottland und der Gesamtschweiz 1865, den Niederlanden 1875, in Serbien 1880, Luxemb u r g 1881 und in R u m ä n i e n 1886 begonnen. Aus den a u ß e r e u r o p ä i s c h e n S t a a t e n liegen selbstmordstatistische Daten erst f ü r das zweite oder auch nur f ü r das letzte Drittel des X I X . J a h r h u n d e r t s vor. So f ü r die Vereinigten S t a a t e n von Amerika seit 1860, wo man sich allerdings ursprünglich d a m i t begnügte, gelegentlich der Volkszählungen E r m i t t l u n g e n über die im unm i t t e l b a r vorangegangenen J a h r v e r ü b t e n Selbstmorde anzustellen. Vom gleichen J a h r an werden in der argentinischen Provinz Buenos Aires die Selbstmorde gezählt. Aus Afrika liegen seit 1866 f ü r die französische Kolonie Algerien Selbstmorddaten vor. Auch die australische Selbstmordstatistik (und zwar f ü r die beiden Kolonieen Viktoria und Südaustralien) reicht bis in diesen Zeitraum zurück. In J a p a n wurde mit f o r t l a u f e n d e n E r h e b u n g e n über den Selbstmord im J a h r e 1881 begonnen, aus U r u g u a y sind seit 1891 Angaben über die Selbstmordfälle b e k a n n t . Über die gegenwärtigen einzelstaatlichen Quellen der Selbstmordstatistik unterrichtet die schematische Tabelle 1 auf S. 548/49. Internationale Zusammenstellungen von Daten der Selbstmordstatistik finden sich in den Veröffentlichungen des Internationalen Statistischen A m t e s sowie im „Aperçu de la démographie des divers pays du m o n d e " (den Haag).
ebenso wie Bulgarien, D ä n e m a r k und F r a n k reich, die R a n d s t a a t e n und J a p a n Ausweise über das Vorkommen der Selbstmorde in S t a d t und Land bietet. Eine reiche Gliederung des Berufs der Selbstmörder findet sich in den Statistiken von Frankreich, Griechenland und Schweden. Mit wenigen A u s n a h m e n werden auch die einzelnen Arten des Selbstmordes oder die angewandten T ö t u n g s mittel statistisch festgestellt. Besonders ausführlich gegliedert werden sie von der Schweiz mitgeteilt. Schottland berichtet in einer Spezialtabelle über die verschiedenen zur Anwendung gebrachten Vergiftungsmittel. Am reichhaltigsten sind die selbstmordstatistischen Nachweisungen von Ungarn. Außer den in der schematischen Darstellung a u f g e f ü h r t e n Erhebungsgegenständen werden in der ungarischen Selbstmordstatistik noch Angaben mitgeteilt über den Gesundheitszustand der Selbstmörder, ihre Vermögensverhältnisse kombiniert mit den zahlreichen Beweggründen zur T a t , die versuchten Selbstmorde schwererer u n d leichterer Art, über den T a t o r t (ob der Selbstmord in der W o h n u n g oder im Hotel, in f r e m d e r Wohnung, auf der Straße oder in öffentlichen Gebäuden oder im Freien begangen ist) usw. 4. Die zeitliche Entwicklung der Selbstmorde während der letzten 5 J a h r z e h n t e im D e u t s c h e n R e i c h , das über keine eigentliche Selbstmordstatistik v e r f ü g t , vielmehr die Nachweisungen über die Selbstmordfälle aus der Todesursachenstatistik schöpft, ist in der Tabelle 2 dargestellt. Die B e k a n n t gabe der Selbstmorddaten geschieht im R a h m e n der Todesursachenstatistik durch die Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamtes, seit 1899 in den vom Statistischen Reichsamt herausgegebenen Veröffentlichungen über die Bewegung der Bevölker u n g (bis 1907 in den „Vierteljahresheften zur Statistik des Deutschen Reichs", ab 1908 in besonderen Bänden zur Statistik des Deutschen Reichs [Bevölkerungsbewegung u n d Todesursachen]). Die Nachweisungen sind allerdings nicht sehr reichhaltig, denn sie berichten n u r über die Zahl der männlichen und weiblichen Selbstmörder f ü r die preußischen Provinzen, das rechts- und linksrheinische Bayern sowie f ü r die übrigen Staaten insgesamt und zwar nach einigen größeren Altersgruppen. Vom J a h r e 1926 ab werden noch Angaben über die Anwendung der wichtigsten Selbstmordmittel geliefert.
3. Welche persönlichen und sonstigen Verhältnisse der Selbstmörder oder welche anderen Angaben über den Selbstmord — allerdings ohne Rücksicht auf die verschiedenen Kombinationen — bei den selbstmordstatistischen Feststellungen der wichtigsten europäischen und außereuropäischen S t a a t e n Berücksichtigung finden, zeigt die soeben erwähnte schematische Übersicht 1. Wie eine vertikale Betrachtung dieses Tabellenschemas e r k e n n e n läßt, stellen fast alle Länder über das Geschlecht sowie über das Alter der Selbstmörder statistische E r m i t t l u n g e n an. Besondere Beachtung wird auch der geographischen Verbreitung Die Selbstmordziffer im Deutschen Reich, des Selbstmordes geschenkt. Eingehend das schon in der Vorkriegsperiode alle differenziert ist diese vor allem in England 3 J a h r e durch selbstmörderische Handu n d Wales, Schottland und Schweden, das lungen die Zahl an T o t e n einbüßte, die ihm
Selbstmord (C. Statistik) 2. D i e S e l b s t m o r d e i m D e u t s c h e n Reich1) in d e n J a h r e n 1881 — 1932. Selbstmorde Jahr
insgesamt
Selbstmorde
Jahr auf ins1 Mill. gesamt Einw.
9 068 1881 9 107 1882 1883 10 337 9 865 1884 1885 10 191 1886 10 371 1887 10 083 9 400 1888 9 647 1889 9 887 1890 1891 10 553 1892 10 626 1893 10 780 1894 11 135 1895 10 510 1896 10 888 1897 11 013 1898 10 835 1899 10 761 1900 11 393 1901 11 836 1902 12 339 1903 12 730 1904 12 468 1905 1 2 8 1 0 1906 12 495 ') Jeweiliges
1907 12 777 200 1908 13 765 199 1909 14 225 225 1910 13 935 213 1911 14 181 218 1912 14 864 220 212 1913 15 564 1914 14 773 195 1915 11 260 198 1916 11 748 201 1917 10 734 212 212 1918 10 159 1919 11 555 212 217 1920 1 3 3 1 9 1921 12 700 202 1922 13 402 206 1923 13 228 206 1924 14 338 199 1925 15 273 195 1926 16 480 203 1927 15 974 208 1928 16 036 214 1929 16 665 217 1930 17 880 210 1931 18 625 213 1932 18 934 204 Reichsgebiet.
auf 1 Mill. Einw. 206 219 223 216 217 225 232 218 166 173 164 157 184 217 207 219 213 231 245 262 253 252 261 278 288 292
mit 40000 Menschenleben der DeutschFranzösische Krieg von 1870/71 gekostet hatte, h a t sich sonach unter teils wesentlichen Schwankungen innerhalb des 50jährigen Beobachtungszeitraums um 4 6 % erhöht. Noch deutlicher k o m m t der Verlauf der Selbstmordkurve in dem nebenstehenden Schaubild zum Ausdruck (vgl. a. die Kurvendarstellung: „Soziale Wirkungen der Konjunktur". 2. Beilage zum Wochenbericht des Instituts f ü r K o n j u n k t u r f o r s c h u n g vom 3. VI. 1931). Es zeigt vor allem, daß die Häufigkeit der Selbstmorde — ebenso wie bestimmte strafbare Handlungen — bis zu einem gewissen Grade von dem Wechsel der Wirtschaftslage (s. a. d. Art.) abhängig ist, und bestätigt die allgemeine Beobachtung, daß die Selbstmorde zunehmen, wenn die K o n j u n k t u r sinkt, und zurückgehen, sobald die Konj u n k t u r wieder ansteigt. Zunächst ist um die J a h r h u n d e r t w e n d e bei hoch ausschlagender Konjunkturwelle eine bemerkenswerte A b n a h m e der Selbstmorde zu erkennen, der mit absinkender Konj u n k t u r in den J a h r e n 1902 u n d 1903 ein starkes Anschwellen der Selbstmordziffer folgt. Auch die H o c h k o n j u n k t u r der J a h r e
551
1906/07 h a t sich in einer geringen Selbstmordfrequenz ausgewirkt. Die Kriegsjahre zeigen erklärlicherweise eine Sonderbewegung. Nach dem Kriege war die Zahl der Selbstmorde während der Inflation zunächst — bei leichten Verdienstmöglichkeiten — niedriger als in den letzten Vorkriegsjahren, obwohl wegen der v e r ä n d e r t e n A l t e r s s t r u k t u r der Bevölkerung (d. h. wegen des v e r m i n d e r t e n Kinderanteils an der Bevölkerung) eine nicht S e l b s t m o r d e u. W i r t s c h a f t s l a g e D e u t s c h e n Reich.
im
Selbstmorde und todliche Verungluckungen im Deutschen Reich seit 1892 Auf 100000 Einwohner berechnet
Q u e l l e : Wirtschaft u. Statistik, 12. J a h r g . , 1932, Nr. 14, S. 126. B e s c h ä f t i g u n g s grad: 1892—1913 Abweichungen vom T r e n d . ; 1925—1931 Vollbeschäftigte v. H. der Industriearbeiter. — Die Lage dieser K u r v e n im Maßstabnetz ist willkürlich gewählt. unbeträchtliche Z u n a h m e der Selbstmordziffer zu erwarten s t a n d . 1924 stieg nach den A u s f ü h r u n g e n des Statistischen Reichsamts die Selbstmordziffer jedoch mit der Eins c h r ä n k u n g der künstlich aufgeblähten Produktion und der Stillegung zahlreicher Betriebe sofort s t a r k an und erreichte im Krisenj a h r 1926 mit 262 auf 1 Million Einwohner zum ersten Male in der Nachkriegszeit ein Maximum. In den J a h r e n 1927 und 1928 mit wirtschaftlich günstigeren Verhältnissen zeigte sich die übliche k o n j u n k t u r b e d i n g t e Verminderung der Selbstmordhäufigkeit, die in ihrem A u s m a ß dem Rückgang in den hochkonjunkturellen J a h r e n 1906/07 entsprach. Doch schon im J a h r e 1929, dem Beginn der letzten Wirtschaftskrise, war die Selbstmordziffer wieder ebenso groß wie 1926.
552
Selbstmord (C. Statistik)
Mit der weiteren Verschlechterung der Lebensbedingungen des deutschen Volkes setzt d a n n eine gewaltige Selbstmordwelle ein. Als das Heer der Arbeitslosen 1932 auf ü b e r 5 % Millionen (im J a h r e s d u r c h s c h n i t t ) anschwillt, steigt die Zahl der Selbstmorde auf 18934. Weiter kann die Entwicklung der Selbstmordziffer f ü r die gesamte Reichsbevölkerung vorläufig nicht verfolgt werden. Doch gibt die im Statistischen Reichsamt g e f ü h r t e Sonderstatistik der S t ä d t e über 15000 Einwohner f ü r das J a h r 1933 schon ein hinreichend zuverlässiges Bild, sofern m a n berücksichtigt, daß die Selbstmorde in den Großstädten s t e t s etwas häufiger waren als im Reichsdurchschnitt. Nach dieser Statistik b e t r u g die Zahl der Selbstmorde in den deutschen S t ä d t e n im J a h r e 1933 insgesamt 9188; das sind bereits über 3 % weniger als 1932 (9499). Die Selbstmordziffer der Großs t ä d t e verminderte sich von 3,2 auf 3,1. Die M a ß n a h m e n der nationalsozialistischen Regierung scheinen sich auch schon auf diesem Gebiet segensreich auszuwirken.
