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German Pages 54 [108] Year 1934
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ßci minoIogic und der anderen |}rofrcd)tlid)cn ^ilfaroilfenfcfjaften unter i n i t b e r a t u n g oon ^ u f t i j r a t D t . D r u t f e r , i e i p j i g / Profeflor D t . ©taf © l e i 8 p o d ) , Wien / ©eneralftaataanroaU Dr. § a f n e r , fiarletulje / ©bctpcrroaltung00cri a g e m a n n , ö e r H n / Ucid)0geri der kriminalistischen Hilfswissenschaften. B. Mitarbeit der vom Ministerium des Innern einheitlich f ü r ganz Preußen herausgegebenen kriminalpolizeilichen Vordrucke und Dienstanweisungen. C. Mitarbeit auf dem Gebiete der Kriminalpolitik.
V. P o l i z e i w i r t s c h a f t (ausgenommen Schutzpolizei). II. F r e m d e P o l i z e i e n . 1. Allgemeine Wirtschaftsfragen f ü r die Die Abteilung Fremde Polizeien und die Polizei. bei dieser beschäftigten Polizeioffiziere werden 2. Mitbearbeitung von Dienstvorschriften dem M. d. I. unterstellt. Räumlich verbleiben f ü r die Verwaltungspolizei.
Polizeiinstitut VI. L e h r t ä t i g k e i t . 1. K r i m i n a l p o l i z e i . a) Prüfungslehrgänge f ü r Kriminalkommissaranwärter, b) Prüfungslehrgänge f ü r Kriminalbezirkssekretäranwärter, c) Prüfungslehrgänge f ü r Kriminalassistentenanwärter, d) Fortbildungskurse, e) Sonderlehrgänge. 2. V e r w a l t u n g s p o l i z e i . a) Prüfungslehrgänge f ü r obere Polizeiverwaltungsbeamte, b) Weiterbildungslehrgänge für obere Polizeiverwaltungsbeamte, c) Sonderlehrgänge f ü r Spezialisten. 3. A l l g e m e i n . a) Lehrgänge f ü r Berufspsychologie und Pädagogik der Kriminal- und Verwaltungspolizei, b) Einweisungslehrgänge f ü r Prüfer der Kriminal- und Verwaltungspolizei, c) Informationslehrgänge f ü r Richter und Staatsanwälte.
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prozeßrecht des Auslandes und die Arbeitsmethodik ausländischer Kriminalpolizeien verblieben. Polizeikreise der ganzen Welt haben dem Polizeiinstitut das wissenswerte Material laufend übersandt und sind durch Besuche beim Polizeiinstitut in einen gegenseitig befruchtenden Meinungsaustausch getreten. Es besteht eine Sammlung von Material über die kriminalistischen Institute im Auslande mit dem Ziel, der Kriminalpolizei schnellstens alle Neuerungen, die der Bekämpfung der Verbrecherwelt dienen, und alle neuen Kniffe und Praktiken der Verbrecher zu vermitteln. Die Frage der Einrichtung einer kriminalbiologischen Erhebungsstation wird zur Zeit geprüft, um in Preußen der Kriminalbiologie (s. d. Art. Kriminalbiologie) die ihr zukommende Stellung in der kriminalistischen Ermittlungsarbeit zu sichern. Umfangreiche Arbeiten zur Klärung der Frage der Feststellbarkeit der Abstammung durch Fingerabdrücke und der Beurteilung der Physiognomik des Verbrechers sind aufgenommen. Es fehlte auch VII. S c h a f f u n g v o n L e h r m i t t e l n . bisher eine systematische und erschöpfende 1. Musterlehrmittelsammlung f ü r Krimi- Behandlung der Kriminaltaktik. Um hier nal- und Verwaltungspolizei. 2. Beurteilung von Lehrbüchern f ü r die weiter zu kommen, ist die Auswertung von lehrreichen Kriminalfällen und ihre VerKriminal- und Verwaltungspolizei. 3. Mitarbeit bei Lehrplänen der Kriminal- öffentlichung in der Schriftenreihe geplant. und Verwaltungspolizei. 4. Begutachtung von Lehrmitteln der Die Probleme der Kriminalpsychologie, Kriminal- und Verwaltungspolizei. im besonderen der Aussagepsychologie, sind Nach diesen Richtlinien ist das Polizei- im Polizeiinstitut eingehend untersucht und institut die fachwissenschaftliche Zentrale f ü r haben seit einiger Zeit zu Versuchen zur Festdie preußische Kriminal-, Politische und haltung von Vernehmungen auf Schallplatten Verwaltungspolizei. Die Angelegenheiten der geführt. Die Versuche im Polizeiinstitut preußischen Schutzpolizei werden von der können als abgeschlossen gelten und der Einf ü h r u n g des mechanischen Protokolls zur höheren Polizeischule in Eiche betreut. 2. Die Arbeit des Polizeiinstituts gilt auch Festhaltung von Verhören stehen technische der Schaffung guter Lehrbücher f ü r den Fach- Schwierigkeiten nicht mehr entgegen. Im unterricht und überhaupt der Verbesserung Zusammenhang hiermit stehen die Arbeiten der einschlägigen Lehrmittel. Neben der zur Entwicklung einer modernen Vernehlaufenden Begutachtung der auf dem Bücher- mungstaktik und -technik. Auch den übrigen markt erscheinenden polzeilichen Lehrmittel Problemen der Kriminologie widmet das gibt das Polizeiinstitut eine Schriftenreihe Polizeiinstitut besondere Aufmerksamkeit, so über Einzelfragen heraus. Im Polizeiinstitut sind vielversprechende Vorarbeiten auf dem befindet sich eine Musterlehrmittelsammlung, Gebiete der Kriminalsoziologie in die Wege deren einzelne Gebiete bereits sehr reich- geleitet (s. den Art. Kriminalsoziologie). haltig sind, so die Abteilungen Kriminalistik Auf die beim Polizeiinstitut eingerichtete und Wirtschaftsverwaltung. Die Einrichtung Literaturauskunftsstelie sei noch besonders hat den Zweck, in vorbildlicher Weise solches hingewiesen. Anschauungsmaterial zusammenzustellen, das 3. Auf Veranlassung des M. d. I. h a t f ü r die Polizeiausbildung geeignet ist. Das das P. I. in jahrelanger Arbeit ein neues Polizeiinstitut ist durch einen Erlaß des V e r f a h r e n z u r F e s t s t e l l u n g d e r Ministeriums des Innern angewiesen, den g e i s t i g e n B e r u f s e i g n u n g f ü r d e n K r i Polizeischulen und örtlichen Polizeiver- m i n a l p o l i z e i d i e n s t entwickelt. Dieses waltungen bei der Einrichtung ihrer örtlichen Verfahren ist nunmehr f ü r ganz Preußen einLehrmittelsammlungen mit Rat und T a t zu geführt. Früher wurde bekanntlich neben der helfen. Aus dem Gebiet der fremden Polizeien körperlichen Eignung die Berufstauglichkeit ist dem Polizeiinstitut nach der Neugliede- in geistiger Hinsicht lediglich durch die Festrung nur das materielle Strafrecht und Straf- stellung der Allgemeinbildung der Bewerber
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geprüft. Es leuchtet ein, daß diese Feststellung des Schulwissens keine Gewähr dafür bietet, daß der Bewerber auch wirklich in geistiger Hinsicht den Anforderungen des Kriminalberufes gewachsen ist, unterbleibt doch dabei insbesondere eine Wertung der charakterlichen Seite der Persönlichkeit (Antriebe des Handelns, Willensstärke usw.), und gerade die charakterliche Seite ist für die Kriminalpolizeiberufseignung fraglos von besonderer Bedeutung. Dementsprechend hat das Polizeiinstitut die gesamte Persönlichkeit der Bewerber derart in den Bereich der Untersuchung einbezogen, daß das Verfahren eine zuverlässige Voraussage über die Berufstauglichkeit der Bewerber gestattet. Ausdrücklich sei festgestellt, daß die Prüfung f ü r geistige Eignung der Anwärter f ü r den Beruf der Kriminal- und Verwaltungsbeamten von der früher angewandten sogenannten psychotechnischen Eignungsprüfung grundsätzlich abweicht. Während früher charakter-seelische Eigenschaften fast gar nicht prüfmäßig festgestellt wurden, ist das neue Prüfverfahren ganz andere Wege gegangen. Es wird heute angestrebt, in der zwei Tage währenden Berufseignungsprüfung ein möglichst vielseitiges Bild des Anwärters zu gewinnen. Die Prüfung der Kriminalbeamtenanwärter erstreckt sich auch auf das richtige Zusammenarbeiten von Körper, Geist und Seele. Der Grad von Gewandheit, der Energieeinsatz bei starker körperlicher Inanspruchnahme und persönlicher Mut sollen erkannt werden. Die Prüfung ist berufsnahe gestaltet, d. h. alle Aufgaben und Arbeitsproben sind Vorgängen entnommen, die der tägliche Dienst eines Kriminalbeamten mit sich bringt. Die Aufgaben sind so gefaßt, daß aus der Art und Form der Lösung auch die charakterliche Einstellung des Bewerbers zu erkennen ist. Am Schluß der Prüfung vervollständigt eine Aussprache über Herkunft, Entwicklungsgang und Zukunftspläne des Prüflings das Bild, das aus der bisherigen Prüfung gewonnen ist. Ein eingehendes Gutachten der Prüfungskommission wird dem Ministerium des Innern vorgelegt. 4. Die nach den neuen Richtlinien vorgesehene Lehrtätigkeit des Polizeiinstituts soll dazu dienen, in Lehrgängen für die bezeichneten Beamtenkreise, insbesondere aber f ü r die Beamten der Kriminalpolizei die vorhandene Vorbildung zu ergänzen, die jeweils neuesten Erfahrungen weiterzugeben und auch die Dienstvorgesetzten als Lehrer und Erzieher zu schulen. Die Fachausbildung der Beamtenschaft sowohl in den Lehrgängen als auch in den Dienstorten kann nur in den Händen der Dienstvorgesetzten liegen und deren Erziehungsarbeit kann nur dann zweck-
mäßig und wirtschaftlich sein, wenn sie auf vernünftiger pädagogischer und psychologischer Grundlage "beruht. Zu diesem Zweck sind besonders Lehrgänge in Berufspsychologie und Pädagogik vorgesehen. Die Informationskurse f ü r Richter und Staatsanwälte dienen dem Zweck, diese mit den Arbeitsmethoden und Erfahrungen der Kriminalpolizei auf allen Gebieten der Verbrechensbekämpfung und rverübung bekannt zu machen. Der Wunsch aller Kriminalisten nach Schaffung einer zentralen Bildungsstätte f ü r alle Dienstgrade der Kriminalpolizei ist in dem Erlaß vom 22. VIII. 1933 über die Umbildung des Polizeiinstituts in Erfüllung gegangen. Es sind vorgesehen: sechsmonatige Lehrgänge für Kriminalkommissaranwärter, die mit der Prüfung zum Kriminalkommissar abschließen, Prüfungslehrgänge für Kriminal-Bezirks-Sekretär-Anwärter und f ü r Kriminal-Assistenten-Anwärter (s. d. Art. Ausbildung). Für die oberen Kriminalbeamten vom Kriminalkommissar aufwärts sind Fortbildungskurse eingesetzt, die auf Grund freiwilliger Meldung erfolgen und nicht mit einer Prüfung abschließen. Für Beamte der Mordkommission und anderer Spezialdienststellen sind Sonderlehrgänge vorgesehen. Endlich werden Einweisungslehrgänge für Prüfer der kriminalpolizeilichen Berufseignungsprüfung abgehalten. Zur Durchführung der oben erörterten Berufseignungsprüfung werden dafür besonders geeignete obere Kriminalbeamte ausgebildet. F.
Kleinschmidt.
Polizeiliche Strafverfügung. 1. Die polizeilichen Strafverfügungen sind in §§ 59—69 des PolVerwG. vom 1. VI. 1931 (GS. 77) neu geregelt worden. Die Kriminalpolizei hat auch die Vorbereitung derjenigen Straffälle, die sich durch polizeiliche Strafverfügung erledigen lassen Die Polizeibehörde darf selbst das Verfahren einstellen, wenn sie den Verdacht einer Übertretung als nicht dargetan erachtet ( S c h m i d t - E r n s t h a u s e n , Kriminalpolizei in S t i e r - S o m l o , Handbuch des kommunalen Verfassungsund Verwaltungsrechts in Preußen, 2, 1. Hauptteil, 170; D e r s e l b e , Reform des Strafprozesses 3, 2, 191). Insoweit liegt ihr demnach die Pflicht zur Einsendung der Akten an die Staatsanwaltschaft nicht ob. Aber auch in diesen Fällen darf sie keineswegs aus bloßen Nützlichkeitsgründen von einer weiteren Verfolgung Abstand nehmen. Vgl. auch RGSt. 28, 384; 12, 161. Nach § 79
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öffentliches Interesse an der Strafverfolgung wird im allgemeinen nur bestehen, wenn die Übertretung zweifellos vorsätzlich begangen ist oder wenn sie Folgen gehabt hat, die nicht nur in einer abstrakten Gefährdung bestehen. c) Sind die Voraussetzungen für den Erlaß einer polizeilichen Strafverfügung nach Vorstehendem nicht gegeben, so ist eine polizeiliche Verwarnung zu erteilen, sofern nicht gemäß § 33 PolVerwG. die Festsetzung von Zwangsgeld in Frage kommt. Es verwarnt mündlich jeder Exekutivbeamte an Ort und Stelle, es verwarnt mündlich oder schriftlich der Polizeiverwalter oder die von ihm beauftragte Stelle. Die Verwarnung hat den Umständen des Falles und der beteiligten Personen entsprechend sachgemäß und taktvoll zu erfolgen. Bei schriftlicher Verwarnung ist für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung Bestrafung in Aussicht zu stellen. Hinsichtlich Art und Form der Verwarnung soll der Praxis und den örtlichen Verhältnissen in weitgehendem Maße die Freiheit der E n t wicklung gelassen werden. Hinsichtlich der mündlichen Verwarnung durch den Polizeiverwalter oder die von ihm beauftragte Stelle ist besondere Vorsicht angebracht, damit nicht eine im Einzelfall für angezeigt erachtete Vorladung, die in die Arbeitszeit oder Freizeit des Übertreters fällt, ihn empfindlicher trifft als eine geringe polizeiliche Strafe. Die zwangsweise Durchführung der Vorladung ist unzulässig (§ 17 Pola) Eine polizeiliche Strafverfügung darf VerwG.). nur erlassen werden, wenn der zuständige d) Muß gestraft werden, so ist die Strafe Polizeiverwalter, sofern er die Übertretung nicht selbst beobachtet hat, in glaubwürdiger nach den besonderen Umständen der Tat und Weise, d. h. durch einen Polizeibeamten, oder den wirtschaftlichen Verhältnissen und der durch mindestens eine andere glaubwürdige Person des Täters festzusetzen. Es wird vielPerson, in Erfahrung gebracht hat, wer die fach übersehen, daß die nominell gleiche Übertretung begangen hat, und weiter, wo, zu Strafe den Armen und den Wohlhabenden welcher Zeit und unter welchen Umständen völlig verschieden trifft. Die wirtschaftlichen die Übertretung begangen ist. Bestehen Verhältnisse des Täters, die in der Regel geZweifel, so können Ermittlungen angestellt nügend bekannt sein werden, sind daher zu Übertretungen ohne vorwerden. Zeugenvernehmungen, durch welche berücksichtigen. Kosten entstehen, sind dabei zu unterlassen. herige Verwarnung sind in der Regel mit Die zwangsweise Durchführung der Vorladung geringen Strafen zu ahnden, erst im Wiederist unzulässig (vgl. § 17 Abs. 1 des PolVerwG.). holungsfalle wird im allgemeinen empfindEine Aussagepflicht der Zeugen oder Be- licher zu strafen sein. Bei Jugendlichen ist schuldigten besteht nicht. Zur eidlichen Ver- zu prüfen, ob nicht an Stelle einer Bestrafung nehmung von Zeugen ist die Polizeibehörde Erziehungsmaßnahmen genügen. nicht befugt. 3. Die Feststellung einer Strafe durch die b) Hinsichtlich der Frage, wann gestraft Polizeibehörden findet nach § 60 PolVerwG. werden soll, bestimmt der § 2 Abs. 1 des nicht statt bei Übertretungen der Vorschriften 6. Teils Kap. I der 3. VO. des Reichs- über die Erhebung öffentlicher Abgaben oder präsidenten zur Sicherung von Wirtschaft Gefälle und bei Übertretungen bergpolizeiund Finanzen und zur Bekämpfung poli- licher Vorschriften, weil hier eine andertischer Ausschreitungen vom 6. X . 1931 weitige Regelung vorgesehen ist. Bei berg( R G B l . I 537), daß Übertretungen nur ver- polizeilichen Vorschriften ist eine besondere folgt werden, wenn die Strafverfolgung im landesgesetzliche Regelung gegeben. Die poliöffentlichen Interesse liegt. Ein derartiges zeiliche Strafverfügung ist dem Beschuldigten
Abs. 2 zu 1) PolVerwG. vom 1. V I . 1931 ist das G. betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen vom 23. IV. 1883 ( G S . 65)/21. V. 1923 ( G S . 271) aufgehoben worden. Das geltende Recht hat nunmehr folgende Gestalt. 2. Die Polizeibehörden können wegen der in ihren Bezirken verübten, unter ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Übertretungen die Strafe durch polizeiliche Strafverfügungen festsetzen sowie eine etwa verwirkte Einziehung verhängen. In leichteren Fällen erscheint es geboten, entsprechend dem Sinne der Bestimmungen der §§ 153, 154 StPO. nicht gleich mit Strafen vorzugehen, sondern Verfügungen und Verwarnungen zu erlassen. Die Gedanken des Erlasses des Min. d. I. vom 28. X I I . 1928 ( I I D 928) finden auch hier ihre Stätte. Eine zu verhängende Haftstrafe darf die Dauer von 14 Tagen nicht übersteigen. Gegen Militärpersonen und Jugendliche unter 18 Jahren findet die Festsetzung einer Haft- oder Ersatzstrafe nicht statt. Im übrigen sind (wie die Ausführungsbestimmungen zum PolVerwG. vom 1. X . 1931 darlegen) zum Erlaß von polizeilichen Straf Verfügungen wie bisher sowohl die ordentlichen wie die Sonderpolizeibehörden zuständig, und zwar jeweils im Rahmen ihres örtlichen und sachlichen Bereichs. Für die Handhabung des Polizeistrafverfolgungsrechts gelten nach denselben Ausführungsbestimmungen folgende Richtlinien:
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durch einen öffentlichen Beamten zu behändigen oder zuzustellen (§ 61 PolVerwG.). Die Anweisung vom 1. X. 1931 über die geschäftsmäßige Behandlung der polizeilichen Strafverfügungen (§ 59 PolVerwG.) und der polizeilichen Zwangsgeldverfügungen (§ 33 PolVerwG.) — RdErl. vom 1. X. 1931 (MinBliV. 939) — ist von a l l e n ordentlichen Polizeibehörden zu beachten; die in der Anweisung vorgeschriebenen Vordrucke sind daher d u r c h w e g zu v e r wenden. Für die L a n d j ä g e r e i ist in Abänderung der Ziff. 1 bis 5 und 7 der Anweisung vom 1. X. 1931 Folgendes angeordnet: 1. Das Merkbuch (Vordruck PolNr. 141) ist neben dem Tagebuch (Anl. I zu Ziff. 23 der Dienstvorschr.f. d. preuß. Landj. vom 20. VII. 1906) n i c h t zu führen. 2. Der Landjägereibeamte hat, einerlei, ob es sich um kreispolizeiliche oder ortspolizeiliche Übertretungen handelt, nur e i n Anzeigenbuch (Vordruck PolNr. 142) zu führen, in das er a l l e Übertretungsanzeigen einträgt. Hierneben sind besondere Strafanzeigen n i c h t zu erstatten. 3. Jede Anzeige ist nach Streichung der Worte „Gesehen" bis „ D a t u m . . v o n dem Landj ägereibeamten der zuständigen Polizeibehörde u n m i t t e l b a r zu übersenden. Diese Regelung gilt nicht f ü r Landjägereibeamte, die in staatlichen Polizeibezirken tätig sind. Die Kosten f ü r die Vordrucke haben die Ortspolizeibehörden und, soweit kreispolizeiliche Angelegenheiten in Frage kommen, die Kreispolizeibehörden zu tragen. Die f ü r die Landjägereibeamten notwendigen Anzeigenbücher sind von den Landräten zu beschaffen und die Kosten hierfür auf die beteiligten Polizeibehörden iimzulegen. Die Ausführungsbestimmungen zu §61 PolVerwG. lauten wie folgt: „1. Eine Ausfertigung der Strafverfügung ist dem Beschuldigten durch einen vereideten öffentlichen Beamten zuzustellen. Der Beamte hat die Verfügung dem Beschuldigten in Person zu übergeben; wenn dieser in der Wohnung nicht angetroffen wird, einem zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder einer in der Familie dienenden erwachsenen Person, falls derartige Personen in der Wohnung des Beschuldigten angetroffen werden. Anderenfalls ist die Strafverfügung dem in demselben Hause wohnenden Hauswirt oder Vermieter zu übergeben, diesen indessen nur, wenn sie zur Annahme bereit sind. Für Gewerbetreibende, welche ein besonderes Geschäftslokal haben, kann, wenn sie dort nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen. Wird die Annahme in einem Falle, in welchem die Annahmebereitschaft in den vorstehenden Bestimmungen nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist,
verweigert, so ist die Ausfertigung der Strafverfügung am Orte der Zustellung zurückzulassen. 2. Ist die Zustellung nach diesen Bestimmungen nicht ausführbar, so kann sie dadurch erfolgen, daß die Ausfertigung der Strafverfügung bei der Ortsbehörde (Gemeinde- oder Polizeibehörde) oder bei dem Postamt des Zustellungsorts niedergelegt und die Niederlegung sowohl durch eine an der Tür der Wohnung zu befestigende schriftliche Anzeige als auch, soweit tunlich, durch mündliche Mitteilung an zwei in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt gemacht wird. 3. Der zustellende Beamte hat auf der Ausfertigung der Strafverfügung unter Beifügung seines Namens den Tag der Zustellung, z.B. „zugestellt am 20. X. 1931 Müller, Amtsgehilfe", zu vermerken und auf dem mit der Ausfertigung zu übergebenden Aktenbogen über die Zustellung unter Angabe des Tages derselben zu berichten. 4. Die Zustellung kann auch durch die Post erfolgen. Die Postgebühren hat die Polizeibehörde zu entrichten. 5. Die Zustellung f ü r einen in einer Kaserne wohnenden oder auf einem Kriegsschiff eingeschifften Angehörigen des Reichsheeres oder der Reichsmarine erfolgt an den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron, Batterie, Führer des Kriegsschiffes). 6. Eine öffentliche Zustellung findet nicht s t a t t . 7. Auf die Zustellung an inländische Bedienstete exterritorialer Personen, welche in den Räumen dieser Personen wohnen, findet die AV.des JMin. v o m 4 . X I I . 1928—JMinBl. 454 — zu D sinngemäße Anwendung". 4. Neu ist die Schaffung eines besonderen Rechtsweges. Beabsichtigt war, die Zahl der gerichtlichen Strafen gegen Übertretungen einzuschränken. Eine Person, die sich zu Unrecht bestraft fühlt oder das Strafmaß beanstandet, kann danach in Zukunft ein formelles Rechtsmittel einlegen, o h n e d e n M a k e l einer gerichtlichen Vollstrafe befürchten zu müssen. Statt des im §413StPO. vorgesehenen Antrags auf gerichtliche Entscheidung kann der Beschuldigte nach § 62 PolVerwG. gegen die polizeiliche Strafverfügung binnen einer Frist von 2 Wochen nach Zustellung die Beschwerde an die unmittelbar vorgesetzte Polizeiaufsichtsbehörde erheben. Diese entscheidet endgültig. Ist gegen einen Beschuldigten im Alter von 14 bis 18 Jahren eine polizeiliche Strafverfügung erlassen, so kann auch sein gesetzlicher Vertreter die Beschwerde einlegen oder den Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen. Die Ausführungsbestimmungen zu dem dieses anordnenden § 62 PolVerwG. lauten wie folgt: „Gegen die polizeiliche Strafverfügung ist gemäß § 413 StPO. binnen 1 Woche der A n -
Polizeiliche Strafverfügung t r a g auf g e r i c h t l i c h e E n t s c h e i d u n g bei dem zuständigen Amtsgericht oder bei der Polizeibehörde gegeben, die die Strafverfügung erlassen hat. An Stelle des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist binnen 2 Wochen die B e s c h w e r d e an die unmittelbar vorgesetzte Polizeiaufsichtsbehörde gegeben. Der Beschuldigte kann also nur einen der beiden Rechtsbehelfe ergreifen, a) Der A n t r a g auf g e r i c h t l i c h e E n t s c h e i d u n g kann bei der Polizeibehörde schriftlich oder mündlich, bei dem Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Stellt der Beschuldigte bei der Polizeibehörde, welche die Strafverfügung erlassen hat, mündlich den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, so ist darüber eine Verhandlung aufzunehmen und diese nebst den Vorgängen, welche zu heften und mit der Nummer der Strafliste zu versehen sind, ohne daß es einer weiteren Beischrift bedarf, an den Amtsanwalt abzusenden. Die Absendung ist in der Strafliste zu verzeichnen. Ist der Antrag offensichtlich verspätet, so ist in dieser Weise nur zu verfahren, wenn der Beschuldigte trotz Belehrung seinen Antrag aufrecht erhält. In gleicher Weise ist die Sache an den Amtsanwalt abzugeben, wenn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung schriftlich bei dem Polizeiverwalter eingereicht wird oder wenn er bei dem Amtsgericht angebracht worden ist. Im Militärstrafverfahren gelten die §§ 442, 447 StPO. b) Die B e s c h w e r d e kann mündlich oder schriftlich sowohl bei der Polizeibehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, wie auch bei der zuständigen Aufsichtsbehörde erhoben werden. Im ersten Fall hat die Polizeiaufsichtsbehörde die Beschwerde, sofern sie dieser nicht abhilft, mit ihrer Stellungnahme und den gehefteten Strafverfügungsvorgängen unverzüglich der Polizeiaufsichtsbehörde vorzulegen. Im letzten Falle hat die Polizeiaufsichtsbehörde die Beschwerde der Polizeibehörde unverzüglich zur Stellungnahme und Beifügung der Strafverfügungsvorgänge zuzuleiten. Die Polizeiaufsichtsbehörde entscheidet endgültig. Hat von mehreren Beteiligten ein Teil auf gerichtliche Entscheidung angetragen, während der andere Beschwerde eingelegt hat, so ist über die Beschwerde in der Regel erst nach rechtskräftiger Erledigung des gerichtlichen Verfahrens zu befinden. Gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestattet der § 415 StPO. unter den in den §§ 44, 45 a . a. 0 . bezeichneten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, a) Hiernach kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, wenn der Antragsteller durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle
