Grundlagen Verbrennungsmotoren Funktionsweise, Simulation, Messtechnik ; mit 43 Tabellen [5., vollst. überarb., aktualisierte und erw. Aufl] 9783834813930, 3834813931, 9783834819871, 3834819875

Das Buch spannt einen Bogen von einfachen thermodynamischen Grundlagen des Verbrennungsmotors hin zu komplexen Modellans

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German Pages 808 Year 2011

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Grundlagen Verbrennungsmotoren Funktionsweise, Simulation, Messtechnik ; mit 43 Tabellen [5., vollst. überarb., aktualisierte und erw. Aufl]
 9783834813930, 3834813931, 9783834819871, 3834819875

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Günter P. Merker | Christian Schwarz | Rüdiger Teichmann (Hrsg.) Grundlagen Verbrennungsmotoren

Günter P. Merker | Christian Schwarz | Rüdiger Teichmann (Hrsg.)

Grundlagen Verbrennungsmotoren Funktionsweise, Simulation, Messtechnik 6., ergänzte Auflage Mit 575 Abbildungen und 43 Tabellen PRAXIS | ATZ/MTZ-Fachbuch

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Bis zur 3. Auflage erschien dieses Werk unter dem Titel „Verbrennungsmotoren“ von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter Merker apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch Dr. rer. nat. Frank Otto

1. Auflage 2001 2. Auflage 2004 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2006 4., überarbeitete und aktualisierte Auflage 2009 5., vollständig überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage 2011 6., ergänzte Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012 Lektorat: Ewald Schmitt | Elisabeth Lange Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Technische Redaktion: Gabriele McLemore, Wiesbaden Satz: FROMM MediaDesign, Selters/Ts. Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1987-1

V

Vorwort zur 6. Auflage Heute werden als Standard in der Motoren- und Fahrzeugentwicklung kommerziell zur Verfügung stehende Rechenprogramme zur Simulation des transienten Verhaltens von Fahrzeugen oder des kompletten Antriebstranges, aber auch der hochgradig instationären Prozessabläufe im Brennraum eines Motors eingesetzt. Weil aber für diese Rechenprogramme in der Regel der Quellcode nicht zur Verfügung steht und in der Dokumentation oft Querverweise zu Grundlagen fehlen, haben die Anwender oft nur eine unzureichende Kenntnis über die physikalischen und chemischen Inhalte der in diesen Programmen verwendeten Modellansätze. Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen, unterschiedliche physikalische und chemische Ansätze deutlich zu machen und Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten Modelle aufzuzeigen. Aufgrund der Fülle an Informationen mussten wir uns in diesem Buch auf die Vorgänge in Verbrennungsmotoren beschränken, so dass damit der Schwerpunkt des Buches eindeutig auf den thermodynamischen, strömungsmechanischen und chemischen Grundlagen der Modellierung motorischer Prozessabläufe liegt. Für die vorliegende sechste Auflage wurde der Inhalt entsprechend dem Untertitel Funktionsweise, Simulation, Messtechnik neu gegliedert, vollständig überarbeitet, aktualisiert und erweitert. Insbesondere stehen dabei Abschnitte zur Schadstoffreduktion bei Ottomotoren, Abgasnachbehandlung und die Simulation dreidimensionaler Strömungsfelder im Mittelpunkt. Das Buch ist in fünf Teile gegliedert. Teil A mit den Kapiteln 2 bis 4 beschreibt die Funktionsweise, Aufladeverfahren und die thermodynamischen Grundlagen von Verbrennungsmotoren. Teil B mit den Kapiteln 5 bis 8 ist den physikalischen und chemischen Grundlagen sowie der Messung und Analyse der Verbrennung, der Schadstoffbildung und der Emissionsmesstechnik gewidmet. Teil C beinhaltet die Kapitel 9 bis 13 und beschreibt die 0D- und 1D-Simulation sowohl verschiedener Teilprozesse als auch des Gesamtprozesses. In Teil D mit den Kapiteln 14 bis 17 wird die 3D-Simulation verbrennungsmotorischer Prozesse behandelt. Der fünfte Teil E schließt den Bogen mit Systembetrachtungen und Aussagen zur Zukunft des Verbrennungsmotors. Wir hoffen, dass uns mit diesem Werk eine verständliche und aktuelle Darstellung der Simulation motorischer Prozesse gelungen ist und wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Buch für alle Anwender in Wissenschaft und Technik von möglichst großem Nutzen ist. Wir danken allen Autoren für ihre konstruktive und engagierte Mitarbeit. Alle Autoren und ihre Firmen oder Institutionen sowie ihre Beiträge sind im Vorspann aufgeführt. Unser besonderer Dank gilt der AVL LIST GmbH für die fachliche und materielle Unterstützung bei Erstellung dieses Buches. Aufbau und Inhalt des Buches haben wir mit vielen Kollegen diskutiert, unser besonderer Dank gilt dabei Gerhard Haussmann. Herrn Ewald Schmitt und Frau Gabriele McLemore vom Vieweg+Teubner Verlag danken wir für die konstruktive und angenehme Zusammenarbeit. Tettnang/Graz, im November 2011

Günter P. Merker Rüdiger Teichmann

VI

Geleitwort

Geleitwort Die Bücher „Verbrennungsmotoren“ – maßgeblich verantwortet von Prof. G. P. Merker – richteten sich in der Vergangenheit hauptsächlich an Mitarbeiter von Berechnungsabteilungen und entwickelten sich dort zu anerkannten Informationsquellen. Die Trennlinie zwischen Simulation und Versuch ist aber heute fließender denn je, ja man kann fast sagen, jeder simuliert ein bisschen oder muss Ergebnisse von Berechnungen einschätzen. Gleichzeitig ist die Wissens- und Erfahrungsbasis bei jedem unterschiedlich. Von diesen unterschiedlichen Standpunkten kommend, Brücken zu schlagen, wurde das Buch kontinuierlich erweitert – es entstand „Grundlagen Verbrennungsmotoren“. Das Buch liegt nun in einer deutlich erweiterten Auflage vor und spannt den Bogen von der Funktionsweise von Verbrennungsmotoren über die Simulation von Prozessen in Verbrennungsmotoren bis hin zur Messtechnik. Trotz der Breite der Themen werden einige Fachgebiete in einer solchen Tiefe behandelt, die für das Gesamtverständnis hilfreich ist. Aber dieses Fachbuch enthält noch mehr und das ist mir gerade heute ein persönliches Anliegen: Neben einer Betrachtung des Gesamtsystems Antrieb, wird versucht, die Diskussion über den optimalen Motor mit technischen Argumenten zu unterlegen, um somit dem Leser entsprechend seiner Randbedingungen zielführende Entscheidungen zu ermöglichen. Für dieses Werk konnte eine gute Kombination aus wissenschaftlichen und praktisch orientierten Autoren gewonnen werden, so dass es als Lehrbuch für Studenten, als Weiterbildung oder einfach nur zum Nachschlagen bei täglichen Fragen gut geeignet ist. Ich weiß auch, dass für die Erstellung der Beiträge viel Freizeit aufgewendet wurde und möchte mich für den Einsatz bei allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, bedanken. Graz, im November 2011

Helmut List

VII

Die Herausgeber

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker wurde 1942 in Augsburg geboren. Von 1964 bis 1969 studierte er an der Technischen Hochschule München Maschinenbau. Anschließend war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Thermodynamik tätig, 1974 erfolgte die Promotion, 1978 habilitierte er sich. Von 1978 bis 1980 war er bei der MTU-München GmbH tätig. 1980 nahm er einen Ruf auf die C3-Professur für Kältetechnik an der Universität Karlruhe an. 1986 trat er in die MTU-Friedrichshafen GmbH ein und leitete dort die Hauptabteilung Analytik/Motorenberechnung. 1994 folgte er dem Ruf auf die C4-Professur für Verbrennungsmotoren an die Universität Hannover an und leitete bis zu seiner Emeritierung 2005 das Institut für Technische Verbrennung. In dieser Zeit hat er sich insbesondere mit der experimentellen und theoretischen Untersuchung der Verbrennung in Nutzfahrzeug-DieselMotoren beschäftigt. Insgesamt hat er 43 Doktoranden zur Promotion und vier zur Habilitation geführt. Er ist Autor und Mitautor von über 140 technisch-wissenschaftlichen Publikationen und sechs Fachbüchern auf den Gebieten Wärmeübertragung, Strömungsmechanik und Verbrennungsmotoren. Heute ist er als freier Berater für die Motorenindustrie tätig. Apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz wurde 1964 in Regensburg geboren. Er studierte von 1983 bis 1988 an der Technischen Universität München Maschinenbau. Von 1989 bis 1997 war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der Technischen Universität München und promovierte Anfang 1993 im Bereich der Motoren-Simulation. Im Anschluss daran bereitete er seine Habilitation mit dem Titel „Theorie und Simulation aufgeladener Verbrennungsmotoren“ vor. Nach deren Abschluss Ende 1998 an der Universität Hannover erhielt er die venia legendi für das Fach Verbrennungsmotoren. Seither unterrichtet er dort das Fach „Simulation verbrennungsmotorischer Prozesse“. Im Jahr 1997 wechselte er zur BMW AG. Seit 2004 verantwortet er in der Serienentwicklung die Brennverfahrensentwicklung und die Ladungswechselauslegung aller Serien-Ottomotoren und seit 2010 zusätzlich die Entwicklung der Aufladung und der Abgassysteme. Er betreute mehrere Dissertationen auf dem Gebiet Verbrennungsmotoren. Ferner ist er Autor und Mitautor zahlreicher Veröffentlichungen und Vorträge im Themengebiet Brennverfahren und Aufladung von Verbrennungsmotoren und ist Mitautor eines Fachbuches aus diesem Bereich. Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann wurde 1960 in Nordhausen geboren. Er studierte Maschinenbau mit der Spezialisierung „Kraftfahrzeugtechnik“ an der Technischen Universität Dresden von 1982 bis 1987. Danach wurde er an der gleichen Einrichtung Forschungsstudent und wissenschaftlicher Assistent bis 1990. 1991 promovierte er zu einem Thema der Verbrennungsverfahrenentwicklung an LKW-Dieselmotoren.

VIII

Die Herausgeber

Im gleichen Jahr begann er seine berufliche Laufbahn in der Vorentwicklung für Antriebsentwicklung der BMW AG in München. Im Rahmen seiner Spezialgebiete Thermodynamik, Verbrennungsentwicklung, Ladungswechsel und der Kalibrierung dieser Vorgänge war er in verschiedenen Themen bis zur Serienentwicklung tätig. 1999 wurde er Leiter des Produktmanagement der gesamten Indiziertechnik bei der AVL List GmbH in Graz. Nach drei Jahren übernahm er die Verantwortung als Segmentleiter für Indiziertechnik, welche ab 2005 die Fachgebiete für optische Messtechnik und Forschungsmotoren als Global Segment Manager Verbrennungsmesstechnik einschließt. Seit 2007 koordiniert er zusätzlich die Fahrzeugmesstechnikaktivitäten der AVL. Dr. Teichmann ist Autor und Koautor zahlreicher Publikationen und Betreuer von Diplomarbeiten.

IX

Autorenverzeichnis Beidl, Christian, Univ.-Prof. Dr.

Technische Universität Darmstadt www.tu-darmstadt.de

Bergmann, Alexander, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl. com

Dinkelacker, Friedrich, Univ.-Prof. Dr.

Leibniz Universität Hannover www.uni-hannover.de

Durst, Bodo, Dr.-Ing.

BMW AG, München www.bmw.de

Eckert, Peter, Dr.-Ing.

IAV GmbH, Berlin www.iav.de

Eichlseder, Helmut, Univ.-Prof. Dr.

Technische Universität Graz www.tugraz.at

Engeljehringer, Kurt

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Fraidl, Günter, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Gottschalk, Wolfram, Dr.-Ing.

IAV GmbH, Berlin www.iav.de

Kasper, Werner

MTU Friedrichshafen GmbH www.mtu-online.de

Kapus, Paul, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Koegeler, Hans-Michael, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Krüger, Christian, Dr.-Ing.

Daimler AG, Stuttgart www.daimler.de

Merker, Günter P., Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil.

Leibniz Universität Hannover www.uni-hannover.de

Mohr, Hinrich, Dr.-Ing.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Otto, Frank, Dr.rer.nat.

Daimler AG, Stuttgart www.daimler.de

X

Autorenverzeichnis

Rakowski, Sebastian, Dr.-Ing.

WABCO Development GmbH, Hannover www.wabco.de

Reulein, Claus, Dr.-Ing.

BMW AG, München www.bmw.de

Schwarz, Christian, apl. Prof. Dr.-Ing. habil.

BMW AG, München www.bmw.de

Spicher, Ulrich, Univ.-Prof. Dr.-Ing.

Karlsruher Institut für Technologie (KIT) www.kit.edu

Stiesch, Gunnar, apl. Prof. Dr.-Ing. habil.

MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg www.mandieselturbo.com

Tatschl, Reinhard, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Teichmann, Rüdiger, Dr.-Ing.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Wimmer, Andreas, Ao. Univ.-Prof. Dr. techn.

Technische Universität Graz www.tugraz.at

Winklhofer, Ernst, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

Wintruff, Ingo, Dr.-Ing.

MTU Friedrichshafen GmbH www.mtu-online.de

Witt, Andreas, Prof. Dr. techn.

BMW AG, München www.bmw.de

Wurzenberger, Johann, Dr.

AVL LIST GmbH, Graz, Austria www.avl.com

XI

Firmen- und Hochschulverzeichnis

Firmen AVL LIST GmbH, Graz, Austria

Dr. Alexander Bergmann Kurt Engeljehringer Dr. Günter Fraidl Dr. Paul Kapus Dr. Hans-Michael Koegeler Dr. Hinrich Mohr Dr. Reinhard Tatschl Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann Dr. Ernst Winklhofer Dr. Johann Wurzenberger

BMW AG, München

Dr.-Ing. Bodo Durst Dr.-Ing. Claus Reulein apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz Prof. Dr. techn. Andreas Witt

Daimler AG, Stuttgart

Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto

IAV GmbH, Berlin

Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Wolfram Gottschalk

MAN Diesel SE, Augsburg

apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch

MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen

Werner Kasper Dr.-Ing. Ingo Wintruff

WABCO Development GmbH, Hannover

Dr.-Ing. Sebastian Rakowski

Hochschulen Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher

Leibniz Universität Hannover

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker

Technische Universität Darmstadt

Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl

Technische Universität Graz, Austria

Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer

XIII

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter 1 Einleitung

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker

Teil A: Der Hubkolbenmotor 2 Funktionsweise des Verbrennungsmotors

Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Wolfram Gottschalk Dr.-Ing. Hinrich Mohr Dr.-Ing. Sebastian Rakowski Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer Prof. Dr. techn. Andreas Witt

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker

4 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Dipl.-Ing. Werner Kasper Dr.-Ing. Claus Reulein Dr.-Ing. Ingo Wintruff

Teil B: Verbrennung, Schadstoffbildung, Emissionsmesstechnik 5 Reaktionskinetik

Dr.-Ing. Peter Eckert apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch

6 Schadstoffbildung

Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski

7 Emmisionsmesstechnik

Dr. Alexander Bergmann Kurt Engeljehringer Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann

8 Verbrennungsdiagnostik

apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer Dr. Ernst Winklhofer

XIV

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

Teil C: 0D- und 1D-Simulation des Gesamtprozesses 9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Dr.-Ing. Sebastian Rakowski apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch

11 Abgasnachbehandlungssysteme

Dr. Reinhard Tatschl Dr. Johann Wurzenberger

12 Analyse des Gesamtprozesses

apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl Dr. Hans-Michael Koegeler

Teil D: 3D-Simulation des Arbeitsprozesses 14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto

15 3D-Simulation der Aufladung

Dr.-Ing. Bodo Durst

16 Simulation von Einspritzprozessen

Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto

17 Simulation der Verbrennung

Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto

Teil E: Systembetrachtungen und Ausblick 18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstranges

Dr. Günter Fraidl Dr. Paul Kapus Dr. Reinhard Tatschl Dr. Johann C. Wurzenberger

19 Die Zukunft des Verbrennungsmotors

Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ulrich Spicher

XV

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 6. Auflage ............................................................................................... V Geleitwort .................................................................................................................... VI Die Herausgeber .......................................................................................................... VII Autorenverzeichnis ..................................................................................................... IX Firmen- und Hochschulverzeichnis ............................................................................ XI Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter ............................................................................... XIII Abkürzungs- und Formelverzeichnis .......................................................................... XXIII Einleitung ............................................................................................................. 1.1 Vorbemerkungen ........................................................................................ 1.2 Modellbildung und Simulation ................................................................... 1.3 Verbrennungsdiagnostik ............................................................................. 1.4 Möglichkeiten und Grenzen ........................................................................ Literatur .................................................................................................................

1 1 2 5 5 7

Teil A: Hubkolbenmotor .......................................................................................

9

Motorische Verbrennung ................................................................................... 2.1 Brennstoffe .................................................................................................. 2.1.1 Kohlenwasserstoffe ........................................................................ 2.1.2 Benzin und Ottobrennstoffe ........................................................... 2.1.3 Dieselbrennstoffe ........................................................................... 2.1.4 Brennstoffe für Marineanwendungen ............................................ 2.1.5 Alternative Brennstoffe .................................................................. 2.1.6 Klassifikation von Verbrennungsmotoren ..................................... 2.2 Dieselmotoren ............................................................................................. 2.2.1 Einspritzverfahren und -systeme .................................................... 2.2.2 Gemischbildung ............................................................................. 2.2.3 Selbstzündung und Verbrennungsablauf ........................................ 2.2.4 Rohemissionen des Dieselmotors .................................................. 2.2.5 Potenzial des Dieselmotors ............................................................ 2.3 Ottomotoren ................................................................................................ 2.3.1 Vorgemischte Flammen und Diffusionsverbrennung .................... 2.3.2 Zündung .......................................................................................... 2.3.3 Flammenfrontentwicklung, Einfluss der Turbulenz ...................... 2.3.4 Verbrennungsgeschwindigkeit und Brennverlauf .......................... 2.3.5 Irreguläre Verbrennung .................................................................. 2.3.6 Brennverfahren, Gemischbildung, Betriebsarten ........................... 2.3.7 Rohemissionen und innermotorische Schadstoffreduktion ........... 2.3.8 Potenziale des Ottomotors ..............................................................

11 11 11 16 17 18 19 21 22 22 29 31 36 47 48 48 49 52 55 55 60 72 98

1

2

XVI

Inhaltsverzeichnis

2.4

Groß-Gasmotoren ....................................................................................... 2.4.1 Allgemeine Grundlagen ................................................................. 2.4.2 Großgas-Ottomotoren ..................................................................... 2.5 Groß-Dieselmotoren ................................................................................... 2.5.1 Allgemeine Grundlagen ................................................................. 2.5.2 Zwei-Takt Langsamläufer .............................................................. 2.5.3 Vier-Takt Mittelschnellläufer ......................................................... 2.5.4 Vier-Takt Schnellläufer .................................................................. Literatur .................................................................................................................

100 102 108 131 131 135 140 144 147

3

Thermodynamik des Verbrennungsmotors ..................................................... 3.1 Energiewandlung ........................................................................................ 3.2 Kinematik des Kurbeltriebs ........................................................................ 3.3 Kreisprozesse .............................................................................................. 3.3.1 Grundlagen ..................................................................................... 3.3.2 Geschlossene Kreisprozesse ........................................................... 3.3.3 Offene Vergleichsprozesse ............................................................. 3.4 Realer Motorprozess ................................................................................... 3.4.1 Kenngrößen und Kennwerte ........................................................... 3.4.2 Ottomotoren .................................................................................... 3.4.3 Dieselmotoren ................................................................................ 3.4.4 Hybridmotoren ............................................................................... Literatur .................................................................................................................

153 153 154 158 158 163 169 171 172 175 176 177 178

4

Aufladung von Verbrennungsmotoren ............................................................. 4.1 Aufladeverfahren ........................................................................................ 4.1.1 Druckwellenaufladung ................................................................... 4.1.2 Mechanische Aufladung ................................................................. 4.1.3 Einstufige Abgasturboaufladung .................................................... 4.1.4 Ladedruckregelung ......................................................................... 4.1.5 Zweistufige Abgasturboaufladung ................................................. 4.1.6 Verbundaufladung (Turbocompound) ........................................... 4.2 Simulation von Komponenten der Aufladung ............................................ 4.2.1 Strömungsverdichter ...................................................................... 4.2.2 Verdrängerlader .............................................................................. 4.2.3 Strömungsturbine ........................................................................... 4.2.4 Abgasturbolader ............................................................................. 4.2.5 Ladeluftkühlung ............................................................................. Literatur .................................................................................................................

179 179 179 183 188 193 197 202 203 204 213 214 228 231 236

Teil B: Verbrennung, Schadstoffbildung, Emissionsmesstechnik ............. 237 5

Reaktionskinetik .................................................................................................. 5.1 Grundlagen .................................................................................................. 5.1.1 Chemisches Gleichgewicht ............................................................ 5.1.2 Reaktionsgeschwindigkeit .............................................................. 5.1.3 Partielles Gleichgewicht und Quasi-Stationarität ..........................

239 239 239 242 243

Inhaltsverzeichnis

XVII

5.2

Reaktionskinetik von Kohlenwasserstoffen ............................................... 5.2.1 Oxidation von Kohlenwasserstoffen .............................................. 5.2.2 Zündvorgänge ................................................................................. 5.2.3 Reaktionskinetik in der motorischen Simulation ........................... Literatur .................................................................................................................

245 245 248 252 258

6

Schadstoffbildung ................................................................................................ 6.1 Abgaszusammensetzung ............................................................................. 6.2 Kohlenmonoxid (CO) ................................................................................. 6.3 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) .................................................... 6.3.1 Quellen von HC-Emissionen .......................................................... 6.3.2 Nicht limitierte Schadstoffkomponenten ....................................... 6.4 Partikelemission beim Dieselmotor ............................................................ 6.4.1 Einführung ...................................................................................... 6.4.2 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) ................ 6.4.3 Entstehung von Ruß ....................................................................... 6.4.4 Modellierung der Partikelemission ................................................ 6.5 Stickoxide ................................................................................................... 6.5.1 Thermisches NO ............................................................................. 6.5.2 Prompt-NO ..................................................................................... 6.5.3 Über N2O-Mechanismus erzeugtes NO ......................................... 6.5.4 Brennstoff-Stickstoff ...................................................................... 6.5.5 Reaktionen zu NO2 ........................................................................ Literatur .................................................................................................................

259 259 260 261 262 265 269 269 272 273 275 278 278 282 283 284 284 284

7

Emissionsmesstechnik ......................................................................................... 7.1 Einführung .................................................................................................. 7.2 Messgasaufbereitung .................................................................................. 7.2.1 Messgasaufbereitung für Abgas-Messanlagen (AMA) .................. 7.2.2 Messgasaufbereitung durch Verdünnung ....................................... 7.3 Messung gasförmiger Bestandteile ............................................................. 7.3.1 NDIR – Nichtdispersiver Infrarot Detektor ................................... 7.3.2 FID – Flame Ionisation Detektor ................................................... 7.3.3 CLD – Chemolumineszenz Detektor ............................................. 7.3.4 PMD – Paramagnetischer Detektor ................................................ 7.3.5 FTIR – Fourier Transform Infrarot Spektroskopie ........................ 7.3.6 LDS – Laser Dioden Spektroskopie ............................................... 7.4 Messung fester Bestandteile ....................................................................... 7.4.1 Messung der Partikel entsprechend gesetzlicher Vorgaben ........... 7.4.2 Bestimmung von Partikeleigenschaften im Abgas mit alternativen Verfahren ............................................................. Literatur .................................................................................................................

287 287 287 288 291 293 293 295 295 296 297 298 299 299

Verbrennungsdiagnostik .................................................................................... 8.1 Druckindizierung ........................................................................................ 8.1.1 Allgemeines .................................................................................... 8.1.2 Die Indiziermesskette .....................................................................

309 309 309 312

8

302 307

XVIII

Inhaltsverzeichnis

8.1.3 Einflüsse auf die Messgenauigkeit ................................................. 8.1.4 Kennwerte infolge von äußeren Einflüssen auf den Sensor .......... 8.1.5 Varianten für die Sensoradaptierung .............................................. 8.1.6 Elektrische Drift am Ladungsverstärker ........................................ 8.1.7 Druckindizierung im Ein- und Auslasssystem ............................... 8.2 Druckverlaufsanalyse .................................................................................. 8.2.1 Bestimmung des Brennverlaufes .................................................... 8.2.2 Verlustteilung ................................................................................. 8.2.3 Vergleich unterschiedlicher Brennverfahren ................................. 8.3 Optische Messverfahren ............................................................................. 8.3.1 Einleitung ....................................................................................... 8.3.2 Anwendungsgebiete optischer Methoden im tabellarischen Überblick ........................................................... 8.3.3 Anwendungsbeispiele optischer Methoden .................................... 8.3.4 Dieselmotoren ................................................................................ 8.3.5 Ottomotoren .................................................................................... 8.3.6 Lasermesstechniken ....................................................................... 8.4 Ausblick Verbrennungsdiagnostik .............................................................. Literatur .................................................................................................................

328 335 340 345 346 348 348 351 354 356 356 356 358 358 363 375 376 377

Teil C: 0D- und 1D-Simulation des Gesamtprozesses ................................... 379 9

Reale Arbeitsprozessrechnung ........................................................................... 9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell ....................................................................... 9.1.1 Grundlagen ..................................................................................... 9.1.2 Ermittlung des Massenstroms durch die Ventile/Ventilhubkurven .......................................................... 9.1.3 Wärmeübergang ............................................................................. 9.1.4 Brennverlauf ................................................................................... 9.1.5 Klopfende Verbrennung ................................................................. 9.1.6 Innere Energie ................................................................................ 9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell ..................................................................... 9.2.1 Modellierung des Hochdruckteiles nach Hohlbaum ...................... 9.2.2 Modellierung des Hochdruckteiles nach Heider ............................ 9.2.3 Modellierung des Ladungswechsels beim 2-Takt-Motor .............. 9.3 Modellierung des Gaspfades ....................................................................... 9.3.1 Modellierung peripherer Komponenten ......................................... 9.3.2 Modellbildung ................................................................................ 9.3.3 Integrationsverfahren ..................................................................... 9.4 Gasdynamik ................................................................................................ 9.4.1 Grundgleichungen der eindimensionalen Gasdynamik ................. 9.4.2 Numerische Lösungsverfahren ....................................................... 9.4.3 Randbedingungen ........................................................................... 9.5 Hydraulische Simulation ............................................................................. 9.5.1 Modellierung der Grundkomponenten ........................................... 9.5.2 Anwendungsbeispiel ...................................................................... Literatur .................................................................................................................

381 382 382 384 386 398 410 413 421 421 424 428 430 430 432 433 434 434 438 440 445 446 449 450

Inhaltsverzeichnis

XIX

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle ...................................................... 10.1 Dieselmotorische Verbrennung .................................................................. 10.1.1 Nulldimensionale Brennverlaufsfunktion ...................................... 10.1.2 Stationärer Gasstrahl ...................................................................... 10.1.3 Paket-Modelle ................................................................................ 10.1.4 Zeitskalen Modelle ......................................................................... 10.2 Ottomotorische Verbrennung ..................................................................... 10.2.1 Laminare und turbulente Flammengeschwindigkeit ...................... 10.2.2 Wärmefreisetzung .......................................................................... 10.2.3 Zündung .......................................................................................... 10.2.4 Klopfen ........................................................................................... Literatur .................................................................................................................

453 454 454 456 460 467 471 471 473 475 476 477

11 Abgasnachbehandlungssysteme ......................................................................... 11.1 Methoden der Abgasnachbehandlung ......................................................... 11.2 Modellbildung und Simulation ................................................................... 11.3 Abgaskatalysatoren ..................................................................................... 11.3.1 Grundgleichungen .......................................................................... 11.3.2 Katalysator-Typen .......................................................................... 11.4 Dieselpartikelfilter ...................................................................................... 11.4.1 Grundgleichungen .......................................................................... 11.4.2 Beladung und Druckverlust ............................................................ 11.4.3 Regeneration und Temperaturverteilung ........................................ 11.5 Dosiereinheiten ........................................................................................... 11.6 Gesamtsystem ............................................................................................. Literatur .......................................................................................................

479 479 481 481 482 485 490 490 494 495 496 497 498

12 Gesamtprozessanalyse ........................................................................................ 12.1 Allgemeines ................................................................................................ 12.2 Thermisches Motorverhalten ...................................................................... 12.2.1 Grundlagen ..................................................................................... 12.2.2 Kühlkreislauf .................................................................................. 12.2.3 Ölkreislauf ...................................................................................... 12.3 Motorreibung .............................................................................................. 12.3.1 Reibungsansatz für den betriebswarmen Motor ............................. 12.3.2 Reibungsansatz für den Warmlauf ................................................. 12.4 Stationäre Simulationsergebnisse ............................................................... 12.5 Transiente Simulationsergebnisse .............................................................. Literatur .................................................................................................................

499 499 499 499 500 501 502 502 503 505 511 515

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse ............................................. 13.1 Notwendigkeit von Optimierungsstrategien ............................................... 13.2 Modellstrukturierung .................................................................................. 13.3 Modellansätze für die Optimierung ............................................................ 13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben ...................................... 13.4.1 Emissionsoptimierung Diesel PKW ............................................... 13.4.2 Volllastoptimierung Ottomotor ......................................................

517 518 519 525 527 527 533

XX

Inhaltsverzeichnis

13.4.3 Variantenauslegung von Arbeitsmaschinen ................................... 13.4.4 Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeugen in kritischen Zyklusabschnitten ...................................................... 13.5 Funktionsbedatung ...................................................................................... 13.6 Zusammenfassung ...................................................................................... Literatur .................................................................................................................

536 541 544 548 549

Teil D: 3D-Simulation des Arbeitsprozesses .................................................... 551 14 Dreidimensionale Strömungsfelder ................................................................... 14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen ............................................... 14.1.1 Massen- und Impulstransport ......................................................... 14.1.2 Transport von innerer Energie und Spezies ................................... 14.1.3 Passive Skalare und Mischungsbruch ............................................ 14.1.4 Konservative Formulierung der Transportgleichungen ................. 14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle ............................................................... 14.2.1 Phänomenologie der Turbulenz ..................................................... 14.2.2 Modellierung der Turbulenz ........................................................... 14.2.3 Turbulentes Wandgesetz ................................................................ 14.2.4 Modellierung des turbulenten Mischungszustandes ...................... 14.2.5 Die Gültigkeit von Turbulenzmodellen; Alternativansätze ........... 14.3 Numerik ...................................................................................................... 14.3.1 Finites-Volumen-Verfahren ........................................................... 14.3.2 Diskretisierung des Diffusionsterms – Zentrale Differenzen ........ 14.3.3 Diskretisierung des Konvektionsterms – Aufwindschema ............ 14.3.4 Diskretisierung der Zeitableitung – Implizites Schema ................. 14.3.5 Diskretisierung des Quellterms ...................................................... 14.3.6 Operator-Split-Verfahren ............................................................... 14.3.7 Diskretisierung und numerische Lösung der Impuls-Gleichung ... 14.4 Rechennetze ................................................................................................ 14.5 Beispiele ...................................................................................................... 14.5.1 Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Ottomotor ...... 14.5.2 Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Dieselmotor ... 14.5.3 Düseninnenströmung ...................................................................... Literatur .................................................................................................................

553 555 555 558 559 560 560 560 562 565 567 570 574 574 575 576 578 579 580 580 581 583 583 584 586 590

15 3D-Simulation der Aufladung ............................................................................ 15.1 Allgemeines ................................................................................................ 15.2 Grundlagen der 3D-CFD-Simulation von Turbomaschinen ...................... 15.2.1 Behandlung unterschiedlicher und bewegter Koordinatensysteme ....................................................................... 15.2.2 Gittergenerierung für Turbomaschinen .......................................... 15.2.3 Aufbau von Berechnungsmodellen und Randbedingungen ........... 15.3 Postprocessing: Ergebnisanalyse und -darstellung ..................................... 15.4 Anwendungsbeispiele ................................................................................. 15.4.1 Analyse des Verdichterverhaltens .................................................. 15.4.2 Untersuchung von Turbinenvarianten ............................................

591 591 592 592 594 596 598 600 600 602

Inhaltsverzeichnis

XXI

16 Simulation von Einspritzprozessen ................................................................... 16.1 Einzeltropfenprozesse ................................................................................. 16.1.1 Impulsaustausch ........................................................................... 16.1.2 Massen- und Wärmeaustausch (Einkomponentenmodell) .......... 16.1.3 Massen- und Wärmeaustausch (Mehrkomponentenmodellierung) ............................................................................... 16.1.4 Flashboiling .................................................................................. 16.2 Strahlstatistik .............................................................................................. 16.2.1 Boltzmann-Williams-Gleichung .................................................. 16.2.2 Numerische Lösung der Boltzmann-Williams-Gleichung: Das Standardmodell (Lagrange-Formulierung) ........................... 16.2.3 Exkurs: Numerische Bestimmung von Zufallszahlen ................. 16.2.4 Partikel-Startbedingungen am Düsenaustritt ............................... 16.2.5 Modellierung von Zerfallsprozessen ............................................ 16.2.6 Modellierung von Stoßprozessen ................................................. 16.2.7 Modellierung der turbulenten Dispersion im Standard-Modell ... 16.2.8 Beschreibung der turbulenten Dispersion mittels Fokker-Planck-Gleichung ................................................ 16.2.9 Die Diffusionsdarstellung der Fokker-Planck-Gleichung ........... 16.2.10 Probleme des Standard-Strahlmodells ......................................... 16.2.11 Benzindirekteinspritzung für Schichtladung mit nach außen öffnendem Piezo-Injektor ......................................... 16.3 Euler-Strahlmodelle .................................................................................... 16.3.1 Lokal homogene Strömung .......................................................... 16.3.2 Einbettungen von 1-D-Euler-Verfahren und anderen Ansätzen .. 16.3.3 3D-Euler-Verfahren ..................................................................... Literatur .................................................................................................................

603 603 603 604

17 Simulation der Verbrennung ............................................................................. 17.1 Verbrennungsregimes ................................................................................. 17.2 Allgemeines Vorgehen ............................................................................... 17.3 Diesel-Verbrennung .................................................................................... 17.3.1 Simulation der Wärmefreisetzung .................................................. 17.3.2 Zündung .......................................................................................... 17.3.3 NOx-Bildung .................................................................................. 17.3.4 Rußbildung ..................................................................................... 17.3.5 HC- und CO-Emissionen ............................................................... 17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung) .................................... 17.4.1 Zweiphasenproblematik ................................................................. 17.4.2 Magnussen-Modell ......................................................................... 17.4.3 Flammenflächenmodelle (auch Coherent Flame Models) ............. 17.4.4 G-Gleichung ................................................................................... 17.4.5 Diffusive G-Gleichung ................................................................... 17.4.6 Zündung .......................................................................................... 17.4.7 Klopfen ........................................................................................... 17.4.8 Schadstoffbildung ...........................................................................

607 611 612 613 614 616 618 619 623 624 625 630 633 636 639 641 643 646 649 651 651 653 655 655 662 662 664 665 665 666 669 673 676 679 680 681 681

XXII

Inhaltsverzeichnis

17.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen) .. 17.6 Strömungsmechanische Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung: Ausblick ............................................ 17.6.1 Netzbewegung ................................................................................ 17.6.2 Numerik .......................................................................................... 17.6.3 Turbulenz ........................................................................................ 17.6.4 Modellierung der Einspritzprozesse ............................................... 17.6.5 Modellierung der Verbrennung ...................................................... Literatur .................................................................................................................

681 686 687 687 688 688 691 692

Teil E: Systembetrachtungen und Ausblick .................................................... 695 18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs ................... 18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren ......................... 18.1.1 Einführung ...................................................................................... 18.1.2 Konfiguration des optimalen Antriebssystems .............................. 18.1.3 Technologieelemente künftiger Antriebsstrang-Konfigurationen . 18.1.4 Vorauslegung .................................................................................. 18.1.5 Entwicklungsphase ......................................................................... 18.1.6 Antriebsstrangkonfigurationen – Beispiele .................................... 18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung .................................. 18.2.1 Simulation im Motorentwicklungsprozess ..................................... 18.2.2 Skalierbare Motor- und Gesamtsystemmodellierung .................... 18.2.3 Ausgewählte Anwendungen ........................................................... 18.2.4 Ausblick .......................................................................................... Literatur .......................................................................................................

697 697 697 699 700 702 708 710 715 716 719 725 731 732

19 Zukunft des Verbrennungsmotors .................................................................... 19.1 Einleitung..................................................................................................... 19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft .......... 19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen ...................................... 19.3.1 Alternative Konzepte ...................................................................... 19.3.2 Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors .......................... 19.4 Zukünftige Kraftstoffe ................................................................................ 19.4.1 Anforderungen ................................................................................ 19.4.2 Bio-Kraftstoffe ............................................................................... 19.4.3 Synthetische Kraftstoffe (SynFuel) ................................................ 19.4.4 Wasserstoff ..................................................................................... 19.5 Zusammenfassung/Ausblick ....................................................................... Literatur .......................................................................................................

735 735 736 743 743 751 766 766 770 772 772 774 776

Sachwortverzeichnis ................................................................................................... 779

XXIII

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Abkürzungen AG AGR AMA ATL AV BMEP BV CAI CCR CFD CI CLD CNG CPC CR CVS DI DME DRV DZ EGR EPR EV EWA FAME FID FTIR GDI Gz HCCI HD HE HFO IMEP IR LDA LDS LET LIF LLK LNG

Arbeitsgas Abgasrückführung Abgasmessanlage Abgasturbolader Auslassventil break mean effective pressure (effektiver Mitteldruck) Brennverlauf Controlled Auto Ignition Combustion Chamber Recirculation Computational Fluid Dynamics Compression Ignition Chemolumineszenz Detektor Compressed Natural Gas Condensation Particle Counting Common Rail Constant Volume Sampler Direct Injection Dimethylether Druckregelventil Dammköhler-Zahl Exhaust Gas Recirculation Exaust Port Recirculation Einspritzverlauf/Einlassventil Energiewandlungsanlage Fetty Acid Methyl Ester (Fettsäuremethylesther) Flame Ionisation Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Gasoline Direct Injection Graetz-Zahl Homogeneous Charge Compression Ignition Hochdruck Hydro-Erosiv Heavy Fuel Oil indizierter Mitteldruck Infrarot Laser Doppler Anemometrie Laser Dioden Spektroskopie Low End Torque Laser Induced Fluorescence Ladeluftkühler Liquified Natural Gas

XXIV

LPG LWOT MDO MOZ MTU ND NDIR NT Nu OT PAK PCB PCT PCV PD PDA PIV PLD PMD Pr Re RG RHR RME ROZ Sc SCR SI TC UT UV VTG V-Soot ZOT ZV ZZP

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Liquified Petroleum Gas Ladungswechsel-OT Marine Diesel Oil Motor-Oktanzahl Motoren- und Turbinen-Union Niederdruck Nichtdispersiver Infrarot Detektor Nutzturbine Nußelt-Zahl oberer Totpunkt polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe polyzyklische Biphenyle polyzyklische Terphenyle Pressure Control Valve (Druckregelventil) Pumpe-Düse Phase Doppler Anemometrie Particle Image Velocimetry Pumpe-Leitung-Düse Paramagnetischer Detektor Prandtl-Zahl Reynolds-Zahl Restgas Rate of Heat Release Rapsmethylester Research-Oktan-Zahl Schmidt-Zahl Selective Catalytic Reduction Sparc Ignition turbocharged unterer Totpunkt Ultraviolett verstellbare Turbinengeometrie Rußkennzahl Zünd-OT Zündverzug Zündzeitpunkt

Formelzeichen a A [A] be Bm c Cd cm

Schallgeschwindigkeit [m/ s] Flammenfrontfläche [m2] Spezienkonzentration [mol/ mol] spezifischer Brennstoffverbrauch [g/ kWh] Modellkonstante Geschwindigkeit [m/s] Durchflussbeiwert mittlere Kolbengeschwindigkeit [m/ s]

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

C, c c c dhyd D D E E EA e e f G g g H Hu h h  h° h I J K K k k lL lT lK l M m m N ni p pm P Q Q q q q*

Konstanten spezifische Wärme bei konstantem Volumen [J/ kg] spezifische Wärme bei konstantem Druck [J/ kg] hydraulischer Durchmesser [m] Kolbendurchmesser [m] Diffusionskoeffizient Energie [J] Elastizitätsmodul [N/ m2] Aktivierungsenergie [J] spezifische Energie [J/ kg] Exzentrizität [m] Reibbeiwert freie Enthalpie [J] spezifische freie Enthalpie [J/kg] molare freie Enthalpie [J/mol] Enthalpie [J] unterer Heizwert [J/kg] spezifische Enthalpie [J/kg] molare Enthalpie [J/kg] Standard-Bildungsenthalpie [J/mol] Höhe [m] Impuls [kg m/s] Jakobimatrix Gleichgewichtskonstante Kavitationszahl Geschwindigkeitskonstante turbulente kinetische Energie [m2/s2] integrales Längenmaß [m] Taylor-Längenmaß [m] Kolmogorovlänge [m] Pleuellänge [m] Moment [Nm] Masse [kg] Vibe-Parameter Partikelanzahl Stoffmenge [mol] Druck [bar] Mitteldruck [bar] Leistung [W] Wärmemenge [J] Wärmestrom [W] spezifische Wärmemenge [J/kg] Wärmestromdichte [W/m2] Parameter

XXV

XXVI

R r r r s s s s T t U u u, v, w V v W xc x, y, z z

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Gaskonstante Luftgehalt Radius [m] Reaktionsrate spezifische Entropie [J/kg K] Flammengeschwindigkeit [m/s] Kolbenweg [m] Länge [m] Temperatur [K] Zeit [s] innere Energie [J] spezifische innere Energie [J/kg] Geschwindigkeitskomponenten [m/s] Volumen [m3] spezifisches Volumen [m3/kg] Leistung [W] Verhältnis Längenkoordination [m] Zylinderzahl

Indizes 0 1 1 2 a ab ad AG Arr B b BB Beh bez c c ch D dampf diff e e g geo

Ruhe- oder Referenzzustand Austritt ein aus Austritt abgeführt adiabat Arbeitsgas Arrhenius Brennstoff Brennstoff Blow By Behälter bezogene Größe Carnotprozess Compression chemisch Drossel Dampfdruck diffusiv effektiv Eintritt Gasphase geometrisch

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

ges i i irr is j K k, l, m, n komp krit l l LL max min n. V. n. T. p R r r s Sys t t t tats th theo T TL uv v V Verbr vp v. T. v. V. w wl  w w zu Zyl

gesamt Spezies i innere irreversible isentrop Spezies j Kraftstoff Summationsindex Kompression kritisch laminar rückwärts (links) Ladeluft maximal minimal nach Verdichter nach Turbine isobar Reaktion Reibung vorwärts (rechts) isentrop System technisch total turbulent tatsächlich thermisch theoretisch Turbine Turbolader unverbrannt verbrannt Verdichter Verbrennung, verbrannt Seiligerprozess vor Turbine vor Verdichter Wand turbulente Schwankungsgröße molare Größe Mittelwert zugeführt Zylinder

XXVII

XXVIII

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Griechische Symbole * ' G 'h 'p 4 ] ]

N

O O O Os P

i

U

W

Wärmeübergangskoeffizient [W/m2 K] Stoffübergangskoeffizient [m3/s] freie Oberfläche [m2] Differenz Differenz Reaktionsenthalpie [J/kg] Druckverlust [bar] Verdichtungsverhältnis Kühlziffer Fehler Trägheitsmoment [Nm] Reibbeiwert Kontraktionszahl dynamische Viskosität [Pa · s] Umsetzungsgrad Isentropenkoeffizient Luftverhältnis Reibungszahl Wärmeleitfähigkeit [W/mk] Schubstangenverhältnis chemisches Potenzial [J/mol] kinematische Viskosität [m2/s] stöchiometrischer Koeffizient Atomzahlverhältnis Verhältnis chemisches Potenzial [J/kg] Druckverhältnis Dichte [kg/m3] charakteristische Zeit [s] Kurbelwinkel [ KW] Ausflussfunktion Winkelgeschwindigkeit [rad/s]

1

1

Einleitung

1.1 Vorbemerkungen Der Verbrennungsmotor hat in den letzten hundert Jahren als Antriebsaggregat für Landund Wasserfahrzeuge aber auch als Stationärmotor zum Antrieb von Arbeitsmaschinen und Generatoren eine weltweite Verbreitung gefunden und damit letztendlich die heutige Mobilität erst ermöglicht. Personen- und Nutzfahrzeuge werden überwiegend durch Ottobzw. Dieselmotoren angetrieben. Der Otto- bzw. Benzinmotor geht auf Nikolaus August Otto und auf Gottlieb Daimler mit Wilhelm Maybach und damit auf die Jahre 1876 und 1886 zurück. Rudolf Diesel hat die Thermodynamik und die Konstruktion seines Dieselmotors in seinem Buch im Detail beschrieben (Diesel 1893). Im gleichen Jahr lief auch sein erster Versuchsmotor. Otto- und Dieselmotoren haben in den folgenden Jahren vielfältige Entwicklungsschritte erfahren, der Grundaufbau des Triebwerks und das Arbeitsprinzip sind jedoch gleich geblieben. Die Motoren sind mit der Zeit insbesondere leichter, kleiner oder größer, leistungsstärker, betriebssicherer aber technisch wesentlich aufwändiger und trotzdem kostengünstiger geworden. Wesentliche Fortschritte erfolgten in den letzen 30 Jahren durch die Erfüllung der vom Gesetzgeber schrittweise eingeführten Absenkung der Grenzwerte für die Schadstoffemissionen. Durch die Einführung von Hochdruck- und Common-Rail Einspritzsystemen, ein- und zweistufiger Abgasturboaufladung sowie Downsizing und -speeding, um nur einige Schlagworte zu nennen, konnten der Brennstoffverbrauch, die Schadstoffemissionen und das Gewicht deutlich gesenkt und die Leistung wesentlich gesteigert werden. Eine detaillierte Darlegung der historischen Entwicklung des Verbrennungsmotors würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Der interessierte Leser sei auf van Basshuysen und Schäfer (2010), Heywood (1989), Cummins (1993) und Diesel (1893) und die dort zitierte Literatur verwiesen. Das Buch behandelt schwerpunktmäßig thermodynamische, strömungsmechanische und reaktionskinetische Prozessabläufe in Verbrennungsmotoren und alle diesbezüglichen Vorgänge im Luft- und Abgassystem einschließlich der Aufladung, der Brennstoffeinspritzung, der Verbrennung und Schadstoffbildung im Brennraum sowie der Abgasnachbehandlung. Darüber hinaus wird die erforderliche Abgasmesstechnik zur qualitativen und quantitativen Erfassung der Prozessdaten beschrieben. Des Weiteren werden mathematische Verfahren zu Prozessoptimierung erläutert sowie ein Ausblick auf die Zukunft des Verbrennungsmotors gegeben. Nichtbetrachtet werden die Motorkonstruktion, die Motormechanik, Festigkeits- und dynamische Probleme sowie tribologische Fragestellungen. Diese Themen werden ausführlich von Köhler und Flierl (2009) und Eifler et al. (2009) behandelt. Der Inhalt des Buches ist in fünf Teile gegliedert. Teil A umfasst die Kapitel 2 bis 4 und erläutert die Funktionsweise des Verbrennungsmotors und seiner wesentlichen Komponenten entsprechend der Frage: „Wie funktioniert was?“ Dann folgen die thermodynamischen Grundlagen des Verbrennungsmotors und schließlich Aufladeverfahren und ihre wesentlichen Bauteile. Dieser Teil entspricht etwa dem Inhalt einer Vorlesung über Verbrennungsmotoren.

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

2

1 Einleitung

Teil B ist der Beschreibung der Verbrennung, Schadstoffbildung und der erforderlichen Messtechnik gewidmet und umfasst die Kapitel 5 bis 8. Nach den Grundlagen der Reaktionskinetik, der Schadstoffbildung, der Druckindizierung und der Druckverlaufsanalyse wird die Messtechnik zur Erfassung gasförmiger und fester Bestandteile im Abgas erläutert. Im Rahmen der Verbrennungsdiagnostik werden optischen Messverfahren ausführlich beschrieben. Dieser Teil beinhaltet den Stoff einer Vorlesung über motorische Verbrennung. Im Teil C mit den Kapiteln 9 bis 11 werden sowohl 0D- und 1D- Modelle zur Simulation des Gesamtprozesses als auch des gesamten Antriebstrangs bzw. Fahrzeugs ausführlich beschrieben. Die folgenden phänomenologischen Multizonenmodelle, häufig auch als quasidimensionale Modelle bezeichnet, sind im Grunde eine Weiterentwicklung des einfachen Zweizonenmodells. Dabei wird jedoch der Brennraum statt in zwei in beliebig viele Zonen unterteilt, aber jede Zone immer noch als thermodynamisch ideal gerührt betrachtet wird. Im Weiteren werden Vorgänge in Abgasnachbehandlungssystemen behandelt und anschließend Simulationsergebnisse für das Gesamtsystem Motor bzw. Antriebstrang dargelegt sowie Strategien zur Optimierung von Entwicklungsprozessen vorgestellt. Dieser Teil könnte der Inhalt einer Vorlesung über Motorsimulation sein. Teil D mit den Kapiteln 14 bis 17 ist der 3D-Simulation des Arbeitsprozesses gewidmet und beschreibt die Grundlagen der 3D-CFD-Strömungsmechanik, Strömungsvorgänge in Aufladeaggregaten, die Simulation von Einspritzvorgängen und schließlich die 3D-Simulation des Verbrennungsablaufs. Wegen des nicht unerheblichen numerischen Aufwands werden mit diesen 3D-Modellen bzw. mit den kommerziell verfügbaren Simulationsprogrammen in der Regel nur sehr spezielle Fragestellungen bearbeitet. Die verwendeten Modelle selbst sind darüber hinaus Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben. Aber unabhängig von diesen Einschränkungen wird die 3D-CFD Simulation in der Zukunft einen noch wesentlich breiteren Eingang in die Motorenentwicklung finden. In Teil E mit den Kapiteln 18 und 19 werden abschließend der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs betrachtet, Möglichkeiten zur Systemoptimierung aufgezeigt und ein Ausblick auf die Zukunft des Verbrennungsmotors gegeben. Hierbei werden aktuelle Fragestellungen wie dieselelektrische Antriebe, Hybrid- und Wasserstoffmotoren aufgegriffen und kritisch diskutiert. Insgesamt spannt das Buch damit einen Bogen von der Beschreibung grundlegender Zusammenhänge über einfache Simulationsverfahren bis hin zu komplexen 3D-Modellen. Die einzelnen Kapitel können weitgehend unabhängig voneinander gelesen werden.

1.2

Modellbildung und Simulation

Eine wesentliche Aufgabe der Ingenieurwissenschaften ist die möglichst exakte Beschreibung technischer Prozesse mit dem Ziel, das dynamische Verhalten komplexer Systeme zu verstehen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und damit zuverlässige Aussagen über das künftige Verhalten dieser Systeme zu ermöglichen. Als System kann je nach Fragestellung nur der Brennraum allein, der vollständige Verbrennungsmotor oder das gesamte Fahrzeug betrachtet werden. Im Hinblick auf Umweltgesichtspunkte beim Einsatz von Verbrennungsmotoren als Antriebssysteme für Land-, Wasser- und Luftfahrzeuge, für Dauer- und Notstromaggregate, sowie für Klima- und Kälteanlagen, kommt dabei der Gesamtprozessanalyse zunehmend eine besondere Bedeutung zu.

1.2 Modellbildung und Simulation

3

Auch was heute fast alltägliches Werkzeug in der Entwicklung von Motoren oder gesamter Systeme ist, hat eine geschichtliche Entwicklung, die in den 60er Jahren mit einem Modell für die Kreisprozess-Simulation von Großdieselmotoren, der Füll- und Entleermethode, beginnt. Die damals zur Verfügung stehenden Rechenanlagen waren aber im Vergleich zu heutigen extrem langsam und ihre Speicherkapazität sehr begrenzt. Deshalb konnte nur mit einfachen, nulldimensionalen Modellen gerechnet werden, die zudem noch in kleinere Programmabschnitte aufgeteilt werden mussten. Näheres dazu findet sich bei Woschni (1965,1967) und Ramos (1989). Grundsätzlich galt und gilt als Voraussetzung für die numerische Simulation, die Erstellung eines den technischen Prozess beschreibenden Modells. Unter dieser Modellbildung versteht man eine zielorientierte Vereinfachung der Realität durch Abstraktion. Dazu muss der reale Prozess in einzelne Prozessabschnitte zerlegt und damit in Teilprobleme aufgespaltet werden und diese Teilprobleme müssen dann physikalisch beschreibbar und mathematisch formulierbar sein. An das resultierende Modell müssen eine Reihe von Forderungen gestellt werden:

y Das Modell muss formal richtig, d. h. widerspruchsfrei sein. Zur Frage „richtig oder

falsch“ wäre anzumerken, dass Modelle zwar formal richtig sein können, aber nicht den zu untersuchenden Prozess beschreiben, bzw. auf diesen nicht anwendbar sind. Es gibt auch Fälle, in denen das Modell physikalisch zwar nicht korrekt ist, aber trotzdem den Prozess hinreichend genau beschreibt; dies trifft z. B. auf stark vereinfachte nulldimensionale Modelle zu. y Das Modell muss die Realität möglichst genau beschreiben und auch mathematisch lösbar sein. Man sollte sich immer bewusst sein, dass jedes Modell nur eine Annäherung an die Realität ist und deshalb niemals mit der Realität vollkommen übereinstimmen kann. y Der für die Lösung des Modells erforderliche numerische Aufwand muss im Rahmen der Aufgabenstellung vertretbar sein. y Im Hinblick auf die Modelltiefe gilt die Forderung: So einfach wie möglich und so komplex wie nötig. So genannte Universal-Modelle sind mit Vorsicht zu betrachten. Im Folgenden werden nur parametrische, mathematische Modelle betrachtet. Parametrische Modelle sind mathematische Formalismen zur Beschreibung des Systemverhaltens, welche auf physikalischen und chemischen Grundgesetzen beruhen und nur relativ wenige experimentell zu bestimmende Parameter aufweisen. Diese Modelle werden typischerweise durch einen Satz von partiellen oder gewöhnlichen Differentialgleichungen beschrieben. Die Vorteile dieses Vorgehens sind eine drastische Reduzierung des Versuchsaufwands und damit eine deutliche Zeiteinsparung bei Entwicklungsaufgaben, vgl. Kuder und Kruse (2000). Für die Erstellung von mathematischen Modellen zur Simulation der zeitlich- und räumlich veränderlichen Strömungs-, Temperatur- und Konzentrationsfelder mit chemischen Reaktionen, ist die Kenntnis der Grundlagen der Thermodynamik, der Strömungsmechanik, der Wärme- und Stoffübertragung und der chemischen Reaktionskinetik eine wesentliche Voraussetzung. Bei der Simulation von Strömungsfeldern mit chemischen Reaktionen ist zu beachten, dass physikalische und chemische Prozesse auf sehr unterschiedlichen Zeit- und Längenskalen ablaufen können. Chemische Reaktionen laufen in der Regel sehr schnell ab, physikalische Mischungsprozesse dagegen meist relativ langsam. Die Modellierung dieser Prozessabläufe ist meist einfacher, wenn die Zeitskalen sehr unterschiedlich sind, weil

4

1 Einleitung

dann für den physikalischen oder chemischen Prozess vereinfachende Annahmen getroffen werden können, und sie ist in der Regel sehr komplex, wenn die Zeitskalen von gleicher Größenordnung sind. Dieser Sachverhalt wird im Teil B ausführlich erläutert. Im Folgenden wird etwas näher auf die Arten von Modellen im Hinblick auf den Verbrennungsmotor eingegangen. Zunächst ist festzuhalten, dass sowohl der eigentliche thermodynamische Kreisprozess (insbesondere die Verbrennung) als auch die Laständerung des Motors instationäre Vorgänge sind. Selbst wenn der Motor in einem bestimmten Betriebszustand stationär betrieben wird (d. h. Last und Drehzahl sind konstant) läuft der thermodynamische Kreisprozess instationär ab. Für die Prozesssimulation in der Motoren- und Fahrzeugentwicklung verwendet man je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Modelle, wobei die im Brennraum ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse mehr oder weniger detailliert beschrieben werden. Für die Simulation des Beschleunigungsverhaltens eines kompletten Fahrzeugs werden im Rahmen der Gesamtprozessanalyse nulldimensionale Modelle eingesetzt, wobei die Vorgänge im Brennraum selbst mit Ein- oder Mehrzonenmodellen beschrieben werden. Diese rein thermodynamischen Modelle basieren auf der sogenannten Füll- und Entleermethode, d. h. die einzelnen Zonen werden als ideal durchmischt vorausgesetzt (thermodynamischer Rührkessel) und das Strömungsfeld im Brennraum wird vollständig außer Betracht gelassen. Die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung und der Wärmeübergang an den Oberflächen des Brennraums werden mit einfachen halbempirischen Ansätzen, Teilsysteme wie Regler oder Aufladeaggregate dagegen häufig mittels Kennfeldern beschrieben. Für die Berechnung der Vorgänge in den Luft- oder Abgasleitungen wird meist die eindimensionale Gasdynamik herangezogen. Für die Untersuchung von Detailprozessen im Brennraum, wie die NO- oder Rußbildung, werden dagegen sogenannte Phänomenologische Multizonenmodelle verwendet. Bei diesen Modellen wird der Brennraum in beliebig viele, thermodynamisch ebenfalls als ideal durchmischt gedachte Zellen unterteilt. Die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung in den Zellen sowie die Transportprozesse zwischen diesen werden ebenfalls mit detaillierten physikalischen und chemischen Ansätzen beschrieben. Mit diesen Multizonenmodellen kann die Gemischbildung, die Wärmfreisetzung durch die Verbrennung und die Schadstoffbildung in vielen Fällen hinreichend genau beschrieben werden. Sie lassen zwar das Strömungsfeld im Brennraum vollständig außer Betracht, sind aber bezüglich der Modellierungstiefe wesentlich aufwändiger als die einfachen Mehrzonenmodelle. Sie liegen damit in etwa zwischen den für die Gesamtprozessanalyse verwendeten Mehrzonen- und den nachfolgend beschriebene 3D-CRFD-Modellen. CRFD-Modelle (Computational Reactive Fluid Dynamics) werden für eine detaillierte Untersuchung der Vorgänge bei der Verbrennung eingesetzt, wobei dafür aber das Strömungsfeld im Brennraum mit berechnet werden muss. Dafür stehen eine Reihe kommerziell verfügbarer CFD-Codes zur Verfügung, die in der Regel auf den Favre-gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen beruhen, aber um Modelle zur Beschreibung der Gemischbildung, Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung erweitert werden müssen. Diese Modellansätze sind jedoch wesentlich komplexer als diejenigen für die phänomenologischen Modelle. Die kontinuierliche Gasphase in der Eulerformulierung muss dabei mit der dispersen Phase der flüssigen Brennstofftropfen in der Lagrange-Formulierung gekoppelt werden. Die richtige Wahl dieser Kopplung, des zu verwendeten Gitternetzes und eines geeigneten Turbulenzmodells, sind auch heute noch im Hinblick auf Rechenzeit und Speicherplatzbedarf durchzuführen.

1.3 Möglichkeiten und Grenzen

5

Auf noch wesentlich komplexere Modelle wie die Large-Eddy-Simulation (LES) oder die Direkte-Numerische-Simulation (DNS) wird im Teil D des Buches näher eingegangen. Diese Modelle sind Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben und spielen in der Motorenentwicklung noch eine untergeordnete Rolle.

1.3

Verbrennungsdiagnostik

Mathematische Modelle zur Simulation technischer Prozessabläufe sind immer eine Annäherung an den tatsächlichen Prozess. Die Parameter dieser Modelle müssen an experimentelle Messwerte angepasst werden, weshalb diese Modelle grundsätzlich mit Fehlern behaftet sind. Bei der Analyse von Simulationsergebnissen sind diese Fehler kritisch zu bewerten. Auch damit wird nochmals deutlich, dass jedes Modell nur eine Approximation des betrachteten realen Systems darstellt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Druckverlaufsanalyse, mit dem gemessenen Druckverlauf im Brennraum, der sogenannten Druckinditierung, müssen die Parameter der 0D-Modelle für den Brennverlauf und den Wärmeübergang angepasst werden. Für die Abstimmung und Überprüfung von 3D-Modellen werden aufwändige und sehr komplexe optische und Lasermesstechniken benutzt. Die Verbrennungsdiagnostik hat in den letzten Jahren zunehmend zu einem besseren Verständnis der bei der Verbrennung ablaufenden vielschichtigen Vorgänge geführt. Andererseits können mit Hilfe von Simulationsergebnissen die im Brennraum ablaufenden Prozesse besser veranschaulicht und damit verstanden und interpretiert werden. Im Grunde ist es ein Wechselspiel: Verbrennungsdiagnostik und -simulation sind zwei sich gegenseitig ergänzende Verfahren zum besseren Verstehen und zur zielgerichteten Beeinflussung der Prozessabläufe. Die sukzessiven Reduzierung der gesetzlich festgelegten Grenzwerte für die Schadstoffkomponenten Kohlendoixid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Partikel (Ruß) und Stickstoffoxide erfordert nicht nur innermotorische Maßnahmen sondern auch immer aufwändigere und effektivere Abgasnachbehandlungssysteme. Die Messung der durch diese Maßnahmen geringeren Konzentrationen im Abgas zieht automatisch aufwändigere Messverfahren nach sich. Verbrennungssimulation und Verbrennungsdiagnostik sind Gegenstand aktueller Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Über die neuesten Ergebnisse wird regelmäßig auf nationalen und internationalen Tagungen berichtet. Für den deutschen Sprachraum sei der interessierte Leser auf AVL (2012), Eichlseder (2011) und Leipertz (2011) hingewiesen.

1.4

Möglichkeiten und Grenzen

Abschließend wollen wir der Frage nachgehen: Warum brauchen wir überhaupt die Simulation, welche Vorteile bietet sie denn? Diese Frage mag Insidern müßig erscheinen, ihre Beantwortung ist aber trotzdem wichtig. Zunächst, die Simulation ist in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Standardwerkzeug in der Motoren- und Fahrzeugentwicklung geworden und aus Entwicklungs- und Versuchsabteilungen nicht mehr wegzudenken. Die Simulation hat ganz entscheidend zu einer Verbesserung und Verkürzung von Konstruktions- und Entwicklungsprozessen geführt. Die Simulation spielt ihre Stärke dann aus, wenn sie:

6

y y y y

1 Einleitung

für die Untersuchung alternativer Lösungsvorschläge, für die Betrachtung des Einflusses einzelner Parameter, als „Ersatz“ für aufwändige oder einfach nicht möglicher Experimente oder auch einmal zur Unterstützung von nicht erklärbaren Versuchsergebnissen. eingesetzt wird. Damit wird das Verständnis über komplexe Zusammenhänge verbessert oder überhaupt erst möglich, werden Zeit und Kosten für aufwändige Versuche drastisch reduziert. Richtig eingesetzt, können mit Hilfe der Simulation Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und damit verhindert werden. Es ist klar abzusehen, das die Simulation in der Zukunft noch einen wesentlich größeren Anteil bei der Entwicklung und Optimierung von Motoren und kompletten Aggregaten haben wird, was durch zunehmend schnellere und leistungsstärkere Rechner einerseits und durch zuverlässige und kommerziell zur Verfügung stehende Simulationsprogramme andererseits, begünstigt wird. Zusätzlich ist aber auch zu bedenken, dass jedes Modell, wie bereits gesagt, eine mehr oder weniger gute Abbildung des zu untersuchenden technischen Systems ist und deshalb niemals vollständig mit diesem übereinstimmen kann. Alle Modelle beinhalten zudem Parameter, die in Versuchen bestimmt werden müssen. Dadurch sind die Modelle auch mit allen Fehlern, die im Versuch auftreten, belastet. Durch den Abgleich der berechneten mit den gemessenen Werten können zwar einerseits die Modelle sukzessive verbessert und andererseits auch Versuchsfehler erkannt werden, die grundsätzliche Problematik bleibt aber bestehen. Die Notwendigkeit der Verifikation und die damit einhergehende ständige Verbesserung der Modelle mahnt aber auch zur Vorsicht. Diese nulldimensionalen Modelle können in der Regel nur dann für Parameterstudien von Motorvarianten verwendet werden, wenn z. B. das Brennverfahren selbst nicht verändert wurde. Darüber hinaus sind die Modelle nicht nur deshalb eine Annäherung an das reale System, weil bestimmte Systemeigenschaften wegen der vorhandenen Komplexität nicht hinreichend genau erfasst werden können, sondern insbesondere auch deshalb, weil die verwendeten mathematischen und physikalischen Modelle selbst Näherungen enthalten. So kann z. B. das verwendete Berechnungsgitter mit Blick auf eine realistische Rechenzeit nicht hinreichend fein genug strukturiert werden. Die turbulente Feinstruktur des Strömungsfeldes muss deshalb mit sogenannten Turbulenzmodellen erfasst werden. Der Wärmeübergang durch Konvektion und Strahlung an den Oberflächen des Brennraums muss ebenfalls modelliert werden und schließlich hat die Struktur des verwendeten Gitternetzes selbst einen erheblichen Einfluss auf die Genauigkeit des Ergebnisses. Auf diese Gesichtspunkte wird im Teil D ausführlich eingegangen. Der Einsatz von kommerziell verfügbaren Simulationsprogrammen erfordert deshalb eine gute Kenntnis der in diesen Programmen implementierten Modelle bzw. der verwendeten physikalischen und chemischen Ansätze und darüber hinaus eine kritische Beurteilung der Simulationsergebnisse. Zum Schluss noch folgender Hinweis: Bei der Verwendung eines vorhandenen Simulations-Programms zur Lösung neuer Aufgabenstellungen sind stets die Voraussetzungen, die bei der Erstellung der in diesem Programm verwendeten Modelle getroffen wurden, kritisch zu überprüfen. Dabei ist zu klären, ob und wie weit das vorhandene Programm zur Lösung des neuen Problems tatsächlich geeignet ist. Man sollte sich dabei immer der Tatsache bewusst sein, dass „schöne bunte Bilder“ eine enorme Suggestivkraft auf den „unkritischen“ Betrachter ausüben.

1.4 Möglichkeiten und Grenzen

7

Literatur AVL Deutschland GmbH (2012): 10. Int. Symp. f. Verbrennungsdiagnostik, Baden-Baden Eichlseder, H. (Hrsg.) (2011): Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors, 13. Tagung, Graz Eifler, W., Schlücker, E., Spicher, U., Will, G. (2009): Küttner Kolbenmaschinen, 7., neu bearbeitete Auflage, Vieweg + Teubner, Wiesbaden Kader, J., Kruse, Th. (2000): Parameteroptimierung an Ottomotoren mit Direkteinspritzung., in: Motortechnische Zeitschrift MTZ 61, 378–384, Franckh- Kosmos Verlag, Stuttgart Köhler, E., Flierl, R. (2009): Verbrennungsmotoren, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage, Vieweg + Teubner, Wiesbaden Leipertz, A. (Hrsg.) (2011): Motorische Verbrennung, X. Tagung, München Ramos, J. I. (1989): Internal Combustion Engine Modelimg, Hemisphere Publishing Corp., New York Washington Philadelphia London Woschni, G.(1965): Elektronische Berechnung von Verbrennungsmotor- Kreisprozessen, in: M.A.N.-Forschungsheft Nr.12, MAN-Museum, Augsburg Woschni, G. (1967): A Universally Applicable Equation fort he Instantaneous Heat Transfer, Coefficient in the Internal Conbustion Engine, SAE- Paper 670931

2.1 Brennstoffe

2

11

Motorische Verbrennung

Verbrennungsmotoren basieren auf der Nutzung von chemisch gebundener Energie durch die Verbrennung von Brennstoff und Sauerstoff. Die Teilprozesse der Gemischbildung, Entflammung und Verbrennung des Ottomotors und des Dieselmotors unterscheiden sich in grundlegenden Punkten. Bei Ottomotoren wird üblicherweise ein homogen vorgemischtes gasförmiges BrennstoffLuft-Gemisch gezündet. Die Flamme breitet sich hierbei ausgehend vom Zündort in etwa kugelförmig aus. Die eigentlichen Verbrennungsreaktionen finden in einer dünnen Flammenfront statt, die sich durch das unverbrannte Brennstoff-Luft-Gemisch hindurch bewegt. Im Ottomotor ist das Gemisch zum Zündzeitpunkt stark turbulent durchwirbelt. Entsprechend weist die Flammenfront eine turbulente Faltung auf, was die Ausbrandgeschwindigkeit deutlich erhöht. In der Verbrennungstechnik wird dieser Flammentyp als turbulente Vormischflamme bezeichnet. Bei Dieselmotoren wird der flüssige Kraftstoff üblicherweise sehr spät in die bereits verdichtete Luft eingespritzt. In kurzer Zeit wird der Kraftstoff im Spray in kleine Tropfen zerstäubt, die im Spraybereich verdunsten. Anschließend findet die Vermischung von Brennstoff und Luft statt, teilweise erst, wenn die Reaktion schon startet. In der Verbrennungstechnik wird dieser Flammentyp als nicht-vorgemischte Flamme oder als Diffusionsflamme bezeichnet, weil die Vermischung von Brennstoff und Luft durch diffusive Prozesse stattfindet. Im Folgenden werden zunächst die Brennstoffe beschrieben (Kapitel 2.1), dann die Grundlagen des Dieselmotors (Kapitel 2.2) und des Ottomotors (Kapitel 2.3). Im Anschluss folgen kurze Beschreibungen von Groß-Gasmotoren und Groß-Dieselmotoren.

2.1

Brennstoffe

2.1.1

Kohlenwasserstoffe

Brennstoffe, welche für die diesel- und ottomotorische Verbrennung zur Anwendung kommen, stellen im Allgemeinen Gemische aus mehreren hundert verschiedenen Kohlenwasserstoffen unterschiedlicher Gruppen ( CxHy[OZ] ) dar. Diese Komponenten besitzen aufgrund von deutlich unterschiedlichen Molekülgrößen und -strukturen folglich auch stark unterschiedliche Eigenschaften. Darüber hinaus divergiert die Zusammensetzung und damit auch das Verhalten von Benzin, Diesel und eventuellen alternativen Brennstoffen, so dass eine gesonderte Betrachtung notwendig ist. Die Grenzwerte der wichtigsten Stoffeigenschaften von motorischen Brennstoffen werden in Normen festgehalten (DIN, EN etc.), um eine gleichbleibende Qualität und Zusammensetzung sowie einen sicheren Motorbetrieb zu gewährleisten, siehe Tab. 2.1. Im Folgenden werden der Aufbau und die Funktion der wichtigsten Kohlenwasserstoffverbindungen in motorischen Brennstoffen beschrieben. Zusätzlich werden sauerstoffhaltige Komponenten dargestellt, welche insbesondere für Zünd- und Verbrennungsprozesse relevant sind. G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

12

2 Motorische Verbrennung

Tab. 2.1: Eigenschaften motorischer Brennstoffe in den (DIN) EN-Normen Dieselkraftstoff (DIN) EN590

Ottokraftstoff (DIN) EN228

Dichte in kg/m3 bei 15 °C (min./max.)

820 / 845

720 / 775

860 / 900

DFO: 890 RFO: 1010

Viskosität in mm2/s bei 40 °C (min./max.)

2,0 / 4,5

nicht definiert

3,5 / 5,0

DFO: 5,5 RFO: 700

Oktanzahl/ Cetanzahl (min.)

51

ROZ95/MOZ85

51

DFO: 35

Schwefelgehalt in mg/kg (max.)

50 10 (ab 1.1.2009)

50 10 (ab 1.1.2009)

10

DFO: 35000 RFO: 45000

7 % FAME

5 % Ethanol



Anteil von alt. Kraftstoffen (max.)

Biodiesel Marinekraft(FAME) stoffe (DIN) EN 14214 (DIN) ISO 8216 (DIN) ISO 8217



„ Aliphatische Kohlenwasserstoffe n-Alkane

H

Iso-Alkane

H

H

H

H

H

H

H

C

C

C

C

C

C

C

H

H

H

H

H

H

H

n-Heptan

H

H

H

CH3 H

CH3 H

C

C

C

C

C

H

CH3 H

H

H

Iso-Oktan, 2,2,4-Trimethylpentan

Alkene

H

Alkine

H C

H

H

H

C

C

C

H

H

Ethen Ethin, Acetylen Abb. 2-1: Strukturformeln und räumliche Darstellung aliphatischer Kohlenwasserstoffe

2.1 Brennstoffe

13

Die Gruppe der aliphatischen Kohlenwasserstoffe enthält neben den Alkanen, welche über keine Doppelbindungen verfügen und die häufigste Gruppe in motorischen Brennstoffen darstellen, auch die Alkene (früher: Olefine) mit (mindestens) einer Doppelbindung sowie die Alkine (früher: Acetylene) mit einer Dreifachbindung. Die Gruppe der Alkane teilt sich weiterhin noch in die n-Alkane, welche eine gerad-kettenförmige Struktur aufweisen und in Iso-Alkane, die verzweigt-kettenförmige Strukturen besitzen. Bedingt durch die intermolekularen Kräfte, welche mit der Kettenlänge ansteigen, erfolgt eine Zunahme der Siedetemperatur, Viskosität etc. mit der Kettenlänge. Alkane (n- und Iso-) stellen in motorischen Brennstoffen die anteilig größte Gruppe dar. Abb. 2-1 stellt beispielhaft die Strukturformeln für einige aliphatische Kohlenwasserstoffe dar. „ Alizyklische und aromatische Kohlenwasserstoffe Unter den alizyklischen Kohlenwasserstoffen werden ringförmig strukturierte Kohlenwasserstoffe zusammengefasst. Dabei bestehen die Zyklo-Alkane (früher: Naphtene) lediglich aus Einfachbindungen und sind in ihren Eigenschaften den Alkanen sehr ähnlich. Zykloalkane

H

Aromaten

H C

H

H

C

C

H H

H

CH3

C

C

H

C

C

H

H

C

H

C

C

H

H

C

C

H

C

H

H C

H

C

H

H

C H

H

Zyklohexan

C

C

H

CH3

Benzol, Benzen

p-Xylol, Dimethylbenzol

S

S

N

Asphalten-Monomer Abb. 2-2: Strukturformeln und räumliche Darstellung alizyklischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe

14

2 Motorische Verbrennung

Die charakteristische Struktur der Aromaten wird durch die delokalisierte Ladungswolke im Zentrum des Moleküls beschrieben, die auch den Unterschied zu den Zykloalkanen darstellt. Der Benzolring stellt den Grundbaustein für alle aromatischen Verbindungen dar. Aromaten mit mehr als einem Benzolring werden entsprechend als Di-, Tri- bzw. Tetraaromaten bezeichnet. Durch Anlagerung von Alkylgruppen (Methyl, Ethyl etc.) entstehen komplexere Formen von Aromaten. Aromaten stellen neben den Alkanen die häufigste Fraktion in motorischen Brennstoffen dar und sind maßgeblich an der Entstehung von Rußpartikeln beteiligt. Besondere komplexe Strukturen die auf Polyaromaten aufbauen und nicht zu den gesetzlich reglementierten Schadstoffen gezählt gehören, werden im Kapitel Schadstoffe erläutert. In Abb. 2-2 werden Beispiele für Zykloalkane und Aromaten dargestellt. Eine Besonderheit unter den Aromaten stellen die Asphaltene dar. Als Asphaltene werden die Komponenten im Schweröl bezeichnet, die in einem Verhältnis von 1:40 unlöslich sind in n-Pentan bzw. n-Heptan, siehe z. B. Auflem (2002). Es handelt sich dabei um polyzyklische aromatische Verbindungen, die zusätzlich N, S und O Atome enthalten und somit stark polar sein können. Asphaltene weisen keine standardisierte Struktur auf, können jedoch ansatzweise mit Fettsäuren verglichen werden. Die einzelnen Monomere weisen ein Molgewicht von über 500 g/mol auf, durch Agglomeration können Moleküle von bis zu 100000 g/mol entstehen. Asphaltene liegen im amorphen Zustand vor (Glaszustand) und verdampfen nicht konventionell, sondern unterliegen viel mehr der Pyrolyse, welche oberhalb von 800K eingeleitet wird. „ Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe Sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe sind kettenförmig aufgebaute Verbindungen, welche gemäß ihrer funktionellen Gruppen in Alkanole (Alkohole), Ketone, Ether, Aldehyde, Carbonsäuren und (Carbonsäure-)Ester unterschieden werden. Alkanole enthalten eine Hydroxylgruppe (R–OH). Die einfachsten (einwertigen) Alkanole sind Methanol (CH3OH) und Ethanol (C2H5OH), welche ebenfalls Bestandteile von Brennstoffen darstellen. Ether sind mit einer Sauerstoff-Brücke verbundene Alkylgruppen (R1-O-R2). Obwohl Ether die gleiche Anzahl von Atomen wie die entsprechenden Alkanole aufweisen, unterscheiden sie sich im Siedepunkt deutlich von den Alkanolen. Ketone sind über eine Carbonylgruppe verbundene Alkylgruppen (R1-CO-R2). Aldehyde enthalten eine endständige Carbonylgruppe (Aldehydgruppe, -CHO). Aus der homologen Reihe der Alkane abgeleitete Aldehyde werden als Alkanale bezeichnet. Aldehyde spielen als Zwischenprodukte bei der Oxidation von Kohlenwasserstoffen eine bedeutende Rolle. Die Siedepunkte der Alkanale liegen zwischen den Alkanen und den Alkanolen. Carbonsäuren verfügen über eine oder mehrere Carboxylgruppen (-COOH), welche die Eigenschaften des Moleküls dominieren; die Ester der Carbonsäuren werden Carbonsäureester genannt und stellen die Mehrzahl natürlicher Fette dar. Carbonsäuren und Carbonsäureester finden ebenfalls direkt Anwendung als Additive in Brennstoffen zur Korrosionsminderung und zur Verbesserung der Schmiereigenschaften. Wenngleich sowohl Otto- als auch Diesel-Brennstoffe aus dem gleichen Rohstoff Erdöl durch Raffination gewonnen werden, so ist ihre individuelle Zusammensetzung aus den einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen stark unterschiedlich, wie in Abb. 2-4 dargestellt. Besonders fallen dabei der hohe Anteil von Zykloalkanen beim Diesel und der hohe Anteil an Aromaten beim Benzin auf. Ebenfalls von Bedeutung ist die große Streubreite in der Zusammensetzung der beiden Brennstoffe bei Berücksichtigung unterschiedlicher Brennstoffproben, siehe DGMK (2002, 2003). Dies zeigt sich am deutlichsten für Benzin.

2.1 Brennstoffe

15

Alkanole

H

H

H

C

C

H

H

Ether

H

H OH

C

H

O

C

H

Ethanol

Alkanone

H

H

H

Carbonsäuren

O

O

H

C

C

C

H

H H Aceton, Dimethylketon, Propanon

Dimethylether

Aldehyde

H

Ester (azyklischer Carbonsäuren)

O

H

H

C

C

H

H

C

H

H

C OH

H Formaldehyd, Methanal

Ameisensäure, Methansäure

O

C

H

H O Ethylmethanoat Methansäureethylester

Abb. 2-3: Strukturformeln und räumliche Darstellung sauerstoffhaltiger Kohlenwasserstoffe

60

Benzin Diesel

Anteil [%]

50 40 30 20 10 0

Alkane

Zykloalkane

Alkene

Aromaten

sonstige

Abb. 2-4: Zusammensetzung von Diesel und Benzin gemäß DGMK (2002, 2003)

16

2 Motorische Verbrennung

Die unterschiedliche Zusammensetzung von Benzin und Diesel wird vor allem im Siedeverhalten deutlich. Da es sich in beiden Fällen um Gemische handelt, existiert kein diskreter Siedepunkt wie bei Reinstoffen sondern eine Siedelinie in Abhängigkeit vom bereits verdampften Anteil. Abb. 2-5 stellt typische Siedelinien für Benzin und Diesel sowie deren durch die europäischen Normen EN 228 und EN 590 festgesetzten Grenzen dar.

Siedetemperatur [°C]

400 EN 228 EN 590 Diesel Benzin

300 200 100 0 0

20

40

60

80

100

Verdunsteter Volumenanteil [%] Abb. 2-5: Typische Siedelinien für Benzin und Diesel

2.1.2

Benzin und Ottobrennstoffe

Ottobrennstoffe kommen in Motoren mit äußerer und innerer Gemischbildung mit Fremdzündung zum Einsatz. Aufgrund der niedrigen Temperaturen und Gegendrücke muss eine hohe Volatilität des Brennstoffes vorliegen um eine ausreichende Gemischbildung zu ermöglichen. Bedingt durch lange Verweilzeiten im Brennraum kombiniert mit lokal heißen Stellen (Auslassventil) muss ebenfalls jederzeit eine Sicherheit gegen vorzeitige Entflammung gewährleistet sein. Folglich sind in ottomotorischen Brennstoffen nur Kohlenwasserstoffverbindungen mit einer geringen Kettenlänge enthalten. Lediglich Alkane mit vier bis acht Kohlenstoffatomen und Aromaten, die auf einem Benzolring aufbauen (Monoaromaten), weisen nennenswerte Anteile am Benzin(-Gemisch) auf. Die charakteristische Eigenschaft des Ottobrennstoffes wird über die Oktanzahl beschrieben; je höher diese ist, desto zündunwilliger/klopffester ist der Brennstoff. Die Oktanzahl wird nach einem standardisierten Verfahren (EN ISO 5163 und 5164) ermittelt. Dabei dient ein Gemisch aus n-Heptan und Iso-Oktan als Vergleichsbrennstoff zur Feststellung der Oktanzahl. Tab. 2.2 stellt die Oktanzahlen einiger Brennstoffe dar; Werte für Oktanzahlen > 100 sind extrapoliert. Die Oktanzahlen für die einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen sind unterschiedlich und werden in Abb. 2-6 dargestellt. Auffallend ist, dass die Oktanzahl für Alkane und Alkene mit steigender Kettenlänge abnimmt, während sie für Aromaten ansteigt. Grund hierfür ist der steigende Verzweigungsgrad der Aromaten mit steigender Kettenlänge; sehr deutlich wird dies für unterschiedliche Isomere des Heptans: n-Heptan (ROZ = 0), 3-MethylHexan (ROZ = 52), 2,3-Dimethyl-Pentan (ROZ = 91,1) und 2,2,3-Trimethyl-Butan (ROZ = 112).

2.1 Brennstoffe

17

Tab. 2.2: Research-Oktanzahl ROZ und Motor-Oktanzahl MOZ ausgewählter Brennstoffe Komponente

ROZ

MOZ

n-Heptan

0 (definiert)

0 (definiert)

Iso-Oktan

100 (definiert)

100 (definiert)

Super-Benzin

95 (min)

85 (min)

Autogas

103–111



120–130



Erdgas

Oktanzahl [-]

160 120 80 n-Alkane Heptan Alkene Aromaten

40 0 3

4

5

6

7

8

9

Anzahl Kohlenstoffatome [-] Abb. 2-6: Oktanzahlen für Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Gruppen und Kettenlängen

2.1.3

Dieselbrennstoffe

Das Dieselbrennverfahren stellt andere Anforderungen an den Brennstoff als das OttoVerfahren. Aufgrund der Forderung nach der Selbstzündung im dieselmotorischen Brennverfahren, muss der Brennstoff derart aufgebaut sein, dass unter den vorherrschenden Temperatur- und Druckrandbedingungen eine Selbstzündung des Brennstoffes stattfinden kann. Charakteristischer Wert für die Zündfähigkeit ist die Cetanzahl, welche analog zur Oktanzahl nach einem spezifizierten Verfahren determiniert wird (EN ISO 5165). Da sich die Cetanzahl reziprok zur Oktanzahl verhält, steigt die Zündfähigkeit der Kohlenwasserstoffe mit der Kettenlänge an. Eine hohe Cetanzahl entspricht dabei einer hohen Zündwilligkeit. Diese sollte für einen Dieselbrennstoff zwischen 40 und 65 liegen, für moderne direkteinspritzende Dieselmotoren > 50. Aus diesen Anforderungen resultiert, dass die mittlere Molekülmasse bei Dieselbrennstoffen höher ist als bei Ottobrennstoffen. Die Kettenlängen mit einem nennenswerten Anteil liegen zwischen 9 und 26 Kohlenstoffatomen und Aromaten finden sich nicht nur als Mono-Aromaten, sondern auch als Di- und Tri-Aromaten (zwei bzw. drei verbundene Benzolringe). Abb. 2-7 stellt die Cetanzahlen für unterschiedliche Kohlenwasserstoffgruppen in Abhängigkeit von der Kettenlänge dar.

18

2 Motorische Verbrennung

Cetanzahl [-]

120 80 Alkane Alkene Aromaten Zykloalkane

40 0 -40 6

8

10

12

14

16

18

Anzahl Kohlenstoffatome [-] Abb. 2-7: Cetanzahlen für Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Gruppen und Kettenlängen

2.1.4

Brennstoffe für Marineanwendungen

Kraftstoffe für Marineanwendungen stellen streng gesehen eine Variante des konventionellen Dieselbrennstoffes dar, zumindest hinsichtlich des eingesetzten Brennverfahrens. Aufgrund der speziellen Zusammensetzung und der Anforderungen weist Marinediesel jedoch Besonderheiten auf. Insbesondere ist der hohe Flammpunkt von mindestens 60 °C zu nennen. In Abhängigkeit der Viskosität und Einsatz lassen sich grundsätzlich zwei Klassen von Marinedieseln separieren. Marine (Destillate) Fuel Oil (DFO) weist moderate Viskositätswerte von bis zu 14 cSt (14˜10–6 m2/s), vergleichbar mit konventionellem Diesel, auf und ist ein Gemisch von Mitteldestillaten aus der Erdölverarbeitung. In Abhängigkeit der Viskosität findet eine Unterscheidung in DMX, DMA/MGA = Marine Gas Oil, DMB/MDO = Marine Diesel Oil und DMC statt, wobei DMX die geringste Viskosität aufweist und DMC die höchste. Auffälligster Unterschied zum Diesel ist der hohe Schwefelanteil von bis zu 4,5 Massenprozent. Die grundsätzliche Zusammensetzung entspricht dem des Diesels mit Alkanen, Alkenen und Aromaten mit Kettenlängen zwischen 16 und 40 Kohlenstoffatomen. Eine Normung analog zum EN 590 findet nicht statt, jedoch ist die Herstellung eng an Heizöl und dessen Normung angelehnt. Die Einteilung findet gemäß der ISO 8216 und 8217 statt. Marine (Residual) Fuel Oil (RFO) oder auch (Heavy Fuel Oil, Schweröl, Bunker C) ist ein Rückstandsöl welches bei der Destillation von Erdöl anfällt. Es wird überwiegend aus den nicht verdampfbaren Rückständen der Destillation gebildet, deren Hauptbestandteil die so genannten Asphaltene sind. Die Grundeinteilung erfolgt gemäß ISO 8217 in RMA bis RMK, wobei mit der steigenden Folge die Grenzwerte für Dichte, Kohlenstoffrückstand, Anteil der metallischen Bestandteile und Asche ansteigen. Innerhalb der Gruppen findet eine weitere Aufteilung nach der Viskosität statt, wobei die Viskosität in cSt an die Bezeichnung angehängt wird (Beispiel RMD80, RMK500). Neben einem ebenfalls hohen Schwefelgehalt von bis zu 4,5 Massenprozent finden sich auch Anteile von Metallen, wie Vanadium, Nickel, Kupfer und Aluminium. Ein ebenfalls bedeutender Parameter ist der TSP (Total Sediment Potential), welcher die Rückstände quantifiziert, welche ausfallen können und zum Verschmutzen der Kraftstoff führenden Teile führt. Aufgrund der sehr

2.1 Brennstoffe

19

hohen Viskosität im Grundzustand, müssen Schweröle durch Vorheizen auf Temperaturen von mindestens 100 °C gebracht werden, um die Viskosität zu senken und einen Einsatz in Einspritzsystemen zu ermöglichen. Die nur grundlegend genormte Zusammensetzung der Marinekraftstoffe im Gegensatz zu den Kraftstoffen im Fahrzeugbereich ermöglicht eine große qualitative Bandbreite und erschwert so eine optimale Abstimmung der Verbrennungsparameter.

2.1.5

Alternative Brennstoffe

Unter dem Begriff der alternativen Brennstoffe werden unterschiedlichste Brennstoffe zusammengefasst, die als Alternativen bzw. Ergänzungen für Diesel und Benzin Anwendung finden. Einige von Ihnen gelten gemäß Richtlinie 2003/30/EG als Biokraftstoffe und erfahren eine besondere Berücksichtigung seitens des Gesetzgebers (Subventionierung, Steuervorteile). „ Dimethylether DME, LPG Dimethylether ist der einfachste existierende Ether (siehe Abb. 2-3) und wird üblicherweise durch Dehydrierung von Synthesegas aus Kohle und Erdgas gewonnen. Unter Normalbedingungen ist DME gasförmig und kann unter Druck verflüssigt werden, um eine effiziente Speicherung zu ermöglichen. DME hat eine Cetanzahl von 60 und kann somit als Ersatzbrennstoff in Dieselmotoren dienen. Um die Betriebssicherheit des Einspritzsystems zu gewährleisten müssen jedoch Additive zur Verbesserung der Schmierfähigkeit beigemischt werden. Wird DME aus Bio-Synthesegas gewonnen, so handelt es sich gemäß der Richtlinie 2003/30/EG um einen Biokraftstoff. LPG (Liquified Petroleum Gas, Autogas) ist ein Gemisch unterschiedlicher Gase, das bei der Gewinnung und Raffination von Rohöl anfällt. Die Hauptbestandteile sind Propan und Butan, daneben finden sich auch deren Alkene (Buten, Propen). Bedingt durch die geringen Kettenlängen und Molekülgrößen besitzt LPG eine sehr hohe Oktanzahl > 105 und ist somit sehr gut für den Betrieb in Ottomotoren geeignet. Dabei wird das LPG hauptsächlich gasförmig eingebracht, die Speicherung erfolgt typischerweise bei einem Druck von 5–10 bar. LPG ist vor allem in den süd- und osteuropäischen Ländern verbreitet, gewinnt aber auch zunehmend in Deutschland an Bedeutung. „ Pflanzenöl, Rapsmethylester RME, Biodiesel Pflanzenöle bestehen hauptsächlich aus Triglyceriden (dreifache Ester des Glycerin mit Fettsäuren/Karbonsäuren). Sie werden durch das Auspressen von ölhaltigen Pflanzen gewonnen; im europäischen Raum ist dies hauptsächlich Rapsöl. Aufgrund der sehr hohen Viskosität ist es nur bedingt in Dieselmotoren einsetzbar und besitzt zudem eine sehr hohe Verkokungsneigung. Vor allem die Wintertauglichkeit mit niedrigen Umgebungstemperaturen ist problematisch. Um den Einsatz im Motor zu erleichtern, werden Pflanzenöle mit Methanol zu Pflanzenöl- bzw. Rapsmethylester (RME, Biodiesel) verestert, bzw. mit geringen Anteilen von RME vergällt. Abgesehen vom Betrieb mit purem Biodiesel, können Fettsäuremethylester (FAME), zu denen der Biodiesel ebenfalls gezählt wird, bis zu 7 % dem Diesel beigemischt werden. Die Eigenschaften des Biodiesels unterliegen einer Überwachung durch die DIN 14214. Um eine gleichbleibende Qualität und Zusammensetzung unterschiedlicher Rapsöle zu ermöglichen, werden die notwendigsten Eigenschaften in einer Vornorm (DIN V 51605) reglementiert.

20

2 Motorische Verbrennung

„ Erdgas Erdgas ist ein brennbares Naturgas und kommt in unterirdischen Lagerstätten häufig zusammen mit Erdöl vor. In Verbrennungsmotoren kommt das Erdgas hauptsächlich als CNG (Compressed Natural Gas) zur Anwendung. Dabei wird das Gas unter einem Druck von (zunächst) 200 bar gasförmig gespeichert. Eine Verflüssigung des Erdgases zu LNG (Liquified Natural Gas) erscheint für den motorischen Einsatz aufgrund der benötigten starken Abkühlung als nicht sinnvoll. Der Hauptbestandteil ist immer Methan (> 85 %), daneben sind auch Anteile von höheren Alkanen und Inertgasen (N2, CO2) enthalten. Die Zusammensetzung und damit auch die Energiedichte (Hs = 36 – 50MJ/kg) hängt stark von der Lagerstätte/Förderstätte ab; dieser Umstand muss für den Motorbetrieb berücksichtigt werden. Bedingt durch die geringen Kettenlängen und Molekülgrößen besitzt CNG eine sehr hohe Oktanzahl > 120 und ist wie das LPG für den Einsatz in Ottomotoren geeignet. CNG gewinnt wegen des niedrigen Kohlenstoff/Wasserstoffverhältnisses und der damit verbundenen Verminderung der CO2-Emissionen zunehmend an Bedeutung. „ Alkoholhaltige Brennstoffe Ethanol kann gemäß EN 228 konventionellem Benzin bis zu 5 % beigemischt werden. Bei diesem Prozentsatz sind keine Modifikationen an bestehenden Motoren notwendig. In skandinavischen Ländern, den USA sowie in Schwellenländern (z. B. Brasilien) sind Brennstoffe mit einem Ethanolanteil von über 70 % bis zu 100 % erhältlich. Diese hohen Ethanolanteile verlangen aufgrund des geringeren Heizwertes Eingriffe in die Motorelektronik. Üblicherweise werden diese Brennstoffe als FlexFuels bezeichnet, da sich durch die Beimischung von Benzin beliebige Anteile des Ethanols ergeben können. Tab. 2.3: Ausgewählte Eigenschaften motorischer Brennstoffe Dichte

Siedetemperatur

Spezifischer Heizwert

Zündtemperatur

kg/m3 1)

°C

MJ/kg

°C

Methanol

790

65

19,7

455

Ethanol

790

78

26,8

425

Benzin

720–775

25–210

43,5

|400

Diesel

820–845

110–400

42,5

>200 |150

Flüssige Brennstoffe

Pflanzenöl

900–930

220–320

36

Biodiesel RME

860–900

330–350

36



Schweröl

960–1010

>200 °C

|40

>220 °C

Gasförmige Brennstoffe

kg/m3 2)

CNG

0,7–0,84

> –162

|32–45

|550

LPG

2,25

> –42

46,1

DME

0,67

–20

27,6

|200

1) bei 15 °C 2) bei 1013 mbar

|400

2.1 Brennstoffe

21

Abgesehen vom geringeren Brennwert stellen ethanolhaltige Brennstoffe höhere Anforderungen an die Korrosionsresistenz der brennstoffführenden Bauteile sowie, bedingt durch die hohe Verdampfungsenthalpie, an die Kaltstartfähigkeit. Tab. 2.3 stellt abschließend ausgewählte Eigenschaften der beschriebenen Brennstoffe dar.

2.1.6

Klassifikation von Verbrennungsmotoren

Eine Einteilung von Verbrennungsmotoren entsprechend ihres eingesetzten Brennverfahrens ist in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden. Der Grund dafür ist, dass aufgrund des fast flächendeckenden Einsatzes der Direkteinspritzung auch bei Benzinmotoren die Flexibilität in der Brennverfahrensentwicklung stark zugenommen hat. Eine eindeutige Trennung der Verfahren ist damit nicht immer möglich. Ebenfalls ist zu beobachten, dass vor allem mit der Integration von alternativen Brennstoffen sowohl für Ottoals auch für Dieselmotoren die Bandbreite an individuellen Lösungen sehr stark zugenommen hat und eine eindeutige Charakterisierung erschwert bzw. nicht sinnvoll erscheinen lässt: Aus diesem Grund sind in Tab. 2.4 die gängigsten Brennstoffe sowie deren Eignung für bestimmte Einsatzzwecke exemplarisch zusammengestellt. Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit sondern spiegelt vielmehr Tendenzen wieder, wie sie in seriennahen Lösungen zu finden sind. Die Aufteilung in die beiden Hubraumgrößen ist willkürlich und verdeutlicht lediglich den Unterschied zwischen PKW- und Großmotoren. Tab. 2.4: Brennstoffe und deren Eignung für Verbrennungsprozesse H2

CNG LPG Benzin

Ethanol (E85E100)

Kerosin

Diesel

DFO

RFO

X

X

X

X

X4)

X

X

X

X

X

(X)

X

X

X

X

X

X3)

äußere Gemischbildung

X1)

X

X

X

X

innere Gemischbildung

(X)

(X)

X

X

X

Fremdzündung

X1)

X

X

X

X

Selbstzündung Raumzündung (HCCI, CAI) Hubraum < 8000 cm3 Hubraum > 8000 cm3 1) 2) 3) 4)

X1)

X X

X

(X)2)

X X

X

bisher nur kleine Versuchsflotten Spezialfahrzeuge, z. B. für arktischen Einsatz überwiegend mit 2-Takt-Verfahren nur unter Zugabe von Zündbeschleuniger, z. B. Etamax D

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Brennstoffe, die eine höhere Volatilität und damit auch eine tendenziell größere Zündunwilligkeit aufweisen, in fremdgezündeten Motoren Anwendung finden, während schwerflüchtige und damit tendenziell zündwillige Brenn-

22

2 Motorische Verbrennung

stoffe in Motoren mit Selbstzündung zum Einsatz kommen. Durch die Verfügbarkeit von flexiblen Einspritzsystemen ist ein flächendeckender Einsatz von Motoren mit innerer Gemischbildung unabhängig von der Art der Zündung, auszumachen. Letztlich bleibt als signifikantes Unterscheidungsmerkmal zwischen Otto- und Dieselmotoren die Auslegung des Grundmotors zu nennen. Während Ottomotoren (freisaugend wie aufgeladen) ein moderates geometrisches Verdichtungsverhältnis H von ca. 10 aufweisen, verfügen Dieselmotoren zum Teil über doppelt so große Verdichtungsverhältnisse. Um den daraus resultierenden Spitzendrücken von bis zu 200 bar und mehr Rechnung zu tragen und die auftretenden Belastungen besser abfangen zu können, sind Dieselmotoren in allen zum Einsatz kommenden Komponenten massiver aufgebaut.

2.2

Dieselmotoren

Der konventionelle dieselmotorische Verbrennungsprozess ist durch eine heterogene Gemischbildung und Verbrennung gekennzeichnet. In modernen Dieselmotoren wird der Brennstoff in der Regel kurz vor dem oberen Totpunkt direkt in die hochverdichtete Luft im Brennraum eingespritzt. Der in den Brennraum eintretende flüssige Brennstoff wird in kleine Tropfen zerstäubt, verdunstet und wird mit Luft gemischt, so dass sich ein heterogenes Gemisch aus Brennstoff und Luft ergibt. Die Verbrennung wird durch die hohen Temperaturen und Drücke durch einen Selbstzündungsprozess eingeleitet. Beim konventionellen Dieselbrennverfahren steht üblicherweise nur eine sehr kurze Zeitspanne zur Gemischbildung zur Verfügung. Eine schnelle Einspritzung und gute Zerstäubung des Brennstoffs sind deshalb Voraussetzung für eine schnelle und gute Durchmischung von Brennstoff und Luft. Die Last des Motors wird durch die Menge des eingespritzten Brennstoffs, der Brennbeginn durch den Einspritzbeginn geregelt. Dieselmotoren werden üblicherweise mit einem global mageren Luftverhältnis betrieben, die direkte Einspritzung führt jedoch zu unterschiedlichen Gemischbereichen, die zwischen sehr mageren über stöchiometrischen bis zu sehr fetten Gemischverhältnissen variieren. Diese Gemischschichtung führt unvermeidlicherweise zur Bildung von Schadstoffemissionen, insbesondere von Rußpartikeln und Stickoxiden. Die dieselmotorische Verbrennung ist durch eine turbulente, reaktive Mehrphasenströmung geprägt. Die einzelnen Teilprozesse, wie Strahlzerfall, Tropfendynamik, Phasenübergang, Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung laufen weitgehend simultan ab und stehen in Wechselwirkung miteinander. Die Modellierung der dieselmotorischen Verbrennung ist deshalb äußerst komplex.

2.2.1

Einspritzverfahren und -systeme

Im Gegensatz zur früher verwendeten Einspritzung in eine Vor- oder Wirbelkammer wird heute nahezu ausschließlich die direkte Einspritzung in den Brennraum eingesetzt. Dabei ist der Brennraum als Mulde im Kolben untergebracht; die Form der Mulde beeinflusst das Brennverfahren im entscheidenden Maße. Der Brennstoff wird durch eine zumeist zentral angeordneten Mehrlochdüse eingespritzt. Hohe Einspritzdrücke und viele kleine Bohrungen in der Einspritzdüse sorgen für eine effiziente Gemischbildung, die durch eine Drallströmung der Brennraumgase unterstützt wird. Der Wunsch nach immer kleineren Bohrungen zur Realisierung weiterer Emissionsvorteile in der Teillast, hat in der Vergan-

2.2 Dieselmotoren

23

genheit zu einer Zunahme der maximalen Einspritzdrucke auf zur Zeit über 2000 bar geführt. Der eingespritzte Brennstoff sollte dabei möglichst nicht auf die relativ kalte Kolbenwand auftreffen, weil dadurch die Verdampfung und anschließende Gemischbildung verzögert und die Bildung von HC-Emissionen begünstigt werden. Die direkten Einspritzverfahren haben im Vergleich zu den indirekten einen deutlich geringeren spezifischen Brennstoffverbrauch, wegen der hohen Druckanstiegsgeschwindigkeiten zu Beginn der Verbrennung jedoch ein wesentlich höheres Verbrennungsgeräusch (so genannte harte Verbrennung). Darüber hinaus wird die Gemischaufbereitung nicht wie bei den Kammermotoren durch die schnelle Ladungsbewegung im Schusskanal (200 bis 500 m/s) unterstützt. Die gesamte Energie für die Vermischung von Brennstoff und Luft wird zum großen Teil durch die Einspritzstrahlen in den Brennraum eingebracht werden, wodurch ein erheblich höherer Einspritzdruck erforderlich wird. Während bei Kammermotoren Einspritzdrücke von ca. 400 bar ausreichen, liegen sie bei der direkten Einspritzung (zur Zeit) zwischen 200 bar im Leerlauf und 2.000 bar an der Volllast. Für Fahrzeugdieselmotoren sind auch noch höhere Einspritzdrücke permanent in der Diskussion.

Abb. 2-8: Einteilung aktueller Pkw-Einspritzsysteme

Bei Einspritzsystemen unterscheidet man zwischen konventionellen nockengetriebenen Systemen sowie dem in den letzten Jahren entwickelten Common-Rail-(Speicher)Einspritzsystem. Bei den nockengetriebenen Einspritzsystemen sind die Druckerhöhung und die Mengendosierung mechanisch gekoppelt. Der Nocken bewegt den Plunger des Pumpenelementes, der seinerseits ein Brennstoffvolumen „komprimiert". Der dadurch ansteigende Druck öffnet ein Ventil gegen die Federkraft und gibt damit die Zuleitung frei. Im Gegensatz dazu sind die Druckerhöhung und die Mengendosierung beim Common-RailEinspritzsystem vollständig getrennt. Mittels einer mechanisch oder elektrisch angetriebenen Hochdruckpumpe wird kontinuierlich Brennstoff in einen Hochdruckspeicher (Common-Rail) gefördert. Mit einem elektronisch gesteuerten Injektor wird Brennstoff aus dem Druckspeicher entnommen und in den Brennraum eingespritzt. Abb. 2-8 stellt die oben beschriebenen Einteilung der Einspritzsysteme grafisch dar.

24

2 Motorische Verbrennung

„ Nockengetriebene Einspritzsysteme Nockengetriebene Einspritzsysteme bzw. Einspritzsysteme, die einen drucksynchronen Einspritzbeginn aufweisen, lassen sich anhand der Art ihrer Aktuierung einteilen. Einspritzpumpe und Einspritzdüse bilden bei diesem Einspritzsystem eine Einheit, die an jedem Zylinder separat installiert wird. Ein schnell schaltender Magnet- bzw. Piezo-Aktor steuert Einspritzbeginn und -ende.

1

6

2

7

3 4

1 Nocken 2 Pumpenkolben 3 Zylinderkopf 4 Rücklauf 5 Düse 6 Magnetventil 7 Zulauf

5

Beim Pumpe-Düse-Einspritzsystem (PD) sind dank Optimierung der Totvolumina Einspritzdrücke bis 2200 bar darstellbar. Dies ermöglicht gute Verbrauchs- und Emissionswerte aufgrund der feinen Zerstäubung des Brennstoffes. Abb. 2-9 zeigt das Funktionsschema eines PD-Einspritzsystems (Kronenberger et al. (2005)). Der grundsätzliche Nachteil dieser Einspritzsysteme liegt in der mangelnden Flexibilität des Einspritzzeitpunktes und der Anzahl der Einspritzereignisse, da der Druckaufbau mechanisch an den Nocken gebunden ist. Diese mangelnde Flexibilität erschwert die Umsetzung zukünftiger Abgasgesetznormen, so dass Einspritzsysteme mit drucksynchronem Einspritzbeginn in aktuellen Entwicklungen keine Rolle mehr spielen. Aus diesem Grund wird, abgesehen vom PD-System, nicht weiter auf nockengetriebene Einspritzsysteme (Verteilereinspritzpumpe, Reiheneinspritzpumpe) eingegangen.

Abb. 2-9: Funktionsschema einer Pumpe-Düse-Einheit

„ Common-Rail-Systeme Beim elektronisch geregelten Common-Rail-System sind die Parameter Einspritzbeginn und Druckaufbau voneinander entkoppelt, so dass hinsichtlich der Flexibilität der Einspritzereignisse deutlich größere Freiheitsgrade bestehen. Grundsätzlich besteht jedes System aus einzelnen Bauteilen, welche im Gesamtverbund als Common-Rail-System (CR-System) bezeichnet und im Folgenden näher erläutert werden. Abb. 2-10 stellt schematisch den typischen Aufbau eines CR-Systems dar. Eine Vorförderpumpe (nicht eingezeichnet) liefert den Brennstoff durch einen Filter hindurch und leitet ihn der Hochdruckpumpe zu. Vor der Hochdruckpumpe befindet sich eine Saugdrossel, die den Durchfluss zur Hochdruckpumpe hin begrenzt. Dieses ebenfalls Zumesseinheit genannte Bauteil sorgt dafür, dass lediglich die Brennstoffmenge zur Pumpe gelangt, die auch für die Einspritzung benötigt wird.

2.2 Dieselmotoren

25

Abb. 2-10: Schematische Darstellung eines Common-Rail-Systems

Die Hochdruckpumpe verdichtet den Brennstoff auf den gewünschten Druck von 200 bis 2000 bar und führt ihn dem Hochdruckspeicher zu. Die Hochdruckpumpe ist bei aktuellen Einspritzsystemen zumeist als Einkolben-Pumpe ausgeführt; ein oder zumeist zwei Mehrhubnocken treiben den Pumpenkolben an. Diese Bauart hat in letzter Zeit die Radialkolbenpumpen aus Kostengründen abgelöst. Der Hochdruckspeicher hält den Brennstoff, der für die Einspritzung benötigt wird, vor. In diesem Bauteil sind zudem der Drucksensor sowie das Druckregelventil angeordnet. Das Volumen des Speichers ist derart ausgelegt, dass die einspritzbedingte Mengenentnahme nicht zu großen Druckeinbrüchen führt Das Druckregelventil führt Brennstoff unter hohem Druck ab und leitet ihn zurück zum Tank. Um ein Aufheizen des Tankes zu vermeiden, wird der zurückgeführte Brennstoff zwischengekühlt. Mittels des Druckregelventils (DRV) kann ein Druckabbau im Rail erfolgen (z. B. bei Betriebspunktwechsel oder bei Abstellen des Fahrzeugs), ohne dass eine Einspritzung stattfinden muss. Außerdem erfolgt mit dem DRV (bzw. PCV Pressure Control Valve) eine „Feinregelung“ des Druckes in kritischen Betriebspunkten, wenn die Vorsteuerung mittels der Saugdrossel nicht präzise genug darstellbar ist, z. B. im Leerlauf. Da eine Absteuerung des verdichteten Brennstoffes einen energetischen Verlust bedeutet, sollte der Einsatzbereich des DRV so klein wie möglich sein. Im Idealfall kann auf das DRV vollständig verzichtet werden (Mengenregelung). Der Injektor stellt das wahrscheinlich komplexeste Bauteil in einem CR-System dar. Der Injektor, genauer gesagt die Düse, ist die direkte Schnittstelle zum Brennraum des Motors, so dass die Funktionalität des Injektors immer auch das Brennverfahren beeinflusst. Die häufigste Bauart von Injektoren, bildet die Gruppe der Servo-Injektoren. Das Funktionsprinzip eines Servo-Injektors ist in Abb. 2-11 dargestellt. Im Grundzustand ist der Injektor geschlossen. Die Düsennadel wird aufgrund der Vorspannung der Feder in den Sitz gedrückt. Das Ablaufventil oberhalb der Düsennadel verschließt die Öffnung und die Düsennadel ist druckausgeglichen, d. h. der Duck an der Druckstufe der Nadel im unteren Teil und der Druck oberhalb der Nadel im Steuerraum sind identisch.

26

2 Motorische Verbrennung

Abb. 2-11: Funktionsweise eines Servo-Injektors

Zum Öffnen des Injektors wird das Magnetventil aus seinem Sitz gehoben und der Brennstoff im Steuerraum oberhalb der Düsennadel kann durch die Ablaufdrossel (A-Drossel) in den Rücklauf abfließen. Durch die Zulaufdrossel (Z-Drossel) strömt ebenfalls permanent Kraftstoff in den Steuerraum, jedoch ist der effektive Querschnitt dieser Drossel kleiner als der A-Drossel, so dass der Druck im Steuerraum insgesamt abfällt. Das Verhältnis dieser beiden Drosseln bestimmt maßgeblich die Dynamik des Injektors. Durch die Entspannung im Steuerraum entsteht eine positive Druck- und Kraftdifferenz unterhalb der Nadel, so dass die Nadel aus ihrem Sitz gehoben wird und der Brennstoff durch die Düsenlöcher hindurch fließen kann. Das Schließen des Injektors wird eingeleitet, indem das Magnetventil entstromt wird und der Abfluss aus dem Steuerraum verschlossen wird. Dadurch baut sich im Steuerraum der Druck erneut auf und die Feder drückt die Nadel zurück in ihren Sitz, so dass die Düsenlöcher verschlossen werden. Die Funktionsweise im oben genannten Beispiel wurde anhand eines Magnetspulenaktors dargestellt. Dem prinzipiellen Vorteil der Robustheit sowie der geringen Kosten von Magnetventilinjektoren, steht der Nachteil der verzögerten Dynamik gegenüber. Aufgrund der nur indirekten Kontrolle der Düsennadel ergeben sich prinzipbedingt lange Verzugszeiten zwischen Ansteuerung und Einspritzrate. Abb. 2-12 stellt den Zusammenhang zwischen Ansteuerung und Einspritzrate exemplarisch dar. Um die Dynamik des Systems zu erhöhen werden ebenfalls Piezo-Aktoren für Servo-Ventile eingesetzt. Den Vorteilen der schnellen Reaktionszeiten und der spezifisch hohen Schaltkräfte des Piezo-Aktors steht eine aufwändige Regelung gegenüber, welche die Temperaturabhängigkeit der Piezoeigenschaften kompensieren muss. Beispiel für das beschriebene Funktionsprinzip des Servo-Injektors finden sich in Boecking et al. (2005) und Leonhard und Warga (2008). Neben den Servo-Injektoren existiert noch die Gruppe der direktbetätigten Injektoren, Schöppe et al. (2008). Bei diesem Injektortyp wirkt der Piezo-Aktor direkt auf die Düsennadel, so dass eine direkte Kontrolle dieser ermöglicht wird. Bereits früh wurden die Potenziale einer direkten Nadelsteuerung und damit auch Einspritzverlaufsformung auf die Verbrennung und Schadstoffbildung aufgezeigt, siehe Stegemann (2004), jedoch scheiterte die Umsetzung in der Serie bisher an der Komplexität und an den Kosten des Systems. Die Vorteile von direktbetätigten Systemen liegen in den sehr kurzen Schaltzeiten des

2.2 Dieselmotoren

27

Aktors und den damit möglichen kurzen Spritzabständen zwischen den einzelnen Einspritzungen. Durch die direkte Kontrolle der Nadel ohne Zuhilfenahme des Druckes wird eine weitestgehend druckunabhängige Nadelbewegung realisiert. Weitere Vorteile bestehen in dem Fehlen von Leckageleitungen und den damit verringerten Verlusten.

Abb. 2-12: Funktionaler Zusammenhang zwischen Bestromung, Ventilhub, Nadelhub und Einspritzverlauf

„ Einspritzdüsen Durch die Bohrung(en) in der Einspritzdüse wird der Brennstoff in den Brennraum eingespritzt. Beim Einspritzvorgang soll der Brennstoff möglichst fein zerstäubt (luftverteilendes Verfahren) oder gezielt auf die Oberfläche der Brennstoffmulde im Kolben aufgebracht werden (wandanlagerndes Verfahren). Allerdings spielen wandanlagernde Verfahren beim aktuellen Stand der Technik keine Rolle mehr. Aus dieser Betrachtung resultiert die Bedingung, dass für unterschiedliche Brennverfahren und Brennstoffe unterschiedliche Düsenformen verwendet werden müssen, siehe Abb. 2-13.

y Drosselzapfendüsen werden in Vor- und Wirbelkammermotoren eingesetzt. Sie haben

einen hubabhängigen Öffnungsquerschnitt, sind vorteilhaft im Hinblick auf das Verbrennungsgeräusch, neigen aber aufgrund des Brennverfahrens zur Verkokung. Durch den sehr großen freigegebenen Strömungsquerschnitt (Ringspalt) sind sie lediglich für geringe Einspritzdrücke geeignet.

y Lochdüsen (Sitz- und Sackloch) werden in Dieselmotoren mit Direkteinspritzung eingesetzt, sowohl in konventionellen Einspritzsystemen als auch in Common-RailEinspritzsystemen.

28

2 Motorische Verbrennung

Abb. 2-13: Ausführungen von Einspritzdüsen

Nebenkammer-Brennverfahren spielen in aktuellen Dieselmotoren keine nennenswerte Rolle mehr, so dass nur noch Sitz- bzw. Lochdüsen zur Anwendung kommen. Sitzlochdüsen haben den Vorteil, dass die Düsenlöcher direkt von der Düsennadel abgedeckt werden und ein Ausdampfen von Brennstoffresten aus dem Schadvolumen unterhalb der Nadel nicht möglich ist. Durch die direkte Einwirkung der Nadel auf die Düsenlochfläche, ist eine stärkere Koppelung von Nadelhub/Strömungsquerschnitt zu Einspritzrate möglich. Der konstruktive Nachteil dieses Prinzips liegt in einer aufwändigen Nadelführung. Sollte die Führung nicht präzise genug sein, könnte ein Taumeln der Düsennadel eine Asymmetrie im Strahlbild erzeugen. In Sacklochdüsen münden die Düsenlöcher in einem Ausgleichsvolumen, welches die Aufgabe hat, die Strömung zu beruhigen, und ein homogenes Einspritzstrahlbild zu erzeugen. Durch Entkoppelung der Düsenlöcher von der Dichtfläche wird die Stabilität verbessert, jedoch führt das unterhalb der Nadel befindende Volumen nach dem Schließen zu einem Ausdampfen des Brennstoffes und damit zu einer Erhöhung der HC-Emissionen. Unabhängig von ihrer Position in der Düse existieren unterschiedliche Düsenlochformen, die beispielhaft in Abb. 2-14. dargestellt werden. Zylindrische Düsenlöcher stellen die einfachste Form dar und weisen bereits einen hohen Wirkungsgrad/Durchflussbeiwert auf. Durch eine positive Konizität (innen großer und außen kleiner Durchmesser) kann der Durchflussbeiwert zusätzlich gesteigert werden. Zur Gleichstellung der Löcher und zur Vergleichmäßigung der Strömung werden Düsen während der Fertigung mit einer abrasiven Flüssigkeit gespült und damit hydroerosiv verrundet (HE). Durch die HE-Verrundung wird die Kavitationsneigung minimiert und der Durchflussbeiwert und Wirkungsgrad werden abermals erhöht. Eine Minimierung der Kavitationsneigung in strömungsoptimierten Düsenlöchern hat jedoch zur Folge, dass die Verkokungsneigung der Düse zunimmt, da eventuelle Ablagerungen nicht mehr abgelöst werden.

zylindrisch Abb. 2-14: Standardausprägungen von Sacklochdüsen

konisch

konisch+HE

2.2 Dieselmotoren

2.2.2

29

Gemischbildung

Dieselmotoren können sowohl nach dem Zweitakt- als auch nach dem Viertakt-Verfahren betrieben werden. Schnell- und mittelschnell laufende Viertakt-Dieselmotoren werden beispielsweise in Pkw, Nfz, industriellen, maritimen und stationären Anwendungen eingesetzt. Diese Motoren sind üblicherweise mit einem oder zwei Einlass- und einem oder zwei Auslassventilen ausgestattet. Dabei ist der Brennraum als Mulde im Kolben untergebracht. In den häufigsten Anwendungen wird pro Zylinder ein einzelner, zentral positionierter Injektor eingesetzt, der mit einer Mehrlochdüse kombiniert ist. Das Spray eines solchen Brennverfahrens ist in Abb. 2-15 exemplarisch dargestellt. Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren werden überwiegend zum Antrieb großer Schiffe und in der stationären Stromerzeugung eingesetzt. Moderne Zweitakt-Dieselmotoren besitzen eine Gleichstromspülung, Einlassschlitze und ein zentral sitzendes Auslassventil. Bei diesen Anwendungen werden üblicherweise zwei bis vier an der Peripherie des Brennraums positionierte Injektoren mit Mehrlochdüsen eingesetzt. Der Brennstoff wird dabei in tangentialer Richtung in den Brennraum eingebracht. Abb. 2-15: Spray eines direkteinspritzenden 4-Takt-Dieselmotors

Neben der durch das Einspritzsystem eingebrachten Gemischbildungsenergie ist die Güte der Gemischbildung stark von der Interaktion der Einspritzstrahlen mit der Zylinderinnenströmung abhängig. Abb. 2-16 stellt schematisch die beiden wichtigsten makroskopischen Strömungsstrukturen in Dieselmotoren mit Direkteinspritzung dar. Die Drallströmung ist eine rotierende Strömung um die Zylinderachse, die durch die Geometrie der Einlasskanäle und in Viertaktmotoren zusätzlich durch die Ausformung der Ventilsitze erzeugt wird (Masking, Phasing). Die Quetschströmung wird durch den sich dem oberen Totpunkt nähernden Kolben erzeugt, der die Luft oberhalb des Quetschkantenbereichs verdrängt. Sowohl die Drall- als auch die Quetschströmung unterstützen die Gemischbildung. Andere gerichtete Strömungen, wie beispielsweise die Tumbleströmung, zerfallen üblicherweise während der Kompression (siehe Kapitel 14.5.2 „Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Dieselmotor“).

Abb. 2-16: Makroskopische Strömungsstrukturen im Brennraum

30

2 Motorische Verbrennung

Besonders in kleineren Pkws und leichten Nfz-Dieselmotoren werden oft tiefe -Mulden relativ kleinen Durchmessers mit starker Drallströmung verwendet. Die Drallzahl hängt stark von der Motordrehzahl ab, so dass eine Optimierung der Drallströmung für unterschiedliche Betriebspunkte, z. B. durch schaltbare Klappen im Einlasskanal notwendig ist. Das Einspritzsystem muss zusammen mit der Zylinderinnenströmung optimiert werden. So werden beispielsweise bei Brennverfahren mit hohem Drall weniger Düsenlöcher verwendet, um eine Interaktion der einzelnen durch den Drall abgelenkten Brennstoffstrahlen zu vermeiden. In nach dem Viertaktprinzip arbeitenden Dieselmotoren mit größerem Hubvolumen werden heutzutage üblicherweise Brennverfahren mit schwächerem Drall und flacheren Kolbenmulden eingesetzt, wobei die Gemischbildungsenergie hauptsächlich vom Einspritzsystem eingebracht wird. Der Vorteil solcher Verfahren mit niedriger Drallzahl liegt im höheren Luftaufwand, da die Erzeugung gerichteter Strömungsstrukturen immer auch die Gaswechselverluste erhöht. Im Gegensatz dazu existiert in großen Zweitaktdieselmotoren aufgrund des Ladungswechselprozesses eine sehr starke Drallströmung. Dabei werden bedingt durch die Lage und Ausrichtung des Einspritzsystems üblicherweise sehr flache Kolbenmulden mit einem zur Bohrung identischem Durchmesser eingesetzt. Aus diesem Grund ist die Quetschströmung in solchen Motoren sehr schwach. „ Phänomenologie der Gemischbildung Die Einspritzdüse stellt das Bindeglied zwischen Einspritzsystem und Brennraum dar. Der Brennstoff verlässt die Düse mit hoher Geschwindigkeit durch kleine Bohrungen mit Durchmessern in der Größenordnung von 0,12 mm für Pkw-Dieselmotoren bis zu ungefähr 1,5 mm bei sehr großen Zweitaktdieselmotoren. Abb. 2-17 zeigt eine qualitative Skizze des aus der Einspritzdüse austretenden Brennstoffstrahls. Das während der Einspritzung erzeugte Spray kann grob in zwei Regionen unterteilt werden, eine Region mit dichtem Spray in der Nähe des Düsenaustritts und eine dünne Sprayregion weiter stromabwärts. Die erste Auflösung des zusammenhängenden Brennstoffstrahls in Ligamente und Tropfen wird als primärer Strahlzerfall bezeichnet.

Abb. 2-17: Schematische Darstellung der Düseninnenströmung und der Strahlausbreitung, nach Baumgarten (2006)

2.2 Dieselmotoren

31

Bei modernen Hochdruck-Einspritzsystemen sind Kavitation und Turbulenz die wichtigsten Mechanismen des primären Strahlzerfalls (Arcoumanis et al., 1998). Durch die hohe Beschleunigung und die Umlenkung des Brennstoffs in der Düse kann es in bestimmten Bereichen des Nadelsitzes und/oder im Spritzloch der Druck der Flüssigkeit unter den Dampfdruck absinken, so dass sich Brennstoff-Dampfblasen bilden. Dieser Vorgang wird als hydrodynamische Kavitation bezeichnet. Abhängig von der Geometrie des Spritzlochs und den Strömungsbedingungen kann die Kavitation stabilisiert werden, so dass dampfförmiger Brennstoff den Düsenlochaustritt erreicht oder die Strömung kann sich teilweise oder vollständig wieder anlegen (Kühnsberg-Sarre et al., 1999). Die Kavitation reduziert sowohl die effektiv durchströmte Fläche der Düse als auch die Reibung. Eine intensive Kavitation reduziert die Verkokungsneigung der Düse kann aber gleichzeitig zu mechanischer Schädigung führen. Beim Verlassen der Düsenlöcher kollabieren die Kavitationsblasen aufgrund der hohen Brennraumdrücke sehr schnell, was zu einer Erhöhung der Turbulenz und einem schnelleren primären Strahlzerfall führt. Die intensive Zerstäubung in Düsennähe hat einen großen Einfluss auf die Verbrennung und damit auch auf die Schadstoffbildung. Das Auftreten von Kavitation kann durch Optimierung der Strömungsbedingungen in der Düse minimiert werden. Übliche Maßnahmen um den statischen Druck zu erhöhen und damit die Kavitationsneigung in Düsen zu Verringern sind eine Verrundung der Einlaufkante sowie eine konische Ausführung des Spritzlochs. Für ein Anwendungsbeispiel zur Simulation der Düseninnenströmung sei auf Abschnitt 14.5.3 verwiesen. Der Zerfall bereits existierender Tropfen in kleinere Tropfen aufgrund der durch die Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Umgebung vorliegenden aerodynamischen Kräfte wird als sekundärer Strahlzerfall bezeichnet. Zusätzlich können Tropfen miteinander kollidieren und sich vereinigen. Der Strahlimpuls führt zu einer Einzugströmung (Air-Entrainment) der umgebenden Brennraumluft in den Strahl. Dadurch werden die Tropfen durch konvektiven Wärmeübergang aufgeheizt und der Brennstoff beginnt zu verdunsten. Neben den physikalischen Eigenschaften und den Brennraumbedingungen (Druck, Temperatur) ist die Verdunstungsgeschwindigkeit des Brennstoffs von der Größe der gebildeten Tropfenoberfläche und damit vom primären und sekundären Zerfall sowie von der in den Strahl eingebrachten Luftmenge abhängig. Beim Dieselmotor kann die Gemischbildung nicht unabhängig von der Strahlausbreitung einerseits und der Verbrennung andererseits betrachtet werden. Es ist gerade die Besonderheit der dieselmotorischen Verbrennung, dass Strahlausbreitung, Gemischbildung und Verbrennung teilweise simultan ablaufen. Nur ein geringer Anteil des eingespritzten Brennstoffs mischt sich während des Zündverzugs nahezu homogen mit der Luft im Brennraum. Bei Zündung verbrennt diese Menge fast schlagartig. Anschließend laufen Gemischbildung und Verbrennung simultan ab, und die Verbrennung wird durch die Gemischbildungsvorgänge kontrolliert. Die Strahlausbreitung und die Gemischbildung sind heute zumindest qualitativ gut verstanden und können mit halbempirischen Modellen näherungsweise beschrieben werden, siehe Baumgarten (2006), Ramos (1989) und Stiesch (2003).

2.2.3

Selbstzündung und Verbrennungsablauf

Die Zeitspanne zwischen Einspritz- und Brennbeginn wird als Zündverzugszeit bezeichnet. Die dabei ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse sind sehr komplex. Die wesentlichen physikalischen Vorgänge sind die Zerstäubung des Brennstoffes, die

32

2 Motorische Verbrennung

Verdampfung und die Mischung von Brennstoffdampf und Luft bis zur Bildung eines zündfähigen Gemisches. Die chemischen Prozesse, die unter dieseltypischen Bedingungen zu einer Selbstzündung der im Brennstoff enthaltenen Kohlenwasserstoffe führen, sind durch einen hochkomplexen, degenerierten Kettenverzweigungsmechanismus gekennzeichnet (Curran et al. 1998). Für eine genauere Darstellung der chemischen Prozesse und von Modellierungsansätzen sei auf Kapitel 5.2 verwiesen. Der Ort der Zündung im Diesel-Einspritzstrahl hängt stark von den Randbedingungen ab. Higgins et al. (2000) geben beispielsweise basierend auf Messungen in einer HochdruckVerbrennungskammer an, dass die Zündung in Gebieten mit einem über dem Strahlquerschnitt gemitteltem Luft-Brennstoffverhältnissen von etwa 0,25 < O < 0,65 stattfindet. Nach Pischinger (2001) findet die Selbstzündung bevorzugt in Bereichen mit lokalen Luft-Brennstoffverhältnissen im Bereich 0,6 < O < 0,8 statt. Die Zündverzugszeit kann über Temperatur und Druck zum Einspritzbeginn gesteuert werden, die wiederum von Einlasstemperatur und -druck, dem Verdichtungsverhältnis, dem Einspritzbeginn und den Wandtemperaturen abhängen. Zusätzlich haben die Zündfähigkeit des Brennstoffes (Cetanzahl) und weitere Parameter wie der Einspritzdruck, die Geometrie der Düsenlöcher und die Zylinderinnenströmung maßgeblichen Einfluss auf die Zündverzugszeit und den Zündort. Abb. 2-18 stellt schematisch den Einspritz- und Brennverlauf eines Dieselmotors mit Direkteinspritzung dar. Der Ablauf der dieselmotorischen Verbrennung lässt sich daraus ableitend in drei Phasen unterteilen.

Abb. 2-18: Einspritz- und Brennverlauf im Dieselmotor

„ Phase 1: Initiale vorgemischte Verbrennung Die erste Phase schließt direkt an die Zündung an. Der während der Zündverzugszeit eingespritzte Brennstoff mischt sich mit der Luft im Brennraum und bildet ein nahezu homogenes und reaktionsfähiges Gemisch. Nach der Zündverzugszeit, die physikalisch

2.2 Dieselmotoren

33

und chemisch kontrolliert ist, verbrennt dieses Gemisch sehr schnell. Da auch in der Hauptverbrennung Gebiete mit vorgemischter Verbrennung auftreten, wird diese Phase initiale vorgemischte Verbrennung genannt. Die Rate der Wärmefreisetzung ist in dieser Verbrennungsphase durch die Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen und durch die Menge an während der Zündverzugszeit gebildetem Brennstoff-Luft Gemisch kontrolliert. Das für den Dieselmotor typische Verbrennungsgeräusch wird durch die hohe Druckanstiegsgeschwindigkeit zu Beginn der Verbrennung verursacht. Diese Druckanstiegsgeschwindigkeit kann durch Veränderung des Einspritzzeitpunktes beeinflusst werden, wobei gilt: ein früher Einspritzbeginn führt zu einer „harten“ und ein später zu einer „weichen“ Verbrennung, siehe Abb. 2-19. Darüber hinaus kann das Verbrennungsgeräusch durch eine Voreinspritzung wesentlich reduziert werden. Dabei wird zunächst nur eine geringe Brennstoffmenge von etwa 2 % eingespritzt, die nach der Zündverzugszeit nur zu einer geringen Wärmefreisetzung und damit zu einem geringen Druckanstieg führt. Die erhöhten Temperaturen führen jedoch zu einer deutlichen Herabsetzung der Zündverzugszeit der Haupteinspritzung, was zu einer Reduzierung des Anteils der Vormischverbrennung mit positiver Auswirkung auf das Geräusch führt. dmB dj dEB dj EV

EV

BV OT

j

BV OT

j

EV

BV OT

j

Abb. 2-19: Einspritz (EV)- und Brennverlauf (BV) bei früher (links) und später (rechts) Verbrennung

„ Phase 2: Hauptverbrennung In der zweiten Phase wird die Wärmefreisetzung durch die turbulenten Mischungsvorgänge zwischen Brennstoff und Luft kontrolliert und wird daher auch als mischungskontrollierte Verbrennung bezeichnet. In dieser Phase finden Einspritzung, Strahlaufbruch, Tropfenverdunstung, Mischung mit Luft, Verbrennung und Schadstoffbildung gleichzeitig statt. Abb. 2-20 zeigt einen, dem konzeptionellen Modell von Dec (Dec, 1997, Flynn et al., 1999) folgenden Querschnitt durch einen reagierenden Diesel-Einspritzstrahl. Das Modell beschreibt die quasi-stationäre Phase während der Hauptverbrennung und ist streng genommen nur unter ruhender Umgebungsbedingung gültig. Der flüssige Brennstoffstrahl dringt in den Brennraum ein, vermischt sich mit Luft und verdunstet. Das Luftverhältnis im Strahl nimmt sowohl mit zunehmender Distanz zur Einspritzdüse als auch mit Distanz zur Strahlachse zu. Stromabwärts der flüssigen Eindringtiefe bildet sich eine fette Gemischzone, die zu einer partiellen Oxidation des Brennstoffs und zu Temperaturen bis 1600 K führt. Nach Flynn et al., 1999 liegt das Luftverhältnis in dieser Zone im Bereich 0,25 < O < 0,5 und es wird ca. 15 % des gesamten Wärme in dieser Zone freigesetzt.

34

2 Motorische Verbrennung

Abb. 2-20: Konzeptionelles Modell der Dieselverbrennung nach Dec (Dec, 1997, Flynn et al., 1999)

Unter den teiloxidierten Produkten der vorgemischten Verbrennung befinden sich auch Vorläuferspezies, die weiter stromabwärts in der Mitte der Flamme zur Partikelbildung führen (vgl. Kapitel 6.5). Eine Diffusionsflamme bildet sich um den Einspritzstrahl auf einer Isofläche mit stöchiometrischem Luft-Kraftstoffverhältnis. Die teiloxidierten Produkte der fetten Vormischverbrennung und gebildete Partikel bewegen sich weiter stromabwärts und werden in die Diffusionsflamme transportiert, wo sie vollständig zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert werden. Die Temperaturen steigen auf bis zu 2700 K. Aufgrund der hohen Temperaturen bilden sich auf der mageren Seite der Diffusionsflamme Stickoxide (vgl. Kapitel 6.4). In der Nähe der Einspritzdüse bestimmen die Verdunstungsprozesse und die chemischen Reaktionen im Strahl die Entfernung, in der sich die Diffusionsflamme von der Einspritzdüse etabliert. Die axiale Distanz zwischen Einspritzdüse und Diffusionsflamme wird als Abhebelänge (lift-off length) bezeichnet und stellt eine wichtige Eigenschaft einer Dieselflamme mit Bezug auf die Rußbildung dar (siehe z. B. Siebers und Higgins, 2001). „ Phase 3: Nachverbrennung Nach Beendigung der Einspritzung wird kein zusätzlicher Impuls mehr über die Einspritzung in den Strahl eingebracht und die Flamme entwickelt sich zu einer Zone teiloxidierter Produkte der fetten Vormischverbrennung, die von einer Diffusionsflamme umgeben ist. Die genauen Eigenschaften dieser Zone hängen vom Einspritzsystem ab. Schließt die Düsennadel sehr schnell, besitzen die letzten Brennstoffpakete noch eine hohe Geschwindigkeit, so dass diese einen ähnlichen Verbrennungsablauf besitzen wie in der Hauptverbrennung. Andererseits führt ein langsames Schließen der Nadel zu niedrigen Geschwindigkeiten der letzten Brennstoffpakete, einer niedrigen Beimischung mit Luft und entsprechend intensivierter Rußbildung und verlangsamter -oxidation. Durch die Expansion des Kolbens Richtung unterem Totpunkt werden die Temperaturen im Brennraum abgesenkt. Mit den niedrigeren Temperaturen sinken auch die Reaktionsraten, so dass die Verbrennung erneut chemisch kontrolliert ist. Diese Phase ist von extremer Bedeutung für die Oxidation des zuvor gebildeten Rußes, von dem über 90 % wieder abgebaut werden.

2.2 Dieselmotoren

35

Wie in Kapitel 6 näher erläutert wird, sollten die Temperaturen während dieser Verbrennungsphase hoch sein, da die Rußoxidation unterhalb von 1300 K sehr langsam wird, siehe Glassmann (1988). 150

0,75

120 Druckverlauf 90

0,6 0,45

60

0,3 Brennverlauf

30

0,15

-30

0

30

0 60 j [°KW] 90

150

0,75 Teillast: n = 1500 min-1 pme = 9,8 bar

p [bar] 120 90 60

0,45 0,3

Druckverlauf

30 0 -60

0,6

0,15

Brennverlauf -30

0

dEB/dj [kJ/°KW]

0 -60

dEB/dj [kJ/°KW]

Volllast: n = 1500 min-1 pme = 22,2 bar

p [bar]

30

0 60 j [°KW] 90

Abb. 2-21: Druck- und Brennverlauf in einem schnell laufenden Dieselmotor bei Voll- und Teillast

Maßgebend für die thermodynamische Qualität des gesamten Verbrennungsprozesses ist die freigesetzte thermische Energie

dE B dM

f (M ) .

(2.1)

Sie führt zur Aufheizung des Brennstoff-Luft-Gemisches im Zylinder und damit zum Temperatur- und Druckanstieg. Als Beispiel zeigt Abb. 2-21 den Druck- und den Brennverlauf bei Voll- und bei Teillast in einem schnell laufenden Hochleistungsdieselmotor mit relativ später Einspritzung. Die Berechnung der Wärmefreisetzung ist ein zentrales Element in der Simulation motorischer Prozesse. Je nach Aufgabenstellung kann sie mit Hilfe einfacher empirischer Funktionen (vgl. Abschnitt 9.1.5), mit phänomenologischen Modellen (vgl. Abschnitt 10.1) oder mit detaillierten physikalischen und chemischen Modellen in Verbindung mit der mehrdimensionalen numerischen Strömungsmechanik (vgl. Kapitel 17) berechnet werden.

36

2 Motorische Verbrennung

2.2.4 Rohemissionen des Dieselmotors Der Fokus in der Entwicklung von Dieselmotoren liegt seit einiger Zeit auf der Erfüllung der gesetzlichen Limitierungen schädlicher Abgasemissionen bei gleichzeitiger Verbesserung oder Beibehaltung des Brennstoffverbrauchs. Je nach Anwendung werden die emittierten Emissionen eines Dieselmotors unterschiedlich ermittelt, beispielsweise in Kombination mit dem Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand bei Pkw-Motoren oder auf dem Motorprüfstand bei Motoren für Nutzfahrzeuge und mobile Arbeitsmaschinen. In der Regel werden sowohl die Emissionen in weitestgehend stationären Betriebspunkten wie auch in transienten Zyklen bei einer Zertifizierung überprüft. Für die Norm Euro VI für schwere Nutzfahrzeuge, die 2013 in Kraft tritt, werden beispielsweise der stationäre Zyklus WHSC (World Hormonized Stationary Cycle) und der transiente Zyklus WHTC (World Harmonized Transient Cycle) zur Überprüfung der Emissionen herangezogen. Der WHSC besteht aus 13 stationären Betriebspunkten unterschiedlicher Haltedauer und definiert zu durchfahrenden Rampen zwischen den stationären Punkten. Der WHTC ist ein transienter Prüfzyklus mit einer Dauer von 1800 s und mehreren Schub- und Leerlaufphasen. Der WHTC wird sowohl mit kaltem, wie auch mit warm konditioniertem Motor durchfahren. Üblicherweise wird die Masse der Abgaskomponenten NOx, Partikel, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und CO einzeln oder in Kombinationen limitiert. Zusätzlich wird bei zukünftig in Kraft tretenden Emissionsnormen teilweise die Partikelanzahl limitiert werden. Obwohl heutzutage nahezu alle Dieselmotoren mit unterschiedlichen Abgasnachbehandlungssystemen kombiniert werden (vgl. Kapitel 11), besitzt die Optimierung des Motorprozesses und des Motorbrennverfahrens zur innermotorischen Reduktion der Schadstoffe in Verbindung mit einer Verbrauchs-, Geräusch und Kostenoptimierung immer noch eine entscheidende Bedeutung. In diesem Abschnitt sollen einige grundlegende Einflüsse auf die Emissionen und den Brennstoffverbrauch des dieselmotorischen Brennverfahrens aufgezeigt werden. Der Fokus liegt dabei auf den Stickoxid- und Partikelemissionen im Rohabgas, wobei in erster Linie auf Einflüsse des Einspritzsystems und der Gemischzusammensetzung des Brennraumgases eingegangen wird. Für eine Beschreibung der zugrundeliegenden Entstehungsmechanismen sei auf Kapitel 6 verwiesen. „ Einspritzsystem

Der Optimierung des Einspritzsystems eines Motors und der Einspritzparameter kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Abb. 2-22 zeigt den Einfluss einer Verstellung des Einspritzbeginns auf den Brennverlauf, den kumulierten Brennverlauf, den Zylinderdruck und die Temperatur in der verbrannten Zone bei einem Betriebspunkt hoher Drehzahl und Last eines Nutzfahrzeugmotors. Die Wärmefreisetzung und die Temperatur der verbrannten Zone wurden mit einer Zweizonen-Druckverlaufsanalyse aus dem gemessenen Zylinderdruck berechnet. Die Beschreibung der beiden Zonen erfolgt dabei ähnlich wie in den in Abschnitt 9.2.2 beschriebenen Modellen. Um die gleiche indizierte Leistung zu erzeugen, wird bei der späten Einspritzung eine etwas größere Brennstoffmenge eingespritzt, d. h. die Einspritzdauer steigt im Vergleich zum frühen Einspritzzeitpunkt leicht an. Ladedruck und Einspritzdruck bleiben konstant. Am Druckverlauf ist zunächst zu erkennen, dass die um 4,5 °KW frühere Einspritzung zu einem deutlich höheren Spitzendruck führt. In den Brennverläufen ist das Einspritzende durch das Ende des Plateaus maximaler Wärmefreisetzung bei ca. 14 °KW für die frühe Einspritzung und ca. 19 °KW für die späte Einspritzung gekennzeichnet. Der Anstieg und die maximale Wärmefreisetzung sind bei beiden Einspritzzeitpunkten nahezu identisch und nur zeitlich versetzt.

2.2 Dieselmotoren

37

1.0 früher Einspritzbeginn später Einspritzbeginn

0.8

0.20

0.6

0.15 0.4

0.10

0.2

0.05 0.00

0.0 -20

0

20

40

60

80

-20

0

20

40

80 3000

140 Zylinderdruck [bar]

60

120 2500

100 80

2000

60 40

1500

Temperatur [K]

dEB/dI [kJ/°]

0.25

kum. Brennverlauf [-]

0.30

20 0

1000 Kurbelwinkel [°]

Kurbelwinkel [°]

Abb. 2-22: Einfluss des Einspritzbeginns auf die Verbrennung (Nfz-Motor, 2100 min–1, 100 % Last)

Der Abfall der Wärmefreisetzung erfolgt bei der späten Einspritzung aber etwas schneller, so dass die Wärmefreisetzung in der späten Ausbrandphase ab ca. 60 °KW eine ähnliche Größenordnung besitzt. Betrachtet man die Temperaturen, ist zunächst zu erkennen, dass bei der frühen Einspritzung eine minimal höhere Spitzentemperatur vorliegt. Mit Blick auf die in Kapitel 6.5 beschriebene thermale Stickoxidbildung führt jedoch bereits eine kleine Temperatursteigerung zu einem deutlichen Anstieg der Stickoxidemissionen. Durch den Einfluss der Expansion der Zylinderladung liegt die Temperatur in der verbrannten Zone im Fall der frühen Einspritzung ca. 21.5 °KW, im Fall der späten Einspritzung nur ca. 20.5 °KW über 2000 K. Die höheren Verbrennungstemperaturen lassen auf eine deutlich höhere Stickoxidbildung schließen. Gleichzeitig sind durch die höheren Temperaturen, die nach Beendigung der Einspritzung vorliegen, niedrigere Partikelemissionen im Abgas zu erwarten. Abb. 2-23 zeigt den Einfluss einer Einspritzdrucksteigerung von 1600 bar auf 2200 bar auf die Verbrennung im gleichen Betriebspunkt wie zuvor. Der Ladedruck und der Verbrennungsschwerpunkt werden dabei konstant gehalten, d. h. die Einspritzung bei niedrigerem Einspritzdruck beginnt etwas früher. Die Änderung des Einspritzdruckes führt zunächst zu einer Erhöhung der Austrittsgeschwindigkeit und damit des Massenstroms des flüssigen Kraftstoffs aus den Düsenlöchern des Injektors. Je nach Druckbereich kann es durch die höheren Geschwindigkeiten zu deutlichen unterschieden in der Düseninnenströmung und im Strahlaufbruch kommen, vgl. Abschnitt 2.2.2. Es wurde jedoch in einer Vielzahl von Studien festgestellt, dass eine Änderung des Einspritzdruckes keine Änderung der quasistationären Eindringtiefe der flüssigen Phase in den Brennraum bewirkt, siehe z. B. Siebers (1998). Die Erhöhung des Einspritzdruckes führt zu einem schnelleren Eindringen des Kraftstoffes gleichzeitig

38

2 Motorische Verbrennung

erhöht sich aber auch die Menge an Luft, die in den Strahl eingezogen wird. Als Resultat bleibt die Verteilung des Luftverhältnisses über der Strahllänge näherungsweise konstant. Die Geschwindigkeit der zur Zündung führenden chemischen Reaktionen ändert sich nicht signifikant, d. h. auch die Zündverzugszeit ändert sich nicht. Durch das schnellere Eindringen des Kraftstoffs erhöht sich somit die in Abschnitt 2.2.3 beschriebenen Abhebelänge, vgl. Siebers und Higgings (2001). Eine Erhöhung der Abhebelänge bei Erhöhung des Einspritzdruckes bedeutet, dass an dem Punkt im Strahl, an dem die Temperatur stark ansteigt, das Kraftstoff-Luft-Verhältnis mit zunehmendem Einspritzdruck abgesenkt wird. Damit ist eine Verringerung der Partikelbildung zu erwarten. Gleichzeitig führt der höhere Strahlimpuls zu einer intensiveren Wandinteraktion zwischen Brennraumgas und Kolbenwand, was zu einer besseren Durchmischung und zu einer verbesserten Rußoxidation führen kann. 1.0 niedriger Einspritzdruck hoher Einspritzdruck

0.8

0.20

0.6

0.15 0.4

0.10

0.2

0.05 0.00

0.0 -20

0

20

40

60

80

-20

0

20

40

Zylinderdruck [bar]

140

60

80 3000

120 2500

100 80

2000 60 40

1500

Temperatur [K]

dEB/dI [kJ/°]

0.25

kum. Brennverlauf [-]

0.30

20 0

1000 Kurbelwinkel [°]

Kurbelwinkel [°]

Abb. 2-23: Einfluss des Einspritzdrucks auf die Verbrennung (Nfz-Motor, 2100 min–1, 100 % Last)

Im Brennverlauf in Abb. 2-23 ist gut zu erkennen, dass durch den höheren Einspritzdruck und die damit verbundene schnellere Zufuhr von Kraftstoff eine höhere maximale Wärmefreisetzung vorliegt. Am kumulierten Brennverlauf ist zu erkennen, dass durch die Verstellung des Einspritzbeginns der Zeitpunkt an dem 50 % der Energie des Brennstoffs freigesetzt werden konstant bei ca. 18 °KW gehalten wird. Der Temperaturverlauf ist für beide Fälle sehr ähnlich, im Falle des hohen Einspritzdruckes liegen zum Ende der Einspritzung und danach jedoch noch etwas höhere Temperaturen vor, was eine verbesserte Rußoxidation erwarten lässt. Der gesamte Zeitraum mit hohen Temperaturen (z. B. > 2000 K) ist jedoch im Fall des niedrigen Einspritzdruckes etwas größer als im Fall des hohen Einspritzdruckes. Da jedoch durch den größeren Strahlimpuls im Falle des hohen Einspritzdruckes die Gemischbildungsbereiche mit hoher Temperatur ein größeres Volu-

2.2 Dieselmotoren

39

216

0.040

214 212

0.035 0.030

EB später

0.025

EB später

208

EinspritzbeginnVariation

0.020

210 206 204

0.015

202

0.010 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6

1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 207

0.045 Partikel [g/kWh]

0.040 0.035

spez. Verbrauch [g/kWh]

0.045

ED höher

0.030

pRail-Variation

ED höher

206

0.025 205

0.020 0.015

204

0.010 Stickoxide [g/kWh]

Stickoxide [g/kWh]

Abb. 2-24: Einfluss von Einspritzbeginn und Raildruck auf spez. Kraftstoffverbrauch in einem mittleren Teillastpunkt (Nfz-Motor, 1600 min–1, 50 % Last, Weiskirch et al., 2011)

spez. Verbrauch [g/kWh]

Partikel [g/kWh]

men einnehmen werden, ist eine Beurteilung der Stickoxidbildung anhand der dargestellten Auswertung nur schwer möglich. Abb. 2-24 zeigt die Auswirkung einer Einspritzbeginn- und einer Einspritzdruckvariation auf die Partikel- und Stickoxidemissionen im Abgas eines Nutzfahrzeug-Dieselmotors in einem Betriebspunkt mit 1500 min–1 und 50 % Last, Weiskirch et al. ( 2011). Der Einspritzbeginn wird in vier Stufen um insgesamt 8 °KW verändert. Da durch die Spätverstellung die Wärmefreisetzung weiter in die Expansionsphase verschoben wird, steigt mit späterem Einspritzbeginn der spez. Kraftstoffverbrauch an. Wie aus der Betrachtung zu Abb. 2-22 zu erwarten ist, führt ein früherer Einspritzbeginn zu höheren Stickoxid- und sinkenden Partikelemissionen. Das dargestellte Verhalten ist in der Regel dann gegeben, wenn die Wärmefreisetzung hauptsächlich als mischungskontrollierte Verbrennung erfolgt (vgl. Phase 2 in Abschnitt 2.2.3). Bei stark vorgemischter Verbrennung ist auch eine Umkehr des Trends an bestimmten Einspritzzeitpunkten möglich. Der Einspritzdruck wird in drei Stufen um insgesamt 300 bar variiert. Bei der Einspritzdruckvariation wurde in diesem Fall der Einspritzbeginn konstant gehalten, d. h. der Verbrennungsschwerpunkt bewegt sich mit zunehmendem Einspritzdruck nach früh. Dadurch sinkt mit zunehmendem Einspritzdruck der spez. Kraftstoffverbrauch. Durch die Erhöhung der Abhebelänge und die bessere Rußoxidation kann mit einer Erhöhung des Einspritzdruckes eine deutliche Verringerung der Partikelmasse im Abgas erreicht werden, gleichzeitig steigen die Stickoxidemissionen an. Bei gleicher Reduktion in der Partikelmasse wie bei Frühverstellung des Einspritzbeginns fällt jedoch die Erhöhung der Stickoxide bei Steigerung des Raildruckes moderater aus. Die Erhöhung der Stickoxidemissionen ist zum Teil auf die veränderte Schwerpunktlage der Verbrennung zurückzuführen.

40

2 Motorische Verbrennung

Mit zukünftigen Emissionsnormen rückt die Limitierung der Partikelanzahl zusätzlich zu der Partikelmasse in den Fokus. Auch in Verbindung mit offenen oder geschlossenen Partikelfiltersystemen, die üblicherweise in einem bestimmten Partikelgrößenbereich optimal arbeiten, stellt sich die Frage, ob die Partikelgrößenverteilung im Rohabgas beeinflusst werden kann. Zu den in Abb. 2-24 dargestellten Variation stellt Abb. 2-25 die Größenverteilung der Partikel im Abgas dar (Weiskirch et al., 1011). Die Partikelgrößenverteilung, wurde in den Experimenten mit einem EEPS (Exhaust Emission Particle Sizer) ermittelt. Die Messung mit dem EEPS basiert auf der Messung der elektrischen Mobilität der Partikel. Maßgeblich ist dabei die Größe des gesamten, agglomerierten Partikels. Einzelheiten zum Messverfahren können Johnson et al. (2004), Details zum Messaufbau Weiskirch et al. (2011) entnommen werden. Grundsätzlich kann bei Dieselmotoren nach Kittelson (1998) eine tri-modale Verteilung der Partikelgrößen erwartet werden, vgl. Abschnitt 6.5. In dem dargestellten Betriebspunkt wird die Verteilung vom sogenannten Akkumulationsmodus dominiert. Der Nukleationsmodus ist sehr schwach ausgeprägt und durch die lineare Skalierung der y-Achse in der Darstellung nicht zu erkennen. Es wird deutlich, dass eine Variation des Einspritzbeginns und des Einspritzdruckes zwar in einer deutlichen Veränderung der Partikelanzahl resultiert, die Größenverteilung ändert sich aber nur in sehr geringem Maße. Ähnliche Ergebnisse sind in einer Vielzahl anderer Studien gefunden worden, vgl. z. B. Raatz (2002) und Stumpf et al. (2005). In einigen Untersuchungen wurde jedoch auch ein signifikanter Einfluss auf die Partikelgrößenverteilung gefunden, siehe z. B. Mathis et al. (2005). Die Möglichkeit einer applikativen Einflussnahme hängt damit stark vom Betriebspunkt und der Verbrennungshardware ab. ' BOI [°KW] -2

2

6

160

-2°KW Basis

80

+2°KW

EinspritzbeginnVariation

+4°KW

Partikelanzahl

Partikelanzahl Partikelmasse

-200 bar

0

' Partikel [%]

Partikelanzahl

-4°KW

' Partikel [%]

240

160

pRail-Variation

-100 bar Basis

80

+100 bar 0 1

10

100

Partikelgröße [nm]

-20

0

' pRail [%]

20

40

Abb. 2-25: Einfluss von Einspritzbeginn und Einspritzdruck auf die Partikelgrößenverteilung in einem mittleren Teillastpunkt (Nfz-Motor, 1600 min–1, 50 % Last, nach Weiskirch et al., 2011)

2.2 Dieselmotoren

41

Neben Einspritzdruck und Einspritzbeginn bzw. Schwerpunktlage der Verbrennung stellt die eigentliche Form der Einspritzrate einen wichtigen Optimierungsparameter dar. Abb. 2-26 stellt eine Auswahl möglicher Einspritzratenverläufe dar. Zum Einen kann die Einspritzmasse in mehrere einzelne Einspritzereignisse aufgeteilt werden. Die Variationsmöglichkeiten hängen dabei stark vom Einspritzsystem ab, grundsätzlich sind aber mehrere Voreinspritzungen, eine eventuell in mehrere Blöcke aufgeteilte Haupteinspritzung und mehrere Nacheinspritzungen denkbar. Voreinspritzungen sind, wie bereits in Abschnitt 2.2.3 besprochen, in erster Linie zur positiven Beeinflussung des Verbrennungsgeräusches geeignet. Die Voreinspritzung beeinflusst aber auch Stickoxid- und Partikelemissionen, vgl. z. B. Musculus (2004). Eine nah an die Haupteinspritzung angelegte Nacheinspritzung kann zur Reduktion der Partikelemissionen genutzt werden, vgl. Payri et al. (2002). Eine späte Nacheinspritzung wird teilweise in Pkw-Motoren zur Regeneration von Partikelfilter oder NOx-Speicherkatalysator eingesetzt.

Abb. 2-26: Mögliche Einspritzereignisse und Einspritzratenformen

Neben der Aufteilung in mehrere Einspritzereignisse besitzt auch die Form der Haupteinspritzung Einfluss auf Emissionen und Verbrauch. Bei bestimmten Einspritzsystemen (vgl. Abschnitt 2.2.1) kann die Form der Haupteinspritzung auch betriebspunktabhängig geändert werden. Als Beispiel für die Auswirkung einer solchen Variabilität stellt Abb. 2-27 einen Vergleich zwischen einem Einspritzgesetz mit Vor- und Haupteinspritzung und einer stiefelförmigen „Boot“-Einspritzung dar (Marohn et al., 2008). Dargestellt ist ein Teillastbetriebspunkt (2280 min–1, 9,7 bar indizierter Mitteldruck) eines Pkw-Motors. Die Vor- und Haupteinspritzung wird mit einem konventionellen Common-Rail Einspritzsystem erzeugt, die Boot-Einspritzung mit einem Forschungseinspritzsystem, welches die Einspritzrate über den Einspritzdruck moduliert. Im Vergleich zur konventionellen Einspritzung wird der Einspritzvorgang bei der Booteinspritzung zunächst mit einem geringen Einspritzdruck, hier 400 bar, eingeleitet. Nach einer Verzugszeit wird der Druck auf 1800 bar erhöht. Die Booteinspritzung reduziert den Anteil der initial-vorgemischten Verbrennung und ermöglicht eine anfänglich reduzierte Wärmefreisetzungsrate. Als Folge ergibt sich ein nahezu isobarer Zylinderdruckverlauf mit einem deutlich reduzierten Maximum in der Wärmefreisetzung. In dem dargestellten Fall können die Geräuschemissionen mit der Boot-Einspritzung deutlich abgesenkt werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung der Emissionen oder des Wirkungsgrades kommt. Eine alternative Maßnahme zur Absenkung der Schadstoffemissionen stellt die Erhöhung des Vormischanteils dar. Hierbei wird eine längere Gemischaufbereitungszeit durch eine

42

2 Motorische Verbrennung

0.2

385 Ratenverlauf prail in bar

Vor.+ Haupt. 1800

Boot 400-1800

380

0.1

Geräusch [dB(A)]

0.0 0.0 92

375

370 1.0

2.0

3.0

4.0

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0 220

88

210

84

200

80

ind. spez. Verbrauch [g/kWh]

Partikel [g/kWh]

0.3

Verbrennungsschwerpunkt [°KW]

Verlängerung der Zündverzugszeit erreicht. Es existiert eine Reihe von Brennverfahren mit unterschiedlich starker Homogenisierung. Als Beispiel seien das HCCI-Verfahren (Homogenous Charge Compression Ignition) mit möglichst vollständiger Homogenisierung und das mit mäßiger Homogenisierung arbeitende PCCI-Verfahren (Premixed Charge Compression Ignition) genannt. Mit zunehmender Homogenisierung können zwar Partikel-und Stickoxidemissionen deutlich gesenkt werden, als nachteilig stellen sich jedoch erhöhte CO- und Kohlenwasserstoffemissionen, eine schwere Regelbarkeit des Zündbeginns und hohe Geräuschemissionen dar. Die niedrigen Abgastemperaturen des HCCI und PCCI-Brennverfahrens bei Schwachlast machen die vollständige Konvertierung der gasförmigen Schadstoffe mittels Oxidationskatalysator zu einer Herausforderung. Weiterhin ist der Betriebsbereich dieser Verfahren im Motorkennfeld teilweise limitiert.

190 Stickoxide [g/kWh]

Stickoxide [g/kWh]

60

30

Verbrennungsschwerpunkt 380 °KW

Zylinderdruck [bar]

Rate of injection

90

0 345

360

375

390

Crank angle in °CA

405 345

360

375

390

405

Crank angle in °CA

Abb. 2-27: Einfluss der Formung der Einspritzrate auf Emissionen, Geräusch und Verbrauch in einem mittleren Teillastpunkt (Pkw-Motor, Marohn et al., 2008)

Die bisher dargestellten Parameter wie Einspritzbeginn, Einspritzdruck und Formung der Einspritzrate können, eine entsprechende Flexibilität des Einspritzsystems vorausgesetzt, für jeden einzelnen Betriebspunkt im Motorkennfeld optimal angepasst werden. Limitie-

2.2 Dieselmotoren

43

390 k-Faktor = +2,5 k-Faktor = -1,5

0.50

380

0.25

Geräusch [dB(A)]

0.00 0.0 89

370

360 1.0

2.0

3.0

4.0

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0 230

87

215

85

200

83

ind. spez. Verbrauch [g/kWh]

Partikel [g/kWh]

0.75

Verbrennungsschwerpunkt [°KW]

rend sind hierbei nur die Anzahl der notwendigen Kennfelder und der dadurch entstehende Aufwand, diese Kennfelder zu kalibrieren. Die geometrische Auslegung des Einspritzsystems, also die Wahl der Anzahl der Düsenlöcher, Düsenlochform, -lage und ausrichtung sowie Düsendurchfluss erfolgt zusammen mit der Formung der Kolbenmulde und der Optimierung der Brennraumströmung (Drall). Aufgrund der großen Spreizung in Last und Drehzahl stellt eine solche Auslegung naturgemäß immer einen Kompromiss dar. Als Beispiel für den Einfluss der geometrischen Auslegung stellt Abb. 2-28 die Ergebnisse einer Variation der Düsenlochform dar (Marohn et al., 2008). Dabei werden zwei Düsen mit gleichem Durchfluss aber unterschiedlichem k-Faktor, der die Konizität des Düsenloches beschreibt (siehe Abschnitt 2.2.1) verglichen. Für den Fall eines positiven kFaktors verjüngt sich das Düsenloch zum Austritt hin. Diese Form führt zu einem hohen Strahlimpuls und einer daraus resultierenden kompakten Strahlform. Betrachtet wird ein Teillastbetriebspunkt an einem Pkw-Motor (1650 min–1, 10 bar indizierter Mitteldruck). Es ist zu erkennen, dass in diesem Betriebspunkt die Düse mit negativem k-Faktor geringere Partikelemissionen und ein geringeres Geräusch verursacht. Die kompaktere Strahlform der Düse mit positiver Konizität könnte hier in Verbindung mit einer niedrigen Brennraumdichte zu einer zu frühen Interaktion des Verbrennungsgases mit der Brennraumwand führen. Demgegenüber kann sich das Verhalten jedoch bei vollastnahem Betrieb umkehren, sodass dort die Düse mit positivem k-Faktor bessere Ergebnisse in Bezug auf Geräusch und Emissionen zeigt, vgl. Marohn et al. (2008). Bei den bei hohen Lastpunkten vorliegenden hohen Ladedrücken und Luftdichten im Brennraum führt der kompaktere Einspritzstrahl zu einer größeren Eindringtiefe und einer besseren Luftausnutzung.

185 Stickoxide [g/kWh]

Stickoxide [g/kWh]

Abb. 2-28: Einfluss der Düsenlochformung auf Emissionen, Geräusch und Verbrauch in einem mittleren Teillastpunkt (Pkw-Motor), (Marohn et al., 2008)

44

2 Motorische Verbrennung

Aus dem dargestellten Beispiel wird ersichtlich, dass bei der Auswahl der Geometrie des Einspritzsystems immer mehrere Betriebspunkte betrachtet werden müssen und eine Optimierung zusammen mit der Auswahl der Muldengeometrie und der Brennraumströmung erfolgen muss. „ Abgasrückführung und Aufladung

Zusammen mit der Optimierung der Einspritzung stellt die Abgasrückführung (AGR) und die Aufladung bzw. die Erhöhung des Ladedrucks das wichtigste Mittel zur Schadstoffreduktion des dieselmotorischen Brennverfahrens dar. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil der Verbrennungsprodukte, d. h. insbesondere Kohlendioxid und Wasser zusammen mit Stickstoff und in der Verbrennung nicht umgesetztem Sauerstoff, einem späteren Verbrennungszyklus erneut zugeführt. Es gibt mehrere Methoden das Abgas zurückzuführen. Die am weitesten verbreitete Methode ist die sogenannte Hochdruck-AGR. Dabei wird, ein entsprechendes Druckgefälle vorausgesetzt, Abgas vor der Turbine entnommen, üblicherweise durch einen AGR-Kühler geführt und der Frischluft an einer Stelle hinter der Ladeluftkühlung zugeführt. Bei der Niederdruck-AGR wird das Abgas in der Regel nach der Turbine im Partikelfilter gereinigt und ein Teil der Frischluft vor dem Verdichter wieder zugesetzt. Desweiteren kann Abgas, beispielsweise durch einen variablen Ventiltrieb im Zylinder gehalten werden. Das zurückgeführte Abgas verändert die Verbrennung durch chemische, thermische und Verdünnungseffekte. Der thermische Effekt der AGR ist auf die höheren spezifischen Wärmekapazitäten der Gase Kohlendioxid und Wasser im Vergleich zu Luft zurückzuführen. Die höheren Wärmekapazitäten führen zu einem Absinken von Verdichtungsend- und Verbrennungstemperatur. Natürlich besteht, abhängig von Ladeluft- und AGR-Kühler, auch ein direkter Temperatureffekt durch die AGR. Die veränderten Temperaturen führen zum einen zu einer Änderung der Zündverzugszeit und damit zu einer Verschiebung der Anteile der initial-vorgemischten und der mischungskontrollierten Verbrennung. Weiterhin beeinflussen die Temperaturen stark die Reaktionsrate der thermischen Stickoxidbildung aber auch die Bildung und Oxidation von Rußpartikeln (Kapitel 6). Das zurückgeführte Wasser besitzt einen chemischen Effekt durch die Dissoziation des Wassermoleküls zu O- und OH-Radikalen. Diese Radikale spielen eine wichtige Rolle in der thermalen Stickoxidbildung, so dass eine Erhöhung der Radikalkonzentration auch zu einer Erhöhung der Stickoxidemission führen müsste. Allerdings sind die Dissoziationsreaktionen endotherm, was diesen Effekt durch eine zusätzliche leichte Temperaturabsenkung ausgleicht. Die mit Abstand stärkste Wirkung der AGR geht auf den Verdünnungseffekt zurück (Ladommatos et al. 1997). Der Verdünnungseffekt reduziert die Sauerstoffkonzentration im Verbrennungsgas. Zur Umsetzung einer bestimmten Brennstoffmenge muss daher eine größere Menge Gemisch aufgeheizt werden, wodurch die Verbrennungstemperaturen und damit die thermale Stickoxidbildung reduziert werden. Abb. 2-29 zeigt den Einfluss der Sauerstoffkonzentration und des Ladedruckes auf Emissionen und Verbrauch in einem Teillastpunkt eines Nutzfahrzeugmotors (1600 min–1, 50 % Last). Dargestellt ist jeweils eine Einspritzbeginnvariation. Betrachtet man zunächst die Reduktion der Sauerstoffkonzentration von 21 Volumen-% (keine AGR) auf 16 Volumen-% bei konstantem Ladedruck, erkennt man, dass die Stickoxidemissionen deutlich abgesenkt werden, die Partikelemissionen aber aufgrund des niedrigeren Sauerstoffangebots gleichzeitig signifikant steigen. Der spezifische Verbrauch ist mit höherer AGR-Rate aufgrund der verlängerten Brenndauer leicht erhöht. Erhöht man nun den Ladedruck bei konstanter Sauerstoffkonzentration, d. h. man erhöht das globale Luftverhältnis, kann eine

2.2 Dieselmotoren

45

deutliche Reduzierung der Partikelemissionen bei nahezu konstanten Stickoxidemissionen erreicht werden. In dem dargestellten Fall liegt das Luftverhältnis noch deutlich niedriger als im Fall mit AGR, so dass eine noch weitere Absenkung der Partikelemissionen möglich ist.

0.30 Partikel [g/kWh]

205

21 % O2, pL = 1200 mbar 16 % O2, pL = 1200 mbar 16 % O2, pL = 1600 mbar

0.25

200

0.20 195 0.15 0.10

190

indizierter spez. Verbrauch [g/kWh]

0.35

0.05 0.00

185 0

2

4

6

8

10

2

4

Stickoxide [g/kWh]

6

8

10

12

Stickoxide [g/kWh]

Abb. 2-29: Einfluss von Sauerstoffkonzentration und Ladedruck auf Emissionen und spez. Kraftstoffverbrauch in einem mittleren Teillastpunkt an einem Nfz-Dieselmotor

Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der erhöhten Partikelemissionen bei Einsatz von AGR stellt eine Erhöhung des Einspritzdruckes dar, siehe Abb. 2-30 (Seebode et al., 2006). 185.0 O O22-Variation -Variation O22 == 21% 21% O O22 == 20% 20% O O22 == 19% 19% O O22 == 18% 18% O O22 == 17% 17% O

0.075 0.050

182.5 180.0

0.025

177.5

0.000

indizierter spez. Verbrauch [g/kWh]

Partikel [g/kWh]

0.100

175.0 0

1

2

3

4

5

6

7

Stickoxide [g/kWh]

8

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Stickoxide [g/kWh]

Abb. 2-30: Einfluss von Sauerstoffkonzentration und Raildruck auf Emissionen und spez. Kraftstoffverbrauch an einem Volllastpunkt eines Nfz-Dieselmotors (Seebode et al., 2006)

Dargestellt sind Ergebnisse für einen Betriebspunkt eines Nfz-Motors mit 2100 min–1 und 100 % Last. In der Variation der Sauerstoffkonzentration sind erneut die starke Reduktion der Stickoxide und der starke Anstieg der Partikel bei abnehmender Sauerstoffkonzentration zu erkennen. Für jede Sauerstoffkonzentration ist zusätzlich eine Einspritzdruckvariation von 1600 bar bis 2400 bar dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich der Zielkonflikt zwischen Partikel- und Stickoxidemissionen bei abnehmender Sauerstoffkonzentration stark verändert. Bei einer Konzentration von 21 % führt die Erhöhung des Einspritzdruckes nur zu einer geringen Absenkung der Partikelemissionen während die Stickoxid-

46

2 Motorische Verbrennung

emissionen stark ansteigen. Bei der niedrigsten Sauerstoffkonzentration von 17 % führt die Einspritzdruckerhöhung demgegenüber nur noch zu einem minimalen Anstieg der Stickoxide, da der thermale Bildungspfad schon sehr stark unterdrückt wird. Anderseits ergibt sich durch eine bessere Luftausnutzung eine starke Reduktion der Partikelemissionen. Eine Kombination von AGR, hohem Ladedruck und hohem Raildruck kann zu besonders niedrigen Schadstoffemissionen führen. Allerdings ist zu beachten, dass andere Nachteile, wie beispielsweise eine Erhöhung des Verbrennungsgeräusches, auftreten können. „ Emissionen im transienten Betrieb

Die vorangegangenen Betrachtungen des Emissionsverhaltens von Dieselmotoren beziehen sich alle auf den stationären Motorbetrieb. Die Vorgänge im Luftpfad, Zylinder und im Kraftstoffsystem sind dabei zwar an sich transient, verändern sich von Zyklus zu Zyklus jedoch nur wenig. Bei der Zertifizierung und im realen Betrieb ist aber das transiente Betriebsverhalten in den meisten Motoranwendungen entscheidend. Die Temperatur der den Brennraum begrenzenden Wände, die Zusammensetzung, Menge und Temperatur des Zylindergases und Einspritzparameter können im transienten Betrieb stark von den im stationären Betrieb idealen Bedingungen abweichen. Der Kraftstoffpfad kann in der Regel relativ schnell an geänderte Lastanforderungen und Drehzahlen angepasst werden. Insbesondere ist es möglich, die Einspritzmenge, die Schwerpunktlage, das Einspritzgesetz (Anzahl und Lage der Einspritzungen) und je nach Flexibilität des Einspritzsystems auch die Form der Einspritzrate von Zyklus zu Zyklus zu variieren. Die Anpassung des Einspritzdruckes hängt bei Common-Rail Systemen von der Leistung der Hochdruckpumpe ab. Je nach Länge der Leitungen und Auslegung der Regler ist bei Hochdruck-Abgasrückführung eine relativ schnelle Anpassung der Menge an zurück geführtem Abgas möglich. Das transiente Verhalten im Luftpfad hängt stark von der Aufladegruppe (Wastegate- VTG-Lader, zweistufige Aufladung) ab, ist in der Regel jedoch deutlich träger (vgl. z. B. Abschnitt 12.4.2). Die unterschiedlichen Zeitskalen von Kraftstoff- und Luftpfad führen dazu, dass in einzelnen Zyklen zu hohe oder zu niedrige Ladedrücke und AGR-Raten und damit zu hohe oder niedrige Luftverhältnisse vorliegen, was sich stark auf die Emissionen auswirkt. Daher ist bei der Entwicklung eines Dieselmotors auf Basis der Auslegung für den Stationärbetrieb eine aufwendige Auslegung von Reglern und Verbrennungsparametern für den transienten Betrieb notwendig. Als Beispiel zeigt Abb. 2-31 eine Lastaufschaltung bei konstanter Drehzahl an einem Nutzfahrzeug-Dieselmotor (Seebode et al., 2009). Bei ca. 260 s wird die Fahrpedalstellung von 30 % auf 80 % erhöht. Am Drehmomentaufbau ist zu erkennen, dass die Einspritzmasse sehr schnell erhöht wird. Um den langsamen Ladedruckaufbau und ein daraus resultierendes, niedriges Luftverhältnis auszugleichen, wird die AGR-Klappe zunächst geschlossen und dann langsam wieder geöffnet. Die Opazität gibt die Trübung im Abgas an und repräsentiert damit die Partikelemissionen. Nur zu Beginn des Lastsprungs ist kurzfristig eine erhöhte Trübung zu erkennen. Durch die Rücknahme der AGR-Rate ist demgegenüber eine deutliche Erhöhung der Stickoxidemissionen zu erkennen. Der Ladedruck ist erst nach einigen Sekunden voll aufgebaut. In dem dargestellten Beispiel ist gut zu erkennen, dass im transienten Betrieb teilweise stark von den für den stationären Betrieb optimalen Einstellwerten abgewichen werden muss, um ein insgesamt optimales Emissionsergebnis zu erzielen.

2200

100

1800

80 Fahrpedal Drehmoment

1400

60 40

600

20

AGR Klappe [%]

1000

80 Sollwert Istwert

60 40 20

Opazität [%]

3

800 Opazität Stickoxide

2

600 400

1

200

0 Ladedruck [mbar]

Fahrpedal [%]

47

Stickoxide [ppm]

Drehmoment [Nm]

2.2 Dieselmotoren

0

3400 Sollwert Istwert

3000 2600 2200 1800 255

260

265

270

275

280

Zeit [s]

Abb. 2-31: Zeitlicher Verlauf von Drehmoment, Ladedruck, und Emissionen bei Lastaufschaltung (Nfz-Motor, Seebode et al., 2009)

2.2.5

Potenzial des Dieselmotors

Nach Erfüllung der zukünftigen Abgasnormen, beispielsweise Euro VI im Nutzfahrzeugbereich im Jahr 2013, ist in naher Zukunft nach aktuellem Wissenstand keine deutliche Absenkung der jetzt schon limitierten Schadstoffemissionen bei Dieselmoren mehr zu erwarten. Allerdings ist es möglich, dass einzelne Emissionsbestandteile in zukünftigen Normen detaillierter aufgeschlüsselt werden. So wird bereits für Euro VI die Partikelanzahldichte zusätzlich zur Partikelmasse limitiert. Zukünftig wären beispielsweise eine getrennte Limitierung von NO2 und NO sowie eine Limitierung einzelner Kohlenwasserstoffe denkbar. Bei fortschreitender Einführung von Abgasnormen aus Europa, Japan und den USA in Schwellenländern rückt zunehmend die Beherrschung des Brennverfahrens trotz Einsatz von Brennstoffen niedrigerer Qualität in den Vordergrund. Andererseits bieten aber auch

48

2 Motorische Verbrennung

Neuentwicklungen auf dem Kraftstoffsektor durch gezielte Beeinflussung der Kraftstoffeigenschaften weiter Potenzial zur Verbesserung des Brennverfahrens. Die besondere Herausforderung zukünftiger Entwicklungen wird neben der Einhaltung der Diagnosevorschriften und Emissionen im realen Fahrbetrieb über Laufzeit („in-use compliance“) insbesondere in der Reduktion der CO2-Emission bzw. des Kraftstoffverbrauches liegen. Eine Reduktion in dieser Hinsicht ist sowohl aufgrund der klimaschädlichen Einflüsse von CO2 aber auch aufgrund der Limitierung fossiler Brennstoff und der damit zu erwartenden Verteuerung von Brennstoffen notwendig. Damit werden auch Technologien und Kraftstoffe wieder interessanter, die zuvor aus Kostengründen nicht marktfähig waren. Im Brennverfahren selbst ist noch ein gewisses Potenzial zur Verbesserungen im Wirkungsgrad bei Einhaltung der limitierten Schadstoffe vorhanden. Dieses ist vor allem durch eine geschickte Kombination aus Einzelmaßnahmen, beispielsweise hohen Einspritzdrücken, Geometrieoptimierungen sowie Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung unter Beachtung der Kosten zu erzielen. Ohne Etablierung eines revolutionären Brennverfahrens sind jedoch keine signifikanten Verbesserungen abzusehen. Der Fokus in der zukünftigen Entwicklung liegt damit insbesondere auf der Optimierung des Zusammenspiels der einzelnen Subsysteme im Antriebsstrang. Neben dem Zusammenspiel von Verbrennungsmotor und Abgasnachbehandlung ist hier die Hybridisierung des Fahrzeug sowie die Rekuperation thermischer und kinetischer Energie im Abgas zu nennen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Potenziale der jeweiligen Einzelsysteme nicht additiv betrachtet werden können. Weiterhin gilt es insbesondere unter Beachtung des realen Betriebes der verschiedenen Applikationen, die spezifischen Besonderheiten der unterschiedlichen Betriebsarten der Antriebsstränge herauszuarbeiten. Hieraus ergeben sich zur Erzielung des jeweiligen Effizienzoptimums sehr spezifische Systemlösungen und -layouts. Um einen optimalen Betrieb unter allen Bedingungen zu erreichen ist dabei ein ausgefeiltes Energiemanagement notwendig. Der Verbrennungsmotor könnte dabei in Zukunft eher die Aufgabe eines emissions- und verbrauchsneutralen „Energieflussmodulators“ übernehmen, der den anderen Subsystemen gezielt Energie in Form von thermischer oder mechanischer Energie zuführt (siehe Behnk et al., 2010).

2.3

Ottomotoren

2.3.1

Vorgemischte Flammen und Diffusionsverbrennung

Gemischbildung, Entflammung und Verbrennung des Ottomotors unterscheiden sich in grundlegenden Punkten vom Dieselmotor. Klassische Ottomotoren mit homogener Gemischbildung zeichnen sich durch eine einphasige Energieumsetzung mit vorgemischten Flammen aus. Die ottomotorische Energieumsetzung besitzt deflagrativen Charakter, siehe Nieberding 2001, d. h. es existieren normal zur Flammfront große Temperatur-Orts-Gradienten. Kraftstoff und Luft werden im Rahmen einer möglichst vollständigen Gemischbildung lange vor der Entflammung miteinander vermischt. Dies erfolgt entweder außerhalb des Brennraums (Saugrohreinspritzung) oder im Brennraum selbst (homogene Direkteinspritzung im Ansaugtakt). Das Gemisch liegt zum Zündzeitpunkt im gasförmigen Zustand im Brennraum vor. Da es sich bei Ottokraftstoff um einen relativ zündunwilligen Kraftstoff handelt, muss das Gemisch durch

2.3 Ottomotoren

49

einen Zündfunken an der Zündkerze fremdgezündet werden. Von diesen Grundprinzipien, d. h. homogene Gemischbildung und Fremdzündung, abweichende Eigenschaften bei neuen ottomotorischen Teillast-Brennverfahren (verschiedene Schicht-Brennverfahren sowie Homogene Selbstzündung (HCCI bzw. CAI) werden in eigenen Abschnitten behandelt. Im Gegensatz zur vorgemischten Verbrennung des homogen betriebenen Ottomotors steht das Prinzip der Diffusionsflamme beim Dieselmotor. Nach Heywood (1988) zeichnet sich eine Diffusionsflamme unter anderem dadurch aus, dass die Gemischbildung praktisch direkt in der Reaktionszone stattfindet. So erfolgt die Kraftstoffeinspritzung beim Dieselmotor erst spät in der Kompressionsphase. Die Gemischbildung muss in kürzester Zeit und parallel zu einer bereits erfolgten Entflammung ablaufen. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen vorgemischter Flamme und Diffusionsverbrennung liegt also in der zur Verfügung stehenden Gemischbildungszeit und der Frage, ob zum Entflammungszeitpunkt ein homogenes Gemisch vorliegt oder nicht. Unter ungünstigen Gemischbildungszuständen können daher auch beim Ottomotor Anzeichen von Diffusionsflammen auftreten, etwa dann, wenn große Kraftstofftropfen nach dem Kaltstart kalte Brennraumwände benetzen, gegen Ende der Kompressionsphase noch nicht vollständig verdampft sind und es zu lokalen Gemischinhomogenitäten (z. B. sehr fetten Zonen) kommt, bei deren Verbrennung Ruß- bzw. Partikelbildung auftreten kann. Auch eine nicht optimal ausgelegte Ladungsbewegung kann zu ähnlichen Folgen führen, z. B. dann, wenn Kraftstofftröpfchen aufgrund einer zu starken Tumbleströmung die Laufbuchse benetzen oder bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung ein unvollständiger Kraftstoffabtrag von der Injektorspitze stattfindet. Da die Rußpartikel eine charakteristische Eigenstrahlung zeigen, können solche Anzeichen einer unbeabsichtigten Diffusionsverbrennung mit Lichtleitmesstechnik im Brennraum detektiert werden, Winklhofer (2007).

2.3.2 Zündung In einem konventionellen Ottomotor wird das Gemisch am Ende der Kompressionsphase kurz vor dem Zünd-OT durch einen Funkenüberschlag zwischen den Elektroden der Zündkerze gezündet, sieh Abb. 2-32.

Abb. 2-32: Aufbau des Primär- und Sekundärzündkreises, nach Robert Bosch (2003)

50

2 Motorische Verbrennung

Aufbau der Zündanlage Moderne Ottomotoren werden mit einer ruhenden Zündspannungsverteilung ausgerüstet. Jeder Zylinder besitzt seine eigene Zündspule, die entweder direkt auf der Zündkerze montiert wird (z. B. in Form einer Stabzündspule) oder durch eine Zündleitung mit ihr verbunden wird. Die Zündspule besteht aus einer Primär- und Sekundärwicklung. Während der Schließzeit kurz vor dem Zündzeitpunkt wird der Primärstromkreis für einige Millisekunden geschlossen und dabei ein Magnetfeld in der Primärwicklung aufgebaut. Die maximal zur Verfügung stehende Zündenergie wird also im Magnetfeld der Primärwicklung gespeichert und kann bei derzeit üblichen Zündspulen Werte von ca. 40 bis 100 mJ erreichen, bei Hochenergiezündpulen auch noch mehr. Zum Zündzeitpunkt wird der Primärstromkreis durch Öffnen des Zündschalters in der Zündendstufe des Steuergeräts unterbrochen. Das Magnetfeld in der Primärwicklung bricht somit schlagartig zusammen und induziert damit kurzzeitig eine Primärspannung von bis zu 400 V. Gemäß dem Transformatorprinzip wird damit in der Sekundärwicklung ein Hochspannungsspitzenwert von bis zu 30 kV induziert. Aufgrund der Hochspannung wird das Gemisch zwischen den Kerzenelektroden ionisiert, womit ein Zündfunke zwischen den Zündkerzenelektroden überspringen kann. Der dabei entstehende Plasmakanal erreicht kurzfristig Temperaturen von bis zu 6000K. Um eine stabile Entflammung durch den Zündfunken zu ermöglichen, muss das Gas zwischen den Kerzenelektroden in zündfähiger Zusammensetzung vorliegen und der thermische Energieeintrag vom Plasma in das Gemisch die thermischen Verluste an die Oberflächen der Elektroden übersteigen, SFB 224.

Verlauf der Zündung Der zeitliche Verlauf der Funkenentladung gliedert sich nach SFB 224 in die beiden extrem kurzen Abschnitte des Funkendurchbruchs und der Bogenentladung, die nach insgesamt etwa 1 Mikrosekunde abgeschlossen sind, sowie der anschließenden Glimmentladung, die auch als die Funkenbrenndauer bezeichnet wird, siehe Abb. 2-33a.

Abb. 2-33a: Ablaufphasen der Zündung nach SFB 224

Der Funkenüberschlag in der Durchbruchsphase erfolgt, sobald die Zündspannung im Sekundärkreis die Durchbruchsspannung erreicht hat. Die notwendige Höhe der Zündspannung hängt insbesondere von der Gemischdichte zwischen den Elektroden, dem Elektrodenabstand und der Elektrodengeometrie ab. Das Zündsystem muss demzufolge so

2.3 Ottomotoren

51

dimensioniert werden, dass es diese nötige Zündspannung unter allen motorischen Betriebsbedingungen liefern kann, insbesondere also auch unter Randbedingungen wie hoher Last im aufgeladenen Betrieb (hohe Gemischdichte) sowie zunehmendem Kerzenverschleiß (erhöhter Elektrodenabstand), bei denen ein erhöhter Zündspannungsbedarf auftritt.

Abb. 2-33b: Sekundärspannungsverlauf, nach Robert Bosch (2003)

Während der kurzen Durchbruchs- und Bogenentladungsphase wird die in der Kerze und dem Zündsystem kapazitiv gespeicherte Energie umgesetzt. Der weitaus größere Energieanteil besteht jedoch aus der in der Zündspule induktiv gespeicherten Energie. Dieser Anteil wird in der anschließenden Glimmentladung umgesetzt, bis die Spule entladen ist und die Sekundärspannung ausschwingt (Abb. 2-33b). Je nach Energieangebot der Zündspule kann die Funkenbrenndauer in dieser Phase typischerweise etwa 1 ms andauern, bei Hochenergiezündspulen bis zu 1,5 bis 2 ms.

Auslenkung und Abriss des Zündfunkens, Nebenschluss Bei einer normalen Entflammung wird der Zündfunke auf dem Weg zwischen den Elektroden durch lokale Ladungsbewegung mehr oder weniger stark ausgelenkt. Damit überstreicht der Zündfunke ein größeres Gemischvolumen und fördert die Entflammung, solange der Funke nicht abreißt. Die Brennspannung erhöht sich dabei mit zunehmender Funkenauslenkung, weshalb indirekt aus dem Brennspannungsverlauf auf die Strömungsgeschwindigkeit zurückgeschlossen werden kann. Bei hohen lokalen Strömungsgeschwindigkeiten oder Kraftstofftropfen (speziell bei DI-Motoren) kommt es zu einer deutlichen Auslenkung bis zum wiederholten Abreißen des Zündfunkens. Der Funke muss dann neu gezündet werden, was sich im Sekundärspannungsverlauf in hochfrequenten Spannungsänderungen zeigt. Unter diesen Umständen kann die Zündenergie in der Zündspule mit sinkender Funkenbrenndauer deutlich schneller aufgebraucht werden. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Verbrennungsaussetzers oder einer stark verschleppten Entflammung. Eine Störung der Entflammung kann auch durch einen Gleitfunken durch Nebenschluss auftreten, wenn durch Ablagerungen auf dem Kerzenisolator eine elektrisch leitfähige Strecke entsteht und der Zündfunke sich auf diesem Weg entlang des Isolators bewegt statt über die Luftstrecke zur Massenelektrode. Der Brennspannungsverlauf zeigt dann eine deutlich verkürzte Brenndauer. Die Wahrscheinlichkeit eines Verbrennungsaussetzers erhöht sich deutlich.

52

2 Motorische Verbrennung

Wärmewert, Selbstreinigungsfähigkeit und Elektrodenabstand Um ablagerungsbedingte Nebenschlüsse (Verschmutzungen) zu vermeiden, muss die Zündkerze im Betrieb hinreichend hohe Temperaturen (> 400 °C) erreichen. Der kritische Betriebszustand ist der unterste Lastbereich bei den niedrigsten Zündkerzentemperaturen. Durch die konstruktive Auslegung der Kerze (unter anderem die Länge des Isolatorfußes) kann die Kerzentemperatur über den Wärmeübergang an den Zylinderkopf beeinflusst werden. Diese Auslegung zeigt der Wärmewert, der je nach Kerzenhersteller unterschiedlich definiert wird. Bei Auslegung für eine Selbstreinigungstemperatur schon in der untersten Teillast steigt allerdings auch ihre Maximaltemperatur. Die höchsten Kerzentemperaturen sollten im gesamten Motorkennfeld ca. 850 bis 950 °C nicht überschreiten (Gefahr von Glühzündungen). Das Zündspannungs- bzw. Zündenergiepotenzial ist in der Regel begrenzt. Demzufolge ist bei der Wahl des Elektrodenabstands die Zündsicherheit von höchster Bedeutung. Ein hoher Elektrodenabstand führt zu eine großen Anzahl der an der primären Plasmabildung beteiligter Kraftstoff- und Sauerstoffmoleküle. Es steigt dabei der elektrische Widerstand der Funkenstrecke. Aus diesem Grund werden für Saugottomotoren eher größere Elektrodenanstände ( 1 mm) und für aufgeladene Ottomotoren eher kleinere Elektrodenanstände ( 0,9 mm) gewählt.

2.3.3

Flammenfrontentwicklung , Einfluss der Turbulenz

Die Entflammung des Gemisches im Ottomotor erfordert zunächst die Bereitstellung von Aktivierungsenergie, damit die Kraftstoffmoleküle dissoziieren und mit dem Sauerstoff in einer exothermen Reaktion oxidieren, Winklhofer (2007). Zum Zündzeitpunkt wird diese Aktivierungsenergie vom Zündfunken bereitgestellt. Sobald die Flammenfront besteht, stellt sie die notwendige Aktivierungsenergie zur Entzündung des umliegenden Frischgases in Form von Wärme zur Verfügung. Es kommt zu einer Kettenreaktion, in deren Verlauf die Flammenfront sich bis nach außen zu den Brennraumwänden weiterbewegt und das Frischgemisch verbrennt. Im Idealfall breitet sich die Flammenfront dabei von der Zündkerze ausgehend kugelförmig durch den Brennraum aus. Die besten geometrischen Voraussetzungen für eine möglichst schnelle Flammenausbreitung sind daher bei zentraler Zündkerzenlage gegeben, wie sie bei den heute üblichen Vierventilmotoren zum Standard geworden ist. Die Reaktion läuft dabei so lange, bis das Frischgemisch aufgebraucht ist oder es zum vorzeitigen Erlöschen, dem sogenannten Quenching, der Flamme kommt. Dieser Effekt kann dann auftreten, wenn die bei der Verbrennung freigesetzte Wärme abzüglich auftretender Wärmeverluste nicht mehr ausreicht, um die benötigte Aktivierungsenergie zur Entflammung des benachbarten Frischgases zu liefern, Winklhofer (2007), etwa bei extrem verdünntem Gemisch durch z. B. hohen Restgasgehalt oder lokalen Luftüberschuss (Flame Quenching) oder in der Nähe von Wandflächen mit hohem Wärmestrom von der Flammenfront in Richtung der Wand, z. B. im Feuerstegbereich (Wall Quenching). Im Gegensatz zu Verbrennungsversuchen in Kammern mit ruhender Luft (laminare Flammenausbreitung bei niedriger Reynolds-Zahl mit geringer Strömungsgeschwindigkeit) baut sich in Motoren ein turbulenter Strömungszustand (hohe Reynolds-Zahl, hohe lokale Strömungsgeschwindigkeit im unmittelbaren Umfeld der Flammenfront) in der Nähe des Zünd-OT auf. Er wird stark geprägt durch die Gestaltung des Einlasskanals, die Entwicklung der Ladungsbewegung während des Ansaugvorgangs, die Kolbengestaltung und durch den Einfluss der Kolbenbewegung während des Verdichtungshubs und nicht zuletzt durch die Motordrehzahl und damit die Ansauggeschwindigkeit, siehe Heywood (1988).

2.3 Ottomotoren

53

Um einen ausgeprägten Turbulenzzustand zu erreichen, kommt es darauf an, dass eine globale Ladungsbewegung siehe Abb. 2-34 wie z. B. ein Tumble-Wirbel, der während des Ansaugtaktes erzeugt wird, im Lauf des Verdichtungstaktes dissipiert und in Turbulenz umgesetzt wird. Unter diesen Randbedingungen geht die Flammenfront im Ottomotor nach der Flammenkernbildung schnell vom laminaren in den turbulenten Zustand über. Die Flammenfront wird damit gefaltet und vergrößert so ihre Reaktionsoberfläche, wodurch die Kraftstoffdissoziation und somit die Verbrennung entsprechend schneller ablaufen kann, siehe SFB 224; Heywood (1988) und Winklhofer (2007).

Abb. 2-34: Grundformen der globalen Ladungsbewegung: Drall (links) als Wirbelbewegung um die Zylinderhochachse, hier in Verbindung mit einem Muldenkolben eines wandgeführten Otto-DI-Verfahrens, nach Holy et al. (1998). Tumble (rechts) als Wirbelbewegung um die Zylinderquerachse, hier dargestellt mit Hilfe einer Tumbleklappe, nach Grigo et al. (1998)

Drall und Tumble sind die beim Verbrennungsmotor gebräuchlichsten Formen von Ladungsbewegung. Bei der Drallströmung handelt es sich um eine Wirbelbewegung der einströmenden Luft um die Zylinderhochachse, die z. B. durch asymmetrisch gestaltete Einlasskanäle oder die Abschaltung eines der beiden Einlassventile erreicht werden kann. Allerdings bleibt eine Drallströmung häufig bis zum Zündzeitpunkt zumindest teilweise in ihrer ursprünglichen Form erhalten, statt vollständig in Turbulenz zu dissipieren. Als Tumble-Strömung bezeichnet man eine Wirbelbewegung der einströmenden Luft um die Zylinderquerachse in Kurbelwellenachsrichtung. Sie wird z. B. häufig bei aufgeladenen Ottomotoren durch relativ flach verlaufende Einlasskanäle erzeugt. Da eine solche Kanalgestaltung gewisse Füllungsnachteile mit sich bringt, wird bei leistungsorientierten Saugmotoren üblicherweise darauf verzichtet. Sofern das Brennverfahren eine verstärkte Tumbleströmung erfordert, kann sie bei Bedarf durch Schließen einer Tumble-Klappe im Einlasskanal erzeugt werden, die die untere Querschnittshälfte verschließt. Die durch die Turbulenz beschleunigte Verbrennung stellt eine grundlegende Voraussetzung für die Realisierung hoher Motordrehzahlen dar, weil nur so die Flammenfront in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit vollständig von der Zündkerze bis zu den Brennraumwänden durchbrennen kann. Für die rein laminare Flammengeschwindigkeit des Vergleichskraftstoffs Iso-Oktan werden in der Literatur, siehe SFB 224, je nach Druck und Temperatur Werte zwischen 0,3 und 1 m/s angegeben (Abb. 2-35). Die Angaben für Benzin bewegen sich je nach Verbrennungsluftverhältnis in einer ähnlichen Größenordnung, wobei die Maximalgeschwindigkeiten bei fettem Gemisch (etwa lambda = 0,83) angegeben werden.

54

2 Motorische Verbrennung

Abb. 2-35: Laminare Flammengeschwindigkeit von Iso-Oktan bei lambda = 1 nach SFB 224

Die Flammengeschwindigkeiten unter realen turbulenten Randbedingungen erreichen dagegen wesentlich höhere Werte und steigen insbesondere mit der Motordrehzahl, da sich die höhere Ansauggeschwindigkeit der Frischluft im Saugtakt positiv auf den Turbulenzzustand zum Zündzeitpunkt auswirkt. Messwerte über die realistische Flammengeschwindigkeit im Bereich der Zündkerze kurz nach der Flammenkernbildung lassen sich z. B. mit Messzündkerzen ermitteln, in denen Lichtleiter integriert wurden. Die Lichtleiter detektieren nach dem Lichtschrankenprinzip die Ankunft der von der Zündkerzenelektrode ausgehenden Flammenfront. Durch die Auswertung der für diese Wegstrecke benötigten Zeit ergeben sich Messwerte wie in der beispielhaften Messung entlang der Volllastlinie in Abb. 2-36. An einem Ottomotor mit ausgeprägter Tumble-Ladungsbewegung konnten auf diese Weise kurz nach dem Zündzeitpunkt Flammengeschwindigkeiten von bis zu 30 m/s ermittelt werden.

Abb. 2-36: Beispielhafte Messung an einem Ottomotor mit Tumblekanälen zur Flammengeschwindigkeit an der Zündkerze entlang der Volllastlinie

2.3 Ottomotoren

2.3.4

55

Verbrennungsgeschwindigkeit und Brennverlauf

Die Auswirkungen der Ladungsbewegung auf die Flammenausbreitungsgeschwindigkeit können auch im Brennverlauf nachvollzogen werden. Mit Hilfe des Brennverlaufs werden üblicherweise die Abschnitte des Brennverzugs (meist vom Zündzeitpunkt bis 0 .. 5 % Energieumsetzung) und der Brenndauer (meist als 5 bis 90 % Energieumsetzung) ermittelt. Der Brennverzug (oder Entflammungsdauer) charakterisiert damit die Entwicklung der Flammenfront. Die Brenndauer umfasst dagegen den Bereich der eigentlichen Energieumsetzung durch Verbrennung. Alle eine rasche Ausbreitung der Flammfront behindernden motorischen Randbedingungen können in einem verlängerten Brennverzug und meist auch einer längeren Brenndauer wiedergefunden werden. Ursachen sind unter anderem eine starke Ladungsverdünnung durch hohen Restgasanteil oder Überschussluft. Umgekehrt kann die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Erhöhung der Turbulenz in Form kürzerer Brennverzüge und Brenndauern bewertet werden. Als Beispiel kann die Gestaltung der Einlasskanäle oder die Verwendung einer Ladungsbewegungsklappe zur Verstärkung einer Tumble-Strömung herangezogen werden. In Abb. 2-37 werden zwei Brennverläufe an einem Teillastpunkt verglichen, die sich durch die Intensität des erzeugten Tumbles unterscheiden. Die Verkürzung von Brennverzug und Brenndauer im Fall des erhöhten Tumbles ist klar erkennbar. Füllungskanal

dQB [1/°KW]

Tumble

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

[°KW]

Abb. 2-37: Beschleunigung des Brennverlaufs beim Homogen-Betriebspunkt 2000/wi = 0.27 durch erhöhte Ladungsbewegung in Form von Tumble (normierte Brennverläufe)

2.3.5

Irreguläre Verbrennung

Unter dem Oberbegriff der irregulären Verbrennungen bezeichnet man solche Verbrennungsvorgänge im Ottomotor, die nicht (bzw. nicht ausschließlich) vom regulären Zündfunken ausgelöst werden, sondern durch eine Selbstentflammung. Dazu gehören insbesondere die Begriffe der klopfenden Verbrennung, der Vorentflammung und der Glühzündung. Zuerst ist hierbei hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts zu unterscheiden zwischen: 1. Selbstentflammung vor dem regulären Zündzeitpunkt 2. Selbstentflammung nach dem regulären Zündzeitpunkt

56

2 Motorische Verbrennung

Weiterhin können die Auftretenshäufigkeit, der beeinflusste Brennraumanteil und die beobachtbare Frequenz im Zylinderdrucksignal unterschieden werden: 1. einmaliges Auftreten pro Arbeitszyklus (gesamter Brennraum ist betroffen) mit niederfrequentem Signalanteil 2. mehrfaches Auftreten pro Arbeitszyklus (mehrere Ort im Endgasbereich sind betroffen) mit hochfrequentem Signalanteil Zusätzlich ist noch eine Gliederung nach dem Entstehungs- bzw. Auslösungsmechanismus möglich: 1. Selbstentflammung durch eine ungesteuerte Fremdquelle 2. Selbstentflammung auf reaktionskinetischem Weg Entlang dieser Kategorien gehört das Klopfen zur jeweils zweiten Gruppe. Die klassische Vorentflammung ist in den ersten beiden Kategorien der ersten Gruppe, in der letzten Kategorie der zweiten Gruppe zuzuordnen. Die Glühzündung ist dagegen stets in der ersten Gruppe zu finden. Zur näheren Betrachtung der irregulären Verbrennungsphänomene dient auch die Unterscheidung der Verbrennungstypen nach dem beobachtbaren Temperatur-Orts-Gradienten normal zur Flammfront, siehe Nieberding (2001). Die normale einphasige Energieumsetzung des Ottomotors mit der Verbrennung vorgemischter Flammen besitzt infolge des hohen Temperatur-Orts-Gradienten deflagrativen Charakter, siehe Abb. 2-38.

Abb. 2-38: Einteilung des Verbrennungscharakters nach dem Temperatur-Orts-Gradienten, nach Nieberding (2001)

Klopfen Bei klopfender Verbrennung , bei der vom Zündfunken zunächst eine reguläre Flammenfront ausgelöst wird, findet ein Übergang zur detonativen Verbrennung statt, indem die vor der Flammfront liegenden Endgasbereiche durch die der eigentlichen Reaktionszone vorauseilenden Druck- und Temperaturfronten eine Energiezufuhr erfahren und damit der dort reaktionskinetisch bedingte Zündverzug durch Vorreaktionen im Frischgemisch verkürzt wird, womit lokale Selbstentzündungszentren entstehen. Die demzufolge weiter stei-

2.3 Ottomotoren

57

gende Energieumsetzungsgeschwindigkeit führt damit teilweise zu Druckwellen, die einen Teil der von den exothermen Zentren im sogenannten „Endgas“ ausgehenden Energiefreisetzung bilden. Diese Druckwellen werden an den Brennraumwänden reflektiert und sind im gemessenen Druckverlauf als eine hochfrequente Überlagerung während der Expansion sichtbar (Abb. 2-39). 200 180

Zylinderdruck [bar]

160 140 120 100 80 60 40 20 0 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

50

60

Kurbelwinkel [Grad]

Abb. 2-39: Beispiel für eine stark klopfende Verbrennung

Aus den dargestellten Zusammenhängen wird verständlich, unter welchen Randbedingungen sich die Gefahr klopfender Verbrennung erhöht:

y hohes Verdichtungsverhältnis, starke Aufladung (hohes Niveau bei Verdichtungsend-

druck und -temperatur, d. h. Bereitstellung der Aktivierungsenergie) y geringe Drehzahl (ausreichende Zeit zum Ablauf des Zündverzugs) y Kraftstoff mit zu geringer Oktanzahl (höhere Selbstentflammungswahrscheinlichkeit) y ungünstige Brennraumgestaltung mit großen Flammenwegen, d. h. langen Flammenlaufzeiten (Flammenfront erreicht den Endgasbereich später) y unzureichende Ladungsbewegunsgintensität (zu geringe Flammfrontgeschwindigkeit), y unzureichende Ladeluftkühlung (hohe Füllungstemperatur bei Kompressionsbeginn) y unzureichende Kühlung der Brennraumwände. Da die Druckschwingungen bei klopfender Verbrennung als Körperschall in die Motorstruktur eingeleitet und von dieser als Luftschall abgestrahlt werden, ist eine stark klopfende Verbrennung auch akustisch bemerkbar. Zur Bewertung der Klopfintensität am Prüfstand kann das Zylinderdrucksignal einer Hochpassfilterung unterzogen und die Spitzenwerte des hochfrequenten Anteils untersucht werden. Im Fahrzeug detektieren Klopfsensoren am Motorkurbelgehäuse die Körperschallanregung. Liegt dieses Signal oberhalb definierter Schwellwerte, kann die Klopfregelung des Motorsteuergeräts eingreifen, um den Motor vor längerem klopfenden Betrieb und damit drohenden mechanischen (durch überhöhte Spitzendrücke und Spitzendruckgradienten) und thermischen (durch stark erhöhten Wandwärmeübergang) Schäden zu schützen. Die Klopfregelung bewirkt zunächst eine Spätverstellung des Zündzeitpunkts und versetzt den Motor damit wieder in einen klopffreien Betrieb: durch den späteren Brennbeginn (im Extremfall sogar erst nach dem oberen Totpunkt) erfolgt ein sanfterer Druck- und Temperaturanstieg im Endgasbereich,

58

2 Motorische Verbrennung

wodurch die thermischen Voraussetzungen für eine Selbstentflammung des Endgases nicht mehr vorliegen. In den folgenden Arbeitsspielen wird der Zündzeitpunkt dann wieder in kleinen Schritten in Richtung „früh“ verstellt, bis erneut Klopfen auftritt. Auf diese Weise kann der Motor mit möglichst wirkungsgradgünstiger Phasenlage der Energieumsetzung betrieben werden, ohne Motorschäden durch einen kontinuierlich klopfenden Betrieb zu riskieren. Die Klopfregelung ermöglicht so auch den Betrieb mit weniger klopffestem Kraftstoff, allerdings bei entsprechend ungünstigerer Phasenlage der Energieumsetzung, erhöhter Abgastemperatur und somit reduziertem Wirkungsgrad. Bei der Brennverfahrensentwicklung für die Volllastabstimmung gilt das Interesse der Detektion der Klopfentstehungsorte im Brennraum. Je nach Intensität der Ladungsbewegung könnten die Klopfherde beispielsweise auf der Auslassseite in der Nähe der heißen Auslassventile gehäuft auftreten. Von vornherein kann davon allerdings nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig müssen die Klopfherde bei allen Drehzahlen in den gleichen Brennraumbereichen auftreten. Um mögliche gezielte Schwachstellen bei der Brennraumgestaltung berücksichtigen zu können, ist eine systematische Untersuchung der Klopfentstehungsorte z. B. mit Lichtleiter bestückten Messzündkerzen sinnvoll, Winklhofer (2007).

Vorentflammung Vorentflammungen gehören zur Gruppe der Selbstentflammungen vor dem regulären Zündzeitpunkt. Es liegt bereits vor Verbrennungsbeginn ein erhöhter Energiezustand im Brennraum vor, sodass der detonative Charakter die gesamte Energieumsetzung dominiert. Zur klaren Definitionsabgrenzung von Glühzündungen spricht man im engeren Sinn dann von Vorentflammungen, wenn sie weitgehend sporadisch in einzelnen Arbeitsspielen ohne eine von außen erkennbare Vorgeschichte auftreten, anschließend jedoch wieder eine normale Verbrennung stattfindet. Der Druckverlauf bei einer Vorentflammung gleicht einer Verbrennung, die durch einen zu frühen Zündzeitpunkt ausgelöst worden ist, Abb. 2-40.

Abb. 2-40: Beispielhafte Druckverläufe bei Vorentflammungen

Druckverlauf und Gastemperatur steigen damit zu einem frühen Zeitpunkt während des Kompressionshubs stark an. Bei einer Vorentflammung kann es im Lauf des Expansionshubs zusätzlich zu klopfender Verbrennung kommen, dies muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein.

2.3 Ottomotoren

59

Zu den möglichen Ursachen von Vorentflammungen liegt derzeit in der Motorenforschung noch kein vollständiges Bild vor. Vorentflammungen treten erfahrungsgemäß vor allem bei aufgeladenen Motoren im oberen Lastbereich bei geringeren Motordrehzahlen, dem sogenannten Low-End-Torque-Bereich, auf, können vereinzelt aber auch bei Saugmotoren beobachtet werden. Als potenzielle Auslöser gelten einerseits Gemischinhomogenitäten im Brennraum, die zu lokalen Temperaturunterschieden und damit zur Bildung exothermer Zonen führen können. Zum zweiten können abplatzende kohlenstoffhaltige Ablagerungen im Brennraum und im Einlasskanal zu Vorentflammungen führen. Sie werden während der Verbrennung erhitzt, verbleiben zum Teil während des anschließenden Ladungswechsels im Brennraum und können durch ihre hohe Temperatur während der nächsten Kompressionsphase zur vorzeitigen Zündung des Frischgemisches führen. Der damit verbundene starke Druckanstieg kann zur Loslösung weiterer Ablagerungen führen, die im nächsten Zyklus erhitzt werden und im übernächsten wiederum Vorentflammungen auslösen können, woraus sich die häufig erkennbare charakteristische Abfolge von Vorentflammungen und normalen Verbrennungszyklen erklärt. Die beschriebenen Ursachen stellen jedoch nur eine Teilmenge der möglichen Auslöser dar. Da Vorentflammungen im Extremfall auch in selbstverstärkenden Serien von deutlich vorverlagertem Energieumsetzungsbeginn in jeweils einem und stark verschleppter Energieumsetzung in dem jeweils folgenden Arbeitsspiel, d. h. einem Pendeln der Energieumsetzung zwischen Selbstentflammung und Quasi-Aussetzer, auftreten können, sind hinsichtlich der Ursachenbeschreibung mögliche Kopplungseffekte aufeinanderfolgender Arbeitszyklen durch die sich verändernde Abgastemperatur und den sich demzufolge einstellenden Restgasgehalt bzw. durch mögliche Verschiebungen im Wandwärmeübergang in Betracht zu ziehen.

Glühzündung Während Vorentflammungen im vorherigen Abschnitt als sporadisch auftretende Ereignisse geschildert werden, die nach einer gewissen Anzahl von Arbeitsspielen wieder verschwinden, handelt es sich bei Glühzündungen um eine sich selbst verstärkende „Kettenreaktion“:

y zu heiße Bauteile oder Oberflächen im Brennraum führen zu einer Selbstentflammung vor dem Zündzeitpunkt, die häufig mit starkem Klopfen verbunden ist

y durch die (zu früh stattfindende) Selbstentflammung steigen Druck und Temperatur im Brennraum noch mehr, das auslösende Bauteil bzw. die Oberfläche wird also noch stärker aufgeheizt

y im nächsten Zyklus findet dadurch die Selbstentflammung noch früher statt, damit

wird der Brennraum nochmals weiter aufgeheizt etc. Der typische Ablauf einer Glühzündung, siehe Abb. 2-41, erstreckt sich daher über mehrere Zyklen hintereinander, die durch immer früher ausgelöste Selbstentflammungen und zunächst starkes Klopfen geprägt werden. Am Ende des Prozesses findet die Selbstentflammung so früh und mit so hoher Energieumsetzungsgeschwindigkeit statt, dass im Druckverlauf kein Klopfen, aber auch keine nennenswerte Abgabe von Volumenänderungsarbeit im Hochdruckteil des Arbeitszyklus mehr erkennbar ist. Der Brennraum wird jedoch thermisch stark überlastet, so dass am Ende des Prozesses üblicherweise massive Motorschäden stehen, z. B. abgeschmolzene Elektroden der Zündkerzen, abgebrannte Teilbereiche an den Auslassventilen oder thermisch geschädigte Kolbenoberflächen.

60

2 Motorische Verbrennung 200 180

Zylinderdruck [bar]

160 140 120 100 80 60 40 20 0 -80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

Kurbelwinkel [Grad]

Abb. 2-41: Beispielhafter Druckverlauf einer voll entwickelten Glühzündung ohne Klopfen auf einem Zylinder

Wenn es erst einmal zu einer Überhitzung einer Oberfläche im Brennraum gekommen ist und damit die beschriebene Abfolge der Glühzündung in Gang kommt, kann die Zündzeitpunkt-Spätverstellung der klassischen Klopfregelung keine Abhilfe mehr schaffen: da die Selbstentflammung bereits vor dem Zündfunken stattfindet, bleibt ein verschobener Zeitpunkt des Zündfunkens damit ohne Wirkung. Eine Überhitzung des Brennraums muss daher von vornherein verhindert werden. Dazu gehören unter anderem die klassische Kühlmantelgestaltung um den Brennraum, die Vermeidung scharfkantiger (und damit hitzeempfindlicher) Oberflächen (z. B. an der Kolbenoberfläche), eine sorgfältige Auslegung der Zündkerzen-Gestaltung und des Wärmewerts zur Vermeidung einer zu heißen Zündkerzenoberfläche und eine zuverlässige Klopfregelungsfunktion.

2.3.6

Brennverfahren, Gemischbildung, Betriebsarten

Die heute in Serie eingesetzten bzw. bei einigen Herstellern in Entwicklung befindlichen Derivate der ottomotorischen Brennverfahren lassen sich folgendermaßen einteilen:

y Homogen-Brennverfahren: Das Verbrennungsluftverhältnis O beträgt dabei aus

Gründen optimaler Abgasreinigung mit dem 3-Wege-Katalysator fast im gesamten Kennfeld O = 1. Die Gemischbildung erfolgt zu einem frühen Zeitpunkt während des Arbeitsspiels entweder durch Einspritzung des Kraftstoffs ins Saugrohr oder – bei den meisten Neuentwicklungen – durch Direkteinspritzung in den Brennraum während des Ansaughubs. Das so entstehende Gemisch liegt im Idealfall im gesamten Brennraum in homogener Form mit gleichem Luftverhältnis O vor.

y Schicht-Brennverfahren: Die Gemischbildung erfolgt durch Direkteinspritzung in

den Brennraum während der späten Kompressionsphase. Die noch vor einigen Jahren eingesetzten wand- und luftgeführten Brennverfahren wurden mittlerweile vom strahlgeführten Brennverfahren abgelöst. Die Zündkerze muss dabei so am Strahlrand positioniert werden, dass sie einen lokal eng begrenzten Bereich mit zündfähigem Gemisch unmittelbar am Rand des eingespritzten Kraftstoffstrahls erreicht. Sobald dieser

2.3 Ottomotoren

61

Bereich entflammt worden ist, kann die Flammenfront bei ihrer weiteren Ausbreitung durch den Brennraum auch extrem magere Zonen verbrennen, so dass auch globale Verbrennungsluftverhältnisse O >> 1 darstellbar sind. Daher ist zusätzlich zum 3-Wege-Katalysator eine zusätzliche Abgasnachbehandlung für Stickoxid unter Luftüberschuss erforderlich, eine sogenannte DeNox-Technologie z. B. mit einem NOx-Speicherkatalysator.

y Brennverfahren mit homogener Selbstzündung (Homogeneous Charge Compres-

sion Ignition HCCI, Controlled Auto Ignition CAI): Anstelle der Fremdzündung mittels Zündkerze wird bei dieser Brennverfahrensgruppe eine Selbstzündung des homogenen (stöchiometrischen oder leicht mageren) Gemisches angestrebt. Um die notwendigen thermischen Voraussetzungen für eine Selbstzündung des eigentlich relativ zündunwilligen Ottokraftstoffs zu erreichen, muss die Zylinderfüllung über die Wahl der Ventilsteuerzeiten einen sehr großen Anteil heißen Restgases enthalten. Aufgrund der starken Gemischverdünnung wird nicht nur ein hoher Wirkungsgrad erreicht, sondern es entstehen durch die Inertgaswirkung und die geringen Verbrennungsspitzentemperaturen sowohl sehr geringe Abgastemperaturen als auch extrem niedrige NOxEmissionen, womit im Gegensatz zum Schicht-Brennverfahren der Verzicht auf eine separate NOx-Abgasnachbehandlung angestrebt wird. Der inhomogen fremdgezündete Schichtbetrieb oder die homogen selbstzündenden Brennverfahren können nur in einem begrenzten Teillastgebiet angewendet werden. Ihre Kombination mit einer Aufladung ist möglich, aber unter Umständen von der sich einstellenden NOx-Rohemission bei Steigerung der Motorlast begrenzt. Im Betriebskennfeld direkteinspritzender Ottomotoren stellen sie daher jeweils eine von mehreren Betriebsarten dar. In jedem Fall werden sie ergänzt durch die Betriebsarten „Homogenbetrieb“ (bei höherer Drehzahl bzw. Last), „Katalysator-Heizen“ (unmittelbar nach dem Kaltstart) und ggf. weitere Betriebsarten (z. B. „homogen mager“ oder „Homogenschicht“ im Lastübergangsbereich zwischen Schichtbetrieb und stöchiometrischem Betrieb).

Homogenbetrieb mit Saugrohreinspritzung Die Saugrohreinspritzung wird bei Pkw-Motoren heute ausschließlich als MultipointEinspritzung ausgeführt. Damit steht für jeden Zylinder ein eigenes Einspritzventil zur Verfügung, das entweder im zugehörigen Schwingrohr der Sauganlage oder direkt im Einlasskanal des Zylinderkopfs verbaut wird. Die Einspritzventile werden von einer gemeinsamen Einspritzleiste mit Kraftstoff versorgt, Abb. 2-42. Der Einspritzdruck wird von der Vorförderpumpe aufgebaut und kann je nach Systemauslegung zwischen 3 und 5 (10) bar betragen.

Abb. 2-42: Beispiel für die Anordnung der Einspritzleiste einer Saugrohreinspritzung auf den Schwingrohren der Sauganlage, Albrecht et al. (2000)

62

2 Motorische Verbrennung

Entweder wird der Einspritzdruck geregelt, dass sich eine konstante Druckdifferenz zwischen Kraftstoffdruck und Saugrohrdruck aufbaut, oder es wird mit konstantem Einspritzdruck (und somit variabler Druckdifferenz) gearbeitet. Vierventil-Zylinderköpfe weisen meist Einspritzventile mit zwei (meist kegelförmigen) Einspritzstrahlen in Richtung der beiden Einlassventile auf. Bei ventilnaher Einbaulage werden die Voraussetzungen für eine geringe kraftstoffbenetzte Wandoberfläche des Saugrohrs bzw. Einlasskanals geschaffen. Probleme mit dem Auf- und Abbau eines Kraftstoff-Wandfilms bei instationärer Änderung des Saugrohrdrucks können minimiert werden. Der Einspritzzeitpunkt wird vom Motorsteuergerät vorgegeben und erfolgt in der Dynamik für jeden Zylinder individuell. Bei bewährt frühem Einspritzzeitpunkt nach dem Ende des letzten Ansaugtakts, d. h. „vorgelagerte“ Einspritzung, trifft der Kraftstoffstrahl bei sehr langer Gemischbildungszeit auf die geschlossenen heißen Einlassventile. Die „saugsynchrone“ Einspritzstrategie besteht darin, während des Ansaugtaktes bei geöffneten Einlassventilen einzuspritzen und die Geschwindigkeit der einströmenden Frischluft für bestmögliche Gemischaufbereitung zu nutzen. Diese Methode wird häufig im instationären Betrieb verwendet. Insbesondere bietet sie sich jedoch bei vollvariablen Ventiltrieben mit kleinem Einlassventilhub in der unteren Teillast an. In dieser Situation kann die einströmende Frischluft im engen Einlassventilspalt bis zu Schallgeschwindigkeit erreichen und damit die Kraftstofftröpfchen bestmöglich zerstäuben, Abb. 2-43.

Abb. 2-43: Geringere Tropfengröße und gute Gemischaufbereitung bei Saugrohreinspritzung und reduziertem Einlassventilhub, nach Liebl et al. (2001)

Die Nutzung variabler Steuerzeiten kann die Gemischbildung weiterhin unterstützen. Bei interner Abgasrückführung bei Ventilüberschneidung durch frühes Einlassöffnen oder späten Auslassschließen gelangt heißes Restgas in den Einlasskanal bzw. verbleibt im Brennraum und fördert dort aufgrund der erhöhten Gastemperatur die Verdampfungsneigung des eingespritzten Kraftstoffs. Bei der Einspritzung des Kraftstoffs in Luft entsteht ein Spektrum unterschiedlich großer Tröpfchen, die je nach Einspritzdruck, Saugrohrdruck und -temperatur unterschiedlich schnell verdampfen. Kennzeichnend für das Tropfenspektrum ist der sogenannte Sauterdurchmesser, der den Durchmesser eines repräsen-

2.3 Ottomotoren

63

tativen Tröpfchens charakterisiert. Das Verhältnis zwischen Volumen und Oberfläche dieses Tröpfchens hat den gleichen Wert wie das Verhältnis des Gesamtvolumens des Tropfenspektrums zur gesamten Oberfläche aller Tröpfchen. Ein kleiner Sauterdurchmesser charakterisiert somit ein Tropfenspektrum mit vielen kleinen Tröpfchen, die entsprechend leicht verdampfen. Die Möglichkeiten zur Reduzierung des Sauterdurchmessers über eine Erhöhung des Einspritzdrucks sind mit preisgünstigen Niederdruck-Einspritzsystemen begrenzt. Deutlich erhöhte Einspritzdrücke werden erst mit separaten Hochdruckpumpen bei direkteinspritzenden Motoren erreicht. Beim betriebswarmen Motor kann mit einer optimierten Saugrohreinspritzung eine sehr gute Gemischaufbereitung erreicht werden. Unmittelbar nach dem Kaltstart hingegen befinden sich sowohl die Einlassventiloberfläche als auch die Wände des Saugrohrs und damit die angesaugte Luft noch auf niedrigem Temperaturniveau. Die Kraftstofftröpfchen verdampfen damit schlechter. Relativ große Tropfen können in den Brennraum gelangen und dort in flüssiger Form die Brennraumwände benetzen und entweder gar nicht oder nur unvollständig an der Verbrennung teilnehmen. Dieser Effekt stellt einen wesentlichen Grund für die erhöhten HC-Rohemissionen nach dem Kaltstart und in der Warmlaufphase dar. Ferner besteht im kalten Betriebszustand ein erhöhtes Risiko hinsichtlich Ölverdünnung, wenn tropfenförmiger Kraftstoff den Ölfilm auf der Laufbuchse benetzt, ohne zu verdampfen.

Direkteinspritzung mit Homogenbetrieb Die homogene Direkteinspritzung ist ursprünglich als Unterbetriebsart der ersten SchichtBrennverfahren für den oberen Lastbereich entstanden. Mittlerweile werden viele, insbesondere aufgeladene Ottomotoren mit Direkteinspritzung ausschließlich für den Homogenbetrieb ausgelegt, da die Flexibilität der Direkteinspritzung ideal mit der Aufladung harmoniert. Wie bei der Saugrohreinspritzung erfolgt auch bei der homogenen Direkteinspritzung die Laststeuerung gemäß dem Prinzip der Quantitätsregelung. Luftmasse und Kraftstoffmasse entsprechen für die Abgasreinigung mit dem 3-Wege-Katalysator daher dem Verbrennungsluftverhältnis = 1. Die Kraftstoffeinspritzung erfolgt unter Hochdruck (50 .. 200 bar), wobei die Injektoren nach dem Common-Rail-Prinzip über eine gemeinsamen Kraftstoffleitung mit der Hochdruckpumpe verbunden sind. Die Injektoren können seitlich oder zentral im Zylinderkopf angeordnet werden. Während noch vor einigen Jahren Drallinjektoren (ausschließlich seitlich) verbaut wurden, erfolgt zunehmend der Einsatz von Mehrloch-Magnetventilinjektoren (seitlich oder in zentraler Lage) oder außenöffnenden Piezoinjektoren (in zentraler Lage), siehe Abb. 2-44. Der eingespritzte Kraftstoff verdampft im Brennraum und entzieht die dafür nötige Wärme der sich abkühlenden Brennraumfüllung. Bei gleichem Verdichtungsverhältnis H wie bei Saugrohreinspritzung würde sich eine geringere Verdichtungsendtemperatur und damit reduzierte Klopfempfindlichkeit ergeben. Dieser Effekt der „Innenkühlung“ wird jedoch in der Regel genutzt, um das Verdichtungsverhältnis bei gleicher Klopfempfindlichkeit um 1 bis 2 Einheiten zu erhöhen und damit Vorteile im Wirkungsgrad zu erzielen (DI-Saugmotoren: = ca. 12; Turbomotoren: bei = ca. 10). Bei Direkteinspritzung steht weniger Zeit für die Gemischbildung zur Verfügung. Der Einspritzbeginn liegt üblicherweise in der ersten Hälfte des Ansaugtaktes (z. B. 340 bis 280° vor ZOT). Für ausreichende Gemischbildungszeit ist früh einzuspritzen, andererseits ist direkter Kontakt des Einspritzstrahls mit dem Kolben oder der Laufbuchse möglichst zu vermeiden, weil Wandkontakt zu erhöhten HC-Emissionen, Ruß bzw. Ölverdünnung führen kann. Hinreichend hohe Kolbentemperaturen (bei höherer Drehzahl und Last)

64

2 Motorische Verbrennung

sowie ein großer Abstand zwischen Injektor und Kolbenmulde können dabei helfen, die negativen Auswirkungen einer Kolbenbenetzung zu minimieren. Injektorlage, Sprayeigenschaften, Kolbengestaltung und Interaktion des Einspritzstrahls mit der Ladungsbewegung spielen bei den Gemischbildungseffekten eine wichtige Rolle und müssen mit CFDMethoden optimiert werden. In Sonderfällen kann eine Mehrfacheinspritzung sinnvoll sein, um die beschriebenen Gemischbildungseffekte gerade bei hoher Last (und damit großer Kraftstoffmenge) zu unterstützen. Die Flexibilität bei der Wahl der Einspritzzeitpunkte erhöht sich bei sehr schnell schaltenden Injektoren mit kurzer Ansteuerungstotzeit vor der eigentlichen Injektoröffnung.