v e r m e h r u n g erklären. Diese E r k l ä r u n g reicht jedoch bei dem ständigen Wachsen der Selbstmordhäufigkeit, d. h. der relativen Selbstmordziffer keineswegs aus. Als wichtigste aller Ursachen dieser dauernden Steigerung der Selbstmordziffer n i m m t F ü l l k r u g die gesteigerte K u l t u r mit ihren Genüssen, Darbietungen, Mitteln und Forderungen an. In E u r o p a , wo auf Grund der zuverlässigen Berechnungen von K r o s e im Laufe des 19. J a h r h u n d e r t s nahezu 2 Millionen Menschen freiwillig aus dem Leben schieden, d ü r f t e nach Z a h n (a. a. O. I, S. 439) in der letzten Vorkriegszeit die Gesamtzahl der verü b t e n Selbstmorde auf durchschnittlich rund 50000 Einzelfälle im J a h r e zu veranschlagen sein, hiervon entfällt allein die H ä l f t e auf die drei S t a a t e n Deutschland ( J a h r e s d u r c h schnitt 1911/13: 14530), Frankreich (8940) und Österreich (5810). Der gleiche Autor h a t f ü r die wichtigsten europäischen und überseeischen Staaten eingehende Berechnungen von S e l b s t m o r d z i f f e r n vorgenommen. Das ist die Inbeziehungsetzung der in einem bestimmten Beobachtungszeitraum (üblicherweise in einem K a l e n d e r j a h r ) auf den mittleren S t a n d der Gesamtbevölkerung entfallenden Selbstmorde, durch die m a n allein die Häufigkeit der Selbstmorde messen kann, mit der diese in den einzelnen Gebieten aufzutreten pflegen. Danach treffen auf Grund der Nachweisungen der Todesursachenstatistik auf je 1 Million Einwohner in den letzten J a h r e n v o r d e m W e l t k r i e g (1911/13) Selbstmorde, begonnen mit dem selbstmordreichsten Land bis zu dem s e l b s t m o r d ä r m s t e n :
5. Der b e k a n n t e italienische Kriminologe E n r i c o F e r r i h a t in einem auf reiches statistisches Datenmaterial gestützten Bericht „ U n secolo di omicidii e di suicidii in E u r o p a " , das der im J a h r e 1925 in Rom abgehaltenen 16. T a g u n g des Internationalen Statistischen Instituts vorgelegt worden ist, den Nachweis einer entgegengesetzten E n t wicklung der Morde und Selbstmorde während der letzten 100 J a h r e in E u r o p a erbracht. E r h a t festgestellt, daß sich die Selbstmorde mit zunehmender Zivilisation ständig erhöhen, die Morde dagegen eine stetig rückläufige Tendenz aufweisen. Das zusammenfassende Resultat seiner Untersuchungen h a t Ferri durch nachstehende Skizze besonders anschaulich illustriert (a. a. O. S. 429). Schweiz . . . 239,2 Australien . . 128,2 Frankreich . . 225,3 Neuseeland . 125,5 Deutsches England und Reich . . . 219,7 Wales . . . 99,8 Österreich . . 201,0 Finnland . . 98,8 U n g a r n . . . . 194,0 Italien . . . 83,9 J a p a n . . . . 186,7 Niederlande . 63,3 D ä n e m a r k . . 182,4 S c h o t t l a n d . . 57,1 Schweden . . 178,3 Norwegen . . 57,0 K u b a . . . . 177,0 Spanien . . . 48,4 1 47,0 Ebenso ist schon von W a g n e r , M o r - U r u g u a y . . . 177,0 Bulgarien ). . Irland . . . . 35,8 s e l l i , K r o s e , v. M a y r und anderen be- Ver. S t a a t e n von Amerika 160,0 Chile . . . . 30,8 deutenden Selbstmordforschern eine ständige . . . 138,5 allgemeine Z u n a h m e der Selbstmorde seit Belgien *) 1910/13 (nach F ü l l k r u g , a. a. O. II, Beginn des vorigen J a h r h u n d e r t s konstatiert worden, deren Gründe nicht allein auf die S. 18). Verbesserung der amtlichen Selbstmordstatistik und die dadurch gewährleistete vollWir ersehen aus der Zahlenreihe, daß die ständigere und zuverlässigere E r h e b u n g der höchsten Selbstmordziffern die großen antatsächlich vorgekommenen Fälle zurück- einander grenzenden zentraleuropäischen zuführen sein dürften. Die allgemeine Zu- S t a a t e n liefern. Die niedrigsten Ziffern n a h m e in der absoluten Zahl der Selbst- finden sich in Spanien, Bulgarien, Irland und morde könnte man allenfalls durch die Volks- Chile.
Selbstmord (C. Statistik) Nach dem Material, das F ü l l k r u g (a. a. O. II, S. 20) und Z a h n (a. a. O. I, S. 441) für die K r i e g s z e i t bieten, ist die Selbstmordfrequenz sowohl in den kriegführenden als auch in den neutralen Ländern von 1914 bis 1918 mehr oder weniger stark zurückgegangen, nur in Spanien hat sie sich langsam weiter erhöht. Die Entwicklung der absoluten Selbstmordzahlen in den wichtigsten europäischen und außereuropäischen Staaten für die G e g e n w a r t sind in der Tabelle 3 wiedergegeben. Sie ist auf Grund amtlicher Aus-
553
weise, der internationalen Übersicht über die „Todesursachen in europäischen Ländern", die jährlich im „Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich" veröffentlicht wird, sowie nach Angaben des letzten, 1932 erschienenen 71. Jahrgangs von „Hübners Geographisch-Statistische Tabellen" (herausgegeben von E. W ü r z b u r g e r und E. R o e s n e r ) zusammengestellt. Für Europa errechne ich mithin unter Berücksichtigung der in der Ubersicht nicht aufgeführten größeren Staaten unseres Kontinents wie Rumänien (1930: 1443 Selbst-
3. Die S e l b s t m o r d e in d e n w i c h t i g s t e n e u r o p ä i s c h e n u n d L ä n d e r n 1926—1932. (Absolute Zahlen.) Länder Europäische Staaten: Deutsches Reich Saargebiet Belgien Bulgarien Dänemark Danzig Estland Finnland Frankreich Griechenland Großbritannien u. Nordirland: England und Wales . . . . Schottland Nordirland Irischer Freistaat Island Italien Lettland Litauen Luxemburg Memelgebiet Niederlande Norwegen Österreich Polen Portugal Schweden Schweiz Spanien Tschechoslowakei Ungarn AußereuropäischeStaaten: Ver. Staaten von Amerika 1 ) . Canada Mexiko Salvador Chile Uruguay Japan Südafrikanische Union 2 ) . . Australischer Staatenbund . Neuseeland x ) Registration area.
1926
1927
16 480 15 974 75 70 1 197 1 231 358 389 548 556 89 82 320 304 525 614 7 861 7 907 181 231 4 449 424 63 97 2 3 871 484 129 31 9 488 165 2 266 3 903 444 896 1 027 1 442 4 086 2 558
1928
1929
16 036 16 665 85 86 1 268 1 249 494 455 614 593 83 76 318 326 600 674 7 744 7 568 280 321
4 907 503 80 96 9 4 210 547 118 42 11 551 156 2 180 4 186 509 921 972 974 3 734 2 430
4 882 474 64 98 8 3 903 633 197 47 22 525 184 2 478 4313 855 1 023 1 309 4 116 2 605
4 984 474 71 111 7 3 636 540 210 45 11 505 183 2 434 3 929 440 944 982 1 415 4 048 2 504
14 356 759 143 23 20 142 127 198 186 12 484 12 845 192 194 711 740 153 199 2 ) Weiße.
15 566 751 134 17 211 176 13 032 194 777 202
16 260 825 176 14 209 215 12 740 189 785 221
13410 680
,
außereuropäischen
1930
1931
1932
17 880 18 625 18 934 99 81 117 1 450 1 356 1 446 484 475 515 624 609 689 89 96 113 337 326 308 795 813 7 915 7 947 322 325
.
5 051 495 61' 83 6 3 915 453 214 50 17 639 203 2 605 4 111 470 970 1 057 1 340 4415 2 680
5 147 493 63 108 6 4 141 477 240 61 20 674 195 2 775 4 293 702 1 015 1 010 935 4 399 3 062
18 551 20 088 1 010 1 004 235 226 12 254 385 227 13 942 14 353 212 226 943 827 193 226
5 743 500 71 110 4 058 512 246 16 728 2 972 4 744 1 218 820 4 443 3 090
360
754 240
Selbstmord (C. Statistik)
554
morde) und Rußland, wo nach „ S t a t i s t i tscheskij Sprawotschnik S S S R sa 1928 g o r " im Durchschnitt der J a h r e 1923/27 6686 Personen freiwillig aus dem Leben schieden, sowie von Jugoslawien, dessen Selbstmordzahlen allerdings geschätzt werden m u ß t e n , da amtliches Material in den einschlägigen Veröffentlichungen nicht zu finden war, in der letzten Zeit eine Jahreszahl von rd. 66000 Selbstmorden. In den K u l t u r s t a a t e n der Erde nehmen sich dagegen nach den Berechnungen von R o s t (a. a. O. III), der allerdings in diese R u ß l a n d und einige südamerikanische Staaten mangels statistischer Unterlagen nicht einbezogen h a t , heute jährlich 100000 Menschen das Leben. Das wären bei gleichbleibender Zahl im Laufe des 20. J a h r h u n d e r t s 10 Millionen Selbstmordfälle u n t e r den Kulturvölkern der Erde. In der Tabelle 4 sind die Selbstmordziffern von r u n d 50 Ländern aller K o n t i n e n t e
dargestellt. Hierbei sind die Länder nach dem Beispiel G. v. M a y r s (a. a. O. II, S. 265) in solche mit hoher, mäßiger und niedriger Selbstmordfrequenz gegliedert, wobei als hoch eine Selbstmordziffer bezeichnet ist, wenn in einem Lande auf 1 Million der mittleren Bevölkerung durchschnittlich über 200 Selbstmorde entfallen, als mäßig, wenn 100—200, als niedrig, wenn weniger als 100 Selbstmorde auf die gleiche Einwohnerzahl entfallen. Bei einem internationalen Vergleich dieser Selbstmordziffern ergeben sich zum Teil recht bedeutende Unterschiede. Die höchste Selbstmordhäufigkeit ist danach 37 mal so s t a r k wie die geringste. Es bedarf wohl keiner besonderen Erklärung, daß die Gestaltung der einzelstaatlichen Selbstmordhäufigkeit nicht nur durch eine Ursache bedingt ist, sondern daß hierbei eine Reihe von F a k t o r e n mitwirken; die hauptsächlichsten sollen in den folgenden Abschnitten einer näheren Bet r a c h t u n g unterzogen werden.
4. D i e S e l b s t m o r d h ä u f i g k e i t i n 5 0 L ä n d e r n d e r W e l t . (Relativzahlen.) Selbstmorde auf 1 Mill. Einw.
Länder
Jahresdurchschnitt
Selbstmorde auf 1 Mill. Einw.
Österreich . . . . Ungarn Estland Tschechoslowakei Deutsches Reich .
H o h e Selbstmordfrequenz. 1927/31 372 Lettland 1927/31 310 Schweiz 1927/31 287 Danzig 1927/31 282 Japan 1927/31 266
1927/31 1927/31 1927/31 1927/31
259 251 217 212
Hawaii Frankreich Finnland Dänemark Luxemburg Belgien Kolumbien Schweden Neuseeland
Mäßige 1923/27 1927/31 1926/30 1927/31 1927/31 1927/31 1923/27 1927/31 1927/31
Selbstmordfrequenz. 197 Ver. S t a a t e n von 189 Amerika 178 Polen 170 Austral. S t a a t e n b u n d 168 England und Wales . 163 Südafrikan. Union . 153 Uruguay 151 Saargebiet 145 Schottland
1926/30 1926/29 1927/31 1927/31 1927/31 1925/29 1927/31 1927/31
139 2 ) 134 127 126 115 3 ) 113 107 101
Selbstmordfrequenz. Ceylon 97 97 Spanien 87 Griechenland . . . 1 86 ) Irischer Freistaat . 84 Britisch-Guayana . 81 Chile 81 Trinidad 81 Mexiko 74 Färöer-Inseln . . 66 Ägypten 60 Jamaika 54 San Salvador . . 2 ) Registration area.
54 1927/31 52 1927/31 47 1927/31 34 1927/31 34 1925/29 32 1925/29 30 1925/29 25 1923/27 17 1923/27 14 1930/31 13 1925/29 10 1926/30 3 ) Nur Weiße.
Länder
Jahresdurchschnitt
Niedrige 1927/31 Memelgebiet 1927/31 Italien 1927/31 Canada 1922/24 Rußland (UdSSR.) 1927/31 Litauen 1929/31 Portugal 1930 Rumänien 1927/31 Bulgarien Niederlande 1927/31 Norwegen 1927/31 Island 1926/30 Nord-Irland 1927/31 *) Nach Gernet, a a. O., S. 222.