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an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist. Als unabwendbarer Zufall ist es insbesondere anzusehen, wenn der Antragsteller von der Zustellung der Strafverfügung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt, b) Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muß binnen einer Woche nach Beseitigung des Hindernisses unter Angabe und Glaubhaftmachung der Versäumnisgründe (§ 45 StPO.) bei der Polizeibehörde oder bei dem Amtsgericht angebracht werden (§ 415 StPO.). c) Über das Gesuch entscheidet der Amtsrichter. Die dem Gesuche stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung; gegen die das Gesuch verwerfende Entscheidung findet sofortige Beschwerde bei dem Landgerichte statt (§ 415 Abs. 2 StPO. und § 73 GVG. vom 27. 1.1877 in der Fassung der Bek. vom 22. III. 1924, RGBl. I, 299). Die Polizeibehörde ist berechtigt, eine polizeiliche Strafverfügung zurückzunehmen, solange diese noch nicht rechtskräftig ist, und zwar auch dann, wenn die Vorgänge bereits an den Amtsanwalt oder die Polizeiaufsichtsbehörde abgegeben sind. Sind die Vorgänge an den Amtsanwalt abgegeben, so bedarf es zur Zurücknahme seiner Zustimmung. Nach Erlaß eines Urteils ist eine Zurücknahme nicht mehr zulässig. Bringt der Beschuldigte zum Ausdruck, daß er die Strafverfügung anfechten wolle, ohne daß indessen erkennbar wird, ob er gerichtliche Entscheidung beantragen oder Beschwerde einlegen will, so ist eine nach Ablauf der Antragsfrist eingehende Erklärung als Beschwerde zu behandeln. Geht die Erklärung während der Antragsfrist ein, so ist dem Beschuldigten eine Mitteilung folgenden Inhalts zu machen: „ Ihre Eingabe vom . . . läßt nicht erkennen, ob Sie gegen die Strafverfügung vom . . . Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen oder Beschwerde einlegen wollen. Ihre Eingabe wird als Antrag auf gerichtliche Entscheidung aufgefaßt werden, falls Sie nicht binnen 3 Tagen nach Empfang dieses Schreibens hierher mitteilen, daß Ihre Eingabe als Beschwerde gelten soll." Gegen die Versäumung der Beschwerdefrist kann die Polizeiaufsichtsbehörde, wenn die Fristversäumung unverschuldet ist, nach § 52 LVG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren. Eine Abänderung der mit der Beschwerde angefochtenen Strafverfügung zu Ungunsten des Beschuldigten ist unzulässig" (MinBliV. 935 ff.). 5. Die polizeiliche Strafverfügung muß außer den im § 413 Abs. 3 StPO. vorgeschriebenen Hinweisen die Kasse bezeichnen, an welche die Geldstrafe zu zahlen ist, und die Eröffnung enthalten, daß statt des Antrags auf gerichtliche Entscheidung binnen
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2 Wochen nach Zustellung die Beschwerde an die bestimmt zu bezeichnende Polizeiaufsichtsbehörde gegeben ist (§ 63 PolVerwG.). Die Ausführungsbestimmungen zu § 63 lauten wie folgt: „Die polizeiliche Strafverfügung muß außer der Festsetzung der Strafe die strafbare Handlung, das angewendete Strafgesetz, die Beweismittel und die Kasse bezeichnen, an welche die Geldstrafe zu zahlen ist. Sie muß ferner die Mitteilung enthalten, daß der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen einer Woche nach der Zustellung bei der Polizeibehörde, welche die Verfügung erlassen hat, oder bei der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichts auf gerichtliche Entscheidung antragen oder statt dessen binnen 2 Wochen die Beschwerde an die bestimmt zu bezeichnende Polizeiaufsichtsbehörde erheben könne. Die Urschrift der polizeilichen Strafverfügung (Aktenbogen) ist von dem Polizeiverwalter oder dessen Beauftragten handschriftlich zu vollziehen. Dagegen ist die handschriftliche Vollziehung der zur Aushändigung an den Beschuldigten bestimmten Ausfertigung nicht erforderlich. Die Ausfertigung kann auch mit einem Abdruck des Dienstsiegels, jedoch unter Beifügung des Signums des ausfertigenden Beamten, versehen werden. Formulare mit eingedrücktem Dienstsiegel dürfen f ü r die Ausfertigung nicht verwendet werden. Die polizeiliche Strafverfügung kann nach Ablauf der dritten Woche nach ihrer Zustellung vollstreckt werden, es sei denn, daß bei der Polizeibehörde innerhalb einer Woche nach Zustellung der Strafverfügung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt oder die im § 69 PolVerwG. erwähnte Bescheinigung vorgelegt wird, oder der Polizeibehörde amtlich bekannt geworden ist, daß innerhalb von 2 Wochen die Beschwerde bei der Polizeiaufsichtsbehörde erhoben ist. Über die Einziehung der Geldstrafen werden besondere Bestimmungen erlassen. Ist keine Geldstrafe, sondern nur H a f t festgesetzt, so ist diese im Polizeigefängnis zu vollstrecken. Leistet der Beschuldigte der Aufforderung zum Strafantritt innerhalb einer bestimmten Frist nicht Folge, so ist er festzunehmen und zur Strafverbüßung einzuliefern. Das Gleiche gilt, wenn die festgesetzte Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann. Die Vollstreckung der Ersatzhaftstrafe soll indessen nicht die Regel sein, da die Erfahrungen, die mit kurzen Freiheitsstrafen gemacht sind, es angezeigt erscheinen lassen, die Vollstreckung von kurzen Haftstrafen möglichst einzuschränken. Ist die beschuldigte Person nicht in der Lage, irgend eine Zahlung zu leisten, und zwar auch nicht nach Stundung oder in Form von Ratenzahlungen, so ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung
der Lebensverhältnisse und der Persönlichkeit des Beschuldigten, insbesondere auch der Gesinnung, aus der die T a t begangen ist, die Vollstreckung der Ersatzstrafe unbedingt geboten erscheint. Bei erstmaligen Bestrafungen wird das in der Regel nicht der Fall sein. Erscheint die Vollstreckung der Ersatzstrafe nicht unbedingt geboten, so wird ein Begnadigungsverfahren einzuleiten sein. Wegen der Vollstreckung der vom Jugendrichter festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen gegen Jugendliche bewendet es bei der gemeinschaftlichen Vfg. vom 28. VIII. 1926 (MinBliV. 889) und den Runderlassen vom 22. X. 1929 (MinBliV. 907) und vom 11.1.1931 (MinBliV. 44). Ist eine Einziehung festgesetzt und die Verfügung vollstreckbar geworden, so ist der einzuziehende Gegenstand, sofern dies noch nicht geschehen sein sollte, in Beschlag zu nehmen und der zuständigen Stelle zu übergeben. Ist die Polizeibehörde zweifelhaft darüber, wem der eingezogene Gegenstand zufällt, so hat sie hierüber von der vorgesetzten Behörde weiteren Bescheid einzuholen. Liegt ein gesetzlicher Grund vor, den Beschuldigten vorläufig festzunehmen (StPO. § 127 in Verbindung mit § 113), so findet, da der Festgenommene unverzüglich dem Amtsrichter vorgeführt werden muß (§128 ebenda), der Erlaß einer polizeilichen Strafverfügung nicht s t a t t . Besteht jedoch d i e a n e r s t e r S t e l l e festzusetzende Strafe nicht in H a f t , sondern in Geldstrafe, so kann die Polizeibehörde von der Festnahme Abstand nehmen und die Strafverfügung erlassen, falls der Beschuldigte f ü r die Strafe, deren Betrag ihm bekannt zu machen ist, Sicherheit leistet. Ergibt sich der Anlaß zur vorläufigen Festnahme erst n a c h Erlaß und Behändigung der Strafverfügung, jedoch bevor letztere vollstreckbar geworden ist, so kann die Polizeibehörde von dem Beschuldigten die sofortige Bestellung einer Sicherheit f ü r die Strafe fordern. Wird die Sicherheit nicht bestellt, so kann der Beschuldigte festgenommen werden und ist sodann dem Amtsrichter vorzuführen. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit darf den Betrag der festzusetzenden oder festgesetzten Geldstrafe nicht übersteigen" (MinBliV.937f.). 6. Die auf Grund des Polizeiverwaltungsgesetzes endgültig festgesetzten Geldstrafen sowie die eingezogenen Gegenstände fallen dem Träger der unmittelbaren Polizeikosten f ü r die Behörde zu, die die polizeiliche Strafverfügung erlassen hat. Diese Stelle ist verpflichtet, die durch die Festsetzung und Vollstreckung der Strafe entstehenden Kosten zu tragen, soweit sie nicht von dem Beschuldigten beigetrieben werden können (§ 65 PolVerwG.). Die Ausführungsbestimmungen lauten wie folgt: „Sind die in dem Straffest-
Polizeiliche Strafverfflgung — Polizeiliche Zwangsmittel setzungsverfahren entstandenen Auslagen nicht beizutreiben, so fallen sie dem Träger der unmittelbaren Polizeikosten zur Last. Ist die Strafverfügung von einer anderen Behörde als der beitreibenden Ortspolizeibehörde erlassen, so hat jene die nicht beizutreibenden Auslagen zu tragen" (MinBliV. 938f.). 7. Ist die polizeiliche Strafverfügung vollstreckbar geworden, so findet wegen derselben Handlung eine fernere Anschuldigung nicht statt, es sei denn, daß die Handlung keine Übertretung, sondern ein Vergehen oder Verbrechen darstellt und daher die Polizeibehörde ihre Zuständigkeit überschritten hat. In diesem Falle ist während des gerichtlichen Verfahrens die Vollstreckung der Strafverfügung einzustellen; erfolgt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vergehens oder Verbrechens, so tritt die Strafverfügung außer Kraft (§ 66 PolVerwG.). Wenn die Handlung ein Verbrechen oder Vergehen darstellt, kann eine fernere Anschuldigung stattfinden. Diese ist aber natürlich nicht Sache der Polizeibehörde, deren Zuständigkeit dadurch überschritten werden würde. Der § 66 will nur zum Ausdruck bringen, daß mit der Vollstreckbarkeit der polizeilichen Strafverfügung die Sache im allgemeinen endgültig erledigt ist. — Gegen Militärpersonen dürfen die Polizeibehörden Geldstrafen nur wegen solcher Übertretungen festsetzen, zu deren Aburteilung im gerichtlichen Verfahren die ordentlichen Gerichte zuständig sind (§ 67 PolVerwG.). Hat der Amtsanwalt Anklage erhoben, bevor die polizeiliche Strafverfügung dem Beschuldigten zugestellt worden ist, so ist diese wirkungslos (§ 68 PolVerwG.). Wird bei dem Amtsgerichte gerichtliche Entscheidung beantragt, so ist dem Antragsteller hierüber kostenfrei eine Bescheinigung auszuhändigen (§ 69 PolVerwG.). 8. Die Frage der gesetzlichen Regelung der angegebenen Rechtsmittel ist außerordentlich umstritten. Vgl. D r e w s , RuPrVerwBl. 52, 6; S c h o r n , Das Polizeiverwaltungsgesetz Preußens und das Gebiet der polizeilichen Strafverfügungen, Jur. Rdsch. 1931, S. 177, und die Kommentare zumPolVerwG. von D r e w s - v . L a s s a r - B r a u c h i t s c h , 1932, S c h ä f e r - W i c h a r t z - W i l l e 1931 (Nachtrag 1932), S c h n i t z k e r , 1931, S t i e r - S o m l o , 1932, K l a u s e n e r - K e r s t i e n s - K e m p n e r , 2. Aufl., 1932. Fritz Stier-Somlo
Handwörterbuch der Kriminologie. Bd. n .
f.
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Polizeiliche Zwangsmittel. 1. Nach §40 Abs. 2 PolVerwG. sind die Anordnungen oder sonstigen Maßnahmen, welche Polizeibeamte nur in ihrer Eigenschaft als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft treffen können, keine polizeilichen Verfügungen im Sinne des PolVerwG. vom 1. VI. 1931. Soweit es sich um die Tätigkeit der Kriminalpolizei und hier d u r c h H i l f s b e a m t e d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t handelt, sind die im § 55 PolVerwG. vorgesehenen Zwangsmittel der Polizeibehörden n i c h t anwendbar. Denn diese Bestimmung besagt Folgendes: Die Polizeibehörden sind, unbeschadet der strafgerichtlichen Verfolgung strafbarer Handlungen, befugt, die Befolgung einer polizeilichen Verfügung, wenn sie unanfechtbar geworden oder die sofortige Ausführung verlangt ist (§ 53 a. a. O.), durch Ausführung der zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen, durch Festsetzung von Zwangsgeld oder durch unmittelbaren Zwang durchzusetzen. Dagegen werden nun diejenigen kriminalpolizeilichen Handlungen, welche nicht von den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft erledigt werden, mit Hilfe der Zwangsmittel des § 55 durchgeführt werden können. Z. B. ist der Leiter der Kriminalpolizei oder sein Vertreter als solcher nicht Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft (Falck in von Brauchitsch, Verwaltungsgesetze II, 1, 22. Aufl., 1932, S. 219); derselbe Verfasser erklärt aber (a. a. O. S. 214), daß die Polizeibehörden befugt sind, zur Durchsetzung ihrer gerichtspolizeilichen Befugnisse die Zwangsmittel der §§ 55ff. PolVerwG. anzuwenden. In dieser Beziehung bestimmt § 55 Abs. 2 PolVerwG., daß die Anwendung eines Zwangsmittels, abgesehen von den Fällen der unmittelbaren Ausführung einer polizeilichen Maßnahme, vorher angedroht werden muß, und zwar, außer bei Gefahr im Verzug, schriftlich. Der Betrag des Zwangsgeldes ist in bestimmter Höhe anzudrohen. Wird die Ausführung der zu erzwingenden Handlung durch einen Dritten angedroht, so ist in der Androhung die Höhe des Kostenbetrages vorläufig zu v e r a n s c h l a g e n . Für die Ausführung der zu erzwingenden Handlung ist, außer bei Gefahr im Verzug, eine angemessene Frist zu setzen. Es handelt sich also zunächst um die sogenannte Ersatzvornahme, die nur von der Ausführung der zu erzwingenden Handlung auf Kosten des Pflichtigen spricht, aber nicht mehr wie § 132 Ziff. 1 LVG. von der Ausführung durch einen Dritten. Doch gehört auch dieses Merkmal zu dem Begriff der Ersatzvornahme. Dagegen stellt sich die Ausführung der Handlung ausschließlich durch eigene Kräfte der Polizei als Anwen22
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Polizeiliche Zwangsmittel — Polizei- und Kriminalmuseum
dung unmittelbaren Zwanges dar. Vgl. auch OVO. 44, 422. 2. Was die Höhe des Zwangsgeldes angeht, so darf sie bei jeder Androhung durch die Landespolizeibehörden 150 RM., durch die Kreispolizeibehörden 100 RM., durch die Ortspolizeibehörden 50 RM. nicht überschreiten. Das Zwangsgeld kann im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden, also nach Maßgabe der VO. vom 15. Novbr. 1899 (GS. 545). Die Beitreibung ist, soweit es sich nicht um die Durchsetzung eines Verbotes handelt oder ein Zwangsmittel auf Grund des§33(PolVerwG.) ohne vorherige besondere Androhung festgesetzt ist, nur zulässig, solange der polizeiwidrige Zustand besteht. Ist die Handlung auf Kosten des Pflichtigen ausgeführt worden, so kann die Polizeibehörde von diesem den Kostenbetrag im Verwaltungszwangsverfahren einziehen. Auch der vorläufig festgesetzte Kostenbetrag kann im Verwaltungszwangsverfahren eingezogen werden. Die Zwangsmittel können bei polizeilichen Geboten wiederholt werden, bis der polizeiwidrige Zustand beseitigt ist. Bei polizeilichen Verboten kann das Zwangsmittel f ü r jeden Fall der Nichtbefolgung festgesetzt werden. Einen Bestandteil des unmittelbaren Zwanges bildet das Recht des Polizeibeamten, die Ausführung von Anordnungen durch Waffengewalt zu erzwingen. Dies ist durch die Ausführungsbestimmungen zum § 55 PolVerwG. genauer festgelegt worden und zwar auch für die Kriminalpolizei. Die Ausführungsbestimmungen geben Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwanges gegen Personen, sei es durch einzelne Beamte, sei es bei geschlossenem Einsatz von Polizeibeamten. Sondervorschriften betreffen den Grenzwachdienst. Für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit des Zwangsgeldes kann eine Zwangshaft angedroht werden (§ 56 PolVerwG.). Gegen die Festsetzung eines Zwangsmittels usw. sind die Rechtsmittel im § 57 a. a. O. angeführt. 3. Möglicherweise werden auch die Bestimmungen des § 58 PolVerwG. Anwendung finden können. In einer Reihe gesetzlicher Bestimmungen sind nämlich die Polizeibehörden meist über den Rahmen des § 14 Abs. 1 a. a. O. hinaus zu bestimmten Anordnungen, Festsetzungen, Bekanntmachungen usw. ermächtigt. Soweit dies der Fall ist auf Grund besonderer Reichs- oder Landesgesetze, gilt, falls das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschrift des § 58 a. a. O. Schrifttum: D r e w s - L a s s a r bei Brauchitsch, Verwaltungsgesetze für Preußen, Bd. II, 1, 26. Aufl., 1932, zu §§ 55—58. — S c h ä f e r Wichards-Wille, Polizeiverwaltungs-
gesetz, 1931. — Über dieselben Bestimmungen: S t i e r - S o m l o , Polizeiverwaltungsgesetz, 1932. Fritz Stier-Somlo f .
Polizei- und Krlminalmuseum. 1. Der Ausdruck „Museum" ist f ü r die hier zu besprechenden Einrichtungen insofern nicht zutreffend, als es sich um Sammlungen handelt, die nicht den Zweck einer Schau, sondern in erster Linie den Zweck eines L e h r m i t t e l s haben. Aber da auch bei anderen Museen diese Zwecke in einander laufen, kann die Bezeichnung wohl beibehalten werden, wenn man sich ihrer begrifflichen Begrenzung bewußt ist. Sehen wir beispielsweise im „Kriminalmuseum" des Berliner Polizeipräsidiums Stücke, die zunächst als Museumsstücke anmuten — etwa die Originaluniform des Hauptmanns von Köpenick auf einer naturgetreu gearbeiteten Wachsfigur des Schusters Voigt oder die Figur der Giftmörderin Gesche Gottfried oder einen Richtblock aus früheren Jahrhunderten oder Gegenstände f ü r Ausübung sexueller Perversitäten —, oder in den historischen Abteilungen des Sträflingsmuseums von Hamburg und in der Hannoverschen Sammlung kunstvolle Erzeugnisse von Gefangenen, alte Folterwerkzeuge usw., so kommt selbst diesen Gegenständen die Aufgabe zu, dem Polizei- und Kriminalbeamten durch unmittelbaren Anblick in Gedankengänge, Kenntnisse und Schlußfolgerungen einzuführen, die zu seiner A u s b i l d u n g gehören. Etwa in dem Sinne, daß der Schein des Biedermannes trügt, daß an gewissen Merkmalen eine bestimmte Betätigung von Menschen erkennbar werden kann, daß die Psyche der Verbrecher überaus vielgestaltig ist und daß die Abwehrmittel sich im Laufe der Zeit ganz wesentlich gewandelt haben. Der ganz überwiegenden Mehrzahl der in einem solchen „Museum" gesammelten Gegenstände kommt solche Funktion der Ausbildung von Fachleuten ohne Einschränkung zu und es wäre daher falsch, die Bedeutung solcher Sammlungen, auch f ü r Richter und Staatsanwälte, zu unterschätzen. Dingen, die etwa an sich als Museumsstücke geeignet sind — z. B. der Hammer, mit dem ein Mord verübt worden ist, die Einbruchswerkzeuge, die die berüchtigten Gebrüder Strauß aus dem „Museum" selbst gestohlen haben, die man ihnen aber wieder abgenommen hat —, kommt für die Lehrmittelsammlung gesteigerte Bedeutung zu, wenn etwa die Form des Hammers in Zusammenhalt mit der Schädelverletzung zur Über-
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Polizei- und Kriminaimuseum führung des Täters, der jenen Hammer besaß, geführt hat oder die Werkzeuge besondere Arbeitserleichterung f ü r den Einbruch bedeuten. So dienen Lehrmittelsammlungen von Giften und Feuerwaffen, von Pulver und Schrot, von Haaren und Pelzwerk, von Holzarten und Tinten als Grundlagen f ü r Schlußfolgerungen in dem einzelnen zu untersuchenden Fall. Sie dienen—wie beispielsweise ganz primitiv hergestellte elektrische Apparate — zu dem Nachweis, daß der untersuchende Beamte nichts als unbeachtlich oder als zu kindisch ansehen darf, was am Tatort gefunden wird; Brandstiftungen und Attentate mit Höllenmaschinen werden oft mit sehr einfachen Werkzeugen ausgeführt. Nicht nur die Gegenstände, deren kriminelle Verwendungsmöglichkeit von vorn herein einleuchtet, gehören in eine solche Lehrmittelsammlung, sondern die Warenkunde, die Ortskunde, die Berufskunde und viele Gebiete der Naturwissenschaft und Technik können dahin gehören. Namentlich kann die Kenntnis von Berufswerkzeugen auf die richtige Spur des Täters führen. Eine solche Sammlung beschränkt sich im allgemeinen — ein allerdings zum Teil museumsartiger Gedanke — bei Gegenständen von m ö g l i c h e r krimineller Verwendbarkeit auf solche, die t a t s ä c h l i c h in Kriminalfällen eine Rolle gespielt haben. Angesichts der verschiedenen Gruppen polizeilicher Aufgaben kann man sehr wohl solche Lehrmittelsammlungen in z w e i A r t e n scheiden: Polizeimuseum und Kriminalmuseum. Indessen sind die Grenzen flüssig. Man könnte beispielsweise die großen Gebiete der Gesundheits- und Nahrungsmittelpolizei, der Verkehrs- und Baupolizei, der Schutzpolizei und der politischen Polizei f ü r eine p o l i z e i l i c h e L e h r m i t t e l s a m m l u n g und die der Kriminalpolizei f ü r eine k r i m i n a l i s t i s c h e Sammlung aus einander halten. Aber schon bei der Sicherheits- und der Sittenpolizei gehen die Dinge in einander über. Tatsächlich hat man, soweit es überhaupt nennenswerte Sammlungen solcher Art gibt, die Trennung versucht, so z. B. in Berlin, wo es ein Polizeimuseum beim Polizeiinstitut in Charlottenburg, ein Kriminalmuseum beim Polizeipräsidium in Berlin gibt (vgl. auch d. Art. Polizeiinstitut). 2. Es ist das begreifliche Bestreben aller größeren Polizeiverwaltungen, sich eine solche Lehrmittelsammlung anzulegen. Als die älteste nennenswerte Sammlung solcher Art in Deutschland gilt die in Hamburg, die ein halbes Jahrhundert alt ist und als eine Art Sträflingsmuseum auch sehr zahlreiche Arbeiten von Sträflingen, u. a. kunstvolle aus Brot geknetete Figuren, weiterhin Masken Enthaupteter usw. enthält. Hannover hat
eine große historische Abteilung seiner kriminalistischen Lehrmittelsammlung. Andere beachtliche Sammlungen sind in Stuttgart, Dresden, Karlsruhe, Duisburg, Allenstein, Wohlau. Das Berliner Polizeimuseum in Charlottenburg—dasjenige im Polizeipräsidium am Alexanderplatz ist älter — ist im Anschluß an die Berliner Polizeiausstellung vom Jahrel926 entstanden, aus dem Reich und dem Ausland ergänzt und in seiner räumlichen Ausdehnung mit Hof und Park begünstigt. Besondere Aufgaben hat sich das Jugendkriminalmuseum in München gestellt, das auf ein 25jähriges Bestehen zurückblicken kann. Aus dem Ausland sind namentlich die Sammlungen in London, Lyon und Graz bekannt geworden sowie das im Jahre 1931 eröffnete Kriminalmuseum in Rom, das, in einem Gefängnis aus dem 17. Jahrhundert untergebracht, eine sehr beachtliche historische Abteilung hat. Diese keineswegs erschöpfenden Angaben beruhen auf gelegentlichen Mitteilungen und Erkundigungen; ein Verzeichnis oder eine zusammenfassende Darstellung der in den einzelnen Sammlungen enthaltenen wichtigeren Gegenstände und Lehrmittel ist meines Wissens bisher nicht vorhanden. 3. Die A n o r d n u n g der Sammlungen, wenn diese ihre Übersichtlichkeit behalten und ihre lehrmäßigen Aufgaben erfüllen sollen, muß s y s t e m a t i s c h nach Gebieten sein. Bei einer polizeilichen, nicht in erster Linie kriminalistischen Sammlung wird man die Systematik nach den Zweigen der polizeilichen Aufgaben wählen, im Kriminalmuseum, wenn man eine historische Abteilung absondert oder den Erkennungsdienst, die Spurenkunde, den Strafvollzug und andere Sondergruppen herausnimmt, dann wohl am besten nach den großen Gebieten der Delikte (etwa in der Reihenfolge des StGB.). Mord und Diebstahl nehmen dabei den hauptsächlichen Platz ein. Der Mord bietet den reichhaltigsten Anlaß zu Schauobjekten: Photographieen der Mörder — gegliedert nach Raubmord, Lustmord, Verwandtenmord, oder nach dem Mittel des Mordes: Giftmord, mit Handwaffen, mit Feuerwaffen usw. Dazu kommen Tatortaufnahmen, Spuren, Geschosse; ferner Schädel der Mörder und der Ermordeten, Gebisse, die f ü r die Ermittlung und Identifizierung besonders wichtig sind, ferner Anschauungsmittel zu der häufig so schwierigen Unterscheidung zwischen Mord und Selbstmord. Beim Diebstahl sind f ü r die Ausbildung des Kriminalbeamten von größter Bedeutung die oft sehr erfindungsreichen Hilfsmittel der Warenhaus- und Ladendiebe, die taschenreichen Kleider und Umhänge, die Kartons und Köfferchen mit doppeltem Boden, die seltsamen Verstecke. Ganze Einrichtungen 22*
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Polizei- und Kriminalmuseum
von Fälscherwerkstätten f ü r Hartgeld, Papiergeld oder Urkunden finden sich zur Unterrichtung der Kriminalbeamten in verschiedenen Polizei- und Kriminalmuseen. Auch was man dem Gefangenen unbemerkt zusteckt oder zuschickt — etwa ein Kreuz, das einen Dolch enthält, ein Buch, in dessen Buchdeckel feine Sägen versteckt wurden —, zeigt den Erfindungsreichtum an. Auch schon aus der andeutenden Aufzählung solcher Dinge ergibt sich, daß diese Sammlungen n i c h t f ü r d a s P u b l i k u m bestimmt sind, da sie manchem schwankenden Gemüt den Weg ins interessante Verbrechen zeigen, Aufschluß über Indizienketten geben und gar eine Methodenlehre des Einbruchs oder der Brandstiftung bedeuten können. Als im Jahre 1926 die Berliner Polizeiausteilung viel Interessantes zeigte, machte sich Kritik geltend in der Richtung, daß auch außerhalb der nur mit besonderer Erlaubnis und persönlicher Prüfung zu besichtigenden Säle sich Manches fand, was im Interesse der Arbeit der Kriminalpolizei besser von der öffentlichen Schaustellung fern geblieben wäre. Daß von besonderer Wichtigkeit die P h o t o g r a p h i e ist, zeigt sich auch in einer ihren Zweck erfüllenden polizeilichen Lehrmittelsammlung. Das gilt nicht nur f ü r Tatortaufnahmen und Leichendiagnostik, sondern auch f ü r die vielen anderen Dinge, die man nicht im Original erhalten und aufstellen kann. Die V i e l g e s t a l t i g k e i t der f ü r eine solche Lehrmittelschau sammlungsfähigen Gegenstände ist so unbegrenzt, wie die Findigkeit der Verbrecher unbegrenzt ist. Es ist daher f ü r den Beamten wichtig genug, besonders geschickt gemachte Arten von Stockflinten kennen zu lernen oder raffiniert mit kleinen Messerchen versehene Fingerringe oder eine Kombination von kleiner Pistole mit Schlagring u. dgl. mehr. Insbesondere gehören hierher die Mittel zum Falschspiel und allerlei Fälschungen — Papiergeld-, Münz-, Stempel-, Urkundenfälschung, Warenbetrug mit angebohrten Gewichten, falsche Briefmarken usw. Andere Abschnitte der Schau, etwa die Sammlung beschlagnahmter Sexualartikel, sollen mehr mittelbar den Beamten über die Arten gewerbsmäßiger Sexualausübung, über die Erkennungszeichen spezifischer Anlockungsarten (Wohnung, Kleidung, Inserate), insbesondere aber über die sehr breite psychische Sphäre dieses Gebietes aufklären und unterrichten. Überdies wird der Beurteiler durch diese zum Teil recht kunstvoll und kostspielig hergestellten Gegenstände darauf hingewiesen, wie viel es sich der sexuelle Interessent in solchen Fällen kosten läßt, wie stark also der Trieb sein muß.