Abb. 2-44: Beispiel für eine zentrale Injektorlage bei homogener Direkteinspritzung, Mährle et al. (2007)

Hinsichtlich der Ladungsbewegung gilt es zwischen Saugmotoren und aufgeladenen Motoren zu unterscheiden. Da jegliche Ladungsbewegungsmaßnahmen zu reduzierter Frischluftfüllung und erhöhten Ladungswechselverlusten führen, wird bei Saugmotoren meist darauf verzichtet; unter Umständen werden schaltbare Systeme (z. B. Tumble-Klappen) eingesetzt. Aufgeladene Motoren sind für hohe Brenngeschwindigkeiten an der Volllast auf Ladungsbewegung angewiesen. Sie werden daher häufig mit ausgeprägten TumbleKanälen ausgeführt, wobei die entstehenden Nachteile hinsichtlich der Ladungswechselarbeit aufladeseitig kompensiert werden kann. Besonderheiten der Betriebsart „Katalysator-Heizen“ Die Betriebsart „Katalysator-Heizen“ kommt unmittelbar nach dem Kaltstart des Motors zum Einsatz und soll an dieser Stelle aufgrund ihrer ganz spezifischen Anforderungen an das Brennverfahren näher erläutert werden, siehe auch Abb. 2-45. Die Abgasvorschriften erfordern nach dem Kaltstart eine sehr rasche intensive Aufheizung des Katalysators. Erst bei seiner Mindest-Betriebstemperatur wird eine hinreichend hohe Konvertierungsrate der Schadstoffe (insbesondere der unverbrannten Kohlenwasserstoffe) gewährleistet. Zu diesem Zweck muss der Motor mit erhöhter Leerlaufdrehzahl (bis ca. 1200 U/min), hoher Luftfüllung und extrem spätem Brennverlauf betrieben wer-

2.3 Ottomotoren

65

den, um einen möglichst großen Teil der zugeführten Brennstoffenergie in Abgasenthalpie umzusetzen. Die Herausforderung besteht darin diesen Betriebszustand bei akzeptabler Laufruhe und niedrigen HC-Rohemissionen zu realisieren.

0

30

60 KW nach ZOT

90

120

Abb. 2-45: Beispiel für einen Brennverlauf beim Katheizen bei Doppeleinspritzung (EOI2 = Zündzeitpunkt = 30 °KW nach ZOT, strahlgeführtes Brennverfahren), nach Preuss (2003)

Eine Möglichkeit besteht darin, den Motor mit < 1 zu betreiben und mit einer Sekundärluftpumpe Umgebungsluft in den Abgaskrümmer zu leiten: CO und HC als Produkte der unvollständigen Verbrennung reagieren im Krümmer exotherm mit der Sekundärluft und bewirken damit eine zusätzliche Aufheizung des Abgases. Bei direkteinspritzenden Ottomotoren bietet sich die Verwendung einer geeigneten Mehrfacheinspritzstrategie an. Die erste Einspritzung erfolgt während des Ansaughubs. Eine späte kurze zweite Einspritzung sorgt für eine lokale Gemischanreicherung an der Zündkerze und stabilisiert somit die Entflammung. Bei Motoren mit seitlicher Injektorlage erfolgt diese zweite Einspritzung üblicherweise noch vor dem Zünd-OT, die Zündung jedoch erst nach dem Zünd-OT. Eine geeignete Gestaltung der Kolbenmulde (ähnlich wie beim Schichtbetrieb) hilft bei der Umlenkung des Kraftstoffs in Richtung Zündkerze. Bei Motoren mit zentraler Injektorlage und strahlgeführtem Brennverfahren kann die zweite Einspritzung im günstigsten Fall nach ZOT unmittelbar vor dem Zündzeitpunkt abgesetzt werden. Durch den zweiten Einspritzimpuls kommt es nicht nur zu einer lokalen Gemischanreicherung an der Zündkerze, sie erhöht auch die Turbulenz an der Kerze. Beides zusammen ermöglicht eine stabile, extrem späte Verbrennung mit vergleichsweise geringen HC-Rohemissionen. Direkteinspritzung mit geschichtetem Betrieb Mitte der 90er Jahre wurden erste direkteinspritzende Ottomotoren mit Schicht-Brennverfahren eingeführt. Zur Kraftstoffverbrauchssenkung wird für die Laststeuerung nicht die Quantitätsregelung mit Drosselung für den =1-Betrieb, sondern die Qualitätsregelung eingesetzt. Die Lastverstellung erfolgt damit primär über die Änderung der eingespritzten

66

2 Motorische Verbrennung

Kraftstoffmasse. Im theoretischen Idealfall wird bei voll geöffneter Drosselklappe ständig die maximale Luftmasse angesaugt. Dadurch können die Ladungswechselverluste minimiert werden. Im praktischen Einsatz muss im untersten Lastbereich der Saugrohrdruck allerdings etwas reduziert werden, um eine Mindest-Abgastemperatur sicherzustellen, ab der ein hinreichender Wirkungsgrad des Drei-Wege-Katalysators hinsichtlich Oxidation und des NOx-Speicherkatalysators bezüglich Einlagerung gewährleistet sind. Durch den Betrieb mit Luftüberschuss entstehen zusätzliche Wirkungsgradvorteile im Hochdruckprozess. Die überschüssige Luft wirkt als Inertgas: ohne Verbrennungswirkung muss diese aufgeheizt werden und reduziert damit das Temperaturniveau der Expansionsphase. Damit verringern sich auch die temperaturabhängigen spezifischen Wärmekapazitäten cp und cv des Arbeitsgases, somit erhöht sich der Isentropenkoeffizient =cp/cv entsprechend. Er ist bereits aus dem ottomotorischen Idealprozess neben dem Verdichtungsverhältnis als Haupteinflussgröße auf den Hochdruckwirkungsgrad bekannt. Bei hohem globalen Luftüberschuss ( bis ca. 4) in der Teillast müssen Zusatzmaßnahmen für die Zündung und Verbrennung derart magerer Gemische getroffen werden. In der Literatur werden als Zündgrenzen für ein homogenes Gemisch Werte im Bereich von etwa 0,6 .. 0,8 < < 1,5 bis 1,6, van Basshuysen und Schäfer (2002)) angegeben. Deshalb muss im Brennraum bei Magerbetrieb eine Ladungsschichtung erreicht werden: im Bereich der Zündkerze eine Gemischwolke mit lokal zündfähiger Zusammensetzung, im Außenbereich des Brennraums ein sehr hoher Luftüberschuss. Für diese Ladungsschichtung erfolgt die Kraftstoffeinspritzung erst sehr spät in der Kompressionsphase, unter Umständen sehr eng gekoppelt an den Zündzeitpunkt. In der kurzen Gemischbildungsphase bis zum Zündzeitpunkt muss der Kraftstoff mit der im Brennraum vorhandenen Luft aufbereitet werden und sich an der Zündkerze eine zündfähige Gemischwolke einstellen. Untersuchungen zur Kraftstoffkonzentration an der Kerze zeigen, dass der Zündfunke unter den Randbedingungen des Schichtbetriebs noch wesentlich fetteres Gemisch im unmittelbaren Bereich der Zündkerzenelektroden entflammen kann als im Homogenbetrieb, siehe Witt und Kern (2004) und Fischer et al. (2004). Wenn sich die Flamme an der Zündkerze erst einmal gebildet hat, durchläuft sie bei ihrer weiteren Ausbreitung durch den Brennraum Gebiete mit sehr starkem -Gradienten, ausgehend von zum teil extrem fettem Gemisch an der Kerze über stöchiometrische Zonen bis hin zu sehr mageren Zonen am Rand des Brennraums.

Abb. 2-46: Beispiel für die zentrale Injektoranordnung eines strahlgeführten Brennverfahrens, BMW Presseinformation

2.3 Ottomotoren

67

Um diese Art der Ladungsschichtung realisieren zu können, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Brennverfahrensvarianten entwickelt:

y wandgeführtes Verfahren y luftgeführtes Verfahren y strahlgeführtes Verfahren

Diese Varianten stehen in engem Zusammenhang mit der Lage des Injektors, der seitlich oder zentral im Zylinderkopf verbaut werden kann. Bei den Otto-DI-Motoren der ersten Generation (wand- und luftgeführtes Verfahren) wurde eine seitliche Injektorlage gewählt. In aktuell angebotenen Motoren ist die seitliche Injektorlage nach wie vor zu finden, allerdings mittlerweile praktisch ausschließlich in Form der homogenen Direkteinspritzung. Bei modernen Ottomotoren mit Schicht-Brennverfahren wird der Injektor zentral verbaut und das strahlgeführte Brennverfahren realisiert, Abb. 2-46. „ Eigenschaften der verschiedenen Schicht-Brennverfahren

Das wandgeführte Brennverfahren wurde bei den ersten geschichtet betriebenen OttoDI-Motoren eingesetzt. Typisch ist eine ausgeprägte Kolbenmulde mit Umlenkfunktion. Die einströmende Luft wird entlang der Brennraumwände und der Kolbenmulde geführt. Der Kraftstoffstrahl wird während der Kompression von der Seite in Richtung dieser Mulde eingespritzt. Durch die Gestaltung der Mulde sowie die Aufwärtsbewegung des Kolbens wird der Kraftstoff nach oben in Richtung Zündkerze umgelenkt. Die umgelenkte Kraftstoffwolke muss sich auf ihrem Weg zur Zündkerze mit der umgebenden Luft vermischen und zum Zündzeitpunkt ein stabiles zündfähiges Gemisch an der Kerze bilden. Dieser Gemischbildungsprozess wird bei den wand- und luftgeführten Brennverfahren meist noch durch eine ausgeprägte Ladungsbewegung in Form von Drall oder Tumble unterstützt (siehe dazu Abb. 2-47). Abb. 2-47: Links: Gemischbildung beim wandgeführten Verfahren, nach Holy et al. (1998) Rechts: Gemischbildung beim luftgeführten Brennverfahren mit Tumble-Strömung, nach Grigo et al. (1998)

Das luftgeführte Brennverfahren arbeitet praktisch immer mit Tumble als Ladungsbewegung. Die Abgrenzung zum wandgeführten Verfahren erfolgt mehr oder weniger fließend. Die Kolbenmulde ist weniger stark ausgeprägt als beim wandgeführten Verfahren und unterstützt vor allem die Umlenkung des seitlich (unter flacherem Winkel) eingespritzten Kraftstoffs durch die tumble-förmig einströmende Luft in Richtung Zündkerze. Im Idealfall soll durch diese Umlenkung der Kraftstoff den Kolben möglichst nicht direkt treffen. In der Praxis kann diese Forderung nicht vollständig umgesetzt werden, zumindest aber wird der Kolben weniger stark benetzt. Sowohl das wandgeführte als auch zum Teil das luftgeführte Verfahren haben also mit dem Problem der Kraftstoffbenetzung des Kolbens zu kämpfen. Dies hat jedoch unmittelbar zur Folge, dass ein Teil des Kraftstoffes

68

2 Motorische Verbrennung

nicht mehr verdampft und aufbereitet wird, sondern auf dem Kolben in flüssiger Form verbleibt, unvollständig verbrannt wird und in Form unverbrannter Kohlenwasserstoffe wieder im Abgas zu finden ist, siehe Kapitel 2.3.7. Der daraus entstehende Wirkungsgradverlust kann in der unteren Teillast erhebliche Größenordnungen annehmen und zehrt so einen Teil des im Idealzustand vorhandenen Wirkungsgradvorteils des geschichteten Betriebs auf. Ein weiteres Problem der wand- und luftgeführten Brennverfahren besteht im eingeschränkten Kennfeldgebiet, in dem der geschichtete Betrieb möglich ist. Die obere Drehzahlgrenze wird definiert durch die begrenzte Stabilität des Einspritzstrahls und die zunehmend schlechtere Gemischaufbereitung. Die Last wird nach oben durch die deutlich steigenden Rußemissionen begrenzt, weil die lokale Gemischzusammensetzung an der Zündkerze bei den höheren Einspritzmengen zu fett wird. In der Praxis wird dadurch die Nutzbarkeit des Schichtbetriebs auf den unteren bis mittleren Teillastbetrieb (typischerweise bis etwa 3000 U/min, we = 0,4 kJ/l) begrenzt. In den letzten Jahren wurden verstärkte Anstrengungen zur Entwicklung des strahlgeführten Brennverfahrens unternommen, welches mittlerweile in Serie im Markt eingeführt wurde. Ein wesentlicher Unterschied zu den wand- und luftgeführten Verfahren besteht darin, dass der Strahl eines zentral montierten Injektors unmittelbar an der Zündkerze vorbeiführt. Als Voraussetzung für eine sichere Entflammung muss sich also das zündfähige Gemisch direkt am Strahlrand an der Kerzenposition bilden. Dann kann der Umweg über die Kolbenmulde entfallen und somit auch der größte Teil der wirkungsgradschädlichen Kraftstoffbenetzung des Kolbens. Die HC-Emissionen können deutlich reduziert werden bis auf das Niveau guter stöchiometrisch betriebener Motoren, Abb. 2-48. Abb. 2-48: Position der Zündkerze am Strahlrand beim strahlgeführten Brennverfahren, Fröhlich et al. (2003)

Aufgrund der Kerzenposition am Strahlrand steht nur ein räumlich sehr eng begrenzter Bereich für die Gemischbildung zur Verfügung. Die besten Voraussetzungen hierfür liefern außenöffnende Injektoren, die ein Hohlkegelspray mit einem ringförmigen Rezirkulationswirbel am Strahlrand abgeben. Die Ausbildung dieses Wirbelgebietes unter den Bedingungen der Kompressionseinspritzung wird geprägt durch die Interaktion des mit hoher Geschwindigkeit eindringenden Einspritzstrahls mit der nahezu ruhenden Luft im Brennraum. Der Strömungszustand in der umgebenden Luft am Strahlrand wird dabei wesentlich stärker durch den Strahl selbst als durch eine globale Ladungsbewegung beeinflusst. Bei optimalen Gemischbildungsbedingungen gelingt einerseits eine gute Zugänglichkeit der Luft in das Wirbelgebiet. Andererseits muss das Kraftstoffspray aus einem Tropfenspektrum mit geringem Sauter-Durchmesser bestehen, bei dem die Tropfen schnell verdampfen können, gleichzeitig aber von Einspritzung zu Einspritzung ein stabil reproduzierbares Außenwirbelgebiet aufbauen. Diese Sprayform muss auch bei sehr spätem Einspritzzeitpunkt in der Kompressionsphase und somit bei hohem Gegendruck und hoher Gastemperatur stabil bleiben. Abb. 2-49 zeigt das Spraybild eines außenöffnenden

2.3 Ottomotoren

69

Piezoinjektors unter zwei Extrembedingungen. In der linken Bildhälfte erfolgt die Einspritzung in die Einspritzkammer unter Umgebungszustand (also näherungsweise bei den Verhältnissen im Homogenbetrieb bei Einspritzung im Ansaugtakt). Die rechte Bildhälfte zeigt das Spray beim Zustand wie bei einer sehr späten Einspritzung im Kompressionstakt bei hohem Umgebungsdruck und hoher Gastemperatur. Durch die erhöhte Gasdichte reduziert sich zwar die Eindringtiefe des Sprays, der Kegelwinkel und der charakteristische Randwirbel bleiben jedoch erhalten. Einspritzdruck: 200 bar Kammerdruck: 1 bar Kammertemperatur: 20 °C Aufnahmezeit: 0.3 ms

Einspritzdruck: 200 bar Kammerdruck: 18 bar Kammertemperatur: 400 °C Aufnahmezeit: 0.3 ms

Abb. 2-49: Spraybild eines außenöffnenden Piezoinjektors unter Umgebungsbedingungen (links) sowie bei spätem Einspritzzeitpunkt (rechts), Fröhlich et al. (2003)

Extrem schnell öffnende Injektoren mit Piezoantrieb ermöglichen mehrere kurz aufeinanderfolgende Einspritzungen. Diese Eigenschaft lässt durch eine entsprechende Einspritzstrategie weitgehende Gestaltungsfreiheiten hinsichtlich des lokalen Verbrennungsluftverhältnisses an der Zündkerze zu, wodurch der nutzbare Kennfeldbereich im Schichtbetrieb deutlich erweitert werden kann. Die Aufteilung der gesamten Kraftstoffmenge in mehrere kurz aufeinanderfolgende Teileinspritzungen erfolgt üblicherweise so, dass die Dauer der ersten Einspritzung lastabhängig verändert wird und kurz danach eine zweite, bei höherer Last zum Teil auch eine dritte (jeweils sehr kurze) Einspritzung erfolgt. Die Massenaufteilung wie auch die Pausenzeit zwischen den Einspritzungen sowie die Wahl des Zündzeitpunkts relativ zum Ende der letzten Einspritzung bestimmen in entscheidendem Maß das lokale Verbrennungsluftverhältnis in der Umgebung der Zündkerze zum Zündzeitpunkt.

Homogene Selbstzündung Seit einigen Jahren werden verstärkt Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für ein neues ottomotorisches Teillast-Brennverfahren mit homogener Selbstzündung betrieben. Das Ziel besteht in einer Erhöhung des Teillast-Wirkungsgrades bei stöchiometrischem oder überstöchiometrischem Betrieb ohne die zusätzliche NOx-Abgasnachbehandlung wie bei Ottomotoren mit Schichtbetrieb. Zur Reduzierung der für den gedrosselten Be-

70

2 Motorische Verbrennung

trieb charakteristischen hohen Ladungswechselverluste wird daher eine starke Anreicherung durch Restgas (Restgasgehalt >>30 bis 80 %) angestrebt. Gleichzeitig bedeutet dies eine drastische Reduzierung der NOx-Emissionen. Eine Verbrennungseinleitung durch ein konventionelles Zündsystem, d. h. mit einem Zündfunken, kann bei so hohen Inertgasraten jedoch nicht gewährleistet werden. Die Ausbildung einer Flammfront bzw. deren Fortschritt ist bei der hohen Ladungsverdünnung durch Restgas und Luftüberschuss nicht möglich. Stattdessen muss die Auslösung der Energieumsetzung durch Selbstzündung erfolgen. Handelsüblicher Ottokraftstoff hoher Oktanzahl wird petrochemisch robust gegen unkontrollierte Selbstzündungen (Klopfen) ausgelegt. Die thermischen Randbedingungen für eine kontrollierte Selbstzündung im Teillastbereich unterscheiden sich daher vom fremdgezündeten Betrieb. Eine hohe Verdichtungsendtemperatur im Brennraum ist so darzustellen, dass eine Selbstzündung des Gemisches erfolgen kann, d. h. wenn die Zylinderfüllung einen großen Anteil von heißem Restgas enthält. Vollvariable Ventiltriebe bieten gute Voraussetzungen für die Methoden der „Restgasspeicherung“ bzw. „Restgasrückhalten“, engl. „Combustion Chamber Recirculation“ CCR (negative Ventilüberschneidung mit Restgasverdichtung im Ladungswechsel-OT bei geringem Ventilhub und kurzer Öffnungsdauer) oder der „Restgasrückführung“ bzw. „Restgasrücksaugen“, engl. „Exhaust Port Recirculation“ EPR (spätes Auslassschließen mit Rücksaugen von Abgas aus dem Auslasskanal, alternativ auch erneutes kurzes Auslassöffnen während der zweiten Hälfte des Ansaugvorgangs), siehe Kaufmann et al. (2004) und Caton et al. (2005), siehe Abb. 2-50. Diese beiden wesentlichen Restgassteuerstrategien unterscheiden sich in ihrem Potenzial hinsichtlich Restgasgehalt, Zylinderfüllungstemperatur, Kleinst- und Hochlastfähigkeit sowie der Homogenisierung.

IPR Ventilhub

Auslaßventil für SI- und CAI-Betrieb Einlaßventil für SI-Betrieb

Ventilhub

Ventilhub

zusätzliches Einlaßventil für CAI-Betrieb

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

EPR

Auslaßventil für SI- und CAI-Betrieb Einlaßventil für CAI-Betrieb zusätzliches Auslaßventil für CAI-Betrieb

CCR

Auslaßventil für SI-Betrieb Auslaßventil für CAI-Betrieb Einlaßventil für SI-Betrieb Einlaßventil für CAI-Betrieb

Kurbelwinkel

Abb. 2-50: Restgasstrategien bzw. Ventilsteuerzeiten für Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung: IPR .. Intake Port Recirculation / Einlasskanalrückführung EPR .. Exhaust Port Recirculation / Auslasskanalrückführung CCR .. Combustion Chamber Recirculation / Brennraumrückführung

2.3 Ottomotoren

71

Der Brennverlauf bei Homogener Selbstzündung zeigt typischerweise eine extrem kurze Energieumsetzung (Brenndauer ca. 10 °KW). In optischen Brennraumaufnahmen ist eine klassische Flammenfront nicht erkennbar, vielmehr zündet das Gemisch an vielen Stellen im Brennraum nahezu gleichzeitig. Infolge der hohen Dichte dieser exothermen Zentren, siehe Stan et al. (2004) und Guibert et al. (2004), liegen nur geringe Temperatur-OrtsGradienten vor, womit für die Verbrennung bei Homogener Selbstzündung der Charakter einer Thermischen Explosion vorliegt, siehe Nieberding (2001). Für näheres zur lokalen Selbstzündungsneigung in Form des Zündverzugs und somit durch die örtliche Temperatur sowie zur lokalen Gemischzusammensetzung aus Frischluft, Kraftstoff und Restgas, siehe Kaufmann (2005) und Maiwald (2005). Je nach Gemischbildungseffekten und Ventilsteuerzeiten kann nicht von einer gleichmäßigen Temperatur oder einem vollständig homogenen Gemisch im Brennraum ausgegangen werden. Nach Selbstzündung an den Stellen mit den besten Zündvoraussetzungen steigen Druck und Temperatur, wodurch die Selbstzündungsbedingungen an weiteren Orten im Brennraum erreicht werden und die Energieumsetzung in Form einer sogenannten Reaktionsfront schnell voranschreitet. Die begrenzenden Faktoren für den Selbstzündungsbereich im Kennfeld werden im untersten Lastbereich durch die erreichbare Kompressionsendtemperatur gesetzt. Die zulässige Druckanstiegsgeschwindigkeit kann aufgrund der nahezu gleichzeitigen Verbrennung besonders im höheren Lastbereich kritische Werte annehmen. Die Restgasspeicherung mit Zwischenkompression eignet sich nach Kaufmann et al. (2004), siehe Abb. 2-51, besser für den Betrieb im untersten Kennfeldbereich, da das im Zylinder verbleibende Restgas höhere Kompressionstemperaturen bewirkt als die Rückführung aus dem Auslasskanal.

Abb. 2-51: Links: Ventilhubkurven für Restgasspeicherung. Rechts: Brennverlauf für HCCI-Betrieb (a) und konventionellen Betrieb (b) beim Betriebspunkt 2000 U/min, wi = 0,27 kJ/l [19]

Allerdings erhöht sich dadurch auch die Druckanstiegsgeschwindigkeit bei einer Kennfelderweiterung zu höherer Last. Bei nahezu vollvariablen Ventiltrieben können für eine Restgasstrategie mit spätem Restgasrücksaugen (verkürzter Einlassventilhub und sehr kurzer zweiter Auslassventilhub im Verlauf der Ansaugphase) positive Effekte durch die gute Homogenisierung infolge der vermehrten Ladungsbewegung beobachtet werden. Für die rücksaugenden Restgasstrategien sind z. B. die geometrische Ausführung des Abgaskrümmers und die Zündreihenfolge innerhalb der Zylinderbank infolge der Restgaskorrespondenz über den Abgaskrümmer von hoher Bedeutung, siehe Abb. 2-52.

72

2 Motorische Verbrennung

Zylinder 1

Zylinder 4

==========> Rückspeisung von Restgas in den Vorgängerzylinder

Zylinder 2

Kurbelwinkel D in °KW

Ventilhübe hV,E; hV,A

Ventilhübe hV,E; hV,A

Zylinder 3

Zündreihenfolge

180°KW

Zylinder 3

==========> Rückspeisung von Restgas in den Vorgängerzylinder

Zylinder 2

Zündreihenfolge ' DZZP,Bank = 240°KW

Zylinder 1

Kurbelwinkel D in °KW

Abb. 2-52: Interaktion der Zylinder bei Homogener Selbstzündung und Restgasrückführung aus dem Auslasskanal (links Vierzylinder-Reihenmotor, rechts Dreizylinder-Reihenmotor bzw. -bank beim V-Motor)

Letztlich entscheidend für die Erfolgsaussichten des Verfahrens bleibt die Kontrollierbarkeit des gewünschten thermischen Zustands im Brennraum über einen möglichst großen Kennfeldbereich. Die Eingriffsmöglichkeiten können nicht nur über möglichst flexible Ventilsteuerzeiten und Ventilerhebungskurven vorgenommen werden, sondern z. B. auch über die Einspritzstrategie. Kaufmann (2005) beschreibt eine Möglichkeit, das HCCIKennfeld bis zum Leerlauf zu erweitern, indem beim Verfahren der Restgasspeicherung die Einspritzung im Bereich des Ladungswechsel-OT, also in das heiße zwischenverdichtete Restgas, erfolgt. Gegenüber einer späten Einspritzung ändern sich dabei die Stoffwerte der Zylinderladung während des Ansaugvorgangs. Die Gastemperatur kann damit kurz vor Zünd-OT um bis zu 80 K höhere Werte erreichen. Durch die Wahl des Einspritzzeitpunkts kann demnach der Zeitpunkt der Selbstzündung signifikant beeinflusst werden.

2.3.7

Rohemissionen und innermotorische Schadstoffreduktion

In diesem Kapitel soll das Rohemissionsverhalten des Ottomotors unter dem Einfluss verschiedener Parameter betrachtet werden. Sowohl die betriebspunktseitigen als auch die kalibrationsabhängigen Effekte sollen hinsichtlich des Potenzials zur innermotorischen Schadstoffreduktion und damit zur Entlastung der Komponenten der Abgasnachbehandlung diskutiert werden.

Abhängigkeit der Emissionskomponenten von Luftverhältnis und Verbrennungstemperatur Für die ottomotorische Verbrennung hat die Abhängigkeit der Emissionsentstehung vom Luftverhältnis eine zentrale Bedeutung. Da für das Gesamtaufkommen an limitierten Emissionskomponenten kein idealer Wert des Luftverhältnisses existiert, wurde der stöchiometrisch geregelte Betrieb mit O = 1 als Kompromiss eingeführt. Neben der Konzentration des an der Verbrennung beteiligten Luftsauerstoffs hat die Verbrennungstemperatur für die Entstehung der Emissionskomponenten in ihren jeweiligen Bildungsreaktionen einen wesentlichen Einfluss. Das gilt insbesondere für die Stickoxidemissionen, vgl. Kapitel 6.

2.3 Ottomotoren

73

Für den Verbrennungsvorgang selbst, d. h. die komplexen Oxidationsreaktionen in der Flammfront, gilt der Zusammenhang, dass für eine minimale Emissionsentstehung bei der motorischen Verbrennung das Luftverhältnis und die Verbrennungstemperatur in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen sollen (Abb. 2-53).

Abb. 2-53: Emissionsentstehung bei der motorischen Verbrennung in Abhängigkeit von lokalem Luftverhältnis und Verbrennungstemperatur, Gastaldi et al. (2008)

Die Abbildung, die unabhängig von der Art des Otto-Brennverfahrens mit Fremd- oder Selbstzündung die lokalen Verbrennungsparameter beschreibt, zeigt neben der klassischen Emissionsproblematik der konventionellen Verbrennungsverfahren auch die Möglichkeit bzw. Motivation für alternative Brennverfahren mit deutlich abgesenkten Verbrennungstemperaturen auf. Für den klassisch stöchiometrisch geregelt betriebenen Ottomotor („Local Equivalence Ratio = 1“, Abb. 2-53) ist zu berücksichtigen, dass dieser im Vergleich der Brennverfahren die höchsten mittleren Verbrennungstemperaturen aufweist und damit vorrangig ist der gekennzeichneten NOx-Bildungszone betrieben wird.

Verhältnis der Emissionskomponenten und Betriebspunktabhängigkeit Erwartungsgemäß stehen beim klassischen stöchiometrischen Betrieb die Emissionskomponenten in einem Verhältnis, das einer zum Teil deutlichen Betriebspunktabhängigkeit unterliegt (Abb. 2-54). Mit steigendem indiziertem Mitteldruck werden die Oxidationsbedingungen durch die ansteigende Verbrennungstemperatur verbessert werden, d. h. die Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen nehmen bis zum Ende des stöchiometrisch geregelten Bereichs (hier bei einem indizierten Mitteldruck von 7 bar) stetig ab. Im Gegenzug steigen die Stickoxidemissionen erkennbar mit der Motorlast an. Die katalytische Abgasnachbehandlung kann das Emissionsaufkommen erheblich reduzieren. Sowohl das Rohemissionsverhältnis als auch die Wirkung des Drei-Wege-Katalysators werden aber deutlich verschoben, wenn zur Darstellung eines Vollastbetriebspunkt das Luftverhältnis von O = 1 auf O = 0,85 abgesenkt wird. Für die Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen kann aufgrund des unterstöchiometrischen Betriebs kaum noch eine Wirkung der katalytischen Abgasnachbehandlung festgestellt werden, während die Reduktionsbedingungen für die Stickoxide verbessert werden.

2 Motorische Verbrennung

300

70

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

74

vor Katalysator nach Katalysaor

250

200

150

100

50

0

60 50 40

Lastschnitt bei Drehzahl n = 2000 rpm

30 20

Teilast mit Luftverhältnis = 1,00

10 0 -10

0

2

4

6

8

10

12

0

2

Indizierter Mitteldruck [bar] Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

vor Katalysator nach Katalysator

4

6

8

10

12

Indizierter Mitteldruck [bar]

1000

700

900

650

800

600

700

550

600

Volllast mit Luftverhältnis = 0,85

500

vor Katalysator nach Katalysator

500

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh Abgastemperatur in °C

450

400

400

300

350

200

300

100

250

0

200 0

2

4

6

8

Indizierter Mitteldruck [bar]

10

12

0

2

4

6

8

10

12

Indizierter Mitteldruck [bar]

Abb. 2-54: Stöchiometrisch bzw. unterstöchiometrisch geregelter Betrieb für einen Lastschnitt bei Drehzahl n = 2000 rpm

Emissionsverhalten bei Variation von Einspritztiming und Raildruck Sowohl beim Ottomotor mit Saugrohr- als auch mit Direkteinspritzung kann die Emissionsqualität von den Randbedingungen der Gemischbildung beeinflusst werden, d. h. diese können bei der Parametrierung gezielt zur Optimierung des Emissionsverhaltens genutzt werden. Für den Ottomotor mit Saugrohreinspritzung ist ein praktisch unbegrenztes Fenster im Arbeitszyklus des jeweiligen Zylinders zur Einbringung des Kraftstoffs nutzbar. Begrenzungen existieren hier vorrangig bei dynamischem Betrieb, wo sich die zuzumessende Kraftstoffmasse von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus ändert. Zur Erläuterung der phasenrelativen Lage des Einspritzintervalls zum Bezugsereignis, des Öffnungsverlaufs des bzw. der Einlassventile, dient Abb. 2-55. Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung beginnt allgemein die für eine homogene Gemischbildung nutzbare Phase für die Platzierung des Einspritzintervalls mit dem oberen Totpunkt des Ladungswechsels (LWOT). Die Entstehung der ottomotorischen Emissionen im stöchiometrisch geregelten Betrieb hängen entscheidend von der Homogenisierungsqualität während der Gemischbildungsphase ab. Für Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung ist hier vorrangig die Auswahl zu treffen zwischen einer verlängerten Gemischbildungszeit, d. h. vorgelagerter Einspritzung in die ruhende Luftsäule vor dem bzw. den Einlassventilen, und einer verkürzten Gemischbildungszeit, d. h. einer saugsynchronen Einspritzung in die bewegte Luftsäule, die wiederum den Einlassventilspalt passiert. Die ermittelbaren Qualitätsunterschiede im Emissionsverhalten sind erwartungsgemäß konzeptabhängig. Für den Teillastbetrieb im stationären betriebswarmen Modus zeigen Abb. 2-56 und Abb. 2-57 die grundlegenden Relationen.

2.3 Ottomotoren

75

2,0

hV,E = 2 mm n = 2000 1/min DED : Einspritzdauer tED : Einspritzzeit DE: Einspritzzeitpunkt 'DE : Vorlagerungszeit DED = 60 ° bzw. tED = 5 ms

Lange Vorlagerung Kurze Vorlagerung

Frühsynchron Spätsynchron

1,0

0,5

DE

Einlaßventilhub h

V,E

in mm

Teilsynchron 1,5

DED

'DE

0,0 120 150 180 210 240 270 300 330 360 390 420 450 480 510 540 570 600

Kurbelwinkel D in °KW

Abb. 2-55: Lage des Einspritzintervalls bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung in Relation zur Einlassventilöffnung; Gottschalk (2001)

5000

Lange Vorlagerung Kurze Vorlagerung Teilsynchron Frühsynchron Spätsynchron

4500

HC-Emissionen in ppm

4000 3500 3000 2500 2000

hV,E = 4mm n = 2000 1/min DELS; DALS; DZ = opt. für bi,min O=1 vHC in Balken

1500 1000 500 6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Brennstoffarbeitsdruck pB in Bar

Abb. 2-56: HC-Emissionen bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung bei variablem Einspritztiming; Gottschalk (2001)

76

2 Motorische Verbrennung

2000 Lange Vorlagerung Kurze Vorlagerung Teilsynchron Frühsynchron Spätsynchron

1750

NOx-Emissionen in ppm

1500

hV,E = 4mm n = 2000 1/min DELS; DALS; DZ = opt. für bi,min O=1 vNOx in Balken

1250 1000 750 500 250 0 6

8

10

12

14

16

Brennstoffarbeitsdruck pB in bar

Abb. 2-57: NOx-Emissionen bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung bei variablem Einspritztiming; Gottschalk (2001)

Für Ottomotoren mit Direkteinspritzung gelten prinzipiell ähnliche Zusammenhänge. Die Gewährung einer längeren Gemischbildungszeit ist hinsichtlich der Homogenisierungsqualität anzustreben. Bei zu frühem Einspritzbeginn, d. h. z. B. in LWOT, kann es jedoch zu einer erkennbaren Benetzung der Kolbenbodenoberfläche und damit zu einer nennenswerten Verschlechterung der Gemischbildungsqualität kommen, die sich insbesondere in den Kohlenwasserstoffemissionen, Abb. 2-58, äußert.

Abb. 2-58: Normierte HC-Emissionen bei einem Ottomotor mit Direkteinspritzung bei variablem Einspritztiming im stöchiometrischen Homogenbetrieb (n = 2000 rpm, pe = 2 bar); Suck (2001)

2.3 Ottomotoren

77

Bei der Optimierung der Gemischbildungsparameter an Ottomotoren mit Direkteinspritzung ist neben dem Einspritztiming der Raildruck in seinem Potenzial zur Verbesserung der Homogenisierungsqualität zu betrachten. Idealerweise werden bei der experimentellen Beurteilung dieser Zusammenhänge das Einspritztiming und der Raildruck gemeinsam optimiert, Abb. 2-59.

Abb. 2-59: HC- und NOx-Emissionen bei einem Ottomotor mit Direkteinspritzung bei variablem Einspritztiming und Raildruck im stöchiometrischen Homogenbetrieb

Emissionsverhalten bei interner Abgasrückführung Die Emissionsqualität ist erwartungsgemäß neben den Gemischbildungsbedingungen ebenso abhängig von der Zusammensetzung der Zylinderfüllung und den daraus folgenden Verbrennungsbedingungen. Bei Variabilitäten im Ventiltrieb, z. B. durch einen Einlassnockenwellenphasensteller, kann die Zusammensetzung der Zylinderfüllung durch eine angepaßte interne Abgasrückführung durch Ventilüberschneidung im Ladungswechsel-OT hinsichtlich des Emissionsverhaltens angepasst werden. Im Falle weiterer Freiheitsgrade des Ventiltriebs, z. B. in Form eines Auslassnockenwellenphasenstellers, kann eine sowohl hinsichtlich der Emissionen als auch des Wirkungsgrads geeignete Parametrierung gefunden werden, Abb. 2-60 und Abb. 2-61.

78

2 Motorische Verbrennung

10 14.0

12.0

0

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

14.0

-10

12.0

-20 -30 14.0 12.0

14.0 16.0 18.0 20.0 22.0 24.0 26.0 28.0 30.0 32.0

-40 -50

16.0 18.0 20.0 22.0 24.0 26.0

14.0 16.0 18.0 20.0 22.0

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

20

12 14 16 18 20

0

26 24 22 20 18 16 14 12 10 8

20 18 16 14

-20 -30

12

-40

10

-50

8 6

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

24

-10

22 20 18 16 14 12 10 8

Drehzahl n = 2000 rpm Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,5 bar

6 6

Luftverhältnis = 1,00

4 4

Steuerzeiten-

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-60 30

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30 variation

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

10

Einlass- und Auslassnockenwellenphasensteller

10

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

26

0 -10

60

-20 70

70

-30

80

-40

90 100 110 120

-50

80 90

60

100 110 120 130 140

70 80 90 100 110

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

20

0

320

320

-10

Ergebnisse vor Katalysator

-20

310

-30

330

-50

310

340 350 360 370 380 390

320 330 340 350

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

-60 30

330

340 350 360 370 380 390 400 410 420

-40

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-60: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch bei Variation der internen Abgasrückführung mit Hilfe von Nockenwellenphasenstellern

0

0.1

-10

0.2

0.3

0.3

0.2

-20

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

0.3

0.2

-30 0.2 0.3 0.3 0.3

0.2 0.3 0.3 0.3 0.4

-40 -50

0.3 0.3

0.3

0.3

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen nK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

20

10

8

0

10 12

12 12

-10 10

-20 -30

12

12

10

10 6

6

6

4

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,5 bar

2

Luftverhältnis = 1,00

4

4 2

-50

Drehzahl n = 2000 rpm

8

8

8

-40

Steuerzeiten-

Eff. spez. Stickoxidemissionen nK in g/kWh

-60 -40

30

-30

-20

-10

0

10

20

30 variation

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Einlass- und Auslassnockenwellenphasensteller

10

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

14

0 -10

0.12 0.12

-20

0.15 0.12

-40

0.20 0.15 0.15

0.12 0.15 0.20 0.60 1.00

-50

0.12

0.15

0.15

-30

0.15 0.20

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen nK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

20

560

0

580 580

-10 -20 -30 -40

580

580

560

560

560

540

540

540

520

520

520

500

500

500

480

480

460

460

480 460 440

-50

440

Ergebnisse nach Katalysator

Abgastemperatur in °C)

-60 30

600

-40

-30

-20

-10

0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-61: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur bei Variation der internen Abgasrückführung mit Hilfe von Nockenwellenphasenstellern

30

2.3 Ottomotoren

79

5.9

5 5.7

-5 -15

5.9

5.7

5.5 5.5

-25 -35

5.9

6.1

-45 -55 -65

6.1

5.7 5.9

6.3

6.1

6.3 6.1 5.9

-75 -85

5.7 5.7 5.9 6.1

6.1

6.3 6.3 6.1 5.9 5.7

5.9

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-95 -90

-85

-80

-75

3

6.2

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

5.6

15

-70

-65

-60

-55

-50

2

-5 4

-15

7

-45

6

-55

-25

28

26

28

30 32 34 36 38

28 30 32

25

-45 -55

30

-65

24

26

-35

40 42 44 44 42 40 38 36 34 32

32

-75 -85

34 36 38 38 36 34 32 30

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK vK in g/kWh

-95 -90

-85

-80

-75

-70

-65

-60

-55

6

6

8

8

8

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 5,8 bar

-65

Luftverhältnis = 1,00

10

-75

10 10 12 12 Eff. spez. Stickoxidemissionen vK vK in g/kWh 12

-85 -90

-85

-80

-75

-70

-65

-60

-55

-50

229

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

22

26

Drehzahl n = 2000 rpm

-35

-95

22

-15

4

-45

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

24

24 24

4

-25

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

5

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

2 2

5

-45

15

-5

2

15

-50

23

15 235

5

Steuerzeitenvariation bei zweiter Auslaßphase nach Einlaßphase im Ansaughub

235

-5

Ergebnisse vor Katalysator

235

-15 233 233

-25 -35 229

-45

229 235 237

-65

239 241 241 239 237

233

-75 -85

237 239

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

-95 -45

235

231

-55

-90

-85

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

-80

-75

-70

-65

-60

-55

-50

-45

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Abb. 2-62: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch bei Variation der internen Abgasrückführung mit Restgasrücksaugen

5 -5

0.2

-15

0.2

0.1

-25 0.1

-35 0.1

-45

0.1

-55 0.1

-65

0.1

-75

0.1 0.1

-85 Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen nK in g/kWh

-95 -90

-85

-80

-75

0.2

0.2

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

0.2

15

-70

-65

-60

-55

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

5 -5 -15

Drehzahl n = 2000 rpm

-25 -35

-55

0.5

-65

-85

7.00 8.00 9.00

5.00 4.00

-25 -35

3.00

6.00 5.90

-45 -55

2.00

1.00

-65

0.00

-75 -85 Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen nK in g/kWh

-95 -90

-85

-80

-75

-70

-65

-60

-55

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

-50

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

Auslass Schließen 2 [°KWbezUTH]

6.00

-75

-70

-65

-60

-55

-50

571

9.0 9.00

6.00

-80

-45

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

6.26

-5

Luftverhältnis = 1,00

1.5 2.0 2.5 2.0 1.5

Eff. spez. Stickoxidemissionen nK in g/kWh

-90

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

-15

1.0

3.0 3.5 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0

-85

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 5,8 bar

0.5

2.5

1.0 1.5

-75

-45

15 5

0.5 1.0 1.5 2.0

0.3

-45

-95

-50

0.0

15

590

5

590

-5 -15 -25 -35 614

-45

590

590

590

600

600

610

-55

Ergebnisse nach Katalysator

590

580

600 610

610

-65 620

-75

620

620

630

-85 Abgastemperatur in °C

-95 -45

59

15

Steuerzeitenvariation bei zweiter Auslaßphase nach Einlaßphase im Ansaughub

-90

-85

-80

-75

-70

-65

-60

-55

-50

-45

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Abb. 2-63: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur bei Variation der internen Abgasrückführung mit Restgasrücksaugen

80

2 Motorische Verbrennung

Die Ausstattung aktueller Ottomotoren mit Nockenwellenphasenstellern zählt zum Stand der Technik bezüglich der Optimierung der Emissionsqualität. Die Grenzen der internen Abgasrückführung durch zunehmende Ladungsverdünnung und –abkühlung zeigen sich sowohl in den Emissionen als auch in Laufruhe und Wirkungsgrad. Eine mögliche Alternative zur internen Abgasrückführung durch Ventilüberschneidung im LadungswechselOT besteht dann, wenn Ottomotoren mit weitgehend variablen Ventiltrieben (VVT) ausgestattet sind. Hiermit besteht die Möglichkeit, eine interne Abgasrückführung durch Rücksaugen aus dem Auslasskanal mit Hilfe einer erneuten Öffnung des bzw. der Auslassventile in der zweiten Hälfte der Ansaugphase darzustellen. Für den Teillastbetrieb des Ottomotors besteht neben der bekannten Entdrosselung durch zunehmende Füllungsmasse bzw. Intergasanteil die Möglichkeit, unter den Zylindern gemischtes Restgas hoher Temperatur in den Zylinder zurückzufördern und damit die thermischen Gemischbildungs- und Zündbedingungen zu verbessern, Abb. 2-62 und 2.63. Im Gegensatz zur klassischen internen Abgasrückführung, deren Maximierung unter anderem durch die Aussetzergrenze markiert wird, kann die beschriebene alternative interne Abgasrückführung mit Hilfe eines zweiten Auslassventilhubs durch Steigerung der Füllungstemperatur zu einer deutlichen Intensivierung der Energieumsetzung, d. h. unter anderem bis zur klopfenden Verbrennung, schon bei Teillastbetrieb führen. Emissionsverhalten bei alternativen Flüssigkraftstoffen Die Emissionssituation bei Ottomotoren ist selbstverständlich auch abhängig von der Qualität bzw. chemischen Natur des verwendeten Kraftstoffs. Neben den klassischen ottomotorischen Benzinkraftstoffen gewinnen durch alternative Zusätze angereicherte Kraftstoffe international an Bedeutung, z. B. Ottokraftstoffe mit Ethanol in Anteilen von bis zu 85 % oder als Reinkraftstoff (Ethanol 100 %). Die Motivation für solche Alternativen besteht hauptsächlich in der angestrebten Nutzung jeweils lokaler oder nationaler Energiequellen. Bei der Betrachtung der motorischen Zusammenhänge sind folgende Kraftstoffkennwerte besonders zu beachten: der untere Heizwert und der stöchiometrische Luftbedarf, d. h. in Summe der Gemischheizwert, die Klopffestigkeit und das Verdampfungsverhalten sowie die Lagerungsstabilität und die Korrosionseigenschaften. Bezüglich des ottomotorischen Downsizings können ethanolhaltige Kraftstoffe insbesondere durch ihre deutlich erhöhte Klopffestigkeit interessante Potenziale bieten, siehe Abb. 2-64 bis 2.66. Diese zeigen den Vollastvergleich zwischen Benzin ROZ98 und Ethanolkraftstoff E85 für einen DI-Ottomotor. Erwartungsgemäß führt die höhere Klopffestigkeit des Kraftstoffs E85 zu verbesserten Kennwerten bei Drehmoment und Leistung, Abb. 2-64. Die Ursachen sind hier einerseits die günstigere Phasenlage der Energieumsetzung durch die abgesenkte Klopfempfindlichkeit, andererseits führt die gegenüber Benzin ROZ98 erhöhte Verdampfungsenthalpie zu einer intensivierten Innenkühlung im Brennraum und damit bei Einspritzung während des Ansaugvorgangs zu einer Steigerung des Luftliefergrads. Die zum Teil deutlichen Verbesserungen in den Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen bei E85, Abb. 2-65, werden hauptsächlich von dem im Ethanolmolekül gebundenen Sauerstoff und den damit lokal verbesserten Oxidationsbedingungen bei der Verbrennung verursacht. Der deutliche Anstieg im Nenndrehzahlbereich, speziell bei den Kohlenwasserstoffen, ist Folge zweier wesentlicher Ursachen: einerseits sind bei E85 die Gastemperaturen im Zylinder während der Expansionsphase durch das frühere Verbrennungsende geringer, was die Nachoxidationsbedingungen verschlechtert, andererseits müssen durch den deutlichen Unterschied der Kraftstoffe bezüglich des unteren Heizwerts

2.3 Ottomotoren

81

Eff. Leistung

Drehmoment

bei Betreib mit E85 erheblich größere Kraftstoffmassen pro Arbeitsspiel eingespritzt, aufbereitet und umgesetzt werden. Das kann bei verkürzter Gemischbildungsphase bei hoher Drehzahl zu einer mangelhaften Homogenisierungsqualität führen.

Eff. spez. HC-Emissionen

Eff. spez. CO-Emissionen

Abb. 2-64: Vollastvergleich bei Verwendung von Standard- (ROZ98) und ethanolhaltigem Kraftstoff (E85)

Abb. 2-65: CO- und HC-Emissionen für einen Vollastvergleich bei Verwendung von Standard(ROZ98) und ethanolhaltigem Kraftstoff (E85)

82

2 Motorische Verbrennung

Rauchwert (FSN)

Eff. spez. NOx-Emissionen

Zusätzlich muss in Betracht gezogen werden, dass der Vergleich mit identischen Injektoren durchgeführt wurde, d. h. die Einspritzintervalle bei E85 deutlich länger sind und damit ebenfalls negativen Einfluss auf die verfügbare Gemischbildungszeit haben. Diese Gemischbildungseffekte sind auch als Ursache für den wesentlichen Unterschied in den Rauchwertemissionen zu sehen, Abb. 2-66. Die deutlich vergrößerten Einspritzmassen führen zwangsläufig auch zu einer vermehrten Kolbenbodenbenetzung. Die Bankunterschiede sind unter Umständen individuellen Injektoreigenschaften zuzuordnen.

Abb. 2-66: NOx-Emissionen und Rauchwert für einen Vollastvergleich bei Verwendung von Standard- (ROZ98) und Ethanol-Kraftstoff (E85)

Emissionsverhalten im Schichtbetrieb (DI-Ottomotoren) Im Schichtbetrieb von Ottomotoren mit Direkteinspritzung kommt es erwartungsgemäß durch die räumliche Inhomogenität des Luftverhältnisses in der kraftstoffangereicherten Zone des Brennraums zu einer Veränderung des Emissionsverhaltens. Die Entstehung der Emissionen ist im Schichtbetrieb unter Berücksichtigung des lokalen Luftverhältnisses und der dortigen Verbrennungstemperatur zu betrachten. Die Interaktion des Einspritzstrahls mit der Ladungsbewegung und den Brennraumwänden, insbesondere dem Kolbenboden, hat eine Schlüsselbedeutung für die Ausbildung der Gemischbildungs- und Verbrennungszone. Das luftgeführte Brennverfahren arbeitet praktisch immer mit Tumble als Ladungsbewegung. Die Abgrenzung zum wandgeführten Verfahren erfolgt mehr oder weniger fließend. Die Kolbenmulde ist weniger stark ausgeprägt als beim wandgeführten Verfahren und unterstützt vor allem die Umlenkung des seitlich (unter flacherem Winkel) eingespritzten Kraftstoffs durch die tumbleförmig einströmende Luft in Richtung Zündkerze. Im Idealfall soll durch diese Umlenkung der Kraftstoff den Kolben möglichst nicht direkt treffen. In der Praxis kann diese Forderung nicht vollständig umgesetzt werden, zumindest aber wird der Kolben weniger stark benetzt.

2.3 Ottomotoren

83

Sowohl das wandgeführte als auch – in etwas geringerem Umfang – das luftgeführte Verfahren haben also mit dem Problem der Kraftstoffbenetzung des Kolbens zu kämpfen. Dies hat jedoch unmittelbar zur Folge, dass ein Teil des Kraftstoffes nicht mehr verdampft und aufbereitet wird, sondern auf dem Kolben in flüssiger Form verbleibt, unvollständig verbrannt wird und in Form unverbrannter Kohlenwasserstoffe wieder im Abgas zu finden ist (Abb. 2-67). Der daraus entstehende Wirkungsgradverlust kann in der unteren Teillast erhebliche Größenordnungen annehmen und zehrt so einen Teil des im Idealzustand vorhandenen Wirkungsgradvorteils des geschichteten Betriebs auf.

Abb. 2-67: Erhöhung des HC-Massenstroms im Betriebspunkt 2000 U/min, we = 0.2 kJ/l bei wandgeführten Verfahren gegenüber. stöchiometrisch betriebenen Motoren; Göschel (2006)

Einen Überblick über das Emissionsverhalten im Vergleich von Saugrohreinspritzung, wandgeführter und strahlgeführter Direkteinspritzung zeigt Abb. 2-68.

Abb. 2-68: Emissions- und Kraftstoffverbrauchsvergleich zwischen Saugrohr-, wandgeführter und strahlgeführter Direkteinspritzung (Quelle: Robert Bosch GmbH) Einzylinder-Versuchsmotor, Betriebspunkt: n = 2000 min, pmi = 0,28 MPa MPI: Saugrohreinspritzung, SG: Strahlgeführt, WG: Wandgeführt

84

2 Motorische Verbrennung

Emissionsverhalten bei Mehrfacheinspritzung (DI-Ottomotoren) Neben der Eignung zum überstöchiometrischen Schichtbetrieb besitzen Ottomotoren mit Direkteinspritzung auch die prinzipielle Fähigkeit zur Mehrfacheinspritzung, Kapitel 2.3.6. Die zusätzlichen Einspritzintervalle können sowohl bei geöffneten als auch geschlossenen Einlassventilen als auch während des Ansaug- oder des Kompressionshubs stattfinden. Je nach Entwicklungsstand des Motorsteuergeräts und der Injektoren sind auch Teileinspritzungen in Arbeits- oder Ausschiebetakt möglich. Drehzahl n = 1000 rpm Luftliefergrad OL = 90 % Kraftstoffaufteilung = 0,30 Luftverhältnis O = 0,95

Abb. 2-69: Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch bei einer zweifachen Einspritzung in Saugund Kompressionshub bei Direkteinspritzung

2.3 Ottomotoren

85

Eine Hauptanwendung der Mehrfacheinspritzung stellt der besondere Betrieb des Katalysatorheizens, Kapitel 2.3.6, dar. Durch eine oder mehrere Einspritzintervalle kurz vor oder nach ZOT kann eine teilweise Schichtung des Kraftstoffs im Brennraum herbeigeführt werden. Die höhere Kraftstoffkonzentration in der Nähe der Zündkerze führt somit zur Verbesserung des Zündverhaltens bei den für diesen Betrieb typischen späten Zündzeitpunkten von bis zu ca. 30 °KW nach ZOT. Drehzahl n = 1000 rpm Luftliefergrad OL = 90 % Kraftstoffaufteilung = 0,30 Luftverhältnis O = 0,95

Abb. 2-70: Abgastemperatur bei einer zweifachen Einspritzung in Saug- und Kompressionshub bei Direkteinspritzung

86

2 Motorische Verbrennung

Eine weitere typische Anwendung der Mehrfacheinspritzung ist die Optimierung des Vollastbetriebs. Ziel ist hier eine intensivierte Innenkühlung mit Hilfe einer oder mehrerer Teileinspritzungen in später Ansaug- oder früher Kompressionsphase zur Verringerung der Klopfneigung. Bei der Untersuchung zur Wirksamkeit einer Mehrfacheinspritzung im Vollastbetrieb ist es angebracht, das Timing der Teileinspritzungen gemeinsam zu optimieren. Als weiterer wesentlicher Parameter ist die Relation der Kraftstoffmassen der Teileinspritzungen, die sogenannte Kraftstoffaufteilung, die in der Regel als Anteil der zusätzlichen zweiten oder weiteren Einspritzung an der gesamten Kraftstoffmasse angegeben wird, Abb. 2-69 bis Abb. 2-73. Neben der Emissionssituation wird mit Hilfe der Mehrfacheinspritzung auch Einfluss auf den Wirkungsgrad und die Abgastemperatur genommen, was für die positiven Effekte durch die verbesserte Innenkühlung spricht. Der Zusammenhang von Emissionen und Abgastemperatur durch die Beeinflussung der Energieumsetzung infolge der veränderlichen Qualität von Gemischbildung und Homogenisierung entspricht dem Standardverhalten eines Ottomotors : eine wirkungsgradoptimale Phasenlage der Energieumsetzung wird von der minimalen Abgastemperatur repräsentiert; die maximale Abgastemperatur zeigt hingegen bei verbesserter HC-Nachoxidation eine verringerte Spitzentemperaturen bei der Verbrennung und damit eine verminderte NOx-Bildung an, Abb. 2-71. Drehzahl n = 1000 rpm Luftliefergrad OL = 90 % Kraftstoffaufteilung = 0,30 Luftverhältnis O = 0,95 Einspritzbeginn 1 = 270°KW vZOT

Abb. 2-71: Abgastemperatur und Emissionen bei der Optimierung der zweiten Teileinspritzung im Kompressionshub bei Direkteinspritzung

Die Wirkung der Mehrfacheinspritzung auf die Emissionen muss im Zusammenhang mit dem Verlauf der Energieumsetzung in Form des differentiellen bzw. integralen Heizverlaufs betrachtet werden, Abb. 2-72a) und b). Bei diesem Versuch wurde die Kraftstoffmasse konstant gehalten, d. h. der indizierte Mitteldruck ändert sich in Abhängigkeit der Energiefreisetzung. Im Diagrammteil a) unten sind die Einspritzzeitpunkte der zweiten Einspritzung, die optimierten Zündzeitpunkte sowie die Zeitpunkte, an denen 5 %, 50 % und 90 % der Kraftstoffenergie umgesetzt wurden, dargestellt.

2.3 Ottomotoren

a)

b) Abb. 2-72: Heizverlauf und Emissionen bei einer zweifachen Einspritzung in Saug- und Kompressionshub bei Direkteinspritzung

87

88

2 Motorische Verbrennung

Zusätzlich ist der über die Zylinder gemittelte indizierte Mitteldruck eingezeichnet. Im Diagrammteil b) sind die Emissionen in Abhängigkeit des Einspritzbeginns der zweiten Einspritzung dargestellt. Es ist erkennbar, inwieweit die Energieumsetzung mit Hilfe der zweiten Einspritzung optimierbar ist. Bis zu einem bestimmten Einspritzzeitpunkt können HC- und Stickoxidemissionen reduziert werden. Eine sehr späte Zweiteinspritzung führt jedoch durch mangelnde Aufbereitung des Kraftstoffs zu einer verzögerten Energieumsetzung und damit verbunden zu erhöhten HC-Emissionen und deutlich steigenden Abgastemperaturen. Wird die relative Aufteilung der einzelnen Kraftstoffteilmassen in die Variation der Parameter einer Doppel- bzw. Mehrfacheinspritzung einbezogen, kann gezeigt werden, dass eine unterschiedliche Ausrichtung der motorische Ergebnisse je nach Optimierungsziel möglich ist, Abb. 2-73.

Abb. 2-73: Vergleich der motorischen Ergebnisse bei Variation der Kraftstoffaufteilung bei Doppeleinspritzung

Emissionsverhalten bei Entdrosselung mit variablem Ventiltrieb Variable Ventiltriebe werden hauptsächlich zur Entdrosselung des stöchiometrischen Betriebs eingesetzt. Auf der einen Seite ist damit die Anreicherung der Zylinderfüllung mit internem Restgas (interne Abgasrückführung) möglich. Andererseits wird die Zumessung des betriebspunkterforderlichen Luftliefergrads bei vollem Saugrohrdruck im Sinne einer sogenannten drosselfreien Laststeuerung angestrebt. Die auf diese Weise stattfindende Verkürzung der Einlassöffnungsdauer und die damit einhergehende Verringerung des effektiv genutzten Hubvolumens führen ebenso zu einer Absenkung des effektiven Verdichtungsverhältnisses. Bei einer gemeinsamen Variation von Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents können sowohl der Kraftstoffverbrauch als auch die Emissionen einer Optimierung unterzogen werden, Abb. 2-74 und 2.75.

2.3 Ottomotoren

89

76.0

35 58.7

15

55.8 56.4

80.0

-5

80.0

-25 55.0

75.0 80.0

-45

85.0

-65

65.0 75.0

-85

55.0

65.0

-105

80.0 Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

82

55

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

55

15

27 26

-5 50 90

-45

40

-65

30

-85

20

70

240

220

220

-45 220 220 240 260 280

-65 -85

220 240 260 280 300

220 240 260 280 300

280

-105

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

80 70 60 50

Luftverhältnis = 1,00

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

30

285

55

240

260 240 220

-25

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,9 bar

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

240 220

260

70 60 50

40

-40

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

215 202 205

90

80

60 50

-105 -125

226

-5

Drehzahl n = 2000 rpm

70

-25

40

35 15

90

50

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 55

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

35

290

35 279

15

267 268

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

-5 295

-25

275

285

-45

265

280

290 285

-65

255

275

280 275

275 275 270 265 265

-85 -105

285 280 275

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

-125 40

Ergebnisse vor Katalysator

290

-40

-30

-20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-74: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents (Teillastbetrieb)

5.9

35 0.3

15

0.4 0.5

0.5 0.5

-5 1.0

-25

1.0

0.5 1.0

1.0 0.5

-45 -65

3.0

0.5

-85 1.0

3.0

-105

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen nK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

0.1

55

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

55

0.2

15

0.4

-45

-85

0.2

Eff. spez. Stickoxidemissionen nK in g/kWh

-40

-30

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

15.00 20.00

5.00 10.00

15.00

25.00

-45 -65

30.00

-85

25.00

-105 ,Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen nK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

20.00

-25

Luftverhältnis = 1,00

0.2

-105

60

3.00 4.09 5.33

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,9 bar

0.1

-65

-125

35

-5

Drehzahl n = 2000 rpm

0.1

-25

40

11.37

15

0.1

0.1 0.1

-5

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 55

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

35

30

615

40

610

20

566 537 534

0 -20

540

-40

550

-60

600 590 590 600

590

590 600 600 590 610 590 Abgastemperatur in °C

-80 -100

-40

-30

-20

Ergebnisse nach Katalysator

610

570 560

-120 40

590

-10

0

610 620

10

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-75: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents (Teillastbetrieb)

40

90

2 Motorische Verbrennung

Emissionsverhalten bei Drall-Ladungsbewegung mit variablem Ventiltrieb Variable Ventiltriebe besitzen unter Umständen den Freiheitsgrad, vom 4V- in den 3Voder 2V-Betrieb überzugehen. Für das Emissionsverhalten ist die Erzeugung einer DrallLadungsbewegung durch Abschaltung eines Einlassventils von Interesse. Zum plausiblen Vergleich mit dem Emissionsverhalten bei 4V-Betrieb muss auch für den 3V-Betrieb die Variation von Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventile einbezogen werden, Abb. 2-76 und 2.77. Die Energieumsetzung wurde durch die intensivierte Ladungsbewegung beschleunigt. Die Stickoxidemissionen als Indikator der Verbrennungsspitzentemperaturen nehmen zu; die Abgastemperaturen nehmen ab. Die Emissionssituation bei Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid hat sich hier ebenfalls nicht verbessert. Insbesondere die Nachoxidationsbedingungen durch die sinkende Abgastemperatur, die auf eine kühlere Expansionsphase deutet, wurden verschlechtert. Die Gestaltung des Einspritzstrahls im Brennraum bei DI-Ottomotoren ist auch bei homogenen Brennverfahren in der Regel auf die Wirkung einer Tumble-Ladungsbewegung ausgerichtet. Demzufolge ist nur mit suboptimaler Gemischbildung am Einspritzstrahl selbst bei zusätzlicher Drall-Ladungsbewegung zu rechnen. Im Motorbetrieb bei z. B. geringen Motortemperaturen (z. B. im Warmlauf) kann die zusätzliche Ladungsbewegung aber stabilisierend auf die zyklischen Schwankungen wirken. 26

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

23.0

2 Einlaßventile

45

25.0

25

29.7 33.8 33.2

5

30.0

-15

25.0 30.0

-35 -55

25.0 30.0

-75

30.025.0 25.0

-95 -115

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-135 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

25

25

27 2 2

5 -15

Drehzahl n = 2000 rpm

25 25

-35 10

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 1,75 bar

-55 -75

5

-95

20

Luftverhältnis = 1,00

10

-115

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-135 40

20

15

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

45 27 28

5

45

-15 -35

35

35

40

-55

30

-75

35 40

-95

35

30 35

35 40 45 50 55

-115

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-135 -40

-30

-20

-10

0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

40

31

1 Einlaßventil

25

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 36

45

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

2 Einlaßventile

45

30

45

1 Einlaßventil

25 6 7

5 -15

20

-35 -55

25

15

-75

25

20

-95

20

10 15

-115

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-135 40

Ergebnisse vor Katalysator

30

30

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-76: Vergleich von 4V- und 3V-Betrieb: Emissionen bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents

2.3 Ottomotoren

91

592.0

25

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

83.7

2 Einlaßventile

45

79.7 80.3 79.5

5 -15

80.0

-35

80.0

80.0

-55 -75

80.0

-95

80.0 100.0 120.0

80.0 100.0 120.0 140.0

-115

80.0

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-135 -40

-30

-20

-10

0

10

20

45 25

551.5 514.9 524.0

5 -15

560.0

-35

Drehzahl n = 2000 rpm

560.0 580.0

540.0

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 1,75 bar

-55 -75 560.0

-95 -115

Steuerzeiten-

Abgastemperatur in °C

-40

40

Luftverhältnis = 1,00

480.0 540.0

-135 30

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

2 Einlaßventile

-30

-20

-10

0

10

20

30 514

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

82.06

1 Einlaßventil

25 73.93 81.29

5 -15

70.00

-35 -55

90.00

-75

90.00

-95

70.00 90.00

110.00 150.00

-115

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-135 -40

-30

-20

-10

0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 45

40 variation bei

30

45

1 Einlaßventil

25 484 485

5 -15 -35

500

-55

500

-75

500

500

500 520 540

-115

Abgastemperatur in °C

-135 40

500

500

-95

Ergebnisse vor Katalysator

520

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-77: Vergleich von 4V- und 3V-Betrieb: Emissionen und Abgastemperatur bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents

Einfluss des Emissionsverhaltens durch das Verdichtungsverhältnis Bei der Auslegung von Motorkonzepten muss auch der grundlegende Einfluss des Verdichtungsverhältnisses auf das Emissionsverhalten in Betracht gezogen werden. Neben dem bekannten wirkungsgradförderlichen Einfluss eines angehobenen Verdichtungsverhältnisses ist zu beobachten, dass sehr emissionsambitionierte Ottomotorkonzepte eher geringere Verdichtungsverhältnisse aufweisen. Das kann mit den Aussagen von Abb. 2-78 und 2-79 teilweise qualitativ bestätigt werden. Insbesondere der Einfluss auf die Abgastemperatur ist in den dargestellten Experimentalergebnissen sichtbar. Eine höhere Abgastemperatur bei geringerem Verdichtungsverhältnis, verursacht durch höhere Temperaturen in der Expansionsphase, verbessert prinzipiell zuerst die Oxidation von Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid.

2 Motorische Verbrennung

14

13 eps = Basis eps = +2 Einheiten

13

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

92

12 11 10 9 8 7 6 5

11 10

Drehzahl n = 2000 rpm

9 8

Teillastbetrieb

7

Luftverhältnis = 1,00

6 5 4

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

3.0

3.5

Indizierter Mitteldruck [bar]

4.0

4.5

5.0

5.5

Indizierter Mitteldruck [bar]

46

Einlass Öffnen = 32°KW vLWOT 6.0 Einlass Schließen = 75°KW vUTH

265

Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

eps = Basis eps = +2 Einheiten

12

44

42

40

38 eps = Basis eps = +2 Einheiten

36

Ergebnisse vor Katalysator

260 eps = Basis eps = +2 Einheiten

255

250

245

240

34

235 3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

3.0

3.5

Indizierter Mitteldruck [bar]

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

0.24

0.065

Effektive spezifische Stickoxidemissionen nK [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Abb. 2-78: Einfluss des Verdichtungsverhältnisses: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch

0.22 0.20 0.18 0.16 0.14 0.12 0.10 0.08

eps = Basis eps = +2 Einheiten

0.06 0.04

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung)

0.060 0.055 0.050

Drehzahl n = 2000 rpm

0.045 0.040

Teillastbetrieb

0.035

0.025 0.020

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

Indizierter Mitteldruck [bar]

Einlass Öffnen = 32°KW vLWOT 6.0 Einlass Schließen = 75°KW vUTH

640

1.8

eps = Basis eps = +2 Einheiten

1.6 1.4 1.2 1.0 0.8 0.6 0.4

Ergebnisse nach Katalysator

eps = Basis eps = +2 Einheiten

620

Abgastemperatur [°C]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Indizierter Mitteldruck [bar] 2.0

Luftverhältnis = 1,00

eps = Basis eps = +2 Einheiten

0.030

600 580 560 540 520

0.2 0.0

500 3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

5.5

6.0

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

Abb. 2-79: Einfluss des Verdichtungsverhältnisses: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur

2.3 Ottomotoren

93

Emissionsverhalten bei Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung (CAI, HCCI)

28

16 SI CAI

26

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Die Motivation zur Erforschung von Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung (Controlled Auto Ignition, Homogeneous Charge Compression Ignition) liegt in der Kombination von sehr hohen Wirkungsgraden im Teillastbetrieb und extrem geringen Stickoxidemissionen selbst bei deutlich überstöchiometrischem Betrieb. Die Ursachen sind in der geringen Verbrennungsspitzentemperatur durch die sehr hohen Restgasanteile und die Verbrennung ohne Flammfront zu sehen, Abb. 2-53. Die geringen Abgastemperaturen können bei der Nachoxidation und katalytischen Nachbehandlung von Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen nachteilige Wirkung haben, Abb. 2-80 und Abb. 2-81. Eine katalytische Nachbehandlung der NOx-Emissionen ist für den überstöchiometrischen CAI-Betrieb nicht gegeben. Es besteht demzufolge die Forderung nach geringen NOx-Emissionen, die keinerlei Nachbehandlung benötigen.

24 22 20 18 16 14 12

SI CAI

12 10 8 6 4

Drehzahl n = 2000 rpm

2

Teillastbetrieb

0 1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

Indizierter Mitteldruck [bar]

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

Ergebnisse vor Katalysator

Indizierter Mitteldruck [bar]

90

320

80

Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Ottomotor im HomogenFremzündungsbetrieb (SI) und HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

14

70 60 50 40 30 SI CAI

20

300 SI CAI

280

260

240

220

10 0

200 1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

Indizierter Mitteldruck [bar]

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

Abb. 2-80: Vergleich von SI- und CAI-Betrieb an Teillastpunkten: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch

Eine der wesentlichsten Fragen zur Anwendung der Homogenen Selbstzündung ist die nach der Wahl der Restgasstrategie, Kapitel 2.3.6. Auf der einen Seite kann der zur Herbeiführung der Selbstzündungsbedingungen notwendige Restgasgehalt durch eine sehr große Ventilunterschneidung im Ladungswechsel-OT bereitgestellt werden (CCR = Combustion Chamber Recirculation), andererseits kann in einer ventiltriebsseitig aufwendigeren Lösung ein zweites Auslassöffnungsevent im Ansaughub den notwendigen Restgasanteil erzeugen (EPR = Exhaust Port Recirculation).

2 Motorische Verbrennung

7

0.45 SI CAI

6 5 4 3 2 1 0

0.35 0.30 0.25 0.20 0.15 0.10

Drehzahl n = 2000 rpm

0.05 0.00

Teillastbetrieb

-0.05 1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

Indizierter Mitteldruck [bar]

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

Ergebnisse nach Katalysator

Indizierter Mitteldruck [bar]

16

560

14

540

SI CAI

Abgastemperatur [°C]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Ottomotor im HomogenFremzündungsbetrieb (SI) und HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

SI CAI

0.40

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

94

12 10 8 6 4 2

520 500 SI CAI

480 460 440 420 400

0

380 1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

Indizierter Mitteldruck [bar]

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

Abb. 2-81: Vergleich von SI- und CAI-Betrieb an Teillastpunkten: Emissionen nach Katalysator und Kraftstoffverbrauch

Bei einem Verfahrensvergleich auf einem Versuchsträger konnten Vorteile für die mit gemischtem Restgas arbeitende EPR-Strategie ermittelt werden, siehe Abb. 2-82 und 2.83. Zusätzlich wurde eine höhere Betriebsstabilität der EPR bei Luftverhältnissen oberhalb des wirkungsgradoptimalen Werts festgestellt. Bei sporadischem Verlust einzelner Arbeitsspiele durch ausbleibende Selbstzündung kann eine Restabilisierung bei EPR im Gegensatz zum Abbruch des selbstzündenden Betriebs bei CCR festgestellt werden, siehe auch Caton et al. (2005). Im Gegensatz zum stöchiometrisch fremdgezündeten Betrieb (SI = Spark Ignition) kann im CAI-Betrieb das Luftverhältnis als Wirkungsgradparameter verstanden und optimiert werden. Die motorische Wirkung einer Abmagerung mit Luftüberschuß entspricht qualitativ der beim fremdgezündeten Homogenbetrieb, allerdings auf weit geringerem Niveau der relativen Emissionsveränderung, Abb. 2-84 und Abb. 2-85. Es ist erneut erkennbar, dass die geringen Abgastemperaturen als Folge des hohen Wirkungsgrads und der geringen Brenndauer die katalytische Nachbehandlung von Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen behindern. Die nicht konvertierbaren Stickoxidemissionen haben in diesem Betriebspunkt ein Niveau von ca. 1/100 .. 1/50 eines vergleichbaren Betriebspunkts im überstöchiometrischen Schichtbetrieb, vgl. Abb. 2-68. Das zentrale Element bei der Installation eines Brennverfahrens mit Homogener Selbstzündung ist die sichere Darstellung der Selbstzündungsbedingungen gegen Ende der Kompressionsphase. Hierauf hat erwartungsgemäß das Verdichtungsverhältnis einen entscheidenden Einfluss, insbesondere auf die wirkungsgrad- und stickoxidemissionsbegünstigende Fähigkeit zum Betrieb mit Luftüberschuß, Abb. 2-86 und Abb. 2-87. Es ist erkennbar, dass auch mit abgemindertem Verdichtungsverhältnis ein CAI-Betrieb möglich ist, wenn der bereitgestellte Restgasanteil weiterhin ausreichend hoch ist. Die Verminderung der CAI-typischen Potenziale muss jedoch klar zur Kenntnis genommen werden.

95

50

4.0 CAI CCR CAI EPR

45

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

2.3 Ottomotoren

40 35 30 25 20 15 10

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

3.5 3.0 2.5 2.0

Teillastbetrieb

1.0

Ergebnisse vor Katalysator

0.5 0.0

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

2.0

2.2

Indizierter Mitteldruck [bar] 90

300

80

290

70 60 50 40 30 20

CAI CCR CAI EPR

10

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

3.8

4.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Drehzahl n = 2000 rpm

CAI CCR CAI EPR

1.5

280 CAI CCR CAI EPR

270 260 250 240 230 220

0

210 2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

2.0

2.2

Indizierter Mitteldruck [bar]

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

Indizierter Mitteldruck [bar]

7

4.0 CAI CCR CAI EPR

6

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Abb. 2-82: Vergleich von CCR- und EPR-Strategie im CAI-Betrieb an Teillastpunkten: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch

5 4 3 2 1 0

3.0 2.5 2.0

Drehzahl n = 2000 rpm

1.5 1.0

Teillastbetrieb

0.5

Ergebnisse nach Katalysator

0.0 -0.5

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

2.0

2.2

Indizierter Mitteldruck [bar]

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

3.8

4.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

30

460 CAI CCR CAI EPR

450

CAI CCR CAI EPR

25

Abgastemperatur [°C]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

CAI CCR CAI EPR

3.5

20

15

10

5

440 430 420 410 400 390

0

380 2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

Indizierter Mitteldruck [bar]

3.8

4.0

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

Indizierter Mitteldruck [bar]

Abb. 2-83: Vergleich von CCR- und EPR-Strategie im CAI-Betrieb an Teillastpunkten: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur

96

2 Motorische Verbrennung

1.7

1.7 19.0 19.7

-0.01-0.01 20.0

1.6

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

1.6

1.5

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

0.00 15.0

1.4 1.3 1.2

10.0

1.1

15.0 20.0

-40

-30

0.02

1.3

0.04

Drehzahl n = 2000 rpm

0.06

1.2 0.08

1.1

-20

-10

0

10

20

30

Luftverhältnis = variabel

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

0.9 -40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

1.7

1.7 16 17

241 240

1.6

239

1.6

239 237 235

237

1.5 1.4

10

10

10

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,8 bar

0.08

0.06

1.0

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

0.9

1.4

0.10

25.0

1.0

1.5

8

1.3

8 8

1.2

8 10 20 30 40

1.1 1.0

8 10 20 30

8 10 20

-40

-30

-20

-10

0

10

235 237 239 241

237 239

239

1.4

241 239

1.3 1.2

241 243 245 247 249

1.1

251

241 243 245 247 249

239 241 243 245 247 249

249 249

249 247 245 245 247

1.0

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

0.9

1.5

20

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

0.9 30

Ergebnisse vor Katalysator

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-84: Optimierung von Steuerzeiten und Luftverhältnis bei EPR-Strategie im CAI-Betrieb: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch

1.7

1.7 3.9 3.7

1.6

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

1.5

-0.000.00

3.0

1.6

3.0

3.0

3.0

1.4 2.5

1.3

2.5

2.5

1.2 2.5

1.1

2.5 3.0

3.0 5.0 7.0 9.0

1.0

5.0 7.0 9.0 11.0

2.5 3.0 5.0 7.0 9.0

-40

-30

-20

-10

0

10

0.08

Drehzahl n = 2000 rpm

0.02

1.5 1.4 0.06

1.3 1.2

0.10 0.10

1.1

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,8 bar

0.10

0.06

0.10

1.0

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen nK in g/kWh

0.9

0.04

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

0.00

20

30

Luftverhältnis = variabel

Eff. spez. Stickoxidemissionen nK in g/kWh

0.9 -40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

1.7

1.7 347 349

0.02 0.02

1.6

345 350 355

1.6

1.5

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

355

1.4 0.00

1.3

0.00

1.2

0.00 0.00

1.1 0.00

0.50 3.00

1.0

2.50

-40

-30

-20

-10

0

10

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

20

355

355 355

1.4

360

1.3 1.2

365

1.1

365 370

370

355

Ergebnisse nach Katalysator

365 365 370 375

375 Abgastemperatur in °C

0.9 30

355

360 365

360

1.0

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen nK in g/kWh

0.9

1.5

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-85: Optimierung von Steuerzeiten und Luftverhältnis bei EPR-Strategie im CAI-Betrieb: Emissionen nach Katalysator und Abgastemperatur

2.3 Ottomotoren

97

1.7

1.7 19.019.7

-0.01-0.01 20.0

1.6

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

eps = +2 Einheiten

1.6

1.5

15.0

eps = +2 Einheiten

1.4 12.5

1.3 1.2

10.0 12.5

1.1

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

0.00

15.0 20.0

-40

0.02

1.3

0.04

1.2

0.06 0.08

1.1

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,8 bar

0.08

0.06

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Luftverhältnis = variabel

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

0.9 -40

-30

-20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-10

0

10

20

30

40

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 1.70

1.70 1.60

1.60

eps = Basis

1.50

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

Drehzahl n = 2000 rpm

1.0

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

0.9

1.4

0.10

25.0

1.0

1.5

1.40 1.30 12.6

1.20

15.4 15.0

1.10

12.5

15.0

eps = Basis

1.50 1.40 1.30 0.01 0.12 0.14

1.10

0.20 0.16

0.14

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

0.90 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

0.90 -40

40

0.20 0.18 0.16 0.14

0.14 0.12

1.00

1.00

Ergebnisse vor Katalysator

0.20

1.20

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-86: Optimierung von Steuerzeiten und Luftverhältnis bei EPR-Strategie im CAI-Betrieb: Emissionen vor Katalysator unter Einfluss unterschiedlicher Verdichtungsverhältnisse

1.7

1.7 15.616.5

239.53 241.06 15.0 15.0

15.0

10.0

10.0

7.5

7.5

7.5 10.0 15.0 20.0 25.0 30.0 35.0 40.0

10.0 15.0 20.0 25.0 30.0 35.0

eps = +2 Einheiten

1.5 1.4 1.3

10.0

eps = +2 Einheiten

7.5

1.2 1.1 1.0

7.5

7.5 7.5 7.5 10.0 15.0 20.0 25.0

-40

-30

-20

-10

0

10

1.5

235.00

1.4

240.00

1.3

240.00

1.2

Ind. Mitteldruck p_i = ca. 2,8 bar

250.00

1.1

245.00

30

40

Luftverhältnis = variabel

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

0.9 -40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

1.70

1.70

eps = Basis

1.60

1.60

1.50

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

245.00

245.00

1.0

20

Drehzahl n = 2000 rpm

240.00

255.00

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

0.9

Ottomotor im HomogenSelbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung)

240.00

1.6

Luftverhaeltnis [-]

Luftverhaeltnis [-]

1.6

1.40 1.30 7.42

1.20

9.10 7.50

1.10 35.00

1.00

10.00 15.00 20.00 25.00 30.00

-40

-30

-20

-10

0

1.40 1.30 251.1 250.0

247.5

1.10

247.5 250.0

250.0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

30

255.0 Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

0.90 40

Ergebnisse vor Katalysator

246.9

1.20

1.00

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

0.90

eps = Basis

1.50

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 2-87: Optimierung von Steuerzeiten und Luftverhältnis bei EPR-Strategie im CAI-Betrieb: Emissionen vor Katalysator und Kraftstoffverbrauch unter Einfluss unterschiedlicher Verdichtungsverhältnisse

98

2.3.8

2 Motorische Verbrennung

Potenziale des Ottomotors

Im vorangegangene Kapitel 2.3.7 konnte an Fallbespielen gezeigt werden, welchen Parametern das Emissions- und auch Wirkungsgradverhalten von Ottomotoren unterliegen und wie diese zu einer Optimierung im Rahmen einer Motorabstimmung (Kalibration, Applikation) genutzt werden können. Es ist Stand der Technik, dass aktuelle Ottomotoren sowohl mit Saugrohr- als auch mit Direkteinspritzung in der Lage sind, die schärfsten internationalen Emissionsvorschriften zu erfüllen. Vor dem Hintergrund sich weiterentwickelnder Kundenanforderungen sowie bereits bestehender oder kommender gesetzlicher Limitierungen bei Kraftstoffverbrauch bzw. CO2-Emissionen in verschiedenen nationalen bzw. regionalen Märkten besteht die Hauptaufgabe nach wie vor darin, bei Erhaltung des hohen Emissionspotenzials des Ottomotors seine Wirkungsgradpotenziale mit dem Ziel günstiger Kraftstoffverbrauchswerten weiterzuentwickeln und auszubauen. Die wirkungsgradförderlichen Effekte des Downsizings durch Verschiebung des spezifischen Motorbetriebspunkts bei identischer Fahrwiderstandsleistungsanforderung des Fahrzeugs bei Hubraumverkleinerung des Verbrennungsmotors, Aufladung und Verlängerung der Getriebeübersetzungen haben deutliche Verbesserungen beim Kraftstoffverbrauch und damit eine erhöhte Akzeptanz der Ottomotoren in den letzten Jahren mit sich gebracht. Die thermodynamische Auslegung von aufgeladenen Downsizing-Ottomotoren hat sowohl bei Vergleich am spezifischen Teillast-Betriebspunkt als auch auf der Vollastlinie auch ungünstige Effekte zur Folge. Insbesondere die gegenüber den SaugOttomotoren verringerten Verdichtungsverhältnisse sind eine Ursache für einen im Vergleich oft geringeren Teillastwirkungsgrad und einen zum Teil nennenswerten Bedarf zur Absenkung des Vollast-Luftverhältnisses für die Einhaltung der Abgastemperaturgrenzen. 160

2

SI-Referenzmotor 1) H = -1 Einheit

SI-VVT-Motor H = +2 Einheiten 1) Basis-VT 2) NW-Variation 3) VVT-Variation CAI-VVT-Motor H = Basis 1) Lambda = 1 2) Lambda > 1 CAI-VVT-Motor H = +2 Einheiten 1) Lambda = 1 2) Lambda > 1

150

Relativer effektiver Mitteldruck in %

SI-VVT-Motor H = Basis 1) Basis-VT 2) NW-Variation 3) VVT-Variation

Brennstoffarbeitsdruck (Zugeführte spez. Energie) pB = 9,7 bar

155

2 1 1

145

Drehzahl n = 2000 rpm

140 135 130

3

125

3

120

2

115

2 1

110

1

105

1

100 95 90 60

65

70

75

80

85

90

95

100

105

110

Relativer spezifischer effektiver Kraftstoffverbrauch in %

Abb. 2-88: Relativer Vergleich bezüglich Mitteldruck und Kraftstoffverbrauch an einem Teillastpunkt: Basis-VT .. Ventiltriebsparameter wie Referenzmotor NW-Variation .. Phasenlagenoptimierung der Nockenwellen VVT-Variation .. Optimierung aller Ventiltriebsfreiheitsgrade

2.3 Ottomotoren

99

In Abhängigkeit der Ausrichtung des jeweiligen Motorkonzepts ist auch über eine Kombination von generellem Downsizing mittels Aufladung und einem spezifisch wirkendem Teillastbrennverfahren nachzudenken. Erwartungsgemäß sind aber selbst bei umfangreicher technologischer Ausstattung von Ottomotoren (variable Ventiltriebe incl. Zylinderabschaltung, flexible Aufladungssysteme, intelligente Thermo-Managementsysteme etc.) nicht alle möglichen Anforderungen (Teillastverbrauch, Low-End-Torque, spezifische Leistung) mit den motormechanischen und thermodynamischen Freiheitsgraden bei gestecktem Kostenrahmen in Deckung zu bringen. Die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Teillastwirkungsgrads soll mit Hilfe von Abb. 2-88 dargestellt werden. Anhand einer schrittweise dargestellten Konzepterweiterung kann vor dem jeweiligen Kostenhintergrund die Sinnfälligkeit einer motormechanischen bzw. thermodynamischen Maßnahme eingeschätzt werden. Gerade bei Downsizing-Motoren muss der Hoch- bzw. Vollastwirkungsgrad beachtet, d. h. weiterentwickelt werden. Die Endlichkeit des Gleichraumgrads durch die kraftstoffqualitätsabhängige Neigung zu klopfender Verbrennung auf der einen Seite und die Abgastemperaturfestigkeit von Brennraum- und nachgelagerten Komponenten wie Abgaskrümmer, ATL-Turbine und Katalysator auf der anderen Seite bilden nach wie vor die Begrenzungen für die thermodynamische Gestaltung eines Motorkonzepts. Unter Nutzung der ventiltriebsbasierenden Technologie des Miller-Zyklus, siehe Schutting et al. (2007), sind bei Kombination mit einer entsprechend entwickelten Aufladungstechnologie und einem unter Umständen angehobenen geometrischen Verdichtungsverhältnis positive Effekte für Vollastwirkungsgrad und Abgastemperatur bzw. dem zu deren Einhaltung notwenigen Bedarf zur Absenkung des Luftverhältnisses erreichbar, Abb. 2-89 und Abb. 2-90. Referenz Miller-Cycle

2 bar

Luftverhältnis

Ind. Mitteldruck [bar]

0,04

Vollastkurve Vergleich von: konventionellen Steuerzeiten und geometrischem StandardVerdichtungsverhältnis

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

20 g/kWh

50%-Umsatzpunkt in °KW nZOT

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Referenz Miller-Cycle

Referenz Miller-Cycle

Ottomotor im Homogenbetrieb (mit Aufladung)

zu: Referenz Miller-Cycle

4°KW

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Abb. 2-89: Anwendung des Miller-Cycle für einen aufgeladenen Ottomotor

MillerSteuerzeiten und erhöhtem geometrischem Verdichtungsverhältnis

100

2 Motorische Verbrennung

Referenz Miller-Cycle

0,2 bar

Abgastemperatur [°C]

Saugrohrdruck [bar]

Die Beurteilung der Anwendbarkeit einer in Abb. 2-89 und Abb. 2-90 für den Vollastbetrieb vorgestellten Lösung hängt wesentlich von der Frage ab, welche ventiltriebsseitigen Freiheitsgrade im betrachteten Motorkonzept vorliegen. In Abb. 2-90 ist dargestellt, dass der Grad der für den Miller-Zyklus typischen Verringerung der Einlassöffnungsdauer mit der Folge der Absenkung von relativem effektiven Hubvolumen und effektivem Verdichtungsverhältnis für diese Untersuchung variabel und damit betriebspunktabhängig optimierbar war. Gesamtheitlich kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass z. B. im Falle der Kombination des Miller-Zyklus mit einer festen Einlassventilöffnungsdauer eines mechanischen Ventiltriebs bereits deutliche positive Effekte hinsichtlich der dargestellten Zielgrößen erreichbar sind. Zusammenfassend bleibt für die Potenziale des Ottomotors festzustellen, dass diese auch zukünftig sowohl von der grundlegenden Qualität der thermodynamischen und motormechanischen Auslegung des Motorkonzepts als auch immer stärker von der Ausstattung und den jeweiligen Freiheitsgraden bzw. Flexibilität der integrierten motorischen Subsysteme abhängen.

Referenz Miller-Cycle

Vollastkurve Vergleich von: konventionellen Steuerzeiten und geometrischem StandardVerdichtungsverhältnis

100 K

Drehzahl [rpm]

5%

Effektives Verdichtungsverhältnis

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Drehzahl [rpm] Relatives effektives Hubvolumen [%]

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Referenz Miller-Cycle

Ottomotor im Homogenbetrieb (mit Aufladung)

Referenz Miller-Cycle

zu:

1

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

MillerSteuerzeiten und erhöhtem geometrischem Verdichtungsverhältnis

Abb. 2-90: Anwendung des Miller-Cycle für einen aufgeladenen Ottomotor

2.4

Groß-Gasmotoren

Der Gasmotor besitzt eine ebenso lange Historie wie der Verbrennungsmotor selbst, da der von Jean Joseph Étienne Lenoir entwickelte und mit Gas betriebene Motor aus dem Jahr 1860 allgemein als die erste Verbrennungskraftmaschine angesehen wird und damit die verbrennungsmotorische Entwicklung einleitete, vgl. Zacharias (2002). Gasmotoren erlebten seither eine wechselvolle Geschichte, spielen aber heute aufgrund der begrenzten Erdölressourcen und der ausgezeichneten Umweltverträglichkeit eine zunehmende Rolle

2.4 Groß-Gasmotoren

101

für den Antrieb von Fahrzeugen und für die Energieerzeugung. Dies gilt insbesondere für Groß-Gasmotoren, die aufgrund der Entwicklungsfortschritte der letzten Jahre mittlerweile zu den effizientesten Strom- und Wärmeerzeugern zählen und dadurch ihre Stellung im Segment der Großmotoren wesentlich ausbauen konnten. Abb. 2-91 zeigt zur Verdeutlichung der Position des Gasmotors im Großmotorenbereich die Entwicklung der weltweit bestellten Motorleistungen in dieser Kategorie, getrennt nach Schweröl-, Diesel-, Dual-Fuel(DF)- und Gasmotoren, vgl. Diesel & Gas Turbine, 26th–28th Power Generation Order Surveys (2002–2008). Aufgetragen sind jeweils die Bestelleingänge für den Zeitraum Juni bis Mai des Folgejahres. Zu erkennen ist eine deutliche Zunahme des Anteils der Gasmotoren, der für den Zeitraum 2007 bis 2008 bereits annähernd 20 % bezogen auf die Gesamtleistung der bestellten Motoren betrug. Es kann von einer Fortsetzung dieses Trends ausgegangen werden. Neben der hohen Verfügbarkeit von Erdgas und anderer gasförmiger Kraftstoffe haben zu dieser Steigerung vor allem die rasanten Entwicklungen der letzten Jahre in den Bereichen Wirkungsgrad, Mitteldruck, Emissionen und Robustheit der Motorkonzepte beigetragen. Ein weiterer wesentlicher Trend besteht auch in der zunehmenden Bedeutung der Verwertung von Sondergasen in Groß-Gasmotoren (Biogase, Abfallgase aus der Industrie, Hochofengas, Grubengas, Erdöl-Begleitgase etc.). 25.000

Bestelleingänge [MW]

20.000

Schweröl-Motoren Dieselmotoren Dual Fuel Motoren Gasmotoren

15.000

10.000

5.000

0 01-02

02-03

03-04

04-05

05-06

06-07

07-08

Abb. 2-91: Entwicklung der weltweiten Bestelleingänge im Bereich von Großmotoren

Groß-Gasmotoren werden in einem sehr weiten Leistungsspektrum von bis zu 18 MW als Gas-Ottomotoren und als Dual-Fuel-Motoren angeboten, mit unterschiedlichsten Kraftstoffen betrieben und für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Daraus leiten sich sehr unterschiedliche Anforderungen an das jeweils verwendete Verbrennungskonzept ab, was insgesamt zu einer Fülle von Varianten führt und eine umfassende Beschreibung schwierig macht. Nachfolgend werden zunächst allgemeine Grundlagen, die insbesondere eine Charakterisierung der Verbrennungskonzepte sowie einen Überblick über die eingesetzten Kraftstoffe, die Anwendungsbereiche und die relevanten Emissionsgrenzwerte beinhalten, dargestellt. Anschließend folgen vertiefende Ausführungen zu den Verbrennungskonzepten für Großgas-Ottomotoren und Dual-Fuel-Motoren.

102

2.4.1

2 Motorische Verbrennung

Allgemeine Grundlagen

Die bei Groß-Gasmotoren eingesetzten Verbrennungsverfahren können grundsätzlich durch die Art der Gaszumischung und die Art der Zündung des Gas-Luft-Gemisches charakterisiert werden. Gemäß den allgemeinen Definitionen für Verbrennungskraftmaschinen ergibt sich somit die in Tab 2.5 dargestellte Unterteilung in Gas-Ottomotoren, DieselGasmotoren und Gas-Dieselmotoren, siehe auch Mollenhauer et al. (2007). Tab. 2.5: Unterteilung von Groß-Gasmotoren Einteilung

Beschreibung

Gemischbildung

Zündung

Gas-Ottomotor

Gasmotor mit Fremdzündung

Äußere Gemischbildung

SI

Diesel-Gasmotor

Dual-Fuel-Motoren (Diesel-Zündstrahl)

Äußere Gemischbildung

CI

Micro Pilot Motoren (Diesel-Zündstrahl)

Äußere Gemischbildung

CI

Gasmotor mit Selbstzündung

Innere Gemischbildung

CI

Gas-Dieselmotor

HCCI Gasmotor mit Selbstzündung gezündet durch Dieselstrahl

Innere Gemischbildung

CI

Gas-Ottomotoren sind entsprechend dem ottomotorischen Verfahren fremdgezündet, wobei das homogene Gas-Luft-Gemisch außerhalb des Brennraumes erzeugt wird. Dabei erfolgt die Gemischbildung bei den in der Regel aufgeladenen Motoren zentral am Motorlufteinlass vor der Verdichtereinheit des Abgasturboladers oder nach der Verdichtung vor jedem Einlassventil (Port-Injection). Diesel-Gasmotoren unterscheiden sich von Gas-Ottomotoren im Wesentlichen durch die Art der Zündung, die bei diesen Motoren durch Einspritzen von Dieselkraftstoff (Zündöl) in das homogene Gas-Luft-Gemisch erfolgt. Grundsätzlich besteht bei diesem Konzept die Möglichkeit, die Zündölmenge auf 100 % zu steigern, sodass der Motor auch im reinen Dieselbetrieb betrieben werden kann (Dual-Fuel-Motoren). Wird der Zündölanteil nur zum Starten des Motors im Dieselbetrieb sowie auf die erforderliche Zündölmenge bei Volllast begrenzt, spricht man von Micro-Pilot-Motoren. Gas-Dieselmotoren sind gemäß dem dieselmotorischen Verfahren grundsätzlich selbstzündend, wobei die Erzeugung des Gemisches durch Hochdruck-Einblasung des Gases in die verdichtete Verbrennungsluft erfolgt. Somit liegt zum Zeitpunkt der Zündung ein inhomogenes Gemisch im Brennraum vor, die Zündung erfolgt dann durch Einspritzen einer zusätzlichen Menge Dieselkraftstoff. Die Motorleistung bleibt durch die zugeführte Gasmasse bestimmt. „ Anwendungsbereiche

Stationäre Groß-Gasmotoren werden hauptsächlich für die Erzeugung von Strom und Wärme eingesetzt, deren gleichzeitige Erzeugung und Nutzung allgemein als KraftWärme-Kopplung (KWK) bezeichnet wird, vgl. GE-Jenbacher & Co OHG, „Jenbacher

2.4 Groß-Gasmotoren

103

Gasmotoren“ (2007) und Eberharter, A. (2009). Für derartige Anlagen hat sich auch der Begriff Blockheizkraftwerk1 (BHKW) etabliert. Der Gesamtwirkungsgrad einer BHKWAnlage liegt bei über 90 %. Der erzeugte Strom wird zur Deckung des Eigenverbrauches der Einzelobjekte (z. B. Krankenhäuser) genutzt und/oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die thermische Energie wiederum kann sowohl für die Erzeugung von Heizwasser (lokale Verwendung oder Einspeisung in Fernwärmesysteme) als auch zur Dampferzeugung oder als Prozesswärme verwendet werden. Gasmotoren werden auch zur stromnetzunabhängigen Energieerzeugung als MotorGenerator-Systemeinheit (Gen-Set) verwendet. Gen-Sets sind stationär und mobil einsetzbar und können beispielsweise als Notstrom-, Dauerstrom- und Spitzenlastaggregat dienen, vgl. Tognum AG, Glossar technische Fachbegriffe (2009). Neben der Hauptanwendung von Gasmotoren im Bereich der Stromerzeugung sowie der kombinierten Kraft-Wärme-Kopplung als Blockheizkraftwerk ist der Gasmotor in zahlreichen mechanischen Antriebsapplikationen (Mechanical Drive) zu finden. Hier wird der Gasmotor als Antriebsquelle für Pumpen und Kompressoren in unterschiedlichsten Bereichen (Erdöl-Chemie, Erdöl- und Gasförderung, Kläranlagen etc.) eingesetzt. Beispiele sind unter anderem die Gasspeicherung (Kompressorantriebe für Pipelines) sowie Verdichterantriebe für Gasverflüssigungsanlagen. Mit den zukünftig strenger werdenden Emissionsvorschriften im Marinebereich (insbesondere der NOX- und SOX-Grenzwerte) ist die Verwendung von Gasmotoren als Schiffsantrieb in das Interesse der Hersteller und Reedereien gerückt, vgl. unter anderem MAN-SE (2010), Nautischer Verein zu Hamburg NVzHH (2010), Verbundnetz Gas AG VNG (2010) und Germanischer Lloyd (2008). Ein aktueller Trend besteht vor allem im Einsatz von Dual-Fuel-Motoren (Zweistoffmotoren), die in den Betriebsarten Gasmotor mit Diesel-Zündstrahl (Pilotmenge < 1 %), Dieselmotor und im Mischbetrieb betrieben werden. Parallel dazu ist die Entwicklung reiner Gas-Ottomotoren für den Schiffsantrieb sowohl als Hilfsmaschinen als auch als Antriebsmotoren zu sehen. Seit dem Jahr 2000 werden etwa in Norwegen Fähren mit reinem LNG-Antrieb eingesetzt. Gas-Ottomotoren sind insbesondere auch für den Einsatz auf LNG- und LPG-Tankern interessant. Für weiterführende Informationen wird auf verwiesen. „ Charakterisierung des Klopfverhaltens von gasförmigen Kraftstoffen

Anders als beim Dieselmotor, wo der Verbrennungsablauf durch den zeitlichen Verlauf der Kraftstoffeinspritzung gesteuert werden kann, ist die momentane Brenngeschwindigkeit beim Ottomotor durch das Fortschreiten einer von der Zündquelle ausgehenden Flammenfront bedingt. Durch den mit der Energiefreisetzung einhergehenden Druckanstieg erhöht sich auch die Temperatur in der noch nicht von der Flammenfront erfassten restlichen Frischladung. Bei Überschreiten einer bestimmten Schwelle kann es zur Selbstzündung in diesem Bereich mit sehr schneller Energiefreisetzung kommen. Dabei entstehen hochfrequente Druckschwingungen mit hoher Amplitude, die ein großes Schädigungspotenzial für alle damit beaufschlagten Bauteile aufweisen. Das Klopfen begrenzt die erreichbare Last und das für den Motorwirkungsgrad entscheidende Verdichtungsverhältnis. Die Vermeidung von Klopfen ist daher speziell für Groß-Gasmotoren, die zum überwiegenden Teil an der Volllast betrieben werden, eine der wesentlichsten Randbedingungen bei der Auslegung und Optimierung von Verbrennungskonzepten. 1

Allgemein werden in Blockheizkraftwerken nicht nur Gasmotoren, sondern auch Gasturbinen zum Antrieb des Generators eingesetzt.

104

2 Motorische Verbrennung

Zur Charakterisierung der Klopfneigung von Gasgemischen wird üblicherweise die Methanzahl (MZ) verwendet. Die Methanzahl gibt das prozentuale Mischungsverhältnis eines aus Methan und Wasserstoff bestehenden Vergleichskraftstoffes an, der die gleiche Klopfstärke an einem CFR-Einzylinder-Prüfmotor besitzt wie das zu untersuchende Gasgemisch. Eine MZ von 100 bedeutet reines klopffestes Methan, während eine MZ von 0 reinen klopffreudigen Wasserstoff bedeutet. Ein Gemisch aus 20 % Wasserstoff und 80 % Methan hat demnach eine Methanzahl von 80. Bei Gasgemischen aus drei Komponenten kann die Methanzahl mit Hilfe von Dreiecksdiagrammen bestimmt werden. Das Verfahren wurde vor über 40 Jahren für ein Luftverhältnis nahe 1 und eine begrenzte Anzahl von Mischungskomponenten entwickelt, vgl. Christoph et al. (1971), was dem damaligen Stand der Motorentechnik entsprach. Zur Berechnung der Methanzahl wird heute üblicherweise ein auf den damaligen Messungen basierendes Rechenprogramm der AVL, siehe etwa Zacharias (2002), benutzt. Die danach ermittelten Methanzahlen sind daher für moderne Magermotoren mit den heute verfügbaren Treibgasarten nur bedingt brauchbar, werden aber mangels anderer Möglichkeiten verbreitet angewendet. Insbesondere hat sich gezeigt, dass die Klopffestigkeit von Gasgemischen mit hohen Anteilen an inerten Komponenten oftmals stark von den Rechenwerten abweicht. „ Gasförmige Kraftstoffe

Neben dem klassischen Kraftstoff Erdgas werden heute eine Reihe weiterer gasförmiger Kraftstoffe in Großmotoren eingesetzt. Tab. 2.6 zeigt einen Überblick über die am häufigsten in Groß-Gasmotoren angewandten Gase und deren typische Zusammensetzung. Die stark unterschiedliche Zusammensetzung führt zu großen Unterschieden in den verbrennungsspezifischen Eigenschaften wie Heizwert, stöchiometrischer Luftbedarf, laminare Flammengeschwindigkeit sowie Klopfverhalten und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Verbrennungskonzept. Tab. 2.6: Typische Zusammensetzung gasförmiger Kraftstoffe für Großmotoren Zusammensetzung [%]

Gasart CH4

C2H4

C2H6

C3H8

C4H10

H2

CO

CO2

N2

Andere

Erdgas

80-98

--

0,6-7,2

0,2-1,3

0,1-0,6

--

--

0,1-1,6

0,8-9,8

1-11

Erdölbegleitgas

60-90

--

2-20

3-15

2-10

--

--

--

--

--

Klärgas

60-66

--

--

--

--

0-3

--

32-33

1-5

--

Biogas

45-70

--

--

--

--

0-1

--

25-55

0,01-5

0-10

Deponiegas

45-50

--

--

--

--

--

--

35-40

9-15

0-1

Holzgas

3-7

0-2

--

--

--

6-19

9-21

11-19

42-60

--

Koksgas

25-31

--

0-1,6

--

--

54-57

5,5-8

1,2-2,3

3,8-9,7

0-1

--

--

--

--

--

2-4

20-30

20-25

45-60

--

90-95

--

--

--

--

--

--

2-4

1-8

--

25-60

--

--

--

--

--

0,1-0,4

1-6

4-40

7-17

25-80

--

--

--

--

--

--

8-20

5-60

--

Hochofengas Coal Bed Methane Coal Seam Methane Coal Mine Methane

Erdgas kommt in eigenen Quellen (trockenes Erdgas) oder in Domen über Erdöl (nasses Erdgas) vor. Es steht an erster Stelle der gasförmigen Motorkraftstoffe und besteht zum überwiegenden Teil aus Methan (CH4). Je nach Herkunft liegt der Methananteil zwischen

2.4 Groß-Gasmotoren

105

80 % und nahezu 100 %. Weitere Bestandteile sind höhere Kohlenwasserstoffe wie beispielsweise Ethan (C2H6), Propan (C3H8) und Butan (C4H10). Gelegentlich kommt aber auch Stickstoff (N2) und Schwefelwasserstoff (H2S) vor. Die Eignung von Erdgas als Kraftstoff in Verbrennungsmotoren ist infolge des hohen Methangehaltes und der damit sehr hohen Methanzahl sehr gut. Probleme treten auf, sobald höhere Anteile an Kohlenwasserstoffen enthalten sind, was zu klopfender Verbrennung führen kann. Höhere Anteile an Schwefelwasserstoff können an abgasberührten Bauteilen Schwefelkorrosion hervorrufen. Erdölbegleitgas fällt bei der Gewinnung von Rohöl an. Die Zusammensetzung des Begleitgases variiert abhängig vom Ölfeld und dem Ausbeutegrad in sehr großen Bereichen. Bislang wurden diese Gase meist direkt am Ölfeld abgefackelt. Mittlerweile werden sie aber bereits häufig in Gasmotoren zur Energieerzeugung genutzt. Klärgas entsteht bei Verwesungsvorgängen und wird aus Abwässern gewonnen. Ähnlich verhält es sich bei Biogas und Deponiegas, welche durch Vergären von Stallmist und Jauche bzw. durch Verrotten von Hausmüll entstehen. Diese Gase enthalten hauptsächlich Methan und Kohlendioxid (CO2), in geringen Mengen aber auch N2, O2, H2, H2O, CO, H2S und Ammoniak (NH3) sowie verschiedene Halogen-Kohlenwasserstoffe. Die hohen Anteile an CO2 und CH4 verleihen diesen Gasen eine hohe Klopffestigkeit, größere CO2-, N2- und H2O-Gehalte erschweren jedoch die Zündwilligkeit des Gas-Luftgemisches und vermindern auch seinen Heizwert. H2 wirkt den genannten Erscheinungen entgegen. Klär-, Bio- und Deponiegase eignen sich im Allgemeinen gut für die Verbrennung in Gasmotoren. Holz- und Pyrolysegase entstehen beim Durchsaugen von Luft und/oder Wasserdampf durch eine glühende Kohlenstoffschicht. Das in der Brennzone entstehende Kohlendioxid wird in der anschließenden Reduktionsschicht zu Kohlenmonoxid reduziert. Die Zusammensetzung dieser Gase hängt vom eingebrachten Primärkraftstoff (Art, Korngröße, usw.), der Menge des zugeführten Wasserdampfes und dem Gaserzeugungsverfahren ab. Alle diese Gase enthalten Staub, Teer, Schwefel, Phenole und andere Begleitstoffe. Bereits geringe Mengen dieser Komponenten können massive betriebliche Probleme verursachen (Klopfen, Teerkondensation, verringerte Schmiereigenschaft des Motoröls, usw.). Die hohen Anteile an den inerten Komponenten Kohlendioxid und Stickstoff erhöhen einerseits die Klopffestigkeit, senken aber andererseits auch beträchtlich Heizwert, Zündwilligkeit und Brenngeschwindigkeit. Koksgas fällt bei der Kokserzeugung an und besteht hauptsächlich aus Kohlenmonoxid, Erdgas und Wasserstoff sowie den inerten Komponenten Stickstoff und Kohlendioxid. Andere Gaskomponenten wie CxHy, H2S, SO2, O2, H2O sind meist nur in geringen Mengen vorhanden und hängen vom Herstellungsverfahren und den Bestandteilen der eingebrachten Kohle ab. Der hohe Gehalt an Wasserstoff führt insgesamt dazu, dass diese Gase rasch verbrennen und eine verminderte Klopffestigkeit aufweisen. Hochofengas (Gichtgas, Blast Furnace Gas BFG) ist ein brennbares Nebenprodukt der Stahlerzeugung. Es wird am oberen Schachtende des Hochofens (Gicht) abgezogen und in einem Wäscher gereinigt, wobei hauptsächlich Schwebeteilchen entfernt werden. Hochofengas besteht zu einem großen Anteil aus inerten Komponenten (Stickstoff und Kohlenstoffdioxid) sowie den brennbaren Komponenten Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. Der sehr geringe Heizwert von ca. 1 kWh/Nm3 und die spezifische Zusammensetzung von Hochofengas stellen die besondere Herausforderung für die Entwicklung eines wirtschaftlich einsetzbaren Verbrennungskonzeptes für Groß-Gasmotoren dar. In Schneßl et al. (2009) ist ein speziell für dieses Gas entwickeltes Brennverfahren dargestellt.

106

2 Motorische Verbrennung

Grubengas ist eine problematische Begleiterscheinung des Steinkohlebergbaus, da es in Verbindung mit Luft explosive Gemische bilden kann, vgl. GE-Jenbacher (2007). Hauptbestandteil des ursprünglichen Flözgases (Coal Bed Methane / CBM) ist Methan in einer Konzentration von rund 90 bis 95 %, das bei der geochemischen Umwandlung organischer Substanzen zu Kohle (Inkohlung) entsteht, vgl. GE-Jenbacher (2007). Grubengas aus aktivem Bergbau (Coal Seam Methane / CSM) ist das bei der Kohlegewinnung freigesetzte Methan/Luft-Gemisch und stellt aufgrund der sprunghaften Veränderung der Zusammensetzung hohe Anforderungen an die Regelung von Gasmotoren. Grubengas aus stillgelegten Bergwerken (Coal Mine Methane / CMM) enthält üblicherweise keinen Sauerstoffanteil und ändert seine Zusammensetzung nur sehr langsam. Ganz allgemein liegt der Vorteil der Nutzung von Grubengas in der alternativen Entsorgung eines Problemgases bei gleichzeitiger Nutzung als Energiequelle. In Abb. 2-92 sind für die in Tab. 2.6 angeführten Gasarten Anhaltswerte für Methanzahl und Heizwert dargestellt. Erkennbar sind die zum Teil sehr deutlichen Unterschiede, die eine entscheidende Auswirkung auf die Motorauslegung und das jeweils einzusetzende Verbrennungskonzept haben. 16

160 Heizwert Methanzahl

140 120

10

100

40

2

20

0

0 as ng ho fe H oc

H ol zg

ga s ok s K

ep o

ni eg a

M ) ng as

D

(C S

io ga B G

ru be

lä rg K

Er

gl ei tg a dö lb e Er

as

4

s

60

s

6

as

80

dg as

8

Methanzahl [-]

12

s

Heizwert [kWh/m

N

3

]

14

Abb. 2-92: Vergleich der Heizwerte und der Methanzahlen unterschiedlicher gasförmiger Kraftstoffe

Neben den oben angeführten Gasarten existieren zahlreiche weitere gasförmige Kraftstoffe, die für eine Nutzung in Gasmotoren eingesetzt werden können. Für weiterführende Informationen wird etwa auf Zacharias (2001), Kaltschmitt et al. (2009), Umweltbundesamt (1991–1992), Energieagentur NRW (2009) und GE-Jenbacher (2007) verwiesen. „ Emissionsgrenzwerte

Bedingt durch den Trade-Off zwischen Wirkungsgrad und NOx-Emissionen nehmen vor allem die NOx-Grenzwerte für die Entwicklung von Groß-Gasmotoren einen besonderen Stellenwert ein und werden nachfolgend im Vergleich zu den Grenzwerten für GroßDieselmotoren dargestellt.

2.4 Groß-Gasmotoren

107

In Deutschland gibt die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft 2002, vgl. BMU (2002) die entsprechenden Limits vor. Diese Vorschriften finden auch in vielen anderen europäischen Ländern Anwendung, siehe etwa Ecopoint inc. (2010), wodurch der Grenzwert für NOx-Emissionen von 500 mg/mn3 (bezogen auf 5 % O2-Konzentration im Abgas) maßgeblich für die Entwicklung von Groß-Gasmotoren wurde. In Abb. 2-93 sind die Grenzwerte der TA Luft von Magergas-, Diesel- und Dual-Fuel-Motoren gegenübergestellt. Auffällig ist, dass auch Dieselmotoren mit einer Leistung größer 3 MW derselben Limitierung unterliegen. Zusätzlich sind in Abb. 2-93 die Abgasvorschriften des Gothenborg Protokoll (1999) dargestellt. Während hierbei Dieselmotoren mit einer Leistung von über 5 MW auch auf 500 mg/mn3 begrenzt sind, sind Magergasmotoren mit 250 mg/mn3 strenger limitiert. Das Gothenborg Protokoll wurde in den Jahren 1999 und 2000 von zahlreichen europäischen Staaten unterzeichnet und befindet sich derzeit im Ratifizierungsprozess in den einzelnen Ländern. SI Lean Burn Erdgas-Motoren (> 1 MW**) 1000

800

EU Vorschlag 600

500 400

250 200 200

CI Dieselmotoren (< 3 MW) 1000

TA Luft 0

Gothenborg Protokoll

500

CI DF Erdgas-Motoren (> 5 MW**)

500

CI Dieselmotoren (• 3 MW / > 5 MW)

* TA Luft ** Gothenborg Protokoll

Abb. 2-93: NOx-Emissionsgrenzwerte der TA Luft, des Gothenborg Protokolls und der EU in mg/mn3

Neben regionalen Ausnahmen mit NOx-Grenzwerten von weniger als 50 mg/mn3 (Kanton bzw. Stadt Zürich, Kalifornien etc.) stellt schließlich ein Vorschlag der EU mit einem NOx-Grenzwert von 200 mg/mn3 (umgerechnet auf 5 % O2-Konzentration im Abgas) für Gasmotoren die strikteste Limitierung dar. Es handelt sich hierbei um eine Verfügung des europäischen Parlaments und des Rates, welche sich noch in Bearbeitung befindet, siehe Council of the European Union (2009). Eine Umsetzung dieser Limitierung ohne wesentliche Wirkungsgradverluste wird in den nächsten Jahren eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von Gasmotoren sein. Abb. 2-94 zeigt den angestrebten EU-Grenzwert für Gasmotoren (umgerechnet in g/kWh) im Vergleich zu den Emissionsvorschriften für Dieselmotoren für Lokomotiven (USA und EU) sowie für Gen-Sets (USA) und zu den internationalen Marinegrenzwerten der

108

2 Motorische Verbrennung

IMO (International Maritime Organization), siehe Ecopoint Inc. (2010) und Evnironmental Protecion Agency (2006). Diese Abgasgesetzgebungen weisen heute noch keine besonders strengen Limitierungen auf, wobei aber in den nächsten Jahren bedeutende Verschärfungen eintreten werden. Der restriktivste Grenzwert mit 0,67 g/kWh tritt bereits 2011 für Gen-Sets in den USA in Kraft und ist in ähnlicher Größenordnung wie der EUVorschlag mit einem NOx-Grenzwert von 200 mg/mn3. Zur Einhaltung dieses sehr niedrigen NOx-Grenzwertes und zur Lösung der zusätzlichen Partikelemissionsproblematik wird bei Dieselmotoren voraussichtlich eine Abgasnachbehandlung notwendig sein, vgl. etwa Wimmer et al. (2010). Demgegenüber besitzen Groß-Gasmotoren das Potenzial, auch über den EU-Vorschlag hinausgehende Verschärfungen in den NOx-Grenzwerten noch durch rein innermotorische Maßnahmen erfüllen zu können. US Lokomotive (Tier 2 - Tier 4) EU Vorschlag Gasmotoren

7,4 2010 & 2012

11,3 2000

IMO n = 1000 1/min (Tier 1 - Tier 3)

2011

1,7 2,26 2015

4***2009

2012

2016

8,98

EU Lokomotive (UIC II, EU Stage III A und B) 7.4** 2003 9.5*

0,67 2011 & 2015

2007

9,2

* ** ***

P > 560 kW; n > 1000 1/min P > 2000 kW; D > 5 l/Zyl. HC+NOX; P > 130 kW

US Diesel Gensets P > 3000hp; D < 10 l/Zyl.

Abb. 2-94: NOx-Emissionsgrenzwerte für Dieselmotoranwendungen (Lokomotive, Marine und Generator Set) im Vergleich zum EU-Vorschlag für Gasmotoren in g/kWh

2.4.2

Großgas-Ottomotoren

Bei Groß-Gasmotoren steht neben der Erhöhung der Robustheit der Motoren die weitere Wirkungsgrad- und Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Absenkung des Emissionsniveaus zur Einhaltung der zunehmend strengeren Emissionsvorschriften im Vordergrund. Insbesondere stellt die Erreichung der sehr niedrigen NOx-Grenzwerte eine wesentliche Herausforderung dar. Dazu sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansätze möglich. Neben dem geregelten O=1-Konzept mit 3-Wege-Katalysator (mit und ohne Abgasrückführung) ist dies vor allem das Magermotorkonzept (mit oder ohne SCR-Technologie). Beide Konzepte werden nachfolgend beschrieben.

2.4 Groß-Gasmotoren

109

y Geregeltes O=1-Konzept mit 3-Wege-Katalysator

Ein stöchiometrisches Gas-Luft-Gemisch ist Voraussetzung für den Einsatz des Dreiwege-Katalysators, der gleichzeitig die Emission von CO2, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion senkt. Die Regelung des Gas-Luft-Gemisches erfolgt über eine Lambda-Sonde, die die Funktion des Katalysators innerhalb der sehr engen Lambda-Grenzen sicherstellt. Die hohe thermische Belastung und Einflüsse durch Ölasche sowie im Brenngas enthaltene Problemgase wirken sich nachteilig auf den Wirkungsgrad des Katalysators aus. Weitere Nachteile dieses Konzeptes ergeben sich durch die hohe thermische Bauteilbeanspruchung und die Klopfneigung, die die Erreichung hoher Mitteldrücke und Wirkungsgrade verhindern. Ein möglicher Ansatz zur Reduktion der thermischen Belastung und zur Steigerung der erreichbaren Motorlast ist der Einsatz der Abgasrückführung (AGR) in Kombination mit Hochaufladung, vgl. Nellen et al. (2000). Durch das rückgeführte Abgas lassen sich auch die NOx-Rohemissionen drastisch senken.

y Magermotorkonzept

Das Magermotorkonzept befindet sich bei der überwiegenden Zahl von Serien-GroßGasmotoren im Einsatz. Dabei wird der Motor soweit abgemagert, bis die NOx-Emissionsgrenzwerte (üblicherweise TA-Luft oder TA-Luft/2) eingehalten werden. Um bei den dafür erforderlichen hohen Luftverhältnissen eine ausreichende Brenngeschwindigkeit sicherzustellen, ist eine Erhöhung der turbulenten kinetischen Energie im Brennraum notwendig. Dies wird durch Ladungsbewegung oder durch den Einsatz einer Vorkammer realisiert. Der Leistungsverlust durch den verringerten Gemischheizwert wird über eine höhere Aufladung kompensiert. Die wesentliche Herausforderung bei diesem Motorkonzept stellt die Darstellung eines stabilen Motorbetriebs dar. Wie Abb. 2-95 zeigt, ist der durch Klopfen und Aussetzern begrenzte Betriebsbereich sehr eng. Sowohl die Steigerung der Last als auch die aus Wirkungsgradgründen angestrebte Erhöhung des Verdichtungsverhältnisses reduziert den fahrbaren Lambda-Bereich. Daraus leiten sich entsprechend hohe Anforderungen an das jeweilige Verbrennungskonzept ab. 30 Epsilon Basis Epsilonsteigerung Eff. Mitteldruck [bar]

25

20

Klopfen 15

Aussetzer 10

5 Lambda [-]

Abb. 2-95: Verkleinerung des Betriebsbereichs mit zunehmender Last und höherem Verdichtungsverhältnis

110

2 Motorische Verbrennung

Um die beschriebenen Konzepte hinsichtlich ihrer Potenziale bezüglich Wirkungsgrad und NOx-Emissionen bewerten zu können, sind in Abb. 2-96 Ergebnisse von Simulationsrechnungen auf Basis der nulldimensionalen Motorprozessrechnung dargestellt. Aufgetragen sind jeweils die NOx-Emissionen und der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors in Abhängigkeit von Lambda für das Magermotorkonzept bzw. in Abhängigkeit von der Abgasrückführrate für das O=1-Konzept mit AGR. Vergleicht man etwa die Werte bei O = 2 bzw. bei einer AGR-Rate von 50 %, so erkennt man, dass mit Abgasrückführung zwar geringere NOx-Emissionen darstellbar sind, allerdings ein Nachteil im Wirkungsgrad des vollkommenen Motors um ca. 2 %-Punkte in Kauf genommen werden muss. Ein Betrieb bei O = 1 ohne Abgasrückführung weist im Vergleich zu den betrachteten Konzepten sowohl in den NOx-Emissionen als auch im Wirkungsgrad wesentliche Nachteile auf und kann damit für einen sinnvollen Einsatz im Großmotorenbereich ausgeschlossen werden. Wie oben bereits erwähnt hat sich für Groß-Gasmotoren das Magermotorkonzept durchgesetzt. 105 104

Mager-Betrieb ohne AGR

NO [ppm]

103 102

AGR-Betrieb

101 100 10-1 1.0

0

1.4

1.2

10

20

O [-] bei AGR = 0%

2.0

30 40 AGR [%] bei O = 1.0

50

1.6

1.8

2.2

57

Mager-Betrieb ohne AGR 56

KV

[%]

55 54

AGR-Betrieb 53 52 51 1.0

0

1.2

10

20

O [-] bei AGR = 0%

2.0

AGR [%] bei O = 1.0

50

1.4

30

1.6

1.8

40

2.2

Abb. 2-96: NOx-Emissionen und Wirkungsgrad des vollkommenen Motors in Abhängigkeit von Lambda bzw. Abgasrückführrate

2.4 Groß-Gasmotoren

111

„ Motorkonzepte für den Magergasbetrieb

Magermotorkonzepte für Groß-Gasmotoren können im Wesentlichen durch die Ausführung des Brennraums sowie durch das Zündungskonzept- und Gemischbildungskonzept charakterisiert werden. Bezüglich Brennraumausführung kann eine Unterscheidung nach folgenden Kategorien erfolgen:

y Gasmotoren mit offenem Brennraum

Bei Gasmotoren mit offenem Brennraum (ungeteiltem Brennraum) – gelegentlich auch als „Direktzünder“ bezeichnet – ist die Zündkerze direkt im Brennraum angeordnet. Um eine ausreichend hohe Brenngeschwindigkeit bei hohen Luftverhältnissen zu erreichen, ist die Generierung einer hohen turbulenten kinetischen Energie im Brennraum während der Verbrennungsphase notwendig, die in der Regel durch eine intensive Ladungsbewegung in Kombination mit speziellen Kolbenformen erfolgt. Das Konzept des offenen Brennraums wird vor allem für Gasmotoren mit kleineren Bohrungsdurchmessern (bis zu einem Durchmesserbereich von etwa 150 bis 200 mm) eingesetzt, da es zur Darstellung einer ausreichend raschen und stabilen Verbrennung bei größeren Motoren nur bedingt geeignet ist.

y Vorkammer-Gasmotoren (Gasmotoren mit geteiltem Brennraum)

Bei größeren Gasmotoren ab einem Bohrungsdurchmesser von etwa 150 bis 200 mm wird zur Erreichung einer sicheren Entflammung und eines raschen Verbrennungsablaufes eine Vorkammer als sogenannter „Zündverstärker“ eingesetzt. Die nach der Verbrennungseinleitung in der Vorkammer über eine größere Anzahl von Kanälen in den Hauptbrennraum übertretenden brennenden Gasfackeln ermöglichen auch in großvolumigen Motoren die Verbrennung sehr magerer Gemische. Es kann grundsätzlich zwischen gasgespültem, gemischgespültem und ungespültem Vorkammer-Konzept unterschieden werden. Eine weitere Differenzierung ergibt sich durch die Art des Spülgases, wobei neben dem jeweils eingesetzten Kraftstoff auch spezielle Kraftstoffe wie Wasserstoff oder Reformergas eingesetzt werden können. Das gasgespülte Konzept als wichtigster Vertreter der Vorkammer-Brennverfahren stellt eine Art Schichtladungskonzept dar, wobei die Ladungsschichtung durch die Zufuhr von reinem Verbrennungsgas in die Vorkammer über ein Gasventil erreicht wird, vgl. Abb. 2-97. Das Gasventil öffnet in der Regel in der Einlassphase und bleibt bis zum Kompressionstakt geöffnet. In der Vorkammer wird zum Zündzeitpunkt ein im Vergleich zum Hauptbrennraum deutlich niedrigeres Luftverhältnis angestrebt, damit ein leicht entflammbares Gemisch mit ausreichender Energie zur Entflammung des sehr mageren Gemisches im Hauptbrennraum zur Verfügung steht. Zur Verdeutlichung der ablaufenden Vorgänge zeigt Abb. 9-98 die Verläufe der Luftverhältnisse in Vorkammer und Hauptbrennraum über dem Kurbelwinkel, wobei jeweils örtlich gemittelte Werte dargestellt sind. Die zugrundeliegenden Berechnungen erfolgten auf Basis der 3D-CFD-Simulation. Während der Gasspülung in der Ladungswechselphase sinkt das Luftverhältnis in der Vorkammer nahezu auf Null ab. In der Verdichtungsphase strömt mageres Gemisch in die Vorkammer, was zu einem entsprechenden Anstieg im Luftverhältnis führt. Der Gemischbildungsvorgang in der Vorkammer wird generell so abgestimmt, dass im Bereich möglicher Zündzeitpunkte ein Luftverhältnis von etwa 1 erreicht wird. Die Verwendung einer ungespülten Vorkammer stellt eine Extremvariante des Vorkammerkonzeptes dar. Das Gemisch in der Vorkammer wird in diesem Fall dadurch bestimmt, dass Frischladung aus dem Hauptbrennraum infolge Kompression durch die Überströmbohrungen in die Vorkammer geschoben wird und sich mit dem darin be-

112

2 Motorische Verbrennung

findlichen Restgas vermischt, vgl. Schneßl (2007). Das Luftverhältnis in der Vorkammer ist damit immer höher als jenes im Hauptbrennraum, vergleiche dazu auch Abb. 9-98, in der wiederum die örtlich gemittelten Luftverhältnisse in Vorkammer und Hauptbrennraum dargestellt sind. Eine Verringerung des Luftverhältnisses in der Vorkammer lässt sich demnach nur durch Anfettung des Gemisches im Hauptbrennraum erreichen. Die mit dem ungespülten Konzept möglichen Luftverhältnisse im Hauptbrennraum liegen daher im Vergleich zum gasgespülten Konzept generell niedriger.

1 2

1

Zündkerze

2

Gasventil

3

Vorkammer

3

Abb. 9-97: Gasgespültes Vorkammerkonzept

Vorkammer ungespült Hauptbrennraum gasgespült

Lambda [-]

Hauptbrennraum ungespült

1

Kurbelwinkel [°KW]

Abb.2-98: Lambda in Vorkammer und Hauptbrennraum

Bereich möglicher Zündzeitpunkte

Vorkammer gasgespült

2.4 Groß-Gasmotoren

113

y Gasmotoren mit Vorkammer-Zündkerze

Dabei handelt es sich um einen Gasmotor mit offenem Brennraum, dessen Zündkerze als Vorkammer-Zündkerze ausgeführt ist. Wie in Abb. 2-99 am Beispiel der in Röthlisberger (2001) dargestellten Ausführung gezeigt, wird vor die Zündkerze ein über mehrere Überströmbohrungen mit dem Hauptbrennraum verbundenes Volumen gesetzt. Die in der Vorkammer-Kerze ablaufenden Vorgänge entsprechen grundsätzlich dem oben beschriebenen Konzept der ungespülten Vorkammer.

Isolator

Elektrode

Vorkammer Schnitt A-A

Düsenöffnungen

Abb. 2-99: Vorkammerkerze nach Röthlisberger (2001)

Allgemein gilt, dass aufgrund der schwierigen Entflammung der sehr mageren Gemische in Magergasmotoren sehr hohe Anforderungen an die Zündung bestehen und unterschiedliche Systeme zum Einsatz kommen. Neben der konventionellen Funkenzündung stellt vor allem das Diesel-Zündstrahl-Verfahren ein bewährtes Zündkonzept dar. Zündsysteme wie die Laserzündung, die homogene Selbstzündung (HCCI) oder auch das PGI-Verfahren befinden sich teilweise noch im Entwicklungsstadium und stellen im Wesentlichen noch keine Serienlösungen dar.

y Konventionelle Funkenzündung

Die am häufigsten eingesetzte Art der Zündung bei Gasmotoren ist die konventionelle Funkenzündung mittels Zündkerze. Zwischen der Mittelelektrode und der (den) Masse-Elektrode(n) wird nach Aufbringen einer genügend hohen Spannung ein Funke erzeugt, der die Entflammung einleitet. Die wesentliche Herausforderung bei der konventionellen Funkenzündung besteht in der Darstellung einer ausreichend hohen Lebensdauer der Zündkerzen, die aufgrund der stark gestiegenen Mitteldrücke, den damit verbundenen sehr hohen Elektrodentemperaturen und dem hohen Zündspannungsbedarf begrenzt ist.

y Diesel-Zündstrahl

Ein bereits lange bekanntes und vielfach erprobtes Konzept zur Zündungseinleitung in Gasmotoren stellt die Technologie des Dieselzündstahls dar. Dabei erfolgt die Zündung durch das Einspritzen von Dieselkraftstoff in das komprimierte Luft-GasGemisch in der Nähe des oberen Totpunkts. Der Anteil von Dieselkraftstoff kann je nach Anforderung stark variieren. Zur Erzielung niedrigster NOx-Emissionswerte und zur Vermeidung von Partikelemissionen sollte die Menge jedenfalls so gering als möglich gehalten werden und liegt typischerweise im Bereich von 0,5 bis 1 % der gesamten eingebrachten Kraftstoffenergie. Mit dem Diesel-Zündstrahl-Verfahren lassen sich auch sehr schwer entflammbare Gase entzünden.

114

2 Motorische Verbrennung

y Laserzündung

Das Prinzip der Laserzündung beruht darauf, dass ein intensiver Laserimpuls in den Brennraum des Motors eingeleitet und dort auf einen Brennpunkt fokussiert wird, siehe Gruber (2006). Im Brennpunkt des Laserstrahls wird durch Ionisation ein Plasma mit einer sehr hohen Kerntemperatur erzeugt. Die Intensität überschreitet einen Schwellwert, der zur Zündung eines Plasmafunkens ausreicht. Dieser Plasmafunke ist in ähnlicher Weise wie der Funke einer konventionellen Funkenzündung in der Lage, das Gas-Luft-Gemisch im Brennraum zu entflammen. Der Vorteil der Laserzündung gegenüber der herkömmlichen Funkenzündung besteht unter anderem darin, dass der Zündort nahezu frei wählbar ist und in einen Bereich optimaler Entflammungsbedingungen gelegt werden kann. Zu den Hauptproblemen bei der serienmäßigen Umsetzung der Laserzündung zählt vor allem die Gewährleistung bzw. Beibehaltung der optischen Eigenschaften des Brennraumfensters über die Laufzeit des Motors.

y Homogene Selbstzündung (HCCI)

Beim HCCI-Brennverfahren (Homogeneous Charge Compression Ignition) erfolgt eine Selbstentzündung zufolge der Kompression eines homogenen Kraftstoff-LuftGemisches mit einer anschließenden, nahezu gleichzeitigen Verbrennung des gesamten Gemisches im Brennraum. Das Hauptproblem bei der Anwendung des HCCIBrennverfahrens für Gasmotoren besteht in den hohen Selbstzündungstemperaturen der eingesetzten Brenngase. Für Erdgas beispielsweise liegt diese im Bereich von etwa 800 °C. Bei realistischen Gemischtemperaturen sind zur Erreichung einer Selbstzündung sehr hohe Verdichtungsverhältnisse notwendig. In Kombination mit dem sehr raschen Verbrennungsablauf ergeben sich dadurch extrem hohe Spitzendrücke, was den fahrbaren Betriebsbereich auf niedrige Lasten beschränkt. Eine umfassende Darstellung des Potenzials des HCCI-Brennverfahrens für Groß-Gasmotoren findet sich etwa in Kogler (2006) und Kogler et al. (2007).

y PGI-Verfahren

Das PGI-Verfahren (Performance Gas Injection) wurde von MAN entwickelt, vgl. Hanenkamp et al. (2007), und beruht auf der Einblasung einer Gas-Pilotmenge unter hohem Druck (ca. 230 bar) in eine Vorkammer mit einer anschließenden Entzündung des entstehenden Gas-Luft-Gemisches an einer Glühkerze, siehe Abb. 2-100. Der Festlegung des Zündzeitpunkts erfolgt dabei direkt über die zeitliche Steuerung der Einblasung des Pilotgases. Das Verfahren zielt vor allem auf eine Verlängerung der Wartungsintervalle durch geringen Verschleiß am Zündsystem sowie eine weitere Abmagerung ab. Als Gemischbildungskonzepte für Großgas-Ottomotoren kommen grundsätzlich die zentrale Gemischbildung vor dem Turbolader, eine brennraumnahe Saugrohreinblasung oder die Direkteinblasung in Frage. Die direkte Einblasung wird aufgrund des hohen energetischen Aufwands für die Bereitstellung des notwendigen Einblasedrucks und der schwierigen Homogenisierung nur in Ausnahmefällen realisiert. Während bei kleineren GroßGasmotoren vorwiegend die zentrale Gemischbildung vor dem Turbolader eingesetzt wird, verwendet man für große Motoren das Konzept der Saugrohreinblasung. Die Saugrohreinblasung bietet auch vor allem den Vorteil, dass eine zylinderspezifische Regelung des Luftverhältnisses möglich ist.

2.4 Groß-Gasmotoren

115

Gasventil

HochdruckGasinjektor

Glühkerze

Vorkammer

Abb. 2-100: PGI-Verfahren von MAN, vgl. Hanenkamp et al. (2007)

Die Herausforderung bei der Auslegung eines Konzeptes mit Saugrohreinblasung besteht in der Realisierung einer möglichst homogenen Gemischverteilung im Zylinder zum Zündzeitpunkt bei einem vorgegebenen maximalen Überdruck der Gaszufuhr bezogen auf den Ladedruck zur Minimierung der Verluste durch die Druckerzeugung. Die wesentlichen Einflussgrößen ergeben sich in der geometrischen Gestaltung des Luft- und Gaszufuhrtraktes und des Einblaseverlaufes (charakterisiert durch Öffnungszeitpunkt und Öffnungsdauer). In Abb. 2-101 sind beispielhaft die für den 9,5 MW Gasmotor J920 von GE Jenbacher erzielten Ergebnisse für eine Basisvariante und eine optimierte Variante dargestellt, siehe Wimmer et al. (2011). Die Bewertung der Homogenität erfolgte dabei durch den Vergleich der Massenanteile im jeweiligen Lambda-Bereich. Bei der optimierten Variante liegen bereits 90 % der Gemischmasse im definierten Zielbereich. Mit der optimierten Variante konnte das Klopfverhalten deutlich verbessert werden. Gas

Lambda-Mittel [-] 100 90

Luft

60 50

90%

70

65%

Massenanteil [%]

80

40 30 20 10

optimiert Basis

0

-

Zielbereich Lambda-Abweichung [-]

Abb. 2-101: Optimierung der Gemischbildung bei Saugrohreinblasung

+

116

2 Motorische Verbrennung

„ Aktueller Entwicklungsstand von Großgas-Ottomotoren Gasmotoren haben in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung des Wirkungsgrades erlebt. Dies wird in eindrucksvoller Weise durch Abb. 2-102 bestätigt, in der die Entwicklung des effektiven Wirkungsgrades (Emissionsniveau entsprechend TA-Luft) für Motoren der Baureihe 6 von GE Jenbacher in den letzten Jahren gezeigt wird. Die aktuelle Version des J624, einem zweistufig aufgeladenen Vorkammer-Gasmotor mit 24 Zylindern und einer Leistung von 4,4 MW, weist einen effektiven Motorwirkungsgrad von 47,5 % sowie einen effektiven Mitteldruck von 24 bar auf und nimmt mit diesen Werten eine Spitzenstellung im Bereich der Gasmotoren ein.

GE-Jenbacher 624H 24 Zylinder Vh = 6,24 l/Zylinder 2-stufige Aufladung

26

Pel = 4.400 kW

22

47

Eff. Mitteldruck [bar]

Eff. Wirkungsgrad [%]

50

44 41 38

14 10 6

35 1992

18

1997

2002

2007

Entwicklung Wirkungsgrad

2012

1992

1997

2002

2007

2012

Entwicklung Mitteldruck

Abb. 2-102: Entwicklung effektiver Wirkungsgrad und Mitteldruck bei Baureihe 6-Motoren von GE Jenbacher

Damit hat der Gasmotor den über lange Zeit bestehenden Wirkungsgradnachteil gegenüber dem Dieselmotor aufgeholt und weist zudem den Vorteil sehr niedriger NOx-Emissionen auf. Für die bemerkenswerte Erhöhung des Wirkungsgrades im Bereich der GroßGasmotoren war eine Vielzahl von Maßnahmen verantwortlich. Entscheidend war jedoch, dass es gelungen ist, die Motoren unempfindlicher gegenüber Klopfen zu machen und das Verdichtungsverhältnis zu steigern. Wie bereits oben ausgeführt und in Abb. 2-95 dargestellt, führt eine Steigerung des Verdichtungsverhältnisses ohne entsprechende Gegenmaßnahmen grundsätzlich zu einer Einengung des Betriebsbereichs, was in weiterer Folge zu einer Reduktion der erreichbaren Last führen kann. Nachdem entsprechend Abb. 2-102 jedoch auch die erreichbare Last wesentlich gesteigert werden konnte, war eine umfassende Optimierung der Motorkonzepte notwendig. Neben der Optimierung der Verbrennung bei sehr hohen Luftverhältnissen, Verbesserungen am Zündsystem und einem optimalen Regelungskonzept konnte dies im Wesentlichen durch den Einsatz des Miller-Verfahrens zur Ladungskühlung erreicht werden. Hohe Luftverhältnisse und Miller-Verfahren bedeuten höchste Anforderungen an das Aufladesystem, das damit zu einer Schlüsselkomponente für die Erzielung hoher Wirkungsgrade geworden ist. x Miller-Verfahren

Der Einsatz des Miller-Verfahrens ist eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung hoher Wirkungsgrade bei Großgas-Ottomotoren. Durch einen im Vergleich zum füllungs-

2.4 Groß-Gasmotoren

117

optimierten Betrieb wesentlich früheren bzw. späteren2 Schließzeitpunkt des Einlassventils (bzw. der Einlassventile) wird eine kühlere Ladung erreicht, in dem ein Teil der Verdichtung in den Kompressor des Turboladers verschoben und über den Gemisch- bzw. Ladeluftkühler eine Kühlung ermöglicht wird. 400%

füllungsoptimiert

0

-80

Miller früh -120

300%

200%

Miller spät (Atkinson)

Ladedruck [%]

Delta T [K]

-40

100% -160 Ladungstemperatur 45°KW v. OT Ladedruck

-200 -300

-270

-240

-210

-180

-150

-120

-90

0% -60

Einlass-Schluss [°KW]

Abb. 2-103: Ladungskühlung und Ladedruckbedarf in Abhängigkeit der Einlass-Schluss-Steuerzeit 0,8

Turboladerwirkungsgrad [-]

0,75

0,7

0,65

0,6

0,55

Zweistufige Aufladung Einstufige Aufladung

0,5 1

2

3

4 5 6 Verdichterdruckverhältnis [-]

7

8

9

Abb. 2-104: Vergleich der Wirkungsgrade von einstufiger und zweistufiger Aufladung

In Abb. 2-103 ist die erreichbare Absenkung der Ladungstemperatur bei 45 °KW vor dem oberen Totpunkt in Abhängigkeit von der gewählten Steuerzeit dargestellt. Die Verschiebung des Einlass-Schluss-Zeitpunktes führt allerdings wie in Abb. 2-103 ebenfalls darge2

Ein spätes Schließen des Einlassventils (bzw. der Einlassventile) wird häufig auch als Atkinson-Steuerzeit bezeichnet.

118

2 Motorische Verbrennung

stellt, zu einer Verringerung des Liefergrades und damit zu einer Erhöhung des Ladedruckbedarfs. Abhängig vom gewählten Aufladesystem ergibt sich jeweils ein entsprechendes Optimum. Mit zweistufiger Aufladung lässt sich das Potenzial des Miller-Verfahrens aufgrund der damit erreichbaren hohen Ladedrücke und des insgesamt höheren Wirkungsgrads ausgezeichnet nutzen. Abb. 2-104 zeigt dazu einen Vergleich der mit ein- und zweistufiger Aufladung erreichbaren Wirkungsgrade und Verdichterdruckverhältnisse. „ Vergleich Großgas-Ottomotor zum dieselmotorischen Konzept Mit dem oben dargestellten Technologiestand von Groß-Gasmotoren können bereits effektive Wirkungsgrade erreicht werden, die über den Werten von Dieselmotoren mit vergleichbarer Baugröße liegen. Zur Detaillierung dieser Aussage und zur Darstellung der grundsätzlichen Unterschiede wird nachfolgend eine Wirkungsgradanalyse für den Gasund Dieselbetrieb gezeigt. Der Wirkungsgradvergleich für die beiden Motorkonzepte basiert auf Messergebnissen an einem baugleichen Grundmotor und ist in Abb. 2-105 dargestellt. Für den Gasmotorbetrieb (gespültes Vorkammer-Konzept) werden die Ergebnisse für ein NOx-Emissionsniveau nach TA-Luft und für den Dieselbetrieb nach EU Stage III A für Lokomotivantriebe gezeigt. Dem Vergleich ist eine Verlustanalyse nach Pischinger et al. (2002) zugrunde gelegt, mit der ausgehend vom Wirkungsgrad des vollkommenen Motors eine Aufteilung in eine Reihe von Einzelverlusten (das sind im Wesentlichen die Umsetzungsverluste sowie die Verluste durch reale Verbrennung, Wärmeübergang, Ladungswechsel und Motorreibung) erfolgt. In Abb. 2-105 werden aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung allerdings nur die Werte für den Wirkungsgrad des vollkommenen Motors, für den indizierten und für den effektiven Wirkungsgrad (bei einem indizierten Mitteldruck von ca. 25 bar) gezeigt. Dabei charakterisiert der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors den theoretisch maximal erreichbaren Wirkungsgrad, wobei der Dieselmotor aufgrund des höheren Verdichtungsverhältnisses hier eindeutige Vorteile besitzt (mehr als 6 %-Punkte). Vollkommener Motor Indiziert

Dieselmotor (EU Stage III A)

Effektiv

Wirkungsgrad [%]

Gasmotor (TA Luft) 5%

0

1

2

3

4 NOx [g/kWh]

5

6

7

8

Abb. 2-105: Wirkungsgradvergleich für einen Groß-Gas- und Groß-Dieselmotor gleicher Baugröße

Trotz des wesentlich geringeren Wirkungsgrades des vollkommenen Motors im Gasbetrieb ist sowohl der indizierte als auch in weiterer Folge der effektive Wirkungsgrad höher. Dies ist im Wesentlichen auf die geringeren Verbrennungsverluste und die geringeren

2.4 Groß-Gasmotoren

119

mechanischen Verluste zurückzuführen. Während im Mager-Gasbetrieb bei gut abgestimmten Brennverfahren eine wirkungsgradoptimale Verbrennungslage realisiert werden kann, ist trotz vergleichbarer Luftverhältnisse im Dieselbetrieb nur eine wesentlich spätere und damit thermodynamisch ungünstigere Lage möglich. Dies ergibt sich zum einen durch die verschärfte Spitzendruckproblematik aufgrund des höheren Verdichtungsverhältnisses und zum anderen vor allem durch die wesentlich höhere NOx-Emission des Dieselmotors. Diese hat ihre Ursache in den hohen Temperaturen der verbrannten Zone der nicht-vorgemischten Verbrennung des Dieselmotors, die im Bereich des stöchiometrischen Luftverhältnisses abläuft, vgl. Pischinger et al. (2002). Eine maßgebliche Reduktion der lokalen Verbrennungstemperaturen und damit der NOx-Emissionen kann nur durch den Einsatz von AGR erreicht werden. Damit reduziert sich allerdings der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors. Dieser Nachteil kann in der Regel durch eine günstigere Verbrennungsführung mehr als kompensiert werden, allerdings treten höhere Ladungswechselverluste durch den Betrieb mit AGR und höhere mechanische Verluste durch die Verwendung eines höheren Einspritzdrucks, der primär zur Senkung der Partikelemissionen eingesetzt wird, auf. Neben den höheren Verlusten durch realen Verbrennungsverlauf weist der Dieselmotor auch höhere Verluste durch Wandwärmeübergang und höhere mechanische Verluste auf. Zu den höheren mechanischen Verlusten des Dieselmotors trägt vor allem die Druckerzeugung für die Hochdruckeinspritzung bei. Insgesamt zeigt sich für den aktuellen Entwicklungsstand ein Vorteil des Gasmotors von mehr als 2 %-Punkte. Die Notwendigkeit, die NOx-Emissionswerte des Dieselmotors weiter drastisch zu reduzieren, wird die Situation zusätzlich verschärfen. Zudem besitzt der Gasmotor im Gegensatz zum Dieselmotor das Potenzial, das Verdichtungsverhältnis noch weiter zu steigern und damit den Wirkungsgradvorteil auszubauen. „ Entwicklungsmethodik Die Entwicklung und Optimierung von Brennverfahren von Groß-Gasmotoren steht neben der weiteren Erhöhung der Robustheit der Motoren im Spannungsfeld der Wirkungsgradund Leistungssteigerung einerseits bei gleichzeitiger Absenkung des Emissionsniveaus zur Einhaltung der zunehmend strengeren Emissionsvorschriften andererseits und stellt eine hochkomplexe Optimierungsaufgabe dar. Für diesen Optimierungsprozess wurde am LEC eine eigene Methodik LDM (LEC Development Methodology) abgeleitet, siehe etwa Wimmer et al. (2011). Die Methodik basiert auf einer gezielten Kombination von Simulation und experimentellen Untersuchungen an Einzylinder-Forschungsmotoren (SCE – Single Cylinder Engine) sowie Vollmotoren (MCE – Multi Cylinder Engine), siehe Abb. 2-106. Zur Simulation werden sowohl die dreidimensionale CFD-Methode als auch die null- und eindimensionale Motorprozessrechnung eingesetzt. Während die 3D-CFD-Simulation vor allem für die Detailoptimierung der relevanten Vorgänge (wie etwa Gemischbildung und Verbrennung in Vorkammer und Hauptbrennraum, Bestimmung des Klopfverhaltens etc.) eingesetzt wird, werden null- und eindimensionale Motorprozesssimulationen für die Voroptimierung maßgeblicher Motorparameter (Verdichtungsverhältnis, Steuerzeiten etc.) angewandt. Ein wesentlicher Vorteil der null- und eindimensionalen Modelle ist in den kurzen Rechenzeiten zu sehen, die die Untersuchung einer großen Anzahl von Parametervariationen erlauben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der dargestellten Methodik bildet die Sicherstellung der Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Einzylinder-Versuch auf den Vollmotor. Hierzu ist es notwendig, vergleichbare Randbedingungen wie am Vollmotor

120

2 Motorische Verbrennung

zu realisieren. Neben gleichen thermischen Randbedingungen ist dies insbesondere die Darstellung gleicher Bedingungen zu Beginn des Hochdruckteils (Temperatur, Druck und Zusammensetzung des Arbeitsgases). Diese werden im Rahmen der dargestellten Methodik in einem iterativen Prozess auf Basis der 1D-Ladungswechselsimulation von Vollmotor und Einzylinder-Aufbau bestimmt.

Abb. 2-106: LEC Entwicklungsmethodik (LDM)

„ Null- und eindimensionale Simulationsmodelle Null- und eindimensionale Simulationsmodelle sind insbesondere für die Prognose der Eigenschaften eines Motors schon während der Auslegungsphase geeignet. Bei GroßgasOttomotoren besteht die Herausforderung, dass eine Vielzahl von Brennverfahren und Kraftstoffen abzubilden ist. Um die Entwicklung von immer neuen Simulationsmodellen für diese Spezialfälle vermeiden zu können, ist es nützlich, eine möglichst allgemeingültige Modellierung zur Verfügung zu haben. Ein hohes Maß an Allgemeingültigkeit kann von Modellen erwartet werden, die weitgehend auf physikalischen Gesetzen beruhen und nur ein geringes Maß an Phänomenologie enthalten. Zu diesem Zweck wurde am LEC eine konsistente Simulationsmethodik entwickelt, die diesen Bedingungen genügt, vgl. Chmela et al. (2006) und Chmela et al. (2008). Eine Übersicht über die am LEC zur Modellierung der Vorgänge im Gasmotor verfügbaren Simulationsmodelle findet sich in Abb. 2-107. Der Zustand der Zylinderladung während des Hochdruck-Teils ist geprägt durch hohe Temperatur aus Verdichtung und Energiefreisetzung und durch hohe Turbulenzdichte, die generell durch die Kolbenbewegung erzeugt wird. Die Prozesse der Gemischbildung und Verbrennung werden daher durch diese beiden Gegebenheiten kontrolliert. Jede Umsetzung von Kraftstoff mit Luft basiert auf der Änderung der Konzentrationen der beteiligten Komponenten. Die Änderungsrate folgt für die verschiedenen Reaktionsprozesse bei der motorischen Verbrennung unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten mit ebenfalls unterschiedlichen treibenden Faktoren. Auf der einen Seite wird die momentane Verfügbarkeit der Reaktionspartner durch Transport- und Mischungsprozesse auf molekularer Ebene gesteuert, die lokale Turbulenzdichte ist dabei das treibende Phänomen für die Mischungsgeschwindigkeit der Reaktanten. Die dadurch kontrollierte Reaktionsrate lässt sich mit Hilfe des Ansatzes nach Magnussen formulieren, siehe Magnussen (1976).

2.4 Groß-Gasmotoren

121

Emissionen Brennrate

LEC-NOX

LEC-OCM

Gasmotor mit offenem Brennraum

LEC-PCM

Gasmotor mit Vorkammer

NOx-Bildung

Klopfen LEC-Knock0D

Wärmeübergang

Klopfmodell

LEC-HTM

Wärmeübergangsmodell

Abb. 2-107: Nulldimensionale Simulationsmodelle

Andererseits wird die momentane Reaktionsrate zwischen den bereits gemischten Reaktionspartnern durch die Reaktionskinetik kontrolliert. Die zugrunde liegenden chemischen Reaktionen können näherungsweise als Bruttoreaktion zwischen Kraftstoff und Sauerstoff beschrieben werden. Bei nicht turbulenten Oxidationsprozessen im Motor kann daher die Konzentrationszunahme der Reaktionsprodukte durch ein Arrhenius-Gesetz beschrieben werden. x Zündverzug

Als Basis für die Berechnung des Zündverzuges kann die Gleichung nach Arrhenius zur Beschreibung der Zunahme der Radikalkonzentration herangezogen werden vgl. Chmela et al. (2006), Chmela et al. (2008) und Jobst et al (2005). Die Entflammung wird eingeleitet, wenn die so errechnete Radikalkonzentration einen bestimmten Schwellwert erreicht, was durch die folgende Gleichung (2.1) abgebildet wird:

³

tVB

(2.1)

rArr (t ) dt 1

tZZP

Simulierter Zündverzug [°KW]

25.0

1.7°KW 20.0

1.7°KW

15.0

Motor 1 Motor 2 10.0 10.0

15.0

20.0

gemessener Zündverzug [°KW]

25.0

Abb. 2-108: Vergleich simulierter und analysierter Zündverzug

122

2 Motorische Verbrennung

Das Berechnungsverfahren gilt für beliebige Kraftstoffe und Verbrennungsverfahren. Die Modellkonstanten müssen jedoch jeweils aus Messwerten bestimmt werden. Im folgenden Abb. 2-108 sind beispielhaft für zwei Gasmotoren mit offenem Brennraum und Funkenzündung an unterschiedlichen Betriebspunkten gemessenen Zündverzüge den Ergebnissen der Vorausrechnung gegenübergestellt. Die Unterschiede zwischen Vorhersage und Messung liegen dabei in Streubändern der Breite ±1.7 °KW. x Brennrate beim Gasmotor mit offenem Brennraum

Beim Gasmotor mit offenem Brennraum wird das homogene Gemisch im Zylinder mit einer Zündkerze entflammt. Für diesen Fall der vorgemischten turbulenten Verbrennung wird die Magnussen-Gleichung herangezogen. Für die Berechnung des momentan für die Verbrennung verfügbaren Gemischvolumens wird von der Vorstellung ausgegangen, dass sich eine halbkugelförmige Flammenfront einer bestimmten Dicke von der Zündquelle ausgehend mit der turbulenten Flammengeschwindigkeit, die mittels der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit aus der laminaren Flammengeschwindigkeit berechnet wird, durch die Ladung bewegt. Für die Berechnung der laminaren Flammengeschwindigkeit kann unter anderem eine Formulierung von Peters benutzt werden, die ebenso einen temperaturabhängigen Exponentialterm enthält, vgl. Müller et al. (1997). Der Anteil des momentan global vorhandenen noch unverbrannten Kraftstoffes nimmt jedoch mit fortschreitender Verbrennung ab, was mit der Differenz zwischen der vor Verbrennungsbeginn vorhandenen Kraftstoffmasse und dem Integral der bisher freigesetzten Kraftstoffenergie beschrieben werden kann. Mit diesem Term wird im Wesentlichen die Abnahme der Kraftstoffverfügbarkeit in der Ausbrandphase berücksichtigt, wenn die Flammenfront bereits die Brennraumwände erreicht hat. 0.04 spez. Brennrate [1/°KW]

dQ Analyse dQ Simulation

0.03

0.02

0.01

0.00

0.02

0.01

p2 = 2.5 bar dQ Analyse dQ Simulation

0.03

0.02

0.01

0.00 -30 -20 -10

0 10 20 30 40 50 Kurbelwinkel [°KW n.OT]

60

70

80

dQ Analyse dQ Simulation

0.03

0.00

0.04

O = 1.66

O = 1.58

spez. Brennrate [1/°KW]

spez. Brennrate [1/°KW]

p2 = 1.5 bar

0.04

dQ Analyse dQ Simulation

0.03

0.02

0.01

spez. Brennrate [1/°KW]

0.04

0.00 -30 -20 -10

0 10 20 30 40 50 Kurbelwinkel [°KW n.OT]

60

70

80

Abb. 2-109: Analysierter und simulierter Brennratenverlauf bei den unterschiedlichen Ladedrücken und Luftverhältnissen

Ausgehend von der Magnussen-Gleichung folgt nach wenigen Umformungen und mit einigen zusätzlichen Vereinfachungen, vgl. etwa Jobst et al. (2005), schließlich die Brennratengleichung (2.2) für Gas-Ottomotoren mit homogener Ladung.

2.4 Groß-Gasmotoren

dQG dt

CG

123

mK ,0 H u  QG 7 VZyl 6

vlam t 2

(2.2)

Der anfängliche Anstieg des Brennratenverlaufs ist durch den quadratischen Term in t geprägt, der die Ausbreitung der Flammenfront abbildet, während das Abklingen gegen Ende durch den Verfügbarkeitsterm im Zähler kontrolliert wird, der das Verschwinden des brennbaren Gemischs, d. h. der noch verfügbaren Kraftstoffenergie, wiedergibt. Abb. 2-109 zeigt Verifikationsbeispiele des Brennratenmodells für Variationen von Ladedruck und des Luftverhältnisses.

y Brennratenverlauf beim Gasmotor mit Vorkammer Für die Simulation der sehr komplexen Verhältnisse der Verbrennung beim Gasmotor mit Vorkammer kann einerseits, wie in Chmela et al. (2007) beschreiben, auf eine physikalische Formulierung zurückgegriffen werden. Andererseits ist aber auch eine rein empirische Modellierung der Brennrate möglich, vgl. etwa Zhu et al. (2009), wobei basierend auf einer einfachen Doppel-Vibe-Funktion ein mathematischer Zusammenhang zwischen den Betriebsparametern des Motors (z. B. Ladedruck, Ladungstemperatur, Zündzeitpunkt, Luftverhältnis) und den Vibe-Parametern über Funktionale abgebildet wird. Die Bestimmung der Funktionale basiert aus der Anwendung der DoE-Methode (Design of Experiments) am Motorenprüfstand. Der Vorteil dieser Methode liegt in den extrem kurzen Rechenzeiten und der sehr einfachen Bedienbarkeit. Allerdings ist die Übertragbarkeit auf andere Motorkonfigurationen nur bedingt möglich. Hier bietet die möglichst physikalische Modellierung Vorteile. Dabei geht man davon aus, dass der Hauptbrennraum und die Vorkammer als zwei über die als Drosselstelle wirkenden Überströmkanäle verbundene Brennräume betrachtet werden, wobei der Massenstrom eine zentrale Größe darstellt. Für die Modellierung wurde die in Abb. 2-110 dargestellte Vorstellung für den Ablauf der Vorgänge vom Zündzeitpunkt bis zum Verbrennungsende im Zylinder entwickelt.

Brennrate Zylinder

Brennrate

Stufe 1

ZVZyl ZVVK Stufe 2 Brennrate Vorkammer ZZP

BBVK

BBZyl

BEVK

Kurbelwinkel

Abb. 2-110: Schematische Darstellung der Brennratenverläufe in Vorkammer und Hauptbrennraum

124

2 Motorische Verbrennung

Ab dem Beginn des Funkenüberschlags (ZZP) an der in der Vorkammer befindlichen den Überströmkanälen gegenüber liegenden Zündkerze läuft der Zündverzug (ZVVK) bis zum Beginn der Verbrennung in der Vorkammer (BBVK) ab. Die anfangs halbkugelförmige Flammenfrontfläche wird bald nach Verbrennungsbeginn durch Kontakt mit den Kammerwänden begrenzt und bewegt sich mit der turbulenten Flammengeschwindigkeit von der Zündkerze weg in Richtung der Überströmkanäle. Es wird angenommen, dass zum Zeitpunkt, zu dem die Flammenfront die Überströmkanäle erreicht, erstmals brennendes Gemisch aus der Vorkammer in den Hauptbrennraum übertritt und dort ohne weitere Verzögerung die Entflammung einleitet (BBZyl). Die Verbrennung in der Vorkammer läuft noch weiter, bis auch die bis zu diesem Zeitpunkt von der Flammenfront nicht erfassten Bereiche verbrannt sind (BEVK). Zündverzug und Brennrate in der Vorkammer werden in analoger Weise zu den Modellen für den offenen Brennraum berechnet. Das Flammenfrontvolumen wird hier gemäß den geometrischen Verhältnissen in der Kammer bestimmt, die Turbulenzdichte wird wie für die Berechnung des Zündverzugs aus der kinetischen Energie der einströmenden Masse berechnet. Die aus den Überströmkanälen austretenden brennenden Gasstrahlen vermischen sich mit einem Teil der umgebenden Frischladung und brennen mit diesem Ladungsteil zusammen turbulenzgesteuert aus. Für die erste Phase der Verbrennung im Hauptbrennraum enthält die Brennratengleichung somit als Quellterm den im aus der Kammer austretenden Gasstrahl noch unverbrannten Anteil der Kraftstoffmasse sowie als weiteren Quellterm den Kraftstoffanteil der in den Gasstrahl zugemischten Frischladung. Ähnlich zur Berechnung der Turbulenzdichte in der Vorkammer wird die Turbulenzdichte im Gasstrahl ebenfalls aus der kinetischen Energie der überströmenden Gasmasse berechnet, jedoch wird dafür die aus der Vorkammer austretende Gasmasse herangezogen. Gleichzeitig wirken die Flammenfackeln ähnlich einer Zündkerze beim Motor mit offenem Brennraum und können somit als Ausgangspunkt für die Entwicklung und das Fortschreiten einer Flammenfront für die zweite Stufe der Brennrate im Zylinder herangezogen werden. Das Modell für die zweite Stufe der Brennrate im Zylinder entspricht dem Aufbau nach dem Modell für die Brennrate des Gasmotors mit offenem Brennraum, die Gleichung für die Brennrate muss nur hinsichtlich der verfügbaren Kraftstoffmasse und der Turbulenzdichte spezialisiert werden. Die Turbulenzdichte wird aus dem in der Ladung zum Zündzeitpunkt vorhandenen hauptsächlich aus Einlass-Strömung, Drall- und Quetschströmung erzeugten Anteil sowie dem aus der kinetischen Strahlenergie stammenden und auf die Zylindermasse bezogenen Anteil zusammengesetzt.

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.3 bar O = 1.81 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

0.05 spez. Brennrate [1/°KW]

spez. Brennrate [1/°KW]

0.05

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 14.5 bar O = 1.81 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

-20

-10

0

10

20

30

Kurbelwinkel [°KW]

40

50

60

-20

-10

0

10

20

30

Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 2-111: Variation des Ladedrucks bei konstantem Luftverhältnis

40

50

60

2.4 Groß-Gasmotoren

125

In Abb. 2-111 sind die Brennratenverläufe aus Druckverlaufsanalyse und Modellvorhersage für die Ladedrücke 2,0 und 2,5 bar wiedergegeben. Die Übereinstimmung zwischen Analyse und Vorhersage ist für beide Ladedrücke als sehr gut zu bezeichnen. Auch die Effekte des für Gasmotoren wichtigen Betriebsparameters Luftverhältnis werden von den Modellen in befriedigender Weise beschrieben, siehe Abb. 2-112.

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.3 bar O = 1.77 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00 -20

-10

0

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

60

0.05 spez. Brennrate [1/°KW]

spez. Brennrate [1/°KW]

0.05

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.7 bar O = 1.69 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00 -20

-10

0

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

60

Abb. 2-112: Variation des Luftverhältnisses im Zylinder bei konstantem Ladedruck

y Klopfen beim Gasmotor Zur Beschreibung und zur Voraussage der mit der klopfenden Verbrennung in Gasmotoren verbundenen Phänomene wurden Modelle für den Klopfbeginn, die Klopfhärte, die Klopfhäufigkeit und den Klopfabstand sowohl in Richtung Zündzeitpunkt als auch Luftverhältnis entwickelt, siehe Dimitrov et al. (2005). Für die Bestimmung des Klopfbeginns wird wie bei der Modellierung des Zündverzugs die Arrhenius-Beziehung verwendet, womit der Anstieg der Radikalkonzentration in der unverbrannten Ladung errechnet wird. Die Reaktionsrate wird zwischen Einlass-Schluss ES und Klopfbeginn KB aus Zylinderdruck (p), Temperatur der unverbrannten Zone (Tu) und Methanzahl (MZ) bestimmt. Gleichung 2.3 mit den Modell-Konstanten a, b und n stellt den zeitlichen Verlauf der Radikalkonzentration dar. IK

³ tES

t KB

pn

e



a MZ  b Tu

dt

(2.3)

Ein simulierter Verbrennungszyklus wird als klopfend bezeichnet, wenn der Integralwert IK zwischen Brennbeginn und Brennende eine bestimmte Schwelle erreicht. Gleichzeitig müssen noch zwei weitere Bedingungen erfüllt sein: Zum Klopfbeginn muss noch eine bestimmte unverbrannte Kraftstoffmasse im Zylinder vorhanden sein, und die Klopfhärte des simulierten Zyklus muss größer als ein bestimmter Schwellwert sein. Da die Klopfentstehung noch nicht vollständig deterministisch beschrieben werden kann, wurde hier für die Klopfvorhersage der Weg beschritten, den stochastischen Anteil durch Bezug auf den als bekannt vorausgesetzten Variationskoeffizienten für den Spitzendruck (COVpmax) zu berücksichtigen. Die darauf basierende Strategie für die Vorausberechnung der Klopfhäufigkeit wurde in Dimitrov et al. (2005) erläutert. Die einzelnen Schritte der Vorhersagemethode für die Klopfhäufigkeit lassen sich anhand von Abb. 2-113 beschreiben.

Häufigkeit p max [%]

100

02 1 0 20 aktuelle 'pmax -1 Klopf-2 40 häufigkeit -3 BB* für pmax, kr. und -4 60 10% Klopfhäufigkeit -5 -6 80 pmax, 10% -7 pmax, kr. -8 100 -9 pmax, sim -10 BBsim -11 -12 -13 -14 -15 BBkr. aktueller Klopfabstand BB* -16 -17 -18 94 98 102 106 110 114 118 122 126 130 134 138 142 146 150 154 158 162 166 170

Klopfhäufigkeit 10%

80 60 40 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 90

Klopfhäufigkeit [%]

2 Motorische Verbrennung

Brennbeginn [°KW n.OT]

126

Spitzendruck [bar]

Abb. 2-113: Ermittlung der Klopfhäufigkeit und des Klopfabstandes

Mit einer kleinen Erweiterung lässt sich gleichzeitig auch der Klopfabstand bestimmen, das heißt, der Betrag, um den der Brennbeginn zu verschieben wäre, um die Klopfhäufigkeit an der Klopfgrenze zu erreichen. Es ergibt sich folgende Vorgehensweise: 1. Simulation des Verbrennungszyklus mit Hilfe der Modelle für Zündverzug und Brennverlauf 2. Berechnung des Spitzendrucks pmax,sim mit Hilfe der Kreisprozessrechnung 3. Bestimmung der Summenkurve der Häufigkeitsverteilung des Spitzendrucks aus pmax,sim und COVpmax. 4. Wiederholung von Punkt 1 unter Variation des Brennbeginns (BB) zur Bestimmung des kritischen Brennbeginns BBkr. sowie des dazugehörigen Spitzendrucks pmax,kr an der Grenze zwischen Klopfen und Nicht-Klopfen mittels Anwendung der Modelle für Klopfbeginn und Klopfhärte 5. Die Ordinatendifferenz des jeweiligen Werts der Summenkurve an der Stelle des kritischen Spitzendrucks (pmax,kr) auf 100 % liefert dann den jeweiligen Wert für die Klopfhäufigkeit 6. Zur Bestimmung des Klopfabstandes wird die Summenkurve derart verschoben, dass an der Stelle des kritischen Spitzendrucks pmax,kr die Klopfhäufigkeit der Klopfgrenze erreicht wird. 7. Der damit verbundene Betrag der Änderung des Brennbeginns entspricht dem Klopfabstand. 8. Umrechnung des Klopfabstandes in eine entsprechende Änderung des Zündzeitpunkts. Der Zusammenhang zwischen Zündzeitpunkt und Brennbeginn ist dabei über das Zündverzugsmodell zu ermitteln. Der Variationskoeffizient (COVpmax) für den Spitzendruck ist eine Basisgröße für die Vorausberechnung der Klopfhäufigkeit. Dieser Wert ist nicht vorhersagbar, sondern ein Ergebnis der Motorentwicklung auf dem Prüfstand. Als Simulationsergebnis wird daher die Klopfhäufigkeit nicht als Einzelwert, sondern als Funktion des Variationskoeffizienten angegeben.

2.4 Groß-Gasmotoren

127

y NOx-Emissionen und Wärmeübergang Die Berechnung der während der Verbrennung auftretenden Stickoxidkonzentration kann mit ausreichender Genauigkeit nach dem bekannten Modell von Pattas und Häfner, siehe Pattas et al. (1973), erfolgen, das ausschließlich die Bildung von thermischem NO über den erweiterten Zeldovich-Mechanismus mit insgesamt sechs Reaktionsgleichungen berücksichtigt. Die Temperatur der verbrannten Zone wird auf Basis des jeweiligen Brennratenmodells über ein Zwei-Zonen-Modell errechnet. Die geeignete Formulierung des Wärmeübergangs bei Groß-Gasmotoren ist insofern von großer Bedeutung, da die Höhe des Wärmeübergangs durch die Zusammensetzung des Kraftstoffes beeinflusst wird. Dies gilt insbesondere für die Komponenten Wasserstoff und Kohlenmonoxid. „ 3D-CFD Simulation

Neben dem Einsatz der null- und eindimensionalen Simulation stellt vor allem auch die 3D-CFD Simulation ein zentrales Optimierungswerkzeug dar. Dies soll nachfolgend am Beispiel der Entwicklung einer bezüglich Klopfen optimierten Brennraumgeometrie gezeigt werden, vgl. Christiner et al. (2010). Konkret sollte dabei für einen Gasmotor mit offenem Brennraum die Kolbenform so verändert werden, dass zur Darstellung eines sicheren Motorbetriebes der Abstand zur Klopfgrenze vergrößert wird. In der ersten Phase erfolgte zunächst eine Analyse der Klopfvorgänge am Basiskolben. Mit Hilfe der durchgeführten Simulationsrechnungen mit dem CFD-Code AVL FIRE konnte nach entsprechender Abstimmung des eingesetzten Verbrennungs- und Klopfmodells anhand von Messergebnissen am Einzylinder-Forschungsmotor der Ausgangspunkt des Klopfens erkannt werden, siehe Abb. 2-114. Klopfausgangspunkte

Basiskolben

optimierte Variante

Abb. 2-114: CFD-Simulation Basiskolben – optimierter Kolben

Zur Verifikation dieses Ergebnisses wurden auch umfangreiche, lokal auflösende optische Messungen mit einem Visio-Knock-System von AVL durchgeführt. Das Messprinzip beruht dabei auf dem Messen der Lichtintensitäten der Flammenstrahlung infolge der klopfenden Verbrennung. Für die Messungen am Forschungsmotor wurde ein Messadapter gebaut, der über 120 Messkanäle verfügt, siehe Abb. 2-115 links. Wie dargestellt, sind 80 Kanäle radial nach außen gerichtet und über den gesamten Brennraumumfang verteilt. Diese sogenannten „Knock-Kanäle“ sollen Lichtintensitäten zufolge einer klopfenden Verbrennung am Brennraumrand erfassen und sind auf 3 Kegelwinkel (Knock_1 bis Knock_3) verteilt, um eine bestmögliche örtliche Information über den Klopfort zu erhalten. Die restlichen 40 Kanäle sind zylinderachs-parallel angeordnet bzw.

128

2 Motorische Verbrennung

erfassen den mittleren Bereich der Kolbenmulde. Diese so genannten „Flame-Kanäle“ dienen zum Erfassen der ersten Phase der Flammenausbreitung und detektieren Klopfereignisse in der Brennraummulde. Bei der Messung wird nun die Lichtintensität der Flammenstrahlung im Brennraum über Saphirlinsen erfasst und über Lichtleiter an optische Verstärker übertragen. Abb. 2-115 rechts oben zeigt das Ergebnis der Messung für den Basiskolben und bestätigt die auf Basis der CFD-Simulation abgeleitete Aussage bezüglich des Klopfausgangspunktes.

Optisches Messsystem

Flame_5 Flame_4 Flame_3 Flame_2 Flame_1

Basiskolben

Knock_3

Knock_2

Knock_1

4,18

Crank Angle ATDC [deg CA]

9,94

Optimierte Variante

Flame_5 Flame_4 Flame_3 Flame_2 Flame_1 Knock_3

Knock_2

Flame 1…Flame 5 Flame 5…Flame 1

Knock_1

5,01

Crank Angle ATDC [deg CA]

8,68

Abb. 2-115: Ergebnisse der optischen Klopfuntersuchungen

Nach der Verifikation der Simulationsmethodik sollte als nächster Schritt die Optimierung erfolgen. Als Hauptursache für die klopfende Verbrennung wurden Zonen mit gesteigerter Restgaskonzentration und Temperatur erkannt. Das Ziel der Optimierung war es daher, diese Bereiche durch gezielte geometrische Änderungen zu vermeiden und, wenn möglich, früher von der Flammenfront erfassen zu lassen. Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Optimierung bestand darin, mit der optimierten Kolbenform das gleiche Verbrennungsverhalten wie das der Basiskonfiguration zu erreichen. Nach umfangreichen Simulationsrechnungen konnte schließlich eine optimierte Variante mit verlagertem Klopfausgangspunkt abgeleitet werden, siehe Abb. 2-115 rechts. Wie bei der Basisvariante konnte auch dieses Ergebnis durch die optische Messungen am Einzylinder-Forschungsmotor bestätigt werden, siehe Abb. 2-115 rechts unten. Um das Ergebnis der Optimierungsmaßnahmen am Kolben konkret bewerten zu können, wurden beide Kolben am Einzylinder-Forschungsmotor thermodynamisch vermessen und

2.4 Groß-Gasmotoren

129

mager

die wesentlichsten Betriebsgrößen verglichen. Abb. 2-116 zeigt dazu die Aussetzer- und Klopfgrenze sowie den Bereich der TA-Luft (ausgedrückt durch das Luftverhältnis) abhängig vom indizierten Mitteldruck. Während Aussetzergrenze und TA-Luft Bereich für beide Varianten praktisch gleich sind, konnte die Klopfgrenze zu geringeren LambdaWerten verschoben und damit der fahrbare Betriebsbereich maßgeblich erweitert werden. In einem nächsten Schritt wird die optimierte Kolbenform auf den Vollmotor übertragen.

Aussetzergrenze

Luftverhältnis

TA Luft

Klopfgrenze fett

Basiskolben Optimierte Variante Indizierter Mitteldruck

Abb. 2-116: Betriebsbereich für Basiskolben und optimierte Kolbenform

„ Dual-Fuel-Motoren

Die Verschärfungen der Emissionsrichtlinien im Marinebereich seitens IMO stellen für die Entwicklung von Großmotoren für diese Anwendung derzeit eine der zentralen Herausforderungen dar. Insbesondere die in den als ECA (Emission Control Area) ausgewiesenen Gebieten geforderten NOx- und Partikelreduktionen werden mit reinen Schwerölmotoren nur schwierig zu realisieren sein. Als mögliche Ansätze zur Lösung dieser Problematik werden neben dem Einsatz von Großgas-Ottomotoren vor allem auch Dual-FuelMotoren diskutiert. Diese werden unter anderem bereits für Flüssiggastanker (LNGTanker) mit diesel-elektrischem Antrieb eingesetzt, vgl. Böckhoff (2007). Zu beachten ist, dass für den Marinebereich sehr spezielle Richtlinien wie der IGC-Code (International Gascarrier Code) und insbesondere auch die Anforderungen der Klassifikationsgesellschaften einzuhalten sind, was für Gasmotoren eine besondere Herausforderung darstellt, vgl. Böckhoff (2007). Neben der Marineanwendung sind Dual-Fuel-Motoren aber auch für den Stationärbetrieb interessant, da die Betreiber damit abhängig vom jeweils zur Verfügung stehenden Kraftstoff einen sicheren Betrieb gewährleisten können. Das Motorkonzept von Dual-Fuel-Motoren muss grundsätzlich so ausgelegt werden, dass ohne Adaptionen sowohl der Betrieb mit gasförmigem als auch mit flüssigem Kraftstoff möglich ist. Ein Umschalten zwischen Diesel- und Gasbetrieb muss in bestimmten Betriebsbereichen in beide Richtungen gewährleistet sein. Insbesondere bei Schiffsmotoren kommt dem Dieselbetrieb als redundante Betriebsart in Notfallsituationen große Bedeutung zu. Ein Betriebsartwechsel von Gas auf Diesel muss daher unmittelbar erfolgen. Das Umschalten von Diesel- auf Gasbetrieb ist weniger kritisch und dauert bei ausgeführten Konzepten ca. 2 Minuten, vgl. Böckhoff (2007).

130

2 Motorische Verbrennung

Wie in Kapitel 2.4.1 beschrieben wird bei Dual-Fuel-Motoren die Zündung durch die Einspritzung einer kleinen Menge an Dieselbrennstoff eingeleitet, welche das magere GasLuft-Gemisch im Zylinder entzündet. Die Zufuhr des gasförmigen Kraftstoffs erfolgt bei den meisten ausgeführten Motoren über eine Gaseinblasung in das Saugrohr unmittelbar vor den Einlassventilen, vgl. Böckhoff et al. (2009) und Ölander (2006). Da bei der Diesel-Direkteinspritzung die NOx-Emissionen mit steigenden Einspritzraten stark ansteigen, kann das Haupteinspritzsystem mit einer minimalen Einspritzmenge von ca. 5 % der Dieselvolllastmenge nicht für die Zündung im Gasbetrieb verwendet werden, vgl. Böckhoff et al. (2009). Zur sicheren Darstellung von niedrigen NOx-Emissionen werden deswegen eigene Zündöl-Injektoren eingesetzt, die Einspritzmengen von weniger als 1 % der Dieselvolllastmenge erlauben. Entsprechend Abb. 2-117 ist beim Dual-Fuel-Konzept von MAN, siehe Böckhoff (2007) und Böckhoff (2009) der Zündöl-Injektor seitlich angeordnet ausgeführt. Beim Dual-Fuel-Konzept von Wärtsilä, siehe Nylund (2007) und Ölander (2006), kommt hingegen ein Mehrnadeldüsen-Injektor zum Einsatz, siehe Abb. 2-118. Im Dieselbetrieb können die Motoren über das Haupteinspritzsystem sowohl mit MDO (Marine Diesel Oil) als auch mit HFO (Heavy Fuel Oil) betrieben werden. Im Gasbetrieb wird der Motor Betrieb mit Gas und MDO-Pilot-Einspritzung betrieben. Grundsätzlich ist mit diesen Motoren auch ein Mischbetrieb in sehr weiten Bereichen möglich. Gasventil Doppelwandige Gasleitung Zündöl-Injektor (Common-Rail)

Gasführungsrohr Haupt-Injektor (PLD-System)

Abb. 2-117: Dual-Fuel Konzept von MAN, vgl. Böckhoff (2007)

Die Auslegung eines Dual-Fuel-Motors stellt immer einen Kompromiss dar, da die Motoren für beide Betriebsarten optimiert werden müssen. Während im Dieselbetrieb vor allem die Einhaltung der jeweiligen NOx-Emissionsgrenzwerte im Vordergrund steht und im Wirkungsgrad unter Umständen Nachteile in Kauf genommen werden müssen liegt der Schwerpunkt für die Auslegung des Gasbetriebs aufgrund der sehr emissionsarmen Verbrennung auf einer weiteren Optimierung des Wirkungsgrades. In Hanenkamp (2009) wurde dazu ein Vergleich zwischen einem auf den Schwerölbetrieb optimierten Motor und einem Dual-Fuel-Konzept durchgeführt. Bei 100 % Last ergab sich dabei eine Verschlechterung des Verbrauchs beim Dual-Fuel-Motor im Schwerölbetrieb gegenüber dem reinen Schwerölmotor um ca. 2 %. Im Gasbetrieb konnte neben der sicheren Erreichung der IMO Tier 3 Vorschriften eine Verbrauchsreduktion um mehr als 5 % erreicht werden.

2.5 Groß-Dieselmotoren

131 Injektor (Zoom)

Brenngasleitung

Solenoid

Gas-Zumischventil Injektor Einlasskanal

PilotEinspritzung PilotKraftstoffleitung

HauptEinspritzung

HauptKraftstoffleitung

Abb. 2-118: Dual-Fuel Konzept von Wärtsilä, vgl. Ölander (2006)

Dual-Fuel-Motoren erlauben bei entsprechender Auslegung auch die Einhaltung der Grenzwerte nach TA-Luft. Damit sind diese Motoren auch für stationäre Anwendungen geeignet.

2.5

Groß-Dieselmotoren

2.5.1

Allgemeine Grundlagen

Seit dem Beginn der Entwicklung werden Motoren unterschiedlichster Größe und Ausführung eingesetzt. Insofern soll zu Beginn dieses Abschnitts erläutert werden, was sich hinter dem Begriff „Groß-Dieselmotoren“ verbirgt. Die folgende Tab. 2.7 zeigt dafür entsprechende Kennwerte. Tab. 2.7: Kennwerte heutiger Groß-Dieselmotoren Untergrenze

Obergrenze

Motorleistung

ca. 500 kW

ca. 80.000 kW

Eff. Mitteldruck

./.

ca. 30 bar

Bohrungsdurchmesser

ca. 150 mm

ca. 1.000 mm

Kolbenhub

ca. 200 mm

ca. 3.700 mm

Zylinderhubvolumen

ca. 2,5 l

ca. 2.300 l

Motornenndrehzahl

ca. 1.800 U/min

ca. 70 U/min

Motorgewicht

./.

ca. 2.400 t

Wie aus der linken Spalte zu sehen ist, werden hiermit Motoren mit Zylinderhubvolumina von mehr als 2,5 Liter charakterisiert. Die Werte für Bohrung und Hub sind üblicherweise größer als bei Dieselmotoren z. B. für Lastkraftwagen. In der rechten Spalte sind maximale Werte für diese Motoren angegeben, wie sie heute ausgeführt sind. Technisch ist es

132

2 Motorische Verbrennung

denkbar, dass die hier aufgeführten Werte zukünftig noch weiter nach oben getrieben werden. Ob dies, insbesondere bei der erzielten Maximalleistung, wirtschaftlich vertretbar ist, kann aktuell nicht abgesehen werden. Die Groß-Dieselmotoren werden üblicherweise nach Drehzahlbereichen klassifiziert (Abb. 2-119). Dabei erfolgt die Einteilung nach langsamlaufenden, mittelschnelllaufenden und schnelllaufenden Motoren. Die jeweils zugeordneten Drehzahlbereiche sind dem folgenden Bild in logarithmischer Darstellung zu entnehmen. Während es bei 300 U/min eine klare Abgrenzung zwischen den Langsamläufern und den Mittelschnellläufern gibt, ist der Übergang zwischen den beiden anderen Kategorien nicht so eindeutig. Die Überschneidung ist hier vorrangig in Besonderheiten der Konstruktion zu suchen, die sich bei den Mittelschnellläufern aus der erforderlichen Schweröltauglichkeit ergibt. Für das an Bord von Schiffen übliche 60 Hz-Bordnetz ist in einigen Fällen ein Motorbetrieb mit 1.200 U/min erwünscht. Konstruktionsmerkmale von Schnellläufern lassen sich bis hinunter zu Anwendungen bis 1.000 U/min finden. Schnelläufer ( > 1.000 U/min)

Mittelschnelläufer (300 ... 1.200 U/min)

Langsamläufer ( ... 300 U/min)

Schweröltauglich ! 1

10

100

1000

10000

Abb. 2-119: Klassifizierung der Großmotoren in Drehzahlbereichen

Motordrehzahl [U/min]

Ein weiterer Aspekt bei der Klassifizierung ist die Bauart. Bei den Groß-Dieselmotoren kommen sowohl die Kreuzkopfbauweise als auch die Tauchkolbenbauweise zum Einsatz. Die Kreuzkopfbauweise weist dabei als Vorteile auf, dass die Kolben nicht mit Seitenführungskräften belastet sind und dass nahezu keine Begrenzungen beim realisierbaren HubBohrungsverhältnis bestehen. Weiterhin sind der Verbrennungsraum und der Kurbeltrieb durch die Stopfbuchse an der Durchführung der Kolbenstange voneinander getrennt. Als Nachteile sind die große Bauhöhe dieser Motoren sowie die großen bewegten Massen zu nennen. Damit eignen sie sich nur für niedrige Drehzahlen, ermöglichen aber durch das große zu realisierende Hub-Bohrungsverhältnis eine Prozessführung mit sehr hohen Wirkungsgraden. Heute werden alle langsamlaufenden 2-Takt-Großmotoren in dieser Bauweise ausgeführt. Im Gegensatz dazu weist die Tauchkolbenbauweise einen vergleichsweise einfachen Aufbau, eine kompakte Bauart und relativ kleine bewegte Massen als Vorteile auf. Dies ermöglicht den Betrieb mit höheren Drehzahlen. Allerdings ist das maximal realisierbare Hub-Bohrungs-Verhältnis auf Werte von ungefähr 1,5 beschränkt. Die Kolben müssen in diesem Fall auch die aus der Pleuelstellung resultierenden Seitenführungskräfte aufnehmen. Diese Bauweise wird für alle mittelschnell- und schnelllaufenden Großmotoren verwendet.

2.5 Groß-Dieselmotoren

133

Eine Besonderheit der Groß-Dieselmotoren – zumindest für die Langsamläufer und die Mittelschnellläufer – ist der Betrieb mit Schweröl als Kraftstoff, welches aus Kostengründen bei seegehenden Schiffen eingesetzt wird. Schweröle sind preiswerte hochviskose Rückstandsöle aus der Erdölraffination. Für die Verwendung in Motoren muss eine akzeptable Viskosität sichergestellt werden. Dafür werden die ursprünglich vorhandenen langen Molekülketten mittels Crack-Verfahren oder dem sogenannten Visbreaker-Verfahren aufgespalten. Unter Umständen werden auch niedrigviskose Destillate zugesetzt, um die Viskosität auf einem für die motorische Nutzung geeigneten Niveau halten zu können. Die Eigenschaften der Schweröle variieren je nach Herkunft sehr stark. Insofern kann hier nicht von einem standardisierten Kraftstoff ausgegangen werden, auch wenn es verschiedene Klassifizierungen, z. B. die ISO 8217 (2010), gibt. Die optimierte Ausnutzung der Rohöle zur Gewinnung von Qualitätskraftstoffen (Benzin, Kerosin, Dieselkraftstoff) führte in den letzten Jahren dazu, dass die Schwerölqualität schlechter wurde. Weiterhin wurde in bestimmten Bereichen der Welt immer wieder festgestellt, dass auch Abfallprodukte wie gebrauchtes Schmieröl, organische Lösungsmittel oder Chemieabfälle über einen Zusatz zum Schweröl „entsorgt“ werden. Dies kann sehr starke Auswirkungen auf den Motorbetrieb oder auch auf den Zustand der betroffenen Motorkomponenten haben. In jedem Fall ist eine entsprechende Aufbereitung des Schweröls vor dem Motor vorzusehen. Mit Hilfe von Separatoren und Filtern wird das Schweröl gereinigt und mittels einer Vorwärmung wird die zur Einspritzung notwendige Viskosität, die üblicherweise im Bereich von 10 bis 20 cSt liegt, sichergestellt. Dafür muss das Schweröl vor dem Eintritt in den Motor auf bis zu 150 °C aufgeheizt werden. Neben der hohen Viskosität weist Schweröl im Vergleich zu den sonst üblichen Standardkraftstoffen weitere Unterschiede auf. Der Anteil von Schwefel ist hoch – heute sind noch bis zu 4,5 Massen-% Schwefel zulässig. Weiterhin sind verschiedene abrasive Stoffe enthalten. Aber auch Vanadium, Wasser, Salze und Fluor werden in Schwerölen nachgewiesen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zuweilen stark variierende Zündwilligkeit, die mittels des Cetanindex oder des CCAI (Calculated Carbon Aromaticity Index) bestimmt wird, Steernberg and Forget(2007). International ist bereits festgelegt, dass Schweröl ab 2012 maximal nur noch 3,5 % Schwefel enthalten darf. Weiterhin ist vorgesehen, dass der Schwefelgehalt ab 2020 nur noch 0,5 % betragen darf. In den sogenannten ECAs (Emission Controlled Areas) wird der Schwefelgehalt ab Juli 2010 auf 1 % sowie ab 2015 auf 0,1 % limitiert, Abb. 2-120. Neben Schweröl werden auch Marine Diesel Oil (MDO) und Marine Gas Oil (MGO) eingesetzt, die dem bei Fahrzeugmotoren üblichen Dieselkraftstoff deutlich näher sind. Die hier betrachteten Motorentypen werden in sehr unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Dies sind:

y Schiffshauptantriebe zur Propulsion von Schiffen y Schiffshilfsantriebe zur Energieerzeugung an Bord von Schiffen y Stationäranwendungen, z. B. zur Produktion von Strom und Wärme an Land bzw. zum y Lokomotivantriebe y Antriebe von Großlandfahrzeugen, z. B. Mining Trucks y Sonderanwendungen, z. B. Car-Shredder-Anlagen Antrieb von Pumpen und Verdichtern

134

2 Motorische Verbrennung

Abb. 2-120: Vorgabe zur Reduzierung des Schwefelgehalts von Marinekraftstoffen durch die IMO (MEPC 59), Roman (2010)

Es ist zu beachten, dass mittlerweile diverse Motoren nicht nur als ausschließliche Dieselmotoren verfügbar sind, sondern auch Varianten entwickelt wurden, die mit Gas als Brennstoff betrieben werden können, z. B. als Diesel-/Gasmotoren, siehe Kapitel 2.4. Die folgenden Abbildungen zeigen beispielhafte Anwendungen von Groß-Dieselmotoren, aus denen sehr gut die breitgefächerten Einsatzmöglichkeiten zu erkennen sind. Der Hauptantrieb von großen Seeschiffen erfolgt in den meisten Fällen mit langsamlaufenden Kreuzkopf-Zweitaktmotoren in Verbindung mit direkt gekuppelten Festpropellern. Zu dieser Kategorie von Schiffen zählen Containerschiffe, Tanker und Massengutfrachter (sogenannte Bulkcarrier). Abb. 2-121 zeigt den Blick in den Maschinenraum des Containerschiffs „Hamburg Express“ mit einer Tragfähigkeit von 7.500 TEU. Aufgrund der Größe des Motors sind im Bild im Wesentlichen die Zylinderdeckel mit den Auslassventilen und die Einspritzpumpen zu erkennen. Der Kurbeltrieb befindet sich in den darunter liegenden Etagen. Die Fähr- und Passagierschiffe werden überwiegend von mittelschnellaufenden Viertaktmotoren angetrieben, die entweder über Getriebe mit Verstellpropelleranlagen gekuppelt sind oder die über Generatoren elektrische Energie für den Schiffsantrieb produzieren. Dies ist durch die kompaktere Bauart und die größere Laufruhe der Motoren begründet. Für schnelle Passagier- und Autofähren werden Katamarane, d. h. Schiffe mit zwei Rümpfen, bzw. in Einzelfällen auch Trimarane, d. h. Schiffe mit drei Rümpfen, eingesetzt, die aufgrund ihrer Konstruktionsweise deutlich höhere Geschwindigkeiten als konventionelle Einrumpfschiffe erlauben. Hierfür kommen mittelschnellaufende und schnellaufende Viertakt-Dieselmotoren zum Einsatz, die die für hohe Geschwindigkeiten geeigneten Waterjets antreiben. Zur Stromerzeugung an Bord oder an Land werden Stromerzeugungsaggregate eingesetzt, die aus einer Kombination aus Dieselmotor und Generator bestehen, Abb. 2-122. Hierbei werden in den meisten Fällen sowohl mittelschnellaufende als auch schnellaufende Viertakt-Motoren eingesetzt. In vereinzelten Anwendungen kommen auch langsamlaufende Zweitakt-Kreuzkopfmotoren zum Einsatz.

2.5 Groß-Dieselmotoren

135

Abb. 2-121: Hauptantrieb für Containerschiff „Hamburg Express“, MAN 12K98 MC, MAN (2011)

Der Antrieb von Diesellokomotiven erfolgt ebenfalls mit mittelschnellaufenden und schnellaufenden Motoren. Der Vortrieb wird dabei entweder über ein Hydraulikgetriebe oder mittels Generatorantrieb und Elektromotoren an den Achsen realisiert. Für den Antrieb großer Landfahrzeuge, wie z. B. Muldenkipper für Minen im Tagebau, kommen schnellaufende Viertakt-Dieselmotoren zur Anwendung. Auch hier gibt es sowohl hydraulische als auch elektrische Antriebskonzepte.

Abb. 2-122: Stromerzeugungsaggregat, Caterpillar3516B-HDTA

2.5.2

Zwei-Takt Langsamläufer

Der konstruktive Aufbau von langsamlaufenden Kreuzkopf-Zweitaktmotoren unterscheidet sich deutlich von den ansonsten nahezu ausschließlich eingesetzten Tauchkolbenmotoren, wie prinzipiell in Kapitel 2.2, Abb. 2-6 beschrieben. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle eine Übersicht des Aufbaus erläutert werden.

136

2 Motorische Verbrennung

Abgaskanal

Auslassventil Brennraum

Abgasturbolader

Spülluftkanal Ladeluftkühler

Kolben Einlassschlitze Kolbenstange

Wasserabscheider Kreuzkopf Pleuellager Grundlager

Stopfbuchse Pleuel Kurbelgestell Grundplatte liegende Kurbelwelle

MAN S70ME www.mandieselturbo.com

Abb. 2-123: Prinzipieller Aufbau Kreuzkopf-Zweitaktmotor anhand Beispiel MAN S70 ME, MAN (2011)

Abb. 2-123 zeigt die wichtigsten Komponenten dieser Motoren anhand eines ausgeführten Beispiels mit 70 cm Bohrung. Bei diesem Motortyp ist der Kolben fest mit der Kolbenstange verschraubt, die im Kreuzkopf endet. An diesem wird die oszillierende Bewegung des Kolbens mittels des Pleuels und der Kurbelwelle in Rotation umgesetzt. Der Zylinder ist an der Durchführung der Kolbenstange mit einer Stopfbuchse vom Kurbelraum abgetrennt. Dieses Konstruktionsprinzip ermöglicht die Realisierung von sehr langen Hüben. Heutzutage sind Hub-/Bohrungsverhältnisse von 2,5 bis hin zu 4,5 bei ausgeführten Motoren vorzufinden. Die Verbrennungsluft wird über die Ladeluftkühler, dem Spülluftkanal und die Einlassschlitze, die der Kolben beim Abwärtsgang kurz vor dem unteren Totpunkt freigibt, in die Zylinder geführt. Zur möglichst optimalen Abscheidung von Wasser in der Ladeluft wird im unteren Teil des Ladeluftkühlergehäuses eine 180°-Strömungsumlenkung vorgesehen. Unter tropischen Bedingungen können bei diesen Motoren täglich durchaus mehrere Tonnen Wasser aus der Ladeluft abgeschieden werden. Die modernen elektronisch gesteuerten Motoren benötigen keine Nockenwelle mehr. Sowohl die Auslassventile als auch die Kraftstoffeinspritzung werden elektronischhydraulisch gesteuert und betrieben. Alle heute ausgeführten langsamlaufenden Kreuzkopf-Zweitakt-Dieselmotoren arbeiten mit Gleichstromspülung. Hierbei werden die Abgase durch die unten in den Zylinder hereingedrückte Frischluft über das geöffnete Auslassventil in den Abgassammler ausgeschoben. Im Gegensatz zu Viertaktmotoren ist üblicherweise nur ein zentral angeordnetes Auslassventil pro Zylinder vorhanden, siehe Abb. 2-124. In Abhängigkeit des Bohrungsdurchmessers sind zwei bis drei Einspritzdüsen radial um das Auslassventil angeordnet.

2.5 Groß-Dieselmotoren

137

Abb. 2-124: Anordnung von Auslassventil und Einspritzdüsen im Zylinderdeckel, MAN (2011)

Die Einspritzung bei diesen Motoren erfolgt entweder auf konventionelle Art mit nockengetriebenen Einzelpumpen oder – als aktueller Stand der Technik – vollelektronisch geregelt ohne Nockenwelle. Ein Beispiel dafür ist das in Abb. 2-125 dargestellte Wärtsilä RTflex System, das bei sehr vielen Motorneubauten eingesetzt wird. Aus dem Schema ist ersichtlich, dass die hydraulische Steuerung nicht direkt mit Kraftstoff, der in diesem Fall Schweröl ist, sondern mit einem separaten Servoölkreislauf erfolgt. Damit wird vermieden, dass das Schweröl in direkten Kontakt mit den Magnetventilen kommt.

Abb. 2-125: Vollelektronisch geregeltes Einspritzsystem Wärtsilä RT-flex für langsamlaufende 2-Takt-Dieselmotoren

Die Aufladung von langsamlaufenden Zweitaktmotoren erfolgt nach dem Gleichdruckprinzip. Dabei strömt das Abgas aus den Zylindern in einen großvolumigen Sammler, wodurch sich die kinetische Energie der Abgase in thermische Energie umwandelt. Aus dem Sammler werden dann parallel die bis zu vier Abgasturbolader versorgt. Dieses Verfahren ermöglicht eine sehr gleichmäßige Beaufschlagung der Turbinen mit Abgas, wodurch hohe Wirkungsgrade erreicht werden können. Nachteilig ist ein verzögertes An-

138

2 Motorische Verbrennung

sprechen bei schnellen Laständerungen, was aber hier ohne große Auswirkungen bleibt, da dieser Motorentyp nahezu quasi-stationär betrieben wird. In der heutigen Zeit werden viele Schiffe zur Einsparung von Kraftstoffkosten für längere Zeiträume nur im unteren Lastbereich betrieben. In diesem Fall sinkt der Ladedruck der Abgasturbolader sehr stark aufgrund der stark verringerten Abgasenergie aus den Zylindern. Deshalb werden hierfür mittlerweile Konzepte realisiert, bei denen einzelne Abgasturbolader durch Ventile von der Luft- und Abgasseite getrennt werden können, sodass dann die verbliebenen Abgasturbolader höher belastet werden und damit auch mehr Ladedruck produzieren, was wiederum einer verbesserten Verbrennung in den Zylindern zugute kommt. Zur Optimierung des Kraftstoffverbrauchs wird in steigendem Maße eine Abgasenergierückgewinnung eingesetzt, siehe Abb. 2-126. Dabei wird ein Teil der Abgase über eine Turbine geleitet, die einen Generator antreibt. Zusätzlich wird mit der gesamten Abgasmenge Dampf erzeugt, der über eine parallel geschaltete Dampfturbine ebenfalls zur Stromproduktion herangezogen werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass hiermit im oberen Lastbereich ungefähr 8 % bis 10 % der Motorleistung erzeugt werden können.

Abb. 2-126: Abgasenergierückgewinnung bei Containerschiffen, de Kat (2008)

Das Schmierungskonzept von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren basiert auf zwei getrennten Systemen: der Zylinderschmierung und der Kurbelgehäuseschmierung. Dies ergibt sich durch die Trennung von Zylinder und Kurbelgehäuse mittels der Stopfbuchse für die Kolbenstange. Für die Zylinderschmierung wird Schmieröl über radial angeordnete Düsen in den Zylinder eingebracht. Die Einspritzung erfolgt dabei getaktet, wobei sich die Einspritzstrategie je nach Hersteller unterscheiden kann. In vielen Fällen wird zur verbesserten Verteilung des Schmieröls auf der Zylinderwand noch eine zickzackförmig ausgeführte umlaufende Nut vorgesehen. Die Taktung der Schmierung erfolgt bei älteren Motoren mechanisch, bei

2.5 Groß-Dieselmotoren

139

neuen Motoren ist häufig auch eine vollelektronisch gesteuerte Zuführung installiert. Aufgrund des hohen Schwefelgehalts im Kraftstoff wird für die Zylinderschmierung hoch additiviertes Schmieröl mit einer Basenzahl von 40 oder sogar 70 verwendet, um eventuelle saure Verbrennungsrückstände zu neutralisieren. Das eingespritzte Schmieröl wird überwiegend mit verbrannt, überzähliges Öl sammelt sich im oberhalb der Stopfbuchse und wird von dort abgeführt. Die Kurbelgehäuseschmierung hat hier keinen Kontakt zum Brennraum und betrifft nur die Grund-, Pleuel- und Kreuzkopflager. Deshalb können hier niedrig additivierte Schmieröle verwendet werden. Im Normalfall ist in diesem Bereich kein Ölverbrauch zu erwarten. Aufgrund des hohen Schwefelgehalts im Schweröl muss bei der Kühlung der Motoren eine Unterschreitung des Schwefeltaupunkts an gefährdeten Komponentenoberflächen vermieden werden. Ansonsten ist in diesen Bereichen mit stark korrosivem Verschleiß zu rechnen. Dies betrifft besonders den mittleren und unteren Teil der Zylinderlaufbuchse, der bei diesen Motoren ungekühlt ausgeführt wird. Zur Erfüllung zukünftiger Emissionsvorschriften werden bei den Zweitaktmotoren aktuell verschiedene Verfahren erprobt. Dies sind Abgasrückführung, SCR-Katalysatoren zur Reduzierung der Stickoxidemissionen, die aufgrund der niedrigen Abgastemperaturen von Zweitaktmotoren vor der Abgasturbine angeorrdnet werden müssen, sowie geänderte Steuerzeiten an den Einlassschlitzen zur Reduktion der effektiven geometrischen Verdichtung in Verbindung mit erhöhten Ladedrücken. Die üblicherweise fünf bis vierzehn Zylinder, die aktuell mit Bohrungsdurchmessern zwischen 260 mm und 980 mm verfügbar sind, werden bei diesem Motortyp ausschließlich in Reihe angeordnet. Der Hintergrund hierfür ist das Handling der sehr schweren Motorkomponenten während der notwendigen Wartungsarbeiten an Bord, das bei gerader Aufstellung am einfachsten ist. Eine bereits geplante Ausführung mit höheren Zylinderzahlen und einem leichten V-Winkel wurde bisher wegen des starken Widerstands der Motorbetreiber nicht umgesetzt. Die folgende Tab. 2.8 zeigt Beispiele für typische Motoren des hier betrachteten Typs. Tab. 2.8: Beispiele für 2-Takt Langsamläufer Hersteller Typ

Bohrung [mm]

Hub

Zylins/Dderhub- Vervolumen hältnis [mm] [dm3]

MAN

S26MC6

260

980

52,0

3,77

Wärtsilä

RT-flex35

Zylin- Nenn- Max. Zyl. Eff. Mittl. Min. der- drehzahl leistung Mittel- Kolben- spez. zahlen druck geschw. Gewicht [U/min] [kW/Zyl.] [bar] [m/s] [kg/kW] 5 - 12 L

250

400

18,5

8,2

16,5

350

1550

149,1

4,43

5-8L

167

870

21,0

8,6

14,1

Mitsubishi UEC50LSE

500

2050

402,5

4,10

5-8L

124

1750

21,0

8,5

22,9

MAN

S60ME-C8

600

2400

678,6

4,00

5-8L

105

2380

20,0

8,4

24,5

MAN

G80ME-C9

800

3720

1869,9

4,65

6-9L

68

4450

21,0

8,4

30,8

Wärtsilä

RT-flex82T

820

3375

1782,3

4,12

6-9L

80

4520

19,0

9,0

29,0

MAN

K98ME7

980

2660

2006,4

2,71

6 - 14 L

97

6230

19,2

8,6

26,7

Die langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren mit maximalen Leistungen von mehr als 80.000 kW werden fast überwiegend zur Propulsion von Seeschiffen eingesetzt. Dabei sind sie direkt ohne Getriebe auf die Propellerwelle gekuppelt. Dies bedingt die Möglichkeit einer Drehrichtungsumkehr, um den Betrieb von „Voraus“ auf „Zurück“ umstellen zu können.

140

2 Motorische Verbrennung

Der direkte Antrieb in Verbindung mit den niedrigen Drehzahlen ermöglicht einen optimalen Betrieb des Propellers. Die relativ schnell fahrenden Containerfrachter werden dafür mit Motoren mit Nenndrehzahlen von ungefähr 100 U/min ausgerüstet. Die vergleichsweise langsamen Massengutfrachter (Bulker) und Tanker werden von Motoren mit Nenndrehzahlen von ungefähr 70 U/min angetrieben, die dafür noch mit extrem langen Kolbenhüben versehen sind. Es gibt weltweit nur wenige Anwendungen als Generatorantrieb an Land, da die Motoren spezifisch teuer sind und die Generatoren wegen der für die niedrige Drehzahl notwendigen hohen Polanzahl und den geringen Stückzahlen hohe Kosten verursachen. Aufgrund der langsamen Drehzahl in Verbindung mit dem hohen Hub-Bohrungs-Verhältnis von mittlerweile bis über 4,5 (siehe auch Tab. 2.8), das einen sehr kompakten Brennraum mit nahezu optimalem Oberflächen-zu-Volumenverhältnis ermöglicht, erreicht dieser Motortyp mit deutlich über 50 % die höchsten Wirkungsgrade aller Wärmekraftmaschinen – selbst bei Verwendung des qualitativ minderwertigen Schweröls als Kraftstoff.

2.5.3

Vier-Takt Mittelschnellläufer

Die mittelschnellaufenden 4-Takt-Dieselmotoren, die heute alle in Tauchkolbenbauweise ausgeführt werden, sind ursprünglich für Anwendungen mit begrenzten Platzverhältnissen entstanden, bei denen die hoch bauenden Kreuzkopfmotoren nicht einsetzbar waren. Der erste Motor nach dieser Bauart wurde bereits 1901, also vier Jahre nach dem erfolgreichen Erstlauf des Ur-Dieselmotors, bei der MAN realisiert, Mollenhauer(1997). Heute wird dieser Motortyp in kompakter Bauart und mit hoher Leistungsdichte in sehr unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt und erreicht mit Zylinderbohrungsdurchmessern von 640 mm maximale Leistungswerte von deutlich über 2.000 kW pro Zylinder. Das Hauptaugenmerk liegt konstruktiv in einer hohen Lebensdauer der Motorkomponenten sowie in einer möglichst einfachen Wartung. Der Gaswechsel erfolgt hier generell mittels zweier Einlassventile und zweier Auslassventile. Je nach Motortyp sind Zylinderdeckel nach dem Querstromprinzip (Ladeluft- und Abgasleitung auf entgegen gesetzten Seiten) oder mit U-Strömung (Ladeluft- und Abgasleitung auf der gleichen Seite) zu finden. Schweröltaugliche Motoren arbeiten generell mit vergleichsweise großer Ventilüberschneidung. Dadurch wird eine Kühlung der Auslassventile und eine Vermeidung von Heißkorrosion an den Ventilen ermöglicht. In vielen Fällen kommen auch Auslassventile aus Nimonic zum Einsatz, um die in den Ventilteller eingetragene Wärme besser in den Schaft und von dort in den Zylinderdeckel einzuleiten. Die Verwendung von Miller-Steuerzeiten zur Reduzierung der Stickoxidemissionen führt häufig zu einer schlechten Startwilligkeit der Motoren sowie einer verstärkten Rußbildung im Teillastbereich. Dies kann durch die Verwendung von veränderbaren Steuerzeiten vermieden werden. Ein Beispiel hierfür ist das sogenannte Flex-Cam-Technology (FCT) System von Caterpillar, Schlemmer-Kelling (2008). In den meisten Fällen kommen heute gebaute Kolben zum Einsatz. Die Kolbenkrone besteht dabei zur Aufnahme der Verbrennungskräfte aus Stahl, das Kolbenhemd aus einer Leichtmetall-Legierung, siehe Abb. 2-127. Der Oberteil des Kolbens wird mittels Schmieröls, dass über das Pleuel und den Kolbenbolzen nach oben geleitet wird, gekühlt.

2.5 Groß-Dieselmotoren

141

Kolbenkrone (Stahl)

Kolbenhemd (Leichtmetall)

Kolbenbolzen

Pleuel

Abb. 2-127: Zweiteiliger Kolben (S.E.M.T. Pielstick)

In der Zukunft ist aufgrund der erhöhten Emissionsanforderungen und des Bestrebens nach stark erhöhten spezifischen Leistungswerten mit stark ansteigenden Spitzendrücken zu rechnen. Deshalb ist dann aus Stabilitätsgründen die Einführung einteiliger Stahlkolben zu erwarten. Während in früheren Zeiten die mittleren Kolbengeschwindigkeiten 9 m/s in der Regel nicht überschritten, arbeiten aktuelle Motoren bereits mit Werten von ungefähr 11 m/s. Mittelfristig ist hier mit einer Steigerung auf 12 m/s oder sogar höher zu rechnen. Das Hub-Bohrungs-Verhältnis liegt bei diesen Motoren im Bereich zwischen 1,3 und 1,5. Damit können sehr kompakte Brennräume in OT-Stellung des Kolbens realisiert und ein guter Ausbrandgrad des teilweise langsam verbrennenden Schweröls erzielt werden. Bei allen modernen Motoren dieser Bauart kommen sogenannte Feuerringe zum Einsatz. Diese werden oben in die Laufbuchse eingesetzt und haben einen etwas geringeren Durchmesser als die Laufbuchse selbst. Dadurch streifen sie bei jedem Aufwärtsgang des Kolbens entstehende Ölkohle ab und halten damit den Feuerstegbereich sauber. Dies vermindert das sonst auftretende Bore Polishing deutlich und trägt auch zu einer deutlichen Reduzierung des Schmierölverbrauchs bei. Da alle Motoren dieser Bauart schweröltauglich sind, müssen auch die entsprechenden Besonderheiten bei der Kühlung beachtet werden. Wie auch bei den vorhergehend beschriebenen 2-Takt Langsamläufern wird nur maximal das obere Drittel der Laufbuchse gekühlt, um eine eventuelle Schwefeltaupunktunterschreitung im unteren Laufbuchsenbereich zu vermeiden, siehe auch Abb. 2-128. Der Bereich des oberen Totpunkts wird sehr intensiv gekühlt. Zur Erhöhung der Wärmeübertragung mittels vergrößerter Turbulenz auf der Kühlwasserseite kommen hier Buchsenbünde zum Einsatz, in die radiale Sacklochbohrungen eingebracht sind. Je nach Bohrungstiefe kann das gewünschte Temperaturniveau in diesem Bereich beeinflusst werden.

Abb. 2-128: Laufbuchse mit wassergekühltem Feuerring (S.E.M.T. Pielstick)

142

2 Motorische Verbrennung

Bei Neuentwicklungen von Motoren im Bereich bis zu 350 mm Bohrung werden heute in vielen Fällen die Zylindereinheiten so konstruiert, das sie bei Wartungsarbeiten schnell gegen entsprechend vorbereitete Tauscheinheiten ausgewechselt werden können. Dabei bildet der Zylinderkopf mit Laufbuchse und Wassermantel sowie Kolben und Pleuel eine kompakte Einheit, die nach dem Lösen der zentralen Spannschrauben und dem Öffnen des großen Pleuelauges komplett gezogen werden kann. Die Kühlwasser-, Schmieröl- und Kraftstoffversorgungen können über Schnellverschlüsse ab- und angekoppelt werden. Aufgrund der in den letzten Jahren stark angestiegenen Zylinderleistungen mussten auch die Grund- und Pleuellager-Durchmesser entsprechend angepaßt werden. Um eventuelle Limitierungen durch den Laufbuchsendurchmesser zu vermeiden, wurde bei einigen Motorentypen wieder auf das Marinekopf-Pleuel zurückgegriffen, Abb. 2-129. Dies war ursprünglich zur Verminderung der erforderlichen Ausbauhöhe entwickelt worden. In der heutigen Anwendung ermöglicht es eine vom Laufbuchsendurchmesser unabhängige Dimensionierung der Grundlagerabmessungen. Als positiver Nebeneffekt ist bei einem Ausbau des Kolbens ein Öffnen des unteren Pleuellagers nicht erforderlich, wodurch die dabei anschließend vergleichsweise oft auftretenden Schäden nach dem Zusammenbau vermieden werden können.

Abb. 2-129: Marinekopf-Pleuel (S.E.M.T. Pielstick)

Die Einspritzung des Kraftstoffs erfolgt in den meisten Fällen heute noch konventionell mit nockengetriebenen Pumpe-Leitung-Düse (PLD) Systemen. Es sind zwar auch bereits elektronisch geregelte Common-Rail-Einspritzsysteme bei verschiedenen Motortypen verfügbar, diese haben sich aber noch nicht in der Mehrheit bei Neubauten durchgesetzt. Mit steigenden Emissionsanforderungen werden sich diese Systeme aber weiter verbreiten. Ein Wegfall der Nockenwelle ist aber kurzfristig nicht zu erwarten, da nach wie vor mindestens die Ventile darüber angetrieben werden. Auch die Druckerzeugung für die Common-Rail-Systeme kann über die Nockenwelle erfolgen. In jedem Fall muss für den Einsatz bei diesen Motoren eine Schweröltauglichkeit des Einspritzsystems gegeben sein. Dafür sind besondere Maßnahmen zu treffen. Dazu gehört eine generelle Beheizbarkeit, um die erforderliche Einspritzviskosität sicherzustellen. Bei konventionellen Einspritzsystemen ist sicherzustellen, dass an den Einspritzpumpen möglichst kein direkter Kontakt zwischen Schweröl und Schmieröl erfolgen kann, da ansonsten mit einer Verlackung von Plunger und Barrel zu rechnen ist. Bei elektronisch gesteuerten Einspritzsystemen ist ein direkter Kontakt der Elektronikkomponenten mit dem Schweröl zu vermeiden. Die Druckerzeugung erfolgt über eine separate Hochdruckpumpe, die entweder vom Rädertrieb des Motors oder extern über einen Elektromotor angetrieben werden kann. Aufgrund der relativ großen Baulänge der 4-Takt-Mittelschnellläufer gibt es keinen durchgängigen Druckspeicher über die gesamte Motorlänge. Anstelle dessen werden Druckspeicher für zwei oder drei Zylinder verwendet, die über Ausgleichsleitungen miteinander verbunden sind.

2.5 Groß-Dieselmotoren

143

Die Motoren dieser Bauart sind generell hochaufgeladen. In der aktuellen einstufigen Aufladung werden Ladedruckverhältnisse p2/p1 bis über Werte von 5 realisiert. In den nächsten Jahren ist aufgrund der steigenden Emissionsanforderungen z. B. mit extremeren Miller-Steuerzeiten zu rechnen, was sich auch auf die Aufladung stark auswirken wird. Dann ist zu erwarten, dass vermehrt zweistufige Aufladungen mit Ladedruckverhältnissen im Bereich von 8 bis 10 installiert werden. Für die einstufige Aufladung, die heute noch als Standard anzusehen ist, werden bei Reihenmotoren ein einzelner Abgasturbolader und bei V-Motoren entweder ein einzelner Abgasturbolader oder je ein Abgasturbolader pro Zylinderbank eingesetzt. Die Abgasführung erfolgt dabei in fast allen Fällen nach dem Multi-Pulse-Converter-Konzept, einer Kombination aus Stoß- und Stauaufladung. Dabei wird ein Teil der kinetischen Energie der Abgase durch eine düsenartige Verengung am Eintritt in die relativ großvolumige Hauptsammelleitung zur Abgasturbine in thermische Energie umgewandelt. Dies ermöglicht eine vergleichmäßigte Anströmung der Turbine und damit die Vereinigung der Vorteile von Stoß- und Stauaufladung. Das Schmierungskonzept von mittelschnellaufenden Viertakt-Dieselmotoren muss sowohl den Kolben-Laufbuchsenbereich als auch den Kurbeltrieb in einem gemseinsamen System abdecken. Da dieser Motortyp in den meisten Anwendungen mit Schweröl betrieben wird, muss das eingesetzte Schmieröl eine Additivierung aufweisen, die entsprechende saure Verbrennungsrückstände neutralisieren oder anderweitig aufnehmen kann. Aus diesen Gründen kommt der Schmierölpflege bei diesen Motoren eine große Bedeutung zu, insbesondere auch deshalb, weil üblicherweise kein regelmäßiger Schmierölwechsel durchgeführt wird, sondern nur das verbrauchte Öl durch Frischöl ersetzt wird. Die Erfahrung zeigt, dass die Schmierölqualität bei einem minimalen spezifischen Verbrauch von 0,6 bis 0,7 g/kWh im Schwerölbetrieb des Motors konstant gehalten werden kann. Die Mittelschnellläufer werden heute als Reihenmotoren mit vier bis zehn Zylindern sowie in V-Anordnung mit 12 bis 20 Zylindern ausgeführt. Die Bohrungsdurchmesser betragen dabei zwischen 160 mm und 640 mm. Die folgende Tab. 2.9 zeigt Beispiele für typische Motoren des hier betrachteten Typs. Tab. 2.9: Beispiele für 4-Takt Mittelschnellläufer Hersteller Typ

Bohrung [mm]

Hub

Zylinder- s/DZylinderhubVerzahlen volumen hältnis [mm] [dm3]

Nenndrehzahl

Max. Eff. Zyl. Mittelleistung druck [U/min] [kW/Zyl.] [bar]

Mittl. Min. Kolbenspez. geschw. Gewicht [m/s] [kg/kW]

MAN

16/24

160

240

4,8

1,50

5-9L

1200

110

22,8

9,6

13,2

Wärtsilä

20

200

280

8,8

1,40

4, 6, 8. 9 L

1000

200

27,3

9,3

6,4

Niigata

28AHX

280

390

24,0

1,39

6, 8, 9 L

750

370

24,7

9,8

9,7

MAN

32/44CR

320

440

35,4

1,38

6 - 10 L 12 - 20 V

750

560

25,3

11,0

15,4

Wärtsilä

38

380

475

53,9

1,25

6, 8, 9 L 12, 16 V

600

725

26,9

9,5

9,5

Cat-MaK

M43C

430

610

88,6

1,42

6-9L 12, 16 V

514

1000

26,4

10,5

13,4

MAN

48/60

480

600

108,6

1,25

6-9L 12 - 18 V

514

1200

25,8

10,3

12,3

Wärtsilä

64

640

900

289,5

1,41

6-8L

333

2150

26,8

10,0

17,2

144

2 Motorische Verbrennung

Ein typisches Einsatzgebiet der 4-Takt-Mittelschnellläufer ist heute der Antrieb von Kreuzfahrt- und Fährschiffen, kleinen und mittleren Frachtschiffen sowie von z. B. Schleppern und Bohrinselversorgern. Dabei wird entweder der Propeller mechanisch über ein Reduktions- und Wendegetriebe angetrieben oder ein diesel-elektrischer Antrieb mit Generator und elektrischer Propulsion realisiert. Ein Direktantrieb ohne Getriebe mit umsteuerbarem Motor ist aktuell nahezu nicht mehr zu finden. Weiterhin wird dieser Motortyp sehr oft als Hilfsdiesel zur Stromerzeugung an Bord sowie an Land zur stationären Stromerzeugung eingesetzt. Bei der letztgenannten Anwendung an Land kommen nahezu alle verfügbaren Motorengrößen zum Einsatz. Kurzfristig ist für die 4-Takt-Mittelschnellläufer die Erfüllung der anstehenden Emissionsanforderungen bei möglichst gleichbleibenden Wirkungsgradwerten unabdingbar. Mittelfristig ist ein „Downsizing“ der Motoren zu erwarten, d. h. eine Steigerung des effektiven Mitteldrucks auf bis zu 40 bar und damit auch des Spitzendruckniveaus auf knapp 400 bar, Ruschmeyer et al. (2010).

2.5.4

Vier-Takt Schnellläufer

Dieser ebenfalls in Tauchkolbenbauweise und nahezu ausschließlich in V-Bauart ausgeführte Motortyp muss in zwei weitere Unterkategorien eingeteilt werden:

y die den Mittelschnellläufern größenmäßig sehr nahen Hochleistungsdieselmotoren mit Bohrungsdurchmessern zwischen 240 mm und 280 mm sowie Nenndrehzahlen von 1.000 bis 1.200 U/min im Leistungsbereich bis zu 10.000 kW,

y den ebenfalls mit hoher spezifischer Leistung versehenen Motoren mit Bohrungsdurchmessern von ungefähr 160 mm bis 200 mm sowie Nenndrehzahlen zwischen 1.500 und 2.200 U/min mit bis zu 5.000 kW Leistung, siehe Abb. 2-130.

Abb. 2-130: Beispiele für 4-Takt-Schnellläufer MTU 20V4000, Czerny et al. (2007)

Eine Schweröltauglichkeit ist bei beiden Unterkategorien nicht gegeben. Das Hub-/Bohrungsverhältnis liegt bei ungefähr 1,2. Damit sind sie deutlich kurzhubiger ausgeführt als die vorgenannten 4-Takt-Mittelschnellläufer. Die mittleren Kolbengeschwindigkeiten liegen heute bereits bei 11 m/s bis 12 m/s. Das konstruktive Augenmerk liegt bei diesen Motoren auf einer möglichst kompakten Bauweise, relativ niedrigem Motorgewicht und hoher Leistung, weniger auf minimalem Kraftstoffverbrauch. Durch die kompakte Bauweise sind Wartungsarbeiten üblicherweise aufwendig, insbesondere im Vergleich zu den vorher behandelten Langsam- und Mittel-

2.5 Groß-Dieselmotoren

145

schnellläufern. In vielen Fällen ist eine regelmäßige Komplettüberholung üblich, für die der Motor aus der Installation ausgebaut wird. Das spezifische Gewicht liegt typischerweise bei ungefähr 5,5 kg/kW für die großen Schnellläufer und bei ungefähr 3,5 kg/kW für die höher drehenden Motorvarianten. Der letztgenannte Wert ist dabei direkt vergleichbar mit den entsprechenden Werten für moderne Nutzfahrzeugdieselmotoren. Die Einspritzung ist hier sowohl noch in konventioneller Ausführung – allerdings mit stark abnehmender Tendenz bei neuen Motoren- als auch in Common-Rail-Versionen zu finden. Aufgrund der großen Leistungs- und Drehzahlbereiche dieser Motoren werden hohen Anforderungen an die Einspritzausrüstung über den gesamten Betriebsbereich gestellt. Zur Abdeckung der zukünftigen Erfordernisse hinsichtlich Emissions- und Geräuschmindetung werden Einspritzsysteme eingesetzt werden, die Mehrfacheinspritzungen pro Zyklus zulassen, siehe Abb. 2-131.

Abb. 2-131: Idealer Einspritzverlauf für elektronisch geregelte Großmotoreneinspritzsysteme mit Mehrfacheinspritzung, Schmidt und Schneider (2008)

Die Aufladung hat bei dieser Motorenart einen hohen Stellenwert. Entsprechend der hohen spezifischen Leistungswerte werden auch Hochleistungs-Aufladesysteme unterschiedlicher Ausführung eingesetzt. Neben der einstufigen Aufladung mit hohen Druckverhältnissen sind für Sonderanwendungen auch die sequentielle und die Registeraufladung (zweistufig) vorzufinden, siehe Kapitel 4. Die sequentielle Aufladung findet dabei insbesondere bei Motoren Anwendung, die in einem sehr breiten Drehzahl- und Leistungsbereich betrieben werden. Dies können schnelle Fähren, aber auch Marinefahrzeuge sein. Da die Abgasturbolader bei Volllast für hohe Volumenströme ausgelegt sind, liefern sie in der Teillast kaum Ladedruck. Dies würde zu einem schlechten Ansprechverhalten bei Teilllast, verbunden mit hohem spezifischem Kraftstoffverbrauch und hoher Russemission führen. Um das zu vermeiden, werden die Luft- und Abgaskanäle beider Zylinderbänke im Teilllastbereich über gesteuerte Klappen miteinander verbunden und ein Abgasturbolader über weitere Klappen abgetrennt. Das Abgas aller Zylinder treibt nun eine Abgasturbine an, die dadurch im oberen Lastbereich betrieben wird und entsprechenden Ladedruck auf der Luftseite aufbauen kann. Die Erfahrung zeigt, dass dadurch im unteren und mittleren Teilllastbereich der spezifische Kraftstoffverbrauch um bis zu 15 % abgesenkt werden kann. Das motorinterne Schmierungskonzept ist generell vergleichbar mit dem der Mittelschnellläufer. Da aber kein Schweröl als Kraftstoff verwendet wird, sind die Anforderungen an die basische Schmieröladditivierung nicht so groß. Eine aufwendige Schmierölaufbereitung wird deshalb üblicherweise nicht durchgeführt, stattdessen werden regelmäßige Schmierölwechsel vorgesehen. Aufgrund der hohen spezifischen Leistungswerte ist aber hier besonders das Schmieröl einer großen mechanischen und thermischen Belastung unterworfen.

