Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise, Simulation, Messtechnik [7 ed.] 978-3-658-03194-7, 978-3-658-03195-4

Das Buch spannt einen Bogen von einfachen thermodynamischen Grundlagen des Verbrennungsmotors hin zu komplexen Modellans

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German Pages 1132 [1154] Year 2014

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Table of contents :
Front Matter....Pages I-XXXIX
Einleitung....Pages 1-8
Front Matter....Pages 9-9
Thermodynamische und chemische Grundlagen....Pages 11-88
Funktionsweise von Verbrennungsmotoren....Pages 89-330
Einspritzsysteme....Pages 331-405
Aufladesysteme....Pages 407-443
Front Matter....Pages 445-445
Reaktionskinetik....Pages 447-470
Schadstoffbildung und -reduktion....Pages 471-523
Emissionsmesstechnik....Pages 525-548
Verbrennungsdiagnostik....Pages 549-629
Front Matter....Pages 631-631
Grundlagen der Motorprozessrechnung....Pages 633-707
Phänomenologische Verbrennungsmodelle....Pages 709-748
Abgasnachbehandlungssysteme....Pages 749-773
Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse....Pages 775-822
Front Matter....Pages 823-823
Dreidimensionale Strömungsfelder....Pages 825-866
Simulation von Einspritzprozessen....Pages 867-920
Simulation der Verbrennung....Pages 921-968
Simulation der Aufladung....Pages 969-983
Front Matter....Pages 985-985
Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs....Pages 987-1029
Zukunft des Verbrennungsmotors....Pages 1031-1083
Back Matter....Pages 1085-1132
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Grundlagen Verbrennungsmotoren: Funktionsweise, Simulation, Messtechnik [7 ed.]
 978-3-658-03194-7, 978-3-658-03195-4

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ATZ/MTZ-Fachbuch

Günter P. Merker Rüdiger Teichmann Hrsg.

Grundlagen Verbrennungsmotoren Funktionsweise · Simulation · Messtechnik 7. Auflage

ATZ/MTZ-Fachbuch

Die komplexe Technik heutiger Kratfahrzeuge und Motoren macht einen immer größer werdenden Fundus an Informationen notwendig, um die Funktion und die Arbeitsweise von Komponenten oder Systemen zu verstehen. Den raschen und sicheren Zugriff auf diese Informationen bietet die regelmäßig aktualisierte Reihe ATZ/MTZ-Fachbuch, welche die zum Verständnis erforderlichen Grundlagen, Daten und Erklärungen anschaulich, systematisch und anwendungsorientiert zusammenstellt. Die Reihe wendet sich an Fahrzeug- und Motoreningenieure sowie Studierende, die Nachschlagebedarf haben und im Zusammenhang Fragestellungen ihres Arbeitsfeldes verstehen müssen und an Professoren und Dozenten an Universitäten und Hochschulen mit Schwerpunkt Kratfahrzeug- und Motorentechnik. Sie liefert gleichzeitig das theoretische Rüstzeug für das Verständnis wie auch die Anwendungen, wie sie für Gutachter, Forscher und Entwicklungsingenieure in der Automobil- und Zulieferindustrie sowie bei Dienstleistern benötigt werden.

Günter P. Merker ⋅ Rüdiger Teichmann Herausgeber

Grundlagen Verbrennungsmotoren Funktionsweise, Simulation, Messtechnik 7., vollständig überarbeitete Aulage

Herausgeber Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker Tettnang, Deutschland

ISBN 978-3-658-03194-7 DOI 10.1007/978-3-658-03195-4

Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann AVL List GmbH Graz, Österreich

ISBN 978-3-658-03195-4 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg Bis zur 3. Auflage erschien dieses Werk unter dem Titel „Verbrennungsmotoren” von Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Günter Merker, apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Schwarz, apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch sowie Dr. rer. nat. Frank Otto. © Springer Fachmedien Wiesbaden 2001, 2004, 2006, 2009, 2011, 2012, 2014 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürten. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Springer Vieweg ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vieweg.de

Vorwort zur 7. Aulage

Heute werden in der Motoren- und Fahrzeugentwicklung kommerziell zur Verfügung stehende Rechenprogramme als Standard zur Simulation des stationären und transienten Verhaltens von Fahrzeugen, des kompletten Antriebstranges aber auch der hochgradig instationären Prozessabläufe im Brennraum eines Motors eingesetzt. In der Regel steht aber für diese Rechenprogramme der Quellcode nicht zur Verfügung und in der Dokumentation fehlen ot Querverweise zu Grundlagen. Deshalb wünschen sich die Anwender ot Informationen über die physikalischen und chemischen Modelle, die in diesen Programmen verwendet werden. Aus diesem Grund ist es uns ein besonderes Anliegen, unterschiedliche physikalische und chemische Ansätze deutlich zu machen und Möglichkeiten und Grenzen der verwendeten Modelle aufzuzeigen. Das Buch beschränkt sich aufgrund der Fülle an Informationen auf die Vorgänge in Verbrennungsmotoren und innerhalb dieses hemenkomplexes eindeutig auf die thermodynamischen, strömungsmechanischen und chemischen Grundlagen der Modellierung motorischer Prozessabläufe. Für die vorliegende siebente Auflage wurde der Inhalt entsprechend dem Untertitel Funktionsweise, Simulation, Messtechnik in seinen fünf Hauptteilen beibehalten, wobei aber alle Kapitel aktualisiert und wenn notwendig erweitert, sowie neue Kapitel aufgenommen wurden. beschreibt die thermodynamischen Grundlagen, die Funktionsweise von Verbrennungsmotoren, Einspritz- und Aufladesysteme sowie die Rolle von hybriden Antrieben, dafür wurde ein Abschnitt über zuküntige Brennstoffe (Kap. 2) aufgenommen. Kapitel 3 wurde vollständig überarbeitet und durch die Aufnahme von Kapiteln über Nfz-Motoren, Downsizing sowie Hybridantriebe und Range Extender erheblich erweitert. Völlig neu ist das Kap. 4 über Einspritzsysteme. Neu verfasst wurde auch das 5. Kapitel über Aufladesysteme. Teil II ist den physikalischen und chemischen Grundlagen sowie der Messung und Analyse der Verbrennung, der Schadstoffbildung und der Verbrennungsdiagnostik gewidmet. Kapitel 7 wurde um das hema Schadstoffreduktion erweitert. Teil III beschreibt die 0D- und 1D-Simulation des Gesamtprozesses als auch verschiedener Teilprozesse sowie die effektive Vorgehensweise bei der Durchführung von Teil I

V

VI

Vorwort zur 7. Aulage

Berechnungs- oder Messaufgaben. Dafür wurde das Kap. 10 über Motorprozessrechnung neu geschrieben. Teil IV behandelt die 3D-Simulation verbrennungsmotorischer Prozesse mit dem neu verfassten Kap. 17 über die Simulation der Aufladung. Teil V schließt den Bogen mit Systembetrachtungen und Aussagen zur Zukunt des Verbrennungsmotors. Im Anhang befindet sich ein Kapitel über die 3D-Simulation mit dem kommerziell verfügbaren FIRE-Code. Wir hoffen, dass uns mit diesem Werk eine verständliche und aktuelle Darstellung der Simulation motorischer Prozesse gelungen ist und wir würden uns sehr freuen, wenn dieses Buch für alle Anwender in Wissenschat und Technik von möglichst großem Nutzen ist. Wir danken allen Autoren für ihre konstruktive und engagierte Mitarbeit. Alle Autoren und ihre Firmen oder Institutionen sowie ihre Beiträge sind im Vorspann aufgeführt. Unser besonderer Dank gilt der AVL LIST GmbH für die fachliche und materielle Unterstützung bei Erstellung dieses Buches. Aufbau und Inhalt des Buches haben wir mit vielen Kollegen diskutiert, unser besonderer Dank gilt dabei Herrn Dipl.-Ing. Gerhard Haußmann. Herrn Ewald Schmitt und Frau Elisabeth Lange vom Springer Vieweg Verlag danken wir für die konstruktive und angenehme Zusammenarbeit. Tettnang/Graz, im Mai 2014 Günter P. Merker Rüdiger Teichmann

Geleitwort

Die Bücher „Verbrennungsmotoren“ – maßgeblich verantwortet von Prof. G. P. Merker – richteten sich in der Vergangenheit hauptsächlich an Mitarbeiter von Berechnungsabteilungen und entwickelten sich dort zu anerkannten Informationsquellen. Die Trennlinie zwischen Simulation und Versuch ist aber heute fließender denn je, ja man kann fast sagen, jeder simuliert ein bisschen oder muss Ergebnisse von Berechnungen einschätzen. Gleichzeitig ist die Wissens- und Erfahrungsbasis bei jedem unterschiedlich. Von diesen unterschiedlichen Standpunkten kommend, Brücken zu schlagen, wurde das Buch kontinuierlich erweitert – es entstand „Grundlagen Verbrennungsmotoren“. Das Buch liegt nun in einer deutlich erweiterten Auflage vor und spannt den Bogen von der Funktionsweise von Verbrennungsmotoren über die Simulation von Prozessen in Verbrennungsmotoren bis hin zur Messtechnik. Trotz der Breite der hemen werden einige Fachgebiete in einer solchen Tiefe behandelt, die für das Gesamtverständnis hilfreich sind. Aber dieses Fachbuch enthält noch mehr und das ist mir gerade heute ein persönliches Anliegen: Neben einer Betrachtung des Gesamtsystems Antrieb, wird versucht, die Diskussion über den optimalen Motor mit technischen Argumenten zu unterlegen, um somit dem Leser entsprechend seiner Randbedingungen zielführende Entscheidungen zu ermöglichen. Für dieses Werk konnte eine gute Kombination aus wissenschatlichen und praktisch orientierten Autoren gewonnen werden, so dass es als Lehrbuch für Studenten, als Weiterbildung oder einfach nur zum Nachschlagen bei täglichen Fragen gut geeignet ist. Ich weiß auch, dass für die Erstellung der Beiträge viel Freizeit aufgewendet wurde und möchte mich für den Einsatz bei allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, bedanken. Graz, im Juni 2013 Helmut List

VII

Die Herausgeber

Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker wurde 1942 in Augsburg geboren. Von 1964 bis 1969 studierte er an der Technischen Hochschule München Maschinenbau. Anschließend war er als wissenschatlicher Assistent am Lehrstuhl für hermodynamik tätig, 1974 erfolgte die Promotion, 1978 habilitierte er sich. Von 1978 bis 1980 war er bei der MTU-München GmbH tätig. 1980 nahm er einen Ruf auf die C3-Professur für Kältetechnik an der Universität Karlsruhe an. 1986 trat er in die MTU-Friedrichshafen GmbH ein und leitete dort die Hauptabteilung Analytik/Motorenberechnung. 1994 folgte er dem Ruf auf die C4-Professur für Verbrennungsmotoren an die Universität Hannover und leitete bis zu seiner Emeritierung 2005 das Institut für Technische Verbrennung. In dieser Zeit hat er sich insbesondere mit der experimentellen und theoretischen Untersuchung der Verbrennung in Nutzfahrzeug-Diesel-Motoren beschätigt. Insgesamt hat er 43 Doktoranden zur Promotion und vier zur Habilitation geführt. Er ist Autor und Mitautor von über 140 technisch-wissenschatlichen Publikationen und sechs Fachbüchern auf den Gebieten Wärmeübertragung, Strömungsmechanik und Verbrennungsmotoren und Mitglied der Braunschweigischen Wissenschatlichen Gesellschat. Heute ist er als freier Berater für die Motorenindustrie tätig. Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann wurde 1960 in Nordhausen geboren. Er studierte Maschinenbau mit der Spezialisierung „Kratfahrzeugtechnik“ an der Technischen Universität Dresden von 1982 bis 1987. Danach wurde er an der gleichen Einrichtung Forschungsstudent und wissenschatlicher Assistent bis 1990. 1991 promovierte er zu einem hema der Verbrennungsverfahrenentwicklung an LKW-Dieselmotoren. Im gleichen Jahr begann er seine berufliche Laufbahn in der Vorentwicklung für Antriebsentwicklung der BMW AG in München. Im Rahmen seiner Spezialgebiete hermodynamik, Verbrennungsentwicklung, Ladungswechsel und der Kalibrierung dieser Vorgänge war er in verschiedenen hemen bis zur Serienentwicklung tätig. 1999 wurde er Leiter des Produktmanagement der gesamten Indiziertechnik bei der AVL List GmbH in Graz. Nach drei Jahren übernahm er die Verantwortung als Segmentleiter für Indiziertechnik, welche ab 2005 die Fachgebiete für optische Messtechnik und Forschungsmotoren als Global Segment Manager Verbrennungsmesstechnik einschließt. Seit 2007 koordiniert er zusätzlich die Fahrzeugmesstechnikaktivitäten der AVL. Dr. Teichmann ist Autor und Koautor zahlreicher Publikationen und Betreuer von Diplomarbeiten. IX

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Abkürzungen AG AGR AMA ATL AV BMEP BV CAI CCR CFD CI CLD CNG CPC CR CVS DI DME DoE DRV DZ EGR EPR EV EWA FAME FID FNN FTIR

Arbeitsgas Abgasrückführung Abgasmessanlage Abgasturbolader Auslassventil break mean effective pressure (effektiver Mitteldruck) Brennverlauf Controlled Auto Ignition Combustion Chamber Recirculation Computational Fluid Dynamics Compression Ignition Chemolumineszenz Detektor Compressed Natural Gas Condensation Particle Counting Common Rail Constant Volume Sampler Direct Injection Dimethylether Design of Experiments Druckregelventil Dammköhler-Zahl Exhaust Gas Recirculation Exhaust Port Recirculation Einspritzverlauf/Einlassventil Energiewandlungsanlage Fetty Acid Methyl Ester (Fettsäuremethylesther) Flame Ionisation Detektor Fast Neural Network Fourier Transform Infrarot Spektroskopie XI

XII

GDI Gz HCCI HD HE HFO IMEP INN IR LDA LDS LET LIF LLK LNG LPG LWOT MDO MFB 50 % MOZ MTU ND NDIR NN NT Nu OT PAK PCB PCT PCV PD PDA PIV PLD PMD Pr RDE Re RG RHR RME

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Gasoline Direct Injection Graetz-Zahl Homogeneous Charge Compression Ignition Hochdruck Hydro-Erosiv Heavy Fuel Oil indizierter Mitteldruck Intelligent Neural Network Infrarot Laser Doppler Anemometrie Laser Dioden Spektroskopie Low End Torque Laser Induced Fluorescence Ladelutkühler Liquified Natural Gas Liquified Petroleum Gas Ladungswechsel-OT Marine Diesel Oil Mass Fraction Burned 50 % Motor-Oktanzahl Motoren- und Turbinen-Union Niederdruck Nichtdispersiver Infrarot Detektor Neuronales Netz Nutzturbine Nußelt-Zahl oberer Totpunkt polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe polyzyklische Biphenyle polyzyklische Terphenyle Pressure Control Valve (Druckregelventil) Pumpe-Düse Phase Doppler Anemometrie Particle Image Velocimetry Pumpe-Leitung-Düse Paramagnetischer Detektor Prandtl-Zahl Real Driving Emissions Reynolds-Zahl Restgas Rate of Heat Release Rapsmethylester

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

ROZ Sc SCR SI SOC TC UT UV VKM V-Soot VTG VVT ZOT ZV ZZP

Research-Oktan-Zahl Schmidt-Zahl Selective Catalytic Reduction Sparc Ignition State of Charge turbocharged unterer Totpunkt Ultraviolett Verbrennungskratmaschine Rußkennzahl verstellbare Turbinengeometrie Variabler Ventiltierb Zünd-OT Zündverzug Zündzeitpunkt

Formelzeichen a A [A] be Bm c Cd cm C, c cυ cρ dhyd D D E E EA e e f G g g˜

Schallgeschwindigkeit [m/s] Flammenfrontfläche [m2 ] Spezienkonzentration [mol/mol] spezifischer Brennstoffverbrauch [g/kWh] Modellkonstante Geschwindigkeit [m/s] Durchflussbeiwert mittlere Kolbengeschwindigkeit [m/s] Konstanten spezifische Wärme bei konstantem Volumen [J/kg] spezifische Wärme bei konstantem Druck [J/kg] hydraulischer Durchmesser [m] Kolbendurchmesser [m] Diffusionskoeffizient Energie [J] Elastizitätsmodul [N/m2 ] Aktivierungsenergie [J] spezifische Energie [J/kg] Exzentrizität [m] Reibbeiwert freie Enthalpie [J] spezifische freie Enthalpie [J/kg] molare freie Enthalpie [J/mol]

XIII

XIV

Enthalpie [J] unterer Heizwert [J/kg] spezifische Enthalpie [J/kg] molare Enthalpie [J/kg] Standard-Bildungsenthalpie [J/mol] Höhe [m] Impuls [kg m/s] Jakobimatrix Gleichgewichtskonstante Kavitationszahl Geschwindigkeitskonstante turbulente kinetische Energie [m2 /s2 ] integrales Längenmaß [m] Taylor-Längenmaß [m] Kolmogorovlänge [m] Pleuellänge [m] Moment [Nm] Masse [kg] Vibe-Parameter Partikelanzahl Stoffmenge [mol] Druck [bar] Mitteldruck [bar] Leistung [W] Wärmemenge [J] Wärmestrom [W] q spezifische Wärmemenge [J/kg] q˙ Wärmestromdichte [W/m2 ] q* Parameter R Gaskonstante r Lutgehalt r Radius [m] r Reaktionsrate s spezifische Entropie [J/kg K] s Flammengeschwindigkeit [m/s] s Kolbenweg [m] s Länge [m] T Temperatur [K] t Zeit [s] U innere Energie [J] u spezifische innere Energie [J/kg] u, v, w Geschwindigkeitskomponenten [m/s] H Hu h h˜ h˜ ○ h I J K K k k lL lT lK l M m m N ni p pm P˙ Q Q˙

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

V v W x′ x, y, z z

Volumen [m3 ] spezifisches Volumen [m3 /kg] Leistung [W] Verhältnis Längenkoordination [m] Zylinderzahl

Indizes 0 1 1 2 a ab ad AG Arr B b BB Beh bez c c ch D dampf diff e e g geo ges i i irr is j K k, l, m, n

Ruhe- oder Referenzzustand Austritt ein aus Austritt abgeführt adiabat Arbeitsgas Arrhenius Brennstoff Brennstoff Blow By Behälter bezogene Größe Carnotprozess Compression chemisch Drossel Dampfdruck diffusiv effektiv Eintritt Gasphase geometrisch gesamt Spezies i innere irreversible isentrop Spezies j Kratstoff Summationsindex

XV

XVI

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

komp krit l l LL max min n. V. n. T. p R r r s Sys t t t tats th theo T TL uv v V Verbr vp v. T. v. V. w wl w˜ w¯ zu Zyl

Kompression kritisch laminar rückwärts (links) Ladelut maximal minimal nach Verdichter nach Turbine isobar Reaktion Reibung vorwärts (rechts) isentrop System technisch total turbulent tatsächlich thermisch theoretisch Turbine Turbolader unverbrannt verbrannt Verdichter Verbrennung, verbrannt Seiligerprozess vor Turbine vor Verdichter Wand turbulente Schwankungsgröße molare Größe Mittelwert zugeführt Zylinder

Griechische Symbole α β

Wärmeübergangskoeffizient [W/m2 K] Stoffübergangskoeffizient [m3 /s]

Abkürzungs- und Formelverzeichnis

Γ Δ δ Δh Δp ε ε ε Θ ζ ζ η ηυ κ λ λ λ λs μ ν νi ξ ξ δ π ρ τ φ ψ ω

freie Oberfläche [m2 ] Differenz Differenz Reaktionsenthalpie [J/kg] Druckverlust [bar] Verdichtungsverhältnis Kühlziffer Fehler Trägheitsmoment [Nm] Reibbeiwert Kontraktionszahl dynamische Viskosität [Pa ⋅ s] Umsetzungsgrad Isentropenkoeffizient Lutverhältnis Reibungszahl Wärmeleitfähigkeit [W/mk] Schubstangenverhältnis chemisches Potenzial [J/mol] kinematische Viskosität [m2 /s] stöchiometrischer Koeffizient Atomzahlverhältnis Verhältnis chemisches Potenzial [J/kg] Druckverhältnis Dichte [kg/m3 ] charakteristische Zeit [s] Kurbelwinkel [°KW] Ausflussfunktion Winkelgeschwindigkeit [rad/s]

XVII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Firmen- und Hochschulverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXV

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII 1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter P. Merker 1.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Modellbildung und Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Verbrennungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Möglichkeiten und Grenzen von Simulationsverfahren . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1

. . . . .

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1 3 6 6 8

hermodynamische und chemische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . Günter P. Merker, Gerhard Haußmann, Peter Eckert, Sebastian Rakowski, Helmut Eichlseder und Helmut Tschöke 2.1 Energiewandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Kinematik des Kurbeltriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Geschlossene Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Offene Vergleichsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Vom Ideal- zum Realprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Verlustteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Kenngrößen und Kennwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Motorprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Festlegung der Hauptabmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1 Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

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. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

Teil I: Der Hubkolbenmotor 2

11 12 17 17 22 29 31 31 32 35 38 38 XIX

XX

Inhaltsverzeichnis

2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5

Pkw-Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formel 1-Rennmotoren . . . . . . . . . . . . . . . Nutzfahrzeugmotoren (Nfz-Motoren) . . . . . Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren für Schiffsantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Konventionelle Brennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.1 Kohlenwasserstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.2 Benzin und Ottobrennstoffe . . . . . . . . . . . . 2.6.3 Dieselbrennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6.4 Brennstoffe für Marineanwendungen . . . . . . 2.7 Zuküntige Brennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.1 Ottobrennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7.2 Dieselbrennstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

......... ......... .........