Gegenstände e r s t in V e r b i n d u n g m i t s a c h v e r s t ä n d i g e n U n t e r w e i s u n g e n u n d Vort r ä g e n den Lehrzweck erfüllen können, denn nicht ohne weiteres sieht man einem an sich harmlosen Gegenstand an, daß er ein Indizium eines Verbrechens war und warum er es war. Die Belehrung aber an dem unscheinbaren Gegenstand öffnet dem Kriminalbeamten den Blick f ü r kongruente Fälle. Von Wichtigkeit ist die Ergänzung der Schaustücke durch systematisch angeordnete Mappen mit Berichten und Lichtbildern über besondere Fälle und Vorgänge. Die Ausgestaltung wie auch die Wirkungsmöglichkeit einer solchen Lehrmittelsammlung hängt aber in hohem Maße von ihrem r ä u m l i c h e n U m f a n g ab. Wenn man, wie in dem Polizeiinstitut in Charlottenburg, eine große Flucht von Zimmern, einen Hof und Park zur Verfügung hat, so kann man dort von einer mehr statischen Schau von Gegenständen zu einer dynamischen Beweglichkeit der lehrhaften Benutzung übergehen, d. h. zu Demonstrationen am Phantom. So findet man dort die Möglichkeit zu einer Straftatentopographie, zur naturgetreuen Ermittlungstätigkeit eines Mordfalles mit Ausgraben der als Leiche dienenden Puppe, mit Spurensicherung, photographischen Aufnahmen usw. Man kann dann auch Hausmodelle schaffen, um Praktiken von Einbrüchen oder vom Beiseiteschaffen gestohlener Sachen zu studieren, man kann Straßenunfälle verkehrsmäßig rekonstruieren. Mit dem zur Verfügung stehenden größeren Raum kommt also eine größer.?. Beweglichkeit und Deutlichkeit in die Lehrmittel und ihre Verwendung.
4. Die wesentliche Aufgabe der Sammlungen ist: einmal die l e b e n d i g e A n s c h a u u n g sozusagen schon im Frieden zu schulen, ehe sie im ernsten Kriegsfall gegen das Verbrechen die Wirklichkeit vor sich sieht und vielleicht, davor erschreckend, nicht alles Wichtige beachtet, und zweitens dem Beamten zu zeigen, w i e f i n d i g u n d g e s c h i c k t ihm die Tricks der Verbrecher entgegentreten, dort, wo er sie vielleicht am wenigsten vermutet, sodaß er aus praktischen Beispielen lernen muß, nichts auch scheinbar Nebensächliches unbeachtet zu lassen oder sein Mißtrauen zu früh bei seite zu setzen. Nicht das Kasuistische an sich ist es, was gelernt werden muß — denn das gerade wechselt ja immer —, sondern die Schulung, s i c h j e d e r neuen Kasuistik gegenüber mit ganz o f f e n e n S i n n e n zu v e r h a l t e n . Etwas Anderes als diese Lehrmittelsammlungen sind die kriminalistischen „Laboratorien", in denen chemische und physikalische Untersuchungen zur Aufklärung von Es leuchtet ein, daß die zu schauenden Verbrechen, zur Prüfung von Überführungs-
Polizei- und Kriminalmuseum — gegenständen u. dgl. angestellt werden. Vgl. darüber die Art. Chemische Untersuchungsmethoden, Biologische Untersuchungsmethoden, Physikalische Untersuchungen. Über die Kriminalberatungsstelle für Sicherung gegen Einbrüche usw. s. d. Art. Selbstschutz. Eine Ergänzung der verschiedenen Kriminalmuseen bildet das Zollmuseum in Berlin (Packhof), das von den Tricks der Schmuggler lebendige Anschauung vermittelt. Schrifttum: 0 . M a s s e t , Mon musée criminal, Paris 1890. — R. E l w e n s p o e k , Mord und Totschlag, 1931. — P. M a r t e l l , Das Kriminalmuseum zu Berlin, Monschr. f. Krimpsych. X I (1914), 694, Berl. Börsen-Ztg. Nr. 274 v. 24. Nov. 1931 über das römische Museum. — E. S t r o d t h o f f im Hannov. Anzeiger v. 20. Mai 1932 über die hannoversche Sammlung. — Nachtausgabe (Berlin) v. 9. Juni 1933 über das Hamburger Sträflingsmuseum. — H. F i n k e , Vorschläge zur Einrichtung eines Gefängnismuseums, Monschr. f. Krimpsych. X X V (1934), 32. — H. G r o ß in Ztschr. f. d. ges. StrRWiss. Bd. 14 S. 13ff., Bd. 16 S. 74ff. (Das Kriminalmuseum in Prag). Alexander
Elster.
Polizeischule. 1. B e g r i f f d e r P o l i z e i s c h u l e : Entsprechend dem allgemein anerkannten Charakter der Fachschulen und ihrer Bedeutung für die Berufsausbildung ist auch die Polizeischule eine Fachschule für den Beruf des Polizeibeamten, die die Vorbereitung oder Fortbildung für diesen Beruf im vollen Tagesunterricht vermittelt. Neben der Polizeischule kennt auch die Polizeiverwaltung, ähnlich der sonstigen fachlichen Berufsausbildung, Anlern- und Weiterbildungskurse. Diese sogenannte kursorische Unterweisung, auch wenn sie die volle Arbeitskraft der Teilnehmer vorübergehend in Anspruch nimmt, kann jedoch nicht als Polizeifachschule im eigentlichen Sinn angesehen werden. Je nach dem Träger der Schule kann man s t a a t l i c h e und k o m m u n a l e Polizeischulen unterscheiden. Aus noch näher darzulegenden Gründen kennen wir heute nur noch staatliche Polizeischulen in Deutschland (ähnlich in den meisten europäischen Staaten). Demnach sind auch überall Aufsichtsbehörden der Polizeischulen die staatlichen Polizeiverwaltungen (Ministerien des Innern; teilweise ist die Aufsicht Landespolizei-Inspektionen übertragen). Je nach dem L e h r z i e l und L e h r s t o f f der Polizeischulen sind zu unterscheiden:
Polizeischule
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a) die P o l i z e i v o r s c h u l e n (auch Lehrhundertschaften genannt), die den P o l i z e i a n w ä r t e r während der Dauer durchschnittlich eines Jahres für den Dienst im geschlossenen Polizeikörper ( B e r e i t s c h a f t s p o l i z e i ) vorbereiten, b) die P o l i z e i f a c h s c h u l e n (Polizei- und Gendarmerieschulen, teilweise mit den Vorschulen vereinigt), die den Polizei- und Gendarmeriebeamten (Landjäger) in mehrmonatlichen Kursen für den E i n z e l d i e n s t schulen und an denen dann auch die Aufrückungs- und Beförderungskurse stattfinden, c) die h ö h e r e n P o l i z e i s c h u l e n (auch Institute genannt), die, soweit diese Aufgabe nicht auch den Polizeifachschulen zugeteilt wird, der besonderen Ausbildung der leitenden P o l i z e i f ü h r e r dienen, und d) die S o n d e r f a c h s c h u l e n der Polizei, denen die Fortbildung der Polizeibeamten insbesondere in den t e c h n i s c h e n S o n d e r d i e n s t z w e i g e n obliegt. Vgl. hierzu das V e r z e i c h n i s der deutschen Polizeischulen unter Ziffer IV. Die L e h r m e t h o d e in den Fachschulen ist, da es sich um Erwachsenenunterricht handelt, überall die der A r b e i t s s c h u l e und des sogenannten Arbeitsunterrichts. Die Lehrkräfte sind regelmäßig Polizei-(Gendarmerie-)Offiziere und Polizeipraktiker, die hauptamtlich zur Schule überwiesen sind. Neben der Polizeifachschule steht in allen deutschen Ländern die Polizeiberufss c h u l e (Beamtenschule), der organisatorisch die Weiterbildung der Polizeibeamten im allgemeinen Wissen obliegt. Soweit in einzelnen Ländern, in Verbindung mit den Universitäten, besondere Bildungseinrichtungen für die polizeilichen Hilfswissenschaften (insbesondere die gerichtliche Medizin) bestehen, können diese Einrichtungen, so wichtig sie für die moderne Polizei sind, nicht als eigentliche Polizeischulen angesehen werden. 2. G e s c h i c h t e der P o l i z e i s c h u l e n : Die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer besonderen fachlichen Vor- und Fortbildung der Polizeibeamten und ihrer Führer hat sich in Deutschland erst allmählich Bahn gebrochen. Überaus treffend hat ein Vorkämpfer des Polizeischulgedankens, Polizeischuldirektor B a r t e l s in der Zeitschrift „Die Polizei" 1928 S. 223, gelegentlich dahin sich ausgedrückt, daß es schwer sei, sich von den Widerständen, die es bei der Förderung der Berufsausbildung der Polizei zu überwinden galt, eine Vorstellung zu machen, „und selbst diejenigen, welche sie als Mitwirkende in vorderster Linie erlebten, glauben zu träumen oder an Gedächtnistäuschungen zu leiden, wenn sie jenes stillen aber um so
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erbitterteren Kampfes gedenken, den die Polizeischulen führen mußten, um sich durchzusetzen". Die Notwendigkeit einer planmäßigen Beschulung der Polizeibeamten ergab sich unter sicherheits- wie kriminalpolizeilichem Gesichtspunkt aus der P r a x i s , und zwar zunächst aus der Praxis der G e n d a r m e r i e . Diese konnte in ihrer Stellung als Landespolizei gegenüber der Ortspolizei und bei der weitgehenden Dislozierung der Beamten ihrer präventiven wie repressiven Polizeiaufgabe gegenüber den schwieriger werdenden wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zu Ausgang des letzten J a h r hunderts nicht mehr rein autoritär auf Grund ihrer militärischen Ausbildung, sondern nur mehr noch mit einem g e s c h u l t e n Personalbestand gerecht werden. So wurde 1878 die erste Gendarmerieschule in M ü n c h e n eröffnet, deren Lehrplan die polizeilich wichtigen Rechtsgebiete des Strafrechts und Verwaltungsrechts, aber auch gewisse allgemein bildende Fächer (Geschichte, Erdkunde, Deutsch) umfaßte. Es folgten die preußischen Gendarmerieschulen in Wo hl a u und E i n b e c k 1899, die zugleich sowohl f ü r das rechtliche wie allgemein bildende Lehrgut einen organisatorischen Fortschritt insofern bedeuteten, als sie besondere Lehrgänge f ü r Anwärter, zur Beförderung heranstehende Wachtmeister und auch Ausbildungsgelegenheit f ü r die Gendarmerieoffiziere vorsahen. Diese preußischen Schuleinrichtungen sind dann richtunggebend gewesen auch f ü r die Gendarmerieschulen in anderen deutschen Ländern. Die Einrichtung von Schulen f ü r die O r t s p o l i z e i (der Begriff der Landespolizei war damals ausschließlich mit der Gendarmerie verbunden) erfolgte erst später, und zwar zunächst f ü r die k o m m u n a l e n P o l i z e i e n der industriellen Gebiete. Auch hier war f ü r ihre Errichtung die Erfahrung maßgebend, daß die gegebenen Verhältnisse allmählich derartige Anforderungen in geistiger Beziehung an den „Schutzmann" stellten, daß ihnen in den hier und da eingerichteten Instruktionskursen nicht wirksam Rechnung getragen werden konnte. Es schlössen sich daher zunächst i m r h e i n i s c h - w e s t f ä l i s c h e n I n d u s t r i e g e b i e t — welches Gebiet in späterer Zeit bahnbrechend auch f ü r die seinerzeitige regionale Polizeiorganisation der sogenannte Ruhrpolizei werden sollte — die Stadt- und Landgemeinden zur Errichtung von Polizeischulen zusammen, die ihren im Heer disziplinar, körperlich und waffentechnisch vorgebildeten Exekutivbeamten eine planmäßige polizeifachliche Ausbildung gewähren sollten. Die älteste und bedeutendste dieser
Polizeischulen war die R h e i n i s c h e P o l i z e i s c h u l e i n D ü s s e l d o r f , die 1901 eröffnet wurde. Dem Beispiel der Rheinprovinz folgte der Kreis Recklinghausen mit der hier errichteten Polizeischule, und es folgten weiter Dortmund, Kottbus, Teltow u. a. Aufgabe all dieser Schulen war die theoretische und praktische Ausbildung (und Fortbildung) von Exekutivbeamten, teilweise auch von mittlerem (leitendem)Polizeipersonal in der Polizeifachkunde. Träger der Schulen waren im Gegensatz zu den staatlichen Gendarmerieschulen die Kommunen oder Kommunalverbände; die Kosten wurden — nach Abzug der Schulgelder — auf die beteiligten Verbände umgelegt. Ein Teil der Schulen (z. B. Düsseldorf) wurden als Internate geführt. Die Lehrpläne umfaßten das Gebiet des allgemein sicherheitspolizeilichen (uniformierten) wie des kriminellen Dienstes neben einer gewissen Fortbildung in Waffenausbildung und in allgemein bildenden Fächern. Die Lehrer waren im wesentlichen Praktiker des Polizeidienstes, sei es im Hauptamt oder nebenamtlich. Für die sogenannten ministeriell „ a n e r k a n n t e n " Schulen war eine Lehrgangsdauer von 3 Monaten vorgesehen. Daß den kommunalen Polizeischulen, die bis zum Kriege in allen größeren deutschen Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen) entstanden, die Erfahrungen der Gendarmerieschulen in größerem Umfange zu gute gekommen sind, ergibt sich personell auch daraus, daß beispielsweise ein Lehrer der Gendarmerieschule in Einbeck, Hauptmann von Dewitz, Leiter der Polizeischule in Düsseldorf wurde. Es ist deshalb durchaus berechtigt, die Gendarmerieschulen auch pädagogisch als ihre Vorläufer anzusehen. Bei den anerkannt guten Erfahrungen mit den Gendarmerieschulen und den kommunalen Polizeischulen nimmt es beinahe Wunder, daß die Einrichtung von Fachschulen f ü r die s t a a t l i c h e O r t s p o l i z e i so lange auf sich warten ließ. Man begnügte sich hier in weitem Umfange mit Kursen und Kommandos (vgl. die sogenannte Schutzmannsschule seit 1878 und die sogenannte Polizeiwachtmeisterschule seit 1895 in Berlin), und man kam organisatorisch vor dem Kriege eigentlich nur zu einer Schule f ü r die s t a a t l i c h e n P o l i z e i k o m m i s s a r e , d. h. der Anwärter f ü r den sogenannten mittleren Dienst bei der staatlichen Exekutivpolizei in der P o l i z e i s c h u l e H a n n o v e r , die 1905 unter Oberleitung des Polizeipräsidenten in Hannover eröffnet wurde. Rückblickend muß hier gesagt werden, daß man wahrscheinlich mit weniger Mitteln, und zwar sowohl beim uniformierten wie beim kriminellen Dienst erheblich mehr und Besseres erreicht hätte, wenn man auch
Polizeischule f ü r den staatlichen Polizeidienst vorbereitende und weiterführende Fachschulen in Deutschland eingerichtet hätte, wie das z. B. im Ausland (u. a. in England im Peel-House) geschah. Die ganze Stellung der Vollzugspolizei und ihrer Beamten im Rahmen des Dienstes der inneren Staatsverwaltung wäre dann wohl schon vor dem Kriege eine andere und der Polizeiaufgabe angemessenere gewesen. Die gesamten polizeilichen Verhältnisse und damit auch die Schulorganisation änderten sich grundlegend durch den Ausgang des Krieges. Die staatliche Ordnung war und blieb in den wirtschaftlichen und rechtlichen Kämpfen der Nachkriegszeit aufs äußerste gefährdet. Die allgemeine Kriminalität wuchs. Im Zusammenhang mit den veränderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen auch in den Nachbarländern nahm der verbrecherische Wille des Einzelnen wie der Massen zu. Das reisende Berufsverbrechertum, in seiner sozialen Struktur verändert und sich aller technischen Fortschritte der Neuzeit, insbesondere auch der verbesserten Verkehrsmittel, bedienend, wurde häufiger und erfolgreicher. Deshalb in allen Ländern Europas und auch in Deutschland die Notwendigkeit, den Sicherheitsdienst weitgehend in die staatliche Hand zu nehmen (Verstaatlichung kommunaler Polizeien), die Wirksamkeit der Polizei und insbesondere der Kriminalpolizei zu verbessern (Ausbau der zentralen Kriminalpolizeiämter) und endlich die einzelnen Polizeidienstzweige und -abteilungen auch organisatorisch enger zu verflechten und auf einander abzustimmen (straffere Führung der gesamten Polizei). Dabei waren die Verhältnisse in Deutschland besonders schwierig. Durch die Verminderung des Heeres fiel nicht nur dessen unmittelbare Auswirkung f ü r die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in weiterem Umfange fort, sondern es war infolge der uns auferlegten Umorganisation auch die bisher vorhandene Möglichkeit in weitem Umfange genommen worden, f ü r die Polizei disziplinär wie waffentechnisch vorgeschulte Anwärter aus dem Heere zu entnehmen. Andererseits waren gerade in Deutschland durch den inneren Umsturz die allgemeinen und sozialen Verhältnisse unter den wirtschaftlichen Auswirkungen des verlorenen Krieges unendlich schwieriger geworden. So mußten die Länder sich eine modern eingerichtete, voll leistungsfähige Polizei schaffen, die auch in ihrer Ausbildungsorganisation anders zu gestalten war als ehedem. Es darf hier daran erinnert werden, daß es langwieriger und schwieriger Verhandlungen des Reiches mit dem ehe-
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maligen Feindbund bedurft hat, bis nicht nur die zahlenmäßigen Voraussetzungen f ü r eine stark beschränkte deutsche Polizei (105000 staatliche Polizeibeamte, 35000 Gemeindepolizeibeamte, 17000 Gendarmeriebeamte) erfüllt waren, sondern auch f ü r ihre Organisation, Ausbildung und Ausrüstung das eben Notwendige erreicht werden konnte. Dabei hat auch diese neue Polizeiorganisation, die zuerst als Sicherheitspolizei ähnlich dem Heer auf beschränkte Dienstzeit — und damit auf dem Versorgungsanwärtersystem — aufgebaut war, manche Wandlung noch erfahren, zu der immer wieder der Feindbund uns zwang. So entwickelte sich bei den Polizeien der Länder eine in den Grundzügen ungefähr e i n h e i t l i c h e L a u f b a h n , die von der Bereitschaftspolizei den Anwärter zum Dienst in der Einzelpolizei des uniformierten Dienstes, in der Kriminalpolizei, in der Verwaltungspolizei, in der kommunalen Polizei und in der Gendarmerie f ü h r t . Dem hatte sich die n e u e r e P o l i z e i a u s b i l d u n g und d i e O r g a n i s a t i o n d e r P o l i z e i s c h u l e n anzupassen. Größere Freiheit im gegebenen Rahmen hat hier erst die deutsche nationalsozialistische Revolution gebracht, die auch den Polizeibeamten als einen „ S o l d a t e n d e r N a t i o n " beanspruchte und festlegte. Wenn grundsätzlich aus der Zeit des Versorgungsanwärtersystems in der neuen Polizei auch die sogenannte P o l i z e i b e r u f s s c h u l e (Fortbildung f ü r den späteren allgemeinen Beamten- oder freien Beruf) bestehen blieb, so deshalb, weil besondere fachliche Leistungen regelmäßig auch eine erweiterte allgemeine Bildung voraussetzen, weil im praktischen Beruf der Polizei der Aufstieg in Vorgesetztenstellen auch den allgemein weniger gut Vorgebildeten ermöglicht werden muß und weil schließlich bei frühzeitiger Polizeidienstunfähigkeit die Abschlußprüfungen der Berufsschule gewisse Anwartschaften eröffnen konnten. 3. D i e O r g a n i s a t i o n d e r n e u e r e n P o l i z e i a u s b i l d u n g : Nach der deutschen Staatsverfassung ist die Polizei Sache der Länder. Wenn auch das Reich auf Grund der Polizeisubvention einen gewissen Einfluß auf die Ausbildung und Ausrüstung der Polizeien genommen hat, so ist doch, nicht nur aus Gründen des verschiedenen Verwaltungsrechts (Polizeirechts), sondern auch in Hinblick auf das örtlich verschiedene Bedürfnis ein bodenständiger Charakter des Polizeibildungswesens im einzelnen festzustellen, wenn auch f ü r die höheren und technischen Schulen ein einheitliches Wirken im Reich in Anlehnung an die preußischen Schulen immer deutlicher zu Tage tritt.