146

2 Motorische Verbrennung

Wie bereits im Anfang dieses Abschnitts erwähnt, wird dieser Motortyp überwiegend mit einer V-Anordnung der Zylinder ausgeführt. In den meisten Fällen kommen Zylinderzahlen von 12 bis 20 zum Einsatz. Bei Gasmotoren vergleichbarer Basis (siehe auch Abschnitt 2.4) sind vereinzelt auch Varianten mit 24 Zylindern im Einsatz. Reihenmotoren mit sechs oder acht Zylindern sind relativ selten im Feld zu finden. Die folgenden Tab. 2.10 und 2.11 zeigen Beispiele für typische Motoren des hier betrachteten Typs. Beispiele für große 4-Takt-Schnellläufer

Tab. 2.10: Hersteller

Typ

Caterpillar C280

MAN

V28/33D

Mitsubishi SU

MTU

Tab. 2.11: Hersteller

8000

Bohrung Hub

Zylins/DZylinder- Nenn- Max. Zyl. derhub- Verhält- zahlen drehzahl leistung volumen nis

[mm]

[mm]

[dm3]

280

300

18,5

[U/min] [kW/Zyl.] 1,07

8L 12, 16 V

1050

400

eff. mittl. Min. Mittel- Kolben- spez. druck geschw. Gewicht [bar]

[m/s]

[kg/kW]

24,7

10,5

5,3

280

330

20,3

1,18

12 - 20 V

1000

450

26,6

11,0

5,1

240

260

11,8

1,08

6, 8 L 12, 16 V

1200

237

20,1

10,4

6,9

265

315

17,4

1,19

20 V

1150

455

27,3

12,1

4,9

Beispiele für kleine 4-Takt Schnellläufer Typ

Caterpillar 3500C

Bohrung Hub

Zylins/DZylinder- Nenn- Max. Zyl. derhub- Verhält- zahlen drehzahl leistung volumen nis

eff. mittl. Min. Mittel- Kolben- spez. druck geschw. Gewicht

[mm]

[mm]

[dm3]

[bar]

[m/s]

170

215

4,9

1,26

8, 12, 16 V

1800

158

21,6

12,9

3,4

[U/min] [kW/Zyl.]

[kg/kW]

Cummins

QSK

159

190

3,8

1,19

16 V

1800

119

21,0

11,4

k. A.

MTU

4000

170

210

4,8

1,24

8, 12, 16, 20 V

1800

175

24,4

12,60

3,6

Niigata

20FX

205

220

7,3

1,07

16 V

1650

250

25,0

12,10

2,9

Die Einsatzgebiete dieses Motortyps sind schnelle Fährschiffe in Einrumpf- oder Mehrrumpfbauweise, Marineschiffe, kleine und mittlere Arbeitsschiffe, mittlere bis hin zu großen Yachten, Lokomotivantriebe, Antriebe für Off-Road-Spezialfahrzeuge, Hilfsdiesel an Bord sowie die stationäre Stromerzeugung an Land. In Verbindung mit diesen Motoren kommen sehr unterschiedliche Schiffsantriebskonzepte zur Anwendung. Dies sind:

y y y y

mechanischer Antrieb mit Reduktionsgetriebe und Verstellpropeller mechanischer Antrieb mit Reduktionsgetriebe und Waterjet diesel-elektrische Antriebskonzepte kombinierte Antriebe mit Gasturbinen (CODAG, CODLAG). Aufgrund der vielfältigen Einsatzgebiete dieses Motorentyps an Bord und in diversen Landapplikationen weltweit müssen kurz- und mittelfristig sehr unterschiedliche Emissionsanforderungen erfüllt werden. Neben der Ausschöpfung von motorinternen Maß-

Literatur

147

nahmen werden die Motoren hierfür auch mit Abgasrückführung und SCR-Katalysatoren zur Stickoxidminderung sowie mit Partikelfiltern ausgerüstet. Auch bei diesen Motoren ist mit einer weiteren Steigerung der spezifischen Leistungen in Bereiche oberhalb von 30 bar Mitteldruck zu rechnen. Dabei sind Zylinderspitzendrücke von bis zu 280 bar zu erwarten. Für den Bereich oberhalb von 30 bar effektivem Mitteldruck wird überwiegend die zweistufige Aufladung zum Einsatz kommen

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148

2 Motorische Verbrennung

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153

3

Thermodynamik des Verbrennungsmotors

3.1

Energiewandlung

Bei der Energiewandlung kann man im Sinne einer hierarchischen Ordnung zwischen allgemeiner, thermischer und motorischer Energiewandlung unterscheiden. Unter allgemeiner Energiewandlung wird dabei die Umsetzung von Primär- in Sekundärenergie durch einen technischen Prozess in einer Energiewandlungsanlage verstanden, siehe Abb. 3-1. Primärenergie

E.W.A.

Erdölderivate

Brennkammer Verbrennungsmotor Gasturbine Brennstoffzelle Kraftwerk

Erdgas Wasserstoff Biomasse Wind Wasser Sonne

Windrad Wasserturbine Photozelle

Sekundärenergie Thermische Energie Mechanische Energie Elektrische Energie

Elektrische Energie

Abb. 3-1: Schema der allgemeinen Energiewandlung

Die thermische Energiewandlung unterliegt den Hauptsätzen der Thermodynamik und kann formal, wie in Abb. 3-2 gezeigt, beschrieben werden. 1. Hauptsatz der Thermodynamik: . . Pt = Qzu - Qab

. Qzu thermische E. W. A. . Qab

Pt

aus dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik folgt: . Qab > 0! Thermischer Wirkungsgrad: . Pt Qab hth = . = 1- . < 1 Qzu Qzu

Abb. 3-2: Schema der thermischen Energiewandlung

Der Verbrennungsmotor bzw. die Gasturbine sind spezielle Energieumwandlungsanlagen, bei denen im Brennraum bzw. in der Brennkammer die im Brennstoff gebundene chemische Energie zunächst in thermische und diese anschließend durch das Triebwerk in mechanische Energie gewandelt wird. Bei der stationären Gasturbinenanlage wird diese dann durch den nachgeschalteten Generator in elektrische Energie umgewandelt.

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_3, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

154

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors in Kraftstoff gebundene chemische Energie Verbrennungsprozess

Verbrennungsmotor

Thermische Energie

Gasturbine

Triebwerk Mechanische Energie Generator Elektrische Energie

Abb. 3-3: Schema der Energiewandlung im Verbrennungsmotor bzw. in der Gasturbine

3.2

Kinematik des Kurbeltriebs

Verbrennungsmotoren sind Kolbenmaschinen, bei denen man je nach Ausbildung des Brennraums bzw. des Kolbens zwischen Hubkolbenmotoren und Rotationskolbenmotoren mit rotierender Kolbenbewegung unterscheidet. Abb. 3-4 zeigt Prinzipskizzen möglicher Bauformen des Hubkolbenmotors, wobei heute praktisch nur noch die Varianten 1, 2 und 4 gebaut werden. 1

3

5

2

4

6

1 Reihenmotor 2 V-Motor

3 Sternmotor 4 Boxermotor

Mehrkolben-Arbeitseinheit: 5 U-Motor 6 Gegenkolbenmotor

Abb. 3-4: Bauarten des Hubkolbenmotors

Für eine ausführliche Beschreibung anderer Ausführungen des Verbrennungsmotors sei z. B. auf Heywood (1989), van Basshuysen und Schäfer (2006,2010), Maas (1979) und Zima (1987, 2005) verwiesen. Das Triebwerk setzt die oszillierende Bewegung des Kolbens in die rotierende Bewegung der Kurbelwelle um, siehe Abb. 3-5. Der Kolben kehrt seine Bewegung im oberen Totpunkt (OT) und im unteren Totpunkt (UT) um. In diesen beiden Totpunkten ist die Geschwindigkeit des Kolbens jeweils gleich Null, die Beschleunigung hat dort jedoch ein

3.2 Kinematik des Kurbeltriebs

155

Maximum. Zwischen dem oberen Totpunkt und der Unterseite des Zylinderkopfes verbleibt das Kompressionsvolumen Vc (bei Hubkolbenverdichtern auch der so genannte schädliche Raum). Einlass Luft + Brennstoff

Auslass Abgas Zylinderkopf

OT Brennraum Kolbenringe

Laufbuchse Kolben Kolbenbolzen

UT

Pleuel Kurbelgehäuse (qualitativ)

Hubzapfen

integriertes Gegengewicht

Grundzapfen Kurbelwelle

Abb. 3-5: Triebwerk des Hubkolbenmotors

Abb. 3-6 zeigt die Kinematik eines Kurbeltriebs mit Schränkung, bei dem sich die Kurbelwellenlängsachse nicht mit der Zylinderlängsachse schneidet, sondern um die Länge e versetzt ist. sKomp. s (j) l c2 c3

b r j c1 e>0

Abb. 3-6: Kinematik des Kurbeltriebs

156

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors

Für den Kolbenweg s (M ) folgt aus Abb. 3-6:

s (M )

c3  c 2  r cos (M  E )

woraus sich mit sin E c1

e rl

E

bzw.

e  r sin ( E  I ) , l 2  c12

c2

(r  l )2  e2

c3 schließlich

s (M )

(3.1)

§ e · arc sin ¨ ¸, ©r  l¹

und

(r  l ) 2  e 2  l 2  >e  r sin (M  E )@2  r cos (M  E )

r >e  r sin (M  E )@ cos (M  E )

>

@

(3.2)

ergibt. Die Ableitung liefert für die Kolbengeschwindigkeit die Beziehung

r sin (M  E ) 

ds dM

l 2  e  r sin (M  E ) 2

S

.

(3.3)

Mit der Definition des Zylindervolumens

V (M )

V Komp  D 2

4

s (M )

(3.4)

folgt für die Änderung des Zylindervolumens S ds dV D2 . dM 4 dM

Mit dem Schubstangenverhältnis O s s (M )

und ds dM

(3.5)

r l folgt schließlich für den Grenzfall e

­ ½ 1 ª 1  1  O2s sin 2 (M ) º» ¾ r ®>1  cos (M )@  « Os ¬ ¼¿ ¯ º ». » 2 2 1  O s sin (M ) ¼»

ª O r «sin (M )  s « 2 «¬

sin (2M )

0

(3.6)

(3.7)

Für kleine O s kann der Ausdruck unter der Wurzel in (3.6) entsprechend 1  O2s sin 2 (M )

1

O2s 2

sin 2 (M ) 

O4s 8

sin 4 (M )  ...

in eine Taylor-Reihe entwickelt werden, wobei der dritte Term für O s 0,25 bereits kleiner als 0,00048 wird und deshalb in der Regel vernachlässigt werden kann. Mit Hilfe einfacher trigonometrischer Umformungen erhält man damit schließlich für den Kolbenweg s r

1  cos (M ) 

Os 4

1  cos (2M ) .

(3.8)

3.2 Kinematik des Kurbeltriebs

157

Mit der Winkelgeschwindigkeit Z

dM dt

Z

erhält man für die Kolbengeschwindigkeit ds ds dM ds Z dt dM dt dM den Ausdruck ds dt

O ª º rZ «sin (M )  s sin (2M )» 2 ¬ ¼

(3.9)

und für die Kolbenbeschleunigung d2s dt 2

d 2 s § dM · ¸ ¨ dM 2 © dt ¹

2

Z2

d2s

dM 2

schließlich

rZ >cos (M )  O s cos (2M )@ . (3.10) dt 2 Im Hinblick auf den Ladungswechsel unterscheidet man beim Hubkolbenmotor zwischen dem 4-Takt- und dem 2-Takt-Verfahren und bezüglich des Brennverfahrens zwischen Diesel- und Ottomotoren. Beim 4-Takt-Verfahren, siehe auch Abb. 3-7 links, findet der Ladungswechsel in den beiden Takten Ausschieben und Ansaugen statt, was durch die Verdrängerwirkung des Kolbens und durch die Ventile geregelt wird. Die Aus- und Einlassventile öffnen vor und schließen nach den Totpunkten, wobei ein frühes Öffnen des Auslassventils zwar zu Verlusten bei der Expansionsarbeit aber auch zu einer Verringerung der Ausschiebearbeit führt. Mit zunehmender Ventilüberschneidung steigen die Spülverluste an, und der effektive Wirkungsgrad nimmt ab. Moderne 4-Takt-Motoren sind in der Regel mit je zwei Einlass- und Auslassventilen ausgerüstet. d2s

p

pu Vc

2

pz

p



Eö As

Vh 4-Takt-Verfahren

pz

Aö Es V

pu Vc

As

Es

Vh 2-Takt-Verfahren

Abb. 3-7: p,V-Diagramm für das 4-Takt- und das 2-Takt-Verfahren



V

158

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors

Beim 2-Takt-Verfahren erfolgt der Ladungswechsel während sich der Kolben in der Nähe des unteren Totpunktes befindet. Bei so genannten schlitzgesteuerten Motoren wird das Abgas vom einströmenden Frischgas aus dem Zylinder geschoben, wenn der Kolben die im unteren Bereich des Zylinders angeordneten Ein- und Auslassquerschnitte (Schlitze) überstreicht. Bei größeren Motoren werden statt der Auslassschlitze meist Auslassventile verwendet, die dann im Zylinderkopf untergebracht sind. Statt der so genannten Umkehrspülung hat man dann die wesentlich effektivere Gleichstromspülung. Für weitere Details sei auf Merker und Gerstle (1997) verwiesen.

3.3

Kreisprozesse

3.3.1

Grundlagen

In diesem Kapitel werden die für unsere Zielsetzung wesentlichen Grundlagen der Thermodynamik kurz erläutert, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Baehr und Kabelac (2009), Hahne (2010), Lucas (2001) und Stephan et al. (2009) und Reimann (2010). Zur Simulation verbrennungsmotorischer Prozesse wird der Verbrennungsmotor in einzelne Komponenten bzw. Teilsysteme zerlegt, die man grundsätzlich entweder als geschlossene oder offene thermodynamische Systeme betrachten kann. Zur Bilanzierung dieser Systeme verwendet man die Massenbilanz (Kontinuitätsgleichung) dm m 1  m 2 (3.11) dt und die Energiebilanz (1. Hauptsatz der Thermodynamik) dU Q  W  E1  E 2 dt mit § c2 · ¸ E m ¨¨ h  2 ¸¹ ©

(3.12)

für das in Abb. 3-8 gezeigte offene, stationär durchströmte System (Fließsystem), bzw. dU Q  W (3.13) dt für das in Abb. 3-9 gezeigte geschlossene System (Brennraum). Bei geschlossenen Systemen fließt über die Systemgrenze keine Masse und somit auch keine Enthalpie. Unter Vernachlässigung der Blow-By-Verluste kann der Brennraum (Zylinder) während des so genannten Hochdruckprozesses (Kompressions- und Expansionstakt) als geschlossenes System betrachtet werden. Im Gegensatz dazu stellt ein offenes System z. B. einen Behälter oder einen Leitungsabschnitt dar, bei dem Masse über die Systemgrenze fließen kann. Bei Vernachlässigung der Reibung bzw. Dissipation mechanischer Arbeit in Wärme erhält man für die Volumenarbeit dV W  p . (3.14) dt

3.3 Kreisprozesse

159 . Q

. m1 p1 T1 c1 A1 h1

U

. Q

. m2 p2 T2 c2 A2 h2

. W

Abb. 3-8: Offenes thermodynamisches System (----- Systemgrenzen)

U, m, V T, p

. W

Abb. 3-9: Geschlossenes thermodynamisches System (----- Systemgrenzen)

Beim offenen System fasst man die an den Systemgrenzen übertragene thermische Energie und die Ein- bzw. Ausschiebearbeit zweckmäßigerweise zur Enthalpie h { u  pv

(3.15)

zusammen. Die thermische Zustandsgleichung f ( p, T , v )

0

(3.16)

verknüpft die drei thermischen Zustandsgrößen Druck, Temperatur und Volumen und die kalorische Zustandsgleichung u u (T , v) bzw. (3.17) h h ( p, T ) beschreibt die innere Energie als Funktion von Temperatur und Volumen bzw. die Enthalpie als Funktion von Druck und Temperatur. Im Folgenden wollen wir die zu betrachtenden Stoffe zunächst als ideale Gase betrachten, wofür die thermische Zustandsgleichung p v RT (3.18) gilt. Weil die innere Energie des idealen Gases nur von der Temperatur abhängig ist, folgt mit (3.18) aus (3.15), dass dies auch für die Enthalpie zutrifft. Für die differentielle Änderung der kalorischen Größen des idealen Gases gilt damit du

c v (T ) dT bzw.

dh

c p (T ) dT .

c p T  cv T

(3.19)

Für ideales Gas gilt

R und

N

cp cv

.

(3.20)

(3.21)

Für reversible Zustandsänderungen gilt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik in der Form T ds dq . (3.22)

160

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors

Damit folgt mit (3.14) aus (3.13) du

 pdv  T ds .

(3.23)

Mit (3.19) folgt daraus für die Steigung der Isochoren eines perfekten Gases (cv und cp sind konstant)

§ dT · ¨ ¸ © ds ¹ s

T . cv

(3.24)

In Analogie dazu folgt für die Steigung der Isobaren § dT · ¸ ¨ © ds ¹ s

T , cp

für die Isotherme und die Isentrope folgt p p dp dp  bzw. N . v v dv dv Abb. 3-10 zeigt den Verlauf der einfachen Zustandsänderungen im p, v- und T, s-Diagramm. p

Isotherme

T

Isentrope

Isochore Isobare

Isochore

Isotherme

Isobare

Isentrope v

s

Abb. 3-10: Verlauf der einfachen Zustandsänderung im p, v- und im T, s-Diagramm

Mit den obigen Beziehungen erhält man schließlich für die Energiebilanz des geschlossenen Systems dT dQ dv m cv  p . (3.25) dt dt dt Unter Berücksichtigung der Enthalpieströme und der übertragenen kinetischen Energie an den Systemgrenzen erhält man für die Energiebilanz des offenen Systems

m cv

dT dm  cv T dt dt

§ § c2 · c2 · dQ dW   m 1 ¨ h1  1 ¸  m 2 ¨ h2  2 ¸ . ¨ ¨ dt dt 2 ¸¹ 2 ¸¹ © ©

(3.26)

Für stationär durchströmte offene Systeme folgt daraus für den Fall, dass keine Arbeit übertragen wird, ª § c2 c 2 ·º m «(h2  h1 )  ¨ 2  1 ¸» ¨ 2 2 ¸¹» «¬ © ¼

dQ . dt

(3.27)

3.3 Kreisprozesse

161

Mit dieser Beziehung kann die Durchfluss- bzw. Ausflussgleichung zur Berechnung der Massenströme durch Drosselstellen bzw. durch Ventile abgeleitet werden. Wir betrachten den Ausströmvorgang aus einem unendlich großen Behälter und setzen voraus, dass die Strömung adiabat verläuft. Mit den Indizes "0" für das Innere des Behälters und "1" für den Ausströmungsquerschnitt folgt mit c 0 0 aus (3.27) c12 2

h0  h1 .

(3.28)

Mit der Adiabatenbeziehung N 1

T1 T0

§ p1 · N ¨ ¸ ¨p ¸ © 0¹

(3.29)

folgt daraus zunächst

c12 2

§ T · c p T0 ¨¨1  1 ¸¸ T0 ¹ ©

ª « c p T0 «1  « ¬

N 1º § p1 · N » ¨ ¸ » ¨p ¸ © 0¹ » ¼

(3.30)

und weiter für die Geschwindigkeit c1 im Ausströmungsquerschnitt

c1

ª « 2N R T0 «1  N 1 « ¬

N 1º § p1 · N » ¸ ¨ ». ¨p ¸ © 0¹ » ¼

(3.31)

Mit der Gleichung für das ideale Gas folgt aus (3.29) für das Dichteverhältnis

U1 U0

§ p1 · N ¸ ¨ ¨p ¸ . © 0¹ 1

(3.32)

Damit ergibt sich für den Massenstrom m A1 U1 c1 im Austrittquerschnitt die Beziehung m

§ p · A1 U 0 p 0 < ¨¨ 1 , N ¸¸ , © p0 ¹

wobei § p · < ¨¨ 1 , N ¸¸ p © 0 ¹

2 ª § p 2N «§ p1 · N ¸ ¨ 1 «¨ ¨p N  1 «¨© p 0 ¸¹ © 0 ¬

(3.33) N 1º · N » ¸ » ¸ ¹ » ¼

(3.34)

die so genannte Ausflussfunktion ist, die lediglich vom Druckverhältnis p1 p 0 und vom Isentropenexponenten N abhängt. Abb. 3-11 zeigt den Verlauf der Ausflussfunktion für die verschiedenen Isentropenexponenten.

162

3 Thermodynamik des Verbrennungsmotors

§p · Abb. 3-11: Ausflussfunktion < ¨¨ 1 , N ¸¸ © p0 ¹

0,5 Y

k = 1,4

0,4

1,3

p* p0

1,2 0,3

0,2

0,1

0,0 0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

p p0

1,0

Die Maxima der Ausflussfunktion ergeben sich aus der Beziehung w< 0 für < 3000 m) eingesetzt werden können. Abb. 4-22 zeigt einen 2-stufig, geregelten Dieselmotor mit Abgasrückführung nach Wintruff et al. (2010), der zum Antrieb von Strecken- und Rangierlokomotiven eingesetzt wird. Anwendung: Emissionen: eff. Leistung: Drehzahl: eff. Mitteldruck Hunvolumen:

Lokomotiven EU Stage 3B 2000 kW 1800 min-1 17,5 bar 76,2 dm³

Abb. 4-22: MTU-Bahnmotor 12V 4000 R84

Zur Abgasrückführung tragen bei diesem Motor nach Abb. 4-23 nur die Zylinder der Motor-A-Seite bei. Über die Abgasklappen 1+2 können Abgasrückführraten von 0–50 % eingestellt werden. Durch dieses Spenderzylinderkonzept wird die Motor-B-Seite bezüglich des Abgasgegendruckes nach Zylinder entlastet, so dass die Ausschubarbeit der Zylinder gering ist und sich ein günstiger Kraftstoffverbrauch einstellt. „ Zweistufige kombinierte Aufladung Eine weitere im PKW-Motorenbereich anzutreffende Form der Aufladung ist die zweistufig kombinierte Aufladung (Abb. 4-24), die bereits z. B. bei Lang et al. (2004) beschrieben wurde. Wie bei der zweistufig geregelten Aufladung ist auch hier das Ziel, durch Kombination zweier Aufladegruppen hohe spezifische Leistungen bei gleichzeig gutem Responseverhalten und hohen Drehmomentwerten bereits bei niedrigen Drehzahlen darzustellen. Im Gegensatz zur vorher beschriebenen zweistufig geregelten Aufladung wird bei dieser Form der Aufladung in der Regel ein Verdrängerlader verwendet, der entweder mechanisch oder auch elektrisch angetrieben werden kann.

4.1 Aufladeverfahren

(1): (2) (3): (4):

201

AGR-Regelventil (Spenderzylinder-Ventil) AGR-Regelventil vor AGR-Kühler HD-Turbinen-Bypass Luft-Drosselventil (Thermomanagement)

A1

A2

(4)

A4

A5

NDLLK

LuftFilter

NDLLK

LuftFilter

A6

HD-ATL

(1)

AGR-Kühler

HD-LLK

(2)

A3

ND-ATL 2

(3) B1

B2

B3

B4

B5

B6

ND-ATL 1

Abb. 4-23: Aufladeschema des MTU 12V 4000 R84 mit 2-stufiger, geregelter Aufladung und gekühlter Abgasrückführung nach dem Spenderzylinderkonzept

LLK

Rückschlagklappe

ATL

Wastegate

Abgas

Frischluft

el. / mech. angetriebener Verdichter

Abb. 4-24: Zweistufige kombinierte Aufladung

„ Zweistufige Aufladung mit Einwellenaggregat Dass eine zweistufige Aufladung auch deutlich kompakter ausgeführt werden kann, zeigt das Anwendungsbeispiel aus Klotz et al. (2000) in Abb. 4-25. Der hier dargestellte Motor wird in einem Amphibienfahrzeug eingesetzt. In dieser Anwendung werden sehr hohe Anforderungen an Bauraum und Gewicht gestellt.

202

4 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Pe = 1920 kW nM = 2700 min-1 Vh = 27.4 dm³

Abb. 4-25: MT883 mit Einwellenaggregat Z2R190

Der Motor verfügt über eine Registeraufladung mit zwei ATL, wobei ein Turbolader aus zwei Verdichtern und einer Turbine besteht, die auf einer gemeinsamen Welle angeordnet sind. Der ND-LLK ist ringförmig nach Abb. 4-26 um den ATL angeordnet. Die NDVerdichterspirale ist Bestandteil des LLK-Ansauggehäuses. Dieser 12-Zylindermotor verfügt über ein Leistungsgewicht von 1,1 kg/kW.

Abb. 4-26: Querschnitt des Einwellenaggragtes Z2R190 mit integriertem ND-LLK

4.1.6

Verbundaufladung (Turbocompound)

Bei der Verbundaufladung (Turbocompound) wird mittels einer Nutzturbine im Abgas mechanische Leistung erzeugt. Primäres Ziel ist dabei die Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs. Beim mechanischen Turbocompound wird diese Energie über ein Getriebe der Kurbelwelle zugeführt. Beim elektrischen Turbocompound treibt die Nutzturbine einen Generator an, der über einen Elektromotor mechanisch Leistung abgibt oder eine Batterie lädt (Hybridantrieb).

4.2 Simulation von Komponenten der Aufladung

203

Turbocompound Mechanisch

Elektrisch

Starre Verbindung zwischen Nutzturbine und Motor, NT-Drehzahl ist von Motordrehzahl abhängig.

Flexible, elektrische Verbindung zwischen Motor und Nutzturbine. Turbinendrehzahl ist unabhängig von der Motordrehzahl, flexible Energieentnahme im gesamten Motorkennfeld.

Abb. 4-27: Vergleich von mechanischem und elektrischem Turbocompound

Die wichtigsten Schaltungsarten der Nutzturbine (NT) sind in Abb. 4-28 dargestellt, wobei im seriellen Betrieb die Nutzturbine auch vor der ATL-Turbine platziert sein kann. Im Parallelbetrieb kann die Nutzturbine auch die Funktion eines Wastegates übernehmen. Verluste durch reines Abblasen werden vermieden, stattdessen wird die bygepasste Abgasmasse energetisch genutzt. In Woschni et al. (1990) wird der Turbocompound-Betrieb ausführlich behandelt. Ausgeführte Beispiele sind vorwiegend im LKW- und Marinebereich im Einsatz.

NT

V

T

Motor

a)

NT

T

V

Motor

b)

Abb. 4-28: Turbocompound-Nutzturbine im a) seriellen und b) parallelen Betrieb

4.2

Simulation von Komponenten der Aufladung

Kapitel 4.2 beschreibt die grundlegenden Zusammenhänge der Aufladung von Verbrennungsmotoren. Dieses Kapitel dient dem Verständnis der Simulation der Aufladung im Rahmen der 0- bzw. 1-dimensionalen Prozessrechnung. Die Simulation von aufgeladenen Motoren setzt neben der im Kapitel 12 beschriebenen Gesamtprozesssimulation im Zylinder sowie der Simulation von Leitungs- und Nebenaggregate-Komponenten auch eine detaillierte Modellierung der Aufladekomponenten voraus. Diese Modellierung basiert im Wesentlichen auf speziellen, standardisierten Kennfelder, die je nach Hersteller meist in unterschiedlicher Qualität vorliegen. Eine Beschreibung des Betriebsverhaltens von Strömungsmaschinen über Kennfelder hat sich in der Praxis auch für instationäre Vorgänge als ausreichend genau erwiesen.

204

4.2.1

4 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Strömungsverdichter

„ Grundlagen Strömungsverdichter Bei Verdichterbauarten nach dem Strömungsprinzip unterscheidet man im Wesentlichen zwischen den zwei Bauformen Axialverdichter und Radialverdichter. In Abb. 4-29 ist schematisch ein Schnitt durch einen Radialverdichter dargestellt. Nach dem Eintritt in den Verdichter (1) wird dabei dem zu verdichtenden Medium zunächst durch die mechanische Antriebsenergie des Verdichters kinetische Energie zugeführt; das Medium wird im Laufrad beschleunigt (2). Die kinetische Energie wird dann je nach Bauform nach dem Passieren des engsten Querschnitts ähnlich einer Düse und/oder nach dem Austritt aus dem Laufrad in einem Diffusor in Druckenergie umgewandelt (3). Querschnittsfläche A

Schnecke Diffusor

d1

d2

R

Laufrad

Abb. 4-29: Längsschnitt durch einen Radialverdichter

Konstruktive Größen bei einer Strömungsmaschine sind das sogenannte A/R-Verhältnis sowie der Trim. Trim

§ d1 · ¨¨ ¸¸ © d2 ¹

2

(4.9)

Abb. 4-30 zeigt diesen Vorgang anhand der sogenannten Schaufeldiagramme am Beispiel eines Radialverdichters. Hierbei bedeuten c die Absolutgeschwindigkeit, u die Umfangsgeschwindigkeit des Verdichterrades und w die Relativgeschwindigkeit des Mediums bezüglich der Verdichterschaufeln im bewegten System. Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geschwindigkeiten ergeben sich anhand der vektoriellen Addition wie in Abb. 4-30 dargestellt ist. Es gibt sowohl Bauformen mit vorwärts gekrümmten, radial endigenden und rückwärts gekrümmten Schaufeln (siehe Abb. 4-30), wobei heutzutage aufgrund der angestrebten Kennfeldbreite die rückwärts gekrümmte Bauform bei PKW-Motoren zum Einsatz kommt. Liegt der Fokus der Auslegung auf gutem Instationärverhalten, muss das polare Trägheitsmoment des Verdichterrades (proportional zur 5. Potenz des Durchmessers) möglichst gering gehalten werden. Dies führt zu einer Reduzierung des Durchmessers und damit bei gleich bleibenden Massenstrom zur Erhöhung der Verdichterdrehzahl.

4.2 Simulation von Komponenten der Aufladung

205

u2

rad ial c2

D2

w2 E2

u2

E2

D2 c2

är rw vo

E2

w2

ts

c2 D2

rückwärt s

w2 u2

c1

D

u1 w1

Abb. 4-30: Geschwindigkeitsdreiecke am Radialverdichter

Abb. 4-31 zeigt den Vorgang der Verdichtung innerhalb eines Strömungsverdichters in einem h-s-Diagramm. Da das Laufrad und der Diffusor meist eine Einheit bilden, wird eine globale Betrachtungsweise vom Eintritt zum Austritt verwendet (Zustand 1-3).

spez. Enthalpie h

2

Laufrad

pt1

2 c2

2

ht2´

2

u2 -u12 2 ht1´

2

2

w1 2

pt3

pt2

ht2=ht3

w2 2

c3 2

p3

Diffusor

'htv

p2

c12 2 p1 spez. Entropie s

Abb. 4-31: Verdichtungsvorgang im h-s-Diagramm

Aus der Darstellung in Abb. 4-31 lässt sich die zur Verdichtung notwendige totale Enthalpiedifferenz berechnen (Eulergleichung), aus der auch die Verdichterleistung bestimmt werden kann.

'htV



c12 w12 u22 u12 w22 c22      , 2 2 2 2 2 2

(4.10)

206

4 Aufladung von Verbrennungsmotoren

Die Verdichterleistung ergibt sich dann zu: Pv

m V ˜ 'htV

(4.11)

Ansonsten gelten die in den Gleichungen (4.2) und (4.3) hergeleiteten Beziehungen auch für einen Strömungsverdichter. „ Bezogene Größen

Um die bei mehr oder weniger zufälligen Umgebungsbedingungen vermessenen Verdichterkennfelder auch bei geänderten Umgebungsbedingungen verwenden zu können, müssen die Größen, die in einem Kennfeld abgespeichert werden, von den tatsächlichen Umgebungszuständen unabhängig gemacht werden. Die Kennfeldgrößen werden dabei meistens auf standardisierte Bezugsumgebungsbedingungen umgerechnet (z. B. ISA-Bedingungen: 288 K, 1,013 bar; Standardbedingungen: 293 K, 0,981 bar). Dies geschieht durch die Einführung sogenannter Bezugsgrößen mit Hilfe von strömungsmechanischen Ähnlichkeitsgesetzen. Diese Zusammenhänge sollen an dieser Stelle ausführlich erläutert werden. Bei den Drehzahlen für Strömungsmaschinen benutzt man die Ähnlichkeit der dimensionslosen, sogenannten Machzahl und bezieht die Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades, die direkt proportional zur Drehzahl ist, auf die Schallgeschwindigkeit des Gases am Eintrittszustand. Die Gaskonstante wird bei den folgenden Untersuchungen als konstant angenommen. Ferner ist bei den Berechnungen zu berücksichtigen, ob es sich bei der Verdichtung um reine Luft handelt, bei der der Isentropenexponent zu N 1.4 und die Gaskonstante zu 287 J/kg K gesetzt werden können, oder ob es sich um ein anderes Medium mit anderen Stoffwerten, wie beispielsweise ein Gemisch o. ä., handelt Ma

u a

Z

T

r

NR

2n T

Sr

N R 60 [s ˜ min 1 ]

.

(4.12)

Wie man erkennt, ist die Machzahl zur Drehzahl und zur Wurzel aus der Eintrittstemperatur des Gases proportional. Es genügt demnach, eine bezogene Drehzahl bzw. eine bezogene Winkelgeschwindigkeit zu definieren, bei der die Drehzahl bzw. Winkelgeschwindigkeit durch die Wurzel der Eintrittstemperatur dividiert wird. Bei der Verwendung von Bezugsgrößen kann dabei gleichzeitig beim Strömungsverdichter auf eine bestimmte Standardeintrittsbedingung umgerechnet werden, um der bezogenen Drehzahl bzw. Winkelgeschwindigkeit wieder die ursprüngliche Einheit zuzuordnen nbez

n Tbez T

, Z bez

Z Tbez

.

(4.13)

T

Auch für die Massenströme können von den jeweiligen Umgebungs- bzw. Eintrittszuständen unabhängige Größen definiert werden. Betrachtet man zunächst wieder die Durchflussgleichung, so ergibt sich m th

A

p RT

N 1 · § 2 2N ¨ N ¸ S S N ¸ ¨ N  1¨ ¸ ¹ ©

A

p RT

C x H y @ > O 2 @ dt © RT ¹ Die entsprechenden Parameter A, m und n sowie die Aktivierungstemperatur EA/R sind in Tab. 5.1 angegeben. Tab. 5.1: Reaktionsraten-Parameter für die Einschrittreaktion (5.68) nach Westbrook und Dryer (1981) Brennstoff

A (mol, cm, s)

Aktivierungstemperatur EA / R (K)

m (–)

n (–)

CH4 C2H6 C3H8 C4H10 C5H12 C6H14

8,3·105 1,1·1012 8,6·1011 7,4·1011 6,4·1011 5,7·1011

15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098

– 0,30 0,10 0,10 0,15 0,25 0,25

1,30 1,65 1,65 1,60 1,50 1,50

C7H16 C8H18 C9H20 C10H22 C2H4 C3H6

5,1·1011 4,6·1011 4,2·1011 3,8·1011 2,0·1012 4,2·1011

15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098

0,25 0,25 0,25 0,25 0,10 – 0,10

1,50 1,50 1,50 1,50 1,65 1,85

C2H2 CH3OH C2H5OH C6H6 C7H8

6,5·1012 3,2·1012 1,5·1012 2,0·1011 1,6·1011

15,098 15,098 15,098 15,098 15,098

0,50 0,25 0,15 – 0,10 – 0,10

1,25 1,50 1,60 1,85 1,85

Trotz ihrer Einfachheit werden globale Einschrittmechanismen auch heutzutage noch in vielen Verbrennungsmodellen, beispielsweise in einigen phänomenologischen Modellen für die dieselmotorische Verbrennung (vgl. Kapitel 10.1) verwendet. Dies ist möglich, da die chemischen Reaktionen nach der Zündung oft wesentlich schneller sind als die physikalischen Mechanismen wie Turbulenz und Mischung. Allerdings ist zu beachten, dass bei Einsatz von Einschrittmechanismen die Flammentemperatur zu hoch berechnet wird. Abhilfe kann beispielweise der Einsatz eines Zweischrittmechanismus schaffen, in dem der Brennstoff zunächst zu CO und H2O oxidiert wird und dann CO in einem zweiten Schritt zu CO2 oxidiert.

254

5 Reaktionskinetik

Auch zur Beschreibung der Zündung werden teilweise noch Ansätze in der Form von Gl. (5.68) eingesetzt. Mit einer geeigneten Anpassung der Parameter an Experimente können damit durchaus zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden, wenn nicht zu stark von den zur Kalibrierung verwendeten Bedingungen abgewichen wird. Allerdings ist eine Darstellung des negativen Temperaturkoeffizienten nicht möglich. „ Semi-empirische Mehrschrittmodelle

Um eine realistischere Darstellung der Zündung zu erreichen, wurde eine Reihe von semiempirischen Mehrschrittmodellen entwickelt. Das wahrscheinlich am weitesten verbreitete Modell dieser Art ist das Shell-Modell, das ursprünglich von Halstead et al. (1977) zur Vorhersage von Klopfen in Ottomotoren entwickelt und später für die Modellierung der Dieselzündung von Kong et al. (1995) erweitert wurde. Das Shell-Modell wurde nicht durch Reduktion aus einem komplexen Mechanismus gewonnen. Stattdessen kann es eher als ein mathematisches Gleichungssystem betrachtet werden, mit dem das Zündverhalten komplexer Kohlenwasserstoffe, inklusive dem Auftreten des negativen Temperaturkoeffizienten, beschrieben werden kann. Das resultierende Reaktionsschema umfasst acht Reaktionen zwischen fünf generischen Spezies:

RH + O2  o 2 R•

R •  o R • + P + Wärmefreisetzung

R  o R +B •







R  o R +Q

R + Q  o R +B •

B  o 2R



(5.69) (5.70) (5.71) (5.72) (5.73)



(5.74)

2 R  o Kettenabbruch

(5.75)

R  o Kettenabbruch •



(5.76)

Dabei stellt RH erneut ein Kohlenwasserstoffmolekül dar, R• beschreibt ein Kohlenwasserstoffradikal, Q ist eine instabile Zwischenspezies und B eine Verzweigungsspezies. P bezeichnet Produkte der Verbrennung, also CO, CO2 und H2O. Reaktion (5.69) repräsentiert im Shell-Modell die Startreaktion, (5.70) bis (5.73) sind Fortpflanzungsreaktionen, (5.74) ist die Kettenverzweigungsreaktion und (5.75) und (5.76) sind Abbruchreaktionen. Das Shell-Modell umfasst 26 Parameter, die angepasst werden müssen um einen bestimmten Brennstoff zu repräsentieren. Obwohl in den letzten Jahren verstärkt detaillierte Reaktionsmechanismen zur Berechnung der Zündung und Hochtemperaturoxidation eingesetzt werden, haben globale, semiempirische Modelle nach wie vor ihre Vorteile. So bilden komplexe Mechanismen nicht zwangsläufig alle globalen Phänomene gut ab und eine Anpassung komplexer Mechanismen ist oft aufwendig. Die Parameter von semi-empirischen Modellen können dagegen relativ schnell an vorhandene Probleme angepasst werden. Weiterhin sind in motorischen Anwendung eingesetzte Brennstoffe Gemische aus einer großen Anzahl von Einzelkomponenten, die auch durch detaillierte Reaktionsmechanismen einiger weniger Komponenten nur näherungsweise beschrieben werden können.

5.2 Reaktionskinetik von Kohlenwasserstoffen

255

„ Detaillierte Reaktionsmechanismen

Gegenüber semi-empirischen Modellen wie dem Shell-Modell sollen detaillierte Reaktionsmechanismen den Vorteil eines größeren Anwendungsbereichs bezüglich der Randbedingungen wie Temperatur, Druck und Kraftstoff-Luftverhältnis bieten. Mit geeigneten Mechanismen ist es möglich, die Chemie der Niedertemperaturzündung und der Hochtemperaturoxidation in einem Modell zu beschreiben, also einen Schnitt zwischen der Modellierung der Zündung und Verbrennung zu vermeiden. Weiterhin werden die Konzentrationen von Zwischenspezies berechnet, so dass eine direkte Kopplung mit für die Schadstoffbildung wichtigen Reaktionen erfolgen kann. Für eine Reihe von Kohlenwasserstoffen gibt es sehr komplexe und umfangreiche Mechanismen. Besonders intensiv wurden in der Vergangenheit beispielsweise die Reaktionsmechanismen von Methan, siehe z. B. Smith et al. (1999), n-Heptan, siehe z. B. Curran et al. (1998) und Iso-Oktan (2,2,4-Trimethylpentan, siehe z. B. Curran et al. (2002) untersucht. In letzter Zeit werden auch verstärkt Mechanismen für längere Kohlenwasserstoffe, Aromaten und sauerstoffhaltige Moleküle aufgestellt. Die Reaktionsraten der einzelnen Reaktionen werden bei diesen umfangreichen Mechanismen teilweise auf Basis von besonders gut untersuchten Elementarreaktionen, teilweise basierend auf quantenmechanischen Theorien, aber auch durch Anpassen an Experimente gewählt. In der Regel wird versucht, komplexe Mechanismen an möglichst unterschiedlichen Experimenten zu validieren. Trotzdem muss beachtet werden, dass ein Mechanismus, der beispielsweise für die Beschreibung von Zündvorgängen entwickelt wurde nicht zwangsläufig gute Resultate bei der Berechnung laminarer Flammengeschwindigkeiten liefert Meeks et al. (2008). Darüber hinaus sind auch heutzutage einige kinetische Prozesse und Reaktionsabläufe noch nicht im Detail verstanden. „ Reduktion kinetischer Mechanismen

Vollständige, komplexe Reaktionsmechanismen benötigen nicht nur aufgrund der großen Anzahl an gewöhnlichen Differentialgleichungen hohe Rechenzeiten. Insbesondere sind die bei kinetischen Modellen aufgestellten Differentialgleichungen steif, d. h. sie können mit expliziten Lösungsverfahren nur mit impraktikabel kleinen Zeitschritten gelöst werden, so dass aufwendige implizite Verfahren zur Lösung notwendig sind. In komplexen mehrdimensionalen Problemen müssen neben den chemischen Quelltermen außerdem noch für jede Spezies im System Transportgleichungen gelöst werden. Vollständige komplexe Mechanismen sind daher in der Regel nur für sehr detaillierte Fragestellungen zu verwenden. In den meisten Verbrennungsmodellen ist es aus Gründen der Rechenzeit notwendig vereinfachte Mechanismen einzusetzen. Zur Reduktion komplexer Mechanismen gibt es eine große Vielfalt von Verfahren. Ein erster Schritt in der Reduktion besteht oft in der Eliminierung unwichtiger Spezies und Reaktionen. Spezies, die eliminiert werden können ohne die Vorhersagegenauigkeit des Mechanismus zu stark einzuschränken, können beispielsweise mit einer Analyse der Jacobimatrix, d. h. der Ableitung der Reaktionsraten nach den Spezieskonzentrationen gefunden werden:

wZ (5.77) wc Eine systematische Methode zur Speziesreduktion ist die Directed Relation Graph Methode, siehe Lu und Law (2006). Dabei wird die Kopplung zwischen einzelnen Spezies untersucht. Man geht zunächst von einer oder mehrerer Spezies aus, die unbedingt im Mechanismus enthalten bleiben sollen, beispielsweise dem Brennstoff und Spezies, die für J

256

5 Reaktionskinetik

die Schadstoffbildung von Bedeutung sind. Nun berechnet man für eine zu erhaltene Spezies A jeweils den Fehler, der entsteht, wenn man eine andere Spezies B aus dem Mechanismus entfernt: H AB

¦ Q A,iZiG Bi ¦

i 1, I

i 1, I

Q A,iZi

, G Bi

­Q B ,i z 0: 1 ® ¯Q B ,i 0: 0

(5.78)

Dabei ist i die i-te Reaktion in einem Mechanismus mit insgesamt I Reaktionen. Ist der Fehler İAB niedriger als ein Grenzwert, führt die Entfernung von B zu einem vernachlässigbaren Fehler in der Berechnung von A. Ist der Fehler hingegen größer als der Grenzwert, sind die Spezies gekoppelt. Wenn Spezies A im Mechanismus enthalten bleiben soll, muss auch Spezies B enthalten bleiben. Zusätzlich müssen alle Spezies enthalten bleiben, die indirekt mit Spezies A gekoppelt sind, also beispielsweise bei Entfernung einen nicht vernachlässigbaren Fehler in der Berechnung von Spezies B verursachen würden. Die Kopplung zwischen den Spezies wird dabei in einem Graph festgehalten. Ein einzelner Graph kann nur Information über einen lokalen Reaktionszustand geben. Aus diesem Grund muss jeweils ein Graph für mehrere repräsentative Punkte im Reaktionsablauf bei unterschiedlichen Versuchen aufgestellt werden. Nur die Spezies, die an allen Punkten von den Ausgangsspezies entkoppelt sind, können dann aus dem Mechanismus entfernt werden. Unwichtige Reaktionen können über eine Sensitivitätsanalyse identifiziert werden. Bei der Sensitivitätsanalyse werden die Reaktionsraten einzelner Reaktionen oder von Reaktionsklassen variiert und die Auswirkung auf ein Ergebnis des Mechanismus, beispielsweise der Zündverzugszeit, unter verschiedenen Randbedingungen ermittelt. Reaktionen die eine niedrige Sensitivität aufweisen können eliminiert werden. Gleichzeitig kann die Sensitivitätsanalyse verwendet werden, um wichtige Reaktionen zu identifizieren, deren Reaktionsraten besonders geeignet sind, den Reaktionsmechanismus an Experimente anzupassen. Zur Vereinfachung von Mechanismen wird außerdem häufig die Zeitskalenanalyse eingesetzt. Chemische Systeme besitzen oft stark unterschiedliche Zeitskalen, d. h. einige Spezies erreichen während der Reaktion extrem schnell eine Gleichgewichtskonzentration, während andere Spezies sehr stabil sind. Ziel der Zeitskalenanalyse ist es, die schnellen von den langsamen Zeitskalen zu entkoppeln und so ein System mit weniger Variablen als zuvor zu erzeugen. Zwei Annahmen, die in der Zeitskalenanalyse eingesetzt werden, sind die Quasistationarität von Spezies und das partielle Gleichgewicht von Reaktionen. Diese Annahmen wurden bereits in Kapitel 5.1 erläutert. Zusätzlich existieren systematischere Methoden wie beispielsweise die ILDM-Methode (Intrinsic Low Dimensional Manifolds, siehe Maas und Pope (1992). Auch Tabellierungsmethoden, die in zunehmender Häufigkeit in der motorischen Simulation eingesetzt werden, basieren auf der Annahme, dass sich auch hochdimensionale chemische Probleme vereinfacht durch wenige Variablen beschreiben lassen. Eine weitere Reduktionsmaßnahme, die bei langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen von Interesse ist, ist das Zusammenfassen von Speziesgruppen, das so genannte Lumping. Bei der Oxidation von Kohlenwasserstoffen entsteht eine Vielzahl von Zwischenspezies, die das gleiche Molgewicht besitzen und eine ähnliche Struktur aufweisen, sich aber in der Lage der Radikalposition bzw. der Oxidationsgruppe unterscheiden. Diese Isomere werden durch analoge Reaktionen gebildet. Je nach Lage der funktionellen Gruppe ergeben sich jedoch unterschiedliche nachfolgende Reaktionspfade und Reaktionsprodukte. Aus diesem Grund müssen Beziehungen für den Anteil der ursprünglichen Spezies an der zusammengefassten Speziesgruppe aufgestellt werden um die nachfolgenden Reaktions-

5.2 Reaktionskinetik von Kohlenwasserstoffen

257

raten berechnen zu können. Ein Ansatz dieses Verhältnis zu bestimmen ist die Annahme eines partiellen Gleichgewichts zwischen den Isomeren einer zusammengefassten Gruppe, vgl. Chaos et al. (2006). Für weitere Details zur Reduktion von kinetischen Mechanismen sei auf die angegebene Literatur, Tomlin et al. (1997) und Lu und Law (2009) verwiesen. „ Ersatzgemische für reale Brennstoffe

In motorischen Anwendungen eingesetzte Brennstoffe sind in der Regel Gemische aus mehreren Hundert verschiedener Kohlenwasserstoffe (vgl. Kapitel 2.1). Mit einem kinetischen Mechanismus einer einzelnen Komponente kann das komplexe Verhalten eines solchen Brennstoffgemischs zwangsläufig nur unzureichend beschrieben werden. So können beispielsweise die bei Dieselkraftstoff auftretenden chemischen Zündverzugszeiten mit n-Heptan näherungsweise vorausgesagt werden, die Schadstoffbildung und auch das physikalische Verhalten von n-Heptan weichen jedoch stark von Diesel ab. Aus diesem Grund wird zunehmend versucht, reale Brennstoffgemische durch mehrere repräsentative Komponenten, also durch vereinfachte Ersatzgemische abzubilden. Ein in der Vergangenheit häufig verwendetes, einfaches Ersatzgemisch für Ottokraftstoff besteht beispielsweise aus den zur Bestimmung der Oktanzahl eingesetzten Komponenten n-Heptan und 2,2,4Trimethylpentan (Iso-Oktan). Ein häufig in der Simulation dieselmotorischer Prozesse eingesetzter Ersatzbrennstoff ist das so genannte IDEA-Fuel, eine Mischung aus 70 % nDekan und 30 % -Methylnaphtalin, Antoni (1998). Grundvoraussetzung für die Erstellung eines Ersatzgemisches ist, dass für die einzelnen eingesetzten Komponenten ausreichend detaillierte und validierte Reaktionsmechanismen zur Verfügung stehen. Die Zusammensetzung eines Ersatzgemisches kann auf Basis unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Eine Möglichkeit besteht darin, jede Kohlenwasserstoffgruppe, also n-Alkane, iso-Alkane, Alkene, Aromaten, oxidierte Kohlenwasserstoffe etc. durch eine Ersatzkomponente zu repräsentieren und entsprechend dem durchschnittlichen Anteil der Gruppe im realen Brennstoff zu gewichten. Alternativ kann die Zusammensetzung der Ersatzspezies erfolgen, in dem die funktionellen Gruppen des realen Gemischs ermittelt werden und die Ersatzspezies so zusammengestellt werden, dass die Anzahl von primärem, sekundärem, tertiärem und aromatischem Kohlenstoff mit dem realen Brennstoff übereinstimmt. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Ersatzkomponenten so auszuwählen, dass bestimmte physikalische und chemische Eigenschaften von dem Ersatzgemisch repräsentiert werden. Zu diesen Eigenschaften gehören beispielsweise das H/C-Verhältnis, die Siedelinie, der Aromatengehalt, der Heizwert und die Oktan- bzw. Cetanzahl. Wichtig dabei ist, dass die entstehenden Eigenschaften für ein Modellgemisch schnell berechnet werden können. So sind beispielsweise bei der experimentellen Ermittlung der Cetanzahl auch Spray- und Gemischbildungseffekte von Bedeutung, die bei einer rechnerischen Ermittlung der Cetanzahl eines Ersatzbrennstoffs vereinfacht berücksichtigt werden müssen. Bei der Zusammenstellung der Reaktionsmechanismen der einzelnen Komponenten ist es wichtig, dass die Mechanismen konsistent sind, dass also Reaktionen die in mehreren Einzelmechanismen auftauchen, die gleiche Reaktionsraten besitzen. Zusätzlich müssen in den Gesamtmechanismen Reaktionen zwischen Spezies, die in einem Mechanismus auftauchen, in einem anderen aber nicht, neu definiert werden. Die entstehenden Gesamtmechanismen sind oft zu groß um in motorischen Fragestellungen eingesetzt werden zu können, so dass eine Reduktion der Modellgröße erforderlich ist.

258

5 Reaktionskinetik

Zusammenfassend versprechen detaillierte Reaktionsmechanismen von Ersatzgemischen in der Zukunft eine bessere Annäherung an reale Brennstoffe, als dies zuvor mit globalen Modellen oder detaillierten Modellen einzelner Komponenten möglich war. Allerdings ist noch eine Reihe von Schwierigkeiten bezüglich der Zusammenstellung, der Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten und auch dem Rechenaufwand bei Einsatz solcher Ersatzgemische zu lösen. Einen Überblick über aktuelle Untersuchungen zu Ersatzgemischen für Otto- und Dieselkraftstoffe sowie alternative Kraftstoffe sind bei Pitz et al. (2007) und Farrell et al. (2007), Meeks et al. (2008) sowie Naik et al. (2010) zu finden.

Literatur Antoni, C. (1998): Untersuchung des Verbrennungsvorgangs im direkteinspritzenden Dieselmotor mit zyklusaufgelöster Emissionsspektroskopie, Dissertation, RWTH Aachen Chaos, M., Kazakov, A., Zhao, Z., Dryer, F. L. (2007): A High-Temperature Chemical Kinetic Model for Primary Reference Fuels, Int. J. Chem. Kinet., Vol. 39, 399–414 Curran, H. J., Gaffuri, P., Pitz, W. J., Westbrook, C. K. (1998): A Comprehensive Modeling Study of n-Heptane Oxidation. Comb. Flame, Vol. 114, 149–177 Curran, H. J., Gaffuri, P., Pitz, W. J., Westbrook, C. K. (2002): A Comprehensive Modeling Study of iso-Octane Oxidation, Comb. Flame, Vol. 129, 253–280 Farrell, J. T., Cernansky, N. P., Dryer, F. L., Friend, D.G., Hergart, C. A., Law, C. K., McDavid, R., Mueller, C. J., Pitsch, H. (2007): Development of an experimental database and kinetic models for surrogate diesel fuels, SAE Paper 2007-01-0201 Glassmann, I. (1996): Combustion, Academic Press Halstead, M., Kirsch, L, Quinn, C. (1977): The Autoignition of Hydrocarbon Fuels at High Temperatures and Pressures – Fitting of a Mathematical Model. Comb. Flame, Vol. 30 Kong, S.-C., Han, Z., Reitz, R. D. (1995): The Developement and Application of a Diesel Ignition and Combustion Model for Multidimensional Engine Simulations, SAE Paper 950278 Leppard, W. R. (1990): The Chemical Origin of Fuel Octane Sensitivity. SAE paper 902137 Lu, T., Law, C. K. (2009): Toward accommodating realistic fuel chemistry in large-scale computations, Progr. In Energy and Combustion Science, Vol. 35, 192–215 Lu, T., Law, C. K. (2006): Linear time reduction of large kinetic mechanisms with directed relation graph: n-Heptane and iso-octane, Comb. and Flame, Vol. 144, 24–36 Maas U., Pope S. B. (1992): Simplifying chemical-kinetics – intrinsic low-dimensional manifolds in composition space, Comb and Flame, Vol. 88, 239–264 Meeks, E., Ando, H., Chou, C.-P., Dean, A. M., Hodgson, D., Koshi, M., Lengyel, I., Maas, U., Naik, C. V., Puduppakkam, K. V., Reitz, R. D., Wang, C., Westbrook, C. K. (1988): New Modeling Approaches Using Detailed Kinetics for Advanced Engines, 7. International Conf. on Modeling and Diagnostics for Advanced Engine Systems (COMODIA), Sapporo Moran, M. J., Shapiro, H. N. (1992): Fundamentals of Engineering Thermodynamics. 2nd edition, Wiley, New York, NY Naik, C. V., Puduppakkam, K.V., Modak, A., Meeks, E., Wang, Y. L., Feng, Q., Tsotsis, T. T. (2010): Detailed chemical kinetic mechanism for surrogates of alternative jet fuels, Combust. Flame, Artikel im Druck, doi:10.1016/j.combustflame.2010.09.016 Pitz, W. J., Cernansky, N. P., Dryer, F. L., Egolfopoulos, F. N., Farrell, J. T., Friend, D. G., Pitsch, H. (2007): Development of an experimental database and kinetic models for surrogate gasoline fuels, SAE Paper 2007-01-0175 Reynolds, W. C. (1986): The Element Potential Method for Chemical Equilibrium Analysis: Implementation in the Interactive Program STANJAN, Stanford University Semenov, N. (1935): Chemical Kinetics and Chain Reactions. Oxford University Press, London Smith, G. P., Golden, D. M., Frenklach, M., Moriarty, N. W., Eiteneer, B., Goldenberg, M., Bowman, C. T., Hanson, R. K., Song, S., Gardiner, W. C. Jr., Lissianski, V. V., Qin, Z. (1999): http://www.me.berkeley.edu/gri_mech/ Tomlin, A. S., Turanyi, T., Pilling, M. J. (1997): Mathematical tools for the construction, investigation and reduction of combustion mechanisms; in Low-temperature Combustion and Autoignition; Pilling M. J., Hancock, G. (Hrsg.); Comprehensive Chemical Kinetics, Vol. 35, 293 Warnatz J., Maas U, Dibble RW (2001): Verbrennung: Physikalisch-Chemische Grundlagen, Modellierung und Simulation, Experimente, Schadstoffentstehung. 3. Aufl., Springer, Berlin

259

6

Schadstoffbildung

6.1 Abgaszusammensetzung Bei der vollständigen Verbrennung eines nur aus C- und H-Atomen bestehenden, so genannten C x H y -Brennstoffes enthält das Abgas die Komponenten Sauerstoff ( O 2 ), Stickstoff ( N 2 ), Kohlendioxid ( CO 2 ) und Wasserdampf ( H 2 O ).

Bei der realen Verbrennung treten zusätzlich zu diesen Bestandteilen auch die Produkte der unvollständiger Verbrennung Kohlenmonoxid ( CO ) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe ( HC ) sowie die unerwünschten Nebenprodukte Stickoxide ( NO x ) und Partikel auf. Im Gegensatz zu diesen gesundheitsschädlichen Stoffen wird das für den Treibhauseffekt mitverantwortliche CO 2 nicht als Schadstoff angesehen, da es keine direkte Gefahr für die Gesundheit des Menschen darstellt und als Endprodukt jeder vollständigen Oxidation eines Kohlenwasserstoffs auftritt. Eine Reduktion von CO 2 im Abgas ist daher nur durch eine Verbrauchsreduzierung oder durch einen veränderten Brennstoff, der bezogen auf seinen Heizwert einen geringeren Kohlenstoffanteil aufweist, zu erreichen. 4 CO [Vol.%]

NOX

3

3 4.10 2.103 NOX HC [ppm] [ppm] 3.103

2.103

2 HC

103

1 CO 0 0,8

1,0

1,2

l 1,4

Schadstoffkomponenten 103 VH = 1,6 l n = 3000 min-1 pme = 4 bar e = 9,4 500

Abb. 6-1: Schadstoffbildung in Abhängigkeit des Luftverhältnisses

Man unterscheidet die Begriffe vollständige und unvollständige sowie vollkommene und unvollkommene Verbrennung. Für Luftverhältnisse O p 1, 0 ist genügend Sauerstoff vorhanden, um den Brennstoff theoretisch vollständig zu verbrennen. Tatsächlich läuft jedoch bei solchen Luftverhältnissen die Verbrennung auch unter idealen Bedingungen maximal bis zum chemischen Gleichgewicht, also immer unvollständig ab. Dadurch liegen nach der Verbrennung auch bei ausreichendem Sauerstoffangebot immer gewisse Mengen an CO und unverbrannten Kohlenwasserstoffen vor. Bei Luftverhältnissen O  1, 0 kann der Brennstoff infolge von O2-Mangel nicht vollständig verbrennen. Unter idealen Bedingungen läuft die Verbrennung erneut unvollständig und bestenfalls bis zum chemischen Gleichgewicht ab. Bei allen Luftverhältnissen kann die Verbrennung darüber hinaus unvollkommen ablaufen, da beispielsweise der Sauerstoff nicht ideal mit dem Brennstoff gemischt ist oder da bestimmte Reaktionen so langsam ablaufen, dass das chemische Gleichgewicht nicht erreicht wird. G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

260

6 Schadstoffbildung

Die Bildung von CO, HC und NO x ist in erster Linie vom lokalen Luftverhältnis O und der damit gekoppelten Verbrennungstemperatur abhängig, siehe 285. Während CO und HC als Produkte der unvollständigen Verbrennung bei fettem Gemisch ( O 1,0 ) ansteigen, wird die NO x -Bildung durch eine hohe Temperatur bei ausreichendem Sauerstoffangebot begünstigt ( O |1,1 ). Bei magerem Gemisch ( O !1,2 ) sinkt die Verbrennungstemperatur, so dass die NO x -Emission abfällt und die HC -Emission ansteigt. In Abb. 6-2 sind exemplarisch die Zusammensetzungen der Abgase (ohne Katalysator) von konventionellen Otto- und Dieselmotoren angegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Abgaszusammensetzung sowohl zwischen unterschiedlichen Motoren und Zertifizierungsstufen als auch zwischen unterschiedlichen Betriebspunkten variiert. Aus Abb. 6-2 ist ersichtlich, dass der Schadstoffanteil aus energetischer Sicht keine Bedeutung für den Motorprozess hat, sondern nur wegen seines Gefährdungspotenzials für die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt. Obwohl der Dieselmotor nur etwa ein Fünftel der Schadstoffmenge des Ottomotors emittiert, ist die absolute NO x -Konzentration nicht sehr verschieden. Während beim Dieselmotor neben den Stickoxiden auch die Partikelemission eine kritische Größe darstellt, ist beim konventionellen Ottomotor das CO die dominierende Schadstoffkomponente. Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung sind demgegenüber auch Partikelemissionen von Bedeutung. N2: 72,1 % O2 und Edelgase: 0,7 % H2O: 13,8 % CO2: 12,3 % Schadstoffe: 1,1 %

Partikel: 0,0008 % NOx: 0,13 % HC: 0,09 %

CO: 0,90 %

a)

N2 : 73,8 % O 2: 9 % H2O: 9 % CO2: 8 %

SO2:0,011 % Ruß: 0,002 % HC: 0,008 % CO: 0,008 %

Schadstoffe: 0,2 % b)

6.2

NOx: 0,17 %

Abb. 6-2: Rohemissionen (ohne Katalysator) in Volumenprozent. a) Ottomotor b) Dieselmotor

Kohlenmonoxid (CO)

Bei Verbrennung von Kohlenwasserstoffen entsteht CO als ein Zwischenprodukt der Oxidation, vgl. Kapitel 5.2. Unter stöchiometrischen ( O 1, 0 ) und überstöchiometrischen ( O ! 1, 0 ) Bedingungen kann CO theoretisch vollständig zu CO2 oxidiert werden. Bei lokalem Luftmangel ( O  1, 0 ) bleibt CO grundsätzlich als ein Produkt der unvollständigen Verbrennung erhalten.

6.3 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC)

261

Die entscheidenden Reaktionen bei der Oxidation von CO sind die Reaktionen mit einem Hydroxylradikal und mit einem Hydroperoxydradikal. CO  OH l CO 2  H

(6.1)

CO  O  M l CO 2  M und

(6.3)

CO  HO 2 l CO 2  OH (6.2) Dabei ist Reaktion (6.1) klar dominierend. Reaktion (6.2) spielt lediglich während Selbstzündungsprozessen eine Rolle, da hier HO2 in relativ hoher Konzentration vorkommt (vgl. Kapitel 5.2.2). Weitere Oxidationsreaktionen, die jedoch bei Anwesenheit von Wasserstoffatomen eine untergeordnete Bedeutung besitzen, sind CO  O 2 l CO 2  O . (6.4) Da Reaktion (6.1) unter den meisten Bedingungen dominiert, ist die CO-Oxidation stark von der Konzentration an OH-Radikalen abhängig. Dabei ist die Reaktionsrate von Reaktion (6.1) deutlich niedriger als die Reaktionsrate bei der Reaktion zwischen OHRadikalen und Kohlenwasserstoffen (Westbrook und Dryer, 1984). Aus diesem Grund ist die CO-Oxidation normalerweise inhibiert, bis die Brennstoffmoleküle und Kohlenwasserstoff-Zwischenspezies oxidiert sind (vgl. auch Abb. 5-4 in Kapitel 5.2.1). Im unterstöchiometrischen Bereich ( O  1, 0 ) läuft Reaktion (6.1) wegen des O 2 -Mangels in Konkurrenz zur H 2 -Oxidation ab (6.5) H 2  OH l H 2 O  H . Im Gegensatz zur kinetisch kontrollierten Reaktion (6.1) befindet sich Reaktion (6.5) bei höheren Temperaturen praktisch im Gleichgewicht. Mit steigendem Luftverhältnis und steigender Temperatur wird die Abweichung der Kinetik vom OHC-Gleichgewicht geringer und die CO-Konzentration nimmt deshalb mit steigendem Luftverhältnis O ab.

Im stöchiometrischen Bereich ( O | 1,0 ) lassen sich die Reaktionen (6.1) und (6.5) in sehr guter Näherung als Bruttovorgang durch die Wassergasreaktion beschreiben (6.6) CO  H 2 O l CO 2  H 2 , die in diesem Fall in Gleichgewichtsnähe abläuft, weil die Überschusskonzentrationen der Kettenträger H und OH dabei sehr groß sind.

Im überstöchiometrischen Bereich ( O ! 1,0 ) läuft die CO-Oxidation nicht mehr in Konkurrenz zur H 2 -Oxidation ab und wird wieder durch Reaktion (6.1) dominiert. Im extrem mageren Gemisch ( O ! 1,4 ) entsteht wieder vermehrt CO wegen der niedrigen Temperaturen und der unvollständigen Verbrennung im wandnahen Bereich des Brennraums. Generell ist die CO-Oxidation stark von der Temperatur abhängig, so dass die Reaktion (6.1) auch während der Expansion zunehmend langsamer wird. Die CO-Konzentration im Abgas entspricht deshalb etwa der Gleichgewichtskonzentration bei 1700 K.

6.3

Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC)

Bei der Verbrennung von C x H y -Brennstoffen treten, unter der Voraussetzung, dass O ! 1 ist, „hinter“ der Flammenfront keine messbaren HC-Konzentrationen auf. HC stammt deshalb aus Zonen, die nicht oder nicht vollständig von der Verbrennung erfasst werden. Dabei setzen sich die unverbrannten Kohlenwasserstoffe aus einer Vielzahl ver-

262

6 Schadstoffbildung

schiedener Komponenten zusammen, die entweder vollständig unverbrannt oder aber schon teiloxidiert sein können. Vom Gesetzgeber wird heute nur die Summe aller HCKomponenten, die üblicherweise mit einem Flammen-Ionisations-Detektor bestimmt wird, beschränkt. Dabei wird keine Aussage über die Zusammensetzung dieser unverbrannten Kohlenwasserstoffe getroffen und damit auch nicht das besondere Gefährdungspotenzial bestimmter Bestandteile berücksichtigt. Unter den unverbrannten Kohlenwasserstoffen befinden sich auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, so genannte PAK, die für die Rußbildung im Dieselmotor von Bedeutung sind, vgl. Kapitel 6.4.2.

6.3.1

Quellen von HC-Emissionen

Bei Betrachtung der HC-Emissionsquellen muss zwischen Brennverfahren mit homogenem Gemisch, beispielsweise in konventionellen Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung oder HCCI-Brennverfahren und Brennverfahren mit heterogenem Gemisch, also beispielsweise in DI-Dieselmotoren oder Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Schichtbetrieb, unterschieden werden. Grundsätzlich emittieren Motoren den größten Teil der unverbrannten Kohlenwasserstoffe bereits in der Kaltstart- und Warmlaufphase, da hier relativ niedrige Temperaturen im Brennraum vorliegen, so dass eine Nachoxidation nur im geringen Maße abläuft. Bei konventionellen Ottomotoren mit homogener Gemischbildung sind die wichtigsten Quellen der HC-Emissionen, Cheng at al. (1993):

y Flammenlöschen innerhalb eines Spaltes infolge zu starker Abkühlung der Flammeny y y

y y y

front, Adsorption und Desorption von Brennstoff im Ölfilm auf der Zylinderbuchse, Adsorption und Desorption von Brennstoff in Ablagerungen an den Brennraumwänden, flüssiger Brennstoff mit hohem Molgewicht im Zylinder, der vor Ende der Verbrennung nicht ausreichend schnell verdunstet und mit Luft gemischt wird, frontales Löschen der Flamme bei Annäherung an eine kalte Wand, Flammenlöschen infolge zu kleiner Flammengeschwindigkeit während der Expansion (rascher Temperaturabfall) oder lokales Flammenlöschen bei mageren Gemischen sowie Leckage von Brennstoff-Luft-Gemisch durch die geschlossenen Auslassventile.

Dabei ist zu beachten, dass die oben genannten Mechanismen zwar zunächst der Verbrennung gewisse Mengen Brennstoff entziehen, dieser Brennstoff zu späteren Zeiten jedoch zumindest noch teilweise nachoxidieren kann. Dies wird beispielhaft in Abb. 6-3 verdeutlicht. Zu Beginn der Verbrennung entweicht ein Teil des Gemisches in den Kolbenringverband und wird so nicht von der Flammenfront erfasst. Ein Teil des entwichenen Gemisches verbleibt im Kurbelgehäuse und wird bei modernen Motoren in den Ansaugbereich zurückgeführt. Ein anderer Teil strömt gegen Ende der Verbrennung wieder in den Brennraum zurück. Zu diesem späten Zeitpunkt liegen die Brennraumtemperaturen oft schon so tief, dass nur eine geringe Oxidation zu vollständigen Verbrennungsprodukten möglich ist. Ein Teil dieses Gemisches verbleibt jedoch als Restgas im Zylinder und kann so im nachfolgenden Verbrennungszyklus oxidiert werden. Insbesondere nehmen unverbrannte Kohlenwasserstoffe, die durch Flammenlöschen an den Brennraumwänden entstehen, einen relativ kleinen Teil der tatsächlich im Abgas gemessenen Kohlenwasserstoffe ein. Stattdessen diffundieren die Brennstoffmoleküle nach dem Flammenlöschen relativ schnell in das noch heiße Verbrennungsgas und werden so oxidiert.

6.3 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) Einl.

Ausl.

263

Einl.

Ausl.

Therm. Grenzschicht Wirbel

Material aus dem Kolbenringbereich

Einl.

Ausl.

Wirbel"überbleibsel"

Therm. Grenzschicht

Abb. 6-3: Schematische Darstellung der HC-Entstehung

Die verschiedenen Pfade der HC-Bildungsmechanismen bei der Verbrennung in einem älteren Ottomotor mit Saugrohreinspritzung sind in Abb. 6-4 beispielhaft dargestellt, Cheng et al. (1993). Es ist zu erkennen, dass das Flammenlöschen in Spalten die Hauptquelle der HC-Emissionen darstellt. Insgesamt werden in dem gezeigten Beispiel zunächst 8,3 % des Brennstoffs nicht von der Flamme erfasst. Im Abgas vor dem Katalysator verbleiben jedoch nur ca. 1,7 % des Brennstoffs als unverbrannte Kohlenwasserstoffe. Einen großen Einfluss auf die HC-Emissionen von konventionell betriebenen Ottomotoren besitzt die Brennraumform. So steigen die HC-Emissionen in der Regel mit zunehmendem Oberflächen-Volumen-Verhältnis an. Für eine ausführliche Darstellung des Einflusses der Brennraumform auf die HC-Emissionen sei zudem auf Borrmeister und Hübner (1997) verwiesen. Brennstoff 100% Brennraum: CO2, H2O, CO, Schadstoffe nur Brennstoff

91%

Ölsch. 1% Ablag. 1% fl. BS 1,2% 3,2% Oxidation im Zylinder 4,5%

9%

Quenching 0,5% Spalte 5,2% Ventile 0,1% 5,1%

1/3 Oxid. 2/3 Oxid. 2,1%

Oxidation im Abgas

0,9%

HC - Bildung Gemisch

Blow - By 0,6%

1,7% 3,8%

1,2%

Residual HC 1,2%

1,7% HC nach A-Ventil 1,8% Katalysator Vollständig verbrannter BS im Abgas (97,8 - 98,1)%

HC im Abgas (0,1 - 0,4)%

HC - Rückführung 1,8%

Abb. 6-4: HC-Bildungsmechanismen bei der ottomotorischen Verbrennung, Cheng et al. (1993)

264

6 Schadstoffbildung

Neben anderen motorischen Parametern hat insbesondere der Zündzeitpunkt einen großen Einfluss auf die HC-Emissionen. Eine Spätverstellung des Zündbeginns führt zu höheren Gastemperaturen während der Expansion, so dass aus Spalten, Öl und Ablagerungen austretender Brennstoff besser oxidiert werden kann. Sehr späte Zündzeitpunkte führen allerdings wieder zu einem Anstieg der HC-Emissionen. Für weitere Details zum Einfluss des Zündzeitpunktes sei auf Eng (2005) verwiesen. Bei einem idealen HCCI-Brennverfahren liegt keine Flammenfrontverbrennung vor. Stattdessen findet eine Raumzündung statt, d. h. das homogene Gemisch zündet an mehreren Stellen gleichzeitig. Trotzdem sind die Quellen für HC-Emissionen ähnlich wie beim konventionell betriebenen Ottomotor. Die genannten Mechanismen der HC-Entstehung bei homogenen Brennverfahren sind insgesamt sehr komplex und eine quantitative Berechnung der HC-Emission ist deshalb noch nicht möglich. Für eine näherungsweise Berechnung der HC-Emissionen sind insbesondere eine sehr detaillierte Darstellung der Brennraumgeometrie, inklusive aller Spalten und dem Ringbereich sowie detaillierte Verbrennungsmodelle, die Flammenlöschen und Teiloxidation vorhersagen können, notwendig. In Motoren mit heterogenem Gemisch gelangen in der Regel nur kleine Mengen Brennstoff-Luftgemisch in den Ringbereich und in Spalten, so dass diese Mechanismen von untergeordneter Rolle sind. Die wichtigsten Quellen für HC-Emissionen in Dieselmotoren und Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Schichtbetrieb sind:

y der äußere Rand des Sprays, die Gemischzusammensetzung liegt außerhalb des Zündy y

y

y y

y

y

bereichs (zu mager), der innere Spray-Bereich, die Gemischzusammensetzung ist zu fett, Löschen der Diffusionsflamme durch raschen Druck- und Temperaturabfall während der Expansion, an der Wand angelagerter Brennstoff verdunstet wegen zu niedriger Temperaturen nur langsam und wird nicht vollständig oxidiert, „Nachspritzer“ durch erneutes Öffnen der Düsennadel nach Einspritzende. Daraus resultieren extrem große Brennstofftropfen, die nur langsam verdunsten und verbrennen können, Ausdampfen von unverbranntem Brennstoff aus dem Sacklochvolumen der Einspritzdüse gegen Ende der Verbrennung, Ausgasen von Brennstoff durch Injektorleckage insbesondere nach dem Abstellen des Motors und anschließendem Kaltstart, Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung kann es im Schichtbetrieb zusätzlich zu Fehlzündungen in einzelnen Arbeitsspielen kommen, wenn das Brennstoff-Luftgemisch an der Zündkerze zu mager ist.

Im Hinblick auf den vorletzten Punkt ist in Abb. 6-5 der Einfluss des Sacklochvolumens auf die HC-Emission des Dieselmotors schematisch dargestellt. Die HC-Emissionen steigen näherungsweise linear mit dem Sacklochvolumen an. Dabei sind die HC-Emissionen für Sitzlochdüsen prinzipbedingt am geringsten. Für weitere Details zu den HC-Entstehungsmechanismen bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung sei auf van Basshuysen (2008) verwiesen. Wie bei Brennverfahren mit homogenem Gemisch sind die HCEntstehungsmechanismen bei Brennverfahren mit heterogenem Gemisch sehr komplex und finden, wie das Ausdampfen aus der Düse in lokalen Bereichen statt, so dass auch hier nur eine qualitative Berechnung möglich ist.

6.3 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC)

265

Abb. 6-5: Schematische Darstellung der HC-Emission in Abhängigkeit des Sacklochvolumens

6.3.2

Nicht limitierte Schadstoffkomponenten

Unter der Gesamtmasse der unverbrannten Kohlenwasserstoffe befinden sich einige Substanzen, deren Anteil bis heute nicht explizit limitiert ist, die aufgrund ihres Gefährdungspotenzials jedoch besondere Bedeutung haben. „ Carbonylverbindungen

Carbonylverbindungen können dem menschlichen Organismus schaden, indem sie direkt oder durch die in der Atmosphäre gebildeten Folgeprodukte auf ihn einwirken. So tragen sie z. B. zusammen mit Stickstoffdioxid zur Bildung von bodennahem Ozon bei (fotochemischer Smog). Zu den Carbonylverbindungen zählen die Aldehyde und Ketone, die jeweils über mindestens eine charakteristische Carbonylgruppe verfügen. Sie entstehen als teilverbrannte Brennstoffbestandteile, deren vollständige Oxidation vorzeitig abgebrochen wurde. •



R - CH2 - CH3 + O •2 •



R - CH2 -CH2 + O •2



R - CH2 - CH2 + HO2 •

R - CH2 - CHO + OH





R - CH2 - CH2 - OO





R - CH2 - O + HCHO





R - CH2 - CH2 + O• 2



R - CH = CH2 + HO2 R - CH2 - CH2 - OO •

R - CH = CH2 + OH



R - CHO + CH3 •

R - CH2 + HCHO Formaldehyd Carbonylverbindungen:

• • •

R - CH2 - CH2 - OO

R + HCHO + HCHO



R - CH2 - CH2 - OO + R - H

R - CH2 - CH2 - OOH





R - CH2 - CH2 - OOH + R



OH + R - CH2 + HCHO R - CH2 - OH + HCHO

- Aldehyde - Ketone (hier nicht gezeigt)



• • •

bei vollständiger Verbrennung: H2O + CO2

Abb. 6-6: Ausschnitt aus dem Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema

266

6 Schadstoffbildung

In Abb. 6-6 ist qualitativ ein Ausschnitt aus dem Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema mit den in der Endphase der Oxidation auftretenden Aldehyden R-CHO, sowie dem Formaldehyd HCHO gezeigt. Diese Darstellung vermittelt auch eine Vorstellung von der Komplexität des der C x H y -Oxidation zugrunde liegenden Oxidationsschemas. Ergänzend dazu sind in Abb. 6-7 die heute nachweisbaren Carbonylverbindungen und in Abb. 6-8 die Verteilung der Carbonylverbindungen im Abgas eines Nutzfahrzeug-Dieselmotors dargestellt, vgl. Lange (1996).

C1-Komponente: O H

Formaldehyd H

C4-Komponenten: O

H3C

C2-Komponenten: O H3C O

Acetaldehyd

O

H3C

O

O Glyoxal

H

C3-Komponenten: O Propionaldehyd H O Acrolein H

H3C H 2C

O

ButyrHC H aldehyd 3

Isobutyraldehyd H3C

O

H3C

O H2C H 3C O H 3C

O

O Aceton

CH3

H2C

CrotonH aldehyd

3-Pentanon CH3

Methacrolein H

O

O Furfural H

O

O

H

O Hexanal

CH3 O

Cyclohexanon

H

H

O

Heptanal H

Aromaten:

C6-Komponenten: H3C

2-Butanon CH3

Cyclopentanon

O

C7-Komponente:

Valeraldehyd H3C

H

H3C

H

H

H3C

H

C5-Komponenten:

H3C O IsobutylMetylmethylvinylketon H3C CH3 keton CH3

O

Benzaldehyd

o-Tolylaldehyd Acetophenon

CH3

Abb. 6-7: Nachweisbare Carbonylverbindungen, Lange (1996)

C1: Formaldehyd (73,4%) C2: Acetaldehyd (15,2%) C3: Propionaldehyd (2,2%) Acrolein (4,4%) Aceton (2,0%) C4: (Iso)Butyraldehyd (0,7%) Crotonaldehyd (0,6%) Methacrolein (0,4%) 2-Butanon (0,1%) C5: Valeraldehyd (0,5%) C6: Hexanal (0,1%) C7: Heptanal (0,1%) Aromaten: Benzaldehyd (0,3%)

Abb. 6-8: Verteilung der Carbonylverbindungen im Abgas eines Nutzfahrzeug-Dieselmotors, Lange (1996)

6.3 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC)

267

„ Dioxine und Furane

Dioxine sind aromatische Kohlenwasserstoffe mit völlig untoxischen bis hin zu extrem toxischen Verbindungen. Der Begriff schließt häufig noch die chemisch und toxikologisch verwandte Klasse der Furane ein. Seit dem Chemieunfall von Seveso im Jahre 1976 steht jedoch das damals freigesetzte und extrem toxische 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-Dioxin („Seveso-Gift“) oft stellvertretend für alle Dioxine. Zur Erläuterung des chemischen Aufbaus sind in Abb. 6-9 die Strukturformeln des Benzolrings, einiger chlorierter sowie polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe und in Abb. 6-10 die Strukturformeln der heterozyklischen aromatischen Verbindungen Pyridin, Dioxin und Furan sowie zweier substituierter Verbindungen dargestellt. 1. Drei verschiedene Darstellungen für Benzol H H H

C C

C

C

C C

H H

H 2. Chlorierte aromatische HC OH OH Cl Cl

Cl

Cl

Cl

Cl Cl

Cl

Cl

Cl 2,4,5 - Trichlorphenol

Cl

Cl Pentachlorphenol

Cl 2,3,3',4',5' Pentachlorbiphenyl

3. Polyzyklische aromatische HC (PAK)

Naphthalin

Pyren

Benzo(a)pyren

Abb. 6-9: Aufbau einiger aromatischer Kohlenwasserstoffe

Als Vorläufer der Dioxine und Furane sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polyzyklische Biphenyle (BCB) Cl

Cl

und polychlorierte Terphenyle (PCT) Cl

Cl

zu nennen.

Cl

268

6 Schadstoffbildung 1. Heterozyklische aromatische Verbindungen (Hetarene) O N O Pyridin Dioxin 2. Derivate des Benzols OH O=C_H

Phenol NH2

Benzaldehyd NO2

Amilin

Nitrobenzol

O Furan O=C_O_H

Benzosäure CH3 NO2 NO2 NO2 Trinitrotoluol (TNT)

Abb. 6-10: Aufbau heterozyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe

In Abb. 6-11 sind die Strukturformeln von Dibenzofuran, Dibenzodioxin, das so genannte Seveso-Gift, sowie die Zahl der möglichen Derivate angegeben. 8 7 8 7

9 6 9 6 H

O

O O

1 4 1

2 3

Dibenzofuran

2 3

Dibenzodioxin (Dibenzo-p-dioxin)

4 H

Cl

O

Cl

Cl

O

Cl

H

2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin ("Seveso-Gift")

H

PCDD 75 ... ... Dioxine PCDF 5020 135 PXDF ... 3320 ... PXDD: polyhalogenierte Dibenzodioxine PCDD: polychlorierte Dibenzodioxine PXDD 1700

Abb. 6-11: Dioxinverbindungen

In Abb. 6-12 sind die Größenordnungen der Konzentrationen der verschiedenen Schadstoffkomponenten im Abgas eines Verbrennungsmotors angegeben. Bezüglich der Größenordnung unterscheiden sich verschiedene Bauarten von Motoren sowie auch Otto- und Dieselbrennstoffe nicht. Man erkennt, dass die Konzentrationen aller Dioxine und Furane in der Größenordnung 10–9 kg pro kg Abgas und die Konzentrationen des berüchtigten

6.4 Partikelemission beim Dieselmotor

269

Seveso-Giftes in der Größenordnung 10–14 kg pro kg Abgas, und damit weit unterhalb der Nachweisgrenze heutiger Messverfahren liegen. Für weitere Ausführungen sei auf Bühler (1995) und Bühler et al. (1997) verwiesen.

1

=

10 0

N2

10-1

CO2, H2O

10 mg/g

μg/g

ng/g

10-3

NOx, HC

10

Toluol, Benzol

10

-5

H-CHO, Phenole

10-6

NH3

10

-7

Gesamt-PAK

10

-8

Benzo(a)pyren

10-9

Summe PXDF

-10

Summe PXDD

-11

Summe Tetra- bis Octa CDD/CDF

10

10-12

Summe TCDF

-13

Summe TCDD

10

fg/g

CO, O2

-4

10

pg/g

-2

10-14

2,3,7,8-TCDD

10-15

2,3,7,8-TCDD (Kat)

2,3,7,8- TCDD = ^ 2,3,7,8- Tetrachlordibenzo-p-dioxin ("Seveso-Gift", 1976)

Abb. 6-12: Schadstoffkonzentrationen im Abgas von Verbrennungsmotoren, Bühler (1995)

6.4

Partikelemission beim Dieselmotor

6.4.1

Einführung

Als Partikelgehalt im Abgas wird die Menge aller Stoffe bezeichnet, die von einem bestimmten Filter erfasst werden, nachdem das Abgas nach einem definierten Verfahren verdünnt und auf T  52 qC abgekühlt worden ist (EN ISO 8178). Die unterschiedlichen, in motorischen Partikeln vorkommenden Bestandteile sind in Tab. 6-1. Den größten Anteil and der Gesamtpartikelmasse nehmen elementarer Kohlenstoff, der üblicherweise als Ruß bezeichnet wird, Kohlenwasserstoffe und Sulfate ein, wobei die exakte Zusammensetzung je nach Brennverfahren und Betriebspunkt variieren kann.

270

6 Schadstoffbildung

Tab. 6.1: Unterschiedliche Komponenten in Partikelemissionen Organische Partikel Anorganische Partikel

Ruß (unterschiedliche Form und Größe) Aschen von Öladditiven

Rostpartikel, Salze

Metallspäne

Ruß (in Form und Größe unterschiedliche Teilchen

Kohlenwasserstoffe sublimiert, kondensiert kristallisiert Keramische Fasern

Wasser

Kohlenwasserstoffe sublimiert, kondensiert kristallisiert

organische Partikel

anorganische Partikel Aschen von Rostpartikel Öladditiven Salze

Metallspäne

keramische Fasern

Wasser

Abb. 6-13: Unterschiedliche Komponenten in Partikelemissionen

Abb. 6-14 zeigt exemplarisch Auszüge aus den von Kweon et al. (2002) ermittelten Zusammensetzungen von Partikelemissionen eines Nfz-Dieselmotors an verschiedenen Lastpunkten bei konstanter Drehzahl. Die Gesamtpartikelmasse ist dabei bei den Betriebspunkten mit 75 % und 100 % Last ca. viermal höher als bei 25 % und 50 % Last. Es ist zu erkennen, dass die organischen Komponenten bei unterer Teillast und damit bei relativ großem Luft-Brennstoff-Verhältnis O, den größten Anteil der Partikelmasse ausmachen, während bei höherer Teillast und Volllast, d. h. bei niedrigem Luft-Brennstoff-Verhältnis O, elementarer Kohlenstoff deutlich überwiegt.

Abb. 6-14: Zusammensetzung von Dieselpartikeln, Kweon et al. (2002)

6.4 Partikelemission beim Dieselmotor

271

Der Anteil der Sulfate an der Gesamtpartikelmasse steigt tendenziell mit zunehmender Last an und nimmt bei 75 % Last einen Anteil von ca. 5 % ein. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Kweon et al. (2002) einen Dieselbrennstoff mit einem Schwefelgehalt von 350 mg/kg Brennstoff verwendet haben. Bei aktuell in Europa verwendeten Dieselbrennstoffen mit einem maximalen Schwefelgehalt von 10 mg/kg liegt der Sulfatanteil vermutlich deutlich niedriger. Die bei der Partikelentstehung ablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse sind zwar in groben Zügen verstanden, jedoch in vielen Details nicht hinreichend gut. Deshalb ist auch die Modellierung der Partikel- bzw. Rußbildung sehr problematisch. 50 nm Koagulation

Reaktionszeit

Oberflächenwachstum Koagulation Partikel - Entstehung Partikel - Zone

0,5 nm Molekular - Zone CO2 CO

H2O H2 O2

Abb. 6-15: Prinzipskizze der Rußbildung nach Bockhorn (1994)

Die Partikelentstehung besitzt nach heutigem Verständnis etwa den folgenden, in Abb. 6-15 schematisch dargestellten, Ablauf:

y chemische Reduktion der Brennstoffmoleküle unter sauerstoffarmen Bedingungen zu

kleinen Kohlenwasserstoffen, wobei kleine Alkene, Dialkene und Alkine und deren Radikale von besonderer Bedeutung sind; Bildung des ersten Benzolrings.

y Bildung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch Polymerisation von Ringen und fortschreitender Dehydrierung, dabei prozentualer Anstieg der CAtome,

y Kondensation und Bildung von Rußkernen (Nukleation) mit Abmessungen von etwa 1 bis 2 nm,

y Oberflächenwachstum und Koagulation von Rußkernen zu Rußprimärteilchen mit Durchmessern von etwa 20 bis 30 nm und anschließende Anlagerung verschiedener Substanzen,

y Zusammenschluss von Rußprimärteilchen zu langen kettenförmigen Strukturen durch Agglomeration,

y Verkleinerung der Rußteilchen und Zwischenspezies durch Oxidation mit O 2 -Molekülen und OH-Radikalen.

272

6 Schadstoffbildung

6.4.2

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

Die Bildung des ersten aromatischen Kohlenwasserstoff-(Benzol-)Ringes ist ein wichtiger, da oftmals geschwindigkeitsbestimmender, Schritt in der Rußentstehung. So skaliert beispielsweise die Rußbildung in mit unterschiedlichen Heptanisomeren angereicherten, nicht-vorgemischten Methanflammen linear mit der gebildeten Benzolkonzentration, McEnally et al. (2003). Die Bildung des ersten Benzolringes kann über unterschiedliche Reaktionspfade ablaufen, deren relative Anteile vom Brennverfahren und dem eingesetzten Brennstoff abhängen. Beispielhaft sollen an dieser Stelle der Acetylen- und der Ionen-Pfad dargestellt werden. Für weitere Details sei auf McEnally (2006) verwiesen. Beim Acetylen-Pfad spielt das bei fetter Verbrennung entstehende Ethin (Acetylen, C2H2) die entscheidende Rolle. In einer ersten Reaktion reagiert ein Ethin-Molekül mit einem Vinylradikal (C2H3). Nachfolgend sind, wie in Abb. 6-16 dargestellt, je nach lokaler Temperatur zwei verschiedene Reaktionswege möglich, wobei jeweils noch ein EthinMolekül zur Schließung des Benzolrings verbraucht wird, Frenklach und Wang (1994). Bei hohen Temperaturen entsteht ein Phenyl, bei niedrigen Temperaturen ein Benzolring.

¾

®

Hohe Temperatur +H + C2H2 C4H4 ¾® n-C4H3 ¾¾® - H2 +H -H2

®¾

C2H3 + C2H2 ¾® C4H5

+H

n-C4H5 + C2H2 ¾¾® Niedrige Temperatur

Abb. 6-16: Reaktionswege zur Bildung von Benzolringen nach Frenklach und Wang (1994)

Beim Ionen-Pfad reagieren Ethin-Moleküle zunächst mit ebenfalls im brennstoffreichen Gemisch vorliegenden CH- oder CH 2 -Gruppen zu C 3 H 3 -Ionen. Zwei solcher C 3 H 3 Ionen können sich anschließend unter Umlagerung von zwei H-Atomen zu einem Ring zusammenschließen, siehe Abb. 6-17. H

H

H 2C = C = C

C=C H

+

CH

H

CH C=C

H2 C = C = C H

H

Abb. 6-17: Entstehung von Benzolringen nach Warnatz et al. (1997)

Durch fortschreitende H-Abspaltung und C 2 H 2 -Anlagerung, dem so genannten HACAMechanismus (H-Abstraktion, C 2 H 2 -Addition), Frenklach und Wang (1994), entstehen zusammenhängende PAK-Gebilde, vgl. Abb. 6-18 a. Benzolringe können sich aber auch direkt zusammenschließen und dadurch komplexe Ringverbindungen aufbauen, siehe

6.4 Partikelemission beim Dieselmotor

273

Abb. 6-18 b. Man geht heute davon aus, dass im Brennstoff enthaltenen Aromaten unter sauerstoffarmen Bedingungen zunächst nicht in kleinere Kohlenwasserstoffe zerfallen, sondern direkt an dem PAK-Bildungsprozess teilnehmen, McEnally et al. (2006).

+ C2H2 -H

C

C

H C

+H - H2

C

H

+ C2H2 + C2H2 -H a) H - Abspaltung und C2H2 - Anlagerung +H

+ - H2 + H + C2H2 -H b) Ringzusammenschluss +H

6.4.3

Abb. 6-18: PAK-Wachstum nach Frenklach und Wang (1994)

Entstehung von Ruß

Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe wachsen zu immer größeren Gebilden an. Üblicherweise spricht man ab dem Moment von Rußpartikeln, zu dem die PAK nicht mehr in einer Ebene angeordnet sind, sondern ein räumliches Gebilde darstellen. Ein möglicher Mechanismus, der zur Bildung einer solchen Struktur führt, ist die Kollision zwischen zwei PAK-Molekülen, die ab einer bestimmten Größe der Moleküle über van der Waals Kräfte aneinander haften bleiben können. Diese so gebildeten Rußkerne besitzen Durchmesser von etwa 1 bis 2 nm. Obwohl die Rußkerne nur einen kleinen Anteil der Gesamtpartikelmasse ausmachen, sind sie für die weitere Rußbildung von entscheidender Bedeutung. Auf den Rußkernen findet im Folgenden ein Oberflächenwachstum statt, bei dem sich Moleküle aus der Gasphase an die Rußpartikel anlagern. Dabei geht man davon aus, dass das Oberflächenwachstum zu einem großen Teil über Ethin-Moleküle, in einem dem HACA-Mechanismus ähnlichen Prozess stattfindet. Des Weiteren kann ein Oberflächenwachstum über Kondensation von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auf der Rußoberfläche erfolgen. Auch Sulfate können auf der Oberfläche haften bleiben. Bei relativ kleinen Partikeln führt eine Kollision zu Koagulation, d. h. zwei kollidierende, näherungsweise sphärische Partikel bilden ein größeres, ebenfalls sphärisches Partikel. Größere Partikel agglomerieren, d. h., die an der Kollision beteiligten Partikel behalten ihre Form und haften aneinander. Die einzelnen agglomerierten Partikel nennt man Rußprimärteilchen. Unter dieselmotorischen Bedingungen besitzen sie einen Durchmesser von etwa 15 nm bis 35 nm, Mathis (2005). Die agglomerierten Partikel bilden oft eine verzweigte, kettenförmige Struktur.

274

6 Schadstoffbildung

Während des gesamten Rußbildungsprozesses kann es gleichzeitig zur Rußoxidation kommen, wobei je nach Randbedingungen sowohl molekularer Sauerstoff als auch das Hydroxylradikal OH die dominierende Rolle einnehmen können. Einzelne Rußpartikel in einer Flamme weisen unterschiedliche Raten des Oberflächenwachstums, der Oxidation, der Kondensation, der Koagulation und der Agglomeration auf, so dass sich eine Verteilung von Partikeln mit unterschiedlichen Durchmessern ergibt, die durch eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion beschrieben werden kann. Die Größe der Partikel erstreckt sich über einen weiten Bereich von 2  d P  150 nm, wobei aber auch Partikel mit Größen bis zu 10 μm entstehen können; das Maximum der Verteilung liegt jedoch bei etwa 100 nm. Die Verteilung der Partikelgrößen ist häufig tri-modal, vgl. Kittelson (1998). Die kleinsten Partikel im Abgas gehören zum sogenannten Nukleationsmodus ( d P  50 nm). Neben Rußpartikel gehören hierzu vor allem volatile Bestandteile die durch Kühlung des Abgases entstehen. Im sogenannten Akkumulationsmodus, der üblicherweise den größten Massenanteil aufweist, befinden sich die agglomerierten Rußpartikel. Die Partikel im Grobmodus bestehen aus agglomerierten Partikeln, die sich zeitweise an den Wänden im Zylinder im Auslass abgelagert und wieder gelöst haben (Kittelson, 1998). Das kumulierte Rußvolumen ist durch

S

S

º ª 1 N «¦ N i d P3 ,i » (6.7) 6 6 ¬ N ¼ ~ gegeben, wobei N die Partikelanzahl aller Rußpartikelgrößenklassen i und d den mittleren Durchmesser der diskrete Rußpartikelgrößenverteilung darstellt. Der Einfluss der Temperatur auf die Rußbildung ist schwer einheitlich zu beschreiben, da eine hohe Temperatur sowohl die Bildung (Pyrolyse) als auch den Abbau (Oxidation) von Ruß begünstigt. Unter vorgemischten Bedingungen gilt ein Temperaturfenster von 1.500 < T < 1.900 K als kritisch für die Rußbildung. Dies wird in Abb. 6-19 verdeutlicht, in dem der prozentuale Rußertrag in Abhängigkeit des Luftverhältnisses und der Temperatur dargestellt ist. VP

~ N d3

Rußertrag [%]

50 40 30 20 10 0

2000

0,4 0,5 Luftverhältnis λ

1800 1600

0,6 1400

Temperatur [K]

Abb. 6-19: Rußertrag als Funktion von Luftverhältnis und Temperatur, Pischinger et al. (1988)

6.4 Partikelemission beim Dieselmotor

275

Rußmassenbruch

Man erkennt den kritischen Temperaturbereich 1.500 < T < 1.900 und ein extremes Ansteigen der Rußemission für Luftverhältnisse O  0,6 , Pischinger et al. (1988). Bei nichtvorgemischten Flammen, wie sie im Dieselmotor auftreten, steigt die Rußbildung in fetten Gemischbereichen mit der Temperatur an. Gleichzeitig führen hohe Temperaturen zu einer schnellen Oxidation von Ruß in mageren Gemischbereichen. Die Problematik Pyrolyse-Oxidation ist in Abb. 6-20 exemplarisch verdeutlicht. Aufgetragen ist dabei der Rußmassenbruch im Brennraum als Funktion des Kurbelwinkels. Man erkennt, dass zu Beginn der Verbrennung relativ viel Ruß gebildet wird, der aber während der Haupt- und Nachverbrennung zum größten Teil wieder oxidiert wird. Die im Abgas gemessene Partikelmenge ist deshalb nur ein Bruchteil (ca. 1 bis 10 %) der maximal gebildeten. Aus diesem Grund ist die Rußbildung und -oxidation nur sehr schwer modellierbar, da selbst exakte Modelle für die Bildung und Oxidation, die für sich genommen Fehler im niedrigen Prozentbereich aufweisen, einen sehr großen Fehler in der absoluten Rußmenge im Abgas aufweisen können, Stiesch (2003). Aus diesem Grund ist die Modellierung der Rußemissionen unter motorischen Bedingungen in erster Linie für qualitative Fragestellungen geeignet.

6.4.4

ZOT

Kurbelwinkel

Abb. 6-20: Zeitlicher Verlauf der Rußkonzentration im DI-Dieselmotor, Stiesch (2003)

Modellierung der Partikelemission

Wie im vorangehenden Abschnitt beschrieben, ist die Rußbildung und -oxidation ein sehr komplexer Prozess, dessen Modellierung unter motorischen Bedingungen eine große Herausforderung darstellt und in erster Linie für qualitative Fragestellungen geeignet ist. Aus diesem Grund werden heutzutage noch häufig sehr einfache Modelle verwendet, wie beispielsweise das 2-Gleichungsmodell nach Nishida und Hiroyasu (1989). In diesem Modell werden Bildung und Oxidation mit jeweils einer empirischen Gleichung beschrieben. Die Netto-Änderung der Rußmasse ergibt sich aus der Differenz dieser beiden Größen: d m P,b dt d m P,ox dt dm P dt

ª 6.313 º Ab m B, g p 0,5 exp « », ¬ T ¼

ª 7.070 º Aox m P xO 2 p1,8 exp « », ¬ T ¼

d m P,b dt



d m P,ox dt

.

(6.8)

(6.9)

(6.10)

Die Rußbildung in Gl. (6.8) ist dabei direkt proportional der Brennstoffkonzentration. Mit diesem einfachen Modell sind Trendaussagen über die Rußbildung, jedoch keine quantitativ zuverlässigen Ergebnisse zu erzielen. Statt Gl. (6.9) wird zur Beschreibung der Rußoxidation häufig die Beziehung nach Nagle und Strickland-Constable (1962) verwendet.

276

6 Schadstoffbildung

In diesem halb-empirischen Modell wird angenommen, dass die Oberfläche der Rußpartikel teilweise aus reaktiven Bereichen A und weniger reaktiven Bereichen B besteht, eine Annahme, die auch in einigen detaillierten Rußmodellen verwendet wird. Die Oxidationsrate ergibt sich im Modell nach Nagle und Strickland-Constable zu:

½ ­°§ k A pO · 2 ¸ x  k B pO 1  x °¾ , ARuß ®¨ (6.11) 2 °¿ °¯¨© 1  k Z pO2 ¸¹ wobei der erste Term in der Klammer die Reaktion der reaktiven A-Oberfläche und der zweite Term die Reaktion der weniger reaktiven B-Oberfläche darstellt. Der Anteil der AOberfläche ist

Z

x

pO2  k t k B pO2

.

(6.12)

Die Reaktionsraten k A , k B , kt und k Z sind bei Nagle und Strickland-Constable (1962) zu finden. Zusätzlich wird häufig der Einfluss der OH-Radikale auf die Rußoxidation basierend auf der gaskinetischen Kollisionsrate berechnet, siehe Neoh (1976). Um insbesondere die direkte Abhängigkeit der Rußbildung von der Brennstoffkonzentration zu vermeiden, wurden in der Vergangenheit eine Reihe von phänomenologischen Rußmodellen entwickelt, beispielsweise von Belardini et al. (1994) oder Fusco et al. (1994), deren Modell später von Kazakov und Foster (1999) und Tao et al. (2005) erweitert wurde. In diesen Modellen werden auch Zwischenspezies wie z. B. Ethin (Acetylen, C 2 H 2 ) bilanziert und die im vorangegangenem Abschnitt dargestellten Schritte der Rußbildung, also PAK-Bildung, Rußkernbildung, Oberflächenwachstum, Koagulation und Oxidation beschrieben. Das Modell nach Tao et al. (2005) umfasst dabei 9 Reaktionen zwischen 6 Spezies; zusätzlich wird noch die Rußpartikel-Anzahldichte bilanziert. Die einzelnen Schritte des Modells sind schematisch in Abb. 6-21 dargestellt. Ein aktueller Vergleich zwischen mit dem Modell berechneten Ergebnissen und Experimenten für verschiedene Motoren und Betriebspunkte ist bei Tao et al. (2009) zu finden.

Abb. 6-21: Schematische Darstellung des phänomenologischen Rußmodells nach Tao et al. (2005)

6.4 Partikelemission beim Dieselmotor

277

Ein alternativer Ansatz zu den oben beschriebenen phänomenologischen Modellen zur Beschreibung der Rußbildung liegt in der Verwendung einer detaillierten Reaktionskinetik der Kohlenwasserstoffoxidation und Bildung der ersten aromatischen Ringe in Kombination mit dem empirischen Ansatz nach Gl. (6.7 bis 6.11), Vishwanathan und Reitz (2009). Die Idee hinter diesem Ansatz ist, dass die Bildung der ersten aromatischen Ringe den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Rußbildung darstellt. In detaillierten Rußmodellen wird eine detaillierte Reaktionskinetik der Kohlenwasserstoffoxidation und der PAK-Bildung mit einer phänomenologischen Beschreibung der Rußpartikeldynamik mit Rußkernbildung, Oberflächenwachstum, Kondensation, Koagulation, Agglomeration und Oberflächenoxidation gekoppelt. Beispiele für solche detaillierte Ansätze sind bei Frenklach und Wang (1994) und Mauß (1997) zu finden. Kern detaillierter Rußmodelle ist neben der verwendeten Reaktionskinetik die Beschreibung der Dynamik der Rußpartikel-Größenverteilung. Das Smoluchowski-Modell beschreibt die zeitliche Entwicklung der Verteilung in einem System kollidierender und koagulierender Partikel mit einer unendlichen Anzahl Differenzialgleichungen für die Partikelanzahldichten N i , Smoluchowski (1917), Frenklach (2002):

dN i dt

f 1 i 1 ¦ E j ,i  j N j N i  j  ¦ E j ,i N i N j ; i 2j 1 j 1

2,..., f

(6.13) . In Gl. (6.13) ist E ein Kollisionskoeffizient und der Index i steht für die Partikelgrößenklasse (bspw. die Anzahl der C-Atome im Partikel). Der erste Term der Gleichung beschreibt die Bildung von Partikeln der Größe i aus zwei Partikeln der Größe j und i-j, der zweite Term beschreibt die Verringerung von Partikeln der Größe i durch Kollision mit anderen Partikeln. Die weiteren Schritte der Rußbildung und Rußoxidation lassen sich in Gl. (6.13) über Quellterme einbinden. Ein häufig gewählter Ansatz zur Lösung der Smoluchowski-Gleichung ist dabei die Beschreibung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion über ihre Momente (Method of Moments, Frenklach (2002): Mr

f

r ¦ mi N i .

(6.14)

i 1

Dabei ist M r das r-te Moment der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion. Das 0. Moment beschreibt dabei die Gesamtpartikelanzahldichte, das erste Moment ist proportional zur Gesamtmasse der Partikel. Um die Smoluchowski-Gleichung in Momentengleichungen zu überführen, ist es notwendig zwischen den Momenten zu interpolieren, um gebrochene Momente zu erhalten, Method of Moments with Interpolative Closure, Frenklach (2002). Theoretisch liefert die Kenntnis aller Momente ( r 0, 1, ..., f ) die gleichen Informationen wie die Kenntnis über alle Partikelanzahldichten N i , allerdings werden im praktischen Einsatz lediglich die Gleichungen für einige wenige Momente gelöst, siehe z. B. Mauß (1997). Dadurch ergibt sich der Hauptvorteil der Method of Moments, nämlich die relativ hohe rechnerische Effizienz. Ein Nachteil der Methode ist, dass die eigentliche Verteilungsfunktion nicht ohne weitere Annahmen aus den berechneten Momenten zurückgewonnen werden kann. Alternative Verfahren zur Lösung der Partikelgrößenverteilung sind beispielsweise die Diskretisierung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion in einzelne Sektionen, Sectional Method, Netzell et al. (2007), eine Lösung mit der Galerkin-Methode, Appel et al. (2001) und auf der Monte-Carlo Methode basierende Ansätze, siehe z. B. Mosbach et al. (2009).

278

6 Schadstoffbildung

Trotz der in letzter Zeit erzielten Fortschritte in der Modellierung der Rußbildung und Rußoxidation sind jedoch noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Unter motorischen Bedingungen ist insbesondere zu beachten, dass die Güte der Modellierung der Rußbildung stark von der Güte der Modellierung der vorangehenden Prozesse, wie Spray- und Gemischbildung, Zündung und turbulente Verbrennung, abhängt. Darüber hinaus sind weitere Entwicklungen im Verständnis der Oxidation von Kohlenwasserstoffen, der PAKBildung, der Partikelreaktionen und der Partikeldynamik sowie der numerischen Beschreibung dieser Prozesse notwendig.

6.5

Stickoxide

Stickoxide ( NO x ) begünstigen in der Troposphäre die Bildung von bodennahem Ozon und fotochemischem Smog. Bei der motorischen Verbrennung entsteht hauptsächlich Stickstoffmonoxid ( NO ), das jedoch nach längerem Verweilen unter atmosphärischen Bedingungen fast vollständig in Stickstoffdioxid ( NO 2 ) umgewandelt wird. Das NO kann bei der Verbrennung auf vier verschiedenen Wegen gebildet werden. Man unterscheidet das so genannte thermische NO, das innerhalb der Verbrennungsprodukte bei hohen Temperaturen nach dem Zeldovich-Mechanismus aus Luftstickstoff gebildet wird, das so genannte Prompt-NO, das bereits in der Flammenfront durch den Fenimore-Mechanismus aus Luftstickstoff entsteht, das über den N2O-Mechanismus gebildete NO und schließlich das so genannte Brennstoff-NO, das durch Stickstoffanteile im Brennstoff hervorgerufen wird. Die Bedeutung der unterschiedlichen Bildungsmechanismen ist unter motorischen Bedingungen stark von den Betriebsbedingungen abhängig. Unter den meisten Bedingungen dominiert der Zeldovich-Mechanismus. Bei niedrigen Temperaturen, die beispielsweise über Abgasrückführung erzielt werden, steigt die Bedeutung des Prompt-NO Pfades unter brennstoffreichen und des N2O-Pfades unter sauerstoffreichen Bedingungen. Die Bildung über den Brennstoff-Pfad ist unter motorischen Bedingungen zumeist vernachlässigbar.

6.5.1

Thermisches NO

Die thermische NO-Bildung läuft „hinter“ der Flammenfront im so genannten Verbrannten ab und wurde erstmals von Zeldovich (1946) beschrieben. Der von Zeldovich angegebene Zweischritt-Reaktionsmechanismus wurde später von Lavoie (1970) erweitert. Dieser erweiterte Zeldovich-Mechanismus besteht aus den drei Elementarreaktionen k1 O  N 2 mo NO  N

k2 N  O 2 m o NO  O

N  OH mo NO  H k3

(6.15) (6.16) (6.17)

mit den experimentell zu ermittelnden Geschwindigkeitskonstanten k i . Obwohl die thermische NO-Bildung nach dem Zeldovich-Mechanismus einer der meist untersuchten Reaktionsmechanismen ist, besteht nach wie vor Unsicherheit in der Wahl der Geschwindigkeitskonstanten. In der Literatur werden hierfür zum Teil abweichende Werte vorgeschlagen, von denen einige in Tab. 6-2 zusammengefasst sind.

6.5 Stickoxide

279

Für die NO-Bildungsrate erhält man mit den Reaktionsgleichungen (6.15) bis (6.17) d[ NO] k1,r [O][ N 2 ]  k 2,r [ N][O 2 ]  k 3,r [ N][OH] dt (6.18)  k1,l [ NO][ N]  k 2,l [ NO][O]  k 3,l [ NO][H], und für die zeitliche Änderung der Stickstoffatom-Konzentration folgt d[ N] k1,r [O][ N 2 ]  k 2,r [ N][O 2 ]  k 3,r [ N][OH] dt  k1,l [ NO][ N]  k 2,l [ NO][O]  k 3,l [ NO][H].

(6.19)

Liegt die momentane NO-Konzentration unterhalb der Gleichgewichtskonzentration der entsprechenden Temperatur, wie dies in weiten Abschnitten der motorischen Verbrennung der Fall ist, hat die Hinreaktion entscheidenden Einfluss auf den Gesamtumsatz. Erst wenn die momentane NO-Konzentration oberhalb der Gleichgewichtskonzentration der entsprechenden Temperatur liegt, wird der Gesamtumsatz maßgeblich durch die Rückreaktion bestimmt. Im Motor tritt diese Situation jedoch allenfalls gegen Ende des Expansionstaktes auf, wenn die Temperatur bereits weit abgesunken ist. Tab. 6.1: Geschwindigkeitskoeffizienten für die Hinreaktionen des Zeldovich-Mechanismus Reaktion i

ki,r [cm3/mol s]

Autor

(6.14)

  38.400 ¯ ° 1,8¸1014 exp ¡ ¡¢ T °±

Baulch et al. (1994)

  38.020 ¯ ° 0,544¸1014 T 0,1 exp ¡ ¡¢ T °±

GRI-MECH 3.0 (2000)

  38.000 ¯ ° 0,76¸1014 exp ¡ ¡¢ T °±

Heywood (1988)

  38.061¯ ° 4,93¸1013 T 0,0472 exp ¡ ¡¢ T °±

Pattas (1973)

  3.150 ¯ ° 6, 4¸109 T exp ¡ ¡¢ T °±

Baulch et al. (1994)

  3.280 ¯ ° 9,0¸109 T exp ¡ ¡¢ T °±

GRI-MECH 3.0 (2000)

  2.860 ¯ ° 1, 48¸108 T 1,5 exp ¡ T ±° ¢¡

Pattas (1973)

3,0¸1013

Baulch et al. (1994)

  195 ¯ ° 3,36¸1013 exp ¡ ¢¡ T ±°

GRI-MECH 3.0 (2000)

4,1¸1013

Heywood (1988)

4, 22¸1013

Pattas (1973)

(6.15)

(6.16)

280

6 Schadstoffbildung

An den Geschwindigkeitskonstanten für die Hinreaktionen ist zu erkennen, dass die NOBildung über die Reaktion (6.15) sehr viel langsamer abläuft als über die Reaktionen (6.16) und (6.17). Für eine Temperatur von T  1800 K erhält man z. B.

ª m3 º k1,r | 1,0˜10 2 , k 2,r | 2,0˜10 9 , k 3,r | 2,8˜1010 « ». ¬« kmols ¼»

Die erste Reaktion besitzt wegen der stabilen N 2 -Dreifachbindung eine hohe Aktivierungsenergie und läuft deshalb erst bei hohen Temperaturen ausreichend schnell ab, daher auch der Name „thermisch“. Sie ist deshalb der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Die obigen Zahlenwerte zeigen, dass bei 1800 K die erste Reaktion um sieben bis acht Zehnerpotenzen langsamer als die zweite und dritte abläuft. Abb. 6-22 zeigt den Verlauf des Geschwindigkeitskoeffizienten k1,r in [g/(mol s)] in Abhängigkeit der Temperatur T. -1 k 1,r 10

g mol×s

2

1 T

10-14 10-16

Faktor 103

10-18 10-20

Faktor 2

1

2

104

5000

3

4

5

2500 2000 38370 T

6

104 K/T T/K

Abb. 6-22: Geschwindigkeitskoeffizient der ersten Zeldovich-Reaktion

Man erkennt, dass eine Verdopplung der Temperatur die thermische NO-Bildung um den Faktor 103 steigert, bzw. bei Anhebung der Temperatur von 2000 auf 2500 K das thermisch gebildete NO auf das etwa 50-fache ansteigt. Wegen dieser starken Temperaturabhängigkeit spricht man von einer kinetisch kontrollierten NO-Bildung. Das bedeutet, dass die chemische Reaktionskinetik bei den im Brennraum vorliegenden Temperaturen langsam im Vergleich zu den physikalischen Zeitskalen des Strömungsfeldes ist und dass der chemische Gleichgewichtszustand daher nicht erreicht werden kann. Dies soll durch Abb. 6-23 verdeutlicht werden, in dem qualitativ die NO-Konzentration bei Annahme des Gleichgewichts und unter Beachtung der Kinetik nach Zeldovich dargestellt ist. Der kinetisch kontrollierte Prozess nach Zeldovich produziert zunächst wesentlich weniger NO als bei Annahme von Gleichgewicht ( 1 ), in der späten Phase der Verbrennung wird aber wegen des bei niedrigeren Temperaturen extrem langsam ablaufenden Prozesses das gebildete NO nicht wieder über die Rückreaktionen zurückgebildet ( ' 2 ). Man spricht von einem „Einfrieren“ der Reaktion.

6.5 Stickoxide

281

Gleichgewicht

[NO]

Kinetik

D1

Abb. 6-23: NO-Konzentrationen bei Gleichgewichtszustand bzw. kinetisch kontrollierter NO-Bildung

D2 j

OT

Weil die Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktionen (6.16) und (6.17) um Zehnerpotenzen größer als die der Reaktion (6.15) ist, wird der im ersten Reaktionsschritt gebildete atomare Stickstoff im zweiten und dritten Schritt sofort weiter zu NO umgesetzt. Die Konzentration des atomaren Stickstoffs bleibt deshalb nach einer kurzen Anlaufphase praktisch konstant. Deshalb kann die Konzentration von [N] als quasi-stationär angenommen werden (vgl. Kapitel 5.1.3): d[N] | 0. (6.20) dt

Damit folgt nach Addition der Beziehungen (6.18) und (6.19): d[ NO] dt

2k1,r [O][ N 2 ]  2k1,l [ NO][ N] .

(6.21)

Für die unbekannte Konzentration der Stickstoffatome [ N] erhält man durch Umformung von Gleichung (6.19) unter Beachtung von Gleichung (6.20) [ N]

k1,r [O][ N 2 ]  k 2,l [ NO][O]  k 3,l [ NO][H] k1,l [ NO]  k 2,r [O 2 ]  k 3,r [OH]

(6.22) .

NO - Bildung

10 000

NO - Zerfall

NO [ppm]

T = 2200 K

8 000

2300 K T = 2800 K

6 000 2700 K

4 000

2800 K

2400 K

2700 K

2600 K

2600 K

2500 K

2500 K

2400 K

2 000

2300 K 2200 K

0

0

5

10 Zeit [ms]

15

20 0

5

10 Zeit [ms]

15

20

Abb. 6-24: NO-Bildung und -Zerfall in einem thermischen Reaktor; p = 60 bar; 1 O = 1,0

282

6 Schadstoffbildung

Damit enthält Gl. (6.21) außer der Konzentration von NO nur noch die Konzentration von N2 und die Konzentrationen O, O2, OH und H des OHC-Systems, das unter der Annahme des partiellen Gleichgewichts gelöst werden kann, vgl. Kapitel 5.1.3. In Abb. 6-24 sind die NO-Bildung und der NO-Zerfall in einem thermischen Reaktor bei 60 bar und O 1 für verschiedene Temperaturen als Funktion der Zeit dargestellt. Die Abbildung zeigt, dass das Gleichgewicht desto schneller erreicht wird, je höher die Temperatur ist; für T = 2400 K nach etwa 20 ms und für T = 2800 K bereits nach etwa 3 ms. Da eine Temperatur von 2800 K im Motor aber allenfalls für einen extrem kurzen Zeitraum direkt in der Flammenfront erreicht wird und weil die Temperatur im verbrannten Gemisch wegen der Beimischung von unverbrannter Frischluft schnell abfällt, kann das Gleichgewicht in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht erreicht werden. Die NO-Bildung bei der motorischen Verbrennung muss daher mit Hilfe der Reaktionskinetik berechnet werden.

6.5.2

Prompt-NO

Die Bildung von so genanntem Prompt-NO in der Flammenfront selbst ist wesentlich komplexer als die thermische NO-Bildung, weil dieser Prozess sehr eng mit der Bildung des CH -Radikals verbunden ist, das in vielfältiger Weise reagieren kann. Die PromptNO-Bildung wurde erstmals von Fenimore (1979) beschrieben. Fenimore postulierte dabei die Reaktion von CH mit N 2 zu HCN (Cyanwasserstoff bzw. Blausäure), die schnell zu NO weiterreagiert, als entscheidenden Reaktionspfad: fr CH  N 2 o HCN  N .

k

(6.23)

In GRI-MECH 3.0 (2000) ist die Reaktionsrate mit kf

3 § 10130 · m 3,12 ˜10 9 exp ¨  ¸ T ¹ kmol s ©

(6.24)

angegeben. Ethin (Acetylen, C 2 H 2 ) als Vorläufer des CH -Radikals wird nur unter brennstoffreichen Bedingungen in der Flammenfront gebildet, deshalb auch der Begriff „Prompt-NO“. Wegen der relativ geringen Aktivierungsenergie der Reaktion läuft die Prompt-NO-Bildung schon bei Temperaturen ab etwa 1000 K ab. Im weiteren Verlauf reagiert HCN auf unterschiedlichen Pfaden weiter zu NCO und NH, Miller und Bowman (1989): HCN  O

HCN  O

HCN  OH

CN  O 2

mo NCO  H ,

mo NH  CO ,

mo CN  H 2 O , mo NCO  O .

(6.25) (6.26) (6.27) (6.28)

Die nachfolgenden Reaktionen von NH und NCO, wobei N-Atome gebildet werden, sind relativ schnell, so dass die oben genannten Reaktionen geschwindigkeitsbestimmend sind. Die Verteilung von NO und N2 in der Flamme ist dann abhängig von den um das Stickstoffatom konkurrierenden Zeldovich-Reaktionen (6.15) und (6.17). Reaktion (6.22) war bis vor wenigen Jahren als die entscheidende Reaktion im PromptNO Mechanismus akzeptiert. Theoretische Berechnungen der Reaktionsrate von Ciu et al.

6.5 Stickoxide

283

(1999) und Vergleich mit experimentellen Untersuchungen zeigen jedoch, dass die theoretisch berechnete Rate um zwei Größenordnungen zu klein ist. Moskaleva et al. (2000) untersuchten einen Prompt-NO Pfad mit NCN als Zwischenspezies: kr CH  N 2 o NCN  H .

(6.28)

Basierend auf ihren Rechnungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass diese Reaktion gegenüber der ursprünglichen Reaktion (6.22) bevorzugt abläuft und dass mit dieser Reaktion die gefundenen experimentellen Ergebnisse besser reproduziert werden. Sutton et al. (2008) bestätigen die Relevanz des NCN-Pfades experimentell mit Hilfe von Messungen mit laserinduzierter Fluoreszenz in Methanflammen. Das gebildete NCN kann mit unterschiedlichen Spezies reagieren und HCN, CN, NCO und NO bilden, Glarborg et al. (1998): NCN  H

NCN  O 2

NCN  OH NCN  O

m o

m o

m o

m o

HCN  N ,

NO  NCO ,

(6.30)

CN  NO .

(6.32)

HCN  NO ,

(6.31)

(6.33)

Für einen Vergleich zwischen einem GRI-MECH 3.0 Mechanismus, in dem der HCNPfad durch den NCN-Pfad ersetzt wurde und experimentellen Ergebnissen sei der Leser auf Sutton und Fleming (2008) verwiesen. Wie an den oben dargestellten unterschiedlichen Reaktionspfaden deutlich wird, existiert bezüglich des genau ablaufenden Mechanismus sowie über die einzelnen Reaktionsraten der Prompt-NO Bildung noch erheblicher Forschungsbedarf.

6.5.3

Über N2O-Mechanismus erzeugtes NO

Dieser Reaktionsmechanismus ist dann von Bedeutung, wenn magere Brennstoff-LuftGemische die Bildung von CH zurückdrängen und damit wenig Prompt-NO gebildet wird und wenn weiterhin niedrige Temperaturen die Bildung von thermischem NO unterdrücken. N2O (Lachgas) wird analog zur ersten und geschwindigkeitsbestimmenden Reaktion des Zeldovich-Mechanismus gebildet, N 2 O Mo N 2O M .

(6.34)

Dabei läuft die Reaktion aber mit einem aus der Reaktion unverändert hervorgehenden Stoßpartner M ab, der die Aktivierungsenergie im Vergleich zur Reaktion (6.14) deutlich herabsenkt. Die NO-Bildung erfolgt dann durch Oxidation von N 2 O entsprechend N 2 O  O o NO  NO .

(6.35)

Weil das N 2 O nur in einer Dreierstoß-Reaktion gebildet wird, läuft dieser Reaktionsweg bevorzugt bei hohen Drücken ab. Niedrige Temperaturen bremsen diese Reaktion kaum. Das über N 2 O gebildete NO ist die wesentliche NO-Quelle bei der mageren vorgemischten Verbrennung in Gasturbinen. Dieser Mechanismus ist aber auch bei der motorischen Verbrennung zu beachten. So ist er bei der ottomotorischen Magerverbrennung sowie bei modernen dieselmotorischen Brennverfahren mit hohen Spitzendrücken von Bedeutung.

284

6 Schadstoffbildung

Weiterhin ist er vermutlich der wesentliche NO-Bildungsmechanismus bei der mageren HCCI-Verbrennung, Amnéus et al. (2005).

6.5.4

Brennstoff-Stickstoff

Die Umwandlung von im Brennstoff gebundenem Stickstoff in Stickoxid spielt bei der motorischen Verbrennung keine Rolle, weil Brennstoffe zumindest für im Straßenverkehr eingesetzte Verbrennungsmotoren praktisch keinen gebundenen Stickstoff enthalten. Sie kann aber bei bestimmten Schwerölen niedriger Qualität eine Rolle spielen, Besio und Nobile (2001). Auch bei der Kohleverbrennung ist die Bildung von NO über BrennstoffStickstoff von Bedeutung, da auch „saubere“ Kohle etwa 1 % gebundenen Stickstoff enthält. Die Reaktion läuft nach allgemeiner Vorstellung über Cyanwasserstoff HCN und Ammoniak (NH3) ab, siehe Miller und Bowman (1989). Die weitere Umsetzung von HCN läuft über den in Gleichungen (6.25) bis (6.27) gegebenen Mechanismus.

6.5.5

Reaktionen zu NO2

Die in Flammen für die NO/NO2-Verteilung wichtigsten Reaktionen sind (Miller und Bowman, 1989): NO  HO 2

NO  OH

NO  O 2

m o

m o

m o

NO 2  OH , NO 2  H ,

NO 2  O .

(6.36) (6.37) (6.38)

Dabei wird NO2 in erster Linie über Reaktion (6.35) bei niedrigen Flammentemperaturen, bei denen hohe HO 2 -Konzentrationen vorliegen, gebildet und insbesondere über Reaktion (6.37) bei höheren Temperaturen abgebaut. Üblicherweise ist das Verhältnis von NO2 zu NO im Abgas von Verbrennungsmotoren relativ gering. Unter mageren Bedingungen, sehr hohen Abgasrückführraten oder sehr späten Einspritzzeitpunkten, wie sie z. B. teilweise in mager betriebenen Gasmotoren, HCCI- oder Diesel-Brennverfahren eingesetzt werden, wurden in den letzten Jahren jedoch deutlich höhere Anteile von NO2 im Abgas festgestellt, siehe z. B. Liu et al. (2004), Hill und McTaggart-Cowan (2005) und Upatnieks et al. (2005). Eine Erklärung für diesen Anstieg ist, dass bei diesen Brennverfahren bei niedrigen Temperaturen verstärkt NO2 über Reaktion (6.38) gebildet wird, dieses NO2 aufgrund schlechter Durchmischung und insgesamt langsamer Verbrennung aber nicht mehr zu NO zurückreagieren kann, siehe Amnéus et al. (2005).

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Literatur

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286

6 Schadstoffbildung

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287

7

Emissionsmesstechnik

7.1

Einführung

Die Bestimmung der Abgaszusammensetzung sowie der Gesamtmassen an emittierten Schadstoffen und Klimagasen wird ein immer wichtiger und aufwendiger Teil der Motoren- und Fahrzeugentwicklung. Die Motivation, Abgas zu messen, kann man in drei Hauptbereiche unterteilen:

y Gesetzliche Vorgaben erfüllen: Regierungen haben den Auftrag den Bürger vor Um-

weltgefahren zu schützen und haben deshalb die zulässigen Emissionswerte von Kraftfahrzeugen limitiert. Diese Begrenzung unterliegt einer ständigen Verschärfung, da die Gesamtzahl des weltweiten Fahrzeugbestandes und andere Anwendungen von Verbrennungsmotoren seit Jahrzehnten stetig steigen. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunft fortsetzen. Fahrzeuge und Motoren dürfen nur verkauft werden (Typfreigabe) wenn nachgewiesen ist, dass sie diese Vorgaben erfüllen. Dazu werden in definierten Prüfzyklen die gesamt emittierten Massen der einzelnen Schadstoffkomponenten bestimmt und entweder auf die Fahrstrecke (g/km) oder die geleistete Arbeit (g/kWh) bezogen. Neuerdings werden in Europa auch die Anzahl an Partikel limitiert, dies erfolgt analog zu den anderen Limits bezogen auf die Wegstrecke (N/km) oder erbrachte Arbeit (N/kWh).

y Motorenentwicklung: Die Zusammensetzung der Abgase gibt einen Einblick in die

Verbrennungsqualität des Motors (Gemischbildung, Verbrennung, Luft/KraftstoffVerhältnis, usw.), sowie über die Funktion eines Abgasnachbehandlungssystems. Dafür werden vor allem die emittierten Abgas-Konzentrationen gemessen und zusammen mit den gemessenen Ansaugluft- und Kraftstoffmassen bewertet (Mengenbilanzen).

y Umweltrelevanz: Für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Verwendung von

Verbrennungsmotoren muss die Umweltbelastung, die von emittierten Schadstoffen und Klimagasen ausgeht, minimiert werden. Die Abgasmessung bestimmt was (Komponenten) und wie viel (Masse) der einzelne Motor oder das einzelne Fahrzeug emittiert. Es wird kontinuierlich gemessen, welche Massen der einzelnen Schadstoff- und Klimagaskomponenten je Zeiteinheit (g/s) emittiert werden. Bei den obigen Punkten sei nochmals hervorgehoben das es beim Punkt 1 (motorbezogene Information) oft ausreicht nur die Schadstoff Konzentrationen zu messen, wo hingegen bei Punkt 2 und 3 (Umwelt relevante Informationen) die emittierten Schadstoffmassen entscheidend sind. Die Konzentrationsmessung wird mittels unterschiedlicher Analysatoren realisiert. Die Massen können nicht direkt gemessen werden und müssen immer aus verschiedenen Messdaten berechnet werden.

7.2

Messgasaufbereitung

In den meisten Fällen ist es nicht möglich das Abgas direkt im oder am Auspuff zu messen. Deshalb wird entweder eine kleine Probenmenge entnommen und diese über diverse Leitungen, Filter, Pumpen und Ventilen den eigentlichen Analysatoren zugeführt, oder es wird das gesamte Abgas mit Umgebungsluft verdünnt und eine Probe des verdünnten G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_7, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

288

7 Emissionsmesstechnik

Abgases analysiert. In beiden Fällen ist es wichtig, dass das zu messende Abgas so konditioniert wird, dass es einerseits für die Messanalysatoren geeignet ist eine genaue Messung zu ermöglichen und es andererseits zu keiner Verfälschung des Abgases kommt, zum Beispiel durch chemische Umwandlungen auf dem Weg zum Analysator oder durch Ablagerungen von Abgaskomponenten. Diese Konditionierung wird Messgasaufbereitung genannt. Im folgendem wird sie in zwei Unterkapitel beschrieben, einmal die Aufbereitung einer unverdünnten Abgasprobe für die Messung von gasförmigen Komponenten in einer Abgasmessanlage und zweitens die Aufbereitung des Abgases mittels Verdünnung.

7.2.1

Messgasaufbereitung für Abgas-Messanlagen (AMA)

Meistens werden die gasförmigen Abgaskomponenten CO2, CO, HC, NOx und O2 gemessen, je nach Aufgabenstellung können aber noch weitere Komponenten hinzukommen, wie CH4, NH2, N2O und andere. Bei der Messung der gasförmigen Komponenten werden entweder einzelne Gasanalysatoren verwendet, typischerweise wird je Komponente ein Analysator verwendet, oder ein einziger Multi-Komponentenanalysator. Zusammen mit den entsprechenden Pumpen, Ventilen und anderen Komponenten werden die Gasanalysatoren in einem Schrank zu einem gesamten Messsystem zusammengebaut. Dieses Gesamtsystem nennt man Abgas-Messanlage (AMA).

Abb. 7-1: Beispiel des inneren Aufbaus einer Abgas Messanlage (AVL AMA i60). Im oberen Bereich befinden sich die einzelnen Abgasanalysatoren und im unteren Drittel die Messgasaufbereitung

Eine AMA enthält neben den einzelnen Gasanalysatoren ein komplexes pneumatisches System aus Leitungen, Pumpen und Ventilen (Abb. 7-2). Diese Pneumatik fördert die Abgasprobe aus dem Abgastrakt des Motors zu den einzelnen Analysatoren. Zusätzlich sind eine Vielzahl an Ventilen und Leitungen vorhanden, die verschiedenste Betriebs- und Kalibriergasse ebenfalls den Analysatoren zuführen.

7.2 Messgasaufbereitung

289

Die Probenkonditionierung verhindert dass sich die Zusammensetzung der Probe auf dem Weg zu den Analysatoren verändert, wie zum Beispiel die Verhinderung von ungewollter Wasserkondensation oder Ablagerungen gewisser Kohlenwasserstoffverbindungen, wie sie bei Dieselmotorenabgas vorkommen können. Weiters werden Partikel aus dem Abgas gefiltert, um eine Verschmutzung der Analysatoren zu verhindern.

EP

Abgasrohr

HP

Exhaust pipe SP

Probenentnahme Beheizter Vorfilter Beheizte Probenleitung

B

Beheizter Filter Heated Filter

Kühler / Trockner

HL

Beheizte Leitung Heated Line

CO2

CO-Analysator CO-Analyzer

HC

THC-Analysator THC-Analyzer

NOx

Dryer (Cooling Bath)

Heated Sample Line HF2

Systemdrückregler Back pressure Regulator

Heated Prefilter HSL

CO

Heated Pump R

Sample Probe HF1

Beheizte Pumpe

NOx-Analysator NOx Analyzer

NOx/NO

NO2-zu-NO-Konverter NO2-to-NO-Converter

CO2-Analysator CO2 Analyzer

Abb. 7.2: Schematischer Aufbau einer Abgasmessanlage (nach ISO 16183), zur leichteren Orientierung in der meist englischsprachigen Literatur sind die Hauptbegriffe zusätzlich in Englisch angegeben

Die Messgasaufbereitung beginnt unmittelbar bei der Abgasprobe und endet in der Messzelle des Analysators. Bei Messanlagen für unverdünntes (Roh-)Abgas sind folgende Punkte zu beachten.

y Die Messgasprobe (SP in Abb. 7-2) ist so auszulegen und so zu positionieren, dass die

entnommene Abgasprobe einen repräsentativen Mittelwert des Abgases entspricht. Bei schwierigen Einbausituationen in Krümmern oder nach starken Querschnittsveränderungen im Auspufftrakt kann es zu einer deutlich heterogenen Verteilung der Abgaskonzentrationen über den Querschnitt im Auspuffrohr kommen. Vorteilhaft sind hier

290

7 Emissionsmesstechnik

Proben die über den gesamten Querschnitt des Abgasrohres verteilt mehrere Löcher besitzen. Es ist ratsam bei kritischen Einbausituationen mehrere Probenstellen zu untersuchen oder die Messgasprobe während einer Probemessung hin und her zu bewegen. Bei einer unvorteilhaften Probenentnahme werden sich die Messwerte bei der Bewegung verändern, so dass eine andere Messstelle oder ein anderes Probendesign verwendet werden sollte.

y Abgasmessanlagen haben einen spezifizierten Druckbereich bei welchem sie betrieben

werden (typischerweise –200 bis +200 mbar, relativ). Ist der Druck an der Messstelle außerhalb dieses Bereichs sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Messstellen vor Abgasturboladern oder vor beladenen Dieselpartikelfiltern können deutlich höhere Drücke aufweisen, was den Einbau eines Druckreglers in die Abgasprobenleitung erfordert. Bei Messungen bei denen sich der Motor innerhalb einer Höhensimulationskammer befindet und die Messanlage außerhalb auf Normaldruck, kann es erforderlich sein eine zusätzliche Probengaspumpe zu verwenden um den Druckunterschied auszugleichen (ca. 100 mbar Unterdruck je 1000 Höhenmeter).

y Bei der Messung der gasförmigen Abgaskomponenten werden alle Feststoffe (Parti-

kel) durch Filter aus der Probe entfernt um eine Verschmutzung der Analysatoren und Ventile zu verhindern. Vorteilhafterweise wird diese Filterung (HF1 in Abb. 7-2) so nahe wie möglich an der Messstelle durchgeführt um das komplette System von Partikel freizuhalten.

y Verhinderung von Kondensation von schweren Kohlenwasserstoffen (HC). Bei der

Verwendung von Diesel als Kraftstoff entsteht im Abgas ein kleiner Teil von schweren (langkettigen) HC’s. Solche Kohlenwasserstoffe kondensieren schon bei Temperaturen unter 170 °C. Durch die Kondensation würden diese HC’s einerseits nicht gemessen und andererseits würden sie das System verschmutzen und zu späteren Zeitpunkten, wenn sie wieder abdampfen, die Messung verfälschen. In diesem Zusammenhang spricht man im Englischen vom Begriff „HC Hang-up“. Um dies zu verhindern werden alle abgasführenden Leitungen und Komponenten immer auf einer Temperatur von ca. 190 °C beheizt, von der Messstelle bis in die Messkammer des HC Analysators hinein. Andere Analysatoren, die keine HC messen, können natürlich bei niedereren Temperaturen betrieben werden.

y Verhinderung einer unkontrollierten Kondensation von Wasser. Durch die Verbren-

nung ist im Abgas ein relativ hoher Anteil and Wasserdampf enthalten, der bei Umgebungstemperatur als Wasser kondensiert. Um dies zu verhindern (Verschmutzung und Verfälschung der Messergebnisse) werden alle Abgas führenden Leitungen und Komponenten auf eine Temperatur über dem Taupunkt des Abgases beheizt. Typischerweise liegt der Taupunkt bei ca. 40 bis 55 °C, abhängig vom verwendeten Kraftstoff und Lambda des Motors. Auch hier ist sicherzustellen, dass die Beheizung durchgängig von der Messstelle bis zum Analysator.

y Gewollte Kondensation (Trockene Messung). Manche Gasanalysatoren sind nicht

geeignet bei höheren Temperaturen zu messen oder haben eine zu starke Querempfindlichkeit gegenüber Wasserdampf. Das sind vor allem die Analysatoren für CO und CO2 (NDIR) und für O2 (PMD). Bei diesen Analysatoren wird der Wasserdampf bewusst aus der Abgasprobe entfernt und dem Analysator trockenes Abgas zugeführt. In einem Kühler (B in Abb. 7-2) wird das Abgas auf ca. 4 °C abgekühlt und das kondensierte Wasser abgepumpt. Dadurch erhöht sich die Konzentration der restlichen Abgaskomponenten, da die Gesamtabgasmenge um den Wasseranteil reduziert wurde.

7.2 Messgasaufbereitung

291

Die vom Analysator gemessene „trockene“ Konzentration muss daher für die weitere Ergebnisberechnung korrigiert werden. Die Korrektur berücksichtigt die Veränderung aufgrund der entzogenen Wassermenge. Diese wird nicht gemessen sondern aus den Gaskomponenten CO, CO2, HC und der Kraftstoffzusammensetzung berechnet. Bei Abgas-Messanlagen (AMA) für verdünntes Abgas ist die Messgasaufbereitung deutlich weniger anspruchsvoll als bei AMA’s für unverdünnten Abgas. Verdünntes Abgas wird vor allem im Zusammenhang mit einer CVS (Constant Volume Sampler) gemessen. Es sind folgende Punkte zu beachten.

y Da das Motorabgas so stark mit Luft verdünnt wird, dass es bei Raumtemperatur zu

keiner Wasserkondensation kommt, brauchen solche Abgasmessanlagen im Normalfall auch nicht beheizt werden und es gibt auch keinen Kühler um das Wasser aus der Abgasprobe zu entfernen. Daher sind die gemessenen „feuchten“ Konzentrationen auch nicht mehr zu korrigieren, wie bei „trockenen“ Konzentrationen im Falle von unverdünnter Messung. Analysatoren die eine mögliche Querempfindlichkeit gegenüber Wasser haben sollten überprüft werden, damit eine zu große Querempfindlichkeit nicht zu falschen Ergebnissen führt. Dies betrifft typischerweise die CO- und CO2Messung.

y Für die Messung von Motoren mit niedrigsten Emissionen werden aber auch CVS und

AMA beheizt (ca. 30–40 °C). Dadurch wird der Taupunkt erhöht und es muss das Abgas nicht so stark mit Luft verdünnt werden, um Wasserkondensation zu verhindern. Durch die geringere Verdünnung werden die schon niederen Abgas-Konzentrationen nicht noch zusätzlich reduziert, was zu einer deutlichen Verbesserung der Messgenauigkeit führt.

y Aber auch bei verdünntem Abgas muss ein Kondensieren von schweren Kohlenwas-

serstoffen (HC), wie sie bei Dieselmotoren vorkommen, verhindert werden. Dazu wird die komplette Messkette bis zum HC Analysator auf ca. 190 °C beheizt. Die Messung erfolgt unmittelbar und kontinuierlich aus dem verdünnten Abgas und nicht aus den Beuteln der CVS Anlage.

7.2.2

Messgasaufbereitung durch Verdünnung

Emissionsmesstechnik hat die Aufgabe genau zu bestimmen welche Gesamtmassen an schädlichen Abgaskomponenten in die Umwelt freigesetzt werden. Während gasförmige Abgaskomponenten sich typischerweise nach dem Auspuff nicht mehr verändern ist die Bildung von Partikeln noch nicht abgeschlossen. Um Partikel richtig zu messen wird Abgas im Messsystem verdünnt um eine ähnliche Partikelbildung wie in der Umwelt zu erhalten. Die Verdünnung des Abgases bringt auch noch den Vorteile mit sich, dass der relative Wassergehalt im Abgas verringert wird und damit, insofern die Verdünnung hoch genug ist, Wasserkondensation im Messsystem verhindert wird. Diese Vorteile ergeben sich unabhängig davon ob das gesamte Abgas des Motor verdünnt wird oder nur eine kleinere Abgasprobe, wie bei Teilstrom-Verdünnungssystemen. Der bedeutendste Vorteil der Verdünnung von Abgas kommt, wenn man das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom-Verdünnung) in einem CVS-System (Constant Volume Sampler) verdünnt. Der Vorteil besteht darin, dass diese Methode es ermöglich mit relativ einfachen Messungen und Berechnungen die Gesamtmassenemissionen der einzelnen Schadstoffkomponenten zu bestimmen. Damit war dies auch in früheren Zeiten möglich, bevor moderne Messsysteme und Computer zu Verfügung standen. Aber auch heute noch,

292

7 Emissionsmesstechnik

ermöglicht die Einfachheit der Methode, dass ein Überprüfungsbeauftragter (z. B. TÜV) eine Messung auf Richtigkeit überprüfen kann, was bei komplexen Messverfahren und Berechnungen nur schwer möglich wäre. Die Hauptfunktion einer CVS (Constant Volume Sampling) liegt darin das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom) zu verdünnen und den Volumenstrom an verdünntem Abgas (Abgas und Verdünnungsluft) konstant zu halten. Das erfolgt meistens durch die Verwendung einer überkritischen Venturi Düse. Der Durchfluss dieser Düse wird so gewählt, dass er deutlich höher ist als der maximale Volumenstrom von Motorabgas. Die nötigen Durchflussvolumen der CVS sind stark von der Motorgröße und Anwendung abhängig. Typische Durchflüsse sind für:

y Nutzfahrzeugmotoren 120 ... 180 m3/min y Personenkraftwagen 8 ... 30 m3/min y Motorräder 1 ... 5 m3/min

Da der Gesamtdurchfluss der CVS konstant ist, wird je nach Abgasdurchfluss des Motors mehr oder weniger Verdünnungsluft durch den offenen Verdünnungslufteingang der CVS gesaugt (Verdünnungsluft Eingang in Abb. 7-3). Damit ergibt sich eine massenproportionale Gewichtung der Abgaskonzentrationen im verdünnten Abgas. Durch die Messung der verdünnten Abgaskonzentrationen und des Gesamtvolumens, das während der Messung durch die CVS geströmt ist, werden die Gesamtemissionsmassen der Schadstoffe berechnet. Auch wenn sich die verdünnten Konzentrationen kontinuierlich verändern, ist es nicht unbedingt nötig, diese auch kontinuierlich zu messen. Da für die Endergebnisberechnung nur die mittleren Konzentrationen im verdünnten Abgas erforderlich sind, können diese kontinuierlich gemessen und mathematisch gemittelt werden oder eine kleine Probenmenge wird über die Messzeit in Analysebeutel gesammelt (in Abb. 7-3 als grünes Oval dargestellt mit der Bezeichnung Beutel-Messung) und nach der Messung die darin enthaltenen Konzentrationen (pneumatisch-mechanische Mittelung) analysiert.

Abb. 7-3: Schematik der Methoden zur Bestimmung von Massenemissionen

7.3 Messung gasförmiger Bestandteile

293

In Abb. 7-3 sind die 3 Möglichkeiten dargestellt, Emissionsmassen zu bestimmen. Die oben erwähnte Methode der Vollstrom Verdünnung und Verwendung eines Beutels ist mit c gekennzeichnet. Mit d ist die kontinuierliche Messung der verdünnten Abgaskonzentrationen aus der CVS dargestellt, die proportional zur Massenemission des Motors ist. e stellt die Messung von unverdünntem Abgas (Roh-Abgas) direkt aus dem Auspuff des Motors dar. In dieser Methode müssen auch kontinuierlich die Abgasdurchflüsse des Motors gemessen werden und mittels einer Integralrechnung zu Massenemissionen umgerechnet werden.

7.3

Messung gasförmiger Bestandteile

Zur Messung der gasförmigen Komponenten werden entweder je zu messender Komponente ein Analysator verwendet oder nur ein einziger Multi-Komponentenanalysator. Oft kann eine Gaskomponente mittels verschiedener Messprinzipien gemessen werden. Die einschlägigen Abgasgesetzgebungen und Standards schreiben für die limitierte Abgaskomponente auch die zu verwendenden Messprinzipien vor. Typischerweise werden diese Messprinzipien nicht nur für die gesetzlichen Messungen verwendet sondern auch während der Motorentwicklung. Tab. 7-1: Darstellung der meisten gemessenen Abgaskomponenten und die dafür typischerweise verwendeten Messprinzipien. Die mit (*) gekennzeichneten Messprinzipien sind auch für die gesetzliche Typfreigabemessung zugelassen. Gas

Messprinzip

Abkürzung

CO2

Nichtdispersiver Infrarot Detektor

NDIR (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR

Nichtdispersiver Infrarot Detektor

NDIR (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR

Flamen Ionisations Detektor

FID (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR

Chemolumineszenz Detektor

CLD (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR

CO HC NOx O2

Paramagnetscher Detektor

PMD

NH3

Laser Dioden Spektroskopie

LDS (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR (*)

Nichtdispersiver Infrarot Detektor

NDIR (*)

Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

FTIR (*)

N2O

7.3.1

NDIR – Nichtdispersiver Infrarot Detektor

Die Strahlung einer Infrarotquelle wird durch eine zweigeteilte Messzelle geschickt. Es wird ein breites Spektrum von Infrarotstrahlung von der Quelle ausgesandt (in Abb. 7-4 Strahler) und diese Strahlung wird in ihrer Wellenlängenstruktur nicht verändert, das

294

7 Emissionsmesstechnik

bezeichnet man als nicht dispersiv. Ein Teil der Messgaszelle wird von der Abgasprobe durchströmt (in Abb. 7-4 Messzelle). Enthält die Abgasprobe Gasmoleküle, die Infrarotstrahlung absorbieren, wie z. B. CO oder CO2, werden je nach Gasmolekül gewisse Wellenlängen absorbiert. Der zweite Teil der Messzelle ist mit nicht absorbierendem Gas (z. B. Stickstoff N2) gefüllt. In dieser sogenannten Referenzzelle kommt es zu keiner Abnahme der Infrarotstrahlung (siehe Abb. 7-4). Mit einem Chopper (rotierende Lochscheibe) wird die Infrarot Strahlung alternierend unterbrochen.

Abb. 7-4: Schematick eines NDIR (Non-Dispersive Infrarot) Detektors

Befinden sich in der Abgasprobe Gasmoleküle die Infrarotstrahlung absorbieren kommt nach der Messzelle weniger Infrarotstrahlung auf den Detektor als aus der Referenzzelle. Der Unterschied der Intensität wird vom Detektor gemessen. Auch der Detektor besteht aus zwei Kammern, eine empfängt die Strahlung der Referenzzelle und die andere jene aus der Messzelle. Beide Detektorkammern sind jeweils mit jenem Gas gefühlt, welches vom Analysator gemessen werden soll (z. B. CO oder CO2). Damit kommt es auch im Detektor zur Absorption genau jener Wellenlängen, wie schon in der Messzelle. Dadurch ist die Selektivität des Detektors für das zu messende Gas gegeben. Die Strahlung die in den Detektor trifft wird ebenfalls absorbiert. In der abgeschlossenen Kammer erhöhen sich dadurch die Energie und damit der Druck. Umso höher die Konzentration des zu messenden Gases in der Messzelle ist, umso größer wird der Unterschied der Infrarotstrahlung durch die Messzelle verglichen zur Referenzzelle und damit auch die Druckdifferenz zwischen den beiden Kammern das Detektors. Dieser Druckunterschied wird gemessen, zum Beispiel als Durchbiegung einer beweglichen Membrane zwischen den zwei Detektorkammern. Durch das Choppern der Infrarotstrahlung erfolgt das alternierend und kann damit besser in der nachgeschalteten Elektronik verstärkt werden. Je höher die Konzentration in der Abgasprobe ist, umso größer wird das Messsignal des Detektors. Der Zusammenhang zwischen Konzentration und Messsignal entspricht dem Lambert-Beer’schen Gesetz, welches eine nicht lineare Funktion ist. Daher müssen NDIR Detektor immer linearisiert werden.

7.3 Messung gasförmiger Bestandteile

7.3.2

295

FID – Flame Ionisation Detektor

In der Messzelle eines Flame Ionisation Detektors (FID) verbrennt ein Gasgemisch aus Wasserstoff (H2) und Helium (He) mit synthetischer Luft. Die Flamme brennt zwischen einer Kathode und Anode an die eine elektrische Spannung angelegt ist. In die Flamme wird zusätzlich das Probengas beigemischt. Sind im Probengas Kohlenwasserstoffmoleküle enthalten werden diese gekrackt und ionisiert. Die erzeugten Ionen transportieren Strom zwischen Kathode und Anode. Der dadurch vorhandene Stromfluss stellt das Messsignal dar. Idealerweise würden alle Kohlenwasserstoffmoleküle in ionisierte Teile zerlegt werden, die jeweils nur ein Kohlenstoffatom enthalten. Damit wäre der Ionenstrom proportional zur Anzahl von Kohlenstoffatomen, die eine Bindung mit Wasserstoffatomen in der Abgasprobe haben. Real funktioniert der Craking- und Ionisierungsprozess nicht vollständig, hat aber eine konstante Effektivität für die einzelnen Kohlenwasserstoffmoleküle, dies wird als Strukturlinearität oder auch als Responsefaktoren bezeichnet. Responsfaktoren geben den Unterschied zwischen dem Messwert eines FID und der wirklichen Konzentration der unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindungen wieder. Typischerweise liegen Responsefaktoren für jene Kohlenwasserstoffe die in relevanten Mengen im Abgas enthalten sind zwischen 0,9 und 1,1. Ein FID ist damit nicht selektiv für einzelne Kohlenwasserstoffe, sondern misst einen Summenwert aller relevanten Kohlenwasserstoffe, man spricht von Gesamtkohlenwasserstoffen (Total Hydrocarbons auf Englisch).

Abb. 7-5: Schema eines FID (Flame Ionisation Detector)

7.3.3

CLD – Chemolumineszenz Detektor

Ein Chemolumineszenz Detektor misst die Konzentration von Stickoxid (NO) in einer Gasprobe. Für die Abgasmessung an Motoren ist aber meistens der Summenwert aus NO und Stickstoffdioxid (NO2) entscheidend. Der Summenwert von NO und NO2 wird als NOx bezeichnet. Entsteht bei einer chemischen Reaktion elektromagnetische Strahlung (sichtbares Licht), so spricht man von Chemolumineszenz. In der Messzelle des CLD’s wird NO mit Ozon (O3) zusammengemischt, und wandelt sich zu NO2 und O2 um. Ungefähr 10 % dieser Reaktionen ergeben ein NO2 Molekül in einem energetisch angeregten Zustand (NO2*).

296

7 Emissionsmesstechnik

Aus diesem energetisch angeregten Zustand kehren diese Moleküle wieder in den Basiszustand zurück und emittieren den Energieüberschuss des angeregten Zustandes als elektromagnetische Strahlung (Licht). Das entstehende Licht wird mit Fotodioden oder Photomultipliern gemessen und die Intensität des Lichtes ist direkt proportional zur NO Konzentration in der Messzelle. NO + O3 NO + O3 NO2*

o NO2 + O2 o NO2* + O2 o NO2 + hQ

bei ca. 90 % der NO Moleküle in der Probe bei ca. 10 % der NO Moleküle in der Probe mit h ... Planckkonstante hQ ... Lichtquantum (Photonen)

Das für diese Reaktion nötige Ozon wird im Analysator selbst in einem Ozongenerator aus Sauerstoff O2 erzeugt.

Abb. 7-6: Chemolumineszenz Detektor CLD (schematisch)

Damit kann ein CLD aber nur NO messen, um NOx (NOx = NO + NO2) messen zu können werden vor dem CLD Detektor alle NO2 Moleküle in NO umgewandelt. Dies geschieht in einem beheizten NO2/NO Konverter, der ähnlich einem Katalysator diese Umwandlung bewerkstelligt. Da NO2 teilweise in Wasser löslich ist muss Wasserkondensation in der Abgasprobe verhindert werden. Das wird üblicherweise durch Beheizung der Gaswege und des Analysators gemacht.

7.3.4

PMD – Paramagnetischer Detektor

Ein paramagnetischer Detektor nutzt die magnetische Eigenschaft von Sauerstoff (O2) zur Messung der Konzentration dieses Elementes. In der Messzelle des PMD wird ein starkes Magnetfeld erzeugt und von der Abgasprobe durchströmt. Aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaften versuchen die Sauerstoffmoleküle ins Zentrum des Magnetfeldes zu strömen. Dort ist eine unmagnetische Quarzkugel positioniert. Ein solcher Detektor ist immer symmetrisch gebaut, so dass es also zwei Magnetfelder als auch eine zweite Quarzkugel gibt. Beide Kugeln sind über einen Arm starr miteinander verbunden, weshalb man auch von einer Hantel -wie beim Gewichtheben- spricht. Die Hantel ist drehbar gelagert, so dass die Sauerstoffmoleküle, die ins Magnetfeld drängen, die Kugeln verdrängen würden und die Hantel verdrehen. Umso höher die Sauerstoffkonzentration ist umso höher ist diese Verdrängungskraft. Auf der drehbaren Achse der Hantel ist ein Spiegel montiert, mit dem mittels eines Lichtstrahls und eines Lichtdetektors die Drehung der Hantel gemessen wird. Entweder ist die Auslenkung

7.3 Messung gasförmiger Bestandteile

297

selbst das Messsignal, oder es wird über eine Regeleinheit die Hantel immer im Zentrum des Magnetfeldes gehalten. Der elektrische Strom, der benötigt wird, um ein Drehen der Hantel zu verhindern, ist dann das Messsignal.

Abb. 7-7: Schema eines Paramagnetischen Detektors (PMD) nach Mollenhauer 2007

7.3.5

FTIR – Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

Fourier Transform Infrarot Spektroskopy (FTIR) ist eine Infrarot basierende Messmethode, die eine Vielzahl an Abgaskomponenten zeitgleich messen kann. Die Messung basiert, ähnlich zu einem NDIR, auf der Absorption von infrarotem Licht durch die einzelnen Gaskomponenten. Das FTIR verwendet ein breites Wellenband im Infrarotbereich. In einem Michelson Interferometer (Abb. 7-8) wird die Intensität der einzelnen Wellenlängen kontinuierlich verändert. Dazu wird die Strahlung der Infrarotquelle mittels Strahlenteilers in zwei Strahlen aufgeteilt. Einer der beiden Strahlen trifft auf einen beweglichen Spiegel und der andere auf einen fixen Spiegel. Anschließend werden die beiden Strahlen wieder zu einem Strahl zusammengeführt. Durch die kontinuierliche Längsverschiebung des beweglichen Spiegels ergeben sich Weglängenunterschiede der beiden Stahlen und Interferenzeffekte, wenn die Strahlen wieder vereint werden. Abhängig von der Position des beweglichen Spiegels werden gewisse Wellenlängen ausgelöscht und andere verstärkt. Die Zusammensetzung des Infrarotstrahls, welche Wellenlängen verstärkt oder ausgelöscht werden, ist nicht bekannt. Der so kontinuierlich modifizierte Infrarot-Strahl wird durch die Messzelle geleitet und durch die in der Abgasprobe enthaltenen Gaskomponenten werden einzelne Wellenlängen absorbiert. Das Signal eines Infrarotdetektors, der ein breites Band an Wellenlängen messen kann, wird während der Spiegelbewegung aufgezeichnet. Dieses Diagramm der Infrarotintensität über der Zeit wird Interferogramm genannt.

298

7 Emissionsmesstechnik

Aus den Interferogrammen kann mittels der Fourier-Transformation Methode ein Infrarot Spektrum berechnet werden. Fourier-Transformation ist eine komplexe und rechenintensive mathematische Berechnungsmethode, die die Kurvenform eines Interferogramms in eine Vielzahl von Sinuskurven mit unterschiedlicher Amplitude und Frequenz zerlegt. Die Frequenz der Sinuskurve entspricht der Infrarotwellenfrequenz (Wellenlänge) und die Amplitude der Signalstärke nach der Messzelle. Aus den damit berechneten Infrarot Spektren wird ermittelt, welche Gaskomponenten in der Abgasprobe enthalten sind und in welcher Konzentration. Für die speziellen Gegebenheiten des Motorenabgases und die nötigen Genauigkeiten in der Motorenentwicklung sind aber Standardinfrarotspektrenauswertungen nicht Ziel führend, so dass zusätzliche auf den verwendeten Kraftstoff abgestimmte Auswertemethoden hinzugefügt werden.

Abb. 7-8: Schema eines FTIR-Messsystems (AVL SESAM-FTIR)

7.3.6

LDS – Laser Dioden Spektroskopie

Die Laserdioden Spektroskopie funktioniert ähnlich wie das NDIR Messprinzip. Anstelle der Infrarotquelle werden hier Laserdioden verwendet, die nur eine genau definierte Wellenlänge ausstrahlen, die dann von der zu messenden Gaskomponente in der Abgasprobe absorbiert wird. Gasselektive Detektoren messen den Absorptionsgrad. Durch die Weiterentwicklung im Bereich der Laserdioden und durch gesunkenen Herstellungspreise werden Laserdioden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

7.4 Messung fester Bestandteile

7.4

Messung fester Bestandteile

7.4.1

Messung der Partikel entsprechend gesetzlicher Vorgaben

299

„ Gravimetrische Bestimmung der Partikelmasse Die in allen gesetzlichen Bestimmungen angegebenen Grenzwerte für die Partikelemission beruhen auf einer integralen Messung durch gravimetrische Bestimmung der Partikelmasse nach Verdünnung in einem Vollstrom- oder Teilstromtunnel. Die Definition des Messverfahrens erfolgte erstmals von der US EPA („United States Environmental Protection Agency“) nach CFR Vol. 67 und wurde dann weltweit übernommen, siehe auch 70/220/EEC u. ä. oder TRIAS 60-2003. Abgas wird nach dem „CVS-Prinzip“ mit gefilterter Luft gemischt und ein Teilstrom des verdünnten Abgases, der eine Temperatur < 52 °C bzw. 47 °C r 5 °C aufweisen muss, über inerte Filter mit > 99 % Abscheidegrad gezogen. Aus der Massendifferenz zwischen beladenem und unbeladenem Filter wird die Emission berechnet. In Bild 7-9 ist dies für eine Anlage mit Sekundärverdünnung, wie sie für Nutzfahrzeuge üblicherweise verwendet wird, schematisch dargestellt. Bei PKW wird die Emission des Fahrzeugs am Rollenprüfstand im Prinzip gleich, jedoch ohne Sekundärverdünnung, gemessen. Nutzfahrzeuge – Vollstromtunnel

Abb. 7-9: Vollstromverdünnung für die Zertifizierung von NFZ-Motoren

Partikel setzen sich aus Ruß festen Bestandteile wie Abrieb und Aschen, adsorbierten organischen Komponenten, kondensierter und adsorbierter Schwefelsäure etc. zusammen. Kondensierte und adsorbierten Substanzen werden im Wesentlichen erst im Verdünnungstunnel gebildet, aber auch die Russkonzentration ist nach Engeljehringer und Schindler (1989) zwischen Motor und Mess-Filter nicht völlig stabil. Es ist daher einsichtig, dass schon kleine Änderungen in der Auslegung der Verdünnungs- und Partikelsammelanlage einen Einfluss auf die gemessene Partikelmasse hat.

300

7 Emissionsmesstechnik

Um bei abnehmender Partikel-, vor allem auch Russ-Emission die Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit der Messmethode zu erhöhen, hat die US-EPA ab 2007 das Verdünnungs-, Partikelsammlungs- und Wäge-System genauer spezifiziert, siehe z. B. CFR 1065. In der EU (nach 2005/55/EC) und seit 2011 auch in den USA ist für Nutzfahrzeuge die Verwendung von Teilstromverdünnungstunneln erlaubt, die einen konstanten Teil des Abgases verdünnen, wie es in der Norm ISO 16183 festgelegt ist. Dem Platz- und Kostenvorteil dieser Systeme – siehe Prinzip-Darstellung Abb. 7-10 – steht eine aufwändige Regelung der Massenströme gegenüber. Zusätzlich müssen nach Silvis et al. (2002) mehrere Randbedingungen beachtet werden, damit die gemessene Emission im wesentlich gleich der einer Vollstromanlage ist. Nutzfahrzeuge – Teilstromverdünnung

Abb. 7-10: Teilstromverdünnung für die Zertifizierung von NFZ-Motoren

„ Bestimmung der Partikelanzahl im Abgas Da die Russemissionen moderner Verbrennungsmotoren nur mehr mit sehr empfindlichen Partikelmessgeräten erfasst werden können, hat sich die PMP Expertengruppe der UNECE-GRPE mit neuen Messmethoden zur Partikelmessung befasst. Die Empfehlung dieser Gruppe für weitere Zertifizierungen sind neben einer modifizierten „US-2007“ Partikelmessung („particulate measurement“) auch die Partikelzählung („particle number counting“) nach UNECE Regulation No. 83 und Andersson et al. (2007). Die PMP Gruppe hat ein aufwändiges System zur Konditionierung des bereits verdünnten Abgases definiert, das in Abb. 7-11 schematisch dargestellt ist: Erstens, Abscheidung von groben Partikeln, die nicht direkt aus der Verbrennung, sondern von wiedereingetragenen Wandablagerungen stammen. Zweitens, hohe Abgasverdünnung (Verdünnungsfaktor t 10) und nachfolgendes Aufheizen auf 300 °C bis 400 °C. Dadurch erhält man einerseits die im praktischen Betrieb erforderliche niedrige Partikelanzahl im Kondensationskernzähler (PNC), andrerseits werden die flüchtigen Nanopartikel-Anteile in die Gasphase überführt, sodass nur nicht-flüchtige Partikel, z. B. Ruß-Partikel gezählt werden. Der Hintergrund für diese Anforderung hat zwei Ursachen. Einerseits scheinen nichtflüchtige Partikel toxikologisch relevanter für die menschliche Gesundheit zu sein, andrerseits hat sich herausgestellt, dass es extrem schwierig ist, Emissionen von flüchtigen Partikeln in Bezug auf Partikelanzahlkonzentration reproduzierbar zu messen. Das ist kein Problem

7.4 Messung fester Bestandteile

301

der Messung an sich – flüchtige Partikel können genauso gezählt werden wie feste – aber die Bildung von homogen kondensierten Kohlenwasserstoffen und Sulfaten nach Partikelfilter ist extrem sensitiv auf kleinste Änderungen der Motor- oder Abgaskonditionierung. Drittens wird vor dem PNC noch mal verdünnt, um das Abgas abzukühlen und gegebenenfalls Rekondensation der flüchtigen Bestandteile zu verhindern. Dilution air in. Humidity and T controlled

C

HEPA

CVS Tunnel

PSP PTT

Particle Counter

PNC with size-selective inlet

PCF: >2.5μm, < 10μm 3°D2 cools and dilutes

ET evaporates volatiles

VPR

3°D1 at >=150°C dilutes

To mass flow controller and pump

Abb. 7-11: Abgasaufbereitung für die Partikelzählung nach PMP nach UNECE Regulation No. 83

Kondensationskernzähler (Condensation Particle Counting) sind empfindliche Systeme zur Messung der Partikelanzahl (Particle Number Counting) im sub-μ Bereich bis hin zu einigen Nanometern. Das Prinzip eines CPC ist in Abb. 7-12 dargestellt. Aus Nanopartikeln werden durch heterogene Kondensation von übersättigtem Dampf (typischerweise nButanol) “Mikropartikel” generiert, die dann ausreichend groß sind um anschließend mittels einer Streulichtmethode gezählt zu werden.

Abb. 7-12: Funktionsprinzip eines Kondensationskernzählers (CPC), (nach http://www.grimm-aerosol.de/html/de/products/nanoparticle-5400.htm

302

7.4.2

7 Emissionsmesstechnik

Bestimmung von Partikeleigenschaften im Abgas mit alternativen Verfahren

Die gravimetrische Ermittlung der Partikelemission hat zwei bedeutende Nachteile beim Einsatz in der Motoren- bzw. Abgasnachbehandlungsentwicklung: Erstens ist sie zeitaufwändig und zweitens integrierend. Für die Motorentwicklung sind jedoch häufig eine schnelle Messung und die Zeitzuordnung der Emission zu den dynamischen Fahrzuständen erforderlich. Es wurden daher eine Reihe einfacherer oder dynamischer Messverfahren entwickelt, um den Anforderungen der modernen Motorenentwicklung zu genügen. Nachteilig an den alternativen Messverfahren ist, dass im Allgemeinen die Messgrößen von den gesetzeskonform ermittelten Partikeln (Partikelanzahl, Partikelmasse) abweichen, und die ermittelten Korrelationen nur bedingt gültig sind. Eine bedeutende Rolle nimmt die Messung der Rußemission ein, da diese auch ein wichtiger Indikator für die Bestimmung der Verbrennungsqualität ist. Dafür wurden mehrere Methoden entwickelt, die fast immer auf der verhältnismäßig starken Absorption von Strahlung (im nahen infraroten oder sichtbaren Bereich) durch Ruß basieren. Neuere Verfahren weisen eine sehr gute Zeitauflösung (typisch im einstelligen Hertz Bereich) und/oder sehr hohe Empfindlichkeit (typisch im Bereich von wenigen μg pro Kubikmeter) auf. Die wichtigsten alternativen Messmethoden sind in Tab. 7-1 zusammengefasst und in den Abb. 7-13 bis 7-20 schematisch dargestellt. Für alle Meßmethoden gibt es verschiedene Ausführungsformen und kommerzielle Anbieter. Ergänzende, weiterführende und/oder zusammenfassende Information zu nichtkonventionellen modernen Methoden der Dieselpartikelmessung finden sich in den Literaturzitaten. „ Smokemeter Das Prinzip der Smokemetermessung besteht darin, dass ein Filterpapier über eine bestimmte Zeit mit Abgas beladen wird und die Schwärzung des Filterpapiers mit einem optischen Verfahren bestimmt wird. Die resultierende Größe ist die Filterschwärzung bzw. Filter Smoke Number (FSN), siehe Abb. 7-13.

Abb. 7-13: Prinzip der Smokemeter Messung (nach http://www.avl.com)

„ Opazimeter Das Opazimeter bestimmt die Abschwächung des Lichts bei Durchgang durch eine mit Abgas gefüllte Zelle definierter Länge. Das Ergebnis ist die sogenannte Extinktion. Oft werden in diesem Zusammenhang auch Trübung und Opazität als Begriffe für die Messgröße verwendet, Abb. 7-14.

7.4 Messung fester Bestandteile

303

T, p

Lamp I0

I Detector

L N

I / I0 = (1 - 100 ) = Extinction = Absorption + Scattering

Abb. 7-14: Prinzip der Opazimeter Messung (nach http://www.avl.com)

„ Photoakustische Russmessung, Abb. 7-15 Ein modulierter Laserstrahl wird vom Russpartikel absorbiert. Die Absorption führt zur Erwärmung des Partikels und dessen Umgebung. Die periodische Erwärmung generiert eine Schwingung mit der Modulationsfrequenz des Lasers, die in einer resonanten Zelle mit einem Mikrofon detektiert wird, dessen Signal proportional zur Russkonzentration ist.

Mikrophon als Detektor

Rußpartikel

Modulierter Laserstrahl

Schallwelle

Modulierte Expansion

Modulierte Erwärmung

Abb. 7-15: Photoakustisches Messprinzip (nach Schindler 2004)

„ Laserinduzierte Glühemission, Abb. 7-16 Bei der laserinduzierten Glühemission wird der Russ mit einem gepulsten Laser sehr schnell bis zur Sublimationstemperatur erwärmt. Die dabei entstehende Glühemission wird gemessen und liefert Information über die Russkonzentration und Primärpartikelgröße.

Abb. 7-16: Prinzip der Laserinduzierten Glühemission, LII (nach nach Schraml 2004)

304

7 Emissionsmesstechnik

„ Photoelektrische Russsensor, Abb. 7-17 Die Partikel gelangen mit dem Gasfluss in den Bestrahlungsraum. Dort werden sie mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Die Partikel emittieren Elektronen und sind somit elektrisch positiv geladen. Die geladenen Teilchen werden mit einem Messfilter in einen messbaren elektrischen Strom umgewandelt, der Information über die Russkonzentration liefert. Damit die freien Elektronen die Messung nicht verfälschen, werden diese in einem elektrischen Feld aufgefangen.

Abb. 7-17: Photoelektrisches Messprinzip (nach http://www.matter-engineering.com)

„ Diffusionsladungssensoren, Abb.7-18 bis 7-20 Ähnlich dem Photoelektrischen Russsensor wird beim Diffusionsladungssensor der Strom der durch die geladenen Partikel generiert wird mit einem Elektrometer gemessen. Im Gegensatz zum photoelektrischen Russsensor werden die Partikel in einem elektrischen Feld geladen.

Abb. 7-18: Prinzip des Diffussionsladungs Sensors (nach http://www.dekati.fi)

7.4 Messung fester Bestandteile

305

Abb. 7-19: Dekati Mass Monitor (MASMO), Schema der Sensorik und Datenverarbeitung (nach http://www.dekati.fi)

Abb. 7-20: TEOM: Glaskanüle mit dem Filter an der Spitze. Die Schwingungsfrequenz der Glaskanüle ändert sich bei Beladung des Filters (nach http://www.rpco.com)

306

7 Emissionsmesstechnik

Tab. 7-2: Vor- und Nachteile alternativer Methoden zur Partikelmessung Methode

Vorteile

Opazimeter

– Für einige Zertifizierungstests, z. B. – Bei probenehmenden Systemen,

http:// www.avl.com

– Robuste, kostengünstige, etablierte

ELR vorgeschrieben

– – –



TEOM nach http:// www.rpco.com

Probeströme bis 40 l/min erforderlich Methode zur Messung der Abgas– Hohe Empfindlichkeit nur mit austrübung gefeilter Systemauslegung möglich: große optische Weglänge L, gute Sehr gute Zeitauflösung, 0.1 sec thermische Konditionierung Hohe Empfindlichkeit (0.1 % Opazi– Relativ starke Querempfindlichkeit tät, entspricht ungefähr 300 Pg/m3 auf NO2 Ruß) Mit spezieller Gasführung bis zu Abgasdrücken von 400 mbar einsetzbar, Zusatz für höhere Drücke in Entwicklung Akzeptable Korrelation zur Ruß Konzentration (mg/m3) kann für Motorenfamilien aufgestellt werden

– Messung der Partikel- (nicht Ruß-)

– Ersetzt den Partikelfilter, erfordert Emission aber Abgasverdünnung – Ergebnis ähnlich der gesetzlich – Volle Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur Partivorgeschriebenen Methode im allkelmessung gemeinen nicht gegeben. – Zeitauflösung im Sekundenbereich – Empfindlichkeit abhängig von der Zeitauflösung – Typisch 1 mg/m3 – Kostspielig

MASMO

– Messung der Partikel- (nicht Ruß-)

nach http:// www.dekati.fi

– – – –

Smokemeter nach http:// www.avl.com

Nachteile

– Ersetzt den Partikelfilter, erfordert Emission aber hohe Abgasverdünnung Ergebnis ähnlich der gesetzlich – Äquivalenz zur gesetzlich vorgevorgeschriebenen Methode zur Partischriebenen Methode häufig unkelmessung vollständig Zeitauflösung im Sekundenbereich – Kostspielig Empfindlichkeit ca. 1 Pg/m3 Zusätzliche Abschätzung der mittleren Partikelgröße

– Robust, kostengünstig – Etablierte Methode – Hohe Empfindlichkeit (0.002 FSN,

entspricht ca. 20 Pg/m3 Ruß) bei längeren Entnahmezeiten – Mit „Sonderentnahme“ Vorrichtung ist eine Messung des Abgases vor Dieselpartikelfilter möglich – Gute Korrelation zur Ruß Konzentration, (mg/m3), minimale Querempfindlichkeit auf andere Abgaskomponenten

– Integrierende Methode – zeitliche Auflösung ca. 1 Minute

7.4 Messung fester Bestandteile

Methode

Vorteile

Photoakustischer – Hohe Empfindlichkeit – typisch Ruß-Sensor < 5 Pg/m3 Ruß – Sensor Signal direkt und linear nach Krämer empfindlich auf Ruß Konzentration, 2001, Mollenminimale Querempfindlichkeit hauer und – Gute Zeitauflösung, | 1 sec Tschöke, Schindler 2004 – Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern – Moderate Kosten – Hoher Dynamikbereich (1: 10,000)

307

Nachteile

– Erfordert Abgas-Verdünnung. – Kalibriermethode nicht rigoros etabliert

– Messung vor DPF erfordert Abgaskonditionierung

– Regelmäßige Wartung einfach, aber erforderlich

Laser Induzierte – Hohe Empfindlichkeit – typisch – Sehr hohe Kosten Glühemission < 5 Pg/m3 Ruß – Kalibriermethode nicht etabliert – Sensor Signal direkt und linear emp- – Hoher Dynamikbereich nur mit nach Schraml findlich auf Ruß Konzentration, mioptischen Abschwächern erreichbar 2004 nimale Querempfindlichkeit (Einführen von Absorber Filtern) – Gute Zeitauflösung, d 1 sec – Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern. Photoelektrischer – Kompaktes, kostengünstiges System – Zeitauflösung, d 10 sec Aerosol Sensor – Hohe Empfindlichkeit – typisch < – Starker Einfluss durch Substanzen mit hoher Photoemission (PAH) 1 Pg/m3 Ruß nach http:// – Empirische Korrelation der elektriwww.matterschen Signals zur Rußemission von engineering.com Dieselmotoren häufig gegeben Diffussions Ladungs Sensor nach http:// www.dekati.fi und http:// www.matterengineering.com

– Kompaktes, kostengünstiges System – Nicht proportional zur Partikelmasse – Misst die aktive Partikeloberfläche – Zeitauflösung einige Sekunden (Fuchs’sche Oberfläche) < 1 Pg/m3 Partikel – In einigen Fällen wurde eine empirische Korrelation des Signals zur Partikelemission von Dieselmotoren gefunden

– Hohe Empfindlichkeit – typisch

Literatur Abbas, M. K., Andrews, G. E., Williams, P. T. und Bartle, K. D. (1989): Diesel particulate Composition Changes along an Air Cooled Exhaust Pipe and Dilution Tunnel, SAE Technical Paper Series 890789 Andersson J., Giechaskiel, B., Munoz-Bueno, R., Sandbach, E. and Dilara, P. (2007): Particle measurement programme (PMP): light-duty inter-laboratory correlation exercise (ILCE LD) Final Report (EUR 22775 EN) GRPE-54-08-Rev.1 (http://www.unece.org/trans/main/wp29/wp29wgs/wp29grpe/grpeinf54.html) Aufdenblatten, S., Schänzlin, K., Bertola, A., Mohr, M., Przybilla, K. and Lutz, Th. (2002): Charakterisierung der Partikelemission von modernen Verbrennungsmotoren, MTZ 63, 11, S. 962 Burtscher, H. (2005): Physical characterization of particulate emissions from diesel engines: a review, J. of Aerosol Science, 36, pp. 896–932

308

7 Emissionsmesstechnik

Burtscher, H., Majewski, W. A.: „Particulate Matter Measurements“, http://www.dieselnet.com/tech/measure_pm_ins.html Code of Federal Regulations (CFR), Title 40, Part 86, § 86007-11, „Control of Emissions from new and In-Use Highway Vehicles and Engines“ Code of Federal Regulations, (CFR), Title 40, Part 1065, June 2005 „Engine testing Procedures“ Control of Air pollution from New Motor Vehicles – Certification and Test Procedures. Letzte Ausgabe 6 Dec 2002: Code of Federal Regulations (CFR), Title 40, Part 86, Vol. 67, No 235 DMM Manual (2002), DEKATI Ltd Engeljehringer, K., Schindler, W. (1989): The organic Insoluble Diesel Exhaust Particulates – Differences between diluted and undiluted Measurement, Journal of Aerosol Science 20, No 8, p. 1377 Faxvog, F. R., and Roessler, D. M. (1979): Optoacoustic measurements of Diesel particulate Emissions, J. Appl. Phys. 50 , Nr. 12, p. 7880 http://www.avl.com http://www.dekati.fi http://www.grimm-aerosol.de/html/de/products/nanoparticle-5400.htm http://www.matter-engineering.com http://www.quanttechnologies.htm http://www.rpco.com International Standard ISO 16183 (2002) „Heavy Duty Engines – Measurement of gaseous emissions from raw exhaust gas and of particulate emissions using partial flow dilution systems under transient test conditions“ Krämer, L., Bozoki, Z., Niessner, R. (2001): Characterizstion of a Mobile Photoacoustic Sensor for Atmospheric Black Carbon Monitoring, Anal Sci. 17S, 563 Mollenhauer, K., Tschöke, H.: Handbuch Dieselmotoren, Springer Verlag Official Journal of the European Union, Directive 70/220/EEC. Amended by 98/69/EC, 1999/102/EC, 2001/1/EC, 2001/100/EC, 2002/80/EC and 2003/76/EC Official Journal of the European Union, L275/1, „Directive 2005/55/EC“ of 28 Sept. 2005 Official Journal of the European Union, L313/1, „Directive 2005/78/EC“ of 14 Nov. 2005 Schindler, W., Haisch, Ch., Beck, H. A., Niessner, R., Jacob, E. and Rothe, D. (2004): A Photoacoustic Sensor System for Time resolved Quantification of diesel soot Emissions, SAE Technical Paper, Series 2004-01-0968 Schraml, S., Heimgärtner, C., Will, S., Leipertz, A. and Hemm, A. (2004): „Application of a New Soot Sensor for Exhaust Emission Control Based on Time resolved Laser Induced Incandescence (TIRE-LII)“, SAE Technical Paper, Series 2004-01-0968 Silvis, W., Marek, G., Kreft, N. and Schindler, W. (2002): Diesel Particulate Measurement with Partial Flow Sampling Systems: A new Probe and Tunnel Design that Correlates with Full Flow Tunnels, SAE Technical Paper Series 2002-01-0054 TRIAS 60-2003, „Exhaust Emission Test Procedures for Light and Medium-Duty Motor Vehicles“, References, in: „Blue Book 2004, Automobile Type Approval Handbook for Japanese Certification 2004“ UNECE Regulation No. 83 (Emissions of M1 and N1 categories of vehicles) (http://www.unece.org/trans/main/wp29/wp29regs81-100.html) Vogt, R., V. Scheer, U. Kirchner und R. Casati (2005): Partikel im Kraftfahrzeugabgas: Ergebnisse verschiedener Messmethoden, AVL Abgas- & Partikelforum, Ludwigsburg

309

8

Verbrennungsdiagnostik

Der Verbrennungsmotor bezieht seine Energie aus der Umsetzung der chemischen Energie in Wärme. Diesen Vorgang zu verstehen, so effizient und schadstoffarm wie möglich zu gestalten ist das Ziel der Verbrennungsdiagnostik. Während die Messung des Verbrennungsdruckes (Abb. 8-1 oben) so alt wie der Verbrennungsmotor selbst ist, und einen globalen Wert aus dem Brennraum repräsentiert, bestand immer der Wunsch zusätzliche Informationen oder auch räumliche Information von der Verbrennung für eine Optimierung zur Verfügung zu haben. Dafür hat sich die optische Messtechnik (Abb. 8-1 unten) durchgesetzt. Neben dem Einsatz in Forschungslabors oder in der Vorentwicklung kommmt sich diese Technik gerade in den letzten Jahren ob ihrer Robustheit und einfachen Applizierbarkeit auch ergänzend in der Serienentwicklung zum Einsatz. Der Messung von Verbrennungswerten schließt sich zum einen eine Analyse während der Messung und oftmals eine aufwändige und tiefgründige Analyse nach der Messung an (Abb. 8-1 rechts).

Indizierung Datenanalyse

optische Messtechnik Abb. 8-1: Überblick über Verbrennungsmesstechnik

8.1

Druckindizierung

8.1.1

Allgemeines

Die Druckindizierung begleitet den Verbrennungsmotor seit seinen ersten Umdrehungen. Dies bestätigt Abb. 8-2, die einen von August Nikolaus Otto auf Basis mechanischer Indikatoren aufgenommenen Zylinderdruckverlauf aus dem Jahr 1876 zeigt. Dieser Zeitpunkt wird, nach Hohenberg (1994), auch häufig als Ausgangspunkt der geschichtlichen Entwicklung der Druckindizierung bezeichnet. Nach über 125 Jahren Entwicklung hat sich die Indizierung heute flächendeckend durchgesetzt und kommt als Standardmesstechnik an den meisten Motorenprüfständen zum Einsatz, siehe Frommelt et al. (2008). G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_8, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

310

8 Verbrennungsdiagnostik

Abb. 8-2: Indikatordiagramm von August Nikolaus Otto vom 18. Mai 1876

Die Hochdruck- (Erfassung des Zylinderinnendruckes) und die Niederdruckindizierung 1 (Erfassung des Druckes im Ein- und Auslasssystem) haben sich seither zu wertvollen, hochentwickelten Analyseverfahren zur Verbrennungsoptimierung entwickelt. Sowohl die Sensorik, als auch die computergestützte Datenerfassung haben heute einen Entwicklungsstand erreicht, der auf der einen Seite den Einsatz der Indizierung als Betriebsmesstechnik erlaubt, aber auch Genauigkeitsansprüchen genügt, die weitreichende Aussagen aus den gemessenen Druckverläufen (vgl. dazu Abb. 8-3) ermöglichen:

y Die Indizierung ist das Entwicklungswerkzeug um schnell und mit hoher Qualität

y Kein anderes Messverfahren liefert eine derartige Informationsfülle über innermotoriVerbrennungsmotoren zu optimieren.

y

sche Vorgänge. Bei kompetenter Anwendung ist die Indizierung ein sicheres Messverfahren und ist daher als Standardmesstechnik auf dem Entwicklungsprüfstand einsetzbar.

Abb. 8-3: Einsatzgebiete der Indiziertechnik

1

Unter dem Begriff Niederdruckindizierung wird von einigen Autoren auch die Zylinderdruckmessung während der Ladungswecheselphase miteingeschlossen.

8.1 Druckindizierung

311

Die Hochdruckindizierung im Brennraum wird meistens mit piezoelektrischen Druckaufnehmern durchgeführt, die entweder direkt in den Brennraum oder mittels eines Adapters in der Zünd- oder Glühkerze eingebaut werden. Die Analyse der gemessenen Druckverläufe im Brennraum erlaubt vielfältige und umfangreiche Beurteilungen der innermotorischen Vorgänge. Auf der Grundlage des gemessenen Druckverlaufs lässt sich eine Fülle von wichtigen Daten berechnen. Diese Ergebnisgrößen werden im Allgemeinen Indizierkennwerte genannt und lassen sich prinzipiell in zwei Kategorien unterteilen:

y direkte und y indirekte Indizierkennwerte.

Die direkten Indizierkennwerte werden unmittelbar aus dem Verlauf des Zylinderdrucks p über dem Arbeitsspiel ermittelt und erlauben bereits eine Vielzahl von Aussagen, siehe Tab. 8-1. Indirekte Indizierkennwerte sind Größen, die nur über umfangreiche Zwischenberechnungen auf Grundlage des Druckverlaufs ermittelt werden können. Dazu zählen vor allem jene Kenngrößen, die aus dem im Rahmen der thermodynamischen Analyse berechneten Brennverlauf bestimmt werden. Beispiele dafür sind der Zündverzug, der Brennbeginn, und die Energieumsatzpunkte (in der Regel 5 %, 50 % und 95 %), die eine Beurteilung des Verbrennungsprozesses erlauben. Tab. 8-1: Direkte Indizierkennwerte Direkte Indizierkennwerte

Aussage / Bewertung

Indizierte Mitteldruck pmi (pmi-HD, pmiLW)

– – –

innere Arbeit innerer Wirkungsgrad Reibmitteldruck pmr

– – –

Verbrennungsstabilität Motorlaufruhe Anzahl Aussetzer

– –

Bauteilbelastung akustische Bewertung

– – –

Lage der Verbrennung relativ zur optimalen Lage Grad der Klopfbegrenzung Umsatzgeschwindigkeit (Dpmax – ZZP)

Maximaler Druckanstieg (dp/dD)max

– –

Umsatzgeschwindigkeit akustische Bewertung

Druckanstiegsgeschwindigkeit dp/dD2



akustische Bewertung

Vpmi Standardabweichung des indizierten Mitteldruckes Spitzendruck pmax Lage des Spitzendruckes D (pmax)

Moderne Indiziersysteme sind in der Lage, Indizierkennwerte in Echtzeit zu berechnen. Sie stehen damit zusammen mit anderen Messgrößen bereits unmittelbar am Prüfstand zur Verfügung. Dadurch ist es möglich, Untersuchungen wie z. B.:

y y y y y y

Aussetzererkennung, automatische Kennfeldoptimierung, Klopferkennung, Abmagerungsabstimmung, Abgasrückführabstimmung, Verbrennungsgeräuschoptimierung direkt am Prüfstand durchzuführen.

312

8 Verbrennungsdiagnostik

Für die Niederdruckindizierung werden piezoresistive und piezoelektrische Druckaufnehmer eingesetzt. In Verbindung mit dem Zylinderdruckverlauf stellen die gemessenen Druckverläufe im Ein- und Auslasssystem die Grundlage für die Ladungswechselanalyse dar. Damit erfolgt:

y y y y

die Auslegung der Ladungswechselorgane ( Sauganlage und Abgassystem), die Auslegung der Steuerorgane (Steuerzeiten, Nockenformen), die Beurteilung der Ladungswechselarbeit sowie die Analyse der Ein- und Auslassmassenströme (Füllung, Restgas, Rückströmen). Zur Berechnung des Ladungswechsels werden zudem die genauen Ventilhubverläufe und Durchflussbeiwerte benötigt. Für die Ladungswechselanalyse ist es wichtig, dass die Niederdruckindizierung zusammen mit der Hochdruckindizierung durchgeführt wird. Das heißt, dass pro Zylinder drei Drücke zeitgleich gemessen werden: der Saugrohrdruck, der Brennraumdruck und der Auspuffdruck. Nur in dieser Konstellation kann eine komplette Brennverlaufs- und Ladungswechselanalyse durchgeführt werden. Heute gibt es Softwareprogramme die diese Berechnungen automatisiert ablaufen lassen. Unter optimalen Voraussetzungen z. B. am Prüfstand stellt das Indiziersystem nicht nur die erforderlichen Druckverläufe vom Einlass-, Auslasskanal und Zylinder bereit, sondern übernimmt auch die Kommunikation zum Prüfstansautomatisierungssystem, um globale Daten wie z. B. Kraftstoffverbrauch, Saugrohrtemperatur/-druck oder Abgastemperatur/druck bereitzustellen. Damit ist es möglich die Ergebnisse einer umfangreichen Brennverlaufs- und Ladungswechselanalyse schon kurz nach dem Arbeitsspiel zur Verfügung zu haben, um einerseits nicht messbare Daten (unter anderem Restgasgehalt im Zylinder) als „Messwerte“ zum Messpunkt ablegen zu können oder andererseits auf Basis solcher Daten Steuer- oder Regelalgorithmen aufzubauen.

8.1.2

Die Indiziermesskette

Im Wesentlichen besteht die piezoelektrische Druckmesskette (Abb. 8-4) aus folgenden Komponenten:

y y y y

Druckaufnehmer, eventuell mit Druckaufnehmerkühlung, Ladungsverstärker, Datenerfassung mit Messsteuer- und Anzeigesoftware und Winkelaufnehmer, die im Nachhinein näher erläutert werden.

Abb. 8-4: Schematischer Aufbau der piezoelektrischen Druckmesskette mit Zusatzeinrichtungen

8.1 Druckindizierung

313

„ Piezoelektrische Druckaufnehmer Der piezoelektrische Druckaufnehmer beruht auf dem Funktionsprinzip der elektrischen Ladungsabgabe bestimmter Kristalle unter mechanischer Belastung. Somit stellt er ein aktives Messelement dar, wobei die abgegebene Ladung proportional zur Belastung, d. h. zum aufgebrachten Druck ist. Piezoelektrische Druckaufnehmer sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Aufnehmerelement aus einem piezoelektrischen Material besteht und der Druck über eine Membrane auf das Aufnehmerelement übertragen wird. Piezoelektrische Druckaufnehmer eignen sich hervorragend für dynamische Messungen. Prinzip bedingt können damit jedoch keine statischen Drücke gemessen werden. Messprinzip Allgemein versteht man unter Piezoelektrizität eine lineare Wechselwirkung zwischen dem mechanischen und dem elektrischen Zustand in Kristallen, die kein Symmetriezentrum besitzen. Es wird zwischen dem reziproken (ein äußeres elektrisches Feld führt zum Auftreten von dem Feld proportionalen mechanischen Spannungen, welche den Piezokristall verformen) und dem für die Druckmessung relevanten direkten piezoelektrischen Effekt (eine mechanische Deformation des piezoelektrischen Körpers ruft eine ihr proportionale Änderung der elektrischen Polarisation hervor) unterschieden. Für den elektrisch freien Zustand eines Piezokristalles (experimentell erreicht man diesen Zustand am einfachsten durch kurzgeschlossene Abnahmeelektroden) kann der direkte piezoelektrische Effekt phänomenologisch mit Gl. (8.1) beschrieben werden. (8.1) Di = diP . TP Di (i = 1 bis 3) diP TP (P = 1 bis 6)

§ d11 d12 ¨ diP = ¨ d 21 d 22 ¨d © 31 d32

Vektor der elektrischen Flussdichte Tensor der piezoelektrischen Koeffizienten nach Gl. (8.2) Tensor der mechanischen Spannungen (mit T1 bis T3 für die Normalspannungen Vx, Vy, Vz sowie T4 bis T6 für die Schubspannungen Wyz, Wxz und Wxy)

d13 d 23 d33

d14 d 24 d34

d15 d 25 d35

d16 · ¸ d 26 ¸ d36 ¸¹

(8.2)

Jeder einzelne piezoelektrische Koeffizient diP bestimmt den Zusammenhang einer bestimmten Spannungstensorkoordinate TP mit einer bestimmten Vektorkoordinate der elektrischen Flussdichte. Für die Ladungsabgabe Q der durch die Elektroden bedeckten Fläche des Kristallelementes gilt schließlich Gl. (8.3).

Q = A ˜ Di ˜ ni (8.3) A Flächeninhalt ni (i = 1 bis 3) Komponenten des Normalvektors der Fläche Je nach Richtung der piezoelektrischen Polarisation in Bezug auf die Richtung der eingeleiteten Kraft unterscheidet man mehrere Arten des piezoelektrischen Effektes, wobei für den Einsatz in Druckaufnehmern vor allem der Transversal- und der Longitudinaleffekt von Bedeutung sind.

314

8 Verbrennungsdiagnostik

Longitudinaleffekt Dabei werden die Messelemente in der Regel scheibenförmig ausgeführt und die Ladungsabgabe erfolgt an den Kraftangriffsflächen selbst, vgl. dazu Abb. 8-5 links. Sind die kristallographische x-Achse und die Kraftangriffsrichtung identisch, so ergibt sich die abgegebene Ladung unter der Annahme eines einachsigen Spannungszustandes nach Gl. (8.4). Die beim Longitudinaleffekt abgegebene Ladung ist also nicht von der Geometrie des Messelementes, sondern allein von der aufgebrachten Kraft F abhängig. Q = A ˜ d11 ˜ Vx = A ˜ d11 ˜

F = d11 ˜ F A

(8.4)

Longitudinaleffekt

Transversaleffekt z

x Ladungsabgabe

F

F

F

b

r

y a x

F

l

Abb. 8-5: Messelemente für Longitudinal- und Transversaleffekt

Zur Erhöhung der Ladungsabgabe (Empfindlichkeit) können mehrere Scheiben kraftmäßig in Reihe und elektrisch parallel geschaltet werden, vgl. Abb. 8-6. Ein Vorteil dieser Ausführung ist das kompakte und widerstandsfähige Messelement. Zudem erfolgt die Ladungsabgabe direkt an den gedrückten Flächen, so dass Kontaktfehler bei der Ladungsableitung praktisch ausgeschlossen sind.

F + + + + + + + + + + - - - - - - - - - - - - - - - - - - + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + - - - - - - - - - - - - - - - - - - + + + + + + + + + +

Q+

F

Q-

Abb. 8-6: Erhöhung der Ladungsabgabe beim Longitudinaleffekt

Transversaleffekt Die Messelemente sind stabförmig ausgeführt und die Ladungsabgabe erfolgt senkrecht zu den Kraftangriffsflächen, vgl. Abb. 8-5 rechts. Unter der Annahme eines einachsigen Spannungszustandes kann bei einem reinen Transversalschnitt (die Länge l des Stabes hat die genaue Richtung der kristallographischen y-Achse, die Breite b die Richtung der zAchse und die Ladungsabnahme erfolgt an den Flächen normal zur x-Achse) die abgegebene Ladung mit Gl. (8.5) ermittelt werden. Q = A ˜ d12 ˜ Vy = l ˜ b ˜ d12 ˜

F l = d12 ˜ F ˜ a a .b

(8.5)

Neben den elektrischen Eigenschaften des verwendeten Piezomaterials wird damit die Ladungsausbeute vor allem durch die Schlankheit des Messelementes l/a bestimmt. Durch ein günstiges Kantenverhältnis l/a kann man also beim Transversaleffekt größere Polarisationsladungen erzielen, durch die mechanische Festigkeit des verwendeten Piezomaterials wird jedoch der Abmessungsgestaltung eine praktische Grenze gesetzt.

8.1 Druckindizierung

315

„ Piezomaterialien Von Materialien für piezoelektrische Messelemente in Druckaufnehmern werden vor allem folgende Eigenschaften erwartet, siehe Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000):

y hohe Temperaturbeständigkeit und Unabhängigkeit der messtechnischen Eigenschafy y

y y y y

y y

y y y

ten von der Temperatur, hohe piezoelektrische Empfindlichkeit, Die piezoelektrische Empfindlichkeit wird von den piezoelektrischen Koeffizienten diP bestimmt, deren Matrix von der Kristallsymmetrie abhängt. Die im Aufnehmer zur Erzeugung des Messsignals relevanten Koeffizienten sollen möglichst groß sein soll. hohe mechanische Steifigkeit und Festigkeit, Eine hohe mechanische Steifigkeit gewährleistet kurze Messwege und hohe Eigenfrequenzen. Eine hohe mechanische Festigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Messung großer Kräfte, Drücke und Beschleunigungen sowie für die Beständigkeit der Aufnehmer gegenüber mechanischen Stößen. hoher elektrischer Isolationswiderstand, Ein hoher elektrischer Isolationswiderstand ermöglicht quasistatisches Messen mit piezoelektrischen Aufnehmern (vgl. elektrische Drift). linearer Zusammenhang zwischen der Messgröße und der abgegebenen Ladung, langfristige Stabilität der wichtigen Materialeigenschaften und deren geringe Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, Insbesondere stellt die Erreichung einer von Temperatur und mechanischer Belastung unabhängigen piezoelektrischen Empfindlichkeit eine sehr schwierige Aufgabe dar, zu deren Lösung neben der Materialwahl auch die Orientierung der piezoelektrischen Elemente in Bezug auf die kristallographischen Achsen beitragen kann. kein pyroelektrischer Effekt, niedrige Materialkosten, gute mechanische Bearbeitbarkeit.

Quarz (SiO2) Das klassische piezoelektrische Material für Druckaufnehmer ist Quarz (SiO2), vgl. Abb. 8-7. Quarz tritt in mehreren aus Silizium-Sauerstoff-Tetraedern aufgebauten Modifikationen auf. Für die piezoelektrische Anwendung benützt man seine unterhalb von 573 °C auftretende Tieftemperaturmodifikation, die als D-Quarz (Tiefquarz) bezeichnet wird. Eine Temperaturerhöhung über 573 °C führt zur Phasenumwandlung, die dabei entstehende Modifikation wird als E-Quarz (Hochquarz) bezeichnet. Aufgrund unvermeidlicher Einschlüsse und Verunreinigungen des naturgewachsenen Quarzes verwendet man heute ausschließlich gezüchtete Quarze (Hydrothermalsynthese) und erhält auf diese Weise eine gleichbleibend hohe Qualität. Abb. 8-7: Quarzkristall

z

x

y

316

8 Verbrennungsdiagnostik

Die Temperatur übt einen wesentlichen Einfluss auf die piezoelektrischen Eigenschaften von Quarz aus. In Abb. 8-9 ist dazu die piezoelektrische Konstante d11 in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt. Bereits ab einer Temperatur von etwa 300 °C nimmt d11 stark ab und verschwindet schließlich bei der Umwandlungstemperatur von 573 °C gänzlich. Zudem sinkt mit steigender Temperatur die Grenze der Belastbarkeit durch Zwillingsbildung. Bei D-Quarz kann es bei hohen Belastungen zur Bildung sogenannter Dauphiné-Zwillinge (sekundäre Zwillingsbildung) kommen, die zum Teil geänderte Vorzeichen der piezoelektrischen Koeffizienten aufweisen und damit zu einer Verminderung der Empfindlichkeit führen. Während die Bildung dieser Zwillinge bei Raumtemperatur erst bei Drücken von etwa 5x108 bis 9x108 Pa auftritt, setzt mit steigender Temperatur die Zwillingsbildung bereits bei niedrigeren Belastungen ein, und kurz unterhalb der Umwandlungstemperatur von 573 °C kann man die Zwillingsbildung auch bei unbelastetem Quarz beobachten. Es wurde festgestellt, dass die bei der Belastung entstandenen Zwillinge bei der Entlastung wieder ganz verschwinden können. Bei längerer mechanischer Belastung können aber auch stabile Zwillinge entstehen, die eine dauernde Herabsetzung der piezoelektrischen Empfindlichkeit zur Folge haben. Herkömmliche Messelemente aus Quarz sind deshalb nur bis zu Temperaturen von etwa 200 bis 250 °C einsetzbar, was für die Anwendung in Verbrennungsmotoren, bei der an den Messstellen durchaus Temperaturen von mehr als 400 °C auftreten können, die die Verwendung einer entsprechenden Kühlung des Messelementes voraussetzt. Zur Verbesserung des Temperaturverhaltens besteht beim Transversaleffekt (im Gegensatz zum Longitudinaleffekt) die Möglichkeit, den Kristallschnitt so festzulegen, dass der wirksame piezoelektrische Koeffizient in einem bestimmten Temperaturbereich relativ unabhängig von der Temperatur bleibt. Damit können Messelemente hergestellt werden, die bis zu einer Temperatur von etwa 350 °C einsetzbar sind. Gleichzeitig weisen derartige Kristallschnitte in der Regel eine geringere Neigung zur Zwillingsbildung auf. Galliumorthophosphat (GaPO4) Speziell für Hochtemperaturanwendungen wurde das Piezomaterial Galliumorthophosphat (GaPO4) entwickelt, vgl. Krempel et al. (1997), das sich insbesondere durch eine hohe und von der Temperatur weitgehend unabhängige piezoelektrische Empfindlichkeit auszeichnet.

Die Kristallstruktur von Galliumorthophosphat kann aus D-Quarz abgeleitet werden, indem Silizium abwechselnd durch Gallium und Phosphor ersetzt wird, siehe Abb. 8-8. D-Galliumorthophosphat ist bis zu einer Temperatur von 933 °C stabil und wandelt sich darüber in den Hochcristobalittyp um.

Abb. 8-8: Kristallstruktur von Galliumorthophosphat

Bemerkenswert an Galliumorthophosphat sind vor allem folgende Eigenschaften:

y temperaturbeständig bis über 900 °C, y eine im Vergleich zu Quarz etwa doppelt so hohe Empfindlichkeit, die bis weit über 500 °C nahezu unverändert bleibt (vgl. dazu Abb. 8-9),

8.1 Druckindizierung

317

y hoher elektrischer Isolationswiderstand bis zu hohen Temperaturen, y stabil gegen spannungsinduzierte Zwillingsbildung, y kein pyroelektrischer Effekt.

d 11 [pC/N]

6 5

Galliumorthophosphat

4 3

Quarz

2 1 0 200

400

800

D-Quarz

1000

Temperat ur [°C]

Hochcristobalit E-Quarz

573

1200

933

D-GaPO4

Galliumorthophosphat Quarz

600

Tridymit 870

Abb. 8-9: Temperaturabhängigkeit der piezoelektrischen Konstante d11 für Quarz und Galliumorthophosphat

Aufgrund des ausgezeichneten Temperaturverhaltens und der hohen Empfindlichkeit eignet sich Galliumorthophosphat besonders gut für den Bau von ungekühlten Miniaturdruckaufnehmern. Andere Piezomaterialien Neben Quarz und Galliumorthophosphat gibt es noch eine Reihe weiterer Piezomaterialien, die jedoch aufgrund verschiedener Nachteile (insbesondere aufgrund der Temperaturabhängigkeit bestimmter Eigenschaften) nur bedingt für den Einsatz in der motorischen Druckmesstechnik geeignet sind. Dazu gehören vor allem:

y y y y

Turmalin, Langasit, Lithiumniobat (LiNbO3) und Lithiumtantalat (LiTaO3), Piezokeramiken (Bariumtitanat etc.).

„ Aufbau von piezoelektrischen Druckaufnehmern Die hervorragenden Eigenschaften bestimmter piezoelektrischer Materialien wie Quarz und Galliumorthophosphat stellen eine sehr gute Basis für die präzise Druckmessung im Brennraum eines Verbrennungsmotors dar. Aber erst die optimale Kombination der verwendeten Piezomaterialien mit einem exakt abgestimmten Gehäuse lässt einen genauen Druckaufnehmer entstehen. Aufgrund der Vielfalt der Anforderungen für den Einsatz der Druckaufnehmer im Vebrennungsmotor (Einbauraum, Temperaturbelastung, mechanische Verformung der Einbaustelle, auftretende Beschleunigungen, etc.) haben sich verschiedene Ausführungen durchgesetzt. Der prinzipielle Aufbau der Aufnehmer ist aber ähnlich und soll am Beispiel

318

8 Verbrennungsdiagnostik

des in Abb. 8-10 dargestellten wassergekühlten Quarzdruckaufnehmern für den Longitudinaleffekt gezeigt werden. Der zu messende Druck p wirkt über eine biegeweiche Membrane und eine kurze steife Druckplatte auf das piezoelektrische Messelement. Der Druckplatte kommt dabei die Aufgabe zu, im Messelement einen möglichst gleichmäßigen mechanischen Spannungszustand zu erzeugen. Mit der zwischen Messelement und Druckplatte eingebauten Kompensationsscheibe werden Wärmeausdehnungsunterschiede ausgeglichen. Das Messelement sowie die Membrane sind von einem Wassermantel umgeben und werden im Betrieb intensiv gekühlt. Dadurch wird das Messelement beim Einsatz im Motor nur wenig wärmer als das Kühlwasser (typischerweise bis etwa 10 bis 20 °C über der Kühlwassertemperatur).

Abb. 8-10: Aufbau eines piezoelektrischen Druckaufnehmers nach dem Longitudinaleffekt (Fa. AVL)

Zur Erhöhung der Ladungsabgabe werden mehrere scheibenförmige Messelemente aus Quarz eingesetzt. Die einzelnen Quarzscheiben werden derart metallbeschichtet, dass durch Überleitungsbrücken mit Kontaktzungen einerseits und Isolierzonen andererseits die elektrische Parallelschaltung gewährleistet ist. Das Druckaufnehmergehäuse ist mit der Pluselektrode des Messelementes elektrisch verbunden und stellt somit die elektrische Masse dar. Die Negativelektrode ist mit einer gegenüber dem Gehäuse hochisolierten Steckverbindung an der Rückseite des Aufnehmers verbunden, über die die elektrische Ladung abgegeben wird. Moderne Verbrennungsmotoren in Mehr-Ventil-Technik verlangen aufgrund ihrer kompakten Bauweise die optimale Nutzung des verfügbaren Einbauraumes durch den Einsatz von Miniaturdruckaufnehmern. Abb. 8-11 zeigt den Aufbau eines derartigen Miniaturdruckaufnehmers (Transversaleffekt). Miniaturdruckaufnehmer müssen in der Regel ohne Wasserkühlung auskommen, wodurch sich vor allem sehr hohe Anforderungen an die

8.1 Druckindizierung

319

Piezomaterialien (hohe Temperaturbeständigkeit und Unabhängigkeit der messtechnischen Eigenschaften in einem weiten Temperaturbereich) und an die Konstruktion der Aufnehmer ergeben. Heute verfügbare Miniaturdruckaufnehmer haben eine Güte erreicht, die mit der Güte hochpräziser wassergekühlter Druckaufnehmer vergleichbar ist und damit deren Einsatz für genaue thermodynamische Analysen ermöglicht. Messelement

Abb. 8-11: Ungekühlter Miniaturdruckaufnehmer nach dem Transversaleffekt (Fa. AVL)

Druckaufnehmerkühlung Obwohl sich für viele Anwendungen ungekühlte Druckaufnehmer durchgesetzt haben, werden für Präzisionsdruckmessungen auch heute noch wassergekühlte Druckaufnehmer eingesetzt, die, wegen der notwendigen Kühlung, ein entsprechendes Kühlsystem erfordern. Durch die direkte Wasserkühlung von Membrane und Messelement ergeben sich folgende Vorteile:

y Vermeidung der Überhitzung des Messelementes, y Verringerung des Temperatureinflusses auf die Empfindlichkeit (Quarz) und die thery keine Abnahme des Isolationswiderstandes durch hohe Temperaturen, y der (bündige) Einbau des Druckaufnehmers auch an thermisch hochbelasteten Messmische Drift,

stellen wird vereinfacht. Leider sind wasserkühlte Druckaufnehmer nur bis zu einem Durchmesser von 8 mm erhältlich, was bei beengten Einbausituationen die Adaption erschwert. Wichtig ist, dass die Kühlung der Druckaufnehmer konstant und pulsationsfrei erfolgt, d. h. dass weder durch die Kühlmittelpumpe selbst noch von außen Schwingungen auf das Kühlmedium übertragen werden, die sich als Fehler im Messsignal zeigen würden. Die Sicherstellung, dass wassergekühlte Druckaufnehmer in jedem Motorbetriebszustand ausreichend gekühlt werden, entscheidet über die Messgüte und letztendlich über die einwandfreie Funktion dieser Aufnehmer. „ Absolutdruckmessende Sensoren Der Einsatz von absolutdruckmessenden Druckaufnehmern zur Indizierung wäre wünschenswert, doch haben bestehende piezoresistive und fiberoptische Prinzipien unter anderem einen hauptsächlichen Nachteil in der Temperaturbeständigkeit, wenn man die gleiche Einbausituation im Vergleich zu piezoelektrischen Sensoren voraussetzt. Um dieses zu kompensieren gibt es die Möglichkeit zu kühlen (siehe 8.1.2.1) oder an Stellen zu messen, die eine deutlich geringere Temperaturbelastung aufweisen. Da aber der Einsatz insbesondere zur erweiterten Indizierung auf der Einlass- und Auslassseite, aufgrund der vereinfachten Handhabung, sich durchgesetzt hat, folgt eine grundlegende Beschreibung.

320

8 Verbrennungsdiagnostik

Piezoresistive Druckaufnehmer Bei piezoresitiven Druckaufnehmern wird der Effekt ausgenutzt, dass durch den Einfluss des Druckes elektrische Widerstände verändert werden. Solche Druckaufnehmer sind sowohl für statische als auch dynamische Anwendungen geeignet. Sie sind passiv, benötigen also eine Speisung. Zum Einsatz kommen vor allem metallische Dehnmesstreifen (DMS) und Halbleiter-DMS. Metallische Dehnmessstreifen (DMS) sind in der Regel aus einer auf einen Trägerfilm aufgebrachten Metallfolie (z. B. Constantan) herausgeätzt und werden zur Messung von Deformationen aller Art eingesetzt. Die Widerstandsänderung resultiert aus zwei überlagerten Effekten. Zum einen bewirkt die Dehnung des Messkörpers eine Querschnittsverringerung und dadurch eine Erhöhung des Widerstandes (Geometrieeinfluss). Zum anderen verändert sich auch der spezifische Widerstand mit der Dehnung (Materialeinfluss). Während bei metallischen DMS der Geometrieeinfluss den größeren Anteil an der Widerstandsänderung bewirkt, überwiegt bei Halbleiter-DMS der Materialeinfluss. Im Vergleich zu metallischen DMS ist der piezoresistive Effekt wesentlich ausgeprägter als bei Metallen (etwa Faktor 50). Er hängt von der Orientierung des Halbleiter-Einkristalles und von der Dotierung (Art, Dichte und Verteilung der Fremdatome, welche die Leitfähigkeit bestimmen) ab. Halbleiter-DMS werden zur Druckmessung entweder ebenfalls auf eine solche Struktur aufgeklebt oder das Halbleitermaterial ist direkt aufgesputtert, so dass eine intensive Verbindung gewährleistet ist, was die Voraussetzung für Hysteresefreiheit, Alterungs- und Temperaturbeständigkeit ist. Obwohl der piezoresistive Effekt nicht allein dieser Gruppe vorbehalten ist, hat sich die Bezeichnung piezoresistiver Druckaufnehmer für diejenigen eingebürgert, bei denen die elastische, sich unter Druck deformierende Struktur und die Widerstände in einem Chip integriert sind. Das Verhalten eines piezoresistiven Druckaufnehmers verändert sich mit der Temperatur. Während temperaturbedingte Nullpunktverschiebungen offensichtlich sind und vom Anwender leicht erkannt und überprüft werden können, sind temperaturbedingte Änderungen der Empfindlichkeit und der Linearität weniger auffällig und werden deshalb oft übersehen. Die Ursache für die Nullpunktverschiebung kann eine Summe verschiedener Effekte sein, z. B.:

y unterschiedliche Widerstandswerte oder verschiedene Temperaturkoeffizienten der einzelnen Widerstände in der Messbrücke,

y mechanische Spannungen aufgrund der Montage der Messzelle auf ihrem Träger, die sich mit der Temperatur verändern,

y falls Öl als Übertragungsmedium genutzt wird, kann die Ausdehnung des Öls in Ver-

bindung mit der Steifigkeit der Stahlmembrane dazu führen, dass sich ein Druck im Aufnehmer aufbaut. Empfindlichkeitsänderungen sind durch die Abnahme des piezoresistiven Wirkungsfaktors mit zunehmender Temperatur bedingt. Die Brückenschaltungen werden in der Praxis so ausgeführt, dass diese Abnahme automatisch kompensiert wird. In einem Temperaturbereich von ca. 10 bis 80 °C kann die Änderung der Empfindlichkeit auf weniger als 1 % eingeschränkt werden. Auch die Linearität verändert sich etwas mit der Temperatur, dies kann aber in der Praxis meist vernachlässigt werden. Aufgrund des eingeschränkten Temperaturbereiches und wegen ihrer Baugröße sind piezoresistive Druckaufnehmer für eine Zylinderdruckindizierung wenig geeignet. Piezo-

8.1 Druckindizierung

321

resistive Druckaufnehmer werden allerdings häufig für die instationäre Druckmessung im Einlass- bzw. Auslasssystem eingesetzt. Infolge der insbesondere im Auslasssystem auftretenden hohen Wärmeübergänge sind entsprechende Maßnahmen zur Reduktion der Temperaturbelastung des Aufnehmers unumgänglich (Umschalt- bzw. Kühladapter, weit zurückversetzter Einbau). Um diese Nachteile zu minimieren hat es in letzter Zeit eine Reihe von Entwicklungen gegeben, die zum Ziel hatten, den Druck direkt, d. h. ohne Übertragungsglied, über die Wheatstone’sche Brücke zu messen und gleichzeitig den Temperatureinsatzbereich zu erweitern. Dies wurde zum Beispiel dadurch erreicht, in dem die Halbleiterwiederstände in Siliziumoxid verpackt wurden, das gleichzeitig als Isolator dient. Diese Technologie (silicon on silicon) erlaubt den Bau kleinerer Aufnehmern. Der trotzdem vorhandene Temperatureinfluss auf den Messwert konnte wesentlich durch den Einsatz einer digitalen Fehlerkompensation verbessert werden. Fiberoptische Druckaufnehmer Fiberoptische Druckaufnehmer bestehen im Wesentlichen aus einer metallischen Membrane, die mit dem Aufnehmergehäuse verschweißt ist, und zwei Lichtwellenleitern. Über einen dieser Leiter wird ein optisches Signal gesendet, das an der Rückseite der Membrane reflektiert und über den zweiten Leiter einem Empfänger zugeführt wird. Aufgrund der Druckbelastung verschiebt sich die Membrane, was unter anderem zu einer Änderung in der empfangenen Lichtintensität führt. Für die Druckmessung wird nach Wlodarczyk (1999) nur ein sehr schmaler Bereich der Membranbewegung herangezogen, typischerweise etwa 20 Pm. Fiberoptische Druckaufnehmer werden für die Motorüberwachung verwendet, für hochgenaue Zylinderdruckindizierungen sind sie nur bedingt geeignet. „ Ladungsverstärker Die vom piezoelektrischen Druckaufnehmer erzeugte Polarisationsladung wird mit Hilfe eines Ladungsverstärkers in ein Spannungssignal umgewandelt, das den nachgeschalteten Datenerfassungs- und Auswertegeräten zur weiteren Verarbeitung zugeführt wird. Entsprechend dem in Abb. 8-12 oben dargestellten Schaltplan besteht ein Ladungsverstärker im Wesentlichen aus einem Verstärker V mit sehr hoher innerer Spannungsverstärkung und einem Gegenkopplungskondensator CG. Wird vom piezoelektrischen Druckaufnehmer DA eine Ladung geliefert, so entsteht eine geringe Spannungserhöhung am Eingang des Verstärkers V. Diese Spannungserhöhung erscheint stark verstärkt und negativ am Ausgang – die Ausgangsspannung weist also eine gegenüber der Eingangsspannung negative Polarität auf. Der damit negativ vorgespannte Gegenkopplungskondensator nimmt entsprechend Ladung vom Eingang ab und hält damit den Spannungsanstieg am Verstärkereingang klein. Moderne Ladungsverstärker haben heute zusätzlich die Möglichkeit Sensoren zu erkennen und so die entsprechend erforderlichen Daten zur automatischen Parametrierung des Messkanals bereitzustellen. Bei der hier notwendigen Anwendung der Sensoren in heißer Umgebung kommen entweder durch das Messkabel mit dem Sensor verbundene Halbleiterspeicher (TEDS – Transducer Electronic Data Sheet) oder im Sensor eingebaute mit einer hardcodierten Kennung versehene temperaturbeständige SAW-Elemente (Surface Acoustic Waves) zum Einsatz. Letztere haben den Vorteil, dass die gleiche elektrische Verbindung und Leitung wie für die Übertragung des Messsignals genutzt, damit auch überwacht werden kann und durch den Einbau im Sensor die Kennung nicht verloren gehen kann.

322

8 Verbrennungsdiagnostik

Long

RG

Short Reset CG

I IE IIso

V

UE UA

DA

CK

R ISO

Ladungsverstärker

Abb. 8-12: Schaltbild und Ausführung eines Ladungsverstärkers (Fa. AVL)

Neben der Erhöhung der Messsicherheit durch

y eindeutige Erkennung des angeschlossenen Sensors und y der damit möglichen automatische Parametrierung des Messkanals wird die Fehleranfälligkeit drastisch reduziert. Weiterhin kann durch eine automatische Dokumentation des genutzten Sensors im Messfile eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der gerüsteten Messkette sichergestellt werden. Beide Technologien genügen dem Standard IEEE 1451.4. Neben der Signalkonditionierung und der Sensorkennung liefern speziell ausgerüstete Verstärker auch berechnete Messwerte (z. B. Zylinderspitzendruck, Geräuschauswertung), so dass für schnelle und einfache Aussagen über die Verbrennung keine komplette Indizierausrüstung mehr notwendig ist. „ Indiziergerät Mit Hilfe eines Indiziergerätes (Abb. 8-13) wird das analoge Ausgangsspannungssignal des Ladungsverstärkers digitalisiert und aufgezeichnet. Die Datenerfassung enthält zumindest einen A/D-Wandler, eine Triggereinheit, die die Zuordnung der Messwerte zu

8.1 Druckindizierung

323

den Kurbelwinkelwerten sicher stellt, einen oder mehrere Prozessoren für RT-Berechnungen (real-time) und einen schnellen Speicher zur vorübergehenden Speicherung der Roh- und RT-Daten. Die Übernahme der Daten/Ergebnisse aus dem Datenerfassungsspeicher sowie weitere Berechnungen, die Datenablage und Darstellung der Werte erfolgt mit einem Rechner, der dazu bei einigen Geräten direkt eingebaut sein kann.

Abb. 8-13: Indiziergerät

Für die Digitalisierung wird typischerweise eine Auflösung von 14bit oder 16 Bit genutzt und die Datenerfassung geschieht mit Abtastraten von 800 kHz bis 1,2 MHz pro Kanal. Einen Anhaltspunkt auf die Frage, wie hoch die Abtastrate gewählt werden muss, um ein vorgegebenes Signal zu erfassen, liefert das Abtasttheorem nach Nyquist. Danach muss die Abtastrate mindestens doppelt so hoch sein wie die höchste vorkommende Signalfrequenz. Mit einer Abtastrate von 800 kHz sind bei 0,1 ° Kurbelwinkelauflösung Motordrehzahlen bis über 13.000 1/min problemlos messbar. Der typische Eingangsspannungsbereich je Kanal von –10 V bis +10 V besteht bei 800 kHz aus 16384 Digitalschritten, oder einer Auflösung von ca. 1,22 mV je Schritt. Um genaue Ergebnisse zu erzielen, sollte durch eine optimale Einstellung der Verstärkung der Betriebsbereich des A/D-Wandlers möglichst gut ausgenutzt werden. Die Auflösung des Kurbelwinkels bestimmt die Anzahl der Messpunkte, wobei zur Datenreduktion nur bestimmte Bereiche im Zyklus (z. B. Klopfbereich) mit entsprechend hoher Auflösung erfasst werden müssen. Sind harte Echtzeitberechnungen (RT) wie einfache Wärmefreisetzungen, Spitzendruck, Klopfkennwerte usw. für Regeleingriffe notwendig liefert diese das Indiziergerät direkt. Die Dauer einer Messung wird entweder vom in der Datenerfassung vorhandenen Speicher oder der Geschwindigkeit der Schnittstelle Datenerfassung-PC (IEEE1394, USB, Ethernet) bestimmt. Ist diese schnell genug, können die Messwerte schon während der Messung für weitere Berechnungen im PC genutzt werden. Eine leicht zu handhabende Programmieroberfläche unterstützt den Nutzer dabei seine eigenen Berechnungen leicht zu erstellen und trägt so zur individuellen Konfiguration des gesamten Messsystems bei. Die Parametrierung (Abb. 8-14) der gesamten Messkette, die Messsteuerung und die Visualisierung der Messdaten und berechneten Größen erfolgt heute ausschließlich mit PC basierter Software. Neben der Sicherstellung der eigentlichen Messfunktion handhabt die Indiziersoftware die Schnittstelle und den Datenverkehr zu übergeordneten Systemen und/oder Subsystemen (z. B. Prüfstandsautomatisierung, Motor- oder Fahrzeugkalibriersystem mit oder ohne automatisierte Unterstützung).

324

8 Verbrennungsdiagnostik

Abb. 8-14: Parametrieroberfläche

Aufgrund der Vielfalt der Untersuchungsschwerpunkte bei einer heutigen Indiziermessung und den damit verbundenen Messmöglichkeiten ist notwendig, neben der Messparametrierung auch die gerüsteten Komponenten der Messkette als „zur Messung gehörig“ zu dokumentieren. Dieses kann z. B. im Messfile geschehen. Die Nutzung der Funktionalität Sensorkennung als auch die Erfassung der gerüsteten Komponenten der Messkette werden damit zur Voraussetzung. „ Messverkabelung Die Messverkabelung dient zur Übertragung der Ladungs- und Spannungssignale. Aufgrund der geringen elektrischen Ladungsabgabe des piezoelektrischen Druckaufnehmers kommt vor allem der Verbindung zwischen Aufnehmer und Ladungsverstärker entscheidende Bedeutung zu. Sowohl für Messverkabelung als auch Ladungsverstärker werden sehr hohe Isolationswerte, Rauscharmut, Robustheit und einfache Handhabung gefordert. „ Winkelaufnehmer Aufgrund der Ungleichförmigkeiten der Winkelgeschwindigkeit kann das Zeitsignal als Basis für die Messung dynamischer Größen am Verbrennungsmotor nicht zur Anwendung kommen. Vielmehr bietet sich der nahezu zeitproportionale Kurbelwinkel an und wird auch praktisch ausschließlich verwendet. Dazu liefert ein an der Kurbelwelle des Verbrennungsmotors angebrachter Winkelaufnehmer (Abb. 8-15) dieses Signal. Aufgrund der Art der Datenerfassung und Datenverarbeitung kommen praktisch nur digitale Winkelmessprinzipien in Frage. In der Regel werden eine Triggermarke zur Synchronisation (Trigge-

8.1 Druckindizierung

325

rung) nach jeder Umdrehung und eine Reihe von Winkelmarken (zumeist 360 oder 720 Marken pro Umdrehung) für die Winkelinformation verwendet. Neben den von dieser Einheit mechanisch zur Verfügung gestellten Winkelmarken kann eine weitere erhöhte Auflösung durch entsprechend höhere Anzahl von Winkelmarken pro Umdrehung separat oder im Indiziergerät erzeugt werden und ermöglichen damit eine Auflösung bis zu 0,025 °KW. Dabei gilt: Je höher die (mechanisch) vorhandenen Rohwinkelmarken, desto einfacher und sicherer die Vervielfachung im dynamischen Motorbetrieb.