Selbstmord (C. Statistik) 6. Nach der vorherrschenden Meinung üben auf diese Unterschiede in der geographischen Ausbreitung der Selbstmorde zunächst die R a s s e und N a t i o n a l i t ä t einen bestimmenden Einfluß aus. Leider liegen f ü r den Nachweis über den Zusammenhang zwischen der Selbstmordneigung und der Rasse und Nationalität nur wenige amtliche Daten vor. Besonders wertvoll sind die in dieser Beziehung von Z a h n angestellten Untersuchungen. Nach seinen Berechnungen (a. a. 0 . I, S. 444) treffen im Durchschnitt der letzten 4 Vorkriegsjahre (1910/13) auf 1 Million der Bevölkerung Selbstmörder: Weiße England . . . 100 Italien . . . . 84 Deutschland . . 220 Frankreich. . . 225
555
keit erklärlicherweise nicht nur von Staat zu Staat, sondern auch innerhalb eines jeden Landes zum Teil bemerkenswerte r e g i o n a l e Unterschiede auf, deren Intensität durch das ethische und religiöse Niveau der Bevölkerung, durch die verschiedenen Lebensanschauungen der einzelnen Volksteile sowie durch die wirtschaftliche Struktur der einzelnen Gebietsteile bestimmt wird. 5. D i e S e l b s t m o r d e i m D e u t s c h e n R e i c h nach L ä n d e r n und L a n d e s t e i l e n . Länder und Landesteile
Auf je 100000 Einwohner
Rasse. 1913 1929 1930(1931 1932 Australien . . . 128 Ver. Staaten v o n Amerika . . . 165 Ostpreußen . . . 18,0 18,4 16,3 19,6 20,2 Berlin 38,5 42.2 46.6 48.3 53.1 Brandenburg . . 35.0 33.7 33.2 34.6 33.4 Gelbe Rasse. Pommern . . . . 18.1 17.6 19.3 18.5 19.7 Japan 187 Grenzmark PosenS c h w a r z e Rasse. Westpreußen . 11,8 10,0 13.7 17.1 12,3 Ver. Staaten von Amerika 52. Niederschlesien. . 34,5 30.4 32.2 33.4 36.2 Diese Ergebnisse zeigen, daß die Selbst- Oberschlesien . . 8,9 11.8 12,1 14.2 11.8 . . . . 33.5 33,0 35.5 34.8 35.1 mordhäufigkeit der weißen Rasse stark der Sachsen Häufigkeit bei der gelben Rasse ( v g l . a. Schleswig-Holstein 32,4 34.7 35.8 43.7 37.5 Hannover . . . . 21,8 23.5 24.8 27.2 26,8 A . D a i s a b r o H i r a n u m a , Der Selbstmord Westfalen . . . . 12,8 16,9 16.9 16,0 17,0 in Japan, A r c h i v für Kriminologie, Leipzig Hessen-Nassau 1 ) . 21.7 23.5 25.7 28,0 23.6 1927, 80. Bd., S. 246ff.) nahe kommt, R h e i n p r o v i n z 2 ) . . 14.8 17.3 18,9 18.5 19,0 andererseits aber die Häufigkeit bei der Hohenzollern . . 15.3 13.8 12.4 6,8 12.3 Preußen 1 ) 4 ) schwarzen Rasse wesentlich übersteigt. 22,2 24.9 26.3 27.3 27.5 Mit dem Einfluß der N a t i o n a l i t ä t auf die Selbstmordneigung hat sich hauptsäch- Nordbayern . . . 18.4 17.6 20,2 21,0 22.4 . . . 15.6 18,2 20.6 22.9 25.2 lich K r o s e befaßt. Er hat f ü r die Jahre Südbayern 21.7 17.5 20.4 24.6 23.6 1881—90 folgende Selbstmordziffern (auf Pfalz 2 ) Bayern 2 ) 1 Million der Bevölkerung) der europäischen 17,6 17,9 20.4 22,3 23.8 Völkerstämme festgestellt (a. a. O. I I , 53). Sachsen . . . . 36.2 40,9 43,9 44.1 43,2 Dänen 255 Kelten (ohne Franzosen (ohne 55 Württemberg . . 20,0 22.6 22,1 23,9 24.9 Wales) 23.3 26.4 25,1 26.8 26.7 Wallonen) . . 224 Südslaven . . . 51 Baden . . . 36.8 36.5 38.5 39.2 40.2 Deutsche (einschl. Italiener . . . , 50 Thüringen 24.2 23.8 22.8 24.3 25.7 Niederländern) 202 Rumänen . . , 42 Hessen . . . . 38.9 39,0 51.8 52.4 49.3 Schweden . . . 107 Russen . . . . 30 Hamburg Engländer (mit Spanier . . . . 24 MecklenburgSchwerin . . . 23,6 23.0 29,1 31.0 30.4 Wales) . . . . 77 Polen (in Ruß. . . 22.9 27,2 26,5 32.6 30,0 land) . . . . 22 Oldenburg Norweger . . . 67 Braunschweig . . 33.1 34,5 33,4 32.1 37.8 Diese Völkerstämme sind v o n dem ge- Anhalt 37.4 40.9 45,7 42.2 42,3 nannten A u t o r dann noch zu 4 Hauptgrup- Bremen 38,0 38.1 41,7 33,1 39,3 pen: Germanen, Romanen, Slaven und Kelten Lippe 14.3 16.7 21,3 21.7 21.5 zusammengefaßt und dabei für rund 92 Mil- Lübeck 24.0 34.2 36,1 31,6 31,5 lionen Germanen eine Selbstmordziffer v o n Mecklenburg158, für 87 Millionen Romanen v o n 113, f ü r Strelitz . . . . 26.1 22.3 44,3 37,9 130,8 12 Millionen Kelten v o n 55 und für 93 Mil- Schaumburg-Lippe 23.2 31,1 28.9 20,5 |24,5 lionen Slaven v o n 30 errechnet worden. Als Deutsches Reich 2 ) |23,4 26,1 27,8 ¡28,8 ¡29,2 einziges Merkmal für die Nationalität nimmt 8 ) Ohne Saargebiet. J ) Einschl. Waldeck. er die Volkssprache an und kommt zu dem Ergebnis, „ d a ß ein scharf hervortretender W e r f e n wir einen Blick auf die VerhältEinfluß der Abstammung auf die Selbstmordfrequenz bei Bevölkerungen mit gleicher nisse im Deutschen Reich, das wir hier nur Konfession und einigermaßen gleichen Exi- als ein Beispiel heranziehen können, so zeigt stenzbedingungen sich im allgemeinen nicht die auf 100000 Einwohner berechnete Selbstnachweisen l ä ß t " (a. a. O. I I , S. 58). mordziffer im letzten Berichtsjahr 1932 bei 7. Die Selbstmorde zeigen in ihrer Häufig- einem Reichsdurchschnitt v o n 29,2 eine
556
Selbstmord (C. Statistik)
Spanne zwischen 12,3 (Grenzmark PosenWestpreußen und Hohenzollern) und 53,1 (Berlin) auf. W i e vor dem Kriege, so stehen — abgesehen von den großstädtischen Bezirken, über die unten noch zu sprechen ist, sowie von den kleinen Ländern — auch jetzt hinsichtlich ihrer Selbstmordhäufigkeit mit geringen Verschiebungen in der Größenfolge an der Spitze: Land Sachsen, Schleswig-Holstein, Anhalt, Thüringen, P r o v i n z Sachsen und Braunschweig. Die niedrigsten Selbstmordziffern finden sich dagegen in Pommern, in der Rheinprovinz, in der Grenzmark PosenWestpreußen, in Westfalen und Oberschlesien. Die Unterschiede der Selbstmordziffern sind bis zu einem gewissen Grade auch durch die B e v ö l k e r u n g s d i c h t e bedingt. Schon A d o l p h W a g n e r , der bekannte Nationalökonom, stellte bei seiner Untersuchung über den Einfluß der Faktoren „ S t a d t und L a n d " auf die Selbstmordfrequenz, die sich auf eingehendes statistisches Material aus den 40 er und 50 er Jahren des vorigen Jahrhunderts stützten, Folgendes f e s t : „ D e r Selbstmord ist in der Stadt regelmäßig häufiger wie auf dem platten Lande, und in den großen Weltstädten, welche die Centra der materiellen und geistigen Interessen ihrer betreffenden Länder sind, noch häufiger, wie in den kleineren S t ä d t e n " (a. a. O. S. 206). In der Gegenwart hat sich dieses Bild nicht viel geändert. Es kamen im Deutschen Reich auf j e 100000 Einwohner in den Gemeinden mit Einwohnern 100000 u. mehr 50000—100000 30000— 50000 15000— 30000 über 15000 zus. Im Deutschen Reich insgesamt
6. S e l b s t m o r d h ä u f i g k e i t in e u r o päischen und a u ß e r e u r o p ä i s c h e n G r o ß s t ä d t e n 1923/27.») (Relativzahlen.)
Großstädte
Selbstmorde auf 10000 Einw.
Budapest . . Reval . . . Hamburg . . Wien . . . . Leipzig . . . Berlin . . . Bremen . . . Dresden . . Brüssel . . . Chemnitz . . Magdeburg . Hannover . . Charkow . . Zürich . . . Riga . . . . Frankfurt a.M. Breslau . . . Prag . . . . Danzig . . . Bern . . . . Leningrad Kiew . . . . San Franzisko Basel . . . . Stuttgart . . München . . Königsb.i. Pr. Nürnberg . . 1927 1928 1929 1930 1931 Helsingfors . Warschau . . Kopenhagen . Genua . . . 28 32 30 29 33 Los Angeles . 22 24 23 23 27 Florenz . . . 20 24 25 27 26 Dortmund 21 24 20 26 26 Antwerpen . 27 26 28 30 31 Stockholm . 25
25
26
28
29
Die Zahlen zeigen, daß im allgemeinen mit der Größenkategorie der Ortschaften auch deren Selbstmordziffer ansteigt. Besonders wird die Selbstmordsterblichkeit in den großstädtischen Zentren gefördert, w o in erster Linie die stärkere Vertretung der dem Selbstmord günstigeren Altersjahre neben den auch die Kriminalität erhöhenden Einflüssen des modernen Lebens in ungünstigem Sinne einwirken. Selbstverständlich weisen auch die Selbstmordziffern der Großstädte, wie die Tabelle 6 erkennen läßt, wesentliche Unterschiede auf, die — wie bei den Staaten — vorwiegend durch klimatische, geographische und religiöse Faktoren bestimmt sind.
4,91 4,50 4,15 4,05 3.79 3,78 3,70 3,59 3,57 3,53 3.53 3,48 3,25 3,24 3,14 3,08 3,02 3,01 2,91 2.91
2,81 2,81 2.80
2,66 2,64 2,57 2.54 2,50 2,42 2,34 2,31 2,18 2,10 1,98 1,96 1.92 1,92
Großstädte
1,85 Paris . . ' .85 (?) Moskau . 1,82 Mailand . 1,76 Düsseldorf 1,72 Rom . . 1,63 Duisburg . 1,58 Odessa . . 1,51 Milwaukee 1,48 Köln . . 1,38 Chikago . 1,37 Montevideo 1,30 Cleveland 1,25 Essen . . 1,24 Lyon. . . 1,24 Wellington 1,19 London . 1,18 Birmingham 1,18 Neapel . . 1,13 Bukarest . 1,11 Lodz . . 1,09 Providence 1,07 Sydney. . 0,98 Hull . . . Rio de Janeiro 0,96 0,94 Oslo . . . 0,85 Melbourne 0,84 Sheffield . 0,83 Glasgow . 0,64 Haag . . 0,64 Amsterdam 0,58 Rotterdam 0,51 Belfast . . 0,47 Montreal . 0,47 Alexandrien 0,46 Teheran . 0,27 Kairo . . IV.
ergeben sich weiterhin der Selbstmorde nach Es trafen z. B. auf Selbstmorde
Länder Preußen (1924/28) . Bayern (1901/05) . . Schweden (1921/25) . Dänemark (1928/30) . Estland (1923/32) . . Finnland (1921/30) . Frankreich (1925/29).
10000 Einw.
* ) V g l . R o s t a. a. O. Starke Gegensätze bei der Aufgliederung S t a d t und Land. 1 Million Einwohner
Selbstmorde auf
. . . . . . .
Stadt
Land
290 210 169 216 431 253 233
182 119 133 137 198 131 202
8. a ) W i e ich schon kurz in dem A r t . J a h r e s z e i t e n ( I , 688ff.) erwähnt habe, sind
Selbstmord (C. Statistik) diese mit ihren — durch die jeweiligen klimatischen Verhältnisse bedingten — Witterungserscheinungen nicht n u r f ü r die monatliche Gestaltung b e s t i m m t e r Formen der Kriminalität, sondern auch f ü r die Selbstmorde von großer Bedeutung. Bereits im J a h r e 1813 h a t der Göttinger Professor der Medizin und Selbstmordforscher F r i e d r i c h B e n j a m i n O s i a n d e r in seinem Werk „ Ü b e r den Selbstmord, seine Ursachen, Arten, medicinisch-gerichtliche Untersuchung und die Mittel gegen denselben. Eine Schrift sowohl f ü r Policei- und Justizb e a m t e als f ü r gerichtliche Aerzte und W u n d aerzte, f ü r Psychologen und Volkslehrer" ( H a n n o v e r 1813) darauf hingewiesen, daß hoher B a r o m e t e r s t a n d und schnelle a t m o sphärische Veränderungen eine größere Neigung zum Selbstmord auslösen sollen. Statistische Ermittlungen über den monatlichen oder jahreszeitlichen U m f a n g der Selbstmorde werden daher schon seit langem vorgenommen, deren Ergebnisse eine auffallende Regelmäßigkeit in dem Anschwellen und Abnehmen der Selbstmordhäufigkeit im Laufe des J a h r e s erkennen lassen. Die wichtigsten, über die umfangreiche Fachliteratur verstreuten einschlägigen Daten sind in der Tabelle 7 auf S. 558 zusammengestellt und durch eigene Berechnungen auf Grund neuzeitlichen Materials ergänzt. Wie bei dem jahreszeitlichen Verlauf der Verbrechen gegen die Person, insbesondere der Sittlichkeitsdelikte, ferner der außerehelichen Schwängerungen (s. d. Art. Uneheliche) und der Geisteskrankheiten erreicht auch die Selbstmordkurve in allen hier ang e f ü h r t e n Ländern der nördlichen E r d h ä l f t e in f r ü h e r e n J a h r z e h n t e n wie in der Gegenw a r t in den S p ä t f r ü h j a h r s - und Sommerm o n a t e n Mai bis Juli das Maximum, im Winter, insbesondere im Dezember das Minimum, während das in den Zwischenzeiten liegende Auf- u n d Absteigen sich mit großer Regelmäßigkeit, ohne s p r u n g h a f t e Abweichungen vollzieht. Damit sind durch die Ergebnisse der Selbstmordstatistik alle f r ü heren laienhaften Anschauungen von den grauen u n d t r ü b e n , melancholisch stimmenden November- und Dezembertagen mit ihren im allgemeinen ungünstigen wirtschaftlichen und sozialen Folgen (verminderte Arbeitsgelegenheit, erhöhte Lebensansprüche infolge v e r m e h r t e r Ausgaben f ü r Nahrung, Bekleidung und Heizung) widerlegt, die nach der allgemeinen Auffassung ganz besonders geeignet sind, dem lebensmüden Menschen den E n t s c h l u ß zum Freitod wesentlich zu erleichtern. Der November wurde geradezu vom Volksmund in der Schweiz als „ H ä n g e m o n a t " , in England als „ h a n g m o n t h " bezeichnet.