43 46 48

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. . . . . . . . . . .

51 57 58 58 63 64 65 66 68 76 86

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter P. Merker und Rüdiger Teichmann 3.1 PKW-Ottomotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Gemischbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Zündung und Verbrennungsablauf . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Irreguläre Verbrennungsphänomene . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Rohemissionen und innermotorische Schadstoffreduktion 3.1.5 Potenziale des Ottomotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Groß-Gasmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Einteilung von Gasmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Gasförmige Kratstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Brennverfahren und Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Emissionen und Abgasgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.5 Vergleich Groß-Gasmotor mit Groß-Dieselmotor . . . . . . 3.2.6 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Entwicklungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Grundlagen der dieselmotorischen Verbrennung . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Gemischbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Selbstzündung und Verbrennungsablauf . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Rohemissionen des Dieselmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Potenzial des Dieselmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Pkw-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Gesetzgebung und technologische Meilensteine . . . . . . . . 3.4.2 Wege zum Erreichen der Emissions-, Verbrauchs- und Leistungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

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89 89 97 101 107 119 122 124 125 130 141 146 148 150 151 152 155 160 175 176 176 180

Inhaltsverzeichnis

4

XXI

3.5

Downsizing bei Pkw-Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Downsizing, Downspeeding und Rightsizing . . . . . . . . . . 3.5.2 Schlüsseltechnologien beim Ottomotor . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Schlüsseltechnologien beim Dieselmotor . . . . . . . . . . . . 3.6 Hybridantriebe und Range Extender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Elektrifizierung des Antriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Hybridantriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Range Extender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Auswirkungen auf den Verbrennungsmotor . . . . . . . . . . 3.7 Nfz-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Anforderungen an Nfz-Dieselmotoren und deren Einteilung 3.7.2 Entwicklung der Nfz-Dieselmotoren seit 1970 . . . . . . . . . 3.7.3 Brennverfahren von Nfz-Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . 3.7.4 Kaltstartfähigkeit und Warmlaufverhalten . . . . . . . . . . . 3.7.5 Besonderheiten der Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.6 Mechanik des Nfz-Dieselmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.7 Motorbremssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.8 Motorregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.9 Non-Road Mobile Machinery-Motoren . . . . . . . . . . . . . 3.7.10 Küntige Nfz-Antriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Großdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.2 Schnelllaufende Viertaktdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . 3.8.3 Vier-Takt Mittelschnellläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8.4 Zwei-Takt Langsamläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autoren dieses Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 197 205 210 216 216 219 226 235 239 239 240 247 256 259 264 266 270 271 273 274 274 284 291 309 322 323

Einspritzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roger Busch, Jürgen Hammer, Ralph-Michael Schmidt, Hartmut Schneider, Peter Eckert und Sebastian Rakowski 4.1 Benzineinspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Saugrohreinspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Direkteinspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Dieseleinspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Grundfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Bauarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 Common Rail System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Hochdruckpumpen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.5 Rail und Anbaukomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.6 CR-Injektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.7 Zumessfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

4.3

Einspritzung für Großdieselmotoren . . . . . . . . 4.3.1 Geschichtlicher Rückblick . . . . . . . . . 4.3.2 Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzsysteme 4.3.3 Pumpe-Düse-Einspritzsysteme . . . . . . 4.3.4 Speicher-Einspritzsysteme . . . . . . . . . 4.3.5 Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Hydraulische Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Modellierung der Grundkomponenten . 4.4.2 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Aufladesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Baar 5.1 Aufladeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Natürliche Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Druckwellenaufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.3 Kompressoraufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.4 Abgasturboaufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Aufbau und Funktion von Turboladern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Kompressor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.2 Turbolader mit Bypassregelung (Wastegate) . . . . . . . . . . 5.3.3 Turbolader mit Regelung über einen verstellbaren Düsenring (VTG) . . . . . . . . . . . 5.4 Anpassung von Turboladern an Verbrennungsmotoren . . . . . . . . 5.4.1 Erweiterte Turboladermodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Aufladesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.1 Zweistufig geregelte Aufladung aus zwei Abgasturboladern 5.5.2 Zweistufig geregelte Aufladung aus Abgasturbolader und Kompressor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Registeraufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Elektrisch unterstützte Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.1 Ladelutkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.2 Abgasrückführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.3 Stau- und Stoßaufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6.4 Kennfeldstabilisierende Maßnahmen am Verdichter . . . . . 5.6.5 Schubumlut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407 408 409 410 410 412 413 423 424 424 425 426 433 436 436 437 438 439 439 439 439 440 442 443 443

Inhaltsverzeichnis

XXIII

Teil II: Verbrennungstechnik, Schadstoffbildung und -reduktion, Emissionsmesstechnik 6

7

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Reaktionskinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunnar Stiesch und Peter Eckert 6.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Chemisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Reaktionsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Partielles Gleichgewicht und Quasi-Stationarität 6.2 Reaktionskinetik von Kohlenwasserstoffen . . . . . . . . . . 6.2.1 Oxidation von Kohlenwasserstoffen . . . . . . . . . 6.2.2 Zündvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Reaktionskinetik in der motorischen Simulation Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadstoffbildung und -reduktion . . . . . . . . . . . . . . . Peter Eckert und Sebastian Rakowski 7.1 Abgaszusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Innermotorische Schadstoffbildung und -reduktion 7.2.1 Kohlenmonoxid (CO) . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) . . 7.2.3 Partikelemission beim Dieselmotor . . . . . 7.2.4 Stickoxide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Nachmotorische Schadstoffreduktion . . . . . . . . . . 7.3.1 Oxidationskatalysatoren . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Dreiwegekatalysatoren . . . . . . . . . . . . . . 7.3.3 Selektive katalytische Reduktion (SCR) . . . 7.3.4 NOx -Speicher-Katalysatoren . . . . . . . . . . 7.3.5 Partikelfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Emissionsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bergmann, Kurt Engeljehringer und Rüdiger Teichmann 8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Messgasaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Messgasaufbereitung für Abgas-Messanlagen (AMA) . 8.2.2 Messgasaufbereitung durch Verdünnung . . . . . . . . . 8.3 Messung gasförmiger Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.1 NDIR – Nichtdispersiver Infrarot Detektor . . . . . . . . 8.3.2 FID – Flame Ionisation Detektor . . . . . . . . . . . . . . . 8.3.3 CLD – Chemolumineszenz Detektor . . . . . . . . . . . . 8.3.4 PMD – Paramagnetischer Detektor . . . . . . . . . . . . .

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8.3.5 FTIR – Fourier Transform Infrarot Spektroskopie . . . . . . 8.3.6 LDS – Laser Dioden Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4 Messung fester Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.4.1 Messung der Partikel entsprechend gesetzlicher Vorgaben . 8.4.2 Bestimmung von Partikeleigenschaten im Abgas mit alternativen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verbrennungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Teichmann, Andreas Wimmer und Ernst Winklhofer 9.1 Druckindizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Die Indiziermesskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.3 Einflüsse auf die Messgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.4 Kennwerte infolge von äußeren Einflüssen auf den Sensor . 9.1.5 Varianten für die Sensoradaptierung . . . . . . . . . . . . . . . 9.1.6 Elektrische Drit am Ladungsverstärker . . . . . . . . . . . . . 9.1.7 Druckindizierung im Ein- und Auslasssystem . . . . . . . . . 9.2 Druckverlaufsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Bestimmung des Brennverlaufes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Verlustteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Vergleich unterschiedlicher Brennverfahren . . . . . . . . . . 9.3 Optische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Anwendungsgebiete optischer Methoden im tabellarischen Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.3 Anwendungsbeispiele optischer Methoden . . . . . . . . . . . 9.3.4 Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.5 Ottomotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.6 Lasermesstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Ausblick Verbrennungsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil III: 0D-, 1D- und phänomenologische Modelle 10

Grundlagen der Motorprozessrechnung . . . . . . . . . Franz Chmela, Gerhard Pirker und Andreas Wimmer 10.1 Null- und quasidimensionale Modellierung . . . 10.1.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Stoffwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.3 Ein- und Mehrzonenmodelle . . . . . . .

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10.1.4 Chemisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.5 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.6 Wärmeübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.7 Plausibilisierung von Analysenergebnissen . . . . . . . . 10.1.8 Simulation durch Vorgabe des Brennverlaufs . . . . . . . 10.1.9 Mittelwertmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Modellierung des Ladungswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Füll- und Entleermethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Gasdynamische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Koppelung von Berechnungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung und Motorprozessrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung und 3D-CFD Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung mit DoE-Methode am Beispiel eines Gasmotors . . . . 10.4 Transiente Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Hydrauliksimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.1 Aufbau eines Simulationsprogramms für hydraulische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5.2 Kavitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Gesamtfahrzeugsimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.1 hermisches Motormodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.2 Wärmeeintragsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.3 Reibungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6.4 Prognosegenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

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Phänomenologische Verbrennungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunnar Stiesch, Friedrich Dinkelacker, Peter Eckert, Sebastian Rakowski, Franz Chmela, Gerhard Pirker und Andreas Wimmer 11.1 Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.1 Nulldimensionale Brennverlaufsfunktion . . . . . . . . . . . . 11.1.2 Stationärer Gasstrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.3 Paket-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1.4 Zeitskalen Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Ottomotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.1 Laminare und turbulente Flammengeschwindigkeit . . . . . 11.2.2 Wärmefreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.3 Zündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2.4 Klopfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

11.3 Groß-Gasmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Zündverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.2 Brennrate beim Otto-Gasmotor mit offenem Brennraum 11.3.3 Brennrate beim Otto-Gasmotor mit Vorkammer . . . . . . 11.3.4 Klopfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.5 NOx -Emissionen und Wärmeübergang . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

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Abgasnachbehandlungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Tatschl und Johann Wurzenberger 12.1 Methoden der Abgasnachbehandlung . . . . . . . . 12.2 Modellbildung und Simulation . . . . . . . . . . . . . 12.3 Abgaskatalysatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3.2 Katalysator Typen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Dieselpartikelfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.1 Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4.2 Beladung und Druckverlust . . . . . . . . . 12.4.3 Regeneration und Temperaturverteilung . 12.5 Dosiereinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6 Gesamtsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.7 Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . Christian Beidl und Hans-Michael Koegeler 13.1 Notwendigkeit von Optimierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Modellstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Modellansätze für die Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben . . . . . . . . . . . 13.4.1 Emissionsoptimierung Diesel Pkw . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.2 Volllastoptimierung Ottomotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4.3 Variantenauslegung von Arbeitsmaschinen . . . . . . . . . . 13.4.4 Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeugen in kritischen Zyklusabschnitten . . 13.5 Funktionsbedatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Kaskadierte modellbasierte Optimierung und Funktionsbedatung 13.6.1 Beherrschung mehrschichtiger Optimierungsprobleme in Realfahrszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6.2 Antriebsstrang Konzept mit MiL . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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775

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776 778 785 787 787 794 798

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802 806 811

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812 814 820 821

Inhaltsverzeichnis

XXVII

Teil IV: 3D-Simulation des Arbeitsprozesses 14

15

Dreidimensionale Strömungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Krüger und Frank Otto 14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.1 Massen- und Impulstransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.2 Transport von innerer Energie und Spezies . . . . . . . . . . . 14.1.3 Passive Skalare und Mischungsbruch . . . . . . . . . . . . . . . 14.1.4 Konservative Formulierung der Transportgleichungen . . . 14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Phänomenologie der Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Modellierung der Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Turbulentes Wandgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.4 Modellierung des turbulenten Mischungszustandes . . . . . 14.2.5 Die Gültigkeit von Turbulenzmodellen; Alternativansätze . 14.3 Numerik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Finites-Volumen-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.2 Diskretisierung des Diffusionsterms – Zentrale Differenzen 14.3.3 Diskretisierung des Konvektionsterms – Aufwindschema . 14.3.4 Diskretisierung der Zeitableitung – Implizites Schema . . . 14.3.5 Diskretisierung des Quellterms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.6 Operator-Split-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.7 Diskretisierung und numerische Lösung der Impuls-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Rechennetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.1 Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Ottomotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.2 Simulation von Strömungsstrukturen im Zylinder: Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5.3 Düseninnenströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simulation von Einspritzprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Krüger und Frank Otto 15.1 Einzeltropfenprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.1 Impulsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.2 Massen- und Wärmeaustausch (Einkomponentenmodell) . 15.1.3 Massen- und Wärmeaustausch (Mehrkomponentenmodellierung) . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1.4 Flashboiling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Strahlstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

825 828 828 831 832 833 834 834 836 838 841 844 849 849 850 851 853 854 855 856 856 858 859 860 862 866 867 867 868 869 872 876 877

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

15.2.1 15.2.2

16

Boltzmann-Williams-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Numerische Lösung der Boltzmann-Williams-Gleichung: Das Standardmodell (Lagrange-Formulierung) . . . . . . . . 15.2.3 Exkurs: Numerische Bestimmung von Zufallszahlen . . . . 15.2.4 Partikel-Startbedingungen am Düsenaustritt . . . . . . . . . . 15.2.5 Modellierung von Zerfallsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.6 Modellierung von Stoßprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.7 Modellierung der turbulenten Dispersion im Standard-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.8 Beschreibung der turbulenten Dispersion mittels Fokker-Planck-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2.9 Die Diffusionsdarstellung der Fokker-Planck-Gleichung . . 15.2.10 Probleme des Standard-Strahlmodells . . . . . . . . . . . . . . 15.2.11 Benzindirekteinspritzung für Schichtladung mit nach außen öffnendem Piezo-Injektor . . . . . . . . . . . 15.3 Euler-Strahlmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.1 Lokal homogene Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.2 Einbettungen von 1D-Euler-Verfahren und anderen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3.3 D-Euler-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

878

Simulation der Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Krüger und Frank Otto 16.1 Verbrennungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Allgemeines Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Diesel-Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.1 Simulation der Wärmefreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.2 Zündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.3 NOx -Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.4 Rußbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3.5 HC- und CO-Emissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung) . . . . . . . . . . 16.4.1 Zweiphasenproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.2 Magnussen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.3 Flammenflächenmodelle (auch Coherent Flame Models) 16.4.4 G-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.5 Diffusive G-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.6 Zündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.7 Klopfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4.8 Schadstoffbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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921

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921 923 926 926 933 934 935 937 937 938 941 945 949 952 953 954 954

880 882 884 885 890 891 892 898 901 905 908 910 913 916 919

Inhaltsverzeichnis

XXIX

16.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen) . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6 Strömungsmechanische Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung: Ausblick . . . . . . . . 16.6.1 Netzbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6.2 Numerik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6.3 Turbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.6.4 Modellierung der Einspritzprozesse . . . . . . . . . 16.6.5 Modellierung der Verbrennung . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Simulation der Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Baar 17.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Interaktion von Laufrad und Gehäuse . . . . . . . . . . . . 17.3 Grundlagen der Gittergenerierung für Turbomaschinen 17.4 Netzaufbau, Netzqualität und Randbedingungen . . . . . 17.5 Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6 Anwendungsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs . . . . . Günter Fraidl, Paul Kapus, Reinhard Tatschl und Johann Wurzenberger 18.1 Zuküntige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren . . . . . . 18.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.2 Konfiguration des optimalen Antriebssystems . . . . . . . . 18.1.3 Technologieelemente küntiger Antriebsstrang-Konfigurationen . . . . . . . . . . 18.1.4 Vorauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.5 Entwicklungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1.6 Antriebsstrangkonfigurationen – Beispiele . . . . . . . . . . 18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung . . . . . . . . . . 18.2.1 Simulation im Motorentwicklungsprozess . . . . . . . . . . . 18.2.2 Skalierbare Motor- und Gesamtsystemmodellierung . . . 18.2.3 Ausgewählte Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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987 987 990

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991 994 1000 1003 1009 1010 1013 1020 1026 1027

Teil V: Systembetrachtungen und Ausblick 18

XXX

19

Inhaltsverzeichnis

Zukunt des Verbrennungsmotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Spicher und Helmut Eichlseder 19.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunt . 19.2.1 Gesetzgebung und Emissionsvorschriten . . . . . . . . . . . . 19.2.2 Objektive Beurteilung von Antriebskonzepten . . . . . . . . . 19.2.3 CO -Effizienz bei Lebenszyklusbetrachtungen . . . . . . . . . 19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen . . . . . . . . . . . . 19.3.1 Alternative Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.3.2 Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors . . . . . . . 19.4 Zusammenfassung/Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1031 1031 1032 1034 1035 1042 1044 1044 1054 1077 1079

A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® . . . . . . . Reinhard Tatschl

1085

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1119

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

• 1 Einleitung Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker Teil I: Der Hubkolbenmotor • 2 hermodynamische und chemische Grundlagen Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker – 2.5 Festlegung der Hauptabmessungen Dipl.-Ing. Gerhard Haußmann – 2.6 Konventionelle Brennstoffe Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski – 2.7 Zuküntige Brennstoffe – 2.7.1 Ottobrennstoffe Univ.-Prof. Dr.-techn. Helmut Eichlseder – 2.7.2 Dieselbrennstoffe Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Helmut Tschöke • 3 Funktionsweise des Verbrennungsmotors – 3.1 PKW-Ottomotoren Dr.-Ing. habil. Wolfram Gottschalk – 3.2 Groß-Gasmotoren Dr.-Ing. habil. Rainer Golloch Ao. Univ.-Prof. Dr.-techn. Andreas Wimmer – 3.3 Grundlagen der dieselmotorischen Verbrennung Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski – 3.4 PKW- Dieselmotoren Dr.-Ing. Maximilian Brauer Dr.-Ing. Peter Eckert XXXI

XXXII

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

– 3.5 Downsizing von PKW-Motoren Dr.-Ing. Christian Eiglmeier – 3.6 Hybridantriebe und Range Extender Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Helmut Tschöke – 3.7 Nfz- Dieselmotoren Dr.-Ing. Heiko Lettmann Dr.-techn. Karl Maderthaner – 3.8 Groß-Dieselmotoren – 3.8.1 Einführung Dr.-Ing. Hinrich Mohr – 3.8.2 Vier-Takt-Schnellläufer Dr.-Ing. Christoph Teetz – 3.8.3 Viertakt-Mittelschnellläufer apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch – 3.8.4 Zwei-Takt Langsamläufer Dr.-Ing. Stefan Mayer – 3.8.5 Applikationen Dr.-Ing. Hinrich Mohr • 4 Einspritzsysteme – 4.1 Benzineinspritzung Dr.-Ing. Roger Busch – 4.2 Dieseleinspritzung Hon.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Hammer – 4.3 Großdieselmotoren Dr.-Ing. Ralph-Michael Schmidt Dipl.-Ing. Hartmut Schneider – 4.4 Hydraulische Einspritzmodelle Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski • 5 Aufladesysteme Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar Teil II: Verbrennung, Schadstoffe, Emissionsmesstechnik • 6 Reaktionskinetik – 6.1 Grundlagen apl.-Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch – 6.2 Reaktionskinetik von Kohlenwasserstoffen Dr.-Ing. Peter Eckert • 7 Schadstoffbildung und -reduktion Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

• 8 Emissionsmesstechnik Dr.-techn. Alexander Bergmann Kurt Engeljehringer Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann • 9 Verbrennungsdiagnostik Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer Dr.-techn. Ernst Winklhofer Teil III: 0D-, 1D- und Phänomenologische Modelle • 10 Grundlagen der Motorprozessrechnung Dr.-techn. Franz Chmela Dr.-techn. Gerhard Pirker Ao. Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer • 11 Phänomenologische Verbrennungsmodelle – 11.1 Dieselmotoren apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch – 11.2 Ottomotoren Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker Dr.-Ing. Peter Eckert Dr.-Ing. Sebastian Rakowski – 11.3 Groß-Gasmotoren Dr.-Ing. Franz Chmela Dr.-techn. Gerhard Pirker Ao. Univ.-Prof. Dr.-techn. Andreas Wimmer • 12 Abgasnachbehandlungssysteme Dr.-techn. Reinhard Tatschl Dr.-techn. Johann Wurzenberger • 13 Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl Dr.-techn. Hans-Michael Koegeler Teil IV: 3D-Simulation des Arbeitsprozesses • 14 Dreidimensionale Strömungsfelder Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto • 15 Simulation von Einspritzprozessen Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto • 16 Simulation der Verbrennung

XXXIII

XXXIV

Kapitel, Beiträge und Mitarbeiter

Dr.-Ing. Christian Krüger Dr. rer. nat. Frank Otto • 17 Simulation der Aufladung Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar Teil V: Systembetrachtungen und Ausblick • 18 Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebsstranges – 18.1 Zuküntige Entwicklungsziele Dr.-techn. Günter Fraidl Dr.-techn. Paul Kappus – 18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung Dr.-techn. Reinhard Tatschl Dr.-techn. Johann C. Wurzenberger • 19 Die Zukunt des Verbrennungsmotors – 19.1 Die Rolle des Verbrennungsmotors für die Mobilität der Zukunt Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher – 19.2 Objektive Beurteilung von Antriebskonzepten Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher – 19.3 Verbrennungsmotoren Gestern – Heute – Morgen Univ.-Prof. Dr.-Ing. Helmut Eichlseder – 19.4 Zusammenfassung und Ausblick Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher • Anhang A1 3D-CFD-Simulation mit dem FIRE-Code Dr.-techn. Reinhard Tatschl

