Handwerke und Künste in Tabellen: Sammlung 1 [2., verbess. u. verm. Aufl., Reprint 2022]
 9783112631188

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P.

N.

Sprengels

Künste und Handwerke in Tabellen. Mit

Vermehrt

Kupfern.

heranSgegebek

von

O. L. Hartwig,

Erste

Sammlung.

Zweyte verbesserte und vermehrte Auflage.

Berlin, 1778. Im Verlag der Buchhandlung der Realschule.

Bormnnerung. tne mäßige Vergleichung der gegen»

wärtigm zweyten Auflage dieser Sammlung mit der ersten wird den Leser

leicht überzeugen, daß dieft neue Auflage eine merkliche Abänderung erhalten hat. Der ursprüngliche Verfasser der beyden er­

sten Sammlungen, Herr Prediger Spren­

gel, fand anfänglich viele Schwierigkei­ ten bey dieser Arbeit, wie es bey jedem

2

Anfang

iv

Vorerinnerung.

Anfang einer neuen Sache zu ergehen pfle­

get. Daher konnte dteBeschreibung nebst den Kupferplatten der ersten Ausgabe nicht ohne Mängel ausfallen. Diese erste Auf­ lage der ersten und zweyten Sammlung hat sich in der Verlagshandlung vergrif­

fen, und daher wurde eine neue umgeanderte Auflage beliebet, um hiedurch diese beyde Sammlungen den übrigen gleich«

förmig zu machen.

Die Nachricht von

den Materialien der ersten Ausgabe habe Ich in der gegenwärtigen, bey allen beschrie­

benen Profeßlonen, mehrentheils wörtlich

keybehalten können; die Beschreibung der Werk-

Vorerinnerung.

v

Werkzeuge hat aber schon manche Zusätze

und Veränderungen erhalten; und die

Bearbeitung der Materialien zu sogenann­ ten Waaren ist, so wie die allgemeine Be­

trachtung über Künste und Handwerke,

völlig umgeschmolzen und vermehret, oder

wol gar ganz neu hinzugefüget worden. Der Vorzug der Kupferplatten, die zu dieser zweyten Auflage ganz neu gestochen

sind, wird ohne mein Erinnern in die Au­ gen fallen. In eben dieser veränderten

Gestalt soll auch ehestens die zweyte

Sammlung dieser Werke unter die Presse gegeben werden. 3



VI

Vorerinnerung.

Die Vorrede zur letzten Sammlung

dieses Werks giebt zwar das Versprechen, daß die noch fehlenden Künste und Hand­ werke diesen beyden ersten Sammlungen

angehänget werden sollen: es hat sich aber hiezu bis jetzt aus verschiedenen Ur­ sachen keine Gelegenheit gefunden. Ereig­

net sich noch eine gute Veranlassung', so

wird man sich dieses Versprechens best­

möglichst zu entledigen suchen.

Inhalt.

VII Inhalt. Allgemeine Betrachtung über die Künste und Handwerke. Seite i — 27.

Erster Abschnitt. Der Buchbinder. S. 28. I. Materialien. 28. U. Werkzeuge. 34. INV t» richtunge», nemlich 1) allgemeine Behandlung jeder Materie. 43. 2) Bände selbst, als der Franzband 55; der englische 59; der Mar­ mor- und Corduanband. 60. Zweyter Abschnitt. Der Hutmacher. S. 62.' Aus I. verschiedenen Materialien 62 verfertiget dieser Profeßionist mit Beyhülfe II. einiger Werk­ zeuge 72 IIL den Hut, da er die Wolle oder Haare vorbereitet 80, fachet si, und durch das Filzen 84 und Walken 89 in einen Hut verwandelt. Dieser wird gefärbt 93, ge­ steift 96, geglänzet und endlich aufgrstutzt 97.

Dritter Abschnitt. Der Glaser. S. 100.1. Ma­ terialien 100. II. Werkzeuge 104. III. Ver­ richtungen 1) der Zug des Fensterbleys 117. 2) Das Verglasen eines Fensters mit ordinäre» Fensterbley 123, mit Karnißbley 128, bey Sprossenfenstern 131. 3) Beschreibung einer Hauslaterne 132.

Vierter Abschnitt. Der Tischer. S. 136. I. Aus verschiedenen Holzarten 136 und ver­ mittelst II. einer ansehnlichen Menge von Werkzeugen 147 verfertiget der Tischer insbe­ sondere

VIII sondere III. Hausgeräthe, z. B. Tische 175; Knchenlchränke 177, und Schreibeschränke mit Commoden, sowohl unfurmrt r8z, als fur-

nut 199.

Fünfter Abschnitt. Der Töpfer. S. 204. Aus 1 Töpferthon und II. vermittelst der Scheibe und anderer Werkzeuge 217 III. drehet 230 oder formet 232 der Töpfer verschiedene irdene Geschirre, trocknet 235 und brennet sie zum erstenmal 236, übergießt sie hierauf mit einer Glasur 237, und brennet sie abermals 240. Zum Beschluß ist eine Nachricht hinzugefüget, wie ein Stubenofen gesetzt wird, 241.

Sechster Abschnitt. Der Brunnenmacher.

S. 247. I. Materialien 247. II. Werkzeuge 551. III. Die gewöhnliche Beschäftigung des Drunuenmachers ist, 1) daß er Brunnen auSgräbt und ausmauert 261; 2) in dieselben gewöhn.tche Pumpenröhren setzt 269, oder auch mit einer Verlegung 277; 3) daß er alte Brunnen und Brnnnenröhren ausbessert 284 und 4) zugefrorne Brunnen im Winter aufthauet 286.

Allge-

Allgemeine Betrachtung über

die Künste und Handwerke. urch Wih, Fleiß und Uebuug hat es der Mensch nach und nach dahin gebracht, daß er die Produkte der Erde auf eine geschickte Art zum Nutzen, zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen der menschlichen Gesellschaft bearbeiten kann. Die Natur überliefert uns diese Produkte mehrentheils roh und unbearbei« tet, und überlaßt es aus weisen Absichten der Ueberlegung und dem Fleiß des Menschen, sie zu seinem Gebrauch anzuwenden. Allein die Produkte der Erde sind unendlich mannigfaltig, und aus ein und eben demselben Product «er­ den oft mehrere Dinge zum Besten der menschlichen Gesellschaft verfertiget. E« ist daher nicht eines oder des andern Menschen Sache, alle Produkte der Erde geschickt vorzubereiten, zumal da zu jedem Fleiß, Uebung und Erfah­ rung erfordert wird. Stillschweigend hat man daher so zu sagen die Verabredung getroffen, daß sich gewisse Personen blos mit der Vorberei­ tung und Bearbeitung eines einzigen Products, Spreng.H»nd«m,L.i.S. A oder

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Allgemeine Betrachtung

oder auch nur mit der Verfertigung einer oder der andern nöthigen Sache, so aus einem Pro« duck entstehet, vorzüglich beschäftigen soll. Hier« aus entstehet der Vortheil, daß jeder mit seinem Product genau bekannt wird, die Vortheile bey der Bearbeitung desselben kennen lernt, und sich durch die Uebung, da er eö nicht mit vielen Ge« genstanden zu thun hat, leicht eine Fertigkeit er­ wirbt. Daher ist daü Sprichwort ganz gegrün­ det, viele Handwerke verderben einen Meister, wenigstens insgemein, denn selten giebt es einen Kopf, der Fähigkeit genug besitzt, mehrere wich­ tige Handwerke mit Geschick und Fertigkeit zu treiben. Aus der gedachten stillschweigenden Verabredung, da nemlich eine Person vorzüg­ lich bey einem einzigen Product stehen bleiben

soll,

aus dieser stillschweigenden Verabredung, sag ich, sind mehrere so genannte mechanische Künste oder Professionen entstanden. Die Be­ dürfnisse haben sie veranlasset, und Fleiß, Ue­ bung, Zeit und Hofnung des GewinnsteS ha­ ben sie verbessert, und zum Theil wenigstens der Vollkommenheit nahe gebracht. Es ist wahr, die Barbarei) mancher Zeiten hat einige Profefr (tonen zuweilen in Abnahme gebracht, ja einige sind sogar verlohren gegangen, allein in glücklichern Zeiten haben sich die mchresten wieder ver­ bessert, und es sind sogar neue erfunden wor­ den. Es ist auch kein Zweifel, daß aufgeklärte Zeiten manche noch vollkommen machen, und neue erfinden werden, zumal wenn-manche

über die Künste und Handwerke.

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Wissenschaften in einigen Werkstätten bekannter

werden sollten. Bey alle dem ist es gewiß, daß man auch bey diesen mechanischen Künsten schon weitere Schritte würde gethan haben, wenn jene Barbarey nicht ihren Lauf eine geraume Zeit gehemmet hatte. Der Sprachgebrauch sondert alle Personen, die sich mit den mechanischen Künsten be­ schäftigen, in Rünstler, gewöhnliche Hand­ werker und Fabrikanten ab. Die Begriffe aber, die man mit diesen Benennungen nach dem Sprachgebrauch verbinden muß, sind aus­ serordentlich schwankend. Billig sollten nur diejenigen Rünstler heißen, welche nicht ohne vorläufige historische Kenntniß einer oder der andern Wissenschaft, die zur Gelehrsamkeit ge­ höret, ihre Arbeit mit Geschick verrichten kön­ nen , oder wenn zu ihrer Arbeit wenigstens viel Geschick, Uebung und Geschmack erfordert wird. Mit dem allergrößten Rechte kann man also zu den Künstlern vorzüglich den Mahler und Bildhauer rechnen. Allein in unserer Gegend nennt man wenigstens alle diejenigen Künstler, denen die Obrigkeit nicht gewisse Gesetze und Schranken einer Zunft aufgeleget hat, oder sie geben sich doch selbst diesen Namen. Diese Freyheit entspringet oft aus zufälligen Dingen, z. B. wenn man hiedurch eine Profession, so noch in einem Lande fehlt, herbey locken will. Daher nennen sich in unserm Lande manche Pro» fessionisten Künstler, die in andern Ländern geA » wöhn»

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Allgemeine Betrachtung

wöhnliche zünftige Professionisten sind, und um* gekehrt. Denn in den preußischen Landern, wo die Professionen erst seit kurzem empor gekom­ men, und zum Theil durch Ausländer bekannt geworden sind, sind aus dieser Ursach wieder Professionisten, die sich Künstler nennen. Hier­ aus erhellet schon, daß man nur solche Profes­ sionisten Handwerker nennen sollte, zu deren Verrichtung mehr Kräfte des Leibes, Uebung und Erfahrung, als Kenntniß und vorzüglich Geschick erfordert wird, z. B. Schuster, Satt­ ler, Bäcker rc. Allein insgemein nennt man nur eine solche Profession ein Handwerk, die zünftig ist. Noch schwankender ist der Begrif, den man mit dem Wort Fabrikant verbindet. Bekannt ist e», daß man in einer Fabrik ein Pro­ duct im Grossen bearbeitet, so daß jeder Arbei­ ter nur ein einziges Stück zu einem Ganzen ver­ fertiget. In einer Uhrfabrik macht eine Person z. B. blos Federn, die andere Ketten, die dritte Kronräder u. s. w. Eine solche Veranstaltung verschaft den Ruhen, daß einer dem andern in die Hand arbeitet, und daß sich jeder leicht Ue­ bung und Fertigkeit erwirbt, da er täglich ein und eben dieselbe Sache unter Händen hat. Oft zieht aber auch dieses den Nachtheil nach sich, daß solche Dinge häufig mit einer gar zu grossen Schnelligkeit verfertiget werden, zumal da die Fa­ brik insgemein alles stückweise bezahlt, und die sogenannten Beschauanstalten nicht allen Fehlern vorbeugen können. In London sollen gewöhnliche

Pro-

über die Künste und Handwerke.