557
Wie erklärt sich nun diese auffallende Erscheinung, daß gerade in den freudigen, schönen und sonnenhellen F r ü h j a h r s - u n d S o m m e r m o n a t e n die meisten Menschen freiwillig aus dem Leben scheiden? Nach der vorherrschenden Meinung ü b t die Ekliptik, d. h. der S t a n d der Sonne zur Erde in den einzelnen Jahreszeiten auf die Gestaltung der Selbstmordfrequenz einen u n v e r k e n n b a r e n Einfluß aus. „Nel periodo dell'anno", sagt M o r s e l l i , „in cui la t e r r a si appressa od e all'afelio, Ia proporzione media dei suicidii raggiunge il suo massimo Iimite; scende invece al minimo q u a n d o la terra trovasi al perielio" (a. a. O. S. 128). Das heißt mit anderen Worten, auf den Grad der Selbstmordneigung sind die Übergangszeiten mit s t a r k e m Temperaturwechsel von entscheidender Wirkung. Hitze ü b t einen selbstmordfördernden, Kälte einen h e m m e n den Einfluß aus. In den Tropen, wo die Sonne zweimal im J a h r e durch den Zenith geht, zeigt nach R o s t (a. a. 0 . I, S. 285) die Selbstmordkurve auch zwei Gipfel. Auf der südlichen E r d h ä l f t e ist f ü r die saisonmäßige Bewegung der K u r v e des Selbstmordes von dem australischen Bundesstatistiker Dr. K n i b b s ein der europäischen J a h r e s s e l b s t m o r d k u r v e gerade k o n t r ä r e r Verlauf festgestellt worden. Sie kulminiert in den dort heißen Monaten Dezember bis Februar, während die Depression in den W i n t e r m o n a t e n Mai bis Juli liegt (vgl. das Schaubild in Bd. I S. 703 sowie die Zusammenstellung im „Official Yearbook of t h e Commonwealth of Australia", Nr. 5, 1912, Melbourne, S. 246). b) Auch die Wochentage und die Tageszeiten üben auf die Selbstmordhäufigkeit einen entschiedenen Einfluß aus. Das statistische Material hierüber ist allerdings sehr gering. Über die Verteilung der Selbstmorde auf die einzelnen W o c h e n t a g e liegen a u ß e r historischen, privaten Nachweisen von G u e r r y aus neuerer Zeit amtliche Daten n u r f ü r Preußen und Sachsen vor. Die Verteilung der Selbstmorde auf die W o c h e n t a g e : Von 100 Selbstmorden entfielen auf den
Sonntag . Montag . . Dienstag . Mittwoch . Donnerstag Freitag . . Sonnabend
Frankreich 1 ) davon insges. (in % ) m. w. 13,57 15,20 15,71 14,91 15,68 13,74 11,19
36 31 32 32 33 33 31
S a—aa
C 0) 00 1— o) -1
4>© .¡r 0 1 Cl,—
RJ Ol C/5 —
13.12 15,89 14,83 14,47 14.13 14,04 13,52
13.47 15,87 15,16 14.48 14,13 13.94 12.95
) beobachtet an 6587 Fällen.
Selbstmord (C. Statistik)
558
5S sr P C X)
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626
Sittlichkeitsverbrechen
gangenen Mordes oder Totschlags (§§ 211 bis 215) verurteilt wird. Beachtenswert ist an dieser Vorschrift Folgendes: Es handelt sich um eine Kann-Vorschrift, nicht um eine Muß-Vorschrift. Der Gesetzgeber hat also von vorn herein eine Auslese erfolgversprechender Fälle von den ungeeignet erscheinenden vorgesehen. Schon nach dem Gesetzestext sind von der E n t m a n n u n g ausgeschlossen die Sexualverbrecher, welche wegen Bigamie, Ehebruch, Blutschande, Unzucht mit abhängigen Personen, widernatürlicher Unzucht gemäß § 175 StGB., Erschleichung des außerehelichen Beischlafs, Verführung unbescholtener, noch nicht 16 J a h r e alter Mädchen, Kuppelei, Zuhälterei, Verbreitung unzüchtiger Schriften und Abbildungen b e s t r a f t sind. Diese Verbrechen brauchen j a nicht einen e n t a r t e t e n oder übersteigerten Geschlechtstrieb zur Grundlage zu haben. Nur die w i d e r n a t ü r liche Unzucht zwischen Männern ist zwar eine eindeutige Perversion. Hier aber h a t der Gesetzgeber auf Grund der Erfahrungen des Auslandes zunächst von einer Einbeziehung in die E n t m a n n u n g s v o r s c h r i f t abgesehen. Die wirklich gefährlichen Homosexuellen fallen im übrigen ja auch u n t e r den § 176 Abs. 3 StGB. Bei der Auswahl der zu E n t m a n n e n d e n sind zwei H a u p t g e s i c h t s p u n k t e entsprechend dem Gesetzestext und der Begründung sowie nach den bislang ergangenen Reichsgerichtsentscheidungen zu beachten, nämlich einmal die Frage, ob es sich um einen gefährlichen Sexualverbrecher handelt, und zweitens ob der Eingriff Erfolg verspricht. Als g e f ä h r l i c h e r S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r im Sinne der E n t m a n n u n g s v o r s c h r i f t wäre nur ein solcher zu bezeichnen, der eine eindeutige kriminelle Neigung besitzt, welche sich durch kein anderes Mittel als die Kastration beseitigen läßt. Dieser schwerwiegende und nicht wieder rückgängig zu machende Eingriff soll nur bei solchen E x h i bitionisten, Kinderschändern, Lustmördern usw. angewandt werden, bei welchen die bisherigen Bestrafungen gar nichts genutzt haben und auch in Z u k u n f t keine Ä n d e r u n g im Verhalten erhoffen lassen. Die E n t m a n n u n g ist also sozusagen die ultima ratio des Staates, sie ist aber keine Strafe, sondern ein Besserungs- und Sicherungsmittel. Es heißt in der amtlichen B e g r ü n d u n g : „ d e r Strafrichter soll zu dieser Maßregel n u r greifen, wenn eine sorgfältige P r ü f u n g ergibt, daß die Allgemeinheit bei der Vornahme des Eingriffs vor weiteren U n t a t e n des Verbrechers verschont bleibt, und wenn der ihm durch den Eingriff etwa zugefügte Schaden
und die Unsicherheit des Erfolges wenig bedeutet im Vergleich zu der Gefahr, die der Sittlichkeitsverbrecher bei Unterlassung des Eingriffs f ü r die Allgemeinheit darstellt". Die konstitutionelle Grundlage der Triebirrung, ihre Unbeherrschbarkeit und Unkorrigierbarkeit durch den charakterologisch minderwertigen Sexualverbrecher und ihr voraussichtliches Weiterfortbestehen t r o t z etwaiger Änderung der persönlichen Verhältnisse oder Fortschreitens des Alters m u ß also vom Gericht u n t e r Mitwirkung des ärztlichen Sachverständigen dargetan werden. Stellt schon dieses Problem den Gerichtsarzt und das Gericht vor eine schwierige Aufgabe, so ist die weitere Frage, ob die E n t m a n n u n g E r f o l g v e r s p r i c h t , meist noch schwerer zu lösen. Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, haben Sexualverbrechen ja keineswegs allein ihren Grund in einer zu starken oder fehlerhaften Funktion der Hoden. Immerhin wird von den Keimdrüsen ein Saft (Hormon) in das Blut abgesondert, welcher auf den Geschlechtstrieb eine belebende und steigernde Wirkung ausü b t . Die E n t f e r n u n g dieser Hormonquelle kann also den Geschlechtstrieb d ä m p f e n oder in besonders günstigen Fällen sogar zum Schwinden bringen, so daß der mit kriminellen Neigungen b e h a f t e t e Mensch von diesen befreit wird. Die Erfahrungen des Auslands, insbesondere der Schweiz und Dänemark, sowie die Beobachtungen an den durch Kriegsverletzung E n t m a n n t e n , haben aber gezeigt, daß die E n t f e r n u n g der Hoden nur etwa in der Hälfte der Fälle die Geschlechtslust, in einem etwas höheren Prozentsatz die Geschlechtskraft erheblich beeinträchtigen. Immerhin sind die Erfolge bei sorgfältiger Auswahl der zu E n t m a n n e n d e n , wie sie in der Schweiz und in D ä n e m a r k geschieht, überwiegend gute. Die Gesichtspunkte, nach welchen die geeigneten von den ungeeigneten Fällen gesondert werden müssen, sind sexualpathologisch psychiatrischer Art. Der ärztliche Sachverständige wandelt hier noch so gut wie auf Neuland. Erst die nächsten J a h r zehnte werden uns das E r f a h r u n g s m a t e r i a l bringen, das zu sicheren Prognosen und Indikationen notwendig ist. Richtlinien, an die man sich vorläufig halten kann, müssen abgeleitet werden aus den einschlägigen Veröffentlichungen (s. u n t e n ) . Erfolge wird m a n haben im allgemeinen bei vorwiegend q u a n t i t a t i v e n Triebstörungen als Grundlage der verbrecherischen H a n d l u n g sowie bei solchen Sexualverbrechern, denen es nach Persönlichkeit und Art der T a t wesentlich auf eine grob-körperliche E n t l a d u n g der noch eng mit dem Genitale verbundenen Sexualspannung a n k o m m t . Dagegen sind wenig oder
Sittlichkeitsverbrechen — ungeeignet alle die S e x u a l v e r b r e c h e r , welche d u r c h die s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n sich v o r wiegend psychische W o l l u s t e r r e g u n g oder G e n u ß v e r s c h a f f e n wollen. Im einzelnen m u ß auf das einschlägige S c h r i f t t u m verwiesen werden. Überall da, wo die E n t m a n n u n g aus den oben a n g e g e b e n e n G r ü n d e n nicht in F r a g e k o m m t , ist bei den h ä u f i g rückfälligen S e x u a l v e r b r e c h e r n die S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g oder U n t e r b r i n g u n g in E r w ä g u n g zu ziehen. Sie ist e m p f e h l e n s w e r t bei schwer minderwertigen, a b e r noch n i c h t voll z u r e c h n u n g s unfähigen Sittlichkeitsverbrechern, insbesondere a u c h bei den senilen K i n d e r s c h ä n d e r n , bei d e n e n die E n t m a n n u n g v o n v o r n herein aussichtslos ist, f e r n e r bei den Alkohold e g e n e r i e r t e n oder im R a u s c h z u m E x h i b i tionieren Neigenden, v o r allem a u c h bei solchen sadistischen V e r b r e c h e r n , bei d e n e n die E n t m a n n u n g nach d e r A r t ihrer Persönlichkeit u n d ihrer kriminellen Neigungen erfolglos e r s c h e i n t . Im übrigen k ö n n e n E n t m a n n u n g u n d U n t e r b r i n g u n g neben e i n a n d e r ausgesprochen werden. 10. Abgesehen v o n diesen Maßregeln d e r S i c h e r u n g u n d Besserung k o m m t es bei der B e k ä m p f u n g der S e x u a l v e r b r e c h e n noch darauf a n , die ä u ß e r e n U m s t ä n d e , welche erf a h r u n g s g e m ä ß Gelegenheit, A n l a ß u n d Bew e g g r u n d zu S e x u a l d e l i k t e n geben, n a c h Möglichkeit zu beseitigen. Die g r ö ß t e Bed e u t u n g k o m m t hier wie bei a n d e r e n Verbrechen d e m Alkohol zu, weil er im S t a d i u m noch nicht zu weit v o r g e s c h r i t t e n e n R a u s c h e s d e n Geschlechtstrieb steigert, die H e m m u n g e n h e r a b s e t z t u n d die Beischlafsf ä h i g k e i t b e e i n t r ä c h t i g t , so d a ß der A k t a b n o r m lange d a u e r t u n d m a n c h m a l m i t Gew a l t d u r c h g e f ü h r t w i r d . A u c h d e r chronische Alkoholismus spielt eine große Rolle b e i m Z u s t a n d e k o m m e n der S e x u a l v e r b r e c h e n , insbesondere der B l u t s c h a n d e , weil er, wie oben bereits a u s g e f ü h r t , die sittliche Persönlichkeit vorwiegend schädigt. E i n e n unheilvollen E i n f l u ß ü b e n weiter W o h n u n g s n o t , A r b e i t s losigkeit, unsittliche u n d a u f r e i z e n d e D a r b i e t u n g e n , bildliche D a r s t e l l u n g e n , S c h r i f t e n , Filme usw. aus. A u c h a n dieser Stelle h a b e n die v o r b e u g e n d e n M a ß n a h m e n des n e u e n S t a a t e s schon m i t E r f o l g eingesetzt. Schließlich sind die geistig u n d sittlich noch einigermaßen intakten Sexualverbrecher, insbesondere a u c h die n u r gelegentlich entgleisenden, ein d a n k b a r e s O b j e k t ä r z t licher H e i l b e h a n d l u n g . Mit U n t e r s t ü t z u n g des N e r v e n a r z t e s gelingt es bei w i r k l i c h e m Gesundungswillen des K r a n k e n meist wohl, die gefährliche T r i e b i r r u n g so zu beeinflussen, d a ß sie n i c h t m e h r v e r b r e c h e r i s c h b e t ä t i g t wird.