Firmen- und Hochschulverzeichnis

Firmen • AUDI AG, Neckarsulm – Dr.-Ing. Christian Eiglmeier • AVL LIST GmbH, Graz, Austria – Dr.-techn. Alexander Bergmann – Kurt Engeljehringer – Dr.-techn. Günter Fraidl – Dr.-techn. Paul Kapus – Dr.-techn. Hans-Michael Koegeler – Dr.-Ing. Hinrich Mohr – Dr.-techn. Reinhard Tatschl – Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann – Dr.-techn. Ernst Winklhofer – Dr.-techn. Johann Wurzenberger • Daimler AG, Stuttgart – Dr.-Ing. Christian Krüger – Dr.-techn. Karl Maderthaner – Dr.-Ing. Heiko Lettmann – Dr. rer. nat. Frank Otto • Haußmann Consulting, Tettnang – Dipl.-Ing. Gerhard Haußmann • IAV GmbH, Berlin – Dr.-Ing. Maximilian Brauer – Dr.-Ing. habil. Wolfram Gottschalk – Dr.-Ing. Sebastian Rakowski • L’Orange GmbH, Stuttgart – Dr.-Ing. Ralph-Michael Schmidt – Dipl.-Ing. Hartmut Schneider • MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg – Dr.-Ing. habil. Rainer Golloch XXXV

XXXVI

– apl.-Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch • MAN Diesel & Turbo SE, Copenhagen – Dr.-Ing. Stefan Mayer • MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen – Dr.-Ing. Christoph Teetz • Robert Bosch GmbH, Stuttgart – Dr.-Ing. Roger Busch – Hon.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Hammer

Hochschulen • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher • Leibniz Universität Hannover – Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker – Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker • Large Engines Competence Center – Dr.-Ing. Franz Chmela • Technische Universität Graz, Austria – Dr.-techn. Gerhard Pirker • Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg – Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Helmut Tschöke • Technische Universität Berlin – Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar • Technische Universität Darmstadt – Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl • Technische Universität Graz, Austria – Univ.-Prof. Dr.-techn. Helmut Eichlseder – Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer

Firmen- und Hochschulverzeichnis

Autorenverzeichnis

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, http://www.tu-berlin.de Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl Technische Universität Darmstadt, Darmstadt, Deutschland, http://www.tu-darmstadt.de Dr. Alexander Bergmann AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-Ing. Maximilian Brauer IAV GmbH, Berlin, Deutschland, http://www.iav.de Dr.-Ing. Roger Busch Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland, http://www.bosch.de Dr.-Ing. Franz Chmela Large Engines Competence Center, Technische Universität Graz, Graz, Österreich, http://www.tugraz.at Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland, http://www.uni-hannover.de Dr.-Ing. Peter Eckert Laatzen, Deutschland Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Technische Universität Graz, Graz, Österreich, http://www.tugraz.at Dr.-Ing. Christian Eiglmeier AUDI AG, Neckarsulm, Deutschland, http://www.audi.de Kurt Engeljehringer AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr. Günter Fraidl AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-Ing. habil. Rainer Golloch MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg, Deutschland, http://www.mandieselturbo.com Dr.-Ing. habil. Wolfram Gottschalk IAV GmbH, Berlin, Deutschland, http://www.iav.de Hon.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Hammer Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland, http://www.bosch.de Dipl.-Ing. Gerhard Haußmann Haußmann Consulting, Tettnang, Deutschland XXXVII

XXXVIII

Autorenverzeichnis

Dr.-techn. Paul Kapus AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-techn. Hans-Michael Koegeler AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-Ing. Christian Krüger Daimler AG, Stuttgart, Deutschland, http://www.daimler.de Dr.-Ing. Heiko Lettmann Daimler AG, Stuttgart, Deutschland, http://www.daimler.de Dr.-techn. Karl Maderthaner Daimler AG, Stuttgart, Deutschland, http://www.daimler.de Dr.-Ing. Stephan Mayer MAN Diesel 5 Turbo SE, Kopenhagen, Dänemark, http://www.mandieselturbo.com Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker Tettnang, Deutschland, http://www.uni-hannover.de Dr.-Ing. Hinrich Mohr AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr. rer. nat. Frank Otto Daimler AG, Stuttgart, Deutschland, http://www.daimler.de Dr.-techn. Gerhard Pirker Large Engines Competence Center, Technische Universität Graz, Graz, Österreich, http://www.tugraz.at Dr.-Ing. Sebastian Rakowski IAV GmbH, Berlin, Deutschland, http://www.iav.de Dr.-Ing. Ralph-Michael Schmidt L’Orange GmbH, Stuttgart, Deutschland, http://www.lorange.com Dipl.-Ing. Hartmut Schneider L’Orange GmbH, Stuttgart, Deutschland, http://www.lorange.com Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland, http://www.kit.edu apl.- Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg, Deutschland, http://www.mandieselturbo.com Dr.-techn. Reinhard Tatschl AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-Ing. Christoph Teetz MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen, Deutschland, http://www.mtu.com Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Deutschland, http://www.ovgu.de Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer Technische Universität Graz, Graz, Österreich, http://www.tugraz.at

Autorenverzeichnis

XXXIX

Dr.-techn. Ernst Winklhofer AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com Dr.-techn. Johann Wurzenberger AVL LIST GmbH, Graz, Österreich, http://www.avl.com

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Einleitung Günter P. Merker

1.1 Vorbemerkungen Der Verbrennungsmotor hat in den letzten hundert Jahren als Antriebsaggregat für Landund Wasserfahrzeuge aber auch als Stationärmotor zum Antrieb von Arbeitsmaschinen und Generatoren eine weltweite Verbreitung gefunden und damit letztendlich die heutige Mobilität erst ermöglicht. Personen- und Nutzfahrzeuge werden überwiegend durch Ottobzw. Dieselmotoren angetrieben. Der Otto- bzw. Benzinmotor geht auf Nikolaus August Otto und auf Gottlieb Daimler mit Wilhelm Maybach und damit auf die Jahre 1876 und 1886 zurück. Rudolf Diesel hat die hermodynamik und die Konstruktion seines Dieselmotors in seinem Buch im Detail beschrieben (Diesel 1893). Im gleichen Jahr lief auch sein erster Versuchsmotor. Otto- und Dieselmotoren haben in den folgenden Jahren vielfältige Entwicklungsschritte erfahren, der Grundaufbau des Triebwerks und das Arbeitsprinzip sind jedoch gleich geblieben. Die Motoren sind mit der Zeit insbesondere leichter, kleiner oder größer, leistungsstärker, betriebssicherer aber technisch wesentlich aufwendiger und trotzdem kostengünstiger geworden. Wesentliche Fortschritte erfolgten in den letzen 30 Jahren durch die Erfüllung der vom Gesetzgeber schrittweise eingeführten Absenkung der Grenzwerte für die Schadstoffemissionen. Durch die Einführung von Hochdruck- und CommonRail Einspritzsystemen, ein- und zweistufiger Abgasturboaufladung sowie Downsizing und -speeding, um nur einige Schlagworte zu nennen, konnten der Brennstoffverbrauch, die Schadstoffemissionen und das Gewicht deutlich gesenkt und die Leistung wesentlich gesteigert werden. Eine detaillierte Darlegung der historischen Entwicklung des Verbrennungsmotors würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Der interessierte Leser sei auf van Basshuysen Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker B Tettnang, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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G.P. Merker und R. Teichmann

und Schäfer (2012), Heywood (1989), Cummins (1993) und Diesel (1893) und die dort zitierte Literatur verwiesen. Das Buch behandelt schwerpunktmäßig thermodynamische, strömungsmechanische und reaktionskinetische Prozessabläufe in Verbrennungsmotoren und alle diesbezüglichen Vorgänge im Lut- und Abgassystem einschließlich der Aufladung, der Brennstoffeinspritzung, der Verbrennung und Schadstoffbildung im Brennraum sowie der Abgasnachbehandlung. Darüber hinaus wird die erforderliche Abgasmesstechnik zur qualitativen und quantitativen Erfassung der Prozessdaten beschrieben. Des Weiteren werden mathematische Verfahren zu Prozessoptimierung erläutert sowie ein Ausblick auf die Zukunt des Verbrennungsmotors gegeben. Nichtbetrachtet werden die Motorkonstruktion, die Motormechanik, Festigkeits- und dynamische Probleme sowie tribologische Fragestellungen. Diese hemen werden ausführlich von Köhler und Flierl (2009) und Eifler et al. (2009) behandelt. Der Inhalt des Buches ist in fünf Teile gegliedert. Teil I umfasst die Kap. 2 bis 5 und erläutert die thermodynamischen Grundlagen des Hubkolbenmotors und die Funktionsweise des Verbrennungsmotors und seiner wesentlichen Komponenten entsprechend der Frage: „Wie funktioniert was?“ Dann folgen die Beschreibung von Einspritz- und Aufladesystemen und ihrer wesentlichen Bauteile. Dieser Teil entspricht etwa dem Inhalt einer Vorlesung über Verbrennungsmotoren. Teil II ist der Beschreibung der Verbrennung, Schadstoffbildung und -reduktion sowie der erforderlichen Messtechnik gewidmet und umfasst die Kap. 6 bis 9. Nach den Grundlagen der Reaktionskinetik, der Schadstoffemission, der Druckindizierung und der Druckverlaufsanalyse wird die Messtechnik zur Erfassung gasförmiger und fester Bestandteile im Abgas erläutert. Im Rahmen der Verbrennungsdiagnostik werden optischen Messverfahren ausführlich beschrieben. Dieser Teil beinhaltet den Stoff einer Vorlesung über motorische Verbrennung. Im Teil III mit den Kap. 10 bis 13 werden sowohl 0D- und 1D-Modelle zur Simulation des Gesamtprozesses als auch des gesamten Antriebstrangs bzw. Fahrzeugs ausführlich beschrieben. Die folgenden phänomenologischen Multizonenmodelle, häufig auch als quasidimensionale Modelle bezeichnet, sind im Grunde eine Weiterentwicklung des einfachen Zweizonenmodells. Dabei wird jedoch der Brennraum statt in zwei in beliebig viele Zonen unterteilt, aber jede Zone immer noch als thermodynamisch ideal gerührt betrachtet wird. Im Weiteren werden Vorgänge in Abgasnachbehandlungssystemen behandelt sowie Strategien zur Optimierung von Entwicklungsprozessen vorgestellt. Dieser Teil könnte der Inhalt einer Vorlesung über Motorsimulation sein. Teil IV mit den Kap. 14 bis 17 ist der 3D-Simulation des Arbeitsprozesses gewidmet und beschreibt die Grundlagen der 3D-CFD-Strömungsmechanik, Strömungsvorgänge in Aufladeaggregaten, die Simulation von Einspritzvorgängen und schließlich die 3D-Simulation des Verbrennungsablaufs. Wegen des nicht unerheblichen numerischen Aufwands werden mit diesen 3D-Modellen bzw. mit den kommerziell verfügbaren Simulationsprogrammen in der Regel nur sehr spezielle Fragestellungen bearbeitet. Die verwendeten Modelle selbst sind darüber hinaus Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben. Aber unabhängig von die-

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Einleitung

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sen Einschränkungen wird die 3D-CFD Simulation in der Zukunt einen noch wesentlich breiteren Eingang in die Motorenentwicklung finden. In Teil V mit den Kap. 18 und 19 werden abschließend der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs betrachtet, Möglichkeiten zur Systemoptimierung aufgezeigt und ein Ausblick auf die Zukunt des Verbrennungsmotors gegeben. Insgesamt spannt das Buch damit einen Bogen von der Beschreibung grundlegender Zusammenhänge über einfache Simulationsverfahren bis hin zu komplexen 3D-Modellen. Die einzelnen Kapitel können weitgehend unabhängig voneinander gelesen werden.

1.2 Modellbildung und Simulation Eine wesentliche Aufgabe der Ingenieurwissenschaten ist die möglichst exakte Beschreibung technischer Prozesse mit dem Ziel, das dynamische Verhalten komplexer Systeme zu verstehen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und damit zuverlässige Aussagen über das küntige Verhalten dieser Systeme zu ermöglichen. Als System kann je nach Fragestellung nur der Brennraum allein, der vollständige Verbrennungsmotor oder das gesamte Fahrzeug betrachtet werden. Im Hinblick auf Umweltgesichtspunkte beim Einsatz von Verbrennungsmotoren als Antriebssysteme für Land-, Wasser- und Lutfahrzeuge, für Dauerund Notstromaggregate, sowie für Klima- und Kälteanlagen, kommt dabei der Gesamtprozessanalyse zunehmend eine besondere Bedeutung zu. Auch was heute fast alltägliches Werkzeug in der Entwicklung von Motoren oder gesamter Systeme ist, hat eine geschichtliche Entwicklung, die in den 60er Jahren mit einem Modell für die Kreisprozess-Simulation von Großdieselmotoren, der Füll- und Entleermethode, beginnt. Die damals zur Verfügung stehenden Rechenanlagen waren aber im Vergleich zu heutigen extrem langsam und ihre Speicherkapazität sehr begrenzt. Deshalb konnte nur mit einfachen, nulldimensionalen Modellen gerechnet werden, die zudem noch in kleinere Programmabschnitte aufgeteilt werden mussten. Näheres dazu findet sich bei Woschni (1965, 1967) und Ramos (1989). Grundsätzlich galt und gilt als Voraussetzung für die numerische Simulation, die Erstellung eines den technischen Prozess beschreibenden Modells. Unter dieser Modellbildung versteht man eine zielorientierte Vereinfachung der Realität durch Abstraktion. Dazu muss der reale Prozess in einzelne Prozessabschnitte zerlegt und damit in Teilprobleme aufgespaltet werden und diese Teilprobleme müssen dann physikalisch beschreibbar und mathematisch formulierbar sein. An das resultierende Modell müssen eine Reihe von Forderungen gestellt werden: • Das Modell muss formal richtig, d. h. widerspruchsfrei sein. Zur Frage „richtig oder falsch“ wäre anzumerken, dass Modelle zwar formal richtig sein können, aber nicht den zu untersuchenden Prozess beschreiben, bzw. auf diesen nicht anwendbar sind. Es gibt auch Fälle, in denen das Modell physikalisch zwar nicht korrekt ist, aber trotzdem den

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G.P. Merker und R. Teichmann

Prozess hinreichend genau beschreibt; dies trit z. B. auf stark vereinfachte nulldimensionale Modelle zu. • Das Modell muss die Realität möglichst genau beschreiben und auch mathematisch lösbar sein. Man sollte sich immer bewusst sein, dass jedes Modell nur eine Annäherung an die Realität ist und deshalb niemals mit der Realität vollkommen übereinstimmen kann. • Der für die Lösung des Modells erforderliche numerische Aufwand muss im Rahmen der Aufgabenstellung vertretbar sein. • Im Hinblick auf die Modelltiefe gilt die Forderung: So einfach wie möglich und so komplex wie nötig. „. . . wir konstruieren Modelle, so einfach wie möglich und so komplex wie nötig. Doch jedes Modell, so komplex es auch sein mag, ist weniger komplex als die Wirklichkeit – wahrscheinlich unendlich viel weniger, oder, die Wirklichkeit ist unendlich komplex“, (Springer 2012). Im Folgenden werden nur parametrische, mathematische Modelle betrachtet. Parametrische Modelle sind mathematische Formalismen zur Beschreibung des Systemverhaltens, welche auf physikalischen und chemischen Grundgesetzen beruhen und nur relativ wenige experimentell zu bestimmende Parameter aufweisen. Diese Modelle werden typischerweise durch einen Satz von partiellen oder gewöhnlichen Differenzialgleichungen beschrieben. Die Vorteile dieses Vorgehens sind eine drastische Reduzierung des Versuchsaufwands und damit eine deutliche Zeiteinsparung bei Entwicklungsaufgaben, vgl. Kader und Kruse (2000). Für die Erstellung von mathematischen Modellen zur Simulation der zeitlich und räumlich veränderlichen Strömungs-, Temperatur- und Konzentrationsfelder mit chemischen Reaktionen, ist die Kenntnis der Grundlagen der hermodynamik, der Strömungsmechanik, der Wärme- und Stoffübertragung und der chemischen Reaktionskinetik eine wesentliche Voraussetzung. Bei der Simulation von Strömungsfeldern mit chemischen Reaktionen ist zu beachten, dass physikalische und chemische Prozesse auf sehr unterschiedlichen Zeit- und Längenskalen ablaufen können. Chemische Reaktionen laufen in der Regel sehr schnell ab, physikalische Mischungsprozesse dagegen meist relativ langsam. Die Modellierung dieser Prozessabläufe ist meist einfacher, wenn die Zeitskalen sehr unterschiedlich sind, weil dann für den physikalischen oder chemischen Prozess vereinfachende Annahmen getroffen werden können, und sie ist in der Regel sehr komplex, wenn die Zeitskalen von gleicher Größenordnung sind. Dieser Sachverhalt wird im Teil II ausführlich erläutert. Im Folgenden wird etwas näher auf die Arten von Modellen im Hinblick auf den Verbrennungsmotor eingegangen. Zunächst ist festzuhalten, dass sowohl der eigentliche thermodynamische Kreisprozess (insbesondere die Verbrennung) als auch die Laständerung des Motors instationäre Vorgänge sind. Selbst wenn der Motor in einem bestimmten Betriebszustand stationär betrieben wird (d. h. Last und Drehzahl sind konstant) läut der thermodynamische Kreisprozess instationär ab.

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Einleitung

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Für die Prozesssimulation in der Motoren- und Fahrzeugentwicklung verwendet man je nach Aufgabenstellung unterschiedliche Modelle, wobei die im Brennraum ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse mehr oder weniger detailliert beschrieben werden. Für die Simulation des Beschleunigungsverhaltens eines kompletten Fahrzeugs werden im Rahmen der Gesamtprozessanalyse nulldimensionale Modelle eingesetzt, wobei die Vorgänge im Brennraum selbst mit Ein- oder Mehrzonenmodellen beschrieben werden. Diese rein thermodynamischen Modelle basieren auf der sogenannten Füll- und Entleermethode, d. h. die einzelnen Zonen werden als ideal durchmischt vorausgesetzt (thermodynamischer Rührkessel) und das Strömungsfeld im Brennraum wird vollständig außer Betracht gelassen. Die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung und der Wärmeübergang an den Oberflächen des Brennraums werden mit einfachen halbempirischen Ansätzen, Teilsysteme wie Regler oder Aufladeaggregate dagegen häufig mittels Kennfeldern beschrieben. Für die Berechnung der Vorgänge in den Lut- oder Abgasleitungen wird meist die eindimensionale Gasdynamik herangezogen. Für die Untersuchung von Detailprozessen im Brennraum, wie die NO- oder Rußbildung, werden dagegen sogenannte Phänomenologische Multizonenmodelle verwendet. Bei diesen Modellen wird der Brennraum in beliebig viele, thermodynamisch ebenfalls als ideal durchmischt gedachte Zellen unterteilt. Die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung in den Zellen sowie die Transportprozesse zwischen diesen werden ebenfalls mit detaillierten physikalischen und chemischen Ansätzen beschrieben. Mit diesen Multizonenmodellen kann die Gemischbildung, die Wärmfreisetzung durch die Verbrennung und die Schadstoffbildung in vielen Fällen hinreichend genau beschrieben werden. Sie lassen zwar das Strömungsfeld im Brennraum vollständig außer Betracht, sind aber bezüglich der Modellierungstiefe wesentlich aufwendiger als die einfachen Mehrzonenmodelle. Sie liegen damit in etwa zwischen den für die Gesamtprozessanalyse verwendeten Mehrzonen- und den nachfolgend beschriebene 3D-CRFD-Modellen. CRFD-Modelle (Computational Reactive Fluid Dynamics) werden für eine detaillierte Untersuchung der Vorgänge bei der Verbrennung eingesetzt, wobei dafür aber das Strömungsfeld im Brennraum mit berechnet werden muss. Dafür stehen eine Reihe kommerziell verfügbarer CFD-Codes zur Verfügung, die in der Regel auf den Favre-gemittelten Navier-Stokes-Gleichungen beruhen, aber um Modelle zur Beschreibung der Gemischbildung, Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung erweitert werden müssen. Diese Modellansätze sind jedoch wesentlich komplexer als diejenigen für die phänomenologischen Modelle. Die kontinuierliche Gasphase in der Eulerformulierung muss dabei mit der dispersen Phase der flüssigen Brennstotropfen in der Lagrange-Formulierung gekoppelt werden. Die richtige Wahl dieser Kopplung, des zu verwendeten Gitternetzes und eines geeigneten Turbulenzmodells, sind auch heute noch im Hinblick auf Rechenzeit und Speicherplatzbedarf durchzuführen. Im Anhang ist ein kommerziell verfügbarer CRFD-Code beschrieben. Auf noch wesentlich komplexere Modelle wie die Large-Eddy-Simulation (LES) oder die Direkte-Numerische-Simulation (DNS) wird im Teil IV des Buches näher eingegangen.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Diese Modelle sind Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben und spielen in der Motorenentwicklung noch eine untergeordnete Rolle.