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Professionisten so zu sagen fabrikenartig arbeiten, z. B. ein Tischler macht blos Tische, der andere blosCommoden, der dritte blos Schranke u. f. w. In diesem Fall muß es ein Meister bey seinem eine zelnen Gegenstände zur grossen Vollkommenheit bringen, ob es gleich auf der andern Seite dem Käufer manche Beschwerden verursachet. Doch, wie gesagt, nicht blos solche Arbeiter, die in einer Fabrik einzelne Stücke zu einem Ganzen verfertigen, heißen Fabrikanten, sondern zu­ weilen heißt der Besitzer und Vorsteher einer Fabrik auch ein Fabrikant, ob er gleich von den Arbeiten einer Fabrik wenig oder nicht- verste­ het, noch weniger selbst Hand anleget. In die­ sem letzten Verstände gehört der Fabrikant zu der Kaufm nuschaft, die nie zu den Professior nen gezählet wird. In Berlin nennt sich auch oft z. B ein gewöhnlicher Woll - und Seiden­ arbeiter einen Fabrikanten, weil er auf seine ei­ gene Rechnung webet. Hieraus erhellet, daß ein eigentlich sogenannter Fabrikant, oder em Fa­ brikenarbeiter in andern Gegenden zu einer zünf­ tigen Profession gehören kann. Denn bey Fa­ briken gilt vorzüglich, was ich oben gesagt habe, daß man die Arbeiter durch unzünftige Freyheit herbey zu locken sucht. Zum Beschluß erinnere ich noch, daß der Herr von Iusti einen Unter­ schied zwischen Manufakturen und Fabriken macht, den ich aber nicht in dem Sprachge­ brauch gegründet finde, und daher auch nicht befolgen werde.

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Die

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Allgemeine Betrachtung

Die rohen oder doch nur vorläufig bearbei« teten Products der Erde wird man in der Folge Xnatcdahcn nennen. Diese werden theils int Grossen, theils vorläufig in Fabriken bearbei­ tet, im kleinen aber in Werkstätten, wo sie häu­ fig nur zur Vollkommenheit gebracht werden. Der Eisenhammer verwandelt daö ausgebrachte Eisen z. B. nur in Stangen, die verschiedenen Eisenarbeiter mache»» aber hieraus in ihren Werkstätten verschiedene eiserne Geräthe. Am schicklichsten ist es, wenn ma»» die sämtlichen Professiynisten nach diesen Hauptmaterialien ordnet, so wie diese zu einem oder dem andern -er sogenannten dre») Reiche der Natur gehö­ ren. Der. Verfasser ter beyden ersten Samm­ lungen dieses Werks hat hierauf nicht Rücksicht genommen, weil er zu Anfang dieses Unterneh­ mens Hiebey zu viel Schwierigkeiten fand. Von -er dritten Sammlung ün hat man diese Ord­ nung bestmöglichst beyzubehalte»» gesucht.. Alle Products der Erde sind entweder in dem Lande des P.rofeffionisten einheimisch, oder müßen aus fremden Ländern herbey gebracht werden. Al­ lerdings ist es rathsam, daß die Regierung eir nes Landes zuerst und vorzüglich darauf bedacht ist, baß die Landesproducte bestmöglichst von einheimischen Professionisten und Fabriken ge­ nutzt werden. Denn diese Benutzung kann am ersten ohne sonderliche Schwierigkeit und groß s- Kosten beliebt gemacht, und in den Gang gebracht werden. Spanien hat bis jetzt seine feine

über die Künste und Handwerke.

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feine Wolle mehrencheils außer Lande- geschickt, da e- viele Hande beschäftigen, und viele Nah­ rung verschaffen könnte, wenn eö nicht rohe Wolle, sondern feine Tücher den Fremden über­ ließe. Weiser handelte der verstorbene König von Preußen, Friedrich Wilhelm, da er dar­ auf bedacht war, nicht nur die einheimische gute einschürige Wolle im Lande verarbeiten, son­ dern selbst feine Tücher aus noch besserer aus­ ländischer Wolle verfertigen zu lassen. Daö Ar­ beitslohn und der Gewinnst des Kaufmanns bleibt in beyden Fällen im Lande, und ernähret viele Menschen. Hieraus erhellet schon, daß es eine wichtige Regel der Staatswirthschaft ist, selbst fremde oder ausländische Produkte im Lande verarbeiten zu lassen. Ein Staat gewinnt wenigstens hiedurch das Arbeitslohn, zieht aus­ wärtige Fabrikanten ins Land, und giebt zu­ gleich, wenigstens nach und nach, vielen Ein­ ländern Nahrung. Hiedurch muß nothwendig die Volksmenge vermehrt werden, so der beste Nutzen des Staat- ist, wenn diese Menge zu­ gleich Brodt findet. Wenn auch zum Bey­ spiel alle rohe Seide auswärts in ein Land ge­ bracht werden muß, so nähren sich doch hievon, außer den Fabrikbesitzern, ihren Hausgenossen und den Seivenwürkern, viele Zwirner, Wick­ ler, Stuhlmacher, Einleser u. d. g. folglich fin­ det hiedurch nicht blos der Fabrikant, sondern dudj viele andere Personen Unterhalt. Allein bey wichtigen auswärtigen Producten ist es beyA 4 nahe

t

Allgemeine Betrachtung

nahe nothwendig, daß sie wenigstens zuerst in Fabriken bearbeitet werden. Denn wenn eine solche Sache noch nicht im Gange ist, so gehört Vermögen dazu, das Fabrikenhaus nebst den nöthigen Maschinen anzuschaffen, die benöthigte Arbeiter herbey zu locken, und die fremde» Pro­ dukte ins Land zu ziehen, zumal wenn das letz­ tere nicht durch die Schiffarth erleichtert wird. Dies »st keine Sache für einzelne Professionisten, aber nach und nach kommt diese Fabriken­ arbeit demunqeachtet oft in die Werkstätte der Professionisten. Der Landesfürst oder die Re­ gierung, so allein das Recht in Händen haben, Privilegien zu Fabriken zu ertheilen, werden da­ her weislich eine solche Fabrik, zumal bey auSr ländischen Producten, auf alle Art befördern, bald durch Freyheit, bald durch Vorschuß, bald wieder durch Belohnungen, oder durch andere Ermunterungen. Zuweilen ertheilet der Fürst auch wol dem Besitzer einer Fabrik einen aus» schließenden Handel in seinem LandemitdenFabrikenwaaren, oder ein sogenanntes Monopolium. Viele Privatpersonen erklären sich freylich als Feinde eines solchen Monopoliums, und in der That giebt es dem Fabrikenbesitzer ein grosses Recht über seine Mitunterthanen, da es ihn oft zu übertriebenen Preisen bey schlechten Waaren verleitet. Allein wenn die Regierung eines Lan­ des wachsam ist, daß der Monopolist die Preise nicht zu hoch ansetzet, so ist ein solches Monopolium oft die beste Aufmunterung und Unterstü­ tzung

über die Künste und Handwerke.

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Hung eines angehenden Fabrikenbesthers, und das Land tragt etwas, damit viele andre Mit­ bürger dadurch ernähret werden. Und wem ist es unbekannt, daß grosse Fabrikenbesiher, selbst in freyen Staaten, wie Holland, ohne Bey­ hülfe der Obrigkeit sich selbst ein Monopolium zu schaffen wissen? Sie dürfen nur z. B. einige tausend Thaler nicht achten, den Preis ihrer Waaren ansehnlich herunter sehen und hiedurch den angehenden Fabrikanten, der ihnen im Wege ist, in einen Banqueroute zu stürzen. Die rohen Producte der Erde ohne werke zeuge und Maschinen zu bearbeiten, ist zum Theil unmöglich, zum Theil mit unsäglicher Mühe und Zeitverlust verknüpft. Das letztere würde nicht nur dem Profeffionisten oder Fabrü kanten, sondern auch dem Käufer nachcheilig seyn. Einfache Werkzeuge und Maschinen ger hören vorzüglich für die Werkstätte, künstliche Maschinen aber größtentheils für Fabriken. Denn diese letztern sind für einen gewöhnlichen Handwerker, der im Kleinen mit seinen Waa­ ren Handel treibt, insgemein gar zu kostbar anzuschaffen und zu unterhalten. UebrigenS giebt es keinen geringen Handwerker, der feine Ar­ beit nicht wenigstens durch einige wenige Hand­ werkszeugs erleichtern müßte, wenn es auch nur der Hammer, das Beil, der Meissel, und an­ dre ähnliche sehr einfache Instrumente seyn soll­ ten. Bey den Maschinen gestehet jeder Profeffionist und Fabrikant gegenwärtig ein, daß A 5 die

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Allgemeine Betrachtung

die einfachsten insgemein die besten sind, denn eine künstliche und sehr zusammengesetzte Ma­ schine ist der Reibung und der Verwirrung gar zu sehr ausgesetzt: Die sogenannte Banvmühle mag hievon ein Beyspiel seyn. Denn wenn auch nur ein einziger Faden auf dieser Mühle reißt, so muß die ganze Maschine ruhen. Da­ her haben solche zusammengesetzte Maschinen, die an sich und ohne ihre Fehler viel auSrichten könnten, einen sehr geringen Beyfall erhalten. Oft ist sogar die Einführung oder Erfindung solcher Maschinen nicht einmal zu wünschen, wenn sie nemlich viele Menschen außer Brodk setzen würden. Die Dröschmaschine würde hie­ von auf dem platten Lande ein Beyspiel geben, wenn sie mit Vortheil hatte in Ausübung ge­ bracht werden können. Außer diesen Werkzeugen muß Ueberlegung, und insbesondere Uebung und Erfahrung bey vielen Professionen das Beste thun. Die Uebung und Erfahrung, und nicht sowol vor­ züglich Geschick wird zu den mehresten Profes­ sionen erfordert. Oft leitet den Professionisten sogar sein Werkzeug oder seine Maschine, und er darf diese nur erforderlich regieren und auf seine Arbeit sehen. Ein Beyspiel hievon ist der Strumpfwirkerstuhl, doch stehet nicht zu leug­ nen, daß vieles in den Werckstätten verbessert werden könnte, wenn die Professionisten nicht zum Theil zu steif an alten hergebrachten Ge­ wohnheiten klebten, und wenn sie sich in ihrer Jugend

über die Künste und Handwerke.