Abb. 8-15: Winkelaufnehmer

Für die Erzeugung des Winkelsignals werden je nach Anforderung unterschiedliche Prinzipien der Signalerzeugung verwendet:

y Hall-Sensoren

Der Halleffekt beruht darauf, dass elektrische Ladungsträger in einem Magnetfeld abgelenkt werden. An einem stromdurchflossenen leitenden Plättchen wird senkrecht zu Strom und Magnetfeld die sogenannte Hallspannung abgegriffen. Hall-Sensoren sind auch für geringe Drehzahlen geeignet, die Genauigkeit dieser Sensoren ist allerdings relativ gering.

y Induktive Sensoren

Induktive Sensoren bestehen aus einem Dauermagnet, der hinter einem Weicheisenkern mit einer Spule angeordnet ist, siehe Abb. 8-16 links. Bewegt man einen magnetisch leitfähigen Markenträger (z. B. Zahnrad) vor dem Sensor, so ändert sich der magnetische Fluss im Weicheisenkern und induziert damit eine Spannung in der Spule. Induktive Sensoren werden meist in Verbindung mit am Motor bereits vorhandenen Zahnrädern eingesetzt. Die dabei erzielbare Genauigkeit und Winkelauflösung hängt stark von der mechanischen Ausführung der Geberräder ab, weshalb diese Art von Aufnehmern hauptsächlich für Überwachungszwecke und/oder Drehzahlmessungen verwendet wird. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Relativbewegungen von Sensorkopf und Markenträger das Signal beeinflussen. Weiterhin weisen induktive Sensoren eine starke Drehzahlabhängigkeit der Ausgangsspannung auf, wodurch niedere Drehzahlen nicht mehr zu detektieren sind.

y Optische Sensoren

Als Messprinzip wird dabei das der Lichtschranke verwendet, siehe Abb. 8-16 rechts. Je nach Anordnung kommt das Durchlicht- oder Reflexionslichtverfahren zur Anwendung. Optische Winkelaufnehmer erfüllen durch die Möglichkeit einer sehr genauen Strukturierung der Markenscheiben hohe Genauigkeitsanforderungen (auch bei kleinen Dimensionen). Ein weiterer Vorteil liegt in der geringen Anfälligkeit gegenüber

326

8 Verbrennungsdiagnostik

Störungen, vor allem wenn im Bereich großer Störfelder mit Lichtleitfasern gearbeitet wird. Die Winkelauflösung liegt gewöhnlich unter 1 °KW. Induktiv

Optisch

Abb. 8-16: Messprinzipien von Winkelaufnehmern

Aufgabe der Winkelsensoren ist eine möglichst genaue Messung der Kurbelwellendrehbewegung relativ zum Kurbelgehäuse. Die Montage kann dafür grundsätzlich am freien Kurbelwellenende oder am Kurbelwellenende beim Abtrieb zum Verbraucher erfolgen. Daraus leiten sich folgende Möglichkeiten der Montage von Sensorkopf und Markenscheibe ab: Markenscheibe fest auf Kurbelwelle – Sensorkopf fest auf Kurbelgehäuse Diese Art der Montage wird üblicherweise für die Position am Abtrieb zum Verbraucher eingesetzt, da dadurch eine Durchführung der Welle zur Bremseinrichtung möglich ist. Nachteilig wirken sich Relativbewegungen zwischen der Markenscheibe und dem Sensorkopf aus, siehe Abb. 8-17 links. Als vorteilhaft erweist sich hier die Verwendung einer Markenscheibe mit möglichst großem Durchmesser, um Winkelfehler zu minimieren. Markenscheibe fest auf Kurbelwelle – Sensorkopf axial und radial fest auf Kurbelwelle Die direkte Lagerung des Winkelaufnehmergehäuses (verdrehgesichert zum Kurbelgehäuse) am freien Ende der Kurbelwelle minimiert jegliche Relativbewegungen zwischen der Markenscheibe und dem Sensorkopf (Abb. 8-17 rechts).

Abb. 8-17: Auswirkung der Relativbewegung von Markenscheibe und Sensorkopf

8.1 Druckindizierung

327

Die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der Montage führen – wie in Abb. 8-18 dargestellt – zu zwei generell unterschiedlichen Konstruktionen von Winkelaufnehmern. Bei den Winkelaufnehmern mit Eigenlagerung (links dargestellt) wird an das freie Kurbelwellenende ein Wellenstück angeflanscht, auf welchem auch die Markenscheibe fixiert ist. Der Sensorkopf ist drehbar auf dem angeflanschten Wellenstück gelagert und stützt sich gegen das Kurbelgehäuse ab. Die Abtastung der Markenscheibe mit dem Sensorkopf kann mit Durchlicht- oder Reflexionsverfahren erfolgen. Wird der Winkelaufnehmer auf der Abtriebsseite des Motors installiert, so ist der Sensorkopf getrennt von der Markenscheibe am Motorblock oder einer anderen Aufnahme befestigt (Abb. 8-18 rechts). Markenscheibe

Sensorkopf

Sensorkopf

Lagerung

Markenscheibe

Abb. 8-18: Beispiele ausgeführter Winkelaufnehmer (Fa. AVL)

Die besten Resultate können mit einem am freien Ende der Kurbelwelle gelagerten Winkelaufnehmer erzielt werden. Wichtig ist, dass dabei am zum Winkelaufnehmer nächsten Zylinder indiziert wird. In diesem Fall lassen sich eine minimale Kurbelwellentorsion und damit ein geringer Winkelfehler erwarten. Eine Montage auf der Nockenwelle oder auf einem Zwischentrieb soll auf Grund von Deformationen und Spiel in der Verbindung zur Kurbelwelle vermieden werden. Zur Vermeidung von Messfehlern ist weiterhin zu beachten, dass die Abstützung des Winkelaufnehmers zum Motorblock an einer vibrationsarmen Stelle gewählt wird und möglichst steif ausgeführt ist. Nutzen der Winkelsignale der Motorsteuerung Neben dem Einsatz der oben beschriebenen und zusätzlich zu montierenden Winkelaufnehmer besteht auch die Möglichkeit, direkt auf die Winkelmarkengenerierung der elektronischen Motorsteuerung zurückzugreifen. Typische Rastermaße sind 60 minus 2 Zähne oder 30 minus einen Zahn. Intelligente elektronische Schaltungen machen auch diese groben Rasterungen für eine ausreichend genaue Indizierung nutzbar. Hierbei sind insbesondere im transienten Betrieb geeignete Algorithmen notwendig, um immer die notwendige Anzahl an Kurbelwinkelmarken für ein Arbeitsspiel sicherzustellen. Dabei ist ein gutes Zusammenspiel zwischen Winkelaufbereitung und Indiziergerät notwendig. Diese Art der Kurbelwinkelgenerierung stellt vor allem für die Indizierung im Fahrzeug eine erhebliche Vereinfachung dar.

328

8 Verbrennungsdiagnostik

8.1.3

Einflüsse auf die Messgenauigkeit

„ Äußere Einflüsse auf den Sensor Neben den grundlegenden Kenngrößen von piezoelektrischen Druckaufnehmern wie Messbereich, Empfindlichkeit, Linearitätsabweichung etc. sind bei der Anwendung vor allem jene Änderungen in den messtechnischen Eigenschaften von Bedeutung, die durch die während des Einsatzes wirkenden äußeren Einflüsse zu einer maßgeblichen Beeinflussung des Messergebnisses führen können. In Abb. 8-19 sind die wichtigsten Einflüsse dargestellt.

Wärmestrom 50 W/cm2 – dauernd 1000 W/cm2 – zyklisch

Abb. 8-19: Äußere Einflüsse auf den Druckaufnehmer

Neben dem Druck selbst gehören dazu in erster Linie:

y Temperatur und Wärmestrom

Aufgrund der sehr hohen Arbeitsgastemperaturen bei der Verbrennung sind Druckaufnehmer im Betrieb sehr hohen Wärmestrombelastungen ausgesetzt. In extremen Fällen treten zyklische Wärmeströme mit einer Amplitude von mehr als 1000 W/cm2 (etwa bei klopfender Verbrennung) und mittlere Wärmeströme bis zu 50 W/cm2 auf. Die daraus resultierenden hohen Temperaturen können bei ungekühlten Druckaufnehmern bis zu 500 °C im Frontbereich, bis zu 400 °C am Messelement und bis zu 200 °C an der Steckverbindung betragen. Bei gekühlten Aufnehmern liegt das Temperaturniveau naturgemäß wesentlich niedriger. Durch die intensive Kühlung liegen dabei die Temperaturen typischerweise im Frontbereich bei etwa 100 °C, die Temperaturen am Messelement bei etwa 40 °C und an der Steckverbindung bei ca. 20 °C.

8.1 Druckindizierung

329

y Beschleunigungen Körperschall aber auch allgemeine Vibrationen des Motors verursachen Beschleunigungen am Druckaufnehmer. Während die durch Motorvibrationen bedingten Beschleunigungswerte mit etwa 200 g begrenzt sind, können aufgrund von Stoßbelastungen bis zu 1000 g am Aufnehmer auftreten. Speziell bei hochdrehenden Rennmotoren und bei der Erfassung von Druckverläufen im Ein- und Auslasssystem können Beschleunigungseinflüsse die Qualität der Messung erheblich beeinflussen.

y Verformungsspannungen

Gas- und Massenkräfte sowie die thermische Beanspruchung führen an der Einbaustelle des Druckaufnehmers zu Verformungsspannungen von bis zu 200 N/mm2. Die daraus resultierenden Verformungen im Druckaufnehmergehäuse können zu Fehlern im Drucksignal führen. Entscheidend für die Verformungsempfindlichkeit von Druckaufnehmern ist neben der Konstruktion vor allem auch die Einbauart. Druckaufnehmer in Steckausführung sind in der Regel verformungsunempfindlicher als Gewindetypen, reagieren aber auf Temperatureinflüsse stärker als Gewindetypen.

y Chemische Einflüsse und Ablagerungen

Im Motor entstehen Verbrennungsprodukte, die zu Korrosionsschäden am Druckaufnehmer führen können. Zudem kommt es sowohl in Otto- als auch in Dieselmotoren zu Ablagerungen an der Oberfläche des Brennraumes und damit auch am Druckaufnehmer. Korrosionsschäden und Ablagerungen können das Messergebnis beeinflussen. Um die Reaktion auf diese einzelnen Einflüsse beschreiben und die Auswirkungen bei der Messung abschätzen zu können, werden bei piezoelektrischen Druckaufnehmern für den Einsatz in Verbrennungsmotoren neben den grundlegenden Spezifikationen eine Reihe weiterer Kenngrößen angegeben. Für einen Teil dieser Kenngrößen wurden spezielle Prüfmethoden entwickelt. Insbesondere die Temperatur- und Wärmestrombelastung übt einen sehr wesentlichen Einfluss auf die messtechnischen Eigenschaften von Druckaufnehmern aus. Dabei sind vor allem – die Änderung der Empfindlichkeit mit der Temperatur und – die thermische Drift (zyklische Temperaturdrift und Lastwechseldrift)von Bedeutung. „ OT-Zuordnung Bei der thermodynamischen Analyse von Druckverläufen kommt der exakten Bestimmung des oberen Totpunktes eine entscheidende Bedeutung zu. Beispielhaft sind in Abb. 8-20 links der Einfluss eines Winkelfehlers auf die Energiebilanz und rechts der Einfluss auf den Reibmitteldruck bei einem Dieselmotors dargestellt, Pischinger et al. (2002). Eine zu frühe Lage des OT, was eine Rechtsverschiebung des Zylinderdruckverlaufs bedeutet, bewirkt bei aufwärtsgehenden Kolben einen zu niederen Druck, bei abwärtsgehenden Kolben einen zu hohen Druck. Eine scheinbar längere Nachverbrennungsphase und ein erhöhter Energieumsatz sind die Folge. Bei zurückversetzter OT-Lage kehren sich die Verhältnisse um. Die Auswirkungen von Winkelverschiebungen zeigen sich auch bei der indizierten Arbeit (indizierter Mitteldruck pi), welche größer wird, wenn der OT zu früh liegt und umgekehrt. Man erhält dann größere bzw. kleinere Reibmitteldrücke.

330

8 Verbrennungsdiagnostik LL..Leerlauf VL..Vollast

'QB [%] 25

H= 22, LL

15 10

H= 14, LL

' pr

H= 22, VL H= 14, VL

2,0 1,5 1,0

5 OT liegt zu spät

-2,0

H= 14 22

H= 14

H= 22

-1,0

-5

1,0 2,0 'M >°KW]

-10

-2,0

-1,0

H= 22 OT liegt zu früh

H= 22

-0,5

H= 14

-1,5

-15 -20

H= 14

0,5

OT liegt zu früh

OT liegt zu spät

[bar]

1,0 2,0 'M >°KW]

-1,0

-2,0

Abb. 8-20: Einfluss des Winkelfehlers auf Energiebilanz und Reibmitteldruck (Dieselmotor)

Die Zuordnung der Triggermarkierung zum oberen Totpunkt kann mit verschiedenen Methoden erfolgen:

y Statische Totpunktbestimmung

Dabei wird zunächst am Motorblock eine Markierungsfahne (1) angebracht, die über einen drehenden Teil des Motors mit größtmöglichem Durchmesser (z. B. Schwungscheibe) ragt, siehe Abb. 8-21. Dann wird die Kurbelwelle solange gedreht, bis die Kurbelkröpfung und das Pleuel des Zylinders, an dem gemessen wird, ungefähr einen rechten Winkel einnehmen (Stellung a). In dieser Stellung wird die Höhenlage des Kolbens gemessen. Dazu wird ein Mikrometertaststift (2) über z. B. die Zündkerzenbohrung auf die Kolbenoberfläche gesetzt. Auf der Schwungscheibe wird diese Stellung gegenüber der Markierungsfahne gekennzeichnet (A). Nun wird der Kolben abgesenkt und durch Weiterdrehen der Kurbelwelle wieder angehoben, bis am Mikrometer wieder die gleiche Anzeige wie vorhin aufscheint (Stellung b). Auch diese Position wird auf der Schwungscheibe angezeichnet (B).

Abb. 8-21: Verfahren zur statischen OT-Bestimmung

Darauf wird die Distanz zwischen den beiden Anzeichnungen auf der Schwungscheibe halbiert. Dreht man nun die Kurbelwelle so weit, bis die Halbierung genau bei der Markierungsfahne zu stehen kommt, so befindet sich der Kolben im oberen Totpunkt.

y Totpunktbestimmung über thermodynamischen Verlustwinkel

Aufgrund von Wärme- und Leckageverlusten kommt im geschleppten Motorbetrieb das Druckmaximum vor dem oberen Totpunkt zu liegen. Dieser Differenzwinkel zwischen Druckmaximum und dem OT wird als thermodynamischer Verlustwinkel bezeichnet, vgl. [9]. Der thermodynamische Verlustwinkel hängt von der Bauart des Motors und von der Drehzahl ab. Bei höheren Drehzahlen wird der thermodynamische Verlustwinkel gerin-

8.1 Druckindizierung

331

ger, da aufgrund der geringeren zur Verfügung stehenden Zeiten die Wärmeabgabe sinkt. Für die OT-Zuordnung wird der Motor geschleppt2, aus dem gemessenen Druckverlauf das Druckmaximum bestimmt und der Druckverlauf entsprechend dem Verlustwinkel verschoben.

y Thermodynamische Einpassung, Feßler (1988)

Wie noch später bei der Zuordnung des Druckniveaus gezeigt, wird dabei durch einen Vergleich des gemessenen mit dem berechneten Druckverlauf eine Zuordnung zum OT möglich.

y Totpunktbestimmung mit kapazitiven Sensoren

Eine genaue Möglichkeit zur Bestimmung des oberen Totpunkts bieten kapazitive OTSensoren, siehe Abb. 8-22. Dies vor allem deshalb, weil direkt die Kolbenbewegung gemessen wird. Damit können Genauigkeiten von r 0.1 °KW erreicht werden. Die Bestimmung erfolgt im Schleppbetrieb. Der OT-Sensor wird für die Messung im Zylinderkopf montiert, dazu werden bereits vorhandene Bohrungen für Zündkerze, Einspritzdüse oder Druckaufnehmer verwendet.

Elektronik Sensor Klemmung Adapter

Min. Abstand 1.5mm im Ladungswechsel-OT

Abb. 8-22: Aufbau und Montage eines kapazitiven OT-Sensors (Fa. AVL)

Das Funktionsprinzip basiert auf einem kapazitiven Messverfahren bei dem der Sensor die Veränderungen der Kapazität zwischen dem Kolben und dem Sensorkopf misst. Die Kapazität verändert sich linear mit dem Abstand Kolben zu Sensorkopf. Im Fall eines 4-Takt Motors weist das Ausgangssignal des OT-Sensors sowohl im Ladungswechsel-OT und im Zünd-OT ein Maximum auf. Wegen des Spiels in den Gleitlagern und des geringen Zylinderdrucks beim Ladungswechsel wird das Signal des Ladungswechsel-OT höher sein. Trotz des höheren Signals im Ladungswechsel-OT ist für eine maximale Genauigkeit das Signal des Zünd-OT zu verwenden. Dies einerseits um die im realen Betrieb auftretenden Deformationen berücksichtigen zu können, andererseits weil beim Ladungswechsel die Ventilbewegungen die Kapazität der jeweiligen Kolbenpositionen beeinflussen und damit das Ergebnis verfälschen können.

2

Bei Mehrzylindermotoren kann die OT-Bestimmung auch im gefeuerten Betrieb mit einem stillgelegten Zylinder erfolgen, in welchem der OT bestimmt wird.

332

8 Verbrennungsdiagnostik

Die Bestimmung der tatsächlichen OT-Lage aus dem Ausgangssignal des Sensors kann wegen des flachen Signalverlaufs in OT-Nähe und der Auflösung der Signalabtastung nicht über das Signalmaximum erfolgen. Es wird daher folgender Algorithmus verwendet: Im steigenden Ast wird bei einem bestimmten Winkelwert (ca. 15 °KW bis 5 °KW vor OT) die Amplitude gemessen und der entsprechende Winkel zur gleichen Signalamplitude im fallenden Ast ermittelt. Die Halbierung des Winkelbereiches ergibt die OT-Lage. Der Vorgang wird mehrmals wiederholt und ein Mittelwert bestimmt. Die beschriebenen Methoden zur Zuordnung zum OT unterscheiden sich grundsätzlich hinsichtlich Aufwand und der erzielbaren Genauigkeit, für Details siehe Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000). Eine Bewertung ist in Abb. 8-23 dargestellt. Die statische Bestimmung des oberen Totpunkts führt insbesondere aufgrund des nicht ideal starren mechanischen Aufbaus von Verbrennungskraftmaschinen zu Ungenauigkeiten und ist zudem relativ aufwendig. Das Verfahren des thermodynamischen Verlustwinkels ist einfach, man ist allerdings auf Erfahrungswerte angewiesen, die nicht immer zur Verfügung stehen und Unsicherheiten mit sich bringen. Eine genauere Zuordnung zum oberen Totpunkt lässt sich mit kapazitiven OT-Sensoren und der thermodynamischen Einpassung erreichen, der Aufwand ist aber jedenfalls hoch. Die thermodynamische Einpassung basiert auf einer Berechnung des Schleppdruckverlaufes und setzt die genaue Kenntnis der Ladungsmasse sowie des Wärmeüberganges und der Leckage voraus. Insbesondere die Berücksichtigung des Wärmeüberganges führt dabei zu Unsicherheiten. Aufwand OT-Sensor

hoch

statisch

mäßig

thermodynamische Einpassung

Thermodynamischer Verlustwinkel

gering

Genauigkeit gering

mäßig

hoch

Abb. 8-23: Vergleich von Aufwand und Genauigkeit verschiedener Verfahren zur OT-Bestimmung

„ Bestimmung des Druckniveaus Mit piezoelektrischen Druckaufnehmern kann Prinzip bedingt nur der wechselnde Druckanteil gemessen werden, nicht jedoch der physikalisch korrekte Absolutdruck p. Der gemessene Druckverlauf pMess muss somit nach Gl. (8.7) um den Betrag 'pn (Nulllinienverschiebung) korrigiert werden.

p (M )

pMess (M )  % pn

(8.7)

Da ein korrekter Druckverlauf Grundlage für eine genaue Brennverlaufsrechnung ist, kommt der Nulllinienfindung eine zentrale Bedeutung zu. Ein positiver Nullpunktsfehler (+'p) hat zu große Zylinderdrücke zur Folge, was vor OT zu kleineren und nach OT zu größeren Umsetzraten führt. Bei negativen Nullpunktsfehler (–'p) verhält es sich gerade

8.1 Druckindizierung

333

umgekehrt. Da der größte Teil der Energieumsetzung nach dem OT stattfindet, überwiegen die Veränderungen in diesem Teil des Brennverlaufes. Typische Auswirkungen eines Nullpunktfehlers auf die Energiebilanz sind in Abb. 8-24 links für einen Dieselmotor und rechts für einen Ottomotor dargestellt, siehe Pischinger et al. (2002). 'QB [%] 15

Leerlauf

'QB

10 5

[%]

10

Vollast

Leerlauf Halblast Vollast

5

-0,3 -0,2 -0,1 -5

0,1 0,2 0,3 0,4 ' p [bar]

-0,1

-5

0,1 0,2 0,3 'p [bar]

Abb. 8-24: Auswirkung eines Nullpunktfehlers auf die Energiebilanz

Es existieren eine Reihe unterschiedlicher Verfahren zur Bestimmung des Druckniveaus. Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung von Umschaltadaptern, bei denen der Druckaufnehmer kurzzeitig mit einem Referenzdruck (meist Umgebungsdruck) beaufschlagt wird. Umschaltadapter werden für die Zylinderdruckmessung wegen ihres großen Platzbedarfes und der möglichen hohen Drücke beim Schaltvorgang kaum eingesetzt, sie eignen sich aber grundsätzlich sehr gut für die Indizierung im Ein- und Auslassbereich, vgl. Kapitel 8.1.7. Bei der Niveauzuordnung des Zylinderdruckverlaufes wird grundsätzlich zwischen Referenzverfahren und thermodynamischer Nulllinienfindung unterschieden: Referenzverfahren Beim Fixpunkt-Verfahren wird der gemessene Zylinderdruck pMess bei einem bestimmten Kurbelwinkel MRef (Referenzwinkel) auf einen vorgegeben Druckwert pFix (Referenzpunkt) gesetzt. Um den Einfluss von Störsignalen/Ausreißern beim gemessenen Zylinderdruckverlauf auf das Verfahren zu minimieren, wird eine Signalmittelung des gemessenen Druckverlaufs pMess im Bereich des Referenzwinkels MRef durchgeführt, siehe Gl. (8.7).

% pn

pFix 

1 LOT  N ¦ pMess (M ) N  1 M LOT

(8.7)

Als Referenzwert dient häufig der Umgebungsdruck pU, der dem Zylinderdruck im Ladungswechsel-OT gleichgesetzt wird. Diese Annahme ermöglicht allerdings nur bei ungedrosselten Saugmotoren eine hinreichend genaue Niveauzuordnung. Eine weitere Möglichkeit basiert auf der Annahme, dass der Zylinderdruck während der Ansaugphase in guter Näherung dem Saugrohrdruck entspricht. Daher kann der Zylinderdruck im Bereich des unteren Ladungswechseltotpunktes (LUT) nach Gl. (8.8) gleich dem gemittelten Druck im Saugrohr gesetzt werden. % pn

p Saug 

_

1 LUT  N ¦ pMess (M ) N  1 M LUT

(8.8)

334

8 Verbrennungsdiagnostik

Als Alternative dazu kann auch der Zylinderdruck bei maximalem Einlassventilhub gleich dem mittleren Saugrohrdruck gleichgesetzt werden. Die Genauigkeit der Nulllinienfindung mit Hilfe des Saugrohrdrucks lässt sich signifikant erhöhen, wenn man anstelle des gemittelten Saugrohrdrucks den kurbelwinkelaufgelösten zylinderspezifischen Saugrohrdruckverlauf zur individuellen Nulllinienfindung verwendet. Dabei wird der Druck zwischen dem maximalen Einlassventilhub und dem Ladungswechsel-UT gleich dem in diesem Bereich gemessenen Saugrohrdruckverlauf gesetzt. Bei modernen Indiziersystemen lässt sich der Bereich der Mittelung frei wählen, so dass die Nulllinienfindung den Gegebenheiten optimal angepasst werden kann. Thermodynamische Nulllinienfindung Die thermodynamische Nulllinienfindung basiert auf einem Vergleich des gemessenen mit einem berechneten Druckverlauf. Ein relativ einfaches Verfahren dazu stellt ein Verfahren von Hohenberg (1983) dar, das von einem konstanten Polytropenexponenten n in einem bestimmten Kurbelwinkelbereich ausgeht. Für die polytrope Verdichtung gilt Gl. (8.9):

p2 Mess  % pn p1Mess  % pn

N

§ V1 · ¨ ¸ © V2 ¹

(8.9)

C

Damit ergibt sich in weiterer Folge für 'pn Gl. (8.10): % pn

C ˜ p1Mess  p2 Mess 1 C

(8.10)

Als Polytropenexponent n sind folgende Werte empfehlenswert:

y für Dieselmotoren und für Ottomotoren im geschleppten Betrieb n = 1,37...1,40 y für Ottomotoren mit Verbrennung n = 1,32...1,33 Für die beiden Kurbelwinkelwerte M1 und M2 empfehlen sich folgende Bereiche:

M1 = 100 °KW M2 = 60 °KW

80 °KW vor ZOT

70 °KW vor ZOT Diese Art der Nulllinienfindung wird in der Praxis häufig verwendet, da sie trotz ihrer Einfachheit und Schnelligkeit in der Berechnung eine gute Genauigkeit und Schnelligkeit in der Berechnung bietet. Die Hauptunsicherheit dieses Verfahrens liegt in der Verwendung eines konstanten Polytropenexponenten. Um diesen Einfluss zu minimieren, sollte das Kurbelwinkelintervall so klein wie möglich gewählt werden. Eine weitere Schwachstelle zeigt sich, wenn dem Druckverlauf in diesem Kurbelwinkelbereich Signalstörungen (z. B. verursacht durch Körperschall) überlagert sind. Das von Feßler (1988) vorgestellte thermodynamische Einpassverfahren geht hingegen von einer wesentlich detaillierteren Berechnung des Schleppdruckverlaufs aus, wobei der Wärmeübergang, die Leckage und die im Zylinder befindlichen Massen Berücksichtigung finden. Durch die Minimierung der Fläche zwischen dem errechneten und dem gemessenen Druckverlauf in einem bestimmten Kurbelwinkelbereich kann das Druckniveau zugeordnet werden. Der Kurbelwinkelbereich sollte dabei so groß als möglich gewählt werden, d. h. bei Schleppdruckverläufen der gesamte Hochdruckbereich und bei gefeuerten Druck-

8.1 Druckindizierung

335

verläufen der Bereich zwischen Einlassschluss und Brennbeginn3. Dieses Verfahren ist insbesondere auch für die Zuordnung der gemessenen Druckkurve zum oberen Totpunktund für die Bestimmung des Verdichtungsverhältnisses geeignet. In Tab. 8-2 findet sich eine Bewertung der einzelnen Verfahren bezüglich ihrer Anwendbarkeit.

8.1.4

Konstanter Polytropenexponent

Berechneter Schleppdruckverlauf

Verfahren echtzeitfähig

Kurbelwinkelaufgelöster Saugrohrdruck

Genauigkeit

Mittlerer Saugrohrdruck

Messtechnischer Zusatzaufwand

Fixpunktkorrektur

Tab. 8-2: Bewertung der Verfahren zur Nulllinienfindung

nein

(ja)

ja

nein

nein

mäßig

mäßig

gut

gut

sehr gut

ja

ja

ja

ja

nein

Kennwerte infolge von äußeren Einflüssen auf den Sensor

„ Temperaturbedingte Empfindlichkeitsänderung

Die Empfindlichkeit jedes piezoelektrischen Druckaufnehmers verändert sich mit dessen mittlerer Temperatur. Je nach verwendetem Piezomaterial bestehen unterschiedlich große Einflüsse: Quarz mit achsnormalem Schnitt (x-Cut) Quarz mit achsnormalem Schnitt (x-Cut) weist eine relativ starke Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur auf, weshalb dieser nur in wassergekühlten Druckaufnehmern zum Einsatz kommt. Durch eine geeignete Kühlung wird das Messelement selbst unter extremen Belastungen ständig innerhalb eines Temperaturbereiches von 10 bis 20 °C über der Temperatur des Kühlwassers gehalten. Temperaturstabil geschnittener Quarz Aufgrund eines speziellen Belastungswinkels (geeignete Schnittwahl in Bezug auf die kristallografischen Achsen) ist dabei die Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur wesentlich geringer als bei Quarz mit achsnormalem Schnitt. Temperaturstabil geschnittener Quarz eignet sich deshalb auch für den Einsatz in ungekühlten Druckaufnehmern. Die Einsatztemperatur dieser Aufnehmer ist aber mit etwa 350 °C beschränkt.

3

Bei Motoren mit Otto-Direkteinspritzung muss für die Anwendbarkeit dieses Verfahrens ein Verdampfungsmodell, das die unterschiedlichen Stoffwerte und die dem Arbeitsgas durch die Verdampfung des Kraftstoffes entzogene Enthalpie berücksichtigt, eingeführt werden und/oder der Einpassbereich bis zum Einspritzbeginn verkürzt werden, was sich negativ auf die Genauigkeit des Verfahrens auswirken kann. Ähnliches gilt für DI Dieselmotoren bei Verwendung einer Voreinspritzung.

336

8 Verbrennungsdiagnostik

Alternative Piezomaterialien Beispielsweise weist Galliumorthophosphat eine im Vergleich zu Quarz sehr geringe Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur auf und ist für Hochtemperaturanwendungen bis deutlich über 550 °C geeignet (vgl. Abb. 8-9). Die Änderung der Empfindlichkeit bei piezoelektrischen Druckaufnehmern wird in der Regel mit dem Temperaturkoeffizienten der Empfindlichkeit beschrieben, der die auftretende Empfindlichkeitsänderung in Prozent von der nominellen Empfindlichkeit pro °C innerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches angibt. Bei kleinen Temperaturänderungen – z. B. bei Einsatz von wassergekühlten Druckaufnehmern – kann die Änderung der Empfindlichkeit vernachlässigt oder durch den mittleren Temperaturkoeffizienten berücksichtigt werden. Andernfalls ist eine Berücksichtigung des Temperatureinflusses möglich, wenn der Druckaufnehmer bei Einsatztemperatur, d. h. bei der mittleren, im Betrieb auftretenden Messelementtemperatur kalibriert wird, oder die entsprechenden Herstellerangaben zur Korrektur genutzt werden. „ Thermische Drift

Bei Druckaufnehmern, die für Messungen an Verbrennungsmotoren verwendet werden, versteht man unter thermischer Drift diejenige „Druckanzeige“, die allein durch Temperaturänderungen an Druckaufnehmer und Montagestelle verursacht wird. Thermische Driften stellen bei vielen Messungen den entscheidenden Messfehler dar. Neben der konstruktiven Ausführung des Druckaufnehmers wird die thermische Drift vor allem durch Größe und Verlauf der Druckaufnehmerbeheizung, die auch wesentlich von der Einbausituation des Druckaufnehmers abhängig ist, bestimmt. Bei der Druckindizierung an Verbrennungsmotoren sind zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Phänomene der thermischen Drift zu beobachten:

y die zyklische Temperaturdrift und y die Lastwechseldrift. „ Zyklische Temperaturdrift

Dabei handelt es sich um die durch zyklische Beheizung des Druckaufnehmers auftretende Fehldruckanzeige innerhalb eines Zyklus. Die zyklische Temperaturdrift wird auch als Kurzzeittemperaturdrift oder Thermoschock bezeichnet. Da die zyklische Temperaturdrift in vielen Fällen über einen großen Kurbelwinkelbereich wirkt, ist der Einfluss bei Größen, die über ein Arbeitsspiel integriert werden (z. B. dem indizierten Mitteldruck pmi), erheblich. Abb. 8-25 zeigt den Einfluss eines charakteristischen Verlaufes der zyklischen Temperaturdrift auf die Bestimmung des indizierten Mitteldruckes und der Energiebilanz (Vergleich der pro Zylinder und Arbeitsspiel eingebrachten Kraftstoffenergie mit der aus der Motorprozessrechnung berechneten, im Brennraum umgesetzten Energie unter Berücksichtigung der Umsatzverluste). Im Vergleich dazu wirkt sich ein druckproportionaler Fehler in derselben Größenordnung – wie er etwa durch eine Änderung der Empfindlichkeit hervorgerufen wird – wesentlich geringer aus. Die Bestimmung von Kennwerten zur Beschreibung der zyklischen Temperaturdrift erfolgt zum einen durch eine drucklose, zyklische Beheizung des Aufnehmers in einem speziellen Prüfgerät und zum anderen durch Vergleichsmessungen im realen Motorbetrieb.

8.1 Druckindizierung

337

Zylinderdruck [bar] 60 50 40

Abweichung im indizierten Mitteldruck Abweichung in der Energiebilanz

[%]

30

20

20 10 0 -90

-60

-30

0 ZOT

30

60

10

0

Druckproportionaler Fehler

Druckdifferenz [bar]

Zyklische Temperaturdrift

0.4 0 -0.4 -0.8 -90

-60

-30

0 ZOT

30

60

90

120

150

Kurbelwinkel [°KW]

180 UT

210

240

270

Abb. 8-25: Abweichungen im indizierten Mitteldruck und in der Energiebilanz durch einen druckproportionalen Fehler und durch zyklische Temperaturdrift

Bestimmung durch drucklose, zyklische Beheizung Dazu wird das in Abb. 8-26 links dargestellte Prüfgerät (Glaser 1983) eingesetzt, das es ermöglicht, den unbelasteten Druckaufnehmer einer zyklischen Beheizung ähnlicher Größe und Frequenz auszusetzen, wie sie auch im Motor auftritt. Dem zu prüfenden Aufnehmer steht eine Strahlungsheizfläche gegenüber, die von einem rotierenden Blendenrad abgedeckt und wieder freigegeben wird, so dass am Aufnehmer der ebenfalls in Anhang 1 dargestellte Wärmestromverlauf entsteht. Die Strahlungsheizfläche wird elektrisch auf Temperaturen von über 2000 °C aufgeheizt, wodurch Wärmeströme von mehr als 100 W/cm2 erzeugt werden können. Der Druckaufnehmer ist in einer massiven, gekühlten Stahlplatte bündig eingebaut. Als Kennwert für die zyklische Temperaturdrift wird die innerhalb eines Zyklus auftretende maximale Druckabweichung des Druckaufnehmers bei einer bestimmten Frequenz des Blendenrades und bei einer bestimmten Strahlungsbeheizung herangezogen. Dieses Verfahren eignet sich sehr gut für eine grundsätzliche Beurteilung des Aufnehmerverhaltens und für eine Vorauswahl von Aufnehmer mit besonders niedriger zyklischer Temperaturdrift. Die damit erzielten Ergebnisse sind aber nicht unmittelbar auf den Motorbetrieb übertragbar, weshalb die Bewertung von Aufnehmern auch im realen Motorbetrieb durchgeführt werden sollte.

338

8 Verbrennungsdiagnostik Blende offen

Blendenrad

Blende geschlossen

. qo

Graphitheizfläche

'q . qm . qu

0

Aufnehmer

0

30

60

90 Drehwinkel

120

150

[°]

Abb. 8-26: Dynamisches Prüfgerät zur Bestimmung der zyklischen Temperaturdrift

Bestimmung im Motorbetrieb mit Referenzdruckaufnehmer Dabei wird ein Kennwert für die zyklische Temperaturdrift aus der Differenz zwischen dem Druckverlauf des untersuchten Aufnehmers und eines Referenzaufnehmers bestimmt. Der Referenzaufnehmer muss dabei sehr hohen Genauigkeitsansprüchen genügen. In der Regel werden dazu wassergekühlte Aufnehmer mit sehr geringer zyklischer Temperaturdrift eingesetzt. Zudem kann die Membrane des Referenzaufnehmers mit Silikonkautschuk beschichtet werden, wodurch der durch die Verbrennung verursachte Wärmestrom in die Membrane stark verringert wird. Als Kennwert für die zyklische Drift wird die maximale Druckabweichung innerhalb eines Arbeitsspieles bei einem bestimmten Lastzustand des Motors angegeben. In Wimmer und Glaser (1996) wird beispielsweise eine nach dieser Methode durchgeführte Bewertung von ungekühlten Miniaturdruckaufnehmern gezeigt. Maßnahmen zur Verminderung der zyklischen Temperaturdrift Obwohl der Einfluss der zyklischen Temperaturdrift bei modernen Druckaufnehmern durch eine spezielle Konstruktion von Membrane und Gehäuse erheblich reduziert werden konnte, ist die zyklische Temperaturdrift nach wie vor einer der häufigsten aufnehmerbedingten Fehlerquellen. Die Hersteller sind bemüht, die Aufnehmerkonstruktion und hier insbesondere den Bereich der Membrane so zu optimieren, dass eine möglichst geringe zyklische Temperaturdrift auftritt. Dabei unterstützt heute insbesondere der Einsatz der Finiten Elemente Methode die Aufnehmerkonstruktion, Karst (2000).Voraussetzung dafür ist neben einer realitätsnahen Modellierung auch die genaue Kenntnis der Randbedingungen, insbesondere die Kenntnis der an der Brennraumseite auftretenden Wärmestromverhältnisse. Neben der Auswahl von Druckaufnehmern mit möglichst geringer zyklischer Temperaturdrift bieten sich auch seitens des Anwenders einige Möglichkeiten. Da die zyklische Temperaturdrift durch den in den Aufnehmer fließenden Wärmestrom verursacht wird, kann sie

y durch die Wahl einer günstigen Einbauposition, y eines zurückversetzten Einbaus oder y durch den Einsatz eines Thermoschutzes

erheblich reduziert werden. Eine detaillierte Beschreibung der Maßnahmen findet sich in Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000).

180

8.1 Druckindizierung

339

„ Lastwechseldrift

Das langsame Driften des Drucksignales nach einem Lastwechsel, d. h. einer Änderung der Beheizung über eine Reihe von Zyklen, wird als Lastwechseldrift bezeichnet. In älteren Publikationen findet sich auch die Bezeichnung Lang- und/oder Mittelzeitdrift. Die Lastwechseldrift äußert sich als relativ langsame Druckniveauverschiebung, die durch eine Temperaturänderung im gesamten Druckaufnehmer verursacht wird. Erst wenn der Druckaufnehmer im Mittel keine Temperaturänderung mehr erfährt, tritt keine weitere Niveauänderung mehr auf. Die Bestimmung von Kennwerten zur Beschreibung der Lastwechseldrift erfolgt im realen Motorbetrieb, wobei nach Betrieb bei einem bestimmten Lastpunkt durch Abschalten der Kraftstoffzufuhr auf Schleppbetrieb übergegangen und damit ein rascher Wechsel der mittleren Beheizung des Druckaufnehmers (Lastsprung) erzeugt wird, siehe Abb. 8-27. Als Kenngrößen zur Spezifizierung der Lastwechseldrift werden aus dem dabei erfassten Mess-Signal in der Regel der maximale Nullpunktsgradient und die bleibende Veränderung des Druckniveaus nach einer bestimmten Zeit (20 s) herangezogen. Dieser Fehler kann in modernen Ladungsverstärkern mit Driftkompensation im Allgemeinen gut korrigiert werden.

Zylinderdruck

[bar] 50 40 30 20 10 0 0

2

4

6

8

10 12 Zeit [sec]

14

16

18

20

Lastwechsel Niveauverschiebung

[bar] max. Nullpunktsgradient dp/dt

1.0

bleibende Abweichung des Druckniveaus

0 -1.0 Lastwechseldrift

-2.0 0

2

4

6

8

10 12 Zeit [sec]

14

Abb. 8-27: Lastwechseldrift

16

18

20

340

8 Verbrennungsdiagnostik

8.1.5

Varianten für die Sensoradaptierung

Die moderne Brennraumindizierung wird – wenn möglich – über im Zylinderkopf vorhandene Bohrungen durchgeführt. Dabei kommen Adapter zur Anwendung, die ungekühlte Miniaturdruckaufnehmer bzw. Druckmesssonden enthalten und die gegen Originalbauteile, wie Glüh- oder Zündkerzen, ausgetauscht werden. Dadurch ist es möglich, den Adaptionsaufwand wesentlich zu minimieren. „ Zündkerzenadaptierung

Bei Ottomotoren kann durch Verwendung einer Messzündkerze ohne Eingriff am Zylinderkopf indiziert werden. Diese Messzündkerze erfüllt dabei eine Doppelfunktion: Sie zündet einerseits wie eine herkömmliche Zündkerze das im Zylinder befindliche Gemisch, auf der anderen Seite nimmt sie den Druckaufnehmer auf. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse ist der Einbau des Aufnehmers meistens nur mit einer exzentrisch angeordneten Mittelelektrode möglich. Da Messzündkerzen in erster Linie als Ersatz zu einer standardmäßig vorhandenen Zündkerze eingesetzt werden, ist darauf zu achten, dass die für den Motor passenden Kennwerte wie Wärmewert, Funkenlage, Elektrodenform und Elektrodenabstand ausgewählt werden. Aus diesem Grund sind Messzündkerzen in verschiedensten Ausführungen erhältlich. Prinzipiell existieren entsprechend Abb. 8-28 drei Ausführungsvarianten von Messzündkerzen:

y Messzündkerze mit Miniaturdruckaufnehmer

Heute fast nicht mehr verwendet wird der zurückgesetzte Einbau eines ungekühlten Miniaturdruckaufnehmers im Kerzenkopf in Höhe des Sechskants (Abb. 8-28 links). Ein relativ langer Kanal stellt dabei die Verbindung Brennraum – Aufnehmer her. Der Vorteil dieser Variante infolge der geringeren zyklischen Temperaturdrift aufgrund geringer Wärmestrombelastung kann durch den Nachteil des Auftretens von Pfeifenschwingungen nicht annähernd kompensiert werden.

y Messzündkerze mit Druckmesssonde

Ein brennraumbündiger Einbau einer Druckmesssonde in der Messzündkerze ist erst durch den Einsatz neuer Piezomaterialien (z. B. GaPO4) möglich geworden (Abb. 8-28 Mitte). Aufgrund der hohen Temperaturbelastung bei engsten Platzverhältnissen waren piezoelektrische Quarzdruckaufnehmer für diese Adaptierung nicht geeignet. Selbst bei hohen Drehzahlen treten damit nur minimale Pfeifenschwingungen auf, die zyklische Temperaturdrift wird durch einen guten Wärmeübergang DruckmesssondeAdapter-Zylinderkopf minimiert.

y Direktmessende Messzündkerze

Kleinere Zündkerzenbohrungen können nur durch eine weitere Miniaturisierung der Adapter, der Isolatoren und auch der Druckaufnehmer bedient werden. Insbesondere die Druckaufnehmereigenschaften leiden unter diesem Zielkonflikt. Aus diesem Grund stellt es einen optimalen Kompromiss dar, die Druckmessfunktion direkt in den Zündkerzenmassekörper zu integrieren (Abb. 8-28 rechts). Durch die Schrägstellung der Membrane wird ein brennraumbündiger Messort ohne Einfluss von Pfeifenschwingungen erreicht. Gleichzeitig wird eine Exzentrizität des Zündortes im Vergleich zu der oben beschriebenen Lösung mit Druckmesssonde weitgehend vermieden.

8.1 Druckindizierung

341

10

Wie die beiden rechten Ausführungen in Abb. 8-28 zeigen sind heute auch identische äußere Anschlussmaße für Messzündkerzen im Vergleich zu Originalzündkerzen üblich.

B

25

Ø10.5

D

C

A

HEX17

M14x1.25 Ø18.6

Abb. 8-28: Unterschiedliche Bauformen von Messzündkerzen (Fa. AVL)

„ Glühkerzenadaptierung

Beim Dieselmotor mit Glühkerze bietet sich die Glühkerzenbohrung als bevorzugte Messstelle an. Die Adaptierungsvariante wird dabei in erster Linie durch die geometrischen Abmessungen der Bohrung bestimmt. Wenn möglich wird eine brennraumnahe Position der Druckaufnehmermembrane angestrebt, um mögliche Pfeifenschwingungen zu minimieren. Bei langen schlanken Glühkerzen bietet sich der Einsatz von eigens entwickelten Druckmesssonden an, um eine brennraumnahe Position und somit ein unverfälschtes Messsignal zu erreichen (siehe Abb. 8-29 links). Dieser Anforderung kann heute auch bis zu den kleinsten üblichen Durchmessern genügt werden, so dass die Druckmesssonde auch ohne Adapter zur Anwendung kommt und durch eine spezielle Gestaltung der Spitze die exakte Form der Originalglühkerze nachgebildet wird (Abb. 8-29 rechts). Muss der Druckaufnehmer wegen zu geringen Durchmessers der Bohrung oder in Kombination mit einer Glühfunktion hinter die Dichtfläche zurückgesetzt werden, sorgen speziell gestaltete Dämpfungsvolumina im Adapter dafür, dass mögliche Signalverfälschungen durch Pfeifenschwingungen im Gaskanal deutlich verringert werden. Höchste Messqualität wird nur mit optimal angepassten Adaptern erreicht. Dabei kommt insbesondere dem Spalt zwischen Glühkerzenbohrung und Adapter entscheidende Bedeutung bezüglich thermischer Belastung des Aufnehmers zu. Je größer dieser ist, desto stärker wird die Temperaturerhöhung im Bereich des Aufnehmers und eine umso stärkere Beeinflussung des Messsignals tritt auf. Aus diesem Grund werden Glühkerzenadapter anwendungsspezifisch nach den exakten Abmessungen der Glühkerzenbohrung gefertigt.

342

8 Verbrennungsdiagnostik

Abb. 8-29: Glühkerzenadapter mit Druckmesssonde und Glühkerzenaufnehmer (Fa. AVL)

„ Druckindizierung mit Eingriff am Versuchsträger

Bei dieser Form der Adaptierung besteht eine Vielfalt an Möglichkeiten Aufnehmer und Einbauvarianten an unterschiedlichen Messstellen zu kombinieren. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten gestaltet sich die richtige Auswahl von Aufnehmer und Einbauvariante sowie der Messstelle jedoch sehr komplex. Um brauchbare Messergebnisse zu erhalten, müssen in diesem Zusammenhang viele potenzielle Fehlerquellen Berücksichtigung finden. Hinweise zur Wahl einer geeigneten Messstelle finden sich im vorigen Kapitel. Abb. 8-30 zeigt den Einbau zweier ungekühlter Druckaufnehmer in einen Zylinderkopf mittels Adapterhülsen, wobei einmal nur der Kühlwassermantel und einmal sowohl Kühlwasser- als auch Ölraum durchquert werden.

Abb. 8-30: Zylinderkopf mit zwei eingebauten Druckaufnehmern

8.1 Druckindizierung

343

In einem solchen Fall muss auch berücksichtigt werden, dass der Kühlwasserkreislauf durch den Einbau von Aufnehmern gestört wird und sich durch geänderte Strömungsverhältnisse örtlich eventuell negative Einflüsse auf die Kühlleistung ergeben können. Wahl der Messstelle Bei der Wahl der Messstelle ist grundsätzlich zu beachten, dass der Druck im Brennraum nicht überall gleich ist (unterteilte Brennräume, Quetschflächen, usw.). Für eine präzise Druckmessung bei thermodynamischen Untersuchungen ist es deshalb nicht gleichgültig, an welcher Stelle der Druckaufnehmer im Zylinderkopf eingebaut wird. Die Wahl des Einbauortes und die Ausführung der Montagestelle müssen sicherstellen, dass y die zulässige Betriebstemperatur des Druckaufnehmers nicht überschritten wird, y die Wärmestrombelastung nicht zu hoch wird, y die Temperaturschwankungen im Druckaufnehmer möglichst gering gehalten werden, y die durch den Einbau bedingten Fehler möglichst klein gehalten werden (Pfeifenschwingungen etc.) und y Einflüsse durch Verschmutzung der elektrischen Verbindung zwischen Aufnehmer und Kabel (Öl, Wasser etc.) vermieden werden. Erschwerend kommt hinzu, dass thermisch günstige Einbauorte oft wegen mangelnder Platzverhältnisse (Kühlmantel, Vierventiltechnik, Doppelzündung etc.) ausscheiden. Motorenhersteller nehmen bei der Gestaltung von Zylinderköpfen selten auf die Montagesituation von Druckaufnehmern Rücksicht, da diese meist nur während der Entwicklungsphase zum Einsatz kommen und die optimale Form des Serienproduktes nicht beeinflussen sollen. Aus diesem Grund macht die kompakte Konstruktion moderner Motoren oftmals Kompromissentscheidungen bezüglich des Einbauortes erforderlich. Daher wird es nicht immer möglich sein, alle auftretenden Störfaktoren in gleicher Weise zu eliminieren. Die ideale Messstelle befindet sich an einer Position, an der der örtliche Druck für die jeweilige Messaufgabe repräsentativ ist. Anordnungen mit einem (langen) Indizierkanal, über einem Quetschspalt, über der Auftreffstelle des Einspritzstrahles und an thermisch hoch belasteten Stellen sollten nach Möglichkeit vermieden werden, kühle Einbaustellen (z. B. in der Nähe der Einlassventile) sind zu bevorzugen. Indizierkanal Die Ausbildung eines Indizierkanals bewirkt eine Vergrößerung des Brennraumvolumens. Dadurch ergeben sich geringfügige Änderungen im Verdichtungsverhältnis, die sich auf das Motorverhalten auswirken können. Zudem stellt der Indizierkanal einen akustischen Resonator dar, der durch Druckänderungen zu sogenannten Pfeifenschwingungen angeregt wird. Zur Verdeutlichung dieses Einflusses zeigt Abb. 8-31 die auf Basis einer Zündkerzenadaptierung an einem Ottomotor gemessenen Druckverläufe bei unterschiedlicher Längen des Indizierkanals (2,7; 25 und 37 mm). Abgebildet sind jeweils 5 Einzelzyklen, wobei das Niveau der einzelnen Druckkurven so festgelegt wurde, dass sich eine übersichtlichere Darstellung ergibt. Demnach treten selbst bei einer Indizierkanallänge von 25 mm noch signifikante Pfeifenschwingungen auf. Diese Störfrequenz ist abhängig vom Gaszustand und somit vorab nicht exakt bestimmbar. Daher scheidet auch die nachträgliche Verwendung von Frequenzfiltern zur Eliminierung von Pfeifenschwingungen wegen des beträchtlichen rechnerischen und experimentellen Aufwandes aus.

344

8 Verbrennungsdiagnostik

Druck [bar] 90 80 70 60 50 40 30 20 10 LKanal > 37 mm

LKanal = 25 mm

LKanal = 2,7 mm

0

-20

0

20

40

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

60

-20

0

20

40

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

60

-20

0

20

40

60

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 8-31: Einfluss der Länge des Indizierkanals auf den gemessenen Druckverlauf

Anordnung über dem Quetschspalt Durch die Kolbenbewegung werden die Gase im Quetschspalt im Bereich des oberen Totpunktes (OT) stark beschleunigt. Mit diesen Gasströmungen gehen starke Druckunterschiede im Quetschspalt einher, die bei der Auswertung einer Druckmessung zu entsprechenden Fehlaussagen führen können. Speziell bei einer exzentrischen Lage der Kolbenmulde und bei Querschnittserweiterungen im Bereich der Ventiltaschen ist die Quetschspaltströmung zeitlich und räumlich unterschiedlich stark. Das Gas in der Brennraummulde und jenes im Quetschspalt kann bei Anregung (Zündung) eine gekoppelte Gasschwingung ausführen. Je nach Lage der Messstelle kann daher der Druckaufnehmer mit Gasschwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude beaufschlagt werden, die sich dann signifikant ausbilden können, wenn die Verbrennung eine hohe Druckanstiegsgeschwindigkeit besitzt. Prinzipiell ist bei exzentrischen Mulden zur Vermeidung überlagerter Gasschwingungen im Messsignal die Anordnung des Druckaufnehmers an der Seite mit der kurzen Quetschspaltlänge von Vorteil. Strömungstasche bei schrägem Einbau Generell soll sich die Druckaufnehmermembrane möglichst der Kontur des Zylinderkopfbodens anpassen, d. h. die Längsachse des Druckaufnehmers sollte nach Möglichkeit rechtwinkelig zum Zylinderkopfboden verlaufen. Meist ist jedoch wegen des konstruktiven Aufbaus des Zylinderkopfes nur ein leicht schräger Einbau des Druckaufnehmers möglich. Bei sehr schrägem Einbau können sich Nachteile aufgrund der dabei erzeugten Strömungstasche durch eine geringfügige Vergrößerung des Brennraumvolumens und einer Störung der Strömungsverhältnisse am Einbauort ergeben. Anordnung in Ventilnähe Bei einer Anordnung der Messstelle in Ventilnähe ergibt sich eine geringe lokale Druckänderung beim Gaswechsel, wodurch vor allem die Niederdruckschleife etwas verzerrt werden kann. Besonders in unmittelbarer Nähe der Auslassventile ergeben sich hohe Strömungsgeschwindigkeiten an der Oberfläche der Druckaufnehmermembrane und eine

8.1 Druckindizierung

345

damit verbundene erhöhte Wärmestrombelastung (zyklische Temperaturdrift). In der Nähe eines Auslassventils ist der Zylinderkopfboden in der Regel am heißesten. Somit nimmt auch der Druckaufnehmer eine hohe Temperatur an, wodurch eine Empfindlichkeitsänderung sowie ein Absinken der Lebensdauer des Druckaufnehmers verursacht werden kann. Anordnung über der Auftreffstelle des Einspritzstrahls Bei der Anordnung der Messstelle unmittelbar über der Auftreffstelle des Einspritzstrahles können durch das Auftreffen von kaltem Treibstoff (Änderung der Wärmestrombelastung) Fehler durch zyklische Temperaturdrift verursacht werden. Deshalb sollten derartige Messstellenanordnungen möglichst vermieden werden.

8.1.6

Elektrische Drift am Ladungsverstärker

Am Ausgang des Verstärkers V wird sich genau jene Spannung UA einstellen, die über den Gegenkopplungskondensator die Ladung vom Eingang so weit abzieht, dass die verbleibende Eingangsspannung über V verstärkt gerade UA ergibt. Da der Verstärkungsfaktor von V sehr groß ist (bis etwa 100 000), bleibt die Eingangsspannung UE nahezu null. Die vom Druckaufnehmer abgegebene Ladung wird nicht zur Aufladung, d. h. zur Spannungserhöhung an den Eingangskapazitäten verwendet, sondern vom Gegenkopplungskondensator abgesogen. Daher haben auch Änderungen der Eingangskapazität – z. B. durch unterschiedliche Kabel mit unterschiedlicher Kabelkapazität CK – praktisch keinen Einfluss auf das Messergebnis. Die Ausgangsspannung UA des Verstärkers ist direkt proportional zur abgegebenen Ladung Q des Aufnehmers sowie umgekehrt proportional zur Kapazität des Gegenkopplungskondensators CG, so dass durch Einschalten entsprechender Kapazitätswerte beliebig gestufte Messbereiche (Range-Einstellung) verfügbar werden, siehe Zusammenhang (8.11).

UA a – Q / CG

(8.11)

Bei konstanter Messgröße, d. h. bei konstantem Druck am Aufnehmer, würde man eine konstante Spannung am Ausgang des Ladungsverstärkers erwarten. Bei der piezoelektrischen Messkette kommt es aber Prinzip bedingt zu einer Drift des Ausgangssignals. Da diese Drift elektrische Ursachen hat, spricht man von elektrischer Drift. Die Ursachen für die elektrische Drift sind im Wesentlichen das je nach Polarität der Eingangsspannung auftretende Zu- oder Abfließen von Ladungen und die Entladung des Gegenkopplungskondensators. Eine wesentliche Maßnahme gegen die elektrische Drift ist vor allem die hochisolierende Ausführung des Verstärkereingangs, des Druckaufnehmers und der Messkabel inklusive der Steckverbindungen (Isolationswerte in der Größenordnung von 1013 :). Zudem kann durch die Parallelschaltung eines zusätzlichen Gegenkopplungswiderstandes RG die Drift auf einen bestimmten Wert begrenzt und das Abwandern in die Sättigung vermieden werden. In dieser Betriebsart kann damit auch bei schlechterer Isolation gemessen werden, sie eignet sich aber ausschließlich für den Monitorbetrieb, da das Drucksignal in Abhängigkeit von Drehzahl und Range-Einstellung phasenverschoben und in der Amplitude verringert wird. Schließlich kann eine Driftkompensation auch durch die Einspeisung eines Kompensationsstromes, der gleich groß ist wie die Summe der über die Isolationswiderstände abfließenden Ströme, in den Eingang des Operationsverstärkers realisiert werden.

346

8.1.7

8 Verbrennungsdiagnostik

Druckindizierung im Ein- und Auslasssystem

Für die Analyse des Ladungswechsels ist neben einer möglichst genauen Brennraumdruckindizierung während der Ventilöffnungszeiten auch eine genaue Erfassung der Druckverläufe im Ein- und Auslasssystem notwendig, siehe Wimmer et al. (2000). Für die Messung von Ladungswechseldruckverläufen werden sowohl piezoelektrische als auch piezoresistive Druckaufnehmer verwendet: „ Piezoelektrische Druckaufnehmer Der Einbau des piezoelektrischen Druckaufnehmers erfolgt dabei mit einem Dämpfungsadapter, um die Übertragung von Vibrationen an den Aufnehmern weitgehend zu verhindern. Dies ist insbesondere bei der Verwendung von beschleunigungsempfindlichen Druckaufnehmern von Bedeutung. Zur Reduktion der Temperaturbelastung sind Dämpfungsadapter in der Regel mit einer Kühlung ausgeführt. Beispielhaft sind in Abb. 8-32 Dämpfungsadapter für unterschiedliche Druckaufnehmerbauarten dargestellt. Diese Anordnung ermöglicht eine kürzestmögliche Verbindung von der Messstelle zur Druckaufnehmermembrane, Pfeifenschwingungen und Verschiebungen in der Phasenlage des gemessenen Druckverlaufes können damit weitgehend verhindert werden. Beim Einsatz im Auslasssystem ergibt sich allerdings eine hohe Wärmestrombelastung, weshalb jedenfalls Aufnehmer mit einer geringen zyklischen Temperaturdrift zu verwenden sind. Zur Bestimmung des Absolutdruckniveaus ist am Adapter ein entsprechender Anschluss vorgesehen. Die Messung des Referenzdruckes erfolgt in geeignetem Abstand von der Montagestelle beispielsweise mit piezoresistiven Druckaufnehmern.

Sensor: Adapter:

AVL QC42D AVL 12ZP88

AVL GU21C AVL AE02

AVL GH12D AVL AE03

Abb. 8-32: Dämpfungsadapter für die Niederdruckindizierung mit piezoelektrischen Druckaufnehmern (Fa. AVL)

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Druckniveaus stellen sogenannte Umschaltadapter dar, die eine kurzzeitige Beaufschlagung des piezoelektrischen Druckaufnehmers mit Umgebungsdruck erlauben. Diese Art von Adaptern wird auch bei piezoresistiven Aufnehmern verwendet, um an hoch belasteten Messstellen die trotz AbsolutMessprinzip notwendige Korrektur des Nullniveaus zu ermöglichen.

8.1 Druckindizierung

347

„ Piezoresistive Druckaufnehmer

Piezoresistive Druckaufnehmer haben den Vorteil, dass der Absolutdruck bestimmt werden kann, besitzen aber eine starke Abhängigkeit der messtechnischen Eigenschaften von der Temperatur (Nullpunktsdrift, zyklische Temperaturdrift). Im Auslasssystem können diese deshalb nur weit zurückversetzt oder in Kombination mit gekühlten Spezialadaptern verwendet werden (Bertola (2008), vgl. Abb. 8-33. Dabei wird der Druckaufnehmer mit Hilfe eines mechanischen Ventils nur für eine bestimmte Anzahl von Zyklen (etwa 100) den heißen Verbrennungsgasen ausgesetzt. Anschließend wird der Gaskanal im Umschaltventil wieder geschlossen, wodurch der Druckaufnehmer zwischen zwei Messphasen die Möglichkeit einer thermischen Regeneration hat.

Druckaufnehmer

Ventil

Abb. 8-33: Gekühlter Schaltadapter für die Niederdruckindizierung mit piezoresistiven Druckaufnehmern (Fa. Kistler)

Bei der Indizierung im Ein- und Auslasssystem sind damit vor allem folgende Einflüsse zu berücksichtigen:

y Beschleunigungseinflüsse (bei piezoelektrischen Druckaufnehmern), y Einflüsse durch Temperatur- und Wärmestrombelastung (speziell im Auslasssystem):

thermische Nullpunktsdrift (bei piezoresistiven Druckaufnehmern) und zyklische Temperaturdrift, y Einflüsse durch einen zurückversetzten Sensoreinbau (Pfeifenschwingungen sowie Veränderungen in der Phasenlage und Amplitude). Grundsätzlich können sowohl mit piezoresistiven als auch mit piezoelektrischen Druckaufnehmern genaue Messungen durchgeführt werden. Werden piezoresistive Absolutdruckaufnehmer eingesetzt, so ist unbedingt darauf zu achten, dass die Temperatur- und Wärmestrombelastung des Aufnehmers gering bleibt. Dies kann durch einen zurückversetzten Einbau realisiert werden, was allerdings Änderungen in der Phasenlage und Amplitudenänderungen des Drucksignales zur Folge hat. Die oben beschriebene Anordnung mit Schaltadapter, bei der der Druckaufnehmer nur für eine geringe Anzahl von Zyklen freigegeben wird, entspricht diesem Typ. Der darin realisierte Indizierkanal weist eine Länge auf, mit der sich nur eine geringe Beeinflussung auf Phasenlage und Amplitude ergibt. Je nach Betriebszustand des Motors können jedoch Pfeifenschwingungen die Qualität der Messung beeinflussen. Piezoelektrische Druckaufnehmer sind bezüglich ihrer Einsatzgrenzen weniger eingeschränkt (Temperaturbereich bis 400 °C). Aufgrund der geringeren Beschleunigungsempfindlichkeit empfiehlt sich der Einsatz von ungekühlten Aufnehmern. Moderne ungekühlte Druckaufnehmer weisen bereits eine sehr geringe zyklische Temperaturdrift auf und sind deshalb auch für bündigen oder nur geringfügig zurückversetzten Einbau im Auslasssystem geeignet. Die Zuordnung zum Druckniveau kann einfach durch die Messung mit einem in ausreichendem Abstand zur Messstelle und damit thermisch gering belasteten Absolutdruckaufnehmer oder durch die Verwendung eines Umschaltadapters erfolgen.

348

8.2

8 Verbrennungsdiagnostik

Druckverlaufsanalyse

Die Analyse des Zylinderdruckverlaufes ist trotz der Weiterentwicklung optischer Messverfahren bei der heutigen Entwicklung von Verbrennungsmotoren nicht wegzudenken. Zum einen ist der Zylinderdruckverlauf die wichtigste Größe zur Erkennung von klopfender Verbrennung online am Prüfstand und zum anderen können aus der thermodynamischen Analyse des Drucksignals wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Verbrennung (Entflammungsdauer, Zündverzug, Heiz- und Brennverlauf) sowie der sogenannten Verlustteilung gewonnen werden. Zudem gibt der Druckverlauf Aufschluss über die Einhaltung des vorgegebenen Spitzendruckes, die indizierte Arbeit sowie über das Ladungswechselverhalten des Motors (Füllung) und das Restgas im Brennraum.

8.2.1

Bestimmung des Brennverlaufes

„ Erfassung des Drucksignals

Die notwendige Messtechnik (siehe 8.1) liefert das Drucksignal dessen weitere Analyse wichtige Aussagen zur Energieumsetzung während der Verbrennung liefert. Trotz großer Bemühungen gelingt die exakte Reproduzierbarkeit von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel nur unzulänglich, so dass folgende Empfehlung die allgemeingültige Aussage der Analyse vereinfacht. Bei fremdgezündeten Motoren (Ottomotor) kommt es durch Gemisch-Inhomogenitäten an der Zündkerze zu sehr starken Unterschieden bei der Verbrennung, da diese je nach Gemischzustand im Zündkerzenspalt einige Grad Kurbelwinkel früher oder später startet. Diese sogenannten Zyklenschwankungen werden für eine thermodynamische Auswertung durch eine Mittelung über eine große Anzahl von Arbeitsspielen geglättet. Beim Ottomotor ist eine Mittelung von bis zu 250 Arbeitsspielen anzustreben. Beim Dieselmotor sind aufgrund der Selbstzündung diese Schwankungen weniger ausgeprägt, weshalb eine Mittelung über weniger als 50 Arbeitsspiele meist ausreicht. „ Auswertung des Drucksignals

Setzt man zunächst den Brennraum des Verbrennungsmotors als Bilanzvolumen an, können die Zustände des eingeschlossenen Gases, also Druck, Temperatur und die Innere Energie, über die thermische Zustandsgleichung sowie über die Massenbilanz und die Energiebilanz eindeutig beschrieben werden (vgl. Kapitel 9.1). Die im Brennraum eingeschlossene Gasmasse kann im einfachsten Fall über die Messung der Frischgasmasse bestimmt werden. Es ergibt sich jedoch das Problem, dass der Fanggrad meist nur unzureichend bekannt ist. Bei Mehrzylindermotoren stellt sich zudem die Aufteilung der Frischgasmasse auf die einzelnen Zylinder als problematisch dar, da diese Größe meist nur integral über alle Zylinder gemessen werden kann. Hier kann z. B. eine Ladungswechselrechnung unterstützend helfen, für die eine Messung der Niederdruckverläufe im Ansaug- und Abgastrakt notwendig ist. Diese Messung erfolgt meist mittels piezoresistiver Drucksensoren. Die Drucksignale werden als Randbedingungen einem sogenannten Minimodell aufgeprägt, das über die in Kapitel 9.4 beschriebenen gasdynamischen Zusammenhänge das Rohrleitungssystem zwischen der einlassseitigen Messstelle und der abgasseitigen Messstelle beschreibt.

8.2 Druckverlaufsanalyse

349

Bei Motoren mit hohen Restgasanteilen hat sich zur Ermittlung der Restgasmasse bei äußerer Abgasrückführung eine Messung der CO2-Konzentration im Abgas und im vom Zylinder angesaugten Gasgemisch – also im Ansaugtrakt nach der Zumischungsstelle – als zielführend herausgestellt. Die innere Abgasrückführrate kann praktisch nur über die oben beschriebene Ladungswechselrechnung bestimmt werden. Da die Verbrennung normalerweise nur während des Hochdruckteiles stattfindet (Ausnahme: später Ausbrand durch z. B. Nacheinspritzung), kann man den Brennraum für den Hochdruckteil als geschlossenes System betrachten. Damit sind die Enthalpieströme über die Systemgrenze Null und auch die Blowby-Verluste und die Verdampfungsenthalpie bei Benzin-Direkteinspritzung können in erster Näherung zu Null gesetzt werden. dQB dt

§ dmBr .,verd . ·º dU dQW dV ª dmBB   p %hverd . ¸ » hBB ¨  « dt dt dt «¬ dt dt © ¹ »¼

(8.12)

Die Innere Energie in (8.12) kann in Abhängigkeit von Druck, Temperatur und Gaszusammensetzung beschrieben werden. Auch die Wandwärmeverluste von Kolben, Zylinderkopf und der Laufbüchse können als Funktionen von Druck und Temperatur dargestellt werden. Zur Beschreibung des brennraumwandseitigen Wärmestromes sind die Wandtemperaturen notwendig, die durch Messung oder Berechung bestimmt werden können. Das Zylindervolumen ist ohnehin nur von geometrischen Größen abhängig. Die zugehörigen physikalischen Gesetzmäßigkeiten sind in Kapitel 9.1 ausführlich beschrieben. Die mittlere Gastemperatur kann bei Kenntnis des momentanen Brennraumvolumens, des Druckes und der im Brennraum befindlichen Gesamtgasmasse über die thermische Zustandsgleichung leicht bestimmt werden. Als einzige Unbekannte für die Ermittlung des Brennverlaufes – also der freigesetzten Verbrennungswärme – verbleibt der Druck im Zylinder. Die Fragestellung zur Ermittlung des Brennverlaufes richtet sich somit auf die Ermittlung des Druckes im Zylinder, die bereits beschrieben ist. Druckaufnehmer, die nach dem piezoelektrischen Prinzip arbeiten, können keine Absolutdrücke messen. Deshalb muss das Druckniveau des gemessenen Drucksignals nach bestimmten thermodynamischen Kriterien eingepasst werden. Die Einpassung kann im Bereich der Kompressionsphase, in der die Gastemperatur in der gleichen Größenordnung wie die Zylinderwandtemperatur liegt, über eine polytrope Verdichtung erfolgen. Begünstigt wird dies dadurch, dass in diesem Bereich der Wärmeübergangskoeffizient sehr niedrig ist. Ein Bereich zwischen ca. 100 °KW und ca. 65 °KW vor OT erweist sich bei einer Vielzahl von Motoren als günstig, kann jedoch nicht verallgemeinert werden. Für den Dieselmotor ist ein Polytropenexponent von 1,37 und für den gemischansaugenden Ottomotor aufgrund des Brennstoffanteiles im angesaugten Gemisch ein Polytropenexponent von 1,32 zu wählen. Eine weitere Möglichkeit stellt eine Einpassung über den 1. Hauptsatz der Thermodynamik dar. Zwischen dem Schließen des Einlassventils und dem Zündzeitpunkt muss die durch die Verbrennung integral und zeitlich freigesetzte Wärmemenge identisch Null sein. Versieht man nun den gemessenen Druck mit einem additiven Druckkorrekturglied, kann man nach diesem auflösen und erhält iterativ eine sehr exakte Lösung für die Druckeinpassung. Die höchste Genauigkeit ist mit der bereits beschriebenen Ladungswechselberechnung unter Vorgabe der gemessenen dynamischen Saugrohr- und Abgasgegendrücke möglich. Nach erfolgter Ladungswechselrechnung wird der gemessene Zylinderdruck an den Druck der Ladungswechselberechnung bei „Einlass schließt“ angepasst. Mit diesem Verfahren

350

8 Verbrennungsdiagnostik

ist zudem eine exakte Ermittlung des Restgasanteils und damit eine exakte Bestimmung der Zylindermasse möglich, was als weiterer Vorteil für eine deutlich verbesserte Auswertegenauigkeit genutzt werden kann. Eine wesentliche Größe für die Beurteilung der Qualität der Brennverlaufsauswertung ist jedoch die sogenannte Energiebilanz. Sie wird aus dem Quotienten der durch die Brennverlaufsauswertung ermittelten Energiemenge und der im Zylinder durch die Verbrennung des Brennstoffes maximal freigesetzten Energiemenge gebildet. Dabei wird der Brennverlauf zum sogenannten Summenbrennverlauf integriert, dessen Wert bei Verbrennungsende den Zähler des Quotienten der Energiebilanz darstellt. Die maximal freigesetzte Energiemenge – also der Nenner – berechnet sich aus dem Produkt des pro Arbeitsspiel eingebrachten Brennstoffes und dem unteren Heizwert, wobei vor allem beim Ottomotor die Energie der nicht verbrannten Abgasbestandteile abgezogen werden muss M BE

³

EB

Ku

M BB

M BE

dQ B dM

m B H u  Quv 1

³

M BB

dQ B dM

mB H u Ku

(8.13) ,

Quv . mB H u

(8.14)

Dabei gilt für die im Abgas enthaltenen unverbrannten Bestandteile wie CO, H2, HC und Ruß folgender Zusammenhang.

mCO H u , CO  mH 2 H u , H 2  mC3H8 H u , C3H8  mC H u , C (8.15) Eine Schwankung der Energiebilanz im Bereich von 95 bis 105 %, also im Bereich von r 5 % kann im Rahmen der erreichbaren Genauigkeiten bei der Messung und bei der Beschreibung der thermodynamischen Zusammenhänge als sehr gut angesehen werden. Neben dem Verlauf der Verbrennung können auch noch andere für die Charakterisierung des Brennverlaufs wichtige Größen ermittelt werden. Diese sind in Abb. 8-34 dargestellt. Quv

0,06

Brennverlauf dQB [J/°KW], [%/°KW]

0,05

Brennverlauf Summenbrennverlauf

0,04

100 80

0,03

60

Schwerpunkt(50%) (50%)

50 0,02

(3%) Brennbeginn (3%)

Brennende (97%) (97%)

0,01 Zündung 0 330

345

40 20

ZOT 375 390 Grad Kurbelwinkel

405

0 420

Abb. 8-34: Charakteristische Größen des Brennverlaufes

Summenbrennverlauf SQB [J], [%]

120 mBHuhu = 100%

8.2 Druckverlaufsanalyse

351

Die Zeit zwischen Zündung bzw. Einspritzung beim Dieselmotor und dem Brennbeginn, der bei ca. 3 bis 5 % des Summenbrennverlaufes festgelegt werden kann, wird Zündverzug genannt. Die Zeit zwischen Verbrennungsbeginn und Verbrennungsende bezeichnet man als Brenndauer. Der Schwerpunkt des Brennverlaufes ist als der Grad Kurbelwinkel definiert, bei dem 50 % der gesamten Wärmemenge umgesetzt wurden. Fast unabhängig vom Motortyp und vom Brennverfahren ergeben sich verbrauchsoptimale Betriebspunkte bei einer Schwerpunktlage des Brennverlaufes von ca. 8 °KW nach dem Zünd-OT. Abb. 8-35 zeigt die Auswertung eines Brennverlaufes für einen konventionellen Ottomotor bei einer Drehzahl von 1.000 U/min und einer Last von pi 1 bar . Dargestellt sind der Brennverlauf und die Einzelanteile des Brennverlaufs gemäß dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, vgl. (8.12). Die genaue Vorgehensweise zur Ermittlung des Brennverlaufes ist u. a. bei Witt et al. (1999) beschrieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass für eine thermodynamisch korrekte Auswertung eine hohe Präzision bei der Druckindizierung und Ermittlung aller Messgrößen nötig ist. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dann gelingt es, neben dem indizierten Mitteldruck auch die zeitliche Freisetzung der Verbrennungswärme als entscheidende Voraussetzung für eine effiziente Simulation zu ermitteln.

Bei einer Kombination von Ladungswechselrechnung und Druckverlaufsanalyse kann über die Niederdruckindizierungen auch der Restgasanteil sehr sicher bestimmt werden. 10 pdV dQW dU dQB

Energieanteile [J/°KW]

8 6 4 2 0 -2 270

300

330

ZOT 390 420 Grad Kurbelwinkel

450

480

510

Abb. 8-35: Druckverlauf und Brennverlauf für einen Ottomotor bei 1.000 U/min und einer indizierten Last von pi = 1 bar

8.2.2

Verlustteilung

Um unterschiedliche Brennverfahren hinsichtlich ihrer Potenziale bewerten zu können, bedient man sich der sogenannten Verlustteilung. Dabei werden die Einzelverlustanteile ausgehend vom Prozess des vollkommenen Motors systematisch berechnet und bis zum realen Motorprozess nachvollzogen. Der Prozess des vollkommenen Motors ähnelt dem des Gleichraumprozesses, da bei diesem auch an den oberen Totpunkten die gesamte Energie zu- bzw. abgeführt wird. Jedoch werden für den vollkommenen Motor einige abweichende Annahmen getroffen, die in folgender Aufstellung nach Witt et al. (1999) zusammengefasst sind:

352

8 Verbrennungsdiagnostik

y Berechnung mit idealem Gas und realen Stoffwerten ( cv , c p , N f (T ) ), y gleiches Verbrennungsluftverhältnis wie beim realen Prozess, y die Verbrennung verläuft bis zum chemischen Gleichgewicht mit Berücksichtigung y y y y y y

y y

der Dissoziation, idealisierter Verbrennungsablauf (Wärmezufuhr am OT beim Ottomotor), keine Wandwärmeverluste, keine Reibung, keine Strömungsverluste, die Steuerzeiten liegen in den Totpunkten (AÖ im UT, AS und EÖ im OT, ES im UT), Druck und Temperatur zu Verdichtungsbeginn werden so festgelegt, dass sich die gleiche Verdichtungslinie zwischen dem vollkommenen und dem realen Prozess ergibt, die Ladungsmasse ist die gleiche wie beim realen Prozess, gleicher Restgasanteil wie beim realen Prozess. l

0,70

¥

0,65

k=

0,60

4

2

1 ,.4

1 0,9

0,55

Wirkungsgrad hv

20

Abb. 8-36 zeigt den Wirkungsgrad des vollkommenen Motors in Abhängigkeit vom Verdichtungsverhältnis und vom globalen Verbrennungsluftverhältnis nach Pischinger et al. (1989).

0,50 0,8

0,45 0,40 l

0,35

0,6

0,30 0,25 0,20

4

6

8 10 12 14 16 18 20 22 24 Verdichtungsverhältnis e

Abb. 8-36: Wirkungsgrad des vollkommenen Motors in Abhängigkeit vom Verdichtungsverhältnis und vom globalen Verbrennungsluftverhältnis nach Pischinger et al. (1989)

Der reale Prozess unterscheidet sich vom vollkommenen durch Verluste aus unvollständiger bzw. unvollkommener Verbrennung, durch Verbrennungsverluste, durch Wandwärmeverluste, Ladungswechselverluste und Reibungsverluste. Um diese Verluste zu quantifizieren werden die Kreisprozesse unter Berücksichtigung der jeweiligen Verlustquellen neu berechnet und der Unterschied zum vorherigen Kreisprozess ausgewertet.

ƒ Verluste aus unvollständiger/unvollkommener Verbrennung Unter Verlusten aus unvollständiger Verbrennung versteht man Verluste, die durch unterstöchiometrische Verbrennung – also durch Sauerstoffmangel – entstehen. Diese Verluste sind im vollkommenen Motor bereits berücksichtigt, da hierbei ohnehin nur die Umsetzung des Brennstoffs bis zum chemischen Gleichgewicht berücksichtigt wird. Verluste aus unvollkommener Verbrennung entstehen, wenn der Brennstoff nicht bis zum chemischen Gleichgewicht verbrennt. Aus dieser unvollkommenen Verbrennung resultieren zusätzliche Abgasbestandteile wie CO, H2, HC und Ruß, die über das Niveau der

8.2 Druckverlaufsanalyse

353

Verbrennung bei Sauerstoffmangel hinausgehen. Diese Bestandteile aus unvollständiger und unvollkommener Verbrennung werden durch die Abgasanalyse in ihrer Gesamtheit erfasst. Die Verluste aus unvollkommener Verbrennung verringern die dem Prozess isochor zugeführte Wärmemenge (auf 1 kg Gemischmasse bezogen) und sind wie folgt zu quantifizieren

quv, unvollk .

quv, ges  quv, chem .

(8.16)

Dabei gilt für die gesamten Verluste aus unvollständiger und unvollkommener Verbrennung aus der Abgasanalyse

Q CO Hu, CO

quv, ges

 Q H 2 H u , H 2  Q C3H8 H u , C3H8  Q C H u , C

M1

(8.17)

V

mit

H u , CO

282.900 kJ / kmol,

H u, H2

241.700 kJ / kmol,

H u , C3H8

406.900 kJ / kmol,

Hu, C

2.041.367 kJ / kmol,

MV

28,905 kg / kmol .

Für die unvollständige Verbrennung bis zum chemischen Gleichgewicht gilt nach Vogt (1975) folgender Zusammenhang

quv, chem mit

hu*

Hu

ª¬1  1,3733 O  0,3733 º¼ hu*

O Lmin  1 1

(8.18)

.

„ Verbrennungsverluste

Verbrennungsverluste entstehen dadurch, dass beim realen Prozess die Verbrennungswärme nicht isochor am OT – also in unendlich kurzer Zeit – zugeführt wird, sondern in Form des Brennverlaufs (vgl. Kapitel 9.1.4), der sich über einige Grad Kurbelwinkel erstreckt. Dabei wirkt die vor dem OT zugeführte Wärmemenge der Kompression entgegen, während die nach dem OT zugeführte Wärmemenge nicht mehr während der gesamten Expansion wirken kann. Dieser Verlust kann durch zweimalige Kreisprozessrechnung – einmal mit isochorer Wärmezufuhr und einmal mit Vorgabe der realen Verbrennung ermittelt werden. Hierbei ist anzumerken, dass eine Reduzierung der Verbrennungsverluste als näherungsweise isochore Verbrennung immer mit einer Zunahme der Wandwärmeverluste im realen Motorbetrieb einhergeht, weshalb das Gesamtoptimum aus Verbrennungs- und Wandwärmeverlusten nicht bei einer isochoren Verbrennung liegt. „ Wandwärmeverluste

Auch bei der Ermittlung der Wandwärmeverluste sind zwei Prozessrechnungen notwendig. Der Wandwärmestrom wird dabei über die bekannten Gesetzmäßigkeiten nach Woschni oder Bargende berechnet (siehe Kapitel 9.1.3).

354

8 Verbrennungsdiagnostik

„ Ladungswechselverluste

Der vollkommene Motor besitzt definitionsgemäß keine Ladungswechselverluste, da die Prozessführung von UT bis UT mit einer Wärmeabfuhr erfolgt. Um die Ladungswechselverluste exakt zu berücksichtigen, muss nach Witt et al. (1999) eine Definition der Ladungswechselverluste nach der UT-UT-Methode unter zusätzlicher Berücksichtung von Expansions- und Kompressionsverlusten gewählt werden. Dabei wird die Reduzierung der Arbeitsfläche im p, V-Diagramm durch den plötzlichen Druckabfall aufgrund des Öffnens des Auslassventils vor dem UT berücksichtigt. Genauso verhält es sich mit dem nach UT stattfindenden Schließen des Einlassventils. Hierbei sind entsprechende Kompressionsverluste zu berücksichtigen. Diese Verluste werden „verursachungsgemäß“ den Ladungswechselverlusten zugeschlagen. Die Berücksichtung der Ladungswechselverluste führt zum indizierten Druckverlauf und damit zum indizierten Wirkungsgrad. Verluste wie Leckagen etc. wirken sich nur marginal auf das Ergebnis der Verlustteilung aus.

8.2.3

Vergleich unterschiedlicher Brennverfahren

In diesem Kapitel sind beispielhaft die Brennverläufe und Verlustteilungen für unterschiedliche Brennverfahren dargestellt. Es handelt sich dabei um einen gedrosselten Ottomotor mit Saugrohreinspritzung (MPI), einen Ottomotor mit vollvariabler mechanischer Ventilhubsteuerung und Saugrohreinspritzung (VVH), einen direkteinspritzenden Ottomotor mit einem strahlgeführten Brennverfahren (DI), einen Ottomotor mit kontrollierter Selbstzündung (CAI) und einen Wasserstoffmotor mit Saugrohreinblasung (H2). Allen Betriebspunkten gemeinsam ist eine Drehzahl von 2.000 U/min und ein indizierter Mitteldruck von ca. 2 bar. „ Vergleich der Brennverläufe unterschiedlicher Brennverfahren Abb. 8-37 zeigt die Brennverläufe für die oben beschriebenen Brennverfahren. Der Unterschied der Brennverläufe zwischen dem gedrosselten und dem ungedrosselten Betrieb mit vollvariabler Ventilhubsteuerung ist im Vergleich zu den Brennverläufen für die kontrollierte Selbstzündung nur marginal. Deutlich zu erkennen ist die sehr kurze Brenndauer bei der homogenen Selbstzündung von ca. 10 bis 15 °KW, was eine ca. dreimal niedrigere Brenndauer als beim Benzinsaugrohreinspritzer mit stöchiometrischer Verbrennung bedeutet. Dies ist durch die vielen eng beieinander liegenden Zündherde bedingt, deren umliegendes Gemisch praktisch gleichzeitig verbrennt.

Brennverlauf [J/°KW]

50 MPI VVH DI str. CAI H2

40 30 20 10 0 330

340

350

ZOT 370 380 390 Grad Kurbelwinkel

400

410

420

Abb. 8-37: Vergleich der charakteristischen Brennverläufe unterschiedlicher Brenn- und Laststeuerverfahren

8.2 Druckverlaufsanalyse

355

Das direkteinspritzende strahlgeführte Brennverfahren besitzt eine relativ frühe Schwerpunktlage. Hier erkennt man den Zielkonflikt zwischen einer möglichst guten Gemischaufbereitung zur Sicherstellung des Ausbrandes mit geringen Emissionen (HC) und einer späten Einspritzung zur Erzielung einer verbrauchsoptimalen Schwerpunktlage. Der Wasserstoffmotor besitzt eine im Vergleich zum saugrohreinspritzenden Benzinmotor relativ ähnliche Brenndauer, die sich aus der prinzipiell hohen Brenngeschwindigkeit des Wasserstoffs und der hohen Abmagerung des Gemisches (O > 3) mit der dadurch verbundenen Verzögerung der Brenngeschwindigkeit ergibt. „ Vergleich der Verlustteilung unterschiedlicher Brennverfahren

Die Verlustteilungen für die oben beschriebenen Betriebspunkte sind in Abb. 8-38 dargestellt. n = 2000 min-1 pme = 2 bar pmi » 2,7 bar 60

Wirkungsgrad [%]

50 40 30 20 10 0

2.1 3.7 9.2 2.7

57.3

3.1 56.0 1.4 11.6

2.5 47.8 3.3 5.5 6.4 30.1

3.8 48.9 2.6 5.7 4.6 32.2

1.4 50.6 0.3 7.6 3.0 38.3

he 23.1

he 24.4

he 28.4

he 29.3

he 28.3

MPI gedrosselt

MPI VVH

CAI l = 1.1 e = 11

Otto-DI strahlgeführt

MPI H2

39.6

1.7

38.2

unvollkommene Verbrennung n realer Brennverlauf WandwärmeVerluste

LW-Verluste indizierter Wirkungsgrad

Abb. 8-38: Vergleich der Verlustteilungen unterschiedlicher Brenn- und Laststeuerverfahren

Das Brennverfahren mit der vollvariablen Einlassventilhubsteuerung besitzt aufgrund der höheren Restgasverträglichkeit gegenüber dem gedrosselten Motor das größere Potenzial für den vollkommenen Motorwirkungsgrad. Jedoch liegen die Verluste durch unvollkommene Verbrennung deutlich höher und kompensieren zum Teil die deutlich geringeren Ladungswechselverluste. Das höchste Potenzial des vollkommenen Motors von über 57 % besitzt der direkteinspritzende strahlgeführte Ottomotor, da dieser in dem beschriebenen Betriebspunkt aufgrund der Schichtfähigkeit ein sehr hohes globales Verbrennungsluftverhältnis besitzt. Das höhere Verdichtungsverhältnis von 12 gegenüber 10,5 bei den anderen Brennverfahren verstärkt das größere Grundpotenzial. Bei diesem Betriebspunkt erkennt man die geringen Verluste aufgrund unvollkommener Verbrennung. Durch die frühe Schwerpunktlage sind die Verbrennungsverluste jedoch höher als die von Saugrohreinspritzern, was sich zudem noch in deutlich höheren Wandwärmeverlusten auswirkt. Diese Effekte kompensieren einen Teil des sehr großen Potenzials, zeigen jedoch gleichzeitig ein großes Weiterentwicklungspotenzial auf. Deutlich zu erkennen sind die geringen Ladungswechselverluste, die sich in Summe zu einem um ca. 7 % höheren indizierten Wirkungsgrad auswirken. Dies bedeutet in diesem Betriebspunkt eine Brennstoffverbrauchsverbesserung um ca. 20 % gegenüber der variablen Ventilhubsteuerung. Nicht berücksichtigt sind hierbei jedoch die Verluste durch Abgasnachbehandlungsmaßnahmen (Purging).

356

8 Verbrennungsdiagnostik

Deutlich zu erkennen ist das große Potenzial der kontrollierten Selbstzündung, bei der trotz geringerem Grundpotenzial aus der Betrachtung des vollkommenen Motors extrem geringe Verbrennungsverluste, relativ geringe Wandwärmeverluste und sehr geringe Ladungswechselverluste zu einem hohen indizierten Wirkungsgrad führen. Dieser liegt deutlich über der von variablen Ventilhubsteuerungen und nur knapp unter dem des direkteinspritzenden strahlgeführten Brennverfahrens. Beim Wasserstoffmotor wirken sich das hohe Verdichtungsverhältnis und vor allem das hohe Verbrennungsluftverhältnis (O > 3) aufgrund der extrem weiten Zündgrenzen von Wasserstoff sehr günstig auf das Grundpotenzial des vollkommenen Wirkungsgrades aus. Der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors beträgt ca. 56 %. Die Verbrennung mit ihrer optimalen Schwerpunktlage reduziert zwar die Verbrennungsverluste, jedoch ergeben sich aus den höheren Verbrennungstemperaturen der Wasserstoffverbrennung auch deutlich höhere Wandwärmeverluste, die einen Großteil des Potenzials zunichtemachen. Dennoch stellt sich ein vergleichsweise sehr hoher indizierter Wirkungsgrad ein. Aus den Betriebspunkten ist zu erkennen, dass eine kurze Brenndauer und damit verbunden geringe Verbrennungsverluste höhere Wandwärmeverluste bewirken. Hier muss meist ein Kompromiss gefunden werden, um einen geringen Brennstoffverbrauch realisieren zu können. Dasselbe gilt für den Zusammenhang zwischen einem höheren Verdichtungsverhältnis zur Erzielung eines höheren Wirkungsgrades des vollkommenen Motors und den Wandwärmeverlusten.

8.3

Optische Messverfahren

8.3.1

Einleitung

Welche Eigenschaften einer Verbrennung erfordern optische Messverfahren, welcher Nutzen wird daraus für den Motorentwicklungsvorgang gewonnen? Mit der Vorgabe dieser Fragestellung ist in den nachfolgenden Tabellen eine Übersicht über verschiedene optische Messtechniken und deren Anwendungsmöglichkeiten angeführt. Von den vielfältigen Methoden, die in der Verbrennungsforschung zur Anwendung kommen, haben jedoch nur wenige das Potenzial im praktischen Messbetrieb zur Unterstützung der Motorentwicklung zum Einsatz zu kommen. Der nachfolgende Beitrag gibt nach dem tabellarischen Überblick der Methoden eine beispielhafte Darstellung optischer Verfahren, die zur Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung in Vor- und Serienentwicklung verwendet werden. Auswahlkriterium für eine Methodik ist immer der erzielbare Informationsgehalt für eine aktuelle Fragestellung und der Aufwand, das angestrebte Ergebnis auch erzielen zu können. Daher zeichnen sich erfolgreiche Methoden durch einfache Anwendbarkeit und hohen Informationsgehalt für entwicklungsrelevante Fragestellungen aus.

8.3.2

Anwendungsgebiete optischer Methoden im tabellarischen Überblick

Die Tab. 8.3 bis 8.6 zeigen einen Überblick über Aufgabengebiete, grundlegende Eigenschaften optischer Sensoren, Objekte im Brennraum, die entweder selbst leuchten und daher mit passiven Techniken erfassbar sind, oder die mit externen Lichtquellen beleuchtet werden müssen. Tab. 8.7 gibt eine Zusammenstellung von Lasermesstechniken für motorspezifische Messaufgaben.

8.3 Optische Messverfahren

357

Tab. 8.3: Aufgabengebiete für optische Messtechnik im Motorbrennraum Aufgabengebiet

Ziel

Priorität

Optische Methoden

Forschung

Verbrennungsvorgänge verstehen

Wissenschaftliche Präzision

Randbedingung und Methodik wird von Fragestellung bestimmt

Methodenentwicklung

Abgleich mit Simulation

Genaue Definition und Kenntnis der Versuchsbedingungen

Entwicklung Brennverfahren

Prüfen spezifischer Fragen in Motorenentwicklung

Realitätsnaher, relevanter Motorbetrieb

Muss mit Motorbetrieb vereinbar sein, Aufwand/Nutzen Relation im Projektablauf

Tab. 8.4: Grundeigenschaften optischer Empfänger Signal

Sensor

Zeitsequenz

Zeitauflösung

Ortsauflösung

Bild

Kamera

Single shot und high speed Kamera

Belichtungszeit oder Beleuchtungszeit

Pixelgenau durch optische Abbildung

Strahlung

Einkanal-, Mehr- Kontinuierlich kanalsensor

Bandbreite Signalwandler und Digitalisierungsrate

Integral im Sichtkegel oder Sichtfleck je Kanal

Tab. 8.5: Signalquellen für passive optische Messtechniken Signalquelle

Objekt

Motoren

Anwendung

Leuchtendes Gas

Flammenfront, verbranntes Gas

Ottomotoren

Flammenkernbildung, Flammenausbreitung

Heiße Partikel

Rußstrahlung

Diesel und GDI Motoren

Diffusionsflammen, Flammeninteraktion im Dieselmotor, Rußtemperatur, Rußkonzentration

Heiße Oberflächen

Bauteilstrahlung

Motorbauteile

Bauteiltemperatur

Tab. 8.6: Beleuchtete Objekte im Brennraum Objekt

Beleuchtung

Kraftstoffstrahlen Kraftstoffwandfilm Ablagerungen

Anwendung Strahlausbreitung

Dauerlicht oder Blitzlampe

Motorbauteile

Kolben, Zylinderbüchse, Zylinderkopf Injektoren, Ventile, alle Oberflächen Bauteilfunktion

Tab. 8.7: Lasertechniken für Messungen im Brennraum, nach Wytrykus und Düsterwald (2001) Methode

Objekt

Information

Sensorik

PIV, particle image velocimetry

Seedingpartikel

Strömungsfeld

Kamera

LDA, laser doppler anemomentry

Partikel, Tropfen

Lokale Strömung

Photodiode, Multiplier

PDA, phase doppler anemometry

Tropfen

Tropfengröße

Photodiode, Multiplier

LIF, laser induced fluorescence

Fluoreszierende Moleküle

Konzentration

Kamera

LII, laser induced incandescence

Rußpartikel

Rußverteilung

Kamera

Ramanstreuung

Moleküle

Konzentration, Temperatur

Multiplier

Lichtabsorption

Moleküle, Partikel

Konzentration

Photodiode, Multiplier

358

8.3.3

8 Verbrennungsdiagnostik

Anwendungsbeispiele optischer Methoden

In diesem Beitrag werden folgende Arten von Messtechniken vorgestellt:

y Bildgebende Verfahren zur Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung in Diesel

und Ottomotoren. Untersuchung im Transparentmotor zu Gemischbildung und Verbrennung y Bildgebende Verfahren, die über Endoskope Zugang zum Brennraum haben. y Messung der Flammenstrahlung in Dieselmotoren, Auswertung nach der Zweifarbenmethode y Messung der Flammenstrahlung in Ottomotoren Anwendungsgebiete dieser Methoden für Entwicklungsaufgaben an Otto und Dieselmotoren sind in Tab. 8.8 zusammengestellt. Tab. 8.8: Optische Methoden in Transparent- und in Serienmotoren Methode

(DI) Ottomotor

(DI) Dieselmotor

Sensorik

Einzylinder Transparentmotor

Gemischbildung, Flammenqualität

Strahlausbreitung, Flammenverteilung

Kamera

Endoskopie im seriennahen Motor

Spray – Bauteil Interaktion Diffusionsflammen

Zweifarbenmethode im seriennahen Motor Flammenmesstechnik Ottomotoren, seriennaher Motor

8.3.4

Flammenverteilung Flammentemperatur Rußkonzentration

Gemischqualität aus Flammenstrahlung

Endoskop und Kamera Lichtleitersensoren Ein- und Mehrkanallichtleitersensoren

Dieselmotoren

Der Idealzustand für Gemischbildung im Muldenbrennraum eines Dieselmotors ist in Abb. 8-39 in einer Fotomontage dargestellt: Aus einer Schlierenaufnahme sind der düsennahe Bereich (der „Strahlkern“) und die weit aufgefächerte Dampfwolke sichtbar, die sich durch die Verdampfung der Kraftstofftropfen im Wärmekontakt mit dem verdichteten, heißen Brennraumgas bildet und in der über Vorreaktionen die Verbrennung beginnt, Winkler et al. (1992).

Endoskopaufnahme in Serienmotor

Schlierenaufnahme in Forschungsmotor

Abb. 3-39: Fotomontage: Dieselspray mit Kraftstoffdampfwolke und Dieselflamme im Querschnitt eines Muldenbrennraums

8.3 Optische Messverfahren

359

Die Lage einer sich daraus bildenden Dieselflamme ist im zweiten Teil von Abb. 8-39 angeführt. Die Brennraumberandung in dieser Fotomontage wurde in einer Größe gewählt, die eine optimale Nutzung des Gasvolumens vorgibt, wobei aber ein Kontakt mit der Mulden- oder Zylinderkopfoberfläche vermieden wird. Dieser Idealzustand ist im realen Motorbetrieb nicht erzielbar. In der Hochlast berühren Flammen immer die Brennraumberandung, im betriebskalten Motor gelangen Kraftstofftropfen an die Muldenwand, die dort einen massiven Wandfilm bilden können. Entsprechende Beispiele sind in den Endoskopaufnahmen von Abb. 8-40 angeführt.

A

B

Abb. 8-40: Dieselsprays und Flammen im betriebswarmen Motor (A) Kraftstoffwandfilm und Flammen im kalten Brennraum (B)

„ Brennraumendoskopie

Endoskope sind optische Instrumente zur Bildübertragung mit Stablinsen oder mit bilderhaltenden Faserbündeln. Bei Anwendungen im Motorbrennraum wird das Endoskop über ein Sichtfenster in den Brennraum eingeführt. Die Ausführung der Sichtfenster muss auf die Druck- und Temperaturverhältnisse eines Motors abgestimmt sein. Dies gelingt bei geeigneter Dimensionierung und Materialauswahl auch für Einsätze an der Volllast in hochaufgeladenen Diesel- und Ottomotoren. Entsprechende Ausführungen sowie ein Einbaubeispiel und der Aufbau eines Geradsichtendoskops sind in Abb. 8-41 angeführt.

Endoskop mit Kamera

ø 7mm

Object

67 °

Beleuchtung

Stablinsen mit Kühlkanälen

Abb. 8-41: Endoskop und Endoskopeinbau im Zylinderkopf eines Dieselmotors

360

8 Verbrennungsdiagnostik

„ Bildaufnahme über Kolbenfenster in Forschungsmotoren

In der Motorenforschung und Vorentwicklung werden zunehmend Versuchsaufbauten mit transparenten Kolben verwendet. Der Blick durch den Kolbenboden bietet die Gelegenheit, sämtliche Strahlen und Flammenkeulen eines Einspritzund Verbrennungsvorgangs gleichzeitig zu erfassen und damit die Gleichförmigkeit der Einspritzstrahlen und Flammen bewerten zu können. Ein Ergebnisbeispiel ist in der Flammensequenz von Abb. 8-42 zu sehen, Lindstrom (2009). Da hier der optische Zugang über ein großflächiges Fenster und einen Spiegel erfolgt, können vielfältige Beobachtungstechniken mit relativ geringem Adaptierungsaufwand eingesetzt werden.

Abb. 8-42: Flammenverteilung im Brennraum eines Forschungsmotors

„ Flammenbildauswertung – Beispiele

Neben der geometrischen Information über Flammenlage und Größe enthalten Flammenbilder auch Information über Temperatur und Konzentration der in der Flamme strahlenden Rußpartikel. Beide Größen sind durch eine Auswertung der spektralen Leuchtintensität aus den Flammenbildern ableitbar. Die Bildauswertung erfolgt nach den Algorithmen der Zweifarbenmethode, Gstrein (1987).

Spectral intensity [rel. Units]

Spektrum einer Dieselflamme Dieselflammen sind intensiv strahlende Diffusionsflammen, deren Spektrum von der thermischen Strahlung der Rußpartikel bestimmt wird. Abb. 8-43 zeigt, dass dieser breitbandigen Strahlung im nahen UV die Molekülstrahlung der OH-Bande überlagert ist.

Abb. 8-43: Spektrum einer Dieselflamme im Zeitablauf der Verbrennung. OH-Molekülstrahlung und massive thermische Strahlung der Rußpartikel, Kuwahara und Ando (2000)]

8.3 Optische Messverfahren

361

Weitere schmalbandige Anteile aus der Rekombinationsstrahlung leuchtender Moleküle sind vor dem Hintergrunde dieser Partikelstrahlung kaum erkennbar, Kuwahara und Ando (2000). Die Festkörperstrahlung der Rußpartikel wird zur Bestimmung der Flammtemperatur und der Konzentration der strahlenden Rußpartikel herangezogen. Die Algorithmen dieser Strahlungsanalyse bauen auf der Theorie strahlender trüber Medien auf und verwenden im einfachsten Fall Flammenintensitätssignale in zwei schmalbandigen Wellenlängenbereichen. Auf der Grundlage dieser „Zweifarbenmethode“ und mit Endoskopaufnahmen von Dieselflammen wurde die in Abb. 8-42 vorgestellte Flammenanalyse vorgenommen.

Soot conc. - rel. u.

Rußbildung – Rußabbrand Variantenanalyse Vergleichende Ergebnisse für eine Flammenauswertung sind in Abb. 8-44 dargestellt. Dazu wurden Flammenbilder aus einem NFZ Motor über ein Endoskop aufgenommen. Verbrennungseigenschaften wurden über EGR und Nadelöffnungsdruck variiert, beide Variationen nehmen Einfluss auf die Rußemission. Für die Flammenauswertung wird in den Endoskopaufnahmen ein Auswertefeld festgelegt. Die in diesem Auswertefeld integral vorliegende Rußkonzentration wird für die gesamte Kurbelwinkelsequenz eines Verbrennungsablaufs bestimmt. Dazu werden Flammenaufnahmen aus einigen hundert aufeinanderfolgenden Zyklen als Datenbasis verwendet. Die in Abb. 8-44A und 8-44B angeführten Auswerteergebnisse zeigen eine stetige Zunahme der Rußkonzentration bis mit dem Ende des Einspritzvorgangs ein Maximum erreicht wird. Der nachfolgende Signalabfall zeigt den je Betriebsvariante unterschiedlichen Verlauf der Rußoxidation.

A

0%

Soot conc. - rel. u.

-10

Endoskopauf nahme im Serienmotor. Bildzone wird f ür die Integralauswertung vom Benutzer f estgelegt.

15 % EGR

0

deg 10 CA

20

30

40

50

40

50

low NOP

B high -10

0

deg10CA

20

30

Abb. 8-44: Auswertung ausgewählter Flammenbildzonen: Rußbildung und Rußabbrand bei EGR Variation (A) und bei Änderung des Nadelöffnungsdrucks NOP (B)

Wie zu erwarten, erfolgt der Rußabbrand bei EGR Zunahme langsamer. Eine Erhöhung des Nadelöffnungsdrucks zeigt eine schnellere Rußbildung, aber auch einen schnelleren Rußabbrand. Im späten Expansionstakt sind Rußpartikel entweder oxidiert oder aber soweit abgekühlt, dass sie in den Endoskopaufnahmen nicht mehr erkennbar sind. Ein Vergleich von Rußemissionswerten mit den Rußintensitätssignalen des Expansionstakts zeigt

362

8 Verbrennungsdiagnostik

einen signifikanten Zusammenhang beider Messgrößen. Der theoretische Zusammenhang der Flammensignale mit Rußmessungen im Abgas ist damit bestätigt und die vorgestellte Bildanalysemethode ist für praktische Entwicklungsaufgaben nutzbar. Rußbewertung mit der Zweifarbenmethode In der Emissionsentwicklung von Dieselmotoren hat die Optimierung transienter Lastwechselvorgänge eine zentrale Bedeutung. Da sich im Transientbetrieb Gaswechsel und Einspritzung in jedem Zyklus und Zylinder beständig verändern, besteht die messtechnische Aufgabe darin, jene Zylinder und Zyklen zu identifizieren, die in besonderer Weise zu einer Überhöhung der Emissionsbildung und insbesondere zu einem Rauchstoß bei Lastzunahme beitragen. Abb. 8-45 zeigt dazu das Beispiel aus einem Zylinder eines PKW Dieselmotors. Der Motor wurde in 6 Wiederholungen bei konstanter Drehzahl (2000 min–1) innerhalb von ca. 100 Zyklen von pi = 3 bar bis pi = 19 bar belastet. Nach Vorgabe der Belastungsrampe reagiert der ausgewählte Zylinder mit der geforderten Mitteldruckzunahme. Aus dem Abgasstrang wird einem Opazimeter das Verbrennungsgas aus allen 4 Zylindern zugeführt. Dieses zeigt die Zunahme der Rußemission nach Auflegen der Last, sowie den Maximalbeitrag etwa zeitgleich mit dem Erreichen der Volllast. Vereinzelt sind Signalausreisser vor allem bei hoher Last erkennbar.

Zyl. 1 VisioFEM rel. soot

Opazität - rel. E.

20

A

15

Opacity 10 5 0 20 0

B

100

Nr. 200 Zyklus300

15

V-soot 10 5

Ind. Mitteldruck - bar

0 6 Transienttests gemittelt Nr. 100 200 Zyklus300 20 0 IMEP

15

C

Eine aus der Flammenstrahlung bestimmte Rußkennzahl („V-Soot“-Signal, Winklhofer et al. (2006)) zeigt die aus dem indizierten Zylinder stammenden Beiträge, die bei gleichzeitiger Messung mit dem Flammensensor bestimmt wurden. Zunächst fällt auf, dass das V-SootSignal im Ablauf der Verbrennungszyklen wesentlich stärker fluktuiert als die Opazität. Das Flammensignal reagiert zeitgleich mit der Belastung und zeigt Maximalbeiträge bereits knapp, bevor der Motor die Volllast erreicht hat. In diesem Vergleich kommt zunächst der Unterschied der beiden Messverfahren zum Ausdruck. Die Opazitätsmessung erfolgt mit einer Zeitauflösung von 0,1 Sekunde, das Messgas enthält dabei eine Abgasmischung aus allen 4 Zylindern und trifft zeitverzögert nach Durchlaufen des Röhrenwerks in der Messkammer ein.

V-soot

10 5 Opacity 0 0

100

Nr. 200 Zyklus300

Abb. 8-45: Rauchstoß im Transienttest. V-Soot-Signal aus der Zweifarbenmessung zeigt zyklusgenau überhöhte Rußbeiträge. A, B wiederholte Einzeltests, C Ensemblemittelung

8.3 Optische Messverfahren

363

Die Flammenrußmessung kompensiert genau die Nachteile dieser zeitverzögerten und integrierenden Messung. Die Kennzahlen für den ausgewählten Zylinder liegen genau nach dem Ende der Verbrennung vor, bei Bedarf stehen auch die kurbelwinkelgenauen Beiträge als Interpretationshilfe zur Verfügung. Um aus den Messergebnissen praktische Empfehlungen ableiten zu können, ist es nötig, systematisch und wiederholt auftretende Emissionsbeiträge von sporadischen Ausreißern oder Überhöhungen in Einzeltestläufen zu unterscheiden. Dazu werden Ergebnisse aus mehreren Testläufen miteinander verglichen. Bei präziser Versuchsführung lässt sich mit den Ergebnissen der einzelnen Testläufe auch eine Signalmittelung durchführen. Im entsprechenden Mittelwertdiagramm von Abb. 8-45C kommt nun klar zum Ausdruck, dass

y sofort mit dem Lastwechsel eine erhöhte Rußbildung beginnt, und y in allen Tests bereits kurz vor Erreichen der Volllast eine systematische Rußüberhöhung auftritt.

8.3.5

Ottomotoren

Im Idealzustand ist der Kraftstoff in einem Ottomotor vollständig verdampft, das Gemisch ist homogen verteilt und liegt in stöchiometrischer Zusammensetzung vor. Nach der Zündung bildet sich ein Flammenkern aus, dessen Flammenfront sich durch turbulente Diffusion in das Brenngas hinein ausbreitet. Die Gemischhomogenisierung stellt sicher, dass Rußbildung vermieden wird. Bei stöchiometrischer Verbrennung liegt die Flammentemperatur nahe der adiabaten Verbrennungstemperatur von ca. 2400 K. Das dabei gebildete Stickoxid wird im Katalysator zu Stickstoff reduziert. Ein derart betriebenes Brennverfahren bietet ideale Voraussetzungen für einen emissionsarmen Betrieb. Die Aufgabe der Brennverfahrensentwicklung besteht nun darin, durch geeignete Gemischbildung dafür zu sorgen, dass für die Verbrennung auch tatsächlich vollständig verdampftes, homogenes oder aber gezielt geschichtetes Gemisch verfügbar ist und dass die Verbrennung mit höchstmöglichem Wirkungsgrad erfolgt. Optische Messverfahren unterstützen diese Entwicklungsaufgaben bei folgenden Themen: 1. Emissionen: Gemischbildung bei Saugrohr und Direkteinspritzung für eine rußfreie Verbrennung 2. Stabilität: Flammenkernbildung, Flammenausbreitung unter Nutzung der Innenströmung 3. Wirkungsgrad: Klopfortbestimmung 4. Irreguläre Verbrennung: Der Entwicklungstrend zu aufgeladenen Motoren mit zunehmend hoher Leistungsdichte führt zu unkontrollierten Selbstzündungsvorgängen. Solche irregulären Zünd- und Verbrennungsvorgänge werden durch optische Messverfahren bewertbar. 5. Berührungslose Temperaturmessung: Durch die Verwendung infrarotempfindlicher Signalwandler werden optische Sensoren auch für die berührungslose Messung der Strahlungstemperatur von Bauteilen im Brennraum und im Abgassystem nutzbar, Winklhofer et al. (2009).

364

8 Verbrennungsdiagnostik

„ Emissionen: Bewerten der Gemischbildung aus einer Messung der Flammenstrahlung

y Turbulente Flammenausbreitung in vorgemischter Ladung

In ideal vorgemischter Ladung breitet sich die Flamme nach der Zündung durch Diffusion der Flammenfront in das unverbrannte Gemisch hinein aus. Die Ausbreitung der Flammenfront wird durch die turbulente Ladungsbewegung gesteuert. Aktivierungsenergie wird dem unverbrannten Brenngas durch den Wärmeaustausch mit dem heißen verbrannten Gas zugeführt. Durch dieses Aktivieren der Oxidationsvorgänge wird die Kettenreaktion der Verbrennung aufrechterhalten bis das gesamte Gemisch in Verbrennungsprodukte umgesetzt ist. Ein Großteil der Verbrennungsenthalpie wird in der Flammenfront durch Oxidation freigesetzt und führt dadurch zu einer Zunahme des Zylinderdrucks. Die bei der Oxidation entstehenden angeregten Moleküle tragen durch Rekombinationsstrahlung zum Flammenleuchten bei. Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten daher in einer Vormischflamme nahezu gleichzeitig auf. Diese Gleichzeitigkeit ist durch die Messung des Zylinderdrucks und der Flammenhelligkeit überprüfbar. Abb. 8-46A zeigt dazu ein Signalbeispiel. In homogener Ladung erfolgt die Ausbreitung der Flammenfront durch molekulare Diffusion und ist durch diesen primären Mechanismus zunächst unabhängig von der Ausbreitungsrichtung. Überlagert ist dieser Isotropie die lokale Zerklüftung der Flammenfront durch die turbulente Bewegung der Zylinderladung und eine makroskopische Driftbewegung unter dem Einfluss einer eventuell vorhandenen gerichteten Innenströmung. Die Flammenaufnahme in Abb. 8-46B aus einem Transparentmotor (Winklhofer et al. (2009)) zeigt diese turbulente Zerklüftung der Flammenfront und auch eine bevorzugte makroskopische Ausbreitungsrichtung. pressure

A

B

cyl. pr.

flame

RoHR ignitio n

flame flame

-60

-0 60 120 Crank Angle [deg]

Zylinderdruck, Wärmefreisetzung und Flammenstrahlung in einem Serienmotor

18

Flammenbild in einem Transparentmotor. Blick durch ein Kolbenfenster

C deg CA Flammenstrahlung in einem Serienmotor, Sensor mit 40 radialen Blickrichtungen

Abb. 8-46: Vormischverbrennung: A: Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten nahezu gleichzeitig auf. B: Flammenfront unter dem Einfluss turbulenter Innenströmung. C Flammenmustersignal bei Vormischverbrennung zeigt Isotropie der Flammenausbreitung

8.3 Optische Messverfahren

365

Die Messung der integralen Lichtstrahlung entlang eng begrenzter Sichtkegel eröffnet eine sehr einfache und informative Methode, eine Vormischverbrennung anhand des zeitlichen Verlaufs und der Ähnlichkeit der Signale in einzelnen Blickrichtungen zu bewerten. In Abb. 8-46C wird eine Vormischverbrennung in einer polaren Darstellung der über Grad Kurbelwinkel aufgezeichneten Signale anhand der Signalisotropie erkennbar. Die höchste Strahlungsintensität ist dabei wieder mit dem Zeitpunkt maximaler Wärmefreisetzung verbunden.

y Flammenleuchten in heterogenem Gemisch

Bei unzureichender Verdampfung beginnt die Verbrennung zwar mit einer Vormischflamme, an dieser Vormischflamme entzünden sich dann aber eventuell vorhandene fette Gemischzonen, Kraftstofftropfen oder ein Wandfilm. Abb. 8-47B zeigt dazu das Beispiel einer Flammenaufnahme aus einem Transparentmotor. Dieser Mechanismus führt dazu, dass zu Beginn der Verbrennung die Flammenstrahlung aus dem Anteil der Vormischflamme besteht, zu der mit fortschreitender Flammenausbreitung dann Anteile aus der Diffusionsverbrennung der fetten Gemischzonen hinzukommen. Im Signalbeispiel von Abb. 8-47A ist diese zeitliche Trennung durch das Auftreten intensiver Strahlung im Expansionstakt erkennbar. Da fette Gemischzonen örtlich begrenzt sind, wird in einer Vielkanalmessung auch die Lage dieser Diffusionsflammen erkennbar. Abb. 8-47C zeigt das Beispiel einer Diffusionsflamme, die in der Nähe eines Einlassventils aus einer Wandfilmverbrennung entsteht. Der Wandfilm entzündet sich an der sich ausbreitenden Vormischflamme, die dabei entstehende Diffusionsflamme brennt lange in den Expansionstakt hinein nach und bleibt örtlich begrenzt. Die Auswertung der Wärmefreisetzung zeigt in Abb. 8-47A dass diese eng an die Vormischverbrennung gekoppelt ist. Der Beitrag der Diffusionsflamme zur Wärmefreisetzung bleibt auch bei intensiver Strahlung sehr gering. pressure

B

A

B

2

flame

1 flame

-60

-0 60 120 Crank Angle [deg]

18

Zylinderdruck, Wärmefreisetzung und Flammenstrahlung in einem Serienmotor

Flammenbild in einem Transparentmotor. Blick durch ein Kolbenfenster

C

deg CA

Flammenstrahlung in einem Serienmotor, Sensor mit 40 radialen Blickrichtungen

Abb. 8-47: Vormisch- und Diffusionsflammen: A: Vormischanteil 1, Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten nahezu gleichzeitig auf, Diffusionsanteil 2; intensive Flammenstrahlung aber keine Wärmefreisetzung. B: fette Gemischzonen (Tropfen, Wandfilm) werden von der Vormischflamme entzündet. C: Flammenmustersignal bei Vormisch- und Diffusionsverbrennung: Anisotropie der Flammenstrahlung durch lokale Diffusionsflamme

366

8 Verbrennungsdiagnostik

y Anwendungsgebiet der Flammenbewertung Die Signalbeispiele in Abb. 8-46 und 8-47 zeigen, dass sich mit einer Messung der Flammenhelligkeit auf sehr einfache Weise feststellen lässt, ob die Verbrennung in homogen vorgemischter Ladung abläuft, oder ob bei der Verbrennung Diffusionsflammen auftreten. Da in solchen Diffusionsflammen immer Ruß gebildet wird, der zumindest teilweise zur Partikelemission beiträgt, ist das Erkennen von Diffusionsflammen ein wertvolles Hilfsmittel für die Emissionsoptimierung. Der Vorteil einer Messmethode, die die Rußbildung bereits im Brennraum erkennbar macht, liegt darin, dass jeder einzelne Zylinder mit Zyklus- und Grad Kurbelwinkelauflösung bewertbar wird. Diese Eigenschaft wird vor allem im Transientbetrieb und beim Startvorgang von Ottomotoren genutzt.

y Anwendungsbeispiele

20

„Flammenintegral“

40 IMEP [bar]

pi [bar]

A

16

30

12

20

8

10

4

0

0

160 160

168 Nr. 172 Zyklus

164

180 180

176

IntVal [V*deg]

50

integr. Flammensignal [rel. u.]

Beschleunigung

Zyklussignale

17

0

25

Druck

172

50

75

168

100

164

5

25

le5s0

25 75

0 Wärmefreisetzung

172

50

75

50

20

„Flammenintegral“

IMp EP[bar] [bar]

40

16

30

12

20

8

10

4

0

0

i

B

168

0

10 125 Angle Flammenstrahlung 1 5 0 17 5 [deg]

242 242 244

Zyklussignale

-25 0 C

25 50 75

Druck

100

5

2

248

246

Zyklus 248 250 Nr. 252

254 256 Cycle Based [Cycles]

254 2 2 250 2525 50 75

100 5 Wärmefreisetzung

258

260262 262

25 50 75 100

integr. Flammensignal IntVal [V*deg] [rel. u.]

-50 -25

Abbrand von angelagertem Kraftstoff

24 2 Flammenstrahlung

164

le Cyc

160

s

Sensor

Verschwindend kleines Signal aus dem Abbrand von angelagertem Kraftstoff

248

250 252

254 25

Abb. 8-48: Rußbildung im Lastsprung. A: Überfettung wird im Flammlichtsignal zyklusgenau erkennbar. B: Minimale Überfettung (Diffusionsflamme) durch verbesserte Kraftstoffverdampfung

8.3 Optische Messverfahren

367

Bei einem Teillast-Volllast-Übergang tritt besonders in DI Ottomotoren oft ein unkontrollierter Rauchstoß auf, weil der mit der erhöhten Lastanforderung zusätzlich eingespritzte Kraftstoff nicht ausreichend schnell verdampfen kann. Dies führt bei Kalibrieraufgaben dazu, dass in Iterationsschleifen Einspritzparameter so lange variiert werden, bis akzeptable Emissionswerte erzielt werden. Dabei kann aber aus Messungen im Abgasstrang nicht ermittelt werden welche Zylinder und welche Zyklen in besonderem Ausmaß zum Rauchstoß beitragen und daher eine besonders präzise Einstellung der Einspritzparameter benötigen. Diese Aufgabe wird mit einer Messung der Flammenstrahlung gelöst. Abb. 8-48A zeigt Zylinderdruck, Wärmefreisetzung und Flammenstrahlung in der Zyklusfolge eines Lastsprungs. Mit der Zunahme der Motorlast werden Kraftstoffanteile erst verschleppt im Zyklus verbrannt bis nach Stabilisieren der Hochlast diese verschleppten Flammenanteile wieder verschwinden. Durch verbesserte Voraussetzungen für eine schnellere Verdampfung kann diese verschleppte Diffusionsverbrennung merkbar vermindert werden, Abb. 8-48B. Motorstart Im Motorstart werden mit abnehmender Umgebungstemperatur zunehmend höhere Anreichungsfaktoren notwendig, um zündfähiges Gemisch für die Verbrennung bereitzustellen. Der überzählig eingespritzte Kraftstoff liegt vor allem als Wandfilm vor und kann nur teilweise zur Verbrennung beitragen. Diffusionsflammen und Rußbildung sind unter solchen Bedingungen unvermeidbar, müssen aber durch geeignete Einspritzparameter an die schnell veränderlichen Betriebsbedingungen angepasst und auf ein Minimum reduziert werden. Für den Extremfall von Zündaussetzern muss erkannt werden, ob die Zündung durch Kraftstoffmangel oder Überfüllung verursacht wird um eine entsprechende Anpassung der Einspritzdauer vornehmen zu können. rel. scales for rate of heat release

pressure

flame radiation

8 -60

7

0

TDC de 60 g. CA

Cr

Spark timing near TDC

cle Cy

6 20

TDC

s

7 0

6 0

TDC

60 0

Cy

le cyc

mb nu 6

er

8 7 s cle Cy

Abb. 8-49: Zündaussetzer bei Motorstart. Ursache wird aus Interpretation von Wärmefreisetzung und Flammenleuchten erkannt

BDC

Abb. 8-49 zeigt eine Zyklussequenz aus einem Zylinder eines 4-Zylinder-Motors. Zylinderdruck und Wärmefreisetzung zeigen drei Zündaussetzer, bevor in den nachfolgenden Zyklen die Verbrennung einsetzt. Die Flammensignale zeigen, dass im ersten dargestellten Zyklus keinerlei Flammenleuchten bemerkbar ist. Im nächsten Zyklus liegt ein Flammensignal vor, es kommt jedoch zu keiner wirksamen Wärmefreisetzung, im Drucksignal wird lediglich ein Zündaussetzer registriert. Im dritten Zyklus zeigt das Flammensignal, dass die Verbrennung bereits im frühen Kompressionstakt eingesetzt hat. Offensichtlich ist das frisch angesaugte Gemisch durch Flammenreste aus dem vorhergehenden Zyklus frühzeitig gezündet worden. Erst in den nachfolgenden Zyklen kommt es zu einer wirk-

368

8 Verbrennungsdiagnostik

samen regulären Verbrennung. Als Ursache für die Zündaussetzer und die irreguläre Verbrennung wir daher in Zyklus 2 und 3 eine Überfüllung des Brennraums mit Kraftstoff erkannt.

SOIrpm, – deg 2000 11CA bar IMEP Particle Counter vs. Flame signal flame integral – rel. u. particle counts

Micro Soot signal – mg/m³

2000 rpm, 11 bar IMEP MicroSoot vs. Flame signal

flame integral – rel. u.

Verifizieren der Flammlichtsignale mit Rußmessungen Der Information über zyklusgenaue Rußbeiträge zur Partikelemission kann zwar in Serienmotoren nicht mit Emissionsmessgeräten geprüft werden, jedoch kann mit konventionellen Partikelmessgeräten ein Trendvergleich unter stationären Betriebsbedingungen vorgenommen werden. Dazu zeigt Abb. 8-50 den Vergleich von Partikelmessungen mit einem Micro Soot Sensor und von Flammlichtmessungen mit einer VisioPressure Zündkerze. Die Flammlichtsignale (über Kurbelwinkel integrierte Flammenstrahlung) zeigen denselben Trend wie die Abgasmessung. Die zyklusgenaue Aussage über Rußbeiträge kann mit solchen Stationärvergleichen für jeden Anwendungsfall nachvollzogen werden.

SOI – deg CA

Abb. 8-50: Trendvergleich: Abgasmessung im Stationärbetrieb (Partikelmasse und Anzahl) im Vergleich mit Flammlichtsignalen (Integral über Zyklusdauer)

Richtungsinformation Zündkerzensensoren deren optische Empfangskanäle in Umfangsrichtung angeordnet sind wurden bereits in Abb. 8-46 und 8-47 zur Bewertung isotroper oder anisotroper Flammenmuster bei Saugrohreinspritzung vorgestellt. Abb. 8-51 zeigt Messergebnisse aus einem GDI Brennraum mit Flammenmustersignalen die einer sehr zielsichere Bewertung von Injektorparametern in Bezug auf Rußentstehung in Serienmotoren möglich machen.

A

Ex

Ex

In

In

B

C

D

deg CA

Abb. 8-51: Flammenmustersignale im Brennraum, eines GDI Motors. A: Sensoranordnung, B: Einspritzung zu früh, dadurch Rußbildung aus intensiver Kolbenbenetzung, C: Einspritzung spät, dadurch Kraftstoffanlagerung an Zylinderwand, D: Bestvariante mit rußendem Flammenrest unterhalb des Injektors

8.3 Optische Messverfahren

369

„ Verbrennungsstabilität: Strömung, EGR, Lambda

Kennzahlen für die Verbrennungsstabilität werden aus dem Druckverlauf bestimmt. Eine Stabilitätsbewertung erfolgt durch Angabe der Mitteldruckschwankung (Vpi) und der Statistik für die Brenndauer (T5 % bis T95 %) und die Lage charakteristischer Umsatzpunkte (T5 %, T50 %, T95 %). Die Ursache für unzureichende Stabilität liegt zumeist in einer Verzögerung der Entflammungsphase. Ausgelöst werden diese Verzögerungen durch Schwankungen der Strömung, der Kraftstoffkonzentration und des Restgasgehalts im Bereich der Zündkerze. Daraus ergibt sich die Messaufgabe, diese Größen für eine Ursachenanalyse verfügbar zu machen. Tab. 8-9 gibt eine Übersicht zu Methoden und Sensoren, mit denen diese Aufgaben in Serien- und Forschungsmotoren bearbeitet werden. Tab. 8-9: Messaufgaben und Methoden zur Ursachenanalyse für Verbrennungsschwankungen Messgröße

Methode

Sensor

Referenz

Lambda

HC Absorptionsmessung

Zündkerze mit Absorptionsstrecke, Zündfunkenspektroskopie

Hall, Matthews, 2002; Berg et al. 2006; Fansler et al., 2002

Strömung, Turbulenz

LDA

Zündkerze mit LDA Optik

Ikeda et al., 2000

EGR

CO2-Absorption

Zündkerze mit Absorptionsstrecke

Berg et al., 2006

Flammenausbreitung

Flammenstrahlung, Lichtschranken

Zündkerze mit Lichtleitern

Witze et al., 1997; Winklhofer, Salzinger, 2004

Wärmefreisetzung

Druckmessung

Drucksensor

Flammenkern

Flammenfotographie

Transparentmotor, Endoskop

Als Ergebnisbeispiel ist in Abb. 8-52 die Flammenkernentwicklung aus einer Messung mit einer VisioFlame Zündkerze dargestellt. Die Polardarstellungen zeigen die Geschwindigkeit mit der sich der Flammenkern aus dem Bereich der Zündkerze heraus in den Brennraum hinein ausbreitet. Bei Variation des Zündzeitpunkts unterliegt der Flammenkern den veränderlichen Strömungs- und Turbulenzverhältnissen, dies kommt im aktuellen Beispiel durch die Richtungsumkehr des Flammenkerns bei später Zündung zum Ausdruck. Die erhöhte Geschwindigkeit bei später Zündung ist eine Folge der Dichte- und Turbulenzzunahme. 10 m/s

früh

Zündzeitpunkt

spät

Abb. 8-52: Flammenkernausbreitung, Zyklusmittel (n = 100) und Standardabweichung. Variation Zündzeitpunkt

370

8 Verbrennungsdiagnostik

„ Wirkungsgrad: Klopfortbestimmung

Die Verbrennungsentwicklung an der Klopfgrenze eines Ottomotors steht unter der Forderung nach verbrauchsoptimalen Zündwinkeln bei vorgegebenem Verdichtungsverhältnis. Die Umsetzung dieser Anforderung hat Auswirkungen auf Wirkungsgrad, Leistungsdichte, Geräusch und Betriebssicherheit und stellt damit einen zentralen Entwicklungsschritt für Ottomotoren dar. Optische Verbrennungsanalyse unterstützt diese Arbeiten durch die Bestimmung der Klopfortverteilung und durch eine Ursachenanalyse für die jeweilige Klopfbegrenzung. Zu klopfender Verbrennung kommt es durch die Selbstzündung von Endgas. Nach dem normalen Zündvorgang dauert es einige 10 °KW bis die Flammenfront sich im Brenngas ausgebreitet hat und die Verbrennung beendet ist. Während dieser Brenndauer steigt die Temperatur im unverbrannten Gas durch die Druckzunahme aus Kompression und Verbrennung an. Dieser adiabate Wärmeeintrag in das Brenngas kann zur Aktivierung der Selbstzündung führen. Vermieden wird die Selbstzündung durch ausreichend schnelle Ausbreitung der Flammenfront und durch Absenken des Wärmeeintrags. Die Entwicklungsaufgabe besteht nun darin, die Flammenausbreitung durch innermotorische Strömungsvorgänge zu optimieren und Temperaturüberhöhungen im Endgas durch geeignete Brennraumkühlung zu vermeiden. Dazu ist die Kenntnis der Flammenausbreitung und der Klopfortverteilung ein wertvolles Hilfsmittel. Die Messtechnik zum Erfassen von Klopfzentren muss an die in Tab. 8-10 angeführten Signaleigenschaften angepasst sein. Dafür eignen sich prinzipiell Messmethoden die Signale aus dem Brennraumvolumen erfassen und eine Ortszuordnung der Signalquelle möglich machen, Mazoyer et al. (2003), Wytrykus, Düsterwald (2001), Philipp et al. (1995), Philipp et al. (2001). Das spontane Auftreten und die hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit müssen durch entsprechende Methoden für Signalaufzeichnung und Signalabtastraten berücksichtigt werden. Tab. 8-10: Themengebiete und Anforderungen an Messtechnik zur Klopfortbestimmung Thema

Eigenschaft

Motorbetrieb

Auswahl Zündwinkel an der Klopfgrenze

Wann tritt Klopfen auf?

Spontan, Ereignisfenster knapp nach OT

Signal

– Druckwelle nach Spontanzündung – Druckwelle bedingt Dichtewelle – Dichtewelle bedingt Helligkeitswelle im leuchtenden verbrannten Gas

Messsignal Druck

Druckwelle, lokal am Sensorort erfasst

Messsignal Licht

Helligkeitswelle mit optischer Sensorik im Volumen erfasst

Signaldauer

Durchlaufzeit der Klopfwelle durch den Brennraum: 50 bis 200 μs

Geschwindigkeit der Klopfwelle

Schallgeschwindigkeit: bis zu 1000 m/s bei Volllast

Forderung Messempfindlichkeit

Klopfortbestimmung bei Klopfintensität ab 0,5 bar Druckamplitude

Messaufgabe Optik

Aus der Ausbreitung der Helligkeitswelle den Ausgangsort bestimmen

Alternative Methode

Aus der Ausbreitung der Druckwelle den Ausgangsort bestimmen

Schwingungsmoden im Brennraum

Bilden sich nach Reflexion der Primärwelle aus

8.3 Optische Messverfahren

371

40

80 deg CA 0

10

Mit einem Hochpass gefilterte Flammensignale aus einem 40-Kanal VisioKnock Sensor.

0

20

Kanal Nr.

0 -10

Abb. 8-53: Klopfortbestimmung in einem Serienmotor mit einem VisioKnock Zündkerzensensor

Intensity - rel. units

160

40

80

30

40

1

Pressure - bar Druck - bar

Für den praktischen Messeinsatz an PKW Ottomotoren haben sich Zündkerzensensoren bewährt, da sie ohne Adaptierungsaufwand in die Zündkerzenbohrung von Serienmotoren eingesetzt werden können. Ein Signalbeispiel mit dem Auswerteprinzip für die Klopfortbestimmung ist in Abb. 8-53 angeführt.

Grad KW

Zuordnung des Klopfortes aus der Einbaulage der Sensorkanäle

Den Zusammenhang zwischen Endgasgebieten und Klopfzentren zeigt Abb. 8-54. Da die Flammenfront einzelne Randgebiete verspätet erreicht, kann sich in diesen Endgaszonen über Vorreaktionen hinaus eine Selbstzündung entwickeln. Ausbreitung der Flammenfront, Messung mit Flammentomographie

A

A1

Klopfortverteilung, Messung mit Zündkerzensensor

B

A2

Abb. 8-54: Zusammenhang zwischen Endgasgebieten A1, A2 und Klopfortverteilung

Den Nutzen einer Klopfortbestimmung für die Verbrennungsentwicklung zeigt die Ergebnisübersicht in Abb. 8-55. In der Grundauslegung wurde eine Zündwinkelbegrenzung durch starkes Klopfen auf der Auslassseite festgestellt. Mit einer Modifikation der Innenströmung konnte ein schnelleres Ausbrennen der Auslassseite erzielt werden. Der dabei erzielte Zündwinkelgewinn bewirkt eine Mitteldrucksteigerung über einen weiten Drehzahlbereich von über 1 bar.

372

8 Verbrennungsdiagnostik

Entwicklungsergebnis Entwicklungsvariante

20 %

0

2500

3500

4500

Klopfhäufigkeit

pe

1 bar

Ausgangsbasis

5500

6500

Drehzahl [1/min]

Abb. 8-55: Entwicklungsschritte zu Klopfoptimierung. Basis: Begrenzung durch Klopfzentren auf Auslassseite. Endvariante: Klopfzentren auf Einlassseite bei signifikant erhöhtem Mitteldruck

„ Eigenschwingungen im Brennraum

Klopfen wird im Motorbetrieb als akustisches Phänomen wahrgenommen. Dabei bilden sich im Brennraum nach der Selbstzündung durch Reflexion der Wellenfront an der Zylinderberandung stehende Wellen aus. Da mit optischen Sensoren das gesamte Zylindervolumen erfasst wird, kann aus den Signalverläufen neben dem Zündort auch die Ausbildung der Eigenschwingungsmoden rekonstruiert werden. Abb. 8-56 zeigt dazu die Modulation der Flammensignale im Zeitablauf und einen momentane örtliche Zuordnung im Brennraum.

Sensor Kanal Nr.

Pressure Druck 40 30

Flammensignal Flame

20 10 1 20 20 10 10

Deg CA Grad KW 30 30

1 1

Sensor Sensorconf iguration anordnung

Ex

Ex

In

In

P

Abb. 8-56: Hochpasssignale aus Zylinderdruck und Flammenleuchten. Nach Reflexion der primären Klopfwelle wird eine Eigenschwingung des leuchtenden Gasvolumens sichtbar. P: Lage des Drucksensors

8.3 Optische Messverfahren

373

Irreguläre Verbrennung Durch Leistungs- und Wirkungsgradsteigerung können Ottomotoren in Betriebszustände kommen, in denen durch thermochemische Vorgänge eine unkontrollierte Selbstzündung auftritt. Zündort und Zündzeitpunkt unterliegen dabei nicht mehr der Kontrolle durch Aktuatoren des Motors. Bei frühzeitiger „Irregulärzündung“ können dabei Drucküberhöhungen auftreten, die zu einem Motorschaden führen. Dies stellt die Aufgabe an die Verbrennungsmesstechnik, jene Stellen im Brennraum zu identifizieren, an denen es zu einer Frühzündung kommt, sodass Maßnahmen zum Vermeiden solcher irregulärer Zündungen getroffen werden können. In Tab. 8-11 sind mögliche Ursachen angeführt, die zu einer irregulären Verbrennung Anlass geben und Betriebsbedingungen, unter denen sie ausgelöst werden. Tab. 8-11: Themengebiete und Anforderungen an Messtechnik für Frühzündung und irregulärer Verbrennung Mögliche Ursache

Motorbetrieb

Auslösen der Frühzündung

Entwicklungsmaßnahme

Heißer Bauteil

Hochlastbetrieb

Durch gezielte Lastüberhöhung

Bauteilkühlung

Glühende Ablagerung

Lastwechselbetrieb, dann Hochlast

Spontan nach langsaAblagerungen (aus Öl mem Aufbau von Abla- und Kraftstoff) vergerungen, nach klopmeiden fender Verbrennung

Übergang Klopfen – Frühzündung

Betrieb an Klopfgrenze

Bauteilerhitzung durch erhöhten Wärmeeintrag im Klopfbetrieb

HCCI-Zündung

Niedrige Drehzahl, Heißstart

Restgas und Lambdafluktuation

Hochlast

Nach Zündaussetzer

Zündaussetzer vermeiden

Regulärzündung/ Irregulärverbrennung

Hochlast

Keine Frühzündung, aber spontane überschnelle Verbrennung

Strömung, Ladungszustand, Brennraumtemperatur

Klopfgrenze reduzieren, Bauteilkühlung

Lastbegrenzung, Startanpassung, Restgasgehalt

Die messtechnische Aufgabe besteht nun darin, mit geeigneter Sensorik den Zündort festzustellen und diesen Zündort in einer Zyklusabfolge zu finden, in der das Ereignis spontan auftritt. Gelöst wird diese Aufgabe nach Winklhofer et al. (2005) mit einer Gerätekombination, deren Module in Abb. 8-57 angeführt sind. Abb. 8-58 zeigt das Beispiel einer Zündortbestimmung mit einem Zündkerzensensor.

374

8 Verbrennungsdiagnostik

IndiCom user interface

Plattform für Verbrennungsmesstechnik Beispiel: Indizierung und Flammlichtmessung Anwendung: Erfassen und Bewerten von Irregulärverbrennung

data Daten

parameters Parameter

Indicating Indizieren

Visiolution Visiolution data Daten parameters Parameter Master

Slave

sync, gate

sensors Sensoren Zyklus, cycle,°KW °CA

Cylinder Pressure [bar] Zylinderdruck

Abb. 8-57: Module eines Messsystems („combustion measurement platform“) zum Erfassen spontaner Verbrennungsereignisse nach Irregulärzündung

spark Zündung timing

Irregulärprezündung ignition

EX EX IN

Kanal Nr. 1 - 80 Channel

80

1

Flame Knoc k3

C X

Crank Position [°CA] Grad KW

Knoc k2

No flame

Dunkelsignal

A

BY

IN

A: Beginn der Verbrennung B: Zeit bis Flammenfront die Zündkerze erreicht C: Zeit bis Flammenfront den Zündkerzendurchmesser überquert Aus A. B und C wird der Zündort im Bereich eines Auslassventils lokalisiert Flame Flammensignal deg. CA Grad KW

Abb. 8-58: Signalbeispiel zeigt den Ausgangsort einer frühzeitigen Irregulärzündung

8.3 Optische Messverfahren

375

Berührungslose Temperaturmessung Optische Sensorik ist auch dafür geeignet, im nahen Infrarot thermische Strahlung zu übertragen. Mit den vorgestellten Endoskop- und Lichtleitersensoren kann also aus dem Brennraum oder aus dem Abgasstrang Wärmestrahlung an geeignete Signalwandler übertragen werden. Bei entsprechender Kalibrierung wird damit eine berührungslose Messung von Bauteiltemperaturen möglich, Winklhofer et al. (2009). Abb. 8-59 zeigt Ergebnisse aus einer Ventiltemperaturmessung in einem Serienmotor.

5000 1/min, Volllast Sen. 2 Valve rim Ventilrand

Sen. 1 Temp Sen. 2 Temp Sen. 1 Valve lift

Temperature [°C] Temperatur [°C]

700

Valve stem Ventilschaft

14 12 10

650

Ventilsitz Valve seat

8 6

600

4 550

Valve Lift [mm] Ventilhub [mm]

750

2 500 100

150

200

250

300

Temperature [°C] Temperatur [°C]

deg CA Grad

0 400

350

KW

4000 1/min, Teillast

560 550 540 530 520

cyl 1

1

cyl 2

2

3

cyl 3

4

5

cyl 4

6

7

8

exhaust valveNr. nr. Auslassventil

Bild 8-59: Temperatur von Auslassventilen wird durch Messung ihrer thermischen Strahlung erfasst

8.3.6

Lasermesstechniken

In Tab. 8-7 ist eine Auswahl von Lasermesstechniken angeführt, die für punktuelle oder flächenhafte Messungen im Brennraum Verwendung finden. Um Motoranwendungen möglich zu machen, werden zumeist großflächige Fenster für den Zutritt der Laserstrahlung und die Auskoppelung der Streustrahlung in speziell adaptierten Transparentmotoren verwendet. Für den Einsatz bei Forschungsaufgaben werden laseroptische Effekte zur Messung von Geschwindigkeit, Konzentration und Temperatur von Gasen und Kraftstofftropfen verwendet, Rußpartikel werden durch Absorptionsmethoden erfasst, Lackner (2008). Als Beispiel für Messaufgaben zur Unterstützung der Vor- und Serienentwicklung von DI Ottomotoren ist in Abb. 8-59 die Sprayverteilung im Brennraum eines aufgeladenen Transparentmotors angeführt. Für die Auswahl geeignete Injektoren und deren Betriebsparameter ist die im Ergebnisbeispiel gezeigte Information über Sprayverteilung in der Geometrie des Brennraums und unter dem Einfluss der realen Innenströmung ein wertvolles Hilfsmittel.

376

8 Verbrennungsdiagnostik

8.4

Ausblick Verbrennungsdiagnostik

Die Druckindizierung hat sich in den letzten Jahren als eine Standardmesstechnik am Prüfstand durchgesetzt. Um die Verbrennung als „Herzstück“ des Motors allumfassend analysieren zu können, wird dabei durch die optische Messtechnik ergänzt. Der Schlüssel zur erfolgreichen und praxisnahen Anwendung optischer Methoden in der Entwicklung motorischer Brennverfahren liegt in der technischen Ausführung der optischen Zugänge und in der praxisgerechten Interpretation der Messsignale. Sensoren, Signalerfassung und Ergebnisinterpretation müssen an die Arbeitsumgebung der Motorentwicklung angepasst sein und in der Vernetzung mit konventionellen Messtechniken und Prüfverfahren einsetzbar sein. Die jeweilige Themenstellung ergibt sich aus der Forderung, ergebnisentscheidende Einzelschritte von Gemischbildung über Verbrennung bis hin zur Abgasnachbehandlung in informativer Weise analysieren zu können. Die Ausführung eines Diagnosesystems steht unter der Forderung, bewährte Verfahren in standardisierten Abläufen verwenden zu können, diese Verfahren aber bei Bedarf auch zu erweitern und an geänderte Aufgaben anzupassen. Hier hat sich eine Systemkonfiguration bewährt, die modulare Messeinheiten bestehend aus Sensorik, Signalwandler und Datenspeicher durch geeignete Geräte- und Softwareinterfaces in einer „Plattform für Verbrennungsmesstechnik“ nutzbar macht. Einzelne Messaufgaben werden dabei von den jeweils nötigen Messmodulen erfüllt. Die Plattform erfüllt die Funktionen

y y y y

Bereitstellen von Signalen zum Synchronisieren der Signalaufzeichnung, Erkennen von Triggerereignissen, Triggerlogik für die Signalspeicherung, Zusammenführen lokaler Daten und Auswerteergebnisse. Die Ausführung einer nach dieser Systematik aufgebauten Gerätekombination für die Analyse von irregulären Verbrennungen wurde in Abb. 8-56 vorgestellt. Ein effektiver Entwicklungsprozess erfordert aber auch die Vorgänge im Motor im Fahrzeug oder Vorort am Motor besser zu verstehen und mit den Prüfstandsmessungen in Relation setzen zu können, so dass die Indiziermesstechnik auch im mobilen Einsatz zunehmend Einzug hält. Hierfür gibt es spezielle Geräte, die z. B. Signalkonditionierung und Datenerfassung vereinigen und die deutlich kompakter und robuster diesen Anforderungen genügen. Der Vergleichbarkeit der Daten zum Prüfstand und bei den mobilen Messungen untereinander, der Einbindung in komplexe mobile Messtechnikaufbauten (z. B. Temperatur-, Druck-, Geräusch-, Kalibrationsmessungen) und der zeitrichtigen Messung, der Unterstützung umfangreicher Messabläufe und der leichten Auswertung der Messdaten kommt für die Akzeptanz eine entscheidende Bedeutung zu. Die Aufgaben die es bei jedem Einsatz einer praxisnahen Verbrennungsdiagnostik zu lösen gilt, starten mit

y der bewährten thermodynamischen Analyse, umfassen Fragen y der Energiefreisetzung, des Flammenfortschrittes und der Emissionsbildung – beginy y y

nend mit Gemischbildung bis hin zur Flammenanalyse- und reichen bis zu einer Bewertung von Funktionen der Abgasnachbehandlung. Ergänzt wird dieser Umfang zunehmend durch Fragestellungen zur Haltbarkeit und Robustheit von temperaturbelasteten Bauteilen,

8.4 Ausblick Verbrennungsdiagnostik

377

da ein verbrauchsoptimierter Motorbetrieb die Funktionsgrenzen von Brennverfahren durch entsprechende Analysen und daraus folgenden Entwicklungsschritten nutzbar machen soll. Heute ist die Indiziermesstechnik auf dem Weg oder schon im Serieneinsatz an Motoren verbaut, um einen Regelalgorithmus für eine optimierte Verbrennung von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus oder sogar vom Einströmvorgang bis zur Verbrennung innerhalb eines Arbeitszyklus zu unterstützen. Weiterhin ist es naheliegend, dass aus den im Serieneinsatz gesammelten Indizierdaten Veränderungen im Motor oder an den die Verbrennung beeinflussenden Hilfsaggregaten (z. B. Einspritzsystem, Turbolader) festgestellt und über vorbeugendes Monitoring Schäden am Motor oder an den Hilfsaggregaten vermieden werden können, siehe Mohr et al. 2011. Bei diesem Anwendungsfall der Indizierung werden wir zukünftig verstärkt Kombinationen von reinen Mess- und Simulationswerten finden. Die Verbrennungsdiagnostik hat sich damit vom reinen Forschungswerkzeug zur Standard- und bis zur Serienmesstechnik entwickelt und hilft mit, die Effektivität und Umweltverträglichkeit der Verbrennungsmotoren weiter zu verbessern.

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378

8 Verbrennungsdiagnostik

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9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

9

381

Reale Arbeitsprozessrechnung

Bei der Füll- und Entleermethode, einer nulldimensionalen Methode, bei der die Prozessgrößen nur von der Zeit, aber nicht vom Ort abhängen, werden die einzelnen Teilsysteme des Motors, z. B.:

y y y y

Brennraum, Ansaug- und Abgasleitungen, Ventile und Klappen, sowie das Aufladesystem

physikalisch und mathematisch entweder durch die Ersatzsysteme

y Behälter, Leitungen oder y Blenden

oder durch Kennfelder beschrieben. Abb. 9-1 zeigt ein „Motormodell“ für einen abgasturboaufgeladenen Dieselmotor. TurboladerWelle

Turbine

Verdichter Regler

Saugrohr mit LLK

EP

Abgasleitung Abgas Turbolader

Staurohr

Zylinder

Motor

Getriebe

Kurbelwelle Arbeitsmaschine

Abb. 9-1: Motormodell

Das Kernstück des Verbrennungsmotors, der Brennraum, wird dabei mit dem thermodynamischen Modell des „ideal gerührten Behälters“, der Abgasturbolader dagegen durch Kennfelder für den Verdichter und die Turbine beschrieben. Bei der Füll- und Entleermethode werden nur die Erhaltungssätze für Masse und Energie, dagegen nicht der Impulserhaltungssatz betrachtet (siehe Kapitel 9.4). Weil damit keine Strömungsfelder berücksichtigt werden, wird das resultierende Modell auch als nulldimensionales, thermodynamisches Modell bezeichnet. Für einen allgemeinen Überblick sei auf Ramos (1989) verwiesen. Zur Beschreibung der Vorgänge in der Frischluft- und Abgasanlage von Saugmotoren (heute fast nur noch Ottomotoren) müssen die Prozessgrößen mit Hilfe der eindimensioG. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

382

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

nalen Gasdynamik als Funktion der Zeit und des Ortes beschrieben werden. Derart komplexe Systeme leben von der Dynamik der hin- und herlaufenden Druckwellen und dem Zusammenspiel dieser Druckwellen mit den Ventilsteuerzeiten zur Erzielung einer möglichst hohen Füllung. Die Saug- und Abgasanlage lässt sich dabei aus einer Vielzahl von Rohrstücken darstellen, die über Rohrverzweigungen, Behälter, Blenden, Zylinder und eventuell über Strömungsmaschinen verbunden sind (vgl. Kapitel 9.4). Das Kapitel 4 geht speziell auf die Anforderungen zur Simulation von Aufladeaggregaten und der Luftkühlung ein.

9.1

Ein-Zonen-Zylinder-Modell

9.1.1

Grundlagen

Abb. 9-2 zeigt den Brennraum eines Verbrennungsmotors. Dieser ist begrenzt von den Brennraumwänden, dem Kolben und den Ventilen. Die Brennraumränder stellen gleichzeitig die Systemgrenzen dar. Der gesamte Brennraum wird als ideal gerührter Behälter betrachtet, wobei die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung mit Hilfe eines Ersatzbrennverlaufs beschrieben wird. Auf Mehr-Zonen-Modelle, mit denen man z. B. die NOxBildung im Brennraum beschreiben kann, wird später näher eingegangen (vgl. Kapitel 9.2).

pe Te le Re

dHe

dQB dmB

dme

Systemgrenze

dU

dHa dma

pT mVu lR

dm

pa Ta la Ra

dQW

dW dmbb dHbb

n

Abb. 9-2: Ein-Zonen-Zylinder-Modell

Dabei ist zu beachten, dass sich als Folge der Kolbenbewegung das Volumen des Brennraums mit der Zeit bzw. mit dem Kurbelwinkel kontinuierlich ändert, aber nicht notwendigerweise auch die Masse im Brennraum. Bei der Betrachtung der Bilanzgleichungen im Brennraum muss man zwischen den unterschiedlichen Konzepten der Kraftstoffeinbringung unterscheiden. Während beim gemischansaugenden Ottomotor der Kraftstoff – sofern nicht mit einem Wandfilmmodell gerechnet wird – proportional zur Frischluft angesaugt wird, wird beim direkteinspritzenden Ottomotor der Brennstoff entweder während des geöffneten Einlassventils (homogener Betrieb, Saughubeinspritzung) oder kurz vor der Zündung (geschichteter Betrieb) eingespritzt. Der Kraftstoff muss dann im Brennraum

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

383

aufbereitet bzw. verdampft werden. Beim Dieselmotor wird der Kraftstoff direkt eingespritzt. Eine Verdampfung des Kraftstoffes wird in der Regel nicht berücksichtigt (Ausnahme: Mehr-Zonen-Modelle mit Kraftstoffzerfallsmodellen). Die Massenbilanz für den Zylinder liefert für die Beschreibung aller oben genannter Möglichkeiten zur Kraftstoffeinbringung

dm Br., verd . dme dma dm BB    . (9.1) dt dt dt dt dt Der in den Motor eintretende Massenstrom kann, wie bereits erwähnt, reine Luft, ein LuftKraftstoffgemisch, ein Luft-Abgasgemisch oder eine Kombination von Luft, Kraftstoff und Abgas sein. Die Energiebilanz bzw. der 1. Hauptsatz der Thermodynamik liefert für den Zylinder unter Vernachlässigung der kinetischen Energie dm Sys

dESys dt

dU dt

dQB dQW dV dme dma he  ha    p  dt dt dt dt dt dmBr ., verd . dmBB dQverd . . hBB  hBr ., verd .   dt dt dt

(9.2)

Solange der Kraftstoff zwar in den Brennraum eingespritzt, jedoch noch nicht verdampft ist, nimmt er ein so kleines Volumen ein, dass dies für das thermodynamische System unerheblich ist. Der eingebrachte Kraftstoff wird für die Massen- und Energiebilanz erst dann „wirksam“, wenn er verdampft und damit gasförmig ist. Vor der Verdampfung muss der Kraftstoff aufgeheizt werden, wozu dem Gas eine entsprechende Wärmemenge entzogen wird. Ebenso verhält es sich mit der Aufheizung des Kraftstoffdampfes auf Gastemperatur. Normalerweise werden diese Effekte im unteren Heizwert derart berücksichtigt, dass die Verdampfungsenthalpie des Kraftstoffs (350–420 kJ/kg) zum unteren Heizwert addiert wird. Gleiches gilt für die Rückkondensation von Kraftstoff und für den Wassergehalt in der Luft, wenn das Gas stark expandiert wird (z. B. bei Laststeuerung durch frühes „Einlass schließt“). Als unabhängige Variable können entweder die Zeit t oder der Kurbelwinkel M gewählt werden. In neueren Gleichungen wird meist der Zeit t der Vorrang gegeben. Für den Zusammenhang zwischen der Zeit und dem Grad Kurbelwinkel gilt M Zt (9.3) dM Z dt .

Zur Lösung der Massen- und Energiebilanz benötigt man die bereits eingeführte thermische Zustandsgleichung pV

mRT .

(9.4)

Zur Lösung dieses Gleichungssystems benötigt man noch Beziehungen für die Energiefreisetzung durch die Verbrennung, ein so genanntes „Verbrennungsmodell“, eine Beziehung für die Wärmeübertragung zwischen dem Gasgemisch und den Brennraumwänden, ein so genanntes „Wärmeübergangsmodell“, sowie ein Ladungswechselmodell (z. B. Zwei-Zonen-Modell bei 2-Takt-Motoren) und unter Umständen ein Verdampfungsmodell. Der Volumenverlauf wird durch ein Kurbeltriebsmodell vorgegeben. Auf die einzelnen Teilmodelle wird im Folgenden explizit eingegangen.

384

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Die an den Kolben abgegebene Leistung dW dt kann aus dem Zylinderdruck und der Änderung des Zylindervolumens berechnet werden dW dV dV p  pZ . (9.5) dt dt dM In Kapitel 2.2 sind die geometrischen Zusammenhänge am Kurbeltrieb dargestellt. Der Kurbeltrieb kann durch die geometrischen Größen Kurbelwellenradius r , Pleuellänge l , Exzentrizität e und Zylinderdurchmesser D beschrieben werden, woraus sich die Volumenänderung dV dM bestimmen lässt.

9.1.2

Ermittlung des Massenstroms durch die Ventile/Ventilhubkurven

Im Ventilspalt kommt es zu einer Einschnürung der Strömung. Dies hat zur Folge, dass die tatsächliche Querschnittsfläche kleiner ist als die geometrische. Infolge von Reibung in den Kanälen ist der tatsächliche Massenstrom ebenfalls kleiner als der theoretische. Dieser Tatsache trägt man durch die Einführung eines Durchflussbeiwertes m P { tats. Rechnung. (9.6) m theo. Zur Ermittlung des Massenstromes durch ein Ventil bedient man sich der in Kapitel 2.3.1 hergeleiteten Durchflussfunktion. Dazu wird für die Ventile der tatsächliche Massenstrom in Abhängigkeit vom Ventilhub an einem so genannten Blasprüfstand ermittelt und mit dem theoretischen (siehe (2.33) ins Verhältnis gesetzt m theo

Ageo

§p · p1 U1 < ¨¨ 2 , N ¸¸ . © p1 ¹

Abb. 9-3 zeigt prinzipiell die Verhältnisse am Blasprüfstand. Der Durchflussbeiwert wird dabei meist auf eine kreisrunde Fläche am Kanaleintritt bezogen. Da unterschiedliche Kreisprozessrechenprogramme unterschiedliche Definitionen der Ventilöffnungsfläche besitzen, ist meistens eine entsprechende Umrechnung erforderlich. Dabei ist darauf zu achten, dass die effektive Querschnittsfläche unabhängig von der Definition der Bezugsquerschnittsfläche für die jeweilige Ventilstellung erhalten bleibt. Adapter Ageo r1 V1

hV

r2

Abb. 9-3: Ermittlung der Durchflussbeiwerte am Blasprüfstand

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

385

Durchflussbeiwert μ

Abb. 9-4 zeigt qualitativ die am Blasprüfstand ermittelten Durchflussbeiwerte in Abhängigkeit vom Ventilhub. EV, einströmend EV, ausströmend AV, einströmend AV, ausströmend

0.6 0.4 0.2 qualitativ, bezogen auf Ageo 0.0 0.0

3.0

6.0

9.0 Ventilhub hV

Abb. 9-4: Durchflussbeiwerte P f (hV )

Dabei erkennt man, dass sich für die unterschiedlichen Strömungsrichtungen an den Einlass- und Auslassventilen unterschiedliche Durchflussbeiwerte einstellen. Die Hauptströmungsrichtung für das Einlassventil ist „Einströmen“. Es kann jedoch auch zu einem Ausströmen aus dem Einlassventil kommen. Aufgrund der geometrischen Zusammenhänge ist dieser Strömungsfall schlechter als der des Einströmens. Genauso verhält es sich für das Auslassventil. Hier ist jedoch der Hauptströmungsfall „Ausströmen“, woraus ein prinzipiell schlechteres Strömungsverhalten resultiert. Die Durchflussbeiwerte können entweder im stationären Versuch ermittelt oder mittels 3-D-CFD-Codes berechnet werden, um bereits ohne konkrete Hardware Aussagen über die Qualität von Kanälen machen zu können. Dabei werden die Kanalgeometrie und der Zylinder nachgebildet und ein entsprechendes Druckgefälle an den Rändern angelegt. In diskreten Stufen wird der Ventilhub verändert und der „tatsächliche“ Massenstrom berechnet. Dieser kann dann ebenso wie bei der Messung mit dem theoretischen ins Verhältnis gesetzt werden. Abb. 9-5 zeigt die Ventilerhebungskurven für einen konventionellen Ventiltrieb. Für die Arbeitsprozessrechnung ist es ausreichend, die Ventilerhebungskurven in Schritten von 1 bis 5 °KW bereitzustellen und zwischen den Stützpunkten linear zu interpolieren. Eine Phasenverschiebung der Ventilöffnung wird über die so genannte Spreizung vorgegeben. Unter Spreizung versteht man den Abstand des Maximums der Ventilerhebung vom Oberen Totpunkt des Ladungswechsels. Besitzt eine Ventilerhebungskurve im Maximum ein Plateau wird der „mittlere“ Kurbelwinkelwert zur Definition der Spreizung verwendet. Trotz der Tatsache, dass der Wert für die Auslassspreizung negativ berechnet werden müsste, wird hierfür meist der Betrag des Wertes – also eine positive Zahl – angegeben.

LWOT

Einlassventilhub

Ventilhub

Auslass-Spreizung Einlass-Spreizung

Grad Kurbelwinkel

Abb. 9-5: Ventilerhebungskurven für einen mechanischen Ventiltrieb

386

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

In Abb. 9-5 sind zusätzlich noch die Ventilerhebungskurven für einen vollvariablen mechanischen Ventiltrieb eingezeichnet, bei dem eine stufenlose Verstellung des Ventilhubes möglich ist. Mit dieser Variabilität für einen quantitätsgeregelten Ottomotor ist eine Lastregelung ohne Drosselklappe möglich, da über den Ventilhub der Durchfluss und damit die Frischgasmasse eingestellt werden kann. Für den Niedriglastbereich müssen die Ventilhubabstufungen im Bereich von Zehntel-Millimetern vorgegeben werden; ab ca. 3 mm reicht eine Vorgabe in halben bis ganzen Millimeterschritten. Zwischenstufen werden dabei linear interpoliert. An den Kurven für die Durchflussbeiwerte ändert sich für einen vollvariablen Ventiltrieb nichts, da die Durchflussbeiwerte abhängig vom Ventilhub angegeben werden. Lediglich im Bereich kleiner Ventilhübe empfiehlt sich auch hier eine feinere Rasterung.

9.1.3

Wärmeübergang

„ Wärmeübergang im Zylinder

Die Beschreibung des Wärmeübergangs im Verbrennungsmotor stellt höchste Anforderungen an die Modellierung und beruht meist nur auf einer globalen Betrachtung der sehr komplexen Zusammenhänge. Der Wärmeübergang setzt sich aus einem konvektiven und einem Strahlungsanteil zusammen dQW dt

dQD dQ H .  dt dt

(9.7)

Meist wird der Strahlungsanteil dQH dt dem konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten zugeschlagen, obwohl die Maxima von dQD dt und dQH dt bezüglich des Kurbelwinkels eigentlich phasenverschoben auftreten. Ausgehend vom Newton’schen Ansatz gilt für die Beschreibung des Wandwärmestromes dQW dt

¦ D i Ai (TW , i

 TGas ) .

(9.8)

i

Dabei unterteilt man den Brennraum meist in drei Bereiche (vgl. Abb. 9-2):

y Kolben, y Zylinderkopf und y vom Kolben freigegebener Teil der Laufbüchse inkl. Kolbenrückstand und Feuersteg. Die Ventile werden meist zum Zylinderkopf gerechnet oder bei sehr detaillierter Modellierung als weiterer, eigener Bereich betrachtet. Die Flächen für den Kolben und den Zylinderkopf sind meist größer als die Zylinderquerschnittsfläche, da diese z. B. die Dachform bei einem ottomotorischen Brennverfahren oder die Kolbenmuldenform bei einem diesel- oder ottomotorischen Brennverfahren beschreiben. Der vom Kolben freigegebene Teil der Laufbüchse ergibt sich zu

ABüchse

AFeuersteg  AKolbenrückstand  D S s (M ) .

(9.9)

Die Zuordnung zwischen Kolbenweg s(M ) und der Stellung der Kurbelwelle ist in Kapitel 3.2 bereits erfolgt. Die Berechnung des Wärmeübergangs mit Hilfe des Newton’schen Ansatzes und des Wärmeübergangskoeffizienten setzt eine genaue Beschreibung der Gasund Wandtemperaturen voraus. Die mittlere Gastemperatur ergibt sich aus der örtlichen Mittelung der Gastemperatur im Brennraum. Da das System Brennraum meist als ideal

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

387

gerührter Behälter angesehen wird, ist die mittlere Gastemperatur aus der Zustandsgleichung für ein ideales Gas leicht zu bestimmen. Bei den jeweiligen Wandtemperaturen handelt es sich um die über ein Arbeitsspiel gemittelte Wandinnentemperatur. Für den Kolben und den Zylinder werden meist örtlich konstante Temperaturen angesetzt. Bei der Laufbüchse hängt der Ansatz der Wandtemperatur stark vom Motortyp und von der Tatsache ab, ob die Büchse ganz vom Wassermantel umgeben ist oder nur teilweise. Bei der Vorgabe der Temperatur für die Büchse unterteilt man diese meist in mehrere Bereiche oder man gibt ein Temperaturprofil über der Büchsenlänge an. Die Temperaturen kann man entweder aus Messungen ermitteln oder man kann für stationäre Betriebspunkte einen einfachen, iterativen Ansatz zur Berechnung der Wandinnentemperatur verwenden. Dazu ist jedoch die Kenntnis der Temperaturen in wenigstens einem Betriebspunkt erforderlich. Für instationäre Berechnungen reichen beide Verfahren nicht mehr aus, weshalb man sich hier eines konkreteren Wärmeleitungsmodells bedient, das die thermischen Trägheiten der jeweiligen Wand berücksichtigt. Zur Berechnung von Wärmeübergangskoeffizienten werden meist halbempirische Ansätze verwendet, da viele Einflussfaktoren nur durch Versuche herausgearbeitet werden können. Als Einflussparameter werden deshalb äußere Größen verwendet, die den Betriebspunkt charakterisieren. In diesem Abschnitt werden im Wesentlichen zwei Ansätze vorgestellt: Der Ansatz von Woschni (1969), der für Großdieselmotoren erarbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt wurde, und der von Bargende (1990), der für Ottomotoren vorgestellt wurde. Daneben existieren in der Literatur noch eine Vielzahl weiterer Ansätze z. B. von Hohenberg (1980) und Kleinschmidt (1993), auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann. Wärmeübergang nach Woschni

Das Modell von Woschni (1970) geht von einer stationären, vollturbulenten Rohrströmung aus. Für den dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten, die Nußelt-Zahl, erhält man aus einer Dimensionsanalyse die halbempirische Potenzgleichung Nu

C Re 0,8 Pr 0, 4

(9.10)

mit der Nußelt-Zahl Nu

DD , O

(9.11)

der Reynolds-Zahl

Re

U wD K

K . Ua

(9.12)

und der Prandtl-Zahl

Pr

Betrachtet man das Gas im Brennraum als ideales Gas, p U , RT

(9.13)

(9.14)

388

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

so folgt zunächst

DD O

§ p wD· ¸¸ C ¨¨ © RT K ¹

0,8

Pr 0,4

(9.15)

und daraus durch Umformung für den konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten

D

Pr 0,4 O . C D 0,2 p 0,8 w0,8 ( R T K ) 0,8

Mit den Stoffwerten Pr

O 0,74; O0

§T ¨ ¨T © 0

· K ¸ ; ¸ K 0 ¹ x

(9.16)

§T ¨ ¨T © 0

· ¸ ¸ ¹

y

(9.17)

und mit der Annahme, dass die charakteristische Geschwindigkeit w gleich der mittleren Kolbengeschwindigkeit ist, also w { cm , erhält man weiter

D

0,8  r C * D 0, 2 p 0,8 c m T

mit r

0,8 (1  y )  x .

(9.18)

Durch Vergleich mit Messwerten wird der Exponent r für die Temperaturabhängigkeit zu r 0,53 und die Konstante zu C * 127 ,93 bestimmt. Für gefeuerte Motoren wird zudem eine Modifikation der charakteristischen Geschwindigkeit eingeführt, welche die Veränderung des Wärmeübergangs infolge der Verbrennung berücksichtigen soll. Damit erhält man

D mit

w

ª W º 127 ,93 D 0, 2 p 0,8 w 0,8 T 0,53 « » «¬ m 2 K »¼

(9.19)

V T C1 c m  C 2 h 1 p  p 0 p1 V1 

Verbrennungsglied

(9.20)

und p1 , T1 , V1 bei Verdichtungsbeginn, d. h. bei „Einlass schließt“. Für die Konstanten C1 und C 2 erhält man durch Anpassung an Messwerte

C1

C2

cu ­ : ° 6,18  0,417 c ° m ® ° 2,28  0,308 cu : °¯ cm ­ 3 ° 6,22 ˜10 ° ® ° 3,24˜10 3 ° ¯

ª m º »: « ¬s K ¼ ª m º »: « ¬s K ¼

Ladungswechsel (9.21) Verdichtung / Expansion Vorkammer  Motor DI  Motor

.

(9.22)

Für den Einlassdrall cu cm wird der Gültigkeitsbereich mit 0 d cu cm d 3 angegeben. Der Drall wird im stationären Strömungsversuch auf dem Blasprüfstand mit der Methode nach Tippelmann oder mit der Flügelrad-Methode ermittelt. Dabei wird ein Flügelrad mit dem Durchmesser d im Abstand von 100 mm unterhalb des Zylinderkopfes in der Zylin-

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

389

derlaufbuchse angeordnet. Die Strömung durch das Einlassventil wird dabei so eingestellt, dass dieses Flügelrad mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit c m angeströmt wird. Mit der zu messenden Drehzahl nd des Flügelrades erhält man entsprechend

cu

D S nd

(9.23)

die Umfangsgeschwindigkeit und damit den Drall. Abhängig von den jeweiligen Phasen eines Arbeitsspieles werden einige Terme bzw. Parameter in der Wärmeübergangsgleichung verändert. Dies führt zum Beispiel beim Übergang zwischen Expansion und Ladungswechsel beim Öffnen des Auslassventils zu einem Sprung in der Konstanten C1 . Ebenso ist der Term mit der Konstanten C 2 nur nach dem Beginn der Verbrennung gültig. Hier ist jedoch der Übergang zwischen der Kompressionsphase und der Verbrennung durch den Term p  p0 fließend. Mit dem Term p  p0 wird die Differenz zwischen dem Zylinderdruck bei Verbrennung und dem Zylinderdruck im Schleppbetrieb angegeben. Der Druck p0 kann dann über eine Polytropenbeziehung aus dem Zylindervolumen berechnet werden. Die Bestimmung des Polytropenexponenten n geschieht kurz vor der Verbrennung, indem die Polytropenexponenten der z. B. letzten 10 °KW vor Verbrennung gemittelt werden. Für p0 ergibt sich dann

p0 (M )

· §V pv.Verbr. ¨ v.Verbr. ¸ . ¨ VZyl. (M ) ¸ ¹ © n

(9.24)

0 4

2 1 0 300

350 400 450 Kurbelwinkel [Grad]

80 60 40 20 0 3 2

3

Temperatur [K]

Temperatur [K]

1

Zylinderdruck alpha [bar] [kW/m2K]

3

2000 1500 1000 500 0

Wärmestrom [J/°KW]

Zylinderdruck alpha [bar] [kW/m2K]

80 60 40 20 0 3 2

Wärmestrom [J/°KW]

Die Abb. 9-6 zeigt ein Beispiel für den Wandwärmestrom an einem turboaufgeladenen Dieselmotor bei einer Drehzahl von 2.000 U/min und einer effektiven Last von 2 bar. 2000 1500 1000 500 0

1 0 4

2 1 0 300

350 400 450 Kurbelwinkel [Grad]

Abb. 9-6: Wärmeübergang in einem turboaufgeladenen Dieselmotor, Brennbeginn 355 °KW (links) bzw. 368 °KW (rechts)

Im unteren Teil des Diagramms sind die Wärmeströme von Kolben, Zylinderkopf und Büchse sowie der Gesamtwärmestrom dargestellt. Darüber sind die Wärmeübergangskoeffizienten nach Woschni sowie die Massenmitteltemperatur und der Druck im Zylinder

390

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

dargestellt. Im linken Teil ist ein Brennbeginn von 355 °KW und im rechten Teil ein Brennbeginn von 368 °KW aufgenommen. Hierbei ist zu erkennen, dass der vom Druck und von der Temperatur abhängige Wärmeübergangskoeffizient bei späterem Brennbeginn deutlich kleiner ist. Modifikationen an der Wärmeübergangsgleichung nach Woschni

Untersuchungen zum Wärmeübergang von Kolesa (1987) bei isolierten Brennraumwänden haben ergeben, dass der Wandwärmeübergangskoeffizient bei Wandtemperaturen über 600 K stark ansteigt. Für die Konstante C 2 hat Schwarz (1993) eine stetige Funktion entwickelt C 2*

für TW  525 K ­°C 2 ® 6 °¯C 2  23 ˜10 (TW  525) für TW t 525 K.

(9.25)

Die mit dem Verbrennungsglied in der Gleichung nach Woschni korrigierte Geschwindigkeit liefert für geschleppte Motoren und im unteren Lastbereich jedoch zu geringe Werte, wie Huber (1990) gezeigt hat. Deshalb wurde die Wärmeübergangsgleichung für Niedriglast korrigiert. Für ª V º Vh T1  0, 2 2 C1 c m « c » p m ( p  p0 ) i t C2 p1 V1 ¬ V (M ) ¼ 2

gilt w

2 º ª § Vc ·  0, 2 » « . C1 c m 1  2 ¨ ¸ p m i V ¹ » « © ¼ ¬

Ferner gilt: p m i

(9.26)

(9.27)

1 für p m i d 1 .

Zusätzliche Untersuchungen zum Wärmeübergangskoeffizienten – insbesondere zur Isolationswirkung von Brennraumwandanlagerungen (Ruß, Ölkoks) – wurden von Vogel (1995) durchgeführt. Aus diesen Untersuchungen resultieren weiterführende Änderungen der von Huber modifizierten Gleichung. Für ª V º V T 2 C1 c m « c » C3 t C 2 h 1 ( p  p 0 ) p1 V1 ¬ V (M ) ¼ 2

gilt w

2 º ª §V · C1 c m «1  2 ¨ c ¸ C 3 » . » « ©V ¹ ¼ ¬

(9.28)

(9.29)

Die Konstante C 2 für direkteinspritzende Dieselmotoren wird in ihrem Gültigkeitsbereich für Benzin-Ottomotoren erweitert C2

ª m º 3,24 ˜10 3 « » ¬s K ¼

: DI-Motor, Ottomotor (Benzin)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

391

Als neue Konstanten werden eingeführt: C2

ª m º 4 ˜10 3 « » ¬s K ¼

: Ottomotor (Methanol)

C3

0,8

: für Benzin

C3

1,0

: für Methanol und

C3

1  1,2 e 0,65 O

: für Diesel

Bei mittelschnelllaufenden Großdieselmotoren ergeben sich zum Teil Abweichungen bei der Berechnung der Abgastemperatur gegenüber der Messung von ca. 20 K. Die zu gering berechnete Abgastemperatur führt zu einer zu niedrigen Enthalpie an der Turbine und damit zu einem geringfügig zu niedrigen Ladedruck. Für die Auslegung der Großdieselmotoren ist dies jedoch entscheidend, da diese meist auf einen stationären Betriebspunkt optimiert sind. Aus diesem Grunde hat Gerstle (1999) den Wärmeübergang nach Woschni für den Ladungswechsel modifiziert. Die Konstante C1 gilt dabei über den Punkt des Auslassöffnens hinaus, bis das Einlassventil öffnet. Dann wird die Konstante um den Faktor 6,5 bis 7,2 angehoben, um der erhöhten Ladungsbewegung beim Einströmen Rechnung zu tragen. C1

C1

k

c 2,28  0,308 u cm

: Verdichtung / Expansion / Ausschieben,

§ c k ¨¨ 2,28  0,308 u cm ©

· ¸ ¸ ¹

: Einlassventil offen und

6,5 bis 7,2 .

Die Abb. 9-7 zeigt den geänderten Verlauf des Wärmeübergangskoeffizienten.

Wärmeübergangskoeffizient [kW/m2/K]

5.6 4.8 4.0 3.2 Modifikation nach Gerstle

2.4 1.6

Woschni Original

0.8 0.0 205

295

385

475 565 655 Grad Kurbelwinkel [°KW]

745

835

925

Abb. 9-7: Modifizierter Wärmeübergangskoeffizient für einen Großdieselmotor

392

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Wärmeübergang nach Bargende

Auch Bargende (1990) geht zunächst von den bei Woschni zugrundegelegten Annahmen (vgl. (9.10)) zur Beschreibung der Nußelt-Zahl aus. Die Konstanten in den Gleichungen sind für saugrohreinspritzende Ottomotoren ermittelt C Re m Pr n

Nu

mit

m

0,78 und n

0,33 .

Aufgelöst nach dem Wärmeübergangskoeffizienten ergibt sich  S ¬­ ž 0,22 % . B  C  D w0,78 N

M žž ­­­ N I Ÿ ® Verbrennung Char. Länge N Gasgeschwindigkeit

(9.30)

Stoffgrößen

Die charakteristische Länge wird über den Durchmesser einer Kugel ausgedrückt, die das gleiche Volumen besitzt wie das momentane Zylindervolumen D 0,22 # 1,11V 0,073 .

(9.31)

Für die Stoffgrößen Wärmeleitfähigkeit und dynamische Viskosität gilt in Abhängigkeit vom Luftgehalt r des Gases ª W º (1,15 r  2,02) 10 4 T 0,805 « » und ¬m K¼

O

ªN sº (2,57 r  3,55) 10 4 T 0,644 « ». ¬ m2 ¼

K

(9.32) (9.33)

Der Luftgehalt r des Gases ist definiert zu

O 1

O

r

für 0 d r d 1 .

1

(9.34)

Lmin

Die Dichte des Gases wird wiederum über die ideale Gasgleichung ausgedrückt p U . RT Zur Beschreibung der Gaszustände an der Grenzschicht wird der Mittelwert aus der Gastemperatur und der Wandtemperatur verwendet, da an der Grenzschicht die Gastemperatur auf die Wandtemperatur abfällt TGas  TWand . 2 Die Berücksichtigung der Stoffgrößen ergibt somit Tm

§U· ¸¸ ©K ¹

O ¨¨

0,78

#

(1,15 r  2,02)

>R (2,57 r

 3,55)@

0,78

10 5,36 Tm0, 477 p 0,78 .

(9.35)

(9.36)

Die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit wird über einen Ansatz aus der spezifischen turbulenten Energie k , die über ein vereinfachtes k , H -Modell, siehe auch Kapitel 14.1, ermittelt wird, und der Kolbengeschwindigkeit c K berechnet

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

393

8k 2  cK 3 w . 2 Für die Änderung der spezifischen turbulenten Energie gilt dk dt

(9.37)

º ª 1,5 k 1,5 §¨ k q ·¸ » « 2 k dV , » «  3 V dt  H L  ¨ H q L ¸ «¬ ¹M ! ZOT »¼ © ES d M d AÖ

(9.38)

mit H H q 2,184 und der charakteristischen Wirbellänge L 3 6 (S V ) . Für die kinetische Energie der Quetschströmung an einem muldenförmigen Brennraum mit dem Muldendurchmesser d m gilt kq

ª d 1 « §¨ wr 1  m 18 « ¨© d Zyl ¬«

· § ¸  wa ¨ d m ¸ ¨ d Zyl ¹ ©

· ¸ ¸ ¹



2

» . » ¼»

(9.39)

Für die radiale Geschwindigkeitskomponente wr und die axiale Komponente wa ergeben sich wr

2 2 dV 1 Vm d Zyl  d m dt V V  V m 4 dm

(9.40)

mit dem Muldenvolumen Vm und dV 1 sm , wa (9.41) dt V mit der Muldentiefe s m . Die spezifische kinetische Startenergie bei „Einlass schließt“ ergibt sich als 2 º c m d Zyl OL 1 ª » . « 16 « d EV h EV sin ( 45q) » ¼ ¬ 2

k ES

(9.42)

In diese Gleichung finden die mittlere Kolbengeschwindigkeit c m , der Liefergrad O L sowie der Einlassventildurchmesser d EV und Einlassventilhub hEV Eingang.

Der Verbrennungsterm ' lässt sich mit Hilfe der Temperatur einer gedachten Zone für Verbranntes Tv und einer Zone für Unverbranntes Tuv schreiben '

mit

X

ª Tv Tv  TWand T T  TWand º  (1  X ) uv uv «X » TGas TGas  TWand ¼ ¬ TGas TGas  TWand Q B (M ) . QB

2

(9.43)

394

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Die Temperatur für die unverbrannte Zone berechnet sich über eine polytrope Verdichtung zu Tuv

§ p TGas, ZZP ¨¨ © p ZZP

· ¸¸ ¹

( n  1) n

mit 1,34 d n d 1,37 .

(9.44)

Damit ergibt sich für die Temperatur des verbrannten Gases

X 1 1 TGas  TW . (9.45) X X Der Wärmeübergangskoeffizient nach Bargende gilt nur für den Hochdruckteil. Abb. 9-8 zeigt ein Beispiel für den Wärmeübergangskoeffizienten nach Bargende für einen Ottomotor bei 1.500 U/min und p mi 7,35 bar . Tv

Bei den hier dargestellten Gleichungen zur Beschreibung des Wärmeübergangs im Zylinder handelt es sich um halbempirische Ansätze, bei denen die Parameter anhand von Messwerten ermittelt wurden. Dabei wurde insbesondere zwischen der Wärmeübertragung durch Konvektion und der durch Strahlung nicht unterschieden. Trotz vielfältiger Bemühungen und der zahlreichen bis heute bekannt gewordenen Wärmeübergangsbeziehungen besteht noch immer Bedarf an einer relativ einfach zu handhabenden, aber physikalisch besser fundierten Beziehung, die insbesondere die Anteile der Wärmeübertragung infolge Konvektion und infolge Strahlung physikalisch richtig wiedergibt. Die Gültigkeit der Wärmeübergangsgleichungen ist zudem für Ottomotoren mit unkonventionellen Steuerzeiten, wie sie z. B. bei elektromechanischen Ventiltrieben auftreten können, und bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung kritisch zu überprüfen und mit geeigneten Messungen abzugleichen. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten aus Messwerten ist bei Merker und Kessen (1999) beschrieben.

Wärmeübergangskoeffizient [W/m2/K]

2400 1500 min-1, pmi = 7,35 bar, Muldenkolben 2000 1600 1200 800 400 0.0 60

90

120

180 210 240 Grad Kurbelwinkel [°KW]

270

300

Abb. 9-8: Wärmeübergangskoeffizient D für einen Ottomotor nach Bargende (1990)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

395

„ Wärmeübergang im Auslasskrümmer

Der Wärmeübergang im Auslasskrümmer spielt bei aufgeladenen Motoren eine entscheidende Rolle bei der exakten Ermittlung der Abgastemperatur und damit für die Bestimmung der Abgasenthalpie vor der Turbine. Die Wandwärmeverluste gehören nicht in den 1. Hauptsatz für den Zylinder, da dessen Systemgrenze an den Ventilen endet. Von Zapf wurde 1969 eine Beziehung für den Krümmerwand-Wärmeübergang vorgeschlagen, die heute noch Verwendung findet § · h 1.5 ª W º . 0, 001791¨ 1  0, 797 Ventil ¸ m Abgas T 0,41 d Kanal « m2 K » d ¬ ¼ i ¹ ©

D Krümmer

(9.46)

Nach Zapf (1969) ist der Auslasskrümmer-Wärmeübergang abhängig vom Auslassmassenstrom m Abgas , dem Kanaldurchmesser d Kanal , der Gastemperatur T , die ähnlich wie beim Zylinderwandwärmeübergang die Stoffgrößen beschreibt, sowie vom Ventilhub hVentil und dem inneren Ventildurchmesser d i . Zur Berechnung des Wandwärmestromes ist auch hier die Newton’sche Beziehung anzusetzen





D Kanal AKanal TW , Kanal  T .

dQKanal dt

(9.47)

„ Wandtemperaturmodelle Stationärer Betrieb

Zur experimentellen Ermittlung der Wandinnentemperaturen gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten. Da als Wandinnentemperatur nicht der exakte Verlauf an der Oberfläche benötigt wird (vgl. Abb. 9-9), sondern lediglich der über ein Arbeitsspiel gemittelte Wert, kann man den Gradienten des Temperaturverlaufs durch eine Differenzmessung bestimmen. 440

Wandtemperatur [K]

1 430 2

1 Verbrennung 2 Expansion 3 Ladungswechsel 4 Kompression

420 4 410

400 0

Abb. 9-9: Temperaturverlauf in der Wand innerhalb eines Arbeitsspiels

3

2 4 Tiefe [mm]

6

In der Brennraumwand stellt sich aufgrund der Wärmeleitung je nach dem eingestellten Betriebspunkt ein konstanter Temperaturgradient im Bereich der Brennraumwandaußenseite ein. Bringt man nun in diesem Bereich zwei um eine bekannte Strecke versetzte Thermoelemente an, kann man aus der Differenz der Temperaturen und der Kenntnis der Versatzstrecke den Gradienten bestimmen und mit diesem auf die Temperatur an der

396

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Brennrauminnenseite schließen. Die andere Methode ist die direkte Messung der über das Arbeitsspiel veränderlichen Wandinnentemperatur über ein Oberflächenthermoelement. Durch Anwendung der Lösungen für die Fouriersche Wärmeleitungsgleichung ist die mittlere Wandinnentemperatur leicht zu bestimmen. Diese Methode wird zugleich auch zur Bestimmung der lokalen Wärmeströme und damit zur Ermittlung des lokalen Wärmeübergangskoeffizienten im Brennraum verwendet, siehe Merker und Kessen (1999), Bargende (1990) oder Hohenberg (1980). Ist die Wandinnentemperatur für einen Betriebspunkt bekannt, kann daraus für stationäre Betriebspunkte sehr einfach der thermische Ersatzleitkoeffizient bestimmt werden. Die restlichen Größen sind aus der Prozessrechnung ( D , TW ) oder als Randbedingung ( TKW ) bekannt. Es gilt hierbei das Gleichgewicht der Wärmeströme, die aus dem konvektiven Wärmeübergang (Newton’sche Gleichung) resultieren, und dem Wandwärmestrom, der sich durch Wärmeleitung durch die Brennraumwand (diskretisierte Fouriersche Gleichung) ergibt

D A TGas  TW



O







D KW A TW , KW  TKW . A TW  TW , KW (9.48) d Fasst man die Wärmeleitung durch die Wand und den konvektiven Wärmeübergang z. B. an das Kühlwasser zusammen, erhält man folgende Beziehung D TGas  TW





Rth TW  TKW .

D TGas  TW

(9.49)

Aufgelöst nach dem Ersatzleitkoeffizienten ergibt sich Rth

TW

 TKW



.

(9.50)

Die Werte sind über ein Arbeitsspiel gemittelt, was durch den Querbalken angedeutet wird. Da die Wandstärke bei einem real ausgeführten Motor nicht überall konstant ist, wird auch dieser Effekt im thermischen Ersatzleitkoeffizienten abgedeckt. Somit ist auch eine örtliche Auflösung der Wandtemperatur nicht möglich. Nach der Bestimmung des Ersatzleitkoeffizienten ist eine Berechnung der mittleren Wandtemperatur aus den am Ende eines Arbeitsspiels verfügbaren Daten möglich. Da der Wandwärmestrom wiederum von der Wandtemperatur abhängt, ist eine Iterationsschleife über mehrere Arbeitsspiele notwendig. Es gilt TW

D TGas  Rth TKW . D  Rth

(9.51)

Die stationären Wandtemperaturen von Kolben, Zylinderkopf und Laufbuchse können getrennt voneinander nach dieser Methode berechnet werden. Auch für die Bestimmung der Auslasskrümmer-Wandtemperatur ist dieses Vorgehen zielführend. Instationärer Betrieb

Für den instationären Betrieb eines Verbrennungsmotors müssen aufwändigere Modelle betrachtet werden, die das Speichervermögen der Brennraumwand und den Wärmeübergang an das Kühlmedium berücksichtigen. Ein einfaches Modell dafür ist bei Reulein (1998) zu finden. Als Grundmodell dient auch für dieses Modell eine ebene Platte. Von der Wand sind wiederum die physikalischen Eigenschaften Wärmekapazität c , Dichte U

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

397

und Wärmeleitfähigkeit O bekannt. Ebenfalls bekannt sein müssen die Dicke d und die Oberfläche A der Wand. Die mittlere Wandtemperatur Tm kann mit der Gleichung

U Ad c

dTm dt

Q i  Q a

(9.52)

berechnet werden. Wird die Wand, wie in Abb. 9-10 angedeutet, in der Mittelebene geteilt und in beiden Wandhälften eine quasistationäre Wärmeleitung angenommen, so gelten außerdem die Gleichungen Q i

2O A (TWi  Tm ) d

Q a

2O A (Tm  TWa ) . d

und

(9.53)

(9.54)

instationär

A, ai A, aa

r, l, c

Ti Twi

. Qi

Twa Tm d

Ta

. Qa

Abb. 9-10: Instationäres Wandtemperaturmodell

Die Aufteilung der Wand in zwei Ebenen erfolgt in Anlehnung an FEM-Modelle zur Berechnung von Temperaturverteilungen. Durch die Simulation der Wand mit Hilfe von mindestens zwei Zellen kann die reale Temperaturverteilung innerhalb der Wand beim Aufheiz- oder Abkühlvorgang wesentlich realistischer angenähert werden. Beim Kolben handelt es sich um ein Bauteil, das nicht direkt von einem Kühlmedium umspült wird. Für den stationären Fall deckt der Ersatzleitkoeffizient die Wärmeleitung über die Kolbenringe und das Öl an die Laufbuchse und an das Kühlwasser ab. Zusätzlich wird bei hochbelasteten Kolben eine Spritzölkühlung eingesetzt. Zur Modellierung des instationären Verhaltens des Kolbens kann das Modell nach Doll (1989) verwendet werden. Dabei wird angenommen, dass sich der gasseitig in den Kolben einfallende Wärmestrom auf die Zylinderbüchse und das Motoröl verteilt. Der Wärmestrom auf die Zylinderbüchse wird dabei zum Teil über die Kolbenringe, zum Teil über den Kolbenschaft übertragen. Die einzelnen Wärmeströme lassen sich mit folgenden Gleichungen ermitteln. Kolbenring-Zylinderwand: Q Ring

ARing D Ring (T Ko  TZylw )

(9.55)

Kolbenschaft-Zylinderwand: Q Schaft

ASchaft k Schaft (TKo  TZylw )

(9.56)

398

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Kolbenunterseite-Motoröl: Q Öl

AKo k Öl (TKo  TÖl ) .

(9.57)

Die Wärmedurchgangszahlen k ergeben sich für den Schaft zu 1 l2 l1  2 

k Schaft

O Kol

D Schaft 1

(9.58)

und für das Öl zu k Öl

l1  l 2

O Kol

1



D Öl 1

. (9.59)

Dabei bedeuten l1 die freie Büchsenlänge und l 2 die bedeckte Büchsenlänge. Für die Wärmeübergangskoeffizienten können nach Pflaum und Mollenhauer (1977) folgende Annahmen getroffen werden BRing  2.500

  W ¯ ¡ ° ¡¢ m 2 K °±

BSchaft  1.000

  W ¯ ¡ ° ¡¢ m 2 K °±

BÖl

  W ¯ ¡ °. ¡¢ m 2 K °±

 500

(9.60)

Die Berechnung der mittleren Temperatur des Kolbens erfolgt dann mittels der Differentialgleichung m Kol c Kol

9.1.4

dTKol dt

Q Gas  Q Ring  Q Schaft  Q Öl .

(9.61)

Brennverlauf

Der Brennverlauf beschreibt den zeitlichen Verlauf der Energiefreisetzung im Brennraum. Das Integral des Brennverlaufes bezeichnet man als den Summenbrennverlauf bzw. die Durchbrennfunktion. Zur Modellierung der Verbrennung im Rahmen der Prozessrechnung bedient man sich unterschiedlicher Ansätze bzw. mathematischer Modellierungen, die alle das Ziel haben, die reale Wärmefreisetzung durch die Verbrennung als so genannte Ersatzbrennverläufe möglichst exakt zu beschreiben. Eine andere Möglichkeit der Beschreibung der Wärmefreisetzung sind so genannte phänomenologische Modelle, die z. B. ausgehend vom Einspritzverlauf des Dieselmotors den Brennverlauf vorausberechnen. In jüngerer Zeit kommen aufgrund der gestiegenen Komplexität der Brennverfahren (z. B. Direkteinspritzung mit Ladungsschichtung beim Ottomotor, Common-Rail-Einspritzung beim Dieselmotor mit Mehrfacheinspritzung) verstärkt auch rein numerische Verfahren zur Beschreibung der Wärmefreisetzung zur Anwendung. Dabei handelt es sich um so genannte Neuronale Netze, die mit Ergebnissen von vermessenen Betriebspunkten trainiert werden müssen und die von einer Vielzahl von Parametern abhängen können.

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

399

„ Vibe-Ersatzbrennverlauf

Ausgehend von „Dreiecksbrennverläufen“ hat Vibe (1970) anhand von reaktionskinetischen Überlegungen für den Summenbrennverlauf folgende Beziehung angegeben Q B (M ) QB, ges

1

§ M  M BB · ¸  a ¨¨ 'M BD ¸¹ e ©

m 1

mit M BB d M d M BB  'M BD .

(9.62)

Dabei ist die gesamte freigesetzte Wärmemenge aus dem Produkt der in den Brennraum eingebrachten Kraftstoffmasse und dem unteren Heizwert zu berechnen

Q B, ges

mB H u .

(9.63)

Ferner bedeuten M BB den Brennbeginn und 'M BD die Brenndauer. Mit m wird der so genannte Vibe-Formparameter bezeichnet.

Am Ende der Verbrennung, d. h. bei M M BE , soll ein bestimmter Prozentsatz K u, ges der insgesamt mit dem Kraftstoff zugeführten Energie umgesetzt sein (Umsetzungsgrad), wofür gilt Q B (M ) Q B, ges

M

M BE

{ K u , ges

1  e a .

(9.64)

Daraus folgt für den Faktor a die Beziehung a

 ln (1  Ku ,ges ) ;

woraus man folgende Zahlenwerte erhält

K u, ges

0,999

0,990

0,980

0,950

a

6,908

4,605

3,912

2,995

Leitet man den Summenbrennverlauf nach dem Grad Kurbelwinkel ab, erhält man für den Brennverlauf

dQ B dM

Q B , ges

§ M  M BB a (m  1) ¨¨ © 'M BD

·  a ¨¨© ¸¸ e ¹ m

§ M  M BB · ¸ 'M BD ¸¹

m  1

.

(9.65)

Abb. 9-11 zeigt Brennverläufe für unterschiedliche Vibe-Formfaktoren. Dabei ist darauf zu achten, dass auch Vibe-Formfaktoren kleiner 0 möglich sind.

Um einen realen Brennverlauf durch einen Vibe-Ersatzbrennverlauf anzupassen, gibt es unterschiedliche Verfahren zur Ermittlung der drei Vibe-Parameter Brennbeginn, Brenndauer und Formparameter. Die Parameter können zum einen per Auge angepasst werden zum anderen auch über mathematische Verfahren (z. B. Methode der kleinsten Fehlerquadrate) bestimmt werden. Wichtig ist jedoch, dass durch den Ersatzbrennverlauf wichtige Prozessdaten wie der Spitzendruck, der indizierte Mitteldruck und die Abgastemperatur in Übereinstimmung mit der Realität berechnet werden. Die Ermittlung der Vibe-Parameter ist bei den meisten Druckverlaufsanalyseprogrammen fest integriert.

400

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Abb. 9-11: Vibe-Ersatzbrennverlauf für unterschiedliche Formfaktoren

„ Ersatzbrennverlauf als Doppel-Vibe-Funktion

Bei Motoren bzw. Betriebspunkten mit einer deutlich ausgeprägten Premixed-Verbrennung ist die Wiedergabe mit einem einfachen Vibe-Ersatzbrennverlauf meist zu ungenau. Man ersetzt deshalb oft den einfachen Vibe-Ersatzbrennverlauf durch die Überlagerung zweier Vibe-Funktionen, die so genannte Doppel-Vibe-Funktion. Beschreibt man einen realen Brennverlauf durch einen Doppel-Vibe-Brennverlauf, ist neben den zwei EinfachVibe-Brennverläufen auch noch eine Aufteilung der Energieanteile der beiden Funktionen nötig. Für einen Doppel-Vibe-Brennverlauf gilt § M  M BB ,1 · ¸ Q B,1 a ( m1  1) ¨ ¨ 'M BD ,1 ¸ dM © ¹ mit M BB ,1 d M d M BB ,1  'M BD ,1 , dQ B ,1



m1



§ M  M BB , 2 · ¸ Q B, 2 a ( m2  1) ¨ ¨ 'M BD , 2 ¸ dM ¹ © mit M BB , 2 d M d M BB , 2  'M BD , 2 , dQ B , 2





e

m2

m 1 § M  M BB ,1 · 1 ¸ ¨ a ¨ 'M BD ,1 ¸ ¹ ©

m 1 § M  M BB , 2 · 2 ¸ a¨ ¨ 'M BD , 2 ¸ ¹ e ©

(9.66)

(9.67)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

401

Q B,1

x Q B, ges und QB, 2

dQ B dM

dQ B , 1 dM



dQ B , 2 dM

(1  x) QB, ges ,

(9.68)

.

(9.69)

Das linke Diagramm in Abb. 9-12 zeigt die Wiedergabe des Brennverlaufs im Nennleistungspunkt eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors durch einen Doppel-VibeErsatzbrennverlauf. Man erkennt deutlich, dass die Doppel-Vibe-Funktion die bis in die Auslassphase andauernde Verbrennung nicht genau wiedergeben kann. Das hängt mit der mathematischen Form dieses Ersatzbrennverlaufs zusammen. Die Diffusionsphase wird durch den zentralen Exponentialterm der Doppel-Vibe-Funktion beschrieben. Dieser Exponentialterm mit seinem gegen Brennende asymptotischen Verlauf kann die im realen Fall noch großen Energiefreisetzungsraten bei Verbrennungsende unter Umständen nicht exakt beschreiben, weswegen gelegentlich statt der Doppel- eine Dreifach-Vibe-Funktion verwendet wird. Die genaue Wiedergabe der Premixed-Verbrennung ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Übereinstimmung der Arbeitsprozessrechnung mit Messungen, weshalb auf die Einpassung und Gewichtung der ersten Vibe-Funktion besonderes Augenmerk gelegt werden muss. Ein Problem bei der Doppel-Vibe-Funktion ist – wie bei der einfachen Vibe-Funktion auch – die exakte Beschreibung der Ausbrandphase, die gerade bei aufgeladenen Motoren für das Abgastemperaturniveau verantwortlich ist. Ein guter Indikator hierfür ist der Summenbrennverlauf, bei dem Abweichungen am deutlichsten sichtbar werden. Als geeignete Einpassroutine hat sich auch beim Doppel-Vibe-Ersatzbrennverlauf die Methode der kleinsten Fehlerquadrate ergeben. Doppel - Vibe - Funktion

Polygon - Hyperbel - Ersatzbrennverlauf 0,5 Simulation 4 5

0,5 Simulation

dQchem [kJ/°KW]

0,4

dQchem [kJ/°KW]

0,4 Experiment

0,3 0,2 0,1 0 0

2

Experiment 0,3 0,2

3

0,1

15

30 45 60 75 Kurbelwinkel [°KW]

90

0 1 0

6

15

30 45 60 75 Kurbelwinkel [°KW]

90

Abb. 9-12: Doppel-Vibe-Funktion und Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlauf

„ Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlauf

Im Hinblick auf die Berechnung der NO x -Bildung mittels Mehr-Zonen-Modellen wurde bei Schreiner (1993) ein weiterer Ersatzbrennverlauf, der Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlauf, vorgeschlagen, der in Abb. 9-12 rechts dargestellt ist. Er besteht aus einem Polygonzug (1-4-5) und einer sich daran anschließenden Hyperbel (5-6). Dem Polygonzug ist ein Dreieck (1-2-3) überlagert, das zur Beschreibung der Premixed-Verbrennung dient. Zur mathematischen Beschreibung dieses Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlaufs benötigt man neun Parameter.

402

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Premixed-Phase: dQ B , pre dM

dQ B , pre dM

y 2*

y 2*

Diffusionsphase: dQ B, diff dM

y4

(M  M1 ) mit M1 d M d M 2 (M 2  M1 )

(M 3  M ) mit M 2 d M d M 3 (M 3  M 2 )

y 4 mit M 4 d M d M 5

dQ B, diff

h3  h1 (M  M1 ) h2

dM

(9.71)

(M  M1 ) mit M1 d M d M 4 (M 4  M1 )

dQ B , diff dM

(9.70)

y4  

(9.73)

( y 4  y6 )

ª (M  M1 ) º 2 1 « 6 » ¬ (M 5  M1 ) ¼ ( y 4  y6 ) h



(M 5  M1 ) h2  (M 6  M1 ) h2

mit M 5 d M d M 6 .

Für den gesamten Brennverlauf gilt: dQ B , ges dQ B , pre dQ B , diff  . dM dM dM

(9.72)

(9.74) (M  M1 ) h2

(9.75)

Die Größe y 2* legt die Höhe des Peaks bei der Premixed-Verbrennung fest. Die drei Hyperbelparameter h1 , h2 und h3 ergeben sich aus den Bedingungen, dass die Hyperbel durch die Punkte 5 und 6 gehen und dass das Integral unter dem Ersatzbrennverlauf den Wert 1 haben muss. Dabei legt h2 den Verlauf der Hyperbel fest. Die maximale Höhe des Ersatzbrennverlaufs in der Diffusionsphase y 4 ergibt sich aus der Bedingung, dass der Schwerpunkt des Ersatzbrennverlaufs mit dem des experimentell ermittelten Brennverlaufs übereinstimmen muss. Die Größe y6 beschreibt die Umsetzung am Ende der Verbrennung. Die Übereinstimmung in Abb. 9-12 (rechts) ist sehr gut, so dass sich in den Ergebnissen der realen Arbeitsprozessrechnung praktisch kein Unterschied zwischen der punktweisen Vorgabe und der Approximation experimenteller Daten mit diesem Ersatzbrennverlauf ergibt. Weitere Details und eine ausführliche Analyse dieses Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlaufs finden sich bei Schreiner (1993).

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

403

„ Kombinationen von Ersatzbrennverläufen

Um die lange Ausbrandphase und die mit dem Common-Rail-Einspritzsystem mögliche variable Voreinspritzung beschreiben zu können, wurde von Barba et al. (1999) eine Kombination aus Vibe-Ersatzbrennverläufen und Hyperbelbrennverläufen vorgeschlagen. Die beschreibenden Gleichungen und deren Umrechnungsgesetzmäßigkeiten sind jedoch so komplex, dass eine allgemeine Formulierung nicht möglich ist, weshalb an dieser Stelle lediglich auf die entsprechende Literaturstelle verwiesen wird. „ Brennverlaufsumrechnung bei Dieselmotoren

Um der für den jeweiligen Betriebspunkt erforderlichen Größe der in den Brennraum eingebrachten Kraftstoffenergie Rechnung tragen zu können und die daraus resultierenden Veränderungen der thermischen Zustandsgrößen des Motors, wie z. B. der Abgastemperatur, richtig wiederzugeben, muss eine Möglichkeit geschaffen werden, den Brennverlauf in Abhängigkeit von den jeweiligen Betriebspunktdaten im Rahmen der Simulationsrechnung vorauszuberechnen. Dies ist vor allem für instationäre Berechnungen unumgänglich. Der Vibe-Ersatzbrennverlauf wird – wie oben bereits beschrieben – von den drei Parametern Brennbeginn, Brenndauer und Formparameter bestimmt. Für die Parameter lassen sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebspunkt Umrechnungsgesetzmäßigkeiten finden. Die Grundlagen zur Beschreibung dieser Gesetzmäßigkeiten wurden u. a. bei Woschni und Anisits (1973) erarbeitet und sollen an dieser Stelle in allgemeingültiger Form dargestellt werden. Der Umrechnung wird ein bekannter Ausgangsbetriebspunkt des Motors (Index A) zugrunde gelegt. Für die in den folgenden Gleichungen eingeführten Parameter sind in der Literatur zum Teil konstante Werte zu finden. An dieser Stelle sollen die möglichen Einflussgrößen auf die einzelnen Brennverlaufsgrößen jedoch als Parameter dargestellt werden. Die folgenden Gleichungen beschreiben die Umrechnung der Vibe-Parameter beim Dieselmotor. Für die Bestimmung des Brennbeginns gilt, ausgehend vom geometrisch festgelegten Förderbeginn der Einspritzpumpe, folgende Beziehung

M BB

M FB  'M EV  'M ZV .

(9.76)

Für eine Einspritzpumpe ohne Regelung des Einspritzbeginns muss der Einspritzverzug zwischen dem geometrisch festgelegten Förderbeginn der Einspritzpumpe und dem Einspritzbeginn – also dem Öffnen der Einspritzdüsennadel – berücksichtigt werden, vgl. Merker und Schwarz (2001) 'M EV

§ n · ¸¸ 'M EV , A ¨¨ © nA ¹

aEV

.

(9.77)

Bei Motoren mit einer Regelung des Einspritzbeginns wird der geometrische Förderbeginn so lange verschoben, bis der Einspritzbeginn, der über das Nadelhubsignal ermittelt werden kann, mit dem gewünschten Sollwert übereinstimmt. Es entfällt dadurch die Bestimmung der Einspritzverzugszeit und des geometrischen Förderbeginns. Die Gleichung für den Brennbeginn lautet dann

M BB

M EB  'M ZV .

(9.78)

404

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Der Zündverzug kann durch verschiedene, formelmäßige Zusammenhänge beschrieben werden. Für den Kammermotor gilt nach Woschni und Anisits (1973) 'M ZV

a ZV 6 n 10

3

1,3 e

990 T (M EB )

p (M EB ) 0,35 .

(9.79)

Für direkteinspritzende Dieselmotoren kann der Zündverzug nach Sitkei (1963) berechnet werden 'M ZV

6 n 10

3





7.800 ª 6,9167 R T «a 1,0197 p 0,7   bZV e « ZV «¬ . 7.800 º  c ZV e 6,9167 R T 1,0197 p 1,8 » » »¼





(9.80)

Für den Druck und die Temperatur müssen die vom Einspritzbeginn bis zum Brennbeginn gemittelten Druck- und Temperaturwerte eingesetzt werden. Die Brenndauer hängt vom Verbrennungsluftverhältnis und bei einigen Motoren auch von der Drehzahl ab 'M BD

§O · 'M BD, A ¨ A ¸ © O ¹

aBD

§ n · ¨¨ ¸¸ © nA ¹

bBD

.

(9.81)

Für Motoren mit Abgasrückführung reicht die Beschreibung der Brenndauer über das Verbrennungsluftverhältnis nicht aus, da das Verbrennungsluftverhältnis bei Abgasrückführung zu einem großen Teil von der Masse des rückgeführten Abgases abhängig ist. Es ist damit kein eindeutiger Indikator für die Motorlast. Aus diesem Grund wird die Brenndauer für Motoren mit Abgasrückführung abhängig von der eingespritzten Kraftstoffmasse beschrieben. Die Gleichung lautet dann 'M BD

§O · 'M BD, A ¨ A ¸ © O ¹

a BD

§ n ¨¨ © nA

· ¸¸ ¹

bBD

§ mB ¨ ¨ m B, A ©

· ¸ ¸ ¹

cBD

.

(9.82)

Der Formparameter beschreibt den Verlauf der Energieumsetzung und ist deshalb vom Zündverzug (Zeit für die Gemischaufbereitung), von der Drehzahl und von den Gaszuständen bzw. von der Gasmasse im Zylinder bei „Einlass schließt“ abhängig. Um auch Formparameter kleiner als 0 berechnen zu können, wird die Gleichung um ein zusätzliches Glied ergänzt. Formparameter kleiner als 0 beschreiben Brennverläufe mit sehr großen Brennverlaufsanstiegsgeschwindigkeiten, die bei direkteinspritzenden Dieselmotoren bei schwacher Last und niedrigen Drehzahlen auftreten können, wenn noch kein Ladedruck zur Verfügung steht m

(m A

§ M ZV , A · ¸  'm) ¨ ¸ ¨ M © ZV ¹

aVM

§ nA · ¸ ¨ © n ¹

bVM

§ p ES V ES TES , A ¨ ¨ p ES , A V ES , A TES ©

· ¸ ¸ ¹

cES

 'm .

(9.83)

Tab. 9.1 gibt neben den aus der Literatur bekannten „Grund“-Parametern einen Überblick über gebräuchliche Parameter, wie sie von den Autoren für umfangreiche Berechnungen in guter Übereinstimmung mit der Realität verwendet wurden.

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

405

Tab. 9.1: Parameter zur Vorausberechnung der Brennverläufe Originalgleichung

Großdieselmotor

NFZ DI

Pkw DI

a EV

1,0

1,0





a ZV

1*; 0,5

0,39

0,625*

0,1

bZV

0,135

0,105



0,135

c ZV

4,8

3,12



4,8

a BD

0,6

0,6

–0,3

0,0

bBD

0,5

0,5

–0,65

0,0

c BD 'm

0,0

0,0

0,0

–0,1

0,0

0,0

0,4

0,3

aVM

0,5

0,5

0,5

0,2

bVM

0,3

0,3

–0,8

–0,4

cVM

1,0

1,0

1,0

1,0

* Anisits

Umrechnungsgesetzmäßigkeiten für Doppel-Vibe-Brennverläufe sind wesentlich aufwändiger, da zu dem zweiten Satz an Vibe-Parametern auch noch eine Umrechnung für die Energieaufteilung der beiden Einzelanteile notwendig ist. Umrechnungsgesetzmäßigkeiten für einen schnelllaufenden Dieselmotor sind bei Oberg (1976) beschrieben. Für die Umrechnung des Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlaufs sei auf Schreiner (1993) oder auf Merker und Schwarz (2001) verwiesen. „ Brennverlaufsumrechnung beim Ottomotor

Auch beim Ottomotor wurde eine Umrechung der Vibe-Parameter für unterschiedliche Betriebspunkte eingeführt, z. B. bei Csallner (1981). Da beim Ottomotor die Zylinderladung an der Zündkerze fremdgezündet wird, entfällt die beim Dieselmotor beschriebene Herleitung des Brennbeginns über den Einspritz- bzw. Zündverzug. Bei thermodynamischen Auswertungen zeigt sich jedoch auch beim Ottomotor ein Zeitversatz zwischen der Einleitung der Zündung (Zündzeitpunkt) und einer merklichen Energiefreisetzung (Anstieg des Brennverlaufs bzw. 5 % Umsetzungsrate). Dies ist darin begründet, dass aufgrund der punktförmigen Zündung zunächst einige Zeit vergeht, bis ein größeres Volumen von der Flammenfront erfasst wird. Die Zeit bis zum Anstieg des Brennverlaufes wird als scheinbarer Zündverzug bezeichnet. Bei Csallner (1981) wurde die Abhängigkeit der Vibe-Parameter von den Prozessgrößen beschrieben. Die Untersuchungen wurden so durchgeführt, dass die einzelnen Betriebsparameter unabhängig voneinander variiert wurden. Csallner wählte deshalb eine Beschreibung über einen multiplikativen Ansatz. Für den Zündverzug ergibt sich somit ausgehend von einem Ausgangspunkt (Index A) ZV

ZV A f ZZP f n f p f T f xRG f O .

(9.84)

406

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Für die Brenndauer kann in gleicher Weise geschrieben werden 'M

'M A g ZZP g n g p g T g xRG g O .

(9.85)

Für den Formfaktor erhält man m

m A hZZP hn h p hT hxRG hO .

(9.86)

Die einzelnen Funktionen f , g und h sind in nachstehender Tabelle (Tab. 9.2) zu finden. Tab. 9.2: Funktionen nach Csallner (1981) Zündverzug

Brenndauer

Formparameter

g ZZP

hZZP

Zündzeitpunkt 25–50° v. OT

f ZZP 

Drehzahl 1.000– 4.500 min–1

400 8 ¸105  n n2 fn  400 8 ¸105 1  2 nA nA

gn

660 n 660 1,33  nA

ZylinderDruck bei 300 °KW

 p ¬­0,47 f p  žžž 300 ­­­ žŸ p A,300 ®­

gp

§ p300 · ¨¨ ¸¸ © p A,300 ¹

Zylindertemp. bei 300 °KW

fT  2,16

Restgasanteil 0–10 %

f xRG  0,088

Verbr.Luftverhältnis 0,7–1,2

fO

430  GZZP 430  GZZP, A

1,33 

1

TA,300

 1,16

gT

xRG 0,912 xRG , A

g xRG

T300

2,2 O 2  3,74 O  2,54 2,2 O A2  3,74 O A  2,54

1

gO

1,33

0, 237

0,625  hn

750 n 750 0,625  nA

hp

1

hT

1

0,28

TA,300 T300

1

 0,33

xRG  0,763 xRG , A

2,0 O 2  3, 4 O  2, 4 2,0 O A2  3, 4 O A  2, 4

hxRG

hO

1

1

Der Gültigkeitsbereich für diese Umrechnungen ist auf sehr geringe Restgasmengen beschränkt. Moderne Brennverfahren weisen höhere Restgasmengen auf, weshalb für einen gedrosselten und einen ungedrosselten (Vollvariabler Ventiltrieb) Ottomotor nach Witt (1999) die Einflussgleichungen von Csallner angepasst wurden. Bei Witt (1999) gilt: ZV

'M m

ZV A f ZZP f xRG f n f wi

'M A g ZZP g xRG g n g wi m A hZZP h xRG hn hwi

(9.87) (9.88) (9.89)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

407

Tab. 9.3: Funktionen nach Witt (1999) Zündverzug Zündzeitpunkt 17–57° v. OT

f ZZP

Restgasanteil 10–26 %

f xRG fn

Drehzahl 1000–4000 min-1 fn Indizierte Arbeit 0,2–0,8 kJ/l

2 a  b IZZP 2 a  b IZZP, A

2 a  b xRG 2 a  b xRG , A

Formparameter

g ZZP

hZZP

g xRG

a  b ln(n) a  b ln(nA ) a  b n 2 a  b n A2

f wi

Brenndauer

a  b xRG a  b xRG , A

2 a  b xRG 2 a  b xRG , A

a  b n1,5 a  b n1,5 A

hn

a  b wi a  b wi A

g wi

2 a  b IZZP  2 a  b IZZP ,A

hxRG

a  b n 0,5 a  b n A0,5

gn

a  b wi1,5 a  b wi1,5 A

0,5 a  b IZZP 0,5 a  b IZZP, A

a  b ln( wi ) a  b ln( wi A )

hwi

Die Parameter hierfür können der folgenden Tabelle entnommen werden. Tab. 9.4: Parameter zur Umrechnung der Brennverlaufsparameter

x RG

ZZP gedrosselt Zündverzug ungedrosselt gedrosselt Brenndauer ungedrosselt gedrosselt Formparameter ungedrosselt

a

2,383 ˜ 10

0,879

b

0,678

a

0,638

0,914

–4

3,648 ˜ 10

b

2,614 ˜ 10

2,795 ˜ 10

a

0,596

0,429

–4

n

wi

0,992 –4

–4

–1,246 ˜ 10

1,112 –4

–0,545

–1,284

1,162

0,292

–0,589

1,355

1,115

b

2,480

0,031

–18,49

–0,346

a

0,477

0,690

1,701

1,295

b

3,200

0,017

–34,50

–0,699

a

0,964

1,076

b

75,56

–2,534 ˜ 10

1,046

a

1,000

1,061

1,016

b

19,36

–4

–1,656 ˜ 10

–4

–4,075 ˜ 10

–1,206 ˜ 10

1,007 –7

0,004 1,053

–7

0,065

„ Neuronale Netze für Vibe-Brennverläufe

Neben der bereits vorgestellten analytischen Methode einer Vorausberechnung von Brennverläufen gibt es noch eine weitere Möglichkeit, den Brennverlauf in Abhängigkeit von seinen Einflussgrößen zu ermitteln. Dazu werden die Vibe-Parameter mit Hilfe eines Neuronalen Netzes bestimmt, das vorher durch eine Vielzahl vermessener und bezüglich der Vibe-Parameter ausgewerteter Betriebspunkte trainiert wurde. Prinzipiell eignen sich alle Typen von Neuronalen Netzen für diese Aufgabe. Im Vergleich zu den im vorherigen Abschnitt vorgestellten analytischen Zusammenhängen konnte bei der Ermittlung der

408

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Vibe-Parameter über ein Neuronales Netz eine deutliche Verbesserung erzielt werden, die eine Halbierung des mittleren Fehlers möglich macht und somit die Qualität des Rechenergebnisses positiv beeinflusst. Der Nachteil von Neuronalen Netzen für diesen Anwendungsfall ist die nicht vorhandene Extrapolationsmöglichkeit und die fehlende Transparenz bezüglich der Abhängigkeiten von einzelnen Einflussgrößen im Vergleich zum analytischen Ansatz. Als Vorteil ist die Möglichkeit zu werten, aus einer Vielzahl von unsystematischen Versuchsergebnissen dennoch Aussagen über die Abhängigkeiten der VibeParameter zu erhalten. Eine genauere Beschreibung der Neuronalen Netze ist am Ende dieses Abschnitts zu finden. „ Neuronale Netze für diskrete Brennverläufe

Im vorhergehenden Abschnitt wurde die Beschreibung von Brennverlaufsfunktionen durch mit Neuronalen Netzen vorausberechnete Vibe-Parameter vorgestellt. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Brennverfahren sowohl beim Diesel- als auch beim Ottomotor ist es jedoch notwendig, die diskreten Brennverläufe zu beschreiben. Beim Dieselmotor wird aufgrund der Common-Rail-Technologie der Einspritzverlauf und damit in gewissen Grenzen auch der Brennverlauf frei formbar (Vor- bzw. Nacheinspritzung). Auch beim Ottomotor werden die Brennverläufe durch eine Laststeuerung über vollvariable Ventiltriebe oder durch Direkteinspritzung nachhaltig beeinflusst. Bei der OttoDirekteinspritzung tritt für den geschichteten Bereich eine deutlich verlängerte Ausbrandphase auf. Für beide Fälle reicht somit eine Identifikation des Brennverlaufs über eine einfache Ersatzbrennverlaufsfunktion nicht mehr aus, um die Details des Brennverfahrens richtig zu beschreiben. Zudem wird auch die Zahl der Einflussgrößen bei derart komplexen Brennverfahren immer größer, so dass eine versuchstechnische Rasterung dieser Größen praktisch ausgeschlossen ist. Abb. 9-13 zeigt einen Brennverlauf für einen geschichteten Betriebspunkt bei BenzinDirekteinspritzung, an dem die verzögerte Ausbrandphase deutlich zu erkennen ist. Eine Approximation mit einem Vibe-Brennverlauf ist nur schwer möglich. In der Literatur ist eine Vielzahl von Verfahren beschrieben, Brennverläufe diskret über ein Neuronales Netz zu berechnen, vgl. Zellbeck (1997). Das im Folgenden vorgestellte Verfahren von Reulein et al. (2000) unterscheidet sich von den bekannten Verfahren und versucht die Nachteile dieser Verfahren zu vermeiden. Die experimentell ermittelten Brennverläufe werden zunächst gefiltert, auf 1 normiert und auf ihren Schwerpunkt zentriert. Dadurch kann man starke Schwankungen bei den Trainingsdaten ausschließen und den Netzinput vergleichmäßigen. Dieser Vorgang ist in Abb. 9-14 dargestellt. Bei diesem Verfahren ist es nötig, zwei neuronale Netze zu trainieren, von denen das erste den Verlauf kurbelwinkelabhängig wiedergibt und das andere die Lage des Schwerpunktes beinhaltet. Jedoch zeigt gerade diese Vorgehensweise deutliche Vorteile, da zum einen die Anzahl der Eingabeparameter entsprechend der beschreibenden Einflussgrößen gegenüber einer funktionalen Beschreibung deutlich vergrößert werden kann und zum anderen die Einflussgrößen für die Form und die Schwerpunktlage getrennt festgelegt werden können. Damit wird die Qualität des Ergebnisses deutlich verbessert. In den meisten professionellen Simulationstools werden inzwischen Trainingsalgorithmen mit entsprechenden Netztopologien angeboten. In Abb. 9-13 ist ein Vergleich zwischen einem gemessenen und einem mit einem Neuronalen Netz berechneten Brennverlauf dargestellt. Bei dem verwendeten Netz handelt es sich um ein zweischichtiges Multi-Layer-Perceptron-Netz mit 25 Knoten pro Schicht und sigmoiden Aktivierungsfunktionen, die mit einem Backpropagations-Algorithmus trainiert werden.

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

409

normierter Brennverlauf [1/°KW]

Otto - DI, 2000 min-1, pmi = 4 bar Original - BV Vibe - BV

0.04

Original - BV N.N.

0.03

0.02 0.01 0.00 -50

0 50 Grad Kurbelwinkel

100 -50

0 50 Grad Kurbelwinkel

100

Abb. 9-13: Brennverlauf für einen direkt einspritzenden Ottomotor bei n 2.000 min 1 und p m i 4 bar . Vergleich des Original-Brennverlaufs mit dem Vibe-Brennverlauf (links) und dem Neuronalem-Netz-Brennverlauf (rechts) NN2: Trainieren der Schwerpunktlage

BV2 Grad Kurbelwinkel

1 0.03 0.02

SP2

0.01

Normierter Brennverlauf [1/°KW]

0 50 Grad Kurbelwinkel Zentrieren des Brennverlaufs

10 0

NN1: Trainieren der Brennverlaufsform

0.03 SP2

0.02

0.03

4

BV1

0.02

SP1

0.01

BV2

0.04

BV1

2

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Brennverlauf Nr.

100

BV2

0.04

3

SP2 20

-10

0 -50

0 -50

SP1

30

0.04

Normierter Brennverlauf [1/°KW]

Normierter Brennverlauf [1/°KW]

Filtern des Brennverlaufs

0 50 Grad Kurbelwinkel

100

0.01 0 -50

0 50 Grad Kurbelwinkel

100

Abb. 9-14: Vorgehensweise beim Netztraining

Selbstverständlich wurde der zu vergleichende Brennverlauf nicht für das Netztraining verwendet und ist im Rahmen der Prozessrechnung mit folgenden Eingabeparametern ermittelt:

y Grad Kurbelwinkel, y Drehzahl, y Luftmasse,

410

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

y Brennstoffmasse, y Zündzeitpunkt und y Restgasgehalt. Kritisch ist bei den Neuronalen Netzen anzumerken, dass sie nur innerhalb ihres trainierten Bereiches Gültigkeit besitzen. Eine Extrapolation ist prinzipiell nicht möglich und muss dem Anwender kenntlich gemacht werden, da ansonsten das Simulationsergebnis merklich verfälscht wird. „ Phänomenologische Modelle

Ein grundlegend anderer Ansatz zur Modellierung der Verbrennung ist die Verwendung von phänomenologischen Modellen. In der Literatur sind mehrere phänomenologische Modelle zur Berechnung des Brennverlaufes eines Dieselmotors aus dem Einspritzverlauf bekannt geworden, siehe Stiesch (1999), Eilts (1993) oder Chmela et al. (1998) und Constien (1991). Zur Beschreibung dieser Modelle sei auf Kapitel 10 verwiesen.

9.1.5

Klopfende Verbrennung

Während in Kapitel 9.1.4 Ansätze beschrieben wurden, um die normale Verbrennung zu berechnen, soll in diesem Kapitel auf die Simulation der Selbstzündung bzw. auf Kriterien zur Vorhersage des Auftretens von klopfender Verbrennung eingegangen werden. Klopfende Verbrennung tritt bei fremdgezündeten Motoren (Ottomotoren) auf. Unter klopfender Verbrennung versteht man die Selbstzündung von Teilen des Endgases, bevor diese von der Flammenfront, die durch die Zündkerze initiiert ist, überstrichen werden, siehe auch Kapitel 2.3.6. Es kommt dann zu einer Überlagerung von mehreren Druckwellen im Brennraum, die zu einer mechanischen Schädigung des Motors führen. Der Druckverlauf einer klopfenden Verbrennung ist in Abb. 2-39 dargestellt. Ziel der Berechnung des Selbstzündverhaltens ist nicht die Aussage, dass es sich bei dem betreffenden Arbeitsspiel um eine klopfende Verbrennung handelt, sondern muss vielmehr die Vorherbestimmung desjenigen Grad Kurbelwinkel sein, an dem die Selbstzündung des Endgases auftritt. In der Literatur unterscheidet man zwischen Ansätzen mit detaillierter bzw. reduzierter Reaktionskinetik und empirischen, phänomenologischen Modellen. Erstere beschreiben mehr oder weniger ausführlich die Reaktionsmechanismen der Kohlenwasserstoffoxidation im Niedertemperaturbereich des Endgases, wobei so genannte Kettenverzweigungen eine Radikalbildung verstärken und Kettenabbrüche diese abschwächen. Die Mechanismen sind meist aus Stoßwellenrohren oder Einhubtriebwerken für eine bestimmte Kraftstoffsorte abgeleitet. Ein exponentieller Anstieg der Radikalkonzentration im Frischgasbereich über einen bestimmten Grenzwert wird als Indikator für das Einsetzen einer klopfenden Verbrennung bewertet. Mit diesem Modellansatz besteht somit auch die Möglichkeit einer Vorhersage des Grad Kurbelwinkels, an dem Klopfen einsetzt. Diese Modellansätze sind jedoch sehr komplex und rechenzeitintensiv und würden den Rahmen dieses Buches sprengen. Deshalb muss an dieser Stelle auf entsprechende Literatur verwiesen werden, z. B. auf Halstead et al. (1975, 1977), Li et al. (1992, 1994, 1996), Schreiber et al. (1994), Kleinschmidt (2000) und Klaiß (2003). Die phänomenologischen Ansätze betrachten die Vorgänge im Endgas durch eine mittlere Reaktionsgeschwindigkeit, die über eine Arrhenius-Beziehung ausgedrückt werden kann. Auf die phänomenologischen Ansätze soll im Folgenden näher eingegangen werden.