1.3 Verbrennungsdiagnostik Mathematische Modelle zur Simulation technischer Prozessabläufe sind immer eine Annäherung an den tatsächlichen Prozess. Die Parameter dieser Modelle müssen an experimentelle Messwerte angepasst werden, weshalb diese Modelle grundsätzlich mit Fehlern behatet sind. Bei der Analyse von Simulationsergebnissen sind diese Fehler kritisch zu bewerten. Auch damit wird nochmals deutlich, dass jedes Modell nur eine Approximation des betrachteten realen Systems darstellt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Druckverlaufsanalyse, mit dem gemessenen Druckverlauf im Brennraum, der sogenannten Druckindizierung, müssen die Parameter der 0D-Modelle für den Brennverlauf und den Wärmeübergang angepasst werden. Für die Abstimmung und Überprüfung von 3D-Modellen werden aufwendige und sehr komplexe optische und Lasermesstechniken benutzt. Die Verbrennungsdiagnostik hat in den letzten Jahren zunehmend zu einem besseren Verständnis der bei der Verbrennung ablaufenden vielschichtigen Vorgänge geführt. Andererseits können mit Hilfe von Simulationsergebnissen die im Brennraum ablaufenden Prozesse besser veranschaulicht und damit verstanden und interpretiert werden. Im Grunde ist es ein Wechselspiel: Verbrennungsdiagnostik und -simulation sind zwei sich gegenseitig ergänzende Verfahren zum besseren Verstehen und zur zielgerichteten Beeinflussung der Prozessabläufe. Die sukzessiven Reduzierung der gesetzlich festgelegten Grenzwerte für die Schadstoffkomponenten Kohlendioxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Partikel (Ruß) und Stickstoffoxide erfordert nicht nur innermotorische Maßnahmen sondern auch immer aufwendigere und effektivere Abgasnachbehandlungssysteme. Die Messung der durch diese Maßnahmen geringeren Konzentrationen im Abgas zieht automatisch aufwendigere Messverfahren nach sich. Verbrennungssimulation und Verbrennungsdiagnostik sind Gegenstand aktueller Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Über die neuesten Ergebnisse wird regelmäßig auf nationalen und internationalen Tagungen berichtet. Für den deutschen Sprachraum sei der interessierte Leser auf AVL (2012), Eichlseder (2013) und Leipertz (2011) hingewiesen.

1.4 Möglichkeiten und Grenzen von Simulationsverfahren Abschließend wollen wir der Frage nachgehen: Warum brauchen wir überhaupt die Simulation, welche Vorteile bietet sie denn? Diese Frage mag Insidern müßig erscheinen, ihre Beantwortung ist aber trotzdem wichtig. Zunächst, die Simulation ist in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Standardwerkzeug in der Motoren- und Fahrzeugentwick-

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Einleitung

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lung geworden und aus Entwicklungs- und Versuchsabteilungen nicht mehr wegzudenken. Die Simulation hat ganz entscheidend zu einer Verbesserung und Verkürzung von Konstruktions- und Entwicklungsprozessen geführt. Die Simulation spielt ihre Stärke dann aus, wenn sie: • • • •

für die Untersuchung alternativer Lösungsvorschläge, für die Betrachtung des Einflusses einzelner Parameter, als „Ersatz“ für aufwendige oder einfach nicht möglicher Experimente oder auch einmal zur Unterstützung von nicht erklärbaren Versuchsergebnissen

eingesetzt wird. Damit wird das Verständnis über komplexe Zusammenhänge verbessert oder überhaupt erst möglich, werden Zeit und Kosten für aufwendige Versuche drastisch reduziert. Richtig eingesetzt, können mit Hilfe der Simulation Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und damit verhindert werden. Es ist klar abzusehen, das die Simulation in der Zukunt noch einen wesentlich größeren Anteil bei der Entwicklung und Optimierung von Motoren und kompletten Aggregaten haben wird, was durch zunehmend schnellere und leistungsstärkere Rechner einerseits und durch zuverlässige und kommerziell zur Verfügung stehende Simulationsprogramme andererseits, begünstigt wird. Zusätzlich ist aber auch zu bedenken, dass jedes Modell, wie bereits gesagt, eine mehr oder weniger gute Abbildung des zu untersuchenden technischen Systems ist und deshalb niemals vollständig mit diesem übereinstimmen kann. Alle Modelle beinhalten zudem Parameter, die in Versuchen bestimmt werden müssen. Dadurch sind die Modelle auch mit allen Fehlern, die im Versuch autreten, belastet. Durch den Abgleich der berechneten mit den gemessenen Werten können zwar einerseits die Modelle sukzessive verbessert und andererseits auch Versuchsfehler erkannt werden, die grundsätzliche Problematik bleibt aber bestehen. Die Notwendigkeit der Verifikation und die damit einhergehende ständige Verbesserung der Modelle mahnt aber auch zur Vorsicht. Diese nulldimensionalen Modelle können in der Regel nur dann für Parameterstudien von Motorvarianten verwendet werden, wenn z. B. das Brennverfahren selbst nicht verändert wurde. Darüber hinaus sind die Modelle nicht nur deshalb eine Annäherung an das reale System, weil bestimmte Systemeigenschaten wegen der vorhandenen Komplexität nicht hinreichend genau erfasst werden können, sondern insbesondere auch deshalb, weil die verwendeten mathematischen und physikalischen Modelle selbst Näherungen enthalten. So kann z. B. das verwendete Berechnungsgitter mit Blick auf eine realistische Rechenzeit nicht hinreichend fein genug strukturiert werden. Die turbulente Feinstruktur des Strömungsfeldes muss deshalb mit sogenannten Turbulenzmodellen erfasst werden. Der Wärmeübergang durch Konvektion und Strahlung an den Oberflächen des Brennraums muss ebenfalls modelliert werden und schließlich hat die Struktur des verwendeten Gitternetzes selbst einen erheblichen Einfluss auf die Genauigkeit des Ergebnisses. Auf diese Gesichtspunkte wird im Teil IV ausführlich eingegangen. Der Einsatz von kommerziell verfügbaren Simulationsprogrammen erfordert deshalb eine gute Kenntnis der in diesen Programmen implementierten Modelle bzw. der verwen-

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G.P. Merker und R. Teichmann

deten physikalischen und chemischen Ansätze und darüber hinaus eine kritische Beurteilung der Simulationsergebnisse. Zum Schluss noch folgender Hinweis: Bei der Verwendung eines vorhandenen Simulations-Programms zur Lösung neuer Aufgabenstellungen sind stets die Voraussetzungen, die bei der Erstellung der in diesem Programm verwendeten Modelle getroffen wurden, kritisch zu überprüfen. Dabei ist zu klären, ob und wie weit das vorhandene Programm zur Lösung des neuen Problems tatsächlich geeignet ist, so genannte Universal-Modelle sind mit Vorsicht zu betrachten. Man sollte sich dabei immer der Tatsache bewusst sein, dass „schöne bunte Bilder“ eine enorme Suggestivkrat auf den „unkritischen“ Betrachter ausüben.

Literatur AVL Deutschland GmbH: 10. Int. Symp. f. Verbrennungsdiagnostik. Baden-Baden (2012) Diesel, R.: heorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors zum Ersatz der Dampfmaschine und der heute bekannten Verbrennungsmotoren. Verlag von Julius Springer, Berlin (1893). Reprint (1986) VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf Eichlseder, H. (Hrsg.): Der Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors, 13. Tagung. TU-Graz, Graz (2011) Eifler, W., Schlücker, E., Spicher, U., Will, G.: Küttner Kolbenmaschinen, 7., neu bearbeitete Aufl. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2009) Kader, J., Kruse, T.: Parameteroptimierung an Ottomotoren mit Direkteinspritzung. Motortechnische Zeitschrit MTZ 61, 378–384 (2000) Köhler, E., Flierl, R.: Verbrennungsmotoren, 5., überarbeitete und erweiterte Aufl. Vieweg + Teubner, Wiesbaden (2009) Leipertz, A. (Hrsg.): Motorische Verbrennung, X. Tagung. ESYTEC Energie- und Systemtechnology GmbH, Erlangen, München (2011) Ramos, J.I.: Internal Combustion Engine Modelimg. Hemisphere Publishing Corp., New York Washington Philadelphia London (1989) Springer, M.: Komplexität und Emergenz. Spektrum d. Wissenschat 9, 48–54 (2012) Woschni, G.: Elektronische Berechnung von Verbrennungsmotor- Kreisprozessen M.A.N.-Forschungshet 12. Interner Bericht Augsburg (1965) Woschni, G.: A Universally Applicable Equation fort he Instantaneous Heat Transfer, Coefficient in the Internal Conbustion Engine. SAE-Paper 670931 (1967) van Basshuysen, R., Schäfer, F. (Hrsg.): Handbuch Verbrennungsmotoren, 6., aktualisierte und erweiterte Auflage. Vieweg+Teubner Verlag/Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (2012)

Teil I: Der Hubkolbenmotor

Thermodynamische und chemische Grundlagen Günter P. Merker, Gerhard Haußmann, Peter Eckert, Sebastian Rakowski, Helmut Eichlseder und Helmut Tschöke

2.1

Energiewandlung

Bei der Energiewandlung kann man im Sinne einer hierarchischen Ordnung zwischen allgemeiner, thermischer und motorischer Energiewandlung unterscheiden. Unter allgemeiner Energiewandlung wird dabei die Umsetzung von Primär- in Sekundärenergie durch einen technischen Prozess in einer Energiewandlungsanlage verstanden, siehe Abb. 2.1. Die thermische Energiewandlung unterliegt den Hauptsätzen der hermodynamik und kann formal, wie in Abb. 2.2 gezeigt, beschrieben werden. Der Verbrennungsmotor bzw. die Gasturbine sind spezielle Energieumwandlungsanlagen, bei denen im Brennraum bzw. in der Brennkammer die im Brennstoff gebundene chemische Energie zunächst in thermische und diese anschließend durch das Triebwerk in mechanische Energie gewandelt wird. Bei der stationären Gasturbinenanlage wird dieUniv.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker B Tettnang, Deutschland e-mail: [email protected] Dipl.-Ing. Gerhard Haußmann Haußmann Consulting, Tettnang, Deutschland Dr.-Ing. Peter Eckert B Laatzen, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Sebastian Rakowski IAV Berlin GmbH, Berlin, Deutschland Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder Technische Universität Graz, Graz, Österreich Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.h.c. Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, Deutschland G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

11

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.1 Schema der allgemeinen Energiewandlung

Abb. 2.2 Schema der thermischen Energiewandlung Abb. 2.3 Schema der Energiewandlung im Verbrennungsmotor bzw. in der Gasturbine

se dann durch den nachgeschalteten Generator in elektrische Energie umgewandelt, siehe Abb. 2.3.

2.2 Kinematik des Kurbeltriebs Verbrennungsmotoren sind Kolbenmaschinen, bei denen man je nach Ausbildung des Brennraums bzw. des Kolbens zwischen Hubkolbenmotoren und Rotationskolbenmoto-

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

13

Abb. 2.4 Bauarten des Hubkolbenmotors Abb. 2.5 Triebwerk des Hubkolbenmotors

ren mit rotierender Kolbenbewegung unterscheidet. Abbildung 2.4 zeigt Prinzipskizzen möglicher Bauformen des Hubkolbenmotors, wobei heute praktisch nur noch die Varianten 1, 2 und 4 gebaut werden. Für eine ausführliche Beschreibung anderer Ausführungen des Verbrennungsmotors sei z. B. auf Heywood (1989), van Basshuysen und Schäfer (2006, 2012), Maas (1979) und Zima (1987, 2005) verwiesen.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.6 Kinematik des Kurbeltriebs

Das Triebwerk setzt die oszillierende Bewegung des Kolbens in die rotierende Bewegung der Kurbelwelle um, siehe Abb. 2.5. Der Kolben kehrt seine Bewegung im oberen Totpunkt (OT) und im unteren Totpunkt (UT) um. In diesen beiden Totpunkten ist die Geschwindigkeit des Kolbens jeweils gleich Null, die Beschleunigung hat dort jedoch ein Maximum. Zwischen dem oberen Totpunkt und der Unterseite des Zylinderkopfes verbleibt das Kompressionsvolumen V c (bei Hubkolbenverdichtern auch der so genannte schädliche Raum). Abbildung 2.6 zeigt die Kinematik eines Kurbeltriebs mit Schränkung, bei dem sich die Kurbelwellenlängsachse nicht mit der Zylinderlängsachse schneidet, sondern um die Länge e versetzt ist. Für den Kolbenweg s(φ) folgt aus Abb. 2.6:

woraus sich mit

schließlich s(φ) =

s(φ) = c  − c  − r cos(φ − β) ,

(2.1)

sin β =

e e bzw. β = arcsin ( ), r+l r+l c  = e − r sin(β − φ) , √ c  = l  − c  und √ c  = (r + l) − e 

√ √   (r + l) − e  − l  − [e + r sin(φ − β)] − r cos(φ − β)

(2.2)

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

15

ergibt. Die Ableitung liefert für die Kolbengeschwindigkeit die Beziehung ds r [e + r sin(φ − β)] cos(φ − β) . = r sin(φ − β) + √ dφ  l  − [e + r sin (φ − β) ]

(2.3)

Mit der Definition des Zylindervolumens

π V (φ) = VKomp + D  s(φ) 

(2.4)

folgt für die Änderung des Zylindervolumens

π ds dV = D . dφ  dφ

(2.5)

Mit dem Schubstangenverhältnis λs = r/l folgt schließlich für den Grenzfall e = 0

und

s(φ) = r {[ − cos(φ)] +

√  [ −  − λs sin (φ)]} λs

⎤ ⎡ sin(φ) ds λs ⎥ ⎢ = r ⎢sin(φ) + √ ⎥.  ⎢  dφ   − λs sin (φ) ⎥ ⎦ ⎣

(2.6)

(2.7)

Für kleine λs kann der Ausdruck unter der Wurzel in (2.6) entsprechend √ λ λ  − λs sin (φ) =  − s sin (φ) − s sin (φ) − . . .  

in eine Taylor-Reihe entwickelt werden, wobei der dritte Term für λs = 0,25 bereits kleiner als 0,00048 wird und deshalb in der Regel vernachlässigt werden kann. Mit Hilfe einfacher trigonometrischer Umformungen erhält man damit schließlich für den Kolbenweg λs s =  − cos(φ) + ( − cos(φ)) . r 

Mit der Winkelgeschwindigkeit ω

erhält man für die Kolbengeschwindigkeit

dφ =ω dt

ds ds dφ ds = =ω dt dφ dt dφ

(2.8)

16

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.7 p,V-Diagramm für das 4-Takt- und das 2-Takt-Verfahren

den Ausdruck

ds λs = rω [sin(φ) + sin(φ)] dt  und für die Kolbenbeschleunigung

schließlich

(2.9)

2 d2 s d2 s dφ   d s ) = ( = ω dt  dφ  dt dφ 

d2 s = rω  [cos(φ) + λs cos(φ)] . (2.10) dt  Im Hinblick auf den Ladungswechsel unterscheidet man beim Hubkolbenmotor zwischen dem 4-Takt- und dem 2-Takt-Verfahren und bezüglich des Brennverfahrens zwischen Diesel- und Ottomotoren. Beim 4-Takt-Verfahren, siehe auch Abb. 2.7 links, findet der Ladungswechsel in den beiden Takten Ausschieben und Ansaugen statt, was durch die Verdrängerwirkung des Kolbens und durch die Ventile geregelt wird. Die Aus- und Einlassventile öffnen vor und schließen nach den Totpunkten, wobei ein frühes Öffnen des Auslassventils zwar zu Verlusten bei der Expansionsarbeit aber auch zu einer Verringerung der Ausschiebearbeit führt. Mit zunehmender Ventilüberschneidung steigen die Spülverluste an, und der effektive Wirkungsgrad nimmt ab. Moderne 4-Takt-Motoren sind in der Regel mit je zwei Einlass- und Auslassventilen ausgerüstet. Beim 2-Takt-Verfahren erfolgt der Ladungswechsel während sich der Kolben in der Nähe des unteren Totpunktes befindet. Bei so genannten schlitzgesteuerten Motoren wird das Abgas vom einströmenden Frischgas aus dem Zylinder geschoben, wenn der Kolben die im unteren Bereich des Zylinders angeordneten Ein- und Auslassquerschnitte (Schlitze) überstreicht. Bei größeren Motoren werden statt der Auslassschlitze meist Auslassventile verwendet, die dann im Zylinderkopf untergebracht sind. Statt der so genannten

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

17

Umkehrspülung hat man dann die wesentlich effektivere Gleichstromspülung. Für weitere Details sei auf Merker und Gerstle (1997) verwiesen.

2.3

Kreisprozesse

2.3.1 Grundlagen In diesem Kapitel werden die für unsere Zielsetzung wesentlichen Grundlagen der hermodynamik kurz erläutert, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Baehr und Kabelac (2009), Hahne (2010), Lucas (2001), Stephan et al. (2009) und Reimann (2010). Zur Simulation verbrennungsmotorischer Prozesse wird der Verbrennungsmotor in einzelne Komponenten bzw. Teilsysteme zerlegt, die man grundsätzlich entweder als geschlossene oder offene thermodynamische Systeme betrachten kann. Zur Bilanzierung dieser Systeme verwendet man die Massenbilanz (Kontinuitätsgleichung) dm ˙−m ˙ =m dt

(2.11)

und die Energiebilanz (1. Hauptsatz der hermodynamik)

mit

dU ˙ + E˙ + E˙ = Q˙ + W dt

(2.12)

c ˙ (h + ) E˙ = m 

für das in Abb. 2.8 gezeigte offene, stationär durchströmte System (Fließsystem), bzw. dU ˙ = Q˙ + W dt

(2.13)

für das in Abb. 2.9 gezeigte geschlossene System (Brennraum). Bei geschlossenen Systemen fließt über die Systemgrenze keine Masse und somit auch keine Enthalpie. Unter Vernachlässigung der Blow-By-Verluste kann der Brennraum (Zylinder) während des so genannten Hochdruckprozesses (Kompressions- und Expansionstakt) als geschlossenes System betrachtet werden. Im Gegensatz dazu stellt ein offenes System z. B. einen Behälter oder einen Leitungsabschnitt dar, bei dem Masse über die Systemgrenze fließen kann. Bei Vernachlässigung der Reibung bzw. Dissipation mechanischer Arbeit in Wärme erhält man für die Volumenarbeit ˙ = −p dV . (2.14) W dt

18

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.8 Offenes thermodynamisches System (- - - - - Systemgrenzen)

Abb. 2.9 Geschlossenes thermodynamisches System (- - - - - Systemgrenzen)

Beim offenen System fasst man die an den Systemgrenzen übertragene thermische Energie und die Ein- bzw. Ausschiebearbeit zweckmäßigerweise zur Enthalpie

zusammen. Die thermische Zustandsgleichung

h ≡ u + pv f (p, T, v) = 

(2.15)

(2.16)

verknüpt die drei thermischen Zustandsgrößen Druck, Temperatur und Volumen und die kalorische Zustandsgleichung u = u(T, v) bzw. (2.17) h = h(p, T) beschreibt die innere Energie als Funktion von Temperatur und Volumen bzw. die Enthalpie als Funktion von Druck und Temperatur. Im Folgenden wollen wir die zu betrachtenden Stoffe zunächst als ideale Gase betrachten, wofür die thermische Zustandsgleichung pv = RT

(2.18)

gilt. Weil die innere Energie des idealen Gases nur von der Temperatur abhängig ist, folgt mit (2.18) aus (2.15), dass dies auch für die Enthalpie zutrit. Für die differenzielle Ände-

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

19

rung der kalorischen Größen des idealen Gases gilt damit du = cv (T)dT

Für ideales Gas gilt

dh = cp (T)dT .

bzw.

R = cp (T) − cv (T)

und

κ=

cp . cv

(2.19)

(2.20) (2.21)

Für reversible Zustandsänderungen gilt der 2. Hauptsatz der hermodynamik in der Form Tds = dq . (2.22) Damit folgt mit (2.14) aus (2.13)

du = −pdv + Tds .

(2.23)

Mit (2.19) folgt daraus für die Steigung der Isochoren eines perfekten Gases (cv und cp sind konstant) T dT ( ) = . (2.24) ds s cv In Analogie dazu folgt für die Steigung der Isobaren (

T dT ) = , ds s cp

für die Isotherme und die Isentrope folgt dp p =− dv v

bzw.

dp p = −κ . dv v

Abbildung 2.10 zeigt den Verlauf der einfachen Zustandsänderungen im p,v- und T,sDiagramm. Mit den obigen Beziehungen erhält man schließlich für die Energiebilanz des geschlossenen Systems dT dQ dv = −p . (2.25) mcv dt dt dt Unter Berücksichtigung der Enthalpieströme und der übertragenen kinetischen Energie an den Systemgrenzen erhält man für die Energiebilanz des offenen Systems mcv

dT dm dQ dW c c ˙  (h  +  ) − m ˙  (h  +  ) . + cv T = + +m dt dt dt dt  

(2.26)

20

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.10 Verlauf der einfachen Zustandsänderung im p, v- und im T, s-Diagramm

Für stationär durchströmte offene Systeme folgt daraus für den Fall, dass keine Arbeit übertragen wird, dQ c c ˙ [(h  − h  ) + (  −  )] = m . (2.27)   dt

Mit dieser Beziehung kann die Durchfluss- bzw. Ausflussgleichung zur Berechnung der Massenströme durch Drosselstellen bzw. durch Ventile abgeleitet werden. Wir betrachten den Ausströmvorgang aus einem unendlich großen Behälter und setzen voraus, dass die Strömung adiabat verläut. Mit den Indizes „0“ für das Innere des Behälters und „1“ für den Ausströmungsquerschnitt folgt mit c0 = 0 aus (2.27)

Mit der Adiabatenbeziehung

folgt daraus zunächst

c  = h − h .  T p =( ) T p

(2.28)

κ− κ

(2.29)

κ− ⎤ ⎡ ⎢ T c  p κ ⎥ ⎢ = cp T ( − ) = c p T ⎢ − ( ) ⎥ ⎥  T p ⎢ ⎥ ⎣ ⎦

(2.30)

und weiter für die Geschwindigkeit c1 im Ausströmungsquerschnitt  κ− ⎤ ⎡  κ ⎥ ⎢ p  κ   RT ⎢ c =  −( ) ⎥ ⎥. ⎢ κ− p ⎥ ⎢ ⎦ ⎣

(2.31)

Mit der Gleichung für das ideale Gas folgt aus (2.29) für das Dichteverhältnis 

p κ ρ =( ) . ρ p

(2.32)

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

21

Abb. 2.11 Ausflussfunktion p Ψ ( p  , κ)

Damit ergibt sich für den Massenstrom

im Austrittquerschnitt die Beziehung

wobei

˙ = A ρ c m

√ p ˙ = A  ρ  p  Ψ (  , κ) , m p

  κ+ ⎤ ⎡  p p κ ⎥ p κ  κ ⎢ ⎢  Ψ ( , κ) =  ( ) −( ) ⎥ ⎥ p κ− ⎢ p ⎥ ⎢ p ⎦ ⎣

(2.33)

(22.34)

die so genannte Ausflussfunktion ist, die lediglich vom Druckverhältnis p1 /p0 und vom Isentropenexponenten κ abhängt. Abbildung 2.11 zeigt den Verlauf der Ausflussfunktion für die verschiedenen Isentropenexponenten. Die Maxima der Ausflussfunktion ergeben sich aus der Beziehung ∂Ψ

∂ ( p  ) p

=  für

Ψ = Ψmax .