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Die im vorigen Abschnitt erwähnten kommunalen Polizeischulen sind überall aufgehoben worden. Sie sind in Verbindung mit den Verstaatlichungen, aber auch im Hinblick auf den nunmehrigen Ersatz der Staatspolizei durch staatliche Schulen ersetzt worden, an denen gegebenenfalls auch die Fortbildung der Gemeindepolizei und insbesondere ihrer Führer erfolgt. Auch die staatlichen Gendarmerieschulen haben entweder einen fachlichen Umbau erfahren — in Preußen sind an Stelle der Schulen in Einbeck und Wohlau die in Allenstein und Trier getreten — oder sind mit den Schulen f ü r die Polizei zusammengelegt worden (Bayern, Württemberg, Baden und Hessen). Denn maßgebend für die moderne Polizei ist, wie schon bemerkt, heute ein viel engeres Zusammenwirken aller Polizeiarten (Polizei und Gendarmerie (Landjägerei); uniformierter Dienst und Kriminalpolizei, Verwaltungspolizei, Gemeindepolizei). Der Organisation der Polizeischulen als Länderschulen steht nicht entgegen, daß sich in Deutschland, sowohl aus fachlichen wie finanziellen Gründen, die Übung herausgebildet hat, daß gewisse höhere Ausbildung und gewisse Spezialausbildung vorzugsweise an einzelnen Schulen größerer Länder auch f ü r die anderen Länder gesucht wird, so am preußischen Polizeiinstitut Berlin-Charlottenburg und der Höh. Polizeischule Eiche bei Potsdam f ü r die obere Führung der Kriminalpolizei und insbes. der uniformierten Polizei, bei der preußischen Technischen Polizeischule Berlin f ü r Kraftfahrwesen und Fernmeldedienst, wie beim preußischen Landesamt f ü r Luftschntz, Technik und Verkehr Berlin f ü r Luftschutz und zusammenhängende Gebiete. Die nachfolgende Darstellung der Polizeischulorganisation folgt aus Zweckmäßigkeitsgründen der Laufbahnrichtlinie der neueren Polizei. a) D i e S c h u l u n g d e r u n i f o r m i e r t e n P o l i z e i (der sogenannten S c h u t z p o l i z e i ) : Die fachliche Gesamtausbildung der Schutzpolizei umfaßt K ö r p e r s c h u l u n g , W a f f e n a u s b i l d u n g , P o l i z e i f a c h u n t e r r i c h t und P o l i z e i v e r w e n d u n g (Polizeitaktik), wobei in den einzelnen Ländern und Stadtstaaten die von den Ministerien (Senaten) vorgeschriebenen Anforderungen auf den einzelnen Stufen der Ausbildung im einzelnen verschiedene sind. I m a l l g e m e i n e n können die preußischen Vorschriften (Vorschriften f ü r die staatliche Polizei Preußens, Verlag Kameradschaft Berlin) als richtunggebend angesehen werden. In Preußen erfolgt die erste Ausbildung der Polizeianwärter und ebenso die abschließende fachliche Vorbereitung f ü r den Einzeldienst (wie der sogenannte Be-
förderungskurs) auf den 10 P r o v i n z i a l polizeischulen. Anderwärts findet die erste Ausbildung der Anwärter in der L e h r h u n d e r t s c h a f t (in der Stammabteilung) und die weitere Ausbildung (einschließlich Beförderungsprüfung) auf einer besonderen P o l i z e i f a c h s c h u l e statt (Polizeifachschule in Stuttgart, dem dortigen Polizeipräsidium angegliedert; Gendarmerie- und Polizeischule Fürstenfeldbruck bei München). Wieder anderwärts umfaßt die P o l i z e i s c h u l e V o r s c h u l e u n d F o r t b i l d u n g s s c h u l e (Polizeiund Gendarmerieschule Karlsruhe, Landespolizeischuie Darmstadt, Thüringer Polizeischule Sondershausen), oder n u r d i e V o r s c h u l e (Landespolizeischule Meißen, Polizeischule Schwerin), oder n u r d i e f a c h l i c h e und allgemeinbildende Fortbildung (Polizeischule Hamburg und Bremen). Es ist dabei zu beachten, daß naturgemäß während der Bereitschaftsdienstzeit in allen (kasernierten) Bereitschaften neben der praktischen Dienstausübung auch eine theoretische Weiterbildung der jungen Polizeibeamten statthat, so daß diese Bereitschaften gewissermaßen zugleich als Ausbildungskörper angesehen werden können und müssen. Innerhalb der genannten polizeifachlichen Lehrgebiete (Körperschulung, Waffenausbildung, Polizeifachunterricht, Polizeitaktik) enthalten die herausgegebenen Vorschriften' im allgemeinen den verlangten Lehrstoff und das Lehrziel; die Stundenzahl und der Lehrplan ist im einzelnen verschieden. Nur vereinzelt sind die Lehrpläne in Verbindung mit den Prüfungsplänen veröffentlicht. Dabei ist insbesondere vom hier zu beachtenden pädagogischen Standpunkt die Frage von einschneidender Bedeutung, inwieweit schon dem jungen Polizeibeamten R e c h t s k e n n t n i s s e im einzelnen, sowohl auf allgemein sicherheitspolizeilichem wie auch auf kriminalpolizeilichem Gebiet, zu übermitteln sind, bevor er Gelegenheit gehabt hat, im Einzeldienst sich eine praktische Anschauung des Polizeidienstes zu verschaffen. Der schon erwähnte P o l i z e i b e r u f s - . U n t e r r i c h t (Staatsbürgerkunde, Deutsch, Geschichte, Rechnen und Geographie) wird im allgemeinen w ä h r e n d d e r D i e n s t z e i t in d e r B e r e i t s c h a f t durchgeführt. Angestrebt wird heute die enge Verbindung des Polizeiberufsunterrichts mit dem polizeilichen Fachunterricht. Regelmäßig geht die sogenannte Abschlußprüfung I dieses Berufsunterrichts deshalb dem Abschlußkurs f ü r den Einzeldienst voraus. Beachtlich ist, daß die Fortbildung f ü r die sogenannte Abschlußprüfung II des Polizeiberufsunterrichts — schon der Kosten wegen — neuerdings erheblich eingeschränkt
Polizeischule und hierfür vereinzelt nach ausländischem Muster ein Fernunterricht (so z. B. in Baden) eingerichtet worden ist. Besondere Aufmerksamkeit wird in allen Ländern der Ausbildung der P o l i z e i o f f i z i e r e in der Schutzpolizei gewidmet. Die Berufsstellung der Polizeioffiziere in der heutigen Gestalt ist neu. Der Polizeioffizier soll nicht nur in nationaler Einstellung wie in dienstlichem Wissen wahrhaft Führer der ihm unterstellten Beamten sein, sondern auch nach seiner ganzen Persönlichkeit (auch charakterlich) seiner Stellung als Leiter i n s b e s o n d e r e geschlossener P o l i z e i k ö r p e r voll entsprechen. Im allgemeinen werden nur Abiturienten als Polizeioffizieranwärter eingestellt, es soll aber die Laufbahn auch anderen Polizeibeamten offen stehen, die sich neben der sonstigen persönlichen und fachlichen Eignung eine entsprechende Allgemeinbildung erwerben. Die erste Ausbildung des Offiziers erfolgt überall zusammen mit den übrigen Anwärtern. Nach entsprechender theoretischer und praktischer Ausbildung wird in den einzelnen Ländern (namentlich den größeren) von den als geeignet beurteilten Offizieranwärtern eine b e s o n d e r e L e u t n a n t s p r ü f u n g verlangt. Preußen und andere Länder (Anhalt, Braunschweig, Lübeck und Mecklenburg regelmäßig) entsenden ihre Anwärter hierzu zur H ö h e r e n P o l i z e i s c h u l e E i c h e bei Potsdam. Der Ausbildungskurs in Eiche dauert 9 Monate, vor seinem Besuch wird in Preußen ein 3monatlicher Kurs an der P o l i z e i s c h u l e für Waffendienst-und Körperschulung in Spandau absolviert. Die weitere Ausbildung der Polizeioffiziere f ü h r t über weitere Kurse (Hauptmannsprüfungen in einer Reihe von Ländern) zum P o l i z e i m a j o r s a n w ä r t e r k u r s in Eiche (4 Monate), der ebenfalls nicht nur aus Preußen, sondern steigend auch aus anderen Ländern beschickt wird. Die Höhere Polizeischule in Eiche stellt sich hiermit als d i e hauptsächliche deutsche Führerschule f ü r die unif o r m i e r e P o l i z e i dar. Neben der Höh. Polizeischule Eiche besteht als fachwissenschaftliche Zentrale f ü r K r i m i n a l p o l i z e i einschließlich Verwaltungspolizei das preuß. P o l i z e i - I n s t i t u t in Berlin-Charlottenburg, das neben der Fortbildungstätigkeit f ü r Beamte der genannten Polizeidienstz w e i g e (leitende Beamte der Kriminalpolizei, obere Wirtschaftsbeamte der Polizeiverwaltung) — entsprechend der Tätigkeit ähnlicher Polizeiakademieen im Ausland — zugleich eine wissenschaftliche Forschungstätigkeit auf dem gesamten Polizeigebiet ausgenommen Schutzpolizei ausübt.
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Neben dem Polizeiinstitut besteht f ü r die Ausbildung und Fortbildung der Polizei in den t e c h n i s c h e n S p e z i a l d i e n s t z w e i g e n — Kraftfahrdienst, Fernmeldedienst und technischem Verwaltungsdienst — die preußische T e c h n i s c h e P o l i z e i s c h u l e in Berlin, die f ü r diese S p e z i a l d i e n s t z w e i g e der Polizei in Deutschland dieselbe zentrale, überstaatliche Stellung erlangt hat wie Höhere Polizeischule und Polizeiinstitut. Denn die moderne Polizei hat sich naturgemäß auch aller technischen Fortschritte bedienen müssen und ist demgemäß mit technischem Gerät (soweit durch den Friedensvertrag zugelassen 1) ausgestattet, um f ü r die rasche Verwendbarkeit und f ü r den modernen Nachrichtenverkehr den heutigen Anforderungen gewachsen zu sein. Das technische Sonderdienstpersonal wird regelmäßig schon aus dem Bereitschaftsdienst f ü r diese Sonderzweige herausgezogen. (Auch der Polizeiberufsunterricht nimmt auf die allgemeine technische Ausbildung dieser Beamten Rücksicht). Schon aus finanziellen Gründen war es aber unmöglich, besondere technische Schulen hierfür namentlich in den kleineren Ländern zu schaffen, obwohl auch hierauf bei der Schulorganisation der Länder Rücksicht genommen wurde (namentlich bei der Ausbildung der Polizeikraftfahrer). Insbesondere liegt der Technischen Polizeischule Berlin auch die Ausbildung und Weiterbildung d e r l e i t e n d e n B e a m t e n in diesen Dienstzweigen ob. Auch eine gewisse Prüfungs- und Versuchstätigkeit f ü r technisches Polizeigerät ü b t die Anstalt aus. Als eine Sonderfachschule, deren Wirksamkeit ebenfalls über Preußen hinausreicht, sei ferner hier genannt die P o l i z e i s c h u l e für Waffendienst und Körperschulung in Spandau, die der körperlichen Ertüchtigung der Polizei und insbesondere ihrer Lehrer auf dem Gebiet des Waffengebrauchs und der Taktik sowie der Körperausbildung dient. Als weitere zentrale Schulungsstätte f ü r den L u f t s c h u t z und die L u f t p o l i z e i steht der Polizei heute die L u f t s c h u t z und L u f t p o l i z e i s c h u l e in Berlin mit der ihr angegliederten Hauptbildstelle f ü r polizeiliche Zwecke zur Verfügung. Neben diesen besonderen Schulen sind als Sonderfachschulen der Polizei noch anzuführen die S a n i t ä t s f a c h s c h u l e B e r l i n (Sonderausbildung der im Sanitätsdienst der Polizei verwendeten Beamten) und d i e Polizeischule für Hufbeschlag Berlin (Sonderausbildung der im Hufbeschlagdienst der Polizei verwendeten Beamten), die beide f ü r die gesamte staatliche Polizei Preußens bestimmt sind.
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Die Sonderausbildung f ü r die H a f e n und Schiffahrts(Wasser-)schutzpolizei besorgte bisher die Schule des (inzwischen aufgehobenen) Reichswasserschutzes in Spandau, die Ausbildung erfolgt nunmehr bei der Technischen Polizeischule Berlin in Verbindung mit der Polizeiverwaltung in Stettin; in Hamburg erfolgt sie z. B. auf der Seefahrtschule usw.. Die R e i t a u s b i l d u n g d e r P o l i z e i erfolgt regelmäßig dezentralisiert bei den berittenen Bereitschaften, nur in einzelnen Ländern und insbesondere f ü r die Offiziersreitausbildung sind eigene Einrichtungen vorgesehen. Für die Ausbildung als D i e n s t h u n d e f ü h r e r bestehen, wie hier der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden soll, in verschiedenen Ländern besondere Einrichtungen (die preußische Zucht- und Abrichteanstalt f ü r Polizeihunde in Grünheide bei Berlin, die sächsische Zucht- und Abrichteanstalt f ü r Polizeihunde in Dresden-Albrechtstadt und die der Polizei- und Gendarmerieschule in Karlsruhe angegliederte Polizeihundeschule). Vgl. d. Art. Polizeihunde. b) D i e A u s b i l d u n g d e r K r i m i n a l p o l i z e i : Es ist schon erwähnt worden, daß die Kriminalpolizei sich heute — von Ausnahmen abgesehen auch in Vorgesetztenstellen — aus der uniformirten Polizei (Schutzpolizei) rekrutiert. Für den Übergang zum Kriminal- und Fahndungsdienst haben alle Länder bestimmte Grundsätze (mindestens 8 J a h r e Dienstzeit) aufgestellt, die den Übertritt der Anwärter regeln. Der Anwärter hat so regelmäßig die Ausbildung erfahren, die f ü r den Dienst in der E i n z e l p o l i z e i Voraussetzung ist. Andererseits bedingen die Anforderungen, die der Kriminaldienst heute sowohl allgemein wie insbesondere kriminaltechnisch stellt, e i n e b e s o n d e r e F a c h a u s b i l d u n g . Überschaut man den Aufbau der besonderen Schulung f ü r den Kriminalbeamten in Deutschland, so hat man — insbesondere gegenüber den Verhältnissen in außerdeutschen Ländern — den Eindruck, als ob es um die Schulung des uniformierten Dienstes weit besser gestellt sei. Es ist indessen zu beachten, daß der Kriminaldienst, wenn auch vorhandene Anlagen schulmäßig zu entwickeln sind, doch immer i n d e r P e r s ö n l i c h k e i t des B e a m t e n e t w a s E i g e n e s u n d i n d i v i d u e l l S c h ö p f e r i s c h e s voraussetzt, insbesondere beim leitenden Kriminalbeamten. Sodann hat die moderne Kriminaltechnik (sogenannte police scientifique) gegenüber vor allem dem schweren und berufsmäßigen Verbrechertum in den L a n d e s k r i m i n a l p o l i z e i s t e i l e n und - ä m t e r n besondere Abwehrorganisationen entwickelt,
deren Erfahrungen und Praxis in weitem Umfange auch in den Dienst der Schulung des Beamten durch K o m m a n d o und S p e z i a l k u r s e (Daktyloskopie, sonstige Spurenkunde, Photographie usw.) zu stellen sind. So ergibt sich f ü r die Ausbildung folgendes Bild: Die Zuteilung zur Kriminalpolizei erfolgt zunächst p r o b e w e i s e und die Einführung erfolgt an Hand der Praxis. Die endgültige Übernahme in den Kriminaldienst, jedenfalls aber die Übernahme in Vorgesetztenstellen ist regelmäßig abhängig von dem erfolgreichen Besuch von besonderen Kursen (Beförderungskursen), die heute in den meisten Ländern an den P o l i z e i f a c h s c h u l e n abgehalten werden (Baden, Hamburg, Hessen, Würtemberg). Daneben erfolgen Spezialkurse und Kommandos zu den Landeskriminalpolizeistellen und -ämtern. Erhöhte Aufmerksamkeit wird — ähnlich wie bei der uniformierten Polizei — der Führerausbildung der oberen leitenden Kriminalbeamten zugewendet. Für sie finden Prüfungs- und Fortbildungskurse, auch unter Beteiligung außerpreußischer Länder, beim Polizei-Institut Berlin-Charlottenburg s t a t t . Bezüglich der kürzlichen Neuregelung der Ausbildung der Kriminalpolizei in P r e u ß e n s. d. Art. Ausbildung des Kriminalbeamten. c) D i e A u s b i l d u n g d e s P o l i z e i v e r w a l t u n g s d i e n s t e s : Die zahlenmäßige Vermehrung und die mehr truppenmäßige Organisation der modernen Polizei hat f ü r die Polizeiverwaltung die Ausbildung und Verwendung sogenannter o b e r e r P o l i z e i v e r w a l t u n g s b e a m t e r insbesondere im W i r t schafts-, Kassen- und Rechnungsw e s e n nötig gemacht. Auch die Anwärter dieser Verwaltungszweige werden — vorbehaltlich Ausnahmen — aus dem uniformierten Dienst entnommen. Ihre Laufbahn erfordert neben erhöhter Allgemeinbildung (Abschlußprüfung II) besondere praktische Einführung (Vorbereitungszeit) und Ablegung besonderer Prüfungen. Diese Prüfungen finden teilweise als sogenannte Obersekretärsprüfung f ü r den gehobenen Verwaltungsdienst s t a t t ; einzelne Länder haben zur Ausbildung Spezialkurse an ihren Polizeifachschulen vorgesehen. Die weitere Fortbildungsmöglichkeit bietet auch hier das Polizei-Institut Berlin-Charlottenburg. In den einfachen (nicht gehobenen) Polizeiverwaltungsdienst ist die Übernahme auf Grund der Polizeiberufsschulprüfung möglich. d) D i e A u s b i l d u n g d e r G e n d a r m e r i e ( L a n d j ä g e r e i — s. d. Art.): Die Gründe, die seinerzeit zu einer besonderen fachlichen Ausbildung der Gendarmerie geführt haben, bestehen naturgemäß auch heute noch unverändert fort. Denn auch heute muß der Gendarmeriebeamte, abgesehen von Sonder-
Polizeischule aufgaben im geschlossenen Einsatz wie im Luftschutz, g r u n d s ä t z l i c h a l s Individ u a l b e a m t e r für den allgemeinen Sicherheitsdienst, den Kriminaldienst und den exekutiven Verwaltungsdienst ausgebildet sein. e) D i e A u s b i l d u n g d e r G e m e i n d e p o l i z e i : Soweit nicht nach dem Kriege Verstaatlichungen der früher kommunalen Polizeien erfolgt sind, ergänzt sich heute die Gemeindepolizei weitgehend aus Angehörigen der staatlichen Polizei (insbesondere auch Versorgungsanwärtern der Schutzpolizei). f ) E i g e n e F o r t b i l d u n g der B e a m t e n : Die Besprechung der Organisation des mo-
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dernen Polizeibildungswesens wäre unvollständig, wenn nicht auch der für den Sicherheitsdienst besonders vorgesehenen und dienstlich gehaltenen Fachzeits c h r i f t e n gedacht würde, die der fachlichen Weiterbildung durch eigene Arbeit zu gute kommen. Zu erwähnen sind hier endlich auch noch die S p o r t v e r e i n i g u n g e n der deutschen Polizeien, die sich neben der bereits erwähnten Polizeischule für Waffendienst und Körperschulung in Spandau um die körperliche Aus- und Fortbildung der Beamten im einheitlichen Rahmen des deutschen Sports große Verdienste erworben haben.
IV. V e r z e i c h n i s der d e u t s c h e n P o l i z e i s c h u l e n : Polizeischule Dessau Polizei- und Gendarmerieschule Karlsruhe Gendarmerie- und Polizeischule Fürstenfeldbruck Polizeivorschule Eichstätt und Bamberg Braunschweig Polizeischule Holzminden Bremen Polizeischule Bremen Hamburg Hamburg Polizeischule Hessen Landespolizeischule Darmstadt Mecklenburg Polizeischule Schwerin Preußen Polizeiinstitut Berlin-Charlottenburg Höhere Polizeischule Eiche bei Potsdam Technische Polizeischule Berlin Luftschutz- und Luftpolizeischule Berlin Polizeischule für Waffendienst Spandau und Körperschulung Wasserschutzpolizeischule Stettin Sanitätsfachschule Berlin Polizeischule für Hufbeschlag Berlin Polizeiprovinzialschulen Sensburg Brandenburg a. H. Treptow a. d. R. Frankenstein Burg Kiel Hildesheim Münster Hann.-Münden Bonn Alienstein Landjägereischulen Trier Meißen Sachsen Landespolizeischule Thüringen Polizeischule Sondershausen Württemberg Polizeifachschule Stuttgart Ellwangen und Ludwigsburg. Polizeischulabteilung D e g e n h a r d t (vgl. besonders die JubiSchrifttum: läumsnummer der Zeitschrift „ D i e Polizei" Eine zusammenfassende Darstellung des deutvom 10. IV. 1928); B l a n k e n h o r n , Verschen Polizeischulwesens fehlt. antwortung im Dienst der uniformierten Zur kommunalen Polizeischule: Lasch, Polizei, Deutsch. Polizei-Arch. 1929, Nr. 10 Polizeischulen, in Handwörterb. f. Komu. 11; v a n d e n B e r g h , Neuzeitliche munalwissensch. I I I , 480ff., Verlag Gustav Polizeiausbildung, Die Polizei 1930, Nr. 11; Fischer, Jena 1924, und M o s t , ebenda, H a g e m a n n , Was der Kriminalpolizei notErg.-Bd., S. 1052, Jena 1927. tut, in Kriminalist. Monatsheften, H e f t 3 f f . ; Zum neueren Polizeibildungswesen: van B a r c k , Die Selbstfortbildung der Sicherd e n B e r g h , Der Polizei-Fachunterricht, heitspolizeibeamten insbesondere auf den Berlin, Kameradschaftsverlag. — O e h l e r , Gebieten des allgemeinen Wissens, DeutPolizeibildungswesen, Lexikon d. Pädsches Polizei-Arch. 1928, Nr. 3 und agogik d. Gegenwart, Bd. II, Sp. 581 ff., v. H a e h l i n g , Polizeiberufsschule, in DeutVerlag Herder, Freiburg 1932. sches Polizei-Arch. 1928, Nr. 19ff. Ferner zahlreiche Aufsätze in den Fachzeitschriften insbesondere von B a r t e l s und Lothar Barck. Anhalt Baden Bayern
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Polizeistatistik
Polizeistatistik. I. Die Polizeistatistik — im Sinne einer Statistik der Sicherheitspolizei — hat die A u f g a b e , die mannigfache Tätigkeit der uniformierten Exekutive wie der Kriminalpolizei zahlenmäßig darzustellen. Sie soll dabei unter besonderer Berücksichtigung der Zusammensetzung, der Leistungen und Erfolge der Polizei möglichst allen Gesichtspunkten Rechnung tragen, die f ü r die organisatorischen, repressiven und präventiven Maßnahmen der an der Bekämpfung des Verbrechertums beteiligten Behörden einerseits wie für die wissenschaftliche Durchdringung des Kriminalitätsproblems andererseits von maßgebender Bedeutung sind. In dem weitverzweigten System der gesamten wissenschaftlichen Statistik bildet die „kriminalpolizeiliche Statistik", wie sie in Folgendem derKürze halber bezeichnet werden soll, einen wesentlichen Bestandteil der „Kriminalstatistik im weiteren Sinne" (s. d. Art. Kriminalstatistik, S. 27 d. Bandes). Im Gegensatz zu anderen Zweigen des umfangreichen Gebietes der „Kriminalstatistik im weiteren Sinne", über die im allgemeinen ein reichhaltiges Schrifttum vorliegt, bewegt sich die wissenschaftliche Forschung •über die theoretische Polizeistatistik bisher leider noch in recht engen Grenzen. Von d e u t s c h e r S e i t e ist dieses Problem auf breiter Basis in erster Linie von G. v o n M a y r in einer — jetzt allerdings schon historischen— Spezialuntersuchung über „Die Statistik der gerichtlichen Polizei im Königreiche Bayern und in einigen anderen Ländern" (s. Schrifttum) sowie in mehreren Kapiteln seines grundlegenden Werkes „Moralstatistik" dargelegt worden. Nächst ihm hat sich m. W. — wenigstens in ausführlicher Weise — in Deutschland nur noch Z a h n in einem Bericht f ü r den „Premier Congrès de Police Iudiciaire Internationale", der im Jahre 1914 in Monaco stattgefunden hat, mit den „Aufgaben und Leistungen der Polizeistatistik" (s. Schrifttum) beschäftigt. Es werden darin die Aufgaben der Polizeistatistik, ihre tatsächliche Entwicklung in Deutschland und anderen Kulturstaaten vor dem Kriege sowie ihre mögliche und wünschenswerte Ausgestaltung behandelt. Nach den Ausführungen der beiden vorgenannten Autoren gliedert sich das Gesamtgebiet der kriminalpolizeilichen Statistik in folgende vier Hauptgruppen: 1. Statistik der Organisation und Technik des Polizeidienstes; 2. Statistik der gerichtlichen Polizei im engeren Sinne; 3. Statistik der polizeilichen Strafverfügungen ; 4. Statistik der polizeilichen Vorbeugungen gegenüber kriminellen und anderen asozialen Bevölkerungsklassen.