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

411

„ Klopfkriterium nach Franzke (1981)

Da das Erreichen eines bestimmten Temperaturniveaus im Endgasbereich kein ausreichendes Kriterium für das Einsetzen einer klopfenden Verbrennung darstellt, muss die Druck-Temperatur-Historie im Brennraum herangezogen werden. Dazu wird ein so genanntes kritisches Vorreaktionsniveau wie folgt berechnet IK

Z 1

MK

³

M ES

§ b · ¸ ¨ a ¨© Tuv ¸¹ p e

dM

const.

(9.90)

Der Parameter M K beschreibt somit den Grad Kurbelwinkel, bei dem das kritische Vorreaktionsniveau erreicht ist. Die Temperatur des Unverbrannten Tuv wird nach (9.91) über eine polytrope Zustandsänderung aus Druck und Temperatur bei Verbrennungsbeginn und einem Polytropenexponenten, der sich aus den Zuständen bei Kompressionsbeginn und Verbrennungsbeginn ergibt, berechnet Tuv M

§ p (M ) · ¸¸ T BB ¨¨ © p BB ¹

nBB  1 nBB

(9.91)

.

Die Parameter a und b sind in Tab. 9.5 angegeben. Zusätzlich definiert Franzke das Auftreten einer klopfenden Verbrennung durch einen für den Brennraum spezifischen, konstanten Parameter K . Dieser hängt von verschiedenen Größen (z. B. Ladungsbewegungsniveau, Brennraumform etc.) ab und stellt einen Quotienten aus dem Verbrennungsfortschritt bei Klopfbeginn und der gesamten Brenndauer dar K

M E  M BB . 'M BD

(9.92)

Als Brenndauer wird die Differenz aus dem 95 %-Umsatzpunkt und dem Brennbeginn (1 % Umsatz) angenommen. Der Parameter M E beschreibt den Grad Kurbelwinkel während des Verbrennungsfortschrittes, bei dem im Endgas das kritische Vorreaktionsniveau erreicht sein muss, damit klopfende Verbrennung auftreten kann. Für das Auftreten von klopfender Verbrennung gilt demnach

MK  ME .

(9.93)

Mit dem Gleichungsansatz nach Franzke ist es somit möglich, den Kurbelwinkel, an dem eine klopfende Verbrennung beginnt, zu bestimmen. „ Modifikationen am Klopfkriterium nach Franzke

Modifikationen am Ansatz von Franzke wurden durch Spicher und Worret (2002) vorgenommen. Für den Vorreaktionszustand I K gilt M

IK

³

§b·

K ¨ ¸ 1 1 p a e © T ¹ dM 3  6 n c 10 M RB

1.

(9.94)

412

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Dabei bedeutet M RB den Grad Kurbelwinkel zu Rechenbeginn, d. h. zum Beispiel 90 °KW vor dem ZOT. Die Parameter a , b und c können Tab. 9.5 entnommen werden. Tab. 9.5: Parameter für das Klopfkriterium

a [–] b [K] c [–] a IK [–] a K [–] bK [–] c K [–] a KW [–] bKW [–]

Franzke

Spicher/Worret Einfaches 2-ZM, WÜK Bargende

Spicher/Worret Reales 2-ZM, WÜK Bargende

Spicher/Worret Einfaches 2-ZM, WÜK Woschni

1,5

–1,299

–1,267

–1,262

–14.000

4.179

4.080

3.964



2,370

2,124

2,714



–0,557

–0,449

–0,553



–0,236

–0,241

–0,231



1,292

1,395

1,275



0,251

0,313

0,244



0,211

0,227

0,273



0,288

0,277

0,233

Tab. 9.5 beschreibt die auf die jeweiligen Modelle abgestimmten Parameter. Für die Modellierung nach Spicher und Worret ist eine Sensitivität der Parameter in Abhängigkeit der gewählten Modellierung angegeben. Dabei wurden Ansätze für ein einfaches und ein reales Zwei-Zonen-Modell und Wärmeübergangsbeziehungen nach Bargende und Woschni berücksichtigt. Mit dem vorgestellten Ansatz ist es möglich, den Beginn für eine klopfende Verbrennung bei modernen Ottomotoren auf ±2 °KW zu bestimmen. Um die Schwankungsbreite des Vorreaktionsniveaus auf ein tolerierbares Maß einzuschränken, muss nach Spicher und Worret der 75 %-Umsatzpunkt (ij15) berücksichtigt werden. Dabei bedient man sich – wie bei der Umrechnung der Brennverläufe – zusätzlich eines Referenzpunktes, für den sämtliche Parameter bekannt sein müssen. Der formelmäßige Zusammenhang lautet

§ M 75  6 · IK ¸ (9.95) . I K I K , ref ¨ ¨ M 75, ref  6 ¸ ¹ © Ebenso ergeben sich für den K -Wert Korrekturen für die Schwerpunktlage der Verbrennung ( M SP ) und für das Verbrennungsluftverhältnis O . Die folgende Gleichung zeigt die Zusammenhänge a

§ M SP  8 · K § bK  c K O · ¸ ¸. ¨ (9.96) K K ref ¨ ¨ bK  c K Oref ¸ ¨ M SP, ref  8 ¸ ¹ © ¹ © Im Gegensatz zu Franzke berechnen Spicher und Worret die Gaszustände im Frischgas über ein 2-Zonen-Modell (vgl. Kapitel 9.2), das im einfachen Fall von einer adiabaten Berechnung der Temperatur in der Frischgaszone ausgeht. Spicher und Worret geben ferner einen Gleichungsansatz für die Klopfwahrscheinlichkeit an a

KW

§ § M KHB, max 100 ¨ a KW  bKW ln ¨¨ ¨ 2 © ©

·· ¸¸ ¸¸ ¹¹

M KHB

.

(9.97)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

413

jE

jE = jBB + K D jBD

+/- 5%

1.5

1.0 0.5 0 300

+/- 15%

Vorreaktionsniveau Ik [-]

2.0

Ik-Streubereich K-Streubereich 330 360 Kurbelwinkel

jK

390

420

Abb. 9-15: Auswirkung der Schwankungsbreite von I K und K

Darin bedeutet M KHB den Grad Kurbelwinkel, der sich aus einer Überlagerung der Streubänder von M E und M K ergibt (siehe Abb. 9-15). Eine Weiterentwicklung des Spicher/Worret-Modells stellt der Ansatz von Stanciu und Neumann dar (Stanciu und Neumann (2010)).

9.1.6

Innere Energie

Als weiterer Term des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik muss die Innere Energie bzw. die Enthalpie des Gases im Zylinder berechnet werden. Die Gaszusammensetzung wird dabei meist als homogen angenommen. „ Komponentenmodell

Ein möglicher Ansatz zur Berechnung der Inneren Energie ist die Beschreibung über eine Mischung der als ideales Gas betrachteten Einzelkomponenten des Gases. Die Innere Energie jeder Einzelkomponente des Gases (Ausgangsprodukte wie O 2 , N 2 etc. bzw. Reaktionsprodukte wie CO 2 , H 2 O ) kann separat berechnet werden, da deren Standardbildungsenthalpien, die Reaktionsenthalpien sowie die molaren Wärmen in Tabellenwerken vorliegen, z. B. NIST JANAF (1993). Über die Kenntnis der jeweiligen Anteile dieser Einzelkomponenten kann man dann die gesamte Innere Energie des Gases berechnen. Dabei betrachtet man die Zylinderladung als ideale Mischung idealer Gase, für die die thermische Zustandsgleichung gilt ~ p i V ni R T . (9.98) Dabei ist pi : ni :

Partialdruck ½ ¾ der Komponente i Stoffmenge ¿

und die kalorische Zustandsgleichung ~ ~ h i h i ( pi , T ) . u~ i u~i (v~ i , T ) ,

414

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Für die gesamte Innere Energie der Zylinderladung erhält man damit den Ausdruck

¦ ni u~ i (v~i , T ) . k

U

i

(9.99)

1

Die einzige Schwierigkeit ist, dass die Anteile der einzelnen Komponenten über die chemischen Reaktionen bestimmt werden müssen. Dabei ist es zunächst unerheblich, welchen Kraftstoff man betrachtet und ob die Reaktion mit Luftüberschuss (überstöchiometrisch) oder mit Luftmangel (unterstöchiometrisch) abläuft. Der Einfachheit halber sei hier zunächst der stöchiometrische Betrieb dargestellt. Für 1 kmol eines beliebigen Kraftstoffs C x H y O z und unter der Annahme, dass die Verbrennungsluft zu 21 % aus Sauerstoff und zu 79 % aus Stickstoff besteht, ergeben sich folgende Stoffmengen

79 y z ·§ · § N2 ¸ Cx H yOz  ¨ x   ¸ ¨ O2  21 4 2 ¹© ¹ © , 79 § y y z· o x CO 2  H 2 O  ¨ x   ¸ N2 2 21 © 4 2¹

(9.100)

nCO 2

(9.101)

ª kmol CO 2 º x« », ¬ kmol Kst ¼

y ª kmol H 2 O º » und « 2 ¬ kmol Kst ¼

n H 2O n N2

y z · ª kmol N 2 º 79 § ¨x   ¸« ». 21 © 4 2 ¹ ¬ kmol Kst ¼

(9.102)

(9.103)

Das System kann auf dieser Basis beliebig komplex aufgebaut werden und den Wasseranteil der Luft ebenso berücksichtigen wie eine geänderte Zusammensetzung der Luft hinsichtlich der vorhandenen Edelgase. Beim Kraftstoff kann z. B. auch der Schwefelanteil in die chemische Reaktion eingehen. Bei überstöchiometrischem Betrieb muss zusätzlich zu den stöchiometrischen Verbrennungsgasen noch reine Luft berücksichtigt werden. Abhängig vom untersuchten Brennverfahren muss als weitere Komponente (z. B. während der Verdichtungsphase oder bei unterstöchiometrischem Betrieb) der verdampfte Kraftstoff berechnet werden. Dies ist vor allem beim Ottomotor der Fall, da definitionsgemäß bei der dieselmotorischen Verbrennung der Kraftstoff dem System meist erst dann zugeführt wird, wenn er gerade verbrennt. Obwohl bei den heutzutage verfügbaren Rechnerleistungen Polynomansätze gegenüber Tabellenwerten aus Datenbanken nicht mehr benötigt werden, finden diese aufgrund ihrer Übersichtlichkeit noch verbreitet Anwendung. Bei Heywood (1988) sind für die wichtigsten Spezies Polynomansätze angegeben. Diese beziehen sich auf die JANAF-Tabellen. Es gilt für die molare Enthalpie ~ hi

ai , 2 ai, 3 2 ai, 4 3 ai, 5 4 ai, 6 · ª kJ º § ¸ R T ¨¨ ai,1  T  T  T  T  ¸ «¬ kmol »¼ . 2 3 4 5 T ¹ ©

Für die molare Innere Energie ergibt sich ~ ~ u~ h  RT . i

i

(9.104)

(9.105)

300-1000

1000-5000

0,36748(+1) -0,12082(-2)

1000-5000

H

0,28963(+1)

300-1000

1000-5000

0,36256(+1) -0,18782(-2)

1000-5000

O

0,36220(+1)

300-1000

1000-5000

0,30574(+1)

1000-5000

NO

0,26765(-2)

0,31002(+1)

300-1000

0,13382(-2)

0,95932(-3)

0,15155(-2)

0,73618(-3)

0,14891(-2)

-0,52899(-6)

-0,19442(-6)

0,23240(-5)

-0,57235(-6)

0,70555(-5)

-0,19652(-6)

-0,58099(-5)

-0,57900(-6)

0,41521(-5)

-0,80224(-6)

0,25(+1)

0,0

0,0

0,25421(+1) -0,27551(-4) -0,31028(-8)

0,31890(+1)

0,29106(+1)

0,52644(-7)

0,37101(+1) -0,16191(-2) 0,51119(-3)

0,29841(+1)

1000-5000

1000-5000

0,36924(-5)

0,40701(+1) -0,11084(-2)

300-1000

0,29451(-2)

0,27168(+1)

1000-5000

-0,66071(-5)

0,87351(-2)

-0,12393(-5)

0,30982(-2)

0,24008(+1)

a i,3

0,44608(+1)

a i,2

300-1000

a i,1

1000-5000

OH

N2

O2

H2

CO

H2O

CO2

KompoTemp.nente bereich [K]

0,23953(-12)

-0,69354(-14)

0,80702(-12)

-0,48472(-14)

0,63274(-15)

-0,15526(-13)

a i,5

-0,18123(-11)

0,21556(-11)

0,14225(-15)

0,0

0,45511(-11) -0,43681(-15)

0,0

-0,90568(+3)

-0,10475(+4)

-0,12020(+4)

-0,98890(+3)

-0,87738(+3)

-0,14356(+5)

-0,14245(+5)

-0,30280(+5)

-0,29906(+5)

-0,48373(+5)

-0,48961(+5)

a i,6

0,61615(+1)

0,43053(+1)

0,36151(+1)

-0,22997(+1)

-0,19629(+1)

0,29555(+1)

0,63479(+1)

-0,32270(0)

0,66306(+1)

0,96951(+1)

-0,98636(0)

Molmasse

0,25472(+5)

0,29231(+5)

0,98283(+4)

0,39354(+4)

-0,46012(0)

0,49203(+1)

0,67458(+1)

0,54423(+1)

-0,22577(-12) -0,10612(+14) 0,23580(+1)

0,95919(-10) -0,64848(-14)

0,13757(-10)

-0,63218(-9)

0,99807(-10) -0,65224(-14)

-0,67635(-8)

0,36202(-10) -0,28946(-14)

0,55210(-8)

-0,34910(-10) 0,36945(-14)

-0,20320(-8)

0,10365(-9)

-0,29637(-8)

0,10227(-9)

0,20022(-8)

0,22741(-9)

a i,4

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell 415

Die Parameter sind in Tab. 9.6 für unterschiedliche Stoffe angegeben.

Tab. 9.6: Koeffizienten für die molare Enthalpie von Gasen nach Heywood (1988)

416

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Die spezifische Innere Energie erhält man durch Division mit der molaren Masse der jeweiligen Komponente u~ i . ui (9.106) Mi Für Kraftstoffdampf gibt es nach Heywood (1988) ebenfalls eine Beschreibung mittels Polynom-Ansätzen. Eine komponentenweise Betrachtung, wie bei den Gaskomponenten, gibt es bei den Kraftstoffen nicht. Dazu ist das Verdampfungsverhalten der einzelnen Komponenten zu komplex. Dennoch sind die meisten gebräuchlichen Kraftstoffe erfasst. Es gilt ~ hf

A A A § ¨ A f ,1 -  f , 2 - 2  f , 3 - 3  f , 4 - 4 ¨ 2 3 4 © A f ,5 · ª kJ º   A f , 6  A f , 8 ¸¸ 4186,6 « ». ¬ kmol ¼ ¹

(9.107)

Die Bezugstemperatur hierfür beträgt 273,15 K. Die molare Innere Energie und die spezifische Innere Energie ergibt sich ebenfalls zu ~ ~ u~ f hf  RT , (9.108) uf

u~ f M

.

(9.109)

f

Für die untersuchten Kraftstoffe sind die Parameter in Tab. 9.7 zu finden. Tab. 9.7: Koeffizienten für die molare Enthalpie von Kraftstoffen nach Heywood (1988) Kraftstoff

A f,1

A f,2

A f,3

A f,4

A f,5

A f,6

A f,8

Molmasse

Methan

-0,29149

26,327

-10,610

1,5656

0,16573

-18,331

4,3000

16,04

Propan

-1,4867

74,339

-39,065

8,0543

0,01219

-27,313

8,852

44,10

Hexan

-20,777

210,48

-164,125

52,832

0,56635

-39,836

15,611

86,18

Isooktan

-0,55313

181,62

-97,787

20,402

-0,03095

-60,751

20,232

114,2

Methanol

-2,7059

44,168

-27,501

7,2193

0,20299

-48,288

5,3375

32,04

Ethanol

6,990

39,741

-11,926

0

0

-60,214

7,6135

46,07

Normal

-24,078

256,63

-201,68

64,750

0,5808

-27,561

17,792

114,8

Super

-22,501

227,99

-177,26

56,048

0,4845

-17,578

15,235

106,4

Diesel

-9,1063

246,97

-143,74

32,329

0,0518

-50,128

23,514

148,6

An dieser Stelle sei kurz auf die Eigenschaften der Diesel- und Ottokraftstoffe eingegangen. Die Daten für den Molanteil des Kohlenstoffs x und des Wasserstoffs y sind Tab. 9.8 zu entnehmen. Aus der Molmasse des Kraftstoffes ergibt sich mit den entsprechenden Molanteilen von C und H ein Massenanteil c für Kohlenstoff und h für Wasserstoff für beide Kraftstoffe. Wie man leicht erkennen kann, liegen die beiden Massenanteile für beide Kraftstoffe sehr nahe beieinander.

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

417

Tab. 9.8: Eigenschaften von Diesel- und Ottokraftstoff Diesel

Otto (Super)

kmol /kmol Kst

kg /kg Kst

kmol /kmol Kst

kg /kg Kst

C

x = 10,8

c = 0,874

x = 7,76

c = 0,877

H

y = 18,7

h = 0,126

y = 13,1

h = 0,123

z=0

o=0

z=0

o=0

O Molmasse

148,3 kg Kst /kmol Kst

106,2 kg Kst /kmol Kst

Mindestluftbedarf

14,33

14,26

Unterer Heizwert

42.600 kJ /kg Kst

42.900 kJ /kg Kst

Die Molmasse des Kraftstoffes berechnet sich zu xMC 

M Kst

ª kg Kst º y z M H 2  M O2 « ». 2 2 ¬ kmol Kst ¼

(9.110)

Für die Sauerstoffbilanz ergibt sich nO2 , min

ª kg C º 1 ª kmol C º ª kmol O 2 º c« » »1« « » ¬ kg Kst ¼ M C ¬ kg C ¼ ¬ kmol C ¼

ª kg H 2 º 1 ª kmol H 2 º 1 ª kmol O 2 º  h« » » « « » ¬ kg Kst ¼ M H2 ¬ kg H 2 ¼ 2 ¬ kmol H 2 ¼

ª kg O 2 º 1 ª kmol O 2 º ª kmol O 2 º  o« « »1« ». » ¬ kg Kst ¼ M O2 ¬ kg O 2 ¼ ¬ kmol O 2 ¼

(9.111)

Mit dem Anteil von 21 % Sauerstoff in der Verbrennungsluft und der Molmasse für Luft von 28,85 kg/kmol ergibt sich der Mindestluftbedarf zu L min

n O 2 , min 0,21

M Luft .

(9.112)

Da bei unterstöchiometrischem Betrieb unvollständige Reaktionen ablaufen, wird zur Ermittlung dieser Komponenten das so genannte Wassergasgleichgewicht verwendet. Es beschreibt temperaturabhängig die Gleichgewichtskonstante der wichtigsten Reaktion ( CO2 , CO ) bei Luftmangel und Dissoziation p CO 2  H 2 m  o CO  H 2 O

K

Kp

p CO p H 2O . p CO 2 p H 2

(9.113) (9.114)

Für die Gleichgewichtskonstante können Werte zwischen 3,5 und 3,7 angesetzt werden, was etwa einer Verbrennungstemperatur von 1.800 K entspricht. „ Ansatz nach Justi

In den 30er Jahren wurden Untersuchungen durchgeführt, um die Innere Energie und die Enthalpie von Verbrennungsgasen über die Größen Temperatur, Druck und Gaszusam-

418

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

mensetzung zu beschreiben. Die Gaszusammensetzung wird dabei über das so genannte Verbrennungsluftverhältnis ausgedrückt. Zur Beschreibung der dieselmotorischen Verbrennungsgase ist diese Vorgehensweise solange korrekt, wie man sich im überstöchiometrischen Bereich ( O ! 1 ) bewegt. Die Zusammensetzung der Verbrennungsluft ist als konstant vorausgesetzt, ein unterschiedlicher Wassergehalt der Luft kann nicht berücksichtigt werden. Brennstoffgemische und Alternativkraftstoffe sind mit diesen Ansätzen nicht darzustellen. Die Beziehung gilt streng genommen nur für ein festgelegtes C-HVerhältnis. Dieses ist jedoch dem Diesel- und Ottokraftstoff sehr ähnlich. Die Dissoziation des Gases kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Unter Dissoziation versteht man die Änderung der ansonsten konstanten Gleichgewichtskonstanten von chemischen Reaktionen bei sehr hohen Temperaturen z. B. über 2.000 K. Da das Ein-Zonen-BrennraumModell in der Regel nur zur Berechnung des Zylinderdruckes und der kalorischen Mitteltemperatur und damit weiter für thermodynamische Größen wie Leistung, Wirkungsgrad und Wärmeströme verwendet wird, ist es meist völlig ausreichend, die Innere Energie als Funktion der Temperatur und des Luftverhältnisses darzustellen, wofür Justi (1938) folgende empirische Funktion angibt ª § 46,4 · ¸ (T  Tbez ) 10 2  0,1445 «1356,8  ¨¨ 489,6  0,93 ¸ O ¹ © ¬

u (T , O )

§ 3,36 · ¸ (T  Tbez ) 2 10 4   ¨¨ 7,768  0,8 ¸ O ¹ ©

(9.115)

º ª kJ º § 0,0485 · ¸¸ (T  Tbez ) 3 10 6 » in « » .  ¨¨ 0,0975  0,75 O © ¹ ¬ kg ¼ ¼

Es handelt sich um einen Polynomansatz, wobei für die Bezugstemperatur gilt Tbez 273,15 K . „ Ansatz nach Zacharias

Auch Zacharias (1966) schlägt einen Polynomansatz vor, berücksichtigt jedoch auch noch den Druck des Verbrennungsgases. Ansonsten gelten auch hierfür die obigen Einschränkungen der Beziehung nach Justi (1938) u (T , p, O )

r

R0

S

-

D ª « A S e - 2 §¨1  2 D ·¸  « -¹ © -2 ¬«

O 1

O

1 Lmin

~ R 28,89758  0,06021 r

¦ >FA(i) - @  1»» R T 6

i

i

0

º ¼»

0

ª kJ º in « » ¬ kmol ¼

(9.116)

(9.117)

(9.118)

p 0,980665

(9.119)

T 1.000 K

(9.120)

9.1 Ein-Zonen-Zylinder-Modell

A D

419

0,000277105  0,0000900711 r

(9.121)

0,008868  0,006131 r

FA (0) FA (1) FA (2) FA (3) FA (4) FA (5) FA (6)

(9.122)

3,514956  0,005026 r 0,131438  0,383504 r

0,477182  0,185214 r

 0,287367  0,0694862 r

(9.123)

0,0742561  0,016404110 r

 0,00916344  0,00204537 r

0,000439896  0,000101610 r

Trotz der vermeintlichen Genauigkeitssteigerung durch die Berücksichtigung des Druckes zur Bestimmung der Inneren Energie ergibt sich bei Verwendung der Gleichungen von Zacharias gerade aufgrund dieser Druckabhängigkeit die Notwendigkeit einer iterativen Berechnung der Inneren Energie, die wiederum Rechenzeit kostet. Die Abhängigkeit der Inneren Energie von der Temperatur und von der Gaszusammensetzung für den Ansatz nach Justi (1938) zeigt Abb. 9-16. Wählt man das Verbrennungsluftverhältnis sehr groß, erhält man die Kurven für reine Luft. 3500

spez. innere Energie [kJ/kg]

3000 l=1 2500

l=2 l=5

2000

l = 10000 1500 1000 500 500

1000

1500 2000 Temperatur [K]

2500

3000

Abb. 9-16: Innere Energie nach Justi (1938)

An dieser Stelle sei noch kurz auf die unterschiedlichen Arten der Darstellung der Zusammensetzung des Verbrennungsgases eingegangen. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen der dieselmotorischen und der ottomotorischen Modellvorstellung. Während bei der dieselmotorischen Modellvorstellung in der Regel der eingespritzte Kraftstoff keine Rolle spielt, da dieser proportional zum Brennverlauf dem Brennraum zugeführt wird, muss er bei der ottomotorischen Modellvorstellung aufgrund der Verdampfungswärme berücksichtigt werden. Die folgende Skizze zeigt die Zusammensetzung beim Dieselmotor. Es existieren nur die Zustände „Kraftstoff verbrannt“ sowie „Luft verbrannt“ und „Luft unverbrannt“, da beim Dieselmotor immer von einem überstöchiometrischen Betrieb ausgegangen wird.

420

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

mBr

mLuft

verbrannt

verbrannt

unverbrannt

l>1

Wird die Innere Energie über Ansätze nach Justi oder Zacharias beschrieben, müssen das totale Differential für die Innere Energie und das partielle Differential für die spezifische Innere Energie gebildet werden. Daraus folgt d(m u ) dt

dU dt

m

du dm u dt dt

§ wu dT wu dp wu dO · dm ¸¸  u   m ¨¨ . wO dt ¹ wp dt dt © wT dt

(9.124)

Die partiellen Differentiale sind anhand der Beziehungen nach Justi oder Zacharias zu berechnen. Das Verbrennungsluftverhältnis ist definiert zu

O

m Luft m Br Lmin

.

(9.125)

Die Änderung des Verbrennungsluftverhältnisses ergibt sich zu

dO dt

dmLuft § dmBr · ¸. ¨ mBr  mLuft ¨ dt dt ¸¹ Lmin ©

1 2 mBr

(9.126)

Die linke Seite des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik wird nach der Änderung der Temperatur aus (9.124) aufgelöst und integriert. Der Term dp dt kann aus der Zustandsgleichung für ideales Gas in differentieller Form berechnet werden V

dp dV  p dt dt

mR

dT dm dR  RT  mT . dt dt dt

(9.127)

Aufgrund der Tatsache, dass bei Zacharias auch die Gaskonstante von den Größen Temperatur, Druck und Verbrennungsluftverhältnis abhängt, entstehen bei vollständiger Differentiation von dR dt wiederum Terme mit dT dt und dp dt , weshalb ein iteratives Vorgehen oder ein Nullsetzen von Differentialen notwendig wird. xBr mBr

xLuft mLuft

xAbgas mAbgas

verbrannt l>1 xLuft + xAbgas + xBr = 1

verdampft

Beim Ottomotor unterteilt man ebenfalls drei Bereiche, wie obige Skizze zeigt. Als Anteile existieren hier jedoch stöchiometrisch verbranntes Abgas, Verbrennungsluft und verdampfter Kraftstoff. Es gilt

[ Abgas

m Abgas m ges.

; [ Luft

m Luft m ges.

; [ Br , verd .

m Br , verd . m ges.

,

(9.128)

9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

421

[ Abgas  [ Luft  [ Br, verd.

1.

(9.129)

Die gesamte Innere Energie berechnet sich aus den Einzelanteilen der Inneren Energien der drei Bereiche

U

u Abgas m Abgas  u Luft m Luft  u Br , verd . m Br , verd .

(9.130)

Das Differential der Inneren Energie ergibt sich zu d (u Abgas m Abgas )

dU dt

dt



d (u Luft m Luft ) dt



d (u Br, verd. m Br , verd . ) dt

.

(9.131)

Da es sich bei den Einzelanteilen um „reine“ Komponenten handelt, können die spezifischen Inneren Energien entweder durch klassische Polynomansätze oder komponentenweise berechnet werden. Für die Änderung der Massen der einzelnen Anteile ergibt sich dm Br , verbr. dt dm Br , verd . dt dm Luft



dQ Br 1 dt H u dm Br , verbr. dt dm Br , verbr.

dt dm Abgas

dt dm Br , verbr.

dt

dt



dm Br , verd ., neu dt

(9.132)

Lmin ( Lmin  1) .

Für den gemischansaugenden Ottomotor befindet sich der verdampfte Kraftstoff bereits im Zylinder. Beim direkteinspritzenden Ottomotor wird der Kraftstoff entweder während des Ladungswechsels oder während der Kompression eingespritzt und muss verdampfen.

9.2

Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

9.2.1

Modellierung des Hochdruckteiles nach Hohlbaum

Im Folgenden soll ein Zwei-Zonen-Modell aus der Klasse der nulldimensionalen Modelle etwas genauer betrachtet werden. Dieses Modell hat eine gewisse Bedeutung für die Berechnung der NO x -Bildung erlangt, wobei der Brennverlauf vorgegeben wird. Bei diesem Modell wird der Brennraum in zwei Zonen unterteilt, die man sich durch die Flammenfront getrennt vorzustellen hat. Strenggenommen stellt die Flammenfront selbst eine eigene Zone, nämlich die dritte dar. Weil aber für die Flammenfront einfache Annahmen für die Reaktionskinetik getroffen und keine Bilanzgleichungen gelöst werden, wird sie meist nicht als eigene Zone betrachtet und die Bezeichnung Zwei-Zonen-Modell hat sich deshalb eingebürgert. Eine ausführliche Beschreibung dieses Modells findet man bei Hohlbaum (1992) und bei Merker et al. (1993). Im Folgenden werden nur die wesentlichen Grundzüge dieses Modells erläutert. Der Grundgedanke des Modells ist in Abb. 9-17 schematisch dargestellt.

422

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

dQW1 Zone 1 unverbranntes Gemisch

Zone 1

Luftbereich Kraftstoffstrahlbereich Flammenfront Zone 2 verbranntes Gemisch

Realer Prozess

pdV1

Kraftstoff + Luft Luft Verbrennungsprodukte (OHC-GG.)

dQW2 Zone 2 OHC-System Zeldovich-Mechanismus pdV2 Ersatzmodell

Abb. 9-17: Zwei-Zonen-Modell für die dieselmotorische Verbrennung

Die Zone 1 enthält unverbranntes Gemisch, also Luft und Brennstoff, das im Folgenden auch als Unverbranntes bezeichnet und durch die Zustandsgrößen p, V1 , T1 , n1, i und O1 beschrieben wird. Zone 2 enthält verbranntes Gemisch, genaugenommen unvollständig oxidierten Brennstoff, und wird im Folgenden als Verbranntes bezeichnet und durch die Zustandsgrößen p, V 2 , T2 , n 2, i und O2 beschrieben. In Zone 2 findet die „sekundäre Oxidation“ statt. Dafür werden reaktionskinetische Modelle benötigt. In Zone 2 findet auch die thermische NOx-Bildung statt, die durch den Zeldovich-Mechanismus beschrieben wird, siehe Kapitel 6.5. Die Flammenfront trennt diese beiden Zonen. Sie wird als unendlich dünn und masselos angenommen. In der Flammenfront findet die „primäre Oxidation“ bis zum OHC-Gleichgewicht statt; d. h. die OHC-Komponenten 2 x , + x , O 2 , H 2 , H 2 O , CO, CO2 und 2 x H sind in der Flammenfront im chemischen Gleichgewicht. Durch die Bilanzierung der auftretenden Massen- und Energieströme erhält man Gleichungen für die Masse und die Energie in den beiden Zonen. Dabei gilt für die Massenbilanz in Zone 1 dm1

mit

dm B  dm1 F  dm12

(9.133)

dmB : eingespritzte Brennstoffmasse dm1 F : der Flammenfront zugeführte Masse (Brennstoff + Luft)

dm12 : an der Flammenfront „vorbei“ und „direkt“ der Zone 2 zugeführte Luftmasse (muss wegen O1 ! 1 auftreten), kann auch durch die Flammenfront gehen, allerdings ohne an den dort ablaufenden Reaktionen teilzunehmen und ohne Wärme aufzunehmen. Die Energiebilanz lässt sich schreiben als dU 1

dm B h B  dm1 F h1 F  dm12 h12  dQ1  p dV1 .

(9.134)

Analog gilt für die Massenbilanz der Zone 2 dm 2

dm F 2  dm12

(9.135)

9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

mit

423

dm F 2 : Komponenten des OHC-Gleichgewichts.

Der Energiesatz lautet: dU 2

dm F 2 h F 2  dm12 h12  dQ  p dV 2 .

(9.136)

Weil die Flammenfront als masselos angenommen wird, gilt ferner dm1 F

dm F .

dm F 2

(9.137)

Die spezifische Enthalpie der von der Flammenfront in Zone 2 transportierten Masse dm F 2 ist um die Reaktionsenthalpie ' R h größer als die von Zone 1 in die Flammenfront transportierte, also hF 2

h1 F  ' R h .

(9.138)

Die Terme dQ1 und dQ2 beschreiben die Energieverluste der beiden Zonen durch Wärmeübertragung infolge Strahlung und Konvektion an die brennraumbegrenzenden Wände. Die insgesamt übertragene Wärme

dQ

dQ1  dQ2

D A (TW  T ) dt

(9.139)

kann z. B. wieder mit dem Ansatz von Woschni berechnet werden, wobei T die kalorische Mitteltemperatur ist, die aus der Beziehung

(m1  m2 ) u (T )

m1 u1 (T1 )  m2 u 2 (T2 )

(9.140)

für die kalorische Mischung ermittelt werden kann. Zur Aufteilung der insgesamt übertragenen Wärme dQ in dQ1 und dQ2 benötigt man jedoch ein Modell, weil die Fläche der Flammenfront und damit die Größe der Oberfläche der beiden Zonen im Zwei-ZonenModell nicht definiert ist. Hohlbaum (1992) schlägt für diese Aufteilung die Beziehung dQ1 dQ 2

§ m1 ¨¨ © m2

· T1 ¸¸ ¹ T2 2

(9.141)

vor. Dieser Ansatz berücksichtigt einerseits, dass die Zone 2 des Verbrannten wegen der höheren Temperatur T2 mehr zum Gesamtwärmeverlust beiträgt als die Zone 1 des Unverbrannten. Andererseits berücksichtigt dieser Ansatz, dass zu Beginn der Verbrennung die Masse der Zone 2 und damit auch der Beitrag zur Wärmeübertragung gering ist. Abschließend muss noch der zeitliche Verlauf des Bypass-Luftmassenstroms m 12 festgelegt werden. Die als Mischungsstöchiometrie O* bezeichnete Größe ist definiert zu

O*

dm1 F , L  dm12 Lmin dm B,1 F

.

(9.142)

In Abb. 9-18 sind die Verläufe der Luftverhältnisse in der Flammenfront und in der Zone 2, O F und O2 , sowie die Mischungsstöchiometrie O* über dem Kurbelwinkel skizziert. Das Luftverhältnis O F in der Flammenfront wird als < 1 und zeitlich konstant, also O F z f (M ) , die Mischungsstöchiometrie dagegen als mit dem Kurbelwinkel linear zunehmend angenommen und zwar so, dass zu Beginn der Diffusionsverbrennung O* O F ist und sich am Ende der Diffusionsverbrennung die überschüssige Luft gerade vollständig mit dem Verbrannten in Zone 2 vermischt hat.

424

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Vormisch-Verbrennung Diffusions-Verbrennung l l*

l2 1

lF jBB

jBE

j

Abb. 9-18: Luftverhältnis für die Vormischund Diffusionsverbrennung

Insbesondere diese Annahme für die Mischungsstöchiometrie machen die Problematik dieser einfachen nulldimensionalen Modelle deutlich; die mangelnde Modelltiefe (fehlende Physik) muss durch mehr oder weniger willkürliche Annahmen ersetzt werden.

9.2.2

Modellierung des Hochdruckteiles nach Heider

Bei Heider (1996) wird ein weiterer Ansatz zur Berechnung der Zustände in beiden Zonen vorgestellt. Dabei wird zwischen zwei Zonen unterschieden. In Zone 1, die als Reaktionszone bezeichnet wird, findet die Energieumsetzung statt. In der Reaktionszone wird das Verbrennungsluftverhältnis O0 über das Arbeitsspiel als konstant angenommen. Die Masse in der Reaktionszone ist somit über den Brennverlauf eindeutig festgelegt. Die Zone 2 beschreibt das Unverbrannte und legt somit das restliche Volumen des Brennraumes fest. Es findet keine Verbrennung statt. Im Unterschied zum Modell von Hohlbaum werden bei Heider die Ergebnisse der Prozessrechnung des nulldimensionalen Ein-Zonen-Modells (vgl. Kapitel 9.1) zugrundegelegt. Diese können vorab mit der Arbeitsprozessrechnung berechnet werden. Dabei werden die Verläufe des Hubvolumens, des Drucks und der Massenmitteltemperatur sowie der Zylindermasse, des Verbrennungsluftverhältnisses, der Wärmefreisetzung (Brennverlauf) und der Wandwärmeverluste als bekannt vorausgesetzt. Als Verträglichkeitsbedingungen gelten folgende Annahmen

V1  V2

m1  m2 p1

p2

V (M ) ,

(9.143)

m (M ) ,

(9.144)

p (M ) .

(9.145)

Mit der Kenntnis des Verbrennungsluftverhältnisses O0 lässt sich die Masse in der Reaktionszone berechnen

O0

m L 1 (M )

L min m B (M )

const.

(9.146)

Für die Brennstoffmasse gilt bei bekanntem Brennverlauf und bei bekannter Restgasmasse, aus der wiederum der verbrannte Kraftstoff m B0 berechnet werden kann m B (M )

1 Hu

³

dQ B dM  m B 0 . dM

(9.147)

9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

425

Damit gilt für die Masse der Zone 1

m1 (M )

m L1 (M )  m B (M )

(O0 Lmin  1) m B (M ) .

(9.148)

Die ideale Zustandgleichung gilt für beide Zonen

p1 V1

m1 R1 T1

p 2 V2

m2 R2 T2

.

(9.149)

Es muss letztendlich bestimmt werden, welcher Anteil der in der Reaktionszone freigesetzten Energie auf die Zone 2 übertragen wird. Dies geschieht in der Modellvorstellung im Wesentlichen durch turbulente Vermischung und weniger über Strahlung und Konvektion. Dafür sind folgende Randbedingungen einzuhalten. Zu Beginn der Verbrennung ist die Temperaturdifferenz zwischen beiden Zonen infolge der hohen Temperaturdifferenz zwischen der Flamme und dem Unverbrannten maximal. Ferner ist diese Temperaturdifferenz von der Wärmefreisetzung durch die Verbrennung abhängig. Die turbulente Vermischung der beiden Zonen führt mit fortschreitender Verbrennung zu einer Abnahme der Temperatur in der Reaktionszone und zu einer Zunahme der Temperatur in der Zone mit Unverbranntem. Am Ende der Verbrennung geht die Temperaturdifferenz gegen Null, da die beiden Zonen dann vollständig durchmischt sind. Diese Überlegungen führen zu folgendem empirischen Ansatz für die Temperaturdifferenz zwischen den beiden Zonen T1 (M )  T2 (M )

B (M ) A* .

(9.150)

Für die Funktion B (M ) gilt M

B (M )

1

³ > p (M )  p0 (M )@m1 dM

M BB M AÖ

³ > p (M )  p0 (M )@m1 dM

.

(9.151)

M BB

Wie bei der Bestimmung des Wärmeübergangskoeffzienten nach Woschni (1970) wird auch hier die Differenz zwischen dem Zylinderdruck p (M ) und dem theoretischen Schleppdruck p0 (M ) zur Berücksichtigung des Verbrennungseinflusses verwendet. A* beschreibt das Temperaturniveau in der Reaktionszone zu Beginn der Verbrennung. Detailliertere Untersuchungen haben gezeigt, dass für unterschiedliche Motoren und Brennverfahren geringfügige Anpassungen beim A* -Wert und beim Verbrennungsluftverhältnis O0 nötig werden. Für kleine bis mittelgroße Dieselmotoren, die einen Einlassdrall besitzen, gilt

O0 A

*

1,0 , A

1,2  (O gl  1,2) 2,2 O0

C gl

.

(9.152)

A ist ein motorspezifischer Faktor, der für den jeweiligen Motor einmal ermittelt werden muss. Für C gl gilt

426

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

C gl

0,15

C gl

0,07

O gl

für Motoren mit 4-Ventil-Technologie und zentraler Einspritzdüse für Motoren mit 2-Ventiltechnologie und seitlicher Einspritzdüse beschreibt das globale Verbrennungsluftverhältnis

Für Großdieselmotoren ohne Einlassdrall gilt und

O0

1,03

O0

1,03  0,24

AGR 100

bei äußerer Abgasrückführung. Bei Großdieselmotoren kann der A* -Wert konstant angenommen werden A*

A

const.

Obwohl dieses Modell zunächst nur für den Dieselmotor entwickelt wurde, kann das Modell auch für Ottomotoren mit guten Ergebnissen eingesetzt werden. Dann gilt

O0

O gl und A*

100

const .

1-Zyl.-Versuchsmotor: A = 1595 K n = 1400 1/min, pme = 8 bar, jEB = 8 °KW v. ZOT pZyl 1

50 T0-dim Tzone

2

2000

0

Temperatur T [K]

Zylinderdruck pZyl [bar]

3000 Tzone

1000 300

360 420 Kurbelwinkel j [°KW]



Abb. 9-19: Temperaturverlauf in beiden Zonen nach Heider (1996)

Abb. 9-19 zeigt einen charakteristischen Temperaturverlauf für einen schnelllaufenden Dieselmotor mit ca. 4 l Einzelhubvolumen bei einer Drehzahl von 1.400 U/min und einer effektiven Last von 8 bar, wie er sich mit diesem Modell berechnen lässt. In untenstehender Tab. 9.9 sind typische A-Werte für unterschiedliche Motoren zusammengestellt. Trotz der offensichtlichen Empirie dieses Modells bietet es eine sehr gute Basis für die nachfolgend beschriebene Stickoxidberechnung. Zudem überzeugt es durch seine Einfachheit. Mit diesem Modell sind keine Annahmen über die Aufteilung der nur gesamtheitlich zu bestimmenden Wandwärmeverluste auf die beiden Zonen nötig. Die Bestimmung der Temperaturen in beiden Zonen kann über eine einfache empirische Funktion geschehen. Das Rechenmodell überzeugt durch sehr kurze Rechenzeiten.

9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

427

Tab. 9.9: Typische A-Werte Motor Bohrung [mm]

Hub [mm]

Takt

Verd.-Verh.

Nenndrehz. [U/min]

A-Wert [K]

79,5

95,5

4

19,5

4.000

1.650

128

142

4

16

2.100

1.740

160

180

4

14

1.500

1.580

480

600

4

14

450

1.650

580

1.700

2

17

127

1.655

Mit den in den vorhergehenden Abschnitten beschriebenen Zwei-Zonen-Modellen von Hohlbaum und Heider können die Stickoxidemissionen in der Zone der heißen Verbrennungsprodukte berechnet werden. Dazu verwendet man die Beschreibung durch den so genannten Zeldovich-Mechanismus, der in Kapitel 6.5.1 ausführlich beschrieben ist. Für den in Abb. 9-19 beschriebenen Betriebspunkt ist in Abb. 9-20 links der Verlauf der Temperatur in der heißen Zone nach Heider (1996) dargestellt. Über diesen Temperaturverlauf stellt sich eine NO-Bildungsrate und die NO-Konzentration im Brennraum ein. Man erkennt, dass die NO-Bildung sehr rasch abgeschlossen ist und nur eine geringe Rückreaktion stattfindet. Bei Heider werden für den Zeldovich-Mechanismus Reaktionskonstanten nach Pattas verwendet, die in Tab. 6.1 (Kapitel 6.5.1) zusammengestellt sind. Für diesen Motor ist bei einer Drehzahl von 1.500 U/min ein Vergleich zwischen Messung und Rechnung bei einer Einspritzzeitpunktsvariation angegeben (Abb. 9-20 rechts).

Abb. 9-20: Einfluss des Einspritzzeitpunktes auf die NO-Bildungsrate

Die Übereinstimmung ist hierbei sehr gut. Ebenso verhält es sich mit der Variation der Ladelufttemperatur (Abb. 9-21 links) und der Abgasrückführrate (Abb. 9-21 rechts), die einen massiven Einfluss auf die NO-Bildung besitzt. Man erkennt, dass diese sehr einfachen Modelle sehr wohl in der Lage sind, die Realität nicht nur tendenziell, sondern auch quantitativ richtig zu beschreiben. Dabei ist es jedoch

428

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

von entscheidender Bedeutung, die Wärmefreisetzung im Zylinder (Brennverlauf) exakt zu beschreiben. Ergebnisse transienter Berechnungen der Stickoxidemissionen an einem schnelllaufenden Pkw-Dieselmotor mit vorausberechneten Brennverläufen sind in Kapitel 12.4 zu finden.

Abb. 9-21: Einfluss der Ladelufttemperatur (links) und der Abgasrückführrate (rechts) auf die NO-Bildungsrate

9.2.3

Modellierung des Ladungswechsels beim 2-Takt-Motor

Die Ladungswechselrechnung für den 2-Takt-Motor gestaltet sich wesentlich schwieriger als für den 4-Takt-Motor, da zum einen für den Ladungswechsel nur ein sehr kleiner Zeitanteil zur Verfügung steht und zum anderen das in den Zylinder einströmende Frischgas das im Zylinder befindliche Abgas verdrängen muss, ohne sich mit diesem zu vermischen. In der Literatur ist eine Vielzahl von Modellen für umkehrgespülte oder schleifengespülte sowie für längsgespülte 2-Takt-Motoren zu finden. Es handelt sich dabei um Zwei- bzw. Drei-Zonen-Modelle. Unterschieden wird dabei zwischen Zonen, in denen sich Frischgas, eine Mischung aus Abgas und Frischgas oder reines Abgas befinden. Eine genauere Aufstellung und Bewertung dieser Modelle ist bei Merker und Gerstle (1997) zu finden. Das hier beschriebene Modell geht von einem Zwei-Zonenansatz aus. Da sich während des Ladungswechsels praktisch zwei Komponenten – Frischgas und Abgas – im Zylinder befinden, muss dieser Tatsache durch zwei Zonen Rechnung getragen werden. An dieser Stelle soll nur auf die wesentlichen Eigenschaften und beschreibenden Gleichungen der beiden Zonen und auf ihre Interaktion eingegangen werden. Bei der Modellierung wird die heutzutage übliche Verdrängungsspülung mit untenliegenden Einlassschlitzen und einem obenliegenden Auslassventil zugrunde gelegt. Abb. 9-22 zeigt ein Schema für das Zwei-Zonen-Modell für die Ladungswechselrechnung beim 2-Takt-Motor, bei dem die Gasmasse im Zylinder quasi durch eine unendlich dünne, undurchlässige aber verschiebbare horizontale Membran aufgeteilt wird. Ein Austausch von Gas zwischen den Zonen ist also im Gegensatz zum Modell von Streit und Bormann (1971) nicht möglich.

9.2 Zwei-Zonen-Zylinder-Modell

Zu Beginn des Ladungswechsels bei „Auslass öffnet“ – also nach der Verbrennung und Expansion – liegt im Zylinder ein homogenes Gemisch vor. Die im Zylinder befindliche Abgasmasse wird bei „Auslass öffnet“ in eine Verdrängungsund in eine Mischungszone über einen die Ladungswechseleigenschaften des Motors charakterisierenden so genannten Spülfaktor aufgeteilt. Dieser Spülfaktor kann Werte von 0 bis 1 annehmen.

A Zone 2 Verdrängung Zone 1 E

Mischung

429

Abb. 9-22: Zwei-Zonen-Modell für die Ladungswechselrechnung beim 2-Takt-Motor

Ein Spülfaktor von 0 legt eine reine Mischungsspülung fest, deren Erfolg aufgrund der ständigen idealen Vermischung von Frischgas und Abgas jedoch als sehr schlecht einzustufen ist. Ein Spülfaktor von 1 beschreibt die reine Verdrängungsspülung, bei der sich bis zum Ende des Ladungswechsels beide Zonen nicht vermischen können. In diesem Fall besitzt die Mischungszone zu Beginn der Berechnung keine Masse, weshalb sich nach dem Beginn des Einströmvorganges nur reines Frischgas darin befindet. Die Mischungszone enthält zu Beginn des Ladungswechsels bei Spülfaktoren kleiner als 1 reines Abgas, das jedoch während des Ladungswechsels mit dem Frischgas vermischt wird. Es wird immer eine ideale Mischung für diese Zone – wie beim gesamten Ladungswechsel des 4Takt-Motors auch – angenommen. Die Verdrängungszone wird beim Ladungswechsel ohne Vermischung mit dem durch das Einlasssteuerorgan einströmenden Frischgas als erste Zone durch das Auslassventil ausgeschoben. Die Gaszusammensetzung entspricht somit zu jedem Zeitpunkt der Zusammensetzung des Abgases. Je nach den anliegenden Spülgefälleverläufen kann die Verdrängungszone nur zu einem Teil oder komplett ausgeschoben werden. Zusätzlich kann auch noch ein Teil der Mischungszone ausgeschoben werden. Gegen Ende des Ladungswechsels müssen beide Zonen, sofern sie noch vorhanden und noch nicht vollständig ausgeschoben sind, wieder in einen homogenen gemischten Zustand übergeführt werden. Die beschreibenden Gleichungen des Zwei-ZonenModells für den Ladungswechsel des 2-Takt-Motors sind im Folgenden dargestellt, wobei für die Mischungszone der Index 1 und für die Verdrängungszone der Index 2 verwendet wird. Ist die Masse der Verdrängungszone vollständig ausgeschoben und damit nur noch die Mischungszone vorhanden, wird diese wie beim 4-Takt-Motor behandelt. Eine Aufteilung von Massen- oder Wärmeströmen auf die einzelnen Zonen ist dann nicht mehr nötig. Die Aufteilung der Zylindermasse bei „Auslass öffnet“ beschreibt nachfolgende Gleichung

m1

m (1  SF ), m2

m SF .

(9.153)

Für die beiden Zonen gelten einige grundlegende Koppelbedingungen, die zu jedem Zeitschritt eingehalten werden müssen

m1  m2

V1  V2 p1

p2

m, V, p

(9.154)

m1 R1 T1  m2 R2 T2 . V

(9.155) (9.156)

430

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Die Massenbilanz für die beiden Zonen lautet dm1 dM

dm E dM

(9.157)

dm 2 dM

dm A dM

(9.158)

Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik für beide Zonen ergibt sich dU 1 dM

dQW ,1 dW1 dH E und   dM dM dM

(9.159)

dU 2 dM

dQW , 2 dW 2 dH A .   dM dM dM

(9.160)

Der Enthalpiestrom durch die Ventile wird – wie beim 4-Takt-Motor – je nach Strömungsrichtung aus dem Produkt des Massenstromes durch das Ventil und der spezifischen Enthalpie des in Strömungsrichtung vor dem Ventil befindlichen Gases gebildet. Durch die horizontale Teilung des Systems kann der Wandwärmestrom des Kolbens der Mischungszone und der Wandwärmestrom des Zylinderdeckels der Verdrängungszone zugeordnet werden. Der Wandwärmestrom wird entsprechend der Lage der gedachten Membran – also volumenanteilig – auf die beiden Zonen aufgeteilt. Damit stehen alle das Zwei-Zonen-Modell beschreibenden Gleichungen zur Verfügung. Beim Schließen des letzten Steuerorgans können, sofern nicht schon zu einem früheren Grad Kurbelwinkelschritt nach dem vollständigen Ausschieben einer Zone auf die Ein-Zonenbetrachtung umgeschaltet wurde, die beiden Zonen für den folgenden Hochdruckteil wieder ideal vermischt werden. Für die Mischungstemperatur im Zylinder gilt dann T

9.3

cV ,1 m1 T1  cV , 2 m 2 T2 cV ,1 m1  cV , 2 m 2

.

(9.161)

Modellierung des Gaspfades

Um ein komplettes Motormodell aufbauen zu können, benötigt man für eine Beschreibung mit der Füll- und Entleermethode neben dem Zylinder noch weitere Bauteile wie z. B. Behälter, Blenden oder Drosseln sowie Strömungsmaschinen bei aufgeladenen Motoren. Eine genaue Beschreibung dieser Bauteile ist in den folgenden Abschnitten zu finden.

9.3.1

Modellierung peripherer Komponenten

„ Behälter

Ein Behälter (Sammlervolumen etc.) wird meist als zylindrischer Körper modelliert. Ein derartiges Modell ist in der nebenstehenden Skizze dargestellt.

dmzu hzu

p, V, T, m l, xL, xB, xA

dmab hab

TW dQW

9.3 Modellierung des Gaspfades

431

Die Querschnittsfläche des Behälters und das Behältervolumen ergeben sich damit zu

ABeh

2 d Beh

S

und

V Beh

2 l Beh d Beh

S

. (9.162) 4 4 Aus thermodynamischer Sicht handelt es sich dabei um ein offenes stationär durchströmtes System. Als Massenbilanz ergibt sich dm Beh dm zu dmab .  dt dt dt Weiterhin gilt für die Energiebilanz des Behälters dU dt

(9.163)

dQW dm zu dm ab .  h zu  hab dt dt dt

(9.164)

Die Innere Energie kann über die bereits bei der Beschreibung des Zylinders eingeführten Zusammenhänge berechnet werden (vgl. Kapitel 9.1.6). Der Wärmeübergang wird mit der Newton’schen Gleichung (vgl. (9.8)) berechnet, wobei als Wärmeübergangskoeffizient unter der Voraussetzung einer turbulenten Rohrströmung die Beziehung nach Hausen (1976) verwendet werden kann. Es gilt

D

ª

O Beh «

§ d Beh 0,024 «1  ¨¨ d Beh « © l Beh ¬

2º · 3 » 0,786 0, 45 ¸ » Re . Pr ¸ ¹ » ¼

(9.165)

Die Prandtl-Zahl wird zu 0,731 gesetzt. Für die Reynoldszahl und die Viskosität gelten Re

m Mittel d Beh ; m Mittel ABeh K

m zu  m ab 2

; K

5,17791 ˜10 7 T 0,62 .

(9.166)

Die Wärmeleitfähigkeit ergibt sich nach Woschni zu

O Beh

3,65182 ˜10 4 T 0,748 .

(9.167)

Damit ist es möglich, die Zustände für ein Leitungsvolumen zu berechnen, das zwischen zwei aufeinanderfolgende Drosselstellen geschaltet wird. „ Blende (Drossel)

Zur Simulation von Umschaltklappen, Drosselklappen, Umblaseklappen, AGR-Ventilen oder Wastegates bei aufgeladenen Motoren benötigt man Blenden mit konstanten oder variablen Querschnittsflächen. Die Modellierung dieser Bauteile ist identisch mit der Modellierung einer Drosselstelle an den Ventilen des Zylinderkopfes. Auch hierfür wird die so genannte Durchflussgleichung verwendet. Für den Massenstrom durch eine Blende gilt (vgl. (3.33) und (3.34)) m

D A1

p0 U 0

N 1 · § 2 2N ¨ N N ¸.  S S ¸ N  1 ¨¨ ¸ © ¹

(9.168)

Hierbei ist ebenfalls zu beachten, dass bei Erreichen des kritischen Druckverhältnisses der Massenstrom, wie in (3.40) dargestellt, begrenzt wird. Die Durchflussbeiwerte werden abhängig vom Öffnungsgrad der Blende in Form von Kennlinien in einem Kennfeld abgelegt.

432

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

„ Strömungsmaschinen

Für die Darstellung der Strömungsmaschinen (Verdichter- bzw. Turbine) bei aufgeladenen Motoren ist auch für instationäre Vorgänge eine Betrachtung über Kennfelder möglich und ausreichend. Aufgrund der Komplexität der Darstellung dieser Aggregate wird in Kapitel 8 gesondert darauf eingegangen.

9.3.2

Modellbildung

Abb. 9-23 zeigt ein einfaches Beispiel zur Modellierung des Gaspfades eines Verbrennungsmotors. Das Modell muss prinzipiell so aufgebaut sein, dass nach einem „Speicherbaustein“ ein „Drosselbaustein“ folgt und danach wieder ein Speicherbaustein usw. Im Speicherbaustein (z. B. Behälter) werden die Differentialgleichungen für die Massen- und Energiebilanz gelöst. Daraus resultieren die für den aktuellen Integrationsschritt ermittelte Masse sowie die Temperatur und über die allgemeine Gasgleichung der Druck im Speicherbaustein. Als Eingangsgrößen zur Berechnung der Massen- und Energiebilanz sind die über die Systemgrenze ein- bzw. austretenden Massen- und Enthalpieströme notwendig. Diese können in den Drosselbausteinen unter Vorgabe der in den vor und nach der Drosselstelle liegenden Speicherbausteinen im vorangegangen Integrationsschritt ermittelten Temperaturen und Drücke berechnet werden. Bei einer Blende geschieht die Berechnung des Massenstromes beispielsweise über die Durchflussgleichung. Der Enthalpiestrom wird mit der Kenntnis der Gaszustände (Spez. Enthalpie) des in der aktuellen Strömungsrichtung vor der Drosselstelle liegenden Speicherbausteines bestimmt. Abb. 9-24 zeigt diesen sich ständig wiederholenden Vorgang. D

B

D

B

D

B

D

B

D

B

Ei

nl

U m au ge f L bu Ro uf ng hr A tfi vo u L lu sla u lter m u ftf en f L ilt bi uf er s V tfi Ro er lte hr vo V dic r lu er hte m di r en ch bi ter sL LK L Sa LK m m le r Zy lin de r

B

p1, T1 p2, T2 B1

D1

B2

Abb. 9-23: Einfaches Modell des Gaspfades nach der Füllund Entleermethode

p3, T3

D2 . . m2, h2 m2, h2

M a En ssen er - u D gi n ur eb d ch ila flu nz ss gl ei ch un M g as En sen er - u D gi n ur eb d ch ila flu nz ss gl ei ch un g

. . m1, h1 m1, h1

p2, T2

D

Abb. 9-24: Ablauf der Berechnung bei der Füll- und Entleermethode

Eine Sonderstellung nimmt der Zylinder ein, bei dem die Berechnung der Massen- und Enthalpieströme durch die Ventile meist integriert ist. Insofern stellt der Zylinder für die Verschaltung im Modell eine Drosselstelle dar, obwohl – wie in Kapitel 9.1 dargestellt – die Massen- und Energiebilanz gelöst wird und das Brennraumvolumen selbst natürlich ein Massen- und Energiespeicher ist.

9.3 Modellierung des Gaspfades

433

Eine weitere Sonderstellung bei der Modellierung nehmen die Strömungsmaschinen ein. Während man die Strömungsturbine als Drosselstelle mit Energieabgabe bezeichnen kann, bewirkt der Strömungsverdichter normalerweise einen Druckaufbau. Durch die Verwendung von Kennfeldern zur Beschreibung des Betriebsverhaltens, die wiederum von den Drücken und Temperaturen vor und nach dem Verdichter abhängig sind (siehe Kapitel 4) spielt dies für die oben beschriebene Modellbildung jedoch keine Rolle.

9.3.3

Integrationsverfahren

Als völlig ausreichendes Verfahren zur Lösung der Differentialgleichungen von Masse und Energie in den in diesem Abschnitt beschriebenen Modulen hat sich das so genannte Runge-Kutta-Verfahren 4. Ordnung gezeigt. T

dT

T

æ dT ö ç ÷ è dj ø 3

dj æ dT ö ç ÷ è dj ø 0

æ dT ö ç ÷ è dj ø 2 æ dT ö ç ÷ è dj ø1

T0

j0

Dj /2 Dj

Dj /2

j

Abb. 9-25: Integration nach dem Runge-KuttaVerfahren 4. Ordnung

Der aktuelle Integrationszeitschritt wird halbiert und es werden – wie in Abb. 9-25 dargestellt – vier Gradienten ermittelt, die abschließend unterschiedlich gewichtet werden. Diese Zusammenhänge sind in (9.169) dargestellt

§ dT · ¨ ¸ © dI ¹0

T1 § dT · ¨ ¸ © dI ¹1 T3 § dT · ¨ ¸ © dI ¹2 T2 § dT · ¨ ¸ © dI ¹3

f T0 , I0

§ dT · 'I T0  ¨ ¸ © dI ¹0 2

'I · § f ¨ T1 , I0  2 ¸¹ ©

§ dT · 'I T0  ¨ ¸ © dI ¹1 2

'I · § f ¨ T2 , I0  2 ¸¹ ©

§ dT · T0  ¨ ¸ 'I © dI ¹2 f T3 , I0  'I

434

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

dT dM T

§ dT · ·¸ § dT · § dT · 1 §¨ § dT · ¸¸ ¸¸  ¨¨ ¸¸  2 ¨¨ ¸¸  2 ¨¨ ¨¨ 6 ¨© © dM ¹ 0 © dM ¹ 2 © dM ¹ 3 ¸¹ © dM ¹1

dT T0  'M . dM

(9.169)

Damit unterscheidet sich das Runge-Kutta-Verfahren von einfachen Verfahren wie z. B. dem Euler-Cauchy-Verfahren, bei dem nur ein Gradient gebildet wird und das Integral somit prinzipbedingt der Realität nachläuft. Man findet in der Literatur noch eine Vielzahl anderer Integrationsverfahren, jedoch sind diese meist komplexer und nicht so leicht zu handhaben wie das Runge-Kutta-Verfahren.

9.4

Gasdynamik

9.4.1

Grundgleichungen der eindimensionalen Gasdynamik

Prinzipiell können die Grundgleichungen, die die eindimensionale Strömung beschreiben, aus den in Kapitel 14.1 vorgestellten Navier-Stokes-Gleichungen durch Beschränkungen auf eine Dimension und unter Vernachlässigung der Schwerkraft abgeleitet werden. An dieser Stelle soll jedoch eine einfache und anschauliche „Herleitung“ gegeben werden. Wir betrachten dazu den in Abb. 9-26 skizzierten Kanalabschnitt mit veränderlichem Querschnitt entlang der x-Koordinate.

¶r dx ¶x p + ¶p dx ¶x ¶w w+ dx ¶x A + ¶A dx ¶x r+

r p w A

FR

q dx

Abb. 9-26: Kanalabschnitt mit veränderlichem Querschnitt

Es wird angenommen, dass die Querschnittsänderung des Kanals über der Länge dx klein ist, so dass nur Abhängigkeiten von der x-Koordinate und der Zeit zu berücksichtigen sind. „ Massenbilanz

Der Kanalabschnitt mit dem Volumen dV und einem Medium mit der Dichte U enthält die Masse

dm

U x dV

U x Ax dx .

Ux

(9.170)

Durch die Querschnitte Ax und Ax  dx strömt das Medium mit einer Geschwindigkeit von w x ein und mit einer Geschwindigkeit von w x  dx aus. Für die Massenströme gilt somit (9.171) m x wx U x Ax ,

m x  dx

w x  dx U x  dx Ax  dx .

(9.172)

9.4 Gasdynamik

435

Die Massenbilanz für den Kanalabschnitt der Länge dx lautet dann

wm wt

m x  m x  dx ,

(9.173)

w (9.174) ( U x Ax dx) w x U x Ax  w x  dx U x  dx Ax  dx . wt Mit der Taylorreihenentwicklung der Zustandsgrößen an der Stelle x  dx erhält man wU x dx wt

ww x · § wU x · § wAx · 1 § . wx U x  ¨ wx  dx ¸ ¨ U x  dx ¸ ¨ Ax  dx ¸ wx wx wx © ¹© ¹© ¹ Ax

(9.175)

Durch Multiplikation und Vernachlässigung der Terme höherer Ordnung folgt daraus die Kontinuitätsgleichung

wU wt

bzw.



w ( U w) d ln ( A)  Uw wx dx

d ln ( A) wU wU ww w U  Uw wt wx dx wx

0.

(9.176)

Der Index x kann dabei aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen werden. „ Impulserhaltungssatz

Die Änderung des Impulses I innerhalb des betrachteten Kanalabschnittes über der Zeit ist gleich der Summe der durch den Massenstrom an seinen Querschnitten bewirkten Impulsströme und der äußeren Kräfte, die auf die Masse wirken. Der Impuls ist definiert zu I m wx U x Ax dx wx . (9.177) Für die Impulsströme gilt Ix wx wx U x Ax bzw.

I x  dx

w x  dx w x  dx U x  dx Ax  dx .

(9.178) (9.179)

Die äußeren Kräften setzen sich zusammen aus den Druckkräften Fx , die sich durch die unterschiedlichen Querschnittsflächen ergeben, und den Reibungskräften FR des Fluids an der Kanal-Innenwand,

Fx

p x Ax ,

(9.180)

k R U x Ax dx .

(9.181)

Fx  dx

FR

p x  dx Ax  dx ,

Damit folgt für die Impulsbilanz w ( w x U x Ax dx ) w x2 U x Ax  w x2  dx U x  dx Ax  dx  p x Ax wt  p x  d x A x  dx  k R U x A x d x .

(9.182)

(9.183)

436

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Mit der Taylorreihenentwicklung analog zur Massenbilanz ergibt sich w ( U w) wt



w ( U w 2  p) w ln ( A)  U w2  U kR wx wx

bzw. nach Umformen und unter Berücksichtigung der Massenbilanz (9.173)

ww ww 1 wp w   kR U wx wt wx

0.

(9.184)

Der Rohrreibungskoeffizient k R bestimmt sich mit der Rohrreibungszahl O R und dem Rohrinnendurchmesser d abhängig von der Dichte des Mediums U und dessen Geschwindigkeit w zu

kR

OR d

U

w2 w . 2 w

(9.185)

Die Rohrreibungszahl wird abhängig vom Strömungszustand und der Wandrauhigkeit (hier hydraulisch glatte Rohre) mit Hilfe der Gleichungen von Blasius und Nikuradse oder nach Prandtl (implizite Gleichung) bestimmt, siehe Beitz und Grote (1997). 0,3164 OR für 2.320  Re  10 5 (Blasius) (9.186) 4 Re

OR

OR

0,0032 

0,221 Re 0,237

1

ª § Re O R «2 lg¨ « ¨© 2,51 ¬

·º ¸» ¸» ¹¼

2

für 10 5  Re  10 8

(Nikuradse)

für 2.320  Re

(Prandtl)

(9.187)

(9.188)

„ Energieerhaltungssatz

Auf der Grundlage des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik ist die Änderung der Energie in dem betrachteten Kanalabschnitt über der Zeit gleich der Summe der über die Querschnittsflächen ein- bzw. austretenden Energieströme und dem von außen zu- bzw. abgeführten Wärmestrom. Für die Energie und die Energieströme gilt E

E x

§ w2 · m ¨ux  x ¸ ¨ 2 ¸¹ ©

§

U x A x dx ¨ u x 

§ w2 · w x U x Ax ¨ h x  x ¸ , ¨ 2 ¸¹ ©

¨ ©

w x2 2

· ¸, ¸ ¹

§ w x2  dx w x  dx U x  dx Ax  dx ¨¨ h x  dx  2 ¨ ©

E x  dx

Der Wärmestrom berechnet sich zu Q q A dx . x

(9.189)

(9.190) · ¸. ¸¸ ¹

(9.191)

(9.192)

9.4 Gasdynamik

437

Somit folgt für die Energiebilanz

§ w 2 ·º w ª « U x Ax dx ¨ u x  x ¸» ¨ 2 ¸¹» wt « © ¬ ¼

§ w2 · w x U x Ax ¨ h x  x ¸  ¨ 2 ¸¹ ©

 w x  dx U x  dx

§ w x2  dx Ax  dx ¨¨ h x  2 ©

· ¸  q A dx . x ¸ ¹

(9.193)

In eine Taylorreihe entwickelt, erhält man nach kurzer Umformung w ª §¨ w 2 ·¸º » «U u  2 ¸¹» wt « ¨© ¼ ¬

ª § w 2 ·¸º » w «w U ¨ h  ¨ 2 2 ¸¹» «¬ © ¼  w U §¨ h  w ·¸ w ln ( A)  q .  ¨ 2 ¸¹ wx wx ©

(9.194)

Setzt man die Massen- und Impulsbilanz ((9.175) und (9.183)) ein und formt weiter um, ergibt sich

wh wh 1 § wp wp · q w  ¨  w ¸   wkR wt wx U © wt wx ¹ U

0.

(9.195)

Der Wärmeübergang im Rohr berechnet sich mit Hilfe des Newton’schen Ansatzes Q q D W (TW  TGas ) . (9.196) AU In (9.197) ist ein halbempirischer, auf der Prandtlanalogie basierender Ansatz von Gnielinski, siehe Stephan (1993), für die mittlere Nußelt-Zahl abhängig von den jeweiligen Gültigkeitsbereichen der Prandtl- und Reynoldszahl dargestellt. Die Prandtl-Analogie geht von einem Zweischichtenmodell aus, das die Strömung in eine laminare Grenzschicht und eine turbulente Kernströmung untergliedert, die sich direkt der laminaren Unterschicht anschließt. Es wird angenommen, dass in der vollturbulenten Strömung Geschwindigkeits-, Temperatur- und Konzentrationsprofil nur von der Wandnormalenkoordinate abhängen, während in der laminaren Grenzschicht die Gesamtwerte von Schubspannung, Wärme und Diffusionsstromdichte unabhängig von der Wandnormalen sind. Dieser Ansatz wird für Bauteile wie z. B. Ladeluftkühler oder Abgaskrümmer verwendet, in denen der Wärmeübergang eine wesentliche Rolle spielt

Re  1.000 Pr

2/3 ª §d· º «1  ¨ ¸ » . 8 1  (Pr 2 / 3  1) 12,7 O r / 8 « © l ¹ »¼ ¬

O

Nu m , turb

r

(9.197)

Gleichung (9.197) gilt im Bereich 2.300 d Re d 5 10 5 , 0,5 d Pr d 2.000 und l / d ! 1 . Aus der Definition der Nußelt-Zahl (vgl. Gl. 9.11) ergibt sich der Wärmeübergangskoeffizient zu

Dw

Re  1.000 Pr

2/3 ª §d· º «1  ¨ ¸ » . d 8 1  (Pr 2 / 3  1) 12,7 O r / 8 « © l ¹ »¼ ¬

OO

r

(9.198)

438

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Die Bestimmung des Wärmeübergangs für Re  2.300 erfolgt durch eine quadratisch Mittelung der Ansätze für die turbulente (9.197) und die laminare Nußelt-Zahl (9.199) nach (9.200) Nu lam Nu m

9.4.2

1 0,664 Re 2

1 Pr 3

(9.199)

,

2 Nu 2m, turb  Nu lam .

(9.200)

Numerische Lösungsverfahren

Im vorigen Abschnitt wurden Gleichungen hergeleitet, die die eindimensionale Gasdynamik beschreiben. Es handelt sich um ein partielles Differentialgleichungssystem, das analytisch nicht lösbar ist. Aus diesem Grunde wurden eine Vielzahl von graphischen und numerischen Lösungsverfahren entwickelt, von denen sich auch vor dem Hintergrund der sich stetig weiterentwickelnden Rechenleistung von Computern die numerische Lösung in Form von Finiten Differenzen durchgesetzt hat, da diese die nötige Flexibilität und Genauigkeit bieten. Dabei erfolgt eine Diskretisierung des Ortes mit einer Approximation der örtlichen Gradienten. Dies ermöglicht die Transformation des partiellen Differentialgleichungssystems in eine Reihe gewöhnlicher Differentialgleichungen. Dieses Verfahren soll im Anschluss etwas näher beschrieben werden. „ Einstufiges Lax-Wendroff-Verfahren

Das Lax-Wendroff-Verfahren bietet die Möglichkeit, die Gasdynamik in Rohren unter Anwendung der Finiten Differenzen zu beschreiben. Zuerst werden die Erhaltungsgleichungen in eine Form gebracht, die der in (9.201) dargestellten Vektorform entspricht wG ( x, t ) wF ( x, t )  wx wt

 C ( x, t ) .

(9.201)

Die Vektoren G ( x, t ) , F ( x, t ) und C ( x, t ) sind aus den Erhaltungssätzen für Masse, Impuls und Energie leicht abzuleiten, G x, t

C x, t

ª « U « « Uw « w2 « §¨  u U « ¨ 2 ¬« ©

º » » », » ·» ¸ ¸» ¹¼»

ª « Uw « « U w2 « § w2 « ¨ «w U ¨ h  2 «¬ ©

F x, t

ª « Uw « « U w2  p « 2 § « ¨h  w w U « ¨ 2 © ¬«

º » ª 0 º » » d ln A  « U k » . « R» » dx ·» «¬  q »¼ ¸ ¸» ¹»¼

º » » » » ·» ¸ ¸» ¹¼»

und

(9.202)

Im Weiteren wird aus Gründen einer besseren Übersichtlichkeit für wG ( x, t ) wt der Ausdruck Gt x, t und für wF x, t wx der Ausdruck Fx x, t verwendet.

9.4 Gasdynamik

439

Im nächsten Schritt wird die Taylorreihe der Funktion G x, t um den Punkt ( x, t  't ) entwickelt und eine Ortsdiskretisierung durchgeführt. Daraus ergibt sich folgende Gleichung G ( x i , t  't )

G ( x i , t )  't G t ( x i , t )  O ( 't 2 ) .

Anschließend wird Gt x, t mit (9.203) substituiert und es erfolgt die Bildung des örtlichen Gradienten mit den Zentralen Differenzen. Mit der Näherung G ( xi , t j ) |

>

1 G ( xi  1 , t j )  G ( xi  1 , t j ) 2

>

(9.203)

@

(9.204)

@

erhält man schließlich die Gleichung des 1-stufigen Lax-Wendroff-Verfahrens G ( xi , t j  1 )

1 G ( xi  1 , t j )  G ( xi  1 , t j )  2 't F ( xi  1 , t j )  F ( xi  1 , t j )  't C ( xi , t j ) .  2 'x

>

@

(9.205)

In Abb. 9-27 lässt sich die Vorgehensweise zur Zustandsbestimmung der einzelnen Rohrinnenknoten erkennen. Der Zustand des Knotens am Ort i zur Zeit j ist bekannt, ebenso die Zustände an den Orten i  1 und i  1 zur Zeit j . Aus den Zuständen i  1 und i  1 zur Zeit j kann man mit Hilfe der vorher beschriebenen Gleichungen den Zustand des Knotens am Ort i zur Zeit j  1 bestimmen. Allerdings lassen sich mit dieser Methode die Zustände an den Rohraußenknoten nicht bestimmen, da zwar die Zustände an den Orten i  1 und i zur Zeit j bekannt sind, aber nicht der Zustand am Ort i  2 . Dies muss dann über die Rohr-Rand-Koppelung erfolgen, auf die in Kapitel 9.4.3 näher eingegangen wird. Zeit j+1

?

j j -1

i-1

i

i+1

Ort

Abb. 9-27: Einstufiges Lax-Wendroff-Verfahren mit Bestimmung der Rohrinnenknoten

„ Zweistufiges Lax-Wendroff-Verfahren

Das zweistufige Lax-Wendroff-Verfahren (Abb. 9-28), das aus dem Peyret-Lerat-Verfahren hervorgegangen ist, beschreibt eine Methode der Finiten Differenzen, die aus zwei Schritten besteht und durch die Verwendung von weiteren Koeffizienten die Stabilität gegenüber dem einstufigen Verfahren erhöhen kann.

440

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Zeit j+1 j+1-a

Dt

j

Dx i-1

i

i+1-b i+1 i+1+b

Ort

Abb. 9-28: Zweistufiges Lax-Wendroff-Verfahren

Das Peyret-Lerat-Verfahren stellt sich wie folgt dar. 1. Schritt: G ( xi  E , t j  1 )

2. Schritt: G ( xi , t j  1 )

(1  E ) G ( xi , t j )  E G ( xi  1 , t j )

> >

@

't F ( xi  1 , t j )  F ( xi , t j ) 'x  D 't (1  E ) C ( xi , t j )  E C ( xi  1 , t j ) D

G ( xi , t j ) 

>

@

(9.206)

't (D  E ) F ( xi  1 , t j ) 2 D 'x

@

 ( 2 E  1) F ( xi , t j ) 

>

't (1  D  E ) F ( xi  1 , t j ) 2 D 'x

@

(9.207)

 F ( x i  E , t j  D )  F ( x i  1  E , t j  D )  't C ( x i , t j ) .

Aus dem Peyret-Lerat-Verfahren erhält man durch Substitution von D zweistufige Lax-Wendroff-Verfahren:



G xi  1 2 , t j  1

G ( xi , t j  1 )

9.4.3



>

@

E

1 G ( xi , t j )  G ( xi  1 , t j ) 2 , 't 't F ( xi  1 , t j )  F ( xi , t j )  C ( xi  1 , t j )  2 'x 4

>

>

@

't F ( xi  1 2 , t j  1 2 ) . 'x  F ( xi  1 2 , t j  1 2 )  't C ( xi , t j ) G ( xi , t j ) 

@

>

@

1 2 das

(9.208)

(9.209)

Randbedingungen

Bisher wurde lediglich ein Kanal- bzw. Rohrabschnitt betrachtet und die Erhaltungsgleichungen sowie die Lösungen dafür aufgezeigt. Ein reales System (Sauganlage, Abgasanlage) besteht jedoch aus einer Vielzahl von Einzelelementen (Unstetigkeitsstellen), die durch Rohre verbunden sind. Erst durch Ansätze für eine Koppelung der unterschiedlichen Teilsysteme wird ein derart komplexes System berechenbar. Dazu müssen zwischen

9.4 Gasdynamik

441

den Teilsystemen z. B. Energie- und Massenströme ausgetauscht und dadurch die Randbedingungen des oben beschriebenen Rohres festgelegt werden. Die Struktur ist dabei immer gleich und gleicht der im Kapitel 9.3.2 beschriebenen: Unstetigkeitsstelle – Rohr – Unstetigkeitsstelle – Rohr – Unstetigkeitsstelle. Somit stellen die folgenden Bauteile aus der Betrachtungsweise des Rohres Unstetigkeitsstellen dar:

y y y y y y y

Rohrende, Rohrverzweigung, Blende, Behälter, Zylinder, Verdichter, Turbine.

Die Kopplung von einem Rohr und seinem Nachbarbauteil wird beschrieben durch:

y Die Methode der Charakteristiken, die die Zustände im Austrittsquerschnitt des Rohres berechnet (Verträglichkeitsbedingungen).

y Die Allgemeine Durchflussgleichung, die den Einfluss der Drosselstelle abbildet. Sie

beschreibt abhängig von den Zuständen im Rohrrand und der Unstetigkeitsstelle den durch die Drosselstelle hindurchtretenden Massenstrom.

y Die Erhaltungsgleichungen der jeweiligen Unstetigkeitsstelle, die die Zustandsände-

rungen über gewöhnliche, rein zeitlich abhängige Differentialgleichungen beschreiben. Diese werden in den Kapiteln 9.1 bis 9.3 und 4 dargestellt. Da die Gleichungen implizit voneinander abhängen, muss die Lösung iterativ ermittelt werden. Im Folgenden wird die iterative Lösung der Randbedingung vorgestellt, wie sie von Görg (1982) und Stromberg (1977) entwickelt wurden. Eine exakte Herleitung und Zusammenstellung findet sich bei Miersch (2003). Grundsätzlich können am Rand zwei Strömungsfälle bestimmt werden: Beim Elementarströmungsfall 1 fließt der Massenstrom aus dem Rohr in den Rand, während beim Elementarströmungsfall 2 der Massenstrom in das Rohr aus dem Rand fließt. Elementarströmungsfall 2 Zeit

3

j+1 t

j j -1

2 2` 1` i i+1

1

Ort X

Elementarströmungsfall 1

Abb. 9-29: Randkopplung mit Hilfe der Charakteristiken (Miersch (2003))

442

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Abb. 9-29 zeigt das Zeit-Ortsgitter am Rohrrand. Punkt 3 stellt den im neuen Zeitschritt zu ermittelnden Randzustand dar. Er wird aus den bekannten Zuständen der Ruhezustände (Index 0) des Randknotens und aus den Zuständen des letzten Zeitschrittes in den Gitterpunkten 1 und 2 ermittelt. Der Abstand zwischen Punkt 1 und 2 entspricht der örtlichen Diskretisierung, der Abstand zwischen Punkt 2 und 3 der zeitlichen Diskretisierung. Den Ort, von dem im alten Zeitschritt die neuen Randzustände loslaufen (Punkt 1c und Punkt 2c ), nennt man Fußpunkt der Mach-, bzw. Teilchenbahn. Diese Ortskoordinaten sind so festgelegt, dass zum neuen Zeitpunkt die Zustände ausgehend vom Punkt 1c den Rand (Punkt 3) entlang der Machbahn und die Zustände ausgehend vom Punkt 2c den Rand (Punkt 3) entlang der Teilchenbahn erreichen. Die Fußpunkte werden zu Beginn der Iteration auf die Mitte der Distanz zwischen Punkt 1 und 2 gesetzt und dann nach jeder Iterationsschleife wie folgt neu ermittelt: x f , neu 'x f

x f , alt  'x f

* * 't v f v 2 ; 2 v 2*  v 2*

vf

uf  af ;

vf

uf ;

für Machlinienbahn (Punkt 1c ),

für Teilchenbahn (Punkt 2c ).

Die Lösung im Elementarströmungsfall 1 wird somit aus der Verträglichkeitsbedingung entlang der Teilchenbahn 2 a § wa wp · wa · 1 § wp w ¸ w ¸ ¨ ¨ N  1 © wt wx ¹ wx ¹ U © wt

0

(9.210)

und der Verträglichkeitsbedingung entlang der Machlinie

ww ww wa º 2 ª wa  w r a r  w r a » « wt wx N  1 ¬ wt wx ¼

der allgemeinen Durchflussgleichung m

D A2 2 p 01 U 01

2 ª «§ p 2 · N ¸ «¨ N  1 «¨© p 01 ¸¹ ¬

N

B w (w r a)

d >ln A @ , dx

N 1º ª N  1 W º § p 2 · N » ¸ «1  »¨ » N R m is T01 ¼ ¨© p 01 ¸¹ ¬ » ¼

(9.211)

(9.212)

und den Zuständen in dem sich dem Rohr anschließenden System ermittelt. Abb. 9-30 zeigt die Teilchen- und Machlinienbahnen in der Strömungsebene. Diese werden durch wx (9.213) w wt und wx (9.214) w r a wt beschrieben. Der Index D beschreibt die Ausbreitung einer Druckwelle entlang der Machlinie in Strömungsrichtung, der Index E die Ausbreitung entgegen der Strömungsrichtung.

9.4 Gasdynamik

443

Die Formulierung der Verträglichkeitsbedingungen erfolgt durch Transformation des Gleichungssystems (9.201) von der Darstellung in den unabhängigen Variablen Dichte U , Druck p , Geschwindigkeit w zu einer Darstellung in den unabhängigen Variablen Schallgeschwindigkeit a , Druck p und Geschwindigkeit w . Das transformierte System besteht aus gekoppelten gewöhnlichen Differentialgleichungen, deren Lösung durch reine zeitliche Integration gefunden wird. Die detaillierte Herleitung ist in Seifert (1962), Stromberg (1977) und Görg (1982) beschrieben, vgl. Miersch (2003). Machlinienbahn a Teilchenbahn Machlinienbahn b p

t

x3

t3 t2

x0

xx11

t1 x2

x

Abb. 9-30: Machlinienbahnen und Teilchenbahn in der Strömungsebene (Miersch (2003))

Die Diskretisierung der Verträglichkeitsbedingungen entlang den Machlinien erfolgt in den Größen Druck p und Geschwindigkeit w nach dp dw dt

p3  p1' ,

w3  w1' ,

' t.

(9.215)

Dadurch erhält man eine lineare Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit

p3

C1 w3  C2 .

(9.216)

Im Elementarströmungsfall 1 wird die Verträglichkeitsbedingung entlang der Teilchenbahn nach dp p 3  p 2 ' , da dt

a 3  a 2' , 't ,

(9.217)

diskretisiert. Für die Lösung im Elementarströmungsfall 2 wird statt der Verträglichkeitsbedingung längs der Teilchenbahn die der quasistationären Energiebilanz (9.219) verwendet. Weiterhin erhält man über die quasistationäre Energiebilanz zwischen Zustand und Ruhezustand im Punkt 3 eine lineare Beziehung zwischen Druck und Schallgeschwindigkeit (9.220).

444

9 Reale Arbeitsprozessrechnung N 1

§ a2 · ¨ ¸ ¨a ¸ © 01 ¹

a 02 a3

§ p · N Aˆ ¨¨ 2 ¸¸ © p 01 ¹

2

ª 2 « D «1  N  1« ¬

a32 

1 N  1 w32 , 2

§ ¨ ¨ ©

§ w2 · ¨ ¸ ¨ ¸ N  1 º © a 01 ¹ p2 · N » ¸ » p 01 ¸¹ » ¼

(9.218)

(9.219)

p3  C4 . C3

(9.220)

Im Rahmen der Iteration wird die Allgemeine Durchflussgleichung (9.212) in der impliziten Variablen Druck oder Geschwindigkeit gelöst. Diese Gleichung unterscheidet sich von der bekannten Durchflussgleichung von Saint-Venant durch den Term für die dem System zugeführten Arbeit W . Dadurch besteht die Möglichkeit, Massenströme zu berechnen, die gegen ein Druckverhältnis größer eins fließen (z. B. im Fall eines Verdichters). Damit ist es möglich, die Randbedingungen einer Blende und einer Strömungsmaschine in gleicher Weise zu beschreiben. Bei der Blende ist die Angabe des Durchflusskoeffizienten nötig, bei der Strömungsmaschine wird der Durchflusskoeffizient aus dem im Kennfeld abgespeicherten Massenstrom ermittelt. Die Strömungsmaschine kann dann für die Lösung der Randbedingung als Blende betrachtet werden. Bei Rohrverzweigungen mit drei Anschlüssen treten insgesamt sechs Strömungsfälle auf (Abb. 9-31), für die meist in Datenbanken in Abhängigkeit des Verzweigungswinkels und der einzelnen Querschnitte die Durchflusskoeffizienten abgelegt sind. 1 Trennungsfall

A

A A

A

T3

A G

G

V1

N

T2

N

N

G

T1

N G

Vereinigungsfall

2 N

G

3

V2 G

N A

V3

Abb. 9-31: Strömungsfälle an einer Rohrverzweigung

Für eine Rohrverzweigung müssen in der Regel drei Trennungsfälle und drei Vereinigungsfälle betrachtet werden, wobei jeweils ein Rohrstutzen den gesamten Massenstrom leitet und die beiden anderen nur einen Teilmassenstrom. Die Festlegung der Grundströmungsrichtungen dient lediglich der besseren Übersichtlichkeit des Systems und hat keine Auswirkung auf das Rechenergebnis.

9.5 Hydraulische Simulation

445

An der Rohrverzweigung muss die Kontinuitätsgleichung erfüllt sein. Dies wird durch eine entsprechende Iteration sichergestellt. Die Iteration wird dann erfolgreich abgebrochen, wenn die innere Iterationsschleife über die Durchflussgleichung und die äußere Iterationsschleife über die Verträglichkeitsbedingungen, die Rändergleichungen und die Durchflussgleichung mit einem genügend kleinen Fehler konvergieren. Für das weitere Vorgehen und entsprechende Beispiele sei auf Görg (1982) oder Miersch (2003) verwiesen. Von weiterer entscheidender Bedeutung für ein exaktes Rechenergebnis ist die Vorgabe der Rechenschrittweite, die einerseits natürlich nicht zu klein sein sollte, um eine stabile Lösung zu erhalten und Rechenzeit zu sparen, und andererseits wiederum nicht zu groß sein darf, da damit eine sichere Konvergenz des Rechenergebnisses nicht mehr erreicht werden könnte. Die Realisierung der Zeitschrittvorgabe erfolgt nach dem CourantFriedrichs-Levy Stabilitätskriterium 't d

'x . ( w  a)

(9.221)

Anhand von Abb. 9-32 lässt sich dieser Sachverhalt zeigen. Die Zustände an den Orten i  1 , i und i  1 zum Zeitpunkt j sind bekannt. Um nun von den Zuständen ( i  1 ; j ) und ( i  1 ; j ) auf den Zustand ( i ; i  1 ) schließen zu können, muss 't mindestens so groß gewählt werden, dass die Zeit 't vergeht, während der Weg 'x zurückgelegt wird. Daraus ergibt sich ein Bedarf an minimaler Zeitschrittweite in der Größenordnung von 10 4 bis 10 6 Sekunden.

Dt £

Dx (|w|+a)

j+1

Dx w

j

w+a Dt

w j-1

w+a i-1

9.5

i

Abb. 9-32: Courant-Friedrichs-Levy Stabilitätskriterium

Hydraulische Simulation

Mit der gestiegenen Flexibilität von CR-Einspritzsystemen, hinsichtlich Anzahl, Position und Dauer der Einspritzereignisse ist die Bedeutung der Darstellung der Interaktivität von Einspritzsystem und Brennverfahren ebenfalls gewachsen. Im Rahmen von Vorausberechnungen und Motorprozessoptimierungen müssen die Auswirkungen von Einspritzparameteranpassungen, z. B. einer Spritzabstandsvariation (Veränderung des Abstandes zwischen zwei Einspritzungen), bekannt sein; ein Berechnungsmodell erscheint somit unerlässlich. Im Folgenden wird die hydraulische Simulation anhand des Einsatzes bei der Berechnung der Einspritzung mit einem CR-Einspritzsystem erläutert. Die gleichen Überlegungen besitzen für die Berechnung von z. B. Ölkreisläufen ebenfalls ihre Gültigkeit.

446

9.5.1

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Modellierung der Grundkomponenten

Grundlegend lassen sich auch komplexe hydraulische Systeme, analog zum Ansatz der Füll- und Entleermethode, in eine Aneinanderreihung von elementaren Bauteilen zerlegen. Die sind im Wesentlichen Drosseln, Volumina und Leitungen. „ Drosseln

Drosseln stellen für das hindurchströmende Fluid eine Störstelle dar. Die Strömung wird an der engsten Stelle der Drossel zunächst eingeschnürt und beschleunigt. Hinter der Engstelle wird die Strömung wieder verzögert. Die dissipativen Verluste aufgrund der Beschleunigung und der Verzögerung manifestieren sich in einem Druckverlust der Strömung über der Drossel. In der einfachsten Form können diese Druckverluste unter Zuhilfenahme der Bernoulli-Gleichung beschrieben werden



1 · 2 (9.222) ¨ ¸Q . 2 © ] ˜ AD ¹ Dabei ist AD die Fläche im engsten Querschnitt der Drossel und ] die Kontraktionszahl. Für eine korrekte Beschreibung ist das Vorzeichen der Strömung Q zu beachten. Gl. (9.223) beschreibt den Zusammenhang zwischen der Kontraktionszahl und dem Durchflussbeiwert Cd . 'p

Cd

1

]

.

(9.223)

Der Durchflussbeiwert, welcher neben geometrischen Randbedingungen auch von der Strömungsgeschwindigkeit, also von der Reynoldszahl abhängt und die einzelnen Verlustfaktoren zusammenfast, ist eine charakteristische Größe zur Berechnung von Durchströmverlusten. Abb. 9-33 stellt exemplarisch den Verlauf des Durchflussbeiwertes in Abhängigkeit von der Drosselgeometrie dar; Darstellung gemäß Lichtarowicz et al. (1965). Die Durchflussbeiwerte werden zumeist empirisch für die unterschiedlichsten Geometrien und Randbedingungen experimentell ermittelt. Eine umfangreiche Sammlung findet sich z. B. in Idel’chik (1996).

Abb. 9-33: Exemplarische Darstellung des Durchflussbeiwertes in Abhängigkeit von der Drosselgeometrie

„ Volumina

Hydraulische Behälter stellen im Allgemeinen Verbindungsknoten in hydraulischen Systemen und Netzwerken dar. Sie sind mit einem Fluid gefüllt, welches entsprechend der Berechnung kompressibel oder inkompressibel sein kann. Hydraulische Behälter weisen zumeist ein konstantes Volumen auf. Werden sie mit einem anderen funktionalen Bauteil

9.5 Hydraulische Simulation

447

verbunden, z. B. einem Hydraulikzylinder, kann das Volumen auch veränderlich sein. Ist das gewählte Fluid kompressibel, so führt die Massenerhaltung in dem Knoten unter Zuhilfenahme der Zustandsgleichungen für p(U) zu einer Differenzialgleichung für den Druck im Knoten.

Abb. 9-34: Volumenknoten

Ist das Fluid kompressibel, wird die Änderung des Druckes über das Elastizitätsmodul E erfasst E

V

dp . dV

(9.224)

Bei Kenntnis des E-Moduls, welcher eine Stoffeigenschaft des Fluides darstellt, kann für einen Knoten konstanten Volumens die Druckänderung berechnet werden p

E ¦ Qi . V

(9.225)

Die korrekte Modellierung der charakteristischen Fluideigenschaften, wie z. B. Dichte und E-Modul nimmt einen großen Stellenwert in der hydraulischen Simulation ein. Insbesondere die Berücksichtigung von gelösten Gasen innerhalb des Fluids hat einen entscheidenden Einfluss auf die Güte der Berechnung. „ Leitungen

Leitungen in hydraulischen Systemen werden dazu eingesetzt um Komponenten und Volumina miteinander zu verbinden. Im einfachsten Fall geschieht dies mit einer direkten Verbindung, welche lediglich die Ein- und Ausgänge der Komponenten verbindet, ohne die Dynamik einer Leitung darzustellen; dies ist z. B. für sehr kurze Verbindungen mit l/d < 5 gegeben. Da sich Informationen (Druckwellen) in hydraulischen Systemen maximal mit der Schallgeschwindigkeit des Fluides vorwärts bewegen, müssen Leitungen mit einem größeren Längen-Durchmesser-Verhältnis zur korrekten Beschreibung des Systems ebenfalls modelliert werden. Dabei werden gemäß Stanciu (2005) aufgrund der mangelnden geometrischen Auflösung folgende Annahmen getroffen:

y eindimensionale Strömung in x-Richtung, y konstante Druck- und Dichtebedingungen über den Rohrquerschnitt, y konstante mittlere Geschwindigkeit über den Rohrquerschnitt.

Daneben können Leitungsmodelle beliebig komplex werden, z. B. durch die Berücksichtigung von frequenzabhängiger Reibung und der Wechselwirkung durch eine endlich steife Leitungswand. Entsprechend werden unter den oben genannten Randbedingungen die Navier-Stokes-Gleichungen für eine eindimensionale Strömung abgeleitet.

wU w u U  wt wx

0 .

(9.226)

448

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

wu · § wu u ¸ t w wx ¹ ©

wp w 2u P (9.227) wx wx 2 . Gl. (9.226) stellt die Kontinuitätsgleichung dar, während Gl. (9.227) die eindimensionale Impulsgleichung (bei Vernachlässigung der Schwerkraft) verkörpert. Zur Lösung dieser partiellen Differenzialgleichungen wird zumeist eine Finite-Differenzen-Verfahren benützt. Darüber hinaus werden auch die Methode der Charakteristiken sowie FiniteElemente-Methoden eingesetzt. Für eine weiterführende detaillierte Beschreibung der Simulation hydraulischer Systeme sei der Leser auf Borchsenius (2003) verwiesen.





„ Kavitation

Insbesondere bei der Simulation von Einspritzsystemkomponenten spielt die Kavitation nicht selten eine dominierende Rolle. Der Grund dafür liegt in der Tatsache begründet, dass aufgrund der enormen Druckdifferenzen in aktuellen Einspritzsystemen sehr hohe Geschwindigkeiten an Drosselstellen und Krümmungen auftreten. Aufgrund des Abfalls des statischen Druckes auf einen Wert unterhalb des Dampfdruckes des Fluides verdampft das Fluid und bewirkt aufgrund der Volumenexpansion des Dampfes eine Verringerung des Strömungsquerschnittes. Daraus resultiert letztlich eine Verringerung des Durchflusses derart, dass eine weitere Zunahme des Druckgefälles bei konstantem Vordruck keine weitere Erhöhung des Durchflusses bewirkt. Abb. 9-35 stellt diesen Zusammenhang im linken Bildteil dar. Prinzipiell ist dieses Phänomen in seiner Auswirkung vergleichbar mit dem überkritischen Ausströmen von Gasen, wenngleich andere physikalische Gesetzmäßigkeiten Anwendung finden.

Abb. 9-35: Kavitationsbedingte Beschränkung des Durchflusses, aufgetragen über dp0,5 (links) und über den Kavitationsindex Ki (rechts)

Um eine Beschreibung des multidimensionalen Phänomens in der 1-d-Umgebung zu ermöglichen, wird eine Formulierung unabhängig vom anliegenden Druck durch eine Normierung der Druckdifferenz eingeführt

pvor  p gegen . (9.228) pvor  pdampf Wird der Dampfdruck des Fluides pdampf vernachlässigt und statt der Druckdifferenz ihre Wurzel eingesetzt, erhält man statt der Kavitationszahl K den Kavitationsindex Ki K

9.5 Hydraulische Simulation

pvor  p gegen

Ki

pvor

449

1

p gegen pvor

.

(9.229)

Der rechte Bildteil von Abb. 9-35 verdeutlicht die Auswirkung der Normierung auf den Vordruck. Unabhängig vom anliegenden Vordruck ergibt sich ein Wert für den Kavitationsindex, ab welchem trotz weiterer Erhöhung der Druckdifferenz keine Zunahme des Durchflusses stattfindet. Dieser kritische Kavitationsindex Kikrit beschreibt unabhängig von den Randbedingungen das Einsetzen der Kavitation und charakterisiert so das Durchflussverhalten durch eine Drosselstelle.

9.5.2

Anwendungsbeispiel

Aus den oben beschriebenen Grundelementen können durch Kombination Subkomponenten gebildet werde. Diese Subkomponenten stellen gebräuchliche Bauteile der Hydraulik dar; die Zusammenfassung zu Modulen erleichtert das Modellieren, da auf bereits vorgefertigte Module zurückgegriffen werden kann. Beispiele für solche Subkomponenten sind beispielsweise: Ventilsitze (Nadelventil, Plattenventil, Kugelsitzventil etc.), Hydraulikzylinder, Schaltventile, Leckagestellen.

Einspritzrate in mg/ms

y y y y

10^-3

Simulation

20

Messung

10

0 0

1

2

3

4 Zeit in ms 10^-3

850

Düsendruck in bar

800 750 700 650 600 550 0

1

2

3

4 Zeit in ms

Abb. 9-36: Simulierter und gemessener Einspritzraten- und Düsendruckverlauf eines modernen Piezo-Diesel-Injektors

Werden diese Subkomponenten mit mechanischen Bauteilen gekoppelt und damit Massenträgheiten und Beschleunigungen/Kräfte eingebracht, so lassen sich komplexeste hy-

450

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

draulische Systeme aufbauen, wie z. B. Injektoren und Hochdruckpumpen. Diese werden häufig auch als Superkomponenten bezeichnet. Abb. 9-36 stellt exemplarisch das Ergebnis eines komplexen hydraulischen Modells in Form eines Piezo-Diesel-Injektors dar, bestehend aus weit über 150 (gekoppelten) Zustandsvariablen. Abgebildet ist eine Dreifacheinspritzung eines emissionsrelevanten Teillastbetriebspunktes bei 720 bar Raildruck, bestehend aus einer Vor-, einer Haupt- und einer Nacheinspritzung. Validiert wurde das Modell anhand von Untersuchungen am Hydraulikprüfstand (Messung). Diese Modelle können aufgrund ihrer Komplexität und damit auch Detailtreue sogar für Vorbedatungen von Steuergeräten und zur Entwicklung von Steuergerätefunktionen verwendet werden.

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452

9 Reale Arbeitsprozessrechnung

Schreiner, K. (1993): Untersuchungen zum Ersatzbrennverlauf und Wärmeübergang bei Hochleistungsdieselmotoren. Motortechnische Zeitschrift MTZ 54, 554–563, Franckh-Kosmos VerlagsGmbH, Stuttgart Schwarz, C. (1993): Simulation des transienten Betriebsverhaltens von aufgeladenen Dieselmotoren. Dissertation, TU München Seifert, H. (1962): Instationäre Strömungsvorgänge in Rohrleitungen an Verbrennungskraftmaschinen. Springer Verlag, Berlin-Göttingen-Heidelberg Sitkei, G. (1963): Über den dieselmotorischen Zündverzug. Motortechnische Zeitschrift MTZ 26, 190–194, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart Spicher, U., Worret, R. (2002): Entwicklung eines Kriteriums zur Vorausberechnung der Klopfgrenze. FVV Forschungsvorhaben Heft 741, Frankfurt/Main Stanciu, A. S. (2005): Gekoppelter Einsatz von Verfahren zur Berechnung von Einspritzhydraulik, Gemischbildung und Verbrennung von Ottomotoren mit Kraftstoff-Direkteinspritzung, Dissertation, Technische Universität Berlin Stanciu, A.S., Neumann, J. (2010): Analyse von Klopfkriterien für die Ladungswechselsimulation aufgeladener Ottomotoren, in: Ottomotorisches Klopfen – Irreguläre Verbrennung, ExpertVerlag, Renningen Stephan, K. (1993): Vorlesungsskript Wärme- und Stoffübertragung, Universität Stuttgart Stiesch, G. (1999): Phänomenologisches Multizonen-Modell der Verbrennung und Schadstoffbildung im Dieselmotor, Dissertation, Universität Hannover Streit, E. E., Borman, G. L. (1971): Mathematical simulation of large turbocharged two-stroke diesel engines. SAE-Paper 710176, International Congress & Exposition Stromberg, H.-J. (1977): Ein Programmsystem zur Berechnung von Verbrennungsmotorkreisprozessen mit Berücksichtigung der instationären Strömungsvorgänge in den realen Rohrleitungssystemen von Mehrzylinder-Verbrennungsmotoren. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum Vibe, I. I. (1970): Brennverlauf und Kreisprozeß von Verbrennungsmotoren. VEB Verlag Technik, Berlin Vogel, C. (1995): Einfluss von Wandablagerungen auf den Wärmeübergang im Verbrennungsmotor. Dissertation, TU München Witt, A. (1999): Analyse der thermodynamischen Verluste eines Ottomotors unter den Randbedingungen variabler Steuerzeiten. Dissertation, TU Graz Woschni, G. (1970): Die Berechnung der Wandwärmeverluste und der thermischen Belastung der Bauteile von Dieselmotoren. Motortechnische Zeitschrift MTZ 31, 491–499, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart Woschni, G., Anisits, F. (1973): Eine Methode zur Vorausberechnung der Änderung des Brennverlaufs mittelschnellaufender Dieselmotoren bei geänderten Betriebsbedingungen. Motortechnische Zeitschrift MTZ 34, 106 ff., Franckh-Kosmos Verlags-GmbH, Stuttgart Zacharias, F. (1966): Analytische Darstellung der thermischen Eigenschaften von Verbrennungsgasen. Dissertation, TU Berlin Zapf, H. (1969): Beitrag zur Untersuchung des Wärmeübergangs während des Ladungswechsels im Viertakt-Dieselmotor. Motortechnische Zeitschrift MTZ 30, 461 ff., Franck-Kosmos VerlagsGmbH, Stuttgart Zellbeck, H. (1997): Neue Methoden zur Vorausberechnung und Onlineoptimierung des Betriebsverhaltens aufgeladener Dieselmotoren. 133, in: Aufladetechnische Konferenz, Dresden

453

10

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Für die Berechnung von motorischen Verbrennungsvorgängen kommen heute verschiedene Modellkategorien zum Einsatz, die sich zum Teil sehr stark in ihrem Detaillierungsgrad aber auch in ihren Rechenzeiterfordernissen unterscheiden, siehe Stiesch (2003). Als phänomenologische Modelle werden dabei üblicherweise die Berechnungsmodelle bezeichnet, die die Verbrennung und Schadstoffbildung in Abhängigkeit übergeordneter physikalischer und chemischer Phänomene wie Strahlausbreitung, Gemischbildung, Zündung, Reaktionskinetik usw. vorausberechnen. Weil hierfür eine räumliche Aufteilung des Brennraums in Zonen verschiedener Temperatur und Zusammensetzung erforderlich ist, werden die Modelle auch als quasi-dimensionale Modelle bezeichnet. Diese phänomenologischen Modelle grenzen sich auf der einen Seite von den nulldimensionalen (oder thermodynamischen) Modellen ab, die den Brennraum zu jedem Zeitpunkt vereinfachend als ideal durchmischt annehmen und die auf empirischen Ansätzen für die Brennrate beruhen. Auf der anderen Seite unterscheiden sich die phänomenologischen Verbrennungsmodelle von den CFD-Codes (CFD = computational fluid dynamics, vgl. Teil D, Kapitel 14 ff.), indem auf eine explizite Lösung des turbulenten dreidimensionalen Strömungsfeldes bewusst verzichtet wird, siehe Abb. 10-1. Dadurch kann die Rechenzeit erheblich reduziert werden. Für eine Motorumdrehung liegt sie bei phänomenologischen Modellen im Bereich von Sekunden, bei CFD-Codes dagegen im Bereich von Stunden, siehe Abb. 10-2. Thermodynamisch (0-dimensional) ! empirische Brennfunktion ! keine Schadstoffbildung

dU dm

Phänomenologisch (Quasi-dimensional)

CRFD (Multi-dimensional)

! physikalische und chemische Teilmodelle ! kein turbulentes Strömungsfeld

! Massen-, Energie- und Impulserhaltung ! detaillierte physikalische und chemische Teilmodelle

! gewöhnliche Differentialgleichungen (Zeit)

! partielle Differentialgleichungen (Zeit + Raum)

p, T, f

! gewöhnliche Differentialgleichung (Zeit)

Abb. 10-1: Klassifizierung von Verbrennungsmodellen

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_10, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

454

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

105

Rechenaufwand [s]

104 103

3D - CRFD

102 101

phänomenologische Modelle

100

10-1

thermodynamische Modelle

10-2

Abb. 10-2: Modelltiefe und Rechenaufwand von Verbrennungsmodellen

Modelltiefe

Im Folgenden werden einige der wichtigsten phänomenlogischen Verbrennungsmodelle vorgestellt. Primäres Ziel dieser Modelle ist es jeweils, den Brennverlauf in Abhängigkeit charakteristischer physikalischer und chemischer Größen vorauszuberechnen. Sollen darüber hinaus Aussagen über die Schadstoffbildung getroffen werden, ist es notwendig, eine Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Temperatur und Zusammensetzung vorzunehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Reaktionsraten der für die Schadstoffbildung entscheidenden chemischen Reaktionen im allgemeinen exponentiell von der Temperatur abhängen, so dass die Kenntnis der kalorisch gemittelten Zylindertemperatur allein nicht ausreicht, vgl. Kapitel 6.5. Einige der im Folgenden beschriebenen phänomenologischen Verbrennungsmodelle nehmen solch eine Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Temperatur und Zusammensetzung implizit vor, so dass die entsprechenden Schadstoffbildungsmodelle direkt daran angekoppelt werden können. Dazu gehören z. B. die in Abschnitt 10.1.3 vorgestellten Paketmodelle. Bei anderen phänomenologischen Ansätzen ist diese Zoneneinteilung noch nicht implizit enthalten, so dass sie nachträglich vorgenommen werden muss, wenn neben der Verbrennungsrate auch Schadstoffemissionen berechnen werden sollen. Dazu können z. B. die in Kapitel 9.2 erläuterten Zwei-Zonen-Zylindermodelle eingesetzt werden.

10.1 Dieselmotorische Verbrennung 10.1.1 Nulldimensionale Brennverlaufsfunktion Ein relativ einfaches und damit rechenzeit-effektives Modell für die Wärmefreisetzung im Dieselmotor haben Chmela et al. (1998, 2006) vorgestellt. Dieses Modell ist auf der Grenze zwischen nulldimensionalen und phänomenologischen Modellen angesiedelt, da es keine quasi-dimensionale Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Zusammensetzung und Temperatur vornimmt aber dennoch den Brennverlauf nicht rein empirisch, z. B. mit einer VIBE-Funktion vorgibt, sondern an wenige charakteristische Einflussparameter von übergeordneter Bedeutung koppelt. Diese Parameter sind die zu jedem Zeitpunkt verfügbare Brennstoffmasse, also die Differenz aus eingespritzter und verbrannter Brennstoffmasse, sowie eine charakteristische Dichte der turbulenten kinetischen Energie, die als repräsentativ für die Vermischungsgeschwindigkeit von Luft und Brennstoff angenommen wird

dQB dM

C ˜ f1 (mB ) ˜ f 2 (k )

§ k § Q · C ˜ ¨ mB  B ¸ ˜ exp ¨ ¨ 3 Vcyl Hu ¹ © ©

· ¸. ¸ ¹

(10.1)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

455

Die zeitliche Verlauf der Einspritzrate dmB/dM ist dabei als Randbedingung vorgegeben, und die Dichte der turbulenten kinetischen Energie k wird allein aus der Einspritzung abgeleitet, da eine Größenabschätzung zeigt, dass die kinetische Energie der Einspritzung um ca. zwei Größenordnungen über der von Einlass- und Quetschströmung liegt. Die Produktionsrate der kinetischen Energie durch die Einspritzung beträgt dEkin, prod dt



1 m B vinj 2

2

º 1ª 1 « » 2 ¬ U B cD Anoz ¼

2

m B 3 ,

(10.2)

wobei cDAnoz die effektive Querschnittsfläche der Einspritzdüse bezeichnet. Die Dissipationsrate der kinetischen Energie wird vereinfacht als proportional zur absoluten Höhe der kinetischen Energie selbst angenommen. Daraus resultiert die Differentialgleichung für die Änderung der kinetischen Energie dEkin dt

dEkin, prod dt

 Cdiss Ekin .

(10.3)

Für die weiteren Überlegungen wird angenommen, dass für die Vermischung von Kraftstoff und Luft nicht die gesamte kinetische Energie im Brennraum zur Verfügung steht, sondern nur ein Anteil davon, der dem Anteil des für die Gemischbildung verfügbaren Kraftstoffs entspricht Ekin,mix

Ekin

mB  QB / H u . mB

(10.4)

Die spezifische turbulente kinetische Energie k wird schließlich als Verhältnis der für die Mischung verfügbaren kinetischen Energie und der Summe aus Luft- und Kraftstoffmasse in der Diffusionsflamme angenähert, wobei das Luftverhältnis in der Flamme als stöchiometrisch angenommen wird k

Cturb

mB 1  Lmin Ekin,mix

.

(10.5)

Abb. 10-3 zeigt eine typische zeitliche Entwicklung von verfügbarer Brennstoffmasse und turbulenter kinetischer Energie sowie des aus dem Produkt resultierenden Brennverlaufs.

Brennverlauf Verfügb. Brennstoffmasse Verfügb. turb. kin. Energie

Einspritzverlauf OT

30

60

90

j[°KW]

Abb. 10-3: Beschreibung der Brennrate als Funktion von verfügbarer Brennstoffmasse und turbulenter kinetischer Energie nach Chmela et al. (1998)

456

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Als Vorteile dieses Modellansatzes sind die extrem kurze Rechenzeit und die einfache Handhabung anzusehen, sowie die Tatsache, dass die Auswirkungen des Einspritzsystems (z. B. Einspritzdruck, Düsenlochquerschnitt und -anzahl) auf den Brennverlauf in der Regel mit guter Näherung abgebildet werden können. Als Einschränkung steht dagegen, dass weder der Zündverzug noch der typische Vormischanteil der dieselmotorischen Verbrennung mit diesem Modell beschrieben werden können. Beide Phänomene werden maßgeblich durch die Verdampfungsgeschwindigkeit des Brennstoffs beeinflusst, deren zusätzliche Berücksichtigung im Modell einen erheblich größeren Rechenaufwand bewirken würde.

10.1.2 Stationärer Gasstrahl Umfangreichere Modellansätze, die jeweils auf der Freistrahl-Theorie von Abramovich (1963) beruhen, haben z. B. de Neef (1987) und Hohlbaum (1992) gewählt, um die Wärmefreisetzung im DI-Dieselmotor zu berechnen. . x(t+Dt/2)Dt

x(t)

x

y dp dr

. ma

. . x rj . r rw g b(x) r

. minj . mf z

lv = const.

j

Abb. 10-4: Modell des quasistationären Gasstrahls in einer Blockdrallströmung

Unter der Annahme, dass die Verdampfung schnell gegenüber der Gemischbildung abläuft, wird die Einspritzung als ein quasi-stationärer Gasstrahl in einer idealisierten Blockdrallströmung beschrieben, vgl. Abb. 10-4. Die Verbrennungsrate wird dann als direkte Funktion der Gemischbildungsrate, also der Durchmischung von Kraftstoffdampf und Luft, berechnet. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Strahlfront sowie deren Richtungsänderung durch die Drallströmung ergibt sich analytisch aus den Massen- und Impulsbilanzen des auf seine Mittelachse reduzierten Strahls. Gemäß Abb. 10-4 lauten die Impulsbilanzen in radialer, tangentialer und vertikaler Richtung des zylindrischen Koordinatensystems



d dm jet r dt





1 d dm jet r 2M r dt



d dm jet z dt





dFr ,

0,

(10.6) d dma rZ  dFt , dt

(10.7) (10.8)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

457

wobei dmjet die Masse einer Spray-Scheibe mit der Dicke dx bezeichnet. dFr und dFt sind die radialen und tangentialen Kräfte, die auf die Spray-Scheibe wirken, und der Index a kennzeichnet die unverbrannte Luft, die den Strahl umgibt. Die radiale Kraft wird durch den radialen Druckgradienten verursacht, der aus der Drallbewegung resultiert

dV

dFr



dp dr

dm jet

U

Ua rZ 2 ,

(10.9)

und die tangentiale Kraft ist näherungsweise dFt

0,1

1 vinj r Z  M dm f , c b

(10.10)

mit b = b(x) als positionsabhängigem Radius der kreisförmigen Sprayscheibe. Der Überstrich kennzeichnet den über dem Sprayquerschnitt massengemittelten Wert. Mit Hilfe der oben genannten Beziehungen erhält man die Bewegungsgleichungen der Sprayfront in den drei Zylinder-Koordinaten

d §1· ¨ ¸ r dt © c ¹

 r c

M  2 M r r

 zc

r ªM 2  (1  c )Z 2 º , ¬ ¼

vinj º ª d §1· « c ¨ ¸  0.1 » Z  M , b ¼ ¬ dt © c ¹

d §1· ¨ ¸ z dt © c ¹

0,

(10.11) (10.12)

(10.13)

mit der Strahlgeschwindigkeit x und der -eindringtiefe S x

r 2  (rM )2  z 2 , S

³ xdt . t

x

(10.14)

0

Der Strahlwinkel und damit die Änderung des Strahlradius entlang der Strahlachse hat einen erheblichen Einfluss auf die Rate der Luftbeimischung in den Brennstoffstrahl. Für Brennverfahren mit keinem oder nur geringem Luftdrall wird ein Standardwert von

db / dx Z

0

0,16

(10.15)

empfohlen. Allerdings muss dieser Wert ggf. angepasst werden, um reale Strahlwinkel abbilden zu können, die z. B. von Einspritzdruck, Düsengeometrie oder den Stoffwerten von Luft und Kraftstoff beeinflusst werden. Für Brennverfahren mit ausgeprägter Drallströmung gibt deNeef (1987) die folgende Korrektur für den Strahlwinkel an db dx mit

C

und

vinj

1 C

1 C

rZ / vinj ˜ § db · rZ / vinj ¨© dx ¸¹Z

rM 1 r  2 x 2 x cD

2'pinj

Uf

,

(10.16)

0

(10.17)

.

(10.18)

458

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Um die Gemischverteilung innerhalb des Strahls bestimmen zu können, wird zunächst der über den Strahlquerschnitt gemittelte Kraftstoffmassenbruch c entlang der Spraykoordinate x mit Hilfe der Massenerhaltung berechnet. Unter der Voraussetzung, dass die in einer Strahlscheibe mit Dicke dx enthaltene Kraftstoffmasse konstant ist ( dmstrahl ˜ c const. ) und dass die gemittelte Strahldichte U innerhalb dieser Scheibe sehr klein gegenüber der Dichte des flüssigen Kraftstoffs U f ist, kann die zeitliche Änderung der gemittelten Kraftstoffkonzentration in Abhängigkeit des Strahlwinkels (db/dx) wie folgt ausgedrückt werden d §1· ¨ ¸ dt © c ¹

4 2 d noz vinj

Ua Uf

ª § db · 2 2 º x» . « 2 ¨ dx ¸ b x  b  ¬ © ¹ ¼

(10.19)

Mit der bekannten über den Strahlquerschnitt gemittelten Kraftstoffkonzentration c x kann in einem weiteren Schritt die lokale Kraftstoffkonzentration c x, y berechnet werden. Dazu wird eine empirische Konzentrationsabhängigkeit von der radialen Position im Strahl angenommen c

ª § y ·3/2 º cm «1  ¨ ¸ » , b ¬« © ¹ ¼»

(10.20)

wobei cm der Kraftstoffkonzentration auf der Mittelachse des Strahls entspricht. Im Modell von deNeef (1987) wird nun angenommen, dass die Verbrennungsrate durch die Masse an Brennstoff begrenzt wird, die pro Zeiteinheit im stöchiometrischen Verhältnis mit Luft aufbereitet wird. Diese Größe wird wie folgt bestimmt. Da die Kraftstoffkonzentration an jeder Position im Strahl bekannt ist, können die in Abb. 10-4 dargestellten Iso-Konturen des Luftverhältnisses O innerhalb des Strahls ermittelt werden. Der von der axialen Position im Strahl abhängige dimensionslose Radius y/b eines bestimmten Luftverhältnisses ist y (Ov , x) b

ª c(Ov ) º «1  » ¬ cm ( x) ¼

2/3

.

(10.21)

Da der Einspritzstrahl als stationär angenommen wird, verändert sich die O-Verteilung innerhalb des Strahls nicht. In jedem numerischen Zeitschritt 't wird dem Strahl lediglich eine neue Scheibe der Dicke 'x hinzugefügt, siehe Abb. 10-4. Aufgrund der Massenerhaltung ist die darin enthaltene Kraftstoffmasse identisch zu der Einspritzmasse in diesem Zeitschritt ( m inj ˜ 't ). Deshalb muss die Kraftstoffmasse, die innerhalb eines Zeitschritts über eine bestimmte Grenze von Ov=const. hinwegtritt (schraffierte Fläche in Abb. 10-4), gleich der Differenz zwischen eingespritzter Kraftstoffmasse und dem Kraftstoff sein, der sich innerhalb der Ov-Grenze (graue Fläche), also in fetterem Gemisch, befindet 'm f ,Ov

ª 4 § y (O ) ·3/2 º v m inj 't  S y 2 (Ov ) U a cm «1  ¨ ¸ » x 't . «¬ 7 © b ¹ »¼

(10.22)

Um die Kraftstoffmasse zu bestimmen, die im gesamten Strahl im stöchiometrischen Verhältnis mit Luft aufbereitet wird, muss (10.22) zwischen der fetten Zündgrenze OR und O = 1 integriert werden. Da nur der Anteil dOv des Kraftstoffs der von (O = Ov) zu (O = Ov + dOv) übertritt neu mit Luft aufbereitet wird (der restliche Anteil wurde bereits in zurückliegenden Zeitschritten aufbereitet), erhält man die Beziehung

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

'm f , stoic

459

Ov, R m f ,Ov , R 't 

Ov 1

³

Ov , R

m f ,Ov dOv 't .

(10.23)

Nach Einspritzende wird vereinfachend angenommen, dass der düsennahe Bereich des Strahls nicht mehr vorhanden ist, während der restliche, weiter stromabwärts gelegene Teil des Sprays immer noch stationär ist und sich nicht verändert. Dieses Verhalten wird dadurch berücksichtigt, dass ein zweiter (virtueller) Strahl berechnet wird, der bei Einspritzende anfängt, sich auszubreiten und der vom ursprünglichen Strahl subtrahiert wird. Die Verbrennungsrate wird mit einem quasi-kinetischen Ansatz beschrieben, der den verbrannten Anteil der stöchiometrisch aufbereiteten Kraftstoffmasse X

m f ,b

(10.24)

m f , stoic af stoic 1  X

mit der Arrhenius-Funktion dX

E AU jet T jet

af stoic  1

2

ª EA º exp «  » dt «¬ RmT jet »¼

(10.25)

ausdrückt. Darin sind Tjet und Ujet die über den gesamten Strahl gemittelten Werte für Temperatur und Dichte. Die Arrhenius-Konstanten A, E und EA müssen empirisch für einen bestimmten Motor angepasst werden, um daran experimentell ermittelte Brennverläufe abbilden zu können. Da mit dem Modell des stationären Gasstrahls weder die Kraftstoffzerstäubung noch die Tropfenverdampfung explizit beschrieben werden, ist es kaum möglich, den Zündverzug detailliert zu modellieren. Anstatt dessen wird angenommen, dass die Verbrennung zu dem Zeitpunkt einsetzt, an dem das Luftverhältnis cm auf der Strahlachse erstmals die untere Zündgrenze OR überschreitet. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch bereits eine gewisse Menge an Kraftstoff, die sich in den äußeren Strahlbereichen befindet, stöchiometrisch mit Luft aufbereitet. Diese kann nun sehr schnell umgesetzt werden, so dass der typische Vormisch-Peak (Dieselschlag) im Brennverlauf des Dieselmotors resultiert, siehe Abb. 10-5.

dQchem / dj / Vd [105 J / °CA / m3]

2.5

2.0

1.5

1.0

0.5

0.0 -60

-30

0 30 60 Kurbelwinkel j

90

120

Abb. 10-5: Berechneter Brennverlauf eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors bei Nennlast nach Hohlbaum (1992)

460

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Es ist zu beachten, dass der empirisch zu ermittelnde Strahlöffnungswinkel in diesem Verbrennungsmodell ein Parameter von entscheidender Bedeutung ist, da er die Mischungsgeschwindigkeit von Kraftstoff und Luft und damit auch die Verbrennungsrate maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass die Annahme eines ungestörten stationären Gasstrahls dann nicht mehr zutrifft, wenn der Strahl auf eine Brennraumwand auftritt. Aus diesem Grund scheint das Modell am besten zur Beschreibung von Großmotoren mit deutlichem Luftdrall geeignet.

10.1.3 Paket-Modelle Ein häufig eingesetzter Modellansatz zur Beschreibung der dieselmotorischen Verbrennung ist der so genannte Paket-Ansatz nach Hiroyasu et al. (1983), der in Abb. 10-6 schematisch dargestellt ist. Hierbei wird ein Einspritzstrahl in viele kleine Zonen, die so genannten Pakete, unterteilt, die in ihrer Summe die Kontur des gesamten Einspritzstrahls abbilden. Üblicherweise wird nur ein Einspritzstrahl pro Zylinder berechnet und angenommen, dass sich alle anderen Strahlen identisch verhalten. Jedes der einzelnen Strahlpakete wird nun als separater thermodynamischer Kontrollraum betrachtet, für den jeweils die Massen- und Energiebilanzen aufgestellt werden und innerhalb dessen Grenzen die wichtigsten Teilprozesse wie Tropfenverdampfung, Luftbeimischung, Verbrennung und Schadstoffbildung gelöst werden. Daraus resultiert für jedes Paket eine eigene Historie von Zusammensetzung und Temperatur. Durch Addition der Brennraten in jedem einzelnen Paket erhält man schließlich die Wärmefreisetzung für einen Einspritzstrahl und den Gesamt-Brennverlauf im Zylinder.

Frischluft Strahlpakete

Abb. 10-6: Paketansatz nach Hiroyasu et al. (1983)

Das phänomenologische Verbrennungsmodell von Stiesch (1999), das im Folgenden näher erläutert wird, basiert auf diesem grundsätzlichen Paketansatz von Hiroyasu. Während des Verdichtungstaktes existiert nur eine Zone, die sich über den gesamten Brennraum erstreckt und als ideal durchmischt betrachtet wird. In dieser Zone befinden sich angesaugte Frischluft und bei Abgasrückführung auch Verbrennungsprodukte. Während der Einspritzzeit werden zusätzlich kontinuierlich sog. Strahlpakete generiert, die die globale Form des Einspritzstrahls nachbilden und ihn sowohl in axialer als auch in radialer Richtung unterteilen. Unabhängig von der Zahl der Düsenbohrungen wir nur ein einziger Brennstoffstrahl betrachtet, eine Interaktion verschiedener Stahlen kann deshalb nicht

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

461

berücksichtigt werden. Während der Einspritzdauer wird in jedem Zeitintervall eine neue axiale „Scheibe“ von Paketen generiert, wobei einzelne Pakete aufgrund ihrer radialen Unterteilung eine Ringform aufweisen. Zum Zeitpunkt der Generierung befindet sich ausschließlich flüssiger Brennstoff im Paket. Nach Ablauf einer charakteristischen Zeit wird der Brennstoff in kleine Tropfen zerstäubt, und es beginnt die Beimischung von Gasen aus der umgebenden Frischluftzone in die einzelnen Strahlpakete. Die Brennstofftropfen werden durch die in die Pakete eingetragenen heißen Gase aufgeheizt und beginnen zu verdampfen. Nach Ablauf der Zündverzugszeit beginnt das Brennstoff-LuftGemisch zu verbrennen, wodurch die Pakettemperatur weiter ansteigt und auch die Schadstoffbildung (NO und Ruß) einsetzt. Sowohl die Zerstäubung und Tropfenverdampfung als auch die Zündung und Verbrennung laufen innerhalb der Paketgrenzen ab und müssen deshalb separat für jedes einzelne Paket berechnet werden. Nach Beginn der Verbrennung können die Pakete deshalb neben flüssigem Brennstoff und Frischluft auch Brennstoffdampf und Verbrennungsprodukte enthalten, siehe Abb. 10-7. Eine Vermischung verschiedener oder ein Energieaustausch zwischen den Strahlpaketen findet nicht statt. Mit Ausnahme der Luftbeimischung in den Strahl (und damit in die Pakete) und der Wärmeübertragung laufen damit alle Transportprozesse innerhalb der Paketgrenzen ab. Mit Hilfe von Massen- und Energiebilanzen sowie einer Zustandsgleichung können für jedes einzelne Paket und auch für die Frischluftzone die Änderungsraten von Zusammensetzung, Temperatur und Volumen berechnet werden. Der Druck wird dagegen als ortsunabhängig und nur als Funktion der Zeit angesehen. Diese Annahme ist aufgrund der hohen Schallgeschwindigkeit bei den hohen Drücken während der Verbrennungsphase gerechtfertigt. Luftbeimischung

Einspritzung

Luftbeimischung

Verdampfung & Mischung

Expansion & Luftbeimischung

Expansion & Luftbeimischung

Expansion & Luftbeimischung

Zündung & Verbrennung

Verdampfung Mischung & Verbrennung

Mischung & Verbrennung

Abb. 10-7: Zusammensetzung der Strahlpakete

„ Strahlausbreitung und Gemischbildung

Unmittelbar nach dem Einspritzbeginn wird ein Strahlpaket als zusammenhängende Flüssigkeit betrachtet, die sich solange mit der konstanten Geschwindigkeit vinj

0,39

2'pinj

U B, fl

(10.26)

in den Brennraum hinein bewegt, bis Zerstäubung einsetzt. Die flüssige Brennstoffmasse pro Paket m B , fl ergibt sich mit der augenblicklichen Einspritzrate m inj , der Anzahl der Pakete in radialer Richtung k max und der Länge des Zeitschritts 't zu

462

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

mB , P

m inj 't kmax

.

(10.27)

Nach einer charakteristischen Zeitspanne zerfällt die flüssige Phase in kleine Tropfen. Diese so genannte Breakup-Zeit beträgt auf der Strahllachse

tbu ,c

28, 65

U B, fl DD

U L 'pinj

.

(10.28)

Weil die Wechselwirkung zwischen Brennstoff und Luft am Strahlrand stärker ausgeprägt ist als auf der Strahlachse, tritt der Strahlaufbruch in den äußeren Paketen entsprechend § k 1 · (10.29) tbu ,c ¨1  ¸ k max ¹ © früher ein, wenn eine lineare Abnahme der Breakup-Zeit über dem Strahlradius angenommen wird. Durch den Eintrag von Gasen aus der Frischluftzone in das Strahlpaket verringert sich die Strahlgeschwindigkeit. Für Pakete auf der Strahlachse gilt tbu ,k

vtip,c

2 § 'pinj DD 1, 48 ¨ ¨ UL ©

· ¸ ¸ ¹

14



1

(10.30)

t



und für weiter außenliegende wird näherungsweise angenommen, dass sich ein zum Strahlrand exponentiell abnehmendes Geschwindigkeitsprofil einstellt

vtip,k

vtip ,c exp Crad (k  1)2 .

(10.31)

Wenn fünf Strahlpakete in radialer Richtung betrachtet werden (kmax = 5) und weiter angenommen wird, dass die Geschwindigkeit des äußeren Pakets ca. 55 % der Geschwindigkeit auf der Achse beträgt, ergibt sich ein Wert von 0,374 für die Konstante Crad. Auch der Einspritzvorgang selbst verändert die Strömungsverhältnisse im Brennraum entscheidend. Die kinetische Energie der Einspritzstrahlen liegt etwa um zwei Größenordnungen über der kinetischen Energie der Drall- und Quetschströmungen bei Einspritzbeginn. Als Folge davon werden die zuerst generierten Strahlpakete sehr viel stärker von der umgebenden Gasphase abgebremst als die gegen Ende der Einspritzung erzeugten, die sich quasi im „Windschatten“ bewegen. Die Paketausbreitungsgeschwindigkeit nach dem Strahlaufbruch wird deshalb entsprechend vi,k

ª § i  1 ·C2 't º inj » C1vtip,k «1  ¨ ¸ C3 » « © imax  1 ¹ ¬ ¼

(10.32)

korrigiert, wobei i 1 die zuerst und i imax die zuletzt generierten Strahlpakete bezeichnet. Die Konstante C1 kann geringfügig kleiner als eins sein, C 2 hat etwa den Wert 0,5 und C 3 beschreibt die absolute Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem ersten und letzten Paket. Die Luftbeimischungsrate in ein Paket wird auf Basis der Impulserhaltung der Strahlpakete berechnet. vi,k (mB, P  mL, P )

const.

(10.33)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

463

„ Tropfenverteilungsspektrum

Nach der Breakup-Zeit zerfällt der flüssige Brennstoff des Strahlpakets in viele kleine Tropfen, deren integrales Verhalten mit dem mittleren Sauterdurchmesser beschrieben werden kann. Der Sauterdurchmesser ist dabei der Durchmesser eines repräsentativen Tropfens, dessen Verhältnis von Volumen zu Oberfläche gleich dem Verhältnis von Gesamtvolumen zu Gesamtoberfläche aller Tropfen im Spray ist. Dafür findet man die Beziehung SMD

0,737 0,06 0,54 6156 ˜106Q B0,385 , fl U B , fl U L 'pinj

(10.34)

mit SMD in m, Q in m 2 / s , U in kg/ m 3 und der Druckdifferenz 'pinj in kPa. Die Anzahl der in einem Paket vorliegenden Brennstofftropfen ergibt sich unter der Annahme, dass alle Tropfen gleich groß sind, zu

S

mB, P

SMD U B, fl 6 Für eine genauere Beschreibung der Zerstäubung und damit auch der anschließenden Verdampfung kann die Tropfengrößenverteilungsfunktion NTr , P

.

(10.35)

3

1 r3 § r · exp ¨ ¸ 4 6r © r ¹ mit dem Radius

(10.36)

g (r )

SMD 6 des am häufigsten auftretenden Tropfens verwendet werden. r

(10.37)

„ Tropfenverdampfung

Zur Beschreibung der Verdampfung wird häufig das Mischungsmodell verwendet, bei dem das Tropfeninnere stets als isotherm angenommen wird. Als Vergleichsbrennstoff wird im Folgenden reines Tetradekan ( C14 H30 ) verwendet, das ähnliche physikalische Eigenschaften wie realer Dieselbrennstoff aufweist. Für Untersuchungen mit Zweikomponenten-Vergleichsbrennstoffen, z. B. einem Gemisch aus 70 Vol.% n-Dekan ( C10 H 22 ) und 30 Vol.% D-Methylnaphthalin ( C11H 20 ), sei auf Stiesch (1999) verwiesen. Damit erhält man für den konvektiven Wärmeübergang von der Gasphase zum Tropfen mit Hilfe der Nußelt-Zahl dQTr dt

S SMDOS (TP  TTr )

z

Nu , (10.38) e 1 wobei z einen dimensionslosen Korrekturfaktor darstellt, der den übertragenen Wärmestrom bei gleichzeitigem Auftreten des Stoffübergangs durch Verdampfung aufgrund der Kopplung von Wärme- und Stoffübertragung entsprechend dmTr c p, B, g dt (10.39) z S SMDOS Nu z

verringert. Die Verdampfungsrate eines Tropfens wird mit Hilfe der Beziehung für den Stoffübergang zu

464

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

§ pcyl S SMD U S Cdiff ln ¨ ¨ pcyl  pB, g ©

dmTr dt

· ¸ Sh ¸ ¹

(10.40)

berechnet. Für die Nußelt- und Sherwood-Zahlen gilt Nu

Sh

2  0, 6 Re1 2 Pr1 3 ,

2  0, 6 Re1 2 Sc1 3 ,

(10.41) (10.42)

wobei die Reynoldszahl mit einer Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Gasphase berechnet wird, die als 30 % der momentanen Paketgeschwindigkeit vi,k angenommen wird. Die Temperaturänderung des flüssigen Brennstofftropfens ergibt sich schließlich aus einer Energiebilanz über den Tropfen, dTTr dt

1 § dQTr dmTr ·  'hv ¸ , mTr c p,Tr ¨© dt dt ¹

(10.43)

mit der vom Durchmesser und der Tropfentemperatur abhängigen Tropfenmasse:

mTr

S

6

UTr SMD3 .

(10.44)

„ Zündverzug

Der Zündverzug wird häufig durch den einfachen Arrhenius-Ansatz

W zv

C1

OP

2 pcyl

§C · exp ¨ 2 ¸ © TP ¹

(10.45)

mit C1 = 18 und C2 = 6000 beschrieben. „ Wärmefreisetzung

Vereinfachend wird angenommen, dass nach Erreichen der Zündverzugszeit der Brennstoff in nur einem Zeitschritt mit stöchiometrischem Luftverhältnis entsprechend der Bruttoreaktionsgleichung vollständig zu CO2 und H2O umgesetzt wird. Für eine detaillierte Betrachtung sei auf Stiesch (1999) verwiesen. Die maximale Verbrennungsrate im Paket wird durch das strengste der folgenden drei Kriterien begrenzt. Erstens kann nur der zum jeweiligen Zeitpunkt bereits verdampfte Brennstoff umgesetzt werden, m B,Ox, P d

mB , g , P 't

.

(10.46)

Zweitens limitiert aber auch die im Paket vorhandene Luftmenge die Umsatzrate entsprechend m B,Ox, P d

mL , P

Lmin 't

.

(10.47)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

465

Drittens muss noch eine maximale chemische Umsatzrate für vorgemischte Flammen berücksichtigt werden, die durch die Arrhenius-Funktion § 12.000 · 5 m B,Ox, P d 5 ˜105 U mix xB, g , P xO exp ¨  ¸ VP P , 2 TP ¹ ©

(10.48)

beschrieben wird und die in der späten Verbrennungsphase, wenn die Temperatur im Zylinder bereits stark abgesunken ist und die Chemie deshalb langsam wird, von Bedeutung ist. Die für die weitere Berechnung notwendigen Bilanzgleichungen der Thermodynamik werden in Kapitel 3 bzw. ausführlicher in Kapitel 9 vorgestellt. Für die Ermittlung der thermodynamischen Zustandsgrößen der einzelnen Komponenten im Brennraum wird wieder auf Stiesch (1999) verwiesen. „ Validierung des Modells

Die Abb. 10-8 und 10-9 zeigen einen Vergleich der gemessenen und berechneten Brennund Druckverläufe für zwei Betriebspunkte eines schnelllaufenden Dieselmotors mit 3,96 lit/cyl Hubvolumen, 165 mm Kolbendurchmesser und einer Drehzahl von 1500 min 1 .

Druck [kPa]

6000

Simulation Experiment

pcyl

0.8 0.6

4000 0.4 2000

dQB

0.2

Brennverlauf [kJ/°KW]

1.0

8000

0.0

0 -30

0

30 j [°KW]

60

90

Abb. 10-8: Vergleich gemessener und berechneter Druck- und Brennverläufe für einen schnelllaufenden Dieselmotor mit 3,96 Litern Einzelhubvolumen bei n = 1500 min-1 und pme = 9,8 bar

Druck [kPa]

12000

Simulation Experiment

pcyl

0.8 0.6

9000 6000

dQB

0.4 0.2

3000

0 -30

0

30 j[°KW]

60

90

Brennverlauf [kJ/°KW]

1.0

15000

0.0

Abb. 10-9: Vergleich gemessener und berechneter Druck- und Brennverläufe für einen schnelllaufenden Dieselmotor mit 3,96 Litern Einzelhubvolumen bei n = 1500 min–1 und pme = 22,2 bar

466

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Der in Abb. 10-8 dargestellte Betriebspunkt wurde als Referenzpunkt zum Abgleich des Modells gewählt, wobei allerdings mehr auf eine gute Übereinstimmung der Druckverläufe geachtet wurde als auf eine exakte Anpassung des Brennverlaufs. Insgesamt lässt sich eine gute Übereinstimmung zwischen Simulation und Messergebnissen erkennen. Detaillierte Untersuchungen zeigen allerdings, dass für eine weitere Verbesserung der Übereinstimmung ein komplexeres Wärmeübergangsmodell, dass den Einfluss der Rußstrahlung explizit berücksichtigt, vorteilhaft wäre. „ Beschreibung einer Voreinspritzung

Thoma et al. (2002) haben den oben beschriebenen Paket-Ansatz erweitert, um damit auch dieselmotorische Brennverfahren mit Voreinspritzung beschreiben zu können. Da die Strahleindringkurve (10.30) jedoch nur für kontinuierlich eingespritzte Sprays gilt und nicht für sehr kleine Kraftstoffmengen, siehe Stegemann et al. (2002), schlagen Thoma et al. (2002) eine Änderung der Zeitabhängigkeit von 1/ t in 1/t für die Pakete der Voreinspritzung vor. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Haupteinspritzung beginnt, werden die Pakete der Voreinspritzung darüber hinaus zu einer einzigen sog. Voreinspritzzone zusammengefasst, siehe Abb. 10-10.

Überlappung von Haupt- und Voreinspritzung

Zusammengefasste Voreinspritzzone

Abb. 10-10: Vermischung der Vor- und Haupteinspritzpulse nach Thoma et al. (2002)

Experiment Simulation

pcyl

0.14 0.12 0.10

dQch 4000

0.08 0.06

2000

0.04 0.02

0 -40

dminj/dt -20

0 20 40 60 Kurbelwinkel [°KW n. ZOT]

80

0.00 100

100 80 60 40

Einspritzrate [mg/ms]

6000

120

0.16

Brennverlauf [kJ/°KW]

Zylinderdruck [kPa]

8000

20 0

Abb. 10-11: Berechnete und gemessene Brenn- und Druckverläufe eines Nfz-Dieselmotors mit Voreinspritzung, Thoma et al. (2002)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

467

Aufgrund der schnellen Abbremsung der Voreinspritzzone dringen die Pakete der Haupteinspritzung bald in die Voreinspritzzone ein, so dass dann anstelle von Frischluft die Gase der Voreinspritzzone in die Pakete der Haupteinspritzung beigemischt werden. Diese Beimischung von bereits heißen und reaktiven Gasen in die Strahlpakete bewirkt eine Verkürzung des Zündverzugs der Haupteinspritzung. Daraus resultiert die bekannte Wirkung der Voreinspritzung, nämlich die deutliche Reduzierung des Vormisch-Peaks im Brennverlauf. Abb. 10-11 zeigt, dass dieses Verhalten vom Modell sehr gut abgebildet werden kann.

10.1.4 Zeitskalen Modelle Weisser und Boulouchos (1995) haben ein phänomenologisches Modell für den Brennverlauf im Dieselmotor entwickelt, das ähnlich wie die häufig innerhalb von CFD-Codes eingesetzten Eddy-Breakup-Modelle auf charakteristischen Zeitskalen beruht. Dabei werden zwei unterschiedliche Zeitskalen für die Vormisch- und für die Diffusionsverbrennung berücksichtigt, da angenommen wird, dass die Vormischverbrennung im wesentlichen von der Kraftstoffverdampfung und der Reaktionskinetik beeinflusst wird, während die anschließende Diffusionsverbrennung in erster Linie von der Geschwindigkeit der turbulenten Vermischung von Kraftstoffdampf und Luft abhängt. Die Zerstäubung und Verdampfung des Kraftstoffs wird sehr ähnlich wie bei den oben vorgestellten Paketmodellen modelliert. Allerdings wird der Strahl hier nur in axialer Richtung diskretisiert, und die Strahleindringtiefe wird mit der Gleichung von Dent (1971) berechnet S

§ 'pinj 3, 07 ¨ ¨ Ug ©

· ¸ ¸ ¹

1/4

Dnoz t

1/2

§ 294 · ˜¨ ¸ ¨ Tg ¸ © ¹

1/4

.

(10.49)

Es wird nun angenommen, das der Brennstoffanteil, der bereits vor der ersten Zündung verdampft, als Vormischverbrennung umgesetzt wird, während der übrige Brennstoff in der durch turbulente Mischung kontrollierten Diffusionsverbrennung umgesetzt wird. Der Zündverzug wird wieder ähnlich wie im Paketmodell auf Basis einer Arrhenius-Gleichung bestimmt, siehe (10.45). Die für die reaktionskinetisch kontrollierte Vormisch- (Premixed-) Verbrennung charakteristische Zeitskala wird als proportional zum Zündverzug Wzv angenommen, so dass die Umsatzrate des Brennstoffs als dm prem dt

C prem

W zv 1

f prep m prem,av

(10.50)

angegeben werden kann, wobei mprem,av die gesamte, der Vormischverbrennung zugeschlagene Brennstoffmasse ist. Der Faktor fprep trägt dafür Rechnung, dass zum betrachteten Zeitpunkt nur ein Teil dieser Masse den Zündverzug überschritten hat und tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Umsatzrate der Diffusionsverbrennung wird in Analogie zu (10.50) formuliert dmdiff dt

Cdiff

W trb 1

f A,turb mdiff ,av .

(10.51)

Hier besteht allerdings die Schwierigkeit, dass die turbulente Zeitskala ttrb innerhalb des phänomenologischen Ansatzes nicht wie bei den CFD-Codes üblich direkt aus der Kennt-

468

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

nis des turbulenten Strömungsfeldes ermittelt werden kann, sondern mit Hilfe eines geeigneten Ansatzes abgeschätzt werden muss. Dafür wird die turbulente Mischungsfrequenz – das ist der Kehrwert der turbulenten Zeitskala – als Verhältnis der turbulenten Viskosität und des Quadrats einer für das Problem charakteristischen Längenskala angenähert u clI 1 . (10.52) 2 W trb X char Um die turbulente Viskosität u’lI im Brennraum abzuschätzen, wird ein vereinfachter Ansatz gewählt, der von zwei Turbulenzquellen ausgeht. Die erste Quelle ist die Einlassströmung der Ladeluft, für die die Turbulenzintensität u’ als proportional zur mittleren Kolbengeschwindigkeit und die Längenskala lI als proportional zum Kolbenrückstand gesetzt wird. Die zweite Quelle zur Turbulenzproduktion ist der Einspritzstrahl selbst, für den die Größen u’ and lI mit Hilfe von Erhaltungsgleichungen gelöst werden können, siehe Heywood (1988). Die Anfangswerte ergeben sich dabei aus der Einspritzgeschwindigkeit und dem Düsenlochdurchmesser. Entsprechend gilt für die Summe der turbulenten Viskosität

u clI charge  u clI inj .

u clI

(10.53)

Die charakteristische Längenskala für den Prozess der turbulenten Diffusion zwischen Kraftstoffdampf und Luft wird in Abhängigkeit vom augenblicklichen Zylindervolumen, dem globalen Luftverhältnis und der Anzahl der Düsenlöcher bestimmt § Vcyl ¨¨ © O N noz

X char

· ¸¸ . ¹

(10.54)

Der Faktor fA,turb in (10.51) beschreibt die Vergrößerung der effektiven Oberfläche der Flammenfront durch turbulente Faltung u clI

Q

f A,turb

,

(10.55)

wobei Q die kinematische Viskosität der Verbrennungsgase angibt. Damit kann (10.51) als dmdiff

Cdiff

dt

u clI

u clI

X char

2

Q

mdiff ,av

(10.56)

geschrieben werden. Schließlich werden die für die beiden Verbrennungstypen verfügbaren Kraftstoffmassen mpre,av und mdiff,av durch Integration von Verdampfungsrate und Verbrennungsrate bestimmt § dmi,evap

³ ¨¨© t

mi ,av

ti ,0

dt



dmi dt

· ¸¸ dt , ¹

wobei der Index i für die beiden Verbrennungstypen pre und diff steht.

(10.57)

10.1 Dieselmotorische Verbrennung

469

„ Beschreibung einer Voreinspritzung

Barba et al. (2000) haben den oben beschriebenen Ansatz um ein separates Modell für die Verbrennung einer Voreinspritzung erweitert. Während die Modellierung der Hauptverbrennung weitgehend unverändert zu den in (10.50) bis (10.57) aufgeführten Gleichungen vorgenommen wird, kommt für die Verbrennung der voreingespritzten Kraftstoffmasse ein separates Teilmodell zum Einsatz. Dabei formt die Pilot-Kraftstoffmenge eine kugelförmige und als homogen mit Luft und Verbrennungsrückständen durchmischt angenommene Zone. Die Luftbeimischung in diese Zone ist zunächst proportional zur Verdampfungsrate des Kraftstoffs und wird nach Voreinspritzende über ein stark vereinfachtes Turbulenzmodell in Abhängigkeit der Reynoldszahl angenähert. Die Verbrennungsgeschwindigkeit innerhalb der Voreinspritzzone wird schließlich durch das strengere von zwei Kriterien begrenzt: nach Zündung ist dies zunächst eine sich kugelförmig ausbreitende turbulente Flammenfront (ansteigende Umsatzrate) und schließlich eine Begrenzung durch die innerhalb der Voreinspritzzone verfügbare Kraftstoffmasse (abnehmende Umsatzrate). Die Verbrennung des Haupteinspritzpulses wird wie bereits angeführt analog zum Model von Weisser und Boulouchos (1995) berechnet. Lediglich der Zündverzug dieser Hauptverbrennung wird durch die vorhergehende Verbrennung der Voreinspritzung verkürzt, so dass sich als Konsequenz der Vormischanteil der Hauptverbrennung reduziert. „ Beschreibung von Einspritzverlaufsmodulation und Abgasrückführung

Aufbauend auf Barba et al. (2000) und Pirker et al (2006) haben Rether et al. (2010) ein phänomenologisches Brennverlaufsmodell entwickelt, um ein flexibles Nfz-Brennverfahren mit druckübersetztem Hochdruck-Einspritzsystem, mehrfachen Vor- und Nacheinspritzungen, Einspritzratenmodulation und Abgasrückführung abzubilden. Die verschiedenen Voreinspritzungen werden hier jeweils separat als homogene Gemischwolke betrachtet, die wie bei Barba et al. (2000) nach Einspritzende ausmagern und über eine turbulente Vormischflamme umgesetzt werden. In die turbulente Flammengeschwindigkeit geht nach dem Damköhler-Ansatz neben der Turbulenz auch die laminare Flammengeschwindigkeit ein, die ihrerseits vom Luftverhältnis abhängt und damit ein Flammlöschen bei zu starker Ausmagerung beschreiben kann. Die Vormischverbrennung der Haupteinspritzung läuft wie bei Pirker et al. (2006) über einen Arrhenius-Ansatz ab, hier allerdings erweitert um einen Term, der die Abnahme der laminaren Flammengeschwindigkeit bei den für eine Abgasrückführung typischen hohen Restgasanteilen beschreibt. Die Strahlausbreitung und Gemischbildung der Haupteinspritzung wird wie bei phänomenologischen Modellen üblich über eine empirische Eindringtiefen-Korrelation, z. B. (10.49) und die Annahme der Impulserhaltung abgebildet (10.33). Dabei wird der Strahl in axialer Richtung diskretisiert. In radialer Richtung wird eine empirische Verteilungsfunktion für Krafstoffkonzentration und Strahlgeschwindigkeit angenommen. Daraus ergeben sich in radialer Richtung drei Strahlbereiche: ein fetter Strahlkern, in dem aufgrund von Sauerstoffmangel und unzureichender Kraftstoffaufbereitung keine Verbrennung stattfindet; ein annähernd stöchiometrischer Bereich, in dem eine relativ schnelle „Diffusionsverbrennung I“ stattfindet, die mit einem Zeitskalen-Ansatz in Abhängigkeit der Turbulenz berechnet wird; und schließlich ein magerer Randbereich, in dem es u.a. aufgrund der niedrigen Turbulenz zu einer langsamen „Diffusionsverbrennung II“ kommt. Die Wärmefreisetzung der Haupteinspritzung wird dann schließlich als Summe der drei

470

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Anteile Vormischverbrennung, Diffusionsverbrennung I und Diffusionsverbrennung II ermittelt, siehe Abb. 10-12.

Abb. 10-12: Zusammensetzung des Brennverlaufs aus drei Einzelbestandteilen, Kozuch et al. (2010)

Kozuch et al (2010) haben dieses Modell zur Berechnung einer schweren Nfz-Motorbaureihe mit EPA07- bzw. EPA10-Ausfürhung angewendet. Dabei konnten nach einmaliger Kalibrierung der Modellparameter im gesamten Kennfeldbereich sehr gute Übereinstimmungen zwischen berechneten und aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten Brennverläufen erzielt werden. Insbesondere die Einflüsse von Einspritzverlaufsformung, Einspritzdauer (Last), Motordrehzahl und in gewissen Grenzen der Brennraumgeometrie und Düsenkonfiguration konnten sehr gut abgebildet werden. In Abb. 10-13 ist beispielhaft der gemessene und berechnete Einfluss der Einspritzrate abgebildet.

Abb. 10-13: Berechneter und gemessener Brennverlauf in Abhängigkeit der Einspritzrate, Kozuch et al. (2010)

10.2 Ottomotorische Verbrennung

471

10.2 Ottomotorische Verbrennung Der phänomenologischen Modellierung der Verbrennung in homogen betriebenen Ottomotoren werden zumeist die folgenden vereinfachenden Annahmen zugrunde gelegt:

y Brennstoff, Luft und Restgas liegen homogen vermischt vor. y Das Volumen, welches von der Reaktionszone eingenommen wird, ist sehr klein im Vergleich zum Brennraumvolumen; die Flamme wird zumeist als infinitesimal dünn betrachtet (Flamelet-Ansatz).

y Der Inhalt des Brennraumes besteht aus zwei Zonen, der verbrannten und der unver-

brannten Zone. Die hauptsächliche Schwierigkeit bei der phänomenologischen Modellierung von Ottomotoren liegt in dem Fehlen der wichtigsten Größen des turbulenten Strömungsfeldes. Hauptsächlich sind dies die turbulente Schwankungsgröße u' sowie die damit einhergehenden Längenskalen. Hervorgerufen durch die Organe des Luftpfades (z. B. durch das Einlassventil) werden Wirbelstrukturen in unterschiedlichen Größen erzeugt, welche sich direkt auf die Brenngeschwindigkeit und die Wärmefreisetzung auswirken können. Somit liegt eine der Hauptaufgaben darin, diese Längenskalen in Abhängigkeit der makroskopischen Motorparameter zu formulieren, ohne zusätzliche Dimensionalitäten in die Modelle integrieren zu müssen.

10.2.1 Laminare und turbulente Flammengeschwindigkeit Für die zeitliche Energiefreisetzungsrate und damit auch für den Druckanstieg im Zylinder, der aus der Verbrennung resultiert, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der vorgemischten Flammenfront – die sogenannte Flammengeschwindigkeit – von entscheidender Bedeutung. Dabei unterscheidet man zwischen der laminaren Flammengeschwindigkeit sl und der turbulenten Flammengeschwindigkeit st . Die laminare Flammengeschwindigkeit bezeichnet die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer dünnen, vorgemischten Flammenfront in einem ruhenden Brennstoff-Luft-Gemisch. Sie ist neben der Reaktionskinetik von Wärmeleitungs- und Diffusionsprozessen innerhalb der Flamme abhängig und kann als Funktion des Brennstoffs, des Mischungsverhältnisses von Brennstoff und Luft, des Restgasgehaltes sowie des Systemdrucks und der Temperatur der Edukte abgeschätzt werden. Für Flammenausbreitung in Kohlenwasserstoff-Luft-Gemischen wird häufig die von Metghalchi und Keck (1980, 1982) angegebene Beziehung D

sl

sl , 0

§ Tu · § p · ¨ ¸ ¨ ¸ © T0 ¹ © p0 ¹

E

1  cR

fR

(10.58)

verwendet, wobei fR das Luftverhältnis des Restgases bezeichnet und T0 und p0 die Referenzbedingungen bei 298 K und 101,3 kPa. Die Konstante cR definiert den Einfluss des Restgases auf die Flammengeschwindigkeit. Metghalchi und Keck (1982) wählten cR=2,1, aus Vergleichsmessungen mit 85 % N2 und 15 % CO2 als Restgas. Neuere Publikationen mit Messungen unter realen Motorbedingungen, z. B. Wallesten (2003), schlagen cR=3 vor. Sowohl die Exponenten D und E als auch die Flammengeschwindigkeit unter atmosphärischen Bedingungen sl , 0 sind brennstoffabhängige Größen. Tab. 10.1 stellt diese von unterschiedlichen Autoren ermittelten Größen für Iso-Oktan dar, einschließlich der Randbedingungen, für die sie gelten.

472

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Tab. 10.1: Korrelationen für die laminare Flammengeschwindigkeit

D

E

Metghalchi und Keck 2,18–0,8(I-1) –0,16+0,22(I–1) (1982)

I

Bedingungen T

p

0,8–1,2

298–700 K

0,4–50 atm

Gülder (1982)

1,56

–0,22

0,8–1,2

300–500 K

1–8 bar

Bradley et al. (1998)

1,07; 1,01

–0,282; –0,348

0,8–1,0

358–450 K

1–10 bar

Müller et al. (1997)

2,0

–0,27

1

298–800 K

1–40 bar

Zur Bestimmung der laminaren Flammengeschwindigkeit für Propan, Iso-Oktan und Methanol gilt die Beziehung §1 1 · Bm  BO ¨  ¸ , ©O Om¹ 2

sl , 0

(10.59)

wobei O m das Luftverhältnis ist, bei dem sl , 0 seinen maximalen Wert von Bm erreicht. Die in Gl. (10.59) enthaltenen Parameter sind in Tab. 10.2 zusammengefasst. Tab. 10.2: Parameter für Gl. (10.59) Brennstoff

Om

Bm [cm/s]

BO [cm/s]

Methanol

0,90

36,9

–140,5

Propan

0,93

34,2

–138,7

Iso-Oktan

0,88

26,3

–84,7

Benzin

0,83

30,5

–54,9

In realen Motorbrennräumen ist das Strömungsfeld jedoch nicht laminar sondern turbulent. Deshalb muss zusätzlich der Einfluss der Turbulenz auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfront berücksichtigt werden. Durch die Interaktion mit den turbulenten Wirbeln wird die im laminaren Fall glatte Flammenfront „gefaltet“ (Flame-Wrinkling), so dass sich ihre Oberfläche Al vergrößert. Die turbulente Flammenfrontfläche At definiert die Fläche mit der sich die turbulente Flamme in das unverbrannte Gemisch ausbreitet. Es gilt ferner die Erhaltungsgleichung At st

Al sl ,

(10.60)

welche die Erkenntnis ausnutzt, dass sich die turbulente Flamme in einem sehr kleinen Volumen, kleiner als die umgebenden Wirbel, normal zur Oberfläche laminar ausbreitet. Die geometrische Ausbreitung dieser Flammenfrontfläche wird durch die Position der Zündkerze und durch die Form des Brennraumes bestimmt. Die korrekte Bestimmung ist essenziell für eine genaue Vorhersage der Wärmefreisetzungsrate. Eine Darstellung der Flammenfrontfläche in Abhängigkeit von Zündkerzenposition und Brennraumgeometrie findet sich in Heywood (1988). Die Vergrößerung der Oberfläche durch die turbulente Flammenfaltung trägt somit effektiv zur Erhöhung der Brenngeschwindigkeit bei. Man benötigt aus diesem Grund die turbulente Brenngeschwindigkeit st , die sich aus sl und dem lokalen Turbulenzniveau

10.2 Ottomotorische Verbrennung

473

uc

2k (10.61) , 3 das ist eine mittlere, lokale Geschwindigkeitskomponente aufgrund turbulenter Fluktuationen, siehe Kapitel 14.2, berechnet. Einen Basisansatz zur Berechnung der turbulenten Geschwindigkeit stellt Damköhler (1940) in einer allgemeinen Formulierung dar § uc · (10.62) ¨1  C ¸ sl . sl ¹ © Die Damköhlerkonstante C hängt vor allem von der turbulenten Längenskala sowie der Flammendicke ab. Der Exponent n bewegt sich in der Literatur zwischen 0,5 und 1. Koch (2002) schlägt nach eigenen Anpassungen für die Konstanten C = 2,05 und n = 0,7 vor. Gl. (10.62) macht deutlich, dass die turbulente (effektive) Flammengeschwindigkeit mit höherem Turbulenzniveau ansteigt. Dies ist der Grund dafür, dass Ottomotoren mit wesentlich höheren Drehzahlen betrieben werden können als z. B. Dieselmotoren. Möglich ist dies nur deshalb, weil das durch den Einströmvorgang hervorgerufene Turbulenzniveau im Brennraum mit zunehmender Drehzahl ansteigt, so dass die Flammengeschwindigkeit zunimmt und das Gemisch trotz der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit noch vollständig umgesetzt werden kann. n

st

10.2.2 Wärmefreisetzung Zur Vorausberechnung der Wärmefreisetzung im Ottomotor wird häufig das von Blizard und Keck (1976) entwickelte und von Tabaczinsky (1980) erweiterte Entrainment-Modell verwendet, das im Folgenden kurz erläutert wird. Bei diesem Modell wird die Wärmefreisetzung bzw. die Flammenausbreitung in zwei Teilschritte zerlegt. Der erste Teilschritt beschreibt das Eindringen der Flamme aufgrund des turbulenten Fortpflanzungsmechanismus ohne Wärmefreisetzung in das noch unverbrannte Gemisch. Die Eindringgeschwindigkeit setzt sich im Tabaczinsky-Modell additiv aus der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit u c und der laminaren Brenngeschwindigkeit s l zusammen. Alternativ kann die turbulente Flammengeschwindigkeit auch nach Gl. (10.62) benützt werden. Dies ergibt unter Beachtung der Kontinuitätsbedingung für die pro Zeitschritt erfasste Ladungsmasse dme Uu At st , (10.63) dt wobei At die Fläche der Flammenfront und U u die Dichte des Unverbrannten ist. Der zweite Teilschritt beschreibt die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung, wobei die von der Flamme erfassten Frischgaswirbelbereiche mit laminarer Brenngeschwindigkeit umgesetzt werden. Die dominierende Wirbelgröße ist dabei die Taylor-Mikrolänge, die mit dem integralen Längenmaß l I durch lT

15 l I Q uc

definiert ist. Damit folgt für die charakteristische Brennzeit lT W sl

(10.64)

(10.65)

474

10 Phänomenologische Verbrennungsmodelle

und mit dieser für die Umsatzrate der im Flammenbereich befindlichen Brennstoffmasse dmb dt

me  mb .

W

(10.66)

Während die laminare Geschwindigkeit sl nach Gl. (10.58) bestimmt werden kann, müssen die integrale Längenskala lI sowie die turbulente Schwankungsgeschwindigkeit u c aufgrund der fehlenden Auflösung des Strömungsfeldes modelliert werden. Hierzu gibt es für u c in der Literatur Ansätze, die auszugsweise in Tab. 10.3 angegeben werden. Tab. 10.3: Ansätze für turbulente Schwankungsgröße aus der Literatur

uc

mit

§U · u c 0, 08 ˜ ui ¨ u ¸ © Ui ¹ Ap ui Kv cm Aiv c uZZP

mit

1 cm 2

uc

cT cm

§ UM c ¨ uZZP ¨ U M , ZZP ©

Wirth (1993) 1

2

Keck (1982)

· ¸¸ ¹

1

3

Tabaczinsky (1980)

Das integrale Längenmaß lI des turbulenten Strömungsfeldes und der Flammenstrukturen beschreibt die großräumigen Wirbel im Brennraum und muss ebenfalls aus Messungen herangezogen werden. Die Größenordnung dieser Wirbel liegt im Bereich von 1 mm < lI B > C) gemessen und gerechnet für leere Filter (links) und für die Filterbeladung (rechts). Rechnungen aus Wurzenberger und Kutschi (2007), Messungen nach Ogyu et al.( 2004)

Das erklärt sich dadurch, dass hier der Druckverlust im Rußkuchen dominant ist und dieser direkt mit der Rußhöhe korreliert. Bei größeren Einlasskanaldurchmessern ergeben sich bei gleicher Rußmasse kleinere Rußhöhen und somit kleinere Druckverluste.

11.4 Dieselpartikelfilter

495

11.4.3 Regeneration und Temperaturverteilung Der Rußabbrand in einem Dieselpartikelfilter ist ein äußerst komplexer heterogener chemischer Reaktionsvorgang, der neben der intrinsischen Reaktion sehr stark von der physikalischen Beschaffenheit der Rußpartikel abhängt. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, mit einem einzigen globalen Reaktionsmodell das Verhalten von unterschiedlichsten Filtern abzubilden. In der Praxis wird daher das Regenerationsmodell anhand von experimentellen Daten kalibriert und kann dann in weiterer Folge für die Berechnung von Varianten eingesetzt werden. Abb. 11-11 zeigt als Ergebnis einer Reaktionsmodellparametrierung den Vergleich von gemessenen und berechneten Temperaturen an drei verschiedenen dimensionslosen axialen Positionen entlang der Symmetrieachse des Filters. Für die drei ausgewählten Positionen ist dabei deutlich eine Aufwärmphase, eine Temperaturspitze und ein Auslaufbereich zu erkennen. Die Temperaturspitzen markieren die aktuelle örtliche und zeitliche Position der Regenerationsfront, die durch den Filter wandert. Es ist zu sehen, dass sich die Temperaturen im Bereich der Spitze von Filtereintritt zum Filteraustritt hin erhöhen und steilere Gradienten bilden. Mit einem in dieser Art kalibrierten Modell ist es dann in weiterer Folge möglich, Abschätzungen für maximale Filtertemperaturen bei verschiedenen Fahrbedingungen und Regenerationskontrollstrategien zu machen.

Abb. 11-11: Dieselpartikelfilter-Temperaturen gemessen und gerechnet (mit geschätzten und optimierten Reaktionsparametern) an drei verschiedenen axialen Positionen entlang der Symmetrieachse des Filters während der Regeneration

Ist ein 1D-Filterregenerationsmodell wie in Abb. 11-11 auf experimentelle Daten abgestimmt, dann kann dessen Parametrierung unter der Voraussetzung, dass alle Submodelle (von der Stoffdatenbasis über Geometriebeschreibung, Stoff- Wärmeübergang, DPFDruckverlust und Strömung, Reaktionsraten und vieles mehr) identisch sind, auch auf 3DModelle übertragen werden. Als Beispiel einer solchen Parameterübertragung ist in Abb. 11-12 die örtliche Temperaturverteilung in einem segmentierten Silikonkarbid Filter zu einem ausgewählten Zeitpunkt während der Regeneration dargestellt. In der Abbildung sind deutliche radiale Verteilungen zu sehen. Diese ergeben sich aufgrund von ungleichförmiger Anströmung, radialen Wärmeverlusten und aufgrund der Filtersegmentierung. Diese verursacht nicht nur eine teilweise Blockierung der Strömung durch die Segmentwände (Klebezonen), sondern führt auch zu einem modifizierten Verhalten der Filterkanalströmung und Rußablagerung in Kanälen, die direkt an Segmentierungswände treffen. Die daraus resultierende Ungleichverteilung von Ruß sowie die verschiedenen thermischen Eigenschaften von Segmenten und Klebezonen führen dann zu

496

11 Abgasnachbehandlungssysteme

deutlichen radialen Temperaturverteilungen innerhalb der einzelnen Segmente und des gesamten Filters. Die mit Hilfe der 3D-CFD-Simulation berechnete räumliche Temperatur- und Temperaturgradientenverteilung kann in weiterer Folge auch zur thermische Strukturanalysen herangezogen werden.

Abb. 11-12: DPF Temperaturverteilung während der Regeneration eines segmentierten Silikonkarbid Filters

11.5 Dosiereinheiten Die Aufgabe von Dosiereinheiten im Rahmen von Abgasnachbehandlungsanlagen ist es, Flüssigkeiten in den Abgasstrang einzudüsen. Zwei Beispiele dazu sind etwa die Eindüsung von Diesel oder wässriger Harnstofflösung in Nutzfahrzeugabgassystemen. Diesel wird zum Initiieren der Partikelfilterregeneration eingedüst. Die Tropfen verdampfen im heißen Abgas, konvertieren im Oxidationskatalysator und heben somit die Filtereintrittstemperatur. Eine wässrige Harnstofflösung wird vor dem SCR-Katalysator in den Abgasstrom gedüst um damit ein Reduktionsmittel für die NOx-Konvertierung im Katalysator zur Verfügung zu stellen. Fragestellungen an Simulationsmodelle für Dosiereinheiten betreffen die Tropfenverteilung, Wandinteraktion, Vollständigkeit der Tropfenverdampfung, Einfluss von statischen Mischern, deren Druckverlust, Dosierungsregelung und viele mehr. Die Mehrheit dieser Fragen lässt sich vernünftigerweise nur mehr mit 3DBerechnungsverfahren (Birkhold et al. 2006, Mansoudi 2006) und adäquaten Modellen untersuchen. Neben 3D-Modellen können unter vereinfachenden Annahmen (z. B. radial homogene Verteilung und vollständige Verdampfung) 1D-Modelle dazu herangezogen werden, um Dosierungsstrategien und Regelalgorithmen in Systemsimulationen (siehe Kapitel 11.6) zu untersuchen. Die wesentlichen Merkmale bei der Modellbildung von Dosierungseinheiten sollen im Folgenden anhand der Harnstoff-Eindüsung diskutiert werden. Die beobachteten physikalischen und chemischen Phänomene können in vier Hauptbereiche unterteilt werden. Das ist erstens die Wechselwirkung von Tropfen und Gasphase und die damit verbundene Bilanzierung von Masse-, Impuls-, Energie- und Speziesaustausch zwischen den beiden Phasen. Neben dem Transport einzelner Tropfen im Gasstrom ist hier vor allem der Stoffund Wärmeaustausch von Bedeutung, um damit das Verdampfen der Tropfen zu beschreiben. Dieser Verdampfungsprozess erfordert zumindest ein Mehrkomponentenmodell, um damit die Verdampfung von Wasser und das thermische Aufbrechen von flüssigem Harnstoff (Thermolyse) zu Ammoniak und Isocyansäure zu modellieren.

11.6 Gesamtsystem

497

Der zweite Hauptbereich umfasst die Interaktion von Tropfen und festen Wänden. Hier kann je nach Aufprallgeschwindigkeit, Wand- und Tropfentemperatur zwischen Rückprall, Rückprall mit Tropfenverkleinerung oder Anhaften unterschieden werden. Der dritte Hauptbereich umfasst den Fall, dass Tropfen an der Wand haften bleiben und es dort zum Aufbau eines Wandfilms kommt. Für diesen Film müssen analog zum einzelnen Tropfen Bilanzgleichungen für den Austausch von Masse, Impuls, Energie und Spezies mit der Gasphase inklusive Mehrkomponentenverdampfung und Energieaustausch mit der Wand aufgestellt werden. Der vierte Bereich betrifft die Modellierung von chemischen Reaktionen. Hier ist neben den katalytischen SCR-Reaktionen (siehe Kapitel 6.5) die Hydrolyse von Isocyansäure zu Ammoniak zu erwähnen:

HNCO  H 2 O o NH3  CO 2

Als Beispiel einer Eindüsungssimulation ist in Abb. 11-13 die Verteilung und Größe von wässrigen Harnstofftropfen dargestellt. Ergebnisse dieser Art ermöglichen auf Basis einer Interpretation der Tropfenverteilung, der Wandfilmbildung sowie der Speziesverteilung in der Gasphase die Analyse und Bewertung der Wirkung unterschiedlicher Eindüsungskonzepte und Mischereinbauten auf die Ammoniakgleichverteilung vor Katalysatoreintritt.

Abb. 11-13: Tropfenverteilung und Tropfengröße einer wässrigen Harnstofflösung zwischen Düse und Eintritt des SCR Katalysators

11.6 Gesamtsystem Die Simulation gesamter Abgasanlangen hat zum Ziel, Systeme bestehend aus verschiedenen Katalysatoren, Dieselpartikelfiltern, Eindüsungsanlagen und Rohren in einem Gesamtmodell zu berechnen. Typische Fragestellungen betreffen die Größe und Anordnung der Komponenten, die Interaktion von Komponenten, das thermische Verhalten der gesamten Anlage, die Anwendung von Kontrollstrategien und vieles mehr. 1D-Simulationsmodelle haben sich als effektiv herausgestellt, um diese Fragestellungen innerhalb vertretbarer Berechnungsdauern zu untersuchen, vor allem deshalb, weil Gesamtsystembetrachtungen typischerweise für die Dauer von Fahrzyklen gemacht werden. Abb. 11-14 zeigt dazu die Ergebnisse von Fahrzyklusberechnungen eines Nutzfahrzeugabgassystems bestehend aus DOC, DPF, Harnstoffdosierung, SCR-Katalysator und Ammoniak-Schlupfkatalysator. Die Reaktionsmodelle in den einzelnen Komponenten sind mit Hilfe von experimentellen Daten (z. B. Light-Off-Kurven) kalibriert, gemessene Motorrohemissionen dienen als Eingangs-Randbedingung für die Gesamtsystemberechnung des European Steady Cycle (ESC) und des European Transient Cycle (ETC). Als Ergebnis der Berechnung werden in Abb. 11-14 für die untersuchten Fahrzyklen die akkumulierten NOx-

498

11 Abgasnachbehandlungssysteme

Emissionen gegenübergestellt. Berechnungen dieser Art erlauben es, Aussagen über die zu erwartenden Emissionen im Zyklusbetrieb zu machen, und bilden damit bereits in einer frühen Entwicklungsphase die Basis für die Untersuchung und Optimierung komplexer Abgasnachbehandlungssysteme.

Abb. 11-14: Berechnete und gemessene Akkumulierte NOx-Emissionen einer Nutzfahrzeugabgasanlage für den European Steady Cycle (oben) und den European Transient Cycle (unten)

Literatur Birkhold, F., Meingast, U., Wassermann, P., Deutschmann, O.: (2006): Analysis of the Injection of Urea-Water-Solution for Automotive SCR DeNOx-Systems: Modeling of Two-Phase Flow and Spray/Wall-Interaction. SAE Paper 2006-01-0643 Brinkmeier, C., Opferkuch, F., Tuttlies, U., Schmeißer, V., Bernnat, J., Eigenberger, G. (2005): Car exhaust fumes purification – a challenge for procedure technology. Chemie Ingenieur Technik, 77, 1333–1355 Depcik, C., Assanis, D. (2005): One-dimensional automotive catalyst modelling. Progress in Energy and Combustion Science 31 (2), S. 308–369 Dieterich, E. (1998): Systematische Bilanzierung und modulare Simulation verfahrenstechnischer Apparate. Wissenschaftsverlag Aachen, Doktorat, Universität Stuttgart Froment, G. und Bishoff, K. B.(1990): Chemical Reactor Analysis and Design. Wiley & Sons Inc. AVL (2010): BOOST Aftertreatment User Guide. Kirchner, T., Eigenberger, G. (1997): On the dynamic behaviour of automotive catalysts. Catalysis Today 38, 3-12 Masoudi, M. (2006): Bosch Urea Dosing Approach for Future Emission Legislature for Light and Heavy Duty SCR Applications. 9th DOE Crosscut Workshop on Lean Emissions Reduction Simulation, University of Michigan Ogyu, K., Ohno, K., Sato, H., Hong, S., Komori, T. (2004): Ash Storage Capacity Enhancement of Diesel Particulate Filter. SAE Paper 2004-01-0949 Perry, R. H., Green, D. W. (1997): Perry’s Chemical Engineers’ Handbook. Chemical Engineering Series, 7th ed., McGraw-Hill International Peters, B., Wanker, R., Muenzer, A., Wurzenberger, J. C. (2004): Integrated 1d to 3d Simulation Workflow of Exhaust Aftertreatment Devices. SAE Paper 2004-01-1132 Wurzenberger, J. C., Auzinger, G., Heinzle, R., Wanker, R. (2006): 1D Modelling of Reactive Fluid Dynamics, Cold Start Behavior of Exhaust Systems. SAE Paper 2006-01-1544 Wurzenberger, J. C., Kutschi, S. (2005): Advanced Simulation Technologies for Diesel Particulate Filters – A Modeling Study on Asymmetric Channel Geometries. SAE Paper 2007-01-1137

499

12

Gesamtprozessanalyse

12.1 Allgemeines Als Gesamtprozessanalyse versteht man die Simulation gesamtheitlicher Motorkonfigurationen unter stationären und transienten Betriebsbedingungen. Die Modellierung setzt dabei als Basis auf den Motorgrundbausteinen, wie z. B. Zylinder, Behälter, Rohre, Blenden bzw. Drosseln und Aufladeaggregaten, die in Kapitel 9 beschrieben sind, auf. Da die Arbeitsprozessrechnung im Zylinder nur indizierte Größen liefert, müssen geeignete Ansätze für die Reibung des Motors in das Gesamtsimulationsmodell integriert werden. Zusätzlich muss das Verhalten des Öl- und Kühlkreislaufes berechnet werden, um bei thermisch instationären Vorgängen eine Berechnung des Reibmomentes möglich zu machen, da der Einfluss von Öl- und Kühlwassertemperaturen auf das Reibmoment des Motors beträchtlich ist. Hinzu kommen noch Modelle, mit denen eine Simulation der an den Verbrennungsmotor angeschlossenen Verbraucher möglich ist, um möglichst exakt die Randbedingungen für die Verbrennungskraftmaschine beschreiben zu können. Das Verhalten des Antriebssystems und z. B. die Abstimmung der Aufladeeinheit im Rahmen von reproduzierbaren Fahrzyklen können damit realitätsgetreu nachgebildet werden. Zudem kann der Einfluss von einzelnen Komponenten innerhalb des Gesamtsystems durch eine geänderte Verschaltung im Modell oder durch eine Änderung von Parametern oder von Kennfeldern für jede einzelne Komponente herausgearbeitet werden. Dies gilt besonders für die Auswahl von Aufladekomponenten und für einen eventuellen Vergleich unterschiedlicher Aufladekonzepte bei instationären Vorgängen, bei denen eine möglichst realitätsnahe Beschreibung der Einzelkomponenten mit einer entsprechend großen Modelltiefe Voraussetzung ist. Diese große Modelltiefe, ohne die Einzeleinflüsse nicht mehr exakt herausgearbeitet werden können, setzt ihrerseits sehr hohe Rechenzeiten voraus. Die Beschreibung dieser Motorperipherie sowie ausgewählte Beispiele für stationäre und instationäre Ergebnisse von Berechnungen am Verbrennungsmotor sind Gegenstand dieses Kapitels.

12.2 Thermisches Motorverhalten 12.2.1 Grundlagen Um das thermische Verhalten eines Motors, z. B. den Warmlauf, beschreiben zu können, müssen sowohl der Ölkreislauf als auch der Kühlkreislauf modelliert werden (vgl. Abb. 12-1). Beide stehen zudem über einen Austausch von Wärme im Zylinderkopf, im Motorblock und in gegebenenfalls vorhandenen Öl-Wasser-Wärmetauschern in Verbindung. Die hauptsächliche Wärmezufuhr erfolgt über den bei der Verbrennung entstehenden Wandwärmestrom. Im Motorblock wird dieser Wärmestrom aufgeteilt, wobei der größte Teil durch die Wand der Zylinderbüchse und den Zylinderkopf an das Kühlwasser abgegeben wird. Ein geringer Anteil wird von den Brennraumwänden und durch die Kühlung der Kolben an das Motoröl abgeführt. Bei einem abgasturboaufgeladenen Motor wird ein zusätzlicher Wärmestrom vom Turbolader an das Öl übertragen. Da die Reibleistung in den Lagern des Motors ebenfalls über das Öl in Form von Wärme abgeführt wird, fällt hier ein weiterer Wärmestrom in das Öl ein. G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_12, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

500

12 Gesamtprozessanalyse

Abgeführt wird die Wärme aus dem Ölkreislauf hauptsächlich über die Ölwanne an die Umgebung und – falls vorhanden – durch den Ölkühler an das Kühlwasser. Außerdem wird vom Kühlwasser die Wärme über den Fahrzeugkühler an die Umgebung abgegeben. Für die instationäre Betrachtungsweise müssen die in den einzelnen Kreisläufen enthaltenen Wasser- bzw. Ölmassen und das Wärmespeicherverhalten der Wände berücksichtigt werden. So strömt bei kaltem Motor nur sehr wenig Wärme von der Brennraumwand an den Kühlwasserkreislauf, da sich zunächst der Motorblock erwärmt. Die Wärmeabfuhr vom Kühlwasser an die Umgebung beginnt ebenfalls erst, wenn der Motor selbst schon seine normale Betriebstemperatur erreicht hat. Q Umgebung

Q Umgebung Ölwanne

Kühler

Q Kühler

Kühlkreislauf

Q Ölwanne

Q Ölkühler

Q Kw

Ölkreislauf Q Öl

Motorblock

Q ATL Turbolader

Reibung

Q Brennraum Abb. 12-1: Wärmeströme in einem Verbrennungsmotor

Eine Modellierungsmethode zur Simulation des Thermischen Verhaltens von Kühlwasserund Ölkreislauf wurde von Reulein (1998) vorgestellt. Hierbei werden die Kreisläufe modular aus einer Kombination aus Druckbehältern und Rohrleitungen sowie entsprechenden Modulen für die Zusatzkomponenten wie Wasserpumpe, Ölpumpe, Wärmetauscher und Thermostat aufgebaut.

12.2.2 Kühlkreislauf Abb. 12-2 zeigt am Beispiel eines abgasturboaufgeladenen Verbrennungsmotors den Kühlwasserkreislauf als Blockschaltbild. Das Kühlwasser wird von der Wasserpumpe (1) durch den Motorblock (2) gefördert. Anschließend teilt sich der Massenstrom abhängig von der Stellung des Thermostaten (8) in die Kreislaufteile Heizung (7), Kühler (6) und Kurzschluss (3) auf. Vom Kurzschlussmassenstrom wird noch ein Teil des Massenstroms zur Durchströmung des Ölkühlers (5) abgeführt. Die Regelung der Kühlwassertemperatur erfolgt durch den Thermostaten. Zur Förderung des Kühlwassers werden in der Regel einstufige Kreiselpumpen verwendet. Der Förderstrom der Pumpe ist abhängig von ihrer Drehzahl und den Strömungsverhältnissen am Ein- und Austritt des Laufrades. Als Eingangsgröße für die Simulation dienen die entsprechenden Kennfelder, die in der Regel vom Pumpenhersteller zur Verfügung gestellt werden. Die Regelung der Kühlmitteltemperatur erfolgt durch einen Thermostaten. Neben den Zweiwegethermostaten, die nur den Massendurchfluss durch den Kühler beeinflussen, werden auch Dreiwegethermostate eingesetzt. Bei Dehnstoffthermostaten wird der Dehn-

12.2 Thermisches Motorverhalten

501

stoff von Kühlwasser umströmt. In modernen Verbrennungsmotoren werden auch Kennfeldthermostate eingesetzt, die in Abhängigkeit vom Betriebszustand des Motors die Kühlwassertemperatur einregeln.

7 Heizung

5

Kurzschluss 3

Kurzschluß 6

Ölkühler Kurzschluss

4 Kurzschluß

Kühler Thermostat

2

Motorblock

8

1 Wasserpumpe

Abb. 12-2: Blockschaltbild des Kühlwasserkreislaufs

Das Verhalten eines Thermostaten kann in der Modellierung des Kühlkreislaufs durch eine Verzweigung des Rohrleitungssystems mit variablen Leitungsquerschnitten in den Abschnitten beschrieben werden. Die Ansteuerung der Thermostaten erfolgt dabei über Kennlinien. Zur Wärmeabfuhr an die Umgebung und für die Fahrzeugheizung werden Wasser-Luft Wärmetauscher eingesetzt, die entweder als Rippenrohr- oder Lamellenkühler ausgeführt sind. Motoren höherer Leistungsdichte und abgasturboaufgeladene Motoren benötigen zusätzlich Ölkühler, die ihre Wärme entweder an das Kühlwasser oder direkt an die Umgebung abgeben. Auch hier kann das Verhalten durch entsprechende Kennfelder, die der Kühlerhersteller zur Verfügung stellt, beschrieben werden.

12.2.3 Ölkreislauf Der schematische Aufbau des Ölkreislaufs eines abgasturboaufgeladenen Verbrennungsmotors ist in Abb. 12-3 dargestellt. Das Motoröl wird von der Ölpumpe aus der Ölwanne gefördert und durchläuft das Ölfilter und den Ölkühler. Das gekühlte Motoröl wird von der im Motorblock verlaufenden Hauptölbohrung über Stichkanäle an die einzelnen Lagerstellen geleitet. Die Schmierung des Turboladers erfolgt über eine zusätzliche Ölleitung. Die Regelung des Öldrucks bei einem betriebswarmen Motor erfolgt über eine Bypassleitung. Zusätzlich ist zum Schutz gegen zu hohe Öldrücke bei kaltem Motor in die Ölpumpe ein Überdruckventil integriert. Sowohl vom Motorblock als auch vom Turbolader gelangen Wärmeströme in den Ölkreislauf. Die Richtung des im Ölkühler übertragenen Wärmestroms ist abhängig vom momentanen Betriebszustand des Motors. Bei warmem Motor wird Wärme an das Kühlwasser abgegeben, während der Warmlaufphase nimmt das Motoröl vom Kühlwasser Wär-

502

12 Gesamtprozessanalyse

me auf. Eine zusätzliche Kühlung des Öls erfolgt durch die Wärmeabfuhr von der Ölwanne an die Umgebungsluft. Mit den von Reulein (1998) beschriebenen Rechenmodellen können auch beliebige Ölkreisläufe als Simulationsmodell modular aufgebaut werden.

Ölfilter

Q ÖK

Ölkühler

QATL

Q MOT Überdruckventil

Ölpumpe

Motorblock

1

Bypass

Turbo lader

Abb. 12-3: Blockschaltbild des Ölkreislaufs

Ölwanne Q ÖW

Zur Förderung des Motoröls werden in der Regel Zahnradpumpen verwendet. Ähnlich der Vorgehensweise bei der Simulation von Kühlwasserkreisläufen kann das Förderverhalten der Pumpen aus Kennfeldern in Abhängigkeit von der Motordrehzahl und der Öltemperatur bestimmt werden

12.3 Motorreibung 12.3.1 Reibungsansatz für den betriebswarmen Motor Bei Schwarzmeier (1992) ist ein Ansatz für die Reibung eines Verbrennungsmotors anhand von experimentellen Untersuchungen einzelner Tribosysteme erarbeitet worden. Die Berechnung des Reibmitteldruckes des Motors erfolgt nach folgender Gleichung

p mr

· § c ¸ ¨ c p mrx  C1 ¨ m  mx ¸ 1 , 66 1 , 66 ¨ TZylw TZylwx ¸ ¹ © · § ª p d ˜ n 2  d ˜ n x 2 º» ¸ ¨ p  C 2 ¨ me  mex ¸  C3 « 1,66 1,66 ¸ 1,66 » « T 1,66 ¨ TZylw TÖlx TZylwx ¬ Öl ¼ ¹ ©

>

,35  C 4 1  0,012 c m p me1,35  1  0,012 c mx p1mex



 C5 n 2  n x2



@

(12.1)

12.3 Motorreibung

503

mit den Konstanten C1 C2 C3 C4 C5 xk cl

64,0 z 12

30 ˜10 3 z

15 ˜10 3

Pnenn x k z 0,6 3 V H n nenn

 cl ila 2 z dl 2

0,1  0,07 Pe0,04 0,14 ˜ 10 6 .

Im Einzelnen berücksichtigt der erste Teil des Ansatzes (Term mit der Konstante C1 ) die Reibung der Kolbengruppe in Abhängigkeit von der Gleitgeschwindigkeit und Temperatur des Ölfilms zwischen Kolben und Zylinderwand, der zweite Teil ( C 2 ) den Reibungsanteil der Kolbengruppe in Abhängigkeit von Motorlast und Ölfilmtemperatur zwischen Kolben und Zylinderwand, der dritte Gleichungsanteil ( C3 ) das Reibungsverhalten von Grund- und Pleuellagern in Abhängigkeit von Öltemperatur, Motordrehzahl und Lagergeometrie, die öltemperaturabhängige Ölpumpenarbeit und die Ventilationsverluste des Kurbeltriebs. Der vierte Teil des Ansatzes gibt den last- und drehzahlabhängigen Einfluss der Einspritzpumpe wieder und der letzte Teil den Leistungsbedarf der Nebenaggregate, Kühlmittelpumpe und Kühlgebläse, der vor allem von Drehzahl und Geometrie des Gebläses bestimmt wird. Zur Vorausberechnung des Reibmitteldrucks eines beliebigen Betriebspunkts ist die Kenntnis von Reibmitteldruck p mrx , effektivem Mitteldruck p mex , mittlerer Kolbengeschwindigkeit c mx , reibungsrelevanter Zylinderwandtemperatur TZylwx , Motordrehzahl n x , Schmieröltemperatur TÖlx und Kühlwassertemperatur TKWx an einem Bezugspunkt notwendig (Index x ).

TZylwx  f1 c m  c mx  f 2 p me  p mex  f 3 TKW  TKWx

Die reibrelevante Zylinderlaufflächentemperatur berechnet sich nach

TZylw

(12.2)

mit f1 1,6; f 2 1,5 und f 3 0,8 . Der Gültigkeitsbereich des Ansatzes wird für Öltemperaturen über 40 °C angegeben.

12.3.2 Reibungsansatz für den Warmlauf Zur Berechnung der Reibung eines Motors unterhalb von 40 °C, wie es für Aussagen zum Warmlaufverhalten nötig ist, wurde der Ansatz von Reulein (1998) erweitert. Bereits bei Schwarzmeier (1992) wurde vorgeschlagen, den Einfluss der Motorlast auf die Lagerreibung bei niedrigen Öltemperaturen über

p mrL

C a TÖl

p me

(12.3)

504

12 Gesamtprozessanalyse

einzubeziehen. Damit ergibt sich für den Reibungsansatz unter Berücksichtigung des thermischen Verhaltens

p mr

§ c ¨ c p mrx  C1 ¨ m  mx 1 , 68 1,68 ¨ TZylw TZylwx © ª d n 2 d n x 2 º»  C3 «  1, 49 » « T 1,49 TÖlx ¼ ¬ Öl

>

§ · p mex ¨ p me ¸ C  2 ¨ 1,68  1,68 ¸ ¨ TZylw TZylwx ¸ © ¹

,35 ,35  C 4 1  0,012 c m p1me  1  0,012 c mx p1mex





§ p p  C5 n 2  n x2  C 6 ¨¨ me  mex 1 , 49 1, 49 ¨T TÖl © Öl

@

· ¸ ¸ ¸ ¹

(12.4)

· ¸. ¸¸ ¹

Entsprechend dieser Änderungen müssen auch die Koeffizienten der übrigen Glieder angepasst werden C1 C2 C3 C4 C5 C6 xk

44 z 31

22 ˜10 3 z

6 ˜10 3

Pnenn xk z 0,96 3 V H n nenn

1,9

0,13  0,07 Pe0,03

Die reibrelevante Zylinderlaufflächentemperatur TZylw wird nach Gl. (12.2) berechnet. Für eine Drehzahl von 2.300 U/min und ein Drehmoment von 40 Nm ist in Abb. 12-4 der Einfluss der Kühlwasser- und Öltemperatur auf den Reibmitteldruck für einen 1,9 l turboaufgeladenen, direkteinspritzenden Dieselmotor dargestellt. Deutlich zu erkennen ist, dass der Einfluss der Öltemperatur wesentlich größer ist als der der Kühlwassertemperatur. Mit dem vorgestellten Rechenmodell ist es möglich, in Abhängigkeit von den betriebspunktspezifischen und den thermischen Zuständen des Motors den Reibmitteldruck im transienten Betrieb vorauszuberechnen. Jedoch stehen die thermischen Zustände und die Reibung in einem engen Zusammenhang, da ein nicht unwesentlicher Anteil der Reibung als Wärme an das Motoröl abgeführt wird. Dieser Anteil kann aus dem Ansatz von Schwarzmeier (1992) ermittelt werden, wenn man die Einzelanteile des Ansatzes auf ihren Beitrag zur Erwärmung des Motoröls untersucht.

12.4 Stationäre Simulationsergebnisse

505

Reibmitteldruck [bar]: 2,25 - 2,40 2,10 - 2,25 1,95 - 2,10 1,80 - 1,95 1,65 - 1,80 1,50 - 1,65 1,35 - 1,50 1,20 - 1,35

Reibmitteldruck [bar]

2,40 2,25 2,10 1,95 1,80 1,65 1,50 1,20

293 303 313 323 333 343 353 363 373 383

1,35

Öltem peratu r [K]

373 363 ] 353 [K 343 tur a r 333 pe 323 em 313 ert s s 303 a 293 hlw Kü

Abb. 12-4: Reibkennfeld gerechnet 1,9 l Dieselmotor bei 2.300 1/min, 40 Nm

Der reibrelevante Ölwärmestrom entsteht zum größten Teil durch die Lagerreibung an Nocken- und Kurbelwelle, die Reibung der Kolbengruppe und die Erwärmung des Öls aufgrund der verlustbehafteten Förderung durch die Ölpumpe. Somit kann Q Reib

­ V H n 10 5 ° ®k p mrx 120 ° Öl ¯ § p ¨ p  C 2 ¨ me  mex 1 , 68 1,68 ¨ TZylw TZylwx ©

· § c ¸ ¨ c  C1 ¨ m  mx ¸ 1 , 68 1 , 68 ¨ TZylw TZylwx ¸ ¹ ©

· ª d n 2 d n x 2 º» ¸ « C   3 ¸ 1, 49 » « T 1,49 ¸ TÖlx ¼ ¬ Öl ¹ ·½ § p p °  C 6 ¨¨ me  mex ¸¸¾ 1 , 49 1 , 49 ¨T TÖl ¸¹° © Öl ¿

(12.5)

für die Berechnung des reibrelevanten Ölwärmestroms verwendet werden. Hierbei muss noch der Anteil k Öl des am Auslegungspunkt an das Motoröl übertragenen Wärmestroms an der gesamten Reibleistung bekannt sein. Ein Wert für k Öl von 0,33 kann nach Reulein (1998) als erste Abschätzung für einen schnelllaufenden Pkw-Dieselmotor gewählt werden. Damit ist es möglich den Wärmeeintrag, der sich aus der Reibung des Motors ergibt, für eine Warmlaufrechnung zu bestimmen.

12.4 Stationäre Simulationsergebnisse Die stationäre Prozessrechnung wird in erster Linie zur Parametervariation verwendet. Damit können Erklärungen für aufgetretene Phänomene gefunden oder gezielte Aussagen über den Einfluss einzelner Parameter erhalten werden, die im Versuch nur schwer unabhängig von anderen Parametern variiert werden können. Dies ist einer der besonderen Vorteile der realen Arbeitsprozessrechnung. Vor allzu unkritischen Parameterstudien muss allerdings gewarnt werden, denn nicht alle Eingabegrößen sind physikalisch voll-

506

12 Gesamtprozessanalyse

kommen unabhängig voneinander. So ändert sich z. B. mit dem Verdichtungsverhältnis meist auch der Verbrennungsablauf. Man unterscheidet bei den Ergebnisgrößen zwischen über ein Arbeitsspiel gemittelten Größen – wie der indizierte Mitteldruck oder der indizierte Verbrauch – oder Größen, deren Verlauf über Grad Kurbelwinkel dargestellt ist. Hinzu kommen noch Größen, die einen Maximalwert anzeigen – wie der Spitzendruck oder die Spitzentemperatur. „ Lastvariation beim gedrosselten Ottomotor

Als erstes Beispiel soll eine Variation der Last beim Ottomotor untersucht werden. Beim untersuchten Motor handelt es sich um einen 6-Zylinder-Motor mit 3 l Hubraum, der mit den in Kapitel 9.4 beschriebenen Ansätzen zur Beschreibung der Gasdynamik berechnet wurde. Als Drehzahl für diesen Betriebspunkt wurde 2.000 U/min gewählt. Die Steuerzeiten hierfür sind konventionell.

Zylinderdruck [bar]

Abb. 12-5 zeigt die Ladungswechselschleifen im p, V-Diagramm für den ersten Zylinder ausgehend von einem indizierten Mitteldruck von 2 bar, von 5 bar und bei Volllast, was einem indizierten Mitteldruck von ca. 11 bar entspricht. Man erkennt, dass mit abnehmender Last die Ladungswechselverluste deutlich zunehmen, da zur Lastregelung im Saugsystem des Motors durch die Drosselklappe ein Unterdruck aufgebaut werden muss. Dieser Druck prägt sich kurz nach dem Öffnen des Einlassventils auch dem Zylinder auf. 6-Zyl. Ottomotor: 2000 min-1 2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 Zylindervolumen [dm3]

gedrosselt pmi = 11 bar gedrosselt pmi = 5,2 bar gedrosselt pmi = 2,2 bar

0,50

0,60

Abb. 12-5: Ladungswechselschleifen bei unterschiedlicher Last

In Abb. 12-6 oben sind für den indizierten Mitteldruck von 2 bar der berechnete Zylinderdruck, sowie die berechneten Drücke im Ansaug- und Abgaskanal des betrachteten Zylinders eingezeichnet. Deutlich zu erkennen sind die Druckschwingungen in den Saugund Abgaskanälen des Motors. In Abb. 12-6 unten sind die Massenströme durch die Ventile dargestellt. Wie schon an den Druckverläufen zu sehen war, kommt es kurz vor dem Schließen des Auslassventils zu einem Rückströmen von Abgas in den Zylinder.

12.4 Stationäre Simulationsergebnisse

3

gedrosselter 6-Zyl. Ottomotor: 2000 min-1 / pmi = 2 bar Zylinderdruck

2,5 Druck [bar]

507

Saugrohrdruck

2

Abgasgegendruck

1,5 1 0,5 0 30

Einlassmassenstrom Auslassmassenstrom

25 Massenstrom [g/s]

20 15 10 5 0 -5 -10 -15

0

90

180

270 360 450 Grad Kurbelwinkel

540

630

720

Abb. 12-6: Drücke und Massenströme für den Lastpunkt pmi

2 bar

„ Untersuchungen zu vollvariablen Ventiltrieben Abb. 12-7 zeigt zwei Ladungswechselschleifen eines 6-Zylinder-Ottomotors mit 3 l Hubraum, der mit einem vollvariablen mechanischen Ventiltrieb ausgestattet ist. Bei diesem Betriebspunkt besitzt der Motor eine Drehzahl von 2.000 U/min und einen indizierten Mitteldruck von 2 bar. Gegenübergestellt sind diese beiden Kurven einer Ladungswechselschleife für einen konventionellen gedrosselten Motor im gleichen Betriebspunkt. Da der maximale Ventilhub für diesen Betriebspunkt unter einem Millimeter liegt, kann über die Einlassseite praktisch kein Restgas ausgeschoben und später wieder angesaugt werden. Ein Ansaugen von Restgas ist nur über das Auslassventil möglich. Die beiden dargestellten Betriebspunkte unterscheiden sich durch einen unterschiedlichen Restgasanteil von ca. 17 % und 35 %. Möglich ist dies durch eine Auslassspreizung von 90 °KW für den 17-%-Restgaspunkt und von 50 °KW für den 35-%-Punkt. Der gedrosselte Betriebspunkt besitzt einen Restgasanteil von ebenfalls 17%. Deutlich zu erkennen ist die Verringerung der Ladungswechselarbeit beim vollvariablen Ventiltrieb bei den beiden restgasgleichen Betriebspunkten. Dies wirkt sich in einer Verbesserung des indizierten Verbrauches in diesem Betriebspunkt von ca. 6 bis 7 % aus. Bei einer weiteren Entdrosselung durch Restgas ergibt sich ein größeres Verbrauchspotenzial. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass ein Teil des Ladungswechselpotenzials durch eine stark verzögerte Verbrennung wieder kompensiert wird.

12 Gesamtprozessanalyse

Zylinderdruck [bar]

508 Betriebspunkt 2000 min-1, pmi = 2 bar 2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0 0,00 0,10 0,20 0,30 0,40 Zylindervolumen [dm 3]

Minihub 35% xRG Minihub 17% xRG gedrosselt 17% xRG

0,50

0,60

Abb. 12-7: Ladungswechselschleifen vollvariabler mechanischer Ventiltrieb

„ Abgasrückführung bei einem abgasturboaufgeladenen Pkw-Dieselmotor Abb. 12-8 zeigt das Schaltbild eines Motors mit Ladeluftkühlung und Abgasrückführung. Bei der Abgasrückführung wird – sofern das Spüldruckgefälle größer als 1 ist – über ein eigens angesteuertes Ventil zwischen Motoraus- und -eintritt Abgas vor das Einlassventil zurückgeführt. Die maximal rückführbare Abgasmenge hängt dabei vom Spüldruckverhältnis des Motors ab. Eine Rückführung des Abgases vor den Verdichter oder vor den Ladeluftkühler ist nicht möglich, da zum einen die Eintrittstemperaturen in den Verdichter sehr groß werden und zum anderen die im Abgas mitgeführten Ölbestandteile etc. den Verdichter oder den Ladeluftkühler verkleben würden.

p2, T2 LLK

Sammler AGR T2'

T2 p3, T3 Abb. 12-8: Schaltbild eines Motors mit Abgasrückführung

Abb. 12-9 zeigt für eine mittlere Drehzahl von 3.000 U/min die Motorschlucklinie für eine Temperatur von 313 K, die der Temperatur nach dem Ladeluftkühler entsprechen soll und konstant gehalten wird. Diese Linie (grob gestrichelt) verläuft zwischen den zusätzlich eingezeichneten Linien für konstante Temperaturen vor dem Einlassventil von 293 bis 393 K. Das Spüldruckverhältnis wird konstant zu 1,25 angenommen. Unterhalb eines Verdichterdruckverhältnisses von 1,6 wird die Abgasrückführrate linear von 0 % auf 36 % bei einem Verdichterdruckverhältnis von 1 gesteigert. Der in den Motor angesaugte Massenstrom verringert sich jedoch zunächst aufgrund der Zunahme der Mischungstemperatur

12.4 Stationäre Simulationsergebnisse

509

bei Abgasrückführung. Die Auswirkung der reinen Temperaturzunahme zeigt die fein gestrichelte Linie. Zusätzlich wird jedoch der vom Verdichter geförderte Massenstrom durch den rückgeführten Abgasmassenstrom verringert. Die durchgezogene Linie beschreibt den Massen- bzw. bezogenen Volumenstrom durch den Verdichter. Die Differenz zwischen der Motorschlucklinie bei der jeweiligen Mischungstemperatur (fein gestrichelt) und der Verdichterschlucklinie entspricht dem rückgeführten Abgasmassenstrom. Man erkennt eine deutliche Verlagerung der Verdichterschlucklinie nach links zur Pumpgrenze, die einerseits durch die Temperaturerhöhung und andererseits durch die zusätzlich rückgeführte Abgasmasse bedingt wird. n = 3000 U/min, pZ = 1.25, TUmg = 293 K

V

V AGR . V m M, 293 K . m M, 313 K . m M, 333 K . m M, 373 K . m M, 393 K

bez

Abb. 12-9: Unterschiede zwischen Motor- und Verdichterschlucklinie bei Abgasrückführung

Zur Verdeutlichung der obigen Aussagen ist in Abb. 12-10 die Auswirkung der Abgasrückführung für einen 4-Zylinder-Dieselmotor mit 1,9 l Hubraum und Abgasturboaufladung dargestellt. Die Ergebnisse sind durch eine Simulation des gesamten Motors berechnet. Die pro Arbeitsspiel eingespritzte Kraftstoffmasse und die Motordrehzahl wurden dabei durch einen speziell abgestimmten Drehzahlregler konstant gehalten. Die Diagramme zeigen die Auswirkungen einer Verstellung des Abgasrückführventils auf den zeitlichen Verlauf von motorspezifischen Größen, ausgehend von einem stationären Betriebszustand des Motors bei einer Drehzahl von 2.000 U/min und einer Abgasrückführrate von 0 %. Ab 5 s wird das Abgasrückführventil, wie Abb. 12-10 unten zeigt, linear geöffnet, bis bei ca. 20 s dieses Ventil vollständig geöffnet ist. Ab ca. 25 s wird das Ventil linear bis ca. 60 s geschlossen. Dieser Vorgang läuft sehr langsam ab, weshalb die Zustände als quasistationär betrachtet werden können. Mit der Zunahme der Ventilöffnung gleichen sich die Drücke vor der Turbine und nach dem Verdichter an, sinken aber insgesamt ab, da die Turbinenleistung durch die Druckabsenkung überproportional gegenüber der Abgastemperaturzunahme absinkt. Die Ansaugtemperatur vor dem Motor steigt mit zunehmender Abgasrückführung an, weshalb der Massenstrom in den Motor mit den bekannten Auswirkungen auf den Abgasgegendruck und auf die Turboladerdrehzahl zusätzlich zurückgeht. Das Verbrennungsluftverhältnis wurde über die maximale Drosselquerschnittsfläche des Abgasrückführungsventils auf minimal 1,3 begrenzt. Den Verlauf der Massenströme durch den Verdichter und in den Motor sowie die rückgeführte Abgasmasse zeigt Abb. 12-10 links. Auch das indizierte Motormoment M i (Abb. 12-10,

510

12 Gesamtprozessanalyse

rechts) bricht aufgrund der Abnahme des Verbrennungsluftverhältnisses durch die Abgasrückführung mit den bekannten Auswirkungen auf den Kompressions- und Brennverlauf sowie auf die Zustandsgrößen im Zylinder bei einer konstanten Drehzahl und eingespritzten Kraftstoffmasse in der erwarteten Weise ein. Deutlich zu erkennen ist auch der mit dem Einbruch des Verdichterdruckverhältnisses verbundene Einbruch der Verdichterdrehzahl n Atl . Hier ist die genaue Kenntnis des Verdichterkennfeldes in Bereichen niedriger Drehzahlen sehr wichtig.

Abb. 12-10: Auswirkung der Verstellung des Abgasrückführventils auf die motorspezifischen Größen

Abb. 12-11 zeigt das extrapolierte Kennfeld des für den untersuchten Motor verwendeten Verdichters. In dieses Kennfeld ist der Verlauf der Verdichter- und Motorschlucklinie für den in Abb. 12-10 dargestellten Verlauf der Abgasrückführung eingetragen. Man erkennt, dass die Verdichterschlucklinie um den rückgeführten Abgasmassenstrom nach links verschoben ist und mit zunehmender Rückführrate deutlich zu niedrigeren Druckverhältnissen und Verdichterdrehzahlen absinkt. Ein instationärer Beschleunigungsvorgang muss deshalb bei einem weitaus niedrigeren anfänglichen Ladedruckniveau beginnen, was teilweise zu einer erheblichen Verzögerung des Ansprechverhaltens führt.

12.5 Transiente Simulationsergebnisse

511

Abb. 12-11: Vorgang der Abgasrückführung im Verdichterkennfeld

12.5 Transiente Simulationsergebnisse Im Folgenden sollen exemplarisch einige Ergebnisse zur Simulation von transienten Vorgängen am Verbrennungsmotor gezeigt werden. Hierbei werden Vorgänge der Lastaufschaltung bei Stationärmotoren, die Simulation von instationären Vorgängen an Fahrzeugmotoren bis hin zur Berechnung von gesamten Fahrzyklen betrachtet. „ Beschleunigung eines NFZ von 0 auf 80 km/h

Bei dem hier untersuchten Nutzfahrzeugdieselmotor handelt es sich um einen 6-ZylinderReihenmotor mit ca. 12 l Hubraum. Dieser Motor treibt ein Nutzfahrzeug mit einer Gesamtmasse von 40 Tonnen an. Die dem Vergleich von Messung und Rechnung zugrunde liegenden Messdaten wurden an einem dynamischen Motorprüfstand ermittelt. Dargestellt ist jeweils der Vergleich zwischen der Messung (durchgezogen) und der Berechnung (gestrichelt). Das Lastmoment des Fahrzeuges und die Schaltvorgänge werden dem Motor dabei von einer geregelten Bremse aufgeprägt. Für die Simulationsrechnung wird der komplette Antriebsstrang so abgebildet, dass das Lastmoment am Motor für die Simulationsrechnung dem Bremsenmoment der Messung entspricht. Abb. 12-12 zeigt eine freie Beschleunigung des Nutzfahrzeuges aus dem Stillstand mit Anfahren und Hochschalten bis zum Erreichen einer Geschwindigkeit von 80 km/h. Die Drehzahl für den Gangwechsel ist bei exakt 1.900 U/min festgelegt. Für die Simulation wird zu Beginn der Berechnung eine Sollgeschwindigkeit von 80 km/h vorgegeben. Das Anfahren und der Gangwechsel bei 1.900 U/min werden im weiteren Verlauf der Berechnung vom Fahrerregler selbstständig durchgeführt. Aus diesem Grunde ist der Übereinstimmung von Messung und Rechnung besondere Beachtung zu schenken, da die Schalt-

512

12 Gesamtprozessanalyse

zeitpunkte bei der Messung und bei der Simulationsrechnung praktisch exakt zur gleichen Zeit erreicht werden, was bei den Kriterien einer fest vorgegebenen Schaltdrehzahl und der asymptotischen Annäherung an diese Drehzahl bei höheren Gangstufen von einer hohen Simulationsgüte zeugt. Die Übereinstimmung aller Größen des Messungs-Rechnungs-Vergleiches in Abb. 12-12, der pro Arbeitsspiel eingespritzten Kraftstoffmasse, des Luftmassenstroms durch den Verdichter, des Verbrennungsluftverhältnisses, des effektiven Moments und der bereits angesprochenen Motordrehzahl, untermauern die Aussagekraft der Simulation. Auch Größen wie die Abgastemperatur, die Drücke vor und nach dem Verdichter sowie vor der Turbine, die Turboladerdrehzahl und die erreichte Fahrgeschwindigkeit weisen nur geringe Abweichungen zwischen Messung und Rechnung auf, was eine korrekte und realitätsnahe Vorgehensweise bei der Simulation der Aufladeaggregate und des gesamten Motors bestätigt.

Abb. 12-12: Freie Beschleunigung 40-Tonnen-Nutzfahrzeug

„ Volllast-Beschleunigung beim turboaufgeladenen Ottomotor

Im folgenden Abschnitt ist eine Berechnung des Beschleunigungsverhaltens eines 4-Zylinder-Motors mit einem Hubvolumen von 2 Litern, Direkteinspritzung und Abgasturboaufladung in einem Mittelklassefahrzeug dargestellt. Der Motor verfügt über einen Phasensteller mit einem großen Verstellbereich für beide Nockenwellen und kann für die Modellierung sowohl mit einem „4-in-1-Abgaskrümmer“ mit einer Monoscroll-Turbine als auch mit einem „4-in-2-Krümmer“ mit einer Twinscroll-Turbine bestückt werden. Da

12.5 Transiente Simulationsergebnisse

513

es sich um ein Konzept mit stöchiometrischer Verbrennung handelt, besitzt der Motor eine Drosselklappe, die nach dem Ladeluftkühler angeordnet ist. In Abb. 12-13 sind Beschleunigungsverläufe im 4. Gang bei einer Startdrehzahl von 1.500 U/min dargestellt. Bei ca. 1 s erfolgt der Volllastwunsch. Deutlich zu erkennen ist der relativ schnelle Aufbau des Grunddrehmomentes nach dem Befüllen des Sammlers. Dargestellt sind 5 unterschiedliche Konfigurationen, bei denen das Ansprechverhalten deutlich unterschiedlich ist. Bei der ersten sind die für die Teillast optimierten Ventilsteuerzeiten (ausgedrückt durch die Spreizung – also die Lage des Maximums der Ventilerhebungskurve) beibehalten. Zudem ist das Konzept mit einem 4-in-1-Krümmer ausgestattet. Bei dieser Konfiguration (1) ist der Aufbau des Drehmoments am schlechtesten. Dies liegt an der ungünstigen Beeinflussung des Ladungswechsels durch den Abgasstoß des jeweils zuvor zündenden Zylinders und die nicht darauf abgestimmten Ventilhubkurven. Bei der zweiten Konfiguration (2) wird kurz nach dem Befüllen des Saugrohres auf die für die Volllast optimierten Spreizungen umgeschaltet. Dabei werden realistische Schaltzeiten in der Modellierung berücksichtigt. Deutlich zu erkennen ist ein schnellerer Drehmomentaufbau, da mit den optimierten Steuerzeiten die Füllung verbessert und das im Zylinder verbleibende Restgas verringert werden kann. (5)

Drehmoment [Nm]

300

(2) 200

(1)

(3) (4) 100

0

1

2

Zeit [s]

3

4

Abb. 12-13: Konzeptvergleich am aufgeladenen 4-Zylinder-Motor

Beim Großdieselmotor wird das Prinzip des Umblasens verwendet. Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Verlagerung des Betriebspunktes im Verdichterkennfeld nach rechts weg von der Pumpgrenze, so dass bei gleicher Motordrehzahl (Schlucklinie) ein größeres Druckverhältnis am Verdichter und damit eine höhere Füllung im Zylinder ermöglicht wird. Gleichzeitig verbessert sich der Verdichterwirkungsgrad nicht unerheblich. Beim Ottomotor kann man dieses Verfahren ebenfalls einsetzen, da dieser je nach Auslegung im Bereich bis 3.500 U/min im stationären Betrieb ein positives Spülgefälle besitzt. Hier bietet es sich jedoch an, den Massenstrom nicht am Motor vorbei, sondern durch den Brennraum zu leiten. Damit wird sowohl das Restgas minimiert als auch der Zylinder zusätzlich gekühlt, was in beiden Fällen die Füllung zusätzlich deutlich erhöht. Ermöglicht wird dies beim Ottomotor durch einen Phasensteller für die Nockenwellen. Damit kippt die Motorschlucklinie im Verdichterkennfeld nach rechts zu den bereits beschriebe-

514

12 Gesamtprozessanalyse

nen höheren Druckverhältnissen und Wirkungsgraden. Beim direkteinspritzenden Ottomotor wird während der Ventilüberschneidungsphase reine Luft durchgespült, was bezüglich HC-Emissionen sehr günstig ist. Damit ergibt sich die Möglichkeit, im Brennraum ein unterstöchiometrisches Verbrennungsluftverhältnis einzustellen, das mit hohen Brenngeschwindigkeiten die Umsetzung der höheren Füllung ohne Klopfprobleme ermöglicht. Der nicht verbrannte Kraftstoff reagiert im günstigsten Fall vor der Turbine mit der zuvor durchgeschobenen Luftmasse und erhöht damit die Enthalpie des Abgases vor der Turbine. Im ungünstigsten Fall reagiert der Kraftstoff mit der Luft erst im Katalysator. Bei der dritten Konfiguration (3) in Abb. 12-13 wird nach Befüllen des Saugrohres auf eine große Ventilüberschneidung umgeschaltet. Nach einer kurzen Stagnation des Drehmomentaufbaus kann man zwar einen deutlich größeren Gradienten im Drehmomentaufbau erkennen, jedoch ist dieses Verhalten für einen Fahrer nur schwer dosierbar. Zu Beginn des Lastwechselvorganges „verschluckt“ sich das System zunächst regelrecht. Das positive Spülgefälle bricht aufgrund der Steuerzeiten kurzfristig zusammen und der Restgasanteil steigt massiv an, bis sich das System nach ca. 1 s wieder fängt und das erwartete Verhalten zeigt. 1.2 mLuft im Zyl. [g]

Luftmasse im Zylinder 0.9 0.6

(3) (5) (1)

(4)

0.3

(2)

Anteil Restgas [%]

20 Restgasanteil 15 (1) 10 (4)

5

(3)

(5) 1500

1600

(2)

1700 Drehzahl [U/min]

1800

Abb. 12-14: Frischgas und Restgasanteil für unterschiedliche Aufladekonzepte

Abb. 12-14 zeigt die im Zylinder nach dem Schließen des Einlassventils verbleibenden Frischgasmasse und Restgasanteil an der gesamten Zylindermasse für die fünf Konfigurationen. Diese sind aus Gründen der Vergleichbarkeit über der Motordrehzahl aufgetragen. Eine genaue Analyse der Vorgänge während des Ladungswechsels für das dritte Konzept ergibt einen hohen Restgasanteil von bis zu 20 %, der durch eine Überlagerung der Auslassstöße nacheinander zündender Zylinder und die daraus resultierende Beeinflussung des Ladungswechselverhaltens bedingt ist. Durch eine Verkürzung der Auslasssteuerzeiten auf ca. 200 Grad Kurbelwinkel kann dieses Verhalten trotz der 4-in-1-Zusammenfassung weitgehend vermeiden werden, wie das Konzept vier (4) in Abb. 12-13 zeigt. Hierbei wird die störende Druckwelle des zuvor zündenden Zylinders durch die Verkürzung der Auslasssteuerzeit quasi ausgeblendet, das Restgas ist dadurch minimiert, wodurch sich das notwendige positive Spülgefälle dann schnell aufbaut.

12.5 Transiente Simulationsergebnisse

515

Die technisch sauberste Lösung stellt die fünfte Konfiguration (5) dar, bei der eine gegenseitige Beeinflussung des Ladungswechsels der Zylinder durch eine 4-in-2-Zusammenfassung in Verbindung mit einer Twinscroll-Turbine mit Beibehaltung der Auslasssteuerzeit grundsätzlich vermieden werden kann. Bei dieser Konfiguration ergibt sich das beste Instationärergebnis mit einem im wahrsten Sinne des Wortes sehr ansprechenden Verhalten. 3,0 2,8 Verdichterdruckverhältnis [-]

2,6

Monoscroll, keine Überschneidung

2,4 2,2 2,0 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,00

Twinscroll mit Überschneidung 0,05 0,10 0,15 bezogener Verdichtermassenstrom [kg/s]

0,20

Abb. 12-15: Betriebslinien für Konzept 2 und 5 im Verdichterkennfeld

Abb. 12-15 zeigt die Betriebslinien im Verdichterkennfeld für das zweite und fünfte Konzept – also einem hinsichtlich der Ventilsteuerzeiten optimierten Betrieb ohne und mit Durchspülen von Frischluft. Zu erkennen ist die weiter rechts liegende Verdichterbetriebslinie für das Konzept mit Durchspülen, die einen deutlichen Abstand zur Pumpgrenze besitzt. Die höhere Leistung zur Verdichtung der größeren Frischluftmasse wird zum Teil durch die gesteigerten Verdichterwirkungsgrade überkompensiert. Mit diesem Verfahren lässt sich die Eckdrehzahl zum Erreichen des maximalen stationären Drehmoments auf weit unter 1.500 U/min absenken.

Literatur Reulein, C. (1998): Simulation des instationären Warmlaufverhaltens von Verbrennungsmotoren. Dissertation, TU München Schwarzmeier, M. (1992): Der Einfluss des Arbeitsprozessverlaufs auf den Reibmitteldruck von Dieselmotoren. Dissertation, TU München

517

13

Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Verbrennungsmotorische Antriebe haben in den letzten Jahren signifikante Verbesserungen insbesondere in ihrem Verbrauchs- und Emissionsverhalten erfahren. Ausschlaggebend dafür sind neben dem besseren Verständnis innermotorischer Vorgänge vor allem die intelligenten Steuer- und Regelsysteme, welche neue Technologien ermöglichen und weitere Optimierungspotentiale erschließen. Damit verbunden ist die große Herausforderung einer zunehmenden Komplexität in der Entwicklung, die in besonderem Maß für Fahrzeugmotoren gilt, aber letztlich für alle Antriebssysteme einen Schlüsselaspekt darstellt. Dementsprechend kann eine Entwicklung nur dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn eine systematische Vorgangsweise die große Zahl der Freiheitsgrade adressiert und einer gezielten Optimierung unter Berücksichtigung der Eigenschaften des Gesamtsystems zuführt. Dazu sind einige wichtige Randbedingungen zu berücksichtigen. Fahrzeugmotoren werden typischerweise in einem weiten Last- und Drehzahlbereich betrieben, sodass eine punktuelle Optimierung natürlich notwendig, aber in den seltensten Fällen ausreichend ist. Darüber hinaus sind die für den Nutzer wichtigen Eigenschaften ebenso wie das Emissionsverhalten ganz wesentlich von instationären Betriebszuständen bestimmt. Gesamthaft betrachtet handelt es sich um einen mechatronischen Entwicklungsprozess, da Mechanik und Elektronik aufeinander abgestimmt entwickelt werden müssen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Für die Zukunft bestehen noch erhebliche Potenziale, die sich einerseits auf eine weitere Verbesserung der motorischen Prozessführung und innermotorischer Maßnahmen begründen, andererseits aus einer Kombination mit elektrischen Maschinen und verbessertem Getriebe generiert werden können. Hybridantriebe erweitern die Komplexität aber noch um eine zusätzliche Dimension, da hier die Betriebsstrategie, d. h. die Verteilung der Antriebsmomente auf Verbrennungsmotor und E-Maschinen, in Abhängigkeit von vielen Betriebsparametern festgelegt werden muss. Konventionelle betriebspunktorientierte Optimierungsansätze sind hier nicht mehr anwendbar. Auch von anderer Seite gibt es Herausforderungen, die insbesondere im Rahmen einer globalen Entwicklung berücksichtigt werden müssen, wie etwa die zunehmende Vielfalt an verschiedenen Kraftstoffqualitäten. Ein anderes Beispiel stellen hoch belastete Downsizingmotoren dar, denen auf dem Wege der Applikation sichere Betriebszustände und damit die geforderte Zuverlässigkeit beigebracht werden muss. In diesem Umfeld haben sich verschiedene Methoden und Vorgangsweisen herauskristallisiert, auf die in weiterer Folge eingegangen werden soll. Sie sind geprägt durch einige zugrundeliegende Trends. So wird versucht, mit Frontloading möglichst früh im Entwicklungsprozess die gewünschten Eigenschaften des Antriebssystems abzusichern und in weiterer Folge mittels modellbasierter Optimierung in der Applikation umzusetzen. Neben den Optimierungsmethoden selbst spielt dabei die konsistente Datenhaltung und deren Nachvollziehbarkeit eine besondere Rolle und muss durch leistungsfähige Werkzeuge unterstützt werden (siehe Dobes et al. (2007)). Moderne Steuergeräte haben darüber hinaus auch eine Vielzahl zusätzlicher Funktionen, die die Vorhersage nicht messbarer Größen ermöglichen und für die Regelung und Überwachung des Motors von essentieller

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_13, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

518

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Bedeutung sind. Die effiziente Bedatung dieser Funktionen muss daher ebenfalls integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses sein. Die folgenden Beispiele konzentrieren sich auf Aufgabenstellungen in der Applikation und in der Funktionsbedatung.

13.1

Notwendigkeit von Optimierungsstrategien

Die allgemeine Vorgehensweise zur Optimierung nämlich Versuchsplanung, Datengenerierung, Modellbildung und Optimierung bildet einen Basisprozess für alle Entwicklungsaufgaben. Dieser Prozess ist dem Ingenieur seit jeher vertraut. Lediglich die Rechnerunterstützung erlaubt mittlerweile im Bereich der Modellbildung und Optimierung die Anwendung von statistisch mathematischem Wissen, das typischerweise nicht den Kern des Lehrstoffes von Maschinenbaustudien bildet. In diesem Kapitel wollen die Autoren daher auf einfache, ergebnisorientierte Art und Weise den Nutzen der neuen Möglichkeiten nachvollziehbar darstellen. Dazu ist in Abb. 13-1 der modellbasierte Optimierungsablauf skizziert:

Abb. 13-1: Die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung und Abbildung im Projektablauf (Kötter (2008))

13.2 Modellstrukturierung

519

Motoren haben in ihrem Verhalten „keine Ecken“. Allerdings verhalten sie sich auch nicht „linear“. Bisher war man es daher gewohnt, die Verläufe von Messergebnissen (Verbrauch und/oder Emissionen) bei gezielter Verstellung eines einzelnen Parameters (z. B.: Einspritzdruck) zu betrachten und daraus die optimale Einstellung des Einspritzdruckes abzuleiten. Bei diesem Prozess sind bereits alle Elemente des modellbasierten Optimierungsablaufes enthalten, wobei der Bereich „Modellbildung bis Optimierung“ durch „visuelles, erfahrungsbasiertes Glätten der Messergebnisse im Verbund mit Vorwissen über die grundsätzlichen physikalischen Zusammenhänge“ im Kopf des Versuchsingenieures stattgefunden hat. Interessanterweise ist ein erfahrener Versuchsingenieur dabei auch in der Lage, in den mehrdimensionalen Raum vorzudringen, sogar Messfehler zu erkennen und auch Randaspekte zu berücksichtigen, die in den Messdaten direkt nicht enthalten sind. Es gilt also, diese hohe Qualifikation im vernetzten Denken weiter zu unterstützen, um rückverfolgbar in den heute meist 4- bis 10-dimensionalen Raum vorzudringen, und dabei das Potential der neuen mechatronischen Technologien durch optimale Parameterwahl auch wirklich abzuholen.

13.2

Modellstrukturierung

Am Beginn jeder Entwicklungsarbeit steht die grundlegende Frage, wie eine dem Entwicklungsziel „optimal entsprechende Lösung“ definiert wird. Diese Fragestellung führt direkt in die Aufgabenplanung, beispielsweise könnte die Aufgabe zur Emissionsoptimierung eines Dieselmotors lauten: „Stellen Sie die 6 verbrennungsrelevanten Kennfelder der Motorsteuerung so ein, dass mit dem Fahrzeug xy im NEDC (New European Driving Cycle) einerseits ein definiertes engineering target bezüglich der Emissionsgrenzen für EURO 6 erreicht wird und anderseits unter diesen Randbedingungen der Kraftstoffverbrauch minimal ist.“ Empirische Basis

Physikalische Basis

(Daten getrieben)

(Erkenntnis basiert)

Mathematische Modelle

Kennfeldstrukturen

(in Formeln fassbar)

Stationär (Zeit frei, Zeit unabhängig)

Dynamisch (Zeitabhängig)

Zur Beschreibung von Verhalten, das auf Grund physikalischer Gesetze vorhersagbar ist. Bevorzugt, wenn in geeigneter Form möglich.