(2.35)

Damit erhält man für das so genannte kritische Druckverhältnis die Beziehung κ

p  κ− ( ) =( ) p  krit κ+

bzw.

(

T  ) = . T krit κ + 

(2.36)

22

G.P. Merker und R. Teichmann

Setzt man diese Beziehung in (2.31) für die isentrope Ausströmgeschwindigkeit ein, dann folgt schließlich √ (2.37) c ,krit = κRT . Für die isentrope Strömung folgt aus (2.32)

dp p = κ = κRT . dρ ρ

(2.38)

Mit der Definition der Schallgeschwindigkeit a≡



dp dρ

(2.39)

folgt damit für die Geschwindigkeit im Ausflussquerschnitt a =



κRT .

(2.40)

Die Strömungsgeschwindigkeit im engsten Querschnitt einer Drosselstelle oder im Ventil kann damit maximal Schallgeschwindigkeit erreichen.

2.3.2 Geschlossene Kreisprozesse Die einfachsten Modelle für den tatsächlichen Motorprozess sind geschlossene, innerlich reversible Kreisprozesse mit Wärmezu- und -abfuhr, die durch folgende Eigenschaten gekennzeichnet sind: • die chemische Umwandlung der Brennstoffe infolge Verbrennung wird durch eine entsprechende Wärmezufuhr ersetzt, • der Ladungswechsel wird durch eine entsprechende Wärmeabfuhr ersetzt, • als Arbeitsmedium wird Lut gewählt, die als perfektes Gas betrachtet wird.

Carnot-Prozess Der in Abb. 2.12 dargestellte Carnot-Prozess ist der Kreisprozess mit dem höchsten thermischen Wirkungsgrad und somit der Idealprozess. Die Wärmezufuhr erfolgt aus einem Wärmebad mit der Temperatur T 3 , die Wärmeabfuhr an ein Wärmebad mit der Temperatur T 1 . Die Verdichtung von 2 → 3 und 4 → 1 erfolgen jeweils isentrop. Mit dem thermischen Wirkungsgrad ηth =  −

qab qzu

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

23

Abb. 2.12 Carnot-Prozess

erhält man die bekannte Beziehung ηth,c =  −

T T =f( ) T T

(2.41)

für den Carnot-Prozess. Der Carnot-Prozess lässt sich in Verbrennungsmotoren jedoch nicht verwirklichen, weil • die isotherme Expansion mit qzu bei T 3 = const. und die isotherme Kompression mit qab bei T 1 = const. praktisch nicht durchführbar sind und • die Fläche im p,v-Diagramm und damit die innere Arbeit selbst bei hohen Druckverhältnissen extrem klein ist. Für den Mitteldruck des Prozesses gilt definitionsgemäß pm =

w . v − v

(2.42)

Für die zu- und abgeführten Wärmemengen bei isothermer Verdichtung bzw. Expansion gilt p , qzu = q  = RT ln p p . qab = q  = RT ln p Mit dem thermisch und kalorisch idealen (perfekten) Gas erhält man für die Isentrope κ

T κ− p =( ) p T

24

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.13 Mitteldruck des Carnot-Prozesses

und

κ

woraus wegen T 1 = T 2 und T 3 = T 4

p T κ− =( ) , p T

p p = p p

bzw.

p p = p p

folgen. Für den Mitteldruck erhält man damit zunächst pm =

R(T − T ) ln v − v

p p

und mittels einfacher Umformung schließlich pm = p Die Beziehung

p p

( TT − ) (ln

p κ − κ− p p − TT p

pm T p  = f ( , , κ) p T p 

ln TT )

.

(2.43)

mit Nullstellen und Extremwerten ist in Abb. 2.13 für κ = 1,4 grafisch dargestellt. Während der thermische Wirkungsgrad in einem optimal geführten Prozess bei einem Druckverhältnis von 200 mit 0,6 relativ hohe Werte erreicht, beträgt der erreichbare Mitteldruck dafür nur pm = 3,18 p1 . Die gewinnbare Arbeit ist also so gering, dass ein den Carnot-Prozess verwirklichender Motor bestenfalls die innere Reibung überwinden könnte und damit praktisch keine Leistung abgeben kann.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

25

Der Carnot-Prozess ist deshalb nur als theoretischer Vergleichsprozess von Interesse. Auf seine fundamentale Bedeutung im Zusammenhang mit Betrachtungen zur Energie kann hier nur hingewiesen werden.

Gleichraumprozess Ein thermodynamisch günstiger und im Prinzip auch zu verwirklichende Kreisprozess ist der Gleichraumprozess (siehe Abb. 2.14). Im Gegensatz zum Carnot-Prozess vermeidet er die isotherme Expansion und Kompression und das unrealistisch hohe Druckverhältnis. Er besteht aus zwei Isentropen und zwei Isochoren. Der Prozess wird als Gleichraumprozess bezeichnet, weil die Wärmezufuhr (statt Verbrennung) bei gleichem Raum, d. h. bei konstantem Volumen erfolgt. Weil sich der Kolben kontinuierlich bewegt, müsste die Wärmezufuhr unendlich schnell, d. h. schlagartig erfolgen – das ist jedoch praktisch nicht durchführbar. Für den thermischen Wirkungsgrad dieses Prozesses folgt ηth,v

qab cv (T − T ) T =− =− =− qzu cv (T − T ) T

T T T T

Mit den Beziehungen für die Adiabate

−

−

.

⎫ v  κ− T ⎪ ⎪ ⎪ =( ) ⎪ ⎪ ⎪ T T T v ⎬= = κ− κ− ⎪ T T T v v ⎪ ⎪ =( ) =( ) ⎪ ⎪ ⎪ T v v ⎭

und dem Verdichtungsverhältnis ε = v1 /v2 folgt schließlich für den thermischen Wirkungsgrad des Gleichraumprozesses  κ− ηth,v =  − ( ) . ε Abb. 2.14 Darstellung des Gleichraumprozesses im p,vund T,s-Diagramm

(2.44)

26

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.15 Wirkungsgrad des Gleichraumprozesses

Diese in Abb. 2.15 dargestellte Beziehung macht deutlich, dass ab einem bestimmten Verdichtungsverhältnis keine wesentliche Erhöhung des thermischen Wirkungsgrades mehr erreichbar ist.

Gleichdruckprozess Bei hochverdichtenden Motoren ist der Verdichtungsdruck p2 bereits sehr hoch. Um den Druck nicht weiter ansteigen zu lassen, wird die Wärmezufuhr (statt Verbrennung) bei konstantem Druck statt konstantem Volumen durchgeführt. Der Prozess setzt sich damit aus zwei Isentropen, einer Isobaren und einer Isochoren zusammen, siehe Abb. 2.16. Für den thermischen Wirkungsgrad gilt wieder ηth,p =  −

cv (T − T ) qab =− . qzu qzu

Im Gegensatz zum Gleichraumprozess treten jetzt aber drei ausgezeichnete Volumina auf. Deshalb ist ein weiterer Parameter zur Festlegung von ηth, p notwendig. Zweckmäßigerweise wählt man dafür qzu . q∗ = cp T

Abb. 2.16 Gleichdruckprozess im p, v- und T, s-Diagramm

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

27

Abb. 2.17 hermischer Wirkungsgrad des Gleichdruckprozesses

Damit erhält man zunächst ηth,p =  −

 T cv (T − T ) =  − ∗ ( − ) . ∗ cp T q κq T

Und nach einigen Umformungen schließlich ηth,p =  −

κ  q∗ [( + ) − ] . κq∗ ε κ−

(2.45)

Der Verlauf des thermischen Wirkungsgrades des Gleichdruckprozesses in Abhängigkeit von ε und q* ist in Abb. 2.17 dargestellt.

Seiligerprozess Der in Abb. 2.18 dargestellte Seiligerprozess stellt eine Kombination aus Gleichraum- und Gleichdruckprozess dar. Man verwendet diesen Vergleichsprozess, wenn bei gegebenem Verdichtungsverhältnis zusätzlich der Höchstdruck begrenzt werden soll. Die Wärmezufuhr (statt Verbrennung) Abb. 2.18 Der Seiligerprozess im p,v- und T,s-Diagramm

28

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.19 hermischer Wirkungsgrad des Seiligerprozesses

erfolgt isochor und isobar. Mit dem Druckverhältnis π = p3 /p1 erhält man schließlich für den thermischen Wirkungsgrad die Beziehung ηth,v p =  −

  π κ  κ− ∗ κ {[q − ) + (π − ε ] ( ) − } , κq∗ κε ε π

(2.46)

die in Abb. 2.19 grafisch dargestellt ist. Daraus wird deutlich, dass bei einem konstant vorgegebenem Verdichtungsverhältnis ε der Gleichraumprozess und bei konstant vorgegebenem Druckverhältnis π der Gleichdruckprozess den höchsten Wirkungsgrad hat. Der Isentropenexponent κ beträgt für Lut 1,4 bei 25 °C bzw. 1,31 bei 1400 °C und für Abgas etwa 1,33, sein Einfluss kann deshalb nicht vernachlässigt werden.

Vergleich der Kreisprozesse Für die Wirkungsgrade der einzelnen Vergleichsprozesse resultieren die folgenden Abhängigkeiten T Carnot, ηth,c = f ( , κ) T Gleichraum, ηth,v = f (ε, κ) ηth,p = f (ε, q∗ , κ)

ηth,vp = f (ε, q∗ ,

p , κ) p

Gleichdruck, Seiliger.

In Abb. 2.20 sind der Gleichraum-, der Gleichdruck- und der Seiligerprozess zusammen in einem p,v- und T,s-Diagramm dargestellt. Der Gleichraumprozess hat den höchsten und der Gleichdruckprozess den niedrigsten Wirkungsgrad. Der Wirkungsgrad des Seiligerprozesses liegt dazwischen. Bei diesem Vergleich sind das Verdichtungsverhältnis und die zugeführte Wärmemenge für alle drei Kreisprozesse gleich groß. Damit wird deutlich, dass beim Seiligerprozess etwas und beim Gleichdruckprozess deutlich mehr Wärme abgeführt werden muss als beim Gleichraumprozess und deshalb die thermischen Wirkungsgrade dieser Prozesse niedriger sind.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

29

Abb. 2.20 Vergleich der geschlossenen Kreisprozesse, ➀ = Gleichraum, ➁ = Gleichdruck, ➂ = Seiliger Prozess

2.3.3 Ofene Vergleichsprozesse Prozess des vollkommenen Motors Die einfachen Kreisprozesse weichen zum Teil doch erheblich vom realen Motorprozess ab, sodass keine detaillierten Aussagen über den tatsächlichen Motorprozess möglich sind, siehe Urlaub (1994). Deshalb betrachtet man für weitergehende Untersuchungen auch offene Vergleichsprozesse, die statt der Wärmezu- und -abfuhr der geschlossenen Kreisprozesse die chemische Umwandlung der Verbrennung berücksichtigen. Im Gegensatz zu den geschlossenen Kreisprozessen lassen die offenen Vergleichsprozesse einen Ladungswechsel zu, und sie berechnen den Hochdruckprozess schrittweise und damit mehr oder weniger realistisch. Der Ladungswechsel wird jedoch auch dabei in der Regel nicht näher betrachtet. Der wesentliche Unterschied zu den geschlossenen Kreisprozessen besteht darin, dass • die Verdichtung und die Expansion entweder wie auch schon bisher als isentrop betrachtet werden oder durch polytrope Zustandsänderungen beschrieben werden, • die Energiefreisetzung durch die Verbrennung schrittweise berechnet wird, wenn auch mit gewissen Idealisierungen im Hinblick auf die Verbrennung selbst, • die Energieverluste infolge Wärmeübertragung näherungsweise berücksichtigt werden. Abbildung 2.21 zeigt einen offenen Vergleichsprozess im T,s-Diagramm. Genaugenommen „erscheint“ die Frischladung im Punkt 1 und Abgas, das als beliebig vollständig verbranntes Gemisch betrachtet wird, „verschwindet“ in Punkt 4. Der Ladungswechsel wird hierbei nicht weiter betrachtet. Für weitere Details sei auf Pischinger et al. (2002) verwiesen.

30

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.21 Offener Vergleichsprozess

Wärmefreisetzung durch die Verbrennung Man unterscheidet die Begriffe vollständige/unvollständige und vollkommene/unvollkommene Verbrennung. Für Lutverhältnisse λ ≥  könnte der Brennstoff prinzipiell vollständig verbrennen, d. h. die zugeführte Energie mB H u wird vollständig in thermische Energie umgewandelt Q max = Qth = mB Hu .

Für die vollständige Verbrennung von Kohlenwasserstoff-Verbindungen gelten die Bruttoreaktionsgleichungen  H  + O = H  O  C + O = CO .

Es entstehen also nur die beiden Produkte Wasser und Kohlendioxid. Tatsächlich läut jedoch auch für Lutverhältnisse λ ≥  die Verbrennung maximal bis zum chemischen Gleichgewicht, also immer unvollständig ab. Für Lutverhältnisse λ <  kann der Brennstoff infolge von O2 -Mangel nicht vollständig verbrennen. Bei dieser unvollständigen Verbrennung läut die Verbrennung bestenfalls bis zum chemischen Gleichgewicht. Bei allen Lutverhältnissen kann die Verbrennung darüber hinaus unvollkommen ablaufen, sei es, dass der vorhandene Sauerstoff nicht hinreichend optimal verteilt ist (Gemischbildung), sei es, dass einzelne Reaktionen langsam ablaufen und dadurch das chemische Gleichgewicht nicht erreicht wird. Im Abgas findet man deshalb neben CO2 und H2 O auch Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Rußpartikel und Stickstoffverbindungen. Der Umsetzungsgrad ist definiert als: ηu =  −

Quv . mB Hu

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

31

Abb. 2.22 Energiefreisetzung und Umsetzungsgrad

Nach Pischinger et al. (2002) lässt sich für den Gesamtumsetzungsgrad schreiben ηu,ges = ηu,ch ⋅ ηu .

Anhand reaktionskinetischer Abschätzungen geben Pischinger et al. (2002) für den Umsetzungsgrad ηu, ch die Bezeichnung ⎧ ⎪ für ⎪ ηu,ch = ⎨ ⎪ ⎪ ⎩,λ − , für

λ≥

λ≤

an. Die Verhältnisse sind in Abb. 2.22 anschaulich erläutert.

2.4 Vom Ideal- zum Realprozess 2.4.1

Verlustteilung

Ausgehend vom Prozess des vollkommenen Motors kann der effektive Wirkungsgrad des realen Motorprozesses durch schrittweises Fallenlassen der einzelnen Idealisierungen ermittelt werden. Zweckmäßigerweise werden die einzelnen Verluste dabei durch entsprechende Abschläge am Wirkungsgrad berücksichtigt, z. B. Liefergrad ΔηrL

Verbrennung Δηuv Wärmeübertragung pm, W Ladungswechsel ΔηLW

Verlust gegenüber dem vollkommenen Motor, weil die tatsächliche Zylinderfüllung bei „Einlass schließt“ kleiner als die ideale des vollkommenen Motors ist Verlust infolge unvollständiger bzw. unvollkommener Verbrennung Wärmeverluste durch Wärmeübertragung an die brennraumbegrenzenden Wände Ladungswechselverluste

32

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.23 Verlustteilung des realen Verbrennungsmotors (Pischinger et al. 2002)

Blow-By ΔηBb Reibung Δηm

Leckage Mechanische Verluste infolge Triebwerksreibung (KolbenKolbenringe-Laufbuchse, Lager) und Hilfsantriebe (Ventiltrieb, Öl- und Wasserpumpe, ggf. Einspritzpumpe)

Die einzelnen Verluste sind anschaulich in Abb. 2.23 dargestellt. Auf weitere Details wird hier verzichtet, auch deshalb, weil diese einfachen Betrachtungen zunehmend an Bedeutung verlieren.

2.4.2

Kenngrößen und Kennwerte

Kenngrößen von Verbrennungsmotoren sind als charakteristische Größen wichtig im Hinblick auf die Auslegung und die Festlegung der Motorenabmessungen, die Nachrechnung und die Ermittlung der tatsächlichen Leistung und die Beurteilung und der Vergleich verschiedener Verbrennungskratmaschinen. Der Mitteldruck ist eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung der Leistung und des technologischen Stands eines Verbrennungsmotors. Aus der Definition für die Kolbenarbeit dW = pAk dx = pdV

erhält man durch Integration über ein Arbeitsspiel für die indizierte Arbeit pro Arbeitsspiel Wi = ∮ pdV

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

und daraus mit der Definition

33

Wi = pm, i Vh

für den indizierten Mitteldruck

pm, i =

 ∮ pdV . Vh

(2.47)

Für die indizierte oder auch innere Leistung eines Mehrzylinder-Motors folgt Pi = Pi,z z = znA pm,i Vh .

Mit der Zahl der Arbeitsspiele pro Zeit nA = i ⋅ n

mit

⎧ ⎪ ⎪, i=⎨ ⎪ ⎪ ⎩

für 4-Takt für 2-Takt

erhält man schließlich für die indizierte Gesamtleistung Pi = iznpm,i Vh .

(2.48)

Analog dazu erhält man mit dem effektiven Mitteldruck pm, e für die effektive Gesamtleistung (2.49) Pe = iznpm,e Vh . Die effektive Leistung ist die Differenz aus indizierter Leistung und Reibleistung Pe = Pi − Pr ,

(2.50)

woraus für den Reibmitteldruck die Beziehung

pm,r = pm,i − pm,e

(2.51)

folgt. Die innere Leistung des Motors folgt aus dem so genannten Indikatordiagramm, die effektive Leistung folgt aus (2.52) Pe = Mπn ,

wobei das Drehmoment M und die Drehzahl n auf einem Motorprüfstand ermittelt werden. Der Wirkungsgrad einer thermischen Energiewandlungsmaschine ist ganz allgemein das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand. Beim Verbrennungsmotor ist der Nutzen die indizierte bzw. effektive Motorleistung und der Aufwand die mit dem Brennstoffmassenstrom ˙ B Hu . Damit folgt zugeführte Energie m ηi,e =

Pi,e . ˙ B Hu m

(2.53)

34

G.P. Merker und R. Teichmann

Das Verhältnis aus effektiver und indizierter Leistung ist der mechanische Wirkungsgrad ηe Pe pm,e = = . ηi Pi pm,i

ηm =

(2.54)

Der spezifische Brennstoffverbrauch ist der auf die Motorleistung bezogene Brennstoffverbrauch ˙B m  = . (2.55) be = Pe ηe H u Mit einem mittleren Wert für den unteren Heizwert von Benzin und Dieselöl von etwa Hu ≈ . [

kJ ] kg

erhält man daraus die einfache Faustformel zwischen dem spezifischen Brennstoffverbrauch und dem effektiven Wirkungsgrad be ≈

g  [ ]. ηe kWh

Ein effektiver Wirkungsgrad von beispielsweise ηe = 40 % führt auf einen spezifischen Brennstoffverbrauch von be = 215 g/kWh. Man unterscheidet zwischen oberem und unterem Heizwert. Bei der Bestimmung des oberen Heizwertes werden die Verbrennungsprodukte auf Ansaugtemperatur zurückgekühlt, das darin enthaltene Wasser wird auskondensiert, ist also flüssig. Im Gegensatz dazu wird bei der Bestimmung des unteren Heizwertes das Wasser nicht auskondensiert und liegt somit dampfförmig vor. Für Verbrennungsmotoren ist wegen der relativ hohen Abgastemperatur der untere Heizwert zu verwenden. Man verwendet gelegentlich einen so genannten Gemischheizwert und meint damit den auf die Frischladung bezogenen zugeführten Energiestrom. Für den Otto- und den Dieselmotor erhält man dafür unterschiedliche Ausdrücke, weil der eine ein Benzin-LutGemisch und der andere reine Lut ansaugt HG =

mB Hu VG mB Hu HG = VL

mit mit

mL + mB ρG mL VL = ρL VG =

Ottomotor Dieselmotor .

Als Lutaufwand wird das Verhältnis der zugeführten Frischladung zur theoretisch möglichen Ladungsmasse mth bezeichnet, λa =

mG mG = . mth Vh ρth

Die theoretische Ladungsdichte ist die Dichte vor Einlassventil.