Von a u s l ä n d i s c h e n A u t o r e n hat in jüngster Zeit der Amerikaner Bennet M e a d (United States Bureau of Census) einen sehr beachtenswerten Beitrag über Polizeistatistik geliefert. Seine statistischen Forderungen über den Inhalt und die Aufgaben einer Polizeistatistik sind zwar auf die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika abgestellt, sie besitzen aber auch f ü r große europäische Polizeiverwaltungen Gültigkeit. Aus dem Kapitel „Classes and Functions of Police Statistics" sind hier folgende Ausführungen von besonderem Interesse: „The existing statistical data compiled by the police include the following principal classes: (1) Number and types of offenses known to the police; (2) offenses cleared, by arrest of the offender or otherwise; (3) persons arrested or charged, and their disposition; (4) property stolen and recovered; (5) personnel: size, character, and distribution; (6) type and extent of equipment; and, (7) cost of conducting work. The principal purposes served by police statistics are, as follows: (1) To show the prevalence of crime during a given period, such as a month, a quarter, or a year, in each city and state, and in the country as a whole; (2) to show the trend of crime in each geographic area during successive periods, that is, to measure the increases or decreases which occur monthly, quarterly, or yearly; (3) to measure the results accomplished by the police in dealing with crime; (4) to furnish data concerning the characteristics of offenders and their social and economic condition; (5) to show, in part, the economic loss resulting from crime, and the cost of conducting police work" (a. a. O. S. 74). Auch die polizeistatistischen Darlegungen von zwei weiteren amerikanischen Forschern — Sam B. W a r n e r (a. a. O. S. 32ff.) und Audrey M. D a vi es (a. a. O. S. 357ff.) — sowie das von der „International Association of Chiefs of Police" herausgegebene Werk „Uniform crime reporting" (A complete manual for police, New York 1929) verdienen im Rahmen dieses Aufsatzes erwähnt zu werden. II. Das t h e o r e t i s c h e F o r s c h u n g s ziel der verschiedenen polizeistatistischen Gebiete ist — in erster Linie auf deutsche Verhältnisse bezogen — im einzelnen folgendes: 1. Die O r g a n i s a t i o n s s t a t i s t i k wird ein möglichst differenziertes Zahlenbild von dem Aufbau, der Zusammensetzung und dem Personalbestand der Polizei- und Sicherheitsbehörden geben müssen, wie es — um nur ein Beispiel anzuführen — H a g e m a n n in dem Art. Kriminalpolizei in schematisch er Darstellung über die Organisation der Ber-
Polizeistatistik liner Kriminalpolizei („Abteilung K " ) getan h a t (s. Bd. I S. 886). Weiterhin werden zahlenmäßige Nachweisungen über die technischen L e i s t u n g e n dieser Behörden i m a l l g e m e i n e n , und zwar über die im Beobachtungszeitraum durchgeführten Polizeistreifen (Razzien, Sonderstreifen), Alarmierungen der Überfallkommandos, die eingegangenen Anzeigen (aufgegliedert nach einzelnen strafbaren Handlungen), die Fahndungsergebnisse durch die Fremdenkontrollen unter Berücksichtigung der angewandten Hilfsmittel (wie Steckbriefregister, -kartei, Einwohnermelderegister), über Festnahmen, Verhaftungen, Sistierungen, sowie der Fälle des Gebrauchs der Schußwaffe zu liefern sein. Schließlich gehören zu dieser Gruppe im speziellen noch statistische Ermittlungen über die positiven oder negativen Ergebnisse der zahlreichen Maßnahmen des Fahndungswesens (s. d. Art. sowie den Art. Kriminaltechnik), da diese besonders geeignete Unterlagen f ü r eine zielbewußte und erfolgversprechende Kriminalpolitik bilden. In der Hauptsache kommen in Betracht statistische Feststellungen auf dem Gebiet des Erkennungsdienstes über die Zahl der verschiedenen anthropometrischen und daktyloskopischen Maßnahmen, der Lichtbildaufnahmen (von lebenden Personen, Leichen, Tatorten, Fingerabdrücken, Fußspuren, Schriftstücken, Bildern u. dgl.), der polizeilaboratorischen — optischen und chemischen — Untersuchungen (von Kleidungsstücken, Flüssigkeiten, Blutproben, Haaren, Schußwaffen, Patronenhülsen u. a.), der Tätigkeit der Handschriftensammlung unter besonderer Angabe der angefertigten Handschriftengutachten, der Anwendung des Moulageverfahrens sowie des Einsatzes von Polizeihunden und ihrer Erfolge. Es ist ferner nachzuweisen der jeweilige Bilderbestand des Verbrecheralbums, der Umfang seiner Einsichtnahme durch das Publikum nebst Erfolgsergebnissen, die Zahl der Beschlagnahmen und Durchsuchungen, die Zahl der auf Grund der Steckbriefkarteien ermittelten Personen sowie die Inanspruchnahme des Polizeifunks durch den Erkennungsdienst. Auch Tabellen über die Zahl der während eines bestimmten Zeitraums als vermißt gemeldeten Personen — aufgegliedert nach ihrem Alter, dem Geschlecht und den Gründen des Verschwindens — sowie der aufgefundenen unbekannten Toten unter Angabe ihres Identifizierungsergebnisses sind in einer gut ausgebauten Polizeistatistik kaum zu entbehren. Sofern bei Polizeiverwaltungen Zentralstellen z. B. zur Bekämpfung von Geldfälschungen oder von unzüchtigen Schriften,
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Bildern und Inseraten, Zigeunerpolizeistellen, Sammelstellen f ü r Glücksspiele, Lotterieen und Ausspielungen eingerichtet sind, ist natürlich auch deren Tätigkeit in die Polizeistatistik einzubeziehen. Das Forschungsziel dieser polizeistatistischen Hauptgruppe hat sich m. E. schließlich noch auf Maßnahmen der Kriminalpolizei zur Verhütung von strafbaren Handlungen zu erstrecken. Es wäre in dieser Hinsicht beispielsweise eine Statistik zu führen über die vielseitige Tätigkeit und Inanspruchnahme von Kriminalberatungsstellen (vgl. hierzu „Die Berliner Kriminalberatungsstelle" von Kriminalpolizeirat H. G e i ß e l , Kriminalistische Monatshefte, Berlin, 4. Jahrg. 1930, Heft 4, S. 86 sowie von demselben Verfasser die aufschlußreiche Schrift „ H ü t e Dich. Das Büchlein zur Schadenverhütung", BerlinTempelhof 1930) oder — noch spezieller — etwa von Betrugsberatungsstellen (vgl. Kriminalpolizeirat N i t s c h e , Einrichtung und Tätigkeit einer Betrugsberatungsstelle in Köln. Kriminalistische Monatshefte, Berlin, 4. Jg. 1930, Heft 3, S. 65). Da die in diesem Abschnitt besprochenen Zahlennachweise fast durchgängig g e s c h ä f t s s t a t i s t i s c h e n Charakter tragen und ihre Ergebnisse somit einen tiefen Einblick in das Funktionieren und in das Maß der Inanspruchnahme des vielseitigen und weitverästelten Polizeiapparates gewähren, sind sie vor allem f ü r die leitenden Amtsstellen von großem Nutzen, um danach die Tätigkeit der einzelnen Dienststellen, ihren Bedarf an Personal und dessen nach den jeweiligen Erfordernissen zweckmäßigste Verwendung richtig beurteilen zu können. 2. Die zweite Hauptgruppe der kriminalpolizeilichen Statistik, d i e „ S t a t i s t i k d e r g e r i c h t l i c h e n P o l i z e i im e n g e r e n S i n n e " , umfaßt den „Inbegriff aller polizeilichen „Vorfeststellungen" als der Vorgänger der evtl. anschließenden gerichtlichen, auch die staatsanwaltschaftliche Betätigung einschließenden Vorfeststellungen" (v. M a y r , a. a. O., S. 452). Sie stellt hiermit als Ergänzung der Statistik der Strafrechtspflege den bedeutsamsten Teil der Polizeistatistik dar. Zu ihren Aufgaben gehören zunächst fortlaufende statistische Ermittlungen über die Zahl der vorgekommenen strafbaren Handlungen im allgemeinen als im besonderen lückenlose Feststellungen über die Erscheinungsformen der schweren und schwersten Kriminalität, wie Mord, Totschlag, Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, Raub und räuberische Erpressung, Diebstahl, gewaltsame Unzucht und Notzucht, unzüchtige Handlungen mit Kindern, Brandstiftung, Münzverbrechen und Vorbereitungen dazu, wie sie etwa in dem
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seit mehreren Jahren vom Preußischen Ministerium des Innern herausgegebenen „Wegweiser durch die Polizei" (s. u.) ausgewiesen werden. Wie groß das Bedürfnis nach einer zahlenmäßigen Feststellung der jährlich vorkommenden Fälle von Mord und Totschlag oder der Fälle von Tötungen durch fremde Hand ist, kennzeichnet die Tatsache, daß hauptsächlich in denjenigen Ländern, die über eine einschlägige Polizeistatistik nicht verfügen, als Surrogat die Ergebnisse der allgemeinen Todesursachen-Statistik herangezogen werden. Im Hinblick auf die in einem späteren Abschnitt (s. S. 359/60) zu behandelnde Zahl der durch Mord oder Totschlag ums Leben gekommenen Personen erscheint es zur richtigen Würdigung dieser Ergebnisse gerechtfertigt, schon hier das diesbezügliche Beobachtungsfeld der Todesursachen-Statistik näher zu skizzieren. Zu den Fällen von M o r d u n d T o t s c h l a g werden methodisch von der TodesursachenStatistik a l l e F ä l l e gerechnet, in denen Personen rechtswidrig und vorsätzlich körperlich derart geschädigt werden, daß diese Schädigung den Verlust des Lebens nach sich zieht, gleichviel, ob die Tötung beabsichtigt war oder nicht. Gezählt werden danach alle Fälle von rechtswidriger vorsätzlicher Tötung (Mord und Totschlag in engerem Sinne), aber auch von vorsätzlicher Körperverletzung mit tödlichem Ausgang, ferner alle Fälle von aufgefundenen, zumeist unbekannten Kindesleichen, selbst wenn die Tötung, wie das vielfach der Fall ist, nicht mehr einwandfrei nachgewiesen worden ist. Denn unzweifelhaft handelt es sich hier in der großen Mehrzahl der Fälle um einen gewaltsamen Tod Lebendgeborener; die wenigen Fälle, in denen vielleicht unter der Geburt oder kurz nachher eines natürlichen Todes gestorbene Kinder hier mitgezählt werden, bilden nur einen schwachen Ausgleich gegen weit zahlreichere Fälle, die der statistischen Erfassung entgehen, weil sie durch Vergraben, Verbrennen oder Vernichtung auf mannigfache andere Art der Entdeckung entzogen worden sind. N i c h t m i t g e z ä h l t werden dagegen fahrlässige Tötungen sowie Tötungen in Notwehr, da bei ersteren der Vorsatz, bei letzteren die Rechtswidrigkeit fehlt. Ebenso werden auch Tötungen mit freiwilliger Zustimmung des Getöteten nicht hierhin, sondern zu Selbstmord gezählt, wenn es sich nach den Tatumständen erwiesenermaßen um gemeinsamen Selbstmord handelt. Im übrigen bef a ß t sich die Todesursachenstatistik — ihrer Aufgabe gemäß — fast ausschließlich mit der Person des Getöteten und berücksichtigt bei der Tat nur die Art und Weise der Ausführung; die übrigen Begleitumstände sowie die Person des Täters sind höchstens noch insofern von Bedeutung, als es zur Abgrenzung
von den anderen gewaltsamen Todesursachen, Selbstmord und tödlichen Unfällen, erforderlich ist (vgl. Medizinalstatistische Nachrichten. Herausgegeben vom Preußischen Statistischen Landesamt, Berlin, 16. J a h r g . 1929, 3. Heft, S. 223). Die nach vorstehenden Gesichtspunkten gewonnenen Ergebnisse sind insofern von besonderem teils moralstatistischem, teils kriminologischem Interesse, weil sie in der deutschen wie auch ausländischen Statistik meist eine Altersabstufung der hier in Frage stehenden Sterbegefahr zum Ausdruck bringen und weiterhin über die Tötungsmittel (ob die zum Tode führende Tat durch Feuerwaffen oder durch schneidende sowie stechende Instrumente ausgeführt worden ist) Aufschluß geben, vor allem aber weil sie sich mit den Opfern der Kapitalverbrechen befassen im Gegensatz zur Kriminalstatistik, die sich in erster Linie mit deren Tätern beschäftigt. Vom Standpunkt der Kriminal- bzw. Polizeistatistik aus ist nicht nur die Zahl der festgestellten strafbaren Handlungen, sondern auch die Zahl der nicht entdeckten Täter von großer Bedeutung. „Moralstatistische Untersuchungen", so führte G. v. M a y r bereits Ende der sechziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts aus, „dürfen niemals ausschließlich auf die Statistik der abgeurteilten Reate gegründet werden, sondern müssen, soweit dies nur möglich ist, die Gesamtheit der konstatierten Rechtsverletzungen zum Ausgangspunkt nehmen". (Vgl. Heft X I X der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern S. XLVIII.) Geraume Zeit später hat er diese Frage an anderer Stelle abermals gestreift, indem er sagt: „ E i n festgestellter Mord, zu dem ein Täter nicht ausfindig gemacht werden konnte, wiegt moralstatistisch gerade so schwer wie ein Mord, wegen dessen eine Verurteilung erfolgt ist, kriminalpolitisch darf sogar der ersterwähnte Mord als schwerer wiegend angesprochen werden" (a. a. O. III, S. 43). In den statistischen Nachweisungen über die Gesamtzahl der zur Kenntnis der Polizeibehörden gelangten strafbaren Handlungen wird daher auch die Zahl der entdeckten Täter mitzuteilen sein. Die Kriminalfälle gelangen entweder durch Anzeigen der strafbaren Handlungen und ihrer Täter oder durch Festnahmen der letzteren zur Kenntnis der polizeilichen Organe. Es erscheint wünschenswert, bei der statistischen Aufzeichnung der Anzeigen eine Scheidung nach amtlichen Anzeigen (in der Hauptsache durch die Polizeiorgane selbst) und nach privaten Anzeigen vorzunehmen. Die Aufgliederung der Anzeigen geschieht zweckmäßigerweise nach denjenigen strafbaren Handlungen (Ver-
Polizeistatistik brechen, Vergehen, Übertretungen), deren statistische Erfassung f ü r den praktischen Dienstbetrieb der Kriminalpolizei von Wichtigkeit ist. Der einzelne angezeigte oder auf sonstige Weise der Polizei bekannt gewordene Kriminalfall ist in die kriminalpolizeiliche Statistik grundsätzlich erst dann aufzunehmen, wenn er an die Justizbehörde (Amts- bzw. Staatsanwaltschaft, Untersuchungsrichter, Amts- bzw. Landgericht) abgegeben wird. Doppelzählungen müssen natürlich bei allen Aufzeichnungen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Fälle des strafbaren Versuchs sind bei den einzelnen strafbaren Handlungen gesondert auszuweisen. In den Fällen, in denen durch eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt worden sind („Idealkonkurrenz"), ist nur die schwerste strafbare Handlung zu zählen. Im Falle der „Realkonkurrenz", d. h. wenn durch mehrere selbständige Handlungen mehrere Straftaten verübt sind oder dieselbe Straftat mehrmals begangen ist, so ist bei der Zählung der „Anzeigen" jede S t r a f t a t einzeln zu berücksichtigen, jedoch sind die „ T ä t e r " nur einmal — gegebenenfalls bei der ihrer Art nach schwersten Straft a t — zu zählen.
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mission on law observance and enforcement" vor kurzem herausgegebenen „Report on criminal statistics" (Washington 1931) finden sich zu dieser f ü r die Kriminalwissenschaft äußerst wichtigen Frage folgende Ausführungen: „The best index of the number and nature of offenses committed is police statistics showing offenses known to the police. Because such statistics are nearly always either not available or inaccurate, police statistics of arrests or court statistics of prosecutions commenced are commonly used as t h e best available indication of the number and nature of crimes committed" (a. a. O. S. 25). In gleichem Sinne äußert sich M e a d in seiner bereits erwähnten Arbeit über Polizeistatistik: „Statistics of the number of offenses known to the police form the best available means of measuring the extent of crime a t a given time, and the changes f r o m time to time in the prevalence of the more serious offenses against persons and against property. It is, of course, impossible to obtain complete statistics of crimes committed, since many crimes remain undiscovered, and many more crimes are known only to private individuals and are not reported to official agencies. There are wide variations in the completeness with which different classes of offenses are reported to the police. It is probable, for example, t h a t in most localities the great majority of homicides are officially recorded. On the other hand, many cases of embezzlement and of petty t h e f t are not reported" (a. a. O. S. 76).
Ist eine strafbare Handlung von mehreren Personen gemeinsam begangen, so ist sie auch dann als aufgeklärt zu zählen, selbst wenn nur e i n Täter festgestellt ist. Für die Zählung der „Fälle" von strafbaren Handlungen im Sinne der hier in VorNeuerdings hat auch die Kriminalschlag gebrachten kriminalpolizeilichen Statistik mögen — nach dem zur Zeit von statistik von England und Wales, die seit Preußen gehandhabten Modus — folgende dem Jahre 1856, dem Beginn der dortigen polizeistatistischen Ermittlungen, die AufBeispiele als Richtlinien dienen: fassung vertrat, daß „the figures of per1. X tötet im unmittelbaren zeitlichen und sons for trial for indictable offences are ursächlichen Zusammenhange mehrere Perusually regarded as the most trustworthy sonen = 1 Fall; 2. X und Y töten als Teilnehmer im Sinne index of the state of crime" diesen Standdes StGB. (§ 47) im unmittelbaren zeitlichen punkt verlassen und sich dem amerikanischen und ursächlichen Zusammenhange eine oder angeschlossen. In „Judicial Statistics, England and Wales, 1923, Criminal Statistics" mehrere Personen = 1 Fall; 3. X tötet, entflieht und tötet auf der S. 5 heißt es nämlich, daß die polizeistatistiFlucht Verfolger = 2 Fälle. Wird X in schen Ergebnisse der bekannt gewordenen mehreren, deutlich von einander zu unter- strafbaren Handlungen „more trustworthy scheidenden Teilen der Flucht wiederholt ge- now than formerly" sind. In sehr beachtensstellt und tötet er dabei, so ist dies jedesmal werten Ausführungen über die Eignung der ein besonderer Fall; 4. Bleibt es bei „einem Fall" mit mehreren angezeigten Verbrechen zur Bildung eines Verletzten bezüglich einzelner von ihnen nur Kriminalitätsindex hat sich vor allem der beim Versuch der Tötung, so wird dieser Ver- amerikanische Soziologe Prof. T h o r s t e n S e l l i n geäußert, die wegen ihrer grundsuch nicht mitgezählt. legenden Bedeutung — gleichzeitig als ErAuf eine exakte zahlenmäßige Fest- gänzung meiner diesbezüglichen Darlegungen stellung insbesondere der Anzeigen ist schon im Art. Kriminalstatistik (S. 32) — nachaus dem Grunde größter Wert zu legen, weil stehend im Wortlaut wiedergeben seien: ihre Zahl z. B. nach amerikanischer behördlicher wie auch privatwissenschaftlicher Auf„Verursacht durch eine Anzahl veränderfassung als Gradmesser der Kriminalität an- licher Elemente, die auf Wandlungen in der zusehen ist. In dem von der „National Com- Effizienz und der Verfahrensart der Behörden
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beruhen, s i n k t d i e E i g n u n g e i n e r V e r b r e c h e n s r a t e zu Z w e c k e n d e r I n d e x b i l d u n g , je weiter sich das S t a d i u m ihrer statistischen Erfassung von der B e g e h u n g d e r S t r a f t a t e n e n t f e r n t . Mit anderen Worten, die Anzahl der der Polizei bekannt gewordenen Verbrechen bietet am wahrscheinlichsten geeignetes Material zur Bildung eines Kriminalitätsindex'. Wenn wir von den der Polizei zur Kenntnis gelangten Straftaten sprechen, so meinen wir natürlich nur diejenigen angezeigten Verbrechen, die sich bei näherer Untersuchung wirklich als solche herausstellen. Wenn unsere Beweisführung richtig ist, so sollten Statistiken der genannten Art von allen Gerichtsbehörden gesammelt werden, während insbesondere Gerichts- und Strafstatistiken unter dem Gesichtspunkt aufgestellt werden sollten, Aufbau und Tätigkeit der Behörden zu beleuchten. Für die Bildung eines Kriminalindex' genügt es nicht, eine Auswahl bezüglich der Rate einiger bestimmter Verbrechen, die während eines bestimmten Zeitraums zur Kenntnis der Polizei gelangt sind, zu treffen. Wichtig ist f ü r seine Bildung die Kenntnis der Gesetzgebungsgeschichte und der qualitativen und quantitativen Wandlungen der Bevölkerungszusammensetzung während einer bestimmten Zeitperiode und innerhalb des untersuchten Gebiets. Da schließlich die Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens und der Aufdeckung von Verbrechen einmal abhängig ist von der Umbildung gesellschaftlicher Anschauungen gegenüber Straftaten und den sich aus ihnen ergebenden Folgen, zweitens abhängig ist von dem Grad der Effizienz der Polizei, und da diese Umbildungen und Veränderungen bei einem Index, der auf f ü r längere Zeitperioden gültige Daten basiert ist — nachweislich sind derartige Angaben f ü r wissenschaftliche Zwecke brauchbarer als nur f ü r kürzere Zeiträume gültige Zahlenreihen — die weitgehendsten Störungen verursachen können, so muß der Forscher, der einen Kriminalitätsindex konstruieren und benutzen will, mit der Kultur und der Verwaltungsorganisation des zur Untersuchung stehenden Gebiets eng vert r a u t sein. Wissenschaftlich schlüssige Untersuchungen auf unserem Gebiet müssen daher stets an den Grenzen eines bestimmten Kulturkreises Halt machen. Internationale Vergleiche sind ganz besonders gewagt. Gewöhnlich sind sie irreführend und besitzen gar keinen oder nur geringen wissenschaftlichen W e r t " (a. a. O. S. 589ff.). Wie im Art. Kriminalstatistik (S. 32) so möchte ich auch hier auf den ausgezeichneten Aufsatz „Kriminalstatistiken och den verkliga brottsligheten" des finnischen Statistikers V. V e r k k o verweisen, in dem er unter besonderer Berücksichtigung der Verbrechen wider das Leben ebenfalls die Frage des Kriminalitätsindex behandelt hat. Diese Arbeit ist in schwedischer Sprache in der
„Nordisk Tidsskrift for Strafferet" [Vol. 8, April 1930 (S. 95—128)] erschienen, doch ist ein eingehendes, von St. H u r w i t z erstattetes Referat hierüber in deutscher Sprache in der Monatsschrift f ü r Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (Heidelberg 1930, 21. Jahrg., S. 546) veröffentlicht. Auch H a g e m a n n benutzt in seinem auf der 24. Tagung der Deutschen Landesgruppe der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung im J a h r e 1931 zu Essen erstatteten Referat „Der Berufsverbrecher und seine Bek ä m p f u n g " zum Beweis, daß die Kriminalität gerade in der letzten Zeit mehr an Intensität als an Extensität zugenommen hat, nicht die Zahl der Verurteilten, die durch die Reichskriminalstatistik ermittelt wird, sondern die Ergebnisse der Polizeistatistik, d. h. die Zahl der durch Anzeige oder auf andere Weise zur Kenntnis der Polizei gelangten Straftaten. „ D a ß diese Zahlen der wirklichen Kriminalität viel näher kommen als die der Verurteiltenstatistik", sagt er, „bedarf keiner näheren Begründung f ü r alle diejenigen, die Bescheid wissen über das Verhältnis der begangenen Straftaten zu den „polizeilich aufgeklärten" Fällen, ferner zu den nicht der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft mangels eines f ü r das Gericht ausreichenden Beweises verfallenen Anzeigen und schließlich zu den zur rechtskräftigen Verurteilung gebrachten Sachen. Die polizeiliche Statistik entspricht der wirklichen Kriminalität um so m e h r , als sie eine Statistik der einzelnen S t r a f t a t e n , der F ä l l e , wie es in der Fachsprache heißt, ist, nicht aber eine Statistik der unter Umständen eine große Anzahl von Fällen auf sich vereinigenden Täter, wie das f ü r die Reichskriminalstatistik zutrifft. Daß schließlich die Polizeistatistik aktueller ist als jene, nicht nur wegen des notwendigerweise zwischen der T a t und der rechtskräftigen Verurteilung liegenden Zeitraumes, sondern auch wegen ihrer schnelleren Verarbeitung des Materials, . . . und daß sie deshalb den Schwankungen der einzelnen Jahre besser folgt, ist sicherlich ein weiterer Vorteil." (Vgl. Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung, Neue Folge, 5, 15, Berlin 1931.) Einen f ü r die Kriminalpraxis noch weit größeren Wert als die statistische Ermittlung der polizeilich gemeldeten Straffälle besitzt die zahlenmäßige Feststellung der aufgeklärten Verbrechen sowie ihrer entdeckten Täter. Bei der statistischen Aufzeichnung der aufgeklärten Kriminalfälle wäre einmal zu unterscheiden, ob die Aufklärung der im Berichtszeitraum gemeldeten, d. h. der neuen Fälle erfolgt ist durch Feststellung a) des Täters, b) eines Mangels an strafbarem Tatbestand oder an strafbaren Tätern. Nach
Polizeistatistik den gleichen Gesichtspunkten ist bei den Fällen zu verfahren, die in früheren Jahren unaufgeklärt sind, deren Täter jedoch im Berichtsjahr ermittelt worden ist. Außerdem erscheint es wünschenswert, die im jeweiligen Beobachtungsgebiet ermittelten Täter auswärts verübter Delikte zahlenmäßig zu erfassen, um ein Bild von der Fluktuation des Verbrechertums zu erhalten. Zu bemerken ist, daß die Zählung der letzteren Art allerdings eine Doppelzählung mit sich bringt, da erklärlicherweise die auswärts ermittelten Täter sowohl von derjenigen Behörde in der Statistik vermerkt werden, welche die Ermittlung bewirkt hat, als auch von derjenigen Behörde, bei welcher der Fall eigentlich anhängig ist. Des weiteren ist bei der Statistik zu unterscheiden, ob bei der Aufklärung von Kriminalfällen a) der Täter von vorn herein bekannt ist, b) der Täter später ermittelt worden ist. Bei der letzteren Kategorie sind auch diejenigen Fälle zu zählen, in denen zwar ein gewisser Tatverdacht gegen eine bestimmte Person von Anfang an sprach, diese aber erst nach Durchführung einer umfangreicheren kriminalpolizeilichen Nachforschung und Fahndung ermittelt oder ergriffen und dadurch erst die Täterschaft geklärt werden konnte. Es empfiehlt sich schließlich bei den statistischen Ausweisen der Täter, die bei Mord- und Totschlagsfällen nebst deren Versuchshandlungen von vorn herein bekannt sind, eine besondere Ausgliederung derjenigen Fälle vorzunehmen, bei denen der Täter — meist bei Familientragödien, Eifersuchtstaten und ähnlichem — Selbstmord verübt hat. Bei den Tätern sind generell die wichtigsten persönlichen Merkmale statistisch festzustellen. Es kommen hierbei in Betracht: Geschlecht, Alter, Familienstand, Familienverhältnisse (ob eheliche oder uneheliche Kinder vorhanden), Geburtsort, Wohnort, Religion, Beruf, bei Minderjährigen Beruf der Eltern, Vorstrafen sowie die soziale Lage zur Zeit der Tat. Ferner erscheint es wünschenswert, auch die Zahl der strafunmündigen Täter — getrennt nach dem Geschlecht — nachzuweisen. Daß natürlich besonders die nicht aufgeklärten Fälle von der kriminalpolizeilichen Statistik genauestens zu erfassen sind, bedarf keines ausdrücklichen Hinweises. Das Verhältnis der Zahl der aufgeklärten strafbaren Handlungen (Fälle) zu derjenigen der verübten und angezeigten nennt der Kriminalstatistiker „Auf k l ä r u n g s z i f f e r " , „ E r folgsziffer" oder — da sie ans Licht kommen — „Lichtziffer" (light-number), im GegenHandwörterbnch der Kriminologie. Bd. II.