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Sodomie
11. Statistisches. Die psychologisch-pathologische B e t r a c h t u n g des S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n s l ä ß t sich n a t u r g e m ä ß nicht s t a tistisch erfassen. Ziffern lassen sich n u r f ü r Fälle gerichtlichen E i n s c h r e i t e n s geben, u n d die s t a t i s t i s c h e E r f a s s u n g m u ß sich a l s d a n n an die ä u ß e r e n T a t b e s t ä n d e des S t G B , h a l t e n , aus d e n e n die psychologischen G r u n d lagen n u r z u m Teil e n t n o m m e n w e r d e n können. T r o t z d e m geben die Ziffern auf S. 624/25 ein a u s w e r t b a r e s Bild zugleich als E r g ä n z u n g a n d e r e r S t i c h w o r t e dieses H a n d w ö r t e r b u c h s (vgl. a u ß e r d e m die Übersicht oben B d . II S. 368 Polizeistatistik). Schrifttum: A l l e r s , Psychologie des Geschlechtslebens. H a n d b . d. vergl. Psychologie, Bd. 3, A b t . 4, herausg. v o n G. K a f k a , E . R e i c h a r d t , München. — A s c h a f f e n b u r g , Zur Psychologie des S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r s , Mon a t s s c h r i f t f. Kriminalpsychol., 2, 399. —• K a f k a , Sexualpathologie, Deuticke, Leipzig 1932. — K o l l e , S e x u a l p s y c h o p a t h o logie, F o r t s c h r . Neur. usw., J a h r g . VI. — L a n g e , Die Folgen der E n t m a n n u n g E r wachsener, S c h r i f t e n r e i h e Arbeit u n d Ges u n d h e i t , H. 24, Georg T h i e m e , Leipzig 1934. — L e p p m a n n , Der Sittlichkeitsv e r b r e c h e r , V i e r t e l j a h r s s c h r . f. gerichtl. Med. 1905, 29, 277 u. 30, 34. — M a r c u s e , H a n d w ö r t e r b u c h der S e x u a l w i s s e n s c h a f t , Marcus u. W e b e r , B o n n 1926. — M o l l , P s y c h o p a t h i a sexualis in Molls H a n d b u c h der S e x u a l w i s s e n s c h a f t , F. W . Vogel, Leipzig 1926. — M ü l l e r - H e ß u n d W i e t h o l d , Die ärztlich b e d e u t s a m e n Ä n d e r u n g e n u n d E r g ä n z u n g e n des Strafgesetzes. M ü n c h , m e d . W o c h e n s c h r . 1934, H . 43. — S a n d , Die Psychologie des Hodens, Curt K a bitzsch, Leipzig 1933. — S c h ä f e r , W a g n e r u n d S c h a f h e u t l e , Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der S i c h e r u n g u n d Besserung, Berlin 1934, Vahlens gelbe H e f t e . — W i e t h o l d , Zur F r a g e der E n t m a n n u n g g e f ä h r licher S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r , Zeitschr. f. d. ges. gerichtl. Med., Bd. 24, 1934. — W o l f , Die K a s t r a t i o n bei sexuellen Perversionen u n d S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n des Mannes, B e n n o S c h w a b e & Co., Basel 1934. Ferdinand
Wiethold.
Sodomie. 1. Zu der n a c h § 175 S t G B , s t r a f b a r e n „ w i d e r n a t ü r l i c h e n U n z u c h t " gehören zwei G r u p p e n , n a c h alter Terminologie 1. die s o d o m i a r a t i o n e sexus m a s c u m m a r e , die wir üblicher als H o m o s e x u a l i t ä t (s. d. A r t . ) bezeichnen, u n d 2. die sodomia r a t i o n e generis h o m o c u m bestia. Diese letztere, die a u c h wohl speziell als Sodomie bezeichnet wird, wird a u c h B e s t i a l i t ä t u n d Zoophilie g e n a n n t , wobei
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Sittlichkeitsverbrechen — ungeeignet alle die S e x u a l v e r b r e c h e r , welche d u r c h die s t r a f b a r e n H a n d l u n g e n sich v o r wiegend psychische W o l l u s t e r r e g u n g oder G e n u ß v e r s c h a f f e n wollen. Im einzelnen m u ß auf das einschlägige S c h r i f t t u m verwiesen werden. Überall da, wo die E n t m a n n u n g aus den oben a n g e g e b e n e n G r ü n d e n nicht in F r a g e k o m m t , ist bei den h ä u f i g rückfälligen S e x u a l v e r b r e c h e r n die S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g oder U n t e r b r i n g u n g in E r w ä g u n g zu ziehen. Sie ist e m p f e h l e n s w e r t bei schwer minderwertigen, a b e r noch n i c h t voll z u r e c h n u n g s unfähigen Sittlichkeitsverbrechern, insbesondere a u c h bei den senilen K i n d e r s c h ä n d e r n , bei d e n e n die E n t m a n n u n g v o n v o r n herein aussichtslos ist, f e r n e r bei den Alkohold e g e n e r i e r t e n oder im R a u s c h z u m E x h i b i tionieren Neigenden, v o r allem a u c h bei solchen sadistischen V e r b r e c h e r n , bei d e n e n die E n t m a n n u n g nach d e r A r t ihrer Persönlichkeit u n d ihrer kriminellen Neigungen erfolglos e r s c h e i n t . Im übrigen k ö n n e n E n t m a n n u n g u n d U n t e r b r i n g u n g neben e i n a n d e r ausgesprochen werden. 10. Abgesehen v o n diesen Maßregeln d e r S i c h e r u n g u n d Besserung k o m m t es bei der B e k ä m p f u n g der S e x u a l v e r b r e c h e n noch darauf a n , die ä u ß e r e n U m s t ä n d e , welche erf a h r u n g s g e m ä ß Gelegenheit, A n l a ß u n d Bew e g g r u n d zu S e x u a l d e l i k t e n geben, n a c h Möglichkeit zu beseitigen. Die g r ö ß t e Bed e u t u n g k o m m t hier wie bei a n d e r e n Verbrechen d e m Alkohol zu, weil er im S t a d i u m noch nicht zu weit v o r g e s c h r i t t e n e n R a u s c h e s d e n Geschlechtstrieb steigert, die H e m m u n g e n h e r a b s e t z t u n d die Beischlafsf ä h i g k e i t b e e i n t r ä c h t i g t , so d a ß der A k t a b n o r m lange d a u e r t u n d m a n c h m a l m i t Gew a l t d u r c h g e f ü h r t w i r d . A u c h d e r chronische Alkoholismus spielt eine große Rolle b e i m Z u s t a n d e k o m m e n der S e x u a l v e r b r e c h e n , insbesondere der B l u t s c h a n d e , weil er, wie oben bereits a u s g e f ü h r t , die sittliche Persönlichkeit vorwiegend schädigt. E i n e n unheilvollen E i n f l u ß ü b e n weiter W o h n u n g s n o t , A r b e i t s losigkeit, unsittliche u n d a u f r e i z e n d e D a r b i e t u n g e n , bildliche D a r s t e l l u n g e n , S c h r i f t e n , Filme usw. aus. A u c h a n dieser Stelle h a b e n die v o r b e u g e n d e n M a ß n a h m e n des n e u e n S t a a t e s schon m i t E r f o l g eingesetzt. Schließlich sind die geistig u n d sittlich noch einigermaßen intakten Sexualverbrecher, insbesondere a u c h die n u r gelegentlich entgleisenden, ein d a n k b a r e s O b j e k t ä r z t licher H e i l b e h a n d l u n g . Mit U n t e r s t ü t z u n g des N e r v e n a r z t e s gelingt es bei w i r k l i c h e m Gesundungswillen des K r a n k e n meist wohl, die gefährliche T r i e b i r r u n g so zu beeinflussen, d a ß sie n i c h t m e h r v e r b r e c h e r i s c h b e t ä t i g t wird.
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Sodomie
11. Statistisches. Die psychologisch-pathologische B e t r a c h t u n g des S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n s l ä ß t sich n a t u r g e m ä ß nicht s t a tistisch erfassen. Ziffern lassen sich n u r f ü r Fälle gerichtlichen E i n s c h r e i t e n s geben, u n d die s t a t i s t i s c h e E r f a s s u n g m u ß sich a l s d a n n an die ä u ß e r e n T a t b e s t ä n d e des S t G B , h a l t e n , aus d e n e n die psychologischen G r u n d lagen n u r z u m Teil e n t n o m m e n w e r d e n können. T r o t z d e m geben die Ziffern auf S. 624/25 ein a u s w e r t b a r e s Bild zugleich als E r g ä n z u n g a n d e r e r S t i c h w o r t e dieses H a n d w ö r t e r b u c h s (vgl. a u ß e r d e m die Übersicht oben B d . II S. 368 Polizeistatistik). Schrifttum: A l l e r s , Psychologie des Geschlechtslebens. H a n d b . d. vergl. Psychologie, Bd. 3, A b t . 4, herausg. v o n G. K a f k a , E . R e i c h a r d t , München. — A s c h a f f e n b u r g , Zur Psychologie des S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r s , Mon a t s s c h r i f t f. Kriminalpsychol., 2, 399. —• K a f k a , Sexualpathologie, Deuticke, Leipzig 1932. — K o l l e , S e x u a l p s y c h o p a t h o logie, F o r t s c h r . Neur. usw., J a h r g . VI. — L a n g e , Die Folgen der E n t m a n n u n g E r wachsener, S c h r i f t e n r e i h e Arbeit u n d Ges u n d h e i t , H. 24, Georg T h i e m e , Leipzig 1934. — L e p p m a n n , Der Sittlichkeitsv e r b r e c h e r , V i e r t e l j a h r s s c h r . f. gerichtl. Med. 1905, 29, 277 u. 30, 34. — M a r c u s e , H a n d w ö r t e r b u c h der S e x u a l w i s s e n s c h a f t , Marcus u. W e b e r , B o n n 1926. — M o l l , P s y c h o p a t h i a sexualis in Molls H a n d b u c h der S e x u a l w i s s e n s c h a f t , F. W . Vogel, Leipzig 1926. — M ü l l e r - H e ß u n d W i e t h o l d , Die ärztlich b e d e u t s a m e n Ä n d e r u n g e n u n d E r g ä n z u n g e n des Strafgesetzes. M ü n c h , m e d . W o c h e n s c h r . 1934, H . 43. — S a n d , Die Psychologie des Hodens, Curt K a bitzsch, Leipzig 1933. — S c h ä f e r , W a g n e r u n d S c h a f h e u t l e , Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der S i c h e r u n g u n d Besserung, Berlin 1934, Vahlens gelbe H e f t e . — W i e t h o l d , Zur F r a g e der E n t m a n n u n g g e f ä h r licher S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e r , Zeitschr. f. d. ges. gerichtl. Med., Bd. 24, 1934. — W o l f , Die K a s t r a t i o n bei sexuellen Perversionen u n d S i t t l i c h k e i t s v e r b r e c h e n des Mannes, B e n n o S c h w a b e & Co., Basel 1934. Ferdinand
Wiethold.
Sodomie. 1. Zu der n a c h § 175 S t G B , s t r a f b a r e n „ w i d e r n a t ü r l i c h e n U n z u c h t " gehören zwei G r u p p e n , n a c h alter Terminologie 1. die s o d o m i a r a t i o n e sexus m a s c u m m a r e , die wir üblicher als H o m o s e x u a l i t ä t (s. d. A r t . ) bezeichnen, u n d 2. die sodomia r a t i o n e generis h o m o c u m bestia. Diese letztere, die a u c h wohl speziell als Sodomie bezeichnet wird, wird a u c h B e s t i a l i t ä t u n d Zoophilie g e n a n n t , wobei
40*
628
Sodomie — Sonderpolizeien A b u r t e i l u n g e n wegen U n z u c h t mit Wegen Unzucht mit Tieren
Jahr
Tieren.