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Jugend von manchen Dingen mehr Kenntniß erworben hatten. Eine historische und pracrt» fche Kenntniß der Mechanik würde manchem Professionisten, z. B. dem Uhrmacher, manche Vortheilhafte Dienste leisten, und ihn in femec Kunst vollkommner machen. Uebechauvk ge­ hört eS zu den Gebrechen unserer Stadtschulen vielleicht in allen Gegenden, daß in den UNI er« Classen künftige Künstler und Handwerker ver­ mischt mit künftigen Gelehrten erzogen werden, und daß man auf die letzter« vorzüglich Rück­ sicht nimmt. Die erster» verschwenden ohne Zweifel ihre Zeit, wenn sie in vielen Stunden des Tages die philosophischen Anfangsgründe der lateinischen Sprache erlernen, so ihnen in der Folge auch nicht im geringsten nützen. Besser würde ein solcher junger Mensch zu seinen künf­ tigen Stand vorbereitet werden — welches doch die Absicht jeder Schule seyn sollte — wenn er gut rechnen und schreiben lernte, woran es vie­ len Professionisten selbst in großen Städten fehlt, wenn er sich übte, einen Brief zu schreiben und eine Rechnung zu führen, )a, wo möglich, sich auch eine Kenntniß von den Prodncten der Erde und der practischen Mechanik sammlete. Die beyden letzter» Stücke würden vorzüglich eine Zierde des künftigen Künstlers seyn, ja nicht blos eine Zierde, sondern sie würden ihn auch zur Vollkommenheit bringen, wenn er anders hiezu Kopf genug hat. Doch ich will nicht blos die Schuld auf Schulen schieben, wo doch zuweilen

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Allgemeine Betrachtung

len zu diesen Kenntnissen Gelegenheit ist, son­ dern auch auf die Gewerke und Lehrherren. Diese sollten billig keinen Lehrburschen annehmen, der nicht solche Kenntnisse mit aus Schulen brachte, die zu seinem künftigen Stande nöthig sind. Allein dies ist vorzüglich ein Gegenstand einer aufmerksamen Policey, da Profefftonisten hiezu selten Einsicht genug besitzen. Künste und Wis­ senschaften sollten billig auch auf mechanische Künste ein L.cht werfen, und dies stehet auf keine bessere Art zu erwarten, als wenn Lehr­ linge vorläufig auf Schulen brauchbare Kennt­ nisse sammlen. Ich füge auch eine gegründete Anmerkung eines berühmten berlinischen Künst­ lers hinzu. Der Staat, sagte dieser Mann, hat bis jetzt geschickte Gelehrte zu weit von den Künstlern und Professionisten und ihren Werk­ stätten entfernt. Wenigstens behauptete er die­ ses von den deutschen Gelehrten. Die nähere Bekanntschaft der erster« mit den letzter« würde vieles in den Künsten und Handwerken verbes­ sern : Was soll ich zu dieser Anmerkung sagen? Wenigstens ist so viel gewiß, daß die Fabriken alle Beobachter bestmöglichst zu entfernen su­ chen, und aus einem sonderbaren Brodtneid sieht es nicht einmal der schlechte Professionist gern, wenn man sich seiner Werkstätte nähert. Ich habe dieses selbst bey Abfassung gegenwärtiger Sammlungen oft erfahren. Doch vielleicht ist diese Besorgniß nur Vorurtheil, somit der Zeit verschwindet. Herablassung auf einer, und Zu­ trauen

über die Künste und Handwerke.

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trauen auf der andern Seite könnte hiebey man­ chen Nutzen stiften. Alles dasjenige, was der Professionist durch Arbeit, Fleiß und Geschicklichkeit aus den Praducken der Erde hervorbringt, pflegt man inSge» mein in den Werkstätten Maaren zu nennen. Mehrentheils bestehen diese Waaren aus Be­ dürfnissen zur Nahrung und Bekleidung des Menschen, aus Stückes, die zur Pracht und zum Vergnügen gereichen, und ausserdem leisten auch viele Profeffionisten bey Erbauung der Gebäude Dienste. Viele Profeffionisten Hane deln selbst mit ihren Waaren, andre überlassen sie an Kaufleute. Ueberhaupt findet der größte Theil der Profeffionisten am besten Nahrung und Brodt, wenn seine Waaren nicht nur in sondern auch außer dem Lande Abgang finden und beliebt sind. Sein Vaterland gewinnt aber am mehresten, wenn Waaren von einheimischen Produkten verfertigt auswärtig reichlich verkauft werden. Je mehr dergleichen Waaren in einem Lande verfertiget und auswärtig abgrfetzt werden können, desto mehr wird der Wohlstand eines solchen Landes zunehmen, zumal wenn es meh­ rere solche einheimische Produkte hat. Die in­ nere Güte solcher Waaren kann sie vorzüglich bey Ausländern beliebt machen. Freylich sucht man diese Absicht insbesondere in Fabriken, öf­ ters durch einen gefälligen äußeren Anstrich, z. B. durch Politur und Appretur zu erreichen, allein der Werth einer solchen Waare wird bald sinken.

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Allgemeine Betrachtung

sinken, zumal wenn sie an sich nicht wenigstens von mittelmäßiger Güte ist. Doch auch die Mode und das gute Vorurtheil kann die Waa­ ren eines Landes beliebt machen, und dieses Glück hat in diesem Jahrhundert Frankreich und England gehabt. Schon seit undenklichen Jahren hat die Obrigkeit die sämtlichen Glieder jeder Profession zu einer Gesellschaft vereiniget, jedem dieser Ge­ sellschaft Privilegien und Gerechtsame ertheilet, und ihm aewisse Gesetze vorgeschrieben. Man Nennt eine solche Profeffionistengesellfthaft Zunft oder auch Gewerk. In Frankreich hat man neuerlich versucht, die Zünfte abzuschaffen, al« lein diese gesetzlose Freyheit muß zu vielen MiSbräuchen Anlaß gegeben haben, da man wieder zu der alten Gewohnheit zurück geeilet ist. An sich betrachtet, muß jede Gesellschaft ihre Ge­ setz? und Vorsteher haben, wenn sie bestehen soll, obgleich nicht zu leugnen ist, daß die Zünftigkeit der Profeffionisten der Freyheit dec Nah­ rung Schranken setzt, und zufällig manche an­ dre Mängel und Gebrechen nach sich ziehm kann. Eine gute Policey könnte daher noch manches bey den Zünften verbessern, wovon ich gelegentlich Beyspiele aniühren werde. Gegen­ wärtig wünscht ich nur, daß die verwandten Handwerker von der Obrigkeit mögten vereini­ get werd n, z. B. Langmesserschmiede und Schwerdkfeger, Riemer und Sattler, Schu­ ster und Panwffelmacher, dergleichen die verschie-

über die Künste nnd Handwerke,

is

Bey den lehtern hat man in Berlin die Vereinigung un­ ter den Meistern glücklich eingeführt, die Ge­ sellen sind aber noch getrennt. Solche Tren­ nungen verwandter Handwerker verursachen un­ ter den Meistern Brodtneid, und unter den Gesellen thörigte Zänkereyen, ja wol gar zu­ weilen Schlägereyen. Freylich wird eine solche Vereinigung in dem ersten Menschenalter Schwierigkeit finden, durch die Zeit aber, ein­ geführt werden. Doch ich gehe zu andern Ge­ genständen über. Die mehresten zünftigen Professionisten haben die Freyheit, sich in einer Stadt zu sehen, wo sie nur Nahrung zu finden gedenken. Doch findet man zuweilen für gut, die Auswanderung mancher Professionisten ganz zu verblein, weil sie einer Stadt vor andern Nahrung bringen. Solche Handwerke nennt man gesperrte, wie z. B. die Schellenmacher, Flitter - und Rechenpfennigschläger in Nürn­ berg. Auch manche Fabriken schränken ihre Arbeiter auf eben die Art ein. Von allen die­ sen Gesetzen der Zunft sind aber die Künstler befreyet, die sich höchstens, wenn sie sich sehen wollen, bey der Obrigkeit ihres Orts melden, oder auch nur Bürger werden. Eben diese Freyheit räumet der Staat auch wol zuwei­ len aus fremden Ländern ins Land gezoge­ nen, oder auch einheimischen Fabrikanten ein, wenn sie übrigens auch nur gewöhnliche Profes­ sionisten. sind. Ein Beyspiel hievon ist in Ber­ schiedenen Arten der WeiSgerber.

lin

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Allgemeine Betrachtung

litt der Etamminmacher. Auch sind zuweilen die Fabrikenarbeiter wol unter sich zünftig, aber ihre Zunft stehet nicht unter der Obrigkeit, son» dern unter dem Fabrtkenbesitzer, z. B. die Glas­ macher. In meinem Vaterlande haben über» dem die Soldaten die Freyheit, daß sie ihre er­ lernte Profession treiben können, ohne daß sie sich den Gesetzen der Zunft unterwerfen dürfen. Diese Freyheit ist in sofern billig, da der Sol­ dat bey einem starken stehenden Heer nur einen geringen Sold erhalten kann: allein im Ge­ gentheil verlieret hiedurch der zünftige Meister einen Theil seiner Nahrung, da er doch die bür­ gerliche Abgaben tragen muß, und oft erhält der Käufer hiedurch schlechte Waaren. Daher wünschen wenigstens die Meister, daß sich jeder Soldat zu seiner Zunft halten müßte, sobald er feine Profession treiben wollte, wenn ihm gleich vieles unenkgeldlich oder wohlfeiler zugestanden würde. Doch ich kehre zu der Zunft der Pro­ fessionen zurück. Jedes Gewerk bestehet aus drey Arten von Personen, aus Meistem, Ge­ sellen und Lehrburschen. Von allen will ich ein paar Worte sagen. Ich mache mit den Lehrbupschen den An­ fang. Nach einer kurzen Probezeit laßt der Lehrmeister einen solchen angehenden Professior nisten bey dem Gewerk bey offener Lade als Lehrbursche einschreiben oder aufdingen, und der Lehrbursche zeigt Hiebey einen Geburtsbrief, daß er das gewöhnliche Alter hat, und in

über die Künste und Handwerke.