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satz zur sogenannten „Dunkelziffer" (darknumber), welche den Prozentsatz der im Dunkeln gebliebenen, d. h. nicht bekannt gewordenen Verbrechen und deren nicht ausfindig gemachten Täter anzeigt (vgl. S h i g a m a O b a , Unverbesserliche Verbrecherund ihre Behandlung, Berlin 1908, sowie den Art. Kriminalstatistik, S. 32). Bei der Berechnung von Gesamtaufklärungsziffern ( = GAZ.) f ü r strafbare Handlungen verschiedener Tatbestände aus den entsprechenden einzelnen AZ. muß die jeweilige Zahl der Fälle der einzelnen Deliktsarten als Gewicht in die Berechnung einbezogen werden. Falsch ist es, wie es bis vor kurzem selbst noch eine maßgebende Amtsstelle getan hat, das einfache arithmetische Mittel aus den einzelnen AZ. als Gesamtwert darzustellen. Hierdurch wird das Bild der kriminalpolizeilichen Aufklärungstätigkeit stark verzerrt. Folgendes Beispiel möge daher unter besonderer Berücksichtigung der angedeuteten Fehlerquelle als allgemeine Anleitung zu Berechnungen einwandfreier Aufklärungsziffern dienen, wie sie f ü r den praktischen Dienstbetrieb benötigt werden. Bezeichnen A, B, C, D, E verschiedenartige strafbare Handlungen, so ist das Ergebnis nach der Berechnungsweise der oben erwähnten Amtsstelle, die wir der Kürze halber mit X bezeichnen wollen, folgendes:
Bezeichnung
A B C D E
(z. B. ( „ ( „ ( „ ( „
Aufkläver- aufge- rungsübte klärte ziffer Fälle Fälle (AZ.) %
Diebstahl) . 1000 Mord) . . . 1 1 Mordversuch) Totschlag) . 1 1 Raubüberfall) 1004 Summe
100 1 1 1 1 104
10 100 100 100 100 410
Bei diesem von X eingeschlagenen Rechnungsweg wurden nun die einzelnen Aufklärungsziffern addiert. Das ergibt im vorliegenden Falle die Summe 410. Diese Summe ist dann durch die Anzahl der Tatbestandsmerkmale — d. s. 5 — dividiert worden, was eine durchschnittliche Aufklärungsziffer von 8 2 % ergibt. Diese Methode der e i n f a c h e n a r i t h m e t i s c h e n M i t t e l u n g ist jedoch f a l s c h , weil hierbei einzelnen wenigen Fällen ein viel zu großes Gewicht beigemessen wird. Eine einwandfreie Berechnung ist nur durch das Verfahren der g e w o g e n e n a r i t h m e t i s c h e n M i t t e l u n g möglich. Für die Durchschnittsberechnung wird hierbei jede einzelne AZ. nach Maßgabe der zu Grunde liegenden verübten Fälle berücksichtigt (gewogen 1). Nur auf diese Weise 23
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läßt sich ein korrekter Durchschnitt ermitteln. Die praktische Ausrechnung geschieht in folgender Weise: Sämtliche verübten Handlungen einerseits und sämtliche aufgeklärten Fälle andererseits werden addiert und die hierbei erhaltenen Summen zu einander ins Verhältnis gesetzt. Im vorliegenden Falle würde also die Summe 104 in % der Summe 1004 anzugeben sein, was zu einer durchschnittlichen GAZ. von 10,4% f ü h r t ! Eine einfache Betrachtung der umstehenden Tabelle zeigt schon zur Genüge, daß lediglich der GAZ. von 10,4% eine Bedeutung als Durchschnittsziffer beizumessen ist, denn eine solche gewogene Durchschnittsziffer 100 + Bä Av
100 + Ca Bv
100
Aa-100, Ba-100,
B t + Cv +
Ca-100,
D a • 100, E a • 100.
At Bv Dv Die Durchschnittsberechnung der GAZ. ist dann von X auf nachstehende Weise vorgenommen worden: +
Di
Cv
Bei der korrekten Berechnung der Durchschnittsziffer wird theoretisch zunächst jede einzelne AZ. mit der Zahl der verübten Fälle multipliziert (gewichtet!), die so erhaltenen
AV +
trägt allein der Tatsache Rechnung, daß sich die einzelnen hohen AZ. nur auf einzelne wenige Fälle beschränken. In F o r m e l n gekleidet ergibt sich Folgendes : Es seien die Zahlen der verübten strafbaren Handlungen in den verschiedenen Gruppen A v , B v , Cv, D v , Ev und die entsprechenden Zahlen der aufgeklärten Fälle mit Aa, Ba, Ca, D a , E a bezeichnet. Dann sind die AZ. f ü r die einzelnen Gruppen:
100 Dv
+
Ea
100 Ev
GAZ.
Produkte addiert und die Produktsumme durch die Gesamtheit der verübten Fälle (Summe der Gewichte) dividiert, also folgende Rechnung vorgenommen:
Dv +
Ev
GAZ.
Dieser Ausdruck vereinfacht sich weiter zu Betracht. Auch ist die A n z e i g e l u s t von ¿ A z dem Grade des in der Bevölkerung herrschenden Rechtsgefühls oder auch nur der Der Zähler umfaßt also die Gesamtzahl Prozeßsucht und von der Fähigkeit, die Feder selbst oder durch willfährige oder gering beder aufgeklärten Fälle, der Nenner die Ge- zahlte Personen zu gebrauchen, abhängig. samtzahl der verübten Fälle. Allgemein, sowohl vom privaten DenunWie die Größe der „Dunkelziffer" nach zianten als vom Strafverfolgungsorgan, wird meinen näheren Ausführungen im Art. Krimi- die schwerere Straftat intensiver verfolgt. nalstatistik, S. 33 bei jedem strafrechtlichen Bei diesen hängt sich auch dem Denunzianten nicht derselbe Makel an wie gern in Tatbestand nach der Natur des Delikts und leichteren Fällen, so daß mehr Straftaten des Täters, den es voraussetzt, eine andere bekannt werden. Sehr verschieden nach ist und es auch sein muß, so weist auch die Alter, Geschlecht, Nationalität, Bildung usw. „Aufklärungsziffer" der einzelnen strafbaren ist die Art, w i e m a n s i c h d e n F o l g e n d e r Handlungen z. T. wesentliche Verschieden- T a t zu e n t z i e h e n w e i ß und w i e m a n s i c h heiten auf, die durch Einwirkungen mannig- v e r t e i d i g t . Die J u g e n d l i c h e n gestehen facher Art bedingt sind. Es gilt hierbei eine leichter und lassen sich leichter überführen Reihe von Erklärungen, die in einem der wie die Erwachsenen; ob aber auch die We i b e r leichter als die M ä n n e r , steht noch letzten Vorkriegsjahre Staatsanwalt L a n g e r sehrdahin. Nach meiner Erfahrung ist die Ver(a. a. O., S. 60) eigentlich bezüglich des Ver- teidigungsweise der p o l n i s c h e n B e v ö l k e hältnisses zwischen bestrafter und unbe- r u n g eine andere wie die der d e u t s c h e n . strafter Tat gemacht hat, die aber m. E. im Am intensivsten von allen unserer Strafrechtswesentlichen auch f ü r die Aufklärung von pflege Unterstehenden verteidigen sich, wie Kriminalfällen die gleiche Geltung haben, mir dünkt, die J u d e n . wenn er sich folgendermaßen äußert: Anders ist das Verhältnis der geahndeten „ In einem Bundesstaate, wie Deutschland, zur nicht geahndeten Straftat in der G r e n z mit seinen verschiedenartigen Polizeiorgani- b e v ö l k e r u n g gegenüber der B i n n e n b e sationen, mit der scharfen Trennung von v ö l k e r u n g , anders bei den vorübergehend Stadt und Land in der kriminalpolizeilichen im Inland aufhaltsamen A u s l ä n d e r n i m VerVerwaltung, mit der differentiellen Aus- hältnis zu den I n l ä n d e r n , anders in d i c h t e r bildung der der Strafverfolgung dienenden Or- Bevölkerung als in schwach besiedelten gane, mit dem unterschiedlichen Verhältnisse Strichen. Der g e w e r b s m ä ß i g e Verbrecher der Staatsanwaltschaft zur Kriminalpolizei, ist zweifellos geschickter, sich der Strafvermit der abweichenden Gestaltung der Amts- folgung zu entziehen, als der G e l e g e n h e i t s Andererseits ist er der anwaltschaft kommt sie (seil, die Intensität v e r b r e c h e r . der Strafverfolgung. Der Verf.) recht sehr in Kriminalpolizei besser bekannt und darum ( A a + B a + C a + D a + E a ) • 100 = A v + B v + Cv + D v + E v
Polizeistatistik leichter gefaßt, dann auch wieder manchmal gleichgültiger gegen die Folgen einer Ergreifung und Verurteilung. Im Resultate ist, glaube ich, der gewerbsmäßige Verbrecher mit Vorstrafen, also mit vorangegangener Strafverfolgung und Strafvollstreckung — was beides gleich bedeutsam ist — doch leichter zu überführen, und darum scheint es mir bedenklich, den Rückfallsziffern eine so hohe Bedeutung beizulegen, wie es geschieht." Das Niveau der Aufklärungsziffer bei bestimmten strafbaren Handlungen, in erster Linie bei Kapitalverbrechen, ist schließlich abhängig einerseits von dem Grade der Mitwirkung des Publikums an deren Aufklärung, andererseits—insbesondere in neuester Zeit— von der Verwendung moderner erkennungsdienstlicher Hilfsmittel wie Bildfunk oder Flugzeug bei der kriminalpolizeilichen Ermittlungs- und Fahndungstätigkeit. Zu den weiteren sehr lohnenden, allerdings auch recht schwierigen Aufgaben der in diesem Abschnitt besprochenen zweiten Hauptgruppe der Polizeistatistik gehört auch die statistische Ermittlung der durch kriminelle Handlungen entzogenen und durch polizeiliche oder andere behördliche Maßnahmen wiedererlangten Eigentumswerte. M e a d stellt in dieser Hinsicht folgende detaillierte statistische Forderung, deren praktische Erfüllung äußerst wünschenswert wäre; er sagt: „Comparative statistics relative to the recovery of stolen property provide a useful index of the results of police activity in dealing with robbery, burglary, larceny, and other offenses against property. The recovery of stolen property is a police function fully as important as the apprehension of the criminal. The success of the police in recovering stolen property should therefore be measured in order to cover adequately the results of police work. Statistics of this character must be compiled on a uniform basis to be of value. Stolen and lost property should so far as possible be separately tabulated. It is essential t h a t the same value be assigned to each article or piece of property both in the tabulation of stolen property and in the tabulation of recovered property. If, for example, it is learned that the actual value of a piece of recovered property differs from the value as previously reported by the owner, a correction should be made in the stolen property record. Furthermore, all stolen property which is recovered should be included in the tabulation of stolen property even when not previously reported as stolen. It is import a n t , also, to tabulate separately any recovered property which has not been stolen in the particular city. On account of the special problems involved, the value of stolen and of recovered automobiles should be tabulated
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separatly from other classes of property. It is also very desirable t h a t property valúes be correlated with the type of offense and with offense clearances" (a. a. O. S, 83). Als Beweis f ü r die Unvollkommenheit der gegenwärtigen statistischen Versuche auf diesem Gebiet — wenn solche überhaupt stattfinden — führt dieser Forscher anschließend die Tatsache an, daß in manchen amerikanischen Polizeiberichten der angeblich wiedergewonnene Betrag bei weitem die Höhe des durch strafbare Handlungen entwendeten Eigentums übersteigt I „Where this condition exists", so schließen die Darlegungen über diese Frage, „it is obvious t h a t the „stolen" and „recovered" valúes are not properly comparable" (a. a. O., S. 84). Die Führung der in diesem Abschnitt behandelten kriminalpolizeilichen Statistik hat — nach den gegenwärtigen deutschen Verhältnissen — von den Ortspolizeibehörden und Gendarmen zu erfolgen, und zwar monatl i c h — u m eine jahreszeitliche Beobachtung zu ermöglichen. Die Monatsdaten sind dann an eine statistische Zentralstelle zur Zusammenstellung der Jahresergebnisse und zu deren wissenschaftlicher Auswertung zu übersenden, denen gegebenenfalls kurze Erläuterungsberichte unter Hervorhebung kriminalistischer Geschehnisse allgemeiner Art (wie z. B. auffallende Zunahme gewisser strafbarer Handlungen, Kriminalitätsanstieg in bestimmten Gebietsteilen) sowie deren mutmaßliche Ursachen beizufügen sind. Aufsehenerregende Einzelfälle (z. B. Sensationsfälle, an prominenten Persönlichkeiten verübte Delikte, strafbare Handlungen, die besonders hohe Wertobjekte betreffen u. a. m.) sind hierbei besonders hervorzuheben. Die beiden wichtigsten Bestandteile der Statistik der gerichtlichen Polizei bilden demnach eine gut ausgebaute und gegliederte Anzeigenstatistik und Aufgreifungsstatistik. 3. In den Fällen, in denen Polizeibehörden die Judikatur von strafbaren Handlungen leichter Art — sogenannten Polizeiübertretungen — übertragen ist, wird als dritte Hauptgruppe der Polizeistatistik eine „ S t a t i s t i k der P o l i z e i ü b e r t r e t u n g e n " zu bearbeiten sein; denn es ist ein unbedingtes Erfordernis, um einen erschöpfenden Einblick in den Umfang und die Struktur dieser „kleinen" Kriminalität zu erhalten, daß auch dieser Zweig der Strafrechtspflege eingehende Berücksichtigung findet und seinen Standort in der Polizeistatistik erhält, damit aus der Zusammenfassung der polizeilichen und strafgerichtlichen Entscheidungen ein voller Überblick der gesamten kleinen Kriminalität einerseits sowie ein übersichtliches, einheitliches und 23*
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vergleichbares Bild der Gesamtkriminalität andererseits gewonnen werden kann. Wenn aber in einem Lande keine Polizei-Strafrechtspflege existiert, dann sollte zum mindesten die kleine Kriminalität (d. h. die Übertretungen) durch die Justizgeschäftsstatistik, noch richtiger aber durch die „Kriminalstatistik im engeren Sinne" umfassend ermittelt werden. „Leider aber sind wir auf dem Gebiet der kleinen Kriminalität", wie v. M a y r ausführt, „so ziemlich überall — und ganz besonders im Deutschen Reich — nur mangelhaft orientiert. Nicht nur befinden sich unter den „Übertretungen" — wie man wohl in allgemeinerer Bezeichnung, auch abgesehen von der formalen Scheidung in den einzelnen staatlichen Strafsatzungen, die leichteren Fälle der Verfehligkeit bezeichnen darf — manche, die unmittelbar gewisse Sittenzustände der Bevölkerung reflektieren, sondern es bietet auch die Häufung bloßer Ordnungswidrigkeiten in ihrer verschiedenen zeitlichen und räumlichen Gestaltung einen lehrreichen Beitrag zur Erkenntnis des formalen, staatlicher Anordnung gegenüber sich verhaltenden Charakters des Volks und seiner Schichten. Darum ist f ü r den Moralstatistiker auch die kleine Kriminalität, in der zudem ganz besonders kräftige Massenzahlen sich zusammenfinden, von großem Interesse. Und nicht bloß f ü r den Moralstatistiker; ich muß beifügen auch f ü r den Politiker und namentlich f ü r die Leiter der inneren staatlichen Politik und der Justizpolitik im besonderen. Der Politiker m u ß wissen, was denn das t a t sächliche Ergebnis der zahlreichen und fast täglich sich mehrenden Strafanwendungen geringeren Gewichts, sowohl eigentlich krimineller als spezifisch polizeirechtlicher Natur ist — vielleicht denkt er dann darüber nach, ob nicht da und dort dem Übermaß der Straflust wirksam zu begegnen und damit eine erhebliche Entlastung von im wesentlichen friedfertigen Bevölkerungsteilen von allerlei Sorge, Ärger und wirtschaftlicher Störung herbeigeführt werden könnte (a. a. O. IV. S. 459). Bei der statistischen Feststellung der polizeilich abgestraften Übertretungen ist neben ihrer regionalen Verteilung und der wichtigsten individuellen Tätermerkmale Gewicht zu legen auf eine Differenzierung nach Übertretungsgruppen und auch nach besonders bedeutsamen Einzeltatbeständen wie Bettelei, Landstreicherei und sittenpolizeiliche Übertretungen. Letztere sind wegen ihrer großen kriminologischen Bedeutung in diesem Werk in Spezialbeiträgen behandelt (s. d. Art. Landstreicher, Bettler und Vagabunden sowie Prostitution). Weiterhin sollten unter Hervorhebung derjenigen Übertretungen, die zur Strafverfolgung an die Staatsanwaltschaft abgegeben
sind, genaue Nachweise über die verschiedenen Erledigungsarten der polizeilichen Strafverfügungen, Höhe und Zahlung der festgesetzten Geldstrafen, Zeitdauer und Verbüßung der verhängten Haftstrafen, Aufhebung der Strafverfügung durch das Gericht u. a.) sowie über die Zahl der erteilten schriftlichen Verwarnungen zu liefern sein. 4. In der vierten und letzten Hauptgruppe der kriminalpolizeilichen Statistik gelangt die „Statistik polizeilicher Vorbeugungen gegenüber kriminellen und anderen a s o z i a l e n B e v ö l k e r u n g s k l a s s e n " zur Darstellung. Als wichtige — teils gesetzlich, teils nur verwaltungsmäßig geregelte — polizeiliche Maßnahmen vorbeugender Art gegenüber verbrecherischen Elementen kommen f ü r diesen Zweig der Polizeistatistik nach der seinerzeitigen Forderung v. M a y r s (a. a. O., S. 460) namentlich folgende in Frage: Ausweisungen, Polizeiaufsicht, Unterbringung im Arbeitshaus, „Registerführung über die in näherer oder fernerer Verbrechensgefahr befindlichen Personen" sowie das Schubwesen. Die A u s w e i s u n g s s t a t i s t i k , ein im allgemeinen bisher wenig gepflegter Zweig der Polizeistatistik, kann einen nationalen oder lokalen Charakter tragen, je nachdem es sich um Verweisungen von Ausländern aus dem Staatsgebiet oder um Gemeinde-, insbesondere Stadtverweisungen handelt, die namentlich f ü r Inländer in Frage kommen. Sie wird in erster Linie die Zahl der ausgewiesenen Personen — getrennt nach dem Geschlecht — sowie der ausgewiesenen Familien feststellen müssen. Diesen Angaben sind ferner die gesetzlichen Bestimmungen beizufügen, die für die Ausweisungen maßgebend sind. Daß die Anzahl der diesbezüglichen statistischen Erhebungen gegebenenfalls recht groß sein kann, zeigt beispielsweise § 2 des Gesetzes über Reichsverweise vom 23. März 1934 (RGBl. I S. 213). Bei einer lokalen Ausweisungsstatistik ist außerdem zu unterscheiden, ob es sich um Ausweisungen von Inländern oder Ausländern handelt. Aufgabe einer S t a t i s t i k d e r P o l i z e i a u f s i c h t ist es, einerseits als Bestandsstatistik die Zahl der an einem bestimmten Stichtag (z. B. Jahresanfang, Jahresende) unter Polizeiaufsicht stehenden, von bestimmten staatlichen Organen überwachten Personen, andererseits als Bewegungsstatistik die Zahl der durch richterliches Urteil unter Polizeiaufsicht gestellten Personen, d. h. deren Zu- und Abgang während eines bestimmten Beobachtungszeitraums, in erster Linie im Laufe eines Jahres zu ermitteln.