Von den Verurteilten waren Freigesprochene
Abgeurteilte
Verurteilte
1909 1910 1911 1912 1913
346 331 342 322 341
292 281 295 268 290
54 49 47 54 51
1920 1921 1922 1923 1924 1925
39 86 7 31 12 111
28 68 6 29 7 88
11 18 1 1 5 22
1926 1927 1928 1929 1930 1931
135 118 202 223 221 193
113 87 168 184 179 157
22 31 33 38 42 34
weiblich 1 )
•
1 2 1 2 1
j " gendlich davon ins14 bis u n t e r gesamt 16 J a h r e alt 2 ) 81 72 90 72 82
121 114 98 98 117
11 21 3 11 1 13
5 8 2 4 1 20
1 1
43 . 25 37 14 2 49 13 1 10 36 32 8 — *) Von 1909—1913 nicht erfaßt. — 2 ) Bis zum J a h r e 1927 nicht e r f a ß t .
auch diese beiden termini wieder u n t e r sich unterschieden werden. Bestialität bedeutet d a n n die A u s ü b u n g des Geschlechtsaktes mit dem Tier als Perversität, Zoophilie die Neigung und Anlage dazu als Perversion. Sieht man die im S c h r i f t t u m mitgeteilten Fälle durch, so fällt auch hier t r o t z verhältnismäßig wenig zahlreichen Materials große Verschiedenartigkeit der Erscheinung und ihrer vermutlichen E n t s t e h u n g auf. Besonders s t a r k ist hier die psychisch k r a n k h a f t e Verursachung, dann eine exzessiv gesteigerte Libido, wenn sie vom Milieu ihre Richtung e m p f ä n g t (Landleben, Tierpfleger), hie u n d d a auch eine übertriebene Tierliebe oder andererseits eine A b a r t des Sadismus, j a auch des Masochismus. Unmittelbarer Anlaß ist o f t m a l s der Alkoholrausch. Mitunter spielt Menschenscheu und Minderwertigkeitskomplex eine Rolle sowie die „Verschwiegenheit" des Sexualpartners. 2. Die kriminalistische Behandlung ist insofern einfach, als es sich hier u m einen selbständigen strafrechtlichen T a t b e s t a n d handelt, nicht um eine solche Geistes- u n d Seelenrichtung, die zu allerverschiedensten S t r a f t a t e n f ü h r t oder bei ihnen mitspielt. Der Sexualakt des Menschen mit dem Tiere wird b e s t r a f t , aber nur, wenn die H a n d lungen in „beischlafähnlicher" Form ausgef ü h r t werden (vgl. Leipz. Komm, zum S t G B , zu § 175; namentlich auch R G S t . 48, 234).
vorbestraft
26 18 45 54 43 45
3. Bei primitiven Völkern soll die Zoophilie größere Ausbreitung haben. Nach B r y k (Neger-Eros, Berlin und Köln 1928) ist dies zum Teil darauf z u r ü c k z u f ü h r e n , daß der Neger den Unterschied zwischen dem Menschen und einem in vielen physischen Dingen dem Menschen ähnlichen Tiere verwischt. Besonders bei den Suaheli ist die Sodomie s t a r k verbreitet. Aber sie wird mancherorts auch sehr schwer geahndet. Daß es sich u m uralte Phantasieen und Entgleisungen handelt, ergibt sich auch aus den Sagen ( E u r o p a und Leda [Zeus als Stier und als Schwan], Minotaurus, Poseidon) und aus den sagenhaften Gestalten der K e n t a u r e n , Meerjungfrauen usw. s.
Schrifttum: beim Art. Perversion; Einzelfälle zusammengestellt bei K r a f f t - E b i n g , vielfach nach Mitteilungen im Archiv f ü r Kriminologie. Alexander Elster.
Sonderpolizeien. I. A l l g e m e i n e s . W ä h r e n d die ordentlichen Polizeibehörden a l l g e m e i n f ü r d a s g e s a m t e S t a a t s g e b i e t mit der H a n d h a b u n g des polizeilichen Sicherheits- und Ordnungsdienstes schlechthin b e t r a u t sind,
628
Sodomie — Sonderpolizeien A b u r t e i l u n g e n wegen U n z u c h t mit Wegen Unzucht mit Tieren
Jahr
Tieren.
Von den Verurteilten waren Freigesprochene
Abgeurteilte
Verurteilte
1909 1910 1911 1912 1913
346 331 342 322 341
292 281 295 268 290
54 49 47 54 51
1920 1921 1922 1923 1924 1925
39 86 7 31 12 111
28 68 6 29 7 88
11 18 1 1 5 22
1926 1927 1928 1929 1930 1931
135 118 202 223 221 193
113 87 168 184 179 157
22 31 33 38 42 34
weiblich 1 )
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1 2 1 2 1
j " gendlich davon ins14 bis u n t e r gesamt 16 J a h r e alt 2 ) 81 72 90 72 82
121 114 98 98 117
11 21 3 11 1 13
5 8 2 4 1 20
1 1
43 . 25 37 14 2 49 13 1 10 36 32 8 — *) Von 1909—1913 nicht erfaßt. — 2 ) Bis zum J a h r e 1927 nicht e r f a ß t .
auch diese beiden termini wieder u n t e r sich unterschieden werden. Bestialität bedeutet d a n n die A u s ü b u n g des Geschlechtsaktes mit dem Tier als Perversität, Zoophilie die Neigung und Anlage dazu als Perversion. Sieht man die im S c h r i f t t u m mitgeteilten Fälle durch, so fällt auch hier t r o t z verhältnismäßig wenig zahlreichen Materials große Verschiedenartigkeit der Erscheinung und ihrer vermutlichen E n t s t e h u n g auf. Besonders s t a r k ist hier die psychisch k r a n k h a f t e Verursachung, dann eine exzessiv gesteigerte Libido, wenn sie vom Milieu ihre Richtung e m p f ä n g t (Landleben, Tierpfleger), hie u n d d a auch eine übertriebene Tierliebe oder andererseits eine A b a r t des Sadismus, j a auch des Masochismus. Unmittelbarer Anlaß ist o f t m a l s der Alkoholrausch. Mitunter spielt Menschenscheu und Minderwertigkeitskomplex eine Rolle sowie die „Verschwiegenheit" des Sexualpartners. 2. Die kriminalistische Behandlung ist insofern einfach, als es sich hier u m einen selbständigen strafrechtlichen T a t b e s t a n d handelt, nicht um eine solche Geistes- u n d Seelenrichtung, die zu allerverschiedensten S t r a f t a t e n f ü h r t oder bei ihnen mitspielt. Der Sexualakt des Menschen mit dem Tiere wird b e s t r a f t , aber nur, wenn die H a n d lungen in „beischlafähnlicher" Form ausgef ü h r t werden (vgl. Leipz. Komm, zum S t G B , zu § 175; namentlich auch R G S t . 48, 234).
vorbestraft
26 18 45 54 43 45
3. Bei primitiven Völkern soll die Zoophilie größere Ausbreitung haben. Nach B r y k (Neger-Eros, Berlin und Köln 1928) ist dies zum Teil darauf z u r ü c k z u f ü h r e n , daß der Neger den Unterschied zwischen dem Menschen und einem in vielen physischen Dingen dem Menschen ähnlichen Tiere verwischt. Besonders bei den Suaheli ist die Sodomie s t a r k verbreitet. Aber sie wird mancherorts auch sehr schwer geahndet. Daß es sich u m uralte Phantasieen und Entgleisungen handelt, ergibt sich auch aus den Sagen ( E u r o p a und Leda [Zeus als Stier und als Schwan], Minotaurus, Poseidon) und aus den sagenhaften Gestalten der K e n t a u r e n , Meerjungfrauen usw. s.
Schrifttum: beim Art. Perversion; Einzelfälle zusammengestellt bei K r a f f t - E b i n g , vielfach nach Mitteilungen im Archiv f ü r Kriminologie. Alexander Elster.
Sonderpolizeien. I. A l l g e m e i n e s . W ä h r e n d die ordentlichen Polizeibehörden a l l g e m e i n f ü r d a s g e s a m t e S t a a t s g e b i e t mit der H a n d h a b u n g des polizeilichen Sicherheits- und Ordnungsdienstes schlechthin b e t r a u t sind,
Sonderpolizeien ist die Zuständigkeit der Sonderpolizeibehörden auf die W a h r n e h m u n g b e s o n d e r e r , z w e c k g e b u n d e n e r polizeilicher Interessen s a c h l i c h und auch r ä u m l i c h beschränkt. Beide Arten von Polizeibehörden sind aber gleichermaßen Träger der e i n e n , e i n h e i t l i c h e n Polizeigewalt und als solche im Bereich ihrer Zuständigkeit dem P u b l i k u m gegenüber mit den gleichen Machtvollkommenheiten ausgestattet. Die A m t s h a n d l u n g e n der Sonderpolizeib e a m t e n genießen den gleichen s t r a f r e c h t lichen Schutz wie die der ordentlichen Polizei. Es besteht auch keinerlei qualitativer Unterschied zwischen den ordentlichen Polizeib e a m t e n und den Beamten einer Sonderpolizei, wie er besteht zwischen diesen b e i d e n Arten von V o l l p o l i z e i b e a m t e n und den sog e n a n n t e n „ H i l f s p o l i z e i b e a m t e n " . Diese sind Personen, die unabhängig davon, ob sie ü b e r h a u p t Beamte sind, aus besonderem Anlaß oder f ü r besondere Zwecke zur hilfsweisen U n t e r s t ü t z u n g oder Ergänzung des planmäßigen Beamtenkörpers mit der W a h r n e h m u n g polizeilicher Aufgaben b e t r a u t w e r d e n ; sie leiten ihre Machtvollkommenheiten ab aus einem jederzeit widerruflichen A u f t r a g des ordentlichen Polizeiverwalters oder einer übergeordneten Polizeiverwaltungsdienststelle, während der Sonderpolizeibeamte ein f ü r alle Mal k r a f t seines Amtes die Polizeihoheit im R a h m e n der Sonderzuständigkeit seiner Sonderpolizeibehörde zu h a n d h a b e n befugt ist. Wenn das Verhältnis zwischen der ordentlichen Polizei und den einzelnen Sonderpolizeibehörden untersucht werden soll, dann m u ß von dem G r u n d s a t z d e r E i n h e i t lichkeit der staatlichen Polizeihoheit ausgegangen werden, der als zwingendes Gebot der Staatsnotwendigkeiten in Rechtsprechung und S c h r i f t t u m u n b e s t r i t t e n ist, gleichgültig, ob die Polizeigewalt durch s t a a t liche oder kommunale, durch ordentliche oder Sonderpolizeibehörden ausgeübt wird. Dieser Grundsatz zwingt zur Verneinung einer Koordination beider Arten von Polizeibehörden in dem Sinne, daß im Falle eines positiven Kompetenzstreites die Sonderpolizei mit gleich s t a r k e m Recht das Z u r ü c k t r e t e n der ordentlichen verlangen könnte wie umgekehrt. Das m u ß betont werden angesichts der Tatsache, daß einzelne Sonderpolizeien vielfach ausschließliche Zuständigkeit f ü r sich in Anspruch nehmen auch in solchen Fällen, in denen es sich nicht ausschließlich u m ihr besonderes Fachgebiet handelt, und daß sie auch in solchen Fällen Vorgeltung beanspruchen, in welchen in ihrem örtlichen Zuständigkeitsgebiet nur Interessen des ordentlichen Sicherheits- und Ordnungsdienstes ge-
629
f ä h r d e t sind. Eine solche Auffassung, die zu einer Art von Exterritorialität der r ä u m lichen Zuständigkeitsgebiete der Sonderpolizeibehörden f ü h r e n könnte, ist v o m S t a n d p u n k t des Schutzes der a l l g e m e i n e n öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus nicht t r a g b a r ; denn die V e r a n t w o r t u n g f ü r Sicherheit und Ordnung im g e s a m t e n S t a a t s g e b i e t kann t r o t z der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Sonderpolizeibeamten n u r getragen werden von einer einheitlich zusammengefaßten L a n d e s - u n d O r t s p o l i z e i . Deshalb m u ß sich die Verantwortlichkeit eines örtlichen Polizeiverwalters über das ganze Gebiet seiner örtlichen Zuständigkeit erstrecken und sie darf nicht dadurch erschwert werden, daß durch Herausschälung etwa des Bahngebietes oder des Gebiets des Bergbaus usw. sich in diesen Gebieten sonderpolizeiliche Verhältnisse entwickeln können, die polizeiwidrig deshalb wären, weil sie im Gegensatz zur H a n d h a b u n g des Polizeidienstes im geschlossenen Polizeiverwaltungsbezirk stünden. Die allgemeinen Interessen des S t a a t e s stehen über den engeren Interessen der Allgemeinheit, z. B. an geordnetem Eisenbahnbetrieb oder einem absolut unbehinderten Bergbau; und die allgemeine Sicherheit und Ordnung im Bahngebiet, im Gebiet des Bergbaus usw. ist nicht loszulösen von Sicherheit und O r d n u n g im gesamten, sie umschließenden Polizeiverwaltungsbezirk. Deshalb m u ß dem ordentlichen Polizeiverwalter grundsätzlich das Recht eingeräumt werden, seine ordentlichen Polizeik r ä f t e auch im Bereich der örtlichen Zuständigkeit der Sonderpolizeien einzusetzen, wenn die Sicherheit und Ordnung des gesamten Polizeiverwaltungsgebietes vom Übergreifen in die örtliche Zuständigkeit der Sonderpolizeien abhängig ist. Ausschließliche Zuständigkeit kann den Sonderpolizeien n u r dann und n u r insoweit z u e r k a n n t werden, als im Einzelfall eine zu bekämpfende Polizeiwidrigkeit rein sonderpolizeilicher Art ist u n d nicht gleichzeitig die allgemeine Sicherheit und Ordnung gefährdet. Sonderpolizeibehörden sind nach den bisherigen Ausführungen alle Polizeibehörden, welche außerhalb der ordentlichen Polizeibehörden besonders f ü r besondere Zwecke mit b e s o n d e r e r sachlich und örtlich b e schränkter Zuständigkeit organisiert sind, d. h. f ü r Preußen alle Polizeibehörden, welche nicht Landes-, Kreis- und Ortspolizeibehörden sind. Das w e s e n t l i c h e M e r k m a l aller Sonderpolizeien ist also die ihrem Sonderzweck entsprechende „ s a c h l i c h - f a c h liche und örtliche B e s c h r ä n k u n g " . Diese Zuständigkeitsbeschränkung darf nicht verwechselt werden mit der S p e z i a l i -