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in der Ehe erzeuget ist. Doch sieht man auf daö Letztere in hiesiger Gegend nicht mehr durch­ gängig. Nach vollbrachten Lehrjahren wird der Lehrbursche vor dem Gewerk losgespro­ chen, oder zum Gesellen gemacht, und erhält insgemein einen Lehrbrief, oder ein Zeugniß, daß er seine Profeßion gesetzmäßig erlernet hat. Mir wenigstens scheint es, daß diese Lehrlinge oft zu sehr dem Wtllkühr ihrer Lehrmeister über­ laßen sind. Denn viele Lehrmeister gebrauchen ihre Lehrbursche nicht in der Werkstätte, son­ dern zu Mädchenödiensten und Aufwärtern. Hiezu kommt, daß sich weder der Meister noch seine Gesellen die Mühe geben, dem Lehrling die Vortheile seiner Profeßion zu zeigen, oder es geschieht nur, wenn ded Lehrling bey seiner Arbeit einen Fehler macht, und alsdann mit Ungestüm. Also sinket der Leyrbursche weiter keine Gelegenheit zum Lernen, als daß er ab« siehet, und auch di sen Vortheil entzieht man ihm Zuweilen, obschon der Meister öfters Lehrgeld nimmt. Denn viele Meiller suchen aus Brodtneid die besten Vortheile ihrer Pro­ feßion nicht nur vor ihren Lehrlingen, son­ dern sogar vor ihren Gesellen sorgfältig zu ver­ bergen. So werden aus vielen Lehrbur, schen Stümper, und zwar durch die Schuld der Meister. Billig sollte die Policey diesen Mißbrauchen bestmöglichst vorzubeugen suchen. Ueberdem scheinet mir die Dauer der Lehrjahre nicht immer den zu erlernenden VerrichSpreng Hand«.u.R.i.S. ® tUN-

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Allgemeine Betrachtung

tungen der Profeßion angemeßen zu seyn. Es ist wahr, der Lehrbursche soll sich in seinen Lehr­ jahren zugleich Uebung erwerben, aber billig sollten doch die Lehrbursche einfacher Profeßionen nicht so lange lernen, als die Lehrlinge künstli­ cher Profeßionen. Der Lehrbursche z. B. des Uhrmachers lernt, wenn er ein Lehrgeld erlegt, 4 Jahre, ohnedem bis 6 Jahre, und eben so verhält es sich mit den Lehrjahren des Knauf« Machers, ohnerachtet die letzte Profeßion außer­ ordentlich einfach ist. Ich weiß nicht, irr ich oder nicht, aber, die Erlegung des Lehrgeldes scheint mir, wenigstens bey einfachen Profeßio­ nen, unbillig zu seyn. Denn wenn der Lehrbur­ sche einigermaßen Kopf hat, so kann er nach Jahr und Tag Gesellendienste verrichten, oder wenn er es nicht kann, so ist eS die Schuld des Meisters, wenigstens insgemein. Irr ich, so ist es freylich billig, daß ein Lehrbursche, der kein Lehrgeld erlegt, den Meister dadurch schadlos hält, daß er einige Zeit länger lernt, und ohne Lohn arbeitet. Allein weshalb haben die Meisterösöhne das Vorrecht, daß ihr Vater sie nach Willkühr einschreiben und lossprechen laßen kann? Vielleicht weil sie die Vortheile ihrer Pro­ feßion von der Wiege an sehen. Dies steht nicht zu leugnen, aber wahr ist es auch, daß sie in ihrer Eltern Hause als Lehrlinge öfters auf alle Art übersehen werden, und daher oft wenig oder nichts lernen, zumal wenn die Eltern einiges Vermögen haben. Zuträglicher, deucht mich

übet die Künste

und Handwerke.

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mich, war es, wenn jeder Meisterssohn wenig« stens einige Zeit bey einem andern Meister ler­ nen müste. Der Lehrbursche wird zwar eigentlich von der Zunft der Meister zum Gesellen erklärt, er muß sich aber doch auch mit der sogenannten Brüderschaft der Gesellen des Orts abfinden. Es werden hiebey einige alte zum Theil sonder­ bare Gebrauche beobachtet, und übrigens lauft es auf Geldausgaben und Schmausereyen hin­ aus. Es scheint dies noch ein Ueberrest von dem ehemaligen hänseln oder Hobeln der an­ gehenden Gesellen zn seyn. Ueberhaupt har man sogar ehedem durch Reichsgcsetze die Misbräuche unter den sogenannten HandwerkSbursche» abzustellen gesucht, sie sind aber doch noch nicht gänzlich getilget. Die Gesellest einer zünftigen Profeßion jedes Orts unterhalten unter einander eine geschloßene Gesellschaft, und kommen da­ her inögemein unter dem Vorsitz einiger Alt­ meister und Altgesellen zuweilen auf ihrer so­ genannten Herberge zusammen. Jeder Ger

fette muß alsdenn einen Beytrag an Gelde geben, so in einen Kasten oder eine Lade geleget wird. Alle Profeßionisten, sowohl Meister als Gesel­ len, bezeigen nach altem Herkommen eine große Achtung gegen diese Lade, und wichtige Sachen werden bey offener Lade verhandelt. Es ist wahr, durch diese Einrichtung werden die kran­ ken Gesellen verpfleget, die wandernden, so keine Arbeit finden, öfters unterstützt, und es B 2 wird

2o

Allgemeine Betrachtung

wird manche kleine Streitigkeit abgethan, und in so fern ist die Sache zu loben. -Im Gegen­ theil geben auch die öftern Zusammenkünfte den Gesellen auf der Herberge zu manchem Unfug Gelegenheit. Ein angekommener wandernder Geselle laßt von dem Altgesellen oder Sprech­ boren bey den Meistern nach Arbeit Umschau« en, man verbietet ihm aber auch wol den Um« schau, wenn er sich nicht gut aufgeführet hat. Eine Wittwe eines verstorbenen Meisters allein hat das Vorrecht, sich den besten und tüchtig­ sten Gesellen aus den übrigen Werkstätten auSzuwahlen oder auszuheben. Hat ein Geselle einige Zeit in einer Stadt gearbeitet, und wan­ dert weiter, so giebt ihm das Gewerk oder die Obrigkeit ein Zeugniß seines Wohlverhaltens, so man Rundschaft nennt. Dieses führt mich zu dem sogenannten wandern, da bey den mehresten Profeßionen von einem angehenden Mei­ ster erfordert wird, daß er wenigstens z Jahrein andern Städten und Gegenden gearbeitet- hat. Es ist wahr, der wandernde Geselle erwirbt sich in fremden Gegenden Uebung und Erfahrung von manchen Vortheilen seiner Profeßion, das Wandern verpflanzet auch manchen geschickten Meister in eine Stadt, wo er nöthig ist, und vorzüglich werden hiedurch neue Erfindungen in einer Profeßion am leichtesten ausgebreitet und allgemein gemacht. Doch ist gegenseitig auch nicht zu läugnen, daß das Wandern für man­ chen eine Gelegenheit wird, in Ausschweifung

zu

über die Künste und Handwerke,

ai

zu gerathen. Denn in der Fremde lebt er außer der Aufsicht seiner Verwandten und Bekannten, und scheuet hier den bösen Nachruf nicht sonder­ lich. Arme Gesellen, die nicht Lust haben zu arbeiten, ernähren sich vom Betteln, und ver­ eiteln hiedurch die ganze Absicht des Wanderns. Vermögender Eltern Kinder bringen im Gegen­ theil oft einen Theil ihres Vermögens auf der Wan­ derschaft durch. Daher erlegt mancher Vater in großen Städten lieber eine Strafe für die Verabsäumung der Wanderschaft, wenn sein Sohn Meister wird, und behält seinen Sohn unter seinen Augen, zumal wenn ein solcher junger Mensch in einer großen Stadt lebt, wo er Gelegenheit genug findet, sich zu üben. So wird die beste Absicht, durch die Misbräuche Unter den Handwerksburschen, vereitelt. Uebrigens ist bekannt genug, daß die wandernden Ge­ sellen bey einigen Profeßionen, bald von den Meistern, bald von den Gesellen, bald von beyden ein Geschenk erhalten, bey vielen Profeßionen aber nicht. Die erster« nennt man geschenkte, die letztem ungeschenkre Hand­ werke. Die Meister jeder zünftigen Profeßion sind gleichfalls in einer geschloßenen Gesellschaft, Zunft oder Gewerk mit einander vereiniget. Die Vorsteher derselben sind eine Magistrats­ person und einige Altmeister. Bey einem der letztem ist die Meisternde, in welcher ihre Privilegien oder ihr Güldebrief, nebst den von B 3

dm

22

Allgemeine Betrachtung

-en Meistern zusammenqebrachten Quartalgel­ dern liegen, denn die Meister kommen zu gewis­ sen Zeiten zusammen, und erlegen nicht nur ein festgesetztes Geld, oder erheben das Hand­ werk, wie sie zu sagen pflegen, sondern ver­ handeln alsdenn auch alle ihre Zunft betreffende Dinge. Der jüngste Meister fordert, wie man sagt, das Handwerk, oder ruft die Meister zusammen, und wenn auf eines Mei­ sters besonderes Verlangen, und zugleich auf feine Kosten, das Gewerk zusammen berufen wird, z. B. eines Zwists wegen, so heißt es, das Handwerk wird gemacht. Meister in kleinen Städten oder auf dem Lande halten, wie man sogt, das Gewerk mit, wenn sie zu -em Gewerk einer größer» Stadt ihr Quartal­ geld erlegen. Meister aber, die sich nicht in die Ordnung des Gewerks bequemen wollen, oder sich eines großen Vergehens schuldig machen, stößt man aus dem Gewerk. Diese und noch mehrere andre Gesetze hat die Obrigkeit schon seit uralten Zeiten bestättiget. Von dem Gewerk wird ein Gesell auch auf sein Verlangen zum Meister erklärt, wenn er nemlich vorher sein Meisterstück gemacht hat. Bey dieser Prüfung wendet das Gewerk alle Behutsamkeit an, um zur Gewißheit zu kommen, daß der angehende Meister sein Meisterstück selbst und ohne Hülfe verfertiget hat. Das Handwerk läßt ihn fallen, sagt man , wenn ihm aufge­ legt wird, von neuen ein Meisterstück zu ma­ chen,

über die Künste und Handwerke.