Zur Abbildung und Vorhersage beobachtbarer Zusammenhänge

Verwendet für Steuergerätefunktionen

Abb. 13-2: Datengetriebene mathematische Modelle zur Abbildung beobachteter Zusammenhänge im Umfeld des Begriffes „Modell“

Bevor nachfolgend derartige Fragestellungen an Hand konkreter Beispiele erläutert werden, ist es notwendig den Begriff Modell, ein wesentlicher Kern der „modellbasierten Vorgehensweise“, näher zu betrachten: Der Begriff Modell kann im Allgemeinen als „Abbild der Wirklichkeit“ definiert werden. Da dieser Begriff in den verschiedensten

520

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Fachgebieten in unterschiedlicher Ausprägung verwendet wird, ist in Abb. 13-2 eine Strukturierung des hier verwendeten Ausschnittes des Modellbegriffes dargestellt. Im Entwicklungsprozess einer Verbrennungskraftmaschine werden alle hier genannten Modelltypen eingesetzt. Simulationsrechnungen unterstützen die Entwicklungsentscheidungen am Anfang des Prozesses. Die genutzten Simulationsprogramme stützen sich auf mathematische Modelle, die sich weitgehend aus physikalischen Gesetzen ableiten. Gegen Ende des Entwicklungsprozesses dominieren die datengetriebenen Modelle, die beispielsweise in Steuergerätefunktionen genutzt werden. Diese Modelle hinterlegen Informationen, die im realen Betrieb des Aggregates nicht messbar sein werden, um sie zur Steuerung zu nutzen. Die wesentliche Entwicklungsaufgabe der „Kalibrierung von Steuergeräten“ umfasst hier auch die Bedatung solcher Kennfeldstrukturen, die das Gesamtverhalten der Antriebseinheit entscheidend mit beeinflusst. Nutzt man die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung – wo auch immer im Entwicklungsprozess – so werden typischerweise datengetriebene, mathematische Modelle verwendet, die

y auf gemessenen oder simulierten Ergebnisdaten basieren und y sich als Formel darstellen lassen.

Diese Gruppe von Modellen wird im Folgenden genauer betrachtet. Man kann also beispielsweise eine Formel für den Kraftstoffverbrauch in einem bestimmten Betriebspunkt einer VKM (Drehzahl/Lastkombination) als Funktion von Stellgrößen (z. B.: Spritzbeginn, Raildruck und Abgasrückführrate) angeben. Sobald das für alle benötigten Motorkenngrößen – insbesondere auch für Temperaturen, Emissionen, Turboladerdrehzahl und ähnliche Größen – der Fall ist, kann ein mathematischer Optimierer eine optimale Einstellung von Spritzbeginn, Raildruck und Abgasrückführrate vorschlagen. Als Vorgabe benötigt der Optimierer eine bestimmte Zielfunktion (beispielsweise: minimaler Verbrauch) sowie optional die Angabe von beliebig vielen Randbedingungen (maximal zulässige Werte für Temperatur, Emissionswerte und/oder Turboladerdrehzahl). Diese modellbasierte Vorgehensweise hat zahlreiche Vorteile: Das Optimum selbst muss nicht unmittelbar im ersten Schritt bei der Vermessung getroffen werden; man kann durch die Modellvorhersage im gesamten untersuchten Bereich, eine statistisch bewertete Aussage treffen und ein Optimierungsalgorithmus kann in vergleichsweise kurzer Zeit den vieldimensionalen Versuchsraum nach geeigneten Lösungen durchsuchen. Das Aufzeigen der nächsten Entwicklungsrichtung – gegebenen Falls auch verbunden mit der Aussage, dass im untersuchten Raum diese Forderung nicht erfüllt werden kann – bringt Transparenz und Effizienz in den Entwicklungsprozess. In der Modellbildung selbst lässt sich jeder empirisch beobachtbare Zusammenhang – in engen Verstellbereichen – durch ein lineares Modell (Ebene, Hyperebene) annähern. Die für VKMs üblichen Verstellbereiche erfordern aber bereits innerhalb eines Betriebspunktes typischerweise Modelle zweiter oder höherer Ordnung mit Wechselwirkungen. Bleiben Modelle auf einen Betriebspunkt beschränkt, so spricht man auch von lokalen Modellen. Globale oder teilglobale Modelle, hingegen, verwenden auch Drehzahl und Last als Eingangsvariablen und beschreiben so den gesamten oder einen definierten Teil des Motorbetriebsbereiches. Gl. (13.1) zeigt z. B. ein lokales Modell für den Kraftstoffverbrauch in der Form eines Polynoms zweiter Ordnung mit Wechselwirkungen:

BH a0  a1 ˜ S  a2 ˜ S 2  b1 ˜ R  b2 ˜ R 2  c1 ˜ A  c2 ˜ A2  d1 ˜ S ˜ R  d 2 ˜ R ˜ A  d3 ˜ S ˜ A

(13.1)

13.2 Modellstrukturierung

521

mit

BH ... Kraftstoffverbrauch in [kg/h] S ... Spritzbeginn i [Grad Kurbelwinkel vor OT] R ... Raildruck in [bar] A ... Abgasrückführrate in [ %] a0 bis d3 ... Polynomkoeffizienten Um so eine Gleichung in eine Ergebnisdatenmenge bestmöglich einzupassen, müssen in diesem Beispiel also 10 Koeffizienten angepasst werden. Üblicherweise erfolgt dies mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Der Polynomansatz eröffnet weiter die Möglichkeit, die Methode der statistischen Versuchsplanung (Englisch: Design of Experiments, DoE) zu nutzen. Für diese Modellstruktur (Gl. (13.1)) wird bei Nutzung von DoE an Positionen im Versuchsraum, die für die Genauigkeit der zu identifizierenden Modellkoeffizienten mathematisch günstig liegen, ein Versuchsplan von etwa 17 bis 20 Messpunkten erstellt. Dabei ist der Startpunkt bereits als Wiederholungsmessung mehrfach enthalten, um die Reproduzierbarkeit der Versuchsergebnisse festzustellen (siehe Kleppmann (2009)). Zum Vergleich: Eine Rasterung mit 5 Stufen in jeder Richtung würde bereits 125 Messungen erfordern, ohne dass eine Aussage über die Wiederholbarkeit der Versuche enthalten wäre. Sollen die Modelle das Motorverhalten betriebspunktübergreifend beschreiben, so erfordert das im Fall von Polynommodellen sehr oft auch Modellterme höherer Ordnung. Bei der Modellbildung selbst ist darauf zu achten, nur entsprechend signifikante Terme in der Modellgleichung zuzulassen. Hier benötigt der Versuchsingenieur in jedem Fall eine leistungsfähige Software mit geeigneten Algorithmen zur Identifikation der signifikanten Terme. Die Versuchsplanung muss demgegenüber für den aufwendigsten Modelltyp ausgelegt sein, um auch für diesen Fall die ausreichende Messdateninformation bereitzustellen (siehe Bittermann et al. (2004) und Castagna et al. (2007)) Neben Polynommodellen sind auch neuronale Netze wichtige Vertreter solcher datengetriebener, mathematischer Modelle. Sie basieren meist auf den oben bereits skizzierten Gedanken, dass mehrere relativ einfache Polynommodelle durch geeignete Gewichtungsfunktionen verschliffen werden können, so dass auch starke Nichtlinearitäten abbildbar werden. Gl. (13.2) zeigt die grundsätzliche Struktur von solchen Neuronalen Netzen am Beispiel des Typs INN (siehe Keuth (2005)). In Abb. 13-3 sieht man exemplarisch den Verlauf von Gewichtungsfunktionen, die in Summe stets eins ergeben und sich somit zur Verschleifung von Teilmodellen eignen.

yˆ u

¦ 'i u ˜ yˆi u, 2i m

(13.2)

i 1

yˆ ... Gesamtmodell, yˆi ... Teilmodell i u ... Eingangsvariablenvektor m ... Anzahl der lokalen Teilmodelle 'i ... Gewichtungsfunktion für das Teilmodell i 2i ... Koeffizientenvektor für das Teilmodell i Zur genaueren Detaillierung des Themas Modellbildung an sich sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Altenstrasser (2007)). Abb. 13-3 zeigt noch eine weitere grundsätzliche Eigenschaft von datengetriebenen, mathematischen Modellen: Sie können a) stationär oder b) dynamisch sein (siehe Isermann (2010), Altenstrasser (2007), und Hametner (2006)).

mit

522

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-3: Gewichtungsfunktionen zum Verschleifen von Teilmodellen

So wie beispielsweise in (13.1) oder (13.2) dargestellt, folgt für eine bestimmte Kombination der Stellgrößen unmittelbar genau ein bestimmtes Modelleregebnis (z. B.: Kraftstoffverbrauchswert in [kg/h]). Man spricht auch von einem stationären oder zeitfreien Modell, da das Ergebnis zeitunabhängig ist. Ein dynamisches Modell unterscheidet sich dahingehend, dass als Eingangsvariablen auch Ableitungsterme im weitesten Sinn enthalten sind und somit der Ausgang auch zeitabhängig ist. Dies erfolgt typischerweise durch Einbindung von zeitverzögerten Werten aus der Vergangenheit, wie (13.3) exemplarisch zeigt. yˆ k

yˆi k

'i (k )

xT ( k ) mit

x(k) m, n M q yˆ 'i

¦ 'i k ˜ yˆi k M

i 1 xT ( k )

i

(13.3)

'i (x(k ))

ª¬u1 (k  1) ! uq (k  m) y (k  1) ! y (k  n) 1º¼

... Inputvektor zum Zeitpunkt k ... Systemordnung für Ein- und Ausgänge ... Anzahl der lokalen Teilmodelle ... Anzahl der Eingänge ... Gesamtmodell, yˆi ... Teilmodell i ... Gewichtungsfunktion für das Teilmodell i ... Parametervektor für das Teilmodell i Ti Abb. 13-4 zeigt das Wesen von dynamischen Modellen im Vergleich zu stationären: Auch bei gleichen Werten für den Eingangsvariablevektor u erreicht das dynamische Modell den stationären Endwert nicht sofort, sondern nähert sich ihm erst im Lauf der Zeit. Auch für die Vermessung dynamischer Modelle sind Versuchspläne bekannt, die entsprechend um die Zeitkomponente erweitert sind (AFS, APRBS sowie viele andere, siehe Isermann (2010)). Die erfolgreiche Handhabung benötigt aber fundiertes Spezialistenwissen und ist derzeit – im Gegensatz zu DoE mit zeitfreier Modellbildung – noch ein Stück von der breiten industriellen Anwendbarkeit entfernt. (Verweis CD-Labor!)

13.2 Modellstrukturierung

523

Abb. 13-4: Prinzipvergleich von stationären und dynamischen Modellen

Abb. 13-5 zeigt am Beispiel des Zylinderinnendruckes in welchem Bereich der Einsatz von dynamischen Modellen lohnenswert und notwendig sein kann. Dazu bedarf es auch eines kurzen Blickes auf die typischerweise in Verbrennungskraftmaschinen ablaufenden Zeitebenen bei der Entstehung der Rohdaten für die Modellbildung. Die drei Teilebenen unterscheiden sich in zeitlicher Hinsicht jeweils etwa um den Faktor 1000 und können bzw. müssen damit entkoppelt betrachtet werden. Man könnte die schnelle Ebene der innermotorischen Vorgänge „MegaHz-Ebene“ nennen; die mittelschnelle, in der die von uns Menschen wahrgenommene Dynamik eines Motors stattfindet, könnte „kHz-Ebene“ genannt werden und jene die stationäre Mittelwertergebnisse betrachtet „Ergebnisebene“. Im unteren Teilbild sieht man den Verlauf des indizierten Mitteldruckes aus jeweils stationären Mittelwertmessungen über 30 Sekunden, bei 800 1/min mit einer bestimmten Pedalposition. Der Versuchsplan umfasst 57 Messungen mit verschiedenen Einstellungen für 6 Steuergeräteparameter. Der Startpunkt bei 7.2 bar indizierten Mitteldrucks ist als Wiederholpunkt insgesamt 14 mal vermessen. Unterschiedliche Ergebnisse für den Wiederholpunkt zeigen die Grenzen der Reproduzierbarkeit der Versuche auf. Jeder einzelne Mittelwert repräsentiert eine stationäre, zeitunabhängige Motorantwort, die sich wiederum aus 250 Arbeitsspielresultatwerten über einen Zeitraum von 30 Sekunden errechnet. In dieser mittleren Geschwindigkeitsebene bauen sich wesentliche Randbedin-

524

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

gungen für die einzelnen Arbeitsspiele über einige Sekunden – ja bei Temperaturen sogar im Minutenbereich – bis zum stationären Zustand auf. Für die hier dargestellte stationäre Motorvermessung wird mit Stabilitätskriterien sichergestellt, dass der gewünschte Beharrungszustand vor der Mittelwertbildung erreicht wird. Jedes einzelne Arbeitsspielresultat ist wiederum ein Ergebnis aus einem in jedem Fall höchst dynamisch ablaufendem Vorgang – über 720 Grad Kurbelwinkel in diesem Beispiel. Diese Dynamik ist der Verbrennungskraftmaschine eigen und auch während des sogenannten stationären Betriebes stets vorhanden.

Abb. 13-5: Zeitebenen am Beispiel des Zylinderinnendruckes von einem Zylinder eines LKWMotors bei 800 1/min und Stellgrößenvariation

Man sieht an diesem Beispiel, wie man durch geeignete Kenngrößenbildung – hier durch den indizierten Mitteldruck – die Notwendigkeit in die datenbasierte, dynamische Modellbildung tiefer einzusteigen im ersten Schritt elegant vermeiden kann. Will man beispielsweise einen leistungsoptimalen Zylinderdruckverlauf mit maximal zulässigem Spitzendruck erreichen, so wird die entsprechende Einstellung der möglichen Variationsparameter auch einen maximalen indizierten Mitteldruck ergeben, der bei diesem Spitzendruck möglich ist. Es reicht daher für die Optimierung aus, verlässliche, zeitfreie Modelle für die Kenngrößen „indizierter Mitteldruck“ und den „Spitzendruck“ zu haben. Man muss nicht den gesamten Zylinderdruck abhängig von den Einstellparametern und der Zeit modellieren können, um diese Aufgabe zu lösen. Die dynamische Modellbildung ist daher in der mittleren bis langsamen Geschwindigkeitsebene am effektivsten. Hier müssen relativ langsame Vorgänge in ihrer Zeitabhängigkeit vorhergesagt und beschrieben werden, da sie als Randbedingung für optimale innermotorische Vorgänge zeitliche Trägheiten aufweisen können. Wenn solche Größen in ihrer Dynamik richtig vorhergesagt werden können, dann kann man auch „Versuche“ zur geeigneten Ansteuerung der VKM vom Prüfstand in die Bürowelt verlagern und in der virtuellen Welt mit Hilfe von Optimierungsalgorithmen zu geeigneten, dynamisch rele-

13.3 Modellansätze für die Optimierung

525

vanten Einstellungen gelangen, die dann in der realen Welt nur noch zu verifizieren sind. Dies trifft insbesondere auf Aufheizvorgänge und auf Kenngrößen des Luft- und Abgaspfades mit der dazugehörigen Gasdynamik – gegebenenfalls beeinflusst durch die Turboladerträgheit – zu.

13.3

Modellansätze für die Optimierung

Es ergeben sich theoretisch folgende Optimierungsansätze: a) Vollständige Rasterung aller Kennfeldvariationen für die Kennfeldstützstellen im jeweils relevanten Bereich. Anschließend die Messergebnisse pro Betriebspunkt mit entsprechender Gewichtung aufsummieren und schlussendlich aus der Fülle der Ergebnisse das geeignetste auswählen. Zur Veranschaulichung des Aufwandes sei kurz überschlagen: Sollte jeder der Einflussparameter in 5 Stufen variiert werden, so ergäbe das für 6 Kennfelder pro untersuchter Stützstelle 5^6 = 15625 Messungen. Legt man weiter eine durchschnittliche Messdauer (inklusive der notwendigen Verstell- und Stabilisierungszeit) von 3 Minuten zu Grunde, würde das etwas mehr als einen Monat ununterbrochenen, fehlerfreien Prüfstandsbetrieb erfordern, um nur die Einflüsse in einem einzigen Betriebspunkt rasterförmig zu vermessen. b) „Intuitiv Iterative Vorgehensweise/online Optimierung – zielfokusiert“: Wesentlich weniger Aufwand ist es, „aus Erfahrung“ die Versuchsanzahl drastisch einzuschränken, und die messpunktorientierte Methode nach a) nicht vollständig gerastert, sondern „gefühlsmäßig“ und händisch iterativ am Prüfstand direkt durchzuführen. Nur ein kleiner Teil des Variationsraumes wird so ausgetastet – geführt von einem Entwicklungsziel, für dessen Erreichung der Prüfstandsbediener alle relevanten Messergebnisse im Kopf vergleicht und daraus die nächste Einstellung definiert, die dem Optimum vermutlich näher kommen sollte. c) DoE mit modellbasierter Optimierung: Eine ähnliche Aufwandsreduktion ist auch erreichbar, wenn ein modellbasierter Ansatz verwendet wird. Das heißt, es wird zunächst ein Versuchsplan in der Form erstellt, dass anschließend aus den Messergebnissen empirische Modelle für – die Systemausgangsgrößen (z. B.: NOx, HC, Verbrauch, Abgastemperatur, Zylinderspitzendruck, Verbrennungsstabilität) – in Abhängigkeit – der Verstellparameter (6 verbrennungsrelevante Stellgrößen für die zu untersuchenden Betriebspunkte, z. B.: Spritzbeginn, Raildruck Voreinspritzzeitpunkt, Voreinspritzmenge, Abgasrückführrate, Ladedruck) in hinreichender Genauigkeit erstellt werden können. Diese Modelle können nun von einem entsprechenden Optimierer genutzt werden, der wiederum die der Aufgabe entsprechende beste Einstellung der Kennfeldparameter vorschlägt (siehe Koegeler et al. (2001)). d) Modellbasierte Onlineoptimierung – zielfokusiert: Hier wird die Vorgehensweise nach b) automatisiert, sodass der Prüfstandsbediener vom Kopfrechnen und der ständigen (fehlerarmen) Beobachtung aller relevanten Messergebnisse entlastet wird. Bereits während des Versuchsprogrammes mit den jeweils vorhandenen Daten zunächst Trends, später einfache Modelle automatisch gebildet und zur Optimierung zur Laufzeit genutzt werden (siehe Haines et al. (1998)).

526

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

e) DoE mit modellbasierter Optimierung – unter Nutzung von online Adaptierungen: Schließlich besteht der Hauptnachteil der Methode d) darin, dass die dort erhaltenen Modelle nur im Bereich des damit gefundenen „online Optimums“ eine hohe Genauigkeit aufweisen. Im großen Rest des Versuchsraumes kann meist keine Aussage getroffen werden. Bei Änderung des Optimierungszieles muss eine neue Messserie durchgeführt werden. Dieser Nachteil wird bei Methode c) grundsätzlich umgangen – dennoch machen automatisierte online Adaptierungen aus dem fortschreitenden Informationsgewinn während des Vermessungsvorganges Sinn: – Erstens weisen Versuchspläne oft „unfahrbare Einstellkombinationen“ auf, die den Motor sogar gefährden könnten. Man benötigt also geeignete, vorsichtige Einstellprozeduren, die sicherstellen, dass der Motor ausschließlich innerhalb definierter Grenzen betrieben wird (z. B.: maximale Klopffrequenz oder maximaler Spitzendruck, maximale Verbrennungsinstabilität oder maximale Abgastemperatur). Durch sogenannte „Screening Prozeduren“ von einem sicher fahrbaren Startpunkt aus wird dabei der fahrbare Verstell-Bereich des Aggregates ausgetastet und alle geplanten Variationspunkte werden in diesen Bereich hineinverschoben. Damit wird die Anwendung von DoE auf verbrennungsmotorische Aufgaben in kritischen Motorbereichen überhaupt erst praktikabel. Es tritt dann allerdings oft erst bei der nachfolgenden Modellbildung in Erscheinung, dass der ursprünglich – aus mathematisch modelltheoretischen Gesichtspunkten wohl ausgewogene Versuchsplan – bei dieser Vorgehensweise so verbogen wurde, dass die Qualität der Modelle schlecht und eine Nachmessung erforderlich wird. – Somit ist die zweite wesentliche online Anpassung, diese Überprüfung der Versuchsplanqualität gleich zur Versuchslaufzeit automatisiert durchzuführen und gegebenenfalls durch zusätzliche Messpunkte eine Ergänzung derart zu erreichen, dass die ursprünglich geforderte Qualität des Versuchsplanes sichergestellt wird (siehe Beidl et al. (2003)). – Schließlich kann für vorabdefinierte Motorantwortgrößen auch zur Laufzeit die Modellbildung automatisiert erfolgen, was eine zusätzliche Onlineinteraktion mit Messwiederholungen für den Fall von Ausreißern in einzelnen Kanälen erlaubt. Auch die tatsächliche Optimierung kann dann zur Laufzeit erfolgen – allerdings ohne die Einschränkung in anderen Variationsraumbereichen unzureichende Modellqualität fürchten zu müssen (siehe Kuder et al. (2003)). – Ein wesentlicher Aspekt von DoE-Methoden liegt auch im gezielten Einbauen von Wiederholpunkten in den Versuchsplan. Dadurch kann bei der nachfolgenden Modellbildung die Streuung der Messergebnisse in den Wiederholpunkten mit der Abweichungen der Messergebnisse vom Modell in Beziehung gestellt werden. So kann einerseits eine statistisch qualifizierte Modellbewertung vorgenommen werden, anderseits lassen sich auch sinnvolle Messgenauigkeitsanforderungen für eine Aufgabenstellung ableiten (siehe Eiglmeier et al. (2004)). Während der Ansatz a) für eine heute typische Optimierungsaufgabenstellung aus Kostenund Aufwandsgründen praktisch ausscheidet, verbleiben grundsätzlich die Ansätze b) bis e). Hier liegt zwar in der Methode b) der Vorteil für sehr erfahrene Prüfstandsingenieure unter Umständen sogar noch etwas schneller zu sein als mit Methode c). Allerdings ist damit der gravierende Nachteil verbunden, dass das Ergebnis nicht rückverfolgbar ist. Bei geringer Änderung der Zielsetzung – beispielsweise eine Randbedingung für die Verbrennungsstabilität muss im späteren Entwicklungsprozess aus Komfortgründen verschärft werden – muss die gesamte Messserie wiederholt werden.

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

527

Ein weiterer Vorteil der modellbasierten Methoden (mit Ausnahme von d)) liegt im Potential der Variantenapplikation. So dass aus einer Vermessung des Motors verschiedene Optimierungen für Fahrzeugvarianten erstellt werden können.

13.4

Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

In den folgenden Unterkapiteln sind einige Anwendungsbeispiele für die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung dargestellt.

13.4.1

Emissionsoptimierung Diesel PKW

Besonders bei Dieselmotoren ist die stationäre Grundbedatung im Teillastbereich eine wesentliche Voraussetzung, um die immer strenger werden Abgasnormen zu erfüllen. Hier lautet die Aufgabe kurz zusammengefasst: „Stellen Sie die 6 verbrennungsrelevanten Kennfelder der Motorsteuerung so ein, dass mit dem Fahrzeug xy im NEDC (New European Driving Cycle) einerseits ein definiertes engineering target bezüglich der Emissionsgrenzen für EURO 6 erreicht wird und anderseits unter diesen Randbedingungen der Kraftstoffverbrauch minimal ist.“ Daraus leitet sich wiederum ab, dass das Antriebsaggregat in den für den NEDC relevanten Betriebsbereichen vermessen werden muss und zwar unter verschiedensten Kombinationen in der Kennfeldeinstellung. Jedes Mal müssen zumindest die Schadstoffemissionen und der Verbrauch gemessen werden. Diese Arbeit wird an einem Motorenprüfstand durchgeführt, der

y mit aktiver Bremse, y offenem Motorsteuergerät samt Applikationssystem zur Verstellung der relevanten

Motorsteuerungskennfelder, y mit Indizier Messtechnik zur Überwachung der Verbrennung y mit Abgasemissions- und Verbrauchsmesstechnik ausgerüstet ist. So eine Entwicklungsumgebung kann beispielsweise durch die am Markt verfügbare Software AVL-CAMEOTM angesteuert werden. Diese Software unterstützt die gesamte Vorgehensweisen zur systematischen, modellbasierten Optimierung und stellt die notwendige Abfahrstrategie zur adaptiven Anpassung des Versuchsplanes während des Versuches bereit. Am Beispiel des hinterlegten Arbeitsflusses dieser Software wird im Folgenden die modellbasierte Vorgehensweise zu Optimierung verdeutlicht: Zur effektiven Anwendung der modellbasierten Vorgehensweise zur Optimierung beginnt man mit der Versuchsplanung. Dazu ist zunächst das Lastkollektives für die betrachtete VKM in der Zielanwendung zu ermitteln. Dies geschieht durch eine Fahrzeugsimulationsrechnung für das Zielfahrzeug im NEDC-Zyklus. Aus der Spur der Drehzahl/ Drehmoment – Zustände im Motorkennfeld werden etwa 11 bis 17 Betriebspunkte mit zugehörigen Gewichtungsfaktoren extrahiert. Die Gewichtung ergibt sich dabei aus der Aufenthaltsdauer des Aggregates in der näheren Umgebung des jeweiligen Betriebspunktes. Das so ermittelte Lastkollektiv erlaubt die Hochrechnung der Schadstoffemissionen und des Gesamtverbrauches für das geplante Fahrzeug im NEDC Zyklus durch eine gewichtete Summenbildung über die Ergebnisse in den einzelnen Betriebspunkten.

528

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-6 zeigt dazu die Verteilung von 11 Motorbetriebspunkten. Für jeden dieser Betriebspunkte sollen lokale Modelle für die Schadstoffemissionen, den Verbrauch, das Geräusch, den Zylinderspitzendruck und für die Abgastemperaturen ermittelt werden. Die Darstellung der mehrdimensionalen Abhängigkeit von NOx von den 6 Einstellparametern ist in einer Schnittgraphik veranschaulicht. Alle 6 nebeneinander angeordneten Verläufe stellen Schnitte durch das NOx-Modell dar – und zwar jeweils in die 6 Richtungen der 6 Einstellparameter. Man erkennt hier bei der jeweiligen Cursorposition, die Steilheit und den Verlauf des NOx-Modelles durch Änderung der jeweiligen Einstellparameters. Das Bewegen des Cursors in einem Teilbild bewirkt Änderungen in den anderen 5 Schnittbildern. Mit dieser Visualisierungs-Methode kann unser – grundsätzlich für 3 Dimensionen ausgelegtes – Gehirn auch in die höherdimensionale Welt vordringen und so Zusammenhänge unmittelbar erfassen, die sonst praktisch nur in mathematischen Formeln beschreibbar sind.

Abb. 13-6: Lastkollektiv für den NEDC Fahrzyklus und Schittgrafik für ein lokales Nox-Modell mit 6 Eingangsgrößen

Bei der Erstellung der Versuchspläne für die lokalen Modelle mit 6 für die Verbrennung signifikanten Motorstellgrößen (Ansteuerbeginn Haupteinspritzung, Raildruck, Luftmasse, Pilotabstand, Pilotmenge, Ladedruck) und deren Verstellbereiche, ergibt sich eine Variationsliste von 55 Messungen pro Betriebspunkt. Dabei wird ein sogenanntes Doptimales DoE-Design eingesetzt, das Vorwissen im Sinne der Ordnung der PolynomModelle nutzt (vgl. auch unten Abb.13-7). Aus Erfahrung weiß man, dass die Abhängigkeit der Motormessgrößen vom Pilotabstand mit Polynomen zweiter Ordnung in manchen Fällen schlecht abgebildet werden kann. Daher wird in diese Variationsrichtung eine höhere Messpunktdichte angesetzt, die den Einfluss des Pilotabstandes bis zur 4ten Ordnung berücksichtigen kann. Dieser Versuchsplan ist zunächst hinsichtlich mathematisch – statistischer Kriterien optimal geeignet, die aus Erfahrung angesetzten Polynomgleichung durch geeignete Koeffizientenwahl, an die Motormessergebnisse anzupassen. Er nimmt allerdings zunächst keine Rücksicht darauf, ob die geforderten Einstellkombinationen überhaupt einen fahrbaren Motorbetrieb erlauben. Der Versuchsingenieur definiert lediglich Startpunkt- und Begrenzungskennfelder, die einerseits eine fahrbare Starteinstellung für jeden Betriebspunkt und anderseits betriebspunktspezifisch sinnvolle Verstellbereiche sicherstellen. Im Prüfstandsbetrieb muss daher beim Abfahren dieser Versuchspläne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass einzelne Einstellkombinationen entweder zu hohe Abgastemperaturen, zu hohen Zylinderspitzendruck oder zu hohen Rauch produzieren. Während in diesem Beispiel der Teillastoptimierung Spitzendruck und Abgastemperatur eher von

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

529

untergeordneter Bedeutung sind, ist die Überwachung der Rauchentwicklung von ganz entscheidender: Einerseits ist man an Einstellkombinationen, die bereits in den Rohemissionen zu hohe Rußemissionen aufweisen, nicht interessiert. Anderseits würde das Abgasmesssystem dadurch stärker belastet und ein automatisierter Prüfstandsbetrieb – beispielsweise über Nacht oder das Wochenende – dadurch gefährdet. Darum wird in diesem Beispiel ein Opazimeter eingesetzt und der Trübungswert als „Limit“ für die maximal zulässige Verstellung genutzt. Zum Abfahren solcher Versuchspläne sind daher in der oben genannten Software die folgenden Testvorlagen vorgesehen. Sie bestehen jeweils aus einer Betriebspunkt- und einer Variationsebene („2 Layer-Strategies“) In der Betriebspunktebene werden die äußeren mechanisch relevanten Betriebspunktparameter wie Drehzahl und Drehmoment eingeregelt und vom Prüfstand in weiterer Folge konstant gehalten. In der zweiten Ebene werden hingegen die 6 Einstellparameter variiert, die später auch als Modelleingang für die zu ermittelnden lokalen Modelle dienen sollen. Für DoE wesentlich sind die folgenden 3 Testvorlagen: 1. DoE-Liste 2. Online DoE screening 3. Adaptive online DoE Alle drei Strategien gehen davon aus, dass der Betriebspunkt einregelbar und somit der erste Punkt in der Variationsliste ein fahrbarer ist, d. h., dass hier keine Limitverletzungen vorliegen. Die Unterschiede ergeben sich daher im Umgang mit der Variationsliste in der 2ten Ebene: Ad 1. DoE-Liste: Die erstellten DoE – Pläne werden Zeile für Zeile direkt gesetzt. Im Fall einer Verletzung parametrierter Grenzwerte (Limits) durch eine Einstellparameterkombination wird diese sofort verlassen und nicht vermessen und somit beim Abarbeiten der Liste ausgelassen. Vorteil: Wenn keine Grenzwertverletzungen erwartet werden, sehr schnell und direkt. Ad 2. Online DoE screening: Bei dieser Strategie wird der DoE-Plan auf Grund der beobachteten Grenzwertverletzungen abgeändert: In einem ersten Schritt (Screening) wird der Variationspunkt in kleinen Schritten an den Designpunkt angenähert und der Messpunkt so weit wie möglich an die fahrbare Grenze verschoben und damit gleichzeitig der fahrbare Bereich ermittelt. Vorteil: Man erhält genau die Anzahl der parametrierten Punkte – gegebenenfalls in den fahrbaren Bereich herein verschoben. Ad 3. Adaptive online DoE: Diese Strategie läuft im ersten Schritt identisch zum Online DoE screening. Bevor allerdings der Betriebspunkt wieder verlassen wird, wird das Design in einer zweiten Phase an den ermittelten fahrbaren Raum angepasst. In diesem zweiten Schritt wird im Hyperraum die Verteilung der bisher vermessenen Punkte bezüglich der gewünschten Modellordnung geprüft und beislielsweise nach einem D-optimalen Design mit zusätzlichen Messpunkten ergänzt (D-Optimal adaptiv). Damit wird sichergestellt, dass in der nachfolgenden Modellbildung die Lage der Punkte im Variationsraum derart ist, dass die Modellterme sicher identifiziert werden können. Abb. 13-7 fasst die Themen „Testvorlage“ bzw. „Versuchspläne“ aus dem Blickwinkel des Bedarfes der VKM-Entwicklung zusammen. Zur detaillierten Beschreibung der aufgelisteten Versuchspläne in der rechten Spalte wird auf die einschlägige Literatur verwiesen (siehe Kleppmann (2006)). Es sind hier lediglich die entscheidenden Eigenschaften für die mit diesen Plänen erschlossenen Modellbildungsmöglichkeiten zusammengefasst:

530

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-7: Versuchspläne und ihre Abfahrmethoden für VKM

Abb. 13-8 zeigt einen 3-dimensionalen Ausschnitt aus dem 6- dimensionalen Raum der Einstellparameter für einen der 11 Betriebspunkte. Wie am Beispiel des gelb markierten – gerade auszutastenden – Verstellwegs zu sehen ist, konnte ein Messpunkt (schwarze Quadrate) bereits den maximalen Verstellweg von Raildruck (Richtung niedrig), Ladedruck (Richtung niedrig) und Pilotmenge (Richtung niedrig) ausnutzen, wogegen ein anderer Messpunkte – auf Grund einer anderen Einstellung der restliche 3 Parameter bereits eine Limitverletzung (rote Kreuze) zeigt. Der dazugehörige Messpunkt ist daher in den fahrbaren Bereich hereinverschoben worden.

Abb. 13-8: Screening – Phase zum Austasten des fahrbaren Raumes

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

531

Man erkennt auch, dass durch diese Prozedur die Orte der tatsächlich vermessenen Punkte teilweise erheblich von den geplanten abweichen, was ja aus Gründen der Betriebssicherheit auch begründete Priorität hat. Zur Sicherstellung einer für die Modellbildung ausgewogenen Messpunkteverteilung im 6-dimensionalen Raum ist daher die Adaption an den tatsächlich fahrbaren Raum erforderlich. Ganz entscheidend zur erfolgreichen Anwendung von DoE an Verbrennungskraftmaschinen tragen minimale Prüflaufzeiten bei, um die bestmögliche Prüflingsstabilität für die Vermessungsphase zu gewährleisten. Dies gelingt durch zusätzliches Eingrenzen des Versuchsraumes mittels permanenter Grenzwertüberwachung zeitkontinuierlicher Abgasgrößen wie NOx und Abgastrübung, sowie durch Überwachung von Regelgrenzen, beispielsweise der AGR-Regelabweichung. Weiteres Potenzial ist durch Ablaufoptimierungen gegeben, etwa Messgeräteinitialisierungen in Stabilisierungsphasen des Motors zu legen. In Summe bewirken diese Maßnahmen eine Reduktion der Prüflaufzeit um bis zu 50 Prozent. Eine Komplettvermessung der elf Betriebspunkte kann dadurch in sieben bis neun Tagen abgewickelt werden. Ebenso erfolgsentscheidend sind eine hochwertige Prüfstands- und Messtechnikausstattung und, beim Ersteinsatz dieser Methodik, die Schaffung eines optimalen Umfelds im Bereich Medien, Messgeräte und Systemlandschaft (siehe Bittermann et al. (2004)). Nach erfolgreicher Vermessung der Betriebspunkte werden für die zur Analyse benötigten Ergebnisgrößen Kraftstoffverbrauch BE, NOx-, CO-, und HC-Emissionen, Rauchwert und Verbrennungsgeräusch Modelle erzeugt. Die oben genannte Software bietet zahlreiche Funktionen, um die Modellbildung zu standardisieren. Vorwiegend grafische Auswertungen ermöglichen zunächst eine grobe Plausibilisierung der Rohdaten. In einem zweiten Schritt erfolgt die Überprüfung der Daten mit Hilfe bereits gebildeter Modelle. Ein adäquates Werkzeug zur statistischen Ausreißererkennung ist die Normalverteilungsgrafik, die unplausible Messwerte in der gesamten Datenmenge identifiziert (siehe Abb. 13-9. Von einer Normalverteilung abweichende Differenzen zwischen Modell- und Messwerten (Residuen) werden in dieser Grafik auf der x-Achse aufgetragen und als Ausreißer ersichtlich. Die im Bild markierte Messung wird daher nicht weiter für die Modellbildung genutzt. Weiter zeigt Abb. 13-9, dass der gewählte Modelltyp (Modell 2ter Ordnung) eine gute Wahl darstellt, da alle anderen Residuen einer Normalverteilung gut entsprechen. Sie liegen nämlich alle in unmittelbarer Nähe der idealen Summenhäufigkeitsgerade für den normalverteilten Restfehler. Diese Verzerrung der meist als „S-förmig“ bekannten Summenhäufigkeitskurve in eine Gerade dient der besseren Vergleichbarkeit und wird durch eine beidseitig logarithmisch verzerrte y-Skalierung erreicht. Die derart gewonnenen Regressionsmodelle liefern dem Versuchsingenieur eine Aussage über das Verhalten des Motors im vermessenen Versuchsraum. Zusätzlich hilft ihm der statistisch abgesicherte Vertrauens- und Vorhersagebereich der Modelle, das Messrauschen von den signifikanten Motorreaktionen zu trennen. Kern der Modelldarstellung ist die sogenannte Schnittgrafik, welche die Einflüsse der Motorstellgrößen auf die interessierenden Motormessgrößen in Form mehrerer interaktiver X-Y Diagramme zeigt. In Abb. 13-10 ist die optimale Parameterkombination für bestmögliche NOx-Emission unter Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für den Kraftstoffverbrauch und Rauchwert zu sehen. Zusätzlich ist die Verifikationsmessung am Optimalpunkt eingetragen. Die Schnittgrafik zeigt auch den Vorhersagebereich sowie den vermessenen Versuchsraum.

532

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-9: Normalverteilungsgrafik zur Ausreißererkennung

Abb. 13-10: Schnittgrafik mit Verifikationspunkt am Optimum

Der hier gezeigte Optimalpunkt wird für jeden Betriebspunkt an Hand seiner individuell vorliegenden lokalen Modelle ermittelt. Man unterscheidet zwischen ƒ der lokalen Optimierung und ƒ der Zyklusoptimierung.

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

533

Während bei der lokalen Optimierung die Ergebnisse anderer Betriebspunkte nicht betrachtet werden, wird für die eingangs beschriebene Aufgabe dem Optimierer vorgegeben, die gewichteten Summenwerte aus allen 11 Betriebspunkten als Zielwert bzw. Randbedingungen zu betrachten. Als Zielfunktion wird gefordert, den absoluten Kraftstoffverbrauch in [kg/h] multipliziert mit der Wichtung des Betriebspunktes im Fahrzyklus und aufsummiert über alle 11 Betriebspunkte zu minimieren. Analoges gilt für die Randbedingungen insbesondere für Rauch, Nox und HC, die in der Summe über den Fahrzyklus einen bestimmten Wert nicht überschreiten dürfen. Zusätzlich können betriebspunktspezifische Grenzen – beispielsweise für die Geräuschemission definiert werden. Der Optimierer kann damit in 11 jeweils 6-dimensionalen Verstellräumen das geeignetste Ergebnis suchen. Wichtig ist schlussendlich auch die Verifikationsmessung, da an den 11 Orten der vorgeschlagenen Optima ja bisher mit höchster Wahrscheinlichkeit noch nicht gemessen wurde. Bei guter Arbeit erfolgt hier typischerweise die Bestätigung.

13.4.2

Volllastoptimierung Ottomotor

Die modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung ist in analoger Form auch auf Ottomotoren übertragbar und auf Grund der steigenden Variabilität auch hier sehr nutzbringend. Als Beispiel sei daran gedacht, einen bestimmten Volllastverlauf aus dem Lastenheft des Motors mit jeweils minimal möglichem Kraftstoffverbrauch darzustellen. Ein wesentlicher weiterer Aspekt, Komplexität aus der Entwicklungsaufgabe herauszunehmen, besteht im Einbringen von Vorwissen. So sind für den Ottomotor zwei Grunderkenntnisse für optimale Einstellungen bekannt: 1) Den höchsten Wirkungsgrad erreicht ein Ottomotor bei einer Verbrennungsschwerpunktslage von ca. 8 Grad Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt. Es ist aber nicht bekannt, wie schnell die Verbrennung abläuft, wenn die Abgasrückführrate verändert, der Ladedruck erhöht oder die Ladungsdurchmischung durch Drall- oder Tumbleklappen beeinflußt wird. Demnach ist es zunächst auch nicht bekannt, welchen Zündwinkel man einstellen muss, um die Verbrennungsschwerpunktslage zum Zielwert zu bringen. An der Volllast ist natürlich auch die Klopfneigung zu berücksichtigen, die es erfordern kann, dass mit einer späteren Verbrennungsschwerpunktslage das Auslangen gefunden werden muss. 2) Weiters sind die Abgasentgiftungssysteme meistens für „lambda = 1-Betrieb“ ausgelegt. Daher soll lambda immer = 1 bleiben – es sei denn Hochleistungsbetriebspunkte erfordern aus Bauteilschutzgründen, dass die Abgastemperatur abgesenkt werden muss. In diesem Fall soll dann so sparsam wie möglich angefettet werden und ein Betrieb mit „lambda < 1“ appliziert werden. Man kann mit diesen beiden Regeln die beiden wichtigen Einstellparameter „Zündwinkel“ und „lambda“ aus dem Versuchsplan für ottomotorische Entwicklungsaufgaben herausnehmen, da die jeweilige optimale Einstellung direkt von der Einstellung anderer Größen abhängig ist. Diese Regeln sind automatisierbar und erlauben somit eine online Optimierung. Der Optimierungsvorgang muss in der mittelschnellen Geschwindigkeitsebene ablaufen, um eventuelle starke Klopfereignisse hintanzuhalten. Abb. 13-11 zeigt in vereinfachter Form den Aufbau des sogenannten Verbrennungsreglers, wie er auf der Echtzeitplattform CAMEO Real Time darstellbar ist. Er läuft mit einer Taktzeit von 100 Hz in harter Echtzeit ab.

534

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-11: Aufbau Verbrennungsregler

Ein PI-Regler appliziert einen Deltazündwinkel in der Art, dass die Verbrennungsschwerpunktlage (MFB 50 %) auf einen vorgebbaren Wert eingeregelt wird. Erkennt die Klopfregelungseinheit eine bestimmte Klopfhärte bzw. Häufigkeit, so übernimmt sie die Kontrolle über den Zündwinkel und regelt diesen so ein, dass eine gewisse Klopfhärte nicht überschritten wird. Das ergibt dann typischerweise spätere Verbrennungsschwerpunktslagen und höhere Abgastemperaturen. Ein zweiter Teil des Verbrennungsreglers – der „Bauteilschutz Regler“ hält lambda auf einem vorgebbaren Wert (grundsätzlich: 1). Falls die Abgastemperatur einen vorgebbaren maximalen Wert überschreitet, wird gerade so weit angefettet, dass diese maximal zulässige Abgastemperatur eingehalten wird (siehe Leithgöb et al. (2003) und Yano et al. (2009)). Abb. 13-12 zeigt diese Wirkung des Verbrennungsreglers bei einem Betriebspunktwechsel von 2000 1/min bei 2 bar effektivem Mitteldruck auf den Vollastbetriebspunkt 4500 1/min bei 20 bar effektivem Mitteldruck. Da sogar diese großen Unterschiede im Betriebszustand eines Ottomotors mit dem Verbrennungsregler kontinuierlich im optimalen Bereich gehalten werden können, kann man damit auch innerhalb eines Betriebspunktes die Einstellwerte von Zündwinkel und lambda optimal halten. Abb. 13-13 zeigt den Volllastverlauf eines Ottomotors, bei dem unter Anwendung von DoE

y y y y y y

die variable Einlass- und Auslassnockenwellenposition, der Beginn der ersten Einspritzung, das Ende der zweiten Einspritzung, der Aufteilungsfaktor zwischen den beiden Einspritzmengen und der Raildruck variiert und abgestimmt wurden. Zündwinkel und lambda wurden dabei mit Hilfe des Verbrennungsreglers stets optimal mitgeführt und somit direkt aus der Messung bestimmt.

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

535

3500

25

3000

20

2500

15

2000

10

[bar]

4000

5 0 40

60

80

1 2 1

[0/1/2]

0

0

16

0

12

[°KW n. ZOT]

20

8

50% Massenumsatzpunkt

24

16

[-]

24

Lambda

[°KW v. ZOT]

Zündwinkel

32

8 4 20

40

60

Klopfintensität

Zeit [s]

[0/1]

Bit Klopfregler aktiv

20

Effektiver Mitteldruck

4500

[1/min]

Motordrehzahl

Somit konnte durch Einbringen von Vorwissen zur Onlineoptimierung der Komplexitätsgrad der Aufgabenstellung von 8 Einstellparameter auf 6 reduziert werden. Zur Modellverbesserung hat es sich bewährt, die bei der Messung tatsächlich anliegenden Verbrennungsschwerpunktlage ebenfalls als Modelleingang zuzulassen, um kleine Abweichungen vom Regelungsziel entsprechend richtig einzuordnen. Abb. 13-13 zeigt als Ergebnis dieser Optimierung den Vollastverlauf des Aggregates.

80

Zeit [s]

[°C]

Turbineneintrittstemperatur

950 900

1,05

850

1,00

800

0,95

750

0,90

700

0,85

650

0,80

600 550

20

40

60 Zeit [s]

Abb. 13-12: Wirkung des Verbrennungsreglers

80

536

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-13: Vollastverlauf kalibriert unter Verwendung von DoE kombiniert mit Verbrennungsregler zur online Optimierung

13.4.3

Variantenauslegung von Arbeitsmaschinen

Zur Variantenauslegung von Motoren zum Einsatz in verschiedenen Fahrzeugen oder auch nur verschiedenen Getriebeabstufungen ist die Auswirkung einer Lastkollektivverschiebung ein wesentlicher Hebel in der Zielerreichung. Hierzu ist es vorteilhaft, mit globalen Modellen zu arbeiten. Der Schritt von lokalen – betriebspunktorientierten – Modellen zu globalen betriebspunktübergreifenden ist in Abb. 13-14 verdeutlicht. Er ermöglicht aus einer Vermessung eines Antriebsaggregates an beliebigen Betriebspunkten und damit für unterschiedliche Lastkollektive Optimierungen vorzunehmen. Dies ist besonders für Nutzfahrzeughersteller aber auch für PKW-Hersteller von zunehmendem Interesse (siehe Bittermann et al. (2004)).

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

537

Abb. 13-14: Betriebspunktübergreifende Modelle zur Variantenkalibrierung aus seiner Motorvermessung

In Abb. 13-15 sieht man die spezielle Anforderung von Arbeitsmaschinen. Hier wird die Basis-Emissionsauslegung beispielsweise im 8-Mode Test an Hand von 8 Betriebspunkten (Dem Leerlauf und 7 weiteren) vom Gesetzgeber definiert. Bei unterschiedlicher Leistungsauslegung verschieben sich diese Betriebspunkte in einem gewissen Bereich. Zusätzlich hat der Prüfer auch das Recht, in von ihm frei wählbaren Betriebspunkten dazwischen („not to exeed points“) ebenfalls Emissionsbewertungen vorzunehmen.

Abb. 13-15: Verschiedene Vollastauslegungen von Arbeitsmaschinen am Beispiel eines 6,7 Liter 6-Zylinder-Common-Rail-Dieselmotors

538

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Noch einmal unterschiedlich davon ist das tatsächliche Nutzungsprofil der Motoren abhängig von der Arbeitsmaschine, die sie antreiben. So ist für den Endkunden der Kraftstoffverbrauch beispielsweise bei einem Bagger vorwiegend im Nenndrehzahlbereich zwischen Leerlast und Volllast interessant, wohingegen ein Traktor fast alle Kennfeldbereiche nutzt. Zusätzlich sind auch die Ladeluftkühlmöglichkeiten in den einzelnen Fahrzeuganwendungen unterschiedlich. Die Aufgabe in diesem Beispiel bestand darin, mit einer neuen einheitlichen Motorhardware, möglichst viele der Fahrzeugvarianten in einem Leistungsbereich von 90 bis 180 kW und einem Nenndrehzahlbereich von 2000 bis 2200 1/min auszurüsten. Dabei ist der Kundennutzen stark durch den möglichst geringen Kraftstoffverbrauch in der jeweiligen Fahrzeuganwendung gekennzeichnet und auch das Verbrennungsgeräusch ist ein wesentliches Kaufkriterium. Die Emissionsgesetze sind als Randbedingung natürlich immer einzuhalten. Wie Castagna et al. (2007) ausführen, konnte dies für die stationäre Basisbedatung mit Hilfe der globalen Modellbildung sehr effizient gelöst werden. Die Vorgehensweise ist hier grundsätzlich analog zu jener in Kapitel 13.4.1. Der wesentliche Erweiterungsschritt besteht in der Einbeziehung von Drehzahl und Last als Modelleingangsgrößen in die Versuchsplanung. Abb. 13-16 zeigt dazu im Teil a) den Betriebspunktebereich, der mit den globalen Modellen für Kraftstoffverbrauch, NOx und Soot aber auch für Geräusch abgedeckt werden muss. Weiters sieht man unten in b) den dazugehörigen Versuchsplanungswizard, der hier insbesondere auch Kennfeldbegrenzungen in benutzerfreundlicher Form unterstützen muss. Es wird in diesem Beispiel ein D-Optimales Design für Polynommodelle bis zur 5ten Ordnung angesetzt, wobei als Variationsparameter Spritzbeginn, Raildruck, Pilotmenge und Ladelufttemperatur zusätzlich zu Last und Drehzahl eingehen.

Abb. 13-16: Versuchsplanung für die globale Modellbildung

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

539

Da so ein großer Betriebsbereich abgedeckt werden soll und es eine der ersten realen Anwendungen war, wurden hier vorsichtshalber die doppelte Anzahl der minimal erforderlichen Versuchspunkte gefordert. Nach der erfolgreichen Vermessung der 925 Messpunkte – verteilt in 91 Last- Drehzahlkombinationen – innerhalb von 7 Werktagen mit der Abfahrstrategie „Online DoEScreening“ (vgl. Abb. 13-7) konnten die globalen Modelle gebildet werden. Abb. 13-17 zeigt dazu die Schnittgrafik für einen nicht optimierten Punkt nur zur Darstellung des Prinzips der globalen Modellbildung. Man sieht die Abhängigkeiten des Verbrauchs-, des Geräusch-, des NOx- und des Sootmodelles in der Umgebung der Cursorposition. Der jeweils am unteren Rand grün eingeblendete Balken zeigt den vermessenen Raum und damit den Beginn der Extrapolation der Modelle an. – Außerhalb dieses Bereiches sind Modelle grundsätzlich nicht bis nur eingeschränkt aussagekräftig. Beispielsweise sieht man, dass durch Erhöhung des Raildruckes in diesem Betriebspunkt noch deutlich Kraftstoff eingespart werden könnte – allerdings auf Kosten der Geräuschemission und der NOx-Emission. Soot würde ebenfalls günstig beeinflusst. Weiters sieht man unmittelbar neben den Modellkurven selbst strichlierte Linien, die den 95 %-Vertrauensbereich der Modelle anzeigen. Das bedeutet, dass der „wahre Modellwert“ mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit in diesem Intervall zu erwarten ist (siehe Eiglmeier et al. (2004)). Die engen Vertrauensbereiche zeigen die Verwendbarkeit dieser Modelle für die anspruchsvolle Aufgabe an. Während die ersten 3 Größen mit polynomialen Modellen bis zur 5ten Ordnung mit automatischer Ordnungsreduktion und Ausgangsgrößentransformation gebildet wurden, zeigte sich für den Soot ein Neuronales Netz mit 15 lokalen Teilmodellen (FNN) als am besten geeignet.

Abb. 13-17: Globale Motormodelle

540

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Mit Hilfe dieser Modelle kann nun wieder die Zyklusoptimierung mit entsprechenden Gewichten für die Betriebspunkte – einerseits für die Zielfunktion und anderseits für die Randbedingungen genutzt werden. Der entscheidende Vorteil gegenüber der in Kapitel 13.4.1 bereits dargestellten, auf unveränderlichen Betriebspunkten beruhenden Zyklusoptimierung besteht darin, dass jetzt für eine beliebige Fahrzeuganwendung diese Vorgehensweise mit beliebigen Betriebspunkten im Büro – ohne zusätzliche Messungen durchgeführt werden kann. So kann beispielsweise für die Baggervariante die Optimierung der Basiskennfelder für Raildruck und für die Spritzbeginne für Haupt- sowie Piloteinspritzung durch Eingabe entsprechend geänderter Gewichtungsfaktoren für die Zielfunktion (Verbrauch) dahingehend optimiert werden, dass sich im Nenndrehzahlbereich ein günstigerer Kraftstoffverbrauch ergibt. Dies ist auch dann möglich, wenn sich durch eine geänderte Vollastauslegung 7 der 8 Betriebspunkte verschieben sollten. Abb. 13-18 zeigt das Lastkollektiv und die Verbrauchsveränderung vor und nach der baggerspezifischen Optimierung, wobei in beiden Fällen die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionswerte eingehalten werden.

Abb. 13-18: Baggerspezifische Motoroptimierung mit Verifikation

Auch wie der abschließende Schritt der wichtigen transienten Optimierung dieser Arbeitsmaschinen bewerkstelligt wird, ist bei Castagna et al. (2007) beschrieben. Es werden hierzu kritische transiente Betriebszustandsänderungen am Motorenprüfstand reproduziert, wesentliche Einflussparameter vor dem Ereignis systematisch variiert und aus den aufgezeichneten Signalverläufen (mittlere Geschwindigkeitsebene nach Abb. 13-5) Ergebniskenngrößen ermittelt (Ergebnisebene nach Abb. 13-5). Diese eignen sich wieder zur Modellbildung und Optimierung ohne Zeiteinfluss. Auf den Aspekt der transienten Optimierung wird in analoger Art und Weise nachfolgend am Beispiel der Hybridfahrzeugentwicklung eingegangen:

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

13.4.4

541

Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeugen in kritischen Zyklusabschnitten

Um die gesteigerte Komplexität, aufgrund der hinzugewonnen Freiheitsgrade und der starken Interaktion der einzelnen Komponenten, bei der Entwicklung hybrider Antriebe zu beherrschen, sind durchgängige Methoden notwendig, die die Effizienz im Entwicklungsprozess erhöhen (siehe Kluin (2010)). Ein Schlüssel dabei ist die gezielte Anwendung von Simulationen in Verbindung mit einem geeigneten Versuchsumfeld. In Abb. 13-19 ist ein Entwicklungsprozess, der diese Methoden aufgreift, visualisiert. Bestimmung der nächsten Variation der Eingangsparameter Rückwärtssimulation Verbrauch Basisbetriebsstrategie Kosten KEM Ken nfeld Eta

75

70

75

0

75

87.5

85

80

90

91 87.5 90 87.5 85

87.5

85

1000

85

3000 Dreh zah l [rp m]

250

80

60

85 80

80 75 70 50

80 0 775 50

2000

Drehmoment [Nm]

70

50

70 75

87.5

0

400 0

250

80

85

120

80

100

70 75

50

90

85

60 50 40 30 20 10

270

270

3 00

300

6 000

87.5

50

80

75 70 50 5 000

85

Drehmomen t [Nm]

80

80

4 000

300

85

85 80 75 70 50

3 000 D re hzahl [rpm]

90

80

87.5 90 87 .5 85

2 000

91

50 70 75

KICE

70

75

70

85

5

91

80 75 70 50

1 000

K ennfeld spez iefis ch B asis 140

80

80 75

91

Drehmomen t [Nm]

90

80

87. 90

87.5

85

0

80

100

75

85

0

KEG Kenn feld Eta

70

80

40 30 20 10

80

90 80 70 60 50

50

80

100

Kdifferential

40

300

75 70 50 500 0

400 20

6 00 0

0

400

400

1500

2000

600

600 1200

600 1200

1000

2500

3000 3500 4000 Dr ehzahl [rpm]

1200

4500

5000

5500

6000

= 0,97

Kbattery load/unload~ 1/RiiBat²

Ktransmission = 0,97

Fahrzyklus

+

El. Reichweite

-

Antriebsstrang

Optimierte Antriebsstrangarchitektur Vorwärtssimulation & X-in-the-Loop KEM K ennfeld Eta

75

0

87

80

8 7.5 90 87.5 85

.5

85

2000

85

3000 Drehz ahl [ rpm]

4000

80

250

250

80

60

85 80 75 70 50

80 75 70 50

1000

D rehmoment [Nm]

75

70

50

70 75

50

87.5

85

Drehmoment [Nm]

80

90

0

27

270

0

300

40

300

75 70 50

5000

400

20

6000

0

400

400

1500

2000

60 0

600 1200

600 1200

1000

2500

3000 3500 4000 Drehzahl [rpm]

1 200

450 0

5000

5500

6000

= 0,97

Emissionen

Kbattery load/unload~ 1/RiiBat²

Ktransmission +

Verbrauch

KICE

120

85

91

30 20

300

6000

100

80 70 75

50

87.5 90 91

75 70 50

80

75

87.5

50 40

80

5000

80

90

85

60

85

85

85

4000

0

.5

80 75 70 50

30

Drehmoment [Nm]

80

87 90 87.5 85

3000 Drehz ahl [ rpm]

270

80

75

70

85

91

80 75 70 50

2000

Kennfeld spezie fi sch Basis

140 80

80 75

91

50 70 75

KEG K ennfeld Eta

90

80

87.5 90

8 7.5 85

1000

10

= 0,97

Manöver

0

70

Fahrer

0

80

100

75

85

30 20 10

70

80

60 50 40

50 70 75

90 80 70

Kdifferential

50

80

100

70

ƒ Strategieparameter • SOC-Grenzen • Vm ax elektrisch

Multikriterielle Optimierung

270

ƒ Szenarien • Fahrzyklen

50 70 75

ƒ Fahrzeugparameter • Antriebstopologie • Komponenten • Strategie

Ermittlung der optimalen Parameterkombination unter Berücksichtigung vorgegebener Optimierungsziele

-

Fahrzeug

ƒ Szenarien • Fahrzyklen • Manöver

Fahrbarkeit

Test elektrischer Komponenten

Lebensdauer Engine-in-the -Loop

Bestimmung der nächsten Variation der Eingangsparameter

Abb. 13-19: Entwicklungsprozess hybrider Antriebe

In frühen Phasen der Entwicklung, wie etwa der Konzeptfindungsphase, kommt dabei die Rückwärtssimulation zur Konzeptbewertung und Komponentendimensionierung zum Einsatz. Dabei werden aus vorgegebenen Fahrzyklen die Raddrehzahl und Fahrwiderstände am Rad und über entsprechende Antriebsstrangmodelle die Drehzahlen und Momente im Antriebsstrang berechnet. Somit können Wechselwirkungen und Energieflüsse im gesamten Fahrzeug schnell und effizient untersucht werden. Um die Energieflüsse zwischen den einzelnen Antriebsaggregaten wie E-Motor und VKM sinnvoll aufzuteilen, ist eine Basisbetriebsstrategie notwendig. Diese besteht aus grundlegenden Energiemanagementfunktionen, die zum Betrieb des Fahrzeugs notwendig sind. Der Einsatz von Optimierungsalgorithmen bietet die Möglichkeit optimale Kombinationen aus Antriebsstrangarchitektur, Dimensionierung der Komponenten (z. B. Batteriekapazität, E-Motor- und VKM-Leistung etc.), Struktur und Parametrierung der Betriebsstrategie unter bestimmten Optimierungszielen wie z. B. Verbrauch, Kosten oder elektrischen Reichweite in verschiedenen Nutzungsszenarien zu finden. Bei der Optimierung wird

542

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

zwischen Softwareparametern, wie etwa die Betriebsgrenzen der VKM, und Hardwareparametern, wie etwa die Kapazität der Batterie, unterschieden. Aufbauend auf dem optimierten Konzept wird im nächsten Schritt der Antriebsstrang physikalisch detailliert modelliert und in einer Gesamtfahrzeug-Vorwärtssimulation weiter untersucht. Die durch die Rückwärtssimulation erhaltenen Werte für die Parameter dienen dabei als Vorgabe. Die Basisbetriebsstrategie ist außerdem um den dynamischen Teil, in dem die Ansteuerung der einzelnen Antriebsaggregate realisiert wird, sowie um sämtliche Funktionen, die für den Betrieb in einem Prototyp notwendig sind, zu erweitern. Wird die Fahrzeugsimulation zusätzlich um eine Umgebung, bestehend aus Fahrer, Strecke und Verkehr, erweitert, können die Funktionen nicht nur bezüglich gesetzlicher Fahrzyklen, sondern auch in realen Fahrmanövern getestet und appliziert werden (Real World Maneuver based Testing). Um Hardware- und Systemintegrationstests bereits in den frühen Phasen der Entwicklung durchzuführen, eignet sich besonders die X-in-the-Loop-Methode, bei der einzelne Komponenten, wie die VKM, der E-Motor oder Steuergeräte, bis hin zum gesamten Antriebsstrang real am Prüfstand aufgebaut und in die bestehende Fahrzeugsimulation integriert sind. Dadurch kann zum einen die Dynamik und das reale Verbrauchs- und Abgasverhalten der VKM, das nur aufwändig zu simulieren ist, im reproduzierbaren Prüfstandsumfeld analysiert werden. Zum anderen ist es möglich bei Integration aller mechanischer und elektrischer Komponenten des hybriden Antriebsstrangs, die Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten und die Betriebsstrategie im Detail zu optimieren. Für die systematische modellbasierte Optimierung aller Strategieparameter unter Berücksichtigung von Effizienz, Emissionen, Fahrbarkeit und Lebensdauer, vor allem der Batterie, können verschiedene Algorithmen, auch in Verbindung mit DoE-Methoden, verwendet werden, was im folgenden Optimierungsbeispiel verdeutlicht ist. Als Anwendungsbeispiel wird die Optimierung des Energiemanagements eines leistungsverzweigten Hybridfahrzeugs mittels X-in-the-Loop-Simulation betrachtet, als Werkzeug kommt AVL CAMEO zum Einsatz (siehe Beidl (2010)). Dabei ist nur die VKM des Fahrzeugs als reale Komponente am Prüfstand aufgebaut. Ziel der Optimierung ist es, eine optimale Einstellung der Motorstart/-stopp- und Batterielade-Parameter des Energiemanagements bezüglich der Kriterien Verbrauch, Emissionen und Batteriebelastung zu finden. Bei dem vorliegenden Optimierungsproblem handelt es sich somit um eine multikriterielle Optimierungsaufgabe. Der am Prüfstand gemessene Verbrauch wird mit einem kraftstoffäquivalenten Wert korrigiert, der die SOC-Differenz zwischen Anfang und Ende eines Zykluses berücksichtigt. Die Batteriebelastung wird über ein vereinfachtes Schädigungsmodell, welches die Belastung in Abhängigkeit von Batteriestrom und SOC quantifiziert, dargestellt (Hohe Belastung bei niedrigem SOC und hohem entnommenen Strom bzw. bei hohem SOC und hohem zugeführten Strom). Um zu zeigen, dass auch real anfallenden Emissionen in die Optimierung mit einbezogen werden können, wird hier exemplarisch die am Prüfstand gemessenen HC-Emissionen verwendet. Für die Optimierung in diesem Beispiel wird der Ansatz der gewichteten Summen verwendet, bei dem ein Mehrgrößenproblem auf eine Zielgröße reduziert wird. Dabei werden die einzelnen Kriterien mit einem Gewichtungsfaktor multipliziert und zu einer Zielfunktion aufsummiert. Dadurch kann dieses Mehrgrößenproblem mittels Eingrößen-Optimierungsverfahren gelöst werden. Für die Optimierung des leistungsverzweigten Hybrid wird der Verbrauch mit 60 %, sowie Batteriebelastung und HC-Emissionen mit jeweils 20 % gewichtet. An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch eine multikriterielle Optimierung, beispielsweise mit einem evolutionären Algorithmus, sinnvoll ist. Dabei wird auf mehrere Kriterien optimiert, die somit nicht zu einer Zielfunktion zusammengefasst werden müssen. Das Ergebnis der multikri-

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben

543

teriellen Optimierung ist eine so genannte Pareto-Front oder auch Pareto-Menge, in der die Parameterkombinationen mit optimalen Zielgrößen liegen. Zur Vertiefung sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (siehe Lassenberger (2011)). Für die Optimierungsaufgabe in diesem Beispiel sind in Tab. 13.1 die ausgewählten Variationsparameter des Energiemanagements dargestellt, die signifikant die Kriterien beeinflussen. Tab. 13.1: Identifizierte Variationsparameter des Energiemanagements Batterieladeparameter

Motorstart/-stopp-Parameter

Maximale Ladeleistung

Leistungsanforderungsgrenze (des Fahrers) für rein elektrisches Fahren

SOC-Grenze für Ladeleistungsabsenkung

Elektrische Höchstgeschwindigkeit

SOC-Grenze zum Beenden Ladens durch VKM Hysterse-Zielwert für Batterieladen durch VKM (Verhindert ständiges Starten und Stoppen der VKM)

Für die Fahrzeugumgebung in der Simulation wird ein Teil aus dem Darmstadt Stadtzyklus, ein so genannter Real World Driving Cylce, in dem die Stopp-Positionen des Fahrzeugs, Verkehrszeichen und Hindernisse in einem repräsentativen Streckenversuch aufgezeichnet wurden. Das Fahrermodell wird mit +/– 3 m/s² maximaler Beschleunigung für die Längsdynamik parametriert, was in etwa einem durchschnittlichen Fahrverhalten entspricht. Wie auch bei der Applikation von VKMs kann bei der modellbasierten Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeuge auf DoE-Methoden zurückgegriffen werden. Dabei entsprechen die einzelnen Simulationsläufe den Betriebspunkten bei konventioneller Applikation. Mit den sechs identifizierten Variationsparametern werden mittels D-optimalen Versuchsplans 29 Versuchsläufe mit verschiedenen Parameterkonfigurationen ermittelt. Die jeweiligen Ergebnisse eines Versuchslaufs werden entsprechend gewichtet und zu einer Zielfunktion aufsummiert. Für den funktionalen Zusammenhang zwischen den Variationsparametern und der Zielfunktion wird ein Polynom-Modell erstellt. Mit Hilfe dieses Polynommodells kann anschließend ein globales Minimum gefunden werden. Abb. 13-20 zeigt einen Vergleich der Kriterien mit der so ermittelten optimalen Parameterkonfiguration und einer zufällig gewählten Konfiguration (Basis). Die Ergebnisse sind dabei auf die maximal gemessenen Werte bezogen. Auch wenn die Batteriebelastung steigt, können der Verbrauch und die HC-Emissionen durch die Optimierung deutlich reduziert werden. Da Verbrauch und Batteriebelastung sich widersprechen, führt eine Verringerung des Verbrauchs zu einer erhöhten Batteriebelastung. Durch die höhere Gewichtung des Verbrauchkriteriums wird der Anstieg der Batteriebelastung toleriert. Wie in diesem Beispiel gezeigt ergeben sich durch einen systematischen Ansatz bei der Optimierung komplexer Hybridantriebe deutliche Vorteile hinsichtlich Effektivität und Effizienz gegenüber einer Trial-and-Error-Vorgehensweise.

544

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

80% 70%

Basis

60%

Optimiert

50% 40% 30% 20% 10% 0%

Abb. 13-20: Optimierungsziele bezogen auf gemessene Maximalwerte für die optimierten und Basisparameter (Beidl (2010))

13.5

Funktionsbedatung

Eine ebenfalls sehr komplexe Entwicklungsaufgabe stellt die Bedatung von Steuergerätefunktionen dar (siehe Joshua et al. (2010)): Neben der Regelung von Stellgrößen übernehmen Motorsteuergeräte die Vorhersage von Größen, die im Fahrzeug nicht messbar, jedoch für die Regelung oder Überwachung des Motors notwendig sind. Diese Art von Funktionen nennt man im Allgemeinen „virtuelle“ Sensoren. Sie berechnen aus messbaren Größen und Kennfeldern, welche in der Motorsteuerung abgelegt sind, die nicht messbaren Größen. Es gibt eine Vielzahl von solchen „virtuellen“ Sensoren in einem modernen Motorsteuergerät, z. B. für die Vorhersage der Luftmenge, welche bei einem Hub in den Zylinder gelangt, die Vorhersage des aktuellen Motormoments, die Vorhersage der NOx-Emissionen etc. Die Aufgabe des Kalibrieringenieurs ist es, die Kennfelder und Kennlinien dieser virtuellen Sensoren so zu bedaten, dass der virtuelle Sensor das wahre Messsignal mit hinreichend guter Genauigkeit wiedergibt. Die Struktur dieser virtuellen Sensoren basiert meist auf physikalischen Zusammenhängen erweitert um empirische Faktoren, welche Zusammenhänge abbilden, die physikalisch sehr schwer oder gar nicht abbildbar sind. Abb. 13-21 zeigt die die Füllungserfassungsfunktion eines modernen Ottomotors mit variabler Nockenwellensteuerung. Neben einer Vielzahl von Eingängen – insbesondere die Fahrpedalstellung und die bewusst nicht veröffentlichten inneren Verschaltungen von Kennfeldern werden für verschiedene Betriebszustände die zugehörigen Füllungsgrade ausgegeben. Häufig wird die Kalibrierung dieser ECU-Funktionen direkt am Prüfstand oder im Fahrzeug unter hohem Zeitaufwand und schlechter Reproduzierbarkeit der Ergebnisse durchgeführt. Am Beispiel des am Markt verfügbaren Softwarewerkzeuges AVL fOX™ für die Bedatung von ECU-Funktionen wird hier die Herangehensweise zur automatisierten Bedatung von ECU Funktionen im Büro gezeigt. Die Idee ist Kalibrierprozesse in Workflows abzubilden, die den Kalibrieringenieur durch die Bedatung leiten und die Kalibrierung automatisieren.

13.5 Funktionsbedatung

545

Abb. 13-21: Füllungserfassungsfunktion eines modernen Ottomotors

In diesem Abschnitt wird die Bedatung eines virtuellen Sensors zur Vorhersage der in einen Zylinder angesaugten Luftmasse (Füllungserfassung) für einen Motor mit variabler Einlassnockenwelle beschrieben. Der virtuelle Sensor, dargestellt in Abb. 13-21, bildet im Prinzip folgenden mathematischen Zusammenhang ab: Füllungsgrad

( ps  ps0 ( N )) ˜K Füll ( N , Rl ,VVT )

(13.4)

Wobei ps der aktuelle Saugrohrdruck, ps0 in Abhängigkeit von N, der Drehzahl, der Saugrohrdruck bei dem keine Ladung mehr in den Zylinder gelangt, KFüll der Füllungswirkungsgrad in Abhängigkeit von der Drehzahl (N), der relativen Last (Rl) und der Nockenwellenstellung des variablen Ventiltriebs (VVT) bezeichnet. Die Abhängigkeit von ps0 von der Drehzahl ist in der Funktion durch eine Kennlinie abgebildet, der Zusammenhang zwischen dem Füllungswirkungsgrad von N, Rl und VVT ist durch 3 Kennfelder abgebildet. Dabei wird in der Funktion davon ausgegangen, dass bei einem optimaler VVT-Stellung der Füllungsgrad durch die Kennlinie und ein ReferenzFüllwirkungsgradkennfeld bestimmt wird. Bei abweichenden VVT-Stellungen wird das Referenz-Kennfeld durch eine parabolische Korrektur in Abhängigkeit von der VVT-Position verschoben. Für die Kalibrierung dieses virtuellen Sensors ist es also notwendig diese 4 Kennwerte zu bedaten. Dazu wurde in AVL fOX™ ein Workflow zur Verfügung gestellt der zuerst die Referenz-Kennwerte bedaten und anschließend die Korrekturkennfelder. Die Bedatung geschieht an Hand von Prüfstandsdaten, welche in diesem Beispiel auf 18 verschiedenen Drehzahlstufen und pro Drehzahlstufe auf 5 VVT Positionen aufge-

546

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

zeichnet wurden. In jedem dieser 90 Punkte wurde die relative Last quasistationär rampenförmig verstellt und kontinuierlich gemessen, was in Abb. 13-22 dargestellt ist. Pro Last Rampe werden im Durchschnitt 1200 Messpunkte aufgenommen. Diese Messmethodik auch bekannt unter SDS (Slow Dynamic Slopes) bringt gegenüber der herkömmlichen Messmethode eine Zeiteinsparung von bis zu 30 % (siehe Büchel et al. (2009)).

Abb. 13-22: Slow Dynamic Slope Messung

Der Workflow besteht im Wesentlichen aus 3 Hauptschritten: 1. Datenvorbereitung: In diesem Schritt importiert der Kablibrieringenieur die Messund Kalibrierdaten. Bei dem Kalibrierdatenstand handelt es sich meist um eine Bedatung aus einem anderen ähnlichen Kalibierprojekt. Danach werden die Messdaten nach Drehzahl und VVT-Position gruppiert, wobei automatisch Gruppen mit VVT=0 als Referenzgruppen markiert werden. Nur diese Gruppen werden später zur Bedatung der Referenzgruppen herangezogen. Am Ende der Datenvorbereitung wird aus den gemessenen Indizierdaten der relative Füllungsgrad über eine Formel ermittelt. 2. Referenzkalibrierung: Dieser Schritt beinhaltet die Kalibrierung der Kennlinie für den Nulldruck (ps0) und für den Füllwirkungsgrad bei Referenz-VVT Stellung. Zur Bestimmung des Nulldrucks (ps0) wird pro Drehzahlstufe und Referenz-VVT Stellung ein polynominales Modell gebildet, welches den Zusammenhang zwischen Saugrohrdruck (ps) und Füllungsgrad (eal) abbildet. Der Nulldruck (ps0) ist nun jener Punkt an dem das Modell die X-Achse (relative Last) schneidet (siehe Abb. 13-23).

Abb. 13-23: Polynom Modell für den Füllungsgrad in Abhängigkeit des Saugrohrdrucks

13.5 Funktionsbedatung

547

Dieser Wert wird automatisiert in die Kennlinie geschrieben und diese daran angepasst. Im zweiten Teil wird das Referenzkennfeld bedatet. Dazu wird der Saugrohrdruck (ps) um den Nulldruck (ps0) korrigiert und der Füllungsgrad (eal) in Anhängigkeit zu dieser Größe durch ein Polynom 4 Ordnung modelliert (siehe Abb. 13-24).

Abb. 13-24: Polynom Modell 4. Ordnung für den Füllungsgrad in Abhängigkeit des um den Nullpunkt korrigierten Saugrohrdrucks

Pro Drehzahlstufe werden diese Modelle nun an den Saugrohrdruck Stützstellen des Referenzkennfelds befragt und dieses Kennfeld mit den neuen Werten bedatet. Dadurch ergeben sich folgende zwei Kenngrößen (siehe Abb. 13-25):

Abb. 13-25: Bedatete Labels für die Referenzbedatung

3. Korrekturbedatung: Im letzten Schritt werden die zwei Kennfelder zur Korrektur des Füllwirkungsgrades bedatet. Dazu wird für alle Gruppen der Restfehler zwischen Referenzbedatung und tatsächlich gemessenen Füllungsgrad berechnet und dieser mit Hilfe eines Polynoms in Abhängigkeit der Nockenwellenstellung und des Saugrohrdrucks pro Drehzahlgruppe berechnet. Mit Hilfe dieser Polynome werden die Kennfelder für die parabolische Korrektur bedatet (siehe Abb. 13-26):

548

13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

Abb. 13-26: Bedatete Korrekturkennfelder

Durch diesen Workflow kann der Kalibieringenieur in kürzester Zeit diese große Anzahl an Messdaten in Kennfelder umrechnen und damit seine Kalibrieraufgabe lösen. Außerdem ist, durch die Tool-gestützte Bedatung, die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und die Genauigkeit der Ergebnisse verbesserbar und hängt in viel geringerem Masse vom Können und der Erfahrung des Kalibrieringenieurs ab. Ohne spezielle manuelle Anpassungen der Kennfelder ist es in weiten Bereichen des Betriebsbereichs den Modellierungsfehler auf 3 % zu beschränken, wie eine Validierungsrastermessung am Prüfstand zeigt (siehe Abb. 13-27).

Abb. 13-27: Validierungsergebnisse

13.6

Zusammenfassung

Die mechatronischen Systeme, wie sie moderne Fahrzeugantriebsstränge und insbesondere Antriebsaggregate darstellen, zeichnen sich neben hoher Flexibilität und Leistungsfähigkeit auch durch zunehmende Komplexität in der Bedatung und Optimierung aus. An Hand von konkreten Aufgaben zur Optimierung von Diesel- und Ottomotoren sowie Hybridaggregaten wurde gezeigt, wie sich theoretische Überlegungen zur Modellbildung sowie eine zunächst abstrakte Beschreibung der Prozessführung – beispielsweise beim Einsatz von DOE Methoden oder bei der Funktionsbedatung eines virtuellen Sensors – in die Anwendungsumgebung einer Motorenentwicklung überführen lassen und dort eine Voraussetzung für effiziente Abläufe und eine sichere Zielerreichung darstellen. Derzeit laufen in allen namhaften Häusern von Automobilherstellern Programme, solche Methoden in der industriellen Praxis auszurollen, um die zunehmende Komplexität der Entwicklungsaufgaben weiterhin zu beherrschen.

Literatur

549

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14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen

553

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Eine immer wesentlichere Rolle bei der Simulation motorischer Vorgänge spielt die 3Dströmungsmechanische oder CFD-Simulation (CFD: Computational Fluid Dynamics), da sie prinzipiell die detaillierteste physikalisch-chemische Beschreibung der relevanten Prozesse ermöglicht. Sie ist aus der modernen Motorenentwicklung nicht mehr wegzudenken, und unter dem Aspekt stetig wachsender Rechnerkapazitäten und –leistungen wird ihre Bedeutung auch weiterhin anwachsen. Mit CFD werden heute die verschiedensten Fragestellungen untersucht, vom Gaswechsel bis hin zur Kühlmittelströmung. Im Rahmen des vorliegenden Buches werden wir uns auf die Themenkomplexe Gaswechsel, Gemischbildung, Verbrennung und Aufladung beschränken. CFD steht naturgemäß in Konkurrenz zu den null- und eindimensionalen sowie phänomenologischen Modellen, die bisher diskutiert wurden. Aufgrund des sehr viel höheren Aufwandes, der zur erfolgreichen Durchführung und Auswertung einer CFD-Rechnung erforderlich ist, sollte im Zweifel gelten: den (relativ) weniger aufwendigen 0D- und 1DBerechnungsansätzen gebührt der Vorrang. Erst wenn eine klar definierte, konkrete Fragestellung herausdestilliert ist, bei der man mit gutem Grund (bzw. zumindest mit einiger Hoffnung) davon ausgehen kann, dass sie mit CFD beantwortet werden kann (aber nicht ohne!), ist die Durchführung einer CFD-Rechnung wirklich sinnvoll. Im geeigneten Falle kann natürlich gerade auch die Kombination von 0/1D- und 3D-Simulation eine empfehlenswerte Lösung sein. Die wesentlichen Herausforderungen, die der Anwender zu meistern hat, liegen erstens in der Beherrschung des Rechenprogramms selbst, zweitens in einem Verständnis der verwendeten Modellansätze und drittens natürlich im technischen Verständnis der zugrundeliegenden motorischen Fragestellung. In den letzten Jahren war bei den relevanten CFDBerechnungscodes ein Konzentrationsprozeß auf kommerzielle Programme zu verzeichnen. Im Rahmen der hier schwerpunktsmäßig betrachteten In-Zylinder-Prozesse (Rechennetze mit bewegten Kolben und Ventilen) kommen meist nur noch zwei Codes zum Einsatz: STAR CD und FIRE. Der CFD-Code KIVA, für lange Zeit als Schrittmacher gerade für die Einspritzsimulation zu betrachten, wird im kommerziellen Rahmen als Tool nicht weitergepflegt und ist daher inbesondere aufgrund von Einschränkungen bei den Rechennetzen und der implementierten Numerik inzwischen als veraltet anzusehen. Dies bedeutet nicht, dass KIVA nicht weiterhin wertvolle Dienste als Trainingscode leisten kann (was z. B. gerade beim universitären Einsatz sinnvoll sein kann). Die Codes, auf die dieser Konzentrationsprozeß ausgerichtet ist, erleben hingegen ständige und fortwährende Erweiterungen und Erneuerungen. Dies resultiert aus den vielfältigen, sich teilweise auch widersprechenden Anforderungen der unterschiedlichen Anwender, da diese gegenüber den (diesbezüglich eher unvorbereiteten) Code-Anbietern als separate Kunden mit ihren jeweiligen Eigeninteressen auftreten und auf diesem wettbewerbsrelevanten Themenfeld auch keine hinreichend starke wissenschaftliche Gemeinschaft existent ist, die für die Einigung auf ein allseits akzeptiertes gemeinsames Optimum sorgen könnte. Der Nutzer steht daher vor der Situation sich immer stärker diversifizierender Codes mit den unterschiedlichsten Modellansätzen, die er prinzipiell bezüglich ihrer Stärken und Schwächen zu kennen, zu bewerten und schließlich eine Auswahl zu treffen hat.

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_14, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

554

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Insbesondere in den ersten Jahren der Modellbildung in der Motor-CFD hat sich diese vor allem in die „Breite“ (d. h. es war eine starke Zunahme der Modellvarianten zu verzeichnen), aber weniger in die „Höhe“ (d. h. hinsichtlich einer Zunahme der damit erzielbaren Aussagequalität) entwickelt. Erst in den letzten Jahren hat sich dieser Trend erfreulicherweise abgeschwächt, es stehen immer mehr auch qualitativ hochwertige Modellansätze zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für das Teilgebiet Gemischbildung, wir werden im Kapitel 16 darauf zurückkommen. Diese weiterentwickelten hochwertigen Modellansätze müssen aber auch genutzt werden, und das impliziert hohe Anforderungen an die User! In den modernen, kommerziellen Codes ist das nicht mehr so einfach wie etwa noch im KIVA-Code, wo ein durchsichtiger, klassisch-schnörkellos programmierter Fortran-Quellcode allgemein verfügbar ist. Anderes gilt für die berechnungstechnische Seite der Numerik, Netzgeneriung und Auswertungswerkzeuge. Da auf diesen Themenfeldern typischerweise die originäre Kompetenz der Code-Hersteller liegt, ist hier eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung zum Besseren (d. h. „Fortschritt“) zu beobachten. Allerdings muß auch dieser Fortschritt erst durch den erfahrenen User abgerufen werden, er ist keinesfalls „von selbst“ verfügbar. Beide Seiten jedoch (Berechnungstechnik u. Modellierung) sind unverzichtbar und sollten auf hohem Niveau verfügbar sein, will man belastbare Aussagen über Gemischbildungs- und Verbrennungsprozesse machen. Auch gibt es vielfältige Wechselwirkungen zwischen beiden Aspekten (z. B. eine adaptive Netzverfeinerung als Basis für ein verbessertes Strahlmodell). Wenn auch die letztgenannte Seite (d. h. der Qualitätsfortschritt in der Berechungstechnik) besser verfügbar ist, so liegt auch sie nicht an der „Oberfläche“ der heutigen CFDCodes. Diese wollen auf den ersten Blick suggerieren, dass eigentlich keine qualifizierten Benutzer mit numerisch-mathematisch-physikalisch-chemischen Kenntnissen erforderlich seien, die Online-Menueführung löse all diese Probleme auf effiziente Weise. Geht eine derartige Marketingaussage nach allgemeiner Erfahrung häufig bereits bei Allerwelttools wie Mailverwaltung, Textverarbeitung etc. schief, so erst recht bei den doch deutlich komplexeren CFD-Tools für motorische Anwendungen. Als noch relativ unkritisch stellt sich ein frühes Scheitern dar, wesentlich unerfreulicher sind letztlich diejenigen Fälle, wo der Anwender bis zur Generierung eines „Ergebnisses“ in Form schöner farbiger Bilder vorgedrungen ist. Bei der Interpretation so mancher bunten Bilder lässt sich im Nachhinein ein neues Verständnis für „Sterndeuterei oder antiker Vogelschau“ gewinnen. Um das zuletzt erwähnte Problem sachlich zu vertiefen: Es handelt sich dabei keinesfalls nur um das Problem eines Einsteigers. Es ist vielmehr ein grundsätzliches Problem, wie die eingangs erwähnte Steigerung der Rechenkapazitäten und die erwähnten Berechnungsfortschritte (sowohl hinsichtlich Berechnungstechnik als auch hinsichtlich Modellierung) zu investieren sind: in Qualität oder in Quantität, d. h. eine Steigerung der durchführbaren Berechnungsvarianten. Nach Ansicht der Autoren muß gerade beim Thema „CFD“ die Qualität immer noch den klaren Vorrang vor der Quantität haben, weil ansonsten die Aussagefähigkeit von CFD gegen Null geht. Berechnungsergebnisse, deren Aussage in relevanter Weise durch Simulationsartefakte wie z. B. Netzabhängigkeiten belastet sind (was eigentlich nicht mehr State-of-the-art sein sollte, in der Praxis aber leider noch allzu oft vorkommt), sind wertlos. Und mit den 0D- und 1D-Tools steht eine relativ weitentwickelte Konkurrenz zur Verfügung, die in punkto Geschwindigkeit ohnehin unschlagbar ist. Aber auch bezüglich des Punktes „Qualität“ ist zunächst noch unklar, wohinein zusätzlicher Aufwand sinnvollerweise zu investieren ist. Die Simulation ensemblegemittelter einphasiger, nichtreaktiver Strömung ist relativ gut abgesichert. Für eine fort-

14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen

555

geschrittene CFD-Analyse innermotorischer Prozesse stellt die Gemischbildungssimulation (also im Kern die Simulation des Einspritzprozesses) dann den nächsten großen Schritt dar, welcher letztlich auch die Grundlage für die Betrachtung der Wärmefreisetzung bildet. Innerhalb der Einspritzungssimulation ist es aber zunächst absolut zwingend, ein auskonvergiertes, von Netz- und Numerikartefakten befreites Modell einzusetzen. Auch ein korrektes Turbulenzmodell für die disperse Phase („Tropfen“) ist unverzichtbar. Daher soll im Folgenden ein Schwerpunkt auf diese Themen gelegt werden. Wenn man alle Qualitätsregeln beachtet und alle heute verfügbaren Tools einsetzt, sollte es möglich sein, in vielen Fällen mittels Berechnung zur Gemischbildung und Wärmefreisetzung belastbare Aussagen zu machen. Darüber hinaus erreicht man aber recht schnell die Grenzen zuverlässiger Berechenbarkeit. Immer wieder wird auch suggeriert, die gestiegenen Rechnerkapazitäten ermöglichten den Einsatz komplexerer Modelle zur Berechnung chemischer Prozesse, welche direkte Aussagen zu den Zielwerten der Brennverfahrensentwicklung machten, wie Klopfen und Entflammbarkeit im Ottomotor und Emissionen im Diesel- oder mageren Ottomotor. Dem kann man nur widersprechen. Die Grenzen der heutigen CFD-Modelle sind nach wie vor weitaus enger zu ziehen. Wir werden in Kapitel 17 diese Limitierungen näher erläutern.

14.1

Strömungsmechanische Grundgleichungen

14.1.1

Massen- und Impulstransport

Im Folgenden werden kurz die Basis-Gleichungen der Strömungsmechanik rekapituliert, wobei die Komponentenschreibweise in Summenkonvention verwendet wird, d. h. über doppelt erscheinende Indices ist zu summieren. Für eine ausführliche Ableitung sei auf Merker und Baumgarten (2000), Cebeci (2002) und White (1991) verwiesen. Die lokale Massenerhaltungsgleichung, Kontinuitätsgleichung genannt, lautet w w U (x,t )  U (x, t ) vi (x, t ) wt wxi

0.

(14.1)

Die Abhängigkeit der Feldgrößen von x oder t wird üblicherweise einfach weglassen. Die Impuls-Gleichung (Navier-Stokes-Gleichung) lautet dann §w w  vj ¨ wt w xj ©



wobei

· w ¸ vi  ¸ w xj ¹

§ ¨¨W ij ©

ª wvk « ¬ wxl

º· » ¸¸ ¼¹



wp  fi , wxi

§ wvi wv j · wvk G ij  ¸¸  [ ¨ wx j x xk w w i ¹ © P , [ : 1. und 2. Zähigkeitskoeffizient

W ij



(14.2)

(14.3)

den Spannungstensor bezeichnet und f i eine äußere Kraftdichte (z. B. die Schwerkraft). Häufig wird

[

2  P 3 angenommen, d. h. W ij ist spurfrei.

(14.4)

556

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Bisher wurde der allgemeine kompressible Fall betrachtet, d. h. U ist variabel, eine Funktion des Ortes und der Zeit. Für den Fall, dass eine inkompressible Strömung vorliegt (typischerweise für Flüssigkeiten), also U konstant ist, vereinfachen sich Kontinuitätsund Navier-Stokes-Gleichung drastisch und man erhält für das inkompressible Fluid wvi wxi

0

(14.5)

§w w  vj ¨ wt x w j ©

U¨ wobei '

w2

wx 2



w2

wy 2

· ¸ vi  P 'vi ¸ ¹ 



wp  fi , wxi

(14.6)

w2

wz 2

den Laplace-Operator bezeichnet. Differentiation des zweiten Terms in der Kontinuitätsgleichung (14.1) nach der Produktregel liefert

§w w · w ¸U  U ¨  vi vi ¸ ¨ wt wxi ¹ wxi © Der Operator

0.

(14.7)

w w  vi wt wxi

in Gl. (14.7) heißt konvektive oder substantielle Ableitung. Er tritt ebenfalls in der NavierStokes-Gleichung (14.2) auf und drückt die zeitliche Änderung von lokalen Fluidgrößen in den äußeren, raumfesten Laborkoordinaten aus. Der Übergang von einem lokalen, mitbewegten Koordinatensystem (Lagrangesche Koordinaten) auf ein globales raumfestes Koordinatensystem (Eulersche Koordinaten) entspricht daher der Substitution §w w · ¸ . o ¨¨  vi wxi ¸¹ Euler © wt Nimmt man nun an, dass das Zweite Newtonsche Axiom w wt Lagrange

(14.8)

dv i Fi dt im lokalen, mitbewegten Koordinatensystem gilt, wobei die Kraft F sich aus einer äußeren Komponente und dem Druckgradienten in der Strömung zusammensetzt, dann folgt daraus die Eulersche Gleichung m

§w wp w ·¸ vi   fi . vj (14.9) ¨ wt ¸ wxi wx j ¹ © Diese gilt für eine ideale, reibungsfreie Strömung und unterscheidet sich von der NavierStokes-Gleichung (14.2) noch um den Viskositätsterm. D. h. in einer realen Strömung wirkt noch eine zusätzliche Kraft, die Reibungskraft, für die üblicherweise der Newtonsche Ansatz



f i, Reibung

w wx j

§ ª wv k ¨W ij « ¨ © ¬ wxl

º· » ¸¸ ¼¹

(14.10)

14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen

557

verwendet wird. Dieser zusätzliche Term bedeutet auch, dass die Navier-Stokes-Gleichung nun eine Differentialgleichung 2. Ordnung in den Raumkoordinaten ist, und folglich benötigt sie zusätzliche Randbedingungen. Das physikalische Äquivalent ist das Phänomen der Wandreibung, aufgrund dessen eine Navier-Stokes-Strömung direkt an der Wand relativ zu dieser ruht und sich somit eine Grenzschicht ausbildet, während eine Euler-Gleichungs-basierte Strömung an einer Wand reibungsfrei, d. h. mit endlicher Geschwindigkeit, entlang strömt. Partielle Differentialgleichungen werden nach ihren Eigenschaften typisiert, man unterscheidet elliptische, parabolische und hyperbolische Gleichungen. Die inkompressible Euler-Gleichung (14.9) ist vom hyperbolischen Typ bezüglich der Variablen v 1. Zu einer solchen Differentialgleichung existieren Charakteristiken, d. h. Kurvenscharen, entlang derer die Zeitentwicklung über ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen gegeben ist. So reduziert sich entlang einer Raumkurve F(t) mit dF i vi dt die Euler-Gleichung auf

U

dvi dt



(14.11)

wp  fi , wxi

(14.12)

d. h. man kann sich vorstellen, dass das Lösungsfeld sich entlang der durch die Charakteristiken (14.11) und (14.12) bestimmten Kurvenscharen „ausbreitet“2. Zur Definition der Randbedingungen müssen somit nur die Anfangswerte v (t t 0, xi x0, i ) und v (t t0, xi x0, i ) zur Startzeit t0 für verschiedene Startpositionen x0, i vorgegeben werden. Eine typische elliptische Differentialgleichung ist die Potenzialgleichung oder Poisson-Gleichung 'M

§ w2 w2 w2 ¨ 2 2 2 wy wz © wx

· ¸M ¹

4S J .

(14.13)

Wie man zeigen kann, hängt die Lösung I ( x, y, z ) in einem bestimmten Gebiet von allen I -Werten auf der Berandung dieses Gebietes ab, es gibt keine bevorzugte Ausbreitungsrichtung und auch keine Charakteristiken. Die Wärmeleitungsgleichung oder Helmholtz-Gleichung (zur Beschreibung der Wärmeleitung in einem Festkörper) w T  O 'T 0 (14.14) wt sowie auch die Navier-Stokes-Gleichung sind parabolische Gleichungen. Sie besitzen zwar eine ausgezeichnete Ausbreitungsrichtung in der Zeit, aber nicht im Raum. Eine typische Anfangsbedingung besteht daher in der Vorgabe aller Werte auf der Berandung eines bestimmten Gebietes zur Startzeit t 0 .

U cV

Das bisher Gesagte legt nahe, dass diese Eigenschaften einer Differentialgleichung auch für das numerische Lösungsverhalten entscheidend sein sollten. Bezüglich der NavierStokes-Gleichung bleibt insbesondere festzuhalten, dass durch die Addition des Viskositätsterms eine Änderung des Differentialgleichungstyps verursacht wird; die inkompres1 2

Dafür ist sie zusammen mit der inkompressiblen Kontinuitätsgleichung elliptisch im Druck! Dies gilt bei Vorgabe eines äußeren Druck- und Kraftfeldes.

558

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

sible Euler-Gleichung ist hyperbolisch, während die Navier-Stokes-Gleichung vom parabolischen Typ ist, mit entsprechenden Konsequenzen für das Lösungsverhalten. Das Ausbreitungsverhalten der kompressiblen Gleichungen ist nochmals verschieden, da nun auch das Phänomen des Schalls auftritt. Typische motorische 3-D-Strömungen wie Zylinderinnenströmungen sind zwar notwendigerweise kompressibel, aber diese Kompressibilität ist derart schwach (ein Maß hierfür ist die Machzahl a v c ), dass faktisch die Eigenschaften der inkompressiblen Gleichungen gültig sind.

14.1.2

Transport von innerer Energie und Spezies

Nun soll noch der Gleichungssatz vervollständigt werden. Im inkompressiblen Fall sind Kontinuitäts-Gleichung (14.5) und Navier-Stokes-Gleichung (14.6) (Vektorgleichung, d. h. drei Komponentengleichungen) zusammen vier Gleichungen, bereits vollständig, um die vier Unbekannten: Geschwindigkeit (Vektor!) und Druck zu bestimmen. Im kompressiblen Fall ist aber zusätzlich noch die Dichte zu bestimmen. Für ein einkomponentiges oder aber homogen gemischtes Gas (das sich wiederum einkomponentig behandeln lässt) ergibt sich die Dichte aus dem Druck über die thermische Zustandsgleichung  U RT (14.15) p M Diese Gleichung enthält nun zusätzlich die Temperatur, die über die kalorische Zustandsgleichung

³ cV (- ) d-  u 0

T

u

(14.16)

T0

mit der (spezifischen) Inneren Energie verknüpft ist. Die Innere Energie ist eine extensive Größe, wofür sich (ähnlich wie für den Impuls) eine Transportgleichung formulieren lässt

§w w ·¸ w vj u ¨ wt ¸ w w x xi j ¹ ©



§ wT ¨O ¨ wx i ©

· ¸ ¸ ¹

p

wv wvi  W ij i  q , wx j wxi

(14.17)

siehe Merker und Eiglmeier (1999). Der zweite Term auf der linken Seite ist ein Diffusionsterm und entspricht dem Viskositätsterm in der Navier-Stokes-Gleichung ( O bezeichnet die Wärmeleitfähigkeit). Die beiden ersten Terme auf der rechten Seite stellen Energiequellen und -senken dar, der erste Term  p wvi wxi kann beide Vorzeichen annehmen und entspricht der reversiblen mechanischen Kompressionsarbeit, die am Volumenelement geleistet wird. Der zweite Term W ij wvi wx j beschreibt die Wärme, die durch die innere Reibung freigesetzt wird; dieser Term ist immer positiv (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik!). Der dritte Term q beschreibt weitere Wärmequellen, sei es durch Verdampfung oder aber auch durch Verbrennung. Damit ist das Gleichungssystem auch für den inkompressiblen Fall vollständig, für die sieben Unbekannten: Geschwindigkeit (3), Druck, Dichte, Temperatur und Innere Energie existieren die sieben Gleichungen, (14.1), (14.2), (14.14), (14.15), und (14.17). Für den Fall, dass das Fluid eine inhomogene Mischung mehrerer Komponenten ist, werden noch weitere Gleichungen zur Bestimmung der Stoffzusammensetzung benötigt, siehe unten. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier benötigte Energiegleichung die Gleichung für die Innere Energie ist, keinesfalls diejenige für die kinetische Energie. Denn diese ergibt sich

14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen

559

aus der Navier-Stokes-Gleichung, ist also keine unabhängige Größe. Natürlich lässt sich anstelle der Inneren Energie auch die Gesamtenergie (Innere Energie + kinetische Energie) transportieren, oder auch die thermische Enthalpie ( w u  p U ) . Alles dies ist äquivalent, denn bei Kenntnis der Größen v, p, U lassen sich all diese Energieformen ineinander umrechnen. Besonders unter Chemikern ist es sehr beliebt, die totale Enthalpie (thermische Enthalpie + chemische Energie) zu transportieren. Bei bekannter Stoffzusammensetzung ist auch diese in die anderen Energiegrößen umrechenbar, somit ist das Vorgehen äquivalent. Schließlich sei noch der Fall betrachtet, dass das betrachtete Fluid als inhomogene Mischung mehrerer Spezies gegeben ist. Es müssen in diesem Fall Transportgleichungen für die Konzentrationen c(k ) der einzelnen Spezies formuliert werden,

§w w  vi w w t xi ©

U ¨¨

mit

¦ c(k )

· w ¸c ( k )  ¸ w xi ¹

§ · w ¨ D( k ) U c( k ) ¸¸ ¨ wxi © ¹

Q( k ) (c( j ) , p, T )

(14.18)

1,

die ganz analog zur Navier-Stokes- und Energietransport-Gleichung aufgebaut sind. Auf der linken Seite steht eine konvektive Ableitung und die Diffusion und rechts ein Quellterm, der nur dann von Null verschieden ist, wenn chemische Reaktionen ablaufen, was insbesondere bei der Verbrennung der Fall ist. Auch tritt ein zusätzlicher Diffusionsterm in der Energiegleichung (14.17) auf, so dass diese nun lautet §w w w ·¸ uj u ¸ ¨ wt wxi wx j ¹ ©



§ wT wc( k ) ·¸ ¨O  U D( k ) ¦ h( k ) ¨ wx wxi ¸ i (k ) © ¹

p

wvi wv  W ij i . wxi wx j

(14.19)

Alle gängigen CFD-Codes verwenden die ideale Gasgleichung. Diese Annahme ist allerdings für dieselmotorische Bedingungen (Spitzendrücke von mehr als 200 bar) nicht besonders geeignet, hier sollte man besser reale Gasgleichungen verwenden. Eine Implementation ist derzeit kommerziell nicht verfügbar.

14.1.3

Passive Skalare und Mischungsbruch

Häufig werden noch Transportgleichungen für weitere, formale Skalare definiert, wie z. B. Fortschrittsvariable oder Flammenflächendichte. Diese Transportgleichungen folgen im Wesentlichen dem Schema von (14.18) (d. h. Konvektion, Diffusion, Quellterm). Jene Größen liefern aber keinen Beitrag zu den thermodynamischen Gleichungen (14.14) und (14.15) und heißen daher passive Skalare, im Gegensatz zu den thermodynamisch wirksamen Spezies, die aktive Skalare genannt werden. Ein wichtiger Skalar ist der so genannte Mischungsbruch Z. Das Mischungsbruchfeld beschreibt die lokalen Mischungszustände zweier Gase, wobei jedes dieser beiden Gase als homogene Mischung aus verschiedenen Spezies gegeben sein darf; es nimmt Werte zwischen 0 und 1 an. Solange keine Reaktion auftritt, lässt sich dafür schreiben Z

U Gas I

U Gas I  U Gas II

.

(14.20)

560

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Man stellt nun fest, dass Z eine lineare Funktion in einem beliebigen Elementmassenbruch ist. Der Elementmassenbruch c X des Elements X (z. B. C, O oder H) ist dabei definiert als

UX

U gesamt

cX

.

(14.21)

Es sei nun c X , I der X-Massenbruch im Gas I, entsprechend c X , II der X-Massenbruch im Gas II, und c X der X-Massenbruch im lokalen I-II-Gemischzustand. Man findet dann die folgende Abhängigkeit Z (c X )

c X  c X , II

c X , I  c X , II

.

(14.22)

Der Grundgedanke ist nun, diese Beziehung zur Definition des Mischungsbruchs zu verwenden, denn diese Definition ist nicht durch chemische Reaktionen beeinflusst, da sie auf Elementbasis definiert ist. Auf diese Weise erhält man eine Größe, die geeignet ist, Mischungen unabhängig von Reaktionen (Verbrennung!) zu beschreiben. Der Mischungsbruch ist daher ein ganz wesentliches Konzept zur Beschreibung von Diffusionsflammen! Die Transportgleichung des Mischungsbruchs entspricht der einer Spezies §w w · w § w ·  vi Z¸ ¸Z  ¨DU wxi ¹ wxi © wxi ¹ © wt



0,

(14.23)

nur dass kein chemischer Quellterm auftritt!3 Bezüglich der Diffusionskonstanten D muss ein „mittlerer“ Wert der Diffusionskonstanten der beteiligten Spezies eingesetzt werden4. Da der Mischungsbruch zur Berechnung der Mischungszusammensetzung verwendet werden kann, kann er als aktiver Skalar fungieren.

14.1.4

Konservative Formulierung der Transportgleichungen

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung Transportgleichungen (für Energie, Impuls und Skalare) auch in der so genannten konservativen Formulierung darstellen lassen. Für den Skalartransport lautet diese









w w w U c( k )  U vi c ( k )  wt wxi wxi

§ · w ¨ D( k ) U c( k ) ¸¸ ¨ wxi © ¹

Q( k ) (c ( j ) , p, T ) ,

(14.24)

d. h. auch der Konvektionsterm (zweiter Term links) ist nun als Divergenz eines Stroms formuliert. Diese Formulierungen sind besonders relevant für die numerische Behandlung.

14.2

Turbulenz und Turbulenzmodelle

14.2.1

Phänomenologie der Turbulenz

In der Navier-Stokes-Gleichung hat die relative Größenordnung des viskosen Terms großen Einfluss auf den Charakter der Strömung. Um dies zu verstehen, betrachten wir ein 3 4

Es können allerdings Verdampfungsquellterme auftreten. Bei turbulenter Strömung wird sich dieses Problem der unterschiedlichen laminaren Diffusionskonstanten nochmals deutlich entschärfen.

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle

561

typisches Strömungsproblem wie die Umströmung eines Zylinders5 (zur Vereinfachung betrachten wir den inkompressiblen Fall) und führen charakteristische Skalen für Länge L (z. B. Zylinderdurchmesser) und Geschwindigkeit v (z. B. Anströmgeschwindigkeit) ein. Damit erhält man bezüglich dieser Skalen die normierten Variablen x

x L,

v

v V ,

t L V ,

t

p

p U V 2 .

(14.25)

Mit den normierten Variablen x , v , t und p kann das Problem skaleninvariant formuliert werden. Man erhält schließlich die Gleichungen wvi* wxi*

0 und

§ w w ·¸ * 1 w 2 vi* ¨ vi   v *j ¨ wt Re wxi2 wx *j ¸¹ © wobei Re

(14.26)



UVL P

wp wxi*

,

(14.27)

(14.28)

die Reynolds-Zahl bezeichnet. In der Reynolds-Zahl werden nun sämtliche Skaleneinflüsse erfasst. Strömungen mit gleicher Reynolds-Zahl können durch Variablenumskalierung ineinander überführt werden; man sagt, sie sind einander ähnlich. Die Reynolds-Zahl klassifiziert also Strömungen. Zudem beschreibt die Reynolds-Zahl die relative Größe des viskosen Terms. Ist die Reynolds-Zahl klein, ist der viskose Term groß, wir haben den Fall einer „honigartigen“, „zähen“ Strömung. Im anderen Grenzfall, d. h. im Grenzwert unendlich großer Reynolds-Zahl, könnte man zunächst vermuten, dass der viskose Term einfach verschwindet, die Navier-Stokes-Gleichung würde sich auf die Euler-Gleichung reduzieren. Dies trifft jedoch nicht zu. Denn nach wie vor existiert im Gegensatz zur Euler-Gleichung eine (allerdings immer dünner werdende) viskose Wandgrenzschicht (Eigenschaft der Navier-Stokes-Gleichung, siehe oben), in der die Geschwindigkeit sich auf Null (relativ zur Wandgeschwindigkeit) reduziert. Dadurch kommt es an der Wand zu hohen Geschwindigkeitsgradienten, die zur Wirbelbildung im Zylindernachlauf führen. Die Umströmung eines Zylinders sieht für Re = 10–2 etwa wie in Abb. 14-1 a dargestellt aus, wir haben eine laminare, viskose Umströmung des Zylinders. Mit zunehmender Reynoldszahl bilden sich mehr Wirbel hinter dem Zylinder, die auch ablösen, aber zunächst noch periodische Strukturen aufweisen (Abb. 14-1 b und c). Mit weiterem Anwachsen der Reynolds-Zahl fluktuiert die Strömung schließlich chaotisch und dreidimensional, sie ist jetzt turbulent (Abb. 14-1 d und e). Große Wirbel zerfallen in kleinere, diese in noch kleinere, es bildet sich ein Wirbelspektrum aus bis hinunter zu einer sehr kleinen Längenskala, der Kolmogorov-Skala, auf der die Strömung wieder viskos (laminar) wird. Ein derartiger Prozess lässt sich nicht mehr deterministisch berechnen, auch mit einem beliebig großen Computer nicht, weil kleinste Ursachen größte Auswirkungen haben können.

5

die so genannte Karman’sche Wirbelstraße

562

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

a

Re = 10-2

b

Re = 20

c

Re = 102

d

Re = 104

e

Re = 106

Abb. 14-1: Karman’sche Wirbelstraße (Umströmung eines Zylinders) bei verschiedenen Reynoldszahlen

14.2.2

Modellierung der Turbulenz

Es lassen sich allerdings statistische Größen zur Beschreibung der turbulenten Erscheinungen angeben; auch das Spektrum der turbulenten Fluktuationen ist theoretischen Betrachtungen zugänglich. Typische Größen sind die turbulente Längenskala lt , die turbulente Zeitskala W t , die turbulente Geschwindigkeitsskala vt sowie die turbulente Viskosität P t . Bei der Annahme räumlich homogener Turbulenz gibt es zwei unabhängige Größen, meist wird die (spezifische) turbulente kinetische Energie k als eine und die turbulente Dissipation H als die zweite verwendet. Damit ergibt sich vt

k , Pt

cP U

2

H

k

,

lt

cl

3 k2

H

,

Wt

lt , vt

(14.29)

wobei c P und cl Proportionalitätskonstanten darstellen. Der mathematische Ansatz zur Einführung dieser Turbulenzgrößen besteht in einer Ensemble-Mittelung der strömungsmechanischen Gleichungen, d. h. es wird nicht eine einzige Realisierung berechnet, sondern der Mittelwert aus allen möglichen Realisierungen mit makroskopisch ununter-

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle

563

scheidbaren Randbedingungen.6 Diese Reynolds-Mittelung soll exemplarisch am Fall einer quellenfreien Skalar-Transportgleichung (14.24) durchgeführt werden. Es seien vi und c die Ensemble-gemittelten Größen, dann ergeben sich für die momentanen Werte vi und c die folgenden Zerlegungen vi  vi '

vi

mit

vi '

0,

c

c  c'

mit

c'

0,

(14.30)

wobei vi ' und c ' nun die turbulenten Geschwindigkeits- und Skalarfluktuationen beschreiben. Die oben eingeführte (spezifische) turbulente kinetische Energie ergibt sich somit zu k

1 2

¦ vi ' 2 .

(14.31)

i

Für alle in v und c linearen Terme lässt sich die Mittelung von (14.24) einfach durchführen, aber der nichtlineare Konvektionsterm führt zu einem Zusatzterm









w U c  w U v j c  w U vcj c c  w wt wx j wx j wx j

§ · ¨ Dc U w c ¸ ¨ ¸ wx j © ¹

0.

(14.32)

Nimmt man nun an, dass die Turbulenz sich wie ein räumlich isotroper, zu verschiedenen Zeitpunkten unkorrelierter Fluktuationsprozess verhält („weißes Rauschen“), so lässt sich zeigen, dass dieser zusätzliche Term die Struktur eines zusätzlichen Diffusionsterms mit der Diffusionskonstanten

Dt

const. ˜ k 2 H

P t ( U Sct )

annimmt; dies impliziert den so genannten Wirbeldiffusionsansatz v'i c'



Pt w c . U Sct wxi

(14.33)

Sct bezeichnet die turbulente Schmidt-Zahl, d. h. das Verhältnis aus turbulenter Viskosität und turbulenter Diffusion. Ein ähnlicher Term, vicv cj , tritt in der gemittelten NavierStokes-Gleichung auf. Er übernimmt die Rolle eines zusätzlichen Spannungsterms, der so genannten Reynolds-Spannung W R, ij . In Analogie zum Wirbeldiffusionsansatz wird dafür der Wirbelviskositätsansatz verwendet (wir arbeiten nach wie vor inkompressibel)

v'i v' j

6



Pt U

§w vj w vi ¨  ˜¨ wx j ¨ wxi ©

· ¸ 2 ¸¸  3 G ij k . ¹

(14.34)

Bei Motoren wird häufig behauptet, dies entspreche einer Mittelung über mehrere Zyklen. Es kann vor dieser etwas „anschaulicheren“ Interpretation aber nur gewarnt werden. Motorischen Zyklenschwankungen liegen zu einem Großteil Schwankungen der Randbedingungen zu Grunde, z. B. des Einspritzstrahls oder des Restgasgehalts vom vorhergehenden Zyklus.

564

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Dies bedeutet, dass zu der ursprünglichen, laminaren Diffusion bzw. Viskosität in den gemittelten Gleichungen zusätzlich eine meist wesentlich größere turbulente Diffusion bzw. Viskosität tritt ( Dt !! Dc ). Man kann nun leicht den wesentlichen Effekt der turbulenten Mittelung verstehen; der viskose, diffusive Charakter der Differentialgleichungen tritt stärker in den Vordergrund und erzeugt ein gut gestelltes Problem (Änderungen in der Lösung von einer gegebenen Größenordnung erfordern eine hinreichend große Änderung der Anfangsbedingungen, es herrscht kein Chaos mehr). Die durch die Diskretisierung aufzulösenden Längenskalen werden größer. Häufig werden aufgrund der dominanten turbulenten Größen laminare Viskositäts- und Diffusionskonstanten einfach vernachlässigt (dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen transportierten Größen). Für den kompressiblen Fall erhält man allerdings nur dann formal ein sehr ähnliches Ergebnis, wenn man die Mittelungen dichtegewichtet durchführt, d. h. die so genannte Favre-Mittelung verwendet

) F

U)

) F  ) cc ,

)

U

(14.35)

die nachfolgend weiter benutzt wird.

Zur Berechnung von k und von H benötigt man noch zusätzliche Gleichungen. Aus der Navier-Stokes-Gleichung lässt sich eine Transportgleichung für die turbulente kinetische Energie, die k-Gleichung ableiten. Dazu ist lediglich die Annahme zu treffen, dass DruckKorrelationen zu vernachlässigen sind. Die k-Gleichung (im Favre-Mittel) lautet ȡ

w k  ȡ vi wt

F

w w § ȝt wk · ¸ ¨ k wx j wxi ¨© Prk wxi ¸¹

IJ R,ij S ij

F

 U H

G 2 ȡ k’˜ v 3

(14.36) F

mit dem kompressiblen Reynolds-Spannungstensor IJ R,ij

W R,ij





· §w vj w vi F 2 G ¸ ¨ F   G ij ’ ˜ v F ¸ wx j 3 ¸ ¨ wxi ¹ ©

Pt ¨

(14.37)

und dem Scherungstensor S ij 1 §¨ wv j wvi ·¸ .  2 ¨© wxi wx j ¸¹

Sij

(14.38)

Der Tatsache, dass die turbulente Diffusionskonstante für k von P t verschieden sein kann, wird durch Einführung einer Proportionalitätskonstanten, der turbulenten PrandtlZahl für k, Prk , Rechnung getragen. Die turbulente Dissipation H ergibt sich hierbei zu

H

v

wv ccj wvicc §¨ wvicc  wx j ¨© wx j wxi

· ¸ ¸ ¹

. F

(14.39)

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle

565

Eine Transportgleichung für H kann prinzipiell ebenfalls aus der Navier-Stokes-Gleichung abgeleitet werden, allerdings ist sie an mehreren Stellen gemäß der k-Gleichung zu modellieren. Ihre übliche Form lautet

U

w H  U vi wt

H

F

w w H wx j wxi

cH ,1 W R,ij S ij k

F

§ P t wH · ¸ ¨ ¨ Pr wx ¸ © H i¹

 cH ,2

H2

G · §2 U  ¨ cH ,1  cH ,3 ¸ U H ’ ˜ v k ©3 ¹

(14.40) F

.

Standardmäßig wird im k-H-Modell der folgende Koeffizientensatz cP

cH,1

cH,2

cH,3

Prk

PrH

0,09

1,44

1,92

–0,33

1,0

1,3

verwendet. Schließlich benötigen wir noch eine turbulente Transportgleichung für die innere Energie. Diese unterscheidet sich von der laminaren Gleichung nur durch turbulente Transportkoeffizienten und H als zusätzlichem negativen Quellterm.

Damit ist ein geschlossenes Gleichungssystem hergeleitet. Mit Hilfe von k und H lassen sich die Diffusionskonstanten für die zusätzlichen turbulenten Diffusionsterme in den Transportgleichungen berechnen. Da wir im Folgenden eigentlich immer Favre-gemittelte Gleichungen und Größen betrachten werden, wird meist das Symbol für die FavreMittelung weggelassen. F

14.2.3

Turbulentes Wandgesetz

Es existiert allerdings noch eine Problematik bezüglich der Randbedingungen. An den Wänden bildet sich eine Grenzschicht aus, in der die Geschwindigkeit aufgrund der Reibung auf Null abfällt, d. h. die Strömung wird laminar. Daher setzt sich in einer turbulenten Strömung die Grenzschicht typischerweise aus einer laminaren Unterschicht und einer turbulenten Zone der Grenzschicht zusammen. Das k-H-Modell lässt sich nicht über die gesamte Grenzschicht hinweg anwenden. Außerdem sind die Grenzschichten häufig (gerade auch in Motoren) derart dünn, dass sie ohnehin kaum numerisch auflösbar wären. Der übliche Weg zur Überwindung dieser Problematik besteht nun darin, dass man mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen die so genannten Wandgesetze ableitet, denn die Strömungsschubspannung ist über die Grenzschicht hinweg konstant, d. h. beschreibt einen über den Wandabstand konstanten, an die Wand abfließenden Tangentialimpulsstrom (dies ist gewissermaßen die Definition der Grenzschicht). Man benötigt nun ein turbulentes Wandgesetz, d. h. ein analytisches Grenzschichtmodell, um aus den lokalen Geschwindigkeiten in diesen wandnächsten Zellen Schubspannungen zu errechnen. Bei gegebener Wandschubspannung W W ist nur eine Geschwindigkeitsskala im turbulenten Grenzschichtbereich verfügbar, die Schubspannungsgeschwindigkeit vW , mit W W U vW 2 . Sie sollte proportional zur turbulenten Geschwindigkeitsskala sein, die turbulente Längenskala proportional zum Wandabstand y. vW bezeichne die wandparallele Geschwindigkeitskomponente. Unter diesen Annahmen ergibt sich für die turbulente Viskosität

Pt

N U y vW ,

566

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

wobei N eine Proportionalitätskonstante, die von-Karman-Konstante, bezeichnet. Für die Schubspannung  W W ergibt sich nun die folgende Relation wvW , wy woraus unter der Annahme konstanter Dichte das logarithmische Wandgesetz

WW

U vW2

vW

vW

N

U N y vW

ln y  C

(14.41)

(14.42)

mit einer Integrationskonstanten C folgt. In den normierten Koordinaten

U vW y vW und y  vW P nimmt das logarithmische Wandgesetz seine universelle Form an ~ 1 v ln y   C v

N

mit

(14.43)

(14.44)

N

~ 0, 4 und C 5,5 . In dieser Form kann man nun auch ein universeller Gültigkeitsbereich des Wandgesetzes angegeben werden, nämlich

20  y   150. (14.45) Bei der numerischen Lösung muss der Wand-nächste Knoten innerhalb dieser viskosen Grenzschicht bleiben. Das Wandgesetz wird insoweit in der CFD-Berechnung eingesetzt,  als dass aus v und y  in der wandnächsten Zelle vW und somit W W berechnet wird. Dieses W W liefert dann einen Impulsquellterm (Senke) als Randbedingung für die NavierStokes-Gleichung. Auch für die Temperatur lässt sich ganz analog ein Wandgesetz ableiten. Aus dem Wärmestrom qw

folgt

U N y vW

T  TW

c p wT Pr wy

N c p U vt q w Pr

(14.46)

ln y





(14.47)

U HW .

(14.48)

 const. .

Schließlich benötigt man noch Randbedingungen für die Turbulenzgrößen k und H. Aufgrund der Konstanz der Schubspannung W W und der Geschwindigkeitsskala vW in der Grenzschicht ist ein Ansatz kW const. plausibel. Damit dieser gültig sein kann, müssen aber Produktion und Dissipation von k in der Grenzschicht im Gleichgewicht sein § wvW © wy

P t ¨¨

· ¸¸ ¹

2

§ vW · ¸¸ ©N y ¹

N U y vW ¨¨

2

Außerdem muss für die Viskosität gelten (siehe (14.29))

Pt

N U y vW

cP U

kW 2

HW

.

(14.49)

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle

567

Aus diesen beiden Gleichungen folgt unschwer kW

vW 2

cP

sowie H W

vW 3 , Ny

(14.50)

d. h. H W divergiert zur Wand hin! Für die Gültigkeit dieser Relation müssen allerdings Diffusions- und Quellterme auch der H-Gleichung im Gleichgewicht sein w § Pt wHW · HW § wvW · HW 2 Pt ¨ ¨ ¸  cH ,1 ¸  cH ,2 U wy © PrH wy ¹ kW kW © wy ¹ 2

0.

(14.51)

Einsetzen der bereits erhaltenen Resultate liefert eine Beziehung zwischen den Modellkonstanten

N

c P PrH (cH , 2  cH ,1 ) .

(14.52)

Die Ableitung dieser Gleichungen erfolgte unter der Annahme stationärer, wandparalleler Strömungen und konstanter Dichte. Von daher wird klar, dass diese Wandgesetze nur eine eingeschränkte Gültigkeit haben können. Gerade in Motoren sind die Strömungen transient, es treten Staupunkte auf (z. B. beim Auftreffen von Einspritzstrahlen auf die Wand!) und aufgrund hoher Temperaturgradienten zur Wand hin ist die Dichte in der Grenzschicht nicht konstant. Insbesondere der letzte Effekt ist äußerst relevant. Es gibt daher Ansätze, Wandgesetze für variable Dichte abzuleiten, z. B. die Formulierung von Han und Reitz (1995). Bei dieser wird in der Gleichung für den Wärmestrom (14.46) die Dichte U als durch die ideale Gas-Gleichung gegeben betrachtet. Die Integration liefert schließlich die Beziehung § T · ¸ T ln¨¨ ¸ © Tw ¹

q w Pr N c p U vt

ln y





 const.

(14.53)

anstelle von (14.47). Hierbei sind freilich nicht die Einflüsse einer variablen Dichte auf die k- und H-Verteilung berücksichtigt. Dennoch ist die Verwendung einer derartigen Formulierung insbesondere bei Verbrennungsberechnungen dringend zu empfehlen. Zuletzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass man eine deutliche Verbesserung der Modellierung auch durch Ansätze, die auf einer detaillierten Auflösung der Grenzschicht beruhen, wie etwa dem v2f-Modell (siehe etwa Manceau und Hanjalic (2000)), erzielen könnte. Dies wäre für die Zukunft sicherlich ein sinnvoller Weg.

14.2.4

Modellierung des turbulenten Mischungszustandes

In Kapitel 14.1 wurde der Mischungsbruch als wichtige Referenzgröße zur Beschreibung von Mischungsprozessen eingeführt. Auch dessen Transportgleichung ist einem turbulenten Mittelungsprozess zu unterziehen; das Ergebnis entspricht der Skalartransportgleichung (14.32) inkl. (14.33). Allerdings muss klar sein, dass ein gemittelter Wert von Z nicht mehr die gesamte Information über die lokal vorliegenden Mischungszustände beinhaltet. So kann ein mittlerer Wert von Z 0,5 auf eine fluktuationsfreie perfekte Mischung aus gleichen Teilen von „Strom 1“ und „Strom 2“ hinweisen, aber auch auf eine statistische Überlagerung zweier völlig ungemischter Zustände, „nur Strom 1“ oder „nur Strom 2“, wobei beide Zustände mit gleicher Häufigkeit auftreten. Eine weitere sehr hilf-

568

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

reiche Größe zur Beschreibung der lokalen Mischungszustände stellt daher die FavreVarianz des Mischungsbruchs dar

Z cc2

ªZ  Z ¬

F

F

º ¼

2

Z2

F

F

 Z

2 F

.

(14.54)

Aus der Mischungsbruchtransportgleichung lässt sich eine Transportgleichung für die Varianz ableiten

U

w Z 2 wt cc

F

 U vj

F

w Z 2 wx j cc

w wx j

’ Sct

F

2



Pt

§ P w Z cc2 ¨¨ t © Sct wx j Z

F



2

F

· ¸¸ ¹

 2 D U ’Z cc . F 

2

(14.55)

F

Zur Modellierung des letzten Terms F dieser Gleichung, der so genannten skalaren Dissipationsrate, verwendet man üblicherweise den Ansatz

F

cF

H

k

Z cc2

F

.

(14.56)

Der Term F entspricht vom Charakter her der turbulenten Dissipation H in der kGleichung (k ist auch eine Varianz, nämlich die der Geschwindigkeit!). Man sieht somit, dass Gradienten des Z-Mittelwerts (also Inhomogenitäten) die Z-Varianz-Bildung anfachen, während diese bei Ausschluss von Nachproduktion mit der turbulenten Zeitskala zerfällt. Die Konstante c F wird üblicherweise zu 2 gesetzt (siehe Peters (2000)). Man kann nun versuchen, sich durch strukturelle Kenntnis der Verteilungsfunktion aus Z und Z cc 2 die Information über die lokalen Gemischzustände zu rekonstruieren. Eine solche Verteilungsfunktion f wird häufig pdf (probability density function) genannt. Sie weist jedem Gemischzustand (Z-Werte zwischen 0 und 1) eine Häufigkeit zu. Deshalb muss sie auf 1 normiert sein

³ f ( Z ) dZ 1

1.

(14.57)

0

Aufgrund der Definition von Mittelwert und Varianz

³ Z f ( Z ) dZ 1

Z

0

Z cc 2

³ Z  1

Z

und

2 f (Z )dZ

0

2 ³ §¨© Z  Z 1

0

Z cc 2 d Z 1  Z .

¸ f ( Z )dZ d ³ §¨ Z  Z © ¹



1

0



¸ f ( Z )dZ ¹

(14.58)

ergibt sich die Relation

(14.59)

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle

569

Beispielsweise wird die statistische Überlagerung völlig ungemischter Zustände ( Z und Z 1 ) durch die Linearkombination zweier Dirac-Distributionen beschrieben f (Z )

a G ( Z )  b G ( Z  1) mit a  b

1,

0

(14.60)

dafür gilt in (14.59) das Gleichheitszeichen. In Abb. 14-2 sind vier Verteilungsfunktionen für verschiedene Mittelwerte und Varianzen dargestellt. Alle Z-Verteilungsfunktionen sollten mehr oder minder zwischen diesen Grenzfällen zu liegen kommen. In der Literatur hat sich eingebürgert, die so genannte Funktion7 dafür anzusetzen. Sie ist eine Funktion mit 2 freien Parametern, die unschwer zu Mittelwert und Varianz der Verteilung in Beziehung gesetzt werden können. a.)

0

b.)

c.)

1 Z 0

1 Z 0

d.)

1 Z 0

1 Z

Abb. 14-2: Verteilungsfunktionen für verschiedene Mischungszustände: c.) beschreibt einen wenig gemischten und b.) einen stark gemischten Zustand. a.) und d.) ergeben sich bei sehr kleinem bzw. sehr großemMittelwert.

Es gilt8: f (Z )

a und ab

Z

³ f (Z ) dZ 0 1  Z .

*(a  b) a 1 Z (1  Z ) b1 , *(a )*(b) Z c2

Z

1

1 , a, b ! 0 ,

1 a  b

(14.61) (14.62)

Für a, b  1 erhält man die „Badewannenform“ von Abb. 14-2 c), für a, b ! 1 ergibt sich eine Form wie in Abb. 14-2 b) und für a1 bzw. a>1, bv) @  D )» « wt wx wx ¬ wx ¼

auf

ª § 2D · 't º  v ¸ » ) ( x i , t  't ) «1  ¨ ¹ 'x ¼ ¬ © 'x

Q

(14.90)

) ( x i , t )  !  Q( x i , t  't )'t .

(14.91)

Sofern der Term Q ( xi , t  't ) nicht verfügbar ist, muss zunächst auf den Term Q( xi , t ) ausgewichen werden. Ein Sonderfall liegt vor, wenn Q von ) direkt abhängig ist. In diesem Falle lässt sich Q bis zum linearen Glied in ) in eine Taylor-Reihe entwickeln

Q() ( x i , t  't )) # Q() ( x i , t )) 

Eingesetzt in (14.91) führt dies auf

º ª § 2D · 't  v¸  D't » ) ( x i , t  't ) «1  ¨ ¹ 'x ¼ ¬ © 'x

wQ )( xi , t ) >)( xi , t  't )  )( xi , t )@ . w) 

D

1  D't )( xi , t )  !  Q()( xi , t ))'t .

(14.92)

(14.93)

Das Stabilitätskriterium ist sicherlich erfüllt für

D

wQ )( xi , t ) d 0 . w)

(14.94)

In diesem Fall ist die Anwendung von (14.93) in der Tat sehr empfehlenswert. Ist das Kriterium jedoch verletzt, sollte man besser auf (14.91) plus Substitution Q ( xi , t  't ) => Q( xi , t ) ausweichen, auch wenn dies zu Lasten der Genauigkeit (bzw. der Konvergenzgeschwindigkeit) geht. Die Genauigkeit lässt sich nämlich noch erhöhen, indem man (14.91) (oder auch (14.93)) iteriert. Ausgehend von (14.91) berechnet man die Näherungswerte Q( k 1) ( xi , t  't ) aus Q( k ) ( xi , t  't ) durch Einsetzen in den Quellterm, solange bis sich der Wert nur noch unwesentlich ändert. Man erhält

580

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

ª § 2D · 't º  v ¸ » ) (1) ( x i , t  't ) «1  ¨ ¹ 'x ¼ ¬ © 'x

bzw.

) ( x i , t )  !  Q() ( x i , t ))'t

ª § 2D · 't º  v ¸ » ) ( k 1) ( x i , t  't ) «1  ¨ ¹ 'x ¼ ¬ © 'x

14.3.6

(14.95)

) ( x i , t )  !  Q() ( k ) ( x i , t  't ))'t

Operator-Split-Verfahren

Gerade bei innermotorischen Prozessen treten zur reinen Gasströmung noch Einspritzund Verbrennungsprozesse hinzu, die das Lösen neuer Transportgleichungen erfordern, aber auch neue Quellterme in den schon vorhandenen Gleichungen erzeugen. Eine typische Transportgleichung enthält in diesem Fall Terme für Konvektion, Diffusion, Strahl (z. B. Verdampfung) und Verbrennung. Es empfiehlt sich hier, die verschiedenen Effekte separat zu behandeln. Dies geschieht im Operator-Split-Verfahren. M und N bezeichnen hier zwei Operatoren, z. B. Konvektion/Diffusion und einen Chemiequellterm w I wt

M (I )  N (I ) . 



Konvektion/Diffusion Chemie

(14.96)

Durch Einführen eines Zwischenschrittes lässt sich die Zeitintegration aufspalten

I ( xi , t  't )  I ( xi , t ) ~

³ M (I )dt ,

t  't

t

I ( xi , t  't )  I ( xi , t  't ) ~

³ N (I )dt .

t  't

(14.97)

t

Jeder dieser beiden Schritte lässt sich dann wie oben angegeben lösen. Der Fehler ist von der Ordnung 't 2 . In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass der CFD-Code KIVA Konvektion und Diffusion getrennt berechnet. Aufgrund des unterschiedlichen Charakters der zugrundeliegenden Differential-Operatoren (hyperbolisch bzw. elliptisch) ist dieses Vorgehen nicht unvernünftig.

14.3.7

Diskretisierung und numerische Lösung der Impuls-Gleichung

Abschließend sei noch die Impulsgleichung zur Berechnung von Geschwindigkeit und Druck unter Hinzuziehung der Kontinuitätsgleichung betrachtet. Die Berechnung der Geschwindigkeit geschieht üblicherweise iterativ, hierfür sind mehrere Algorithmen bekannt (z. B. SIMPLE, PISO, SIMPISO, ...). Letztlich ist allen gemein, dass in einem ersten Schritt die Impulsgleichung bei konstant gehaltenem Druck in den Geschwindigkeiten gelöst wird. Im zweiten Schritt werden dann Druckkorrekturen mit Hilfe einer Poisson-Gleichung für den Druck berechnet. Mit diesen Druckkorrekturen werden dann wieder neue Geschwindigkeiten berechnet und so fort, bis eine vorgegebene Abbruchschwelle für die Konvergenz erreicht ist. Für den inkompressiblen Fall sei noch die Poisson-Gleichung für den Druck angeben, die durch Divergenzbildung aus der Geschwindigkeitsgleichung folgt 'p

U





wvi wv j w2 2 P t S ij . wx j wxi wxi wx j

(14.98)

14.4 Rechennetze

14.4

581

Rechennetze

Die Netzgenerierung ist heute häufig der wichtigste und am stärksten limitierende Faktor bei CFD-Berechnungen. Es kann nicht häufig genug betont werden, dass ein gutes Rechennetz der Schlüssel zum Erfolg ist, in aller Regel wesentlich wichtiger als etwa die Einführung modifizierter Turbulenzmodelle. Ein gutes Rechennetz sollte aus Hexaedern bestehen, wandadaptiert sein (d. h. auch die y+-Regel (14.45) einhalten) und hinreichend fein bzw. problemadaptiert sein, so dass alle auftretenden Strömungsstrukturen (Freistrahlen, Flammen, ...) gut abgebildet werden können. In der Praxis sind diese Vorgaben oft nicht in voller Zufriedenheit erfüllbar. Als weitere Problematik kommt die Netzbewegung hinzu, die sehr CFD-Code-spezifisch gelöst wird, so dass man sich bei der Generierung bewegter Netze eng an die jeweilige Code-Philosophie anzulehnen hat. Es existieren ohnehin nur wenige CFD-Codes, die die Funktionalität einer Netzbewegung, wie sie z. B. zur Behandlung innerzylindrischer Fragestellungen wichtig ist (bewegte Ventile und bewegter Kolben), vorsehen. Bei Berechnungen des motorischen Ladungswechsels kommt es vor allem auf die Netzqualität im Bereich der Ventile an. In Abb. 14-8 ist für einen 4-Ventil-Ottomotor eine qualitativ hochwertige Netzstruktur (vorwiegend Hexaeder, wandadaptierte Zellschicht) um das Einlassventil herum für den Zustand geschlossener Ventile sowie für einen Teilhub dargestellt.

A

A

Abb. 14-8: Qualitativ hochwertige Netzstruktur für einen 4-Ventil-Ottomotor für 2 Ventilhübe

Bei stationären Netzen ist die Situation weniger kritisch, und die Netze können zudem meist ausgetauscht werden. Man kann daher auch auf eigenständige Netzgenerierungsprogramme ausweichen. Nach wie vor erfordert die Erstellung eines qualitativ hochwertigen Rechennetzes aber immer noch Aufwand – und vor allem Erfahrung.

Abb. 14-9: Prinzipdarstellung verschiedener Vernetzungskonzepte. Ganz links ein trunkiertes kartesisches Netz, das eine sehr schlechte Netzstruktur liefert. Ein nur im Inneren trunkiertes kartesisches Netz mit Randschicht (halb links) ist schon deutlich besser. Halb rechts ist ein Netz mit wandadaptierter, hexaedrischer Netzstruktur dargestellt, wobei allerdings noch Deformationen an den Ecken des Basisquaders vorliegen. Das Netz ganz rechts weist eine optimale, wandadaptierte Netzstruktur auf.

582

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Im Gegensatz dazu macht sich in letzter Zeit gerade auch bei motorischen CFD-Anwendungen ein unheilvoller Trend bemerkbar – nämlich die „schnelle“ Netzgenerierung mit automatisierten Netzgeneratoren, die kartesische Netze einfach an der Oberfläche der zu modellierenden Objekte abschneiden (siehe Abb. 14-9 links).Was bei sehr komplexen Geometrien wie Kühlmittelströmungen noch akzeptabel scheint, ist zumindest für die Berechnung innermotorischer Prozesse aufgrund der komplexen, wanddominierten Strömungsstrukturen und der sich aufsummierenden Fehler während der transienten Simulation ungeeignet. In jedem Falle sollte man bei derart trunkierten Netzen darauf achten, dass zumindest eine adaptive Netzwandschicht existiert (y+-Regel), und dass das kartesische Netz nur ins verbleibende Innere einbeschrieben ist (siehe Abb. 14-9 halb links). Ansonsten kann die Grenzschicht nicht sinnvoll abgebildet werden. Weiterhin ist ein automatisch erzeugtes Netz unbedingt visuell darauf zu kontrollieren, ob nicht irgendwo unsinnige Netzstrukturen entstanden sind. Hinzu kommt, dass der Zeitvorteil bei automatischer Netzgenerierung meist geringer ist als zunächst vielleicht veranschlagt. Denn zum einen besteht ein wesentlicher Teil der Netzgenerierungsarbeit in der Aufbereitung der Oberflächennetze und dieser Aufwand lässt sich bei automatischer Netzgenerierung nicht einsparen. Zum anderen sind adaptive, „handgenerierte“ Netze häufig vielseitiger verwendbar, weil sich leicht Varianten einarbeiten lassen; bei automatisch generierten Netzen muss in aller Regel für jede Variante ein neues Netz erzeugt werden. Ein Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma „hochwertiges Netz“ vs. „Aufwand Netzgenerierung“ könnten eventuell so genannte flächenbasierte Strömungslöser darstellen, die aktuell in verschiedenen kommerziellen Softwarepaketen eingeführt werden (z. B. Fire8, StarCD4). Bisher kommen im Wesentlichen zellbasierte Strömungslöser zum Einsatz, bei denen definierte Zelltypen (z. B. Hexaeder, Tetraeder, Prismen) verwendet werden, die durch den Zellmittelpunkt sowie die Koordinaten der Eckenknoten beschrieben sind. Die Flexibilität bei der Netzgenerierung ist dadurch natürlich eingeschränkt, zumal Nachbarschaftsinformationen der Zellen, wie sie für höhere Verfahrensordnung der Gradientenbestimmung erforderlich sind, nicht direkt verfügbar sind. So wirken sich beispielsweise so genannte hängende Knoten, wie sie für adaptierte Netzverfeinerung erforderlich wären, immer negativ für die Stabilität der Rechnung aus. In flächenbasierten Lösern wird nicht mehr der Zellmittelpunkt gespeichert, sondern die Zusammengehörigkeit der Zellfächen inklusive der Knotenkoordinaten sowie die Information, welche Zellfächen zu einer Zelle gehören. Dadurch ist garantiert, dass keine Spalten mehr zwischen den Zellflächen existieren. Knoten liegen immer aufeinander und es sind beliebige Polyeder-Zellen möglich. Implizit ist damit das Aneinanderstoßen verschiedener Zellen (über die Zellflächen!) bekannt, was sich positiv auf die Genauigkeit und Stabilität der Rechnungen auswirkt. Diese Polyeder-Netze werden typischerweise über den Umweg von Tetraedern generiert, die danach zusammengefasst werden. Reine Tetraedernetze, wie sie auch schon von zellbasierten Lösern verwendet werden können, sind aufgrund der geringen Genauigkeit und damit der großen erforderlichen Anzahl der Tetraeder für FiniteVolumen-Verfahren ungeeignet.

14.5 Beispiele

583

14.5 Beispiele Die CFD-Applikationen im motorischen Sektor sind sehr vielfältig. Im Folgenden sollen als Beispiele die Simulation innerzylindrischer Strömungsstrukturen bei Otto- und Dieselmotoren sowie die Simulation der Düseninnenströmung bei Diesel-Injektoren betrachtet werden.

14.5.1

Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Ottomotor

Wir betrachten die Einlass- und Kompressionsströmung in einem Ottomotor. Die Geometrie des Berechnungsnetzes ist in Abb. 14-10 (links) dargestellt.

Abb. 14-10: Simulation der Strömung im Zylinder eines Ottomotors. Basisgeometrie für Rechennetz (links) und Strömungsbild im Ventilschnitt zum UT (rechts)

Aufgrund der Spiegelsymmetrie muss nur ein Halbnetz betrachtet werden, das spart Rechenzeit. Zylindervollnetze eines typischen Pkw-Motors im UT inklusive Einlass- und Auslasstrakt sollten mindestens aus etwa 1.000.000 Netzzellen bestehen, um die relevanten Strömungsstrukturen inkl. Turbulenz hinreichend aufzulösen. In Abb. 14-10 (rechts) ist die Strömung in einem Schnitt durch die Ventile im Ladungswechsel-UT dargestellt. Man sieht die typische Tumble-Strömung (großer Wirbel im Uhrzeigersinn). In drei Dimensionen stellt ein Tumble freilich nicht einfach eine Walze dar, vielmehr handelt es sich bei der Wirbelachse (oder besser: den Wirbelachsen) um ein komplexes 3-dimensionales Gebilde, das häufig bei ein bisschen Phantasie an ein „:“ erinnern kann. Zum ZOT hin wird der Brennraum immer flacher, der Tumble wird gewissermaßen vom Kolben „zerquetscht“ und zerfällt in Turbulenz. Zunächst, während der Einlassphase, ist die Strömung sehr ungerichtet. Konsequenterweise existieren viele Bereiche hoher Scherung, die viel Turbulenz erzeugen. Zum UT hat sich die Strömung dann schon weitgehend beruhigt. Es existieren nur noch die großen Wirbelstrukturen während die kleinen Strukturen bereits dissipiert sind. Kurz vor ZOT, zerfällt der Tumble selbst in Turbulenz, im zeitlichen Turbulenzverlauf entsteht ein lokales Maximum, das maßgeblich die Brenngeschwindigkeit beeinflusst. Da der Tumble mit der Drehzahl skaliert, gilt dies in etwa auch für das Turbulenz-„Plateau“ und somit die Brenngeschwindigkeit. Dies ist im Wesentlichen der Grund, warum ein Ottomotor einigermaßen drehzahlunabhängig funktioniert. In Abb. 14-11 wird anhand eines Applikationsbeispiels illustriert, wie mit der Gestaltung der Geometrie um die Einlassventile herum die Zylinderinnenströmung beeinflusst werden kann. Mit der so genannten Maskierung wird erzwungen, dass sich bei kleinen Ven-

584

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

tilhüben eine Überströmung der Einlassventile ergibt, was eine großskalige TumbleBewegung zur Folge hat. Ohne Maskierung ergeben sich zwei gegeneinander drehende Wirbel, die sich im Laufe der Kompressionsphase gegenseitig abschwächen. ohne Maskierung

ohne Maskierung mit Maskierung turb. kin. Energie [m²/ s²]

2.5

mit Maskierung

Tumble-Ziffer [-]

2.0 1.5 1.0 0.5 0.0

-0.5 -1.0 360

450

540

Kurbelwinkel [°]

630

720

250 200 150 100 50 0 360

450

540

630

720

Kurbelwinkel [°]

Abb. 14-11: Darstellung des Strömungsfeldes während des Ladungswechsels mit und ohne Maskierung. Durch die gerichtete Tumble-Bewegung stellt sich mit Maskierung zu ZOT (720°) ein erheblich höheres Turbulenzniveau ein.

Die positive Wirkung der Maskierung ist deutlich sowohl im Tumble- wie auch im Turbulenzverlauf (Abb. 14-11 Mitte und rechts) zu erkennen. Mit Maskierung ist der Maximalwert des Tumbles deutlich höher aber auch die Dissipation in der Kompressionsphase stärker. Als Konsequenz steht für die Verbrennung nahe ZOT mehr Turbulenzenergie zur Verfügung als ohne Maskierung. Anhand dieses Beispiels ist leicht zu verstehen, wie über die Einlassströmung die Verbrennung beeinflusst werden kann – man muss den Tumble erhöhen. Dies ist die einzige Form, in der Strömungsenergie lange genug, d. h. bis zum ZOT konserviert werden kann, um dann in Turbulenz zu zerfallen. Turbulenzbleche oder ähnliche Einbauten in die Einlasskanäle können dagegen das Turbulenzniveau nur kurzfristig anheben. Diese Turbulenz ist bei ZOT längst dissipiert! Weniger gut ist allerdings ein zu hoher Turbulenzwert an der Zündkerze, dies kann zu Verwehung des Zündfunkens sowie zur Flammenlöschung führen. Eine weitere wichtige Einflussgröße für die ottomotorische Verbrennung ist die lokale Restgas-Verteilung, die auch mittels CFD bestimmt werden kann.

14.5.2

Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Dieselmotor

Beim Pkw-Dieselmotor ist ein geeigneter Drallwert sehr wichtig für eine gute Gemischbildung. Drallentstehung und -verlauf sind aber wieder Größen, die sehr gut mittels CFD untersucht werden können. In Abb. 14-12 sind die Einlasskanal-Geometrie eines Pkw-Dieselmotors (links) und die Drallzahlverläufe für zwei Varianten (rechts) dargestellt. Zur Drallerzeugung sind die Einlasskanäle in Spiralform ausgeführt. Außerdem wurde noch ein so genannter Sitzdrall eingeführt, d. h. der vordere Einlasskanal besitzt eine Abdeckung im Ventilsitz. Wie auf der rechten Seite zu sehen ist, liefert dieser Sitzdrall („Variante B“) gegenüber einer äquivalenten Variante ohne Sitzdrall („Variante A“) eine wesentliche Erhöhung der Drallzahl. Der Einlasskanal ohne Sitzdrall (hier derjenige hinten links) fungiert als Tangentialkanal. Würde der linke Kanal gleichfalls als Tangentialkanal wirken, würden sich beide Strö-

14.5 Beispiele

585

mungen in etwa kompensieren, und es bliebe kein resultierender Drall übrig. Die Aufgabe des Sitzdralls besteht somit darin, die Tangentialkomponente der Strömung zu blockieren, und somit die Drallkanalfunktionalität zu unterstützen.

Sitzdrall

Abb. 14-12: Strömung im Einlasskanal eines Dieselmotors, Kanalgeometrie (links) und Drallzahlverläufe für zwei Varianten (rechts)

Da der Drall geometrisch gesehen wesentlich besser an die Zylindergeometrie angepasst ist als ein Tumble, zerfällt er auch weit weniger in der Kompression; stattdessen wird die um die Zylinderachse rotierende Strömung in die Kolbenmulde komprimiert, wodurch aufgrund der Drehimpulserhaltung (Pirouetteneffekt) die Drallzahl sogar gegen Ende der Kompressionsphase leicht ansteigen kann. Die Drallzahl Z ist als Verhältnis von Drehimpuls L und Trägheitsmoment T bezogen auf die Motordrehzahl n definiert

Z

L mit L 2S nT

³ rvtan dm

und T

³r

2

dm .

(14.99)

Hierbei bezeichnet r den Abstand von der Zylinder- bzw. Drehachse, v tan die Tangentialkomponente der Strömungsgeschwindigkeit. Mit der Berechnung zu jedem Zeitschritt ergibt sich ein instationärer Drallzahlverlauf über dem Kurbelwinkel. Im so genannten Blasversuch wird eine Drallziffer als Funktion des Ventilhubs bestimmt. Bei Korrelation der Ventilhubkurve mit dem jeweiligen Kurbelwinkel und Umrechnung der Drallziffer in einen Drehimpulsstrom kann dieser über den Einlasstakt aufintegriert und eine Drallzahl UT (DrzUT) bestimmt werden. Aufgrund der geringen Strömungsverluste bei einer Drallströmung um die Zylinderachse ist diese Approximation üblicherweise ausreichend, d. h. DrzUT und instationäre Drallzahl bei UT weichen nicht stark voneinander ab, siehe auch Abb. 14-12 (Mitte). Dies gilt aufgrund der wesentlich höheren Strömungsverluste einer Tumble-Strömung für Ottomotoren nicht mehr. Während der Kompression wird zusätzlich zum Drall in der Mulde ein Sekundärwirbel erzeugt, der für die Gemischbildungsprozesse in der Mulde bedeutsam sein kann (je nach Einspritzung). Die Orientierung dieses Sekundärwirbels hängt aber von der Drallstärke ab (Abb. 14-13)! Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass dies die Strömung vor Einspritzung beschreibt, die Einspritzung ändert natürlich die Strömungsstrukturen dramatisch.

586

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Abb. 14-13: Sekundärwirbel in der Mulde eines Dieselmotors bei 5 °KW vor ZOT mit UTDrallzahl gleich 0 (links) und gleich 2,5 (rechts)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch beim Dieselmotor ähnlich wie beim Ottomotor alle kleinskaligen Strömungsstrukturen spätestens während der Kompression zerfallen. Nur die großskaligen Drallstrukturen (inkl. Sekundärwirbel) überleben und erzeugen zusammen mit der Einspritzung die Strömungsstrukturen während der Gemischbildungsphase, wobei letztere bei weitem dominant ist. Aus diesen Gründen ist es bei Dieselmotoren durchaus üblich, bei Schließen der Einlassventile unter Vorgabe eines idealen „Walzendralls“ die Berechnung der innerzylindrischen Prozesse (Gemischbildung und Verbrennung) zu starten. Die einzige Unbekannte, die Drallzahl, muss dann aus Messungen übernommen werden (z. B. aus der DrzUT, siehe oben). Dieses Verfahren ist insbesondere zu empfehlen, wenn es sich um ein drallarmes Brennverfahren handelt (typisch z. B. für Nutzfahrzeugmotoren), weil man sich einerseits die Generierung eines Netzes mit bewegten Ventilen ersparen (nach wie vor aufwändig!) und bei symmetrischen Brennräumen aufgrund der hohen Problemsymmetrie den Rechenaufwand erheblich einschränken kann. Bei einer (symmetrischen) 8-Loch-Düse etwa muss nur noch ein 45q-Brennraumsektor mit zyklischen Randbedingungen betrachtet werden.

14.5.3

Düseninnenströmung

Ein weitere wichtige CFD-Anwendung ist die Simulation der Düseninnenströmung, da diese Aufschluss gibt über die Anfangsbedingungen der Einspritzstrahlsimulation, die im nächsten Abschnitt diskutiert werden soll. In Abb. 14-14 werden anhand eines Schattenriss-Bildes einer optisch zugänglichen NFZ-Sacklochdüse (siehe König et al. (2002)) einige Begriffe eingeführt und wichtige Phänomene erläutert. Aus dem Sackloch heraus strömt flüssiger Kraftstoff in das Spritzloch. Durch die starke Umlenkung und Beschleunigung der Strömung bildet sich an der Oberseite des Spritzloches ein Kavitationsgebiet aus, welches bis zum Düsenaustritt reicht. Diese Unsymmetrie der Strömung macht sich im Spray außerhalb der Düse bemerkbar: der effektive Austrittswinkel ist gegenüber der Lochachse leicht nach oben verkippt.

Abb. 14-14: Schattenriss-Aufnahme durch eine optisch zugängliche Nfz-Einspritzdüse

14.5 Beispiele

587

Das Auftreten von Kavitation im Spritzloch ist insbesondere für Diesel-Injektoren ein typisches Phänomen. Es bedeutet, dass zumindest am Kavitationsentstehungsort lokal der Dampfdruck der Flüssigkeit unterschritten wird und dadurch Kavitationsblasen entstehen. Diese Bläschen werden mit der Flüssigkeit transportiert, je nach Umgebungsbedingung können sie wachsen, schrumpfen oder implodieren. Eine derartige Strömung lässt sich nicht mehr sinnvoll mit einem inkompressiblen, einphasigen Flüssigkeitsmodell berechnen, dort würden am Kavitationsentstehungsort unweigerlich negative Drücke auftreten (die Dichte aber bliebe konstant hoch, auf Flüssigkeitsniveau). Heute existieren bereits CFD-Codes, die Kavitationsmodellierung auf Basis einer turbulenten Zwei-Phasen-Strömung anbieten. Dabei wird für beide Phasen (Flüssigkeit einerseits und Gas in Blasenform als disperse Phase andererseits) je ein vollständiger Satz von Transportgleichungen gelöst, d. h. beide Phasen können unterschiedliche Geschwindigkeitsfelder besitzen. Allerdings sind beide Phasen über mannigfaltige Prozesse gekoppelt, so führt Blasenwachstum zum Massenaustausch, der Blasenströmungswiderstand erzeugt Impulsaustausch. Das zu Abb. 14-14 korrespondierende Simulationsergebnis in Abb. 14-15 erlaubt eine detailliertere Analyse der Strömung: aufgrund der starken Krümmung der Stromlinien am Spritzlocheintritt fällt der lokale Druck unter den Dampfdruck ab, es bildet sich ein sichelförmiges Kavitationsgebiet. Wie in Schnittebene 1 zu erkennen ist, liegen zwischen Oberund Unterseite des Spritzlochs extreme Druckunterschiede vor, die in der Größenordnung des Einspritzdrucks liegen können. Als Konsequenz bildet sich eine Sekundärströmung aus, die sich in den Schnitten 3 bis 6 zu einem gegeneinander drehenden Wirbelpaar entwickelt, in deren Zentrum bis zum Düsenaustritt der Dampfdruck unterschritten bleibt. Das ist auch der Grund, warum Kavitationsblasen trotz des hohen Brennraumdrucks, der deutlich über dem Dampfdruck liegt, den Düsenaustritt überhaupt erreichen können und somit die Gemischbildung beeinflussen.

Abb. 14-15: Durch die scharfe Umlenkung der Strömung am Spritzlocheintritt bildet sich eine Sekundärströmung aus, in welcher Kavitationsblasen in gegeneinander drehenden Wirbelschläuchen zum Spritzlochaustritt transportiert werden.

Im Grenzfall sehr starker Austauschprozesse werden beide Phasen streng gekoppelt, es entsteht eine einphasige Strömung mit zwei Komponenten. Für diesen Grenzfall bieten ebenfalls viele CFD-Codes Kavitationsmodellierungen an, und für die meisten praktischen Applikationen dürfte das durchaus genügen.

588

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Abschließend seien die Randbedingungen für die Einspritzstrahlsimulation als Ergebnis der Düseninnenströmungsberechnung betrachtet. Ist Aeff der effektive Austrittsquerschnitt des Strahls und veff seine effektive Austrittsgeschwindigkeit, so gilt für den Massenstrom m und den Impulsstrom I am Spritzloch

m

U fl veff Aeff und I

2 U fl veff Aeff ,

(14.100)

mit Aeff als durch den geometrischen Spritzlochquerschnitt Ageo nach oben begrenzte effektive Querschnittsfläche; veff ist durch die Bernoulli-Geschwindigkeit

v Bern

2 'p

U fl

begrenzt, wobei 'p die Differenz zwischen Einspritz- und Brennraumdruck bezeichnet. Es lassen sich die folgenden Verlustkoeffizienten

CA Cv

Aeff Ageo v eff v Bern

d1

(Kontraktionsbeiwert) und

(14.101)

d 1 (Geschwindigkeitsbeiwert)

(14.102)

definieren. Damit ergibt sich der Durchflussbeiwert der Düse zu m Cd Cv C A . U fl Ageo v Bern

(14.103)

Der Durchflussbeiwert ist meist aus Einspritzverlaufsmessungen bekannt bzw. abschätzbar (bei verrundeten konischen Düsenlöchern liegt er deutlich über 0,8), nicht jedoch die Aufteilung auf die Koeffizienten C A und Cv . Diese können aber aus der Düseninnenströmung-Simulation gewonnen werden. In unserem Fall (Abb. 14-14 und Abb. 1415) existieren Kavitationszonen bis zum Spritzlochaustritt, die zu einer effektiven Reduktion des wirksamen Strömungsquerschnitts führen, andererseits liegt die Geschwindigkeit in den kavitationsfreien Zonen näherungsweise bei der Bernoulli-Geschwindigkeit. Eine numerische Auswertung führt auf einen Wert von Cv | 0,9 . Weitere wichtige Größen aus der Düseninnenströmung sind die turbulenten Skalen. Denn diese führen zum so genannten Primärzerfall des Strahls. Umgekehrt führen implodierende Kavitationsblasen zu einer Erhöhung der Turbulenz. Strahlen mit einem erhöhten Strahlaufbruch (etwa aufgrund eines starken Primärzerfalls) sehen „buschiger“ aus, und weisen auch andere Gemischbildungseigenschaften auf, siehe auch König et al. (2002). Dies ist anschaulich in Abb. 14-16 zu beobachten: auf der linken Seite ist eine Düse mit zylindrischem Spritzloch, rechts ein Spritzloch mit konischem, sich zum Austritt hin verjüngendem Spritzloch dargestellt. Im konischen Spritzloch ist nahezu keine Kavitation zu erkennen, der Strahl bildet einen recht geringen Kegelwinkel aus und ist sehr fokussiert. Im zylindrischen Spritzloch dagegen ist starke Kavitation zu beobachten, dementsprechend ist der Strahl deutlich stärker aufgeweitet. Diese Details haben einen beträchtlichen Einfluss auf das Emissionsverhalten des Dieselmotors; der Entwicklungstrend geht hin zu konischen Spritzlöchern mit starker Einlaufkantenverrundung.

14.5 Beispiele

589

zylindrisch

0

0.5

konisch

1

Anteil Kavitation

Abb. 14-16: Die Form des Düsenlochs hat großen Einfluss auf die Kavitationsneigung. Die nahezu kavitationsfreie konische Düse (rechts) führt zu einem erheblich schlankeren Einspritzstrahl.

Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Düseninnenströmung ein höchst transienter Vorgang ist, bei der insbesondere der Nadelhub einen großen Einfluss hat. In Abb. 14-17 ist illustriert, dass sich bei kleinem Nadelhub (rechts) ein völlig anderes Strömungsbild gegenüber voll geöffneter Nadel (links) einstellt: durch den geringen Hub strömt der Kraftstoff durch den Sitzbereich der Düse fokussiert in das Sackloch herein, wodurch sich ein großskaliges Rezirkulationsgebiet ausbildet. Das Spritzloch wird nun von unten angeströmt, der Kaviationsschlauch liegt daher im Gegensatz zum vollen Nadelhub auf der Unterseite des Spritzlochs. großer Nadelhub

Simulation

kleiner Nadelhub

Simulation

Diagnostik 0

0.5

Diagnostik

1

Anteil Kavitation

1mm

Abb. 14-17: Der Nadelhub beeinflusst das Einströmen des Kraftstoffs in das Sackloch der Düse und damit auch die Lage des Kavitationsschlauchs im Spritzloch.

590

14 Dreidimensionale Strömungsfelder

Literatur Angelberger, Ch. (2007): Interner Bericht Cebeci, T. (2002): Convective Heat Transfer. Second Revised Ed. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York Ferziger, J. H., Peri , M. (1996): Computational Methods for Fluid Dynamics. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York Han, Z., and Reitz, R. D. (1995): A Temperature Wall Function Formulation for Variable-Density Turbulent Flows with Application to Engine Convective Heat Transfer Modeling. Int. J. Heat Mass Transfer Vol. 40, 613–625 König, G., Blessing, M., Krüger, C., Michels, U., and Schwarz, V. (2002): Analysis of Flow and Cavitation Phenomena in Diesel Injection Nozzles and its Effects on Spray and Mixture Formation, 5th Internationales Symposium für Verbrennungsdiagnostik der AVL Deutschland, BadenBaden Manceau, R., Hanjalic, K. (2000): A new form of the elliptic relaxation equation to account for wall effects in RANS modeling. Phys. Fluids 12, 2345–2351 Maichle, F., Weigand, B., Wiesler, B., Trackl, K. (2003): Improving car air conditioning systems by direct numerical simulation by droplet-wall interaction phenomena, ICLASS, Sorrento. Merker, G. P., Baumgarten, C. (2000): Wärme- und Fluidtransport – Strömungslehre. B. G. Teubner-Verlag, Stuttgart Patankar, S. V. (1980): Numerical Heat Transfer and Fluid Flow, Hemisphere Publishing Corp., Mc-Graw Hill Comp. Peters, N. (2000): Turbulent Combustion. Cambridge University Press Pope, S. B. (1978): An explanation of the turbulent round-jet/plane-jet anomaly. American Institute of Aeronautics and Astronautics Journal, 16, 279–281 Reveillon, J., Vervisch, L., 2000: Accounting for spray vaporization in non-premixed turbulent combustion modeling: A single droplet model (sdm), Combustion and Flame, 121(1/2): 75–90 Spalart, P. R. (2000): Strategies for turbulence modelling and simulations, Int. J. Heat Fluid Flow 21, 252–263 White, F. M. (1991): Viscous Fluid Flow. Second Edit., McGraw-Hill, Inc. New York

591

15

3D-Simulation der Aufladung

15.1 Allgemeines In Kapitel 4 wurden bereits die Grundlagen für die Auslegung und Dimensionierung von Turbolader-Komponenten für die Aufladung von Verbrennungsmotoren dargestellt. Mit Hilfe der diskutierten Verfahren können die grundlegenden Dimensionen und Geometrieparameter wie Durchmesser, Querschnittsverläufe, Radien, Formen aber auch andere Kenngrößen wie beispielsweise Nenndrehzahlen festgelegt werden, um sicherzustellen, dass die betreffende Strömungsmaschine die grundsätzlichen Anforderungen an sie erfüllt. Die diskutierten Verfahren basieren allerdings auf strömungsmechanischen und thermodynamischen Vereinfachungen, empirischen Ansätzen oder teilweise auch auf Diagrammen, die die grundlegenden Zusammenhänge visuell darstellen und grafische Festlegungen erlauben. So gehen beispielsweise viele der zugrundegelegten Gleichungen unter anderem davon aus, dass die stationäre Stromfadentheorie gilt, d.h. dass die Strömung als rein eindimensional betrachtet werden kann. Zudem wird meist angenommen, dass die Strömung als viskositätsfrei betrachtet werden kann. In erster Näherung sind diese Annahmen sicher auch gerechtfertigt. Strömungen in Strömungsmaschinen sind jedoch im Allgemeinen sehr viel komplexer als die obigen Prämissen dies nahelegen. Insbesondere führen die teilweise stark gekrümmten Oberflächen (vgl. Abb. 15-1) in Verbindung mit der Rotation des Laufrades zu dreidimensionalen, teilweise instationären Strömungsvorgängen, die aufgrund der typischerweise hohen Reynoldszahlen turbulent und stark wirbelbehaftet sind. Die endgültige Festlegung der Bauteilgeometrie sollte daher schon frühzeitig vor der endgültigen Fertigung mit Hilfe der dreidimensionalen Strömungssimulation verifiziert und bestätigt werden. Auch sind die Wirkungsgrade von Strömungsmaschinen mittlerweile so hoch, dass die weitere Optimierung oder auch die Analyse von Verschlechterungen im Entwicklungsprozess ohne tiefer gehende Einblicke in die beteiligten detaillierten Strömungsvorgänge nicht mehr möglich ist.

Abb. 15-1: Komplexe dreidimensionale Geometrie eines Verdichters

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_15, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

592

15 3D-Simulation der Aufladung

Das vorliegende Kapitel fasst die wesentlichen Elemente der dreidimensionalen Strömungssimulation von Radialverdichtern und -turbinen zusammen und zeigt anhand von Anwendungsbeispielen Ziele und Möglichkeiten der numerischen Analyse von Turbomaschinen auf.

15.2 Grundlagen der 3D-CFD-Simulation von Turbomaschinen Die Grundlagen der numerischen Simulation von Strömungsvorgängen im Allgemeinen wurden bereits in Kapitel 14 behandelt. Grundsätzlich gelten die dort dargestellten Zusammenhänge bezüglich der strömungsmechanischen Grundgleichungen und deren Diskretisierung, hinsichtlich Turbulenzmodellierung und Wandfunktionen, sowie im Bezug auf die zu generierenden Berechnungsgitter und dabei anzustrebenden Netzauflösungen auch für numerische Berechnungen in Strömungsmaschinen. Im Folgenden wird daher nur auf Besonderheiten im Zusammenhang mit Turbomaschinen näher eingegangen.

15.2.1 Behandlung unterschiedlicher und bewegter Koordinatensysteme Grundsätzlich lassen sich zwei strömungsmechanisch relevante Teile von Strömungsmaschinen unterscheiden, nämlich das Laufrad und das Gehäuse. Während das Gehäuse stationär mit dem Motor verbunden ist und sehr gut in einem absoluten, im Raum feststehenden, kartesischen Koordinatensystem beschrieben werden kann, eignet sich für das rotierende Laufrad ein mitrotierendes, relatives Koordinatensystem. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die an sich instationäre Strömung im Laufrad durch die Darstellung im Relativsystem stationär betrachtet werden kann. Die Strömungsgeschwindigkeit im Relativsystem ist definiert durch: G G G c w  u, (15.1) G G wobei c wie bisher den Geschwindigkeitsvektor im Absolutsystem, w den GeschwinG digkeitsvektor im Relativsystem und u den Vektor der Umfangsgeschwindigkeit des Laufrades am betrachteten Punkt bezeichnet (siehe Abb. 15-2). Letztere ist definiert durch das folgende Vektorprodukt: G G G u wu r, (15.2) G G mit w als Rotationsvektor des Laufrades und r als Ortsvektor. Die Relativgeschwindigkeit lässt sich somit ausdrücken als: G G G G w c  wu r. (15.3)

Abb. 15-2: Geschwindigkeitsdreiecke am Eintritt und Austritt eines Radialverdichters

15.2 Grundlagen der 3D-CFD-Simulation von Turbomaschinen

593

In der weiter vorne gewählten Indexschreibweise ausgedrückt, wäre dies

wi

ci  H ijk Z j rk ,

(15.4)

wobei H ijk den Einheitstensor bezeichnet. Da hier die Indexschreibweise etwas unübersichtlich ist, wird im Weiteren die symbolische Schreibweise verwendet. Die in Kapitel 14 angegebene Impulstransportgleichung im Absolutsystem lautet damit: G G w Uc G G (15.5)  ’ ˜ U c … c ’p  ’ ˜W  f . wt

Der Operator … bezeichnet dabei das sogenannte dyadische Produkt zweier Vektoren. Führt man die Transformation in Relativgeschwindigkeit und Umfangsgeschwindigkeit in diese Gleichung ein, ergibt sich: G G G w U w w UZ G G G G G G G G  u r  ’ ˜ U w … w ’p  ’ ˜W  f c  2 UZ u r  UZ u Z u r . (15.6) wt wt Die beiden letzten Terme stellen den Einfluss der Coriolis-Kraft respektive der Zentrifugalkraft dar. In ähnlicher Weise werden auch die übrigen Transportgleichungen im Relativsystem dargestellt und gelöst. Die Transformation in das Relativsystem ist dann auch bei der Bildung der Totalgrößen zu berücksichtigen. So ist der Totaldruck dann beispielsweise:

1 G G (15.7) U wG ˜ wG  Z u rG ˜ Z u rG . 2 Wird jeweils nur Stator (Gehäuse/Leitschaufeln) oder Rotor (Laufrad oder Teile davon z. B. ein einzelner Schaufelkanal) betrachtet, wird entweder das Absolut- oder das Relativsystem für die Simulation verwendet. Betrachtet die numerische Analyse jedoch die Strömung in Rotor und Stator gleichzeitig, ist es notwendig, beide Koordinatensysteme („multiple frames of reference“) zugleich zu verwenden. Hierbei werden der Stator im Absolut- und der Rotor im Relativsystem berechnet. Am Übergang zwischen beiden Teilgebieten ergibt sich in diesem Fall eine interne Grenzfläche für die Simulation, die abhängig von der Art der Simulation auf unterschiedliche Weise behandelt werden kann. Die Definitionen, die die meisten kommerziellen CFD-Programme in dieser Hinsicht zur Verfügung stellen, sind:

ptot

pstat 

y Frozen-Rotor-Schnittstelle, y Mischungsebenen-Schnittstelle, y Rotor-Stator-Verbindung.

Bei der Frozen-Rotor-Schnittstelle bleibt die relative Position des Rotors im Bezug zum Stator fixiert und die sich an der Grenzfläche ergebenden Randwerte werden einfach vom einen in das andere Koordinatensystem übergeben. Dies ermöglicht die Bewertung von asymmetrischen Geometrie-Konfigurationen, wie sie in motorischen Turbomaschinen typischerweise auftreten. Prinzip bedingt eignet sich diese Definition der Schnittstelle jedoch nur für stationäre Simulationen, da der Rotor als eingefroren betrachtet wird. Die Rotation beeinflusst die Strömung über das mitrotierende Koordinatensystem. Der Vorteil, dass die zwischen den an die Schnittstelle angrenzenden Koordinatensystemen übergebenen Werte die Asymmetrie des Statorbereiches widerspiegeln, bedeutet jedoch gleichzeitig, dass das Ergebnis der Simulation von der relativen Orientierung des Rotors zum Stator abhängig ist. Mehrfache stationäre Frozen-Rotor Berechnungen mit unterschiedlichen Rotor-Positionen entsprechen zudem nicht dem Ergebnis der instationären Simulation.

594

15 3D-Simulation der Aufladung

Auch bei der Mischungsebenen-Schnittstelle bleibt die relative Ausrichtung des Rotors zum Stator während der Berechnung unverändert. Es erfolgt allerdings eine Mittelung der Werte in Umfangsrichtung der Grenzfläche zwischen beiden Koordinatensystemen. Die zwischen Nachbarknoten übergebenen Strömungsgrößen sind daher über den Eintritt in das Relativsystem gleichmäßig verteilt, was dazu führt, dass das Ergebnis unabhängig davon ist, wie der Rotor im Bezug auf den Stator gerade angeordnet wurde. Gerade in motorischen Turbomaschinen ist die Annahme gleichmäßig verteilter Strömungsgrößen jedoch meist nicht sinnvoll und führt dazu, dass die Strömung im Stator durch die Mittelung beeinflusst wird. Anwendungsgebiete für Mischungsebenen-Verbindungen sind daher eher im Bereich axialer Turbomaschinen zu finden, bei denen die Annahme azimutaler Gleichverteilung näherungsweise erfüllt werden kann. Im Gegensatz zu den beiden obigen Schnittstellen ist mit Hilfe der Rotor-Stator-Verbindung die instationäre Simulation des Strömungsmaschinenverhaltens möglich. Bei dieser Schnittstelle wird die Winkelposition des Laufrades mit der Zeit verändert, so dass entsprechend der Winkelgeschwindigkeit jeweils die richtige relative Position zwischen Rotor und Stator betrachtet wird. Auf diese Weise kann auch die Interaktion zwischen Rotor und Stator also beispielsweise zwischen Laufrad und asymmetrischen Gehäuseteilen oder zwischen Laufrad und Leischaufeln analysiert werden. Bedingt durch die Rotation des Rotors stellt die Schnittstelle zwischen den beiden angrenzenden Koordinatensystemen eine interne Grenzfläche des Berechnungsmodelles dar, mit non-konformen Netztopologien auf beiden Seiten. Dies bedeutet, dass die Gitterpunkte des einen Teilnetzes nicht unbedingt identisch sein müssen mit denen, des anderen Teilnetzes. Die Verbindung erfolgt in solchen Fällen mit Hilfe sogenannter Kontrollflächen, die eine geeignete Übergabe der Werte von einem Netz zum anderen sicherstellen. Je nach betrachtetem Programm werden solche Kontrollflächen als „generalized grid interfaces“, „arbitrary interfaces“ oder auch nur „interfaces“ bezeichnet. Im Fall der Rotor-Stator-Verbindung stellt diese Grenzfläche einen Sonderfall der Kontrollfläche dar, indem sich die Gitterpunktanordnung durch die Rotation des Rotors mit jedem Zeitschritt ändert. In solchen Fällen spricht man von einem „Sliding Interface“. Die beiden ersten Schnittstellen stellen schnelle und robuste Möglichkeiten dar, die Strömung in motorischen Turbomaschinen zu simulieren und sind beispielsweise geeignet, Strömungsmaschinen auch mit Hilfe automatischer Optimierungsverfahren zu verbessern. Beide weisen jedoch die diskutierten Nachteile auf. Die instationäre Analyse mittels Rotor-Stator Verbindung ist die einzige Möglichkeit, transiente Effekte korrekt zu berücksichtigen und auch die Wechselwirkung zwischen Rotor und Stator zu erfassen. Die Methode ist jedoch auch wesentlich aufwändiger hinsichtlich Rechenzeit und Speicherplatzbedarf und stellt auch sonst andere Anforderungen an die Berechnungsdurchführung (beispielsweise hinsichtlich der vorzugebenden Randbedingungen, die gegebenenfalls auch zeitlich variabel sein müssen). Im industriellen Umfeld stellen derartige Analysen daher derzeit noch nicht den Regelfall dar.

15.2.2 Gittergenerierung für Turbomaschinen Wie bereits zu Anfang von Abschnitt 15.2 erwähnt, gelten für die 3D-CFD-Simulation von Strömungsmaschinen ähnliche Anforderungen wie für andere Gebiete der 3D-CFDSimulation auch. Da die detaillierte Analyse von Verlusten meist mit der möglichst korrekten Vorhersage von Strömungsablösungen zusammenhängt, ist im Falle von Turbomaschinen-Simulationen besonderer Wert auf die Qualität der Berechnungsgitter zu legen. Dies bezieht sich auf Parameter wie Gitterwinkel, Aufweitungsverhältnis oder auch Sei-

15.2 Grundlagen der 3D-CFD-Simulation von Turbomaschinen

595

tenverhältnis der Kontrollvolumina, insbesondere aber ist auf die ausreichende Auflösung der Grenzschicht sowie je nach eingesetztem Turbulenz- und Wandfunktionsmodell auch auf den y+ Wert der ersten Zellen innerhalb des Berechnungsgebietes zu achten. Durch den Gitterwinkel wird der numerische Fehler der Lösung beeinflusst. Gute Werte liegen hier zwischen 20° und 160°, akzeptable zwischen 10° und 170°. Außerhalb dieses Bereiches muss mit deutlichen Einflüssen auf die Qualität der Lösung gerechnet werden. Als Aufweitungsverhältnis bezeichnet man bei eindimensionalen Berechnungsnetzen das Verhältnis zwischen den Abständen benachbarter Gitterpunkte. Im dreidimensionalen Fall kann hierfür das Volumenverhältnis zwischen benachbarten Kontrollvolumina herangezogen werden. Auch dieser Parameter beeinflusst direkt den numerischen Fehler der Lösung. Im Idealfall liegen die Werte für das Aufweitungsverhältnis zwischen 1 und 1.5. Werte zwischen 1.5 und 2.5 sind noch akzeptabel. Das Seitenverhältnis eines Kontrollvolumens beeinflusst das Konvergenzverhalten iterativer Lösungsverfahren, mit deren Hilfe die sich aus der Diskretisierung der Transportgleichungen ergebende Matrixgleichung gelöst wird. Teilweise erfordern diese Löser, dass das Seitenverhältnis beschränkt bleibt. Seitenverhältnisse von 10 und kleiner sind hierbei anzustreben. Insbesondere zur Auflösung der Grenzschicht ist es jedoch möglich, dass dieser Wert nicht immer eingehalten werden kann und Seitenverhältnisse von 100 und darüber akzeptiert werden müssen, um die Anzahl der Gitterpunkte in erträglichem Rahmen zu halten. Hier muss die Eignung des jeweiligen Matrixlösers für solche Netze überprüft werden. Ein Ziel, das bei der numerischen Simulation stets beachtet werden sollte, ist, dass konsistente Lösungen gefunden werden. Hiermit ist gemeint, dass der Berechnungsfehler mit zunehmender Netzfeinheit immer kleiner werden sollte. Dies kann dadurch überprüft werden, dass die erhaltene Lösung auf Netzen mit zunehmender Verfeinerung verglichen wird. Tendiert die Lösung nicht asymptotisch gegen einen Grenzwert, kann dies daran liegen, dass das Gitter ganz allgemein noch viel zu grob ist. Ein Problem kann jedoch auch darin liegen, dass die oben aufgeführten Parameter, die die Netzqualität beschreiben, durch eine Netzverfeinerung nicht besser sondern schlechter werden. In solchen Fällen spricht man von nicht skalierbaren Netzen. a)

b)

c)

d)

Abb. 15-3: Übersicht über typische Elementtypen für 3D-CFD Kontrollvolumina a) Hexaeder, b) Tetraeder, c) Prisma, d) Pyramide

Grundsätzlich stellen hexaedrische Gitter (vgl. Abb. 15-3 a)) die beste Möglichkeit dar, gute Netzqualität bei hoher Berechnungseffizienz zu erzeugen. Hexaederelemente eignen sich gut, um die Grenzschicht nahe der Wand und Scherschichten, die durch Strömungsablösung entstehen, aufzulösen. Der Nachteil von Hexaeder-Gittern liegt in der sehr aufwändigen Gittergenerierung, die nur in geringerem Maße automatisierbar ist. Die manuelle Netzgenerierung bietet allerdings auch den Vorteil, dass die Anordnung der Kontrollvolumina bereits so gestaltet werden kann, dass zu erwartende hohe Gradienten in der Strömung gut aufgelöst werden können.

596

15 3D-Simulation der Aufladung

Tetraedernetze (Abb. 15-3 b)) lassen sich dagegen sehr gut automatisch generieren. Ausgehend von einem Oberflächennetz auf der fluidbenetzten Geometrie wird das zur Verfügung stehende Volumen mit tetraedrischen Kontrollvolumina aufgefüllt. Nachteilig an Tetraedernetzen ist allerdings, dass sie aufgrund der relativen Anordnung zueinander nur bedingt geeignet sind, Scherschichten und Grenzschichten an Wänden aufzulösen. Zudem ist es nicht möglich, die Anordnung der Kontrollvolumina am Verlauf der Stromlinien zu orientieren, was dazu führt, dass für eine ähnliche Lösungsqualität bei wie Hexaedergittern wesentlich mehr Gitterpunkte verwendet werden müssen. Der Berechnungs- und Speicherplatzaufwand für tetraedrische Netze ist allein durch die Art der Kontrollvolumen um ca. 50 % höher als bei Hexaedernetzen. Prismatische Netze (Abb. 15-3 c)) sind zwar immer noch weniger effizient als Hexaedernetze, stellen jedoch eine Möglichkeit dar, die Grenzschicht besser als mit Tetraedern aufzulösen. Die Erzeugung ist ausgehend von einem zweidimensionalen Netz beispielsweise durch Extrusion möglich und sehr gut automatisierbar. In Kombination mit Tetraedern im Innenbereich stellen Prismennetze eine sehr schnelle und mit wenigen manuellen Eingriffen verbundene Möglichkeit dar, Netze unbeaufsichtigt zu generieren. Pyramidenelemente (Abb. 15-3 d)) stellen im Allgemeinen lediglich Übergangselemente zur Verbindung von Hexaeder- mit Tetraederelementen dar und sollten als Kontrollvolumina weitgehend vermieden werden.

15.2.3 Aufbau von Berechnungsmodellen und Randbedingungen In Abschnitt 15.2.1 wurde hinsichtlich der strömungsmechanisch relevanten Teile einer Strömungsmaschine lediglich zwischen Laufrad und Gehäuse unterschieden. In der praktischen Vorgehensweise zeigt es sich, dass es sinnvoll ist, das Berechnungsmodell noch weiter zu strukturieren, um die notwendigen Randbedingungs-Definitionen und Auswertungen zur Analyse einfach durchführen zu können. Im Folgenden wird am Beispiel eines Verdichters eine sinnvolle Vorgehensweise hierfür vorgestellt, die in ähnlicher Form auch auf andere Turbomaschinen übertragen werden kann.

a)

b)

Abb. 15-4: Einteilung einer Verdichtergeometrie in verschiedene Teilgebiete a) Gesamtgeometrie, b) Berechnungsmodell mit Vor- und Nachlaufstrecke

Der in Abb. 15-4a) dargestellte Verdichter ist inklusive Schubumluftventil modelliert. Man erkennt in der Auflösung der einzelnen Elemente des Gesamtmodells, dass dem Gehäuse eine Vor- wie auch eine Nachlaufstrecke angehängt wurde. Dies ist notwendig, um die notwendigen Voraussetzung zu schaffen, dass entsprechende Randbedingungen so

15.2 Grundlagen der 3D-CFD-Simulation von Turbomaschinen

597

aufgeprägt werden können, dass sich ein gleichmäßiges Strömungsprofil am Eintritt in das eigentlich interessierende Berechnungsgebiet ergibt. Werden die Randbedingungen zu nahe am Verdichter vorgegeben, besteht die Gefahr, dass die Lösung zu stark von den Randbedingungen beeinflusst wird. Das Geometriemodell des Verdichters wurde in den Eintrittsbereich des Gehäuses inklusive des Schubumluftventils, den Bereich um das Verdichterrad (den sogenannten „Impeller“), sowie den Austrittsbereich des Gehäuses, das den Diffusor und die Volute umfasst, eingeteilt. Die verschiedenen Grenz- und Randflächen, die sich durch die Unterteilung des Verdichtergehäuses ergeben, sind in Abb. 15-5 dargestellt. Zudem erkennt man, wie an Stellen, an denen Vergleiche beispielsweise mit Messwerten angestellt werden sollen, zusätzliche Auswerteflächen eingezogen werden. Die Flächen, die auch in Realität feststehende Wände sind, werden im CFD-Modell als „Non-Slip Walls“, d.h. Wände, an denen die Strömung die Haftbedingung erfüllen muss, definiert. Die Randbedingungen, die an den Einund Austrittsflächen spezifiziert werden, definieren wesentlich die Durchströmung der Turbomaschine. Hier muss darauf geachtet werden, dass die Randbedingungen die Strömung nicht überbestimmen. Dies kann beispielsweise unter Umständen der Fall sein, wenn an beiden Rändern Geschwindigkeiten als Randbedingungen spezifiziert werden. Da die Strömung die Kontinuitätsgleichung erfüllen muss, ergibt sich die Geschwindigkeit am Austritt aus der Durchströmung des Bauteils. Spezifiziert man daher die Geschwindigkeit „falsch“ d.h. unpassend zur Massenerhaltung, kann die numerische Lösung die Kontinuitätsgleichung nicht erfüllen und konvergiert nicht.

Abb. 15-5: Rand- und Grenzflächen am Verdichtergehäuse

Im Bereich der Schnittstelle zwischen Eintrittsgehäuse und Laufrad ragt die Nabe (Impeller Hub) des Laufrades in das Eintrittsgehäuse. Diese Fläche wird ebenfalls als Wand spezifiziert. Im Absolutsystem muss der Wand allerdings die Rotationsgeschwindigkeit des Laufrades aufgeprägt werden. Bei der Einteilung und Randbedingungsdefinition des Laufrad-Bereiches (siehe Abb. 15-6) muss den im Absolutsystem feststehenden Wänden (Shroud – Gehäusedeckfläche und Backplate) eine der Laufrad-Rotation entgegengesetzte Rotationsgeschwindigkeit aufgeprägt werden, um die Rotation des Koordinatensystems im Relativsystem auszugleichen. Die Schnittstellen zwischen Absolut- und Relativsystem sind in den Abbildungen mit „Interface Axial“ und „Interface Radial“ bezeichnet. An diesen Flächen erfolgt die Übergabe der Werte zwischen den beiden Koordinatensystemen über einen der in Abschnitt 15.2.1 definierten Schnittstellentypen.

598

15 3D-Simulation der Aufladung

Abb. 15-6: Rand- und Grenzflächen im Laufradbereich

15.3 Postprocessing: Ergebnisanalyse und -darstellung Die Art und Weise der Analyse von Simulationsergebnissen des Turbomaschinenverhaltens hängt naturgemäß von der zu beantwortenden Fragestellung ab. Hier bietet sich auch für Strömungsmaschinen die komplette Bandbreite der in kommerziellen CFD-Programmen zur Verfügung stehenden Darstellungsmöglichkeiten an. Stellt man beispielsweise die Stromlinien in der im vorangegangenen Abschnitt betrachteten Verdichtergeometrie dar, ergibt sich im Falle eines Betriebspunktes in der Mitte des Verdichterkennfeldes das in Abb. 15-7a) dargestellte Bild. Findet sich der Betriebspunkt in der Nähe der Pumpgrenze, erhält man dagegen die Darstellung in Abb. 15-7b), in der deutlich die sich ergebende Rückströmung im Bereich des Eintrittsgehäuses noch in der Vorlaufstrecke zu erkennen ist. Zur detaillierten Analyse der Strömung ist es notwendig, Schnittebenen oder gekrümmte Flächen in das CFD-Modell zu legen und die Darstellung auf diesen Flächen vorzunehmen. Hier unterscheidet man zwischen Ebenen, die das Modell einfach bei konstanten Werten einer Koordinate schneiden oder auch schräg im Raum platziert sind und Flächen, die gekrümmt sind und sich beispielsweise an der untersuchten Geometrie orientieren.

a)

b)

Abb. 15-7: Stromliniendarstellung zur Visualisierung des Verdichterverhaltens a) Betriebspunkt in Kennfeldmitte, b) Betriebspunkt nahe Pumpgrenze

15.3 Postprocessing: Ergebnisanalyse und -darstellung

599

In Abb. 15-8 ist beispielsweise das Rückströmgebiet, das zu dem in Abb. 15-7 b) gezeigten Stromlinienmuster führt, auf einer x-z-Ebene der Geometrie dargestellt. Aufgrund der komplexen gekrümmten Formen der betrachteten Geometrien, haben sich allerdings auch Darstellungen auf gekrümmten Flächen bewährt. Man unterscheidet hier Darstellungen an fixen Positionen in der sogenannten Spannweitenrichtung d.h. zwischen Hub und Shroud, in Strömungsrichtung oder auch in Umfangsrichtung.

Abb. 15-8: Vektordarstellung auf Schnittebenen

Abb. 15-9 zeigt beispielsweise den sich im Bereich eines Laufradkanals ergebenden Ablösewirbel auf zwei unterschiedlichen gekrümmten Flächen, einmal für eine konstante Koordinate in Spannweitenrichtung (Abb. 15-9 a)) und andererseits für einen konstanten Koordinatenwert in Strömungsrichtung (Abb. 15-9 b)).

a) konstant in Spannweitenrichtung b) konstant in Strömungsrichtung Abb. 15-9: Vektordarstellung auf gekrümmten Flächen

600

15 3D-Simulation der Aufladung

Zur besseren Übersicht lassen sich die Flächen meist auch auf eine ebene Darstellung abwickeln. Diese Abwicklungen bezeichnet man auch als Blade-to-Blade Darstellung (siehe Abb. 15-10).

a) Machzahl in der Kennfeldmitte

b) Machzahl nahe der Stopfgrenze Abb. 15-10: Blade-to-Blade-Darstellungen der Machzahl im Laufrad eines Verdichters

15.4 Anwendungsbeispiele 15.4.1 Analyse des Verdichterverhaltens Für Hersteller von Turbomaschinen ist es natürlich von größter Wichtigkeit, vor der Herstellung einer Strömungsmaschine in Hardware sicherzustellen, dass ein robustes Konzept ausgelegt wurde. Hier besteht mittels 3D-CFD Simulation die Möglichkeit, ganze Kennfelder, wie sie auch an Turbolader-Prüfständen vermessen werden, vorauszurechnen. Die hierbei interessierenden Bereiche des Kennfeldes sind in Abb. 15-11 schematisch dargestellt. Einerseits interessiert die Abhängigkeit des Verdichterdruckverhältnisses bei vorgegebenem Massenstrom und konstanter Drehzahl des Verdichters – d.h. der Verlauf der sogenannten Drehzahllinien. Andererseits ist es aufschlussreich, bereits im Vorfeld der Fertigung erste Aussagen über den stabilen und instabilen Bereich des Kennfeldes zu bekommen, d.h. in etwa die Lage der Pumpgrenze bestimmen und auch die Stopfgrenze vorherzusagen zu können. Auch die Vorhersage von Wirkungsgraden und die Lage des Wirkungsgradbestpunktes hilft die Konstruktion so gut wie möglich abzusichern. Für Motorenhersteller bietet die 3D-Simulation die Möglichkeit, bevor der Turbolader für Vermessungen real zur Verfügung steht, bereits Kennfelder zu erzeugen oder vom Laderhersteller geliefert zu bekommen und damit 1-D-Ladungswechselsimulationen durchzuführen, um das zu erwartende Motorverhalten vorab rechnerisch zu überprüfen.

15.4 Anwendungsbeispiele

601

Abb. 15-11: Prinzipdarstellung eines Verdichterkennfeldes

Welche Qualität die erreichbaren Ergebnisse in dieser Hinsicht bieten, ist als Vergleich zwischen Simulation und Messung in Abb. 15-12 dargestellt. Man erkennt, dass die relevanten Drehzahllinien von der Berechnung hervorragend wiedergegeben werden. Lediglich bei der höchsten gemessenen Drehzahllinie ergibt sich eine maximale Abweichung von 4,5%. Die Lage der Stopfgrenze stimmt ebenfalls sehr gut mit den gemessenen Werten überein. Die Pumpgrenze kann anhand des nach unten abknickenden Verlaufs der Drehzahllinien am jeweils linken Ende bestimmt werden. Die Berechnungen wurden für dieses Kennfeld abgebrochen sobald die stationären Lösungen begannen, periodisches Konvergenzverhalten zu zeigen. Das Pumpen eines Verdichters ist ein stark instationäres Phänomen, das aus der Interaktion von Verdichter und Luftführung resultiert. Mittels stationärer Berechnungen des Verdichters kann dieses Verhalten nicht simuliert werden. Da instationäre Analysen jedoch für die angestrebten schnellen Bewertungen viel zu aufwändig sind, bietet sich diese pragmatische Vorgehensweise an.

Abb. 15-12: Vergleich von berechnetem und gemessenem Verdichterkennfeld

602

15 3D-Simulation der Aufladung

15.4.2 Untersuchung von Turbinenvarianten Die Durchströmung der Wastegatekanäle einer Turbolader-Turbine spielt eine wichtige Rolle für den Ladungswechsel eines Motors. Die Auslegung sollte so gewählt sein, dass der Kanal einen möglichst geringen Druckverlust erzeugt und dass bei TwinscrollTurbinen die beiden Wastegatekanäle möglichst gleichmäßig durchströmt werden. Bewertet werden kann bei einer derartigen Simulation beispielsweise der Wastegatemassenstrom in Abhängigkeit vom Klappenöffnungswinkel und die Massenstromteilung auf die beiden Teilkanäle (in Abb. 15-13 als isentroper Strömungsquerschnitt dargestellt), aber auch wie in Abb. 15-14 dargestellt das Strömungsfeld in Form des Geschwindigkeitsfeldes in Vektordarstellung, das sich beispielsweise bei der Umströmung der Wastegateklappe selbst einstellt. Abb. 15-13: Wastegate-Massenströme in Abhängigkeit des Klappenwinkels

a) Öffnungswinkel 15°

b) Öffnungswinkel 5°

Abb. 15.14: Umströmung der Wastegateklappe einer Twinscroll-Turbine

603

16 Simulation von Einspritzprozessen

Dieses Kapitel ist der Simulation von Einspritzprozessen gewidmet. Von theoretischer Seite betrachtet stellt sich die Thematik viel komplexer dar, als es die Existenz leicht handhabbarer „Strahlmodule“ in allen gängigen CFD-Codes zunächst vermuten ließe. Wenn man sich aber die meisten der damit erzielten Ergebnisse kritisch betrachtet, wird man sich der ganzen Schwierigkeiten der Thematik schnell bewusst. Nach wie vor gilt, dass sich mit den heute für motorische Applikationen verfügbaren Codes sinnvolle Resultate nur mit großem Aufwand erzeugen lassen. Zunächst soll nachfolgend das Standard-Strahlmodell entwickelt werden, die dafür erforderliche Modellierung der Ein-Tropfenprozesse und die stochastische Modellierung eines Partikelensembles in Lagrange’scher Formulierung. Wie schon erwähnt bringt dieser Ansatz viele Probleme und Schwierigkeiten mit sich, die im Detail diskutiert werden sollen. Schließlich sollen Modellierungsansätze in Euler’scher Formulierung vorgestellt werden, die hier Abhilfe schaffen könnten.

16.1

Einzeltropfenprozesse

Einzeltropfenprozesse umfassen die Austauschprozesse von Masse, Impuls und Wärme zwischen einem einzelnen Tropfen und der umgebenden Gasphase. Der Impulsaustausch wird rein kinematisch mittels des Strömungswiderstandes beschrieben, während Massenund Wärmeaustausch mit der Umgebung durch Diffusions- und Konvektionsprozesse in der Tropfenumgebung hervorgerufen werden. Tropfen werden mindestens mit acht Variablen beschrieben: Ort, Geschwindigkeit (je drei Variablen), Radius und Temperatur. Mit einer Modellierung der Einzeltropfenprozesse haben wir die Bewegungsgleichungen dieser Variablen gefunden. Hin und wieder wurden auch Tropfenschwingungszustände eingeführt. Deren Relevanz konnte aber noch nicht zwingend demonstriert werden; deshalb seien sie hier weggelassen. Schließlich werden wir im Rahmen eines Mehrkomponentenverdampfungmodells zwei zusätzliche Modellparameter einführen. Im Rahmen modifizierter Modelle werden wir auch neue statistische Parameter wie Tropfenturbulenz einführen, die aber nicht mehr Einzeltropfen beschreiben.

16.1.1

Impulsaustausch

Bewegt sich ein Tropfen mit Radius R, Dichte U fl und Geschwindigkeit vtr in einem Gas der Dichte U g und der Geschwindigkeit v g , so wirkt auf den Tropfen eine abbremsende (d. h. der Geschwindigkeitsdifferenz zur Gasphase entgegen gerichtete) Kraft G G G G G 4S 3 G 1 F U fl R vtr ȡ g CW ʌ R 2 v g  vtr (v g  vtr ) . (16.1) 3 2 Zusammen mit der Gleichung G G x tr vtr (16.2) G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_16, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

604

16 Simulation von Einspritzprozessen

ist die Tropfen-Kinematik bestimmt. Der CW -Wert wird üblicherweise wie folgt berechnet

CW

wobei Re tr

23· ­ 24 § Retr °° ¨1  ¸ für 6 ¸ ® Retr ©¨ ¹ ° für °¯0, 424

Retr d 1.000

(16.3)

Retr ! 1.000

G G 2rU fl vtr  v g

Pg

(16.4)

die tropfenbasierte Reynolds-Zahl bezeichnet, d. h. für große Reynoldszahlen hängt der Strömungswiderstand quadratisch von der Geschwindigkeitsdifferenz ab. Es wird im Folgenden von Bedeutung sein, die Strömungswiderstandskraft von Gl. (16.1) in einen gemittelten und einen von der turbulenten Fluktuation der Gasgeschwindigkeit abhängigen Anteil zu zerlegen1: G G vg  vtr G G G G 3 Ug vtr | Dtr ˜ vg  vtr  Dtr ˜ vg cc mit Dtr CW (16.5) 8 U fl R



16.1.2



Massen- und Wärmeaustausch (Einkomponentenmodell)

Die Kontinuitätsgleichung und die Dampftransportgleichung lauten für den stationären, laminaren Fall

w U vi wxi

0 bzw.

w U vi c  w wx i wx i

§ w · ¨ DU c¸ ¨ wx i ¸¹ ©

0.

(16.6)

Aus Gründen der analytischen Lösbarkeit werden die Dichte, der Diffusionskoeffizient und die Temperatur als konstant gesetzt. Die Gl. (16.6) wird nun in der Umgebung eines Tropfens bei Rotationssymmetrie betrachtet; der Tropfen sei somit in Ruhe. Ziel ist die ~ Beschreibung eines stationären Fließgleichgewichts für den Dampfstrom m und den ~ Wärmestrom q zwischen Tropfenoberfläche und dem Unendlichen. Die Integration dieser Gleichungen mit Hilfe des Gauss’schen Satzes von der Tropfenoberfläche bis zu einer Kugelschale mit Radius r führt auf 4SU r 2 v(r )

const.(1) ,

4SU r 2 v(r )c(r )  4SDU r 2

(16.7)

dc(r ) const.(2) , (16.8) dr wobei const.(1) den Gesamtmassenstrom bezeichnet und const.(2) den Dampfmassenstrom. Da effektiv nur Dampf strömt, müssen beide identisch gleich m sein. Lösen von 1

G Gl. (16.5) ist die in der Literatur übliche Formulierung, streng genommen müsste noch die vccg G G Abhängigkeit von CW ˜ vg  vtr berücksichtigt werden. Für sehr kleine Geschwindigkeitsdifferenzen geht die aber gegen Null (siehe Gl. (16.3) und (16.4)), und für große ist sie gering G G G ( vccg  vg  vtr ).

16.1 Einzeltropfenprozesse

605

(16.7) nach v, einsetzen in (16.8) und Integration führt unter Vorgabe der Randbedingungen c(R) sowie c(f) auf v(r) =

m 4SU r 2

und

(16.9)

§ 1  c (f ) · 4S D U R ln ¨ ¸, © 1  c( R) ¹

m

(16.10)

wobei c(R) über die Dampfdruckbeziehung aus der Tropfentemperatur errechnet werden kann. Tf G v(r)

Ttr

G v(r) R

m

c(R)

cf

q

Abb. 16-1: Prinzipbild zur Darstellung der Dampf- und Wärmeströme in der Tropfenumgebung

Die äquivalente Behandlung der Wärmeleitungsgleichung unter Annahme konstanter spezifischer Wärme





w w § w · U vi c pT  T¸ ¨O wxi wxi © wxi ¹

0

(16.11)

führt zunächst nach Integration über den Gauss’schen Satz auf 4SU r 2 v(r )c pT (r )  4SO r 2

dT (r ) dr

q ( R ) ,

(16.12)

und schließlich nach Einsetzen von (16.9) unter Verwendung der Randbedingungen bei T ( R) Ttr (Tropfentemperatur) sowie Tf auf die folgende Gleichung

T (r )

§ m c p · ¸ 1  exp¨¨  4S rO ¸¹ . © (Ttr  Tf ) Tf   m c § p · ¸ 1  exp¨¨  S O ¸¹ 4 R ©

Für die Integrationskonstante q ( R ) (integraler Wärmestrom) ergibt sich dabei m c p (Ttr  Tf ) . q ( R) m c pTtr  § m c p · exp ¨ ¸ 1 © 4S RO ¹

(16.13)

(16.14)

Die (eigentlich nicht konstanten) Stoffwerte für Dichte, Diffusionskonstante, Wärmeleitfähigkeit sowie Wärmekapazität werden üblicherweise nach der 1/3–2/3-Regel berechnet, als Linearkombinationen der Werte an der Oberfläche und im Unendlichen, wobei X hier stellvertretend für die genannten Größen steht X Tr 2 X f X  . (16.15) 3 3

606

16 Simulation von Einspritzprozessen

Da jedoch die Annahme eines ruhenden Tropfens im Allgemeinen unzutreffend ist, werden Anströmungseffekte meist über die folgenden Korrekturen nach Ranz-Marschall berücksichtigt 2  0, 6 Re1 2 Pr1 3 2  0, 6 Re1 2 Sc1 3 , und O o O ˜ 2 2 wobei Pr und Sc die (laminare) Prandtl- und Schmidtzahl D o D˜

Pr

P CP und Sc O

(16.16)

P UD

(16.17)

bezeichnen. Für den Bezug von m und q zu den Änderungsraten der Tropfenvariablen Ttr sowie R lassen sich mit der Wärmekapazität der Flüssigkeit c fl und der spezifischen Verdampfungsenthalpie hV (T ) folgende Massen- und Wärmebilanzen formulieren

q

4S 3  m ª¬ hV (Ttr )  c pTtr º¼  U fl R c fl Ttr , A , 

 3

Verdampfung Aufheizung

4S R 2 U fl RV

(16.18)

 m .

(16.19)   Bei gegebenem m und q lassen sich aus diesen Gleichungen Ttr , A und RV bestimmen. Man findet in der Literatur viele Modifikationen dieser Modellierung. So existieren Ansätze, die Temperaturgradienten im Tropfen zulassen. Allerdings scheinen diese Effekte in der motorischen Applikation eher weniger bedeutend zu sein. Nach wie vor ist es üblich, einkomponentige Kraftstoffmodelle zu verwenden. Es existieren inzwischen aber bereits interessante Mehrkomponentenmodelle, die ein Komponentenspektrum über wenige Formfaktoren zu beschreiben versuchen, auf die wir im nächsten Abschnitt gesondert eingehen. Die meisten CFD-Codes bieten spezielle „synthetische“ Einkomponentenmodelle für Benzin und Dieselkraftstoff an. Es kann aber auch n-Heptan für Benzin und Dodekan für Diesel als eine vernünftige Wahl gelten. Man muss sich allerdings immer im Klaren darüber sein, dass mit einem Einkomponentenkraftstoff die Eigenschaften eines Stoffgemisches niemals exakt wiedergegeben werden können. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es hier nur um die physikalischen, nicht aber um die chemischen Eigenschaften der Kraftstoffe geht (da wäre z. B. n-Heptan ein schlechter Repräsentant für Benzin, man denke nur an die Klopfeigenschaften). 70,0

25

a

50,0 40,0 30,0

"Gasoline" (KIVA)

n-Heptan

20,0 10,0

Dampfdruck [bar]

Dampfdruck [bar]

60,0

20

b n-Dodekan

15 10 5

Iso-Oktan

0,0 250 300 350 400 450 500 550 600 Temperatur [K]

0 350 400 450 500 550 600 650 700 Temperatur [K]

Abb. 16-2: a) Dampfdruckkurve für benzinartige Kraftstoffe, b) Dampfdruckkurve einer dieseltypischen Komponente

16.1 Einzeltropfenprozesse

607

Was passiert nun mit dem Kraftstoff im Motor? Hierzu betrachte man zunächst einen Benzinmotor mit später Direkteinspritzung, also Schichtladungsmodus. Die Tropfen gelangen noch relativ kalt in den Brennraum mit bereits heißer, komprimierter Luft. Die Oberfläche der Tropfen muss sich auf einem Zustand auf der Dampfdruckkurve befinden (siehe Abb. 16-2a)), sie nimmt also den der aktuellen Tropfentemperatur zugeordneten Zustand an, indem sie eine Dampfhülle mit dem durch die Dampfdruckkurve zugeordneten Partialdruck „ausstößt“. Nun heizen sich die Tropfen auf, d. h. sie laufen auf der Dampfdruckkurve nach rechts oben. Dabei verdichtet sich die Dampfhülle zunehmend. Schließlich wird der Punkt erreicht, an dem der Partialdruck gleich dem Umgebungsdruck2 ist – der Tropfen verharrt nun in diesem Zustand, er siedet. Typischerweise befinden sich die Tropfen im Brennraum sehr dicht beieinander (eben im Strahlbereich), alle verdampfen in eine gemeinsame Dampfwolke hinein, deren Zustände folglich nicht weit von der Dampfdruckkurve entfernt sind. Dies ist eine Bestätigung für die Zulässigkeit des Modells einer gleichförmigen Temperatur im Tropfeninneren; denn die Temperatur der Tropfenoberfläche kann sich nicht weit von der Temperatur im Inneren entfernen, nicht nur weil die Tropfen klein sind, sondern auch, weil die Temperaturen in der Umgebung limitiert sind. Im Dieselmotor passiert im Prinzip ähnliches, die Tropfen laufen auf der Dampfdruckkurve wieder nach rechts oben. Aufgrund der hohen Brennraumdrücke und der anderen Dampfdruckkurvenverläufe dieseltypischer Komponenten wird jetzt aber der kritische Punkt als Ende der Dampfdruckkurve erreicht. Nach Durchlaufen des kritischen Punkts ist keine Phasengrenze mehr existent. Die CFD-Codes lösen das üblicherweise, indem sie den Tropfen einfach eliminieren und der Dampfphase zuschlagen.

16.1.3

Massen- und Wärmeaustausch (Mehrkomponentenmodellierung)

Mehrkomponentenmodelle sind insbesondere bei hohen Verweil- bzw. Verdampfungszeiten interessant, etwa bei einer ottomotorischen Saughubeinspritzung oder einem HCCIVerfahren, bei denen es zu einer ausgeprägten sequenziellen Verdampfung und damit Entmischung der verschiedenen Komponenten kommen kann. Der oben dargestellte Ein-Komponentenansatz ließe sich relativ leicht auf 2 oder auch 3 Komponenten erweitern, allerdings würde angesichts der Vielkomponentigkeit technischer Kraftstoffe die Modellgenauigkeit dadurch nicht wesentlich gesteigert. Wirklich viele Einzelkomponenten lassen sich aber auch aus Rechenzeitgründen nicht sinnvoll einführen. Wir stellen hier daher einen Ansatz vor (siehe z. B. Lippert et al. (2000), Hallett (2000) und Hermann (2008)), der eine ganze Komponentenfamilie parametrisiert. Eine derartige Komponentenfamilie kann zumindest gleichartige Kohlenwasserstoffe wie Alkane in Abhängigkeit vom Molekulargewicht gut charakterisieren (siehe Abb. 16-3). Wollte man sehr korrekt vorgehen, wäre ein Realkraftstoff wie Benzin über mehrere Komponentenfamilien (z. B. eine für Alkane, eine zweite für Olefine und eine dritte für Aromaten) abzubilden. Da wir nur grundsätzlich den Ansatz skizzieren wollen, werden wir uns hier aber auf die Diskussion einer einzigen Komponentenfamilie beschränken.

2

Genau genommen erreicht die Tropfentemperatur niemals genau den Siedepunkt, sie verharrt etwas niedriger bei der Kühlgrenztemperatur.

608

16 Simulation von Einspritzprozessen

a.)

b.)

Abb. 16-3: Vergleich von Modell und Messwerten von Siedetemperatur (a) und Dampfdruckkurve (b) für n-Alkane (aus Hermann (2008))

Eine Familie wird durch eine Molenbruch-Verteilungsfunktion nP über dem Molgewicht P charakterisiert. Der folgende Vorschlag einer vierparametrigen Verteilungsfunktion ist in der Literatur gut ausgearbeitet: § P J · G P  J D 1 exp ¨  ¸ wobei P ! J . E ¹ E D *(D ) ©

n( P )

(16.20)

Der Parameter J wird dabei fixiert, d. h. auch lokal auf dem vorgegebenen Wert gehalten, während die Parameter D und E lokal wie auch zwischen Flüssig- und Gasphase variieren können. Es lassen sich die folgenden Momente definieren: f

nF

³ nP (P )d P

J

nF M F nF < F

G

f

³ nP (P )P d P

J

f

³ nP (P )P 2 d P

J

G J  DE

G M F 2  DE 2 .

(16.21)

Die Größe nF stellt hierbei den Gesamtkraftstoffmolenbruch dar (gleich 1 in der Flüssigphase), und MF das mittlere Kraftstoff-Molgewicht. Sind umgekehrt diese drei Momente bekannt, kann aus ihnen die Verteilung rekonstruiert werden (J wird als fixiert vorausgesetzt). Zur Beschreibung von Benzin (in der Flüssigphase) sei der folgende Parametersatz vorgeschlagen (Hallett (2000)): D 10,28 E 9,82 J 0 . (16.22) Das Grundkonzept besteht nun darin, über eine lokale Variation der Verteilungsparameter bzw. Momente lokale Unterschiede in den Komponentenverteilungen wiedergeben zu können. Dazu werden die Momente als lokal verteilt angenommen, d. h. wir setzen nF(x,t), MF(x,t) und a, b@  ƒ .Wir berechnen zunächst die Verteilungsfunktion F (x)

³ f ([ )d[ x

F ( x)

F : >a, b@ o >0,1@ .

(16.44)

a

Als nächstes ermitteln wir die Umkehrfunktion F 1 : >0,1@ o >a, b@ (notfalls numerisch integrieren und tabellieren) und ziehen eine Zufallszahl z  >0,1@ . Der Wert x F 1 ( z ) ist dann unsere gewünschte Zufallsvariable. Zur Begründung: Mit der Wahrscheinlichkeit dF landet die Zufallszahl im Intervall >x, x  dx @ , wobei Aufgrund der Positivität von f ist F streng monoton und damit umkehrbar.

dx

dF f ( x)

ist. Die Wahrscheinlichkeitsdichte p ist als Verhältnis von Wahrscheinlichkeit zu Intervalllänge gegeben dF f . dx Verfahren II: „Ziehen und Evaluieren“: Diese Methode ist auch für mehrdimensionale Räume X geeignet. Erster Schritt: Man bestimmt ein Element x  X auf Gleichverteilungsbasis. Bei komplizierten Mengen (z. B. dem Inneren eines Berechnungsgebiets mit komplizierter Berandung) kann folgendermaßen verfahren werden: man beschreibe X  ƒ n in einen „n-dimensionalen Quader“ ein ~ X  X >a1 , b1 @u >a 2 , b2 @u ! u >a n , bn @ (16.45) ~ und ziehe gleichverteilt ein Element aus x  X mit Hilfe von n Zufallszahlen z1 , z 2 , ! , z n  >0,1@ p

x

a1  z1 b1  a1 , a 2  z 2 b2  a 2 , ! , a n  z n bn  a n .

Es bestehen zwei Möglichkeiten: x liegt in X, dann ist es unser ausgewähltes Element. Oder aber x liegt nicht in X, dann wird es verworfen, und ein neuer Auswahlvorgang gestartet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Elemente aus X gleichhäufig ausgewählt werden. Zweiter Schritt: Die im ersten Schritt ausgewählte Variable x wird evaluiert. Dazu z  >0,1@ und vergleisei f max max ( f ([ ), [  X ) . Wir ziehen eine weitere Zufallszahl ~ chen diese mit dem Verhältnis

]

f ( x) . f max

618

16 Simulation von Einspritzprozessen

z d ] , wird x akzeptiert, im anderen Falle verworfen und der Prozess mit Schritt 1 Falls ~ fortgesetzt, bis ein Element gefunden und akzeptiert ist. Zur Begründung: die Wahrz d ] , ist proportional zu f(x). Auf diese Weise wird jedes Element x scheinlichkeit, dass ~ mit einer korrekten relativen Wahrscheinlichkeit angewählt. Durch den Vorgang des Verwerfens und Wiederholens bei nichtakzeptiertem Element x ist sichergestellt, dass auch die Normierung der Wahrscheinlichkeitsdichte erfüllt ist, es wird mit Wahrscheinlichkeit 1 schließlich ein Element ausgewählt. Beispiel: Eine typische Aufgabe lautet, gleichverteilt Raumpunkte im Berechnungsgebiet zu bestimmen. Nun ist das Berechnungsvolumen aber in Netzzellen diskretisiert, somit geht es eigentlich um die Bestimmung von Netzzellen, unter der Randbedingung volumenbezogener Gleichverteilung. Man sollte nun keinesfalls auf die Idee kommen, einfach gleichverteilt unter den Zellnummern zu würfeln! Denn die Netzzellen besitzen im Allgemeinen (sehr) verschiedene Volumina, und dem muss bei der Auswahl Rechnung getragen werden. Hier kommt idealerweise Verfahren II zum Einsatz, indem man zunächst gleichverteilt unter den Zellnummern würfelt und dann die ausgewählte Zelle Z ihrem Volumen V Z entsprechend evaluiert, d. h. f (Z )

16.2.4

VZ .

Partikel-Startbedingungen am Düsenaustritt

An der Düse müssen im Standard-Modell Partikel generiert werden. Dies geschieht sinnvollerweise stochastisch. Typischerweise ist pro Partikel in einem vorgegebenen Raumwinkel- oder Strahlkegelbereich die Einspritzrichtung zu ermitteln und eventuell noch gemäß einer Tropfengrößenverteilung eine Anfangstropfengröße. Mit unserer soeben entwickelten Toolbox wären freilich auch komplexere Anfangsbedingungen wie etwa Korrelationen zwischen Einspritzrichtung und Tropfengröße realisierbar. Praktisch fehlen jedoch meist die experimentellen Daten zur Ableitung derart komplexer Randbedingungen. An dieser Stelle können Simulationsergebnisse zur Düseninnenströmung hilfreich sein. Es ist empfehlenswert, jedem Partikel an der Düse (unabhängig von der Tropfengröße) die gleiche Masse mitzugeben (d. h. ein Partikel „besteht“ aus vielen kleinen oder wenigen großen Tropfen). Dies entspricht dem Ansatz, dass die Kraftstoffmasse die eigentlich interessante und durch Partikel zu diskretisierende Größe ist. Als praktisches Beispiel sei noch ein Vorgehen zur Simulation im Raumwinkel gleichverteilter Einspritzung in einen Strahlkegelbereich des Winkels 2M abgeleitet. Es sind zwei Winkel zufällig auszuwählen, der Azimuthwinkel T  >0,2S @ und der Polarwinkel J  >0, M @ . Der Azimuthwinkel T darf gleichverteilt ausgewählt werden, J aber nicht! Es sei daran erinnert, dass das Raumwinkelmaß bei der Integration die Form sin J dJ dT hat. Genau diese Verteilung muss gewählt werden. Aufgrund der Gleichverteilung von T beschränken wir uns auf die Wahl von J . Dies ist lediglich ein eindimensionales Problem, man kann deshalb Verfahren I anwenden. Die Verteilungsfunktion von J hat die Form J

F (J )

³ sin J dJ

M

³

0

0

~ ~

sin J~ dJ~

1  cos J . 1  cos M

(16.46)

16.2 Strahlstatistik

619

Aus einer Zufallszahl z  >0,1@ ergibt sich dann der folgende J -Wert arc cos 1  z  z cos M .

J

16.2.5

Modellierung von Zerfallsprozessen

Zerfallsprozesse beeinflussen den Strahl insbesondere in seiner frühen, düsennahen Phase, bilden also praktisch gesehen mit dem Düsenmodell eine Einheit. So kann z. B. ein Zerfallsmodell, das bereits sehr schnell kleine Tropfen liefert, näherungsweise durch ein Düsenmodell mit kleinen Tropfen ersetzt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen lassen sich zwei Arten des Strahlzerfalls unterscheiden, Primärzerfall und Sekundärzerfall. Der Primärzerfall resultiert aus Eigenschaften, die dem Strahl bereits aus der Düseninnenströmung mitgegeben werden, wie Turbulenz und Kavitation (die über Kavitationsblasenimplosion wiederum Turbulenz erzeugt). Für den Sekundärzerfall sind aerodynamische Prozesse relevant, die nicht aus der Düseninnenströmung resultieren. Zur Primärzerfallsmodellierung benötigt man Information über die Düseninnenströmung, über deren Turbulenz und Kavitationsverteilung. Dann lassen sich aus den turbulenten Skalen und Kavitationsblasendichten Zerfallszeit und -länge ableiten, siehe z. B. Tatschl et al. (2000). Für die Turbulenzgrößen k und H der Flüssigkeit im Tropfen- bzw. Ligamentinneren wird dort die folgende Zeitentwicklung angenommen: dk fl dt

H fl  S K

d H fl dt

1,92

H fl k fl

H fl  S K

(16.47)

wobei S K einen Quellterm aus einer Kavitationsblasenimplosion darstellt. Aus diesen Größen lassen sich dann die Parameter für ein Zerfallsmodell, die Zerfallszeit prim und der stabile Tropfenradius RS,prim ermitteln:

W prim

B prim

k fl

H fl

und RS , prim

Aprim CP

3

4

k fl

3

H fl

2

.

(16.48)

Abb. 16-4: Messung der Eindringtiefe eines Dieseleinspritzstrahls in einer heißen Kammer bei verschiedenen Kammertemperaturen, aber gleicher Dichte (Krüger (2001))

620

16 Simulation von Einspritzprozessen

Informationen zur Düseninnenströmung sind allerdings nach wie vor nicht selbstverständlich verfügbar. Gerade bei modernen Dieseleinspritzsystemen tritt ein sehr starker Primärzerfall auf, der Strahl verlässt quasi „schaumförmig“ die Düse. Hier liegt es nahe, bereits mit kleinen Tropfen an der Düse zu starten, d. h. keinen expliziten Primärzerfall mehr zu berücksichtigen. Eine sinnvolle Möglichkeit, messtechnisch Aufschluss über Anfangstropfengrößen beim Dieseleinspritzstrahl zu erhalten ist bei Krüger (2001) beschrieben. Sie besteht darin, den Strahl in eine heiße Kammer bei verschiedenen Kammertemperaturen einzuspritzen und z. B. mit Schlieren- und Mie-Streulichtechnik die Eindringtiefen von Flüssig- und Gasphase in jedem dieser Fälle zu bestimmen (direkte Tropfengrößenmessungen sind bei der Dichte von Dieseleinspritzstrahlen aussichtslos, jedenfalls sehr unzuverlässig). Ein derartiges experimentelles Ergebnis ist in Abb. 16-4 dargestellt. Bei gleichen Kammerdichten dringt die Gasphase jeweils in etwa gleich ein (d. h. dies zeigt auch, dass die Gasphaseneindringtiefe unabhängig von der Tropfengröße ist), aber die Eindringtiefe der Flüssigphase ist sehr verschieden, sie nimmt mit zunehmender Temperatur deutlich ab. Aufgabe ist es nun, Strahlzerfallsparameter und Eingangstropfengröße derart abzustimmen, dass mit einem Parametersatz alle diese Eindringkurven wiedergegeben werden können. Dieser Ansatz führte im vorliegenden Falle zu einem anfänglichen Sauterdurchmesser4 von 5 Pm bei sehr geringen weiteren Zerfallsraten. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist allerdings ein funktionierendes Strahlmodell! Verkleinert man die Anfangstropfengröße eines Strahls kontinuierlich, dann stellt sich als Grenzfall die lokal homogene Strömung ein. In dieser sind Gas- und Flüssigphase kinematisch und thermodynamisch im Gleichgewicht, weil einerseits sehr kleine Tropfen einen relativ auf ihre Masse bezogenen großen Strömungswiderstand haben, folglich keine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Phasen mehr möglich ist, andererseits aufgrund der hohen Oberflächenrate pro Volumeneinheit die Gasphase sich in einem Dampfdruckkurvenzustand befinden muss. Faktisch liegt jetzt eine einphasige Strömung vor. Experimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass zumindest typische Dieseleinspritzungen einigermaßen gut als eine lokal homogene Strömung beschrieben werden können, siehe z. B. Siebers (1998). Der experimentelle Terminus für „lokal homogene Strömung“ ist „mischungskontrolliert“. Für das Strahlmodell folgt daraus die sehr bedeutsame Tatsache, dass die Tropfengröße (und damit der Strahlzerfall) kein entscheidender Einflussfaktor mehr ist, wenn nur die Tropfen hinreichend klein gewählt sind! Sekundärzerfallsprozesse haben aerodynamische Ursachen und zeichnen sich eher durch größere Zerfallslängen aus. Sie laufen in Konkurrenz zum Primärzerfall ab. In dichten Dieseleinspritzstrahlen mit starkem Primärzerfall spielen sie eine geringe Rolle. Bei Benzindirekteinspritzung jedoch liegt aufgrund der geringeren Turbulenz- und Kavitationsraten der Düseninnenströmung (je nach Injektortyp unterschiedlich) nur ein geringer Primärzerfall vor. Hier kann somit der Sekundärzerfall sogar die dominante Rolle spielen. Gerade bei den komplexen Strömungswirbelstrukturen von Kegelstrahlen scheinen Tropfengrößen einen realen Einfluss auf die Strahlstruktur besitzen zu können. Man ist somit weiter vom Grenzfall der lokal homogenen Strömung entfernt. Zur Beschreibung des Sekundärzerfalls verwendet man meist eine Instabilitätenanalyse; Haupteffekt ist die so genannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität. Der wohl umfassendste und bekannteste Modellierungsansatz ist das WAVE-Modell, vgl. Reitz (1987). Die am stärksten wachsende Wellenlänge / und ihre Wachstumsrate : lauten

4

Der Sauterdurchmesser d S einer Tropfenverteilung ist definiert als der Mittelwert von d 3 dividiert durch den Mittelwert von d 2 , d S d3 d2 .

16.2 Strahlstatistik

/ R

9, 02

621

(1  0, 45 Oh0,5 ) (1  0, 4 4)0,7 0,6 (1  0,865 We1,67 tr )

§ U R3 · : ¨ Tr ¸ © V Tr ¹

0,34  0,38We1,5

0.5

g

(1  Oh) (1  1, 4 40,6 )

und

(16.49)

,

(16.50)

wobei für die Weberzahlen von Flüssig- und Gasphase Wetr und Weg und die Ohnesorgezahl Oh sowie die Taylorzahl 4 gilt We g / tr

2 U g / tr R v rel

V

, Oh

fl

, 4

Wetr Re tr

Oh Weg ,

(16.51)

wobei V fl die Oberflächenspannung bezeichnet. Mit diesen Größen lässt sich eine Zerfallszeit W sec und ein stabiler Radius Rs ,sec definieren

W sec

Rs,sec

3, 788 B1 R /:

,

(16.52)

­ B0 / °° § 3ʌ R 2 v 2 ® rel 3 3R / 3 , °min ¨¨ 2: 4 °¯ ©

· ¸ ¸ ¹

für für

B0 / d R

B0 / ! R

,

(16.53)

wobei B0 und B1 Modellkonstanten sind. Zur Modellierung des Strahlzerfalls gibt es verschiedene Optionen: in der „naiven“ Variante bildet man den Tropfenzerfall mittels Partikel weitestgehend nach, indem man in einem Zeitschritt pro Tropfen eine Zerfallswahrscheinlichkeit auswürfelt, um dann für die somit „erwürfelten“ Zerfälle aus einem Partikel mehrere Tochterpartikel gemäß dem angenommenen Zerfallsprozess zu erzeugen. Beträgt die mittlere Tropfenzerfallszeit , so ist die Wahrscheinlichkeit W(n) für n Zerfälle in einem Zeitintervall 't Poisson-verteilt, d. h. über die Beziehung W ( n)

't W n!

n



exp  't

W



(16.54)

gegeben. Problematisch hierbei ist nun, dass durch die Zerfallsprozesse die Anzahl der Partikel stark ansteigt, diese sollte aber wie schon erwähnt aus Gründen der statistischen Konvergenz heraus ermittelt werden, nicht aber aufgrund physikalischer Prozesse. Wenn etwa nach mehreren Zerfällen statistisch ausreichend viele Partikel vorliegen, so müssen es vor diesen, d. h. ausgerechnet in der kritischen düsennahen Zone, zu wenige sein! Es empfiehlt sich daher, einen Weg zu beschreiten, der die Partikelanzahl nicht ändert. Man kann nun dem Partikel nach einem Zerfall zufallsbestimmt einen möglichen Tochtertropfen-Radius zuweisen; Massenerhaltung ist garantiert, weil sich die Partikelmasse nicht ändert (d. h. aus wenigen großen werden viele kleine Tropfen). Und im statistischen Mittel (wenn man genügend Partikel hat) sollte sich die gewünschte TochtertropfenRadiusverteilung ergeben. Man kann dann aber auch noch einen Schritt weitergehen und den Zerfall als kontinuierlichen Mittelwertsprozess abbilden, d. h. beschreiben, wie sich der Radius im Mittel ändert. Dazu kommt typischerweise die Beziehung

622

16 Simulation von Einspritzprozessen

dR dt



R  Rs

WB

R Z

(16.55)

zum Einsatz, wobei hier bereits auf die Größen von Gl. (16.48) bzw. (16.52) und (16.53) Bezug genommen wurde. Die Korrelation zum Elementarprozess auf Tropfenebene ist schnell hergestellt. Bilden sich beim Zerfall mit Zerfallszeit im Mittel m Tochtertropfen, so beträgt die Radiusänderung im Zeitintervall 't im Mittel d. h. dR  1 ˜ ln m ˜ R und damit W B 3W dt m 3W Bei zwei konkurrierenden Zerfallsprozessen (z. B. PrimärZerfallsraten zu addieren: R  RS , prim R  RS ,sec dR R  RS R Z ,    W prim W sec WB dt R

WB

R0 't

W prim ˜W sec W prim  W sec

RS

3W . ln m

(16.56)

und Sekundärzerfall) sind die wobei

W sec RS , prim  W prim RS ,sec . W prim  W sec

(16.57)

Wurde im ersteren („naiven“) Falle der Zerfallsterm über Gl. (16.40) auf der rechten Seite von Gl. (16.42) im Stoßintegral berücksichtigt, so kommt die Beschreibung mittels Gl. (16.57) als kontinuierlicher Prozess für jedes Partikel auf der linken Seite von Gl. (16.42) zu tragen. Es sei hier die zweite Variante empfohlen, wir werden uns im Folgenden auf diese beschränken. Man muss hierbei aber Vorsicht walten lassen, der Term R Z kann in Gl. (16.42) nicht einfach zum Verdampfungsterm RV hinzuaddiert werden. Der Grund dafür liegt darin, dass R Z nur ein „Umpacken“ in kleinere Tropfen, aber keinen MassenG G verlust wie RV wiedergibt. Wenn die Funktion p ( x , v , R, T ; t ) die TropfenanzahlverteiG G lung beschreibt, ist die Flüssigmassenverteilung U ( x , v , R, T ; t ) gegeben als U ( x, v , R , T ; t )

4SU fl R3 3

p( U ( x, v, R, T ; t ).