630
Sonderpolizeien
s i e r u n g u n d der örtlichen Verteilung d e r G e s c h ä f t e im Bereich der o r d e n t l i c h e n Polizeiv e r w a l t u n g , u n t e r ihre organischen E i n h e i t e n oder ihre einzelnen D i e n s t s t e l l e n : d e n n die s t a a t l i c h e sowohl als a u c h die k o m m u n a l e Verwaltungspolizei — die u n i f o r m i e r t e sowohl als a u c h die n i c h t u n i f o r m i e r t e E x e k u t i v e — schließlich alle organischen U n t e r g r u p p e n der o r d e n t l i c h e n P o l i z e i v e r w a l t u n g , welche sich in die B e a r b e i t u n g aller v o m allgemeinen P o l i z e i a u f t r a g e r f a ß t e n polizeilichen Lebensgebiete teilen, bleiben i m m e r n u r O r g a n e der e i n e n „ o r d e n t l i c h e n " P o l i z e i v e r w a l t u n g , deren Gesamtzuständigkeit a l l u m f a s s e n d ist. Im Gegensatz d a z u sind u n d bleiben die Sonderpolizeien, die j a a u c h in sich örtlich u n d sachlich u n t e r g e g l i e d e r t sein k ö n n e n , a u c h in ihrer G e s a m t z u s t ä n d i g k e i t b e s c h r ä n k t auf die E r f ü l l u n g ihres polizeilichen S o n d e r z w e c k s . Insoweit die o r d e n t l i c h e n Polizeibehörden m i t sonderpolizeilichen A u f g a b e n b e t r a u t w e r d e n , sind sie n i c h t o h n e weiteres gleichzeitig S o n d e r p o l i z e i b e h ö r d e n , das ist n u r d a n n der Fall, w e n n sie gleichzeitig als organische Glieder in eine Sonderpolizei eingeschaltet werden. Schrifttum: I . : K a r l F r i e d r i c h s , Polizeiverwaltungsgesetz v o m 1. V I . 1931, Berlin 1932. — Drews-Lassar-Brecht-Falk, Allgemeine u n d politische Polizei, Berlin 1932. I I . E i n e e r s c h ö p f e n d e D a r s t e l l u n g der einzelnen Sonderpolizeien der L ä n d e r ist im engen R a h m e n dieses A u f s a t z e s n i c h t möglich. Ich m u ß mich auf die w i c h t i g s t e n bes c h r ä n k e n , wie sie im g r ö ß t e n d e u t s c h e n L a n d e P r e u ß e n n e b e n der allgemeinen Polizei wirken. A. B a h n p o l i z e i . Die O r g a n i s a t i o n u n d die A u f g a b e n d e r Bahnpolizei ergeben sich aus der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (B.O). N a c h deren § 74 sind 15 G r u p p e n v o n E i s e n b a h n b e t r i e b s b e a m t e n in ihrer Eigens c h a f t als solche E i s e n b a h n p o l i z e i b e a m t e . Die seit einigen J a h r e n m i t reinem O r d n u n g s u n d Sicherheitsdienst b e f a ß t e n insbesondere d e m B a h n s c h u t z (also d e m S c h u t z der ges a m t e n B a h n a n l a g e n v o r Beschädigung) gew i d m e t e n u n d als „ E i s e n b a h n p o l i z e i b e a m t e " uniformierten B e a m t e n des sogenannten „ S t r e i f d i e n s t e s " sind in der A u f z ä h l u n g des § 74 in V e r b i n d u n g m i t § 4 5 n i c h t e n t h a l t e n , doch k a n n m a n sie als f ü r den Streifendienst (s. d.) z u s a m m e n g e s t e l l t e B e a m t e des Pförtner-, Bahnsteigschaffner- und Wächterdienstes (§ 74 Ziffer 12—14 BO.) u n b e denklich als g e s e t z l i c h b e s t e l l t e Eisenbahnpolizeibeamte anerkennen.
Nicht zu d e n B a h n p o l i z e i b e a m t e n gehören diejenigen E i s e n b a h n b e a m t e n , welche in den „ E i s e n b a h n ü b e r w a c h u n g s s t e l l e n " kriminalpolizeiliche T ä t i g k e i t a u s ü b e n . Diese B e a m t e n sind nicht wie die E i s e n b a h n polizeibeamten k r a f t Gesetzes P o l i z e i b e a m t e . Sie w e r d e n es v i e l m e h r erst d u r c h f ö r m l i c h e Bestellung zu H i l f s p o l i z e i b e a m t e n . Diese Bestellung m a c h t sie a u t o m a t i s c h zu Hilfsb e a m t e n der S t a a t s a n w a l t s c h a f t . Als solche h a n d h a b e n sie die Gerichtliche Polizei in gleicher Weise u n d mit denselben Strafprozeßrechtlichen und verwaltungsrechtlichen M a c h t b e f u g n i s s e n , wie die o r d e n t l i c h e n Krim i n a l b e a m t e n , m i t der M a ß g a b e , d a ß ihre T ä t i g k e i t sich örtlich u n d sachlich b e s c h r ä n k t auf das B a h n g e b i e t u n d Delikte, die m i t d e m B a h n b e t r i e b in u n m i t t e l b a r e m Z u s a m m e n h a n g s t e h e n . Die S t a a t s a n w a l t s c h a f t ist n i c h t b e f u g t , sie als ihre H i l f s b e a m t e n beliebig a u c h f ü r anderweitige E r m i t t l u n g e n a n Stelle v o n o r d e n t l i c h e n K r i m i n a l b e a m t e n einzusetzen. Die Z u s t ä n d i g k e i t der B a h n p o l i z e i b e a m t e n ist örtlich u n d sachlich b e s c h r ä n k t (§ 75 BO.). Ihr A m t s b e r e i c h u m f a ß t ö r t l i c h — ohne R ü c k s i c h t auf ihren W o h n o r t u n d D i e n s t bezirk — das g e s a m t e Gebiet der B a h n anlagen (ihrer B a h n v e r w a l t u n g e n ) . Dazu g e h ö r t nicht aller G r u n d b e s i t z der B a h n v e r w a l t u n g e n , B a h n a n l a g e n sind v i e l m e h r n a c h § 6 BO. n u r die „ z u m B a u u n d z u m B e t r i e b einer B a h n erforderlichen A n l a g e n " , also a u c h n u r der m i t solchen belegte G r u n d b e s i t z . Die F r a g e der Z u s t ä n d i g k e i t auf den b a h n e i g e n e n B a h n h o f s v o r p l ä t z e n w a r lange streitig, bis in 17 V I I der N e u f a s s u n g der BO. v o m 1928 1. A. d u r c h Abs. 7 des § 78 hier a u s d r ü c k l i c h der o r d e n t l i c h e n Polizei der V o r r a n g v o r der Bahnpolizei zugesprochen w u r d e . S a c h l i c h ist die Z u s t ä n d i g k e i t der B a h n p o l i z e i b e a m t e n b e s c h r ä n k t auf diejenigen M a ß n a h m e n , die zur „ H a n d h a b u n g der f ü r den Eisenbahnbetrieb und -verkehr geltenden P o l i z e i v e r o r d n u n g e n erforderlich s i n d " (§ 75 BO.). Dazu g e h ö r t , abgesehen v o n all d e n jenigen polizeilichen M a ß n a h m e n , welche eine genaue Kenntnis bahntechnischer Vors c h r i f t e n u n d des B a h n d i e n s t e s v o r a u s s e t z e n , z. B. R a n g i e r e n auf W e g e k r e u z u n g e n , H a n d h a b u n g der S c h r a n k e n , F r e i h a l t u n g der B a h n s t r e c k e n von Hindernissen, insbesondere auch die Regelung des V e r k e h r s u n d die Überw a c h u n g der O r d n u n g i n n e r h a l b d e r B a h n anlagen. Die ordentliche Polizei h a t sich ( a b gesehen von d e r b e s o n d e r e n Regelung f ü r die b a h n e i g e n e n B a h n h o f s v o r p l ä t z e ) in diesen O r d n u n g s - u n d S i c h e r h e i t s d i e n s t , d. h. so lange S t ö r u n g e n h a u p t s ä c h l i c h b a h n b e t r i e b liche Interessen schädigen k ö n n e n , n o r m a l e r weise n i c h t e i n z u m i s c h e n , es sei d e n n z u m
Sonderpolizeien Zweck d e r in § 76 der BO. vorgeschriebenen U n t e r s t ü t z u n g der B a h n p o l i z e i b e a m t e n , oder in Fällen, in denen eine Ü b e r n a h m e des Sicherheits- u n d O r d n u n g s d i e n s t e s a u c h im B a h n g e b i e t a u s b e s o n d e r e m A n l a ß im R a h m e n des allgemeinen Sicherheits- u n d Ordn u n g s d i e n s t e s n o t w e n d i g wird. Während gewerbliche Betriebe (wie Bahnhofswirtschaften, Zigarrenverkaufsstände u. dgl.), w e n n sie i n n e r h a l b der B a h n s p e r r e liegen, als m i t d e m E i s e n b a h n b e t r i e b u n m i t t e l b a r v e r b u n d e n d e m E i n f l u ß der Gew e r b e - u n d Ordnungspolizei entzogen sind, k a n n d a s nicht a u c h f ü r solche Betriebe gleicher A r t gelten, die a u ß e r h a l b der Sperre liegend a u c h d e m nicht reisenden P u b l i k u m zugänglich sind. Doch sind z u r Zeit auf G r u n d v o n besonderen V e r e i n b a r u n g e n d e r Reichsbahngesellschaft mit Innenministerien der L ä n d e r die Ortspolizeien angewiesen, sich z u r ü c k z u h a l t e n . D a r a u s ergibt sich eine gewisse Privilegierung der im B a h n b e t r i e b s gelände ansässigen G e w e r b e t r e i b e n d e n . N a c h § 82 BO. sind Z u w i d e r h a n d l u n g e n gegen die V o r s c h r i f t e n ü b e r das B e t r e t e n d e r B a h n a n l a g e n , d a s Ü b e r s c h r e i t e n der B a h n , über Bahnbeschädigungen, Betriebsstörungen u n d das V e r h a l t e n der Reisenden (§§ 78—81) s t r a f b a r . Z u s t ä n d i g f ü r den E r l a ß v o n S t r a f v e r f ü g u n g e n sind die m i t der V e r w a l t u n g der Bahnpolizei b e a u f t r a g t e n V o r s t ä n d e d e r B e triebsämter. Ein selbständiges Polizeiverordnungsr e c h t h a b e n die m i t der Bahnpolizeiverwalt u n g b e a u f t r a g t e n Dienststellen nicht. N a c h A r t . 91 der RVerf. e r l ä ß t die Reichsregierung m i t Z u s t i m m u n g des R e i c h s r a t s die V e r o r d n u n g e n , die den Bau, den Betrieb u n d den V e r k e h r der E i s e n b a h n e n regeln. Eine Deleg a t i o n ist n u r an den R e i c h s v e r k e h r s m i n i s t e r zulässig, nicht a b e r a n Dienststellen der B a h n gesellschaft. Die Bahnpolizei ist n a c h A u f b a u u n d Zweck eine reine Betriebspolizei. E s h a n d e l t sich d a r u m , d a ß die d u r c h die BO. k r a f t Gesetzes zu E i s e n b a h n p o l i z e i b e a m t e n bestellten B e t r i e b s b e a m t e n m i t polizeilicher M a c h t v o l l k o m m e n h e i t a u s g e s t a t t e t sind, u m sich so im B a h n b e t r i e b u n d f ü r denselben n a c h h a l t i g e r gegen S t ö r u n g e n d u r c h d a s P u b l i k u m d u r c h s e t z e n zu k ö n n e n . Dem gleichen Zweck dient die S t r a f g e w a l t der Betriebsämter. Schrifttum: II. A . : F r i t s c h , Das D e u t s c h e E i s e n b a h n r e c h t , Berlin 1927. — B e s s e r , K o m m e n t a r zur E i s e n b a h n b a u - u n d Betriebso r d n u n g v o m 17. V I I . 1928, Berlin 1928. B. B e r g p o l i z e i . S a c h l i c h e Aufgabe der Bergpolizei ist nach § 196 des P r . B e r g G . v o m 24. V I . 1865 die A u f s i c h t ü b e r die Sicher-