(2.56)

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

35

Im Gegensatz zum Lutaufwand bezeichnet der Liefergrad das Verhältnis der nach Abschluss des Ladungswechsels tatsächlich im Zylinder befindlichen Ladungsmasse im Vergleich zur theoretisch möglichen Ladungsmasse λl =

mz mz = . mth Vh ρth

(2.57)

Der Liefergrad λl ist erster Linie von der Ventilüberschneidung im LadungswechselOT abhängig. Eine Optimierung des Liefergrades kann mit festen Steuerzeiten nur für eine Drehzahl erfolgen. Mit variablen Ventilsteuerungen (z. B. durch Verdrehen der Nockenwelle) kann der Liefergrad über den gesamten Drehzahlbereich optimiert werden. Für 4-Takt-Motoren mit kleiner Ventilüberschneidung gilt λl ≈ λa . Zusätzlich zu den oben aufgeführten Größen werden noch einige charakteristische Größen verwendet. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist eine für Verbrennungsmotoren charakteristische Geschwindigkeit, cm = sn .

(2.58)

Die maximale Kolbengeschwindigkeit ist vom Schubstangenverhältnis abhängig und liegt im Bereich cmax = (1,6 – 1,7) cm . Das Verdichtungsverhältnis ist das auf das Kompressionsvolumen bezogene gesamte Zylindervolumen, Vh . (2.59) ε =+ Vc

Das Hubvolumen (Hubraum) ist die Differenz zwischen Gesamtvolumen und Kompressionsvolumen. Mit dem Kolbenweg s ergibt sich dafür Vh =

π  D s. 

(2.60)

Als weitere charakteristische Größe wird das Hub/Bohrungsverhältnis s D

(2.61)

verwendet.

2.4.3 Motorprozesse Ottoprozess Beim konventionellen Ottomotor wird während des Ansaughubes Benzin in den Einlasskanal unmittelbar vor das Einlassventil gespritzt (Saugrohreinspritzung), dadurch wird ein Gemisch aus Lut und Brennstoff angesaugt und nach Schließen des Einlassventils im

36

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.24 p, v-Diagramm für einen 4-Takt-Ottoprozess bei a Volllast und b Teillast

Kompressionshub verdichtet. Vor Erreichen des oberen Totpunkts wird das verdichtete Gemisch mittels einer Zündkerze gezündet (Fremdzündung). Weil für die Gemischbildung zwei Arbeitstakte, Ansaug- und Kompressionshub zur Verfügung stehen, ist das Gemisch am Ende der Verdichtung nahezu homogen. Der Verbrennungsablauf ist deshalb überwiegend chemisch kontrolliert. Bei herkömmlichen Motoren wird die Menge der angesaugten Lut mittels einer in der Ansaugleitung angeordneten Drosselklappe geregelt. Im unteren Teillastbereich ist diese Drosselklappe nahezu geschlossen, bei Volllast dagegen vollständig geöffnet. Die angesaugte Lutmenge wird gemessen und der Brennstoff proportional zur Lutmenge eingespritzt und zwar so, dass normalerweise das mittlere Lutverhältnis λ = 1 eingehalten wird. Weil beim Ottomotor die Menge des Gemischs geregelt wird, spricht man von einer Quantitätsregelung. Damit im verdichteten Gemisch keine Selbstzündung einsetzt, muss das Verdichtungsverhältnis ε begrenzt werden. Abbildung 2.24 zeigt das p, v-Diagramm für einen 4-Takt-Ottoprozess bei Teillast (b) und Volllast (a). Die bei Teillast nahezu geschlossene Drosselklappe resultiert in hohen Druckverlusten in der Ansaugleitung. Sie führt damit zu einer „großen Ladungswechselschleife“ und damit letztlich zu einem schlechten Wirkungsgrad. Abbildung 2.25 zeigt die grundsätzliche Charakteristik („Leoparden-Charakteristik“) eines Kennfeldes für einen 4-Takt-Ottomotor. Das Kennfeld wird begrenzt durch die Leerlauf- und die Abregeldrehzahl sowie die Linie für das maximale Drehmoment. Die Linien konstanter Leistung sind wegen P ∼ M ⋅ n Hyperbeln im Motorkennfeld. Die so genannten Muschelkurven sind Linien konstanten spezifischen Verbrauchs. Aus dem Motorenkennfeld kann das Verhalten bzw. die Charakteristik des Verbrennungsmotors im gesamten Drehzahl-Leistungs-Bereich abgelesen werden. Aus den Beziehungen für die Leistung und für das Drehmoment (Last)

erhält man die Abhängigkeiten

Pe = inzpm,e Vh = Me πn Leistung: Last:

Pe ∼ npm,e

Me ∼ pm,e .

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

pme M

Pe=konst. Volllast

37

Pemax

bemin Fahrleistungskurve bzw. Gangkurve

MP

Pe=konst.=Pemax + be=konst O nmin

nP

nmax

n

_ Schiebebetrieb

Abb. 2.25 Grundsätzliche Charakteristik des Kennfeldes für einen 4-Takt-Ottomotor, nach Spicher (2013)

Die Last entspricht dabei dem Drehmoment und nicht der Leistung! Für das Verhältnis effektiver zu indizierter Brennstoffverbrauch folgt Pr pm,r be Pi Pe + Pr = = =+ =+ . bi Pe Pe Pe pm,e

Der Reibmitteldruck pm, r ist näherungsweise proportional zur Drehzahl. Bei konstanter Drehzahl muss deshalb be mit sinkendem effektiven Mitteldruck ansteigen.

Dieselprozess Bei älteren konventionellen Dieselmotoren wird ausschließlich Lut angesaugt, bei neueren mit Abgasrückführung dagegen ca. 40 % Abgas und verdichtet. Der Brennstoff (Dieselöl) wird kurz vor dem oberen Totpunkt in die heiße Lut eingespritzt. Aufgrund des hohen Verdichtungsverhältnisses liegt die Temperatur der verdichteten Lut deutlich über der Selbstzündungstemperatur des Brennstoffs und nach der so genannten Zündverzugszeit setzt Selbstzündung ein. Im Gegensatz zum Ottomotor kann sich jedoch in der kurzen Zeit zwischen Einspritzbeginn und Selbstzündung kein homogenes Gemisch ausbilden: Einspritzung, Gemischbildung und Verbrennung laufen deshalb zum Teil simultan ab. Die Verbrennung ist damit überwiegend mischungskontrolliert. Die Regelung des Dieselmotors erfolgt mit der Menge des eingespritzten Brennstoffs, mach spricht deshalb von einer Qualitätsregelung. Während beim konventionellen Ottomotor das Lutverhältnis stets λ = 1 ist, variiert es beim Dieselmotor mit der Last und bewegt sich im Bereich , ≤ λ ≤ . Abbildung 2.26 zeigt die grundsätzliche Charakteristik („Büffel-Charakteristik“) des Kennfeldes für einen 4-Takt-Dieselmotor. Man erkennt, dass die Drehzahlspreizung deut-

38

G.P. Merker und R. Teichmann Pe=konst. pme M

Pemax

bemin Volllast

Fahrleistungskurve bzw. Gangkurve

MP

Pe=konst.=Pemax

+

be=konst

O

nP

nmin

nmax

n

_ Schiebebetrieb

Abb. 2.26 Grundsätzliche Charakteristik des Kennfeldes für einen 4-Takt-Dieselmotor nach Spicher (2013)

lich geringer und der effektive Mitteldruck deutlich höher als beim Ottomotor sind. Eingezeichnet sind ferner Linien mit konstantem Verbrauch, sog. Muschelkurven mit dem „Bestpunkt“, Linien konstanter Leistung (Hyperbeln) sowie eine Fahrleistungskurve. Im weiter unten folgenden Abschn. 2.7 wird auf diese beiden Motorbauarten, ihre Besonderheiten und die Festlegung ihrer Hauptabmessungen ausführlich eingegangen.

2.5 Festlegung der Hauptabmessungen 2.5.1

Auslegungskriterien

Mit den in Abschn. 2.4.2 abgeleiteten Kenngrößen, können bei Festlegung weniger Kennwerte, die Hauptabmessungen eines Motors abgeschätzt werden. Aus (2.49) folgt für Viertaktmotoren, dass die auf das Hubvolumen bezogene Zylinderleistung, proportional zum Mitteldruck und zur Drehzahl ist Pe ∝ np m,e VH .

Mit (2.58) folgt aus (2.49) für die Zylinderleistung Pe,z ∝ D  ⋅ pm,e ⋅ cm

und für die auf die Kolbenfläche bezogene Zylinderleistung Pz,A ∝ pm,e ⋅ cm .

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

39

Aus dem Hubvolumen erhält man mit dem Hub/Bohrungsverhältnis für die Bohrung   π Vh   D= .  ( Ds )

Die mittlere Kolbengeschwindigkeit wird im Wesentlichen durch die Tribologie des Systems „Kolben-Kolbenringpaket-Laufbuchse“ festgelegt, der effektive Mitteldruck durch das Einspritz- und Aufladesystem. Mit der geforderten Leistung pro Zylinder liegt damit praktisch der Kolbendurchmesser fest. Bei der Festlegung eines geeigneten Motorkonzepts wird zunächst immer von einfachen Abschätzungen ausgegangen. Diese werden untermauert durch die Betrachtung von ausgeführten Konstruktionen. Im Entwurfsstadium kommen dann umfangreiche Berechnungen zur Voroptimierung der Motorkonstruktion hinzu. Dies ist notwendig, um die Konstruktion mit den Forderungen des Lastenhets in Übereinstimmung zu bringen, Köhler und Flierl (2009). Im Folgenden werden einfache Abschätzungen für Pkw-Nutzfahrzeug- und schnelllaufende Hochleistungsmotoren dargestellt, wobei nur Viertaktmotoren betrachtet werden. Für diese Abschätzungen werden in der Praxis häufig folgende Größengleichungen verwendet. Aus (2.49) erhält man mit i = 0,5 für Viertaktmotoren

Und aus (2.52) folgt

Pe =

VH pm,e n . 

Pe =

Mn . 

Eliminiert man die Drehzahl aus den letzten beiden Beziehungen, so erhält man für den effektiven Mitteldruck M pm,e = , . VH Aus (2.58) folgt für die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm =

s⋅n . 

In diese Größengleichungen ist die Leistung in kW, der Druck in bar, die Drehzahl in 1/min, das Hubvolumen in dm3 , der Hub in m und das Drehmoment in Nm einzusetzen. Die wichtigsten Kenngrößen bei Verbrennungsmotoren sind Hub und Bohrung. Für Pkw- und Nutzfahrzeugmotoren gibt es für die Bohrung sinnvolle Unter- und Obergrenzen, die in den nachfolgend angegeben Bereichen liegen: Pkw-Ottomotor 70–105 mm Pkw-Dieselmotor 75–90 mm Nfz-Dieselmotor 100–140 mm

40

G.P. Merker und R. Teichmann 160 140

Bohrung [mm]

120 100 80 60 40 PKW Otto NfZ PKW Diesel

20 0 0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.27 Bohrung über der Nenndrehzahl für Pkw- und Nfz-Motoren

Diese Werte basieren auf ausgeführten Motoren, siehe Abb. 2.27. Im Bereich der Obergrenzen, sollte zunächst ein mögliches Hubverlängerungspotenzial ausgeschöpt werden, bevor die Zylinderzahl erhöht wird. Natürlich verbessert die höhere Zylinderzahl die Gleichförmigkeit des Drehmoments und auch den Massenausgleich. Die Reibleistung nimmt allerdings zu und so werden bei der Entwicklung große Anstrengungen unternommen um die Reibleistung abzusenken, siehe dazu auch das Kapitel über Downsizing. Für die Festlegung des Hubvolumens pro Zylinder wird zusätzlich noch das HubBohrungsverhältnis benötigt, wofür folgende Begriffe eingeführt sind:

s/D

⎧ ⎪ =  quadratisch ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨>  unterquadratisch oder langhubig ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩<  überquadratisch oder kurzhubig

Moderne Pkw- und Nfz-Dieselmotoren weisen hohe Mitteldrücke und hohe Drehmomente auf und sind deshalb in der Regel unterquadratisch ausgelegt. Die Drehzahlen von modernen Motoren sind gegenüber älteren Motoren abgesenkt mit daraus resultierenden Vorteilen für den Kratstoffverbrauch und die Emissionen. Bei der Weiterentwicklung von Pkw-Ottomotoren geht ebenfalls der Trend zu größeren Hubräumen durch Hubverlängerung. Damit ergeben sich dabei folgende Vorteile:

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

41

1,3

1,2

S/D [-]

1,1

1

0,9

0,8 PKW Diesel PKW Otto

0,7

0,6 3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

6500

7000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.28 Hub/Bohrungsverhältnis in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für Pkw-Motoren

• Verbesserung der Drehmomentcharakteristik und der Emissionen • Reduzierung der Triebwerksbelastung bei identischem Zylinderdruckverlauf • Kleinere oszillierende Massen pro Zylindereinheit. Daneben müssen natürlich auch die Nachteile beachtet werden, nämlich die Erhöhung der mittleren Kolbengeschwindigkeit und dadurch der oszillierenden und rotierenden Massenkräte sowie der Seitenkratbelastung des Kolbens, was zu einem höheren Verschleiß führen kann. Nach Köhler und Flier (2009) muss zwischen den Auswirkungen bei niedrigen und hohen Drehzahlen unterschieden werden. Quadratische bis unterquadratische HubBohrungsverhältnisse ergeben bei niedrigen bis mittleren Drehzahlen Vorteile hinsichtlich des Füllungsgrades, des Verdichtungsenddrucks, des mittleren effektiven Drucks, des thermischen Wirkungsgrads und damit des spezifischen Kratstoffverbrauchs. Mit zunehmender Drehzahl steigen die Reibungsverluste jedoch stark an, so dass überquadratische Hub-Bohrungsverhältnisse dann im Vorteil sind, da der Reibleistungsgewinn die höheren Wärmeverluste überwiegt. Abbildung 2.28 zeigt das Hub-Bohrungsverhältnis in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für ausgeführte Pkw-Serienmotoren mit Hub-Bohrungsverhältnissen im Bereich von 1 bis 1,2 für Diesel- und von 0,9 bis 1,2 für Otto-Motoren. Hat man sich für einen längeren Hub entschieden, so ist eine Verbesserung der Laufruhe nur darstellbar, wenn ein längeres Pleuel eingesetzt wird.

42

G.P. Merker und R. Teichmann

Der Quotient aus Kurbelradius r = s / 2 und Pleuellänge l wird als Pleuelstangenverhältnis λ = r/l bezeichnet. Alle modernen Motoren haben heute Pleuelstangenverhältnisse von λ < 0,3. Die Leistung eines Motors ist direkt proportional zur mittleren Kolbengeschwindigkeit cm , die durch die Erhöhung des Hubs und/oder der Drehzahl gesteigert werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich jedoch unterschiedlich auf das Leistungsgewicht und den Wirkungsgrad des Motors aus, siehe dazu Mollenhauer und Tschöke (2007). Bei der Festlegung des Hubs sollten Grenzen für die mittlere Kolbengeschwindigkeit eingehalten werden. Niedrige Werte reduzieren den Verschleiß. Mit zunehmender mittlerer Kolbengeschwindigkeit steigen die Massenkräte, die Strömungswiderstände, die Reibleistung und das Geräusch an. Insbesondere die maximal zulässigen Massenkräte begrenzen die Kolbengeschwindigkeit und damit die maximale Drehzahl. Bei Dieselmotoren und Ottomotoren mit Direkteinspritzung ist die Drehzahl durch die für die Gemischbildung erforderliche Zeit begrenzt. Bei Dieselmotoren ist dies ein Grund für die im Vergleich zu Ottomotoren vergleichbarer Größenordnung deutlich niedrigere Höchstdrehzahl, Basshuysen und Schäfer (2012). Für hohe Kolbengeschwindigkeiten muss ein größerer Aufwand für die Honung der Laufbuchsen und der Kolbenringbestückung getrieben werden. Für ausgeführte Serienmotoren findet man folgende Werte für die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm : ⎧ ⎪ 9–20 für Pkw-Ottomotoren ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 9–16 für Pkw-Dieselmotoren ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ cm = ⎨9–14 für Nfz-Motoren ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ 7–14 für Schnellläufer ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩5–10 für Mittelschnellläufer Dauerlaufmotoren mit hohen Lastprofilen und extremen Anforderungen an die Lebensdauer, haben gegenüber den Pkw-Motoren generell niedrigere cm -Werte. Um dies zu veranschaulichen, sei folgende Vergleichsbetrachtung herangezogen: Fährt ein Pkw mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h und soll die Motorlebensdauer für eine Fahrstrecke von 240.000 km ausgelegt sein, so entspricht dies einer Betriebszeit von 4000 Stunden. Geht man bei einem schweren Nutzfahrzeug von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h aus und soll eine Motorlebensdauer von 1,2 Mio Fahrkilometer erreicht werden, so ergibt dies eine Betriebszeit von 24.000 Stunden. Bei schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren und Mittelschnellläufern erreicht man, abhängig vom jeweiligen Fahrprofil, Lebensdauerwerte von 18.000 bis über 40.000 Stunden bis zur Grundüberholung.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

2.5.2

43

Pkw-Motoren

Zur Effizienzsteigerung von Pkw-Motoren hat sich der Begriff „downsizing“ etabliert. In N.N. (2011) wird das englische Wort sehr treffend mit „Gesundschrumpfung“ übersetzt. Die sich damit ergebenden Möglichkeiten zur Reduktion des Verbrauchs und der CO2 Emission sind enorm, siehe dazu auch Abschn. 3.5. Die aktuellen Motorenprogramme vieler Hersteller zeigen, dass durch „downsizing“ im oberen Leistungsbereich, Vierzylindermotoren die bisherigen Sechszylindermotoren ersetzen und neue Sechszylinder die Leistungsdaten der bisherigen Achtzylindermotoren erreichen. Im Folgenden wird beispielhat gezeigt, wie ein Zehnzylinder-Saugmotor durch einen hochaufgeladenen Achtzylindermotor ersetzt werden kann, nähere Details finden sich bei Schäfer et al. (2013). Zylinderzahl Hubvolumen (Liter) Leistung (kW) Drehzahl (1/min) Hub (mm) Bohrung (mm) Hub/Bohrung Mitteldruck (bar) mittlere Kolbengeschwindigkeit (m/s) Kolbenflächenleistung (W/mm2 ) Literleistung (kW/l)

10 5,204 331 7000 92,8 84,5 1,098 10,9 21,6 5,9 63,6

8 3,993 382 5800 89 84,5 1,053 19,8 17,2 8,5 95,5

Zur Erfüllung der heutigen und zuküntigen Emissions- und Verbrauchsforderungen wurde der neue 8 V-Motor für eine Oberklasse-Limousine konzipiert. Zur Darstellung des hohen Mitteldrucks ist der Motor mit zwei Abgasturboladern, Ladelutkühlung und Direkteinspritzung ausgerüstet. Nachfolgend soll das Vorgehen bei der Auslegung eines Pkw-Motors für einen Kleinwagen erläutert werden. Das Lastenhet lege folgende Kenngrößen fest: Hubraum Zylinderzahl Motordrehzahl Hub/Bohrungsverhältnis Effektiver Mitteldruck

V H < 1,2 l z=4 n = 5000 1/min s/D = 1,07 pme = 13 bar

Mit dem Hubvolumen V H und der Zylinderzahl ergibt sich das Hubvolumen pro Zylinder zu V h = 0,3 Liter. Mit dem Hub/Bohrungsverhältnis s/D erhält man für die Bohrung D = 74,9 mm; gewählt wird D = 75 mm. Damit ergeben sich schließlich die Werte 0,29 für das Hubvolumen pro Zylinder und 1,16 Liter für das Gesamtvolumen. Mit diesen Werten

44

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 2.1 Vergleich von ausgeführten Pkw-Motoren mit dem Beispielmotor Hersteller

z

Vh dm3

Pe kW

n

s mm

D mm

s/D

pme bar

cm m/s

Pe,z Ph /A W/mm2 kW

Beispiel Motor 1 Motor 2 Motor 3

4 3 2 3

1,16 0,988 0,875 1,422

63 60,3 60,5 59

5000 4000 5500 4000

75 84 86 95,5

70 71 80,5 79,5

1,07 1,18 1,06 1,2

13 18,1 15,5 12,4

12,5 11,2 15,7 12,7

4,09 5 6,1 4

54,3 60,4 71,4 41,5

ergibt sich die Motorleistung zu 63 kW. Für die mittlere Kolbengeschwindigkeit erhält man dann 12,5 m/s, ein Wert, der im Bereich moderner Motoren liegt. Zum Vergleich mit anderen Motoren ist die auf das Hubvolumen bezogene Leistung, die sog. Literleistung eine geeignete Größe, wofür man den Wert 54,3 kW/Liter erhält. Für diesen Motor ergibt sich damit eine Kolbenflächenleistung von 4,09 W/mm2 . Dem Trend „downsizing“ folgend, kann die Leistung von ca. 60 kW auch mit einer neuen Motorkonzeption, nämlich Zwei- oder Dreizylinder-Motoren dargestellt werden. In Tab. 2.1 sind ausgeführte Motoren dem vorherigen Beispiel gegenübergestellt. Der Beispielmotor mit einem Mitteldruck von 13 bar ist mit einem Abgasturbolader schwach aufgeladen. Motor 1 mit einem sehr hohem Mitteldruck von 18,1 bar ist mit einer variablen Ventilsteuerung, schaltbarem Saugrohr, zwei oben liegenden Nockenwellen und einem Zylinderkopf mit vier Ventilen ausgerüstet. Siehe Lee et al. (2011). Der Zweizylinder Motor 2 ist ein Beispiel für extremes „downsizing“. Nicht nur der Gesamthubraum sondern auch die Zylinderzahl sind reduziert. Umfangreiche Untersuchungen im Hinblick auf thermodynamischen Wirkungsgrad und Reibungsminderung, führten letztlich zu der Zweizylinder-Konfiguration. Natürlich wurde ein Ausgleichssystem für die freien Kräte 1. Ordnung eingeführt. Zur Darstellung der relativ hohen Leistung (pme = 15,7 bar) hat der Motor ein variables Ventilsteuersystem und Abgasturboaufladung, siehe Mostrangeto et al. (2011). Der Dieselmotor 3 ist langhubig ausgelegt und hat einen Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie. Zur Verbesserung der Gemischbildung und Erreichung niedriger Verbräuche wird ein Common-Rail Einspritzsystem mit 2200 bar Einspritzdruck eingesetzt, siehe Hadler (2009). Für den Vergleich von Pkw-Motoren wird häufig die Literleistung herangezogen, siehe Abb. 2.29. Sie ist allerdings drehzahlabhängig und damit auch abhängig von der Größe des Motors, siehe Mollenhauer und Tschöke (2007). In der Abbildung ist deutlich zu erkennen, dass mittlerweile Pkw-Dieselmotoren auf ähnliche Literleistungen wie Pkw-Otto-Motoren kommen. Eine bessere Vergleichsgröße ist jedoch die Kolbenflächenleistung (Ph /A). Damit können ganz unterschiedliche Motoren, z. B. Pkw-Otto-, Pkw-Diesel-, Nutzfahrzeug- und Großmotoren miteinander verglichen werden, siehe Abb. 2.30. Abbildung 2.31 zeigt diese Werte für ausgeführte Schiffsmotoren.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