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chen, welches aber selten geschiehet. Das Handwerk muchee aber, wie man sich aus« drückt, wenn das Gewerk von einem Gesellen, der sich zum Meisterrecht meldet, verlangt, daß er noch einige Zeit bey einem Meister arbeiten soll. Insgemein wird aber das Meisterstück von dem Gewerk angenommen, die Fehler werr den nur mit Geld bestraft, und der Gesell wird zum Meister erklärt. Allerdings ist das Mei­ sterstück eine nöthige Prüfung, welches Lehr« bursche und Gesellen zum vorläufigen Fleiß er­ muntern, und Stümper von dem Meisterrecht zurückhalten kann. Allein meines Erachten­ sind hiebcy gleichfalls viele Fehler eingeschlichen. Erstlich giebt man bey manchen Profeßione» nach alten Herkommen zum Meisterstücke eine kostbare, künstliche und altmodische Waare auf, die der angehende Meister ohne Uebung und daher mühsam und mit Zeitverlust verfertiget, und die er bey allem dem oft lebenslang nicht veckaufen kann. Löblich ist es, daß einige Pro» feßionen in Berlin solche altfränkische Meister­ stücke abgeschaft haben, allein es ist diese löbliche Sache doch noch nicht allgemein. Vorzüglich aber sind die Kosten bey Erwerbung des Mei­ sterrechts zu hoch gesetzt, und belaufen sich bey manchen schlechten Profeßionen an die 100 Rthlr. und drüber, zumal in großen Städten. Denn außer den gewöhnlichen Gebühren muß der an­ gehende Meister noch oft einen Schmaus geben, alle Fehler beym Meisterstück werden mit Gelde B 4 be-

24

Allgemeine Betrachtung

bestraft, und man sucht oft Fehler, wo keine sind. Alle diese Dinge geben dem Gewerk und deßen Beysitzer Vergnügen und Einnahme, aber Len angehenden Meister entkräften sie zu einer Zeit, da er zu seinem Anfang am nöthigsten Geld gebraucht. Ich weiß es, man will hie­ durch manchen von dem Meisterrecht abschrer cken, damit die Zahl der Meister nicht zu stark werde, allein im Gegentheil hilft man hiedurch den begüterten Stümper durch, zumal wenn er ein Merstersohn des Gewerks ist, und der Arme wird gehindert der Welt nützlicher zu werden. Bringt dieser auch durch Sparsamkeit, Vor­ schuß oder durch eine Heirath zur Noth so viel zusammen, daß er die Kosten des Meisterrechts bestreiten kann, so fehlt es ihm hernach an Vor­ lag, und er bleibt aus dieser Ursach oft in Noth und Elend, da er sich im Gegentheil durch die überflüßigen Kosten beym Meisterstück hatte hel­ fen sonnen. Billig sollte daö Meisterstück blos dazu dienen, Stümper abzuweisen, und geschick­ ten Arbeitern zur Belohnung behülflich zu seyn. Wiewohl die Mode ist ein Tyrann, und selten einer Besserung fähig. Und sind denn die Prüfungen junger Gelehrten von dergleichen Fehlern frey? Bey den mehresten Profeßionen und in den mehresten Städten steht es jedem Gesellen, der die Kosten bestreiten kann, frey, sich als Meister häuslich nieder zu laßen. Doch ist in mancher Stadt die Anzahl der Meister ei­ ner Profeßion festgesetzt, und nur durch den Tod

über die Künste und Handwerke.

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Tod eines Meisters kann ein Gesell das Meister­ recht erlangen. Dis ist allein bey sehr nahrlofett Profeßionen nicht zu tadeln, die auch wol die Anzahl der jedesmaligen Lehrbursche fetise­ hen, wie z. B. die Kammacher in Berlin. Solche Profeßionen heißen geschlossene, alle übrigen aber in dieser Absicht »»geschlossene Handwerke. Noch ein paar Worte von den Schriften, die von den Handwerken reden. Die Gelehr, ten voriger Zeit, insbesondere in Deutschland, scheinen sich sehr wenig um die Werkstätte be­ kümmert zu haben. Daher findet man in al­ len Schriften sehr wenig von dieser Sache, aus­ ser was zerstreut in den allgemeinen und Kunst­ wörterbüchern, und vorzüglich in der franzö­ sischen Encyclopädie stehet. Mit Vorsatz von dieser Sache zu schreiben unternahm zuerst die Academie der Wissenschaften zu Paris zu An­ fang dieses Jahrhunderts. Doch kamen die ersten Abhandlungen dieser Art erst etwa vor 20 Jahren zum Vorschein, die denn auch nach und nach erst von dem Herrn von Justi, her­ nach von Herrn D. Schreber unter dem Titel Schauplatz der Künste und Handwerke deutsch überseht herausgegeben sind. Dieses schähbare Werk ist seiner Weitläuftigkeit wegen für die mehresten Leser gar zu umständlich und zu kost­ bar , und wird beydes mit der Zeit noch mehr werden. Dem oh.-erachtet bleibt es ein gutes Verwahrungsmittel, daß so leicht keine beschrieB 5 bene

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Allgemeine Betrachtung

bene Profeßion oder Kunst durch die Mißgunst der Zeit verloren gehen kann. Man hat dieseBuch in gegenwärtigen Sammlungen oft mit Nutzen gebraucht, vorzüglich zum vorläufigen Unterricht. Es ist kein Zweifel, daß nach und nach mehrere Schriftsteller dieses weite Feld bearbeiten werden, wo noch vieles unbebauet lieget. Man hat hievon auch schon manche Probe», z.!B. Herrn Jacobsohnö Schauplatz der Zeugmanufacturen. Manche Schulen haben sogar den Anfang gemacht, einen kurzen vorläufigen Unterricht von den Künsten und Handwerken zu geben. Mein s Wissens ist die Realschule in Berlin den übrigen hierin mit ihrem Beyspiel vorge­ gangen, und in eben dieser Absicht hat man auch die Abfaßung dieses Werks ursprünglich unter­ nommen. Weil aber der Vortrag aller Profes­ sionen zu viel Zeit wegnimmt, und von den we­ nigsten jungen Leuten, die Profeßionisten wer­ den wollen, abgewartet werden kann, wie doch die Absicht erfordert, so geben viele den Rath, solche junge Leute blos mit den wichtigsten Pro­ dukten der Erde, so in den Werkstätten bearbeitet werden, und mit den besten Werkzeugen und Maschinen der Profeßionen und Fabriken be­ kannt zu machen, zugleich aber bey jedem Pro­ duct einen kurzen Begriff von den zubehörigen Profeßionen zu geben. Ein oder der andere Untcrcicht kann einem Jüngling, der eine Kunst oder Profeßion erlernen will, die Wahl erleich­

tern,

über die Künste und Handwerke.

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tertt, zu welcher Profeßion er schreiten soll, ihn vor der Tadelsucht solcher Profeßionen, die er nicht erlernet hat, bewahren, uno ihn vor­ züglich mit manchen vorläufigen Kenntnissen be­ reichern , zumahl wenn sein Lehrer Gelegenheit findet, ihn zugleich in die Weikstätte ein e ge­ schickten und gefälligen Meisters zu führen. Doch wird so leicht niemand in dem Wahn ste­ hen , als wenn hiedurch die Lehrjahre eines Profeßionisten überflüßig gemacht würden. Nein aus Büchern und mündlichen Unterricht wird niemand eine Profeßion erlernen, da hiezu öfternicht sowohl Kenntniß, sondern vorzüglich Ue­ bung , Fertigkeit und Erfahrung erfordert wird. Ich wiederhole aber nochmals meinen Wunsch, daß man auf Schulen künftige Professionisten, außer der Gememkenntniß, nicht mit Vorberei­ tungen zur Gelehrsamkeit, sondern mit solchen Dingen bekannt machen möge, die fie in ihrem künftigen Stande brauchen können. Di6 ist ja der Hauptendzweck der Schulerziehung eines künftigen Bürgers des Staats.

Erster

Erster Abschnitt.

Der Buchbinder. e^er Buchbinder erhält mehrentheilsbie Bü« cher in roher Materie von dem Besitzer, planirt diese Materie, heftet, schlägt, und be­ schneidet dieselbe, und giebt ihr zuleht Deckel und Ueberzug. Doch treibt er auch zuweilen mit bereits eingebundenen Büchern einen Handel, wozu er sich die rohe Materie selbst rinkauft. I. Um mehrerer Ordnung willen wollen wir von denen XXTauviftUtn dieser Profeßion, die am mehresten gebraucht werden, den Anfang machen. i) Nach der gegenwärtigen Mode werden zum Ueberzug der Bände mchrentheils verschie­ dene Leder verbraucht. Denn der Liebhaber einer zierlichen Bibliothek läßt gegenwärtig, we­ nigstens in Berlin, seine Bücher mehrentheilS in einen englischen oder Marmorband, zuweilen auch wol in einen Franzband einbinden. a) Zu allen diesen Bänden nimmt man das Schafleder, so lohgar gemacht ist, wenn nemlich der Besitzer die Kosten sparet, und giebt diesem an sich geringhaltigen Leder einen guten An-

Der Buchbinder.