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heit der Baue, die Sicherheit des Lebens u n d der G e s u n d h e i t der A r b e i t e r , den S c h u t z der O b e r f l ä c h e im Interesse der persönlichen Sicherheit u n d des öffentlichen Verkehrs, sowie den S c h u t z gegen g e m e i n s c h ä d i g e n d e Einwirkungen des B e r g b a u s (Berggesetz § 196) u n d die A u f r e c h t e r h a l t u n g der g u t e n S i t t e n u n d des A n s t a n d s d u r c h die E i n r i c h t u n g e n des Betriebes ( A b ä n d e r u n g s G . v o m 24. V I . 1892). A u c h die S c h u r f p o l i z e i g e h ö r t n a c h p r e u ß i s c h e m R e c h t zur Bergpolizei ( A b ä n d e r u n g s G . v o m 18. VI. 1907). Die bergpolizeiliche A u f s i c h t e r s t r e c k t sich örtlich ü b e r den eigentlichen B e r g b a u hinaus auf die dazu gehörigen N e b e n a r b e i t e n , wie die Ausf ü h r u n g der erforderlichen Anlagen u n d B a u t e n , f e r n e r auf die b e r g b a u l i c h e n N e b e n betriebe, die A u f b e r e i t u n g s a n l a g e n , K o k e reien, B r i k e t t f a b r i k e n , die D a m p f k e s s e l u n d T r i e b w e r k e u n d die Anlage v o n G r u b e n a n s c h l u ß b a h n e n u n d Salinen. D a s b e d e u t e t , d a ß z u m B e r g b a u a l l e A n l a g e n gehören, die zu Betriebszwecken bis einschließlich des Absatzes des Verliehenen Minerals erforderlich sind. Zeitschr. f. B e r g r e c h t 46, 126. Nicht d a z u gehören die „ G e w e r b s a n l a g e n , wie T e e r d e s t i lationen, A m m o n i a k f a b r i k e n u n d ä h n l i c h e Betriebe, in welchen die in den Z e c h e n k o k e reien g e w o n n e n e n N e b e n p r o d u k t e c h e m i s c h (nicht m e c h a n i s c h ) v e r a r b e i t e t w e r d e n . Sie u n t e r s t e h e n der G e w e r b e a u f s i c h t — das Gleiche gilt f ü r die mit Bergwerken v e r b u n denen H ü t t e n - , Walz- u n d R i n g o f e n w e r k e . Die Bergpolizei wird g e h a n d h a b t v o n d e r B e r g b e h ö r d e . Die ö r t l i c h e B e r g b e h ö r d e ist das B e r g r e v i e r . B e r g r e v i e r b e a m t e r ist der „ E r s t e B e r g r a t " , als erste I n s t a n z ; sie sind E i n z e l b e a m t e n m i t b ü r o k r a t i s c h e r Behörde. Die O b e r b e r g ä m t e r sind Kollegialb e h ö r d e n m i t d e m B e r g h a u p t m a n n an der Spitze. F a c h m i n i s t e r d e r Minister f ü r W i r t s c h a f t u n d Arbeit. Die B e r g b e h ö r d e n leiten ihr Polizeiverordn u n g s r e c h t , das R e c h t zu polizeilichen Verfügungen und Anordnungen ab aus dem A B G . §§ 197, 198, 199 usw., f ü r die e r s t e r e n sind n u r die O b e r b e r g ä m t e r z u s t ä n d i g . Bergpolizeiliche A n o r d n u n g e n k ö n n e n bei d r i n g e n d e r G e f a h r a u c h die Bergreviere t r e f f e n . Als Z w a n g s m i t t e l s t e h e n den B e r g b e h ö r d e n n e b e n der Möglichkeit, gerichtliche B e s t r a f u n g wegen Vergehens oder Ü b e r t r e t u n g bergpolizeilicher V o r s c h r i f t e n h e r b e i z u f ü h r e n , das R e c h t zu Gebote, bei S ä u m n i s des Bergwerksbesitzers die A u s f ü h r u n g d e r a n g e o r d n e t e n M a ß n a h m e n auf dessen K o s t e n v o r z u n e h m e n (§ 202 A B G . ) . Sie k ö n n e n f e r n e r in bes t i m m t e n Fällen, n a m e n t l i c h der §§70 u n d 75 A B G . , den B e t r i e b so weit wie erforderlich o h n e weiteres einstellen. A u ß e r d e m h a b e n
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Sonderpolizeien
die Oberbergämter das Recht, mit Zwangsstrafbefehlen bis zu 1000 RM. Geldstrafe die D u r c h f ü h r u n g ihrer Anordnungen zu erzwingen. Da die allgemeinen Aufgaben der Bergpolizei im wesentlichen rein bergfachlicher Art sind, sind Kompetenzkonflikte allenfalls möglich, insoweit es sich u m den Schutz der Oberfläche im Interesse der Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs handelt. Insoweit dem öffentlichen Verkehr gewidmete Wege durch das Bergwerksgebiet f ü h r e n , kann die Zuständigkeit der Verkehrs- und Wegepolizei nicht in Zweifel gezogen werden, im übrigen h a t die ordentliche Polizei Vorgeltung, wenn die allgemeine Sicherheit des Polizeiverwaltungsbezirks das verlangt. Abgesehen von ihren bergpolizeilichen Aufgaben f ü h r e n die B e r g r e v i e r b e a m t e n auch die Aufsicht über die A u s f ü h r u n g der f ü r die Bergwerke geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung sowie der im Berggesetz enthaltenen Arbeiterschutzbestimmungen, insoweit sind sie ordentliche Polizeibehörden. Schrifttum: B.: W. S c h l ü t e r , Preußisches Bergrecht, Essen 1928. — Ausführliche Angaben über die Literatur insbesondere auch die außerpreußische Gesetzgebung und die regionalen Polizeiverordnungen e n t h ä l t das „Büchereiverzeichnis des Vereins f ü r Bergbauliche Interessen im Oberbergamtsbezirk D o r t m u n d " , Berlin 1905, 1908 und die dazu erschienenen Zugangsverzeichnisse. C. F i n a n z r e c h t l i c h e S o n d e r p o l i z e i . Im § 202 RAbgO. ist den F i n a n z ä m t e r n das Recht eingeräumt, ihre Anordnungen, die sie innerhalb ihrer gesetzlichen Befugn i s s e im B e s t e u e r u n g s v e r f a h r e n t r e f f e n , durch Geldstrafen, unmittelbaren Zwang oder durch A u s f ü h r u n g auf Kosten der Pflichtigen zu erzwingen. — § 196 RAbgO. gibt ihnen das Recht der „ N a c h s c h a u " bei Unternehmern und in solchen U n t e r n e h m u n g e n , die entweder einer Steuer oder Steueraufsicht unterliegen oder bei denen nach ihrem Ermessen eine Steuerpflicht in Betracht k o m m t . Ferner in Gebäuden, befriedeten Besitzt ü m e r n und Schiffen, sofern der dringende Verdacht besteht, daß sich darin Schmuggler oder Schmuggelwaren befinden. Zweck der Nachschau ist, abgesehen von der Erfassung des Schmuggels, die P r ü f u n g , ob das gesamte Geschäftsgebaren des Betroffenen den Vorschriften der einschlagenden Steuergesetze entspricht. Nach § 19 des Vereinszoll G. vom 1. VI. 1869 wird die Aufsicht über den Warenein- und -ausgang längs der Zollgrenze und im Grenzbezirke durch eine uniformierte und bewaffnete Grenzwache geübt, deren
Zuständigkeit im allgemeinen beschränkt ist auf den Grenzbezirk. Die sich f ü r die Finanzbehörden und die einschlägigen Beamten aus diesen Vorschriften ergebenden Befugnisse kann man unbedenklich als Befugnisse sonderpolizeilicher N a t u r auffassen, ist doch die fiskalische Sicherheit und Ordnung, deren Sicherung sie dienen sollen, ebenso notwendig Lebensbedingung f ü r Reich und Länder wie das, was m a n landläufig u n t e r „allgemeine Sicherheit und O r d n u n g " versteht, und insofern haben wir es auch hier mit einer Sonderpolizei zu t u n . Die Finanzbehörden haben auf Grund der a n g e f ü h r t e n P a r a g r a p h e n der Reichsabgabenordnung 1. das Recht zum Erlaß sogenannter „ F i n a n z b e f e h l e " , die als Gegenstücke zu den polizeilichen Verfügungen dem P u b l i k u m gegenüber gleiche W i r k u n g haben wie diese, 2. das Recht zum Einsatz einer besonderen Exekutive. Dazu gehören neben den B e a m t e n der Grenzwache diejenigen des „ S t e u e r außendienstes" und des „Zollfahndungsdienstes". Diese werden von der Reichsfinanzverwaltung als solche e r n a n n t und werden auf Grund dieser E r n e n n u n g gemäß gemeinschaftlicher VO. des preuß. JMin., des preuß. Min. d. I. und des RFinMin. vom 26. X I . 1924 f ü r die Dauer ihres Amtes und f ü r dessen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich zu preuß. Hilfspolizeibeamten und zu Hilfsbeamten der Staatsa n w a l t s c h a f t bestellt ( R F i n B l . S. 145 nebst Ausf.Best.). Diese beiden B e a m t e n g r u p p e n sind, abgesehen von ihren „sonderpolizeilichen" Aufgaben auf dem Gebiet der Finanzv e r w a l t u n g auch berufen, bei der finanzrechtlichen Strafverfolgung mitzuwirken, und sie spielen im R a h m e n des zoll- und steuerrechtlichen S t r a f r e c h t s die gleiche Rolle wie die Kriminalbeamten der allgemeinen Polizeiverwaltung, die übrigens durch verschiedene Vorschriften angewiesen sind, die E x e k u t i v e der Finanzbehörden zu u n t e r s t ü t z e n : Hierher gehört der § 20 Vereinszollgesetzes, wonach „alle anderen . . . namentlich die Polizeibeamten verpflichtet sind, d i e Grenzw a c h e z u u n t e r s t ü t z e n und Zolldelikte, die sie bei der Ausübung ihres Dienstes erkennen, anzuzeigen; ferner § 389 Abs. 2 RAbgO., wonach die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes verpflichtet sind, die Ermittlungen anzustellen, welche die F i n a n z ä m t e r verlangen (vgl. § 161 R S t P O . ) und schließlich § 392, der im W o r t laut übereinstimmend mit § 163 S t P O . den Behörden und B e a m t e n des Polizei- und Sicherheitsdienstes die Pflicht auch zur strafverfolgenden Initiative und die Anzeigepflicht bei Steuerdelikten auferlegt. Hieraus ergibt
Die Strafprozeßordnung für das Dentsche Reich vom 22. März 1924 nebst dem Gerichtsverfassungsgesetz und den Gesetzen vom 24. November und 6. Dezember 1933. Kommentar von E. L ö w e , A. H e l l w e g und W. R o s e n b e r g . N e u n z e h n t e , völlig umgearbeitete A u f l a g e von H a n s G ü n d e l , Senatspräsident am Reichsgericht, Dr. jur. h. c. F r i t z H ä r t u n g , Reichsgerichtsrat, H e i n r i c h L i n g e m a n n , Oberstaatsanwalt, E m i l N i e t h a m m e r , Reichsgerichtsrat. Lexikon-Oktav. X I I , 1544 Seiten. 1934. In Halbleder geb. RM. 63.— „. . . das rühmlich bekannte Erläuterungsbuch, das zum u n e n t b e h r l i c h e n Rüstzeug jedes Strafrechtspraktikers gehört . . . Daß das Werk dem neuesten Stand der Rechtsprechung und Wissenschaft entspricht, bedarf kaum der Hervorhebung. Darüber hinaus ist aber an vielen Stellen die bessernde Hand zu spüren, insbesondere sind vornehmlich die Abschnitte, in denen viel gebrauchte Vorschriften erörtert sind, völlig umgestaltet worden. Das Werk wird seinen bisherigen hohen Rang in verstärktem Maße behaupten." Preußische Justiz
Ebermayer^Lobe^Rosenberg
Reichsstrafgesetzbuch nach seinen Abänderungen durch die neueste Gesetzgebung. Leipziger Kommentar. F ü n f t e , v e r m e h r t e und v e r b e s s e r t e A u f l a g e . B a n d l : A l l g e m e i n e r T e i l nebst systematischer Einführung von Dr. A d o l f L o b e , Senatspräsident am Reichsgericht i. R. Oktober 1933 mit Nachtrag 1934. Lexikon-Oktav. 472 u. 28 Seiten. 1933. Geb. RM. 21.80 „Der Kommentar liegt nunmehr schon in 5. Aufl. vor, ein schöner und wohlverdienter Erfolg, der in diesem Umfang einem großen strafrechtlichen Erläuterungswerk noch nicht beschieden war. Die Vorzüge, die dem Werk zu diesem Erfolg verhalfen, sind auch in der Neubearbeitung erhalten geblieben: die straffe Gliederung und Zusammenfassung des Stoffes, die bei aller Reichhaltigkeit des Gebotenen verhindert, daß die rasche Orientierungsmöglichkeit verloren geht und der Benutzer in einem Meer von Kasuistik ertrinkt. Mehr zum Lobe des Werkes zu sagen, wäre überflüssig . . Deutsche Justiz
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