(16.58)

Damit der Zerfallsterm zu keinem Massendefekt in der Flüssigmasse führt, muss gelten: wU ( x, v, R, T ; t ) w  ª RZ U ( x, v, R, T ; t ) º  ! . ! (16.59) ¼ wt wR ¬ G G Übertragen auf die Anzahlverteilungsfunktion p (D ; t ) (mit D ( x , v , R, T ) ) bedeutet dies w w w ª ª vtr ,i p(D , t ) º¼  p (D , t )  Dtr wt wxi ¬ wvtr ,i ¬ 

v g ,i

1 w  3 w  ª RZ R p (D , t ) º  ª º ¼ wT ¬TA p (D , t ) ¼ R3 wR ¬ tr



w  ª R p(D , t ) º  vtr ,i p(D , t ) º  ¼ ¼ wR ¬ V

I Stoßterme .

(16.60)

Zusätzlich zu den Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten kann man auch noch die RayleighTaylor-Instabilitäten berücksichtigen, siehe z. B. Patterson (1997) und Patterson und Reitz (1998), aber bei realistischen Tropfengrößen sollten diese eher keine allzu große Rolle spielen. Es gibt auch ganz andere Modellvorstellungen zum Sekundärzerfall, z. B. die schwingungsbasierten Modelle wie das TAB-(Taylor-Analogy-Breakup)-Modell, die davon ausgehen, dass Tropfenschwingungen zum Zerfall führen. Eigentlich ist aber experimentell bekannt, dass bei höheren Weber-Zahlen diese Zerfallstypen nicht mehr dominant sind.

16.2 Strahlstatistik

623

Abb. 16-5: Aerodynamische Zerfallsmechanismen nach Pilch et al. (1987)

Allerdings führen diese Ansätze aus Gründen der Dimensionsanalyse auf größenordnungsmäßig vergleichbare Zerfallszeitskalen. In Abb. 16-5 ist eine Übersicht über die verschiedenen aerodynamischen Zerfallsmoden gegeben. In der Literatur wird häufig dem Strahlzerfall die alles dominierende Rolle selbst bei der Ausbreitung der Gasphase zugewiesen, was aber physikalisch schlichtweg falsch ist. Leider entspricht dies aber der Funktion, die Strahlzerfallsmodelle in den CFD-Simulationen spielen, oder mit anderen Worten, geeignet getunte Strahlzerfallsmodelle werden dazu verwendet, die mathematisch-numerischen Modelldefizite zu „kompensieren“ (was natürlich nicht wirklich gelingt).

16.2.6

Modellierung von Stoßprozessen

Für Stoßprozesse gibt es verschiedene Ausprägungen, von „Kollision mit anschließender Trennung der Tropfen“ (oder „streifende Kollision“) und „Koaleszenz“, siehe auch das KIVA-II-Manual (Amsden et al. (1989)). Hier sei vor allem eine Empfehlung ausgesprochen: Stoßprozesse sind in einer Berechnung mit dem Standardmodell wegzulassen! Das gilt vor allem deshalb, weil Stoßprozesse numerisch eine besonders kritische Rolle im Rahmen des Lagrange’schen Standard-Modells spielen. Ihre Berechnung beruht auf der Kenntnis von Zweipunktkorrelationen. Diese sind numerisch aber nur sehr schlecht auflösbar. Wenn man z. B. nur ein Partikel pro Zelle hat, sind Kollisionen unmöglich, da alle Tropfen in dieser Zelle durch dieses eine Partikel repräsentiert werden und somit (auch vektoriell) gleiche Geschwindigkeit haben. Damit ist aber Kollision ausgeschlossen. Bei zwei Partikeln pro Zelle ist nur eine Kollision von Tropfen „aus Partikel 1“ mit Tropfen „aus Partikel 2“ möglich, etc. Um ein konvergentes Ergebnis zu erreichen, müssen die Partikeln in einer Zelle das lokal vorliegende und im allgemeinen korrelierte Geschwindigkeits-Größen-Spektrum detailliert auflösen. Das dürfte unter praktischen Gesichtspunkten so gut wie unmöglich sein.

624

16 Simulation von Einspritzprozessen

Das Weglassen von Kollisionsprozessen ist heute weitgehend etabliert. Denn zum einen wirkt Tropfenkoaleszenz als ein dem Tropfenzerfall gegenläufiger Prozess und wird daher durch ein effektives Zerfallsmodell berücksichtigt. Das gleiche gilt für Stoßprozesse, die in einen Zerfall münden. Bei einer Eichung der Zerfallsmodellkonstanten geschieht dies mehr oder weniger automatisch. Impulsdiffusion durch Stöße tritt bei einem nicht allzu dichten Strahl hinter dem Effekt der turbulenten Dispersion zurück, bei dem sich ein lokales Fluktuationsgleichgewicht von Flüssig- und Gasphasenimpuls ausbildet. Elastische Stoßprozesse könnten sich allenfalls dadurch bemerkbar machen, dass sie dieses Gleichgewicht signifikant stören – das ist aber, zumindest in führender Ordnung, höchstens in unmittelbarer Düsennähe zu erwarten und könnte dort wieder in einem effektiven Düsenmodell berücksichtigt werden. Mit der Elimination der Stoßterme im Stoßintegral auf der rechten Seite von. Gl. (16.42) ist die Strahlgleichung (16.42) linear in der Wahrscheinlichkeitsverteilung p geworden. Damit kann sie als lineare Überlagerung von Lösungen für einzelne, an der Düse entstandene Flüssigkeitspakete (z. B. in Entsprechung zu einzelnen Partikeln) verstanden werden. Es gibt freilich Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Tropfen oder Partikeln über die Gasphase. Eine weitere nicht aus der Rechnung eliminierbare Kategorie von Stoßprozessen sind diejenigen, die beim Tropfen-Wandkontakt stattfinden. Letztlich geht es darum, für den einzelnen Tropfen Reflektions- und Zerstäubungsgesetze zu formulieren. Hierzu existieren einige Ansätze in der Literatur, siehe z. B. Bai und Gosman (1995) oder Stanton und Rutland (1996). Weiterhin kommt es hierbei zur Bildung von Wandfilm. Wandfilmdynamik erfordert einen eigenen Gleichungssatz und Solver. Auch hierzu bieten CFD-Codes bereits Ansätze, z. B. KIVA-3V, siehe Amsden (1999), oder auch STAR CD.

16.2.7

Modellierung der turbulenten Dispersion im Standard-Modell

Mit turbulenter Dispersion bezeichnet man die Interaktion von Tropfen mit der Turbulenz der Gasströmung. Die meisten CFD-Codes verwenden die Formulierung für den Strömungswiderstand, die die wirkende Kraft in eine konstante und eine fluktuierende KomG ponente aufteilen (siehe Gl. (16.5)), wobei die Geschwindigkeitsfluktuationen v cgc , die ein Partikel „erfährt“, nach der Verteilungsfunktion G § vgcc 2 · G 1 2 exp ¨  G (vgcc ) k ¸ mit V (16.61) 2 ¨ ¸ 3 2S V © 2V ¹

erwürfelt werden. Dabei wird die Lebensdauer einer turbulenten Fluktuation W corr als Minimum der turbulenten Zeitskala und der Zeit, die ein Tropfen zum Durchqueren eines turbulenten Wirbels benötigt (turbulente Längenskala dividiert durch Relativgeschwindigkeit von Tropfen zum Gas), berechnet:

W corr

§ · k lt ¸ mit l min ¨ cP , t ¨¨ H v  v ¸¸ g tr © ¹

cP3/4

k 3/2

H

.

(16.62)

Dies entspricht der Formulierung im letzten Term der Boltzmann-Williams-Gleichung (16.42). Eine derartige Bewegungsgleichung mit stochastischer Kraft wird auch als Langevin-Gleichung bezeichnet (siehe z. B. Rieckers und Stumpf (1977)).

16.2 Strahlstatistik

625

Bei der Diskussion der Stoßprozesse im letzten Abschnitt kam bereits zur Sprache, dass die turbulente Dispersion ein wesentlicher Prozess ist, der in der Simulation keinesfalls vernachlässigt werden darf. Durch ein lokales kinematisches Gleichgewicht zwischen Tropfen- und Gasbewegung bildet sich zwischen beiden ein Gleichgewicht aus, das auch ein Gleichgewicht der Geschwindigkeitsfluktuationen beinhaltet, d. h. es entsteht ein turbulentes Geschwindigkeitsspektrum in der Tropfenphase („Tropfenturbulenz“). Im Grenzfall kleiner Tropfen (Tropfenradius gegen Null) sollte die turbulente Dispersion in eine turbulente Diffusion wie in Gl. (14.32)/(14.33) übergehen. Im Unterschied zur Gasphase wird aber im hier diskutierten Standardansatz in der Tropfenphase keine Mittelung über turbulente Geschwindigkeitsfluktuationen durchgeführt, d. h. keine Turbulenz eingeführt, sondern die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion wird über die Partikel direkt simuliert. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass kleine Partikel ein anderes Geschwindigkeitsspektrum zeigen sollten als große, wird schnell klar, dass dies sehr große lokale Partikelanzahlen erforderlich macht. Selbst 50 Partikel pro Zelle können immer noch viel zu wenig sein. Ebenso bewirken lange Interaktionszeiten Konvergenzprobleme, weil dies bedeutet, dass eine einzige stochastische Gasgeschwindigkeitskomponente sehr lange auf ein Partikel einwirkt. Prinzipiell sollte dies durch andere Partikel mit anderen stochastischen Gasgeschwindigkeiten von ebenfalls langer Lebensdauer aber nicht synchronisierten Start- und Endzeiten kompensiert werden. Praktisch wird an derartigen Partikeln immer Mangel herrschen. Bei kurzen Interaktionen ist das weniger kritisch, weil im sukzessiven Einwirken verschiedener kurzlebiger turbulenter Fluktuationen auf ein Partikel bereits eine Mittelung auftritt.

16.2.8

Beschreibung der turbulenten Dispersion mittels Fokker-Planck-Gleichung

Aufgrund der bisherigen Diskussion erscheint es sehr sinnvoll, turbulente Dispersion in einem mathematisch griffigeren Kontext zu formulieren. Ein wesentlicher Schritt dazu wurde bereits von O’Rourke (1989) im KIVA-Code gemacht. Dies lässt sich in einem allgemeineren Sinne nachvollziehen, wenn man berücksichtigt, dass eine Formulierung über eine Langevin-Gleichung mit stochastischer Kraft in eine so genannte FokkerPlanck-Gleichung überführt werden kann. Wir kommen dazu auf Gl. (16.42) (bzw. (16.60)) zurück, wobei, wie bereits diskutiert, im Stoßintegral auf der rechten Seite nur mehr der turbulente Dispersionsterm zu finden ist:

G G G G w w ªvtr ,i p( x , vtr , R, T ; t ) º¼  p ( x , vtr , R, T ; t )  wt wxi ¬ G G w ª Dtr vg ,i  vtr ,i p ( x , vtr , R, T ; t ) º  ¼ wvtr ,i ¬





G G w  ª RV p ( x , vtr , R, T ; t ) º  ¬ ¼ wR G G w  ªTtr , A p ( x , vtr , R, T ; t ) º ¼ wT ¬

1 w  3 G G ª RZ R p( x , vtr , R, T ; t ) º  ¼ R3 wR ¬ G G w ª Dtr vgcc ,i p ( x , vtr , R, T ; t ) º¼ .  wvtr ,i ¬

(16.63)

Ttr , A , RV und R Z beschreiben dabei die Aufheizungs-, Verdampfungs- und Zerfallsquellterme nach Gl. (16.18), (16.19) und (16.57). Ziel ist, eine turbulente Mittelung in der Gasphase (á la Reynolds) durchzuführen, um den Term vccg auf der rechten Seite zu elimi-

626

16 Simulation von Einspritzprozessen

nieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Wahrscheinlichkeitsdichte p von vccg abhängt. Im Prinzip geht es um die Ausführung des folgenden Mittelungsschrittes: w w w ª ªvtr ,i p º¼  p  Dtr wt wxi ¬ wvtr ,i ¬ 

w  ªTtr , A p º ¼ wT ¬



vg ,i

 vtr ,i



1 w  3 w  ªR p º  ª º p º ¼ R3 wR ¬ RZ R p ¼ ¼ wR ¬ V

t w ª« Dtr vgcc ,i (t ) ³ d- vgcc ,i (- ) wvtr ,i « 0 ¬

G p(t ) º» , G vgcc , j (- ) »

(16.64)

¼

wobei Gp(t ) Gvcgc (- ) die so genannte Funktional- oder Fréchet-Ableitung bezeichne. Es geht nun im Folgenden darum, der zunächst formalen rechten Seite einen konkreten Sinn zu geben. Eine formale Lösung von Gl. (16.64) mit der Anfangsbedingung G G G G p ( x , vtr , R, T ; t ) P ( x0 , vtr ,0 , R0 , T0 ) lautet:

G G G G P > x0  x tr (t ), v0  v tr (t ), R0  R (t ), T0  T (t )) @ ˜

G G p ( x , vtr , R, T ; t )





ª 3  « w wvtr ,i wRV 1 w R RZ    exp ³ dW « Dtr wvtr ,i wR R3 wR « 0 N «¬ 3 t

Ttr , A »» º

wT

(16.65)

» »¼

wobei x(t), v(t), R(t) und T(t) die Trajektorien entsprechend Gl. (16.35) bezeichnen. Für x(t) und v(t) folgt aus den Bewegungsgleichungen G G G G dvtr Dtr ( vg  vgcc  vtr ) dt G (16.66) dx G vtr dt die v cgc -Abhängigkeit:

G G vtr (t , vgcc )

G G vtr (t , vgcc

G G xtr (t , vgcc )

G G xtr (t , vgcc

0)  Dtr exp( Dtr t ) 0)  Dtr

³ d- exp( Dtr- ) vgcc (- ) t

G

t

-

0

0

0

G ³ d- exp( Dtr- ) ³ d- exp( Dtr-) vgcc (-).

(16.67)

Bei Vernachlässigung der vccg -Abhängigkeit von R(t) und T(t) findet man schließlich die folgende vccg -Abhängigkeit der Funktion p bis zur ersten Ordnung in vccg :

G G vcgc (t ) p(t , vcgc ) |

 ³ dt

w p

wvtr ,i

w p G G G G (- ) vtr (- , vcgc ) vcgc (t )  ³ d(- ) x(- , vcgc ) vcgc (t ) wxi 0 t

G wp (t ) ˜ Dtr exp( Dtr t ) ³ d- exp( Dtr- ) vcgci (- ) vcgc (t ) wvtr ,i 0



0

t

wp (t ) ˜ Dtr ³ d- exp( Dtr- ) wxi 0 t

³ d- exp(D - )

-

~

~

tr

0

~ G vcgci (- ) vcgc (t )

, (16.68)

16.2 Strahlstatistik

627

wobei davon ausgegangen wurde, dass die Ableitungen wp wx sowie wp wv während der 1 Zeit Dtr zeitlich annähernd konstant sind. Um eine Ensemblemittelung durchzuführen, wird eine Korrelationsfunktion der Geschwindigkeitsfluktuation zu verschiedenen Zeiten benötigt. Wir machen den (an dieser Stelle üblichen) Ansatz: § t1  t2 2 k G ij exp ¨ 2 ¨ 3 W corr ©

vgcci (t1 )vgcc j (t2 )

· ¸¸ ¹

(16.69)

Damit ergibt sich aus Gl. (16.68): G G vgcc (t ) p(t , vgcc )

o  t !!W corr

2 ij DtrW corr 1 DtrW 2corr wp wp kG  kG ij (16.70) 3 DtrW corr  2 wvtr ,i 3 DtrW corr  2 wxi 



Dvv / Dtr G ij

und schließlich aus Gl. (16.63):

w w w ª ªvtr ,i p º¼  p  Dtr wt wxi ¬ wvtr ,i ¬ 

w  ªTtr , A p º ¼ wT ¬

w wvtr ,i

v g ,i

Dxv / Dtr G ij

 vtr ,i

ª w p º w « Dxv » wxi ¼» wvtr ,i ¬«



1 w w  ªR p º  ª 3 º p º ¼ R3 wR ¬ R RZ p ¼ ¼ wR ¬ V

ª w p º « Dvv » wvtr ,i »¼ «¬

(16.71) Es ist somit ein Diffusionsterm im Geschwindigkeits-Ortsraum entstanden. Diese in p lineare Gleichung ist eine Variante der so genannten Fokker-Planck-Gleichung (siehe Rieckers und Stumpf (1977)). Die originäre Fokker-Planck-Gleichung (in ihr gibt es nur einen reinen Geschwindigkeitsdiffusionsterm, d. h. Dxv 0 , Dvv z 0 ) wurde abgeleitet, um die Brown’sche Bewegung (d. h. die Bewegung eines Teilchens in einem Fluid unter dem Einfluss thermischer Fluktuationen) zu beschreiben. Gl. (16.71) aber beschreibt die Bewegung eines Tropfens im Gas unter Einfluss turbulenter Fluktuationen! Aus dieser Gleichung folgen nach Integration über x, v, R, T und Ausnutzung der Regeln für die partielle Integration für die Mittelwerte, Varianzen und Kovarianzen die Korrelationen: d xi vtr ,i dt d vtr ,i Dtr dt

v g ,i



 vtr ,i 

wDxv wDvv  wxi wvtr ,i





d ªvtr ,i vtr , j  vtr ,i ˜ vtr , j º ¬ ¼ 2 D G  D ªv v  v ˜ v º (16.72) vv ij tr ¬ tr ,i tr , j tr ,i tr , j ¼ dt d ªvtr ,i xtr , j  vtr ,i ˜ xtr , j º ¬ ¼ ªv v  v ˜ v º  D G  D ªv x  v ˜ x º xv ij tr ¬ tr ,i j tr ,i j¼ ¬ tr ,i tr , j tr ,i tr , j ¼ dt d ª xi x j  xi ˜ x j º ¬ ¼ 2G ªv x  v ˜ x º ij ¬ tr ,i j tr ,i j¼ dt wobei gesetzt wurde: A( x, v)

³ d 3 x d 3v dR dT A( x, v)

sowie

(16.73)

628

16 Simulation von Einspritzprozessen

Dxv , Dvv , Dtr ,

wDxv wDvv , wx wv

const

Lediglich die Driftterme wDxv wx und wDvv wv in der zweiten Gleichung rechts wurden berücksichtigt, weil sie für die Zeitentwicklung von vtr Terme erster Ordnung in t erzeugen (das ist aber unter Umständen etwas willkürlich, wenn man große Zeitskalen berücksichtigt). Diese Relationen lassen sich auch direkt aus der Lösung der Langevin-Gleichung (16.67) ableiten, d.h die Langevin-Gleichung ist äquivalent zur Fokker-PlanckGleichung. Es werden im Folgenden für Varianzen und Kovarianzen die Definitionen getroffen:

V vv,ij

vtr ,i vtr , j  vtr ,i ˜ vtr , j

V xv,ij

xi vtr , j  xi ˜ vtr , j

V xx,ij

(16.74)

xi x j  xi ˜ x j .

Wie ist der Gleichungssatz (16.72) zu interpretieren? Die Geschwindigkeitsvarianz V vv („Tropfenturbulenz“) strebt gegen den Gleichgewichtswert Dvv / Dtr . Die Kovarianz V xv strebt gegen Dxv / Dtr  Dvv / Dtr 2 k ˜W corr 3 und die Varianz der Ortsvariablen, V xx , wächst nach einer Einlaufphase schließlich linear im Sinne eines Diffusionsprozesses: Dxx o 2 3 ˜ k ˜W corr ˜ t . D.h. die Fokker-Planck-Gleichung mündet schließlich, nachdem die Geschwindigkeitsverteilung ins Gleichgewicht gekommen ist, in einen räumlichen Diffusionsprozess. Das Verhältnis von Tropfenrelaxationszeit zu strömungsmechanischer Zeitskala wird Stokes-Zahl genannt St 1 DtrW corr . Über dieses Verhältnis wird wesentlich bestimmt, ob und in welchem Maße Tropfen der turbulenten Strömung folgen. Für kleine Tropfen gilt St o 0. Wie ist nun das Phänomen der turbulenten Dispersion entsprechend dieser Gleichung in den Lagrange’schen Lösungsansatz zu integrieren? Dazu betrachten wir die Lösung der Gl. (16.72) für ein räumlich konzentriertes Flüssigkeitspaket für einen Zeitschritt 't ; die Anfangsbedingungen seien xi x0,i , vi v0,i ; Varianzen und Kovarianzen seien gleich Null. Sie lautet:

vtr ,i xtr ,i



vg ,i  v0,i  vg ,i

x0,i  vg ,i ˜ 't 

exp( Dtr 't )  §¨© wDwxxv  wDwxxv ·¸¹ 't

v0,i  vg ,i Dtr

1  exp( Dtr 't ) 

1 § wDxv wDxv  2 ¨© wx wx

V vv,ij

G ij

V vx,ij

exp( Dtr 't )  vv exp(2 Dtr 't ) » G ij « W corr  ¨¨ W corr  vv 2 ¸¸ 3 3 Dtr2 D tr ¹ © ¬« ¼»

V xx,ij

Dvv (1  exp(2 Dtr 't ) DR

ªk

ª 2k

G ij «

«¬ 3

§k

W corr 't 

D ·

2 Dtr

D

· 2 ¸ 't ¹

º

º §k Dvv · Dvv ¨¨ W corr  2 ¸¸ >1  exp( Dtr 't ) @  3 >1  exp(2 Dtr 't ) @» Dtr ¹ Dtr »¼ ©3 (16.75)

Die zugehörige Verteilungsfunktion p ist eine korrelierte Gauss-Verteilung der Größen x und v:

16.2 Strahlstatistik

629

G GG G 1 exp( q1 x 2  q2 xv  q3v 2 ) . (16.76) N Die Bestimmung der Koeffizienten N und q sei dem Leser zur Übung überlassen. Die Tropfendynamik wird nun zunächst in Wechselwirkung nur mit der mittleren Gasgeschwindigkeit berechnet, d. h. es werden für jedes Partikel die ersten beiden Gl. von (16.75) gelöst. Die turbulenten Fluktuationen liefern in jedem Zeitschritt stochastisch ermittelte Offsets in Ort und Geschwindigkeit, die in Übereinstimmung mit den letzten drei Gl. von (16.75) zu wählen sind. Es gilt: G G p ( x , v , R, T )

vtr ,i (t  't )  vtr ,i (t )

xtr ,i (t  't )  xtr ,i (t )

vtr ,i (t  't )  vtr ,i (t )  G vi

xtr ,i (t  't )  xtr ,i (t )  G xi

mit vtr ,i (t ) mit

xtr ,i (t )

vtr ,i (t ) xtr ,i (t )

(16.77)

Die Variablen G xi xtr ,i  xtr ,i und G vi vtr ,i  vtr ,i sind wie oben festgestellt normalverteilt, allerdings ist ihre Verteilung korreliert. Wir benötigen zum „Auswürfeln“ zwei unabhängige Variable. Es sei G xi die eine, so liefert

G zi

G vi 

V vx G xi V xx

die andere Variable, denn ihre Kovarianz G zi G x j V xx,ij V xxG ij etc.). Für die Varianz dieser Variablen gilt5:

G xi G x j G zi G z j

V xxG ij

§ V vx 2 ¨ V vv  V xx ©

· ¸ G ij ¹

(16.78) verschwindet (wir setzen

(16.79)

In diese Formeln sind auf der rechten Seite die Lösungen aus (16.75) einzusetzen. Nun kann man zur Ermittelung von G x und G z komponentenweise bezüglich einer Normalverteilung würfeln (dazu ist die inverse Errorfunktion als Stammfunktion der Normalverteilung ein einziges Mal zu invertieren und zu tabellieren und das Ergebnis mit der jeweiligen Standardabweichung (Wurzel aus der Varianz) zu multiplizieren). G x und das aus Gl. (16.78) gebildete G v können anschließend in Gl. (16.77) einfließen. Wie bereits erwähnt, verwendet der CFD-Code KIVA einen ähnlichen Ansatz (siehe Amsden et al. (1989) oder O’Rourke (1989)), allerdings nur für den Fall, dass die Korrelationszeit W corr kleiner als der Rechenzeitschritt ist. Gerade der andere Fall langer Korrelationszeiten ist aber aus Gründen der statistischen Konvergenz besonders kritisch. Insbesondere dann sollte dem hier vorgestellten Ansatz (besser noch der Weiterentwicklung im nächsten Abschnitt) der Vorrang gebühren. Die in KIVA vorhandene Modellierung ist aber leicht im oben vorgeschlagenen Sinne abänderbar. Von anderen CFD-Codes sind uns vergleichbare Ansätze leider nicht bekannt. Die turbulente Dispersion wirkt auch auf das thermische Verhalten der Tropfen. In der Tropfenaufheizung und -verdampfung sind Geschwindigkeitseinflüsse in den Vorfaktoren nach Ranz-Marschall berücksichtigt, da in der tropfenbezogenen Reynoldszahl der Betrag der Geschwindigkeitsdifferenz von Tropfen und Gas auftritt. Diese sollten korrigiert, d. h. gemittelt werden. Es sei hierfür ein einfacher Ansatz diskutiert. Zunächst zerlegt man die Geschwindigkeitsdifferenz und berechnet diese nach Gl. (16.67 bis 70)

5

Aufgrund der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung gilt V xv 2 d V xx ˜ V vv und daher G zi G zi t 0 .

630

16 Simulation von Einspritzprozessen

vGtr  vGg  2 vGtr ˜ vGgc  vGgc 2 G G 2 DtrW corr  o vtr  vg  4k  2k . t !! D DtrW corr  2

vGtr  vGg

2

2

1

vGtr 

G vg



2

 2k

(16.80)

2  DtrW corr DtrW corr  2

Dies führt schließlich zu einer mittleren Reynoldszahl:

Retr



G G vtr  vg



Retr



G G vtr  vg



§ 2  DtrW corr ¨ 1 ˜ 1  2k 2  DtrW corr ¨¨ vGtr  vGg ©

· ¸ . ¸¸ ¹ 2

(16.81)

Da dieser Ausdruck nicht direkt garantiert, dass der Term unter der Wurzel nicht negativ wird (wie es aufgrund von Gl. (16.80) sein sollte), ist dies explizit sicherzustellen. Die Fokker-Planck-Gleichung enthält keine turbulente Gasgeschwindigkeit mehr, die zu erwürfeln ist. Allerdings müssen auch in diesem Ansatz die Partikel nach wie vor die lokalen statistischen Geschwindigkeitsverteilungen der Tropfenphase wiedergeben, und auch dies ist noch ein hoher Anspruch, der typischerweise sehr große Partikelanzahlen erforderlich macht.

16.2.9

Die Diffusionsdarstellung der Fokker-Planck-Gleichung

Man kann noch einen Schritt weitergehen, indem man explizit herausarbeitet, dass die Fokker-Planck-Gleichung letztlich auch einen Diffusionsprozess im Raum beschreibt. Zur Ableitung gehen wir von Gl. (16.71) aus, die wir uns auf einzelne Tropfenpakete beschränkt vorstellen (siehe die Diskussion im letzten Absatz von Abschnitt 16.2.6), so dass die auftretenden Varianzen nicht zu groß werden, und integrieren die Basis-Gleichung sowie die mit v multiplizierte Gleichung über v: w w w  w  1 w ª vtr ,i K º  ª º ª 3 º ª º K ¼ wR ¬ RV K ¼  R3 wR ¬ R RZ K ¼  wT ¬Ttr , A K ¼ wt wxi ¬

0

ª º « » « vtr , j vtr ,i  vtr , j vtr ,i K »  Dtr vg ,i  vtr ,i K

» «  V vv ,ij ¬« ¼» w ª w 1 w wK wDvv ª R3 R Z vtr , j K º  ªT  RV vtr , j K º   K º  Dxv K 0 v ¼ R3 wR ¬ ¼ wT ¬ tr , A tr , j ¼ wR ¬ wx j wvtr , j

w ª w ª vtr , j K º  vtr , j ¬ ¼ wt wxi ¬

w vtr ,i K º  ¼ wxi



³ d 3 v p ( x, v , R , T ; t ) : K ( x, R , T ; t ) ³ d 3v vi p( x, v, R, T ; t ) : vi K ( x, R, T ; t )







(16.82)

wobei

etc.

(16.83)

16.2 Strahlstatistik

631

gesetzt wurde (d. h. wir verwenden das gleiche Mittelungssymbol wie bei der turbulenzinduzierten Ensemblemittelung, da auch hier über Geschwindigkeitsfluktuationen gemittelt wird). Subtrahiert man von der zweiten die mit vtr , j multiplizierte erste Gl. (16.82), ergibt sich: w w w ªV vv,ijK º¼  Dtr vtr , j  vtr ,i K vtr , j  wt wxi wxi ¬ 

K

K

v g ,i



 vtr ,i K  Dxv

wK wDvv  K wx j wvtr , j

0

d vtr , j dt

(16.84) Nach vtr , j aufgelöst findet man:

vtr , j K

t ª wD wDvv º exp( Dtr t ) ³ dW exp( DtrW ) « Dtr vg , j  xv  »K wx j wvtr , j ¼» « ¬ 0 

vtr , j K

ª º w  G ij «exp( Dtr t ) ³ dW exp( DtrW ) V vvK  DxvK @» > wxi «¬ »¼ 0

.

(16.85)

t

Eingesetzt in die erste der Gl. (16.82) ergibt sich damit

º ª » « t » w w w w « K vtr ,i K  « exp( Dtr t ) ³ dW exp( DtrW ) V vv  Dxv K » wt wxtr ,i wxtr ,i wxtr ,i « 0 » 

1d » « V xx ,ij 2 dt ¼ ¬ 1 w 3 w  w  RV K  3 R RZ K   Ttr , AK 0 wR wT R wR

>

>

@

@

>

@

>

@

(16.86)

Das heißt, wir haben eine verallgemeinerte Diffusionsgleichung abgeleitet! So weit wurde noch keine Näherung verwendet. Jetzt gehen wir aber zum Grenzfall kleiner Tropfen ( Dtr o f ) über, dann gilt:

vtr ,i

wDvv |0 wvtr ,i

vg ,i 

w § k ˜W corr · wxi ¨© 3 ¸¹

(für Retr  1)

k V vx W corr 3 2k V xx W corr t 3 und damit wird aus (16.86) w w K wt wxtr ,i

(16.87)

vg ,i K  wxwtr,i ¨¨ k3 W corr wwxtrK,i ¸¸  wwR ª¬ RV K º¼  R13 wwR ª¬ R3 RZ K º¼  wwT ª¬Ttr, AK º¼ §

©

·

¹

0

(16.88) was einer klassischen Diffusionsgleichung (Diffusion im Ort x) entspricht.

632

16 Simulation von Einspritzprozessen

Wie ist der Ansatz (16.86) rechnerisch abzubilden? Wir führen für jedes Partikel gemäß Gl. (16.72) drei neue Variable mit folgender Dynamik ein:

dV vv dt dV xv dt dV xx dt

2 Dvv  DtrV vv

V vv  Dxv  Dtr V xv .

(16.89)

2V xv

Es sind nun im Zeitschritt 't die Variablen G xi bezüglich einer Normalverteilung mit Varianz V xx ('t ) | 2V xv 't zu würfeln und zum Partikelort zu addieren, entsprechend Gl. (16.77). Sind die Tropfen hinreichend klein (d. h. es gilt nun die Diffusionsnäherung (16.87)), kann man sich das Lösen der Gl. (16.89) sparen, man setzt einfach

V xx

2k W corr 't 3

(16.90)

Die Reynoldszahlkorrektur von Gl. (16.80)/(16.81) ist zu modifizieren, da als Basis jetzt die Differenz der mittleren Geschwindigkeiten vorliegt. Eine Neuberechnung liefert:

vGtr  vGg

2

vGtr

vGtr

G  vg

G  vg





2

G  vtrc

2

2

G G  2 vtr ˜ vgc 

 3V vv  2k

2  DtrW corr 2  DtrW corr

vGgc

2

.

(16.91)

Dies führt schließlich zu einer mittleren Reynoldszahl:





G G vtr  vg



k W corr 3

cP k 2 => W corr Sct H



§ · § 2  DtrW corr · 1 ¸ Retr Retr ˜ 1  ¨ 2k  3V vv ¸ ¨ G G ¸ ¨ W D 2  ¨ ¸ v v  tr corr © ¹ g ¹ © tr (16.92) Im Grenzfall kleiner Tropfen verschwindet der Korrekturterm, allerdings wird die Reynoldszahl aufgrund der Radiusabhängigkeit ohnehin klein. Diese Modellierungsansätze sind inzwischen in STAR 4 verfügbar, im KIVA-Code sind sie leicht umsetzbar. Eine stochastische Geschwindigkeitskomponente gibt es nicht mehr, die Partikel müssen nicht mehr die lokalen Geschwindigkeitsfluktuationen auflösen; stattdessen werden diese Fluktuationen über vom Partikel mitgeführte Korrelationsfunktionen beschrieben. Aus diesen Gründen sind diese Ansätze (16.86)/(16.89) oder (16.88)/(16.90) zur Implementierung der turbulenten Dispersion zu bevorzugen. Im Grenzfall kleiner Tropfen geht die Flüssigphase in eine Spezies der Gasphase über, die turbulente Dispersion wird zur turbulenten Diffusion. Auch die turbulenten Diffusionskonstanten müssen übereinstimmen, aus dieser Kongruenzforderung lässt sich W corr bestimmen: G G vtr  vg

3cP k Sct H

2

(16.93)

16.2 Strahlstatistik

633

16.2.10 Probleme des Standard-Strahlmodells Wie schon erwähnt, leidet das Standard-Strahlmodell unter erheblichen numerischen Defiziten. Wenn man die relative Einfachheit des Modellierungsansatzes mit stochastischen Partikeln der hohen Komplexität der Aufgabe, nämlich die Auflösung einer IntegroDifferentialgleichung im achtdimensionalen Raum, gegenüberstellt, ist das Versagen des Strahlmodells eigentlich gar nicht sehr verblüffend. In der Tat liegen die Probleme auf der Hand. Einerseits besteht die Problematik der kleinen Längenskalen, die am Düsenloch aufzulösen sind, und zum anderen diejenige der fehlenden statistischen Konvergenz. Bei typischen Dieseleinspritzstrahlen mit Einspritzung kurz vor dem oberen Totpunkt ist die Situation nicht allzu kritisch, da es sich um einfache Strahlgeometrien (Lochdüse!) und geringe Flüssigkeitslängen handelt. Die Situation wird sehr viel schwieriger, wenn man Kegelstrahlen, wie sie etwa von modernen Piezo-A-Düsen für Benzindirekteinspritzung erzeugt werden, untersucht. Diese zeigen eine hochkomplexe Wirbeldynamik, die noch dazu extrem von den Randbedingungen wie ambienter Gastemperatur, Düsen- und Brennraumgeometrie und Tropfengröße abhängt. Die korrekte Berechnung dieser Phänomene ist nur mit einem leistungsfähigen Strahlmodell möglich. Generell sind aber alle Anwendungen mit großer Flüssigkeitslebensdauer, wie z. B. Einspritzprozesse im Saugoder frühen Kompressionshub, als anspruchvoll zu bewerten. „ Problem: räumliche Auflösung des Strahls

Ein Problem bei der Strahlsimulation liegt unmittelbar auf der Hand und war auch schnell bekannt: die Größe typischer Düsenlöcher ist sehr klein und wird daher üblicherweise nicht numerisch aufgelöst. Die Konsequenz schlechter Netzauflösung ist eine falsche Berechnung der Austauschprozesse zwischen Gas- und Flüssigphase. Zunächst aber sollte darauf hingewiesen werden, dass eine fehlende Auflösung der Strahldimensionen auch beim mit klassischer Strömungsmechanik berechneten Gasfreistrahl zu inakzeptablen Ergebnissen führt. Beim räumlichen Auflösungsproblem handelt es sich also gerade nicht um ein Spezifikum des Lagrange’schen Strahlmodells. Ein Düsenloch eines Pkw-Dieselmotors bewegt sich inzwischen in der Größenordnung von 100 Pm. Man sollte es idealerweise noch mit 10 Netzzellen auflösen, was auf eine Netzzellenkantenlänge von 10 Pm führen würde. Bei gleichmäßiger Netzfeinheit würde das für ein Kompressionsvolumen von 20 Kubikzentimetern hochgerechnet 20 Milliarden Netzzellen liefern! Daher sind adaptiv verfeinerte Netze sicherlich das Mittel der Wahl, auch kommt man wohl mit weniger als 100 Netzzellen pro Düsenöffnung (10x10) aus. Aber extrem hohe Anzahlen von Netzzellen und aufwendig konstruierte Netze sind unverzichtbar. Die weit verbreitete Praxis sieht leider anders aus. Um trotz ungenügender Netzauflösung dennoch Ergebnisse ähnlich verfügbaren Messungen zu erzielen, wird eine Vielzahl an Modifikationen der Strahlmodellierung eingeführt, z. B. zur Beschreibung des Strahlzerfalls (ein sehr effizientes Tuning!). Die (unphysikalische) Wirkungsweise der Aufbruchsmechanismen in einer solchen Simulation lässt sich folgendermaßen verstehen: Mit großen Tropfen wird die Zone mit falschem Impulsaustausch übersprungen, bei einigen Ansätzen wird dieser sogar explizit in Düsenlochnähe unterbunden („intact core length“). Anschließend müssen aber schnell kleine Tropfen erzeugt werden, um für die notwendige Gemischbildungsqualität zu sorgen.

634

16 Simulation von Einspritzprozessen

Wie bereits in Abb. 16-4 dargestellt wurde, ist das Eindringverhalten eines LochdüsenEinspritzstrahls nahezu unabhängig von der Tropfengröße. Mit hinreichend kleinen Tropfen saugt er sehr viel Gas an und verhält sich genau wie ein Gasfreistrahl. Wesentliche Einflussfaktoren sind dabei der Impulsstrom I, sowie der Strahlwinkel (der wiederum hauptsächlich von der Umgebungsdichte Ug abhängt). Der Impulsstrom in einem Querschnitt eines stationären Freistrahls mit Öffnungswinkel im Abstand x von der Düse beträgt I

U g v 2S x 2 tan 2

D

(16.94)

2

und wird entlang des Strahls erhalten. Ein Massenpunkt im Freistrahl bewegt sich dann nach der Beziehung: x

dx dt

I

U g S tan

2D

2I

=> x

4

2

U g S tan 2

D

˜ t .

(16.95)

2

Auch das Eindringverhalten der prinzipiell instationären Strahlspitze wird über diese Relation (bei konstantem Impulsstrom) sehr gut abgebildet; selbst bei vollständiger Verdampfung. In letzterem Falle beschreibt die Formel das Eindringverhalten der Dampfphase. Daraus folgt aber sofort, dass das Strahlverhalten in erster Ordnung unabhängig von der Tropfengröße und damit vom Strahlzerfall ist. Voraussetzung dafür sind hinreichend kleine Tropfen, dies ist aber bei modernen Dieseleinspritzstrahlen eigentlich immer gegeben. Wenn ein Eindringtiefen-Tuning mittels Strahlzerfall überhaupt möglich ist, spricht diese für unphysikalisch große Tropfen oder ein Strahlmodell mit fehlender statistischer Konvergenz, siehe nächsten Abschnitt. Die aktuell sinnvollste Lösung besteht in der Verwendung von im Strahlbereich adaptiv verfeinerten Netzen (siehe Abb. 13-6), wobei zusätzlich noch der so genannte Längenskalenbegrenzer (Johnson et al. (1995)) ausgesprochen nützlich ist. Beim Längenskalenbegrenzer wird die turbulente Längenskala im Strahlbereich auf den Strahlquerschnittsradius l Str begrenzt. Aus dieser Vorgabe heraus ergibt sich im Abstand x von der Düse die folgende Zwangsbedingung für H

H t cP3 4

k3 2 lStr

cP3 4

D

k3 2 x tan

2

.

(16.96)

Bei Verletzung dieser Relation wird H entsprechend dem Gleichheitszeichen definiert. Man bewegt sich bei einem derartigen Vorgehen sicherlich an der Grenze des im Sinne der Strömungsmechanik zulässigen; andererseits ist der Ansatz sowohl physikalisch sinnvoll als auch mathematisch wohldefiniert. Zusätzlich zur turbulenten Längenskala werden auch turbulente Diffusion und Viskosität ( v k 2 H ) eingeschränkt, daher wird ein falscher Impulsabfluss unterbunden, der zu einem zu geringen Eindringverhalten führt. Ein wesentlicher Aspekt des Längenskalenbegrenzers: er wird auf feinen, strahlauflösenden Netzen unwirksam (dort ist die Relation (16.96) automatisch erfüllt).

16.2 Strahlstatistik

635

Nadel

'Tna> 'Ta

'Ta

Nadelhub: h | 30μm Auflösung des Düsenaustritts

o Zellgröße < 10μm

Abb. 16-6: Adaptiv verfeinertes Netz mit Düsenlochauflösung für einen Ottomotor mit Piezo-aktuierter A-Düse. Der damit berechnete Strahl ist rechts dargestellt. Eine zu grobe Netzstruktur erzeugt viel zu buschige Strahlen (mittleres Bild).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass selbst ein mit korrekter Netzauflösung im Standard-k-H-Modell berechneter runder Gasfreistrahl (aus einer Lochdüse) zu buschig ausfällt und damit nach Gl. (16.95) zwangsläufig eine zu geringe Eindringtiefe aufweist. Dieses Problem kann durch Einführung eines zusätzlichen Quellterms in der H -Gleichung, die sogenannte Pope-Korrektur (siehe Pope (1978)), gelöst werden: 'Q

0,2

k2

H

>S

ij

’ u vK i ’ u vK j  ’ u vK 2 Tr ( S ij )@.

(16.97)

Eine einfache Konstantenmodifikation, die ebenfalls für eine korrekte Freistrahleindringtiefe sorgt, ist eine Wahl von İ1 1,55. „ Problem: Statistische Konvergenz

Auch wenn man nun versucht, mit dem Standard-Strahlmodell Rechnungen mit hoher Netzauflösung durchzuführen, kann man in Schwierigkeiten geraten. Es existiert sogar hartnäckig die (falsche) Behauptung, das Strahlmodell funktioniere nicht auf feinen Netzen! Das eigentliche Problem aber steckt in der fehlenden statistischen Konvergenz pro Rechenzelle. Die Anzahl der Partikel pro Zelle ist hierfür relevant; wenn nun die Anzahl der Netzzellen aufgrund von Netzverfeinerung steigt, wird dieses Verhältnis naturgemäß schlechter (man betrachte dazu die Abb. 16-7). Zum Erreichen der Konvergenz muss man neben dem Limes „Kantenlänge der Netzzellen geht gegen Null“ auch den Limes „Partikelzahl pro Netzzelle geht gegen Unendlich“ anstreben! Im Mindesten muss dieses Verhältnis auf hohem Niveau konstant gehalten werden. Dies impliziert hohe Partikelzahlen! Als Faustregel für Partikelanzahlen könnte man etwa den Ansatz machen, dass 50 Partikel pro Zelle schon einen recht guten Wert darstellen. Befinden sich an der Düsenöffnung N Zellen der Kantenlänge 'l (in Strahlrichtung) und beträgt die Einspritzgeschwindigkeit v E , so sollten etwa 50 N Partikel in der Zeit 't 'l v E eingespritzt werden. Dies gilt freilich nur unter der Voraussetzung, dass entlang der Strahlrichtung die Anzahl der Zellen, die den Strahlquerschnitt auflösen, nicht zunimmt. Es ist zudem zu beachten, dass die Anforderungen an Partikelzahlen aus Gründen der statistischen Konvergenz extrem modellabhängig sind. Wir haben diesen Punkt bei der Diskussion der einzelnen Modelle bereits ausführlich diskutiert. Ganz besonders kritisch ist die Berechnung von Stoßprozessen, wie sie in naiven Formulierungen des Strahl-

636

16 Simulation von Einspritzprozessen

modells immer noch vorkommt; diese erfordert unrealistisch hohe Partikelzahlen pro Zelle. Gleichfalls extrem kritisch ist die naive Modellierung der turbulenten Dispersion entsprechend Abschnitt 16.2.7.: Die turbulenten Fluktuationen von Gas- und Flüssigphase werden explizit berechnet! Dies bedeutet höhere Anforderungen unter Auflösungsgesichtspunkten, als man sie an die Gasphase stellt. Dort wird aus guten Gründen ein Turbulenzmodell verwendet. Es muss also abschließend nochmals betont werden, dass die Verwendung von Mittelwertsgleichungen, Fokker-Planck-Gleichung und deren Diffusionsnäherung extrem wichtig ist!

Abb. 16-7: Netzverfeinerung (bei gleichbleibender Partikelzahl) führt zu einer sinkenden Partikelanzahl pro Zelle und damit zu schlechterer statistischer Auflösung der lokalen Tropfeneigenschaften.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass das Versagen des Strahlmodells nicht auf die Nichtexistenz eines Kontinuumlimes zurückgeführt werden kann. Es wird nämlich gerne behauptet, dass bei Netzverfeinerung irgendwann ein Tropfen größer sei als eine Netzzelle, dieser Fall aber nicht definiert sei. Man muss sich aber vor Augen halten, dass ein Lösungsverfahren zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktionsgleichung appliziert werden soll, die immer eine wohldefinierte (kontinuierliche) Lösung hat. Die Partikel besitzen darin zwar einen Radius, aber der hat den Charakter eines „inneren“ Freiheitsgrads. Allerdings ist das betrachtete „Paradoxon“ typisch: praktisch scheitern viele Netzverfeinerungen an dem Problem „großer Tropfen“, da sie eben nicht mit einer Partikelvermehrung einhergehen. Dies ist aber kein prinzipielles Problem des stochastischen Ansatzes, vielmehr eines seiner falschen Applikation!

16.2.11 Benzindirekteinspritzung für Schichtladung mit nach außen öffnendem Piezo-Injektor Abschließend soll noch ein Beispiel für eine nach den vorgestellten Prinzipien durchgeführte Einspritzstrahlberechnung vorgestellt werden. Wie schon erwähnt, stellt die Benzindirekteinspritzung mit nach außen öffnendem Piezo-Injektor eine der interessantesten und gleichzeitig anspruchsvollsten Anwendungen der Strahlsimulation dar. Es wurden die folgenden Qualitätsregeln berücksichtigt:

y Das Rechennetz ist das Rechennetz aus Abb. 16-6, d. h. es handelt sich um ein adaptives, düsenlochauflösendes Netz.

16.2 Strahlstatistik

637

y Es handelt sich um eine rotationssymmetrische Rechnung, d. h. es wird nur eine

„Scheibe“ von 0,5° Sektorwinkel berechnet. In diesen Sektorwinkel werden 100.000 Partikeln eingespritzt, d. h. auf 360° hochgerechnet bedeutet dies 1.440.000 Partikeln.

y Es wird eine Modellierung der turbulenten Dispersion in der Diffusionsnäherung der Fokker-Planck-Gleichung (wie in Abschnitt 16.2.9 beschrieben) verwendet.

y Es kamen keine Kollisionsmodelle zum Einsatz. y Die Tropfengrößenverteilung an der Düse wurde dem Spektrum der turbulenten Län-

genskalen einer entsprechenden Düseninnenströmungsrechnung entnommen. Der verwendete CFD-Code ist KIVA-3V. In Abb. 16-8 ist ein derartiger Einspritzprozess (späte Einspritzung zur Erzeugung einer Schichtladung) abgebildet. Der Strahlkegelwinkel beträgt knapp 90°. Der Strahlkegel saugt innen wie außen Luft an, es kommt zu einer Luftströmung innerhalb des Strahlkegels, die in diesen hinein gerichtet ist. Ist der Strahlkegel hinreichend dünnwandig und der Öffnungswinkel hinreichend groß, ist diese strahlkegeleinwärts gerichtete Strömung stabil; es kommt zu keinem Unterdruck und der Strahlkegel kollabiert nicht, unabhängig von den Umgebungsbedingungen. Dies impliziert, dass sich die relative Position Strahl – Zündkerze auch bei verschiedenen Motorbetriebspunkten nicht ändert. Eine nach außen öffnende Düse besitzt daher eine hohe Strahlstabilität bei gleichzeitig höchster Gemischbildungsqualität, eine wesentliche Voraussetzung für eine strahlgeführte Schichtladungsverbrennung. Nur damit lässt sich das volle Potenzial von geschichteten Magerbrennverfahren gegenüber homogenen O=1-Brennverfahren realisieren. Bei Dralldüsen bspw. ist das nicht der Fall; der Strahlkegel ist nicht hinreichend hohl und kollabiert daher insbesondere bei höheren Gegendrücken. Auf der rechten Seite von Abb. 16-8 ist das Turbulenzfeld dargestellt; aufgrund der sehr feinen Netzstruktur sind die Scherschichten an der Strahlinnen- und -außenseite aufgelöst.

p-pv [mbar]

v [m/ s] 0

10

0

10

k [m²/ s²] min

max

Abb. 16-8: Strahlausbreitung bei einer Benzindirekteinspritzung mit A-Düse bei 6 bar Brennraumdruck. Links Darstellung des Geschwindigkeits- und Druckfeldes, rechts der Gasphasenturbulenz

In Abb. 16-9 ist die Simulation einer Einspritzung in einer Kammer zu verschiedenen Zeitpunkten strahldiagnostischen Untersuchungen (Strahl-Photograhie und Particle-Imaging-Velocimetry (PIV)) gegenübergestellt. Man stellt einerseits eine sehr gute Übereinstimmung fest; andererseits können die strömungsmechanischen Strukturen, insbesondere

638

16 Simulation von Einspritzprozessen

die sich ausbildenden Wirbel, das experimentelle Ergebnis analysieren und erklären. Eine detaillierte Beschreibung dieser hochaufgelösten Einspritzstrahlberechnungen für Benzindirekteinspritzung findet sich bei Hermann (2008).

Abb. 16-9: Gegenüberstellung von Particle-Image-Velocimetry (PIV) und Simulation (links: statische Druckverteilung, rechts: Geschwindigkeitsvektorfeld)

Es ist im Übrigen festzuhalten, dass das in den Abb. 16-8 bzw. Abb. 16-9 gezeigte stabile Verhalten typisch für Flüssigkeiten zu sein scheint. Gasstrahlen aus einer A-Düse scheinen dagegen viel stärker zum Kollabieren zu neigen (siehe Baratta et al. (2008)). Neben den Grundlagen der Strahlstabilität ist auch die Interaktion mit der Gasströmung im Zylinder von Interesse. Insbesondere im Hinblick auf stabile Entflammung und optimales Ausbrandverhalten müssen Einspritzung (Positionierung Düse relativ zur Zündkerze, Taktschema) und Strömung (Tumble-Stärke sowie Anströmungsrichtung und Turbulenzintensität) gut aufeinander abgestimmt werden. Diese Aufgabenstellung ist natürlich nicht in einer 2D-Geometrie zu leisten. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, die Gemischbildung einfach in einem Ladungswechselnetz analog Abb. 14-10 durchzuführen, da man damit ja sofort in die in Abb. 14-6 beschriebenen Netzabhängigkeiten hereinzulaufen würde. Um diesem Dilemma zu entkommen, bietet sich ein Netzwechsel an. Das sog. „Mappen“, also das projizieren des Strömungsfeldes von einem auf ein anderes Netz ist mit den heutigen Algorithmen kein großes Problem mehr. Die Herausforderung ist vielmehr, die Anforderungen an das Spraynetz in einer komplexen Motorgeometrie zu realisieren ohne auf Zellanzahlen >>1 Million zu kommen. In dem nun folgenden Beispiel, bei dem nicht auf KIVA-3V sondern den CFD-Code STAR-CD v4 zurückgegriffen

16.3 Euler-Strahlmodelle

639

wurde, war die Basis ein strahlangepasster Block analog dem 2D-Gitter aus den vorigen Strahluntersuchungen. Dieser Block wurde über ein automatisiert erstelltes Polyedernetz an die detailliert abgebildete, mit Wandschichten versehene Brennraumgeometrie angekoppelt. Trotz der dann erforderlichen Partikel-Anzahl von 1 Million kann die Rechenzeit für den Hochdruckteil auf 16 Prozessoren unter einem Tag gehalten werden. In Abb. 16-10 sind Aufnahmen aus dem Transparentaggregat der Strahlausbreitung der CFD-Simulation zu zwei Zeitpunkten gegenübergestellt. Deutlich ist die Ablenkung der Randwirbel durch die angreifende Tumble-Strömung erkennbar. Durch diese Interaktion wird die verdampfte Gemischwolke zur Zündkerze geweht, wo im Anschluss die Zündung eingeleitet werden kann. Dieses Beispiel zeigt schön, wie durch Kombination der erforderlichen Bestandteile Numerik/Diskretisierung (strahlangepasstes Netz, ausreichend viele Partikel, Wandschichten) und geeigneten physikalischen Modellen (in diesem Fall sei speziell das Modell für turbulente Tropfendispersion genannt) auch so komplexe Vorgänge wir die geschichtete strahlgeführte Benzindirekteinspritzung berechnet werden können.

Ebene Zylinderkopfdichtung 23°KW v. OT

25°KW v. OT

Tropfen

O=1-Konturlinie

Abb. 16-10: Gegenüberstellung des Streulichts im Mittelschnitt des Transparentaggregats (oben, Quelle Dr. J. Schorr, Daimler AG) mit den Tropfen und der O=1-Konturlinien in der CFD-Simulation (unten, Quelle Dr. U. Michels, Daimler AG) zu zwei Zeitpunkten.

16.3

Euler-Strahlmodelle

So genannte „Euler-Strahlmodelle“ bieten die Chance, den Problemen des Lagrange-Modells hinsichtlich statistischer Konvergenz und turbulenter Mittelung zu entkommen. „Auswürfeln“ ist immer ineffizient, wenn man die Chance hat, die Mittelungsprozesse bereits im Modell zu berücksichtigen. In diesem Sinne wurde im obigen Abschnitt das naive Standard-Modell, d. h. die Boltzmann-Williams-Gleichung mit ihren komplexen, nicht geschlossen formulierten Quelltermen sukzessive modifiziert, durch Einführung von effektiven Mittelwertsprozessen (Zerfall) und der Fokker-Planck-Gleichung, die stochastisches Verhalten statistisch fassbar macht. Die Quellterme wurden auf diese Weise als verallgemeinerte Diffusionsterme geschlossen formulierbar. Die dynamische Gleichung für die Wahrscheinlichkeitsverteilung selbst ist aber nach wie vor im 8-dimensionalen Zustandsraum definiert und daher nicht direkt lösbar, was (nach wie vor) zu der

640

16 Simulation von Einspritzprozessen

Quasi-„Simulationslösung“ mittels Lagrange’scher Partikeln führt (allerdings auf Basis einer deutlich „gutmütigeren“, effektiven Dynamik als noch im „naiven“ StandardModell). Die Euler-Modelle gehen hier noch einen Schritt weiter, indem sie anstelle einer solchen Gleichung für die Wahrscheinlichkeitsverteilung einen Gleichungssatz für Momente, d. h. Mittelwerte spezieller Observablen wie z. B. Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsvarianz (ähnlich z. B. der Navier-Stokes-Gleichung) direkt, d. h. ganz ohne Partikeleinsatz, lösen. Die Gegenüberstellung der Begriffe „Euler-Modell“ und „Lagrange-Modell“ ist in diesem Zusammenhange zwar allgemein üblich, jedoch nicht besonders zutreffend. Denn der Unterschied beider Formulierungen besteht ja nicht ausschließlich in der Verwendung raumfester oder mit der Strömung mitgeführter Koordinaten, worauf sich dieses Begriffspaar im engeren Sinne bezieht. Vielmehr liegt der tiefere Unterschied in der verschiedenen Formulierung der Dynamik begründet, je nachdem ob diese auf einer Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion oder einem Observablensatz definiert ist. Erst als Lösungsverfahren kommen im ersteren Falle die Lagrange’schen Partikel ins Spiel. In der physikalischen Literatur (auch der statistischen Physik) werden in Anlehnung an die Quantenmechanik für diesen Gegensatz in der Formulierung der Dynamik die Termini Schrödinger-Bild (Wahrscheinlichkeitsverteilung) und Heisenberg-Bild (Obervable) gebraucht. Allerdings wird das Lagrange-Modell von vielen Autoren bzw. in den meisten CFDCode-Handbüchern (KIVA ist hier eine rühmliche Ausnahme!) gar nicht mit Hilfe der Dynamik einer Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion definiert, sondern die Lagrange’schen Partikelgleichungen quasi „direkt“ aus den Tropfengleichungen „abgeleitet“. Vor diesem hemdsärmeligen Vorgehen kann aber nur gewarnt werden, da auf diese Weise der Prozess der Modellbildung mit dem der numerischen Lösung und der dafür erforderlichen Diskretisierung vermischt wird; man kann sich gar nicht sicher sein, es mit einem wohldefinierten Modell zu tun zu haben. Zudem können abstrakter motivierte Partikeldynamiken, wie wir sie etwa mit Hilfe der Fokker-Planck-Gleichung gewonnen haben, so nicht erzeugt werden. Kommen wir jetzt zur Ableitung der Dynamik im Observablen-Bild zurück. Dazu gehen wir von der folgenden Wahrscheinlichkeitsverteilungsdynamik aus: w w ª ( x) w ª (E ) \ ( x, E , t )  A ( x, E )\ ( x, E , t ) º  A ( x, E )\ ( x, E , t ) º ¼ wE P ¬ P ¼ wt wxi ¬ i

, (16.98) ª ( x, E ) º º w w ª ( EE ) w E \ E E \ E D ( x , ) ( x , , t ) D ( x , ) ( x , , t ) 0  « iP » « PQ » wE P wEQ ¼ ¬« ¼» wE P ¬ G wobei ( E P ) (v , R, T ) . Es sei O( x, E , t ) eine Observable, etwa der Impuls oder das Quadrat der Geschwindigkeit. In diesen Fällen wäre die Observable O nicht explizit orts- oder zeitabhängig. Betrachtet man aber z. B. das Quadrat der Geschwindigkeitsfluktuation (Geschwindigkeit minus Geschwindigkeitsmittelwert – der Mittelwert des Quadrats ist dann gerade die Varianz), so kann die Observable O (in diesem Falle über den Geschwindigkeitsmittelwert) auch explizit orts- und zeitabhängig sein. Durch Mittelwertbildung (über E) erhält man eine Größe O ( x, t ) , die nun orts- und zeitabhängig ist (nun auch über die Mittelung, nicht nur auf die Weise wie O( x, E , t ) ). Für die Dynamik ergibt sich mittels partieller Integration die folgende Beziehung: 

w wxi

16.3 Euler-Strahlmodelle

w O ( x, t )

w wt

wt

³ ¨©\ ( x, E , t ) §



w wxi

641

³ \ ( x, E , t )O( x, E , t ) d E

wO( x, E , t ) · w w2( x, E , t ) ( E ) dE  Ai( x ) ( x, E )2( x, E , t )  AP ( x, E ) ¸ wt wxi wE P ¹

D P E ( x, E ) 2 ( x, E , t ) wE P w



( x, ) i

w § ( EE ) w2( x, E , t ) · ¨ DPQ ( x, E ) ¸ wE P © wEQ ¹

(16.99)

Diese Formulierung neigt allerdings zu Schließungsproblemen, da auf der rechten Seite neue Observablenmittelwerte stehen, deren Dynamik entweder über eine eigene Transportgleichung zu beschreiben oder aber anderweitig zu modellieren ist.

16.3.1

Lokal homogene Strömung

Im Grenzfall starker Kopplung zwischen Flüssig- und Gasphase, was z. B. bei hinreichend kleinen Tropfen der Fall ist, kommt es zum Spezialfall der lokal homogenen Strömung. Die Flüssigphase kann jetzt als Spezies im Rahmen einer einphasigen Behandlung beschrieben werden, die turbulente Dispersion geht in die turbulente Diffusion einer Spezies über. Dazu ist lediglich die dynamische Gl. (16.88), die gerade diesem Spezialfall entsprach, nach dem Verfahren von Gl. (16.99) zu transformieren. Wendet man dieses Verfahren auf die Observable R3 (d. h. bis auf eine Konstante die Masse) an, und integriert über R und T (über v wurde ja bereits integriert), so ergibt sich unter Verwendung von

U fl ( x; t )

³ dR dT K ( x, R, T ; t )

4S 3 R U fl 3

(16.100)

(Ufl bezeichne hierbei die Dichte der Flüssigkeit) aus Gl. (16.88) die folgende Flüssigdichte-Transportgleichung: · 3U fl RV w w w § w . U fl  U fl vg ,i  U fl ¸ (16.101) ¨ Dt R wt wxi wxi © wxi ¹









Die Transportgleichung für die Gasphase besitzt den inversen Verdampfungsquellterm: 3U fl RV · w w w § w . Ug  U g v g ,i  Ug ¸  (16.102) ¨ Dt R wt wxi wxi © wxi ¹





Die Kontinuitätsgleichung des Gesamtsystems hat dann wieder die Standardform: w w U ges  U ges vges,i wt wxi U ges U g  U fl

U ges vges,i

0

w U g vg ,i  U fl vg ,i  Dt U ges . wxi



w w U ges c fl  U ges c fl vges,i wt wxi

U fl / U ges ergibt sich aus Gl. (16.101):

 wwxi ¨©§ U ges Dt wwxi c fl ¸¹·

Mit dem Flüssigkeitsmassenbruch c fl

(16.103)

3U ges c fl RV R

, (16.104)

642

16 Simulation von Einspritzprozessen

d. h. wir haben eine Speziesdiffusionsgleichung wie Gl. (14.32) gefunden. Man kann also in dieser Näherung die Flüssigphase wie eine Spezies einer einphasigen Strömung transportieren. Durch Betrachtung der Observablen R4 und R3T ergeben sich analog die Transportgleichungen





w U ges c fl R  w U ges v ges,i c fl R  w §¨¨ U ges Dt w c fl R ·¸¸ wxi © wxi wxi wt ¹   U ges c fl 4 RV  RZ



w U ges c fl Ttr  w U wt wxi

ges

U ges c fl TA 



v ges ,i c fl Ttr 

3U

ges

c fl RV

w wxi

§ w ¨¨ U ges Dt c fl Ttr ·¸¸ wxi ¹. ©

(16.105)

(16.106)

Ttr R Lokal gibt es also genau einen mittleren Tropfenradius und eine mittlere Tropfentemperatur, beide Größen werden aber im Allgemeinen in Raum und Zeit variieren (typischerweise wird der Tropfenradius mit zunehmendem Abstand von der Düse aufgrund der Verdampfung abnehmen). Wenn man davon ausgeht, dass Flüssig- und Gasphase nicht nur kinematisch sondern auch thermodynamisch im Gleichgewicht sind (d. h. wirklich „mischungskontrolliert“), kann man prinzipiell auf die beiden Gl. (16.105) und (16.106) verzichten; der lokale Dampfanteil entspricht exakt dem, was die lokale Temperatur (die für Flüssig- und Gasphase gleich ist) über die Dampfdruckkurve fordert. Sollte sich dieses Gleichgewicht etwa durch Transportprozesse verschieben, wird es durch lokale Verdampfung oder Kondensation sofort wiederhergestellt. Dies definiert Quellterme für die Transportgleichungen von Dampf-, Flüssigphase und innerer Energie. Allerdings ist diese Annahme eher unüblich. Es ist durchaus sinnvoll, nur kinematisches Gleichgewicht anzunehmen, das sich eher einstellt als das thermodynamische. Zudem ist letzteres berechnungsseitig einfacher handhabbar, zum einen, weil der Tropfenradius eine Art Relaxationsfaktor für die thermodynamischen Austauschprozesse zwischen den Phasen darstellt, zum anderen, weil das Phasengleichgewicht in der hier benötigten Form in den CFD-Codes nicht standardmäßig verfügbar ist, sondern erst implementiert werden muss. Eher ist der umgekehrte Schritt angebracht, dass man sich nicht mit einem einzigen Tropfenradius begnügen möchte, sondern vielmehr das Ziel hat, komplexere Radius-Verteilungen (und damit Radius-Temperaturspektren) aufzulösen. Dazu ist die Einführung so genannter „Tropfenklassen“ sinnvoll. Jede dieser Tropfenklassen ist eine eigene Spezies und beschreibt Tropfen, die am jeweiligen Raumpunkt einem eng umschriebenen Radiusund Temperaturintervall (diese Intervalle sind vom Raumpunkt abhängig) zuzuordnen sind. Jede Tropfenklasse wird durch einen eigenen Gleichungssatz (16.104) bis (16.106) vertreten. Bei den Gl. (16.104) bis (16.106) (ob für eine oder mehrere Tropfenklassen) handelt es sich um gewöhnliche Transportgleichungen, die sich in einem Standard-CFD-Code leicht umsetzen lassen. Die Flüssigphase soll zur lokalen Dichte des „Gas“-Gemischs beitragen, aber nicht zur spezifischen Wärme oder zum Druck (denn das sind die Größen der Gasphase, die Wärmeenergie der Flüssigphase wird über die Transportgröße „Tropfentemperatur“ abgebildet). Innerhalb eines CFD-Codes lässt sich das bewerkstelligen, indem man für die Spezies „Flüssigkeit“ ein extrem hohes Molekulargewicht wählt (im Prinzip entspricht ja ein Tropfen jetzt einem Molekül). Die Skalare „Tropfenradius“ und „Tropfen-

16.3 Euler-Strahlmodelle

643

temperatur“ sind passiv. In der Transportgleichung für die Spezies „Dampf“ und in derjenigen für die innere Energie der Gasphase müssen natürlich zu den Gl. (16.104) bis (16.106) korrespondierende Quellterme eingefügt werden. Die Quellterme auf der rechten Seite hängen von der Relativgeschwindigkeit von Tropfen zu Gas ab. Bereits im vorigen Abschnitt wurde eine gemittelte Reynoldszahl eingeführt, die nur noch die Differenz der mittleren Geschwindigkeiten benötigt. Im Rahmen der hier vorgenommenen Näherung kleiner Tropfen sollte die Reynoldszahl zu Null gesetzt werden. Das hier vorgestellte Modell bietet sich aufgrund der Voraussetzung kleiner Tropfen insbesondere zur Simulation von Dieselstrahlen an. Es kann bei nur geringem Modellierungsaufwand in den meisten CFD-Codes zum Einsatz gebracht werden. Allerdings müssen nach wie vor düsenaufgelöste Netze verwendet werden; der Einsatz der PopeKorrektur bei Lochdüsenstrahlen ist empfehlenswert. Das sogenannte ELSA- (Eulerian-Lagrangian Spray and Atomization)-Modell (siehe z.B. Lebas et al. 2005), verfügbar z.B. in STAR CD, verwendet im Düsennahbereich einen Eulerschen Ansatz lokal homogener Strömung, wie hier geschildert. An einer definierten Stelle strahlabwärts wird dann auf das Lagrange’sche Standardmodell umgeschaltet, daher der Name. Dies ist ein sehr sinnvolles Vorgehen, da strahlabwärts die Tropfendichte abnimmt, während die Strahldimensionen zunehmen. Dies bedeutet, daß die Annahme lokal homogener Strömung kritischer wird, während die Probleme des Lagrange-Modells abnehmen. Ein derartiger Beschreibungswechsel wird üblicherweise auch im als nächstes geschilderten Ansatz (Abschnitt 16.3.2). eingesetzt.

16.3.2

Einbettungen von 1D-Euler-Verfahren und anderen Ansätzen

Alle bisher beschriebenen Verfahren benötigten die numerische Auflösung des Düsenlochs. So selbstverständlich diese Forderung eigentlich ist, in der Praxis ist sie nicht immer leicht erfüllbar. Daher sollen sogenannte Einbettungsverfahren diskutiert werden, mit deren Hilfe die Anforderung an die Netzauflösung im motorischen CFD-Code minimiert werden kann. Bei einem solchen Verfahren wird der Strahl, d. h. Flüssig- und Gasphase, in einem düsennahen Bereich (idealerweise in der Zone, in der auch die Flüssigkeit auftritt) mit einem eigenständigen Strahlcode auf einem speziellen Rechennetz (typischerweise ein- oder zweidimensional) berechnet. Die Austauschterme beider Phasen (hinsichtlich Impuls, Masse und Energie) werden dann im motorischen CFD-Code an der entsprechenden Stelle eingekoppelt. In diesem motorischen CFD-Code wird nur die Gasphase berechnet. Bezüglich der thermodynamischen Randbedingungen ist auch eine Rückkopplung vom Motor- an den Strahlcode sinnvoll. Der Ansatz sollte möglichst nur in Düsennähe appliziert werden, wo Effekte wie Queranströmung noch keine große Bedeutung haben. Weiter strahlabwärts kann beispielsweise an einer definierten Stelle auf das Lagrange’sche Standardmodell umgeschaltet werden, siehe Abb. 16-11. Die Wirkungsweise der Einbettungsverfahren beruht darauf, dass im Strahlcode eine hinreichend hohe Auflösung dargestellt werden kann, die Strahlausbreitung inklusive aller Austauschprozesse zwischen den Phasen wird dort korrekt berechnet. Im Motorcode sind nun die Anforderungen an die räumliche Auflösung geringer, da eine Rückkopplung der Auflösungsfehler zwischen beiden Phasen vermieden wird. Es werden die korrekten Quellterme in die Motorrechnung eingekoppelt, eine fehlerhafte Berechnung der Gasphase induziert keine Folgefehler im Quellterm. Allerdings sind die Auflösungsanforderungen an den motorischen CFD-Code nach wie vor hoch; es ist dringend zu empfehlen, mit strahladaptiven Netzen zu arbeiten.

644

16 Simulation von Einspritzprozessen

Abb. 16-11: Strahlsimulation für die Dieseleinspritzung im ICAS-Einbettungsverfahren: im gelben Kegel 1D-Berechnung, danach Standardmodell

Ein Vergleich der Ausbreitung der Gasphase im Motor- und im Strahlcode (diese wird nämlich in beiden Codes berechnet!) verschafft zusätzliche Sicherheit über die Korrektheit der Berechnung. Die bisher diskutierten Modelle (modifizierter Lagrange-Ansatz sowie lokal-homogene 2-Phasenströmung) sind als Strahlcodes geeignet. Der üblichste Ansatz ist aber ein 1D-Euler-Code, das ICAS-Modell (Integrated Cross-Averaged Spray Model). Hier werden echte 2-Phasen-Euler-Gleichungen für Tropfenklassen über den Strahlquerschnitt (d. h. innerhalb des Strahlkegels) gemittelt. Mit dieser Mittelung werden auch Diffusionsterme weitgehend eliminiert; die verbleibenden werden gegenüber der dominanten Konvektion vernachlässigt. Der wesentliche Einfluss der Diffusion steckt implizit im Strahlkegelwinkel, der einen Eingabeparameter darstellt. Zur Ableitung geht man sinnvollerweise auf Gl. (16.71) zurück. Die Gleichungen für die Flüssigphase lauten , in diesen Gleichungen sind alle Grö(wir verzichten auf alle Mittelungssymbole wie ßen gemittelt bzw. effektiv zu verstehen): 3U ges c fl RV w 2 w 2 r U ges c fl  r U ges v fl c fl r2 , (16.107) R wt wr













w 2 w 2 r U ges c fl vtr  r U ges c fl vtr2 wt wr









w 2 w 2 r U ges c fl R  r U ges vtrl c fl R wt wr







r2



w 2 w 2 r U ges c fl Ttr  r U ges vtr c fl Ttr wt wr











3U ges c fl RV R

vtr  r 2 U ges c fl Dtr (vtr  vg ) ,



r 2 U ges c fl 4 RV  R Z , r 2 U ges c fl TA  r 2

Analog sind Gleichungen für die Gasphase formulierbar 3U ges c fl RV w 2 w 2 r U ges cg  r U ges vg cg r 2 ( , R wt wr







w 2 w 2 r U ges cg vg  r U wt wr

2 ges v g c g



r 2



(16.108)

3U ges c fl RV R

(16.109)

3U ges c fl RV R

Ttr .

vtr  r 2 U ges c fl DR (vg  vtr ) .

(16.110)

(16.111) (16.112)

Hierbei bezeichne ( das Entrainment, d. h. das Ansaugen von Luft als Quellterm der Strahl-Gasmasse. Gl. (16.111) muss nicht mitgelöst werden, da die restlichen Gl. (16.107) bis (16.110) und (16.112) ein 5-dimensionales Gleichungssystem für fünf Variable bilden

16.3 Euler-Strahlmodelle

645

( c fl , vg , vtr , R, Ttr ) ; vielmehr kann sie dazu benützt werden, den Entrainmentquellterm E zu berechnen. Die r2-Terme sind Maßfaktoren, die durch die Geometrie des Problems (Kegel) induziert werden. Dieses Modell hat hyperbolischen Charakter, ist gut lösbar und beinhaltet trotz seiner Einfachheit viele Effekte der Strahldynamik. Insbesondere treten aufgrund des hyperbolischen Charakters typischerweise „stoßwellenartige“ Strukturen auf, wenn etwa die Flüssigphase (eines kalten, nichtverdampfenden Strahles) im Strahl der Gasphase vorauseilt, bis sie an der Strahlspitze dann auf eine „Stoßfront“ ruhenden Gases trifft und dadurch abgebremst wird. In summa bildet sich an der Strahlspitze eine Flüssigkeitsansammlung, die Strahlspitze bewegt sich nach dem Gesetz des stationären Gasfreistrahls Gl. (16.95)! Diese Stoßfront kann durch Hugoniot’sche Stoßbedingungen charakterisiert werden (siehe Abb. 16-12, aus Krüger (2001)). Wie im dreidimensionalen Falle lassen sich wieder mehrere Tropfenklassen einführen, wobei jede nun durch einen Gleichungssatz (16.107) bis (16.110) beschrieben wird. Geschwindigkeiten t = 0.5ms

Geschwindigkeiten t = 1.0ms

1.0 Fluessigkeit r = 30mu Gas r = 30mu Fluessigkeit r = 5mu Gas r = 5mu Freistrahl

0.6 0.4 0.2 0.0 0.0

0.8

u/uinj [-]

u/uinj [-]

0.8

1.0 Fluessigkeit r = 30mu Gas r = 30mu Fluessigkeit r = 5mu Gas r = 5mu Freistrahl

0.6 0.4 0.2

1.0 2.0 3.0 4.0 Abstand zum Injektor [cm]

5.0

0.0 0.0

1.0 2.0 3.0 4.0 Abstand zum Injektor [cm]

5.0

Abb. 16-12: Strahlsimulation mit ICAS-Ansatz (Krüger 2001): Ausbreitungsverhalten verschiedener (nichtverdampfender) Strahlen bei unterschiedlichen Tropfengrößen. Die Strahlspitze breitet sich immer gleich, wie ein stationärer Gasfreistrahl aus.

Die detaillierte Beschreibung der praktischen Umsetzung eines derartigen Ansatzes (ICAS) in motorischen CFD-Codes findet sich in Otto et al. (1999) oder Krüger (2001). Das Verfahren hat sich gerade auch in der Praxis äußerst gut bewährt (siehe auch Abb. 16-13), insbesondere, da es auch das Problem der Düsenauflösung (zumindest etwas) entschärft. Leider ist weder ein 1D-Eulermodell noch die standardmäßige Einbettung eines anderen Strahlcodes in einem motorischen CFD-Code bisher kommerziell verfügbar. Der erforderliche Programmierungsaufwand (1D-Code, Einbettungs-Schnittstelle, Übergang auf Standard-Modell im Motor-Code) ist als sehr hoch einzuschätzen. Von daher ist dieser Ansatz für die meisten Anwender leider nicht wirklich empfehlenswert bzw. zugänglich.

646

16 Simulation von Einspritzprozessen

10 2 1 0.7

< < <
> 1. Komplizierter ist die Situation für kleinere Damköhler-Zahlen, d. h. sobald die Reaktionskinetik ablaufbestimmend wird, wir im Dreieck in Abb. 17-1 „nach oben“ gehen. Dann ist eine Zeitskalentrennung Turbulenz-Chemie nicht mehr durchführbar, hochkomplexe Ensemblemittelung ist für eine korrekte Berechnung erforderlich. Modellierungstechnisch günstig sollten sich somit der vorgemischte Ottomotor, der Schichtladungsottomotor und der konventionelle, stark diffusionsverbrennungsdominierte Dieselmotor gestalten. Das ist in der Tat auch genau das Ergebnis, was man in praxi findet.

17.2 Allgemeines Vorgehen

653

Homogene Selbstzündung / Raumzündung Ottomotor mit Raumzündung

Homogene Dieselverbrennung

Klopfender homogen vorgemischter Ottomotor Konventionelle Dieselverbrennung

Diffusionsverbrennung

Homogen vorgemischter Ottomotor

Ottomotor mit Schichtladung

Flammfrontverbrennung

Abb. 17-1: Darstellung der verschiedenen motorischen Verbrennungsregimes

17.2

Allgemeines Vorgehen

Gehen wir nun zum eigentlichen Prozess der Verbrennungssimulation über. Zunächst sei das allgemeine Vorgehen dargestellt. Als erstes ist die thermodynamische Korrektheit des Modells und der Randbedingungen sicherzustellen. Dies geschieht sinnvollerweise unter Verwendung standardisierter 1D- und 0D-Codes. Insbesondere bei dieselmotorischen Applikationen ist zu beachten, dass das Realgasverhalten1 (d. h. das Verhalten, das sich durch ein Abweichen von der idealen Gasgleichung manifestiert) bereits eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Allerdings sind auch Bauteilelastizitäten (Kolben, Zylinderkopfschrauben) von Relevanz, und beide Effekte haben (zumindest in ihrer Auswirkung auf den Druckverlauf) unterschiedliche Vorzeichen, idealerweise können sie sich in etwa kompensieren. Realgasverhalten ist in kommerziellen motorischen CFD-Codes derzeit leider nicht verfügbar. Im zweiten Schritt sollte das Augenmerk auf dem Druckverlauf in der Expansionsphase (d. h. nach Brennende) liegen. Hier existieren wiederum zwei typische Fehlerquellen, zum einen ein zu niedrig berechneter Wandwärmeübergang, der für zu hohe Druckwerte in der Simulation sorgt, andererseits eine zu schlechte Gemischbildung (typisch bei dieselmotorischen Volllastrechnungen), die für zu niedrige Druckwerte verantwortlich ist. Doch selbst wenn die Druckkurve genau „passen“ sollte, deutet dies noch nicht notwendigerweise auf eine korrekte Beschreibung der Verbrennung hin. Es ist durchaus nicht unüblich, dass sich dann beide Fehler gerade kompensieren (aber natürlich nur in der Druckkurve!). Zur korrekten Berechnung des Wandwärmeübergangs sei auf das in Kapitel 17.2.3 Gesagte verwiesen: es müssen Netze mit korrekten (y+)-Werten verwendet werden, und man sollte die Han-Reitz-Formulierung (17.53) applizieren. Dennoch wird man damit mitunter immer noch zu niedrige Wandwärmeübergänge berechnen. Ein Grund hierfür ist der fehlende Wärmeübergang aufgrund von Rußstrahlung. Solange nichts Bes-

1

Gerade im motorischen Kontext wird der Begriff „Realgas“ häufig unkorrekt gebraucht. „Realgasverhalten“ bezieht sich auf den Fall, dass die innere Energie volumen- oder druckabhängig wird (also z. B. auf ein Van-der Waals’sches Gas, siehe auch Stumpf und Rieckers [1976]). Ein Gas, bei dem lediglich die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme berücksichtigt wird, ist nach wie vor ein ideales Gas. Auch ein inertes Gemisch idealer Gase ist selbst ideal.

654

17 Simulation der Verbrennung

seres verfügbar ist, besteht der einfachste Weg zur „Korrektur“ in einer Skalierung des Wandwärmeübergangs, so dass sich global der gewünschte Wert ergibt. Dieser Zielwert kann aus einer Brennverlaufsanalyse erhalten werden. Kritischer ist der andere Fall, wenn bei Diesel- oder Benzinmotoren mit Schichtladung die Druckkurve nach Brennende zu niedrig (d. h. niedriger als die experimentelle Kurve oder eine mit einem 0D-Programm berechnete Kurve) liegt. Dann liegt vermutlich ein rechnerisches Gemischbildungsdefizit vor. Es muss betont werden, dass an dieser Stelle bei einem Vergleich zwischen 0D- und 3D-Simulation in der Regel der 0D-Simulation mehr zu trauen ist. Ein 0D-Programm mag ein für den konkreten Applikationsfall unpassendes (bzw. schlecht abgestimmtes) Verbrennungsmodell besitzen, aber nach Brennende sollten alle Druckkurven unabhängig vom konkreten Brennverlauf eng beieinander liegen, wenn nur die gleiche Menge Kraftstoff umgesetzt worden ist. 0D-Programme arbeiten aber meist mit experimentell gut abgestimmten Umsatzraten. Nicht so die 3D-Simulation. Die globale Umsatzrate ist hier kein Eingabeparameter, sondern ergibt sich aus der CFDBerechnung von Strömung, Gemischbildung und Verbrennung. Wenn nun als Konsequenz einer fehlerhaften Gemischbildungsberechnung lokal eine fette Gemischzone mit O  1 vorliegt, dann müssen hier unverbrannter Kraftstoff bzw. brennbare intermediäre Spezies (wie z. B. H2, CO, siehe unten) fortexistieren. Und kein 3D-Verbrennungsmodell der Welt (das als solches immer lokal formuliert ist) kann dieses Problem lösen. Es lohnt also nicht, in diesem Falle nach besseren Verbrennungsmodellen Ausschau zu halten, das Strahlmodell ist der Täter. Dessen Problematik haben wir aber im letzten Abschnitt schon zur Genüge diskutiert. Eine Ad-hoc-Maßnahme, die in der Tat auch „hilft“, ist die Erhöhung der Einspritzgeschwindigkeit, etwa auf völlig unphysikalische Werte jenseits der Bernoulli-Geschwindigkeit. Dieses Vorgehen sei ausdrücklich nicht empfohlen. Sind nun Thermodynamik und Gemischbildungssimulation weitgehend unter Kontrolle, d. h. der Druckverlauf in Kompression und Expansion ist korrekt bzw. plausibel (je nach Vergleichs- bzw. Validierungsmöglichkeit), können wir uns mit der Analyse der eigentlichen Verbrennung beschäftigen. Hierzu wird typischerweise nicht der Druckverlauf, sondern der Brennverlauf verwendet. Experimentell ergibt sich aus dem Druckverlauf durch Indizierauswertung der Heizverlauf; mittels Wärmeübergangsmodell folgt daraus der Brennverlauf. In der 3D-Simulation liegt es nun nahe, den Brennverlauf durch Summation der Wärmefreisetzungsraten über alle Zellen zu gewinnen. Dieses Vorgehen ist jedoch mit dem experimentellen Vorgehen nicht kompatibel! Denn wenn in einem abgeschlossenen Raum mit adiabaten Wänden sich im Druckgleichgewicht befindliche Gase verschiedener Temperatur gemischt werden, kommt es zu einem Druckanstieg (dies ist im Wesentlichen ein Effekt temperaturabhängiger Wärmekapazitäten, die rechnerische Ableitung sei dem Leser zur Übung überlassen). Betrachten wir nun zwei Fälle: Im ersten Fall ereigne sich die Wärmefreisetzung homogen im Raume, im zweiten Falle inhomogen, erst anschließend komme es dann zur Mischung. Das Gesamtsystem sei abgeschlossen, die integrale Wärmefreisetzung gleich. Da Druck und innere Energie Zustandsgrößen sind, müssen die Endzustände in beiden Fällen identisch sein, weil im zweiten Falle aber mit dem Mischungsprozess ein Druckanstieg verbunden ist, muss der Druckanstieg beim vorhergehenden Prozess der inhomogenen Verbrennung geringer ausfallen als beim homogenen Verbrennungsprozess im ersten Falle. Übertragen auf das motorische Problem bedeutet dies aber, dass der aus der 3D-Simulation gewonnene Brennverlauf als Raumintegral im Vergleich zu dem durch Indizierauswertung gewonnenen nach früh verschoben ist (siehe Abb. 17-2). Für einen Vergleich von Brennverläufen aus Messung und Rechnung sollte man daher am besten beide Druckkurven einer Indizierauswertung unterziehen.

655

250

1250

200

1000

150

750 DVA Messung DVA Simulation Chemischer BV

100 50 0 -20

500 250

Summenbrennverlauf [J]

Brennverlauf [J/ °KW]

17.3 Diesel-Verbrennung

0 0

20

40 °KW

60

80

100

Abb. 17-2: Vergleich zweier Brennverläufe aus der 3D-Simulation, durch Raumintegration und durch Indizierauswertung erzeugt. Der durch Raumintegration gewonnene Brennverlauf liegt etwas früher

17.3

Diesel-Verbrennung

Bei der Hauptphase der Dieselverbrennung handelt es sich um Diffusionsverbrennung, d. h. die turbulente Zeitskala ist dominant (Da >>1). Selbstzündung und Vormischverbrennung (die eben gerade nicht der ottomotorischen Vormischverbrennung entspricht) sind stärker reaktionskinetisch beeinflusst, d. h. die Damköhler-Zahl ist wesentlich kleiner. Das gleiche gilt für die Schadstoffbildung. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Verbrennungssimulation überhaupt notwendig ist. Ist nicht der entscheidende Prozess beim Dieselmotor die Gemischbildung, reicht von daher nicht eine Simulation der Gemischbildung aus, um das motorische Verhalten zu analysieren? Im Prinzip ist dieser Ansatz je nach Fragestellung nicht ganz falsch, allerdings wird die Gemischbildung durch lokale Expansionseffekte, die durch die Verbrennung verursacht werden (lokal brennende Zonen werden sehr heiß und dehnen sich daher aus), stark beeinflusst. Von daher ist die Verbrennung nicht vernachlässigbar. Im übrigen hilft die Verbrennung, deutliche Fehler in der Gemischbildungssimulation zu finden, etwa wenn größere Mengen an unverbranntem Kraftstoff, CO oder H2 am Ende der Berechnung übrigbleiben. Im Folgenden wird zunächst die Simulation der Wärmefreisetzung behandelt und anschließend die komplexeren Phänomene der Zündung und Schadstoffbildung.

17.3.1

Simulation der Wärmefreisetzung

Die Hauptphase der Dieselverbrennung kann als turbulente Diffusionsflamme betrachtet werden, d. h. sie läuft mischungskontrolliert ab, nach der Formel „gemischt = verbrannt“. Mit Diffusion ist hier die turbulente Diffusion gemeint.

656

17 Simulation der Verbrennung

„ Eddy-Breakup-Modelle

Der einfachste Ansatz zur Modellierung einer turbulenten Diffusionsflamme ist das so genannte „Eddy-Breakup-Modell“. In einem solchen Modell werden in die SpeziesTransportgleichungen vom Typ (17.14) Quellterme Q eingefügt, die mit Spezieskonzentrationen und der inversen turbulenten Längenskala skalieren, d. h. sie beschreiben Zerfalls- bzw. Bildungsprozesse, die mit der turbulenten Zerfallszeit k Wt v

H

ablaufen, z. B.

Qv

Wt

c AcB ,

(17.2)

Entsprechend der Umsatzrate wird eine Wärmefreisetzung berechnet. Zur Beschreibung der Dieselverbrennung muss aber noch der Verbrennungsfortschritt modelliert werden. Der bekannteste und am weitesten verbreitete Ansatz hierfür ist das Mixing-Time-Scale-Modell (siehe Patterson und Reitz (1998)). Dort wird aus der turbulenten und einer chemischen Zeitskala ( W t und W chem ) eine effektive Zeitskala W eff gebildet, mit der die Verbrennungsprozesse ablaufen

W eff

W chem  f W t ,

f

1  exp(r ) 1  exp(1)

, W chem  W t

cP

H

k

,

(17.3)

wobei r den Massenbruch sämtlicher Reaktionsprodukte bezeichnet. Zu Beginn der Reaktion ist f 0 , d. h. die effektive Zeitskala entspricht der (kleinen) chemischen Zeitskala, die Reaktion läuft sehr schnell ab, es kommt zum „Vormischpeak“. Mit der Zunahme an Reaktionsprodukten wächst f (bis maximal 1), es gilt nun W eff | f ˜W t , d. h. wir haben jetzt eine Diffusionsverbrennung. Das Mixing-Time-Scale-Modell verwendet üblicherweise sieben Spezies, N2, O2, Kraftstoff, H2O, CO2, CO und H2. Aus einer gegebenen Konzentrationsverteilung ( c( k ) , k 1! 7 ) wird die korrespondierende Gleichgewichtsverteilung (c*(k), k = 1…7) berechnet. Dann wird davon ausgegangen, dass jede Spezies mit der Zeitskala W eff ins lokale Gleichgewicht strebt §w · w · w § w ck ¸  vi ¸ ck  ¨ Dt U wxi ¹ wxi © wxi ¹ © wt



U

c(*k )  ck

W eff

.

(17.4)

Der chemische Gleichgewichtscode für das Mixing-Time-Scale-Modell arbeitet üblicherweise mit zwei Lambda-Regimes. Die Grenze zwischen diesen beiden Regimes ist durch das Luft-Kraftstoffverhältnis gegeben, an dem der Kraftstoff mit dem vorhandenen Sauerstoff komplett zu CO und H2 umgesetzt werden kann. Im „fetten“ Regime, dessen Lambdawerte niedriger sind als dieser Grenzwert, wird das Gleichgewicht so bestimmt, dass der gesamte verfügbare Sauerstoff dazu eingesetzt wird, aus Kraftstoff CO und H2 zu erzeugen. Zusätzlich bleibt aber noch unverbrannter Kraftstoff übrig. Im „mageren“ Regime, dessen Lambdawerte höher sind als der Grenzwert, wird davon ausgegangen, dass kein Kraftstoff übrigbleibt. Neben dem nichtreaktiven N2 verbleiben somit noch fünf reaktive Spezies, H2O, H2, O2, CO und CO2. Deren Gleichgewichtskonzentration wird berechnet über die drei Elementmassenbrucherhaltungsgleichungen (für C, O und H), sowie zwei Beziehungen, die aus dem Massenwirkungsgesetz folgen

17.3 Diesel-Verbrennung

>CO 2 @ >CO@ >O 2 @ 0,5 >H 2 O@ >H 2 @ >O 2 @ 0,5

657

K C ( p, T ) ,

(17.5) K H ( p, T ) .

Aus diesen fünf Gleichungen ergibt sich ein Polynom vierten Grades, das sich mit der entsprechenden Lösungsformel analytisch lösen lässt. Ergebnisse dieses Gleichgewichtssolvers sind in Abb.17-3 dargestellt. Entsprechend den Reaktionsraten der Spezies wird über deren spezifische Reaktionsenthalpien h(k ) ein Quellterm für die Enthalpiegleichung ermittelt q

U ¦ h( k ) c( k ) .

(17.6)

k

Mit diesem Sieben-Spezies-Ansatz können lokale Zustände auch im Fetten recht gut abgebildet werden. Sowohl in der Modellierung der reaktionskinetischen Einflüsse als auch in der Turbulenzinteraktion ist der Ansatz des Mixing-Time-Scale-Modells allerdings noch sehr einfach. Dennoch kann man mit dieser Modellierung bereits prinzipielle Abhängigkeiten und Mechanismen der dieselmotorischen Verbrennung analysieren. Anstatt mit 7 Spezies lässt sich auch mit weniger, minimal mit 3 Spezies arbeiten:

y Oxidator (Luft + rückgeführtes Restgas), y Kraftstoff, y Verbrennungsprodukt.

T=2000K, p=100bar, Z

0 ,1

Massenbruch yi [-]

1 0.8 0.6

Kraftstoff O2 N2 CO2

H2O CO H2

0.4

0.6

0.4 0.2 0

0

0.2

0.8

1

Mischungsbruch Z [-]

Abb. 17-3: Verteilungen der 7 Spezies über dem Kraftstoffmassenanteil bzw. dem Mischungsbruch

Diese drei Spezies sind formaler Natur; typischerweise wird die folgende Reaktionsgleichung aufgestellt (die Summenformel des Kraftstoffs laute CmHn): n· § ¨m  ¸ 2¹ © >0,21 ˜ O2  0,79 ˜ N 2 @  Cm H n o mCO2  nH 2O  0,79 §¨ m  n ·¸ N 2 0,21 0,21 © 2¹

(17.7)

Die rechte Seite vertritt die Spezies „Produkt“. Etwa vorhandenes Restgas ist noch zusätzlich auf beiden Seiten zu addieren.

658

17 Simulation der Verbrennung

„ E-pdf-basierte Modelle

Die Modellierung des Diffusionsanteils kann mit dem so genannten pdf-Time-ScaleModell, vgl. Rao und Rutland (2002), verbessert werden. In diesem Modell werden zusätzlich zu den Speziestransportgleichungen Transportgleichungen für Mischungsbruch und Mischungsbruchvarianz gelöst, aus denen unter Einsatz der E-pdf lokale Mittelwerte ) ermittelt werden (siehe Kapitel 14.2.4). Die Speziestransder relevanten Spezies c((kpdf )

portgleichungen lauten nun

§w w w · ¸c ( k )  U ¨¨  vi ¸ wxi wxi ¹ © wt

· § w ¨ Dt U c ( k ) ¸¸ ¨ wxi ¹ ©

U

)  c(k ) c ((kpdf )

W chem

.

(17.8)

) Der turbulente Mischungsprozess, der mit der Zeitskala Wt abläuft, ist in dem Term c((kpdf )

beschrieben, da dieser in einer Zeit der Größenordnung Wt gegen den lokalen Gleichge* wichtswert bei homogener Mischung, c(k ) , strebt ) c((kpdf | )

) c(*k )  c ((kpdf )

Wt

.

(17.9)

Der Vormischanteil ist damit freilich noch immer mit demselben „phänomenologischen“ Ansatz abgebildet, aber die Turbulenzinteraktion ist nun deutlich detaillierter beschrieben. Dies ist hilfreich insbesondere für Volllastverbrennungen, bei denen der Vormischanteil nur eine geringe Bedeutung hat. ) Wie berechnet sich c((kpdf ) ? In der Originalformulierung des Modells wird dazu eine Mittelung über den Mischungsbruch Z (mit ȕ-Verteilung) und die skalare Dissipationsrate F (mit Gauss-Verteilung) durchgeführt ) c ((kpdf )

³ dZ ³ dF p E (Z ) pdf Gauss ( F ) c(k ) (Z , F ) .

(17.10)

Zur Berechnung dieses Integrals ist aber die Kenntnis der Funktionen c( k ) ( Z , F ) von Nöten! Die Ermittlung dieser Funktionen, der so genannten Flamelets, erfordert aufwendige reaktionskinetische Berechnungen an laminaren Gegenstromflammen. Die skalare Dissipationsrate hat die Bedeutung einer effektiven Diffusion im Mischungsbruchraum und ist für so genannte Flammenstreckungseffekte, d. h. laminare Fließgleichgewichte zwischen Diffusion und Reaktion, verantwortlich. Im Prinzip wird hiermit der Diffusionsflammenansatz „gemischt = verbrannt“ verlassen, die Chemie wird nicht mehr als „unendlich schnell“ betrachtet. Nun ist aber die Reaktionskinetik gerade in der dieselmotorischen Diffusionsflammenphase aufgrund der hohen Temperaturen wirklich sehr schnell, und Effekte einer endlich schnellen Reaktionskinetik sind ja auf eine sehr phänomenologische Art bereits in der chemischen Zeitskala W chem berücksichtigt. Daher ist es empfehlenwert, die Flammenstreckungseffekte zu vernachlässigen und als reaktionskinetische Basis die Sieben-Spezies-Gleichgewichtskinetik wie oben geschildert zu applizieren, siehe Steiner ) et al. (2004). Der Rechen- und Modellierungsaufwand vereinfacht sich enorm. c((kpdf ) berechnet sich nun zu

³ dZ p E (Z ; 1

) c ((kpdf )

0

Z , Z cc 2 ) c (*k ) ( Z ) .

(17.11)

17.3 Diesel-Verbrennung

659

Die Verteilungsfunktion p E ist die E-Funktion mit dem Mittelwert Z und der Varianz Z cc 2 . Die Funktionen c(*k ) ( Z ) sind die in Abb. 17-3 dargestellten (idealerweise ist dabei noch zu berücksichtigen, dass die Temperatur über dem Mischungsbruch nicht konstant ist).

Die Funktionen c(*k ) ( Z ) sind stückweise recht linear. Damit bietet sich ein sehr effizientes Integrationsschema für das Integral (17.11) an. Man zerlege die Z-Achse in Intervalle, in denen die Funktionen c(*k ) ( Z ) linear (oder auch quadratisch) approximierbar seien. Das Produkt einer E-Verteilungsfunktion mit einer in Z linearen Funktion ergibt aber gerade die Linearkombination zweier E-Verteilungsfunktionen N (a, b) 1 (1  Z ) a 1 Z b 1 ˜ ( A  B ˜ Z )

AN (a, b) 1 (1  Z ) a 1 Z b 1  BN (a, b) 1 (1  Z ) a 1 Z b

. (17.12)

Somit müssen nur Integrale der Form B(a, b; x)

N ( a, b)

1

³ dZ Z x

a 1

(1  Z ) b 1

0 d x d1

(17.13)

0

gelöst werden, die in der Literatur als unvollständige -Funktion bezeichnet werden. Zu ihrer Berechnung existieren sehr effiziente Algorithmen. Ein effizientes Verfahren zum Lösen der Integrale (17.11) ist aber entscheidend, denn diese müssen in jedem Zeitschritt in jeder Rechenzelle berechnet werden. Und E-Verteilungsfunktionen können sehr unangenehme Formen annehmen (bei jedem Z-Wert ist ein beliebig scharfer Peak möglich). Mit dem pdf-Time-Scale-Modell lassen sich (zusammen mit einem korrekten Strahlmodell) sehr gute Vollastergebnisse erzielen. In Abb. 17-4 ist ein Beispiel dafür dargestellt.

2° KW n.OT

7° KW n.OT

15° KW n.OT

20° KW n.OT

Abb. 17-4: Simulation der Verbrennung eines NFZ-Dieselmotors mit dem pdf-Time-Scale-Modell. a) Vergleich von experimentellem und berechnetem Druckverlauf, b) Vergleich Temperatur-Isofläche (Simulation) mit Filmaufnahme aus einem Transparentaggregat (links)

660

17 Simulation der Verbrennung

„ ECF-(Extended-Coherent-Flame)-Modelle

Diese Modellklasse rührt von den ottomotorischen CFM-(Coherent-Flame)-Modellen her, die eine Flammfrontverbrennung beschreiben, siehe auch Abschnitt 17.4.3. Sie sind jedoch für die dieselmotorische Applikation modifiziert. Es gibt nun keine Flammfrontausbreitung mehr, im Verbrennungsdreieck (Abb.17-1) befinden wir uns nicht mehr auf der Basislinie sondern auf dem linken Schenkel; es findet eine Mittelung zwischen Selbstzündung (sehr schnelle Reaktionskinetik) und Diffusionsverbrennung, nicht aber zwischen Flammfrontausbreitung und Diffusionsverbrennung statt. Typischerweise werden lokal mehrere Zonen eingeführt:

y Luftseite; ungemischt y Kraftstoffseite; ungemischt y Mischzone (Luft + Restgas) + Kraftstoff + Verbrennungsprodukt

Es werden nun Speziestransportgleichungen für die einzelnen Zonen formuliert; ein Transfer von „Ungemischt“ nach „Gemischt“ ereignet sich als turbulenter Mischungsprozess mit der turbulenten Zeitskala; die Reaktion in der Mischzone läuft wie in einem homogenen Reaktor ab. Es bezeichne cK,u die Konzentration an ungemischtem Kraftstoff, cOx,u die Konzentration an ungemischtem Oxidator (Luft und Restgas), cK,g die Konzentration gemischten Kraftstoffs, cOx,g die Konzentration gemischter Luft und cP die Konzentration an Verbrennungsprodukten. Eine typische Modellierung könnte dann folgendermaßen aussehen:









w U c K ,u  w U v j c K ,u  w wx j wx j wt



w U c Ox ,u  w U v j c Ox ,u wx j wt w U c K , g wt

w U c Ox , g wt

w U c P wt







w U v j c K ,g wx j



· § ¨ D t U w c K ,u ¸  A H c K ,u  q Verd ¸ ¨ w x k j ¹ © · w §¨ w ~H  Dt U c Ox ,u ¸  A c Ox ,u ¨ ¸ wx j © wx j k ¹ · § w §¨ w H T · ¸¸  Dt U c K , g ¸ A c K ,u  Bc K , g exp ¨¨  ¸ w x j ¨© wx j T k akt ¹ © ¹





· ~H § § T · ¨ D t U w c Ox , g ¸ A ¸¸ c Ox ,u  O Bc K , g exp ¨¨  ¸ ¨ wx j k © T akt ¹ ¹ © · § w §¨ w T · ¸¸  Dt U c P ¸ 1  O Bc K , g exp ¨¨  ¸ w x j ¨© wx j T akt ¹ © ¹

(17.14)

w w U v j c Ox , g  wx j wx j



w U v j cP wx j



wobei O das stöchiometrische Luft-Kraftstoffverhältnis, qVerd den Verdampfungsquellterm ~ ~ und Takt eine Aktivierungstemperatur sowie A, A , B und B Modellkonstanten bezeichnen. Prinzipiell ist die Einteilung in 2 Zonen (unter anderem „Gemischt“ vs. „Ungemischt“) sehr einfach, der E-pdf-Ansatz ist da fortschrittlicher. Deshalb stellt ein ECF-Modell vielleicht eine kleine Verbesserung relativ zum Mixing-Time-Scale-Modell dar, da es eine bessere Behandlung von Vormisch- und Diffusionsverbrennung erlaubt, indem es diese als hintereinandergeschalteten Prozess betrachtet (erst gelangt Kraftstoff in die Mischzone, und dann verbrennt er). Aber es beschreibt die Verbrennung weniger detailliert als ein pdf-Time-Scale-Modell, das ein Kontinuum von Gemischzuständen modelliert und nicht nur zwei. Hin und wieder werden daher auch in ECF-Modellen E-pdfs eingeführt (etwa zur Beschreibung der Mischzone), aber dadurch wird die Modellierung komplexer, unhandlicher und unnatürlicher als zuvor. Ein Vorteil gegenüber dem pdf-Time-ScaleModell ist nicht ersichtlich. Da allerdings ECF-Modelle in heutigen CFD-Codes sich

17.3 Diesel-Verbrennung

661

größter Beliebtheit erfreuen, ist man unter Umständen nicht ganz frei in der Wahl des Verbrennungsmodells und muss eben mit einem ECF-Ansatz vorlieb nehmen. „ Das Problem der Verteilung der Fortschrittsvariablen

Bei der Diskussion der Verbrennungsmodelle konnte man sehen, dass es durchaus sinnvolle Ansätze zur Beschreibung einer Diffusionsverbrenung gibt. Schwierigkeiten bereitet der vorgemischte, chemiedominierte Anteil der Verbrennung. Der Grund dafür liegt darin, dass man keine Information darüber hat, wie sich der Reaktionsfortschritt in Anhängigkeit von den lokalen Gemischbedingungen (d. h. in erster Linie vom Mischungsbruch) gestaltet, oder anders ausgedrückt, wie eine Fortschrittsvariable im Flamelet zu verteilen ist. Es gibt dazu eine ganze Reihe von Ansätzen in der Literatur, wobei sich keiner bisher durchsetzen konnte (siehe z. B. Steiner et al. (2004) oder Lehtiniemi et al. (2005)). Auch die instationären Flamelets (Representative Interactive Flamelets, RIF) gehören in diese Reihe (siehe Peters (2000)). Die so genannten Conditional-Moment-Closure(CMC)-Modelle könnten sich unter Umständen als der theoretisch am besten motivierte Weg hier langfristig durchsetzen (siehe dazu Bilger (1993) und Klimenko und Bilger (1999)). Dabei werden Transportgleichungen für mittlere Spezieskonzentrationen ci Z , die bei einem bestimmten Mischungsbruchwert Z vorliegen (d. h. konditioniert sind), gelöst: UZ

wQD wQ w 2QD  U Z vi D  UF Z wt wxi wZ 2

UY Z ,

(17.15)

wobei das Symbol X Z immer die beim Mischungsbruchwert Z konditionierte Größe X bezeichne (dies gilt damit auch für Fortschrittsvariable, da es sich bei diesen typischerweise um ausgewählte Spezieskonzentrationen handelt). Die lokalen Ensemblemittelwerte ergeben sich nach Integration der konditionierten Größen über Z. Der Term auf der rechten Seite von Gl. (17.15) stellt die konditionierte Reaktionsrate dar, und ergibt sich üblicherweise unschwierig aus der Reaktionskinetik. Der dritte Term links ist der kritischste; er entsteht aus dem Diffusionsterm einer Standard-Transportgleichung durch Transformation von der Raumkoordinate x auf den Mischungsbruch Z und stellt somit den Mischungs- oder Diffusionsterm im Z-Raum dar. Er kann z. B. aus der Zeitentwicklung der Mischungsbruch-Verteilungsfunktion (etwa der -pdf aus Kapitel 14.2.4) entnommen werden. Dazu wird verwendet, dass diese Verteilungsfunktion eine Kontinuitätsgleichung erfüllen muss: w ª w ª w2 U Z ˜ pE ( Z ) ¼º  U Z vi pE ( Z ) ¼º  2 ¬ª UF Z pE ( Z ) ¼º wt ¬ wxi ¬ wZ

0.

(17.16)

Da die räumlich-zeitliche Entwicklung von pE ( Z ) bekannt ist (letztlich ist sie über die Zeitentwicklung von Z und der Varianz von Z gegeben, siehe Gl. (14.32) und (14.55)), kann aus (17.16) der Term UF Z (die konditionierte skalare Dissipationsrate) berechnet und dann in (17.15) eingesetzt werden. Dieses Verfahren ist allerdings sehr aufwendig, denn zum Transport einer einzigen Konzentration c sind jetzt mehrere Transportgleichungen erforderlich, da ja jede der „Stützstellen“ der c-Verteilung im Mischungsbruchraum Q( Z n ) c Z n separat zu transportieren ist. Bisher kamen zum Transport eines Skalars höchstens zwei Gleichungen (für Mittelwert und Varianz) zum Einsatz. Es gibt allerdings bereits erste Ansätze für die motorische Applikation, siehe De Paola et al. (2008).

662

17.3.2

17 Simulation der Verbrennung

Zündung

Die Simulation der Zündung ist ein besonders schwieriges Problem, da hier die Zeitskalen von Strömung und (gerade in diesem Falle sehr komplexer) Reaktionskinetik ähnlich groß sind. Es existieren zwar schon reaktionskinetische Mechanismen für viele Kohlenwasserstoffe wie z. B. Heptan, das aufgrund vergleichbarer Cetanzahl (ungefähr 50) ganz gut geeignet ist, das Selbstzündverhalten von Dieselkraftstoff abzubilden (aber auch für Dodekan und Į-Methylnaphtalin). Aber letztlich nutzt diese Information nicht viel, wenn die Turbulenzinteraktion fehlt. Ein Weg besteht nun darin, die Turbulenzinteraktion zu ignorieren und einen Quellterm basierend auf laminarer, detaillierter Reaktionskinetik einzuführen. Allerdings ist dieser Ansatz derart fehlerhaft, dass es den hohen Aufwand der Berechnung nicht unbedingt lohnt. Eine häufig beschrittene Alternative, die wenigstens mit geringerem Aufwand verbunden ist, besteht in der Verwendung phänomenologischer, reduzierter Reaktionskinetik; zu nennen wäre etwa die Verwendung des adaptierten Shell-Modells nach Halstead et al. (1977) oder noch einfachere phänomenologische Ansätze auf Basis einer Wolfer-Gleichung (Wolfer (1938)). Eine typische Modellierung könnte derart aussehen, dass man eine Indikator-Spezies c I definiert; wird an einem bestimmten Raumpunkt ein vorgegebener ( 0) Schwellwert c I erreicht, kommt es lokal zur Zündung (d. h. das Wärmefreisetzungsmodell wird aktiviert). Für c I wird eine Transportgleichung gelöst, etwa mit einem Quellterm nach Wolfer (1938):

§w · p w · w § w § E · ¸c I  ¨ Dv U c I ¸¸ Aid U f (O ) exp¨  id ¸  vi (17.17) ¸ ¨ t p0 wxi ¹ wxi © wxi ¹ © T ¹. © wt Aufwendigere Ansätze mit Turbulenzeinfluss arbeiten nach dem Flamelet-Konzept. Unglücklicherweise ist die Reaktionskinetik aber zu langsam, als dass eine Gleichgewichtsannahme berechtigt ist. Deshalb kann man dazu überzugehen, nur die Quellterme einer Transportgleichung (z. B. für einen Zündindikator) mit einem Flameletmodell (d. h. über Mischungsbruchmittelung) abzubilden. Als Indikator hat sich u. a. CO als sinnvoll erwiesen, da die Zunahme der CO-Konzentrationen relativ monoton den Zündprozess abbildet. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass nun der CO-Quellterm wieder vom Reaktionsfortschritt (in unserem Falle der CO-Konzentration selbst) abhängt. Die Verteilung von Fortschrittsvariablen über dem Mischungsbruch ist aber nicht bekannt, wie bereits diskutiert. Hier könnte wieder ein CMC-Ansatz hilfreich sein. Es lässt sich somit feststellen, dass für die Simulation der Zündung derzeit noch kein Patentrezept existiert, man ist auf die Verwendung mehr oder weniger unzulänglicher Modelle und entsprechend Modelltuning angewiesen. Bei typischen dieselmotorischen Verbrennungen mit kurzen Zündverzugszeiten ist dies auch nicht sehr kritisch; für HCCIVerbrennungen gilt diese Behauptung allerdings nicht mehr!

U ¨¨

17.3.3

NOx-Bildung

Die Simulation der NOx-Bildung beschränkt sich meist auf das thermische NO und arbeitet daher mit dem Zeldovich-Mechanismus, d. h. es wird üblicherweise eine Transportgleichung für die NO-Konzentration gelöst

17.3 Diesel-Verbrennung

§w w w · ¸c NOx   vi ¸ wxi wxi ¹ © wt

U ¨¨

663

§ · w ¨ Dt U c NOx ¸¸ ¨ wxi © ¹ Q Zeldovich (c NOx , c O , c OH , c H , O , p, T ) ,

(17.18)

wobei der Quellterm direkt nach dem Zeldovich-Mechanismus aus den Radikalkonzentrationen O, OH und H (d. h. ohne Ensemble-Mittelung) berechnet wird. Die Radikalkonzentration N wird als im partiellen Gleichgewicht befindlich betrachtet. Da die Zeitskala der NOx-Bildung sehr groß ist (größer als die turbulenten Zeitskalen, dies ist gerade der andere Grenzfall der Chemie-Turbulenzinteraktion), bildet sich das meiste NOx im Verbrannten; von daher wird häufig davon ausgegangen, dass turbulente Temperaturfluktuationen weniger relevant sind (diese spielen in der Brennzone die größte Rolle). Aus diesem Grunde wird die NOx-Bildung dann laminar, d. h. rein reaktionskinetisch auf Basis der Ensemble-Mittelwerte berechnet. Dieser Ansatz scheint allerdings doch nicht ganz berechtigt zu sein, da die Fehler, die durch Nichtausführung der Ensemble-Mittelung gemacht werden, nicht vernachlässigbar sind. Man gerät dann allerdings wieder in die bekannte Situation, dass nur die Hinreaktionen (unter gewissen Gleichgewichts- oder partiellen-Gleichgewichts-Annahmen) eindeutig durch das Luft-Kraftstoff-Verhältnis bestimmt und damit im Flamelet (d. h. mittels Epdf über den Massenbruch) integrierbar sind. Eine Flamelet-Mittelung der Rückreaktion stößt wieder einmal auf das Problem der unbekannten Verteilung des NOx im Mischungsbruchraum. Das Mittel der Wahl könnte daher einmal wieder ein CMC-Ansatz sein.

T

NO Drallrichtung Abb. 17-5: Temperatur- und NO-Verteilung in einem Pkw-Dieselmotor. Auf der (drallabgewandten) Lee-Seite der Strahlen kommt es zu den höchsten Temperaturen und folglich den höchsten NO-Konzentrationen

Generell ist diese Thematik aber derzeit noch nicht abschließend zu bestimmen, da die Temperatur-Abhängigkeit der NO-Bildung äußerst hoch ist und man sich von daher am Rande der Aussagegenauigkeit der 3D-Simulation bewegt. Abb. 17-5 enthält eine berechnete Darstellung einer NO-Verteilung in einem PkwDieselmotor entlang einer Ringkurve in der Strahlebene.

664

17 Simulation der Verbrennung

17.3.4

Rußbildung

Zur Simulation der Rußbildung und -oxidation existieren verschiedene Ansätze, siehe hierzu auch Kapitel 6.4. Zunächst gibt es die phänomenologischen Modelle wie z. B. Hiroyasu et al. (1983) oder Nagle und Strickland-Constable (1962). Eine typische Variante verwendet vom ersteren das Bildungsmodell und aus der zweiten Quelle das Oxidationsmodell. Übersetzt in die Strömungsmechanik wird eine Transport-Gleichung für den Rußmassenbruch gelöst §w w · w ¸c Ruß   vi ¸ w w w t x xi i ¹ ©

U ¨¨

§ · w ¨ Dt U c Ruß ¸¸ ¨ wxi © ¹ Q Hiroyasu (O , p, T )  Q Nagle Strickland (O , p, T )

(17.19)

Die Aussagekraft dieser Modelle ist allerdings nicht sehr hoch. Typische, sehr hohe intermediäre Rußkonzentrationen vor Einsetzen der Oxidation werden nur unzureichend wiedergegeben. Von Dederichs et al. (1999) wurde ein neuer Ansatz auf Flamelet-Basis vorgeschlagen, der leistungsfähiger erscheint. Dabei werden die Quellterme der Rußtransportgleichung im Flameletansatz über ein Integral vom Typ Q Ruß ( F ; p, T )

³ dZ p E (Z ) Q Ruß (Z ,

F ; p, T )

(17.20)

berechnet. Die Ausdrücke Q Ruß ( Z , F ; p, T ) als Funktionen von Z werden dabei durch E -Funktionen approximiert. In dieser Form gestaltet sich die Z-Integration (17.20) entsprechend einfach, da das Produkt zweier E -Funktionen wieder eine E -Funktion ist; die Integration ist analytisch ausführbar. In Abb. 17-6 ist ein Berechnungsergebnis, das mit dem Flamelet-Modell erzielt wurde, dargestellt. 12°KW

20°KW

40°KW

Russ-Oxidation [g/s] Russ-Bildung [g/s]

Russ [g/kgKraftstoff]

-3e-07

2.0

0e+00

3e-07

Russ-Anteil [-] 0e+00

1e-04

1.5 1.0 0.5 0.0 0

20

40 60 [°KW]

80

100

Abb. 17-6: 3D-Simulation der Rußverteilung im Pkw-Dieselmotor mit dem Flamelet-Konzept in verschiedenen Phasen der Verbrennung

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

665

Absolute Rußemissionswerte sind aber nach wie vor schwierig zu berechnen. Relative Aussagen (etwa Vergleiche zwischen verschiedenen Muldenformen) lassen sich manchmal bereits aus einer Auswertung der Gemischverteilung und ihrer zeitlichen Entwicklung erzielen. Bei der Bewertung der Berechnungsunschärfen darf nicht vergessen werden, dass ein wichtiges Phänomen, das zur realen, gemessenen Rußemission beiträgt, die Rußoxidation ist. Nun gilt aber wieder, dass die Rußverteilung im Mischungsbruchraum nicht bekannt ist. Auch hier könnte daher ein CMC-Ansatz helfen.

17.3.5

HC- und CO-Emissionen

Weitere Emissionen, die bei modernen Dieselbrennverfahren eine immer bedeutendere Rolle spielen, sind unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und CO. Beide sind Komponenten der 7-Spezies-Modellierung (HC nur als Kraftstoff), d. h. das Ergebnis einer Verbrennungsrechnung mit 7-Spezies-Modell liefert prinzipiell HC- und CO-Emissionen. Allerdings müsste für eine korrekte Berechnung detaillierte Reaktionskinetik in den Vordergrund treten, denn es kommt zum „Einfrieren“ der Verbrennung (d. h. wir sind wieder mit „großen“ chemischen Zeitskalen konfrontiert), dies natürlich ensemble-gemittelt. All diese Phänomene können aber in den heutigen Verbrennungsmodellen nicht sinnvoll wiedergegeben werden. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die in der Rechnung bei Brennende verbliebenen CO und HC typischerweise „Gemischbildungsartefakte“ sind, d. h. Konsequenz unzureichender Einspritz- und Gemischbildungsmodelle. Dies gilt insbesondere bei Verwendung des „klassischen“ Lagrange’schen Strahlmodells. Selbst bei Applikation verbesserter Strahlmodelle, wie in Kapitel 16 diskutiert, dürfte die Vorhersagequalität der (turbulenten) Gemischzustände zu Brennende nicht sehr hoch sein; die Abweichungen vom realen Verlauf addieren sich auf. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass HC- und CO-Emissionen auch in absehbarer Zeit im Rahmen eines CFD-Codes nicht sinnvoll berechnet werden können.

17.4

Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

Bereits der Begriff „Homogener Benzinmotor“ ist eine Fiktion. Denn in Realität ist ein homogener Benzinmotor keineswegs vollständig homogen; in welchem Grad die Homogenität der Gemisch- und Temperaturverteilung erfüllt ist, ist in erster Linie eine Frage der Gemischbildungsqualität. Allerdings sind Fiktionen das Lebenselixier des Berechners, es geht letztlich immer darum, die eine oder andere Näherung durchzuführen, um sich auf das im konkreten Falle Wesentliche zu konzentrieren. So genannte TOEs („Theory of Everything“) oder „Globalmodelle“ sind Unfug. Im vorliegenden Abschnitt werden wir daher die Annahme eines perfekt homogenen Gemischs treffen. Gerade bei einem Direkteinspritzer darf aber die durch die Direkteinspritzung generierte Ladungsbewegung im Brennraum nicht vernachlässigt werden. Es ist im Falle einer frühen (d.h. „homogenen“) Direkteinspritzung also sinnvoll, die Direkteinspritzung (und damit ihren Einfluß auf Ladungsbewegung und Turbulenz) zunächst zu berechnen, vor Beginn der Verbrennung das Gemisch aber artfiziell zu homogenisieren (d.h. den Gemischwert lokal auf den globalen Wert zu setzen). Ansonsten läuft man unnötigerweise in Gefahr, simulatorische Gemischbildungsartefakte in die Verbrennungsberechnung zu übertragen.

666

17 Simulation der Verbrennung

Das kann natürlich im einen oder anderen Falle nicht sinnvoll sein, etwa wenn gerade die Qualität der Gemischbildung den Untersuchungsgegenstand darstellen soll (z. B. wenn zu hohe HC- und CO-Emissionen vorliegen). Dann kommt man nicht umhin, die Gemischbildung zu betrachten. Beim Kanaleinspritzer ist das ein großes Problem, denn es handelt sich hierbei um eine Mehrzyklenthematik – es bedarf mehrerer Zyklen, bis ein Gleichgewicht zwischen Einspritzung und Abdampfung erreicht ist – und komplexe physikalische Mechanismen wie Filmdynamik, Filmverdampfung und Filmabriss sind von Relevanz. Allerdings werden Kanaleinspritzer immer unbedeutender, und ihre Gemischbildung hat man im Wesentlichen im Griff. Die Gemischbildung des homogenen Direkteinspritzers ist ein wesentlich bedeutenderes Problem und glücklicherweise auch der Berechnung besser zugänglich. Allerdings sind dann die Diskussionen des letzten Abschnitts von höchster Relevanz, aufgrund der Langlebigkeit der Flüssigphase und der komplexen Strömungsstrukturen ist die Fragestellung unter numerisch-statistisch-physikalischen Gesichtspunkten (Netzstruktur, -auflösung, turbulente Dispersion, Wandfilmbildung, Ölfilmausdampfung, Mehrkomponentenverdampfung) äußerst (!) anspruchsvoll. Doch nun zurück zum Ottomotor mit perfekt homogenem Gemisch. Man könnte glauben, dass die Simulation der Flammenfrontverbrennung eines Benzinmotors mit homogenem Gemisch eher unproblematisch sein sollte, da die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse wohlbekannt sind und gut beschreibbar sein sollten. Leider ist genau das Gegenteil der Fall, es existiert kein motorischer CFD-Code, der ein wirklich akzeptables Modell zur Beschreibung der ottomotorischen Verbrennung bereithält. Dies hängt auch – ähnlich wie bei den Strahlmodellen – mit den hohen numerischen Ansprüchen von Flammenfrontverbrennungsmodellen zusammen. Im Folgenden werden verschiedene gängige Ansätze diskutiert. Zunächst aber widmen wir uns dem größten Defizit heutiger Verbrennungsmodelle, der Nichtberücksichtigung der Zweiphasigkeit.

17.4.1

Zweiphasenproblematik

Wie bereits in Kapitel 2.3 diskutiert, ist die aufgefaltete laminare Flammenfront sehr dünn, es handelt sich meist nur um wenige Mikrometer. Wir müssen nun ein EnsembleMittel durchführen. In diesem „verwischt“ die dünne aufgefaltete laminare Flammenfront (Flammenfläche Al ), eine dickere „turbulente“ Flammenfront entsteht (die Flammendicke ist von der Größenordnung der turbulenten Längenskala), die nicht mehr entsprechend gefaltet ist (Flammenfläche At ). Auch die Ausbreitungsgeschwindigkeiten sl und st ins Unverbrannte hinein sind verschieden. Ihr Verhältnis entspricht dem reziproken Verhältnis der Flammenflächen st Al , (17.21) sl At so dass im gemittelten wie im ungemittelten Bild (turbulent und laminar) die gleiche Umsatzrate berechnet wird ( Al sl At st ). Aufgrund der endlichen Dicke der turbulenten Flammenfront ist eine exakte Definition der Flammenfrontposition nicht selbstverständlich, man kann hier beispielsweise die Position des 50%-Umsatzpunktes heranziehen. In Abb. 17-7 ist der Zusammenhang zwischen laminarer und turbulenter Flammenfront beispielhaft dargestellt.

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

a)

667

b)

Flammfront

„Realität“

„Simulation“

Abb. 17-7: Zusammenhang zwischen laminarer und turbulenter Flammenfront. a) Laminare Flammenfront im Experiment, Position und Lage der turbulenten Flammenfront sind angedeutet, b) Turbulente Flammenfront in der gemittelten Simulation

Prinzipiell kommt es in der laminaren Flammenfront zu einem Dichtesprung (entsprechend dem Temperatursprung), der einem Sprung in den Geschwindigkeiten entspricht. In Abb. 17-8a) ist die Situation im Bezugssystem der Flammenfront dargestellt, d. h. diese ruht. Mit der laminaren Brenngeschwindigkeit sl tritt das unverbrannte Gemisch in die stationäre Flammenfront ein, das verbrannte Gemisch verlässt diese mit einer anderen Geschwindigkeit v v . Es seien U v und U u die Dichten im Verbrannten bzw. im Unverbrannten. Dann gilt aufgrund der Massenerhaltung

U v vv

U u sl .

verbrannt

(17.22)

unverbrannt

vv

a.) Abb. 17-8:

verbrannt

'v

sl Flammfront

b.)

unverbrannt

vv  sl

sl

Flammfront

Situation im Bezugssystem a) der Flammenfront und b) des unverbrannten Gases

In Abb. 17-8b) ist die Situation im Bezugssystem des unverbrannten Gases wiedergegeben, d. h. es wurde einfach eine Geschwindigkeitstransformation durchgeführt. Man sieht, dass die Geschwindigkeit zwischen Unverbrannt und Verbrannt einen Sprung der Größe

'v

vv  sl

Uu  Uv sl Uv

(17.23)

macht! Im turbulenten Fall kommt es durch das Ensemblemittel zu einer Überlagerung von verbrannten und unverbrannten Zuständen, mit verschiedenen Geschwindigkeiten, Dichten, Temperaturen und Turbulenzniveaus. Es liegt eine Zweiphasenströmung vor! Leider wird in keinem der motorischen CFD-Codes Vormischverbrennung so behandelt; und damit ist das Hauptdefizit bei der Behandlung der Vormischverbrennung bereits aufgezeigt. Wesentliche Modellierungsfortschritte sind nur bei zweiphasiger Behandlung zu erwarten (aufgrund der eindeutigen „Sprungrelationen“ wie (17.23) ist auch eine äquivalente einphasige Behandlung eines gemittelten Zustands denkbar, aus der sich beide Phasen „rückrechnen“ lassen).

668

17 Simulation der Verbrennung

Die Nichtberücksichtigung der Zweiphasigkeit führt zu mannigfachen Problemen, eine davon ist die Produktion artifizieller Turbulenz in der Flammenzone. Dies ist leicht einzusehen. Der wichtigste Turbulenzproduktionsterm lautet (siehe (14.36))

§ wv · F ¨¨ k ¸¸ mit F (0) 0 . (17.24) © wxl ¹ Im zweiphasigen Ansatz müsste dieser Term korrekterweise als Mittelung des Terms in der verbrannten und der unverbrannten Phase interpretiert werden ( v v und v u beschreiben die Geschwindigkeiten der verbrannten und unverbrannten Phase) P

W R,ij ˜ S ij

§ wvv,k · § wv · ¸  (1  c) F ¨ u ,k ¸ . cF ¨¨ (17.25) ¸ ¨ wx ¸ l ¹ © wxl ¹ © wobei c die Fortschrittsvariable, d. h. das statistische Gewicht des „Verbrannt"-Zustands, bezeichnet. Im Standard-einphasigen Ansatz wird nur mit einer mittleren Geschwindigkeit v gearbeitet, die eine Überlagerung aus den Geschwindigkeiten der verbrannten und der unverbrannten Phase darstellt P2 Phasen

vk

cv v,k  (1  c)v u ,k .

(17.26) Mit dieser wird der Term P berechnet. Bei Verschwinden der Geschwindigkeitsgradienten wv v,k wv u ,k 0 (17.27) wx l wx l wird im (korrekten) zweiphasigen Modell keine Turbulenz produziert, im einphasigen Standardansatz produziert aber bereits ein c-Gradient bei einem gleichzeitigen Phasensprung in der Geschwindigkeit (artifizielle) Turbulenz (bei verschwindenden Geschwindigkeitsgradienten)

§ wv · § wc · ¸. F ¨¨ k ¸¸ F ¨¨ (vv,k  vu ,k ) (17.28) wxl ¸¹ © wxl ¹ © Da F im Wesentlichen eine quadratische Funktion in den Geschwindigkeitsgradienten ist, wird die artifizielle Turbulenzproduktion umso stärker, je dünner die Flammenfront ist. Denn überschlägig gilt ( l F bezeichne die turbulente Flammendicke) P

2 ª 'v º ª 1 0º ª wc º P v «'v » | «'v « » . » lF ¼ ¬ wx ¼ ¬ lF ¼ ¬ Die Turbulenzgesamtproduktion als Integral über die Flammenfront ergibt dann 2

Pges | P l F v

'v 2 lF

,

2

(17.29)

(17.30)

d. h. sie divergiert für l F o 0 . Der Fehler kann dramatische Dimensionen annehmen, wenn kein Modell verwendet wird, das die Flammenfrontdicke stabilisiert. In diesem Fall produziert die Flammenfront Turbulenz, die daher an der Rückseite der Flammenfront die höchsten Werte annimmt. Diese Turbulenz beschleunigt die Flammenfront (siehe z. B. die Damköhler-Relation (Kapitel 2.3)), die Rückseite mehr als die Vorderfront. Die Flammenfront wird damit schneller und dünner. Eine dünnere Flammenfront aber erzeugt vermehrt artifizielle Turbulenz, womit der Kreis sich schließt.

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

669

Zur Lösung dieses Problems bietet es sich z. B. an, den Turbulenzproduktionsterm in der Flammenfront zu unterdrücken. Insbesondere für dünne Flammenfronten ist der dadurch verursachte Fehler tolerierbar. Aber auf Dauer führt kein Weg an einer zweiphasigen Formulierung vorbei. In der Literatur finden sich bisher bereits Ansätze für eine zweiphasige Behandlung der Enthalpie oder der inneren Energie, aber eben nicht für die Geschwindigkeit. Gerade dies ist aber für eine korrekte Berechnung der Turbulenzproduktion entscheidend.

17.4.2

Magnussen-Modell

Das einfachste Verbrennungsmodell für Vormischflammen ist das Magnussen-Modell, es besteht aus einer Transport-Gleichung für die Fortschrittsvariable c ( c 0 : kein Stoffumsatz, c 1 : Stoffumsatz vollständig abgeschlossen). In Analogie zum Breakup-Modell für Diffusionsflammen ist die Reaktionsrate proportional zur inversen turbulenten Zeitskala H k , wodurch deutlich wird, dass es sich um eine turbulente Vormischverbrennung handelt. Zudem muss die Reaktionsrate Null sein für c 0 und c 1 , im Verbrannten wie im Unverbrannten. Das Magnussen-Modell lautet somit §w w · w § w ·  vi c¸ ¸c  ¨ Dt U wxi ¹ wxi © wxi ¹ © wt



D Uu

H

k

c(1  c),

(17.31)

wobei D einen Modellparameter beschreibt. Dieses Modell wird heute kaum noch verwendet, da es schwere Defizite aufweist; aufgrund seiner Einfachheit ist es aber dennoch gut geeignet, wesentliche Eigenschaften einer ganzen Klasse von Verbrennungsmodellen zu studieren. Gl. (17.31) bildet nach einer Anlaufzeit ein stabiles, von den exakten Anfangsbedingungen unabhängiges Flammenfrontprofil aus, das wie eine dispersionsfreie Welle mit einer definierten Ausbreitungsgeschwindigkeit durch den Brennraum läuft, siehe Abb. 17-9. Dies ist eine Konsequenz des nichtlinearen Quellterms. Derartige nichtlineare Wellen sind aus den verschiedensten Teilgebieten der Physik bekannt und werden auch solitäre Wellen oder Solitonen genannt. Im Unterschied dazu ist bei linearen Wellen das Profil nicht vorbestimmt, sondern über die Anfangsbedingungen gegeben. Zudem unterliegen lineare Wellen meist der Dispersion. c 1 Abb. 17-9: Stabiles turbulentes Flammenfrontprofil

0 x

Aus dieser Solitoneigenschaft ergeben sich allerdings zugleich Probleme: Die Profilbestimmung erfolgt an allen Flammenfrontorten numerisch, d. h. unter Lösung einer nichtlinearen Differentialgleichung, bei teils sehr schlechter Netzauflösung! Denn turbulente Flammendicken liegen in der Größenordnung der turbulenten Längenskala, und diese betragen unter motorischen Bedingungen häufig nur 1-2 mm. Bei einer Netzkantenlänge von 0,5mm bedeutet das vier Netzzellen pro Flammenfront, und dass dies nicht unbedingt für die Diskretisierung einer nichtlinearen Differentialgleichung ausreicht, dürfte klar sein!

670

17 Simulation der Verbrennung

Die Frage nach der Ausbreitungsgeschwindigkeit wird im so genannten KPP-Theorem (Kolmogorov, Pichunov, Petrovski), beantwortet, siehe auch Kolmogorov et al. (1937). Die Grundidee besteht dabei darin, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfront anhand der Ausbreitungsgeschwindigkeit ihrer „Bugwelle“, d. h. ihrer Vorderfront, analysiert werden kann (siehe Abb. 17-10). In diesem Bereich gilt nämlich c | 0 , und daher kann (17.31) in c linear genähert werden. Zudem gilt U | U u . c 1 Abb. 17-10: Ausbreitung der Flammenfrontvorderseite

0 x

Arbeiten wir in einer Raumdimension und gehen von konstanten Turbulenzwerten aus, dann erhalten wir die Gleichung

w 2c wc wc  Uu v  U u Dt wt wx wx 2 Eine stationäre Wellenlösung lautet

Uu

c( x, t ) J x  (v  s t )t J ([ ) . Einsetzen in (17.32) liefert

D Uu

H

k

c.

(17.32)

(17.33)

H dJ d 2J  Dt D J. (17.34) 2 k d[ d[ Diese Gleichung hat Exponentialfunktionen als Lösung. Im Sinne von Abb. 17-10 ist eine Lösung vom Typ  st

J exp(Z[ ) Z t0 zu suchen. Damit erhält man Z

st r st 2  4D

H

k

Dt

. 2 Dt Diese Gleichung hat nur dann eine reelle Lösung, wenn st t 2 D

(17.35)

(17.36)

H

Dt . k Das KPP-Theorem sagt nun aus, dass der minimale Geschwindigkeitswert 2 D

H

(17.37) Dt k gerade derjenige ist, der sich einstellt, wenn die Flammenfront sich von einem begrenzten Ort aus in ein Gebiet mit c 0 hinein ausbreitet. Um dies zu verstehen, betrachtet man wieder die linearisierte Gleichung (diesmal der Einfachheit wegen ohne v-Term) st , min

w 2c wc  Dt wt wx 2

H D c, k

(17.38)

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

671

deren Greensfunktion

§ x2 H · exp¨  D t¸ (17.39) ¨ 4 Dt t k ¸¹ t © lautet. Dieses Ergebnis kann unschwer aus dem Fall D 0 der reinen Diffusionsgleichung abgeleitet werden. Die Greensfunktion beschreibt das asymptotische Ausbreitungsverhalten (nur der Flammenfrontvorderseite!), das von einer Punktquelle ausgeht, der konstante Vorfaktor N ist ohne Relevanz. Um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu finden, müssen wir die Funktion x(t) berechnen, für die c G stationär ist, d. h. N

cG ( x; t )



x2 1 H  D t  ln Dt t const. k 4 Dt t 2

(17.40)

Für große t sind der logarithmische und der konstante Term vernachlässigbar und man erhält näherungsweise

H § x· (17.41) 4D Dt st2, min , ¨ ¸ k ©t¹ d. h. wir haben wieder unsere Minimalgeschwindigkeit (siehe (17.37)) als Geschwindigkeit einer von einer Punktquelle ausgehenden Flamme gefunden! Setzen wir 2

cP

Dt

k2

H

so ergibt sich

st

,

2 cPD uc .

(17.42)

Dies entspricht der Damköhler-Relation (Kapitel 2.3) im Grenzfall st !! sl . Anhand der Greensfunktion (17.39) kann man auch einsehen, dass bei geeigneter räumlicher Vorinitialisierung (d. h. keine Punktquelle) auch höhere Brenngeschwindigkeiten erreicht werden können. Man wähle beispielsweise die Initialisierung

c( x; t

0)

exp  E x mit E 

Dies führt für t t 0 auf

st , min 2 Dt

.

(17.43)

x  y N ³ dy exp  E y t exp¨¨  4Dt t

f

§

2

D

H ·¸

t . (17.44) k ¸¹ © f Zur Berechnung der Flammenausbreitung für x> 0 kann dieser Ausdruck ersetzt werden durch c( x; t )

c( x; t ) |

f

³ dy

f

§ x  y 2 H · exp¨   E y D t¸ ¨ k ¸¹ 4 Dt t t ©

N

§ H· · § 2 S Dt N exp¨¨  E x  ¨ Dt E 2  D ¸t ¸¸ , k¹ ¹ © ©

denn der Integrand von (17.45) ist eine Gauss-Funktion, deren Maximum bei

y max

x  2 Dt t E

(17.45)

672

17 Simulation der Verbrennung

liegt. Die Halbwertsbreite skaliert mit t . Es soll nun die Flammenfrontausbreitung bei großen Zeiten beschrieben werden, d. h. x # st t . Daraus folgt für y max (siehe die Einschränkung an E in (17.43)) ymax t

st  2 Dt E ! st  st , min ! 0

(letzteres Ungleichheitszeichen gilt, sofern st ! st ,min , was nach (17.46) und (17.47) sichergestellt ist). Zusammen mit der mit t skalierenden Halbwertsbreite ergibt sich, dass der von Null wesentlich verschiedene Bereich des Integranden von (17.45) zumindest für große t bei positiven y-Werten liegt. Die Gl. (17.45) und (17.44) liefern somit ein identisches Ausbreitungsverhalten. Die Forderung eines stationären Exponenten führt für (17.45), untere Zeile, auf die Beziehung D H x . st ( E ) Dt E  (17.46) t E k

Das Minimum dieser Funktion (gegeben durch dst dE st ,min

2 D

H

k

DH

Dt für E

Dt k

.

0 ) lautet wiederum (17.47)

Dies bedeutet aber auch, dass für kleinere E-Werte höhere Flammenausbreitungsgeschwindigkeiten vorliegen! Daraus folgt ein weiteres sehr ernstes Problem des Magnussen-Modells: es ist sehr instabil gegen inkorrekte Initialisierungen, ja überhaupt gegen geringfügig von Null verschiedene c-Werte vor der Flammenfront (eine Initialisierung wie in (17.43) weicht ja in der Tat nur wenig von Null ab). Anschaulich gesprochen rührt dies daher, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit über die Vorderfront der Flamme (d. h. kleine c-Werte) bestimmt wird, während die größeren c-Werte innerhalb der Flammenfront für das richtige Profil „sorgen“. Diese numerische Sensitivität tritt insbesondere in Wandnähe unmittelbar zutage. Prinzipiell sollte die KPP-Analyse für das Magnussen-Modell auch an der Wand Gültigkeit haben, d. h. die Brenngeschwindigkeit (Gl. (17.42)) müsste eher sinken, da an der Wand die Turbulenz abnimmt (die Dissipation nimmt stark zu). Typischerweise liefern 3DSimulationen das genau gegenteilige Verhalten, es kommt zu extremen, völlig unphysikalischen Beschleunigungen der Flamme in Wandnähe. Zum Verständnis diesen Phänomens analysiert man die Flammengeschwindigkeit nach (17.37). An der Wand gilt

Hv

1 o f , y y o0

(17.48)

folglich strebt auch der Quellterm von Gl. (17.32) gegen Unendlich, während der Diffusionsterm gegen Null streben sollte, bei endlichem Produkt. Aufgrund numerischer Unschärfen fällt die Diffusion aber nicht auf Null ab, es bleibt immer eine gewisse numerische Diffusion D num bestehen, die von Netzauflösung und Numerikschema abhängt. Konsequenterweise kann der Term (17.37) in Wandnähe über alle Grenzen wachsen s t ,Wand

2 D

H

k

D num v

1 y

o f . y o0

(17.49)

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

673

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Magnussen-Modell eine solitäre Welle erzeugt, deren Profil und Ausbreitungsgeschwindigkeit über eine komplexe Interaktion von Quellterm und Diffusion generiert wird. Bei dünnen turbulenten Flammenfronten bzw. in Wandnähe leidet es unter ernsten numerischen Problemen.

17.4.3

Flammenflächenmodelle (auch Coherent Flame Models)

Eine verbesserte physikalische Beschreibung liefern die Flammenflächenmodelle (engl. Coherent Flame Models). In diesen beschleunigt die Turbulenz nicht direkt die Flamme (wie nach (17.31)), sondern faltet diese stärker auf, eine stärker gefaltete Flamme aber brennt schneller. Zu diesem Zwecke wird eine zusätzliche Transportgleichung für die Flammenfrontdichte 6 (Flammenfläche pro Volumeneinheit) bzw. stattdessen für die spezifische Flammenfront V 6 U gelöst. Diese Gleichung existiert in den verschiedensten Versionen, siehe Poinsot und Veynante (2001). Eine typische Variante lautet §w w · w ¸V   vi ¸ wxi ¹ wxi © wt

U ¨¨

wV º ª « UDt wx » ¼ ¬

DF

H

k

UV  E F

sl UV 2 , c(1  c)

(17.50)

wobei D F und E F je nach Ansatz neben Modellkonstanten noch funktionale Abhängigkeiten von den turbulenten und chemischen Zeit- und Längenskalen beinhalten (können). Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt die Flammenflächenproduktion durch Turbulenz, der zweite Term stellt eine Senke bedingt durch Ausbrand dar. Zusätzlich muss noch eine Transportgleichung für die Fortschrittsvariable gelöst werden §w w · w § w · ¸c  ¨ UDt  vi c ¸ U u sl UV . (17.51) ¸ ¨ wxi ¹ wxi © wxi ¸¹ © wt Die laminare Brenngeschwindigkeit wird z. B. gemäß (4.1) berechnet. Besteht in (17.50) ein Gleichgewicht zwischen Flammenflächenquelle und -senke, so gilt

U ¨¨

UV eq sl

DF H c(1  c) . EF k

(17.52)

Damit erhält man aus (17.51) das Magnussen-Modell! Diese Näherung ist allerdings nur für große Werte von D F und E F erfüllt. 6

0

x

c 1

0 x

Abb. 17-11: Flammenfrontprofile in c und V

674

17 Simulation der Verbrennung

Auch bei Flammenflächenmodellen wird die Flammenfront wieder durch eine solitäre Welle abgebildet (diesmal im V - und im c-Feld), mit definierter Ausbreitungsgeschwindigkeit und definierten c-und V -Profilen. Dabei läuft das c-Feld von 0 (vor der Flamme) auf 1 (hinter der Flamme, während V vor der Flamme bei Null startet, auf einen Maximalwert in der Flamme hochläuft, um dann bis zur Flammenrückfront wieder auf Null abzufallen (siehe Abb. 17-11). Zur Berechnung der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer ebenen Flammenfront geht man ähnlich vor wie beim Magnussen-Modell und bestimmt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfrontvorderseite; dazu müssen (17.50) und (17.51) in V und c linearisiert werden, es gilt U U u . Die so erhaltenen Gleichungen lauten w · w 2V §w  v ¸V  U u Dt wx ¹ © wt wx 2 w 2c w · §w U u ¨  v ¸c  U u Dt wx wx ¹ © wt

Uu ¨

DF

H

k

§V · ¸V , ©c¹

U u V  E F sl U u 2 ¨

U u 2 sl §¨ V ·¸c . ©c¹

Man erkennt, dass eine stationäre Lösung mit V c c0 exp  Z x  (v  st )t ,

const. existiert

V ( x, t ) V 0 exp  Z x  (v  st )t . c ( x, t )

Einsetzen in (17.53) liefert

H

Z st  Dt Z 2

DF

Z st  Dt Z 2

sl U u

k

was schließlich auf

Z

st r st2  4 Dt

 E F sl U u

V0 c0

(17.53)

V0 c0

(17.54)

, (17.55)

,

DF H EF 1 k

(17.56)

2 Dt führt. Nach dem KPP-Theorem folgt die Ausbreitungsgeschwindigkeit st

2 Dt

DF H . EF 1 k

(17.57)

(Je nach konkreter Gestalt der Ausgangsvariante von (17.50) fällt diese Berechnung natürlich etwas anders aus, man sollte das Ergebnis (17.57) nur exemplarisch verstehen!) Damit ist klar, dass die Flammenflächenmodelle ein vergleichbares mathematisches Verhalten wie das Magnussen-Modell aufweisen, Ausbreitungsgeschwindigkeit und Flammenfrontprofil sind wiederum Ergebnis der Wechselwirkung von Diffusion und Quelltermen in den relevanten Transportgleichungen. Und eine gute numerische Auflösung der Flammenfront ist unabdingbar. Somit liegt aber auf der Hand, dass die Flammenfrontmodelle das größte Defizit des Magnussen-Modells, das schlechte numerische Verhalten, gerade nicht beheben! Auch das Verhalten in Wandnähe ist weiterhin kritisch. Allerdings gibt es Modellierungsansätze, in denen die Wandproblematik nicht mehr vorhanden bzw. deutlich entschärft ist.

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

675

So enthält bei Poinsot und Menevaux die Funktion D F die so genannte ITNFS-Funktion * ( * = Intermittent Turbulent Net Flame Stretch, siehe Poinsot und Veynante (2001),

DF

D0

k ·¸ H §¨ lt , , * ¨ k © G 0 sl ¸¹

(17.58)

wobei G 0 die laminare Flammendicke bezeichnet. Die Funktion * aber strebt bei abnehmender turbulenter Längenskala gegen Null. Das heißt an der Wand ( lt o 0 ) wird auch das Produkt H k * gleich Null; es tritt keine numerisch bedingte Divergenz mehr auf! Allerdings würde diese Formulierung auch dem Magnussen-Modell deutlich weiterhelfen.2 Aufgrund der Auflösungsprobleme sind Flammenflächenmodelle für motorische Rechnungen eher schlecht geeignet, die verfügbaren Rechennetze sind typischerweise zu grob, insbesondere bei später Direkteinspritzung (hohe Turbulenz). Eine andere, hin und wieder sogar praktizierte Option ist die flammenfrontadaptive Netzverfeinerung. Dies ist allerdings sehr aufwendig. In jedem Falle ist es aber sinnvoll, für die Verbrennungssimulation ein eigenes (bei Vormischverbrennung möglichst homogen strukturiertes) Netz zur Verfügung zu haben, das nicht mehr die Ventilstrukturen enthält. Häufig wird behauptet, turbulente Flammenfronten seien gar nicht so dünn, sondern wiesen eine beträchtliche Flammendicke auf, was gerade das Experiment zeige, wenn man die Flammen mehrerer Zyklen überlagere. Hierbei werden einmal wieder EnsembleMittelung und Zyklenmittelung verwechselt. Wie bereits dargestellt (siehe Kapitel 14), beinhaltet die Ensemble-Mittelung nur die Mittelung über turbulente („kohärente“) Fluktuationen, die bei gleichen Randbedingungen in der Strömung durch das chaotische Verhalten der zugrundeliegenden Strömungsdynamik hervorgerufen werden. Zyklenschwankungen aber enthalten zusätzliche Schwankungen, die durch Fluktuationen der Rand- und Anfangsbedingungen (Drosselklappe, Einspritzung, Restgas, Zündung, ...) erzeugt werden. Ein turbulentes Verbrennungsmodell schließt nur die turbulenten, kohärenten Fluktuationen ein (daher auch der Name „Coherent Flame Model“); lediglich diese tragen zur Ausbildung der turbulenten Modell-Flammenfront bei. Dass man nicht frei ist in der Wahl des betrachteten Ensembles, ist leicht einzusehen. Typische inkohärente Fluktuationen sind beispielsweise Schwankungen im (effektiven) Zündzeitpunkt. Es seien

V

M

V

ges

und c M die bezüglich kohärenter Fluktuationen ensemblegemittelten Größen V und c , bei festem Zündzeitpunkt (-winkel) M. Dann ergeben sich die Gesamtmittelwerte bezüglich kohärenter und inkohärenter Fluktuationen als

³ dM f (M ) V M ³ dM f (M ) c M

(17.59) c ges bei einer Zündwinkelverteilungsfunktion f (M ) . Aufgrund ihrer Nichtlinearität sind aber die Transportgleichungen (17.50) und (17.51) unter einer solchen Transformation nicht invariant! Das heißt, wenn V M und c M die Gl. (17.50) und (17.51) erfüllen, dann gilt dies nicht für V ges und c ges . 2

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die ITNFS-Funktion eine physikalische Bedeutung hat. Aber auch im numerischen Sinne wirkt sie eben äußerst vorteilhaft.

676

17 Simulation der Verbrennung

Somit steht es uns nicht frei, den Ereignisraum der Mittelung „geeignet“ zu wählen, die Flammenflächenmodelle (wie auch das Magnussen-Modell) korrespondieren bereits mit einer fixen Wahl, nämlich der des „minimalen“ Ensembles, das nur die kohärenten, intrinsischen, strömungsmechanischen Fluktuationen enthält. In der Literatur scheint sich übrigens ein ähnliches Vorgehen etabliert zu haben, um „Coherent Flame Models“ applizierbar zu machen. Dazu wir mit dem Zündprofil an der Zündkerze „gespielt“, d. h. der zeitliche Verlauf der Fortschrittsvariablen am Zündort als Anfangsbedingung der Wellenausbreitung wird derart gestreckt, daß sich nun doch dicke Flammenfronten ergeben, einfach weil nun die Laufstrecke im Motor typischerweise zu kurz ist, als daß sich das quasistationäre Flammenfrontprofil wie oben beschrieben ergäbe. Was das bedeutet, wird jedoch schnell klar. Dieses „Zündprofil“ bekommt nun einen extrem starken, physikalisch völlig unmotivierten Einfluß auf die Flammenausbreitung. Damit spielt es eine ähnlich verhängnisvolle Rolle wie die Strahlzerfallsmodelle bei älteren (aber leider immer noch allzu häufig eingesetzten), nicht auskonvergierten Strahlmodellen, siehe dazu die Ausführungen im entsprechenden Kapitel.

17.4.4

G-Gleichung

Um den numerischen Problemen der Flammenfront- und Magnussen-Modelle zu entkommen, wird ein Verbrennungsmodell mit einer Formulierung benötigt, in der die turbulente Brenngeschwindigkeit explizit auftaucht. Zudem sollte die Sensitivität bezüglich der Auflösung der turbulenten Flammenfront möglichst gering sein. Ein derartiges Modell ist die G-Gleichung wG wG  vi wx i wt

bzw.

s t ’G

wG wG  vi  st nˆ i wxi wt

(17.60)

0 mit nˆ



’G . ’G

(17.61)

Diese Gleichung beschreibt die Ausbreitung einer Fläche, indem sich jedes Flächenelement mit einer zu ihm normalen Ausbreitungsgeschwindigkeit vom Betrag s t relativ zum Fluid ausbreitet. Die Fläche ist durch die Punktmenge charakterisiert, für die G ( x) 0 gilt. Außerhalb der Flammenfläche ist die Variable G beliebig wählbar, sie sollte nur von Null verschieden sein. Die Flamme wird daher in diesem Bild zunächst als unendlich dünne Fläche beschrieben. Natürlich kann es dabei nicht bleiben, abgesehen von den physikalischen Realitäten dürfen wir in einen CFD-Code keine „Sprungstelle“ in Dichte und Temperatur zulassen. Somit muss eine endliche Flammendicke l F eingeführt werden. Als Bestimmungsgleichung für l F wird für eine stationäre Flamme beispielsweise die Relation lF

b lt

(17.62)

verwendet, wobei b | 2 gilt. Dies gilt jedoch nicht in Wandnähe, da dort die Strömung laminarisiert. Es existieren auch Modellvarianten mit eigener Transportgleichung für die Flammendicke, siehe Peters (2000).

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

677

G 0 beschreibt somit die Mittelposition der Flammenfront. Als Profil für ’c bietet sich eine Gauß-Funktion an, c ist dann definiert als3:

§ 2 d( x) · ¸¸ , erf ¨¨ © lF ¹

c( x)

(17.63)

wenn d(x) den (je nach Position positiven oder negativen) Abstand eines gegebenen Punktes zur Flammenfront beschreibt. Allerdings ist noch festzulegen, wie rein operativ der Abstand eines Raumpunktes von der Flammenfront zu berechnen ist. Bezeichnet s t wie üblich die turbulente Brenngeschwindigkeit relativ zum Unverbrannten, dann gilt (17.60) nur für die Flammenvorderfront, entsprechend den Gl. (17.53), d. h. bei U U u . Bei einem endlichen Reaktionsfortschritt mit zugeordneter Dichte U  U u muss noch eine zusätzliche Rückströmung (siehe (17.23)) überwunden werden, die Differenzgeschwindigkeit zur Flammenfront (deren Geschwindigkeit relativ zum Unverbrannten s t beträgt) ist vU

st

Uu  U . U

(17.64)

Insgesamt lässt sich daher allgemeiner schreiben

U

wG wG  Uv i  U u s t nˆ i wt wx i

0.

(17.65)

G Die G-Gleichung ist eine hyperbolische Gleichung mit einer von v verschiedenen Transportgeschwindigkeit G U v  u st nˆ ;

U

sie benötigt daher prinzipiell einen eigenen Lösungsalgorithmus, der in den StandardCFD-Codes nicht vorgesehen ist. Selbst bei Verfügbarkeit eines Lösungsverfahrens kann sich (17.65) außerhalb der Flammenfront problematisch verhalten, da dort kein spezielles Verhalten vorgeschrieben wird. Ein empfehlenswerter Ansatz ist daher, die Forderung ’G

1,

(17.66) zu stellen, d. h. bei dieser Vorgabe („Eichung“ des G-Felds) entsprechen die G-Werte außerhalb der Flammenfront den Abständen zur Flammenfront (negativ vor und positiv hinter der Flammenfront). Mit dieser Wahl ist auch die lokale Definition der Fortschrittsvariablen gegeben, nach (17.63) gilt

§ 2G ( x) · ¸¸ . erf ¨¨ (17.67) © lF ¹ Allerdings ist die Eigenschaft (17.66) nicht zeitlich erhalten, die Gl. (17.65) muss reinitialisiert werden! Dies bedeutet, dass nach jedem Zeitschritt (bzw. nach einer Anzahl von Zeitschritten) die Differentialgleichung wG ( x, t ,W ) sign(G ( x, t )) 1  ’G ( x, t ,W ) , G ( x, t ,0) G ( x, t ), . (17.68) wW c( x)

3

erf ( x )

1

S

³ exp(  x ) dx

x

f

2

678

17 Simulation der Verbrennung

für W o f gelöst werden muss, sie konvergiert dann gegen ’G 1 . Dies bedeutet freilich einen nicht unerheblichen rechnerischen Zusatzaufwand. Der große Vorteil der G-Gleichung besteht aber darin, dass es sich zumindest beim ebenen Problem um eine lineare Welle handelt, Flammenprofil und Ausbreitungsgeschwindigkeit sind unkorreliert. Eine geringe Auflösung des Profils ist somit eher unkritisch. Verschiedene Formeln für s t können verwendet werden, natürlich auch die Brenngeschwindigkeiten der Flammenflächenmodelle (z. B. (17.57)). Häufig werden auch phänomenologische Relationen ähnlich der Damköhler-Beziehung (siehe Kapitel 4.3) verwendet, wie z. B. n § § u c · ·¸ ¨ ¨ ¸ s t s l ¨1  A ˜ ¨ ¸ ¸ . (17.69) ¨ © s l ¹ ¸¹ © Die laminare Brenngeschwindigkeit sl kann z. B. nach Gl. (17.22) berechnet werden, über diese Relation ist dann auch die AGR-Abhängigkeit der Brenngeschwindigkeit gegeben.

G

0

Flammmitte

x

c 1

0 x

Abb. 17-12: Schematische Darstellung der Simulation der Flammenfrontausbreitung mit G-Gleichung mit Reinitialisierung

Ein weiteres Problem ist die Wandbehandlung der G-Gleichung. Die Verwendung von (17.62) an der Wand bereitet Probleme, da die Flammenfront sehr dünn würde (laminarisiert). Man kann die Flammenfrontdicke einfach numerisch nach unten begrenzen oder auch eine zusätzliche Transportgleichung für die turbulente Flammendicke l F einführen (denn dann kommt l F normalerweise nicht ins Gleichgewicht). Bisweilen werden neben der l F -Gleichung noch weitere Transportgleichungen für Flammeneigenschaften formuliert, beispielsweise für die Flammenflächendichte 6 (siehe dazu auch Peters (2000)). Bei der Formulierung dieser Transportgleichungen ist aber Vorsicht geboten, damit es zu keiner Kausalitätsverletzung kommt, die Ausbreitung von Flammeneigenschaften muss zur Flammenausbreitung selbst kompatibel sein. Nur die Flammenvariablen am Flammenort ( G 0 ) sind physikalisch und dürfen auf spätere (physikalische)

17.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung)

679

Flammenvariable Einfluss nehmen. Eine zulässige Transportgleichung für eine Flammeneigenschaft l F lautet beispielsweise4

U

wl F wl w  Uvi  U u st nˆ i F  wt wxi wx||

wobei

’G , ’G





w wx||

· § ¨ UDt w l F ¸ : w ¸ wxi ¨ wx|| ¹ ©

· § ¨ UDt w l F ¸ ¨ wx|| ¸¹ ©

2 UDt  c s U

§ · · w w § w ¨ UDt ¨ UDt nˆ j l F ¸¸  nˆ i l F ¸¸ . ¨ ¨ w w w x x x i i © i © ¹ ¹

H

k

l F2 ,

(17.70)

(17.71)

Im Übrigen besteht auch die Möglichkeit, G = 0 nicht für die Flammenmitte, sondern für die Flammenforderfront zu wählen. Dies hat den Vorteil, dass die Flamme die Bedingungen im Unverbrannten „sieht“, was die oben diskutierte Zweiphasenproblematik etwas entschärft.

17.4.5

Diffusive G-Gleichung

In den motorischen CFD-Codes existiert bisher leider keine vollständige korrekte GGleichungs-Implementation mit eigener Konvektion und Reinitialisierung, STAR-CD aber enthält eine diffusive G-Gleichung für die Fortschrittsvariable (unter der Bezeichnung Eingleichungs-Weller-Modell5) § wc

U ¨¨

© wt

 vi

wG · w ¸ wxi ¸¹ wxi

§ wG · ¨ UDt ¸ ¨ wxi ¸¹ ©

U u s t ’c .

(17.72)

Im Unterschied zu (17.65) enthält diese Gleichung einen turbulenten Diffusionsterm, zudem wird sie direkt zur Berechnung der Fortschrittsvariablen c verwendet (d. h. eine Relation wie (17.67) fällt nun weg, könnte aber auch gar nicht appliziert werden, da nun ja eine Abstandsvariable zur Flammenfront fehlt). Der zu s t proportionale Term wird als Quellterm behandelt. Die Vorteile der Formulierung (17.72) liegen auf der Hand: es handelt sich um eine „konventionelle“ Skalartransportgleichung, die im Standardverfahren behandelt werden kann. Besondere Aufwände für eine spezielle Konvektion bzw. eine Reinitialisierung sind nicht notwendig. Auf der anderen Seite sinkt mit der Quelltermbehandlung des s t -Terms die Lösungsqualität deutlich. Und die Reinitialisierung war zur Generierung einer Abstandsvariablen erforderlich, die wiederum der Berechnung der Flammendicke diente. An dieser Stelle weist die diffusive G-Gleichung ihr größtes Defizit auf: sie berechnet deutlich zu dicke Flammen, die unter Diffusionseinfluss zerfließen ( lF , Diff G v 2 Dt t ). Dies charakterisiert aber ganz und gar nicht das Verhalten einer Flammenfront, die ja eine solitäre Welle mit 4

5

Die physikalische Information einer Konfiguration sollte unter einer Eichtransformation l ( x ) o l ( x )  G ( x )) ( x ) für beliebige ) ( x ) invariant sein. Diese Forderung kann dazu dienen, F F geeignete Formen der Transportgleichungen (17.70) zu evaluieren. Siehe dazu auch Kraus (2006). Das eigentliche Weller-Modell aber ist ein Zweigleichungsmodell, das die Flammenfront detailliert auflöst und den Flammenflächenmodellen ähnelt (siehe Weller (1993)).

680

17 Simulation der Verbrennung

stationärem Profil ausbildet, wie wir oben gelernt haben. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit bleibt jedoch durch den Diffusionsterm unberührt; gleiches gilt für den globalen Umsatz. Daher sind effektiv gesehen zu dicke Flammenfronten harmloser, als vielleicht zunächst angenommen. Zumindest im ebenen, eindimensionalen Falle ist die G-Gleichung gegenüber der Transformation (17.59) forminvariant, d. h. bei Verwendung einer G-Gleichungsformulierung hat man in der Tat ein gewisses Recht, auch inkohärente, flammenaufdickende Schwankungen zuzulassen. Schließlich soll ein großer praktischer Vorteil zu dicker Flammen nicht unerwähnt bleiben: die artifizielle Turbulenzproduktion gemäß (17.28) bis (17.30) fällt nur sehr gering aus! Solange das Turbulenzproduktionsproblem nicht gelöst ist, kommt man eigentlich gar nicht umhin, mit unphysikalisch dicken Flammen zu rechnen. Allerdings bedeutet dies, dass in der CFD-Rechnung eine räumlich falsche Flammenverteilung vorliegt, insbesondere gegen Ende der Verbrennung. Gerade wenn auch andere, zur Verbrennung parallel ablaufende physikalische Phänomene mituntersucht werden sollen (z. B. Klopfen oder Gemischbildung bei Schichtladungsverbrennung), bereitet eine falsche Flammenverteilung Schwierigkeiten.

Abb. 17-13: Simulation der Vormischverbrennung mit a) G-Gleichung bzw. b) mit diffusiver G-Gleichung

17.4.6

Zündung

Bei der Beschreibung der Fremdzündung und frühen Flammenkernbildung geht es letztlich darum, die laminare Flammenausbreitung des anfänglichen Flammenkerns und den Übergang zur turbulenten Verbrennung darzustellen. Der eigentliche Zündprozess mit Plasmabildung etc. ist eher nicht sinnvoll simulierbar. Es gibt hierzu eine Reihe recht phänomenologisch orientierter Ansätze, man betrachte z. B. Herweg (1992). Generell ist die Zündung eine Hauptquelle der Zyklenschwankungen, weil die momentanen lokalen Zustände an der Zündkerze einen dominanten Einfluss auf den Zündverzug haben. In einer ensemblegemittelten Rechnung ist das nicht wirklich auflösbar. Bezüglich der numerischen Umsetzung ist festzuhalten, dass man auf ein numerisch korrektes Vorgehen achten und keine Diskontinuitäten in den Randbedingungen erzeugen sollte. So sollte beispielsweise im Kerzenbereich auf eine adaptive Netzverfeinerung (z. B. 0,1mm Kantenlänge) geachtet werden, so dass der Zündbereich auf mehrere Zellen verteilt werden kann. Und die Fortschrittsvariable in diesen Zündzellen sollte nicht schlagartig von 0 auf 1 gesetzt, sondern kontinuierlich, aber doch zügig „hochgefahren“ werden. Jedenfalls sollte der zeitliche Verlauf der Fortschrittsvariablen, sofern sich dieser hinreichend schnell von 0 nach 1 entwicketl, keinen wesentlichen Einfluß auf das Berechnungsergebnis haben. Vor dem Einsatz artifiziell langer Zündprofile wie bei CFM-Modellen üblich (zur Behebung von deren numerischen Problemen) kann nur gewarnt werden, siehe die Diskussion in Abschnitt 17.4.3.

17.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen)

17.4.7

681

Klopfen

In der Literatur existieren schon erste Ansätze von Klopfberechnungen mit CFD; aufgrund der Limitationen der verfügbaren Verbrennungs- und Wandwärmeübergangsmodelle sind diese Versuche aber noch mit Vorsicht zu genießen. Zur Beschreibung der Selbstzündreaktionen muss eine Klopfkinetik (etwa das ShellModell nach Halstead et al. (1977)) im CFD-Code gelöst werden. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass diese Kinetik nur auf die reine, unverbrannte Phase angewendet wird. Jede kleine Temperaturerhöhung aufgrund einer näherkommenden Hauptverbrennung (gerade auch, wenn es sich nur um „numerische Vorboten“ handelt) führt unweigerlich auf viel zu hohe Klopfraten. Dies ist aber bei dicken, diffusiven Flammenfronten ein ernstes Problem. Die Berücksichtigung des Turbulenzeinflusses ist ein weiteres, noch ungelöstes Problem. In einem ersten Ansatz können Fluktuationen in der Temperatur oder in der Gemischzusammensetzung durch Verwendung von Varianztransportgleichungen erfasst werden (siehe z. B. Mayer (2005)).

17.4.8

Schadstoffbildung

Da man für einen stöchiometrisch betriebenen Ottomotor ein ausgesprochen leistungsfähiges Abgasnachbehandlungskonzept in Form des Dreiwegekatalysators besitzt, hat die Berechnung der Schadstoffbildung in diesem Falle keine große Bedeutung. Eine beispielhafte Untersuchung zur NOx-Bildung kann man etwa bei Mayer (2005) finden. Für HCoder CO-Emissionen dürfte das beim Dieselmotor Gesagte Gültigkeit haben: Feinheiten der Gemischbildung (in diesem Falle Ungleichförmigkeiten) und der Wandinteraktion dominieren die Emissionen derart, dass diese Größen nicht sinnvoll berechenbar sind.

17.5

Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen)

Bei einer Schichtladungsverbrennung liegen zum Zeitpunkt der Flammenfrontausbreitung zugleich fette ( O  1 ) und magere ( O ! 1 ) Gemische im Brennraum vor, hinter der Flammenfront existieren somit weiterhin fette Zonen mit Reduktionsmittel (im Wesentlichen wohl CO) und magere mit Sauerstoff. Daher verbleibt an der ( O 1 )-Grenze eine Diffusionsflamme. Diese gekoppelte Struktur von Vormisch- und Diffusionsflamme wird auch Tripelflamme genannt (siehe auch Abb. 17-14). Es ist nicht schwer, aus den schon vorhandenen Modellierungselementen von turbulenten Vormisch- und Diffusionsflammen einen geeigneten Ansatz für die Schichtladungssimulation zu entwickeln. Erstaunlicherweise verhalten sich Schichtladungsverbrennungssimulationen in vielen Fällen „gutmütiger“ als reine Vormischverbrennungssimulationen, eben weil keine Flammenfronten mit derart scharfen Temperatur- und Dichtegradienten auftreten. Zudem ist – wie in Abschnitt 17.1 erwähnt – die Schichtladungsverbrennung trotz „Mischverbrennung“ ein günstiger Fall, da beide Verbrennungsmoden (turbulente Vormisch- und Diffusionverbrennung) von der turbulenten Zeitskala dominiert sind.

682

17 Simulation der Verbrennung

Abb. 17-14: Struktur einer Tripelflamme

Wie beim Dieselmodell sollte man zunächst die zur Beschreibung der lokalen Gaszustände verwendeten Basisspezies festlegen, die sieben Spezies von Abschnitt 17.3.1 (Kraftstoff, N2, O2, H2O, CO2, CO, H2) sind auch hier sinnvoll; in einem ersten Schritt kann man wie beim Diesel aber auch mit drei Spezies – Luft, Kraftstoff und Produkt – arbeiten. Verwendet man zur Beschreibung der Vormischverbrennung eine G-Gleichung, zur Modellierung der Diffusionsverbrennung einen einfachen Flameletansatz, d. h. man transportiert Mischungsbruch (auch aus den Spezies berechenbar) und Mischungsbruchvarianz, dann lassen sich die momentanen Speziesmassenbrüche folgendermaßen bestimmen





c(i ),um  c progr c(i ),m  c (i ),um ,

c (i )

³ c(i) (Z ) p E Z ;

wobei

1

c (i ),m



Z , Z cc 2 dZ

0

³ c(i) (Z ) p E Z ;

(17.73)

(17.74)



den Gleichgewichtswert beim aktuellen Mischungszustand bezeichnet und 1

c (i ),um

Z , Z cc 2

0

Z (1  Z ) dZ

(17.75)

den korrespondierenden ungemischten Zustand mit maximaler Varianz beschreibt. Eine Reaktion wird beschrieben durch dc ( i )

(c(i ),m  c(i ),um ) dc progr  

Vormischverbrennung

c progr dci,m 



Diffusionsverbrennung

, (17.76)

d. h. sie zerfällt natürlicherweise in Vormisch- und Diffusionsverbrennung. Entsprechend lautet der Quellterm in der Transportgleichung der inneren Energie q dt

¦ k

h( k ) U dc ( k )

(17.77)

mit den spezifischen Speziesbildungsenthalpien h(i ) . Als Alternativvariante zu (17.76) kann man aus Z, Z cc 2 und c den momentanen Zielgehalt an Spezies berechnen und ihn mit dem nur (mit Konvektion und Diffusion) transportierten vergleichen. Die Differenz beider Größen liefert die Reaktion im aktuellen Zeitschritt. Anschließend werden die nur transportierten Spezies mit den neuen Gesamtzielwerten überschrieben. Eine Berechnung mittels Standard-G-Gleichung ist eher einfacher als bei einer homogen vorgemischten Verbrennung, da selbst eine Implementation als Standard-Transportglei-

17.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen)

683

chung eines passiven Skalars ohne Diffusionsterm typischerweise recht gutmütig ist. Eine sinnvolle Verallgemeinerung der diffusiven G-Gleichung lautet: § w Zc

U ¨¨ ©

wt

 vi

w Zc · w ¸ wxi ¹¸ wxi

§ w Zc · ¨¨ U Dt ¸ wxi ¹¸ ©

Uu st ( Z ) Z ’c .

(17.78)

Damit lässt sich auch gut arbeiten (zusätzlich ist auch der Mischungsbruch Z selbst zu transportieren). Die turbulente Brenngeschwindigkeit der Vormischflamme st kann daraus durch flamelet-basierte Mittelung im Mischungsbruchraum gewonnen werden

³ st (sl (Z )) pE Z ;

1

st

st ( Z ) Z

³ pE Z ;

0

1

Z

Z



Z , Z cc2 Z dZ

, Z cc2

0

Z dZ

.

(17.79)

Wir diskutieren nun eine recheneffiziente Umsetzung (17.79). Formulieren wir dazu nach Herweg (1992) die turbulente Brenngeschwindigkeit als

n ª vc § vc · »º A 2 n n n 1 1 n sl «1  A ¨ ¸ | sl  Asl vc  sl v c vc  sl © sl ¹ » 2 « ¬ ¼ (17.80) 5 mit n und A | 2,5 . 6 Der Parameter A kann an das jeweilige Problem adaptiert werden. Die laminare Brenngeschwindigkeit sei nach Gülder (1984) gegeben als

st



¬«T

D E 2 ª Tu º ª p º K

W ' exp ] '  ' « » « » (1  2,1 ˜ f RG ) .





(17.81) ¼» ¬« pref ¼» wobei Tu die Gemischtemperatur im Unverbrannten, ) 1 / O das Kraftstoff-Luft-Verhältnis und fRG den Restgasmassenbruch bezeichne. Es kommen die folgenden Parameter zum Einsatz: sl

ref

W[m/sec]

Ș

ȟ

Į

ȕ

Tref [K]

pref [bar]

ĭ*

0,47

–0,33

4,48

1,56

–0,22

300

1

1,04

Wenn das stöchimetrische Kraftstoff-Luft-Verhältnis gegeben ist als

9

U Luft

U Kraftstoff

| 15

(17.82)

ergibt sich der Mischungsbruch Z aus ĭ folgendermaßen : Z

) . ) 9

(17.83)

684

17 Simulation der Verbrennung

Setzen wir in die Gl. (17.79) die -pdf (Kapitel 14.2.4) ein, so ergibt sich:

1 *( a  b) b 1 st ( sl () )) Z a 1 1  Z Z dZ ³ Z *(a)*(b) 1

st

0 1

b 1

§ ) · § 9 · 1 *( a  b) st ( sl () )) ¨ ¸ ¨ ¸ ³ Z *(a)*(b) © ) 9 ¹ © ) 9 ¹ 0 a

a

)  9 2

b 1

§ ) · § 9 · 1 *( a  b) 1 st ( sl () )) ¨ ¸ ¨ ¸ Z *(a)*(b) ] ³ © ) 9 ¹ © ) 9 ¹ 0 1

9

d) .

(17.84)

d)

Wenn man in Betracht zieht, wie st von sl abhängt, ist das folgende Integral für verschiedene Werte von q (für q = 1, q = 1/6 und q = 7/6) zu lösen:





)

2 § Kq ³0 ) exp  q[ ()  ) ) ¨¨© )  9 1

I (q )

· ¸¸ ¹

a

§ 9 ¨¨ ©) 9

· ¸¸ ¹

b 1

d)

9 b 1 ³ 1

0

) D K q

)  9 a b 1





exp  q[ ()  ) ) 2 d)

(17.85) Bei einem Integral dieser Art lässt sich ein alter Physiker-Trick, die so genannte Sattelpunktsmethode, zu approximativen Lösung anwenden. Dazu wird benutzt, dass das Integral einer nach unten beschränkten Funktion F

³ exp( F ( x))dx

f

J

(17.86)

f

im Wesentlichen durch den Verlauf der Funktion F an ihrem Minimum bestimmt wird. Man approximiert F(x) durch ihre Taylor-Reihe im Minimum x0 bis zur zweiten Ordnung 1 F cc( x0 ) ˜ ( x  x0 )2 (17.87) 2 und erhält nach Einsetzen in (17.86) ein Gauss’sches Integral, nach dessen Ausführung wir F ( x) | F ( x0 ) 

2S ˜ exp  F ( x0 ) finden. c F c( x0 ) Übertragen auf (17.85) ergibt sich J

(17.88)

§ · 1 ¨ ¸ I (q) 9 b 1 ³ exp ¨ q[ ()  ) )2  (a  K q) ln )  (a  b  1) ln )  9 ¸d ). 

¨ ¸ 0  F () ) © ¹

(17.89)

Das Minimum ĭq,0 ergibt sich über die Nullstelle von Fq(ĭ):





2 q[ ) q , 0  ) 

a  Kq a  b  1  ) q ,0 ) q ,0  9

0.

(17.90)

Diese Gleichung ist eine kubische Gleichung in ĭ0 und kann über die Cardanischen Formeln gelöst werden. Für die zweite Ableitung gilt: a  Kq a  b 1 . F cc() q ,0 ) 2q[  2  (17.91) ) q,0 ) q,0  9 2

17.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen)





Nach Einsetzen von (17.91) in (17.88) ergibt sich I (q ) 9 b 1 'q

mit



) q ,0D K q

) q ,0  9



a  b 1

exp  q[ () q ,0  ) ) 2 ˜ ' q



(17.93)

Setzen wir (17.92) und (17.93) in (17.84) ein, so ergibt sich

st | sl ()1,0 ) ˜ 

wobei

Z1,0 Z

˜ pE ( Z1,0 ) ˜ '1  A ˜ sl

A 76 § · ˜ sl ¨ ) 7 ,0 ¸ ˜ 2 © 6 ¹ Z q ,0

(17.92)

2S . a Kq a  b 1 2q[  2  2 ) q ,0 ) q ,0  9



) q ,0

) q ,0  9

-29° KW n.OT

Schnitt: Zündkerze-Injektor

1

Z7

6

Z

,0

6

685

§ · ¨ ) 1 ,0 ¸ ˜ © 6 ¹

Z1

6

Z

,0

5 § · ˜ pE ¨ Z 1 ,0 ¸ ˜ ' 1 ˜ 2k 12 6 © 6 ¹

1 § · ˜ pE ¨ Z 7 ,0 ¸ ˜ ' 7 ˜ 2k 12 , 6 © 6 ¹

(17.94) gesetzt wurde.

(17.95)

-25° KW n.OT

Schnitt: Zündkerze-Injektor

Zylinderdruck [bar]

-15° KW n.OT

Schnitt: Zündkerze-Injektor

° KW

Abb. 17-15: Oben und unten links: Simulation der Schichtladungsverbrennung bei einem DE-Ottomotor mit strahlgeführtem Brennverfahren bei 2000U/min und 2 bar pme; unten rechts: zugehörige Druckverläufe aus Simulation vs. Versuch (verschiedene Zyklen)

686

17 Simulation der Verbrennung

Ein Beispiel für eine derartige 3D-Simulation einer Schichtladungsverbrennung ist in Abb. 17-15 dargestellt. Nähere Details finden sich bei Hermann (2008). Schadstoffbildungsmodelle (NOx, Ruß) können von der Modellierung der Dieselverbrennung übernommen werden.

17.6

Strömungsmechanische Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung: Ausblick

In den letzten Jahren hat sich die strömungsmechanische Simulation zu einem nicht mehr wegzudenkenden Werkzeug für die Optimierung von Brennverfahren entwickelt. Wesentlich ermöglicht wurde dies durch immer schneller werdende Computer und Rechnercluster. Das zeitlich exponentielle Wachstum der Rechenleistung wird durch das so genannte Moor’sche Gesetz beschrieben, welches postuliert, dass sich die Rechenleistung ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Über mehrere Jahrzehnte hat es nun seine Gültigkeit bewiesen und nichts deutet darauf hin, dass sich demnächst daran etwas ändert. Zumindest an der Realisierung dieses Zuwachses an Rechenleistung sind aber Änderungen zu beobachten. Der Trend zu immer schnelleren Einzel-Prozessoren mit höherer Taktung hat sich bereits abgeschwächt. Grund ist der drastisch steigende Energie- und damit auch der Kühlungsbedarf der Cluster. Es ist also mit stark zunehmender Prozessoranzahl mit niedrigem Energieverbrauch (ähnlich heutigen Laptop-Prozessoren) zu rechnen, was aber hohe Anforderungen an die eingesetzten Netzwerke stellt. Damit verschärft sich auch die Notwendigkeit deutlich verbesserter Skalierbarkeit der CFD-Codes. Ein linearer Geschwindigkeitsvorteil bei ungefähr 10.000 Knoten pro Prozessor wird obligatorisch werden. Sofort stellt sich nun die Frage, wie die gestiegene Rechenleistung investiert werden sollte: in genauere numerische Diskretisierung (also feinere Gitter bzw. bessere Löser), in erweiterte und genauere physikalische Modelle oder in kürze Durchlaufzeiten bei Varianten-Berechnungen? Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt sicherlich von der konkreten Fragestellung ab. Die höchste Priorität muss aber eine konvergierte, vom Rechennetz unabhängige Lösung haben. Wie bisher immer wieder betont wurde, ist dies keinesfalls selbstverständlich und nicht immer gegeben! Sicherlich wird sich in Zukunft die Verzahnung der Strömungsberechnung mit CADProgrammen deutlich verstärken. Einfache Strömungsprobleme sind schon heute als PlugIn direkt in CAD lösbar. Für motorische Fragestellungen ist dies aber eher eine langfristige Zukunftsvision. Durch parametrische Konstruktionen wird sich aber der PreprocessingAufwand erheblich reduzieren, was auch eine notwendige Voraussetzung für automatische Geometrieoptimierung darstellt. Dieser Trend wird unterstützt werden durch zunehmend objektorientierte Codes, die dann durch flexiblere Selektion bestimmter Geometriebereiche für Netzverfeinerung oder Festlegung von Randbedingungen Vorteile im Handling bieten werden. Generell wird sich der Trend von der Berechnung indirekt interpretierbarer Größen wie Tumble- oder Drallziffer, „fetter Zonen“ als Indikator für Ruß hin zu motorisch bekannten Größen wie Vorzündbedarf, Klopfgrenze oder Emissionen wie NOx oder Ruß verstärken. Das erfordert aber natürlich geeignete, vorhersagefähige physikalische Modelle. In einer Art „virtuellen Motors“, der dann einfach Größen von Thermodynamik-Motoren reproduziert, darf sich die CFD-Simulation aber nicht erschöpfen. Schlussendlich ist der zentrale

17.6 Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung

687

Vorteil doch die Abbildung lokaler Strömungsvorgänge, die dann geeignet interpretiert Hinweise zur Optimierung geben können. Entscheidend für den erfolgreichen zukünftigen operativen Einsatz in der Motorentwicklung wird die Vernetzung der verschiedenen Berechnungsdisziplinen sein. Die thermodynamische 1D-3D-Kopplung ist jetzt schon Stand der Technik. Gut kann man sich aber auch vorstellen, dass CFD-Codes Brennverlaufs- und Emissionsvorhersagen treffen, mit denen dann phänomenologische Modelle kalibriert werden können, die dann wiederum für die Gesamtsystem-Optimierung eingesetzt werden. Dies macht dann sicherlich ein ausgeklügeltes Daten-Management erforderlich. Nach diesem generellen Ausblick soll in den folgenden Abschnitten der Fokus auf physikalischen Aspekten liegen.

17.6.1

Netzbewegung

Zentraler Punkt bei Strömungsberechnungen sind die Berechnungsnetze. Flächenbasierte Strömungslöser mit beliebigen Zelltypen (Tetraeder, Hexaeder, Prismen, Polyeder, …) werden sich durchsetzen. Bei wanddominierten Strömungen, wie sie im Motor eigentlich immer vorliegen, sind wandadaptierte Netze mit y+ < 100 zwingend erforderlich. Der sich abzeichnende Trend zu Low-Reynolds-Wandmodellen erfordert dann weitere geschachtelte Zellschichten. Wie für die Wandbehandlung wird sich die problemadaptierte Vernetzung auch für andere Prozesse durchsetzen. Hier sind insbesondere die Scherschichten um die Ventile herum, der Bereich des Einspritzstrahls sowie möglicherweise die vorgemischte Flammfront zu nennen. Insgesamt ist dann durch das Rechennetz ein noch weiterer Bereich an Längenskalen aufzulösen (turbulente Längenskala der Düseninnenströmung relativ zur Bohrung). Heutzutage sind diese problemangepassten Netze nur mit großem Aufwand zu realisieren. Sicherlich werden sich in Zukunft intelligente, automatische Algorithmen zur Netzgenerierung etablieren, die zumindest einen Teil dieser Arbeit dem Anwender abnehmen werden. Welche Strategie sich bei der Netzbewegung in Motoren durchsetzen wird, ist aber noch nicht ganz klar. Bisher ergänzen/löschen viele Codes (z. B. STAR-CD, KIVA-3V) definierte Zellschichten. Dies minimiert Interpolationsfehler, macht die Netzbewegung aber etwas unflexibel. Eine Alternative sind Mapping-Techniken (z. B. FIRE), die im Voraus für bestimmte Phasen Netze erzeugt, zwischen denen dann das Strömungsfeld projiziert wird. In der Vergangenheit war dies der weniger effiziente und ungenauere Weg. Für verschiedene Kolben und Ventilpositionen mussten mit großem Aufwand Netze erstellt werden und beim Übergang zwischen den Netzen kam es zu Projektionsfehlern. Durch automatische Vernetzungsstrategien und Interpolationsverfahren höherer Ordnung wird dieser Weg aber deutlich attraktiver werden und erlaubt die Benutzung jeweils optimaler Gitter im entsprechenden Kurbelwinkelbereich. Es wird momentan aber auch an innovativen Methoden wie überlappenden Netzen in verschiedenen Bereichen (Kolben, Ventile, …) gearbeitet.

17.6.2

Numerik

Zukünftige physikalische Modelle (wie Euler-Strahlmodelle- oder turbulente Verbrennungsmodelle) werden Strömungslöser mit deutlich reduzierter numerischer Diffusion erfordern. Für turbulente Verbrennungsmodelle, die auf Varianzgleichungen des Mischungzustandes oder der Temperatur aufsetzen, sind schon heute ohne Verwendung von

688

17 Simulation der Verbrennung

Verfahren 2. Ordnung keine sinnvollen Ergebnisse erzielbar. Diese Anforderungen gelten in noch deutlich verschärfterer Form für alternative Turbulenzmodelle wie LES. Bisher lag der Fokus ganz klar auf stabilen und robusten Algorithmen, leider häufig zu Lasten der numerischen Diffusion. Es sind aber schon aktuell vielversprechende Strömungslöser in Entwicklung, die einerseits auf komplexen, nicht ganz optimalen Netzen stabile Ergebnisse liefern, aber gleichzeitig konservativ sind und TVD-Eigenschaften besitzen, also keine lokalen Überschwinger hervorrufen (siehe (14.76)). Gerade auch im Hinblick auf alternative Strategien der Netzbewegung wird die Interpolationsfähigkeit bei Netzwechsel stärker in den Fokus rücken. Natürlich dürfen sich bei Netzwechsel weder integral noch lokal Sprünge in den Erhaltungsgrößen ergeben, aber auch die Gradienten müssen dabei erhalten bleiben, da diese ja wichtiger Input für viele Quellterme sind.

17.6.3

Turbulenz

Entgegen der auf Fachkonferenzen häufig propagierten Ansicht, aktuelle RANS-Modelle könnten nun zügig durch LES abgelöst werden, gehen wir davon aus, dass mindestens in den nächsten 5, eher 10 Jahren RANS-Modelle für motorische Berechnungen Stand der Technik bleiben. Der wesentliche Grund liegt unserer Ansicht darin, dass auf den komplexen, bewegten motorischen Geometrien keine Strömungslöser mit erforderlich niedriger Viskosität zur Verfügung stehen werden. Dies ist aber die absolut notwendige Voraussetzung (siehe Abb. 14-5)! Mittelfristig wird sich auch für motorische Berechnungen ein Übergang zu LES ergeben; sicherlich wird dies aber zunächst für aerodynamische Fragestellungen erfolgen. Erste sinnvolle Mehrzyklenberechnungen werden aktuell mit Forschungs-Codes realisiert. Von qualitativ hochwertigen Spray- oder Verbrennungsberechnungen mit LES ist man aber noch weit entfernt. Dafür muss nicht zuletzt die Qualität der Randbedingungen (beispielsweise Schwankungen aus dem Einspritzsystem) noch deutlich erhöht werden. Motorische Zyklenschwankungen sind aus unserer Sicht bis auf Weiteres kaum berechenbar (auch nicht mit LES, wie bereits in Kapitel 14 diskutiert). Bei dieser Fragestellung ist aber eine gewinnbringende Vernetzung mit Diagnostiktools denkbar. Inzwischen erlauben Hochgeschwindigkeits-Messtechniken in Transparentmotoren wie beispielsweise HighSpeed PIV genaueren Einblick in die Strömungsvorgänge im Zylinder und können CFDBerechnungen ergänzen.

17.6.4

Modellierung der Einspritzprozesse

Eine Verbrennungssimulation für direkteinspritzende Motoren ist üblicherweise sehr stark durch die Strahlmodellierung beeinflusst. Wenn letztere nicht korrekt ist, kann man auch vom Ergebnis der Verbrennungssimulation nicht viel erwarten. Deshalb ist es, gerade auch aus Sicht der Verbrennungssimulation, enorm wichtig, zunächst die Strahlmodellierung in Ordnung zu bringen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Schritt heute prinzipiell machbar sein sollte; die dafür erforderlichen Bausteine liegen auf dem Tisch. Allerdings sind diese Bausteine bislang kaum oder auch noch gar nicht in den üblichen kommerziellen motorischen Codes verfügbar. Da wäre zunächst einmal das LagrangeModell anzusprechen. Wenn man diesen Ansatz modellierungsseitig sinnvoll appliziert, also strahladaptierte, in Düsennähe hochaufgelöste Netze sowie entsprechend hohe Parti-

17.6 Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung

689

kelanzahlen verwendet, lassen sich durchaus vernünftige Ergebnisse erzeugen. Bezüglich der Modellierung ist insbesondere die turbulente Dispersion zu nennen. Wie wir diskutiert haben, sollte unbedingt die Turbulenz der Flüssigphase als Partikeleigenschaft transportiert werden, d. h. im Prinzip ein „Tropfenturbulenzmodell“ eingeführt werden, ähnlich wie ja auch die Gasströmung ein Turbulenzmodell benötigt. Rechentechnisch ist das nicht oder – je nach Modellansatz – höchstens unwesentlich aufwendiger als das Standardmodell, aber es ist leider dennoch bis heute nicht in den kommerziellen Codes umgesetzt. Es ist also unbedingt darauf zu drängen, dass diese Modellinnovation in die CFD-Codes Einzug hält. Wie in Kapitel 16 erwähnt, hat man heute eigentlich nur die Chance, im CFD-Code KIVA das dort vorhandene O’Rourke-Modell umzuformulieren; das ist allerdings ausgesprochen unkompliziert. Besonders großes Potenzial wird in der Applikation einer Euler’schen Formulierung der Strahlmodellierung gesehen. Inbesondere bietet sie die Chance, die Berechnung der Düseninnenströmung kontinierlich in die Strahlberechnung übergehen zu lassen und so die genauesten Startbedingungen für die Einspritzstrahlberechnung zu liefern. Wie wir heute wissen, haben Strömungsprozesse in der Düseninnenströmung großen Einfluss auf das Strahlverhalten. Wie wir in Kapitel 16 versucht haben darzustellen, erachten wir es für unbedingt empfehlenswert, hier nicht einen vollständig unabhängigen, im Wesentlichen empirisch motivierten Ansatz einzuführen, sondern vielmehr vom wohletablierten Lagrange-Modell auszugehen und dieses in eine äquivalente Euler’sche Formulierung zu transformieren. Genau dies war (unter gewissen Näherungsannahmen) Gegenstand des Kapitel 16.3. Es besteht die Aussicht, dass dieses Modell in naher Zukunft in motorischen CFD-Codes verfügbar sein wird (z. B. in STAR-CD 4). Bezüglich der durchgeführten Näherungen (Zerfälle nur als Mittelwertsprozess, keine Stoßprozesse) ließe sich sicherlich eine Weiterentwicklung durchführen. Diese Näherungen entsprechen denen im Lagrange-Modell, allerdings herrschen dort andere Randbedingungen. Denn im Lagrange-Modell rühren die erwähnten Näherungen im Wesentlichen daher, dass keine statistische Konvergenz bei Berücksichtigung dieser Modelle erzielbar ist. Die Modellimplementation als solche ist aber naheliegend und unkritisch. Im Euler-Modell verhält es sich nun genau umgekehrt; die modelltheoretische Implementation erscheint eher als kritisch, die statistische Konvergenz ist dann automatisch erfüllt. Von beiden Fällen ist letzterer aber als deutlich günstiger zu werten; eine schwierige Modellimplementation sollte einen wesentlich weniger abschrecken als schlechtes Konvergenzverhalten. Für ersteres gibt es durchaus Lösungsansätze, wie wir im Folgenden diskutieren wollen. „ Näherung I: Berücksichtigung der Zerfälle nur als Mittelwertsprozess

Als Konsequenz davon wurde letztlich das Konzept der Tropfenklassen eingeführt, wobei nun die Radiusvarianz innerhalb einer Klasse relativ klein sein soll, so dass mit einem mittleren Radius gearbeitet werden kann. Eine Berücksichtigung von sich aufgrund von Zerfallsprozessen ausbildenden Tropfengrößenverteilungen könnte etwa dadurch stattfinden, dass man auch für den Radius in der Transportgleichung der Verteilungsfunktion (16.71) verallgemeinerte Diffusionsterme im Sinne einer Fokker-Planck-Gleichung einführt. Im verallgemeinerten Sinne beschreibt eine Fokker-Planck-Gleichung die Verteilungsfunktion einer Größe x, deren Zeitentwicklung durch die additive Einwirkung einer stochastischen Kraft F beeinflusst ist:

690

17 Simulation der Verbrennung

dx f ( x)  Fstochast . (17.96) dt (Gl. (17.96) ist dann gerade die zugehörige Langevin-Gleichung). Nun ist man zunächst versucht zu argumentieren, dass ein derartiges Verhalten auf Zerfälle nicht anwendbar ist. Denn für den Radius eines Tropfens nach n Zerfallsprozessen (mit mi Tochtertropfen im i-ten Zerfall, i = 1,...,n) gilt gerade: Rn

R0 ˜

1 3

m1

˜

1 3

m2

˜! ˜

1 3

mn

.

(17.97)

Der stochastische Einfluss verhält sich also multiplikativ, nicht additiv. Das ändert sich aber nach Logarithmieren: ln m1 ln m2 ln mn  ! . (17.98) 3 3 3 Das heißt, es ist möglich, für den Logarithmus des Radius eine Fokker-Planck-Gleichung zur Beschreibung von Zerfallsprozessen zu formulieren: ln Rn

ln R0 

ln Rn

ln R0 

ln m1 ln m2 ln mn  ! . (17.99) 3 3 3 Berücksichtigt man, dass mit den Bezeichnungen von (16.56) für Mittelwert und Varianz von lnR gilt:

ln R

ln R0 

ln R

1 ln m  dt 3³ W t

0

2

 ln R

2

1 ln m  dt 9³ W 2

t

,

(17.100)

so lässt sich für die massenbasierte Verteilungsfunktion U (d. h. die Dichte, siehe die Diskussion bzgl. (16.58) und (16.59)) die folgende Fokker-Planck-Gleichung formulieren: 0

º w w § 1 ln m w ª 1 ln 2 m w · ˜ U ( R, t )  U ( R, t ) ¸  U ( R, t ) » 0 . ¨ (17.101) « R R wt w ln R © 3 W w ln 18 w ln W ¹ ¬ ¼ Unter Berücksichtigung von (16.58) sowie dlnR = dR/R ergibt sich schließlich, dass in Gl. (16.71) der Diffusionstern 





º w 1 w ª 1 ln 2 m R 3 ˜ p ( R , v, T , t ) » ˜R « 2 wR R wR ¬ 18 W ¼

(17.102)

zu addieren ist. Es sind auch noch gemischte Diffusionsterme vom Typ w / wR ˜ w / wv sowie w / wR ˜ w / wT einzufügen (ähnlich (16.68) bis (16.70)). Diese entsprechen den Phänomenen, dass verschieden große und verschieden schnelle Tropfen verschieden schnell verdampfen, sich verschieden schnell aufheizen und unterschiedlich abgebremst werden. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Zerfällen ist zwar eine Poisson-Verteilung, aber für größere Zerfallsanzahlen konvergiert diese gegen eine Normalverteilung; und dies ist letztlich die Voraussetzung für die Verwendung einer Fokker-Planck-Gleichung. Daraus folgt im übrigen direkt, dass sich bei konstanter (d. h. insbesondere radiusunabhängiger) Zerfallsrate, ohne Einfluss von Abbremsungs- und Verdampfungsprozessen, als Größenverteilung eine Log-Normal-Verteilung einstellt:

17.6 Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung

p ( R; t )

D

§ § R ln m ·2 ¨ ¨ ln  t¸ ¨ 3W ¹ R0 1 exp ¨  © 2D 2SD ¨ ¨ ©

691

· ¸ ¸ dR ¸ ¸ R . ¸ ¹

(17.103)

ln 2 m t 9W

„ Näherung II: Vernachlässigung von Stoßprozessen

Betrachten wir zunächst die (quasi)-elastischen Stöße. Hier ist es sinnvoll, sich das Vorgehen bei der Ableitung der Navier-Stokes-Gleichungen aus der Boltzmann-Gleichung mittels Chapman-Enskog-Ansatz näher anzusehen (siehe z. B. Rieckers und Stumpf (1977)). Dort wird die Verteilungsfunktion als Summe aus einer lokalen MaxwellVerteilung p0 und einer kleinen Störung p1 geschrieben, wobei die lokale MaxwellVerteilung das (elastische) Stoßintegral eliminiert. In Übertragung auf Gl. (16.71) (die wir ˆ kompakt als Lp 0 0 schreiben) ließe sich nach Wiedereinführung des elastischen Stoßterms dann formulieren:

L( p0 ) | L p0  p1

I elast. Stoßt.[ p0  p1 ]

I elast. Stoßt.[ p1 ] |

W Stoß 1

p1 ,

(17.104)

wobei im letzten Schritt bereits die beim klassischen Chapman-Enskog-Ansatz übliche Näherung eingesetzt wurde. Aus dieser Beziehung lässt sich dann der Korrekturterm p1 berechnen. Dieser Ansatz müsste noch mit dem Vorgehen von Abschnitt 16.3.3 zur Schließung der Momentengleichungen kombiniert werden. Die Behandlung inelastischer Stöße ist schwieriger, könnte aber eventuell als Überlagerung von elastischen Stößen und Zerfällen interpretiert werden (auch Koaleszenz kann als „inverser Zerfall“ mit wachsendem Tropfenradius interpretiert werden). „ Turbulente Gasfluktuationen als Quelle der turbulenten Dispersion

Zusätzlich ist festzuhalten, dass die Korrelation der turbulenten Fluktuationen der Gasgeschwindigkeit von Gl. (16.61) bzw. (16.69) sehr einfach gewählt ist. Es wäre sicherlich korrekter und konsistenter, einen Ansatz entsprechend (14.34) zu veranschlagen, d. h. Nichtdiagonalterme, die zum Scherungstensor proportional sind, zu berücksichtigen.

17.6.5

Modellierung der Verbrennung

Auch bezüglich der Verbrennungsmodellierung selbst lässt sich feststellen, dass die in diesem Kapitel geschilderten Ansätze leider noch nicht alle in den üblichen motorischen CFD-Codes realisiert sind, dies gilt z. B. für die G-Gleichung oder auch den 2-Phasenansatz bei der Flammfrontverbrennung. (Abschnitt 17.4.1). Deren Umsetzung wäre sicherlich ein wesentlicher Fortschritt. Ansonsten sollte es möglich sein, mit den in diesem Kapitel beschriebenen, heute verfügbaren Ansätzen alle Verbrennungsregimes mit sehr schnellen chemischen Prozessen (d. h. großer Damköhler-Zahl), bei denen die turbulente Zeitskala dominant wird, gut zu beschreiben (das sind gerade die Verbrennungsregimes auf der „Dreiecksbasis“ von Abb. 17-1).

692

17 Simulation der Verbrennung

Für die stärker reaktionskinetisch beeinflussten Prozesse wie z. B. Selbstzündung, dieselmotorische „Vormisch“-Verbrennung oder Schadstoffbildung (insbesondere NOx und Ruß) fehlen nach wie vor leistungsstarke, einfache Ansätze von hinreichender Allgemeingültigkeit. Grundproblem ist das schon diskutierte Verteilungsproblem der für das jeweilige Problem spezifischen Fortschrittsvariablen im Mischungsbruchraum. Wenn man sich diesen Fragestellungen nähert, ist zu unterscheiden, ob im Wesentlichen eine diffusionsflammenorientierte Verbrennung mit starken Mischungsbruchgradienten vorliegt, oder ob ein eher vorgemischtes System mit geringeren großskaligen und turbulenten kleinskaligen Inhomogenitäten der Gemisch- oder Temperaturverteilung zu beschreiben ist. Im ersteren Falle geht es somit darum, eine Erweiterung des klassischen Diffusionsflamelet-Ansatzes abzuleiten. Falls sich hier nicht doch noch für das eine oder andere Problem einer der in der Literatur diskutierten Fortschrittsvariablenansätze durchsetzen sollte (siehe z. B. Steiner et al. (2004) oder Lehtiniemi et al. (2005)), muss man vermutlich auf den kurz vorgestellten Conditional-Moment-Closure(CMC)-Ansatz zurückgreifen, der allerdings prinzipbedingt mit extrem hohem Berechnungsaufwand verknüpft ist. Vielleicht lässt sich ja die eine oder andere intelligente Kombination mit einfacheren Ansätzen finden. Sollte das Basisproblem eher dem zweiten Typ entsprechen, also eine relativ homogene Mischung mit nur geringen Inhomogenitäten vorliegen (die dann allerdings dennoch prozessbestimmend sein können), bietet sich eher das Konzept der Berechnung von A-posteriori-Verteilungsfunktionen mittels so genannten transported-pdf-Modellen an, vgl. hierzu auch Pope (1985). Dabei wird ein lokaler Mischungszustand (von Ausgangsund Endprodukten der Reaktion, also inkl. Fortschrittsvariablen) über ein Ensemble homogener Reaktoren repräsentiert. Jeder homogene Reaktor wird durch ein Partikel dargestellt, das eine mögliche lokale Spezieskomposition verkörpert. Ein solches Partikel bewegt sich mit der Gasgeschwindigkeit im Brennraum, es mischt mit den anderen homogenen Reaktoren in einer Rechenzelle (Diffusion!) und seine Komponenten reagieren untereinander (laminar). Ein Problem besteht in der Modelierung der Diffusionsprozesse. Dieser Ansatz ähnelt dem Partikel-Konzept des Lagrange’schen Strahlmodells und leidet daher auch unter denselben Schwächen: zur Erreichung statistischer Konvergenz sind sehr hohe Rechenaufwände erforderlich, kleine Strukturen wie Flammenfronten sind nicht auflösbar. Geeignete Anwendungsgebiete sollten daher eher Probleme mit nicht zu scharfen räumlichen Gradienten, aber hoher chemischer Komplexität sein (z. B. ottomotorisches Klopfen).

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Literatur

693

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697

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

18.1

Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

18.1.1

Einführung

Die zukünftigen CO2-Szenarien (Abb. 18-1) stellen weltweit die wesentlichste Entwicklungsherausforderung für PKW-Antriebe dar. Die aktuelle und zukünftige Gesetzgebung ist in Abb. 18-1 dargestellt. Die von einigen Herstellern mit ihrer Fahrzeugflotte im Jahr 2008 und 2009 erreichten CO2-Emissionen sind vor dem Hintergrund der für Europa geplanten CO2-Zielwerte in Abb. 18-2 aufgetragen. Während in den letzten Jahren in Europa die Reduzierung des Flottenmittelwerts stark durch die Erhöhung des Dieselanteils realisiert wurde, erfolgt jetzt durch neue Benzindirekteinspritztechnologien in Verbindung mit verbessertem Energiemanagement und Start/Stopp sowie Hybridantrieben ein echter Stufensprung bei den Ottomotoren. Dabei sind verschiedene Entwicklungsrichtungen zu beobachten:

y Saugmotor-Schichtladekonzepte, siehe Langen et al. (2007) und Waltner et al. (2006), als Speerspitze der rein ottomotorischen Verbrauchskonzepte,

y die Kombination der Benzin-Direkteinspritzung mit Abgasturboaufladung, Prevedel

und Kapus 2006 und Fraidl et.al (2007), die wohl im Moment den am stärksten ausgeprägten Technologietrend bei Ottomotoren darstellt,

y milde Hybridanwendungen mit vergleichsweise moderaten elektrischen Leistungen, nach Bachmann (2009) sowie

y Vollhybride, siehe Weiss et al. (2009).

Gramm CO2 pro Kilometer (NEDC-Test)

Tatsächlicher Flottenmittelwert CO2 Emissionswerte bis Mai 2008 und zukünftige verordnete/beabsichtigte Ziele pro Region Feste Punkte und Linien: aktuelle Daten gestrichelt: verordnete nächste Ziele gepunktet: vorgeschlagene Ziele

AUSTRALIEN USA

KALIFORNIEN

CHINA SÜDKOREA

JAPAN

EUROPÄISCHE UNION

Abb. 18-1: Derzeitige und zukünftige CO2-Gesetzgebung G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_18, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

698

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Durchschnittlicher CO2 Wert 2009 (g/km)

FLOTTENMITTELWERT CO2 Emission für 2008 und 2009 Flottenmittelwert 2009 beeinflusst durch die Abwrackprämie (hauptsächlich kleinere Fahrzeuge) Î höchstwahrscheinlich nicht repräsentativ für zukünftige Entwicklungen

EU Richtlinie für 2015

mittleres Fahrzeuggewicht 2009 in [kg]

Abb. 18-2: CO2-Emissionen verschiedener Hersteller im Vergleich zur zukünftigen Gesetzgebung – Vergleich 2008 und 2009; Größe der Kugeln: Stückzahl

Bei dieser Entwicklung – besonders wenn man 2009 mit 2008 vergleicht – ist allerdings auch ein gewisser Lenkungseffekt aus Förderungen zu sehen – in Abb. 18-2 sinkt beispielsweise die CO2-Emission und das Fahrzeuggewicht aufgrund der wegen der Krise 2009 eingeführten Abwrackprämie. Es ist in Abb. 18-3 weiter ersichtlich, dass moderne Dieselantriebe bis zu einer bestimmten Fahrzeugklasse bereits heute in der Lage sind den Zielwert zu unterschreiten – dies natürlich auch beeinflusst von der Fahrwiderstandsline. Zieht man das für 2020 diskutierte CO2-Ziel von 95 g/km in Betracht, kann man ableiten, dass sich auch der Diesel noch weiter verbessern muss. Unter Einbeziehung der konventionellen Schadstoffemissionen stellt sich die Frage, welche Technologiekombination langfristig das größere Entwicklungspotenzial, die bessere Kundenakzeptanz, das geringere Risiko und das beste Kosten / Nutzen Verhältnis hat. 450 Benzin Saugmotor 400 CO2 Emission in NEDC [g/km]

Diesel 350 Benzin Turbo 300 Hybrid (Benzin)

250

CNG Turbo

200

vorgeschlagenes EU CO2 Limit

150 Hybrid

100 Benzin Turbo

50

Diesel CNG Turbo

0 500

1000

1500 Fahrzeugleergewicht [kg]

2000

Quelle: AR 2010

2500

Abb. 18-3: CO2-Emissionen von PKW nach Motortechnologie

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

18.1.2

699

Konfiguration des optimalen Antriebssystems

So wie in vielen anderen Bereichen der Konsumgüterindustrie können verschiedenartige Kundenwünsche immer besser durch eine breitere Technologiepalette in Verbindung mit Softwarevarianten erfüllt werden. Dabei wird sich die bereits in den letzten zwanzig Jahren entstandene Vielfalt neuer Fahrzeugvarianten durch die Elektrifizierung des Antriebsstranges noch weiter verstärken. Vereinfacht kann man davon ausgehen, dass sich auf der ganzen Welt der Käufer oder besser eine „Käuferfamilie“ nach ähnlichen Kaufkriterien, wie z. B.:

y y y y

Anschaffungskosten, Kraftstoffverbrauch bzw. Betriebskosten , Fahrdynamik und -komfort (d. h. Fahrbarkeit), Technologietrends, entscheidet. Aber die Gewichtung dieser Kaufkriterien wird einerseits stark vom lokalen Umfeld und den dort aktuellen Randbedingungen beeinflusst, andererseits von individuellen Kaufentscheidungen geprägt, Abb. 18-4.

Boundary conditions Randbedingungen General allgemeine Economics Wirtschaftlichkeit

Legislation Gesetzgebung CO 2 CO 2 Gesetzgebung Legislation LuftverPollutants schmutzung

Pricefossiler Fossil Preis Based Fuels Brennstoffe Preis Price erneuerbarer Renewable Energien Fuels

Kundenkriterien Customer Criteria

ElektrizitätsElectric infrastruktur Energy Infrastructure regionale Traffic Verkehrsdichte Density of Region UmweltEnvironmental bewusstsein Awareness

soziale Social Akzeptanz Acceptance

Access EingangsbeRestrictions schränkungen

Battery Break Durchbruch Through ?in H2-Speicherung H2 Storage Durchbruch in Break Batterietechnologie Through ? Fashionable Modetrends Trends

Abb. 18-4: Umfeld für Kundenerwartungen an PKW-Antriebssysteme

Die ersten drei Parameter können mit entsprechenden Analyse- und Entwicklungswerkzeugen auf objektiver Basis gut quantifiziert werden. Bei der aktuellen Einschätzung und Bewertung von Technologieoptionen hingegen kommt ein sehr subjektives, eher Modetrends unterworfenes Verhalten des Käufers zum Tragen. Bei der Definition von Marktsegmenten kommt man zu einer spezifischen Gewichtung dieser vier voneinander unabhängigen antriebsspezifischen Bewertungsgruppen, zwischen denen sich natürliche Trade-Offs ergeben. So verbessern z. B. moderne AntriebsstrangKonfigurationen mit vielen neuen Elementen sowohl Fahrbarkeit als auch CO2-Emissionen, bedingen jedoch auch höhere Produktionskosten.

700

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Wird die Antriebsstrangauslegung primär an Katalogwerten wie Leistung, Beschleunigung 0–100 km/h, Höchstgeschwindigkeit etc. und weniger an der tatsächlichen Kundenerwartung bezüglich Fahrbarkeit ausgerichtet, so können die Optimierungspotenziale z. B. hinsichtlich CO2-Reduzierung nicht vollständig genutzt werden. Daher ist es für die Entwicklung verbrauchs- und kostenoptimaler Antriebssysteme wichtig, die tatsächliche Kundenerwartung bezüglich Fahrbarkeit genau zu erfassen und zu quantifizieren. Diese Erwartung kann jedoch vom Kunden selbst naturgemäß gar nicht explizit formuliert werden. Hierzu sind geeignete Analyse-/Entwicklungswerkzeuge hilfreich. Aus den treffsicher erfassten Kundenkriterien und deren Gewichtung zueinander sowie einzelnen äußeren Randbedingungen (z. B. gesetzliche Vorgaben, Kraftstoffverfügbarkeit) können die technischen Kriterien für die Auslegungsphase abgeleitet werden. Diese dienen als Input für einen „Konfigurationsprozess“. Das ist der wesentliche Teil der Auslegungsphase und damit das Zusammenwirken unterschiedlicher Bewertungsprozesse, auf die später noch im Detail eingegangen wird. Um diese Bewertungsprozesse durchführen zu können, muss zusätzlich auch ein detaillierter Überblick über aktuell und zukünftig verfügbare Technologieelemente geschaffen werden.

18.1.3

Technologieelemente künftiger Antriebsstrang-Konfigurationen

Zukünftige Antriebskonzepte erfordern ein höheres Maß an Flexibilitäten im Antriebsstrang zur bestmöglichen Anpassung an die unterschiedlichen vom Kunden gefahrenen Betriebszustände. In der Vergangenheit wurde dies vorzugsweise mittels neuer Technologieelemente der Verbrennungskraftmaschine umgesetzt. In Zukunft bringt insbesondere die Elektrifizierung des Antriebsstranges eine enorme Erweiterung des Gestaltungsfreiraumes und damit die Möglichkeit, neue zusätzliche Technologieelemente in verschiedenste Konfigurationen des Antriebssystems einzubringen. Für eine optimale Anpassung des Antriebes an die jeweilige Fahrsituation können die dafür erforderlichen Flexibilitäten sehr unterschiedlich auf die fünf Grundelemente des Antriebsstrangs: – Verbrennungsmotor („VKM“) – Getriebe – Elektromotor- Energiespeicher – Steuerung und Regelung verteilt werden. Dabei entstehen für die einzelnen Antriebsstrangkonfigurationen charakteristische „Flexibilitätsmuster“, Abb. 18-5. Vergleichsweise einfache Getriebe bzw. Getriebestrategien einerseits sowie die geringen Energiedichten und hohen Kosten der Batterie andererseits förderten über Jahrzehnte die Entwicklung hochflexibler Verbrennungsmotoren. Bei den Ottomotoren stellt dabei die Kombination von Aufladung, vollvariablem Ventiltrieb, variabler Verdichtung, Direkteinspritzung und sowohl fremd- als auch selbstgezündeter Betriebsweise nicht nur das Maximum an verbrennungsmotorischer Flexibilität, sondern auch an Komplexität und Kosten dar. Beim Dieselmotor setzten sich Turboaufladung, Common-Rail Einspritzsysteme, gekühlte Abgasrückführung und der Wandstrompartikelfilter durch, während aktive NOxAbgasnachbehandlung bislang nur einigen Anwendungen vorbehalten blieb, Abb. 18-5 links oben. Mittels Lastpunktverschiebung über entsprechende Getriebestrategien können die zur Darstellung günstiger Verbrauchs- und Emissionswerte erforderlichen verbrennungsmotorischen Flexibilitäten und damit die Kosten deutlich verringert werden. Durch flexible Getriebe (CVT, Doppelkupplungsgetriebe, zukünftige Generationen von Stufenautomaten) werden attraktive Verbrauchs- und Emissionswerte auch mit vergleichbar einfacher Verbrennungsmotor-Technologie erreicht, Abb. 18-5 rechts oben.

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren Optimierter Verbrennungsmotor (Diesel oder Benzin) + Schaltgetriebe

Saugmotor + Automatikgetriebe

IC Engine Verbrennungsmotor

F

Batterie Battery

701

ib le x

ilit

ät

Verbrennungsmotor IC Engine

x Fle

BatterieBattery

lit ä

t

Transmission Getriebe

Getriebe Transmission

Elektromotor Electric Motor

ib i

Electric Motor Elektromotor Steuerung Control Strategy

Control Steuerung Strategy

Leistungsverteilung Hybrid

Elektrofahrzeug, Range Extender

Verbrennungsmotor IC Engine

x Fl e

Batterie Battery

ib i

lit ä

t

Verbrennungsmotor IC Engine

x Fl e

BatterieBattery

Getriebe Transmission

Electric Motor Elektromotor

ib i

lit ä

t

Getriebe Transmission

Elektromotor Electric Motor Steuerung Control S

Steuerung Control

Abb. 18-5: Zukünftige PKW-Antriebsstrangkonzepte: Qualitative Aufteilung der Flexibilitäten auf die einzelnen Antriebsstrangkomponenten

Die verschiedensten Formen der Hybridisierung nehmen teilweise signifikanten Einfluss auf die einzusetzende Motortechnologie. Bei Powersplit-Hybriden werden die Flexibilitäten primär im Bereich der Elektromotoren und Software angeordnet, der Verbrennungsmotor kann bei entsprechender Systemauslegung weiter vereinfacht werden, Abb. 18-5 links unten. Noch stärker wird der erforderliche Betriebsbereich des Verbrennungsmotors beim Elektrofahrzeug mit verbrennungsmotorischem Range-Extender von Fischer (2009), Abb. 18-5 rechts unten, eingeengt. Die zur Erfüllung von Kundenanforderungen notwendigen Flexibilitäten werden hier primär durch die Batterie und den Elektromotor abgedeckt. Abhängig von der Systemauslegung stellt dabei der Verbrennungsmotor de facto nur mehr ein „Notstromaggregat“ mit Ein- oder Zweipunktbetrieb und entsprechend reduziertem Technologieerfordernis dar. Damit ergeben sich für die verschiedenen Antriebsstrangkonfigurationen sowohl äußerst unterschiedliche Anforderungen an Teile des Antriebsstranges als auch aufgrund der unterschiedlichen Flexibilitäten unterschiedliche Verbrauchseinsparungseffekte. Diese Effekte können additiv oder substitutiv sein. So ist beispielsweise die Kombination eines Verbrennungsmotors mit einem Start/Stopp System additiv. Die Kombination von Downspeeding mit beispielsweise Schichtbetrieb beim Otto Motor wäre vorwiegend substitutiv. Weiters weisen die einzelnen Konzepte jeweils unterschiedliche Vorteile in verschiedenen Fahrzuständen auf. Die einfache Hybridisierung eines Triebstrangs durch Einfügen einer E-Maschine ohne weitere Maßnamen zeigt z. B. Vorteile vor allem im Stadtverkehr mit häufigem Stop and Go. Hingegen zeigen beispielsweise Dobes et al.(2008) ein Downspeedingkonzept mit gekühlter AGR zur Vermeidung der Volllastanfettung beim Ottomotor auch bei forcierter Fahrweise noch Verbrauchsvorteile.

702

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Ganz generell ist ein klarer Trend von der getrennten Auslegung und Optimierung der Verbrennungskraftmaschine („hochflexible VKM“) und einfachem Antriebsstrang zur umfassenden Gesamtsystemoptimierung („VKM mit eingeschränktem Betriebsbereich und hochflexiblem Antriebsstrang“) festzustellen. Nur eine solche Gesamtsystemoptimierung ermöglicht die Nutzung von Synergieeffekten, wie z. B. die Elimination von Emissionsspitzen der VKM während Hochlastphasen durch Drehmomentunterstützungen von einem E-Motor. Gerade im Hinblick auf das rasch veränderliche Marktumfeld ist es jedoch erforderlich, solch hochflexible Antriebsstränge aus einer Palette modularer Komponenten – einem Baukastensystem – aufzubauen, die je nach Einsatzfall unterschiedlich kombiniert und möglichst weitgehend alleine durch Kalibrierungsprozesse funktional integriert werden. Ganz entscheidend für die Auslegung und Entwicklung solcher Antriebsstränge ist dabei eine umfassende Betrachtung des Gesamtsystems, sowohl in der Konfigurations- als auch in der Entwicklungsphase, Abb. 18-6.

Verbrennungsmotor Batterie

Getriebe

Elektromotor Steuerung Abb. 18-6: Integrative Antriebsstrangkonzeption und -entwicklung

18.1.4

Vorauslegung

Vor allem unter Beibehaltung konventioneller Entwicklungsphilosophien ergibt sich durch diese erweiterten Flexibilitäten des Antriebsstrangs eine Situation, in der „mehr Klaviere als Partituren“ zur Verfügung stehen. Der Technologiefortschritt bietet zwar zunehmend mehr Vielfalt, mehr Flexibilitäten, jedoch wie kann man den dadurch theoretisch möglichen Nutzwert in der Konzeptphase auch tatsächlichen abholen? Die Kernfrage einer integrativen Antriebsstrangentwicklung stellt dabei insbesondere die Festlegung dar, in welchem Antriebsstrangelement welches Ausmaß an Flexibilität und mit welchem Inhalt am sinnvollsten angeordnet wird.

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

703

Um eine fundierte Konzeptentscheidung und in weiterer Folge Optimierung herbeizuführen, ist eine umfassende Systembewertung erforderlich, die unter dem Überbegriff „Konfigurationsprozess“ mit den folgenden Schritten

y y y y y y y

Beschreibung der Kunden-Kaufkriterien und deren Gewichtung, Beschreibung der äußeren Randbedingungen (z. B.: Kraftstoffverfügbarkeit), Überführung dieser Anforderungen in technische Zielgrößen, Definition der technischen Module, Systematische Erfassung der technischen Lösungsansätze bzw. Modulkombinationen, Virtuelle Systemoptimierung, Festlegung der optimalen Antriebsstrang-Konfiguration. zusammenfasst werden kann, Abb. 18-6. Im letzten Schritt der Konzeptphase werden die gesammelten Informationen systematisch vernetzt und mittels CAx-Werkzeugen für die Bewertung hinsichtlich technologischem Potenzial und Funktionalität des Antriebssystems, Zuverlässigkeit, Produktionstauglichkeit und Kosten sowie Fahrdynamik und Fahrkomfort entsprechend den individuellen Kundenerwartungen bewertet. Boundary conditions Randbedingungen General allgemeine Economics Wirtschaftlichkeit

Legislation Gesetzgebung CO CO2 2

Price Fossil Preis fossiler Based Fuels Brennstoffe Preis Price erneuerbare Renewable Energien Fuels

Legislation Gesetzgebung Pollutants Luftverschmutzung Access Restrictions Eingangs-

Kundenkriterien Customer Criteria

KONFIGURATIONSPHASE

ElektrizitätsElectric Energy infrastruktur Infrastructure regionale Traffic Verkehrsdichte Density of Region Environmental UmweltAwareness bewusstsein

Social soziale Acceptance Akzeptanz

schränkungen

Battery Break in Durchbruch Through ? H2-Speicherung H2 Storage Durchbruch Break in Batterietechnologie Through ? Fashionable Modetrends Trends

ƒ Treibstoffverbrauch CO2 Emisson ƒ Schadstroffbegrenzung(Gesetzgebung) ƒ Produktionskosten ƒ Dynamik and Komfort ƒ… ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Verbrennungsmotoren Getriebe E-Motoren Energiespeichersystem Steuerungsarchitektur

KUNDENANFORDERUNGEN und RANDBEDINGUNGEN

TECHNISCHE ZIELE

TECHNOLOGISCHE ELEMENTE “BAUKASTEN SYSTEM”

KONFIGURATIONSPROZESS

Abb. 18-7: Konzeptphase mit Antriebssystem-Konfigurationsprozess

Auf Basis der Ergebnisse dieser drei weitgehend parallelen Analysevorgänge, d. h. der Fahrbarkeit (Dynamik und Komfort), dem technologischen Potenzial sowie der Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Antriebssystems, kann die den Kundenerwartungen am besten entsprechende Antriebsstrang-Konfiguration identifiziert und aus Elementen eines Baukasten-Systems (Configuration Module Box) zusammengestellt sowie abschließend optimiert werden, Abb. 18-8.

704

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

KONFIGURATIONSPROZESS Kundenerwartungen Customer expectation:: Attractiveund Dynamik dynamics Komfort and comfort Niedriger und Betriebskosten Low pricePreis and operational costs Moderne Technologie Advancedund andzuverlässige reliable technology

Customer expectation ANALYSIS:: Kundenerwartungsanalyse Fahrbarkeitsanlayse Analysis of driveability expectation with Basierend Based on drive auf den train Antriebsstrang of existing vehicles vorhandener Fahrzeuge mit "Driveability ಯ „AVL-DRIVE“ Dynamicsund Dynamik andKomfort comfort–"“Fahrbarkeit”

Technical Targets: Technische Ziele : Dynamicsund Dynamik andKomfort Comfort, , Kraftstoffverbrauch Fuel Consumption,, Emissionsgesetzgebung, Emissions (Legislation), Cost Kosten DYNAMIK und KOMFORT Fahrbarkeitsbewertung bei verschiedenen virtuellen AntriebsstrangKonfiguartionen „AVL“ z.B.„AVL-DRIVE

Verbrennungsmotor IC engine variant Var. 1…i Transmission Getriebe Var. var. 1…j E-motor Var. var. 1…k E-Motor 1…k Batterie Battery Var. var. 1…l 1…l Steuerungsarchitektur Controller architecture 1…m

TECHNOLOGY TECHNOLOGIE Leistungsevaluierung vonof Performance evaluation verschiedenen different virtual virtuellen powertrain Antriebsstrangconfigurations with Konfigurationen z.B.. "AVL-CRUISE “AVL-CRUISE” e.g.

ZUVERLÄSSIGKEIT und KOSTEN Evaluierung der Produktionstechnologie, Zuverlässigkeit (z.B. “AVL Load Matrix”), Lebensdauer und Produktionskosten (LCA)

„Baukasten „Configuration Module Box“ System “

Output: Ergebnis: Bestmögliche Antriebsstrangkonfiguration für den Kunden Powertrain Configuration best suitable for Customer Expectation::

IC Engine

Electric Motor

low

Transmission

high Flexibility

Battery Control Strategy

Abb. 18-8: Konfigurationsprozess zur Identifikation der bestgeeigneten Antriebsstrangkonfiguration

Die Verfügbarkeit effektiver Simulations-Werkzeuge für alle drei genannten Bewertungsgebiete ist sowohl für den Konfigurationsprozess als auch die nachfolgende Antriebsstrangentwicklung entscheidend. Fürs Erste dienen sie zur gezielten Analyse der eingesetzten Technologien und der damit erreichbaren Funktionalität des Antriebes (z. B. mit AVL CRUISE). Der zweite entscheidende Aspekt ist die Betrachtung der Systemkosten, die speziell bei der Einführung neuer Technologien oft auch durch den Einsatz neuer Werkstoffe und neuer Fertigungsverfahren beeinflusst werden. Dabei müssen Dauerhaltbarkeit und Zuverlässigkeit sichergestellt und jene Kosten berücksichtigt werden, die für den Zuverlässigkeitsnachweis aufzuwenden sind. Gemessen am Produktlebenszyklus beinhalten diese Aufwände neben den Validierungsumfängen auch die direkten Garantie- und Kulanzkosten. Gerade in Hinblick auf die in Zukunft deutlich erhöhte Flexibilität eines Antriebsstranges müssen diese Aspekte bereits in frühen Entwicklungsphasen berücksichtigt werden, um entsprechende Risiken ehest möglich zu quantifizieren und wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Seitens AVL wurde hierzu die sehr effiziente Methodik „Load Matrix“ entwickelt, die durch Kombination aus technischen und statistischen Methoden die schadensartspezifische Bewertung eines Validierungsprogramms ermöglicht. Durch die generische Anwendbarkeit kann produkt- und marktspezifisch das optimale Maß an Validierungsaufwand über den gesamten Entwicklungszeitraum ermittelt werden. So kann bereits in der Konzeptphase auf Zuverlässigkeit und damit Garantiekosten Einfluss genommen werden, wodurch letztlich der Erfolg eines Produktes – im Sinn einer Break-Even-Betrachtung – entscheidend abhängt.