45

120

Literleistung [kW]

100

80

60

40

PKW Diesel PKW Otto

20

0 3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

6500

7000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.29 Literleistung in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für Pkw-Motoren

12

10

Ph/A [W/mm2]

8

6

4

PKW Diesel PKW Otto

2

0 60

70

80

90

100

110

Bohrung [mm]

Abb. 2.30 Kolbenflächenleistung in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für Pkw-Motoren

120

46

G.P. Merker und R. Teichmann 10

9

Ph/A [W/mm2]

8

7

6 MTU MAN

5

4 0

100

200

300

400

500

600

Bohrung [mm]

Abb. 2.31 Kolbenflächenleistung über der Bohrung für Schiffsdieselmotoren

2.5.3

Formel 1-Rennmotoren

Abbildung 2.32 stellt ein Formel 1 Rennfahrzeug für die Saison 2013 dar. Hier gelten für die Motoren völlig andere Anforderungen (Abb. 2.33). Nach dem Verbot der aufgeladenen Motoren wurde von der FIA (Federation Internationale de l’Automobile), ab der Saison 2006, ein neues Regelwerk für die Motoren geschaffen. Dies beinhaltet folgende Festlegungen: Zylinderzahl: V-Winkel: Hubvolumen:

z=8 90 Grad V H = 2,4 l

Abb. 2.32 Formel 1 Rennwagen Saison 2013

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

47

Abb. 2.33 Formel 1 Rennmotoren

Leistung: Bohrung: Drehzahl: Gewicht: Bauart:

Pmax = 750 PS (551 kW) D = 98 mm nmax = 18.000 1/min M min = 95 kg Saugmotor

Mit dem vorgegebenem Hubvolumen und der Bohrung folgt für den Hub s = 39,7 mm. Das führt zu einem überquadratischem Hub-Bohrungsverhältnis von s/D = 0,405. Die geforderte Leistung von 551 kW (750 PS) ist nur mit einem extrem hohen Saugmitteldruck von pm,e = 15,3 bar darstellbar. Für die mittlere Kolbengeschwindigkeit erhält man damit den sehr hohen Wert von cm = 23,82 m/s. Die Kolbenflächenleistung ergibt sich zu Ph /A = 9,1 W/mm2 und für die Literleistung erhält man den extrem hohen Wert von 229,6 kW/l. Das Leistungsgewicht stellt mit einem Wert von 0,172 kg/kW ebenfalls einen Extremwert dar. Für die Rennsaison ab 2014 gibt es neue FIA- Regelungen: Zylinderzahl: V-Winkel: Hubvolumen: Leistung: Bohrung: Drehzahl: Aufladung:

z=6 90 Grad V H = 1,6 l Pmax . = 600 PS (441 kW) D = 80 mm nmax = 15.000 1/min mit E-Turbo

Mit diesem Hubvolumen und der vorgegebenen Bohrung erhält man für den Hub s = 53 mm und damit für das Hub-Bohrungsverhältnis s/D = 0,66. Für die geforderte Leistung von 441 kW (600 PS) ohne zusätzlichem E-Turbo ist ein Mitteldruck von pm,e = 22,05 bar erforderlich. Mit dem Hub von 53 mm und der Drehzahl von 15.000 1/min

48

G.P. Merker und R. Teichmann

ergibt sich die sehr hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit von cm = 26,5 m/s. Die Kolbenflächenleistung und die Literleistung nehmen mit 14,6 W/mm2 und 275,6 kW/l ebenfalls ehr hohe Werte an. Solche Extremwerte sind natürlich nur für Rennmotoren, bei denen die Lebensdauern nicht mit Serienmotoren vergleichbar sind, sinnvoll. Mit der Festlegung, dass die Motoren mindestens zwei Rennwochenenden halten müssen, ergibt sich eine maximale Fahrstrecke von etwa 1200 km.

2.5.4

Nutzfahrzeugmotoren (Nfz-Motoren)

Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach ihrem zulässigen Gesamtgewicht eingeteilt. Die dargestellte Betrachtung der Antriebsmotoren geht von den schweren Nutzfahrzeugen aus, die im Bereich von 7,5 t beginnen und als obere Grenze das Gesamtgewicht von 40 t in Europa haben. Die hierfür verwendeten Dieselmotoren der mittleren und schweren Baureihen haben ein Hubvolumen von ca. 4,5 bis etwa 15,5 Liter. Bei der Entwicklung dieser Motoren haben der niedrige Kratstoffverbrauch und die hohe Zuverlässigkeit oberste Priorität. Zusätzlich müssen die Motoren ein hohes Drehmoment über einen weiten Drehzahlbereich, d. h. ein breites Kennfeld haben. Natürlich muss das Verbrauchsoptimum in dem Bereich des Kennfelds liegen, in dem das Fahrzeug überwiegend betrieben wird. Zusätzlich sind die neuen Motoren konsequent auf die Erfüllung der EURO-6-Abgaswerte ausgelegt. Hinter den Hauptforderungen hat das Gewicht der Motoren die zweite Priorität. Waren früher leichtere 6 V-und 8 V-Motoren im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge im Einsatz, haben heute alle namhaten Nutzfahrzeughersteller langhubige 6-Zylinder-Reihenmotoren im Programm. Für diese bewegen sich die Leistungsgewichte zwischen 2,5 und 3,5 kg/KW. Bei den mittelschweren Baureihen werden 4-und 6-Zylinder-Reihenmotoren mit Leistungsgewichten zwischen 2 und 3 kg/kW eingesetzt. In Abb. 2.34 ist das Hub-Bohrungsverhältnis in Anhängigkeit der Nenndrehzahl für Nutzfahrzeug- und Pkw-Dieselmotoren dargestellt. Man erkennt die Langhubigkeit der Nutzfahrzeugmotoren. Um eine hohe Lebensdauer bis zur Grundüberholung (bis 1,2 Mio. Fahrkilometer) zu erreichen, muss sich die mittlere Kolbengeschwindigkeit auf relativ niedrigem Niveau bewegen. Abbildung 2.35 zeigt den Vergleich der mittleren Kolbengeschwindigkeiten von aktuellen Nutzfahrzeugmotoren gegenüber den heutigen Pkw-Dieselmotoren. Wie bereits ausgeführt, müssen Nfz-Motoren drehmomentstark sein, d. h. möglichst hohe Mitteldrucke aufweisen. In Abb. 2.36 sind maximale Mitteldrücke der mittelschweren Baureihen denen der schweren Motoren-Baureihen gegenübergestellt. Die sehr hohen Mitteldrücke lassen sich nur mit Abgasturboaufladung darstellen. Die heutigen Motoren sind alle Turbodiesel-Direkteinspritzer mit Vierventiltechnik. Die Kratstoffaufbereitung erfolgt über eine Hochdruckeinspritzanlage mit Mehrlochdüsen und Common-Rail-Technik mit Einspritzdrücken über 2000 bar. Abbildung 2.37 zeigt

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

49

1,4 1,3 1,2

S/D [-]

1,1 1 0,9 0,8 NFZ PKW Diesel

0,7 0,6 1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.34 Hub/Bohrungsverhältnis in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für Pkw- und Nfz-Motoren

16

mittl. Kolbengeschw. [m/s]

14 12 10 8 6 4 NFZ Diesel PKW Diesel

2 0 1000

1500

2000

2500

3000

3500

4000

4500

5000

5500

6000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.35 Mittl. Kolbengeschwindigkeit über der Nenndrehzahl für Pkw- Diesel- und Nfz-Motoren

50

G.P. Merker und R. Teichmann 28

max.Mitteldruck (bar)

26

24

22

20

mittelschwere Baureihe schwere Baureihe

18

16 70

80

90

100

110

120

130

140

150

Bohrung [mm]

Abb. 2.36 Maximaler Mitteldruck über der Bohrung für Nfz-Motoren

30

25

Mitteldruck [bar]

20

15

10 PKW Diesel PKW Otto NFZ

5

0 0

1000

2000

3000

4000

5000

Drehzahl [1/min]

Abb. 2.37 Mitteldruck über der Nenndrehzahl für Pkw- und Nfz-Motoren

6000

7000

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

51

einen Vergleich der Mitteldrücke in Abhängigkeit der Nenndrehzahl für Nutzfahrzeugund Pkw-Motoren. Es ist deutlich zu erkennen, dass heutige Pkw-Dieselmotoren mittels Abgasturboaufladung und der Hochdruckeinspritzung enorme Fortschritte erzielt haben.

2.5.5 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren für Schifsantriebe Hierunter versteht man Dieselmotoren mit einer hohen Leistungsdichte. Eine eindeutige Abgrenzung zu den übrigen Dieselmotoren ist allerdings nicht möglich. Man kann aber feststellen, dass die Drehzahlen über 1000 1/min und die mittlere Kolbengeschwindigkeit deutlich über 10 m/s liegt. Im Folgenden wird beispielhat der MTU-Schiffsmotor 20 V-1163-03 beschrieben, der Mitte der achtziger Jahre auf den Markt kam. Dieser Motor wurde insbesondere deshalb gewählt, weil er seinerzeit der weltweit erste Schiffsdieselmotor mit zweistufiger AbgasturboRegisteraufladung war. Er stellte damit einen enormen Technologiesprung dar. Bei Fahrzeugmotoren kam die zweistufige Aufladung erst etwa 20 Jahre später zum Einsatz. Die 1163-Baureihe wurde als 12 V-, 16 V- und 20 V-Version entwickelt und musste folgende Lastenhetforderungen erfüllen: • • • • • • • • • • • • •

Anwendung: Antrieb für schnelle militärische und kommerzielle Schiffe Leistung: Max. 7400 kW Kompakte Bauweise Niedriges Leistungsgewicht Gutes Beschleunigungsverhalten Hohes Drehmoment Unlimitiertes Schwachlastverhalten (für militärische Anwendungen) Niedriger Kratstoff- und Ölverbrauch Niedrige Emissionen Wartungsfreundlichkeit Lange Wartungsintervalle. Das heißt hohe TBO (Time Between Overhaul) Reduzierte Wartungskosten Reduzierte Lebenswegkosten

Die Leistungsanforderung resultiert in einer Zylinderleistung von 370 kW. Die maximale Drehzahl wurde mit 1300 1/min festgelegt. Abbildung 2.38 zeigt den 20 V-Motor und in Abb. 2.39 sind die Hauptabmessungen und die Motorgewichte dargestellt. Hervorzuheben ist die schmale Baubreite und das exzellente Leistungsgewicht von 3,1 kg/kW für die 20 Zylinder-Version.

52

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.38 Der Schiffsdieselmotor 20V1163 (MTU)

(20V) 5620 5620 (16V) 4930 (12V) 3980

1880 1800 840

3615

445

441

788 1035 1100 1840

Gewicht mit dargestelltem Zubehör 20V 1163: 23 t

(20V) 4612 4612 (16V) 3922 (12V) 3340

Abb. 2.39 Hauptabmessungen des Schiffsdieselmotors 20V1163

Zusammenfassung der Motorhauptdaten: Zylinderleistung: Bohrung: Hub: Hubraum: Hub-Bohrungsverh.: Mittl.Kolbengeschw.: Pleuellänge:

Ph = 370 kW D = 230 mm s = 280 mm V h = 11,63 l s/D = 1,21 cm = 12,1 m/s l = 483 mm

750

1140

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

53

λ = 0,289 Pleuelstangenverh.: Kolbenflächenleistung: Ph /A = 8,9 W/mm2 Der Bohrungsdurchmesser und die Pleuelstange wurden von der Vorgängerbaureihe übernommen. Um ein gutes Verschleißverhalten zu erreichen und damit die Wartungsintervalle zu erhöhen, sollte für einen Dauerlaufmotor mit hoher Auslastung, die mittlere Kolbengeschwindigkeit nicht nennenswert über 12 m/s liegen. Um ein effizientes Brennverfahren darstellen zu können (Common-Rail-Einspritzsystem war zur Motorentwicklungszeit noch nicht serienreif), wurde eine Langhubversion mit dem Hub-Bohrungsverhältnis von 1,21 gewählt und für die Einspritzung ein PumpeLeitung-Düse-System entwickelt. Die geforderte Zylinderleistung von 370 kW kann bei dem Hubvolumen von 11,63 Liter pro Zylinder nur mit einem Mitteldruck von ca. 30 bar erreicht werden. Dieser extrem hohe Wert ist nur mit zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung darstellbar. Durch die Zwischenkühlung sinkt die Temperatur der Ladelut, ihre Dichte und damit die Ladungsmasse, steigen an. Die Ladelutkühlung ist damit eine einfache Maßnahme zur Erhöhung der Leistung eines Motors. Für weitere Details wird auf Kap. 5 verwiesen. Beim Zuschalten einer Ladegruppe wird schlagartig deren HD-Turbine mit Abgas beaufschlagt, die bereits laufenden Gruppen bekommen entsprechend weniger. Die Leistungen der Verdichter sinken dadurch und der Ladedruck fällt kurzzeitig ab. Dieser Abfall ist umso geringer, je weniger Abgas den laufenden Gruppen entzogen wird. Mit der Registeraufladung wird erreicht, dass beim Hochfahren des Motors mehrere Ladegruppen nacheinander zugeschaltet werden. Bei einem größeren Einbruch des Ladedrucks kann wegen Lutmangel ein unerwünschter Rauchstoß autreten und die Verdichter können pumpen. Diese Probleme können nur mit elektronischer Regelung gelöst werden. Abbildung 2.40 zeigt einen Querschnitt durch den Motor. Man erkennt, dass die Verbrennungsmaschine etwa 2 / 3 der Motorbauhöhe einnimmt, die Aufladegruppe benötigt etwa 1 / 3. Der Mitteldruck des Saugmotors beträgt etwa 10 bar, die restlichen 20 bar leistet die Aufladegruppe. Die Heißteile der gesamten Aufladegruppe und der Stauabgasleitung sind in wassergekühlten Gehäusen untergebracht, so dass der von der Klassifizierungsgesellschat geforderte Grenzwert für Oberflächentemperatur von 210 Grad nirgends überschritten wird, siehe Abb. 2.41. Der 20-Zylinder Motor ist mit fünf solcher Auflademodule ausgerüstet, Abb. 2.42. Im Kennfeld sind die einzelnen Bereiche der jeweils arbeitenden Aufladegruppen dargestellt. Durch die Anpassung der geforderten Lutmenge an den Bedarf des Verbrennungsmotors, ist das Kennfeld in vier Bereiche, mit jeweils einem Optimum für den Kratstoffverbrauch eingeteilt. Im unteren Leistungsbereich arbeitet der Motor immer mit zwei Aufladegruppen. Die Zu- und Abschaltung der Aufladegruppen wird über das elektronische Motormanagementsystem gesteuert.

54

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.40 Querschnitte durch Motor und Aufladegruppe des 20V1163

Abb. 2.41 Ansicht auf die zweistufige Aufladegruppe

Durch die Registeraufladung erhält der Motor ein sehr breites Kennfeld. Die Antriebsanlage kann deshalb bis zu einer Drehzahl von ca. 850 1/min auf der doppelten Propellerkurve bis zu einer Leistung von ca. 4000 kW betrieben werden. Dies ist dann von großem Vorteil, wenn bei militärischen Schiffen zwei Motoren über ein Sammel-Getriebe einen Verstellpropeller antreiben. Durch das breite Kennfeld ist es dabei möglich, einen Motor abzuschalten, und die optimale Steigung des Propellers beizubehalten, wenn das Schiff in der Marschfahrt oder im Schleichfahrtmodus betrieben wird.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

55

Abb. 2.42 Motorkennfeld des 20V1163 TB 93

Mit Blick auf die weiter sinkenden Grenzwerte für die limitierten Schadstoffkomponenten und Forderungen zur weiteren Reduktion des Kratstoffverbrauchs, wird die Baureihe 1163 zuküntig mit einem Common-Rail-Einspritzsystem ausgerüstet. Dazu werden acht Hochdruckpumpen am 20-Zylinder-Motor installiert. Der bisher mit einem Pumpe-Leitung-Düse-System darstellbare Einspritzdruck von 1300 bar kann mit dem Common-Rail-System auf 1800 bar angehoben werden. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Verbrennung und damit zu niedrigeren NOx -Werten und einer Reduktion des Kratstoffverbrauchs. Zusätzlich wird das Verbrennungssystem auf den Miller-Prozess umgestellt und die Aufladedrücke angepasst. Des Weiteren wird das elektronische Motormanagement-System modifiziert. Die Kratstoffverbrauchsreduktion in den einzelnen Kennfeldbereichen liegt zwischen 5- und 8 % bezogen auf die bisherige Serie 1163-03. Wie bei den Lastenhetforderungen bereits aufgeführt, spielen die Wartungskosten bei einem Motor dieser Leistungsklasse eine bedeutende Rolle. Ein wesentliches Ziel der Entwicklung ist deshalb die Erhöhung der Motorlaufzeit bis zur Grundüberholung. Absolute Zuverlässigkeit und höchste Verfügbarkeit sind bei solchen Motoren ein wichtiger Faktor. Durch die kompakte Bauweise und das relativ niedrige Gewicht, ist es möglich, die Motoren der Baureihe 1163 aus dem Schiff problemlos auszubauen und mit Ersatzmotoren

56

G.P. Merker und R. Teichmann 8000

1

7000

Leistung kW

6000 5000 4000

Leistung [%]

Zeitanteil [%]

100

10

70

70

10

20

100

80

100 sind extrapoliert. Die Oktanzahlen für die einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen sind unterschiedlich und werden in Abb. 2.50 dargestellt. Auffallend ist, dass die Oktanzahl für Alkane und Alkene

64

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 2.3 Research-Oktanzahl ROZ und Motor-Oktanzahl MOZ ausgewählter Brennstoffe Komponente

ROZ

MOZ

n-Heptan Iso-Oktan Super-Benzin Autogas Erdgas

0 (definiert) 100 (definiert) 95 (min) 103–111 120–130

0 (definiert) 100 (definiert) 85 (min) – –

160

Oktanzahl [-]

Abb. 2.50 Oktanzahlen für Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Gruppen und Kettenlängen

120 80 n-Alkane Heptan Alkene Aromaten

40 0 3

4

5

6

7

8

9

Anzahl Kohlenstoffatome [-]

mit steigender Kettenlänge abnimmt, während sie für Aromaten ansteigt. Grund hierfür ist der steigende Verzweigungsgrad der Aromaten mit steigender Kettenlänge; sehr deutlich wird dies für unterschiedliche Isomere des Heptans: n-Heptan (ROZ = 0), 3-MethylHexan (ROZ = 52), 2,3-Dimethyl-Pentan (ROZ = 91,1) und 2,2,3-Trimethyl-Butan (ROZ = 112).