Anstrich. Doch werden auch die gewöhn­ lichen Bibeln und Gesangbücher mit diesem Leder eingebunden, und das Leber wird entwe­ der geschwärzt oder schwarz gesprengt. ES giebt nemlich braunes, weißes und rothes Schaf­ leder. Das braune wird zu gewöhnlichen Bibeln, Gesangbüchern und Schulbüchern gebraucht, das rothe aber zu Futteralen und Brieftaschen. Die Zubereitung diefts Leders wird in der Folge bey der Beschreibung des Loh - und Weißgerbers erzählt, so wie auch die Zubereitung des b) Ralbleders. Der Buchbinder ver­ braucht das lohgare Kalbleder zu englischen, marmorirten und Franzbänden, wenn nemlich der Bescher des Buchs die Kosten nicht sparet, und demselben den besten Band dieser Art geben will. Denn alle diese Bände sind ungleich theu­ rer, wenn der Buchbinder hiezu Kalbleder, als wenn er Schafleder nehmen soll. Zu dem englischen und Marmorband wird das schlesische, Hallische und englische vorzüglich gewählt, weil es eine hellere Gare hat, indem es nicht, wie in Berlin, mit Eichenlohe, sondern mit Weiden­ lohe gar gemacht ist. In der Gerberey heißt nemlich die Zubereitung der Leder, Gare, wie ich an seinem Ort gezeiget habe. c) Außer diesen beyden Lederarten wird noch der Lorduan häufig gebraucht, insbeson­ dere zu Bibeln und Gesangbüchern. Von dem Buchbinder wird nie der rauhe, sondern nur der glatte und narbigte Corduan gebraucht, und der

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Erster Abschnitt,

der beste ist feinnarbig, schön schwarz und glätt# zeno. Er wird, wie die mehresten Lederarten, pfundweise verkauft. d) Zuweilen werden auch Bücher in Gast stan eingebunden, den man aus Bock- und Ziegenhäuten zubereitet. Es ist bekannt, daß der marokkanische Saffian, und der so aus der asiatischen Turkey kommt, wegen seiner lebhaf­ ten Farben vor allen übrigen den Vorzug hat, und daher bester ist, als der nachgemachte fran­ zösische und deutsche. Man erfahrt feilte Güte durch das Scheidewaßer; wodurch er seine Far­ be nicht verlieren muß, wenn man das Scheu dewaßer aufstreicht. Es giebt gelben, rothen grünen und blauen Saffian, so von dem Buch­ binder zu vorzüglich schönen Banden verbraucht

wird. e) Mit Chagrin überzieht der Buchbin­ der die Bande der Handbibeln, Gesangbücher, so mit Silber beschlagen werden, Futterale, Etuis, Uhrgehäuse, u. dergl. Der Hocker oder Buckel auf dem Rücken des Cameels giebt das beste Leder dieser Art, und diesem wird der Ueberrest der Haut nur durch die Kunst gleich gemacht. Denn der Chagrin muß zugleich fein stark und spiHnarbig seyn. Er ist zwar insge­ mein schwarz, aber doch auch zuweilen von ei­ ner andern Farbe. Seines, theuren Preises wer gen wird er aus der Hand verkauft. f) Juchten giebt einen vorzüglich dauer­ haften Band, der so leicht nicht durch Unfall be» scha>

Der Buchbinder, schädigt werden soll. Daher läßt man große Kaufmanns- und Comtoirbücher in diesen Band einbinden, und die sämtlichen Bücher der kö­ niglichen Bibliothek zu Berlin haben diesen Band. Der beste Juchten wird in Rußland aus Rinderfellen zubereitet, wie ich schon an ei­ nem andern Ort gesagt habe. Denn die übri­ gen Länder, als Frankreich, England und Deutschland, liefern uns nur eine unvollkom­ mene Nachahmung. Man halt dasjenige Juchr tenleder für das beste, welches auf der Fleisch­ seite weiß, auf der Narbcnseite nicht schwarzfle« ckigt, sondern durchgängig von rother Farbe, und von guten, starken Geruch ist. g) Vordem, da man noch die Bücher häu­ fig in Folio drucken ließ, obwol zur Beschwerde des Lesers, wurden diese Folianten öfters in Schweinsleder eingebunden. Zu diesem Ge­ brauch wird das wilde Schweineleder jederzeit weißgar gemacht, sowohl von dem Weiß- als Lchgerber, ob man gleich das erstere am höch­ sten schäht. Es wird mit Alaun und Salz gar gemacht, wie ich bey dem Lohgerber und Satt­ ler gezeigt habe. Aus Breßlau, Leipzig und Nördlingen kömmt das beste, allein wenigstens der berlinische Buchbinder kommt gegenwärtig nicht oft in die Versuchung, sich dergleichen Felle zu verschreiben, denn der dasige feine Ge­ schmack verlangt einen englischen oder Marmor­ band, wenn es der Besiher einer Bibliothek aus­ führen kann, oder wenn dieses nicht ist, so laßt

er

32

Erster Abschnitt.

er feine Materie dagegen lieber in Papier oder P^-ppe einschlagen. Und Foliobände haben sich jetzt in den Druckereyen, Buchläden und Bi­ bliotheken sehr selten gemacht, wenigstens in der letztern Hälfte dieses Jahrhunderts. Dem Octavband muß anjeht beynahe alles weichen, selbst der Quartband, es sey denn, daß der Verfaßer wol gar ein Taschenformat in Duodez wählt. h) Rothes semisches Leder wird aus Schaft und Ziegenfellen zubereitet, und zur Ausfütterung der Futterale und Bestecke ge­ braucht. Es wird mit Alaun gar gemacht, und aus der Hand verkauft. 2) Die Bände mit einem Ueberzug von Pergament müßen anjetzk den englischen und Marmorbänden gleichfalls weichen, wenigstens in Berlin. Doch ist nicht zu leugnen, daß ein solcher Band dauerhaft und fest ist. Allein die Mode herrschet allenthalben, vorzüglich in den Bibliothecken solcher Gelehrten, die sich eines feinen Geschmacks rühmen, und in den Bücher­ sammlungen der bloßen Liebhaber. Ich habe von der Verfertigung des Pergaments in einem besondern Abschnitt geredet, und die verschie­ denen Arten angezeigt, daher ich mich gegen­ wärtig kurz faßen kann. Der Buchbinder ge­ braucht das weiße und gelbe Pergament von Kalb- und Schaffellen, ingleichen das gefärbte Pergament von Schaffellen. Zu Schreibe­ tafeln nimmt er das hiezu behörige Pergament,

und

Der Buchbinder.

33

und in Stammbüchern zuweilen das Mahler­ pergament.

3) Die Deckel der Bücher werden jetzt insgemein von starker oder schwacher Pappe ge­ macht , so der Buchbinder gewöhnlich von den Papiermühlen erstehet, zuweilen auch wol von den Abschnitten des Papiers selbst gießt. Doch ist das letztere selten, obgleich hiedurch eine star­ ke Pappe entstehet. Die dünnere Pappe von den Papiermühlen wird auch zu Futteralen ge­ braucht. Insbesondere bey solchen Büchern, die Clausuren erhalten, macht man die Deckck auch wol aus 4) Brettern von roch büchen Holz. Nach den verschiedenen Formaten der Pücher sind sie von verschiedener Größe und von verschiedenen Preisen. Die Preßbretter werden von dem Tischer verfertiget, und paarweise erstanden. 5) (Holt)# und Silberblätter kaust der Buchbinder von dem Goldschlager, und vergol­ det hiermit den Schnitt der Materie, oder ver­ zieret hiermit auch den Band. Billig soll diese» Gold# oder Silberblatt ächt seyn- und man theilt es in Feingold, Franzgold und Zwischgold ein, so sämtlich Buchweise verkauft wird. Unterdeßen ist nicht zu leugnen, daß sich der Buchbinder dagegen oft des unächten oder leonischen Gold­ oder Silberblattes bedienet, so aus schlechtem Metall verfertiget wird. Spreng.«5andw.u.R.i.S.

@

6) Der

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Erster Abschnitt»

6) Der Schnitt und Band eines Buchs wird insgemein mit verschiedenen Farben ver­ schönert, die ich an seinem Ort nennen werde.

7) Außerdem sind noch verschiedene Kleinigr feiten, die von dem Buchbinder gebraucht wer­ den. Hiezu gehören: Hornleim zum Leimen des Rückens eines Buchs und zum Pianiren, Alaun gleichfalls zum Planiren, Stärke zum Kleister, Hausenblase bey Futteralen, ^Bind­ faden, Zwirn und Seide, beym Heften, sei­ dene Zeuge von aller Art, worin Gedichte dn vornehme Personen eingebunden und Futterale ausgefuttert werden, Baumöhl, Mandelöhl, Cirronensafr, Scheidewaßer und Eistnschwär-e, womit der lederne Ueberzug der Bände verschönert wird, und endlich Llausuren, womit der Band fester Bücher beschlagen wird. Alle diese Dinge sind ohne weitere Be­ schreibung bekannt. II.) Die Werkzeuge dieses Profeßionisten sind zwar zahlreich, aber nur einfach, wie aus nachstehender Beschreibung erhellet. i) Die planirten Bogen einer Materie wer­ den in der Planirpreße Tab. I. Fig. II gcpresset. Alle Preßen dieser Art haben zwey starke Preßhölzer a b und c d. In dem untersten a b sind zwey senkrechte Schraubenspindeln es und ZK befestiget, die aber das oberste Preßholz c d nur durchbohren, so daß man dieses auf den Schrau­ benspindeln bequem hinauf und hinab bewegen kann. Auf jeder Schraubenspindel ist eine be, weg-

Der Buchbinder.

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wegliche Mutter c und d. Beym Gebrauch legt man die Materie oder das Buch zwischen zwey glatt behobelte preßbrerrer von harten Holz, die man auch in e g bemerken wird, legt die Preßbretter mit dem Buche zwischen die bey­ den Preßhölzer a b und c d, und zieht die bey­ den Schraubenmuttern c und d an, bis das Buch gehörig in einen engern Raum gebracht ist. Die gedachten Schraubenmuttern werden zuleht, wenn man sie nicht mehr mit der Hand bewegen kann, mit dem preßbengel Fig. VI umgedrehet. Der Preßbengel hat nemlich un­ terhalb einen Kerb ober Einschnitt, worin sich die Schraubenmutter genau paßt, und der auf die Schraubenmutter gesetzte Preßbengel erleich­ tert als ein Hebel das Umdrehen. Eine solche Bewandntß hat es nun auch mit der Planirpreße Fig. II, wovon gegenwärtig eigentlich die Rede ist. Sie hat nur noch auf den Rändern Rin­ nen, damit das Waßer abläuft, so in der Pre­ ße aus der planirten Materie gepreßet wird. Außer dieser hak der Buchbinder noch verschie­ dene andere Preßen, die ich der Aehnlichkeik wegen sogleich nennen will. Die Hand- Be­ stechpreßen Fig.Xt sind nur der Größe nach von der vorigen und unter einander verschieden. Man preßt ein Buch in diesen beyden Preßen beynahe nach einer jeden Bearbeitung, und der Buch­ binder besitzt daher mehrere Preßen dieser Art von verschiedener Größe. Schon breirere Preßr Hölzer, als die beyden vorhergehenden, hat die C a ZMoiy

s6

Erster Abschnitt.