Polizeistatistik Wichtig war bisher weiterhin die statistische Kontrolle über die U n t e r b r i n g u n g im A r b e i t s h a u s durch die Landespolizeibehörde (nach Überweisung an diese durch richterlichen Spruch gemäß § 362 StGB.), „wodurch eine verschärfte, tatsächlich als korrektioneile „ N a c h h a f t " sich darstellende Vorbeuge gegen das Verbrechen kombiniert mit dem kriminalpolitischen Zweck der Wiedergewöhnung des Deklassierten an das normale gesellschaftliche Leben verwirklicht wird" (v. M a y r , a. a. O. IV., S. 460). In der Hauptsache kommen hierbei statistische Feststellungen über die Bewegung der Insassen, Zugang, Abgang, Höchst- und Mindestzahl während eines Jahres unter Aufgliederung nach dem Geschlecht, Alter, Familienstand, Personenstand (eheliche oder uneheliche Gebürtigkeit), Staatsangehörigkeit sowie genaue Ausweise über die Ursachen der Einlieferungen in das Arbeitshaus wie Landstreicher, Bettler, Müßiggänger, Dirnen, Arbeitsscheue und sonstige in Betracht. Künftig werden jedoch diejenigen Fälle, in denen das Gericht auf Grund des Gesetzes gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. XI. 1933 (RGBl. I S. 995) die Unterbringung einer nach § 361 Nr. 3—6, 6a—8 zu Haftstrafe verurteilten Person in ein Arbeitshaus angeordnet hat, der „Kriminalstatistik im engeren Sinne" zuzuweisen sein. Von allgemein öffentlicher Bedeutung ist ferner nach den Ausführungen von Z a h n (a. a. O., S. 370) im Rahmen einer Polizeistatistik auch eine gut gegliederte P r o s t i t u t i o n s s t a t i s t i k , die ihrer Aufgabe nach sowohl eine Bewegungs- als auch eine Bestandsstatistik sein kann. Als ein generelles Beispiel f ü r eine solche Statistik mögen die Nachweisungen dienen, die s. Z. nach den Berichten der Münchner Polizeidirektion vom Bayerischen Statistischen Landesamt zusammengestellt (vgl. z. B. Statistisches Jahrbuch des Freistaats Bayern) oder im Zusammenhang mit der Wohnungsaufnahme und Volkszählung des Jahres 1925 in Berlin (vgl. Die eingeschriebenen Prostituierten in Berlin 1925, Mitteilungen des Statistischen Amts der Stadt Berlin, Nr. 5, Heft 7, August 1929) bearbeitet worden sind. Eine möglichst vollständige Prostitutionsstatistik hat sich — sowohl hinsichtlich der gewerbsmäßigen Prostituierten als auch derjenigen Prostituierten, die gegen bestehende polizeiliche Kontrollmaßnahmen verstoßen •— im wesentlichen auf folgende Feststellungen zu erstrecken: örtliche Herkunft (aus Städten, vom Lande, aus dem Auslande), Alter (gegliedert nach Alters-
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gruppen) unter besonderer Berücksichtigung des Alters am Tage der 1. Einschreibung bei gewerbsmäßigen Prostituierten, Legitimität (eheliche, uneheliche Herkunft), Konfession, soziale Herkunft (Beruf der Eltern, früherer Beruf der Prostituierten), Familienstand, Familienverhältnisse (Zahl der Kinder), Vorbestrafung (sehr wichtig!), Geschlechtliche Erkrankungen, Wohnungsverhältnisse. Diese Ausweise gewinnen noch an Wert durch Kombination der verschiedenen Individualmerkmale, z. B. örtliche Herkunft der Prostituierten kombiniert mit ihrer Legitimität und Konfession, Legitimität mit dem Beruf der Eltern, früherer Beruf der Prostituierten, Zahl der Kinder oder Vorstrafen mit dem Alter am Tage der 1. Einschreibung — letzteres mit dem Familienstand oder dieser kombiniert mit ihrem früheren Beruf. Der zweite Teil der Prostitutionsstatistik hätte die Maßnahmen zur Bekämpfung der heimlichen Prostitution zu behandeln (Vorführungen wegen gewerbsmäßiger Unzucht oder wegen Verdachts derselben, Zahl der zur ärztlichen Untersuchung gestellten, davon geschlechtskrank befundenen, hiervon ins Krankenhaus eingewiesenen bzw. zur ärztlichen Behandlung verwiesenen Prostituierten, Alter der Geschlechtskranken, Zahl der wegen gewerbsmäßiger Unzucht vorgeführten und der Polizeipflege überwiesenen). Aus der Gegenüberstellung statistischer Nachweise über v o r b e u g e n d e M a ß n a h men und Einrichtungen zur B e k ä m p f u n g der Bettelei und Landstreicherei und der Zahl der wegen dieser Delikte festgenommenen Personen lassen sich wertvolle Schlüsse über die Auswirkungen und Erfolge der einzelnen Arten solcher Vorbeuge ziehen. Es kommen hierfür hauptsächlich in Frage statistische Ermittlungen über die Tätigkeit der öffentlichen Fürsorge, der Verpflegungsstationen, Antibettelvereine, Nachtasyle und anderer Zweige der allgemeinen Wohlfahrtspflege. Bei der „ R e g i s t e r f ü h r u n g ü b e r d i e in näherer oder fernerer Verbrechensgef a h r b e f i n d l i c h e n P e r s o n e n " im Rahmen der Polizeistatistik handelt es sich um die zahlenmäßigen Aufzeichnungen über den nach polizeilicher Auffassung vorhandenen Bestand sämtlicher Angehörigen oder zum mindesten gewisser Gruppen der kriminellen und asozialen Klassen. Solche Zählungen hätten sich zunächst auf die als G e w o h n heitsverbrecher bekannten oder verd ä c h t i g e n P e r s o n e n zu erstrecken etwa nach dem Muster wie sie schon seit langer Zeit in England alljährlich an einem gegebenen
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Stichtag durchgeführt worden sind, indem man die Zahl der „Depredators offenders and suspected persons at large (so far as known to the police)" ermittelte und dabei in den tabellarischen Nachweisungen unterschied: „Known thieves and depredators, receivers of stolen goods, prostitutes, suspected persons, vagrants and tramps". Es wäre ohne Schwierigkeiten möglich, mit dieser Ermittlung — wie es ebenfalls in England geschehen ist — eine solche über den Bestand der als Verbrecherschlupfwinkel verdächtigen „schlechten Häuser" (houses of bad character) zu verbinden. Es wurden in dieser Beziehung von der englischen Kriminalstatistik ursprünglich ausgewiesen: houses of receivers of stolen goods; resort of thieves and prostitutes; public houses; beer-shops; coffe-shops; other suspected houses; brothels and houses of ill fame; tramps lodging-houses (vgl. Judicial statistics 1859, England and Wales, Part I, S. 7). Vorstehende Nachweise über die Zahl der als Gewohnheitsverbrecher verdächtigen Individuen führen weiterhin zu einer wertvollen internationalen Materialsammlung gewisser Verbrechertypen, wie sie im V e r b r e c h e r a l b u m zum Ausdruck kommt. Wie jede andere Statistik, so muß natürlich auch die Polizeistatistik in ihren Aufgaben mit den jeweiligen Zeitverhältnissen Schritt halten und sich hierin besonders den gesetzgeberischen Maßnahmen anpassen, um ein brauchbares Instrument zur Verfolgung praktischer Ziele darzustellen. In dieser Beziehung gehören künftig in das Aufgabengebiet dieser polizeistatistischen Untergruppe — um es nur an einem Beispiel zu zeigen — Ermittlungen über die Zahl der Festnahmen auf Grund des Erlasses des Preußischen Ministers des Innern vom 13. XI. 1933 betreffend „Vorbeugende Polizeihaft gegen Berufsverbrecher", nach dessen Wortlaut neben gefährlichen Berufsverbrechern „ausnahmsweise auch solche Personen in polizeiliche Vorbeugungshaft genommen werden können, die, ohne vorbestrafte Berufsverbrecher zu sein, künftig einen auf Mord, Raub, Einbruchsdiebstahl oder Brandstiftung abzielenden verbrecherischen Willen offenbaren, welche die Voraussetzungen eines bestimmten strafbaren Tatbestandes zwar noch nicht erfüllen, den Begeher aber als Gefahr f ü r die öffentliche Sicherheit kennzeichnen". Schließlich ist noch die Statistik des S c h u b w e s e n s als Zusammenfassung der verschiedenen Zwangsverschiebungen von Personen aller Art zu erwähnen. Wenn dabei auch nicht ausschließlich kriminalpolitische Belange in Frage stehen, so sind die schubstatistischen Ausweise zweck-
mäßigerweise — mit Rücksicht auf die in erheblichem Maße bei den Abschiebungen in Erscheinung tretende Vorbeuge krimineller Gefährdung — standortmäßig der Polizeistatistik zuzuweisen. Als Typ einer Schubstatistik können die Ausweise dienen, wie sie von der Wiener Polizei- und Magistratsstatistik schon in der Vorkriegszeit und auch noch gegenwärtig geboten werden. Hierbei wird — unter Hervorhebung von Geschlecht, Alter, Familienstand und Nationalität der fortgewiesenen Personen — unterschieden zwischen „Abschiebung" aus einem bestimmten Ort oder Gebiet mit Verweisung in die Heimatgemeinde oder bei Personen ausländischer Staatsangehörigkeit über die Landesgrenze und der „Abschaffung" aus einem oder mehreren Orten mit dem Verbot, dorthin jemals oder innerhalb eines begrenzten Zeitraumes zurückzukehren (s. a. den Art. Aufenthaltsbeschränkung). Zum Abschluß des theoretischen Teiles der Polizeistatistik sei noch darauf hingewiesen, daß nach Möglichkeit bei den verschiedenartigen polizeistatistischen Feststellungen den Ausländern (s. a. d. Art.) besondere Beachtung zu schenken ist. III. a) Das D e u t s c h e R e i c h verfügt bisher über keine das gesamte Reichsgebiet umfassende Polizeistatistik, da die Polizeiverwaltung mit ihrer z. T. sehr verschiedenartigen Organisation zur Zeit noch Hoheitssache der Länder ist. Doch sind seit einigen Jahren Bestrebungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Kriminalpolizeistatistik im Gange. Wie einem Referat zu entnehmen ist, das Z s c h o c k e l t (Sächsisches Landeskriminalamt Dresden) auf der im Juni 1928 in Dresden abgehaltenen Vollsitzung der Deutschen Kriminalpolizeilichen Kommission (DKK.) erstattet hat, ist von der D K K . auf ihrer im Juni 1925 in Karlsruhe stattgefundenen Tagung ein Ausschuß zur Herbeiführung einer ordnungsmäßigen Kriminalstatistik eingesetzt worden. Dieser Ausschuß, der im April 1927 in Dresden und im April 1928 in Bremen zusammengetreten ist, war sich einig, daß die bisher bearbeitete Reichskriminalstatistik keine geeignete Grundlage für den Aufbau der von der Kriminalpolizei erstrebten Statistik bietet, da von der Reichskriminalstatistik nur die Strafsachen berücksichtigt werden, die bei den ordentlichen Gerichten zur rechtskräftigen Verurteilung wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze geführt haben (vgl. auch die näheren methodischen Erläuterungen im Art. Kriminalstatistik, S. 40 dieses Bandes). Es fehlen mithin erstens alle Verurteilungen wegen der Delikte gegen die landesgesetzlichen Strafbestimmungen sowie sämtliche
Polizeistatistik Übertretungen. Weiterhin werden alle Verfahren nicht erfaßt, die schon bei der S t a a t s anwaltschaft zur Einstellung gelangen. Auch die Tätigkeit der Kriminalpolizei, die zwar zur Abgabe an die Justizbehörden, aber nicht zur Einleitung eines Strafverfahrens geführt hat, bleibt außer B e t r a c h t . Die erstrebte kriminalpolizeiliche Statistik muß aber auch über alle diese Fragen Aufschluß geben. Sie ist daher auf der von der Kriminalpolizei entfalteten T ä t i g k e i t , nicht aber auf der T ä t i g keit der Justizbehörden aufzubauen. Die Zusammenstellung der Einzelergebnisse hat — nach der weiteren Forderung des Referenten — der Organisation der Kriminalpolizei entsprechend nach Ländern in den Statistischen Landesämtern zu erfolgen. Nach Aufbereitung des statistischen Materials in den Ländern kann dann vom Reich, an das die E r gebnisse weiter zu leiten wären, eine Summenbildung für das gesamte Reichsgebiet vorgenommen werden.
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sungen über ihren Bereich in kürzeren Zeiträumen vorzunehmen. 5. Bei Aufstellung der S t a t i s t i k ist am besten das K a l e n d e r j a h r zu Grunde zu legen. 6 . Als günstigster Zeitpunkt der statistischen Erfassung des einzelnen Falls erscheint der Zeitpunkt der Abgabe der S a c h e an die Staatsanwaltschaft. Dieser Zeitpunkt soll daher möglichst zu Grunde gelegt werden. 7. Die statistische Erfassung des einzelnen Falls darf keineswegs dem die S a c h e bearbeitenden B e a m t e n überlassen, muß vielmehr dessen Vorgesetztem übertragen werden. Es ist notwendig, durch häufige Stichproben die gewissenhafte Führung der S t a t i s t i k nachzuprüfen. Zur Durchführung dieser geplanten E r hebung ist es jedoch bis j e t z t nicht gekommen. E s ist aber eine unbedingte Notwendigkeit, daß bei der auf Grund des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. J a n u a r 1934 demnächst zu erwartenden Überführung der Kriminalpolizeien der Länder auf das Reich auch eine einheitliche Polizeistatistik für das ganze Deutschland zu schaffen ist, deren Bearbeitung allerdings dann wie bei der Reichskriminalstatistik zentral durch das Statistische Reichsamt zu erfolgen h ä t t e .
T r o t z Verwirklichung dieser Gedanken sind aber nach der Auffassung von Z s c h o k k e l t noch nicht alle Wünsche, die auf dem Gebiet der Kriminalstatistik geäußert werden können, erfüllt. F ü r die weitere Entwicklung F ü r das Gesamtgebiet des Deutschen in dieser Beziehung wird daher als ideales Reichs liegt lediglich ein p o l i z e i s t a t i s t i Ziel anzustreben s e i n : s c h e s S u r r o g a t in Gestalt von Nachwei1. Aufstellung einer Geschäftsstatistik sungen der Todesursachenstatistik über die für die Kriminalpolizei ( S a c h e der Kriminal- Zahl der einem Mord oder Totschlag zum polizei); Opfer gefallenen Personen vor. Nach dieser 2. Aufstellung einer S t a t i s t i k der E r g e b - seit 1906 geführten Statistik ergeben sich in nisse der einzelnen Verfahren bei den J u s t i z den letzten J a h r e n für das Reich im ganzen behörden ( S a c h e der J u s t i z b e h ö r d e n ) ; 3. eine Verbindung dieser beiden S t a t i - folgende absoluten und relativen Zahlen, bei stiken, aus der festgestellt werden kann, deren Wertung die methodischen Darlewelchen Fortgang die ursprünglich bei der gungen auf S . 3 5 0 entsprechend zu berückKriminalpolizei zur Anzeige gekommene sichtigen s i n d : Sache bei der Justizbehörde genommen hat 1. D i e O p f e r v o n M o r d u n d T o t s c h l a g ( S a c h e der Statistischen Landesämter). im D e u t s c h e n R e i c h in den Jahren Der weitere Verlauf der Arbeiten des 1927—1931. X I . Ausschusses führte zur Aufstellung eines F o r m b l a t t e s (Liste) für eine einheitliche insgesamt männlich weiblich Jahre Polizeistatistik in den deutschen Ländern, das mit folgenden Richtlinien den Länderabsolute Zahlen regierungen zugeleitet wurde (vgl. Referate 1927 . 756 1300 544 und Beschlüsse der D K K . in Dresden 1928 . 727 1264 537 14.—16. Juni 1928): 707 1176 469 1929 . 1232 734 498 1930 . 1. Der W e r t einer S t a t i s t i k für die Krimi1336 530 1931 . 806 nalpolizei wird anerkannt. 2. Diese Kriminalstatistik ist in F o r m auf 1 0 0 0 0 0 Lebende einer reinen Geschäftsstatistik zu führen. Die 2,06 2,47 1,67 Zusammenstellung hat nach Ländern zu er- 1927 1928 1,99 2,36 1,64 folgen. 1,84 2,28 1,42 1929 3 . Die Führung und Auswertung der Ge1,92 2 , 3 5 1,51 1930 samtstatistiken ist Sache der einzelnen S t a 2,07 2,57 1,59 1931 tistischen Landesämter. 4 . Die Aufstellung der Gesamtstatistiken Das sind im Durchschnitt dieser fünf B e soll in Zeiträumen von y 4 J a h r erfolgen. Den richtsjahre 1262 Opfer von Mord und T o t schlag oder 1,97 auf 1 0 0 0 0 0 Lebende. D a einzelnen Dienststellen bleibt es überlassen, im Bedarfsfalle statistische Zusammenfas- gegen wurden nach den Ergebnissen der
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Reichskriminalstatistik in dem gleichen Z e i t raum wegen M o r d (§ 211), Totschlag (§§ 212 bis 215), Kindesmord (§ 217) und wegen v o r sätzlicher K ö r p e r v e r l e t z u n g mit tödlichem Ausgang (§ 226) durchschnittlich 816 P e r sonen rechtskräftig verurteilt. Dieser nicht unerhebliche Unterschied zwischen den auf Grund der Todesursachenstatistik ermittelten Zahlen und den E r g e b nissen der Kriminalstatistik erklärt sich, w i e ich schon früher an anderer Stelle dargelegt habe (vgl. Deutsche Juristen - Zeitung, 33. Jahrg., 1928, H e f t 21, Sp. 1463) im w e sentlichen einmal daraus, daß bei den ersteren Daten die Doppel- und Massenmorde, ferner diejenigen T o d e s o p f e r v o n T ä t e r n enthalten sind, die sich meist bei Familien- und Liebestragödien nach der T a t selbst entleibten. Daß die letzteren Fälle verhältnismäßig zahlreich sind, zeigt die T a b e l l e auf S. 366/67 über die in Preußen verübten Schwerverbrechen, nach welcher bei rund einem Drittel der Mordfälle Selbsttötung des T ä t e r s erfolgte (s. a. d. A r t . Selbstmordstatistik). Weiterhin ist die nicht unbeträchtliche Zahl der wegen der v o r g e nannten Verbrechen A n g e k l a g t e n , aber Freigesprochenen (§ 51) zu berücksichtigen, deren O p f e r ebenfalls v o n der Todesursachenstatistik gezählt werden. V o n den wegen V e r -
brechen gegen §§ 211—215, 217 oder 226 angeklagten Personen wurden im Durchschnitt der Jahre 1927—1931 110 freigesprochen. A u c h darf nicht außer A c h t gelassen w e r d e n , daß bei einer Reihe v o n Fällen dieser Schwerverbrechen zwischen der Zeit der T a t und ihrer Aburteilung erfahrungsgemäß eine geraume Zeitspanne liegt. Bei der restlichen D i f f e r e n z dürfte es sich neben natürlichem A b g a n g ( T o d des T ä t e r s ) um die nicht ergriffenen und nicht abgeurteilten T ä t e r handeln. Die Todesursachenstatistik gibt weiter w e r t v o l l e Aufschlüsse über die angewandten Tötungsmittel. V o n 1252 Personen, die i m Durchschnitt der Jahre 1928—1931 einem Mord oder Totschlag zum O p f e r fielen, wurden 292 ( 2 3 , 3 % ) durch F e u e r w a f f e n , 2 5 9 ( 2 0 , 7 % ) durch schneidende oder stechende Instrumente, 608 ( 4 8 , 6 % ) durch sonstige Mittel und 93 ( 7 , 4 % ) durch unbekannte Mittel g e t ö t e t . Gibt es wohl einen deutlicheren und überzeugenderen Beweis f ü r die unveränderte Gesetzmäßigkeit in dem zahlenmäßigen V o r k o m m e n der Tötungsarten und der A n w e n d u n g der T ö t u n g s w e r k z e u g e , die bereits v o r genau einem Jahrhundert Q u e t e l e t festgestellt hat, als diese wenigen Block-• z a h l e n ? ( v g l . auch die T a b e l l e auf S. 29).
2. D i e O p f e r v o n M o r d u n d T o t s c h l a g i m D e u t s c h e n R e i c h i m J a h r e 1931 n a c h A l t e r s k l a s s e n und T ö t u n g s m i t t e l n . Altersklassen Geschlecht
Tötungsmittel
Feuerwaffen Schneidende oder stechende Instrumente Sonstige Mittel
. . . .
Unbekannte M i t t e l .
.
.
M o r d und Totschläge insgesamt 1927—1931 pro Jahr
.
während 1927—1931 auf j e 100000 Lebende x)
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
0 1 5 15 30 60 bis 1 bis 5 bis 15 bis 30 bis 60 bis 70 1 1 4
106 91 46 31
286
180 163 343 32,4 30,6 31,6
Einschließlich der unbekannten
8 16
3 30 33 1
10
6
6
157 129
5 7
42 43 85 37 35 72
6
39 42 4 3
1,7
57 71 128 49 51 100 0,98
1,7
M 1,0
1,6
84 72 105 23 52 33
113 48 75 32
62 28 9 7
247 133 380 209 129 338 2.3 1.4 1,8
259 115 374 232 107 339 2,1 0,84 1,4
8 2 8 1
20
70
2 2 4 3
insgesamt*) 219 148
206
80
313 252
13 1
12
2
1 1
68
37
6
806
18
55
28
17 45 1,4 0,78
1,1
19 25 10 12
22
1,0 0,96 1,0
50 530 1336 746 515 1261 2,4
1,6
2,0
Fälle.
b ) W e i t günstiger liegen die Verhältnisse z. T . in den d e u t s c h e n L ä n d e r n , v o n denen B a y e r n die ersten polizeistatistischen Veröffentlichungen aufzuweisen hat. D o r t wurde bereits im Jahre 1804 im churpfalzbayerischen Regierungsblatt eine statistische M i t teilung über L e i s t u n g e n v o n O r g a n e n d e r S i c h e r h e i t s p o l i z e i unter dem T i t e l
„Summarisches Verzeichnis der v o n den zur Landessicherheit und Reinigung aufgestellten militärischen Posten in dem Monate Februar 1804 angehaltenen und theils über die Landesgränze, theils in ihre H e i m a t h gelieferten I n d i v i d u e n " v e r ö f f e n t l i c h t . D e r nähere Inhalt dieser Nachweisungen sowie ihre weitere Gestaltung ist in dem Beitrag „ S t a t i s t i k der
Polizeistatistik Bettler und Landstreicher" besprochen, auf den ich, um Wiederholungen zu vermeiden, verweise (vgl. S. 121 dieses Bandes). Nach Einführung der Gendarmerie wurden dann in den Regierungsblättern „Summarische Verzeichnisse über die zur Aufrechterhaltung der inneren Landessicherheit von der k. Gendarmerie geleisteten Dienste" mitgeteilt. Diese Tabellen enthielten u. a. auch Aufschlüsse über die Zahl der besetzten Stationen und der dislozierten Mannschaft sowie über die Zahl der Patrouillen, Transporte, Postwagen-Eskortierungen, besonderen Anzeigen und außerordentlichen Dienstverrichtungen. Die erste umfassende polizeistatistische Darstellung nach einheitlichen Gesichtspunkten wurde im Jahre 1853 von H e r m a n n , dem damaligen Leiter des K. Statistischen Bureaus, unter dem Titel „Leistungen der Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege" (a. a. O. I) veröffentlicht. Sie unterrichtet über die während der Jahre 1835—1850 in den einzelnen Kreisen diesseits des Rheins und in der Pfalz angezeigten „Tathandlungen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit" und deren entdeckte Täter. Das reich gegliederte Tabellenwerk besteht aus drei Hauptabteilungen: I. Privatverbrechen und -vergehen, II. Staatsverbrechen und -vergehen, III. Polizeiübertretungen. Ferner enthält die Veröffentlichung eingehende Übersichten über den Stand der Gendarmerie sowie die Leistungen der Sicherheitswachen. Den Abschluß bilden besondere Nachweise über die aufgegriffenen Bettler und Vaganten (Näheres s. vorn S. 122). Im Jahre 1859 wurden diese polizeistatistischen Aufzeichnungen — gleichfalls von H e r m a n n bearbeitet — bis einschließlich 1856 fortgesetzt (a. a. O. II). Wenige Jahre später wurde durch G. v o n M a y r eine umfassende Darstellung über die Entwicklung und die Ergebnisse der gerichtlichen Polizei in Bayern und in einigen anderen Ländern (England, Frankreich, Belgien, Niederlande, Österreich, Baden, Spanien und Schweden), der Öffentlichkeit übergeben, die sich im allgemeinen auf den Zeitraum 1835—1861 erstreckt. Mit der Umgestaltung der Strafgesetzgebung und der Trennung der Justiz von der Verwaltung im Jahre 1862 hören polizeistatistische Nachweisungen in Bayern vollständig auf. Das Interesse hieran scheint seitdem durch die reich differenzierte Statistik der bayerischen Strafrechtspflege verdrängt zu sein. Diese bringt allerdings ausführliche Ausweise über die Übertretungen, die zweckmäßigerweise nach den obigen Ausführungen auf S. 355/56 in der kriminalpolizeilichen Statistik Berücksichtigung finden. Neuerdings hat jedoch das Bayerische Statistische Landesamt wieder
361
sein Interesse polizeistatistischen Mitteilungen zugewandt. Seit dem Jahre 1915 enthalten die einzelnen Jahrgänge des Bayerischen Statistischen Jahrbuchs wieder inhaltreiche Übersichten über die vielseitige Tätigkeit der Polizeidirektion München als Zentralstelle. Die letztjährigen Angaben, die ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Z a h n , Präsident des Bayerischen Statistischen Landesamts und derzeitiger Präsident des „Institut International de Statistique" verdanke, sind als Typ einer Landesstatistik des polizeilichen Erkennungsdienstes in den Tabellen 3 u. 4 auf S. 362/64 zusammengestellt. Eine gut entwickelte und reichhaltige Statistik der gerichtlichen Polizei wurde bis vor wenigen Jahren auch von B a d e n bearbeitet. Sie gab Aufschluß über die Tätigkeit der Bezirks- und Polizeiverwaltung, aufgegliedert nach Amtsbezirken, über den Personalstand und die Diensttätigkeit des Gendarmeriekorps, über die von diesem verhafteten und angezeigten Personen bzw. angezeigten und gerichtlich verfolgten Fälle. Weitere Übersichten unterrichteten über die von der Staatspolizei im gesamten Staatsgebiet sowie in einer Reihe badischer Städte verhafteten Personen und der erstatteten Anzeigen unter besonderer Ausweisung der wegen Verbrechen und Vergehen erfolgten Anzeigen. Es gelangten ferner zur Darstellung die Ausweisungen aus dem Reichsgebiet, die Unterbringung in das polizeiliche Arbeitshaus sowie die Zahl der unter Polizeiaufsicht gestellten Personen. Auf die besonderen badischen Erhebungen über die Bettelei und Landstreicherei ist bereits auf S. 124 dieses Bandes eingehend verwiesen. Als „hervorragender Typ der Statistik der Ausübung polizeilicher Strafgewalt" ist vor allem die Statistik der Polizei-Strafrechtspflege zu bezeichnen ( v o n M a y r , a. a. O. IV, S. 527). Sie wurde nach Angaben der Bezirksbzw. Bürgermeisterämter aufgestellt und orientierte über die Zahl der wegen Übertretungen erstatteten Anzeigen, über die Zahl der angezeigten Personen und über die verschiedenen Erledigungsarten der Anzeigen. Ein mit reichen statistischen Daten ausgestatteter Tätigkeitsbericht des Erkennungsdienstes des Badischen Landespolizeiamtes ist in einem der letzten Bände des „Archivs f ü r Kriminologie" veröffentlicht (vgl. Bd. 93). In W ü r t t e m b e r g wurden über fast drei Jahrzehnte bis zum Jahre 1921 regelmäßig die Ergebnisse der polizeilichen Strafrechtspflege der Oberämter im „Amtsblatt des Ministerium des Innern" veröffentlicht. Es wurde hierbei ausgewiesen — in der Aufgliederung nach den vier Kreisen — die Gesamtzahl der im Kalenderjahr zur Abrügung