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

705

Die Objektivierung, Analyse und Simulation der vom Kunden empfundenen Fahrdynamik- und Fahrkomfortaspekte, insbesondere eine treffsichere Definition einer „mindest erforderlichen Fahrbarkeit“ stellt für eine systematische Konzeption und Entwicklung kostenoptimierter Niedrig-CO2-Konzepte eine Grundvoraussetzung dar. Hier stehen die Werkzeuge AVL-DRIVE und AVL-VSM zur Verfügung. Da sich ein subjektiver Fahreindruck aus bis zu 500 Einzel-Bewertungskriterien zusammensetzt, ist eine quantifizierte Beschreibung von Mindestanforderungen durchaus anspruchsvoll. Ein vereinfachter, überblicksartiger Eindruck von einer für Kundenakzeptanz erforderlichen Fahrbarkeit kann aus dem Streuband der Gesamtbewertung für Fahrbarkeitsqualität von rund 100 Serien-PKW´s (mittels AVL-Drive Quality Index) gewonnen werden. Beschränkt man sich auf typische Personenkraftwagen (Small, Compact, Medium und Large Vehicles), Abb. 18-9, so ergibt sich eine nichtlineare Abhängigkeit der Fahrbarkeit vom Kaufpreis. 8

Kompaktklasse 7,5

AVL-DRIVE - Qualität [-]

Fahrbarkeit – Gesamtqualität

Mittelklasse Oberklasse Kleinwagen 7 empfohlene Fahrbarkeitsgrenze

6,5

Klein- Kompakt- Mittelklasse klasse wagen

6

Oberklasse

5,5

0

10

20

30

40

[k€]

50

Fahrzeuggrundpreis Deutschland [k€] Abb. 18-9: Integrale Fahrbarkeitsbewertung von Serien-Pkw

Berücksichtigt man die unterschiedliche Marktakzeptanz der einzelnen Fahrzeuge, so lässt sich eine untere Grenzkurve einer minimal erforderlichen Fahrbarkeit ableiten. Mittels solcher Vergleichsdaten können die Kundenerwartungen nun direkt in objektiv bewertbare Zielwerte übergeführt werden. Auch hinsichtlich des Trade-Offs zwischen Fahrdynamik und CO2-Emission bzw. dem Fahrzeugpreis ergibt eine fahrzeugklassen- und motorspezifische Betrachtungsweise weitere Erkenntnisse zur genauen Festlegung von Fahrbarkeits-Zielbereichen. Insbesondere bei kleinen und kompakten Fahrzeugen mit Ottomotor zeigt sich ein relativ klarer Trend, dass ohne spezifische Maßnahmen eine verbesserte Fahrzeugdynamik (integral mit dem AVL-DRIVE Dynamik Index beschrieben) durch höhere CO2-Emissionen mit sich bringt, Abb. 18-10.

706

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs 8,5

8,5

Kleinwagen & Small & Compact Kompakt PKW Passenger Cars

Gasoline Benzin 8

8

Driving Dynamics Fahrdynamik

AVL-DRIVE – Dynamic Index [-]

Gasoline Benzin 7,5

7,5

7

7

6,5

6,5

6

6

Diesel

5,5 80

Diesel

5,5 100

120

140

160

180

200

NEDC – CO2 –2g/km NEDC-CO -g/km

0

5

10

15

20

25

30

Sales PriceDeutschland Germany - k€– k€ Verkaufspreis

Abb. 18-10: Trade-Off zwischen Fahrdynamik, CO2-Emission und Verkaufspreis, Small und Compact PKW

Bei Fahrzeugen mit Dieselmotor hingegen kann eine Dynamiksteigerung mit vergleichsweise geringem Mehrverbrauch erzielt werden. Dies ist zu einem auf den thermodynamischen Vorteil des Dieselverfahrens, vor allem aber auf den höheren Technologieeinsatz des modernen Dieselmotors mit Turboaufladung und Direkteinspritzung zurückzuführen. Durch den Übergang zu aufgeladenen Direkteinspritzkonzepten können auch bei Ottomotoren hohe Fahrerlebniswerte bei niedrigeren CO2-Emissionen dargestellt werden. Hinsichtlich der Korrelation zwischen Fahrdynamik und Fahrzeugpreis überlappen sich die Streubänder von Otto und Dieselmotor, letzterer ist allerdings durch den größeren Technologieaufwand bei höheren Mindestpreisen platziert.

Kraftstoffersparnis in NEDC -%

25

20

15

10

Basis: 2.0 Saugmotor, 6-Gang Lastverlagerung durch: • Elektrifzierung, • Downsizing / Downspeeding, oder • Doppelkupplungsgetriebe

5

0 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Motorlastsprung in NEDC-%

Abb. 18-11: Verbrauchsverbesserung in Abhängigkeit der Lastpunktverschiebung

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

707

Bei Lastpunktverschiebung von insbesondere Ottomotorkonzepten – beispielsweise durch Downsizing, Downspeeding, Automatisierung des Getriebes oder Elektrifizierung – ist allerdings zu beachten, dass Technologiekombinationen nicht immer einen additiven Effekt auf die Verbrauchsverbesserung aufweisen. Wohl aber addieren sich die Summenkosten der Technologien, Abb. 18-11. Eine durchschnittliche Lastpunktverschiebung von 70 % im Neuen Europäischen Fahrzyklus durch beispielsweise Verringerung des Hubvolumens des Motors und Aufladung führt in Abb. 18-11 beispielsweise zu einer Verringerung des Verbrauches von rund 20 %. Wird nun diesem Technologiepaket (Downsizing und/oder Downspeeding – z. B. lange Getriebeübersetzung in Kombination mit einem aufgeladenen Motor wie beispielsweise am Turbohybrid) noch die strahlgeführte geschichtete Direkteinspritzung – das ottomotorische Brennverfahren mit dem größten Verbrauchsverbesserungspotenzial als Einzelmaßnahme – hinzugefügt, steigt die Verbrauchsverbesserung nur mehr geringfügig an – um rund 6 %, Abb. 18-12. Bei einem Konzept ohne Lastpunktverschiebung (z. B.: 2,0l NA MPFI in Abb. 18-12) würde dieselbe Technologie (geschichtete Direkteinspritzung) zu einer Verbrauchsverbesserung von rund 15 % führen. Dazwischen liegende Technologien (2,0l NA MPFI mit elektrischer Aufladung und verlängertem Getriebe, Startergenerator ISG mit verlängertem Getriebe, Turboaufladung mit Verkleinerung des Hubvolumens) erzielen bei Hinzunahme von geschichteter Direkteinspritzung Verbrauchsverbesserungen zwischen 10 und 14 %. Technologien die praktisch ohne Betrieb im Teillastgebiet auskommen (Powersplit Hybrid) erzielen bei Hinzunahme von geschichteter Direkteinspritzung praktisch keine Verbrauchsverbesserunge mehr. Der Grund liegt darin, dass geschichtete Direkteinspritzung auf das gleiche Verbrauchverbesserungspotenzial abzielt wie Downsizing oder Downspeeding – die Vermeidung von Ladungswechselverlusten an der Teillast. Die beiden Technologien sind also in ihrer Wirkung nicht additiv. 2.0 NA MPFI

zusätzliches F&E- Potential in NEDC durch strahlegführten Magerbetrieb - %

16

2.0 NA MPFI +15 kW ISG

2.0 NA MPFI elektr. Aufladung + electr. Boost

12

Turbohybrid 1.6 Turbo 8 Powersplit - hybrid Leistungsverteilung - Hybrid

Basis: 2.0 MPFI NA, MT6 Lastverlagerung durch Elektrifizierung, Downsizing / Downspeeding, oder Doppelkupplungsgetriebe

4

0 0

4

8

12

16

20

24

28

F&E- Potential in NEDC durch Verschiebung der Betriebspunkte - % Abb. 18-12: Zusätzliche Verbrauchsverbesserung von Schichtbetrieb beim Ottomotor in Abhängigkeit der Verbrauchsverbesserung durch Lastpunktverschiebung

708

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Demgegenüber würde sich eine Verbesserung der Motorreibung, eine Verringerung der Fahrzeugreibung, eine Verbesserung des Wirkungsgrades von Nebenaggregaten oder ein Start/Stopp-System fast durchwegs als additiv herausstellen.

18.1.5

Entwicklungsphase

Betrachten wir nun die der Konzeptionsphase nachfolgende Entwicklung zukünftiger Antriebssysteme, die im Regelfall alle 5 relevanten Antriebselemente (Verbrennungsmotor, Getriebe, Batterie bzw. Energiespeicher, Elektromotor und Regelungssystem) umfassen. Durch diese Vielzahl der Teilsysteme ergeben sich speziell für die Entwicklung der dafür notwendigen Regelungen neue Herausforderungen, so steigt der Umfang des Regelsystems beim Übergang von einem herkömmlichen Antrieb mit Motor und Handschaltgetriebe (= 100 %) auf einen Voll-Hybrid-Antrieb auf 270 % des Ausgangswertes! Da aber auch die Interaktion der Systeme und deren Kommunikation untereinander deutlich stärker in den Vordergrund treten, werden neue Netzwerktechnologien wie LIN, CAN, FlexRay etc. integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Hierdurch ergibt sich ein Paradigmenwechsel, da eine definierte Entwicklungsaufgabe nicht mehr starr an eine Entwicklungsumgebung (z. B. Motorenprüfstand) gebunden sein muss. Vielmehr muss dem Ingenieur die Flexibilität gegeben werden die „richtige“ Entwicklungsumgebung zu wählen. Um die optimale Entwicklungsumgebung auszuwählen sind neben den Kosten und der Ergebnisreife unter anderem auch Verfügbarkeit, Reproduzierbarkeit und Automatisierbarkeit entscheidende Kriterien. Um dieses Vorgehen ermöglichen zu können wird es in Zukunft von größter Bedeutung sein, auf noch stärker ausgeweitete Entwicklungs-Plattformen zurückgreifen zu können. Gleichzeitig muss der Entwicklungsprozess und damit die dafür verwendeten Werkzeuge in der Lage sein, Entwicklungsergebnisse aus einer Entwicklungsphase auf andere Phasen übertragen zu können (z. B. ist es entscheidend wichtig die Informationsgewinnung und –auswertung in der Simulationsphase zu definieren und in einer späteren Versuchsphase gleichermaßen anzuwenden). Dies erlaubt es auch den jeweils erreichten Entwicklungsstand an den Zielen hinsichtlich Kosten, Funktionalität, Zuverlässigkeit, und – gleichwertig – Fahrbarkeit im Sinne der individuellen Kundenwünsche zu bewerten, Abb. 18-13. In einem solchen Entwicklungsprozess müssen durchgängig einsetzbare aber dennoch modulare Werkzeuge (“tool box”) zur Verfügung stehen. Die gleichen Simulationsmodelle für Antriebselemente, Fahrzeug, Fahrer und Umgebung wie auch die entsprechenden Off/On-line Bewertungsmethoden für die Fahrbarkeit müssen in der Konfigurations- und Entwicklungsphase verwendet werden können. So ist ein hochflexibler Entwicklungsprozess vom vollständig virtuellen Konzept über Software-in-the-Loop, Hardware-in-theLoop über Komponenten- und Rollenprüfstände bis hin zum Straßenversuch möglich. Wobei die Entwicklungsumgebungen nicht zwingend aufeinanderfolgend zu sehen sind. Durch die gegebene Flexibilität werden Parallelisierungen und Vor- bzw. Rücksprünge auf andere Entwicklungsumgebungen in verschiedenen Phasen der Entwicklung unterstützt.

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

ENTWICKLUNGSSPHASE DEVELOPMENT PHASE

KONFIGURATIONSPHASE CONFIGURATION PHASE

CONFIGURATION PROCESS

Konfigurationsprozess

Modell Model A A

Model BB Modell Model CC Modell Modell Model DD

709

Modelle Baukastensystem Models inim „Tool Box“ for für Development die Entwicklung from in der Configuration Phase Konfigurationsphase

Modell Model EE Modell Model FF

Motor Engine Test Test

MiL/SiL

ECU Test

E-Motor Test

Simulation

Chassis RollenPrüfstand Dyno

Strasse Road

Test

Abb. 18-13: Simulations-„Tool-Box“ für gemeinsame Nutzung während der Konfigurations- und Entwicklungsphase

Ein Beispiel für das Zusammenspiel eines solchen Konfigurations- und Entwicklungsprozesses ist in Abb. 18-14 gezeigt. Aus der Konzeptphase heraus erfolgt die Identifikation der bestgeeigneten Konfiguration und gleichzeitig stehen bereits alle relevanten Simulationsmodelle zur Verfügung, die auch im Entwicklungsprozess eingesetzt werden müssen. Schrittweise kann nun die Entwicklung der Regelung (ECU) am SiL- bzw. HiL-Prüfstand, die Entwicklung und der Test der Hardware-Teilsysteme wie Motor, Getriebe, E-Maschinen und Batterien auf Komponentenprüfständen bis hin zu Gesamtsystem- und Fahrzeugtests in beliebiger Reihenfolge auf System- und Rollenprüfständen erfolgen. Die hohe Bedeutung solcher durchgängiger Werkzeuge und Methoden in allen Projektphasen ist gerade bei Neuentwicklungen gegeben, denn so können Arbeiten flexibel in beliebige Entwicklungsphasen übertragen werden – es wird somit ein durchgängiges Simulations- und Versuchskonzept aufgebaut, die wie in Abb. 18-14 dargestellt vom HiLbis zum Fahrzeugrollenprüfstand zur Verfügung steht. Implizit sind dadurch auch eine unmittelbare Validierung der Simulationsergebnisse und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Modelle und der Versuchsmethoden möglich. Ein solcher voll flexibler Entwicklungsprozess erlaubt es, bestimmte Antriebs-Konfigurationen festzulegen und effizient zu entwickeln, welche die antriebsspezifischen Kundenerwartungen für bestimmte Marktsegmente treffsicher abdecken.

710

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

KONFIGURATIONSPHASE CONFIGURATION PHASE

CONFIGURATION PROCESS KONFIGURATIONSPROZESS

Modell Model BB Model CC Modell

Modell Model AA

Model EE Modell Modell Model FF

Modell Model DD

Simulation SimulationsModels modelle

Configuration Konfiguration

ENTWICKLUNGSPHASE DEVELOPMENT PHASE

Simulation models of vehicle, driver, road and Simulationsmodelle von Fahrzeug, Fahrer, Strasse undtraffic Verkehr

HIL HIL Prüfstand Test Bed

Motor Engine Test Bed Prüfstand

Antriebsstrang Powertrain Prüfstand Test Bed

Optimierung und Optimierung und • ControlSteuereinheit Unit Network • Optimization and • Optimization and •Netzwerk Validierung von: Validierung Validation of:von: Validation of: •Hochfahren • Power-Up u. andAbschalten Shut-Down •FahrzeugstabilitätsEmissions Vehicle Stability Functions •Emission •Funktionsentwicklung funktionen • Function Development Fuel Consumption Powertrain Dynamics •Kraftstoffverbrauch •Basiskalibrierung •Antriebsstrangdynamik Calibration Energy Management • Basic Calibration •Kalibrierung •Energiemanagement

Fahrzeug Vehicle Test Bed Prüfstand Optimierung und • Optimization and Validierung Validation of:von: •Thermischem Verhalten Thermal Behavior Acoustic Behavior •Akustischem Verhalten •Emissionszertifizierung • Emission Certification

Fuel Consumption, Performance, Emissions and Driveability Kraftstoffverbrauch, Leistung, Emission und Fahrbarkeit

Abb. 18-14: Gemeinsame Simulationsmodelle und Bewertungsmethoden während der Konfigurations- und Entwicklungsphase

18.1.6

Antriebsstrangkonfigurationen – Beispiele

Das Feld für zukünftige PKW-Antriebsstränge wird sich sowohl in Richtung deutlich komplexerer Lösungen – z. B. Hybridisierung – aber auch in Richtung einfacherer Antriebe erweitern. Einen Eckpunkt bilden hier extrem kostengünstige Lösungen, bei denen die Beschränkung auf das mindest Erforderliche den Kernpunkt der Auslegung darstellt. Kleinvolumige Zweizylinder-Ottomotoren werden im untersten Fahrzeugsegment nicht nur in den asiatischen, sondern auch in den europäischen Markt eingeführt werden. Steht bei solchen Konzepten nicht nur der Anschaffungspreis, sondern auch der Kraftstoffverbrauch stark im Vordergrund, so ist ein Low-Cost Dieselmotor ein höchst effektiver Lösungsansatz. Ein Beispiel für ein solches extrem kosten- und verbrauchsoptimiertes Aggregat stellt der bei AVL in Indien entwickelte 2-Zylinder Low Cost Dieselmotor dar. Sowohl Produktionserfordernisse als auch Leistungsbereich sind dabei für Low-Cost Märkte ausgelegt. In solchen Märkten ergibt sich trotz des eingeschränkten Leistungsbereiches ein breites Anwendungsfeld, Abb. 18-15. Zusätzlich ist für sehr kleine Fahrzeuge durchaus auch ein weltweiter Einsatz möglich. In Verbindung mit Elektrifizierung können mit solchen Triebwerken extrem niedrige CO2-Emissionen auch mit etwas größeren Fahrzeugen dargestellt werden.

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

Emerging neue Emerging markets Märkte markets (Indien ( (India, India, China, China, China,.).) .)

World World- weltweit wide wide

Europa Europe Europe and und and others andere others

711

Small Small Kleine commercial commercial Nutzfahrzeuge vehicles vehicles, , Minibusse minibusses minibusses Low Lowcost cost passenger PKW passenger cars bis zu up cars upto to ~1200 ~1200kg kg (Direktantrieb) (direct drive) (direct drive) Hybrid Hybrid passenger PKW passenger cars bis zu to cars(up (up to 1500 kg) 1500kg kg) Range Range Extender for Extender für for electrical elektrische electrical Fahrzeuge (vehicles (vehicles

Abb. 18-15: 2-Zylinder Low Cost Dieselmotor

Auf der Ottomotorenseite lässt sich durch geschickte Kombination von Technologien und eventuell Elektrifizierung ein extrem kostengünstiges Konzept darstellen. Basierend auf einem 2 Ventil Vierzylinder- Saugmotor, wie von Fiorenza et al. (2004) ausgeführt, der bereits eine Kombination von variabler Ladungsbewegung und Restgaststeuerung mit nur einer Komponente aufweist wurde ein Niedrigverbrauchskonzept entwickelt, mit dem ein CO2-Potenzial für ein Fahrzeug mit ca. 1000 kg Testgewicht von < 100 g/km darstellbar ist, Abb. 18-16. Trotz der extrem verbrauchsorientierten Konzeption (reibungsoptimierter 2V-Motor, elektrische Aufladung mit moderaten Spitzendrücken, lange Getriebeübersetzung, Start/Stop, intelligente Generatorsteuerung, elektronische Zylinderabschaltung (ohne Deaktivieren der Ventile), automatisiertes Getriebe und verringerter Fahrzeugwiderstand) kann eine durchaus akzeptable Fahrbarkeitsqualität erreicht werden. Die Zusatzkosten können vor allem durch die Verwendung einer konventionellen Batterietechnologie vergleichsweise gering gehalten werden. Auch im Bereich der europäischen Massenmotorisierung werden die zukünftigen Kundenanforderungen sehr stark durch den Fahrzeugpreis und die Betriebskosten, insbesondere den Kraftstoffverbrauch geprägt. Als höchst kosteneffiziente Verbrauchsmaßnahme werden Start/Stopp-Systeme und Rekuperation zunehmend zum breiten Standard. Vielfach sind sie jedoch nur Add-On zu einem bestehenden Antriebsstrang und damit nicht ausreichend bei der Gesamtsystemauslegung berücksichtigt. Dabei wird z. B. mittels intelligenten Batteriemanagement die zur elektrischen Versorgung des Fahrzeuges erforderliche Energie primär rekuperativ generiert, jedoch keine zusätzlichen Synergiepotenziale erschlossen. In Zukunft wird die durch Rekuperation gewinnbare Energie nicht nur direkt als Antriebsenergie eingesetzt, sondern gezielt zur Erweiterung des Downsizing-/Downspeedingbereiches verwendet, um dadurch zusätzliche Synergiepotenziale zu erschließen. Den einfachsten und kostengünstigsten Weg zur effizienten Nutzung rekuperierter elektrischer Energie stellt dabei die Anwendung zur elektrischen Aufladung über einen elektrischen Zusatzlader dar. Um das dadurch mögliche Potenzial sowohl im Testzyklus, aber insbesondere auch im realen Kundenbetrieb umzusetzen, ist eine umfassende Systemoptimie-

712

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

rung mit präziser Abstimmung der Drehmomentcharakteristik des Verbrennungsmotors, der Getriebeauslegung sowie der elektrischen Boost- und Rekuperationsstrategien erforderlich. Durch die thermodynamische Verstärkung können selbst mit kleinen elektrischen Energien deutliche Verbesserungen der Fahrdynamik dargestellt werden. Zylindergruppe 1 ti = 2 x ti Singlezur CatSeparierung with Katalysator separating wall to be des Abgasmassenstroms able to separate der inneren und äußeren exhaust flow of inner Zylindergruppe and outer cylinders

1 Luftfilter

2

3

4 VTES

M Zylindergruppe 2 ti = 0

Drossel

FIRE 2V CBR III Engine Elektronische Zylinderabschaltung Elektr. Hochaufladung CO2 < 100 g/km Ein Phasensteller für Einlass u. Auslassventile 10

Dichtung

9 8

Trennwand

Valve Lift [mm] Ventilhub

7 6 5

Einzelkatalysator

4 3 2 1 0 40

80

120

160

200

240

280

320

360

400

440

480

520

560

600

640

680

Crank Position [°CrA]

Abb. 18-16: Low CO2ST Niedrigverbrauchs-Ottomotorenkonzept

Damit können selbst unter Beschränkung auf eine einfach und kostengünstig umsetzbare 12V-Lösung mit dem „AVL-ELC-Hybrid System“ (Electric boost Low Cost Hybrid) bestehend aus:

y y y y

Start / Stopp, konventioneller E-Starter oder Riemen-Starter-Generator, Rekuperation über „Standard“-Lichtmaschine, Elektrische Zusatzaufladung (CPT-VTES), mit Standard-Turbolader in Serie geschaltet. Verbrauchsverbesserungen von rund 16 % (NEDC) bzw. 18 % im Real-World-Verbrauch bei gleichzeitig erhöhtem Fahrspaß gegenüber einem äußerst attraktiven Technologiestand (Benzin-Direkteinspritzung mit Abgasturboaufladung) dargestellt werden, Abb. 18-17. Den nächsten Schritt in Funktionalität, aber auch in Komplexität und Kosten stellt das direkte elektromechanische Einspeisen der rekuperierten Energie an der Kurbelwelle dar. Eine Lösung in dieser Richtung stellt der AVL Turbohybrid dar, Abb. 18-18. Dadurch ist eine signifikante Reduktion der CO2-Emission bei gleichzeitiger Steigerung des Fahrspaßes darstellbar (Stufe 1). Durch den höheren Leistungsbereich der E-Maschine ist ein stärkeres Ausnützen der Bremsenergierückgewinnung möglich, erfordert jedoch einen

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren

713

ebenfalls deutlich größeren Energiespeicher. Damit wird ein solches Konzept wirtschaftlich vor allem dann interessant, wenn zusätzlich die Funktionalität des rein elektrischen Fahrens zu einem Plug-In Hybrid erweitert wird und damit die entsprechenden Vorteile in der CO2-Bewertung umgesetzt werden können (Stufe 2 – Simulation). Kraftstoffverbrauch (NEDC): 154 g/km CO2 / 6.6 l/100km (1590 kg) Abgasnorm: EU5

Merkmale: 2l 4-Zylinder Turbo GDI Motor, 200PS, 400Nm 60 Æ 100km/h (4. Gang) 6 Sek.

Standard Turbolader (einkanalig, wastegate) dieselähnliche Getriebe-Abstimmung (lang übersetzt)

-1 -– Benchmark Load Step@@1500 1500min rpm Benchmark Lastsprung 24

1,5 s

Compressor and TC

22

VTES elektr. Ladeaggregat zur Verbesserung des Lastsprungs

AVL 2.0 tc GDI demo engine

20

0,6 s

AVL 2.0 tc demo VTES

18

AGR gekühlt bei hoher Last

BMEP - bar

16

Benchmark Scatterband

14

Lambda-1 Betrieb bis zu 4000 min-1 Volllast (210 km/h im 6. Gang)

12 10 8

Lichtmaschinenkontrolle

Electric Boost Low Cost Hybrid Demonstrator

6

Start/Stopp Funktion

4 2

Reibungsreduktion (Dichtungen)

0 0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

4

Time - sec

Abb. 18-17: ELC-Hybrid

Mild Hybrid mit 1,6l GDI TCI Motor und E-Motor (bis zu 30kW) Li Ion Batterie 140 / 80 g/km CO2 in NEDC (ohne / mit E-Drive) Over-boost Überlastbetrieb der for Batterieladung Over-boost forbattery battery bei der Beschleunigung charge during acceleration

charge during acceleration

350 1,6L GDI-tc

e-Motor Module

MT 6-Speed

300

series

Torque [ Nm ] Drehmoment [Nm]

Separator Separator Clutch Clutch- AVL AVLDesign Design

Power Electronics ECU

12V

HS-CAN Inverter-CAN

dSPACE MABx

Battery-CAN

Li-Ion Battery

250 200

Motor Engine transient transient

150

eMotor e-Motor Überlast Boost

100

eMotor Charge

1.6LGDI-tc, GDI-tc,Steady State 1.6l stat. Betrieb 1.6l 1.6LGDI-tc, GDI-tc,Überlast Overboost 1.6l 1.6LTurbohybrid Turbohybrid eMotor eMotor eMotor eMotorDrehmomentanf. torque demand

50 0

-1] ] Speed [ rpm Geschwindigkeit [min

1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000

Abb. 18-18: Turbohybrid

Auch ohne Ausnützen der Plug-In Funktionalität können in der Mittelklasse CO2-Werte 200 km steigt. Überdies ist durch die Verfügbarkeit von Flüssigkraftstoff an Bord des Fahrzeuges ein längerfristiges Thermomanagement des Passagierraumes und der Batterie problemlos möglich (Winterbetrieb!). Solche Elektrofahrzeuge mit Range Extender können aufgrund ihrer großen elektrischen Reichweite sehr niedrige CO2Emissionen erzielen, was auch in Gesetzestexten berücksichtigt wird oder schon ist.

Elektrisches Großstadt-Fahrzeug Range Extender mit Wankelmotor < 60 g/km CO2 in NEFZ Range Extender hinter der Hinterachse

75kW Tranktionsmotor Frontantrieb: - Beschleunigung von 0-60km/h: 6sek. – 60km/h: 6sec - Höchstgeschwindigkeit 130km/h

p

Li-Ion Li-Ion Li IonBatterie Batteryintegriert system in im Mitteltunnel vorand der in ofg rear , front y axle Hinterachse middle tunnel Pure battery operation Reiner Batteriebetrieb w/o Range ohne RangeExtender Extender

25 km

50 km

Patents applied

Permanente Berechnung aller potentiellen Strecken und dem dazu entsprechenden Energieverbrauch, inkl. Topographie, dem geschätzten Geschwindigkeitsprofil, Umgebungstemperatur, Fahrstil etc.

Abb. 18-20: Pure Range Extender

18.2

Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

Der Einsatz von Berechnungswerkzeugen in der Motorenentwicklung mit dem Ziel bei verbesserten Produkteigenschaften Entwicklungszeiten zu verkürzen und damit Kosten zu sparen ist heute eine etablierte Vorgangsweise. Die stetig weiter steigende Anzahl an freien Systemparametern bei Verbrennungsmotoren, sowie auch die zunehmende Komplexität hinsichtlich ihrer Einbindung in zukünftige, hybridisierte Antriebsstrangkonfigurationen, wird auch weiterhin zu einem starken Anstieg des Bedarfs an Modellierung und Simulation im Entwicklungsprozess führen. Der Beitrag, den die Anwendung von Modellierung und Simulation zur Produktentwicklung leisten kann hängt stark mit der Vorhersagekraft der zugrundeliegenden Modellansätze, der Handhabbarkeit der Werkzeuge und vor allem auch von deren Integrationstiefe in den Entwicklungsprozess ab.

716

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Der vorliegende Abschnitt stellt für die einzelnen Phasen im Motorentwicklungsprozess die Anwendungsgebiete unterschiedlicher Simulationsansätze aus den Bereichen Gesamtsystemauslegung, Thermodynamik, Verbrennungs- und Emissionsentwicklung vor und gibt eine Übersicht über die Anforderungen an die entsprechenden Berechnungswerkzeuge, die sich aus den aktuellen und zukünftigen Technologietrends ergeben. Im Weiteren werden die einzelnen Berechnungsansätze kurz vorgestellt und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für unterschiedliche Fragestellungen in den relevanten Bereichen diskutiert. Anschließend werden anhand ausgewählter Fallbeispiele aus verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses die Einsatzmöglichkeiten heute verfügbarer Berechnungswerkzeuge sowie der erzielbare Erkenntnisgewinn dargestellt. Abschließend wird im Ausblick kurz auf die Anforderungen an die Simulation, welche sich aus der zunehmenden Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebstrangs von Kraftfahrzeugen ergeben, eingegangen.

18.2.1

Simulation im Motorentwicklungsprozess

Der Entwicklungsprozess von Verbrennungsmotoren lässt sich schematisch im Wesentlichen in die Phasen 1) Spezifikation/Vorkonzepterstellung, 2) Konzeptentwicklung sowie 3) Entwicklung und Absicherung (Validierung) einteilen, Abb. 18-21. Eines der vordringlichen Ziele im Entwicklungsprozess ist es, bereits so frühzeitig wie möglich wichtige Konzeptentscheidungen zu treffen, um spätere Änderungen in der Grundkonfiguration, welche in der Regel mit hohen Kosten verbunden sind, zu vermeiden. „ Spezifikation/Vorkonzepterstellung Zur Unterstützung der Spezifikation und Vorkonzepterstellung, mit dem Ziel später die Ziele hinsichtlich der geforderten Leistungs- und Verbrauchsdaten des Verbrennungsmotors unter Einhaltung der vorgegebenen Rahmenbedingungen (Aufladekonzept, Brennverfahren, Abgasnachbehandlungssystem, Kosten etc.) zu erfüllen, sind Simulationsansätze auf Systemebene notwendig. Diese liefern über eine Beschreibung der Subsysteme Motor, Antriebsstrang, Fahrzeug etc. Aussagen über das zu erwartende Gesamtsystemverhalten unter realen Betriebsbedingungen (Fahrzyklen) und ermöglichen so auf einfache Art und Weise die Analyse und Bewertung unterschiedlicher Motorkonfigurationen in ihrem Verhalten im Gesamtfahrzeugkontext. Für die Entwicklung moderner Ottomotorenkonzepte mit Hochaufladung, Direkteinspritzung und umfangreichen Ventiltriebsvariabilitäten sind in diesem Zusammenhang Ansätze gefordert, welche bereits in dieser frühen Phase eine Bewertung des transienten, dynamischen Motorverhaltens im Verbund mit unterschiedlichen Antriebsstrang- und Fahrzeugkonfigurationen ermöglichen. Im Bereich der Dieselmotoren stehen abhängig vom jeweiligen Einsatzbereich (PKW, NFZ, Non-Road, Stationärmotoren etc.), beispielsweise Fragestellungen hinsichtlich unterschiedlicher Brennverfahren, Auflade- und AGR-Strategien etc. im Fokus aktueller Entwicklungen. Weitere Anwendungen betreffen die Auswahl und Abstimmung unterschiedlicher Abgasnachbehandlungsstrategien für die Anforderungen einzelner Zielmärkte. Damit eng verknüpft sind Themen das thermische Management des Gesamtsystems Motor/Abgasnachbehandlungssystem betreffend, welche ebenfalls bereits im Rahmen der frühen Konzeptphase betrachtet werden müssen.

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

717

Vorkonzept Konzept Prototypentwicklung (Motorgeneration 1) Vorserienentwicklung (Motorgeneration 2) Validierung

Vorkonzeptsimulation

ECU Kalibrierung

Konzept- & Layoutsimulation Projektstart

Konzept Definition

Thermodynamikanalyse von Messdaten Erster Motorstart

Entwicklungssupport (optional) Produktionsstart

Abb. 18-21: Motorentwicklungsprozess (schematisch) und spezifische Berechnungsaufgaben

Neben einfacher, intuitiver Bedienbarkeit der eingesetzten Berechnungswerkzeuge sowie geringem Aufwand zur Modellerstellung stehen in dieser Phase insbesondere einfache Parametrierbarkeit, ausreichende Genauigkeit und Sensitivität der Ergebnisse hinsichtlich der untersuchten Parametervariationen, sowie kurze Rechenzeiten an oberster Stelle der Anforderungen an die eingesetzten Werkzeuge. Aufgrund der geforderten Rechenzeiten und dem Fokus auf eine Gesamtsystembetrachtung verfolgen die in der frühen Konzeptphase verwendeten Werkzeuge in der Regel Ansätze, die sich durch hohe Rechenzeiteffizienz bis hin zur Echtzeitfähigkeit auszeichnen. „ Konzeptentwicklung In der Konzeptentwicklungsphase werden in einem ersten Schritt die Basisabmessungen der für den Ladungswechsel relevanten Bauteile des Verbrennungsmotors festgelegt. Dazu werden die zunächst vereinfachten Motormodelle aus der Vorkonzeptphase als Basis herangezogen und hinsichtlich der wesentlichen Komponenten (Ansaug-/Abgasstrecke, Zylinder, Aufladeorgane etc.) verfeinert und weiter detailliert. In dieser Phase stehen die Festlegung von Rohrlängen/-querschnitten und Volumina im Einlass- und Auslasssystem, der erforderlichen Ventilquerschnitte und Ventilsteuerzeiten sowie gegebenenfalls auch die Auslegung der Aufladeorgane im Zentrum der Simulationsaktivitäten. Der für diese Berechnungsaufgaben benötigte Input, wie beispielsweise Durchflussbeiwerte für Ein-/ Auslasskanäle, Druckverlustbeiwerte für Luftfilter, AGR-Kühler, Turboladerkennfelder etc. werden auf Basis von Messungen oder mittels detaillierter 3D-CFD-Simulation abgeschätzt. In Verbindung mit geeigneten Modellen des Abgasnachbehandlungssystems sowie des Kühlmittel- und Schmierölkreislaufs, wird darüber hinaus bereits in der Konzeptphase eine Untersuchung und Bewertung des Motorwarmlaufs oder des Light-Off-Verhaltens der Abgasreinigungsanlage möglich. Darüber hinaus können die entsprechend aktualisier-

718

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

ten Motor- und Fahrzeugmodelle in weiterer Folge auch als Basis für die Vorentwicklung der Motorsteuerungssoftware herangezogen werden. Zur Erzielung einer möglichst tiefen Integration der Simulation in den Entwicklungsprozess und hinsichtlich einer sicheren Beherrschung des Prozesses ist es notwendig, dass die in der Konzeptphase verwendeten Berechnungsmodelle in einfacher Art und Weise aus den in der Spezifikations-/Vorkonzeptphase erstellten Modellen abgeleitet und weiter verfeinert werden können. Dies gilt in analoger Weise auch für den umgekehrten Weg, nämlich den Transfer von Modelldaten und der zugehörigen Modellparametrierung von der detaillierten Ladungswechselberechnung zurück zu den Systemmodellen aus der Spezifikations-/Vorkonzeptphase. Damit wird es möglich, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Ladungswechselsimulation dazu genutzt werden können, um die Motormodelle aus der Spezifikations-/Vorkonzeptphase zu aktualisieren. Auf diese Art und Weise ist es möglich, dass bereits vor Ende der Konzeptphase auf Basis der festgelegten Motorkonfiguration und der aktualisierten Parametrierung transiente Berechnungen zum dynamischen Motorverhalten im Fahrzeug vorgenommen werden können. Damit gelingt frühzeitig im Prozess eine erste Absicherung der thermodynamischen Motorgrundauslegung im Gesamtkontext der in der Vorkonzeptphase festgelegten Anforderungen. „ Entwicklung und Absicherung Sobald auf Basis der unter Verwendung der Ladungswechselsimulation festgelegten Grundabmessungen die CAD-Daten der Bauteilgeometrien, des Ein-/Auslasssystems sowie des Brennraums vorliegen, kann mittels Einsatz der 3D-CFD-Berechnung in Verbindung mit Ansätzen zur Motorprozessrechnung eine Optimierung von innermotorischer Strömung, Gemischbildung und Verbrennung vorgenommen werden. Die Randbedingungen an den Systemgrenzen der 3D Berechnung, wie beispielsweise Druck, Temperatur und Massenstrom im Bereich der Einlass-/Auslasskanäle oder die Wandtemperaturen von Kolben, Buchse und Zylinderkopf werden dabei direkt von den Ladungswechselberechnungen übernommen. Darüber hinaus wird die 3D-CFD-Simulation in der Entwicklungsphase neben der Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung zur Optimierung der Kühlwasserströmung, der Vorgänge in Abgasnachbehandlungssystemen (siehe Kapitel 11) etc. intensiv genutzt. Weiters liefern die 3D-CFD-Berechnungen wertvolle Informationen zum zeitlich- und räumlich aufgelösten Wandwärmeeintrag in die Motorstruktur, welche dann in weiterer Folge als Randbedingung für die Festigkeits- und Dauerhaltbarkeitsuntersuchungen mit FE-Verfahren herangezogen werden. Neben den bereits angesprochenen Werkzeugen zur CFD-, Ladungswechsel- und Motorprozessrechnung kommen in dieser Phase der Entwicklung eine Vielzahl weiterer Simulationsprogramme zur Auslegung und Optimierung der Motorgrundfunktionen zur Anwendung. In diesem Zusammenhang kommt im Sinne eines effizienten Entwicklungsprozesses insbesondere dem einfachen Datenaustausch zwischen den einzelnen Berechnungswerkzeugen eine besondere Bedeutung zu. Die Begleitung der Motorversuche in der Vorserienentwicklung durch die Berechnung zielt darauf ab, die Erstellung und Durchführung der Versuchsprogramme zu unterstützen, bzw. Daten, die im Zuge der Prüfstandsentwicklung anfallen zur Aktualisierung der Motormodelle aus der Vorkonzept- und Konzeptphase bzw. deren Parametrierung heranzuziehen. Dadurch wird gewährleistet, dass der virtuelle Motor bei Abschluss der Entwicklungsaktivitäten dem Entwicklungsstand des realen Motors entspricht. Damit steht bereits frühzeitig ein abgesichertes schnelles, echtzeitfähiges Motormodell für Hardware-in-theLoop(HiL)-Anwendungen zur Verfügung. Mit Hilfe dieses Motormodells ist es beispiels-

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

719

weise möglich, ein bereits in Hardware zur Verfügung stehendes Abgasnachbehandlungssystem oder diverse Antriebstrangkomponenten in ihrem Zusammenwirken mit dem aktuellen Motorverhalten auf dem HiL Prüfstand zu testen und in ihrer Funktionalität für den späteren Einsatz im realen Fahrzeug abzusichern.

18.2.2

Skalierbare Motor- und Gesamtsystemmodellierung

„ Systemmodellierung Berechnungsmodelle auf Systemebene für den Einsatz in der frühen Konzeptphase bestehen je nach Anwendung aus einer Reihe von individuellen Komponentenmodellen, welche in flexibler Art und Weise beliebig miteinander kombiniert werden können, um effizient das Verhalten unterschiedlicher Systemkonfigurationen zu beschreiben. Das Gesamtsystem wird auf physikalischer Basis in unterschiedliche Bereiche bzw. Netzwerke unterteilt. Im erweiterten Motor- bzw. Antriebsstrangkontext sind dies der Bereich für den Motor selbst, bestehend aus Gaspfad, Zylinder, Aufladeorganen und Abgasnachbehandlungssystem, das thermische Netzwerk, bestehend aus den thermischen Massen der Motorstruktur, sowie dem Kühlwasser- und Ölkreislauf, das mechanische und gegebenenfalls das elektrische Netzwerk sowie das Netzwerk für die elektronische Steuerung, Abb. 18-22. Systemmodelle für den Motor und dessen Peripherie umfassen alle relevanten Elemente, wie beispielsweise Einlasssammler, Einlass- und Auslassröhrenwerk, Zylinder, Ventile, AGR-Kühler, Luftfilter etc., Aufladeorgane (Kompressor, Turbine, Druckwellenlader) etc. Das thermische Netzwerk beschreibt Komponenten wie Wärmetauscher, Öl-/Wasserpumpen, Rohrleitungen, Thermostate, Ventile, Ventilatoren, Komponenten des Klimakreislaufs etc. Das mechanische Netzwerk umfasst Komponenten des Antriebsstrangs, wie Wellen, Kupplungen, Getriebe, Räder etc. Das elektrische Netzwerk beinhaltet die elektrischen Maschinen (Motor, Generator), Batterien, Leistungselektronik etc. Das Netzwerk der elektronischen Steuerung beinhaltet Kennfelder, PID Kontroller, Formel-Interpreter und Surrogate-Modelle (e.g. neuronale Netzwerke), um die Funktionalität der Elemente der ersten vier Gruppen zu steuern und zu regeln. Ein essentieller Teil in einem solchen Gesamtsystemmodell ist die Verfügbarkeit effizienter und zuverlässiger Motormodelle. In den vergangenen Jahren wurden dazu eine Reihe von Ansätzen vorgestellt, welche entweder auf reinen Mittelwertmodellen oder auf nulldimensionalen, kurbelwinkelaufgelösten Ansätzen beruhen. Die kurbelwinkelaufgelösten Modelle basieren in diesen Fällen auf denselben physikalischen Grundansätzen wie in der klassischen Arbeitsprozessrechnung. Dies stellt einen konsistenten und effizienten Transfer von Geometrieinformation, Wärmeübergangs-, Verbrennungs- und Turboladerkenndaten etc. zwischen der Modellierung auf Fahrzeug-Systemebene in der Spezifikations-/Vorkonzeptphase und der Berechnung im Rahmen der Konzept- und Entwicklungsphase sicher und ermöglicht dadurch eine durchgängige und skalierbare Betrachtung der relevanten motorischen Prozesse. Anwendungen dazu sind beispielsweise in Wurzenberger et al. (2010) für die Berechnung des Kraftstoffverbrauchs im NEDC Fahrzyklus unter Verwendung eines gekoppeltes PKW-Motor/Fahrzeugmodells, sowie in Katrasnik et al. (2003) für die Modellierung des Einflusses unterschiedlicher Aufladekonzepte auf das Beschleunigungsverhalten einer NFZ Motor/Fahrzeugkonfiguration beschrieben. Für eine Darstellung weiterer Anwendungen zur Gesamtprozessanalyse sei an dieser Stelle auch auf Kapitel 12 verwiesen.

720

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs Regler (Modell)

ECU Fahrzeugmodell

Berechnungsaufgabe / Fahrer (z.B. Fahrzyklus)

Mechanisches Netzwerk

Elektrisches Netzwerk

Drehmoment Motormodell

Verbrennung

Luftpfad

Schadstoffbildung

Abgasnachbehandlung

Spezies Transport

Sensorik / Aktuatorik

Drehzahl

Temperatur Kühlkreislaufmodell

Wärmestrom

Motorblock / Thermische Massen

Ölkreislauf

Wasserkreislauf

Integriertes Modell

Abb. 18-22: Schematische Darstellung eines Gesamtsystemmodells bestehend aus Verbrennungsmotor mit Abgasnachbehandlungssystem, Kühlmittel- und Ölkreislauf sowie Fahrzeugkomponenten und zugehörigen Sensor und ECU Elementen, Wurzenberger et al. (2011)

„ Gaspfadmodellierung Um im Rahmen der Konzept- und Entwicklungsphase ein komplexes Motormodell aufbauen zu können, welches auch den Einfluss von Gasdynamikeffekten auf das Füllungsverhalten der Zylinder wiederzugeben vermag, benötigt man neben dem Zylinderelement noch Modellansätze für weitere Bauteile, wie beispielsweise Behälter, Blenden sowie für gegebenenfalls vorhandene Aufladeorgane. Die Modellierung des Gaspfades erfolgt unter Anwendung geeigneter Modellansätze für diese Elemente entweder über eine Mittelwertbetrachtung, unter Verwendung einer Füll- und Entleermethode, für welche die Massenund Energiebilanzen gelöst werden, oder unter Berücksichtigung der eindimensionalen Gasdynamik, welche neben der Massen- und Energiebilanz, auch die Impulserhaltung in der mathematischen Beschreibung beinhaltet. Zur numerischen Lösung des Gleichungssatzes der Füll- und Entleermethode kommen in der Regel Runge-Kutta-Verfahren höherer Ordnung zu Anwendung, für die Berechnung der Gasdynamik hat sich die Anwendung von Finite-Differenzen-Verfahren ein- und zweistufiger Natur als erfolgreich erwiesen. Für eine weiter detaillierte Beschreibung der Modellierung aller relevanten Komponenten im Gaspfad sowie zu den numerischen Algorithmen zu Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichungen im Fall der Füll- und Ent-

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

721

leermethode bzw. des partiellen Differentialgleichungssystems im Fall des 1D-Gasdynamik-Ansatzes sei auf die Ausführungen in Kapitel 9 verwiesen. Die Verläufe der kurbelwinkelaufgelösten Druckspuren im Einlasssystem, die sich aus den unterschiedlichen Ansätzen zur Gaspfadmodellierung ergeben, sind beispielhaft in Abb. 18-23 dargestellt. Die vollständige Berücksichtigung der Gasdynamik liefert naturgemäß die beste Abbildung der Druckschwankungen im System, aber auch die Anwendung der Füll- und Entleermethode kann die Druckvariationen qualitativ ansprechend wiedergeben. Einlassventilschluss (bei 1 mm Ventilerhebung) 1D Gasdynamik

3800 U/min

Füll- / Entleermethode

Druck im Einlasssammler

Mittelwertansatz 3000 U/min

0.1bar bar/ /Unterteilung division 0.1

2600 U/min

2200 U7min

1800 U/min 1400 U/min 1000 U/min 0

90

180

270 360 450 Kurbelwinkel [Grad]

540

630

720

Abb. 18-23: Vergleich der kurbelwinkelaufgelösten Druckverläufe eines aufgeladenen 4-ZylinderDieselmotors für unterschiedliche Ansätze der Gaspfadmodellierung, Hrauda et al. (2010)

Bei hohen Genauigkeitsanforderungen an die Ergebnisqualität muss bei der Wahl des Modellierungsansatzes abgewogen werden, in welchem Ausmaß Druckschwankungen im Ein- und Auslasssystem für die jeweilige Entwicklungsfragestellung von Bedeutung sind. Bei der Berechnung des Mitteldruckverlaufs, Kraftstoffverbrauchs etc. aufgeladener Motoren ist die Annahme konstanten Drucks in den Ansaug- und Auslassorganen in vielen Fällen durchaus berechtigt (Mittelwertansatz). Bei Fragestellungen, bei denen Druckpulsationen eine Rolle spielen können, wie beispielsweise beim Füllungsverhalten von nichtaufgeladenen Ottomotoren oder bei der Auslegung der AGR-Rückführung bei Dieselmotoren ist einer detaillierten 1D-Gasdynamikbetrachtung bzw. einer Füll- und Entleermethode der Vorzug zu geben. „ Zylindermodellierung Bei der Modellierung der Vorgänge im Zylinder von Verbrennungsmotoren kommen entsprechend der Anforderungen in den einzelnen Entwicklungsphasen Modelle mit un-

722

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

terschiedlichem Detaillierungsgrad zur Beschreibung von Wärmeübergang, Verbrennung und Emissionsentstehung zur Anwendung. Mittelwertbasierte Zylindermodelle, sogenannte Surrogat-Modelle bauen dabei entweder auf Messergebnissen stationärer Prüfstandsuntersuchungen auf oder werden direkt aus den Ergebnissen kurbelwinkelaufgelöster Berechnungen abgeleitet. Mittelwertmodelle werden seit vielen Jahren erfolgreich in der Motorenentwicklung für unterschiedliche Aufgabenstellungen eingesetzt, He and Lin (2007), Pischinger et al. (2004), Hendricks et al. (1996). Im Wesentlichen beschreiben Modelle dieses Typs über geeignete mathematische Formulierungen die Abhängigkeit von Motordrehmoment, Abgasmassenstrom, Abgastemperatur etc. als Funktion von Motoreingangsgrößen, wie beispielsweise Drehzahl, Druckverhältnisse im Einlasssystem, Kraftstoffmasse etc. Die Verknüpfung zwischen den Eingangsund Ausgangsgrößen wird beispielsweise über trainierte neuronale Netzwerke oder sogenannte Support Vector Machines (SVM) abgebildet, Heinzle (2009). Die Anwendung der mittelwertbasierten Motormodelle, basierend auf Kennfeldern und trainierten neuronalen Netzwerken bzw. Support Vector Machines, stößt jedoch an ihre Grenzen sobald kurbelwinkelbasierte Ereignisse über die elektronische Steuereinheit geregelt werden sollen, wie dies beispielsweise bei der zylinderdruckgeführten Verbrennungsregelung der Fall ist. Die kurbelwinkelaufgelöste Modellierung der Vorgänge im Zylinder von Verbrennungsmotoren ist die klassische Domäne der Arbeitsprozessrechnung, Pötsch et al. (2011). Die Grundlagen der Ein-Zonen- und Zwei-Zonen-Modellierung inkl. der relevanten Wärmeübergangsansätze und Brennverlaufsmodelle sind in Kapitel 9 ausführlich dargelegt und sollen daher im aktuellen Abschnitt nicht weiter behandelt werden. Für Details betreffend die phänomenologischen Ansätze zur Berechnung der dieselmotorischen und ottomotorischen Verbrennung sei in diesem Zusammenhang auch auf Kapitel 10 verwiesen. Kurbelwinkelaufgelöste Zylindermodelle stellen mittlerweile auch im Rahmen der Gesamtsystemsimulation einen vielversprechenden Weg dar, eine Simulation der Vorgänge in Verbrennungsmotoren zu ermöglichen, Wurzenberger et al. (2010), (2009), Zahn und Isermann (2007), Katrasnik et al. (2003), und gleichzeitig eine höhere Detailgenauigkeit als die Mittelwertmodelle zu bieten. Die Modellerstellung kann dabei entweder eigenständig durchgeführt werden, oder es werden die Modelle aus bereits bestehenden 1D-Ladungswechsel-/Zylindermodellen abgeleitet. Letztere Vorgangsweise stellt einen überaus effizienten Weg dar, da die Mehrzahl der benötigten Modellparameter, wie beispielsweise Strömungskoeffizienten, Verbrennungsmodellparameter, Turboladerkennfelder etc. direkt übernommen werden können. Die Anwendbarkeit der unterschiedlichen Ansätze zur Zylinder- und Gaspfadberechnung werden in Abb. 18-24 anhand der Berechnungsergebnisse von Mitteldruck, Leistung und spezifischem Kraftstoffverbrauch über den gesamten Drehzahlbereich bei Volllast für einen aufgeladenen 1.4 l PKW Dieselmotor dargestellt. Zu diesem Zweck werden Volllastkennlinien welche unter Verwendung unterschiedlicher Ansätze zur Gaspfad-/Zylindermodellierung errechnet wurden, den entsprechenden Messdaten gegenübergestellt. Die Ergebnisse belegen, dass für die vorliegende Motorkonfiguration mit allen untersuchten Modellierungsansätzen für den Gaspfad in Verbindung mit einem kurbelwinkelaufgelösten Zylindermodell eine sehr gute Übereinstimmung mit den am Prüfstand gemessenen Ergebnissen erzielt werden kann. Zur Darstellung des Einflusses der Gaspfad-/Zylindermodellierung auf das transiente Motorverhalten sei auf Kapitel 18.2.3 verwiesen. Stehen im Rahmen der Komponentenentwicklung Fragestellungen zur Auslegung und Optimierung des Brennverfahrens im Vordergrund, so sind heute 3D-CFD Berechnungsverfahren die Methode der Wahl. Auswirkungen von Details der durch die Ladungswech-

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

723

selorgane sowie Brennraum- und Kolbenform geprägten Zylinderinnenströmung auf die für Gemischbildung, Verbrennung und Emissionsentstehung maßgeblichen Größen können damit zeitlich und räumlich hochaufgelöst untersucht werden. Die Interpretation der dreidimensionalen Berechnungsergebnisse bzw. der davon abgeleiteten Kenngrößen ermöglicht dem Entwicklungsingenieur durch zielgerichtete Modifikationen von Geometriedetails bzw. anderer geeigneter Systemparameter eine Voroptimierung von Verbrennungswirkungsgrad und zu erwartender Emissionen durchzuführen. Die Grundlagen der 3D-CFD-Modellierung von Strömung, Einspritzstrahlausbreitung/Gemischildung und Verbrennung sind ausführlich in Kapitel 14, 16 und 17 beschrieben und werden daher an dieser Stelle nicht weiter behandelt.

Mitteldruck [bar]

22

1D Gasdynamik Füll- / Entleermethode Mittelwertansatz Messung

20 18 16 14

10

80

280

70

270

60

260

50

250

40

240

30

230

20

220

10

210 500

1000

1500 2000 2500 3000 3500 Drehzahl [U/min]

Leistung [kW]

Verbrauch [g/kWh]

12

0 4000

Abb. 18-24: Messung/Rechnung Vergleich von Mitteldruck, Leistung und spezifischem Kraftstoffverbrauch eines aufgeladenen 4-Zylinder Dieselmotors für unterschiedliche Ansätze der Zylinder- und Gaspfadmodellierung, Hrauda et al. (2010)

Bei dieselmotorischen Brennverfahren steht im Rahmen der 3D-CFD-Simulation innermotorischer Vorgänge die Auswahl und Voroptimierung der Kolbenmuldenform für das vorgesehene Brennverfahren (Einspritzsystem, Drall) hinsichtlich Verbrauch und Emissionscharakteristik im Vordergrund, Abb. 18-25. Mit steigender Zuverlässigkeit der Modelle für die Berechnung von NO und Rußbildung gewinnt in zunehmendem Maße auch der Einsatz von 3D-CFD im Rahmen der Analyse und Optimierung konventioneller und alternativer Brennverfahren hinsichtlich minimaler Emissionen an Bedeutung, Priesching et al. (2007).

724

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

a)

b)

c) d) Abb. 18-25: Ergebnisse der 3D-CFD Berechnung der dieselmotorischen Verbrennung in einem PKW-Motor (Segmentmodell). a) Kraftstoffdampf, b) Temperatur, c) Ruß, d) Stickoxide in einem Schnitt durch die Einspritzstrahlachse bei 20 °KW nach OT

Bei ottomotorischen Anwendungen der 3D-CFD Berechnungen liegt der Schwerpunkt bei modernen Brennverfahren mit Direkteinspritzung auf der Untersuchung und Optimierung der Einspritzstrahlausbreitung hinsichtlich minimaler Wandbenetzung und Wandfilmbildung sowie betreffend hinreichender Verdampfung und Homogenisierung des Luft/Kraftstoffdampfgemisches für eine wirkungsgradoptimale Flammenausbreitung, Abb. 18-26. Numerische Untersuchungen zur Entzündung und Flammenausbreitung in Ottomotoren liefern dabei wertvolle Informationen über die zeitlich- und räumliche Ausbreitungscharakteristik der Flammenfront und ermöglichen die Erkennung von Vorzugsrichtungen in der Flammenausbreitung sowie die Identifizierung von Zonen mit verzögerter Entflammung, Tatschl et al. (2005). a)

b)

c)

d)

Abb. 18-26: Ergebnisse der 3D-CFD Berechnung der ottomotorischen Flammenausbreitung in einem PKW Motor; a) 10° KW vor OT, b) 5° KW vor OT, c) OT, d) 10° KW nach OT in einem Schnitt durch die Zylinderachse

Neben der Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung von Dieselmotoren, Cipolla et al. (2007), Dahlen et al. (2000), und Ottomotoren, Bianchi et al. (2006), Amer et al. (2002), wird die 3D-CFD Berechnung heute aber auch zur Untersuchung einer Reihe weiterer innermotorischer Detailprozesse, wie beispielsweise die Analyse der kavitieren-

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

725

den Injektorinnenströmung, Chiatti, et al. (2007), sowie deren Auswirkung auf die Strahlausbreitung, Nagaoka et al. (2008), Masuda et al. (2005), oder auf die bereits erwähnte Ermittlung des zeitlich und räumlich aufgelösten Wärmeübergangs vom Brennraum in die Motorstruktur, Brohmer et al. (2006), Tatschl et al. (2006), angewendet. Darüber hinaus können aus der 3D-CFD Berechnung auch kurbelwinkelaufgelöste, zylindergemittelte Größen ermittelt werden, die in weiterer Folge im Rahmen von gekoppelten Ansätzen zur Berechnung von Einspritzsystemen, Caika et al. (2009), oder als Input für die Parametrierung von Verbrennungsmodellen in der Arbeitsprozessrechnung zur Anwendung gelangen.

18.2.3

Ausgewählte Anwendungen

„ Fahrzyklussimulation Bei modernen Motorkonzepten, aber insbesondere auch im Zusammenhang mit hybridisierten Antriebsstrangkonfigurationen, spielt das transiente Verhalten des Gesamtsystems Motor und Fahrzeug eine entscheidende Rolle bei der Einhaltung gesetzlicher Verbrauchs- und Emissionslimits sowie bei der Erreichung der geforderten Zielvorgaben hinsichtlich Beschleunigungsvermögen und Fahrbarkeit. Nachfolgend soll exemplarisch die Anwendung eines gesamtheitlichen Simulationsansatzes, den Motor inkl. Ansaug- und Abgasstrecke sowie Antriebsstrang und Fahrzeug umfassend, auf ausgewählte Fragestellungen des Gesamtsystemverhaltens von Fahrzeugen im Zyklusbetrieb vorgestellt werden.

Abb. 18-27: Gesamtsystemmodell für Fahrzyklussimulation

726

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Bei der im gegenständlichen Fall betrachteten Fahrzeugkonfiguration handelt es sich um einen PKW mit turbo-aufgeladenem 4-Zylinder-Dieselmotor. Der Motor ist mit einem System zur Rückführung externen, gekühlten AGR’s ausgerüstet, der verwendete Turbolader besitzt eine variable Turbinengeometrie (VTG). Das integrierte Motor- und Fahrzeugmodell umfasst alle wesentlichen Bestandteile der Motortopologie (Luftfilter, Kompressor, Ladeluftkühler, Behälter, Rohre, Zylinder, Turbine etc.) und der Gesamtfahrzeug- und Antriebsstrangkonfiguration (Kabine, Räder, Bremsen, Differential, Getriebe, Kupplung etc.), sowie generische Regelungselemente für die relevanten ECU Funktionalitäten (VTG und AGR Regelung, Rauchbegrenzer, Leerlaufregler etc.). Zusätzlich beinhaltet das Gesamtsystem ein Fahrermodell, das entsprechend dem vorgegebenen Fahrzyklus die Beschleunigung sowie Kupplungs- und Bremsenbetätigung steuert. Abb. 18-27 zeigt das entsprechende Modell für das untersuchte Gesamtsystem. Für weitere Details zu Teilmodellen, der zugehörigen Numerik sowie für die Beschreibung des Workflows zur Modellparametrierung sei an dieser Stelle auf Wurzenberger et al. (2010) verwiesen. Auf Basis des voll gekoppelten Motor- und Fahrzeugmodells erfolgt eine Untersuchung des dynamischen Verhaltens des Gesamtfahrzeugs für einen transienten Fahrzyklus. Abb. 18-28 zeigt die entsprechenden Berechnungsergebnisse im Vergleich mit den Messdaten für den NEDC Zyklus. Die Ergebnisse zeigen gute Übereinstimmung von berechneter und gemessener Motordrehzahl und belegen damit das Zutreffen der Modellierung des Motorund Fahrzeugmodells hinsichtlich der Wiedergabe dynamischer Fahrzustände. Die Abweichung von gerechnetem und gemessenem Kraftstoffverbrauch liegt im Bereich von weniger als 3 % und bestätigt damit die Qualität der Modellierung aller Energieströme über die unterschiedlichen Quellen und Senken im Motor und Fahrzeug hinweg.

Abb. 18-28: Fahrzyklussimulation. a) Verlauf Motordrehzahl, b) kumulierter Kraftstoffverbrauch, c) Fahrzeuggeschwindigkeit NEDC Zyklus, Wurzenberger et al. (2010)

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

727

Der Einfluss der Modellierungstiefe von Motor und Turbolader auf die Genauigkeit der Wiedergabe des transienten Systemverhaltens wird für die Volllastbeschleunigung aus dem Stillstand in Abb. 18-29 gezeigt. Darin werden Berechnungsergebnisse eines detaillierten Motormodells, bestehend aus einem kurbelwinkelaufgelösten Zylindermodell, kombiniert mit einem Mittelwertansatz für die Gaspfadmodellierung sowie einem kennfeldbasierten Turboladermodell, den Ergebnissen eines rein kennfeldbasierten Motormodells gegenübergestellt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Drehmomentaufbau bei Verwendung des kennfeldbasierten Motormodells nahezu verzögerungsfrei dem Anstieg der Motordrehzahl folgt. Im Gegensatz dazu zeigt das detaillierte Motormodell einen deutlich verzögerten Anstieg des Mitteldrucks, bedingt durch die vollständige Berücksichtigung des transienten Turboladerhochlaufs. Damit wird deutlich, dass eine korrekte Abbildung des transienten Motorverhaltens insbesondere bei aufgeladenen Motoren mit kennfeldbasierten Modellen nicht gelingt, sondern der Einsatz detaillierter Ansätze erforderlich ist.

Abb. 18-29: Gegenüberstellung von Kennfeldmotormodell und kurbelwinkelaufgelöstem Zylindermodell während einer Volllastbeschleunigung. a) Fahrzeuggeschwindigkeit, b) Motordrehzahl, c) effektiver Mitteldruck, Wurzenberger et al. (2010)

„ Thermisches Management Mit der weiteren Steigerung der spezifischen Motorleistungen sowie im Zusammenhang mit der zunehmenden Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebstrangs gewinnt die zuverlässige Beherrschung des thermischen Managements von Motor und Fahrzeug weiter an Bedeutung. Die Optimierung des Warmlaufverhaltens des Motors und der damit verbundenen Öl- und Kühlmittelströme, gegebenenfalls auch unter Einbeziehung des Klimakreislaufs, sowie des Light-Off Verhaltens des Abgasnachbehandlungssystems und eine Reihe weiterer Fragestellungen stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses.

728

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Die schematische Darstellung eines Modellausschnitts für die Koppelung der Motorprozessrechnung im Verbund mit einer Gesamtbetrachtung des thermischen Motorverhaltens unter Miteinbeziehung der Öl- und Kühlmittelströmung im Gesamtfahrzeug zeigt Abb. 18-30 für die Untersuchung des Warmlaufverhaltens im Fahrzyklus. Die Modellierung des thermischen Verhaltens des Motors in der Simulation beschreibt den Wärmeeintrag aus der Verbrennung in die Motorstruktur und weiter in das Kühlmittel bzw. die Wärmeentwicklung in den Lagern und den entsprechenden Wärmeeintrag in den Ölkreislauf. Neben den Öl- und Kühlwasserkreisläufen mit den entsprechenden Komponenten, wie Pumpen, Thermostaten, Wärmetauschern etc. werden im Modell die thermische Trägheit der Motorstruktur entsprechend den an Wärmeübergang und Wärmeleitung beteiligten Komponenten und Bauteilen vollständig in der Simulation berücksichtigt. Als Ergebnis der Simulation liefert das Modell die zeitliche Entwicklung der Öltemperatur, die wiederum als Randbedingung für das Reibungsmodell dient, die Kühlmitteltemperatur sowie die einzelnen Bauteiltemperaturen, die ihrerseits wieder in die Berechnung des Wärmeübergangs eingehen.

Abb. 18-30: Kombiniertes Motor- und Kühlkreislaufmodell als Subsystem eines Gesamtfahrzeugmodells

Ein Ergebnis einer solchen Gesamtsystemsimulation des Motorwarmlaufs zeigt Abb. 18-31 im Vergleich mit Messdaten. Die Ergebnisse zeigen, dass das Aufwärmverhalten des Kühlmittels und damit der gesamten Motorstruktur, welches für weiterführende Aufgabenstellungen, wie beispielsweise die Simulation des Light-Off Verhaltens des Abgasnachbehandlungssystems (siehe Kapitel 11), von der Berechnung sehr gut wiedergegeben wird. Der Öffnungszeitpunkt des Thermostats wird sehr gut in der Simulation vorhergesagt, wie auch die Termperaturschwankungen des Kühlmittels bei betriebswarmem Motor in der Simulation im Vergleich mit den Messergebnissen gut abgebildet werden.

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung

729

Temperatur [°C]

100

50

0

200

400

600

800

1000

Zeit [sec]

a)

Temperatur [°C]

100

50

0

b)

200

400

600

800

1000

Zeit [sec]

Abb. 18-31: Berechnungsergebnisse eines Motorwarmlaufs im Fahrzyklus im Vergleich mit Messdaten. a) Kühlmitteltemperatur vor Thermostat, b) Kühlmitteltemperatur nach Thermostat, Hrauda et al. (2010)

„ HiL-Anwendung (Hardware-in-the-Loop) In jenen Phasen des Entwicklungsprozesses, in denen einzelne Komponenten bzw. Subsysteme bereits in Hardware vorliegen, ist es im Sinne eines effizienten Entwicklungsprozesses und im Sinne des Frontloadinggedankens, d. h. der Vorverlagerung von Entwicklungsaktivitäten in möglichst frühe Phasen des Entwicklungsprozesses, sinnvoll und notwendig, das Verhalten von Hardwarekomponenten und der zugehörigen Kontrollfunktionalitäten in ihrem Wirken innerhalb des Gesamtsystems zu validieren. Solche Hardwarein-the-Loop-Anwendungen erfordern die Verfügbarkeit von ausreichend genauen und vor allem auch echtzeitfähigen Modellen für jene Komponenten, die für diese Validierungsaufgabe nicht in Hardware zur Verfügung stehen. Existiert beispielsweise der Antriebsstrang eines Fahrzeuges bereits in Hardware, so kann die Wirkung des Motors sowie das Verhalten des Fahrzeuges in seiner Longitudinal- und Lateraldynamik auf den realen Antriebsstrang am HiL-Prüfstand unter Verwendung echtzeitfähiger Modelle für Motor und Fahrzeug untersucht und bewertet werden, Abb. 18-32. Auf Basis dieser Vorgangsweise gelingt es, bei Vorliegen einzelner fertig entwickelter Komponenten und Subsysteme als Hardware, diese bereits frühzeitig im Entwicklungsprozess in ihrem Verhalten im Gesamtkontext zu validieren und freizugeben.

730

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

-1,8 YAW_RATE

Gierrate -2,1

-2,4

Lenkradeinschlag 1600

1400

-2,7

FrontDrehmoment

InMotion

1200 Time s 13,120 FX_FL 1490,818 FX_FR 1615,042 FX_RL 507,726 FX_RR 744,372 IDRT_f_L 1,000 IDRT_r_L 1,000 STEERANG -6,467 YAW_RATE -2,064

FX_F

1000

800

600

400

HeckDrehmoment

200 13,2

13,4

13,6

13,8

14,0 14,2 Time [s]

14,4

14,6

14,8

15,0

Abb. 18-32: HiL-Anwendung – virtuelle Testfahrt am Antriebsstrangprüfstand unter Verwendung echtzeitfähiger Motor- und Fahrzeugmodelle

Die für diesen Validierungsprozess notwendigen Motor- und Fahrzeugmodelle können dabei direkt aus früheren Phasen des Entwicklungsprozesses übernommen werden. Basis dafür ist die Abbildung der Funktionalitäten in den jeweiligen Modellen in durchgängiger und skalierbarer Art und Weise über den Entwicklungsprozess hinweg, d. h. je nach Anwendung ist der Detaillierungsgrad der Modelle flexibel definierbar, um beispielsweise gewissen Genauigkeitsanforderungen oder wie im vorliegenden Fall den Anforderungen bezüglich Echtzeitfähigkeit zu genügen. „ Fahrbarkeitsbewertung Im Kontext der Gesamtfahrzeugabstimmung kommt dem Thema Fahrbarkeit eine besondere Bedeutung zu. In der Vergangenheit war die Bewertung von Fahrbarkeit immer mit dem Vorhandensein des realen Fahrzeugs und seiner Teilkomponenten Motor, Antriebstrang etc. verknüpft. Mit der Verfügbarkeit entsprechender echtzeitfähiger Modelle für die relevanten Einzelkomponenten und deren Integration zu einem Gesamtsystem in der Modellierung gelingt es das Thema Fahrbarkeitsbewertung im Entwicklungsprozess zeitlich vorzuziehen und damit das Thema Fahrbarkeit bereits zu einem frühen Zeitpunkt, bevor das Gesamtfahrzeug in Hardware zur Verfügung steht, einer Beurteilung zu unterziehen, Abb. 18-33. Von Seiten der Fahrbarkeitsbewertung geht es um die zutreffende Abbildung transienter Vorgänge bei Fahrmanövern wie beispielsweise Fahrzeugbeschleunigung, Übergang in den Schubbetrieb, Schaltvorgängen etc., und deren Korrelation mit Parametern, welche als Maßzahl für die Beurteilung der Fahrbarkeit herangezogen werden können.

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung 1. Fahrereingabe & Simulation / Messung des Fahrzeugverhaltens

731 2. Automatisierte Fahrzustandserkennung 1

Nr. 1 2 3 4 …

4. Fahrbarkeitsbewertung

Time 11.56 – 15.59 19.14 – 20.81 21.21 – 24.11 25.54 – 26.25

2

3

4

Driving maneuver Drive away – Launch Upshift – During WOT Acceleration – WOT Tipout – After acceleration

3. Parameter Berechnung – Einzelereignis 18,9 [m/s3]

0,81 [s]

Acceleration Gradient Disengage

25,5 [m/s3] 8,19

Acceleration Gradient Engage

0,48 [m/s2]

Engagement Shock

Traction Interruption Time 0,47 [s]

Zero Acceleration Time

Abb. 18-33: Virtuelle Fahrbarkeitsbeurteilung auf Basis eines integrierten Modellierungsansatzes zur Simulation transienter Vorgänge des Gesamtsystems Motor-AntriebsstrangFahrzeug

Das Wissen um das Fahrbarkeitsverhalten des Gesamtsystems zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Entwicklungsprozess bietet die Möglichkeit, notwendige Optimierungsschritte auf Subsystem- bzw. Komponentenebene frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen vor Fertigung erster Hardwareprototypen einzuleiten. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Entwicklung der Kontrollalgorithmen für die einzelnen Subsysteme sowie deren Integration in die ECU des Gesamtsystems. Ziel ist es, bereits auf virtueller Ebene ein Höchstmaß an Produktreife in Bezug auf Fahrbarkeit darzustellen, so dass auf Basis des realen Gesamtfahrzeugs inkl. aller Hard- und Softwarekomponenten lediglich eine Feinabstimmung und Validierung notwendig ist.

18.2.4

Ausblick

Die geforderte weitere Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen zur Erfüllung der zukünftigen Flottenverbrauchsziele ist mit innermotorischen Maßnahmen alleine nicht mehr erreichbar. Dies führt in zunehmendem Maße zur Markteinführung hybrider Antriebsstrangkonzepte, die eine Kombination aus konventionellem Verbrennungsmotor und elektrischen Antriebskomponenten darstellen. Bedingt durch die aufgrund der Hybridisierung mögliche teilweise oder in bestimmten Fahrzuständen auch gänzliche Abschaltung der Verbrennungskraftmaschine ergeben sich zwangsläufig eine Reihe neuer Anforderungen und Herausforderungen bezüglich der Auslegung und Funktionsentwicklung einzelner Subsysteme aber auch des Gesamtsystems. In diesem Zusammenhang seien beispielhaft das Light-Off-Verhalten des Abgasnachbehandlungssystems genannt, oder auch das thermische Management des Gesamtsystems Verbrennungskraftmaschine, E-Motor und Batterie. Darüber hinaus gewinnen in

732

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

Verbindung mit Hybridkonzepten in besonderem Maße Themen die Fahrbarkeit, ESP Abstimmung etc. betreffend an Bedeutung, die nicht unwesentlich über das Zusammenspiel der Verbrennungskraftmaschine und des E-Motors bzw. Generators bestimmt werden. Die stark steigende Anzahl möglicher Antriebsstrangkonfigurationen, welche sich aus der Hybridisierung/Elektrifizierung ergibt, bleibt auch für den Antriebsstrang-Entwicklungsprozess nicht ohne Folgen. Der klassische Entwicklungsprozess erfährt dadurch eine signifikante Erweiterung der Vorkonzeptphase, in welcher die unterschiedlichen, grundsätzlich möglichen Hybridvarianten einer Bewertung hinsichtlich ihres Potenzials betreffend Kraftstoffverbrauch, Fahrbarkeit und Life-Cylce-Costs unterzogen werden. Erst nach dieser Phase startet der klassische Antriebsstrang-Entwicklungsprozess, mit all seinen Optimierungs-Tasks sowie der Integration des Antriebsstrangs in das Fahrzeug mit den entsprechenden Kalibrierungsaufgaben. Für die virtuelle Vorauslegung und Funktionsentwicklung des Gesamtsystems und damit auch der Subsysteme und Komponenten ergibt sich daraus eine Reihe von neuen Anforderungen an die eingesetzten Simulationswerkzeuge. Insbesondere besteht in diesem Zusammenhang ein hoher Bedarf an skalierbaren Modellen für die zusätzlichen Komponenten von Hybridfahrzeugen, wie beispielsweise E-Motor, Generator, Umrichter, Batterie, Brennstoffzelle etc., die den Entwicklungsprozess in der jeweils benötigten Detailtiefe auf System-, Sub-System- und Komponentenentwicklungsebene bis hin zur Integration in die HiL-Umgebung unterstützen, Gschweitl et al. (2007).

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734

18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstrangs

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735

19

Zukunft des Verbrennungsmotors

19.1

Einleitung

Der Verbrennungsmotor ist die am weitesten verbreitete Energiewandlungsmaschine und hat z. B. als Antrieb für Fahrzeuge, Schiffe und Generatoren größte Bedeutung. Weit über eine Milliarde Verbrennungsmotoren sind heute als Antrieb für Fahrzeuge (Pkws, Nutzfahrzeuge, Schiffe usw.), zur Energieversorgung (Block-Heizkraftwerke, Notstromaggregate usw.) oder für andere Zwecke wie z. B. als handgehaltene Arbeitsgeräte (Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifer usw.) im Einsatz. Als Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung ist er zudem die effizienteste Wärmekraftmaschine überhaupt. Bei alleiniger Nutzung der abgegebenen mechanischen Energie werden in bestimmten Antrieben bereits Wirkungsgrade von über 50 % erreicht. Wird die bei der Verbrennung des Kraftstoffes freigesetzte Wärme über den aufgrund der Gesetze der Thermodynamik limitierten, in mechanische Arbeit umwandelbaren Anteil hinaus genutzt, können sogar deutlich höhere Systemwirkungsgrade erreicht werden. Vor dem Hintergrund dieses außerordentlichen Erfolges sind die weitere Entwicklung und die dazu bestehenden Möglichkeiten von großem Interesse. Der Bedarf an mechanischer, elektrischer und insbesondere auch thermischer Energie hat durch die Industrialisierung kontinuierlich zugenommen und wird auch in Zukunft weltweit weiter steigen. Aufgrund seiner hohen Flexibilität und seiner einfachen Bauform wird der Hubkolbenmotor in Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle bei der Energieumwandlung spielen und in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Die Entwicklung von modernen Verbrennungsmotoren befindet sich dabei im Spannungsfeld unterschiedlicher treibender Faktoren. Höchste Ansprüche werden vor allem bei der Reduzierung des Schadstoffausstoßes und des Kraftstoffverbrauches bzw. der CO2-Emission gestellt. Darüber hinaus ist das Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors noch lange nicht ausgeschöpft. Die vom Menschen verursachte Zunahme der Kohlendioxidkonzentration durch die Verbrennung fossiler Energieträger ist aufgrund des Treibhauseffektes mitverantwortlich für die Klimaerwärmung. Die Emissionen im Straßenverkehr tragen zum Klimaproblem bei, wenn auch nur in beschränktem Ausmaß. Die öffentliche Wahrnehmung der Emissionsproblematik im Verkehr ist allerdings ungleich größer. Besonders als Kraftfahrzeugantrieb steht der Verbrennungsmotor deshalb immer wieder in der öffentlichen Diskussion. Alle heute als Alternativen angepriesenen Antriebsarten (Elektromotor, Brennstoffzelle, Vollhybrid, Plug-In Hybrid usw.) mit den dazugehörigen Energiespeichern haben zwar in Einzelbereichen Vorteile, in der Gesamtheit aber vor allem für den mobilen Einsatz und auch in der stationären Anwendung in Wärme-Kraft-Anlagen (Blockheizkraftwerk – BHKW) gegenüber dem Verbrennungsmotor erhebliche Nachteile. Befasst man sich unvoreingenommen mit der Zukunft des Verbrennungsmotors und dessen Einsatz in den verschiedenen Anwendungen, so kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass es in vielen der heutigen Anwendungsbereichen von Verbrennungsmotoren keine vernünftige Alternative gibt, was auf die vielfältigen Vorteile des Verbrennungsmotors zurückzuführen ist. Ohne politische Einflussnahme werden diese Konkurrenten deshalb in nächster Zukunft keine Chance haben, den Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung vom Markt zu verdrängen.

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8_19, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

736

19.2

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft

Bei der öffentlichen und vor allem auch bei der politischen Diskussion zum Antrieb der Zukunft wird der Eindruck vermittelt, dass der Verbrennungsmotor in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten als Antrieb in der mobilen Anwendung durch den Elektroantrieb ersetzt wird. Mit diesem Wechsel beginne das Zeitalter der emissionsfreien Mobilität, wird bereits heute von vielen Politikern, großen Energieversorgern und einigen Automobilmanagern, aber auch von Analysten aus Unternehmensberatungen und Forschungsinstituten proklamiert. Hat der Verbrennungsmotor eine Zukunft als Antrieb im Kraftfahrzeug? Die Frage nach der Zukunft des Verbrennungsmotors ist oftmals eher eine Frage nach der Zukunft der Mobilität. Die eigentliche Fragestellungen müssten lauten: Was können wir tun zum Klimaschutz? Welche Energieträger werden wir zukünftig zum Einsatz bringen können und müssen? Die Frage ist deshalb nicht nur, welcher Antrieb für die Zukunft, sondern auch welche Energieform für Mobilität die richtige ist! Dazu wäre jedoch eine Bewertung des Gesamtsystems Fahrzeug vorzunehmen, in der der Verbrennungsmotor als Energieversorgungseinheit ähnlich eines BHKW dient. Bei dieser Betrachtung würde kein unvoreingenommen und ideologiefrei analysierender Forscher, Entwickler oder Unternehmensberater individuelle Elektromobilität als Lösung vorschlagen. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und lässt sich nicht ohne weiteres einschränken. In vielen Diskussionen gewinnt man jedoch den Eindruck, dass Individualmobilität ein unnötiges Luxusgut unserer Gesellschaft ist, auf das man besser verzichten sollte. Unser Wirtschaftssystem funktioniert jedoch ohne Individualmobilität nicht, Thom (2011). Es fallen Tagesfahrleistungen an, die elektrisch nicht ohne weiteres zurückgelegt werden können. Durch diese Fehlbetrachtung besteht die Gefahr, dass die aktuellen politischen und öffentlichen Diskussionen über die Zukunft der Mobilität in eine falsche Richtung gelenkt werden, Spicher (2011a). Trotz vielfältiger Forschung, besonders im Bereich mobiler Anwendungen, wurden für die Energieumwandlung bislang keine konkurrenzfähigen Alternativen zum Verbrennungsmotor entwickelt. Ungelöst ist vor allem das Problem der eingeschränkten Reichweite elektrischer Antriebssysteme aufgrund des eingesetzten Energieträgers. Dieser Mangel begleitet elektrisch angetriebene Fahrzeuge seit dem Beginn der Automobilentwicklung. Die hohe Energiedichte des eingesetzten Energieträgers und die damit erreichbaren Reichweiten sind ein Pfeiler des Erfolges des Verbrennungsmotors in der Geschichte des Automobils. Größere Marktanteile konnten elektrisch betriebene Fahrzeuge (und andere Konkurrenzantriebe) nur solange erzielen, bis für den mobilen Einsatz konzipierte Verbrennungsmotoren mit geringem Leistungsgewicht entwickelt waren. Danach begann der Siegeszug des Verbrennungsmotors und der elektrische Antrieb blieb daraufhin auf Nischenanwendungen und Kleinserien beschränkt. Bis heute schreitet diese Entwicklung des Verbrennungsmotors stetig voran. Moderne Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Direkteinspritzung erreichen bereits beachtliche Wirkungsgrade, im realen Fahrzeugeinsatz und in den Testzyklen. Aktuell setzen sich die Direkteinspritzung und die Nutzung der Abgasenthalpie mittels Turboaufladung auch immer mehr bei Ottomotoren durch. Dies führt zu immer kompakteren und sehr effizienten Aggregaten hoher Leistungsdichte (Downsizing), siehe Golloch (2005). Ottomotoren mit strahlgeführter Direkteinspritzung besitzen zudem enorme Möglichkeiten, wenn es gelingt, die Gemischbildung unter allen Randbedingungen, in denen ein Schichtladungsbetrieb wünschenswert ist, zuverlässig zu realisieren, Buri et al. (2009) sowie Spicher und Sarikoc (2010).

19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft

737

Für das elektrische Fahren größerer Distanzen wurde bislang nur der Hybridantrieb, bestehend aus einem Elektromotor und einem Verbrennungsmotor als Alternative vorgestellt. Gerade auf langen Strecken büßt der Hybridantrieb jedoch seine Vorteile gegenüber dem rein verbrennungsmotorischen Antrieb ein. Neben den kaufmännischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen beim Einsatz der als alternativen angepriesenen Technologien im Fahrzeug bleibt auch hier die Emissionsproblematik, die ja eigentlich durch sie gelöst sein sollte. Bei Betrachtung des Gesamtwirkungsgrades ist auch bei vermeintlich emissionsfreien Antriebskonzepten der erzeugte CO2-Ausstoß zum Teil sogar höher als beim Einsatz heutiger Verbrennungsmotoren, wenn auch zum Teil nicht direkt vom Fahrzeug emittiert. Als Beispiel seien hier der batterieelektrische Antrieb und die viel propagierte Brennstoffzelle genannt. Sowohl die Wasserstoff-Erzeugung als auch der jeweilige Energiespeicherungsprozess sind energieaufwändig und verlustbehaftet. Die dabei entstehenden CO2-Emissionen könnten bislang nur durch einen deutlichen Überfluss an elektrischer Energie aus emissionsfreier Energieumwandlung kompensiert werden. Gesetzgebung und Emissionsvorschriften Emissionsvorschriften sind im automobilen Bereich schon lange in Kraft und werden dort sowohl für Otto- als auch Dieselmotoren ständig verschärft. Unter dem Stichwort Emissionen wurden in der Vergangenheit in der Regel nur die klassischen Schadstoffe zusammengefasst. Durch umfangreiche Weiterentwicklungen konnten diese sowohl innermotorisch als auch durch Abgasnachbehandlung schon deutlich reduziert werden. Die Vorschriften zur Limitierung der CO2-Emissionen und damit des Kraftstoffverbrauchs sind jüngeren Datums. Die in der EU 2009 verabschiedeten Vorgaben werden stufenweise in Kraft treten und eine besondere Herausforderung für die Fahrzeughersteller darstellen. Für die Marktzulassung neuer Modelle sind zur Überwachung standardisierte Testzyklen nachzufahren die im Wesentlichen auf statistischen Betrachtungen der Pkw-Nutzung basieren. In der EU gilt z. B. der in Abb. 19-1 gezeigte Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ).

Geschwindigkeit [km/h]

Teil 1 (ECE)

Teil 2 (EUDC)

120

Testlänge: 11,007 km Testdauer: 1180 s mittl. Geschw.: 33,6 km/h max. Geschw.: 120 km/h Beginn der Probenahme mit Motorstart

100 80 60 40 20 0 195

195

195

195

1180

Zeit [s]

Abb. 19-1: Europa-Testzyklus NEFZ

Statistische Betrachtungen sind für individuelle Mobilität jedoch nur begrenzt aussagekräftig, da die tatsächlichen Anforderungen meist nicht vorhersehbar sind. Wie Abb. 19-2 zeigt, werden das reale Fahrverhalten und demnach die realen Emissionen sowie der tatsächliche Kraftstoffverbrauch durch die im NEFZ ermittelten Werte nicht wiedergegeben.

738

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Die planbare Alternative zur individuellen Mobilität wäre eine starke Begrenzung der Mobilität bzw. Planmobilität und entspricht nicht den Interessen unserer Gesellschaft.

Kraftstoffverbrauch real [l/100km]

25 Otto Diesel Hybrid

20

15

10

5

0

0

5 10 15 20 Kraftstoffverbrauch im NEFZ [l/100km]

25

Abb. 19-2: Kraftstoffverbrauch im NEFZ und bei realem Fahrverhalten

Die Bewertung eines Fahrzeugs erfolgt im Testzyklus anhand der zum Vortrieb genutzten abgegebenen mechanischen Arbeit. Das Fahrzeug wird dabei wie der erste PatentMotorwagen von Carl Benz betrachtet – dessen Antrieb diente dem Nutzer ausschließlich zur Fortbewegung (siehe Abb. 19-3). Die Entwicklung des Automobils ist seither deutlich vorangeschrittenen und mit ihr die Ansprüche der Nutzer an ihr Fahrzeug, Spicher (2011b). Aufgrund dessen sollte eine Bewertung des Gesamtsystems Fahrzeug vorgenommen werden, in der der Verbrennungsmotor neben dem Antrieb auch als Energieversorgungseinheit ähnlich einem Blockheizkraftwerk (BHKW) dient.

Abb. 19-3: Automobile früher und heute – Kundenanforderungen an Komfort und Sicherheit, Daimler AG (2011)

19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft

739

„ Objektive Beurteilung von Antriebskonzepten Die Sensibilität in unserer Gesellschaft, kraftstoffsparende Fahrzeuge zu erwerben, ist berechtigterweise stetig am Wachsen. Dabei dürfen Faktoren wie Umweltfreundlichkeit, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und auch Fahrspaß nicht außer Acht gelassen werden. Bekanntermaßen leisten umweltfreundliche Antriebe keinen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen und Luftreinhaltung solange sie nur in den Schaufenstern der Fahrzeughändler stehen, sie müssen erst Käufer finden und den Markt durchdringen. Zudem wird des Öfteren propagiert, dass Elektroantriebe schadstofffrei seien und einen sehr hohen Wirkungsgrad hätten. Dagegen würden Antriebskonzepte mit einem Verbrennungsmotor maßgeblich zur Luftverunreinigung beitragen und die CO2-Bilanz fiele aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades des Verbrennungsmotors schlechter aus. Der heutige Personenkraftwagen, das Sinnbild für die individuelle Mobilität in fast allen Gesellschaften unserer Erde, muss jedoch neben der Hauptfunktion, nämlich der Fortbewegung, weitere vielfältige Aufgaben erfüllen. Dazu zählen nicht nur sicherheitsrelevante Anforderungen wie z. B. die Sicherstellung einwandfreier Sichtverhältnisse (Entfrosten und Wischen der Scheiben, Ausleuchten der Fahrbahn), die Bereitstellung aktiver und passiver Sicherheitsausstattungen und Fahrerassistenzsysteme, sondern auch Komfortaspekte wie z. B. die Beheizung oder Kühlung des Innenraums. Bei einer Betrachtung des Wirkungsgrades werden diese Punkte nicht in die Energiebilanzierung mit einbezogen, sondern alleine die mechanische Arbeit zur Fortbewegung gilt als Nutzen. Diese Betrachtungsweise ist eindeutig unvollständig und falsch. Eine richtige Wirkungsgradbetrachtung erfordert daher eine Erweiterung der Systemgrenzen um das gesamte Fahrzeug (siehe Abb. 19-4), Spicher (2011a).

Abb. 19-4: Notwendige Erweiterung der Systemgrenzen

Damit wird sichergestellt, dass alle Arten von Nutzen in die Bilanzierung mit einbezogen werden, und sämtliche Energieumwandlungen im Fahrzeug in der Wirkungsgradbetrach-

740

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

tung berücksichtigt werden. Abb. 19-6 zeigt diese Art der Betrachtungsweise für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor als Antriebsquelle und für den Fall eines reinen Elektroautos.

Abb. 19-5: Energiebilanzierung für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor

Abb. 19-6: Energiebilanzierung für ein Elektrofahrzeug

In der oberen Hälfte dieser Abbildungen ist jeweils die alleinige Bilanzierung der Antriebseinheit dargestellt. Beim Verbrennungsmotor wird die in dem Kraftstoff gespeicherte chemische Energie in mechanische Energie umgewandelt. Diese mechanische Energie wird sowohl für die Fortbewegung (Antriebsenergie) als auch zum Antrieb der Neben-

19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft

741

aggregate wie z. B. des Klimakompressors, der Ölpumpe, der Lenkhilfepumpe oder des Generators genutzt. Der innermotorischen Wirkungsgradsteigerung sind thermodynamisch Grenzen gesetzt, da nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik eine vollständige Umwandlung von Wärme nicht möglich ist. Bei Verbrennungsmotoren werden ein Anteil der im Kraftstoff gespeicherten Energie in Nutzarbeit und ein Anteil in thermische Energie umgewandelt. Diese thermische Energie wird an die Umgebung in Form von Abgasenthalpie oder mittels Konvektion und Strahlung abgegeben und findet als Verlust Betrachtung in der Energiebilanzierung. Beim Antrieb mit Elektromotor wird die in den Akkumulatoren gespeicherte elektrische Energie in mechanische Energie zur Fortbewegung umgewandelt. Die bei dieser Energiewandlung freigesetzte Wärme ist sehr viel geringer. Wird nun die Systemgrenze auf das gesamte Fahrzeug erweitert, muss beim Elektrofahrzeug die Energie zum Antrieb der Nebenaggregate mit berücksichtigt werden. Da die freigesetzte Wärme des Antriebs gering ist muss die benötigte Energie zur Innenraumheizung oder Innenraumkühlung zusätzlich von den Akkumulatoren bereitgestellt werden. Beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor wird z. B. ein Teil der freigesetzten Wärme zur Innenraumbeheizung genutzt, bei der herkömmlichen Wirkungsgradberechnung wird sie jedoch weiter als Verlust betrachtet. Ähnlich einem Blockheizkraftwerk muss diese Energie als Nutzen in die Energiebilanzierung eingehen. Daraus folgt, dass je nach Außentemperatur der Wirkungsgrad eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor mehr als 70 % betragen kann. Neuere Methoden nutzen die im Kühlmittel oder im Abgas gespeicherte Energie zur schnellen Aufheizung verschiedener Bauteile im Antriebsstrang wie z. B. die Aufheizung des Getriebe- oder Hinterachsöls zur Verringerung der Reibungsverluste, die insbesondere im kalten Zustand erheblich zum Gesamtverlust beitragen. Neueste Anstrengungen zur thermischen Rekuperation (Abwärmenutzung) wie z. B. ein nachgeschalteter Dampfkreisprozess oder der thermoelektrische Generator werden zusätzlich zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrades beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor beitragen. Die Bereitstellung der Energie beim Elektrofahrzeug für zusätzliche Nebenverbraucher führt zudem zu einer signifikanten und im praktischen Betrieb inakzeptablen Reduzierung der Reichweite des Fahrzeugs (Abb. 19-7).

Abb. 19-7: Änderung der Reichweite eines Elektrofahrzeugs bei Aktivierung zusätzlicher Nebenverbraucher, Bulander (2010)

742

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Bei Betrachtung der Wirkungsgradkette wird zwischen der Betrachtung vom Energiespeicher des Fahrzeugs zum angetriebenen Rad (Tank-to-Wheel) und der Betrachtung von der Herstellung bzw. Bereitstellung des Energieträgers über den Transport zum Fahrzeug und anschließend zum angetriebenen Rad (Well-to-Wheel) unterschieden. Zur grundsätzlichen Beurteilung verschiedener Antriebskonzepte muss die gesamte Kette der Energieumwandlung berücksichtigt werden. Nur diese Betrachtungsweise gibt Aufschluss über die Umweltrelevanz verschiedener Antriebkonzepte. In Abb. 19-8 ist die „Well-to-Wheel“ Betrachtung sowohl für den Verbrennungsmotor als auch für den Elektromotor dargestellt. Anders als beim Verbrennungsmotor sinkt der Gesamtwirkungsgrad eines batterieelektrischen Antriebs, wenn realer Fahrbetrieb und tiefere Umgebungstemperaturen angenommen werden.

Abb. 19-8: „Well-to-Wheel“-Betrachtung für einen Verbrennungsmotor und einen Elektromotor

Diese Ausführungen zeigen, dass eine objektive und physikalisch richtige Beurteilung verschiedener Antriebskonzepte Grundlage für die Gestaltung der zukünftigen individuellen Mobilität sein muss, um sowohl Ressourcen als auch unsere Umwelt zu schonen. Auch langfristig wird der Verbrennungsmotor deshalb die primäre Antriebsquelle der Mobilität bleiben. Bei Betrachtung der gesamten Energiebilanz wird ersichtlich, dass der Verbrennungsmotor im Fahrzeug mit Systemwirkungsgraden >70 % betrieben werden kann. Downsizing, zukünftige Brennverfahren, die Entwicklung moderner Motorkomponenten und die konsequente Abwärmenutzung werden zur weiteren Steigerung des Wirkungsgrades beitragen. Somit besteht bei Betrachtung der gesamten Energiebilanz in absehbarer Zeit keine Alternative zum Verbrennungsmotor.

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

19.3

743

Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

Wird die Frage nach der zukünftigen Form des Verbrennungsmotors diskutiert, so können zunächst die grundsätzlichen Merkmale der heute verwendeten Formen der Zwei- und Viertaktmotoren zur Diskussion gestellt werden. Alternativ zu den fast ausschließlich mit innerer Verbrennung ausgeführten Verbrennungskraftmaschinen wären Wärmekraftmaschinen mit äußerer Verbrennung zumindest in einzelnen Punkten vorteilhaft, weshalb es – insbesondere bei Sonderanwendungen – nicht an derartigen Konzeptvorschlägen mangelt.

19.3.1

Alternative Konzepte

„ Stirling Motor So stellt der Stirling Motor mit der Möglichkeit der externen, damit vom Arbeitsspiel unabhängigen Verbrennung sowie der Nutzung auch einer nicht durch Verbrennung bereitgestellten Wärme ein interessantes Konzept dar. Die entkoppelte und kontinuierliche Verbrennung erlaubt auch den Einsatz von für innere Umsetzung nicht geeigneten Brennstoffen und lässt eine extrem schadstoffarme Verbrennung zu. Insbesondere mit der Einführung damals strenger Abgaswerte Ende der 1970er- und in den 1980er Jahren, also zu einer Zeit, als keine hochwirksame Abgasnachbehandlung verfügbar war, wurden Stirlingmotoren intensiv als Fahrzeugantrieb untersucht. Mit der kontinuierlichen Verbrennung und den damit permanent temperaturbeaufschlagten Komponenten gehen jedoch Nachteile, wie träges Instationärverhalten sowie die begrenzte Temperatur der Wärmezufuhr mit dem damit verbundenen mäßigen Wirkungsgrad, einher. Die beachtlichen Entwicklungstätigkeiten für Fahrzeugantriebe unter anderem bei Philips (in Zusammenarbeit mit Ford, GM, NASA und MIT) führte zu Prototypen (Abb. 19- 9 und Abb. 19-10), mit denen Wirkungsgrade bis 38 % im Bestpunkt und bis zu 28 % im Testzyklus erreichbar schienen.

Abb. 19- 9: Fahrzeug-Stirlingmotor MOD II, Ernst und Shaltens (1997)

744

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Abb. 19-10: Wirkungsgradkennfeld MOD II, Ernst und Shaltens (1997)

Allerdings stellten die Regelbarkeit, Kaltstartzeit und Leistungsdichte offene Probleme für die Anwendung als konventioneller Fahrzeugantrieb dar. Aus heutiger Perspektive naheliegender, für die damalige Sicht doch bemerkenswerter und überraschend fortschrittlicher Konzeptvorschlag ist ein serieller Hybrid mit Stirlingmotor aus dem Jahr 1969 (Abb. 19-11).

Abb. 19-11: Stir-Lec 1 / Studie von GM, Car Craft Magazine (1969)

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

745

Heute werden Stirlingmotoren nur als Nischenlösungen in stationären Anlagen beispielsweise in Blockheizkraftwerks-Anlagen (Abb. 19-12) und als geräuscharmer Antrieb von U-Booten (Abb. 19-13) eingesetzt.

Abb. 19-12: Stirlingmotor als BHKW-Anlage, cleanergyindustries.com

Auspuff Helium Sterlingmotor Wasserstoff Gleichstromgenerator

Kraftstoff

Sauerstoff

Hauptmaschine

Hauptbatterie

Abb. 19-13: Stirlingmotor als Antrieb von U-Booten, cleanergyindustries.com

„ Dampfmotor Vor dem Hintergrund der amerikanischen SULEV-Gesetzgebung wurde äußere Verbrennung auch in Form von sogenannten Dampfmotoren – die ja in der Frühzeit der Motorisierung mit dem Elektroantrieb und der Verbrennungskraftmaschine heftig konkurrierten – wiederum konzipiert und als Prototyp ausgeführt. Die mit der kontinuierlichen Verbrennung mögliche Darstellung von Niedrigstemissionskonzepten ohne Abgasnachbehandlung ist heute, da verbrennungsmotorische SULEV Antriebe ihre Serientauglichkeit in großer Stückzahl nachgewiesenen haben, kein großer Anreiz mehr. In Verbindung mit den bereits beim Stirlingmotor genannten Nachteilen bei äußerer Verbrennung wie begrenzter Wirkungsgrad, problematisches Instationärverhalten, Kaltstartzeit etc. ist auf absehbare Zeit keine Anwendung als konventioneller Fahrzeugantrieb zu erwarten.

746

19 Zukunft des Verbrennungsmotors Kraftstoff-Luft-Gemisch Wärmetauscher 2 Kondensator Abdampf

Porenbrenner Brennerkühlung Wärmestrom in den Zylinder Heizrippen Nasenkolben Dampferzeuger

Frischdampf H2O

Wärmetauscher 1 Abgas

Speisewasserpumpe

Abb. 19-14: Dampfmotor zum Antrieb von Fahrzeugen, Buschmann et al. (2000)

„ Gasturbinen Aus ähnlichen Überlegungen wie bei obigen Konzepten und dem Wunsch nach einer höheren Leistungsdichte wurden bereits früher der Einsatz von Fahrzeug-Gasturbinen untersucht und Prototypen bis zur Seriennähe entwickelt. Das Anforderungsprofil von Nutzfahrzeugen schien den Eigenschaften entgegen zu kommen. Trotz wesentlicher Vorteile wie etwa 50 % geringeres Gewicht, Vielstofffähigkeit für beinahe jeden Kohlenwasserstoff (Diesel, Kerosin, LPG, LNG, …) verhinderte jedoch vor allem der schlechte Wirkungsgrad der relativ kleinen Gasturbinen (beispielsweise 260 kW LKWZweiwellentriebwerk mit KeramikWärmetauscher, Entwicklungsstand 1969: be min 280 g/kWh) einen Serieneinsatz sowohl bei Pkw als auch Lkw. Abb. 19-15: ZweiwellenFahrzeuggasturbine (Leyland)

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

747

Von Interesse und als mögliche zukünftige Verbrennungskraftmaschinen in Diskussion gekommen sind Stirlingmotoren und Gasturbinen in Verbindung mit batterieelektrischen Fahrzeugen als so genannte „Range Extender“ zur Reichweitenverlängerung. Abb. 19-16 zeigt eine von Jaguar 2010 vorgestellte Gasturbine, sae.org/mags/aei/POWER/7698 (2010). In Verbindung mit dem nur selten benötigten Antrieb kommt dem geringeren Wirkungsgrad keine prioritäre Bedeutung zu, das hervorragende NVH-Verhalten, geringer Bauraumbedarf und möglicherweise die Vielstofffähigkeit sind jedoch interessante Attribute.

Abb. 19-16: Gasturbine als Range Extender, bladonjets.com (2010)

„ Wankelmotor Bei den Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung stellt aus den oben angeführten Gründen auch der Wankelmotor eine interessante Alternative für Range Extender und besonders kompakte Flugtriebwerke dar. Ein Beispiel für einen Wankelmotor als Range Extender zeigt Abb. 19-17 (Firma AVL).

Abb. 19-17: Wankelmotor als Range Extender Modul, Sorger et al. (2009)

748

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Offensichtliche Vorteile bei einer derartigen Anwendung sind hervorragendes Schwingungsverhalten und kompakte, mit dem Generator harmonierende Bauweise sowie geringes Gewicht. Ob die konzeptbedingten Schwachstellen – eingeschränktes Wirkungsgradpotenzial, ungünstige Brennraumform und daraus resultierendes Emissionsverhalten, Herausforderungen durch Motormechanik und (Verlust)Schmiersystem – durch weitere Entwicklung überzeugend gelöst werden können, sodass die oben genannten Vorteile überwiegen und damit eine Renaissance des Wankelmotors möglich ist, soll in Flottenversuchen geklärt werden (www.audi.de, 2011). „ Zweitaktmotor Schon in der Zeit vor dem Patent von Nikolaus August Otto war das Zweitaktprinzip in Verwendung und wurde im Laufe der Entwicklung bis heute in unzähligen Konzepten modifiziert und verbessert, Eichlseder et al. (2008). Weit verbreitet wird der Zweitaktmotor heute an der oberen und unteren Grenze der Baugröße von Verbrennungsmotoren eingesetzt: Bei den in Schiffen eingesetzten Langsamläufern mit Einzelhubräumen über 1 m³ und Nenndrehzahlen von etwa 100 min-1 ist und bleibt das Zweitaktprinzip ein Standardverfahren. Bei handgehaltenen Arbeitsgeräten sowie Hochleistungs- und Motorsportanwendungen sind die Tugenden Leistungsgewicht, geringer Bauraumbedarf, Drehmomentverhalten und lageunabhängige Funktion die Gründe für umfangreiche Anwendung. Ein Grundproblem des einfachen schlitzgesteuerten Zweitaktmotors besteht in den symmetrischen Steuerzeiten, die zumindest bei äußerer Gemischbildung zu sehr hohen Spülverlusten mit heute nicht mehr akzeptablen Verbrauchs- und Emissionswerten führen. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits früh Konzepte zur Vermeidung der Spülverluste entwickelt wurden. Daraus resultiert auch der überhaupt erste Serieneinsatz der Direkteinspritzung in einem Pkw im Jahr 1952, der in Verbindung mit einem Zweitaktmotor erfolgte. Um den aus der kurzen verfügbaren Zeit zur Gemischbildung resultierenden Schwierigkeiten bei hochdrehenden Fahrzeugmotoren zu begegnen, wurden in der jüngeren Zeit sowohl luftunterstützte Systeme, siehe Schlunke (1989) als auch Hochdruckeinspritzungen, die auf der Nutzung von Druckstößen beruhen, entwickelt. Diese werden bei Zweiradantrieben, Außenbordmotoren, Jet-Ski-Antrieben und Schneeschlitten (Abb. 19-18) in Serienprodukten eingesetzt.

Abb. 19-18: Rotax 797 DI, Zweitakt, Zweizylinder, V h =0,799 dm3, 108 kW / 8000 min–1, flüssigkeitsgekühlt, Einlass membranventilgesteuert, Hochdruck-Direkteinspritzung

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

749

Eine intensive Entwicklung des Zweitaktmotors in Hinblick auf einen Pkw-Serieneinsatz (Abb. 19-19) erfolgte bei mehreren Herstellern und führte bis zu umfangreichen Flottenversuchen.

Abb. 19-19: Orbital Dreizylinder Pkw-Motor, Schlunke (1989), Meinig (2001); V h = 0,8 dm3, (s/D 72/84 mm), Peff=58 kW/4500 min-1 und zugehörige Orbital Einspritzeinheit, Houston (1998)

Aus mehreren Gründen – dazu gehören unter anderem die Schwierigkeiten, die mit der unterbrochenen Zylinderwand mechanisch und thermisch verbunden sind, die mit den hohen (Luft)spülverlusten schwer präzise darstellbare O =1-Regelung, mangelnde Aufladefähigkeit – ist ein Serieneinsatz bei Pkw noch nicht erfolgt und auch nicht absehbar. Auch durch Einsatz eines ventilgesteuerten Auslasskanals, der diese Nachteile wesentlich verringern bzw. vermeiden kann, allerdings die Komplexität, Bauraum und Kosten deutlich erhöht, konnte weder in Verbindung mit Otto- noch Dieselverfahren ein Pkw-Serienanlauf erfolgen. Anders stellen sich die Aussichten des Zweitakt-Ottomotors bei Klein- und Hochleistungs-Sportmotoren dar. Die angesprochenen Vorteile der spezifischen Leistungsfähigkeit, des Gewichtes und Bauraumbedarfes sind Motivation für intensive Weiterentwicklungsaktivitäten auf der Basis von Hochdruck-Direkteinspritzung, luftunterstützten Einspritzsystemen sowie Niederdruck-Direkteinspritzung, van Basshuysen (2008), Winkler (2009), Schmidt et al. (2005). Ein Beispiel für eine kostengünstige, da auf automotiven Großserienkomponenten aufbauende Lösung zeigt Abb. 19-20. Von einer sowohl funktionell als auch kostenseitig überzeugenden Lösung hängt hier die Zukunftssicherheit des Zweitakt-Ottomotors ab. Anhand der jüngsten Ergebnisse ist hier eine durchaus positive Perspektive erkennbar.

750

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Abb. 19-20: Einzylinder-Zweitaktmotor mit Niederdruck-Direkteinspritzung V h = 0,05 dm3, (s/D 39,2/40 mm), Peff = 3,7 kW / 7200 min–1, Winkler (2008)

„ Brennstoffzelle Eine besondere Form der Energiewandlung, nämlich eine direkte Umwandlung von chemisch gebundener Energie in elektrische Energie, ist mit der Brennstoffzelle möglich. Da diese sozusagen mit „kalter Verbrennung“ ohne den Umweg der Wandlung in Wärme und dann in mechanische Energie arbeitet, ist sie nicht an den Carnot-Prozess gebunden und hat damit das Potenzial eines höheren Wirkungsgrades. 100

Wirkungsgrad in %

80

60

c (Tu = 323.15 K)

40

th der Brennstoffzelle

20

0 273

523

773

1023

1273

1523

1773

2023

Temperatur To in Kelvin

Abb. 19-21: Gegenüberstellung der temperaturabhängigen idealen thermodynamischen Wirkungsgrade einer Brennstoffzelle (rot) und eines Carnot-Prozesses (blau), Eichlseder und Klell (2010)

Bemerkenswert ist auch, dass – im Gegensatz zum Verbrennungsmotor – der Wirkungsgrad bei niedriger Last hoch ist und mit steigender Last abfällt. Zusätzliche Vorteile sind Emissionsfreiheit von Schadstoffen und Lärm, bei Betrieb mit Wasserstoff treten bei der Umwandlung auch keine CO2-Emissionen auf.

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

751

Nachteile der Brennstoffzelle sind zum heutigen Zeitpunkt extrem hohe Herstellkosten sowie der fehlende Nachweis des Langzeitverhaltens bei instationärem Betrieb. Zusätzliche Schwierigkeiten bestehen in der energieintensiven Erzeugung von Wasserstoff sowie dessen Verteilung und Speicherung. Das hohe theoretisch mögliche Wirkungsgradpotenzial konnte in den ersten Fahrzeuganwendungen noch nicht ausreichend dargestellt werden, erst jüngste Veröffentlichungen weisen mit Wirkungsgraden bis 60 % in Stadtzyklen ein Niveau deutlich über dem von Verbrennungsmotoren aus, Bono et al. (2009), Matsunaga et al. (2009). Es werden verschiedene Arten von Brennstoffzellen angewendet, die entweder nach der Art des verwendeten Elektrolyten oder nach der Art ihrer Betriebstemperatur unterschieden werden; hier sei auf die Literatur verwiesen, Kordesch und Simader (1996), Kurzweil (2003).

19.3.2

Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors

Da trotz der interessanten Alternativen der Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung wegen der in Summe vorteilhaften Eigenschaften heute und in absehbarer Zukunft das bevorzugte Konzept für die allermeisten Anwendungen bleibt, soll im Folgenden auf dessen weitere Entwicklung eingegangen werden. Die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors ist vorwiegend durch die treibenden Kräfte Wirkungsgradsteigerung und Emissionsminderung geprägt, die von einer Steigerung der spezifischen Leistung begleitet werden. Die Ansätze zur Steigerung des im Betrieb erzielten Wirkungsgrades, der entsprechend Abb. 19-22 in beträchtlichem Maße vom Lastkollektiv und der Motorgröße abhängt, können sehr gut von einer thermodynamischen Verlustanalyse abgeleitet werden, Pischinger et al. (2002). 50

effektiver Wirkungsgrad [%]

Bestpunkt

repräsentatives Lastkollektiv (Testzyklus)

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 MOPED 50 cm³

MOTORRAD 800 cm³

PKW BENZIN

PKW DIESEL

LKW

GROSSMOTOR STATIONÄR

Abb. 19-22: Wirkungsgrad ausgeführter Motoren im Bestpunkt und im repräsentativen Betrieb

752

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Bei den weiteren Betrachtungen werden die Ansätze entsprechend der Wirkungsgradkette gegliedert:

y y y y

Thermodynamische Ausgangsbedingungen eines Idealprozesses (vollkommener Motor), Verbrennung und Prozessführung der Hochdruckphase, Ladungswechsel, Mechanische Verluste. Die aus obiger Gliederung resultierende und auch aus Abb. 19-42 ersichtliche Bedeutung der Lastpunktverschiebung wird anschließend betrachtet. Da die meisten Ansätze und Maßnahmen nicht nur einen einzelnen Teil der Wirkungsgradkette beeinflussen, kann diese Betrachtung naturgemäß nur im Hinblick auf den primär betroffenen Umfang erfolgen. Entsprechend den Ausführungen in Kapitel 3 ist für die thermodynamischen Ausgangsbedingungen das Verdichtungsverhältnis von großer Bedeutung. Die bestehenden Grenzen durch Klopfen bzw. Kraftstoffeigenschaften (Ottomotor) und Triebwerksbelastung sowie Stickoxidemission (Dieselmotoren) lassen nur ein eingeschränktes Potenzial zu. Ein naheliegender Ausweg wäre ein variables Verdichtungsverhältnis, um bei Teillast ein höheres Verdichtungsverhältnis darstellen zu können. Die potenziellen Vorteile haben seit jeher zu Vorschlägen für Konzepte und konstruktive Ausführungen in einer systematischen Vielfalt (Eichlseder et al. (2008)) entsprechend Abb. 19-23 geführt. Ein aktuelles Konzept zeigt Abb. 19- 24, Kemper et al. (2003).

Abb. 19-23: Systematik zur Darstellung einer variablen Verdichtung

Aus der Vielzahl an Lösungsvorschlägen konnte bisher noch keiner bis zum Großserieneinsatz qualifiziert werden, was an den Schwierigkeiten und dem beträchtlichen Aufwand bei der Umsetzung liegt. Das bemerkenswerte Potenzial lässt diesen Ansatz weiterhin als interessantes und verfolgenswertes Konzept erscheinen. Der auch wegen der Stoffwerte (Isentropenexponent) thermodynamisch günstige Magerbetrieb ist nicht nur durch die Zündgrenzen eingeschränkt, er erfährt seine Grenzen durch den erreichbaren Mitteldruck, steigenden Aufwand für Abgasnachbehandlung (Ottomotor) sowie Leistungsdichte und benötigte emissionsreduzierende Wirkung durch Abgasrückführung (Dieselmotor). Was mit konsequentem Magerbetrieb bei Ottomotoren möglich ist, wird eindrucksvoll bei Stationär-Gasmotoren mit effektiven Wirkungsgraden über 48 % demonstriert. Auch bei Pkw-Ottomotoren konnten im (geschichteten) Magerbetrieb hervorragende und über vergleichbaren Dieselmotoren liegende Wirkungsgrade im stationären Teillastbetrieb gezeigt werden.

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

753

Abb. 19- 24: Konzept mit exzentrisch gelagerter Kurbelwelle (FEV), Kemper et al. (2003)

Hier wird bei Pkw-Antrieben mit Ottomotoren die Magertechnik dann vermehrt Anwendung finden, wenn es gelingt, eine hocheffiziente Abgasnachbehandlung kostengünstiger darzustellen. Ein neben der NOx-Emission wesentliches und neues Kriterium wird dabei auch die limitierte Partikelanzahl sein. Der aus thermodynamischer Sicht wünschenswerte Ablauf der Verbrennung mit Annäherung an den Gleichraumprozess erfährt seine Begrenzung nicht nur durch die zulässige Zylinderdruckbelastung, sondern auch wegen der damit im Allgemeinen steigenden Geräusch- und NOx-Emission. Diese Einschränkungen führen insbesondere bei Dieselmotoren dazu, dass sowohl bei Volllast als auch Teillast die Verbrennungsdauer und -lage deutlich vom Wirkungsgradoptimum abweichen, Eichlseder und Schaffer (2009). Eine erweiterte Leistungsfähigkeit zukünftiger Einspritzsysteme hinsichtlich Einspritzdruck und Variabilität sowie effiziente und kostenverträgliche (NOx-)Abgasnachbehandlung sind Schlüsselkomponenten, um zukünftig weiter verschärfte Emissionsgrenzen sogar mit Wirkungsgradverbesserungen zu erfüllen. Um das Wirkungsgradpotenzial einer verkürzten Brenndauer und einiger weiterer wesentlicher Parameter bewerten zu können, wird – zunächst ohne Berücksichtigung der Realisierbarkeit – deren Einfluss auf den Wirkungsgrad am Beispiel eines bereits sehr effizienten Pkw-Ottomotors mit Schichtladung in Abb. 19-25 dargestellt. Bereits aus dieser Betrachtung ist das angesichts der begrenzenden Faktoren limitierte Potenzial alleine durch die Verbrennungsführung ersichtlich. Es fehlte und fehlt jedoch nicht an Versuchen, durch veränderte Kinematik den Zusammenhang zwischen Kurbelwinkel und Kolbenweg in Richtung Gleichraumverbrennung zu beeinflussen (Abb. 19-26). Da dem minimalen thermodynamischen Potenzial deutlich höhere mechanische Verluste gegenüber stehen und überdies mit einer beträchtlichen Aufwands- und Komplexitätserhöhung einher gehen, ist eine Verbreitung derartiger konstruktiver Lösungen auszuschließen. Anders ist schon die Schränkung des Kurbeltriebes zu bewerten, der mancherorts auch in diesem Zusammenhang beträchtliches Potenzial zugemessen wird. Untersuchungen an

754

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

einem Pkw-Dieselmotor zeigen allerdings, dass die aus der veränderten Kinematik resultierenden thermodynamischen Einflüsse zumindest beim Dieselmotor sehr gering sind, die Vorteile eher durch veränderte Reibungsverhältnisse zustande kommen können, Schaffer et al. (2007). Verdichtungsverhältnis Wandwärme Brenndauer 4

GDI 2.Gen 2000min-1 pi=3bar =11.3 =2.41

Wirkungsgradänderung [%]

3 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -20%

-15%

-10%

-5%

0%

5%

10%

15%

20%

Parameteränderung

Abb. 19-25: Wirkungsgradeinfluss wesentlicher Verbrennungsparameter

Abb. 19-26: Knickpleuelmotor, MTZ 3 (1988)

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

755

Abb. 19-27 zeigt für einen Teillastpunkt und den Nennleistungspunkt eines 2.0 dm3 PkwDieselmotors die vernachlässigbaren Auswirkungen einer geringen und einer ausgeprägten Schränkung, welche durch Simulation ermittelt und auch durch experimentelle Untersuchungen bestätigt wurden. Ein wesentlicher und darüber hinausgehender Vorteil einer Schränkung oder Desaxierung kann allerdings im NVH-Verhalten realisiert werden.

Abb. 19-27: Auswirkungen der Schränkung auf die thermodynamischen Verluste, Schaffer et al. (2007)

Eine grundsätzliche Alternative zur konventionellen ottomotorischen und dieselmotorischen Verbrennung sind die heute unter dem Sammelbegriff der homogenen Selbstzündung (HCCI Homogeneous Charge Compression Ignition) oder vielleicht besser „Kontrollierten Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung eingeordneten alternativen Brennverfahren. Die grundlegenden Überlegungen sind nicht neu, wie der Lohmann Selbstzündmotor aus dem Jahr 1950, Abb. 19-28, sowie ausgeführte Motoren für Modellflugzeuge (Hubraum 0,5 bis 10 cm3) zeigen. Bei dem Lohmann-Selbstzündmotor von 1950 war darüber hinaus ein verstellbares Verdichtungsverhältnis mittels verschiebbarer Zylinderlaufbuchse realisiert. Nach diesem Hilfsantrieb für Fahrräder wurde nach längerer Unterbrechung die homogene Selbstzündung bei Zweitaktmotoren 1995 von Honda wieder aufgegriffen und unter dem Begriff „Active Radical Combustion“ erfolgreich im Motorsport (Rally Paris-Dakar) eingesetzt. Heute ist das Thema „Kontrollierte Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung (HCCI, Active Radical Combustion ARC, Controlled Auto Ignition CAI, Diesotto) sowohl auf der Basis von Benzin- als auch Dieselmotoren ein interessantes Forschungsthema, dessen Aussichten für eine Serienumsetzung von einigen Herstellern als sehr wahrscheinlich bewertet wurden, Pritze et al. (2010). Die Vorteile dieser Konzepte liegen aber weniger in einem höheren Wirkungsgrad, denn die mit der kürzeren Brenndauer verbundene Annäherung an die Gleichraumverbrennung ist mit einigen anderen wirkungsgradmindernden Nachteilen kombiniert. Die Vorteile

756

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

liegen vor allem in der mit den extrem niedrigen Stickoxid-Rohemissionen verbundenen Möglichkeit, hohe Wirkungsgrade ohne Stickoxid-Abgasnachbehandlung zu realisieren. Aus diesem Grund ist dieses Konzept für den Teillastbereich von Benzin(Otto)- und Dieselmotoren auch zukünftig von Interesse. Die noch zu überwindenden Hindernisse stellen der prinzipbedingt eingeschränkte Lastbereich, der beträchtliche Bauaufwand und die Regelung im Instationärbetrieb dar. Von deren Lösung und der wirtschaftlichen Darstellbarkeit wird es abhängen, ob die Konzepte in eine Serienfertigung übergeführt werden können.

Abb. 19-28: Lohmann Selbstzündmotor 18 cm3 mit verstellbarem Verdichtungsverhältnis

Dual Electric Cam Phaser

Central Direct Injection

Fast Engine Controller

External EGR

Combustion Pressure Sensing

2-Step Valve Lift

Abb. 19-29: Elemente eines HCCI Konzeptes (GM), Grebe (2009)

Die essenzielle Bedeutung des Wärmeüberganges auf den Hochdruckprozess ist bereits bekannt. Einige Versuche, den Wärmeübergang über hohe Wandtemperaturen nahezu zu unterdrücken („wärmedichter Motor“), waren nicht von Erfolg gekrönt und wurden aus mehreren Gründen als nicht aussichtsreicher Weg bewertet, Woschni et al. (1986).

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

757

Der Ansatz, den Wärmeübergang bei gleicher Oberflächentemperatur durch Verringerung der Oberfläche zu vermindern, besteht in der Ausführung eines Gegenkolbenmotors, bei dem die wärmeübertragende Zylinderkopffläche „entfällt“. Die Grundidee, die bereits in Diesel-Flugmotoren im II. Weltkrieg, Gersdorff et al. (1995), erfolgreich realisiert wurde, wird heute wieder an einigen Stellen in USA aufgegriffen, www.ecomotors.com und www.achatespower.com. Auch hier wird erst zukünftig die Frage beantwortet werden können, ob die potenziellen thermodynamischen Vorteile die Herausforderungen und Nachteile der Brennraumgestaltung, des Ladungswechsels, der mechanischen Aufwände etc. rechtfertigen.

Abb. 19-30: Gegenkolbenmotor 2-Takt, www.ecomotors.com

Der Ladungswechsel ist nicht nur für das Volllastverhalten maßgeblich, sondern hat vor allem beim Ottomotor für den Wirkungsgrad im Teillastbetrieb entscheidende Bedeutung. Darüber hinaus wird durch die Ladungsbewegung der gesamte Verbrennungsablauf beeinflusst, was bereits in den Kapiteln 14, 16 und 17 (Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung) und 15 (Aufladung) zum Ausdruck gekommen ist. Da die Anforderungen und Rahmenbedingungen betriebspunktabhängig variieren, ist beinahe seit Beginn der Verbrennungsmotorentwicklung die variable Gestaltung des Ladungswechsels ein Wunsch der Entwickler. Return spring

Rocker arm A

Slide pin

Rocker arm B Return pin

Inactive valve

EX.

IN. 2 Valve stage

Oil pressure

EX.

IN. 4 Valve stage

Abb. 19-31: Variable Ventilbetätigung für 2/4-Ventilbetrieb (Honda, 1983)

758

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Die erste Großserienumsetzung einer Variabilität im Ladungswechsel mit Beeinflussung der Verbrennung erfolgte 1983 bei Motorradmotoren, die wegen der großen Drehzahlspreizung und der hohen spezifischen Leistung mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. Abb. 19-31 zeigt die damals gewählte Ausführung, die in Abhängigkeit von der Motordrehzahl wechselnde zwei- und vierventilige Betriebsweise ermöglicht. Dass Motorradmotoren hier von Variabilitäten besonderen Nutzen hinsichtlich Volllast ziehen können, zeigt eine in Abb. 19-32 dargestellte weitere Anwendungen für einen Serien-Saugmotor mit einer spezifischen Leistung von 142 kW/dm3.

Abb. 19-32: Variabilitäten im Abgassystem (BMW), Landerl et al. (2009)

Variabilitäten werden aber auch in Sauganlagen von Pkw-Ottomotoren sowohl zur Füllungserhöhung als auch Beeinflussung der Ladungsbewegung häufig eingesetzt, bei Dieselmotoren zur Steuerung des Dralles.

Abb. 19-33: Sauganlage eines 8-Zylindermotors mit stufenlos verstellbaren Schwingrohrlängen (BMW), Hirschfelder et al. (2001)

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

759

Die ebenfalls der Füllungserhöhung dienende stufenlose Phasenverstellung der Nockenwellen, die zudem eine Steuerung der Restgasmenge ermöglicht, ist bei Ottomotoren heute weit verbreitet. Derzeit noch weniger verbreitet ist eine vollvariable Ventilsteuerung, die durch Änderung der Ventilöffnungsdauer zusätzlich zu den vorher genannten Vorteilen eine signifikante Verringerung der Ladungswechselarbeit bis hin zur drosselfreien Laststeuerung und damit eine wesentliche Steigerung des Teillastwirkungsgrades bei Ottomotoren ermöglicht. Von der Vielzahl der Lösungsansätze haben sich zunächst nur die mechanisch vollvariable „Valvetronic“ von BMW (Abb. 19-34 und Abb. 19-35), Klüting und Landerl (2004), die mittlerweile seit mehr als 10 Jahren in einer breiten Palette von Motoren produziert wird, und in weiterer Folge Systeme von zwei japanischen Herstellern, Harada et al. (2008), Ando und Chujo (2010), in Großserie durchgesetzt.

Abb. 19-34: Valvetronic der BMW-6-Zylindermotoren, Klüting und Landerl (2004)

Abb. 19-35: Funktionsprinzip der „drosselfreien Laststeuerung“ durch frühes Einlassschließen mit dem mechanisch vollvariablen Ventiltrieb (Valvetronic), Klüting und Landerl (2004)

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19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Die Valvetronic wird heute in weiterentwickelter Form mit ungleichen Ventilhubverläufen („Phasing“) und Teilabdeckung der Ventilsitze („Masking“) und in Kombination mit Direkteinspritzung und Turboaufladung, Klauer et al. (2009), Kiesgen et al. (2010), in hohen Stückzahlen produziert, was nicht nur aus technischer Sicht und bezüglich der Funktionswerte bemerkenswert ist, sondern für wirtschaftliche Umsetzbarkeit spricht. Seit kurzem wird auch eine elektrohydraulische Lösung „Multi Air“ von FIAT in Großserie produziert. Weiter verbreitet und deutlich weniger komplex sind konstruktive Ausführungen mit zwei oder drei diskreten Ventilhubverläufen, Knirsch et al. (2007), die ein Funktionsprinzip entsprechend Abb. 19-36 verfolgen, welche aber nur einen Teil des Potenzials erschließen können.

Abb. 19-36: FIAT Multi Air, Mastrangelo (2011)

Mit einer ähnlichen konstruktiven Lösung ist auch der erste Pkw-Dieselmotor mit variablem Ventiltrieb ausgeführt (Abb. 19-37). Während bei Dieselmotoren ein für Ottomotoren wesentlicher, wenn nicht ausschlaggebender Grund für die Ventiltriebsvariabilität, die Entdrosselung für einen variablen Ventiltrieb nicht relevant sind, können andere Gründe wie Steuerung der Ladungsbewegung und Beeinflussung des Ladungszustandes durchaus zu Funktionsvorteilen führen, Schaffer et al. (2010), Tomoda et al. (2009), die zukünftig vermehrt auch bei Dieselmotoren den Aufwand für Variabilitäten rechtfertigen. Die größten Funktionsfortschritte in Bezug auf spezifische Leistung sowie stationäres und instationäres Volllastverhalten sind zukünftig von der Weiterentwicklung der Aufladung zu erwarten. Von den ersten Grundgedanken bis zu heutigen Aufladesystemen, die bei Fahrzeugantrieben – neben dem Maximalwert von Mitteldruck und Leistung – vor allem einen günstigen Drehmomentverlauf zum Ziel haben, konnten bereits mit einfacher Aufladung, weiterführend mit kombinierter mechanischer und Abgasturboaufladung und mehrstufiger Aufladung in unterschiedlichen Ausführungen sehr große Fortschritte erzielt werden. Über die Steigerung der spezifischen Leistungen und ein „Downsizing“ der Motoren können auch wesentlichen Wirkungsgradsteigerungen erzielt werden. Trotz dieser bereits erzielten gewaltigen Verbesserungen ist eine thermodynamische Grenze auf dem Gebiet der Aufladung noch nicht absehbar, vielmehr ist es eine Frage des Aufwandes und der mechanischen und thermischen Beherrschbarkeit. Ein Beispiel für das thermodynamische Grenzpotenzial kann in den früher (und auch zukünftig wieder) in der Formel 1 eingesetzten Turbomotoren gesehen werden, die mit Ladedrücken über 5 bar spezifische

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

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Leistungen von über 700 kW/dm3 – allerdings mit einer auf einzelne Runden beschränkten Haltbarkeit – erzielen konnten.

Abb. 19-37: Variabler Ventiltrieb (Mitsubishi), Murata et al. (2003)

Abb. 19-38: 1,5-Liter-Vierzylinder-Reihenmotor BMW Formel 1 (1983) mit 700 kW/dm³, Lange (1999)

Vor allem in Kombination mit Direkteinspritzung können mit Turboaufladung auch bei Serien-Ottomotoren weitere Potenziale erschlossen werden: Ein sprunghafter Fortschritt der Aufladung bei Ottomotoren ist vorhersehbar, wenn die Entwicklung einer kostengünstigen variablen Turbinengeometrie für die Großserie gelingt und diese nicht auf exklusive Anwendungen beschränkt bleibt.

762

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Abb. 19-39: Turbolader mit variabler Turbinengeometrie für Ottomotoren, Kerkau et al. (2006)

Bei Dieselmotoren ermöglichen bereits heute komplexe und mehrstufige Aufladesysteme bemerkenswerte Funktionseigenschaften in Pkw und Lkw. Besonders aufwändige Systeme werden bei Schiffsantrieben und Spezialanwendungen eingesetzt und zeigen beträchtliches weiteres Potenzial auf (vgl. Kapitel 4). Es ist davon auszugehen, dass die heute erst in einigen Anwendungen genutzten Potenziale der Aufladung deutlich weiter ausgeschöpft und in großer Breite bei zukünftigen Ottound Dieselmotoren eingesetzt werden. Die mechanischen Verluste spielen in erster Linie für den Wirkungsgrad, naturgemäß in besonderem Maße im Teillastbetrieb, eine wesentliche Rolle. Ein erheblicher Teil der mechanischen Verluste wird vom Kurbeltrieb verursacht. Die Ansätze, um mit dem Hubkolben-Verbrennungsmotor die (scheinbaren) Nachteile des Schubkurbeltriebes zu vermeiden, haben die Kreativität von Erfindern seit Beginn der Motorentwicklung angeregt und sind ebenso zahlreich wie vielfältig. Neben Freikolbenmotoren und anderen Triebwerken, bei denen die Arbeit elektrisch oder hydraulisch ausgekoppelt werden kann (Abb. 19-40 und Abb. 19-41), wurde eine Unzahl von Gegenkolben-, Axialkolben-, Ringkolbentriebwerken entwickelt und teilweise in Serie gebracht. Arbeitskolben der aus dem Motorblock ragt

Vorverdichtungskammer

Auspuff

vom Vergaser

Zündkerzen

Ansaugen von Frischgas

Vorverdichtungskammer

Vorkomprimiertes Frischgas

Auspuff

Ausstoßen von verbranntem Gas

Abb. 19-40: Freikolbenmotor nach Stelzer, http://erfinder-entdecker.de/fsabb2.htm (2010)

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

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Abb. 19-41: Schema Verbrennungsmotor mit hydrostatischem Triebwerk, Bauart Battelle, Zima (2005)

Wirkungsgrad K, Einzelveluste 'K / %

Von diesen Konzepten konnte sich jedoch keines durchsetzen, und es ist auch nicht absehbar, dass dies zukünftig stattfindet. Der einfache Schubkurbeltrieb bzw. die Kreuzkopfbauart für Großmotoren sind in der Summe ihrer Eigenschaften ausgereift. Allenfalls werden die Möglichkeiten der Schränkung und Desaxierung sowie eine Wälzlagerung des Kurbeltriebes künftig verstärkt genutzt, Schaffer et al. (2007). Jedenfalls ist die Minderung der Grundmotorreibung seit Beginn der Motorentwicklung ein kontinuierliches Entwicklungsziel und wird es auch bleiben. Zur mechanischen Verlustleistung zählen neben den „echten“ Reibungsverlusten des Grundmotors auch der Aufwand zum Antrieb der Nebenaggregate des Motors wie beispielsweise Öl- und Wasserpumpe, Einspritzanlage, Generator etc. sowie des Fahrzeuges wie Lenkhilfe, Klimaanlage u. a. Der Energiebedarf hängt aber in vielen Betriebszuständen nicht nur von der Drehzahl ab, weshalb die Nebenaggregate zunehmend mit Variabilitäten zur bedarfsgerechten Regelung versehen werden. Mengengeregelte Öl- und Kraftstoffpumpen, schaltbare Wasserpumpen und geregelte elektrische Aggregate sind nur einige Beispiele, die zukünftig vermehrt Anwendung finden werden. 'Kreale Ladung

50

'Kreale Verbrennung

'K Wandwärme

40

K indiziert

'K Ladungswechsel

K effektiv

'K mechanisch

30

K vollk. Motor

20

10

0 0

2

4

6

8

eff. Mitteldruck / bar

10

Abb. 19-42: Pkw-Ottomotor, Analyse über der Last bei 3000 min–1, Pischinger et al. (2002)

764

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Eine weiter steigende Bedeutung kommt der Reibung bei niedrigen Motorlasten sowie beim Motorwarmlauf zu. Dem Motorwarmlauf, für den bei Pkw-Antrieben umfangreiche Optimierung durch konstruktive Maßnahmen und Wärmemanagement realisiert werden konnte, wird zukünftig auch bei anderen Anwendungen noch mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden: Da der Warmlauf das Emissionsverhalten wesentlich beeinflusst, wird er auch bei Nicht-Pkw-Anwendungen verstärkt Eingang in die Abgasvorschriften finden, um den realen Betrieb besser zu erfassen. Die Reibungsverluste sind neben anderen Gründen auch eine wesentliche Ursache für die Lastabhängigkeit des Wirkungsgrades, siehe Abb. 19-42. Bei Ottomotoren führt die verlustbehaftete Lastregelung durch Drosselung im Teillastbetrieb zu einem weiteren Abfall des Wirkungsgrades, sodass Überlegungen zur Anpassung des Hubraumes an den Leistungsbedarf und damit einer Verschiebung zu höheren spezifischen Lasten naheliegend und keinesfalls neu sind.

Abb. 19-43: Motor mit verstellbarem Hub zur Leistungsregelung, Conrad (1905)

Abb. 19-43 zeigt einen frühen Ansatz zur bedarfsgerechten Hubraumvariation, mittlerweile wird diese durch automatische Abschaltung einzelner Zylinder mittels Deaktivierung der Ladungswechselventile und der Benzineinspritzung erreicht. Zylinderabschaltung wird heute vorwiegend bei Motoren mit Zylinderzahlen ab 6 eingesetzt, für zukünftige Anwendungen wird diese auch bei Vierzylindermotoren diskutiert. Abb. 19-44 zeigt einen V8 Motor von General Motors, der mittels hydraulisch–mechanischer Schaltelemente im Stoßstangen-Ventiltrieb jeweils zwei Zylinder der rechten und der linken Bank deaktiviert, was bei der Ausführung mit zentraler Nockenwelle vergleichsweise einfach möglich ist. Sowohl die motorgrößenabhängigen Reibungsverluste als auch schnelleres Aufwärmverhalten, geringeres Fahrzeuggewicht sowie bei Ottomotoren die verminderten Ladungswechselverluste sind wesentliche Argumente für eine Verkleinerung der Motoren bzw. deren Hubraumes. Unter dem Begriff „Downsizing“ werden allgemein Konzepte verstanden, bei denen durch Verkleinerung des Motors in Verbindung mit Maßnahmen zur Erhöhung der spezifischen Leistung näherungsweise gleiches Volllastverhalten mit geringerem

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen

765

Hubvolumen erzielt wird. Durch die Möglichkeiten innovativer Aufladekonzepte kann und wird dieses Downsizing eine sehr effektive und ökonomisch effiziente Möglichkeit zur Verbrauchsminderung bilden. Die erzielbare Wirkungsgradsteigerung ist besonders ausgeprägt, wenn die Hubraumverkleinerung mit einer verminderten Zylinderzahl einhergehen kann. Ein Beispiel für die konsequente Umsetzung ist ein zweistufig aufgeladener Vierzylinder-Dieselmotor zum Antrieb für ein Fahrzeug der Oberklasse, das bisher nur von Sechs-, Acht- und Zwölfzylindermotoren angetrieben wurde. Diese bis vor kurzem undenkbare Kombination führt zu Verbrauchswerten von unter 6 l/100 km bzw. 150 g/km im Europäischen Testzyklus (www.mercedes-benz.de), ein für ein Oberklasse-Fahrzeug überzeugender Wert.

Abb. 19-44: Zylinderabschaltung und Ölkreislauf eines V8-Pkw-Motor (GM V8), Albertson et al. (2005)

Eine besonders interessante Möglichkeit zur Erschließung weiterer und bisher nur in Sonderfällen genutzter Potenziale stellt die Abwärmenutzung dar. Da ein großer Teil der über den Kraftstoff eingebrachten Energie bei Wärmekraftmaschinen prinzipbedingt in Abwärme in Abgas und Kühlmittel umgewandelt wird, ist die Nutzung dieser Energie naheliegend. So fehlte es auch in der Vergangenheit nicht an Vorschlägen zu deren Nutzung (Abb. 19-45), eine Umsetzung erfolgte aber nur in Verbindung mit großen Schiffsantrieben und Stationäranlagen.

Abb. 19-45: Rankine Cycle zur Abwärmenutzung, Doyle et al. (1979)

766

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Bei mobilen Anwendungen in Pkw und Lkw konnte – abgesehen von der durchaus energieintensiven Nutzung für die Kabinenheizung – noch keine Serienlösung etabliert werden. In Anbetracht des Potenzials, das als Einzelmaßnahme herausragend ist, ist zumindest bei Fernverkehrs-Nutzfahrzeugantrieben von einer Serienumsetzung auszugehen. In welcher Form dies erfolgen wird, wird von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängen. Sowohl die Potenziale als auch der Aufwand steigen vom Peltier-Element zum Rankine-Prozess deutlich an, wie aus Abb. 19-46 hervorgeht. 104

Verbrauch [%]

100

96

92

Pe l ti er

Kü hl w as se r

lin g St ir

R an ki ne

C Tu om rb po oun d

Ba si s

LK W

84

E C -T om u po rbo un d

88

Abb. 19-46: Potenziale der Abwärmenutzung im Nutzfahrzeug, Gstrein (2008)

19.4

Zukünftige Kraftstoffe

Da sich der Verbrennungsmotor ausgezeichnet für verschiedene flüssige und gasförmige Kraftstoffe eignet und Erdöl eine endliche Ressource darstellt, kommt dem Kraftstoff eine Schlüsselrolle für die Zukunft des Verbrennungsmotors zu.

19.4.1

Anforderungen

In großen Mengen verfügbare Kraftstoffe, die als Abfallprodukte mit minderer Qualität anfallen, können in entsprechend an diese angepassten Verbrennungsmotoren nutzbar gemacht werden. Dies sind z. B. Schweröle und Teere wie sie in Schiffen Verwendung finden. Auch in großtechnischen Prozessen anfallende Deponie-, Gruben- und Prozessgase sowie weitere, alternativ als „Sondermüll“ zu behandelnde Energieträger können in Blockheizkraftwerken (BHKW) verwertet werden. Des Weiteren findet aktuell eine weite Verbreitung der Nutzung von Biomasse in stationären Anlagen zur Energiegewinnung mittels BHKW statt. So wenig der Verbrennungsmotor in diesen Funktionen in der öffentlichen Wahrnehmung auftaucht, so unbestritten ist sein Nutzen. Ohne politische Intervention hat sich hier zumeist die Technologie durchgesetzt, die den größten Nutzen für den Anwender bietet. Die individuelle, nachhaltige Mobilität hängt entscheidend von der Verfügbarkeit von Energieträgern mit hoher Energiedichte ab. Neben dieser hohen Energiedichte muss in

19.4 Zukünftige Kraftstoffe

767

Zukunft verstärkt die CO2-Bilanz der gesamten Prozesskette von der Herstellung bis zur Umwandlung berücksichtigt werden, um dauerhafte Schäden in Umwelt und Natur zu vermeiden. Neben diesen Aspekten spielt natürlich die Reduzierung der sonstigen Schadstoffemissionen, die bei der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Energieträger entstehen und zum größten Teil gesetzlich reglementiert sind, eine entscheidende Rolle. Verschiedene Energieträger bieten in gewissen Nischen Vor- und Nachteile. So ist es als durchaus sinnvoll anzusehen, dass in gewissen Bereichen elektrisch betriebene Fahrzeuge Anwendung finden, so z. B. in der innerstädtischen öffentlichen Personenbeförderung. Hier sind die Fahrzeiten und die Fahrstrecken von vornherein klar definiert. Somit könnte auch die Luftbelastung in Großstädten nachhaltig reduziert werden. Liegen jedoch relativ undefinierte Fahrprofile vor, wie sie in den meisten Fällen der Mobilität vorkommen, ist der Transport eines Energieträgers mit hoher Energiedichte unvermeidlich, um die Masse des Fahrzeugs und somit den Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Der Einfluss der Fahrzeugmasse auf den Kraftstoffverbrauch ist in nachfolgender Abbildung dargestellt. 22

Verbrauch im NEFZ [l/100km]

20

Otto Diesel

18

Trendlinie 0,6 l / 100km / 100kg

16 14 12 10 8 Trendlinie 0,4 l / 100km / 100kg

6 4 2 500

1000

1500 2000 Fahrzeugmasse [kg]

2500

3000

Abb. 19-47: Kraftstoffverbrauch von Pkw in Abhängigkeit von der Fahrzeugmasse

Fahrzeuge mit Dieselmotoren weisen aufgrund des höheren Wirkungsgrades heutiger Dieselmotoren geringeren Kraftstoffverbrauch auf als Ottomotoren. Deutlich zu erkennen ist der stetig steigende Kraftstoff- bzw. Energiebedarf mit zunehmender Fahrzeugmasse. Bei batterieelektrischen Antrieben ist die Reichweite stark eingeschränkt. Diese könnte zwar durch sehr große Batterien vergrößert werden, die dann wieder die Fahrdynamik einschränken und zusätzlich die Kosten in die Höhe treiben. Für den Transport der zusätzlich mitgeführten Masse müsste jedoch wiederum Energie aufgewendet werden, was neben der angesprochenen Fahrdynamik auch die Effizienz deutlich verschlechtert. Bisher wurde als Alternative nur der so genannte Range Extender vorgestellt, der sich wiederum des Verbrennungsmotors und seines geringen Leistungsgewichtes, vor allem aber eines Energieträgers mit hoher Energiedichte bedient.

768

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

8.85

9.51

Flüssig Elektrisch

8-10 8.97 6.30 5.89

5.89

4.31 0.50 (theor.)

2.37

0.12 (z.Zt. Stand der Technik)

0.20 0.07 0.005

33.33

Gasförmig Flüssig Elektrisch 10-12

0.25 8.11 7.44

(theor.)

5.47 0.06

Li-Ion

Methanol

Ethanol

E85

Btl, Gtl, Ctl

RME

Pflanzenöl

Benzin

Kerosin

Diesel

(z.Zt. Stand der Technik)

0.10 0.03 0.006

DSK

10.33 10.31

Pb-Akku

11.89 11.83 11.82

Ni-MH

13.89

Erdgas

40 35 30 25 20 15 10 5 0

9.89 9.47

H2

Energiedichte [kWh/l]

14 12 10 8 6 4 2 0

Energiedichte [kWh/kg]

Um einen geringen Energieverbrauch darzustellen, muss demzufolge die Energiedichte des im Fahrzeug mitgeführten Energieträgers möglichst hoch sein. Dies spielt in Zeiten stetig zunehmender gesetzlicher Sicherheitsvorgaben und Komfortansprüche der Kunden eine zentrale Rolle. In Abb. 19-48 ist ein Vergleich der Energiedichten verschiedener Energieträger dargestellt. Die deutlich höhere Energiedichte flüssiger Energieträger ist in dieser Abbildung zu erkennen, die im Vergleich zu Akkumulatoren um bis zu 60 Mal höher ist.

Abb. 19-48: Energiedichte verschiedener Energieträger

Die Verfügbarkeit von Kraftstoffen auf Mineralölbasis ist jedoch zeitlich begrenzt. In diesem Punkt sind sich alle Experten einig. Wie lange jedoch das Mineralöl ausreichen wird, den Energiebedarf der individuellen Mobilität zu decken, ist Grundlage für Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Während einige von wenigen Jahrzehnten ausgehen, sind andere der Meinung, dass unter anderem durch die Erschließung neuer Mineralölquellen der Bedarf einige Jahrhunderte gedeckt sein wird. Bei Betrachtung dieser kleinen Zeitskalen verglichen mit der Weltgeschichte wird klar, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, die Energieversorgung zur nachhaltigen Mobilität zu sichern. Alternative Kraftstoffe auf Basis von biologischen Produkten zeigen ein sehr großes Potenzial zur Sicherung dieser Energieversorgung mit guter CO2-Bilanz, Stan (2008). Wie in Kapitel 19.3 beschrieben, werden große Anstrengungen zur Steigerung des Wirkungsgrads sowohl bei diesel- als auch bei ottomotorischen Brennverfahren unternommen. Es wird an neuen Brennverfahren mit vorhandenen Kraftstoffen geforscht und die Brennverfahren werden entsprechend weiterentwickelt. Die Anpassung des Brennverfahrens an die Eigenschaften vorhandener Kraftstoffe erfordert stets Kompromisse bei der Entwicklung dieser Brennverfahren und bringt Wirkungsgradeinbußen mit sich. Die Möglichkeit, mit synthetischen Kraftstoffen die Anforderungen des Brennverfahrens hinsichtlich der Verbrennung und Schadstoffbildung zu erfüllen, bringt eine völlig neue Dimen-

19.4 Zukünftige Kraftstoffe

769

sion in die Motorenentwicklung. Somit wird nicht das Brennverfahren dem Kraftstoff, sondern der Kraftstoff den Anforderungen des motorischen Brennverfahrens angepasst. Damit werden sich sowohl neue Brennverfahren entwickeln als auch vorhandene optimieren lassen. Zu den bekanntesten Alternativkraftstoffen zählen Kraftstoffe aus Kohle (ebenfalls fossil, aber längere Verfügbarkeit prognostiziert) und die nichtfossilen Kraftstoffe, wie Methanol (CH3OH), Ethanol (C2H5OH), Methan (CH4), Pflanzenöl, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Die Gewinnung der verschiedenen Alternativkraftstoffe erfolgt häufig durch Vergasung oder durch Auspressen und Weiterverarbeiten einer Biomasse. Die Hauptvorteile nichtfossiler Alternativkraftstoffe sind neben der theoretisch nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit der nahezu geschlossene CO2-Kreislauf und die verbrauchsnahe Erzeugung des Energieträgers auf lokalen, teilweise ungenutzten Flächen (vgl. Tab. 19.1). Der Anbau und die Erzeugung der so genannten Biokraftstoffe sollten dabei nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Des Weiteren sollte die Produktion nachhaltig sein (sog. Biokraftstoffe der 2. Generation). Pflanzen benötigen für ihr Wachstum CO2. Bei der Verbrennung dieser Pflanzen wird dieselbe Menge CO2 freigesetzt, wie sie während des Wachstums der Atmosphäre entzogen wird. Allerdings sind diese Kraftstoffe, ebenso wie Wasserstoff, nur dann CO2-neutral, wenn die zur Herstellung benötigte Energie aus regenerativen Energiequellen gewonnen wird. Für eine ganzheitliche Bewertung eines Kraftstoffs ist auch der Prozesswirkungsgrad der Herstellung wesentlich. Tab. 19.1: Typische Massen- und Energieerträge in der Land- und Forstwirtschaft, FNR (2007) Massenertrag (W=15 %)

Jahresbrennstoffertrag

Heizöläquivalent

in t/(ha·a)

Mittlerer Heizwert HU (W=15 %) in MJ/kg

in MWh/(ha·a)

in 1/(ha·a)

Waldrestholz

1,0

15,6

4

434

Getreidestroh

6,0

14,3

24

2.390

Rapsstroh

4,5

14,2

18

1.771

Landschaftspflegeheu

4,5

14,4

18

1.803

Kurzumtriebsplantagen (z. B. Pappel, Weiden)

12,0

15,4

51

5.120

Getreideganzpflanzen

13,0

14,1

51

5.086

Getreidekörner

7,0

14,0

27

2.772

Futtergräser (z. B. Rohrschwingel)

8,0

13,6

30

3.016

Miscanthus (Chinaschilf, ab 3. Jahr)

15,0

14,6

61

6.081

Rückstände

Energiepflanzen

770

19.4.2

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Bio-Kraftstoffe

Seit 2009 dürfen in Deutschland dem Dieselkraftstoff bis zu 7 Vol-% Biodiesel beigemischt werden (B7). Dem Ottokraftstoff wird bislang bis zu 5 Vol-% Bioethanol beigemischt (E5). Zu Beginn des Jahres 2011 wurde in Deutschland zudem Ottokraftstoff mit bis zu 10 Vol-% Bioethanol auf den Markt gebracht. „ Pflanzenöl und Biodiesel Eine Reihe von Pflanzen (Soja, Raps, Sonnenblumen, Palmen...) eignen sich zur Herstellung von Ölen, die als Kraftstoff in Betracht kommen. Pflanzenöl kann in reiner Form, verestert, z. B. als Rapsölmethylester (RME, Markenname Bio-Diesel), oder im Mischbetrieb mit herkömmlichem Dieselkraftstoff verwendet werden. In Tab. 19.2 sind die Eigenschaften von Dieselkraftstoff (DK) mit 10 %, 20 % und 30 % Rapsölanteil aufgeführt. Bei der Verwendung von reinem Rapsöl in einem Dieselmotor steigen die Emissionen bei konstant gehaltener Einspritzmenge leicht an (< 3%). Bei konstant gehaltener Leistung und angepasster Einspritzmenge kann sogar eine Wirkungsgradsteigerung erzielt werden. Aufgrund der hohen Viskosität führt die Anwendung reinen Pflanzenöls in bestehenden Systemen zu einer Veränderung des Einspritzstrahls. In Motoren mit Direkteinspritzung kann dies eine Verkokung der Einspritzdüse und der Kolbenringnuten hervorrufen. Ältere Motoren mit Kammer-Brennverfahren sind dagegen wesentlich unempfindlicher. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der gegenüber Dieselkraftstoff sehr großen Abhängigkeit der Viskosität des Pflanzenöls von der Kraftstofftemperatur. Dies kann beim Kaltstart problematisch sein. Da eine Kraftstoffvorwärmung dem entgegen wirkt, eignet sich Pflanzenöl besonders für Motoren, die ohnehin vorgewärmt werden, wie z. B. in großen Schiffen oder Schienenfahrzeugen. Tab. 19.2: Eigenschaften Diesel-Rapsöl-Mischungen, Basshuysen und Schäfer (2006) Kennwert

Einheit

DK

DK-R10

DK-R20

DK-R30

Rapsöl

Dichte

kg/m³

841,5

Schwefelgehalt

% (m/m)

0,19

0,13

0,09

0,04

0,01

CFPP

°C

–9

–7

–5

–2

16

Cetanzahl



54,5

59

63

66,5

41

Heizwert Hu

MJ/kg

42,82

42,98

42,84

43,23

37,40

Viskosität/20 °C

mm²/s

4,90

4,99

5,01

5,01

73,5

0,92

Für die Anwendung von Pflanzenöl in einem Dieselmotor muss die Motorsteuerung je nach Kraftstoff angepasst werden, um eine möglichst optimale Verbrennung zu erzielen. Wird Pflanzenöl in unverändert in Motoren verwendet, die für die Verbrennung von Dieselkraftstoff ausgelegt sind, hat das aufgrund unvollständiger Verbrennung einen höheren Kraftstoffeintrag in das Motoröl zur Folge. Da die Siedetemperatur von rohem Pflanzenöl höher ist als die maximale Temperatur des Motoröls, kann der Kraftstoff nicht abdampfen. Pflanzenöle sind im Gegensatz zu anderen Kraftstoffen hinsichtlich des Boden- und Gewässerschutzes in keine Gefahrenklasse eingestuft. Bei der Lagerung und beim Transport müssen keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden. Außerdem kann der Kraftstoff bedenkenlos in umweltsensiblen Bereichen eingesetzt werden.

19.4 Zukünftige Kraftstoffe

771

Für viele Anwendungen im mobilen Bereich wird Rapsöl verwertet. Hierbei wird Pflanzenöl unter Zugabe von Alkohol zu Monoalkoholester und Glycerin umgewandelt. Dadurch verringert sich die Viskosität und die thermischen Eigenschaften werden so verbessert, dass eine direkte Nutzung in Dieselmotoren möglich ist. Da für die Umwandlung zu Bio-Diesel zusätzliche Energie bereitgestellt werden muss, steigen die Herstellungskosten im Vergleich zum Dieselkraftstoff weiter an. Hinsichtlich der Partikel-, CO- und HCEmissionen verhält sich Bio-Diesel günstiger als herkömmlicher Dieselkraftstoff. Nachteilig wirken sich die höheren NOx-Emissionen aus. Im Gegensatz zu rohem Pflanzenöl ist Bio-Diesel nicht gewässerneutral und sauer, d. h. beim Tanken sind die gleichen Sicherheitsvorkehrungen erforderlich wie bei Dieselkraftstoff und Gummiteile werden angegriffen. Obwohl Rapsöl ökologisch gesehen eine Ausweichmöglichkeit darstellt, können maximal 7 % des gesamten Dieselverbrauchs in Deutschland durch die inländische Produktion ersetzt werden. Es bleibt also Nischenanwendungen vorbehalten. „ BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid) Um künftig den Kraftstoffbedarf durch erneuerbare Energiequellen decken zu können, müssen weitere Energieträger wie beispielsweise „SunFuel“ (geschützter Markenname von VW), ein BtL-Kraftstoff (Biomass to Liquid) untersucht werden. Für die Herstellung von SunFuel wird als Primärenergie Biomasse verwendet, wofür sich eine Vielzahl von schnell wachsenden Pflanzen eignet. Bei der Herstellung werden die Ausgangsstoffe in einem ersten Schritt zu Biokoks verschwelt und anschließend vergast. Das Synthesegas wird nachfolgend in der Fischer-Tropsch-Synthese zu flüssigem Kraftstoff umgewandelt. Der dabei entstandene Kraftstoff besitzt ähnliche Eigenschaften wie konventioneller Kraftstoff. Bei der Verbrennung von SunFuel in einem Dieselmotor reduzieren sich die Schadstoffe im Abgas bei gleich bleibender Leistung deutlich. Die Partikelemissionen sind um bis zu 40 % niedriger. Da SunFuel keinen Schwefel enthält, entstehen bei der Verbrennung keine Schwefeloxide. Kraftstoffe wie SunFuel oder Pflanzenöl sind nahezu CO2-neutral und man spricht von einem geschlossenem CO2-Kreislauf (vgl. Abb. 19-49). offener CO2-Kreislauf

geschlossener CO2-Kreislauf

Abb. 19-49: SunFuel, CO2-Kreislauf

Als Nachteil stehen dem die aufwendigen Herstellungsprozesse gegenüber. Diese Verfahren laufen bei sehr hohen Temperaturen ab, womit hohe Abwärmeverluste und zusätzlich benötigte Hilfsenergien verbunden sind. Der Herstellungswirkungsgrad fällt deshalb relativ niedrig aus.

772

19.4.3

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Synthetische Kraftstoffe (SynFuel)

Synthetischer Kraftstoff („SynFuel“), oder GtL-Kraftstoff (Gas to Liquid) wird ähnlich hergestellt wie SunFuel. Als Primärenergie wird z. B. Erdgas verwendet und mittels einer Dampfreformierung in ein Synthesegas, bestehend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, umgewandelt. Anschließend wird aus diesem Gas in einer Synthese ein konventioneller, hoch qualitativer Kraftstoff hergestellt. Durch die künstliche Herstellung können die Kraftstoffeigenschaften besser eingestellt werden als in einer Raffinerie. Dadurch lassen sich die Emissionen deutlich senken. Im synthetischen Kraftstoff sind keine Aromaten oder Schwefel enthalten. Mit Sauerstoff angereicherter SynFuel besitzt ein hohes Potenzial zur Verringerung der Rußemissionen. Da Synfuel ähnliche physikalische Eigenschaften wie Benzin oder Diesel besitzt (vgl. Tab. 19.3), müssen an den Fahrzeugen keine technischen Änderungen vorgenommen werden. Die bestehende Infrastruktur, wie das Tankstellennetz, kann weiterhin genutzt werden. Tab. 19.3: Eigenschaften von Diesel und SynFuel, Steiger (2004) Eigenschaft

Diesel

SynFuel

Dichte [kg/m3]

820 - 845

780

Heizwert Hu [MJ/kg]

42,8

43,99

Aromatengehalt [%-w]

20,6

0

Kohlenstoffgehalt [%-w]

86,3

84,9

Schwefelgehalt [ppm]

51

80

19.4.4

Wasserstoff

Obwohl sich der überwiegende Anteil der Arbeiten zu Antriebskonzepten auf Wasserstoffbasis auf die Stromerzeugung durch Brennstoffzellensysteme und damit gespeiste elektrische Antriebe konzentriert, ist die Verbrennungskraftmaschine eine durchaus interessante Alternative. Komplementär zu den im Kapitel Brennstoffzelle genannten Eigenschaften sind die günstigen Herstellkosten, eine in mehr als hundert Jahren entwickelte Reife, eine vergleichsweise hohe Leistungsdichte und vor allem die Eignung für verschiedenste Kraftstoffe wesentliche Argumente für die Verbrennungskraftmaschine. Aus mehreren Gründen kann Wasserstoff eine besondere Rolle einnehmen. Neben der lokalen CO2-Freiheit und dem extrem hohen Heizwert sowie der hohen Verbrennungsgeschwindigkeit führen einige seiner Eigenschaften zu besonderem Anreiz für einen verbrennungsmotorischen Betrieb. So waren die extrem weiten Zündgrenzen und die geringe, um eine Größenordnung unter der für Benzin-Luftgemische erforderliche Zündenergie bereits bei den ersten Verbrennungsmotoren vor über 200 Jahren ein Grund für die Verwendung von Wasserstoff. Mit einer Reihe von Prototypmotoren und -fahrzeugen bis hin zu Flottenversuchen wurden seitdem Untersuchungen durchgeführt. Der 2007 präsentierte BMW Hydrogen 7 ist der erste Pkw mit Wasserstoffantrieb, der in einem Serienentwicklungs- und Freigabeprozess dargestellt wurde, Enke et al. (2007).

19.4 Zukünftige Kraftstoffe

773

Zylinder

Zündung

Kolben

Abb. 19-50: Kraftfahrzeug mit Wasserstoff – Kolbenmotor (1807)

Speicher

Mit diesem Fahrzeug konnten – neben der offensichtlichen CO2-Freiheit – Emissionswerte nachgewiesenen werden, die für NOx um 70 % und bei Auslegung für monovalenten Betrieb um 96 % unter dem SULEV II Grenzwert liegen, Wallner et al. (2008). Alle anderen Emissionskomponenten liegen um 99 % unter diesem schärfsten derzeit bestehenden Grenzwert, womit der Umwelteinfluss unter der Relevanzschwelle liegt.

Abb. 19-51: Emissionen des BMW Hydrogen 7 im Europäischen und US Testzyklus, Braess (2007)

Die weiteren Entwicklungen haben zum Ziel, den Wirkungsgrad sowie die Leistungsdichte über Verminderung von Verbrennungsanomalien weiter zu steigern. Die technischen Ansätze dazu bestehen mit innerer Gemischbildung, Eichlseder et al. (2003), äußerer Gemischbildung mit tiefkaltem Wasserstoff, Heller und Ellgas (2006), sowie dieselähnlicher Verbrennung, Eichlseder et al. (2010). Dass eine Stärke des Verbrennungsmotors seine Eignung für verschiedene Kraftstoffe ist, kann an einem Beispiel eines multivalenten Fahrzeuges für Benzin, Erdgas, Biogas und

774

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Wasserstoff gezeigt werden. Bei diesem im Rahmen eines Eigenforschungsprojektes dargestellten und straßenzugelassenen Pkw ist der Wechsel zwischen flüssigem und gasförmigem Kraftstoff per Knopfdruck während der Fahrt möglich.

Abb. 19-52: Multivalentes Fahrzeug (TU Graz/HyCentA)

19.5

Zusammenfassung/Ausblick

Der Verbrennungsmotor wird heute in einer Vielfalt an Größen und für verschiedenste Anwendungen eingesetzt, die von handgehaltenen Arbeitsgeräten und Fahrzeugantrieben bis zu Generatoren und großen Schiffen reichen. Er ist nicht nur die am weitesten verbreitete Energiewandlungsmaschine, sondern die effizienteste Wärmekraftmaschine überhaupt. Vor dem Hintergrund des außerordentlichen Erfolges und der langen Entwicklungsgeschichte stellt sich naturgemäß die Frage nach weiteren Potenzialen und der Zukunft des Verbrennungsmotors. Mehrere Alternativen wurden und werden intensiv untersucht, eine bemerkenswerte Anzahl davon – wie Gasturbine, Zweitakt-, Wankel- und Stirlingmotor sowie Elektroantrieb – haben bereits in der Vergangenheit der Verbrennungsmotorentwicklung eine Rolle gespielt. Insbesondere dem elektrischen Antrieb werden vielerseits Eigenschaften zur Erfüllung zukünftiger Mobilitätsanforderungen zugeschrieben, die zur baldigen Ablösung des Verbrennungsmotors führen würden. Wird zur Beurteilung von Antriebskonzepten allerdings anstelle der singulären Betrachtung einer Komponente eine energetische Betrachtung des Gesamtsystems herangezogen, sind die ausgezeichnete Basis und das Potenzial des Verbrennungsmotors auch für die Zukunft ersichtlich. Eine bestehende Schwäche des Verbrennungsmotors, der bescheidene Wirkungsgrad bei niedrigen Lasten, kann durch synergetische Zusammenarbeit mit einem Elektromotor (Hybridisierung) bis hin zum elektrischen Fahren bei niedrigen Geschwindigkeiten deutlich vermindert bzw. vermieden werden. Als Beispiel für die konsequente Umsetzung kann ein 2011 vorgestelltes Prototypfahrzeug von VW gelten, welches mit einem Zweizylinder-Dieselmotor in Kombination mit einer Lithium-Ionen-Batterie in einem Leichtbaufahrzeug als Plug-In Hybrid einen Verbrauch von 0,9 l/100 km bzw. 24 g/km CO2 im Testzyklus erzielt. Selbst wenn ein wesentlicher Teil dieses extrem niedrigen Verbrauches

19.5 Zusammenfassung/Ausblick

775

auf die Plug-In Hybrid Testprozedur mit einem Teil rein elektrischen Fahrens (welcher ohne Verbrauch bzw. CO2 Emission bewertet wird) zurückzuführen ist, gibt dieser Wert einen überzeugenden Ausblick.

Abb. 19-53: Plug-In Hybrid Konzeptfahrzeug (VW)

Aber auch beim Otto- und Dieselmotor selbst bestehen noch erhebliche Potenziale zur Verbesserung: Eine umfangreiche und im Grad gesteigerte Nutzung der Aufladung, auch bei Ottomotoren in Verbindung mit Direkteinspritzung, kann zunehmend für Downsizing eingesetzt werden. Zur Verminderung der Reibung, die seit dem Beginn der Motorentwicklung ein wesentliches Ziel darstellt, ist mit der Verfügbarkeit neuer Werkstoffe weiteres Potenzial vorhanden. Durch umfangreiche Variabilitäten beispielsweise am Ventiltrieb, bei Aufladeaggregaten und dem Wärme/Energiemanagement kann, ebenso wie durch bedarfsgeregelte Nebenaggregate, eine wesentlich bessere Anpassung an den Betriebspunkt erfolgen. Mit diesen Maßnahmen, für deren Umsetzung neben den variablen Komponenten selbst leistungsfähige elektronische Regelsysteme – bis hin zur zylinderdruckgeführten Verbrennungsregelung und selbst adaptierenden Algorithmen – Voraussetzung sind, können sowohl die Effizienz als auch das Emissions- und Dynamikverhalten wesentlich verbessert werden. Inwieweit neue Verbrennungskonzepte wie die „Kontrollierte Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung, die bereits ausgezeichnete Funktionseigenschaften im Laborversuch demonstrieren kann, auch in der Großserie umgesetzt werden können, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig absehbar. Zumindest im Nutzfahrzeug deutlich bessere Chancen auf Serienumsetzung haben Konzepte zur Nutzung der Abwärme. Diese zielen auf die Nutzung der Abgas- und Kühlwasserwärme, die mit ihrem Verlustanteil ein einzigartig hohes Einzelpotenzial bilden, ab und werden bei Großmotoren bereits angewendet. Untersucht werden sowohl Konzepte auf der Basis des Rankine-Prozesses als auch thermoelektrische Prozesse. Mit ersteren lassen sich deutlich höhere Wirkungsgradpotenziale bis zu annähernd 10 % erschließen, allerdings mit höherem Aufwand als bei thermoelektrischer Nutzung, für die auch noch einige Werkstofffragen zu lösen sind.

776

19 Zukunft des Verbrennungsmotors

Dass mit verbrennungsmotorischen Antrieben auch unter Serienbedingungen ein Emissionsniveau erreicht werden kann, welches ohne relevanten Einfluss auf die lokale Luftqualität ist (zero impact), konnte mit Ottomotoren entsprechend der SULEV-Emissionsvorschrift eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden. Mittlerweile wird sogar für Dieselmotoren diskutiert und in Projekten untersucht, ob diese SULEV-Grenzwerte, die selbst für Ottomotoren von Experten bis vor wenigen Jahren als nicht machbar eingeschätzt wurden, erreichbar sind. Erste Ergebnisse lassen diese Frage vorsichtig optimistisch beurteilen. Gelingt dies grundsätzlich und ist auch eine wirtschaftliche Darstellung möglich, was noch wesentliche Fortschritte in der Brennverfahrensentwicklung und vor allem der Abgasnachbehandlung voraussetzt, wäre das Thema Schadstoffemission und deren Einfluss auf die lokale Luftqualität kein grundsätzliches und unlösbares Problem mehr. Trotz der langen bisherigen Entwicklung und der erzielten Fortschritte bestehen immer noch lohnenswerte und überraschende Potenziale bezüglich Effizienz, Emission und Leistungsdichte. Diese Potenziale werden, nicht zuletzt durch die Forschungsarbeiten an den alternativen Antriebskonzepten angeregt, mit hoher Entwicklungsintensität erschlossen und damit noch lange für die dominierende Rolle des Verbrennungsmotors sorgen.

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Sachwortverzeichnis A Abblasen 203 Abbruchreaktion 248, 254 Abgas – unverdünntes 291 – verbranntes 420 – verdünntes 291 Abgasanalyse 353 Abgasanlage 382 Abgaskatalysator 481 Abgasleitung 225 Abgasmessanlage 288, 291 Abgasnachbehandlung 479, 753 Abgasrückführung 44 ff., 139, 200, 460, 469, 479, 508 f. – interne 77, 80 Abgastemperatur 399 Abgasturboaufladung – einstufige 188 ff. – zweistufige 197 – 2. Hauptgleichung 217 Abgaszusammensetzung 260 Ableitung – konvektive 556, 559 – substantielle 556 Absolutsystem 592 f. Abstandsvariable 679 Abstraktion 245 Abtasttheorem 323 Abwärmenutzung 741 Acetylene 13, 272 Acetylen-Pfad 272 Adiabatenbeziehung 161 A-Drossel 26 Adsorption 482 Agglomeration 274 Ähnlichkeitsgesetz 206 Aktivierungsenergie 52, 242, 250, 280 Aktivierungsfunktion 408 Aldehyde 14, 245, 265 f. Aldehydgruppe 14 Algorithmen 580 Alkane 13 f., 607 Alkanole 14 Alkene 12 f., 245 Alkine 12 f. Alkohole 14 Alkylgruppe 14

Alkylradikal 245 alternative Brennstoffe 19 ff. Alternativkraftstoff 769 Ammoniak 284, 488, 496 f. Ansatz – halbempirischer 387, 394 – phänomenologischer 410 – quasi-kinetischer 459 Antriebskonzept 742 Antriebsstrang 729 – kompletter 511 Antriebsstrangentwicklung 702 Antriebsstrangkonfiguration 732 Arbeitsprozessrechnung 381, 499, 505, 722 Arbeitsspiele 172, 524 Arbeitszyklus 377 Aromate 14, 607 Arrhenius-Ansatz 242, 464, 476 Asche 492 Asphaltene 14 Atkinson-Steuerzeit 117 Atombilanz 241, 247 Aufladegrad 198 Aufladesystem 762 Aufladeverfahren 179 Aufladung 145, 760, 775 – einstufige 143 – elektrische 711 – kombinierte 200 – mechanische 183 – sequentielle 145, 196 – zweistufige 143 Aufwind-Schemata 572, 576 Ausbrandphase 401, 408 Ausflussfunktion 161 Auslasskrümmer 395 Auslassspreizung 507 Auslassventil 29 Ausströmgeschwindigkeit, isentrope 162 Austrittswinkel, effektiver 586 Autogas 17, 19 Axialturbine 214 Axialverdichter 204

B Bariumkarbonat 490 Bariumkarbonatpartikel 489 Bariumnitrat 490

G. P. Merker et al. (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, DOI 10.1007/978-3-8348-1988-8, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

780 Basisbetriebsstrategie 541 Basiskennfeld 540 Batteriepaket 714 Bauteilschutz Regler 534 Bedingung, stöchiometrische 488 Behälter 430 – ideal gerührter 381 Beharrungszustand 524 Beladung 494 Benzin 16 ff. Benzindirekteinspritzung 408, 633, 636, 639, 648, 697 Benzinmotor 355 Benzolring 14 Berechnungsnetz 687 Bernoulli-Geschwindigkeit 588 Bernoulli-Gleichung 446 Beschleunigungsvorgang 510 Beta-Funktion 569, 659 Betrieb – instationärer 396 – stöchiometrischer 414 – transienter 46 ff. – überstöchiometrischer 418 – unterstöchiometrischer 417 Betriebslinie 194 Betriebspunkt 211, 356, 507, 520 Bewegungsgleichung 457 Bilanzgleichung 484 Biodiesel 12, 19, 770 f. Biogas 105 Biokraftstoff 19, 769 Biomasse 766 Biomass to Liquid 771 Blade-to-Blade-Darstellung 600 Blasenwachstum 587 Blasprüfstand 384, 388 Blasversuch 572 f., 585 Boltzmann-Gleichung 612, 691 Boltzmann-Williams-Gleichung 613 f., 624, 639 Boot-Einspritzung 41 Breakup-Zeit 462 f. Bremsenergierückgewinnung 712 Brennbeginn 311, 399, 403 Brenndauer 55, 351, 356, 399, 404 ff., 411 Brenngeschwindigkeit 472, 583, 667, 683 – laminare 473 Brennrate 122 f. Brennraumendoskopie 359 Brennstoffe 11 ff., 474 – alternative 19 ff. Brennstoffmasse 461

Sachwortverzeichnis Brennstoff-NO 278 Brennstoff-Stickstoff 284 Brennstoffverbrauch, spezifischer 173 Brennstoffzelle 714, 737, 750 ff. Brennverfahren 354 – Homogen- 60 – luftgeführtes 67 – Schicht- 60, 67 – strahlgeführtes 68, 685 – wandgeführtes 67 Brennverfahrensentwicklung 363 Brennverfahrensvariante 67 Brennverlauf 32, 35, 38, 55, 350, 354, 398 f., 408, 424, 428, 455, 654 Brennverlaufsumrechnung 403, 405 Brennzeit 473 Brown’sche Bewegung 627 Bruttoreaktionsgleichung 245 Bypass-Luftmassenstrom 423 Bypassregelung 194

C CAD-Programm 686 Carbonsäure 14 Carbonsäure-Ester 14 Carbonylgruppe 14 Carbonylverbindung 265 Carboxylgruppe 14 Carnot-Prozess 163 CCR (Combustion Chamber Recirculation) 70 Cetanindex 133 Cetanzahl 17 ff., 257, 662 CFD-Code KIVA 580 CFD-Methode 119 CFD-Netz 570 CFD-Simulation 553 Chapman-Enskog-Ansatz 616, 691 Charakteristik 557, 613, 615 Chemiequellterm 580 chemisches Gleichgewicht 239 Chemolumineszenz 295 – -Detektor (CLD) 295 CH-Radikal 282 CNG 20 CO2-Bilanz 767 CO2-Emission 705, 731, 737 CO2-Szenarien 697 Coherent-Flame-Modell 660, 673 Combustion Chamber Recirculation (CCR) 70 Common-Rail-Einspritzsystem 24 ff., 142 Conditional-Moment-Closure(CMC)Modelle 661, 692 Controlled Auto Ignition (CAI) 61

Sachwortverzeichnis Courant-Zahl 572, 578 Crack-Verfahren 133 CRFD-Modell (Computational Reactive Fluid Dynamics) 4 Cyanwasserstoff 284

D Damköhler-Zahl 652, 655, 691 Dampfdruck 448, 587 Dampfdruckkurve 606 f., 609 Dampfmotor 745 ff. Dampftransportgleichung 604 Dampfturbine 138 Darcy’sche Druckverlustgesetz 492 Deflagration 652 Dehydrierung 245, 271 Deponiegas 105 Desaxierung 755 Design of Experiments (DoE) 521 Desorption 482 Detached Eddy Simulation 572 Detonation 652 Dichte 20, 558 Dieselbrennstoff 17 ff. Dieseleinspritzsystem 620 Dieselflamme 359 f. Diesel-Flugmotor 757 Diesel-Gasmotor 102 Diesel-Injektoren 587 Dieselmotor 11, 22 ff., 176 ff., 260, 358 Diesel-Oxidationskatalysator 485 Dieselpartikelfilter (DPF) 480, 490 Dieselsprays 359 Dieselstrahl 643 Dieselverbrennung 655 Diesel-Zündstrahl-Verfahren 113 Dieselzündung 254 Diesotto 755 Diffusion 559, 634, 672 – numerische 687 – turbulente 632 Diffusionsdarstellung der Fokker-PlanckGleichung 630 Diffusionsflamelet 692 Diffusionsflamme 11, 360, 365 ff., 560 Diffusionsgleichung 631 Diffusionskonstante 560 Diffusionsprozess 603, 630 Diffusionsterm 558, 563, 575 Diffusionsverbrennung 48 ff., 365, 423, 467, 651 f., 655, 682 diffusive G-Gleichung 679 Diffusor 204

781 Dimethylether (DME) 19 ff. Dioxin 267 Dirac-Distribution 569 Directed-Relation-Graph-Methode 255 Direkte Numerierte Simulation (DNS) 571, 574 Direkteinspritzung 48, 63, 408, 761 – homogene 666 – späte 607 Direktzünder 111 Discrete Droplet Model 615 Dispersion, turbulente 614, 624, 632, 691 Dissipation 564, 566 – turbulente 562 Dissipationsrate 455, 658 – konditionierte skalare 661 – skalare 568 Dissoziation 418 DNS (Direkte Numerierte Simulation) 574 DoE-Liste 529 Doppelaufladegruppe 198 Doppel-Spiralgehäuse 191 Doppel-Vibe-Ersatzbrennverlauf 401 Doppel-Vibe-Funktion 123, 400 f. Dosiereinheit 496 Downsizing 98 f., 144, 707, 760, 764, 775 Downspeeding 707 Downspeedingkonzept 701 Drallkanal 585 Drall-Ladungsbewegung 90 Drallströmung 29 ff. Drallwert 584 Drallzahl 30, 584 f. Drehimpulssatz 228 Drehmoment 175 Drehmomentverlauf 760 Drehzahlbereich 213 3D-CFD-Berechnungsverfahren 722, 724 3D-CFD Simulation 127, 481, 488, 496, 594, 718 3D-Euler-Verfahren 646 Dreifach-Korrelationsfunktion 648 Drei-Wege-Katalysator 480, 486 Dreiwegethermostat 500 Drift, elektrische 345 Drossel 431, 446 Drosselzapfendüse 27 f. Druck 35, 558 Druckanstiegsgeschwindigkeit 33 Druckaufnehmer 317 – fiberoptischer 321 – piezoelektrischer 311, 313, 328, 346 – piezoresistiver 320, 347

782 Druckaufnehmermembrane 344 Druckindizierung 309, 351, 376 Druckregelventil (DRV) 25 Drucksensor 25 Drucksignal 348 Druckspeicher 142 Druckverhältnis 168, 211 – kritisches 162 Druckverhältnis-Massenstromkennfeld 222 Druckverhältnis-Volumenstrom-Kennfeld 184 Druckverlaufsanalyse 125, 348, 470, 475 Druckwellenaufladung 179 ff. Druckwellenlader 180 Dual-Fuel-Motor 129 ff. Durchbrennfunktion 398 Durchflussbeiwert 28, 384 ff., 431, 446, 588 Durchflussfunktion 207, 384 Düseninnenströmung 586, 589, 618 Düsenmodell 619 Düsennadel 25 Düsenring 214, 218

E Echtzeit 311 Echtzeitfähigkeit 717 Eddy-Breakup-Modell 467, 656 Edukt 239 Effekt – gasdynamischer 616 – piezoelektrischer 313 Eichung des G-Felds 677 Eigenschaften – chemische 606 – physikalische 606 Einbettungsverfahren 643 Einheitstensor 593 Einkomponentenkraftstoff 606 Einlassdrall 388 Einlasskanal-Geometrie 584 Einlassschlitz 29 Einlassventil 29, 583 1D-Filterregenerationsmodell 495 Einschrittmechanismus 253 Einspritzbeginn 41, 403 Einspritzdruck 23, 37 f., 41 Einspritzdüsen 27 ff. Einspritzgesetz 41 Einspritzrate 41, 455 Einspritzratenmodulation 469 Einspritzstrahl 460 – schlanker 589 Einspritzstrategie, saugsynchrone 62

Sachwortverzeichnis Einspritzsystem 22 ff. 36, 479 – nockengetriebener 24 Einspritzverfahren 22 ff. Einspritzverlaufsformung 470 Einspritzverzug 403 Einwellenaggregat 201 Ein-Zonen-Zylinder-Modell 382 ff. Elementarreaktion 245 Elementmassenbruch 560 Emissionen 36, 363 f., 479, 737 Emissionskomponente 72 f. Emissionsmesstechnik 287 ff. Emissionsminderung 751 Emissionsvorschrift 479 E-Motor-Batterieantrieb 714 Endgas 410 Endoskopaufnahme 359 Energie – innere 159, 413, 416, 418 f., 420 f., 431, 558 f. – kinetische 462 – molare, innere 414 – turbulente kinetische 455, 562 Energiebeiwert Ep 192 Energiebilanz 158, 160, 350, 383, 431 Energiebilanzierung 739, 741 Energiedichte 20, 736 Energieerhaltungssatz 436 Energiefreisetzungsrate 471 Energiemanagement 542 Energieumsatzpunkte 311 Energiewandlung 153, 741 Ensemble-Mittelung 562, 570, 627 Ensemble-Mittelwert 663 Entdrosselung 88, 507, 760 Entflammung 50, 51 Entflammungsdauer 474 Entflammungstemperatur 475 Enthalpie 159, 413 – freie 240 – molare 414 – molare, freie 240 – thermische 559 – totale 559 Enthalpiegleichung 657 Enthalpiestrom 430 Entleermethode 381, 430, 720 Entrainment 644 Entrainment-Modell 473 ff. Entwicklungsmethodik 119 Entwicklungsprozess 718 – mechatronischer 517 Entwicklungszeit 715

Sachwortverzeichnis EPR (Exhaust Port Recirculation) 70 Erdgas 17, 20, 104 Erdöl 14 Erdölbegleitgas 105 Ersatzbrennstoff 257 Ersatzbrennverlauf 398 Ersatzgemisch 257 Ersatzquerschnitt, isentroper 216 Ethanal 245 Ethanol 14, 20 Ethanolkraftstoff 80 Ether 14 Ethin 272 Eulergleichung 205 Euler-Modell 616, 640, 646, 689 Euler’sche Formulierung 603 Euler’sche Gleichung 556 Exhaust Port Recirculation (EPR) 70 Expansionsfaktor 475 Explosion, thermische 248 Explosionsdiagramm 249 Extended-Coherent-Flame-Modell 660 Extrapolation 209, 211, 214, 222, 539

F Fahrbarkeit 705, 732 Fahrbarkeitsqualität 711 Fahrdynamik 705 Fahrermodell 726 Fahrzeugmotor 517 Fahrzeugsimulation 542 Fahrzustand, dynamischer 726 Fahrzyklus 511 Fahrzyklussimulation 489, 725 FAME 19 Favre-Mittelung 564 f. Fenimore-Mechanismus 278 Fenimore-NO 282 Fettsäuremethylester 19 Feuerring 141 Filmverdampfung 666 Filterdruckverlust 494 Filterströmung 491 Finite-Volumen-Verfahren 574 FIRE 553, 687 Flame Ionisation Detektor (FID) 295 Flamelet-Konzept 662 Flamelet-Modell 664 Flamelets 658 Flame-Wrinkling 472 Flamme – vorgemischte 48 ff. – teilweise vorgemischte 681

783 Flammenbild 360 Flammendicke 666, 675 Flammenfaltung 472 Flammenfront 52, 124, 246, 410, 421 ff., 468 f., 667 f., 674 – vorgemischte 471 Flammenfrontverbrennung 651 Flammengeschwindigkeit 53 f., 471, 473 – laminare 471 – turbulente 471, 473 Flammenkern 680 Flammenkernentwicklung 369 Flammenleuchten 364, 367 Flammenlöschen 262 Flammenstrahlung 362, 365, 367 Flammfront 651 f. Flammtemperatur 361 Flashboiling 611 FlexFuels 20 Flügelrad-Methode 388 Fluid, inkompressible 556 Fluktuation 574, 629 – kohärente 675 Flüssigkraftstoff, alternativer 80 Fokker-Planck-Gleichung 612, 625, 627, 630, 636, 639, 649, 689 f. Förderbeginn 403 Formaldehyd 266 Formparameter 404, 406 f. Fortpflanzungsreaktion 248, 254 Fortschrittsvariable 661, 668, 692 Fourier Transform Infrarot Spektroskopie (FTIR) 297 Freiheitsgrad 541 Freikolbenmotor 762 Freistrahl 634 Freistrahl-Theorie 456 Fremdaufladung 179 Fremdzündung 16, 21 Füllmethode 381, 430, 720 Füllungsgrad 545 Funkenüberschlag 124 Funkenzündung, konventionelle 113 Furan 267 Fusco-Rußmodell 276

G Galliumorthophosphat (GaPO4) 316 Gamma-Funktion 569 Gas – ideales 159 – perfektes 160 Gas-Dieselmotor 102

784 Gasdynamik 720 – eindimensionale 434 Gasfreistrahl 634 Gasgleichung – ideale 559 – reale 559 Gas-Ottomotor 102 Gaspfad 225, 430, 432 Gaspfadmodellierung 720 Gasstrahl 456 – stationärer 459 Gastheorie, kinetische 612 Gasturbine 746 ff. Gauss’scher Satz 575, 604 Gegenstromflamme, laminare 658 Gemisch, unverbranntes 422 Gemischbildung 22, 29 ff., 456, 461, 479, 653, 666 – äußere 16 – heterogene 22 – homogene 48 – innere 16 Gemischverteilung 458 Gemischwolke 639 Gesamtfiltermodell 493 Gesamtleistung – effektive 173 – indizierte 172 Gesamtprozessanalyse 499 Gesamtsystem 736, 774 Gesamtumsetzungsgrad 170 Geschwindigkeit 558 Geschwindigkeitsfluktuation 563, 624 f. Geschwindigkeitskoeffizient 242, 279 Geschwindigkeitsskala 566 – turbulente 562 G-Gleichung 676, 683, 691 – diffusive 679 Gitter, hexaedrisches 595 Gleichdruckprozess 166 ff. Gleichgewicht – chemisches 239, 259, 352 – kinematisches 642 – partielles 243, 256 Gleichgewichtskonstante 241, 417 Gleichgewichtskonstante Kp 243 Gleichgewichtskonzentration 256 Gleichraumprozess 165 ff., 753 Gleichstromspülung 29, 136 Gleichung – elliptische 557, 576 – hyperbolische 557, 613 – parabolische 557

Sachwortverzeichnis Gleichungssystem, lineares 576 Glühemission, laserinduzierte 303 Glühkerze 341 Glühzündung 56, 59 gravimetrische Bestimmung 299 Grenzschicht 557, 565, 567, 595 – laminare 437 GRI-MECH 3.0 Mechanismus 283 Groß-Dieselmotor 131 ff., 193 Größe, konservative 574 Großgasmotoren 100 ff. Großgasottomotoren 108 ff. Grubengas 106 GtL-Kraftstoff 772

H H2-O2-System 248 H2-Oxidation 261 HACA-Mechanismus 272 f. Hall-Sensor 325 Hamiltonsche Gleichung, kanonische 613 Han-Reitz-Formulierung 653 Hardware-in-the-Loop(HiL)-Anwendung 708, 718, 729 Harnstofflösung 480, 488, 496 Hauptbrennraum 112, 124 Haupteinspritzung 33, 466, 469 Hauptverbrennung 33, 681 HC Analysator 291 HCCI (Homogeneous Charge Compression Ignition) 755 HCCI-Brennverfahren 61, 262, 264, 607 HC-Emission 262 f. HC-Entstehung 263 Heizverlauf 654 Heizwert 20, 173 – unteres 383 Helmholtz-Gleichung 557 HE-Verrundung 28 Hexaeder 575, 581 f., 595 Hexaederelement 595 Hiroyasu-Rußmodell 275 Hochdruckindizierung 310 f. Hochdruckprozess 158, 169 Hochdruckpumpe 24 Hochdruckturbine 198 Hochofengas 105 Hochtemperaturoxidation 251, 254 f. Hohlkegelspray 68 Holzgas 105 Homogen-Brennverfahren 60 Homogeneous Charge Compression Ignition (HCCI) 61, 755

Sachwortverzeichnis Homogenisierungsqualität 74, 76 Hub-Bohrungs-Verhältnis 132, 140, 144, 174 Hugoniot’sche Stoßbedingung 645 Hybrid, serieller 744 Hybridantrieb 178, 517, 737 Hybridanwendung, milde 697 Hybridfahrzeug 540, 542 Hybridisierung 701, 710, 731, 774 – milde 713 Hybridmotor 177 Hybridverfahren 578 hydraulische Simulation 445 Hydrolyse 480, 489, 497 Hydroperoxydradikal 248, 261 Hydroxylgruppe 14 Hydroxylradikal 248, 261 hyperbolisch 645

I ICAS-Modell 644 IDEA-Fuel 257 Impulsbilanz 483 Impulserhaltungssatz 435 Impulsgleichung 448 Impulstransport 555 Indexschreibweise 593 Indizierauswertung 654 Indiziermesstechnik 377 Indiziersystem 312 induktiver Sensor 325 Infrarot-Detektor 297 – nichtdispersiver 293 innere Energie 413, 418 ff., 431, 558 f. – molare 414 – spezifische 416 Instabilitätenanalyse 620 instationärer Vorgang 511 Instationärverhalten 204 Intake Port Recirculation (IPR) 70 Interferogramm 297 Intermittent Turbulent Net Flame Stretch 675 Ionen-Pfad 272 Isentrope 160, 165 Isentropenexponent 161 Iso-Alkane 12 f. Isobaren 160 Isochoren 160, 165 Isocyansäure 496 f. Isomere 256 Isomerisierungsreaktion 250 Iso-Oktan 252, 257, 472 Isotherme 160

785

K k-H-Turbulenzmodell 570 Kaltstart 480, 770 Karman’sche Wirbelstraße 561 f. Katalysator-Heizen 61, 64 Kavitation 31, 448, 587 f., 619 Kegelstrahl 620, 633 Kelvin-Helmholtz-Instabilität 620, 622 Kennfeld 208 f., 220, 548, 600 Kennfeldstruktur 520 Kennfeldthermostat 501 Kernströmung, turbulente 437 Ketone 14, 245, 265 Kettenabbruch 248 Kettenexplosion 248 Kettenverzweigungsreaktion 248, 254 Ketyle 245 k-Gleichung 564 Kinematik 753 KIVA 553, 580, 623 ff., 629, 632, 637, 640, 689 Klärgas 105 Klopfen 56, 59, 103, 109, 125, 127, 254, 411, 476, 652, 681, 692 Klopfgrenze 233 Klopfortbestimmung 370 f. Klopfregelung 57 Klopfwahrscheinlichkeit 412 Koagulation 271, 273 f. Koaleszenz 623 Koeffizient, stöchiometrischer 239 Kohlendioxid 259 Kohlenmonoxid 170, 259, 479 Kohlenwasserstoff 11 ff., 245, 479 – aliphatischer 12 ff. – alizyklischer 13 ff. – aromatischer 13 ff. – heterozyklischer aromatischer 268 – polyzyklischer aromatischer (PAK) 262, 267, 272 ff. – sauerstoffhaltiger 14 ff. – unverbrannter (HC) 170, 259, 261 f, 665 Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema 266 Kohlenwasserstoffperoxid 245 Koksgas 105 Kolbengeschwindigkeit 141, 156 f. – maximale 174 – mittlere 174 Kolbengruppe 503 Kolbenweg 156 f. Kollisionsprozess 624 Kolmogorov-Skala 561 Kompressionsarbeit 558

786 Kompressionsphase 584 Kondensation 274, 290 Kondensationskernzähler 301 Konfigurationsprozess 700, 703 Konstruktion, parametische 686 Kontinuitätsgleichung 435, 448, 483, 555, 558, 597, 604 Kontraktionsbeiwert 588 Kontraktionszahl 446 Konvektionsprozess 603 Konvergenz, statistische 615, 629, 633 ff., 689 Konvertierungsverhalten 486 Konzentration 361, 559 Konzentrationsverlauf 244 Korrekturen nach Ranz-Marschall 606 Korrelationsfunktion 627 KPP-Theorem 670 Kraft, stochastische 624 Kraftstoff 766 – synthetischer 768, 772 – verbrannter 419, 424 – verdampfter 420 Kraftstoffkonzentration 458 Kraftstoffmodell, einkomponentiges 606 Kraftstoff-Molgewicht 608 Kraftstoffqualität 517 Kraftstoffverbrauch 98, 731 Kraftstoffverdampfung 467 Kreisprozess 158 ff. – geschlossener 163 Kreuzströmwärmetauscher 236 Kuchenfiltration 490 Kühlgrenztemperatur 607 Kühlkreislauf 499 f. Kühlwasserkreislauf 501 Kühlziffer 234 Kurbelgehäuseschmierung 138 Kurbeltrieb, Kinematik 154

L Lachgas 283 Ladedruck 44 Ladedruckbedarf 190 Ladeluftkühler 188, 235 Ladeluftkühlung 231, 233, 508 Ladungsschichtung 66, 475 Ladungsverstärker 321, 345 Ladungswechsel 157, 169, 312, 385, 428 f., 513 ff., 581, 757 f. Ladungswechselberechnung 349 Ladungswechsel-OT 331 Ladungswechselschleifen 506 f. Ladungswechselsimulation 718

Sachwortverzeichnis Ladungswechselverlust 354 ff., 506, 707 Lagrange’sche Formulierung 603, 614 f. Lagrange’sche Koordinaten 556 Lagrange’sches Strahlmodell 639 f., 646, 665, 688 f. O=1-Brennverfahren 637 O=1-Konzept, geregeltes 109 Längenskala 468, 471, 624, 634, 656, 687 – charakteristische 468 – integrale 474 – turbulente 473, 562 Langevin-Gleichung 624, 628, 690 Langsamläufer 132 Laplace-Operator 556 Large-Eddy-Simulation 571 Laser Dioden Spektroskopie (LDS) 298 Lasermesstechnik 375 Laserzündung 114 Lastaufschaltung 46, 511 Lastkollektiv 527 Lastkollektivverschiebung 536 Lastpunktverschiebung 700, 707, 752 Laufrad 204, 592, 594 Laufzahl 218 ff. Laufzeug 229 Lax-Wendroff-Verfahren 438 Leckageverlust 188 Leistung 175 – innere 172 Leitapparat, verstellbarer 227 Leitschaufel 594 Leitschaufelkranz 195 LES 688 Liefergrad 174 Ligamente 30 Light-Off-Temperatur 487 Liouville-Gleichung 613, 615 Lithium-Ionen-Batterie 774 LNG 20 Lochdüse 27 Lohmann-Selbstzündmotor 755 lokal homogene Strömung 641 Longitudinaleffekt 314 Low End Torque (LET) 194 Low-Reynolds-Wandmodell 687 LPG (Autogas) 19 ff. Luft – unverbrannte 419 – verbrannte 419 Luftaufwand 174 Luftbeimischung 461 f. Luft-Brennstoff-Verhältnis O 270 Luftverhältnis 259, 423, 472

Sachwortverzeichnis

M Machbahn 442 Machlinie 442 Machzahl 206, 558, 600 Magerbetrieb 752 Magerbrennverfahren 637 Magermotorkonzept 109 f. Magnussen-Gleichung 122 Magnussen-Modell 669 Marinediesel 18 ff. Marinekopf-Pleuel 142 Massenaustausch 603 Massenbilanz 158, 383, 431, 434 Massenbruch 609 Massenstrom 161 – bezogener 207 Massentransport 555 Maßnahmen, innermotorische 479 mechanische Arbeit 383 Mehrfacheinspritzung 84 ff., 88, 145 Mehrkomponentenmodell 496, 606 f. Mehrlochdüse 29 Mehrloch-Magnetventilinjektor 63 Mehrphasenströmung 22 Mehrteilchenprozess 612 Mehr-Zonen-Modell 382, 401 Mehrzyklenberechnung 688 Mehrzyklenthematik 666 Messgasaufbereitung 287 Messgenauigkeit 328 Messtechnik, optische 309, 376 Messverfahren – kapazitives 331 – optisches 356 Messzelle 294 Messzündkerze 340 Methanal 245 Methanol 14, 20, 472 Methanzahl (MZ) 104 Methode, nulldimensionale 381 Methylradikal 248 Michelson Interferometer 297 Micro-Pilot-Motor 102 Micro Soot Sensor 368 Mie-Streulichtechnik 620 Mikropartikel 301 Miller-Steuerzeit 140, 143 Miller-Verfahren 116 ff. Miller-Zyklus 99 f. Mindestluftbedarf 417 Miniaturdruckaufnehmer 318 Mischung, inhomogene 559 Mischungsbruch 559 f., 567, 658, 662, 682 f.

787 Mischungsbruchtransportgleichung 568 Mischungsbruchvarianz 658 Mischungsebenen-Schnittstelle 593 f. Mischungsfrequenz, turbulente 468 Mischungsmodell 463 Mischungsspülung 429 Mischungsstöchiometrie 423 Mischungstemperatur 430, 509 Mischungszeit 475 Mischungszustand 567 – turbulenter 567 Mischzone 660 Mitteldruck 164, 172 – effektiver 116, 173 – indizierter 172, 399, 506, 524 Mittelschnellläufer 132, 143 f. Mittelung, dichtegewichtete 564 Mixing-Time-Scale-Modell 656 Mobilität 736 Modell – dynamisches 522 – echtzeitfähiges 729 f. – hydraulisches 450 – lineares 520 – lokales 528 – nulldimensionales 4, 381 – phänomenologisches 277, 398, 410, 453, 687 – quasi-dimensionales 453 – reaktionskinetisches 422 – semi-empirisches 254 – Zeitskalen 467 modellbasierte Vorgehensweise 519 f., 533 Modellbildung 3, 496, 518, 521, 526 Modellgemisch 257 Modellstrukturierung 519 Modelltiefe 499 Molenbruch 608 Molmasse 416 Moment 608 – isentropes 218 Monoscroll-Turbine 222, 512 Monte-Carlo-Simulation 612, 615 Moor’sches Gesetz 686 Motor – virtueller 718 – vollkommener 110, 118, 351 f., 356 – wärmedichter 756 Motorbetriebspunkt 528 Motorenkennfeld 175 f. Motorhardware 538 Motormodell 381, 720, 726 Motormoment, indiziertes 509

788 Motor-Oktanzahl (MOZ) 17 Motorprozess, realer 171 ff., 351 Motorprozessrechnung 119 Motorradmotor 758 Motorreibung 502 Motorschlucklinie 185, 508, 510, 513 Motorstart 367 Motorverhalten, transientes 727 Motorwarmlauf 764 Motorwirkungsgrad, effektiver 116 MOZ 17 Mulde 585 Multi Air 760 Multi-Layer-Perceptron-Netz 408 Multi-Pulse-Converter-Konzept 143 Multizonen, phänomenologische 4 Muschelkurve 175

N Nacheinspritzung 41 Nachverbrennung 34 ff. Nadelhub 27, 589 Nagle und Strickland-Constable, Rußoxidationsmodell 275 n-Alkane 12, 13 Nanopartikel 301 Nanopartikel-Anteil 300 Naphtene 13 Navier-Stokes-Gleichung 434, 447, 555, 558 ff., 570, 616, 691 NCN-Pfad 283 Nebenaggregat 741, 763, 775 Nebenschluss 51 Netz – kartesisches 581 – neuronales 521 – prismatisches 596 – strahladaptives 643 Netzgenerierung 581 f. Netzverfeinerung, adaptive 680 Netzwechsel 688 Netzwerk 686 – elektrisches 719 – neuronales 722 – thermisches 719 Neuer Europäischer Fahrzyklus 737 neuronales Netz 398, 407 f., 539 Newton’scher Ansatz 386, 556 NFZ-Sacklochdüse 586 n-Heptan 257 Nichtdispersiver Infrarot Detektor 293 Niederdruckindizierung 310, 312, 351 Niederdruckturbine 198

Sachwortverzeichnis Niedertemperaturoxidation 251 Niedertemperaturzündung 255 Niedrigverbrauchskonzept 711 NO, thermisch 662 NO-Bildung 282, 427 NO-Bildungsrate 279 NO/NO2-Verteilung 284 NO2/NO Konverter 296 N2O-Mechanismus 278 Nockenwellenphasensteller 80 n-Oktan 252 Normalverteilung 531, 629, 690 NOx-Bildung 22, 662 – thermische 422 NOx-Emission 480 NOx-Speicherkatalysator 480, 489 NTC-Regime 250 Nukleation 271 Null-Drehzahllinie 211 Nulllinienfindung, thermodynamische 334 Nullpunktsfehler 332 numerisches Experiment 574 Nusselt-Beziehung 485 Nußelt-Zahl 437 f., 463

O Oberflächenspannung 621 Observablensatz 640 Off-Road-Anwendung 479 OHC-Gleichgewicht 261, 422 OHC-System 246, 282 Ohnesorgezahl 621 Oktanzahl 16 ff. Olefine 13, 607 Ölkreislauf 499 ff. Öltemperatur 504 Omega-Mulden 30 Online DoE screening 529 Onlineoptimierung, modellbasierte 525 On-Road-Bereich 479 Opazimeter 302, 362, 529 Operator-Split-Verfahren 580 Optimierung 518 – modellbasierte 525, 527, 543 – online 525 Optimierungsalgorithmus 541 Optimierungsmethode 517 Optimierungsvorgang 533 optischer Sensor 325 optisches Messverfahren 356 OT-Sensor, kapazitiver 331 f. Ottobrennstoff 16 ff.

Sachwortverzeichnis Ottomotor 11, 48 ff., 175 ff., 260, 363, 506 – abgasturboaufgeladener 233 – Großgas- 108 ff. – Potentiale 98 ff. OT-Zuordnung 329 Oxidation 274 – primäre 422 – sekundäre 422 Oxidationskatalysator 480 Oxidationsrate 276

P Paket-Ansatz 466 Paketgeschwindigkeit 464 Paket-Modell 460 Paramagnetischer Detektor (PMD) 296 Parameterkombination 531 Parametervariation 505 Parametrierung 323 Partialdruck 241 Particle-Imaging-Velocimetry 637 Partikel 479, 615, 621 Partikelanzahldichte 47 Partikelbildung 271 Partikelemission 45, 269, 275, 366 Partikelgrößenverteilung 40, 277 Partikelmasse 40 Partikelstrahlung 361 Partikelzahl 636 Patent-Motorwagen 738 PCCI-Verfahren 42 PCV 25 pdf-Time-Scale-Modell 658 ff. Peclet-Zahl 577 Pfeifenschwingung 340 f., 343, 346 f. Pflanzenöl 19, 770 PGI-Verfahren 114 Phasenverschiebung 385 Phasing 29, 760 Piezo-A-Düse 633 Piezo-Aktoren 26 Piezo-Diesel-Injektor 450 Piezo-Injektor 63, 636 Piezomaterial 315 Pilot-Kraftstoffmenge 469 PISO 580 Plug-In Hybrid 713, 775 Poisson-Gleichung 557, 580 Poisson-Verteilung 621, 690 Polyeder-Netze 582 Polygon-Hyperbel-Ersatzbrennverlauf 401 f., 405 Polymerisation 271

789 Polynomansatz 414, 418, 521 Polytropenexponent 334, 349, 389 Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) 272 ff. Pope-Korrektur 570, 635, 643 Porendiffusionsmodell 485 Positivitätsbedingung 577 Postprocessing 598 Potential, chemisches 240 Potenzialgleichung 557 Prandtl-Analogie 437 Prandtlzahl 606 – turbulente 564 Premixed-Verbrennung 401 Preprocessing-Aufwand 686 Primärzerfall 588, 619 f. prismatischer Netz 596 probability density function 568 Problemsymmetrie 586 Produktion 566 Prompt-NO 278, 282 ff. Propan 472 Prozess – aerodynamischer 619 – des vollkommenen Motors 169 Prozessrechnung, stationäre 505 Prüfzyklus 287 Pumpe-Düse-Einspritzsystem (PD) 24 Pumpe-Leitung-Düse (PLD) 142 Pumpgrenze 194, 208 f., 213, 509, 515, 600 f. Pyridin 267 Pyrolyse 274 Pyrolysegas 105

Q Qualitätsregelung 176 Quantitätsregelung 63, 175 Quarz (SiO2) 315 quasi-stationär 256, 281, 546 Quenching 52 Querschnittsfläche, effektive 588 Querstromprinzip 140 Quetschspalt 344 Quetschströmung 29 ff.

R Radialturbine 214, 222 Radialverdichter 204 Radikale 248 Randbedingung 484, 557, 566 – zyklische 586 Range Extender 701, 714, 747, 767 Raoult’sches Gesetz 609

790 Rapsmethylester (RME, Biodiesel) 19 Rapsölmethylester 770 Rasterung, vollständige 525 Rauchstoß 367 Raumzündung 21 Raumzündungsbrennverfahren 651 Rayleigh-Taylor-Instabilität 622 Reaktion, chemische 239 Reaktionsenthalpie 245, 413, 423 – freie molare 241 Reaktionsgeschwindigkeit 242 Reaktionsgleichung 239, 243, 657 Reaktionskinetik 242, 245, 410, 467, 658 – detaillierte 277 Reaktionsmechanismus 253 ff, 257 – detaillierter 255, 258 Reaktionsrate 120, 252, 484 f. Reaktionsrichtung 242 Reaktionswärme 245, 484 Reaktionszone 424 f. Realgasverhalten 653 Realtime-Motormodell 481 Real World Driving Cylce 543 Reduktion 255 – kinetischer Mechanismen 255 – selektive katalytische 480 Referenzdruckaufnehmer 338 Referenzkalibrierung 546 Referenzkennfeld 547 Referenzzelle 294 Reflektionsgesetz 624 Regelsystem 708 Regeneration 490, 494 Regime – fette 656 – magere 656 Registeraufladung 145, 196, 202 Regressionsmodell 531 Reibkennfeld 505 Reibmitteldruck 173, 502, 504 Reibmoment 228, 229 Reibungsansatz 502, 504 Reichweite 736, 741 Rekombinationsstrahlung 361 Rekuperation 711 Relativsystem 592 f. Representative Interactive Flamelets (RIF) 661 Reproduzierbarkeit 521, 523, 548, 708 Research-Oktanzahl (ROZ) 17 Resonanzaufladung 179 Responsefaktor 295 Restgas 262, 471, 507

Sachwortverzeichnis Restgasanteil 350, 507, 514 Restgasstrategie 70 Reynolds-gemitteltes Turbulenzmodell 570 Reynolds-Mittelung 563 Reynolds-Spannungs-Modell 570 f. Reynolds-Spannungstensor 564 Reynolds-Zahl 446, 561, 604, 632 Rezirkulationsgebiet 589 RME 19 Rohemission 36, 73, 260 Rohrreibungszahl 436 Rohrverzweigung 441, 444 Rotor-Stator-Verbindung 593, 594 ROZ 17 Rückblasen 194 Rückkühlung 232 Rückreaktion 279, 663 Rückströmgebiet 599 Runge-Kutta-Verfahren 433 Rußabbrand 361, 495 Rußbildung 22, 271, 273, 275 f., 361, 366 f., 664 Rußkonzentration 361 Rußmassenbruch 275, 664 Russmessung, photoakustische 303 Rußoxidation 274, 361, 665 Rußpartikel 170, 273, 360 Rußregeneration 493 Russsensor, photoelektrischer 304 Rußstrahlung 653 Rußtransportgleichung im Flameletansatz 664 Rußvolumen 274

S Sacklochdüse 28 Sacklochvolumen 264 Sauerstoff 259 Sauerstoffkonzentration 44 Sauganlage 382 Saugdrossel 24 Saughubeinspritzung 607 Saugmotor-Schichtladekonzept 697 Saugrohreinblasung 115 Saugrohreinspritzung 48, 61 Sauterdurchmesser 62, 463, 620 – mittlerer 463 Schadstoffemission 776 Schallgeschwindigkeit 162, 447 Schaufeldiagramm 204, 214 Schema – explizites 578 – implizites 578 – stabiles, monotones numerisches 576

Sachwortverzeichnis Scherschicht 687 Scherungstensor 564 Schichtbetrieb 69, 82 ff. Schicht-Brennverfahren 60, 65, 67 Schichtladung 607, 654 Schichtladungsbetrieb 736 Schichtladungsverbrennung 681 Schleppbetrieb 331 Schlieren-Streulichtechnik 620 Schließungsansatz 570 Schließungsproblem 648 Schluckvermögen 185 Schmidtzahl 606 – turbulente 563 Schnellläufer 132 Schränkung 755 Schubkurbeltrieb 762 f. Schubspannung 566 Schubspannungsgeschwindigkeit 565 Schubumluftventil 194, 597 Schusskanal 23 Schwankungsgröße, turbulente 471 Schweröl 18, 20, 133 f., 766 Screening-Prozedur 526 SCR-Katalysator (Selektive Catalytic Reduction) 139, 480, 488, 496 Seiligerprozess 167 ff. Sekundärströmung 587 Sekundärwirbel 585 Sekundärzerfall 619 f. Selbstaufladung 179 Selbstentflammung 55, 59 Selbstzündgrenze 652 Selbstzündreaktion 681 Selbstzündung 17, 21, 31 f., 103, 176, 249, 370, 410 – homogene (HCCI) 69, 71, 93, 114, 651, 755 – kontrollierte 356 Selektive Catalytic Reduction (SCR) 488 Sensitivität 672 Sensitivitätsanalyse 256 Sensor – Hall- 325 – induktiver 325 – optischer 325 – virtueller 544 f. Sensorkopf 327 Servo-Injektoren 25 Shell-Modell 254, 477, 662, 681 Sherwood-Beziehung 485 Shroud 599 Sieben-Spezies-Gleichgewichtskinetik 658

791 Siedelinie 16 Siedepunkt 607 Siedetemperatur 20 SIMPISO 580 SIMPLE 580 Simulation 6, 119 – hydraulische 445 – numerische 3 – stationäre 593 – strömungsmechanische 686 Simulationsmodell 120 Simulationsverfahren 481 Sitzdrall 584 Sitzlochdüse 28, 264 Skalare, aktive 559 Skalare, passive 559 Skalarfluktuation 563 Skalierbarkeit 686 Slow Dynamic Slopes (SDS) 546 Smog, fotochemischer 265 Smokemeter 302 Smoluchowski-Modell 277 Software-in-the-Loop 708 Softwareparameter 542 Solitonen 669 Spannungstensor 555, 647 Speichereffekt 486 Spezieserhaltung 483 Speziesgruppe 256 Speziesreduktion 255 Speziestransportgleichung 660 Spiegelsymmetrie 583 Spitzendruck 399, 524 Splashing-Modell 574 Spray 29 spray equation 612 Spraybild 68 Spray-Scheibe 457 Spreizung 385 Spritzloch 28, 586, 588 Spüldruckverhältnis 508 Spülfaktor 429 Spülgefälle 513 f. Stabilität 363 Stabilitätsbedingung 578 Stabilitätskriterien 524, 579 Standardbildungsenthalpie 240, 413 Standard-k-H-Modell 635 Standardmodell 612, 614, 618, 623 Standard-Strahlmodell 603, 633 STAR CD 553, 648, 687, 689 Start/Stopp-System 711 Startreaktion 248, 254

792 statistische Konvergenz 635 Stator 593 Stauaufladung 190 Steuergerät 517 Steuerzeiten, Optimierung von 96 f. Stickoxide 259, 278, 479 Stickoxidemission 45 Stickoxid-Rohemission 756 Stickstoff 259 Stickstoffdioxid 278 Stickstoffmonoxid 278 Stickstoffverbindung 170 Stirling Motor 743 ff. Stoffkonzentration 243 Stoffmenge 414 Stoffübergangs-Reaktions-Modell 485 Stokes-Zahl 628 Stopfgrenze 209, 600 f. Stoßaufladung 191 Stoßfront 645 Stoßintegral 613, 615, 624 Stoßprozess 623 f., 689 Stoßwahrscheinlichkeit 615 Strahlaufbruch 462 Strahlausbreitung 461 Strahldichte 458 Strahldynamik 614 Strahleindringtiefe 457, 467 Strahlentwicklung 22 Strahlgeschwindigkeit 457, 462 Strahlgleichung 612, 616, 624 Strahlkegel 637 Strahlmodell 620, 636, 651, 654 Strahlmodellierung 688 f. Strahlpaket 460 f. Strahlstatistik 612 Strahlzerfall 621, 633 – primärer 30 – sekundärer 31 Stromfadentheorie, stationäre 591 Strömung – inkompressible 556 – instationäre 592 – lokal homogene 620 – reibungsfreie 556 – turbulente 561 Strömungsablösung 594 Strömungslöser 687 – flächenbasierter 582 – zellbasierter 582 Strömungsstrukturen 583 Strömungsturbine 214 Strömungsverdichter 183 ff., 204 ff.

Sachwortverzeichnis Strömungswiderstand 603, 624 Subgrid-Modell 571 Sulfat 271 Summe, gewichtete 542 Summenbrennverlauf 350, 398, 401 SunFuel 771 System – geschlossenes 158 – mechatronisches 548 – offenes 158 Systemgrenze 739 Systemmodellierung 719 Systemoptimierung 712

T Tangentialkanal 584 Tank-to-Wheel 742 Tauchkolbenbauweise 132 Taylor-Analogy-Breakup-Modell 622 Taylor-Mikrolänge 473 Taylorzahl 621 Technologiekombination 707 Teilchenbahn 442 Teileinspritzung 69 Teillastbetrieb 762 Teilstromverdünnung 291, 300 Temperaturdrift, zyklische 328, 336, 338, 345 f. Temperaturkoeffizient, negativer 250, 254 Temperaturmessung 363 – berührungslose 375 Temperatur-Orts-Gradient 56 Testzyklus 737 Tetraedernetze 582, 596 thermische Drift 336 thermisches Gesamtverhalten 230 thermisches NO 278 ff. thermisches Verhalten 500 Thermodynamik – erster Hauptsatz 239, 349, 383, 420, 430 – zweiter Hauptsatz 159, 239, 741 Thermolyse 480, 489 Thermomanagement 715 Tiefenfiltration 490 Tochterpartikel 621 Total Sediment Potential 18 Totpunktbestimmung 330 Trägheitsmoment, polares 204, 229 Transparentmotor 364, 574 Transported-pdf-Modell 692 Transportgleichung 558, 560, 564, 574 Transportmechanismus 482 Transversaleffekt 314

Sachwortverzeichnis Treibhauseffekt 735 Triebwerk 154 Tripelflamme 681 Tropfendichte 643 Tropfenensemble 612 Tropfen-Kinematik 604 Tropfenklasse 642, 689 Tropfenradius 619 Tropfentemperatur 464 Tropfenturbulenz 603, 625, 628, 647 Tropfenturbulenzmodell 689 Tropfenverdampfung 463 Tropfenverteilungsspektrum 463 Tumble 53, 55, 584 Tumble-Strömung 29, 583, 639 Tumble-Zahl 573 Turbine 188 – doppelflutige 224, 226 – einflutige 226 – Twinscroll- 224 Turbinendrehzahl, bezogene 218 Turbinendruckverhältnis 219, 221 – bezogenes 218 Turbinengeometrie, Variable (VTG) 195, 226 f., 761 Turbinenkennfeld 219, 222 Turbinenquerschnittsfläche 218 Turbinenschluckvermögen 216 Turbinenschnecke 224 Turbinenwirkungsgrad, isentroper 218 Turboaufladung 761 Turbocompound 202 Turboladerhauptgleichung 228 Turbolader-Prüfstand 600 Turbomotor 760 Turbulenz 472, 560, 562 f., 583, 619, 688 Turbulenzdichte 120 Turbulenzintensität 468, 475 Turbulenzinteraktion 662 Turbulenzmodelle 560, 689 Turbulenzmodellierung 574 Turbulenz-„Plateau“ 583 Turbulenzproduktion 468, 668 Twinscroll-Turbine 224, 512 Twinscroll-Turbinenspirale 191

U Umblasen 513 Umsetzungsgrad 170, 399 Unterschicht, laminare 565 unverbrannter Kohlenwasserstoff (HC) 261 Unverbranntes 393, 411, 422, 425

793

V Valvetronic 759 f. Van-der-Waals’sches-Gas 653 Variable Turbinengeometrie (VTG) 195 Varianz 568 Varianztransportgleichung 681 Ventilerhebungskurve 385 f. Ventilhub 27 Ventilsteuerung, vollvariable 759 Ventiltrieb – variabler 80 f., 761 – vollvariabler 386, 507 – vollvariabler mechanischer 386 Ventilüberschneidung 140, 157, 514 Verbranntes 393, 422 Verbrauchsverbesserung 707 Verbrennung 22 – harte 23, 33 – irreguläre 55 ff., 363, 373 – klopfende 410 f. – mischungskontrollierte 33, 475 – ottomotorische 666 – reale 259 – stöchiometrische 513 – turbulente 651 – unvollkommene 170, 259, 352 – unvollständige 170, 259, 352 – vollkommene 170, 259 – vollständige 170, 259 – vorgemischte 32, 475 – weiche 33 Verbrennungsbeginn 351 Verbrennungsdiagnostik 5, 309 Verbrennungsende 351 Verbrennungsführung 479 Verbrennungsgeräusch 33, 538 Verbrennungsglied 388 Verbrennungsluftverhältnis 418, 420, 424 – unterstöchiometrisches 514 Verbrennungsmodell 383 – phänomenologisches 460 Verbrennungsmodellierung 691 Verbrennungsrate 459 f. Verbrennungsregime 651 f. Verbrennungsschwerpunkt 39 Verbrennungsschwerpunktslage 533 Verbrennungssimulation 653 Verbrennungsstabilität 369 Verbrennungsterm 393 Verbrennungsverlust 356 Verbundaufladung (Turbocompound) 202 Verdampfung 456, 606 Verdampfungsenthalpie 383, 606

794 Verdampfungsmodell 383 Verdampfungsrate 463 Verdichter 188, 596 Verdichterantriebsmoment 207 Verdichterbetriebslinie 515 Verdichterbypass 183 Verdichterdrehzahl 209 Verdichterextrapolation 212 Verdichterkennfeld 185, 194, 510 Verdichterleistung 205 Verdichtermoment 210 Verdichterschlucklinie 509 f. Verdichtungsendtemperatur 197 Verdichtungsverhältnis 22, 166, 168, 174 Verdrängerlader 183 ff., 213 – Bauformen 184 – Kennfeld 184 Verdrängungsspülung 429 Verdünnungseffekt 44 Verfahren – 2-Takt- 157 f. – 4-Takt- 157 – luftgeführtes 67, 83 – strahlgeführtes 67 – wandgeführtes 67, 83 Verformungsspannung 329 Vergleichsprozess, offener 169 Verhalten, thermisches 231, 500, 728 Verlust, mechanischer 762 Verlustanalyse 118 Verlustkoeffizient 588 Verlustteilung 172, 351, 355 Verlustwinkel, thermodynamischer 330 Versuchsplan 521, 523 Verteilungsfunktion U 568 f., 690 Verträglichkeitsbedingung 442 f. Vertrauensbereich, 95 % 539 Verzweigungsreaktion 248 Vibe-Ersatzbrennverlauf 399 f., 403 Vibe-Parameter 123, 399, 407 Vier-Takt-Dieselmotor 29 Vier-Takt-Mittelschnellläufer 140 ff. Vier-Takt-Schnellläufer 144 ff. Vier-Takt-Verfahren 157 Visio-Knock-System 127 f. VisioPressure-Zündkerze 368 Viskosität 634 – turbulente 468, 562, 564 f., 571 f. Viskositätsterm 556 ff. Visualisierungs-Methode 528 Vollhybrid 697 Voll-Hybrid-Antrieb 708 Volllast-Beschleunigung 512

Sachwortverzeichnis Vollstromverdünnung 299 Volumenarbeit 158 Volumenstrom, bezogener 207 von-Karman-Konstante 566 Voreinspritzung 33, 466, 469 Vorentflammung 58 Vorförderpumpe 24 Vorkammer 22, 109, 111, 124 Vorkammer-Gasmotor 111 Vorkammer-Zündkerze 113 Vormischanteil 456 Vormischflamme 11, 365 Vormischverbrennung 467, 682

W Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion 274, 277 Wahrscheinlichkeitsverteilung 616, 624, 639 Walzendrall 586 Wandfilm 359, 365, 497, 624 Wandfilmdynamik 624 Wandgesetz 565 – logarithmisches 566 Wandgrenzschicht – turbulente 572 – viskose 561 Wandschubspannung 565 Wandtemperaturmodelle 395 Wandwärmestrom 430 Wandwärmeübergang 653 Wandwärmeverlust 356 Wankelmotor 714, 747 ff. Wärme 558 – molare 413 Wärmeaustausch 603 Wärmedurchgangszahl 398 Wärmefreisetzung 35, 170, 364 f., 454, 464, 469, 473, 655 Wärmeleitung 396 Wärmeleitungsgleichung 557 Wärmemanagement 764 Wärmequelle 558 Wärmestrom 499, 604 Wärmeübergang 386 f., 390, 392, 395 f., 437, 725, 757 – konvektiver 463 Wärmeübergangskoeffizient 386 ff., 392, 425, 437 Wärmeübergangsmodell 383, 654 Wärmeübertragung 423, 461 Warmlauf 503 Warmlaufverhalten 727 f. Washcoat 481 Wassergasgleichgewicht 417

Sachwortverzeichnis Wassergasreaktion 261 Wasserstoff 750, 772 ff. – Erzeugung 751 – Speicherung 751 – Verteilung 751 Wasserstoffabstraktion 245 Wasserstoffatom – primäres 252 – sekundäres 252 – tertiäres 252 Wasserstoff-Erzeugung 737 Wasserstoffmotor 355 Wasserstoffperoxid 245, 251 Wasserstoffverbrennung 252 Wastegate 194, 197 WAVE-Modell 620 Weberzahl 621 Wellen, solitäre 669, 679 Weller-Modell 679 Well-to-Wheel 742 Wheatstone’sche Brücke 321 Winkelaufnehmer 324 Wirbeldiffusionsansatz 563 Wirbelkammer 22 Wirbelstruktur 583 Wirbelviskositätsansatz 563 Wirkungsgrad 173, 210, 363, 750 – effektiver 116, 171 – indizierter 354 ff. – isentroper 185, 187, 232 – mechanischer 173 – thermischer 163, 166 Wirkungsgradpotenzial 753 Wirkungsgradsteigerung 751 Wolfer-Gleichung 662

Z Z-Drossel 26 Zeitskala 624, 656, 660, 681 – chemische 475, 652 – fluiddynamische 475 – turbulente 467, 562, 652 Zeitskalenanalyse 256 Zeitskalenmodell 467, 475 Zeldovich-Mechanismus 127, 278, 422, 427, 662 Zellschicht, wandadaptierte 581 Zentrifugalkraft 593 Zerfallsprozess 619, 689 Zerstäubung 22, 463 Zerstäubungsgesetz 624 Zielfunktion 542 f. Zufallszahlen 616

795 Zulaufdrossel 26 Zündaussetzer 367 f. Zündfähigkeit 17 Zündkerze, Vorkammer- 113 Zündkerzensensor 371 Zündortbestimmung 373 Zünd-OT 331 Zündtemperatur 20 Zündung 22, 49 ff., 248, 254, 469, 475, 662, 680 Zündverzug 121, 124, 248, 250, 311, 404, 406 f., 456, 464, 467, 469 – scheinbarer 405 Zündverzugszeit 31 f., 252, 461, 476 Zündvorgang 248 Zündwinkel 534 Zündzeitpunkt 50, 264, 405, 474 Zustand, quasi-stationärer 243 Zustandsänderung 160 – polytrope 169, 411 Zustandsgleichung – kalorische 159, 413, 558 – thermische 159, 383, 413, 558 Zweifarbenmethode 361 Zweiphasenproblematik 666 Zweiphasenströmung 587, 667 Zweistufen-Zündung 249, 251 Zweitakt-Dieselmotor 29, 139 Zweitakt-Langsamläufer 135 ff. Zweitakt-Motor 428, 748 ff. Zweitakt-Ottomotor 749 Zweitakt-Verfahren 157 f. Zweiteilchenstoßterm 613 Zweiteinspritzung 88 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik 558, 612 Zweiwegethermostat 500 Zwei-Zonen-Modell 127, 412, 421 f., 427 ff. Zweizylinder-Ottomotor 710 Zwillingsturbine 222 Zwischenkühlung 197 Zyklenschwankung 348, 563, 574, 675, 688 Zyklo-Alkane 13 Zyklus – stationärer (WHSC) 36 – transienter (WHTC) 36 Zyklusbetrieb 498 Zylinderabschaltung 764 Zylinderinnenströmung 29 Zylindermasse 350 Zylindermodellierung 721 Zylinderschmierung 138 Zylindervolumen 156