Rloypreße. Man spannt die Materie des be­ reits eingebundenen Buchs in diese Preße, wenn man dieses auf dem Rücken oder zugleich auch auf den Deckeln vergolden will. Daher werden die Deckel nicht mit eingepreßt, sondern sie lie­ gen auf der äußern Seite der beyden Preßhölzer a b und c d Fig. II. Aus dieser Ursache ist diese Seite der Preßhölzer von der innern Kante ne­ ben den Preßbrettern e g Fig. II bis zur Mitte schräge abgehobelt, damit die Deckel des Buch« den Buchbinder beym Vergolden nicht hindern, die Stempel auf den Rücken des Buchs anzu­

sehen. Von der Beschneidepreße rede ich weiter unten bey dem Beschneidehobel, und eS bleibt also nur noch die Srockpreße übrig. Diese Preße Fig. 1 weicht aber von den vorigen merk­ lich ab, denn sie ist ganz von Eisen, und die beyden eisernen Platten a b mtb c d sind an den beyden eisernen Stäben ac und b d befesti­ get. In der obersten Platte steckt eine starke eiserne Schraubenspindel e f in ihrer Mutter, so durch den Schlüße! f umgedrehet wird. An dieser Spindel ist unten eine eiserne Platte g be­ festiget. Diese Preße wird nur alsdann gebraucht, wenn man aufdem Deckel, z.B. eines schweins­ ledernen Bandes, Figuren auspräget. Die meßingene Form h, worauf die erforderliche Fi­ guren gestochen sind, wird erwärmet, das Buch wird auf die Form gelegt, so daß ein Deckel die figurirte Seite der Form berühret, und so wird das Buch in die Stockpreße gebracht, und ge­ preßt.

Der Buchbinder,

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preßt. Hiedurch prägen sich die Figuren -er Form auf dem Leder aus. Allein dergleichen verzierte Deckel sind jetzt nicht mehr sonderlich Mode, und daher wird die Swckpreße jetzt nur selten gebraucht. Alsdenn thut sie anjeht etwa noch Dienste, wenn auf dem Deckel eines Buch­ für einen vornehmen Herrn ein Wapen auf die vorherbeschriebene Art ausgepräget werden soll. Zu den Preßen gehöret endlich noch der Preßknecht Fig. Hl. Es ist ein Brett mit einem Absatz oder Fuß a b. Beym Gebrauch stellt man den Preßknecht etwa gegen einen Tisch, und lehnt gegen den Fuß a b die Preße, wenn ein in die Preße gespannte- Buch etwa vergol­ det, marmorirt, geglättet u. d. g. werden soll. 1) Die Gestalt des planirkreuyes Fig. IV von dünnen Holze erhellet aus der Abbildung. Die planirten Bogen einer Materie werden mit diesem Planirkreutz zum Trocknen auf Haar­ schnüre aufgehangen, und mit eben diesem Werkzeuge, wenn sie trocken sind, auch wieder abgenommen. Man hängt das Papier aber auf Haarseilen auf, weil die Feuchtigkeit diese nicht so leicht angreift, und sie daher das Papier nicht

anschmutzen. 3) Mit dem Schlaghammer Fig. V wer­ den die Bücher aus dem Falz und zum Heften geschlagen. Er ist 8 bis 16 Pfund schwer. Die Materie des Buchs liegt auf einem Marmor oder glatten Kieselstein, oder auch auf einem Klotz, welcher aber oben mit einer eisernen Platte C 3 ver-

ZS

Erster Abschnitt,

versehen ist. Wo möglich, verrichtet der Buch­ binder das Schlagen in einem Keller, und bewahr ret hiedurch das Haus vor Erschütterungen. 4) Mit dem knöchernen Falzbein Fig. X werden die Bogen beym Falzen oder Zusammen­ legen gestrichen. 5) Die gefalzten Bogen werden hiernachst auf der Hefctade Fig. XII geheftet. Das un­

tere Brett a b ruhet auf niedrigen Füßen, und aufdiesem Brett stehet neben jeder schmalen Seite eine lange hölzerne Schraubenspindel b i und k 1. Auf den beweglichen Schraubenmuttern dieser Schraubenspindeln f und e ruhet eine starke Lei« ste'c 6, die beynahe von einer Schraubenspindel bis zur andern einen Einschnitt hat, und in diesem Einschnitt stecken die Hefthaken g beweg­ lich, so daß man sie nach der Richtung c d und wieder zurück verschieben kann. Ein solcher ei­ serner Hefthacken ist unten in g gekrümmt, in 1 hat er aber eine Flügelschraube, daß man ihn also in etwas hinauf und hinab schrauben kann. Endlich hat das Brett ab in mn einen Aus­ schnitt , und dieser ist wieder durch die Leiste oder Vorlage m n ausgefüllt. Die letzte kann man abnehmen und wieder mit zwey Schrauben m und n ansetzen. Die Bestimmung und den Nutzen aller dieser Theile werd ich auch zeigen, wenn ich von dem Heften reden werde. 6) Vor dem Heften der Foliobände wird ein Bogen in den zubehörigen andern mit dem hölr zernen Einstecksthwekdt Fig. IX eingeschoben. 7) In

Der Buchbinder.

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7) In dem kupfernen Leimkiegel Fig. XXIV; wird der Leim gekocht, und mit einem Pinsel aufgetragen. Der Tiegel steht beym Gebrauch auf einem Kohlenbecken, damit der Leim warm bleibt. 8) Die Aufstecknadeln Fig. XXI sind starke lange Nadeln von Drath, die man in den Bund auf den Rücken des Buchs steckt, und hiemit den gerundeten Rücken beym Be­ schneiden wieder gerade richtet. 9) Das PunEttreifen Fig. VII ist ei« kleiner Stangencjrkel, womit die geheftete Ma­ terie des Buchs vor dem Beschneiden ausgemeft ftn wird. 10) Beym Beschneiden der gehefteten Ma­ terie des Buchs wird diese in die Beschneide« presse Fig. XXV eingespannet, so daß dasjenige, was abgefchnitken werden soll, sich an die vor­ springende Leiste ab lehnet. UebrigenS gleicht diese Presse der obigen Handpresse, außer daß sie langer seyn muß. Denn der 11 ) Beschneidehobel muß auf dieser Be­ schneidepresse Plah finden, daß er hin und her beweget werden kann. Die XXX Fig. stellt den Beschneidehobel auf derjenigen Seite vor, wo das Messer angebracht ist, die XXXI Fig. aber auf der entgegengesetzten Seite. Zwey starke Hölzer ab und cd Fig. XXX und XXXl sind durch zwey Riegel es und gh vereiniget, doch so daß das oberste cd ans den Riegeln beweglich sitzt, und vermittelst der Schraube ik nach der Richtung C 4 le

40

Erster Abschnitt,

le und wieder zurück verschoben werden kann. Daö Messer, eine runde verstählte Scheibe, so lange liegen, bis es trocken ist. Wenn dieses ist, so klebet man das innre Vor­ satzpapier an jeden Deckel mit Kleister an. Auf eben di« Art wird auch der halbe Franzband verfertiget, außer daß nur Rücken und Ecken mit Leder, und insgemein mit Schafieder über­ zogen werden, das übrige aber mit braunber sprengten Papier. Auch bey diesem halben Franzband wird zuletzt das Vorsatzpapier angeklebet, und zwar mit Kleister. Bey dieser Gelegenheit will ich die Verfertigung des Rleisters zeigen. Zu diesem Kleister nimmt man weiße Starke, so man mit Planirwasser, oder auch mit Wasser, so mit Pergamentspänen ge­ kocht ist, einrühret. Auf die eingerührte^Stärke wird stark siedendes Wasser gegossen, und et­ was zerstossener Algun hinzugeschüttet. Diese Mischung wird so lange beständig umgerührt, D 5 bis

58

Erster Abschnitt,

bis die Masse zu einem Kleister wird. Erkalt tet wird er mit einem Pinsel aufgetragen. Vorher hab ich den Franzband mit Leder überzogen und getrocknet hinterlassen. Bis auf dieses Trocknen werden alle lederne Bände von ähnlicher Art, als der gegenwärtige Franz - der englische und der Marmorband, auf gleiche Art behandelt. Nunmehro muß man aber jedem noch auf eine ihm eigene Art durch einen An­ strich ein Ansehen geben, und hiedurch erhalt er feine Benennung. Den Franzband behandelt der Buchbinder Hiebey auf folgende Art: Er beschmiert den ganzen Ueberzug des Bandes mit Kleister, reibrt diesen mit Papierspänen ein, und läßt ihn trocknen. Nachher bestreicht er den . Ueberzug mit Eyweiß, und wenn dieser Anstrich trocken ist, so besprüht er ihn ver» mittelst eine- Besprengpinsels durchgängig mit der bekannten Eisenschwärze, und läßt diese trock­ nen. Der Buchbinder besprengt das Leoer hier­ auf vermittelst eines Sprengpinsels Fig. XXIX mit Citronensast, und hirrnächst mit einer Farbe, die mit Wasser und Alaun aus Fernambock oder Cvncionclle gekocht ist. Wenn alles dieses tro­ cken ist, so bestreicht er den Ueberzug aber­ mals mit Eyweiß, und läßt es gut trocken wer­ den. Nachdem nun dieser Anstrich vollendet ist, so-fpannt er das Buch in eine Klshpresse, und vergoldet den Rücken, und wenn es ver­ langt wird, auch den Deckel. Der Rücken wird nemlich dreymal mit Eyweiß bestrichen,

und

Der Buchbinder.