Polizeistatistik
362
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363
durch polizeiliche S t r a f v e r f ü g u n g a n g e z e i g t e n Ü b e r t r e t u n g e n unter besonderer H e r v o r h e b u n g der w e g e n L a n d s t r e i c h e r e i und B e t telei e r s t a t t e t e n A n z e i g e n , die Zahl der o b e r a m t l i c h e n S t r a f v e r f ü g u n g e n s o w i e der A n t r ä g e auf gerichtliche E n t s c h e i d u n g g e g e n eine o b e r a m t l i c h e S t r a f v e r f ü g u n g , die Z a h l der v o n den O b e r ä m t e r n durch S t r a f e r k e n n t nis e r l e d i g t e n U n g e h o r s a m s - , U n g e b ü h r - und D i s z i p l i n a r f ä l l e sowie die Zahl der A n z e i g e n und Strafbescheide wegen Zuwiderhandlungen g e g e n die Z o l l - und S t e u e r g e s e t z e . W e i t e r h i n liegt f ü r W ü r t t e m b e r g seit E n d e der neunziger J a h r e des v o r i g e n J a h r h u n d e r t s eine auch j e t z t noch b e a r b e i t e t e und e b e n f a l l s in d e m o b e n e r w ä h n t e n A m t s b l a t t v e r ö f f e n t l i c h t e Jahresstatistik über die „ D i e n s t t ä t i g k e i t des L a n d j ä g e r k o r p s in S t r a f s a c h e n " v o r , deren Inhalt nebst den Ergebnissen f ü r die l e t z t e n 4 J a h r e aus der T a b e l l e 5 zu e n t n e h m e n ist. W e n n m a n v o n den bis z u m J a h r e 1820 v o n den P o l i z e i b e h ö r d e n a u f g e s t e l l t e n Ü b e r sichten der schweren V e r b r e c h e r absieht, die hauptsächlich zur B e a r b e i t u n g einer S t a t i s t i k d e r S t r a f r e c h t s p f l e g e d i e n t e n , f e h l e n aus P r e u ß e n bis in die erste N a c h k r i e g s z e i t polizeistatistische M i t t e i l u n g e n , die sich auf das g e s a m t e S t a a t s g e b i e t beziehen, v o l l s t ä n d i g . I m J a h r e 1922 w u r d e durch V e r f ü g u n g des Ministeriums des Innern v o m 5. X I I . — I I . C. 1852 ( M i n i s t e r i a l b l a t t f ü r die Preußische innere V e r w a l t u n g . A u s g a b e J a h r g . 1922, S. 1173) eine k r i m i n a l p o l i z t i l i c h e S t a t i s t i k auf f o l g e n d e r G r u n d l a g e a n g e o r d n e t : „ V o m 1. I. 1923 a b ist bei den s t a a t l i c h e n P o l i z e i v e r w a l t u n g e n und den P o l i z e i v e r w a l t u n g e n d e r j e n i g e n O r t s c h a f t e n , deren E i n w o h n e r z a h l höher ist als 5 0 0 0 0 , eine f o r t l a u f e n d e Z ä h l u n g f o l g e n d e r z u r A n z e i g e und strafrechtlichen Behandlung gekommenen strafbaren Handlungen vorzunehmen: I. T ö t u n g s d e l i k t e : M o r d , T o t s c h l a g , K ö r p e r v e r l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e , nicht a b e r K i n d e s t ö t u n g nach § 217 S t G B . ( § § 2 1 1 — 2 1 6 , 2 2 6 — 2 2 9 S t G B . ) . I I . R a u b und räuberische Erpressung (§§ 249—252, 255 StGB.). I I I . D i e b s t a h l ( § § 242, 243, 2 4 8 a S t G B . ) . IV. Gewaltsame U n z u c h t und Notzucht ( § § 176 1 , 177 S t G B . ) . V . U n z ü c h t i g e H a n d lungen m i t K i n d e r n ( § 1 7 6 3 S t G B . ) . V I . B r a n d s t i f t u n g (§§ 3 0 6 — 3 0 8 S t G B . ) . V I I . M ü n z v e r b r e c h e n ( § § 146, 147 S t G B . ) und V o r b e r e i t u n g dazu (§ 151 S t G B . ) . " Die Ergebnisse dieser kriminalpolizeilichen S t a t i s t i k , deren M e t h o d i k und S y s t e m a t i k i m L a u f e der J a h r e einige Ä n d e r u n g e n e r f a h r e n hat ( v g l . M i n i s t e r i a l b l a t t f ü r die Preußische innere V e r w a l t u n g , J a h r g . 1929, N r . 47, Sp. 926), w e r d e n in d e m seit d e m J a h r e 1928 v o m P r e u ß . M i n . d . Innern herausgegebenen „ W e g w e i s e r durch die P o l i z e i " be-
Polizeistatistik
364
4. D i e T ä t i g k e i t d e r N a c h r i c h t e n s t e l l e f ü r V e r m i ß t e u n d u n b e k a n n t e T o t e b e i d e r P o l i z e i d i r e k t i o n M ü n c h e n a l s Z e n t r a l s t e l l e i n d e n J a h r e n 1930—1932. Bezeichnung
1. P e r s o n e n , d i e i n M ü n c h e n v e r m i ß t w u r d e n . In München als v e r m i ß t gemeldete Personen insgesamt . und z w a r : K i n d e r im A l t e r bis zu 12 Jahren über 12 Jahre alte Personen V o n d e n ü b e r 12 J a h r e a l t e n P e r s o n e n waren 12—21 Jahre männlich weiblich über 21 „ männlich . . weiblich wurden lebend ermittelt männlich weiblich „ t o t ermittelt blieben unermittelt V o n den lebend ermittelten Personen sind in eine K l i n i k oder in ein Krankenhaus eingeliefert worden V o n den unermittelt Gebliebenen steht in . . . Fällen fest, daß sie den T o d gefunden haben V o n d e n v e r m i ß t e n K i n d e r n b i s z u 12 J a h r e n konnten wieder lebend beigebracht werden 2. A u s B a y e r n ( o h n e M ü n c h e n ) u n d a u s d e m ü b r i g e n R e i c h e als v e r m i ß t g e m e l d e t e P e r s o n e n . InBayern aufgefundene unbekannte Leichen. A u s B a y e r n (ohne München) als v e r m i ß t g e m e l d e t e P e r s o n e n im A l t e r über 12 Jahren insgesamt davon: wurden lebend ermittelt sind in die Fremdenlegion eingetreten haben Selbstmord verübt bzw. sind als Leichen aufgefunden worden blieben unermittelt V o n den in früheren Jahren in Bayern als v e r m i ß t gemeldeten und unermittelt gebliebenen Personen konnten nachträglich ausgeforscht werden I n B a y e r n aufgefundene unbekannte L e i c h e n i n s g e s a m t . d a v o n männlich weiblich Nachträglich konnte bei . . . männlichen . . . weiblichen Leichen die Persönlichkeit festgestellt werden Vormerkungen v o n Leichenfunden auf Grund der Ausschreibungen im deutschen Kriminalpolizeiblatt und der Mitteilungen außerbayerischer Polizeibehörden
1423
1437
532 891
468 969
202
233 154 398 184
188 301 200 469 374 31 17
5151)
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21
56
90
3
3
532
468
509
507
481
352
334
305 2
81 76
119 54
120 54
87 68 19 54 15
116 115 87 28 74 28
48 103 62 41 56 39
227
196
204
*) D a v o n haben sich nach einiger Zeit selbst wieder eingefunden 304 Personen; in die Fremdenlegion eingetreten 3 Personen. — 2 ) D a v o n haben sich nach einiger Zeit selbst wieder eingefunden 140 Personen. — 8 ) D a v o n haben sich nach einiger Zeit selbst w i e d e r eingefunden 313 Personen; in die Fremdenlegion eingetreten 1 Person. — 4 ) D a v o n haben sich nach einiger Zeit selbst wieder eingefunden 223 Personen. — 6 ) D a v o n ist eine Person bestimmt einem Verbrechen zum O p f e r gefallen. kannt gegeben. Ihr wesentlichster Inhalt ist aus den Tabellen 6 und 7 auf S. 366/68 ersichtlich. A u s der Fülle der sonstigen statistischen Nachweisungen, die im „ W e g w e i s e r " geboten werden, interessieren im Rahmen dieses Beitrages besonders solche über die Organisation der staatlichen Polizei im allgemeinen wie der Landeskriminalpolizei und L a n d j ä g e r e i im
speziellen, über die Belegung des P o l i z e i gefängnisses in Berlin, die Zahl der vermißten und unbekannten T o t e n im gesamten Staatsgebiet. W e i t e r h i n ist zu nennen die Statistik über den Gebrauch der Diensthunde (Spürhunde) sowie über den Gebrauch der Schußwaffen innerhalb der P o l i zei und endlich die Nachweisung über die
Polizeistatistik
365
5. D i e D i e n s t t ä t i g k e i t d e s L a n d j ä g e r k o r p s in W ü r t t e m b e r g in S t r a f s a c h e n in d e n J a h r e n 1930—1933. a = Festnahmen. b = Anzeigen, Berichte und Meldungen. 1930
Strafbare Handlungen a Zahl der Landjäger . . . Verbrechen, Vergehen und Übertretungen insgesamt darunter: Widerstand gegen die Staatsgewalt Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung Münzverbrechen und «vergehen Meineid Vergehen gegen die Religion Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit . Verbrechen und Vergehen wider das Leben . . . Körperverletzung . . . . Verbrechen und Vergehen wider die persönl. Freiheit Diebstahl und Unterschlagung Raub und Erpressung . . Begünstigung und Hehlerei Betrug und Untreue . . . Urkundenfälschung . . . Bankrott (§§ 239—244 KO.) Strafbarer Eigennutz und, Verletzung fremder Geheimnisse Jagdvergehen Fischereivergehen . . . . Sachbeschädigung . . . . Gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen . Verbrechen und Vergehen im Amte Übertretungen: Bettel Landstreicherei Übertretungen gegen dieGewerbeordnung Tierquälerei Verfehlungen gegen die Straßenpolizei- u. Kraftfahrzeuggesetze . . . . Verfehlungen gegen die Feuerpolizeigesetze . . Verfehlungen gegen die Jagdgesetze Verfehlungen gegen die Fischereigesetze . . . . Alle übrigen Übertretungen und Vorfälle
1931 b
a
1932 b
1 786
a
1933 b
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1 786
1 786
1 786
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5562
177210
5974
165869
6928
70
532
94
537
87
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69
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40
729
74
780
112
813
156
985
1 53 1
159 1692 31
12 49 1
176 2140 31
12 88 2
320 2148 40
6 76 4
310 2027 40
268
2022
259
1925
308
2144
422
2339
155 129
1777 9278
125 115
1641 8198
143 143
1743 7555
190 171
1777 6971
29
757
20
683
34
737
25
745
787 39 11 336 45 2
22681 422 236 20290 1322 119
829 28 19 286 42 9
21991 474 215 19347 1372 166
917 18 24 252 45 5
24496 477 317 16628 1336 93
928 21 33 278 55 3
21932 454 264 15958 1214 73
41 1 39
121 676 59 1971
1 66 1 53
175 700 37 1694
1 78 1 79
243 710 47 1791
1 68 1 62
199 671 30 1304
96
2109
171
2391
201
2667
185
2320
6
136
8
257
8
260
19
259
1990 132
2482 162
2333 123
3287 137
2845 136
5161 150
3962 470
5444 451
509 4
4743 461
410 3
4452 530
425 7
4412 504
556 7
5247 598
24
52362
30
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27
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366
Polizeistatistik 6. Die in d e n J a h r e n 1928—1931 in P r e u ß e n d e r P o l i z e i I. Morde
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in Fällen Königsberg . Gumbinnen Allenstein . Westpreußen Berlin . . Potsdam . Frankfurt a Stettin . Köslin . Stralsund Schneidemü hl Breslau . Liegnitz . Oppeln . Magdeburg Merseburg Erfurt . . Schleswig Hannover Hildesheim Lüneburg Stade . . Osnabrück Aurich . . Münster . Minden . Arnsberg . Kassel . . Wiesbaden Koblenz . Düsseldorf Köln a. Rh Trier Aachen Sigmaringen
III. Totschläge
II. Mordversuche
in Fällen
«d 322 Mg •s 5 §Ö c w fH c 10 CU. « c •5 c" 2 ¿5 o> C « c3 o 0> > QO V*
in Fällen
1 1 22 7 2 1 1 1 8 6 11 4 4 2 12 3 4 2
2 Gesamtsumme 193 316 182 95 105 29 5 171 123 176 96 2 60 20 3 Dagegen 1930 295 169 97 90 36 154 98 2 50 6 16 189 121 2 260 153 91 68 39 170 111 5 51 8 1929 8 155 112 298 160 111 87 51 161 98 7 53 10 3 1928 17 182 126 *) Unter Berücksichtigung nachträglicher Berichtigungen. — >) In diesen Fällen handelt es sich Spalte „von vorn herein bekannt" gezählt. — 2) In dieser Spalte sind auf Grund einer Anweisung zur verdacht gegen eine bestimmte Person von Anfang an sprach, diese aber erst nach Durchführung einer Täterschaft geklärt werden konnte. — s ) In diesen Zahlen sind auch diejenigen Fälle der gewaltsamen
Polizeistatistik
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CL.-g Delikt. 1- « ir I — I V •o-e durch •n "> e > 5 3 >a> Ermittelung des Täters
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V I . Vers. v . R a u b und räub. Erpr.
I V . Totschlagsversuche
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V . Raub und räuberische Erpressung
m in früheren Jahren unaufgeklärt ¡bliebenen Fällen Täter ermittelt
bekannt gewordenen
367
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102 63 — 33 6 98 59 3 31 8 73 47 1 20 6 104 65 1 29 10
32 63 13 10 9 6 9 5 472 248 33 14 15 11 32 19 2 5 3 3 11 4 44 28 22 8 102 32 32 18 20 36 13 6 34 95 45 25 9 4 13 5 4 1 14 7 65 12 149 11 32 9 321 155 16
37 5 65 3 15 4 169 93 6 9
1872 1 1910 1955 1 1344
948 1075 1241 761
8
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3 1 177 91 16 8 1 2 — — 11 9 — 1 — — 2 1
50 50 100
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100 76 33 70
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42 58 34 59
5 27 3 — 1 — 4 — 3 1 4 4 1 18 5 1 1 28 7 1 6 9 1 4 1 89 34 11 4 2 2 10 7 1 528 223 554 256 467 228 495.204
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83 —
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25 50 50 65 33 31 67 66 60 67 67
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100 100 — 100 18 88 47 67 15 33 100 100 17 50 100 — 75 — 50 75 17 100 12 50 67 75 69 75 33 100 33 80 40 75 33 50 —
—
67 100
11 20
100 — — 100 8 33 41 22 80 20 66 71 30 — 100 — — 25 25 — 100 — — — 100 25 67 33 — 50 50 50 50 25 — 50 25 — 40 60 — — 100 — 100 — 25 100 — — 100 — 100 — 100 —
100 100 33 33 —
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33 33
67 91 67 75 45 67 33 56 40 67
33 75 9 100 25 85 8 71 27 50 — 100 50 65 39 50 60 100 33 78
25 71 — 50 15 25 14 33 25 50 — 100 23 78 33 57 — 100 11 67
58 57 59 52
33 31 26 40
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100 —
67 67 50 67 50 — —
50 50 100 50 —
100 50 100 100 100 100 —
20 51 29 77 71 67 — 56 33 33 53 51 33 42 50 50 73 33 58 82 — — 40 — 100 50 — — 36 42 50 63 50 36 80 — 31 17 50 56 50 100 56 50 — 46 100 50 36 15 — — 56 — — 44 — — 37 — 25 33 50 100 —
29 90 10 — 50 — 69 47 41 33 — 100 50 100 — — 50 50 6 89 11 29 44 56 — 50 50 33 67 33
71 20 55 34 64 30 64 32 72 18 65 30 66 42 71 44
62 60 64 82
32 32 27 56
57 42 44 27 47 44 53 60 75 56
28 100 25 17 11 25 38 36 100 70
51 56 63 56
42 46 49 36
95 25 15 16 759 81 45 56 20 8 16 107 47 154 58 72 26 152 60 20 23 12 24 1 127 28 235 40 61 20 486 206 22 47 1 3165 3200 3080 2584
3 36 49 52 15 20 8 0 2 4 12 8 0 6 2 2 a - 10 62 75 24 339 438 57 18 11 22 51 63 17 11 9 37 82 7 6 28 41 73 8 2 2 12 60 — 3 4 7 87 1 4 4 9 56 17 13 42 72 67 11 5 12 28 59 21 8 35 64 42 10 10 20 40 69 11 16 24 51 71 5 11 3 19 73 20 9 38 67 44 9 3 25 37 62 7 2 4 13 65 2 3 5 10 43 4 1 2 7 58 2 2 11 15 62 0 33 11 42 86 68 13 2 6 21 75 31 23 72 126 52 15 4 4 23 57 10 6 16 32 54 5 1 5 11 55 48 18 203 269 55 21 16 97 134 65 8 4 8 20 91 15 5 16 36 77 0 464 232 1171 1867 59 447 228 1331 2006 63 423 167 1469 2059 67 449 207 965 1621 63 10 5
hauptsächlich um Familientragödien, Eifersuchtstaten und Ähnliches. Der T ä t e r ist in diesen Fällen immer in der Herbeiführung einer einheitlichen Zählung auch diejenigen Fälle aufgenommen, in denen zwar ein gewisser T a t umfangreicheren kriminalpolizeilichen Nachforschung und Fahndung ermittelt oder ergriffen und dadurch die Wegnahme v o n Handtaschen und ähnlichen Gegenständen mitenthalten.
Polizeistatistik
368
7. P r e u ß i s c h e p o l i z e i l i c h e K r i m i n a l s t a t i s t i k ü b e r d i e in S t ä d t e n m i t s t a a t l i c h e r P o l i z e i v e r w a l t u n g u n d in S t ä d t e n m i t m e h r a l s 50000 E i n w o h n e r n v e r ü b t e n s c h w e r e n D e l i k t e u n t e r Angabe der kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse. Bezeichnung
1924
1925
1926
1927
1928
1929
1930
1931
I. Tötungsdelikte: Mord, Totschlag, Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 211—216, 226 bis 229 StGB.) 499 425 450 538 481 390 407 Gesamtzahl 491 Täter von vorn herein be295 268 283 256 372 kannt 494 458 | 413 128 105 158 96 Täter später ermittelt 1 ) II. Raub und räuberische Erpressung (§§ 249—252,255 StGB.) 1925 2261 1781 2034 2013 Gesamtzahl 1898 1619 2606 Täter von vorn herein be218 466 446 359 1223 997 968 1344 kannt | 689 601 959 746 Täter später ermittelt 1 ) I I I . Diebstahl (§§ 242, 243, 248a StGB.) Gesamtzahl 243360 194187 174854 169729 185847 204670 242978 274419 Täter von vorn herein be55977 48199 52419 54620 kannt 1109876 94816 93078 91729 45554 48415 54274 62800 Täter später ermittelt 1 ) Fälle d. schweren Diebst. (§ 243 2 u.» StGB.) . 80010 63763 53801 48477 53912 61387 77344 88575 Täter von vorn herein be5887 4616 kannt 4293 Täter später ermittelt 1 ) 17377 20753 25275 IV. Gewaltsame Unzucht u. Notzucht (§§ 1761 u. 177 StGB.) 2194 2055 1837 Gesamtzahl . . . . . . 1513 1876 2075 2493 1523 Täter von vorn herein be1184 1382 1531 1719 kannt . . . . . . . | 1157 1669 1880 1289 400 362 357 406 Täter später ermittelt 1 ) V. Unzüchtige Handlungen mit Kindern (§ 176» StGB.) Gesamtzahl 4311 3141 3603 3984 4493 3792 3793 3819 Täter von vorn herein be2324 2648 2764 2711 kannt 3214 i 2660 3239 2958 QQO 685 950 yyo 676 Täter später ermittelt 1 ) V I . Brandstiftungen (§§ 306 u. 308 StGB.) Gesamtzahl 1668 1471 1437 1236 886 1298 1604 2029 Täter von vorn herein be208 444 391 226 kannt 518 694 665 605 | 290 322 544 304 Täter später ermittelt 1 ) Darunter auch diejenigen Fälle, in denen zwar ein gewisser Tatverdacht gegen eine bestimmte Person von Anfang an sprach, diese aber erst nach Durchführung einer umfangreicheren kriminalpolizeilichen Nachforschung und Fahndung ermittelt oder ergriffen und dadurch die Täterschaft geklärt •werden konnte.
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Handhabung des polizeilichen Strafverfügungsrechts. Statistische Angaben aus der Tätigkeit des Preußischen Landeskriminalpolizeiamts beim Polizeipräsidium Berlin werden meist in den „Kriminalistischen Monatsheften" veröffentlicht. Weit inhaltreicher als die oben besprochenen Reichsnachweisungen auf dem Gebiet
der Todesursachenstatistik waren bis vor wenigen Jahren die entsprechenden preußischen Ausweise über die Zahl der durch Mord oder Totschlag umgekommenen Personen. So ist neben einer viel ausführlicheren Gliederung des Alters der Opfer und der verschiedenen Tötungsarten die Unterscheidung nach S t a d t u n d L a n d hervorzuheben, die in der nachstehenden Tabelle dargestellt ist.
Polizeistatistik
369
8. D i e O p f e r v o n M o r d u n d T o t s c h l a g Städte 1913" Angaben über das Polizeiwesen in P r e u ß e n a u f g e g l i e d e r t n a c h S t a d t einer Reihe größerer Städte, die sich alleru n d L a n d in d e n J a h r e n 1928—1932. dings nur auf Daten über Zahl und Art des Beamtenpersonals und der Verwaltungsauf je 100000 kosten beziehen. insgesamt Lebende Jahre Der letzte Vorkriegsjahrgang des StatiLand Land Städte Städte stischen Jahrbuchs der S t a d t B e r l i n beispielsweise brachte zahlreiche Tabellen über 1.57 561 2,54 1928 266 die Tätigkeit der Kriminal- und Sicherheits586 2,58 230 1.39 1929 polizei. Es kamen darin u. a. ausführlich 612 2,68 217 1,30 1930 zur Darstellung die polizeilichen Festnahmen 588 2,56 235 1.40 1931 und die an das Kriminal-Kommissariat ge626 2,72 267 1.58 1932 langten Anzeigen mit eingehender Aufteilung Wertvolle Aufschlüsse vermittelte auch nach den Ursachen und Gegenständen der die Unterscheidung der Mord- und Tot- Festnahmen und Anzeigen, die Zahl der unter schlagsopfer nach dem F a m i l i e n s t a n d . Polizeiaufsicht stehenden und in PolizeiVon dem im J a h r e 1928 (1927) durch Mord und Totschlag ums Leben gekommenen Per- gewahrsam gebrachten Personen. Eingehende sonen waren 548 (576) ledig, 234 (212) ver- Berücksichtigung fanden fernerhin die sittenheiratet, 31 (38) verwitwet und 14 (12) ge- polizeilichen Maßnahmen. Diese Nachweise schieden. Unter den Ledigen befanden sich werden, von gewissen inhaltlichen Ein339 (362) Kinder bis zu 15 Jahren. Diese schränkungen abgesehen, in der gleichen Daten waren außerdem nach dem Geschlecht Publikation bis zum Jahre 1926 mitgeaufgeteilt. teilt. Dann wurde ihre Bekanntgabe leider Weiterhin wurde die Zahl derjenigen Per- eingestellt. Einen Ersatz hierfür bilden sonen nachgewiesen, die in A u s ü b u n g i h r e r die in den letzten Jahrgängen der KriminalA m t s p f l i c h t — und zwar vorwiegend durch Anwendung von Schußwaffen — einem Ver- stischen Monatshefte publizierten Berichte, brechen zum Opfer gefallen sind. Es waren welche die Tätigkeit der Preußischen Erdies im Jahre 1928 17 (8) Polizeibeamte, kennungsdienstzentrale Berlin mit vergleichenden Hinweisen auf die Tätigkeitsziffern Landjäger, Aufseher und Wächter. Statistische Mitteilungen über die Tätig- der Landeszentralen von München, Dresden, keit der Zentralstellen des S ä c h s i s c h e n Hamburg, Karlsruhe und Stuttgart zum Landeskriminalamtes sind in einem der Gegenstande haben. Es werden darin auf letzten Jahrgänge der „Kriminalistischen statistischer Grundlage behandelt die Zehnfingerabdrucksammlung, die PersonenfestMonatshefte" zu finden. stellungszentrale, die' EinzelfingerabdruckDas „Statistische Jahrbuch f ü r die freie zentrale, das Verbrecheralbum, die Ausbilund Hansestadt H a m b u r g " bringt jährlich dungstätigkeit, Nachrichtenzentrale und eine Zusammenstellung über die Tätigkeit Handschriftensammlung. Von besonderem der hamburgischen Polizeibehörde, und zwar kriminalpolitischen Interesse sind die statider Zahl der wegen der wichtigsten Verstischen Nachweisungen über das V e r brechen und Vergehen eingegangenen Anb r e c h e r a l b u m und seine Erfolge. Den zeigen und der dazu ermittelten Täter Bilderbestand des Verbrecheralbums und sowie über die erlassenen Strafverfügungen seine Inanspruchnahme in einigen Großwegen Übertretung verkehrspolizeilicher Vorstädten zeigt die nachstehende Zusammenschriften. stellung, während die Spezialgliederung des Aus dem Tätigkeitsbericht des Landeskriminalpolizeiamts B r a u n s c h w e i g bietet einer der letzten Jahrgänge des Archivs f ü r Ein- Zahl ErZahl Kriminologie (Bd. 92) reiches Zahlenmaterial. sichtder folgsder nahme erStädte c) Was die Polizeistatistik der d e u t s c h e n ziffer LichtS t ä d t e anbetrifft, so zeigte diese in der Vorbilder durch kannt. 0/ Pers. Täter /o kriegszeit — von einigen Ausnahmen abgesehen — noch eine verhältnismäßig geringe Ausgestaltung. Lediglich in B e r l i n , B r e s 1930 44538 3126 633 20 l a u , B r e m e n , F r a n k f u r t a. M. und S t r a ß - Berlin . < 1931 46708 3723 1001 27 32 328 104 b u r g finden sich in dieser Beziehung einige München < 1930 67961 1931 73673 116 33 350 bemerkenswerte Anfänge. Die Ergebnisse 14 198 der polizeistatistischen Ermittelungen dieser Dresden < 1930 26823 1430 11 1931 29936 1645 181 Großstädte wurden in ihren Statistischen 5 5,6 90 Jahrbüchern, teils auch in den Statistischen Stuttgart < 1930 11429 1931 12088 80 3 3,8 Monatsberichten veröffentlicht. Außerdem 1930 16432 2049 421 21 enthält das „Statistische Jahrbuch Deutscher Hamburg < 1931 18362 1864 425 23 Handwörterbuch der Kriminologie. Bd. n . 24
Polizeistatistik
370
9. D e r B e s t a n d d e s V e r b r e c h e r a l b u m s b e i m P o l i z e i p r ä s i d i u m B e r l i n . Einteilung der Verbrecher
Vorhandene Photographieen am Jahresschluß 1931
1932
Einteilung der Verbrecher
1933
Vorhandene Photographieen am Jahresschluß 1931
1932
1933
2268 2155 2080 565 590 610 Fahrraddiebe Mörder 44 44 44 2216 2388 2524 Mädchenhändler . . Räuber 11 11 11 709 712 718 Abtreiber 606 587 636 . . . . Einbrecher: Wohnungen im. 16870 17392 17976 Exhibitionisten 267 279 Geschäfte und Geld-erfafiimg6gefe& unt> 6* © e j e m f c e r
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