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und alsdenn wird das zugeschnittene Goldblatt auf alle Stellen, die verguldet werden sollen, aufgelegt. Der Titel pflegt insgemein zuerst auf­ gedruckt zu werden, und dieserhalb setzt der Buchbinder die erforderlichen Schriften oder Let­ tern nach ihrer Ordnung in den Schriftkasten Fig. XXXII, erwärmt sie mäßig und druckt mit denselben auf das Goldblatt. Eben so erwärmet er auch die Stempel oder das Alphabet, und druckt einen Stempel nach dem andern in erfor­ derlicher Ordnung und an ihrem Ort auf das Goldblatt auf. In allen Fällen muß aber der Buchbinder stark ausdruckem Eben so kann auch der Deckel vergoldet öder auch versilbert werden. Wenn nun alle Stempel aufgesetzt sind, so reibet man das überflüßige Gold mit einem wollenen Tuch ab, und das Gold, so mit den Stempeln und Schriften so zu sagen einge­ brannt ist, bleibt allein zurück. Endlich wird der Deckel, gleichfalls noch in der Klotzpreffe, mit dem auf Kohlen erwärmten Polirkolben Fig. XXll abgerieben, und hiedurch geglättet. Hier bey zieht man auch zuweilen neben dem Umfang des Deckels mit dem Streicheisen Fig. XVIII Linien. b) Der Ueberzug des englischen Bandes soll gleichfalls Kalbleder seyn, doch nimmt man des wohlfeilen Preises wegen oft auch Schafle­ der. Ich habe schon vorher gesagt, daß man den Band eben so überziehet, als den Franz­ band, und daß blos der Anstrich verschieden ist. Das

6o

Erster Abschnitt.

Das Leder des englischen Bandes soll nemlich gelb seyn. Deshalb bestreicht der Buchbinder das bräunliche Leder vermittelst eine- Schwamms mit Citronenfaft, so gleichsam das Leder bleicht und gelber macht. Bey Schasteder überzier het er es auch wol noch mit Eyweiß, um dem schlechter» Leder ein Ansehen zu geben. Hierauf wird der Rücken wie vorher vergoldet, und zu» leht wird der Band mit einem Polirkolben ge­ glättet. Doch muß dieser nur mäßig warm seyn. c) Der Marmorband kann abermals wie vorher mit Kalb - oder Schafleder überzogen werden. Gew-Hulich tragt man auf das Leder Eisenschwärze auf, aber sogleich wieder mit Was­ ser verdünntes Scheidewasser, so die Eisen­ schwärze an manchen Stellen wieder wegbeizet und das Buch marmorirt macht. Der Band wird hierauf gleichfalls mit Eyweiß angestri­ chen, der Rücken vergoldet, und die Deckel werden mit dem Polirkolben polirt. d) Auf eben die Art wird auch der Band mit Corduan überzogen. Doch bedarf dieses Leder keinen Anstrich, sondern man zieht nur zuweilen Mit dem Streicheisen Fig. XVIII auf dem Deckel einige Linien, seht Titel und Na­ men auf vorher beschriebene Art auf, und polirt das Leder auch wol mit einem sehr mäßig war­ men Polirkolben. Ich habe nunmehro diejeni­ gen Bande beschrieben, die anjeht am beliebte­ sten sind, womit ich mich also de- Raums we­ gen begnüge.

n*d?»

Der Buchbinder.

er

tTlachrichk. Die Lehrburfche des Buch­ binders lernen 4 bis 7 Jahre, nachdem ein ge­ schloffener Vergleich es festfeht. Die Gesellen dieses geschenkten Handwerks erhalten, wenn sie in eine StM einwandern, 4 bis 6 Groschen zum Geschenk, und überdem freyes Nachtlager. Ein angehender Meister verfertigt in Berlin fol­ gendes Meisterstück, i) Muß er eine Bibel in Folio einbinden, und zwar nach dem Güldebrief eine weymarfche Bibel, doch kann es auch eine an­ dre seyn. Sie wird in Kalbleder eingebunden, so der angehende Meister selbst roth färben muß. Der Schnitt muß vergoldet seyn, Rücken und Deckel werden mit goldenen Figuren geziert, und das Buch wird mit Clausuren beschlagen. 2) Auf eben die Art muß er auch ein Notenbuch von grossen holländischen Roialpapier einbinden. 3) Ein beliebiger Folioband, so ein englischer oder Marmorband seyn kann, mit einem rothen oder blau marmorirten Schnitt. 4) Ein belie­ biger Quartband in Pergament mit einem blauen oder roth marmorirten Schnitt und einem ro» then Titel.

Zwey-

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Zweyter Abschnitt.

—-E?' 1 1 * — Zweyter Abschnitt. Der Hutmacher, e^urch da« Fitzen in der Warme über Feuer und in heißen Wasser verwandelt der Hutmacher Wolle und Haare in verschiedene Kleidungsstücke, insbesondere in Hüte von ver­ schiedener innern Güte. Durch den Hut unter­ scheiden sich schon in der Tracht die mchresten europäischen Völker von den übrigen Nationen der Erde. Denn eö ist bekannt, daß die mehresten übrigen Völker der Erde sich statt dessen, nicht ganz ohne vorzügliche Bequemlichkeit, der Mütze oder des Turbans bedienen. Eine um­ ständliche und vortrefliche Beschreibung der Hutmacherkunst vom Herrn Abr Rollet stehet überseht in dem sechsten Theil des Schauplatzes der Künste und Handwerke. Man hat diese Beschreibung hin und wieder gut genutzt. 1 Die Wolle und die Haare lassen sich nur filzen, und beyde sind daher die wichtigsten Marek lallen des Hutmachers. Ich will von beyden die brauchbarsten Arten nennen. i) Die kürzeste Schafwolle ist zum Fil­ zen jederzeit die beste. Daher verarbeitet der hiesige Hutmacher am liebsten die einheimische

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Lämmerwolle zu mittlern und feinen Wollhüten. Doch da die Lämmerwolle nicht zu aller Hutmacherarbeit hinreicht, so muß er sich auch jeder andern einheimischen und lüneburgischen kurzen Schafwolle bedienen. Insbesondere gehöret hiezu die Wolle von jungen Hammeln, und die kurze Wolle von der Kehle und dem Halse der Schafe, desgleichen auch -ie Wolle an dem Bauch und den Beinen der letztem. Die Sommerwolle von zweyschürigen Schafen ist am brauchbarsten, so mehnntheils mit Lam­ merwolle vermischt wird. Die schwarze Wolle der Schafe und Lämmer bindet zwar und nimmt auch die Farbe an, sie ist aber grob und daher nicht sonderlich gebräuchlich. Hieraus erhellet, daß der Hutmacher die Wolle sortiren und sich aussuchen muß. Die Wolle vom Bauch nimmt er zu ordinairen, die aber vom Halse zu den feinsten Woll- oder Kernhüten. Eine nähere Nachricht von der Wolle überhaupt und ihren Arten stehet in der vierzehnten Sammlung. 2) Außer dieser einländischen Wolle, wo» von bis jeht nur die Rede gewesen ist, bedient fich der Hutmacher auch verschiedener ausländi­ scher Wollarten. Doch verstehen nur die ge­ schickten und verständigen Hutmacher die Kunst, diese nebst den feinen Haaren zu verarbeiten und der gemeine Wollhut ist die gewöhnlichste Arbeit der.Hutmacher. Die dänisthe Wolle von dä­ nischen oder vielmehr norwegischen Lämmern wird

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wird zuweilen mit einheimischer Lämmerwolle zu feinen und dichten Wollhüten vermischt. Sie ist derbe und bindend, und die Hutmacher wis­ sen aus der Erfahrung, daß einige Loth von dieser Wolle den Hut fester und derber machen, als ein Pfund hiesiger Landwolle. Die per, sianisöhe Wolle ist auch unter dem Namen Karmeline oder Rarmenin bekannt, weil sie aus der persischen Provinz Kerman zu uns kommt. Sie ist theils roth theils grau, und die erstere ist brauchbarer und theurer als die letzte. Es ist eine Wolle von persianischen Schafen. Die peruanische oder Vigognesr wolle erhält man von einer Art wilder Schafe, gleich sehr grossen Hammeln, die in Peru auf hohen Bergen gejagt werden. Sie ist bald braunroth bald aschgrau, und die Flocken sind fein und fest. Die Rücken - und Schwanz­ wolle ist dunkler als die Bauchwolle, und jener geben die Hutmacher den Vorzug. Die persianische sowohl, als die peruanische Wolle ist theuer, denn von dieser kostet das Pfund bis 5 Rthlr., von jener r Rthlr. Daher werden beyde Arten nie ohne Beymischung feiner Haare verbraucht, zumal da sie ohne eine solche Bey­ mischung nicht gut filzen sollen. Das letzte gilt auch von dem a) Cameel- oder Aammelhaar. Soviel »st gewiß, daß dieses Haar größtentheils die Wolle der bekannten angorischen Ziege ist, so die Türken Kammel nennen, obgleich die mehresten

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sten es für das Haar des Cameels halten. Es kommt aus der Levante, und ist bald mehr bald weniger braunweiß. Sein Glanz macht es in vieler Absicht vorzüglich schähbar. Außer die­ sen Materialien, die zur Wolle gerechnet wer­ den können, verarbeitet der Hutmacher noch fol­ gende Haare. 4) Das schätzbarste Haar zu Hüten ist das Bieberhaar. Denn es wird hieraus der be­ kannte feine Castorhut verfertiget. Wenigstens die hiesigen Hutmacher verbrauchen dieses theure Haar nie unvermischt, es sey denn, daß ein fo feiner Hut ausdrücklich bestellt wird, welches sich selten zuträgt.. Es ist bekannt, baß der Bieber, von welchem man diese Haare gewin­ net, beydes im Wasser und auf dem festen Lande leben kann. Die Haare dieser Thiere sind an den Spitzen braun, am braunsten auf dem Rü­ cken, unterhalb aber nach der Haut zu perlfar­ big. Man fängt sie zwar auch in Polen und Rußland, allein das Haar dieser Bieber ist nicht so gut, als das englische Bieberhaar. Die Engländer bringen dieses aus Nordamerika und insbesondere aus Canada, und überlassrn es theils abgefchnitteu, theils noch auf den Fellen den übrigen Völkern. Zwey Loth von den ame­ rikanischen Bieberhaaren sints aber eben so gut, als 4 Loth von den polnischen und rußischen. Doch dieser einzige Unterschied bestimmt noch nicht die verschiedene Güte der Bieberhaare. Haare von solchen Biebern, die im Winter geSpreng.