2.6.3 Dieselbrennstofe Das Dieselbrennverfahren stellt andere Anforderungen an den Brennstoff als das OttoVerfahren. Aufgrund der Forderung nach der Selbstzündung im dieselmotorischen Brennverfahren, muss der Brennstoff derart aufgebaut sein, dass unter den vorherrschenden Temperatur- und Druckrandbedingungen eine Selbstzündung des Brennstoffes stattfinden kann. Charakteristischer Wert für die Zündfähigkeit ist die Cetanzahl, welche analog zur Oktanzahl nach einem spezifizierten Verfahren determiniert wird (EN ISO 5165). Da sich die Cetanzahl reziprok zur Oktanzahl verhält, steigt die Zündfähigkeit der Kohlenwasserstoffe mit der Kettenlänge an. Eine hohe Cetanzahl entspricht dabei einer hohen Zündwilligkeit. Diese sollte für einen Dieselbrennstoff zwischen 40 und 65 liegen, für moderne direkteinspritzende Dieselmotoren > 50. Aus diesen Anforderungen resultiert, dass die mittlere Molekülmasse bei Dieselbrennstoffen höher ist als bei Ottobrennstoffen. Die Kettenlängen mit einem nennens-

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

65

werten Anteil liegen zwischen 9 und 26 Kohlenstoffatomen und Aromaten finden sich nicht nur als Mono-Aromaten, sondern auch als Di- und Tri-Aromaten (zwei bzw. drei verbundene Benzolringe). Abbildung 2.51 stellt die Cetanzahlen für unterschiedliche Kohlenwasserstoffgruppen in Abhängigkeit von der Kettenlänge dar. 120

Cetanzahl [-]

Abb. 2.51 Cetanzahlen für Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Gruppen und Kettenlängen

80 Alkane Alkene Aromaten Zykloalkane

40 0 -40 6

8

10

12

14

16

18

Anzahl Kohlenstoffatome [-]

2.6.4

Brennstofe für Marineanwendungen

Kratstoffe für Marineanwendungen stellen streng gesehen eine Variante des konventionellen Dieselbrennstoffes dar, zumindest hinsichtlich des eingesetzten Brennverfahrens. Aufgrund der speziellen Zusammensetzung und der Anforderungen weist Marinediesel jedoch Besonderheiten auf. Insbesondere ist der hohe Flammpunkt von mindestens 60 °C zu nennen. In Abhängigkeit der Viskosität und Einsatz lassen sich grundsätzlich zwei Klassen von Marinedieseln separieren. Marine (Destillate) Fuel Oil (DFO) weist moderate Viskositätswerte von bis zu 14 cSt (14 ⋅ 10−6 m2 /s), vergleichbar mit konventionellem Diesel, auf und ist ein Gemisch von Mitteldestillaten aus der Erdölverarbeitung. In Abhängigkeit der Viskosität findet eine Unterscheidung in DMX, DMA/MGA = Marine Gas Oil, DMB/MDO = Marine Diesel Oil und DMC statt, wobei DMX die geringste Viskosität aufweist und DMC die höchste. Auffälligster Unterschied zum Diesel ist der hohe Schwefelanteil von bis zu 4,5 Massenprozent. Die grundsätzliche Zusammensetzung entspricht dem des Diesels mit Alkanen, Alkenen und Aromaten mit Kettenlängen zwischen 16 und 40 Kohlenstoffatomen. Eine Normung analog zum EN 590 findet nicht statt, jedoch ist die Herstellung eng an Heizöl und dessen Normung angelehnt. Die Einteilung findet gemäß der ISO 8216 und 8217 statt. Marine (Residual) Fuel Oil (RFO) oder auch (Heavy Fuel Oil, Schweröl, Bunker C) ist ein Rückstandsöl welches bei der Destillation von Erdöl anfällt. Es wird überwiegend aus den nicht verdampfbaren Rückständen der Destillation gebildet, deren Hauptbestandteil die so genannten Asphaltene sind. Die Grundeinteilung erfolgt gemäß ISO 8217 in RMA bis RMK, wobei mit der steigenden Folge die Grenzwerte für Dichte, Kohlenstoffrück-

66

G.P. Merker und R. Teichmann

stand, Anteil der metallischen Bestandteile und Asche ansteigen. Innerhalb der Gruppen findet eine weitere Auteilung nach der Viskosität statt, wobei die Viskosität in cSt an die Bezeichnung angehängt wird (Beispiel RMD80, RMK500). Neben einem ebenfalls hohen Schwefelgehalt von bis zu 4,5 Massenprozent finden sich auch Anteile von Metallen, wie Vanadium, Nickel, Kupfer und Aluminium. Ein ebenfalls bedeutender Parameter ist der TSP (Total Sediment Potenzial), welcher die Rückstände quantifiziert, welche ausfallen können und zum Verschmutzen der Kratstoff führenden Teile führt. Aufgrund der sehr hohen Viskosität im Grundzustand, müssen Schweröle durch Vorheizen auf Temperaturen von mindestens 100 °C gebracht werden, um die Viskosität zu senken und einen Einsatz in Einspritzsystemen zu ermöglichen. Die nur grundlegend genormte Zusammensetzung der Marinekratstoffe im Gegensatz zu den Kratstoffen im Fahrzeugbereich ermöglicht eine große qualitative Bandbreite und erschwert so eine optimale Abstimmung der Verbrennungsparameter.

2.7 Zukünftige Brennstofe Eine der herausragenden Eigenschaten des Verbrennungsmotors ist seine ausgezeichnete Eignung für verschiedene flüssige und gasförmige Brennstoffe, siehe Tab. 2.4. Nur feste Brennstoffe, wie Kohle, konnten trotz intensiver, bereits in der Frühzeit der Motorenentwicklung durchgeführter Versuche, nicht direkt in Verbrennungskratmaschinen mit innerer Verbrennung umgesetzt werden. Tab. 2.4 Ausgewählte Eigenschaten motorischer Brennstoffe

Flüssige Brennstoffe Methanol Ethanol Benzin Diesel Pflanzenöl Biodiesel RME Schweröl Gasförmige Brennstoffe CNG LPG DME a b

bei 15 °C bei 1013 mbar

Dichte

Siedetemperatur Spezifischer Heizwert

Zündtemperatur

kg/m3 a 790 790 720–775 820–845 900–930 860–900 960–1010 kg/m3 b 0,7–0,84 2,25 0,88 kg/m3

°C 65 78 25–210 110–400 220–320 330–350 > 200 °C

MJ/kg 19,7 26,8 43,5 42,5 36 36 ≈ 40

°C 455 425 ≈ 400 > 200 – ≈ 150 > 220 °C

> −162 > −42 −20

≈ 32–45 46,1 27,6

≈ 550 ≈ 400 ≈ 200

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

67

Abb. 2.52 Weltweiter Energiebedarf und seine Abdeckung, Quelle: Exxon, EID (2013)

Die Bandbreite der nutzbaren Brennstoffausgangsprodukte reicht von den aus großtechnischen Prozessen anfallenden Deponie-, Gruben- und Prozessgasen über Biomasse bis hin zu Kohle. Die fossilen Quellen Erdöl und Erdgas spielen aber wegen der einfachen und kostengünstigen Produktion und Verteilung unverändert die dominierende Rolle. Da die fossilen Quellen, insbesondere Erdöl, letztlich eine endliche Ressource darstellen und verstärkt die CO2 -Bilanz der gesamten Prozesskette von der Herstellung bis zur Umwandlung berücksichtigt werden muss, kommt den zuküntigen alternativen Brennstoffen eine Schlüsselrolle, nicht nur für die individuelle Mobilität, sondern für die Energieversorgung insgesamt zu. Ein weiterer Grund für eine Verbreiterung des Kratstoffangebotes ist der Wunsch nach geringerer Abhängigkeit vom Erdöl. Neben diesen Aspekten spielt natürlich die Reduzierung der sonstigen, bei der Verbrennung entstehenden Schadstoffemissionen eine entscheidende Rolle. Über die grundsätzlich zeitlich begrenzte Verfügbarkeit von Kratstoffen auf Mineralölbasis sind sich alle Experten einig, beträchtliche Meinungsverschiedenheiten bestehen allerdings über die „Restreichweite“. Während einige von wenigen Jahrzehnten ausgehen, sind andere der Meinung, dass unter anderem durch die Erschließung neuer Mineralölquellen der Bedarf über einige hundert Jahre gedeckt sein wird und die „Peak-Oil“-heorie nicht mehr zutreffend ist, siehe EID (2013). Abbildung 2.52 zeigt den weltweiten Energiebedarf und dessen Abdeckung. Besonders Öl, Gas und Biomasse finden dabei als Basisenergieträger für Kratstoffe Verwendung. Neben der konventionellen Gasförderung werden aktuell hohe Erwartungen durch große und kostengünstig erschließbare Schiefergasvorkommen geweckt, deren Förderung durch sogenanntes Fracking allerdings in Bezug auf die Umwelt von vielen sehr kritisch bewertet wird.

68

G.P. Merker und R. Teichmann

• Gas To Liquid (GTL)

• Erdgas / Methan

• Coal To Liquid (CTL)

• Flüssiggas LPG / Autogas

DME / Methan • Erdgas

• Wasserstoff

• DME

• Bioethanol / -methanol

• FAME

• Biomethan

• Pflanzenöl

• Biobutanol

• HVO

• Wasserstoff

• Biomass To Liquid (BTL) • Algen • bevorzugt mobile Anwendung

3. Gen. 2. Gen.

Fossil Regenerativ

• Ethanol / Methanol

1. Gen.

Dieselmotor

Ottomotor

• bevorzugt stationäre Anwendung

Abb. 2.53 Übersicht zuküntiger Brennstoffe und ihre Anwendung

Unbestritten vorteilhat ist dagegen die oben angeführte Verbrennung von Prozessgasen, die ansonsten als Sondermüll bzw. Schadstoff behandelt werden müssten; deren Anwendung ist naturgemäß auf den Entstehungsort und damit für stationäre Anlagen eingeschränkt. Grundsätzlich stehen für die Sicherstellung der Mobilität ausreichend Basisenergieträger und Methoden zur Erzeugung geeigneter Brennstoffe zur Verfügung. Abbildung 2.53 gibt einen Überblick über die heute und in mittlerer Zukunt denkbaren alternativen Kratstoffe, unterschieden nach ihrem üblichen Anwendungsbereich Otto- bzw. Dieselmotor sowie ihrer jeweiligen Herkunt, d. h. aus fossilen bzw. regenerativen Energieträgern. Des Weiteren wird hier zwischen Kratstoffen bevorzugt für den stationären oder den mobilen Einsatz unterschieden.

2.7.1

Ottobrennstofe

Für Ottomotoren gibt es eine Vielzahl möglicher flüssiger und gasförmiger Brennstoffe. Neben den bei Weitem überwiegenden und auf Destillation von Rohöl basierenden flüssigen Ottokratstoffen können verschiedene gasförmige sowie synthetisch hergestellte Kratstoffe eingesetzt werden, die aus fossilen oder erneuerbaren Ausgangsstoffen erzeugt werden. Auch aus festen Brennstoffen wie Kohle und fester Biomasse kann mittels Fischer-TropschVerfahren Benzin hergestellt werden. Die Eigenschaten dieser synthetisch hergestellten Kratstoffe können gezielt beeinflusst werden und entsprechen (bzw. übertreffen) diejeni-

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

69

gen von fossilem Benzin, sodass eine Anpassung der Motoren nicht zwingend erforderlich ist.

Alkoholhaltige Kraftstofe Prinzipiell sehr gut für Ottomotoren geeignet sind alkoholhaltige Kratstoffe, die vor allem durch Vergärung von Biomasse erzeugt werden. Bereits heute kann beispielsweise aus Zuckerrohr hergestelltes Ethanol preislich mit aus Rohöl hergestelltem Benzin konkurrieren, Sauermann et al. (2013). Sehr gut können diese alkoholhaltigen Kratstoffe konventionellem Benzin beigemengt werden. Für den bereits heute beigemengten Anteil von 5 % im Tankstellenbenzin ist keine Modifikation der Motoren und des Kratstoffsystems erforderlich. Für höhere Anteile, die bis zu reinem Ethanol reichen, sind mehrere Anpassungen erforderlich: Wegen der Aggressivität des Kratstoffes gegenüber Elastomeren und Metallen sind geeignete Werkstoffe einzusetzen. Wegen der Unterschiede in Heizwert, Siedeverhalten und Verdampfungswärme sowie der Unterschiede im Klopfverhalten ist eine Anpassung der Motoren erforderlich bzw. möglich, Grabner et al. (2010). Die höhere Klopffestigkeit und Verdampfungswärme kann über ein höheres Verdichtungsverhältnis und angepasste (frühere) Verbrennungslage für eine Wirkungsgraderhöhung genutzt werden. Besondere Vorkehrungen sind jedoch für Kaltstart sowie Kurbelgehäuseentlütung zu treffen, auch eine verstärkte Ölverdünnung ist zu beachten. Aus der Sicht des Kunden ist die wegen des geringen volumetrischen Heizwertes um etwa 30 % verminderte Reichweite zu berücksichtigen. Neben Ethanol sind auch andere Alkohole wie Methanol oder Butanol grundsätzlich gut geeignete Biokratstoffe. Methanol wurde in der Vergangenheit bereits in einigen Flottenversuchen eingesetzt und spielt heute in einzelnen Motorsportbewerben eine Rolle, Bedenken bezüglich Toxizität haben aber eine Verbreitung verhindert. Butanol wird vor allem in den USA als ein zuküntig interessanter Kratstoff gesehen. Überwiegend wird die größte Rolle zuküntig aber Ethanol aus Lignocellulose zugewiesen, bei der die ganze Pflanze – welche eine reine Energiepflanze sein soll und damit nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung steht – genutzt werden kann, womit ein bedeutender Beitrag zur CO2 -reduzierten Mobilität ermöglicht wird. Gasförmige Kraftstofe Auch wenn in der Frühzeit der Verbrennungsmotoren zunächst überwiegend gasförmige Kratstoffe eingesetzt wurden, dominierten im Laufe der weiteren Geschichte wegen ihrer Speicherdichte flüssige Kratstoffe. Gasförmige Kratstoffe wurden jedoch immer wieder und in Nischen eingesetzt, wobei die Motivation zunächst neben begrenzter Verfügbarkeit von Erdöl und geringer Gas-Kratstoffkosten die lokale Verfügbarkeit von Gas oder die Energieautonomie war. Der derzeitige Bestand an Gasfahrzeugen an der Gesamtflotte liegt allerdings in den meisten Ländern unter einem Prozent. Für die Anwendung von Gas kamen erst in jüngerer Zeit Argumente der Umweltverträglichkeit wie verminderte Schadstoffemission sowie CO2 -Emission zusätzlich zu den niedrigen Kratstoffkosten. Während die Kratstoffkosten bzw. der -vorteil wesentlich –

70

G.P. Merker und R. Teichmann

und damit regional unterschiedlich – von der Besteuerung abhängen und eine starke Triebfeder bilden, stellen heute auch umweltrelevante Gründe ein wesentliches Argument dar. Mit dem steigenden Weltenergiebedarf, der Annäherung an die wirtschatliche Fördergrenze für Erdöl sowie neuer Vorkommen und kostengünstiger Fördermöglichkeiten von Erdgas steigt die Bedeutung gasförmiger Kratstoffe. Neben den fossilen Kratstoffen Erdgas komprimiert (CNG) sowie flüssig (LNG) und Flüssiggas (LPG) kommen auch Biogas aus Vergärungsprozessen (von Abfällen oder nachwachsenden Rohstoffen) sowie Wasserstoff direkt („Power to Gas“) oder Methan aus „methanisierten“, Otten (2012), durch Windkrat und Elektrolyse erzeugten Wasserstoff in Frage. In stationären Großmotoren, jedoch nicht für Fahrzeugmotoren, werden auch Schwachgase eingesetzt; dies sind Brenngase mit geringem Heizwert, bei denen brennbaren Gase (für gewöhnlich Methan oder andere gasförmige Kohlenwasserstoffe, Wasserstoff und/oder Kohlenmonoxid) mit nicht brennbaren Komponenten, wie z. B. Stickstoff (aus der Lut), Wasserdampf oder Kohlendioxid verdünnt sind. Die für den motorischen Betrieb relevanten und wichtigsten Kenngrößen von typischen gasförmigen Kratstoffen sind in Tab. 2.5 im Vergleich zu Diesel und Benzin aufgeführt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten eingesetzten Kratstoffe als Mischungen verschiedener Komponenten autreten und verwendet werden.

Flüssiggas LPG LPG (Liquefied Petroleum Gas), das sogenannte Flüssig- oder Autogas, ist eine Mischung aus den Hauptbestandteilen Propan und Butan, welche der DIN EN 589 entsprechen muss und gewisse Spielräume hinsichtlich der Gemischzusammensetzung zulässt; im Sommer sollte das Verhältnis Propan : Butan 40 : 60 betragen, im Winter 60 : 40 bis 70 : 30. Im Vergleich zu Erdgas ist LPG in Deutschland wesentlich weiter verbreitet. Aus Sicht des Anwenders liegt der Nutzen vor allem in den gegenüber Benzin deutlich geringeren Kosten. Wie Erdgas kann Flüssiggas in Ottomotoren („Autogas“) mit geringen Modifikationen verbrannt werden. Die Speicherung erfolgt bei Drücken zwischen 5 und 10 bar in flüssiger Form, wodurch im Vergleich zu Erdgas größere Fahrzeug-Reichweiten möglich sind. Sicherheitstechnisch ist LPG jedoch kritischer, weil es schwerer als Lut ist und verglichen mit Erdgas eine niedrigere Zündtemperatur aufweist. Eingesetzt wird es vorwiegend in bivalenten Fahrzeugen, mit weiterer Verbreitung insbesondere in Umgebung von GroßRaffinerien (Niederlande, Italien, Japan, USA). Häufig erfolgt der Aufbau dieser bivalenten Fahrzeuge durch Umrüstung von Serienfahrzeugen, die von dafür spezialisierten Betrieben vorgenommen wird. Aus der Untersuchung mehrerer Nachrüstfahrzeuge, die heute den Großteil der Flotte bilden, geht eine große Bandbreite des Emissionsverhaltens im Vergleich zum Benzinbetrieb hervor. Diese reicht im besten Fall von deutlichen Verbesserungen bei CO (−65 %), HC (−43 %), geringer Verbesserung der CO2 -Emission (zwischen −5 bis −18 %) bis zur Mehrung bei CO- und HC-Emission.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

71

Tab. 2.5 Stoffeigenschaten von Methan, Propan, Butan und Wasserstoff im Vergleich zu Benzin und Diesel, Grabner (2009) Eigenschat

Einheit Benzin (Super Plus)

Diesel

Methan Wasser- Propan Butan stoff

Dichte (flüssig)a bei Dichte (gasförmig)a,b Molmasse Siedepunkt bzw, -bereicha Stöchiometrischer Lutbedarf unterer Heizwert flüssiga Energiedichte gasförmig Gemischheizwerta,b,d (gemischansaugend) Gemischheizwerta,b,d (lutansaugend) Zündgrenzena,c,e

kg/m °C kg/m kg/kmol °C kgLuft / kgKst MJ/kg MJ/dm3

750–770 15 – ≈ 98 30–190 14,0

820–845 15 – ≈ 190 210–355 14,7

423 −162 0,717 16,043 −161,5 17,2

70,8 −253 0,090 2,016 −252,8 34,3

581 −42,1 2,010 44,10 −42,1 15,7

601 −0,5 2,705 58,12 −0,56 15,5

MJ/m

41,4 31,7 – 3,76

42,9 35,8 – –

50 21 12,6f 3,40

120 8,5 3,0f 3,19

46,4 27,0 – 3,67

45,7 27,5 – 3,70

MJ/m

3,83

3,77

3,76

4,52

3,82

3,82

Vol% λBereich °C mJ cm /s

1–7,6 1,4–0,4

0,6–5,5 1,35–0,5

4,4–15 2–0,6

250 0,24 –

cm/s

230–450 0,24 0,05 – ≈ 40

MJ/m3 – – – % % %

Selbstzündungstemperatura,e Minimale Zündenergied,e Diffusionskoeffizienta,b,e,g laminare Flammengeschwindigkeita,c,d,e unterer Wobbe-Index ROZ MZ CZ Massenanteile c h o a

bei 1,013 bar bei 0 °C c bei 25 °C d bei λ = 1 e in Lut f bei 350 bar und 280 K g bei 100 bar und 1000 K b

1,5–8,5 2,1–0,35

≈ 40

4–76 2–9,5 10–0,13 2,05– 0,4 595 585 470 0,29 0,017 0,26 0,11 0,61 0,16 1,9 ⋅ 10−2 8,5 ⋅ 10−2 ≈ 42 ≈ 230 ≈ 47

≈ 45

– 100 88 –

– – – 52–54

48,1 130 100 –

40,9 – 0 –

74,8 112 35 –

85,4 94 11 –

85,6 12,2 2,2

86,1 13,9 0

74,9 25,1 0

0 100 0

81,7 18,3 0

82,7 17,3 0

405 – –

72

G.P. Merker und R. Teichmann

Ab dem Ende der 1990er Jahre wurden LPG-Fahrzeuge in Ballungszentren wie beispielsweise in Beijing (China) wegen zunehmender Lutverschmutzung staatlich gefördert, sodass von einigen Herstellern bereits ab Werk serienmäßige LPG-Fahrzeuge vertrieben wurden. Die äußere Gemischbildung der durchweg bivalenten Motoren erfolgt über Flüssigeinspritzung (MPI) oder gasförmig. Für die Weiterentwicklung von LPG ist die innere Gemischbildung eine interessante Option, wie Forschungsarbeiten zeigen (Ceratto et al. 2012).

Erdgas Erdgas besteht zum Großteil aus Methan (CH4 ), wobei dessen Anteil bei unterschiedlichen Gasqualitäten am Markt (beispielsweise in Deutschland typischerweise L(ow) mit einem Methangehalt von 85 Vol% und H(igh) mit 89 bis 98 Vol%) variiert. Biogas, welches durch Vergären von Biomasse entsteht, ist in seiner Zusammensetzung abhängig von den Rohstoffen und dem Gärprozess. Hauptkomponenten sind CH4 (typischerweise zwischen 50 und 75 %) und CO2 . Die Eignung von Erdgas als Kratstoff in Verbrennungsmotoren ist infolge eines hohen Methangehaltes sehr gut. Auf Grund der im Vergleich zu Benzin höheren Klopffestigkeit kann der Motor höher verdichtet werden, was Vorteile in Bezug auf Verbrauch und Leistung bringt. Erdgas hat von allen fossilen Energieträgern den geringsten Kohlenstoffgehalt und den höchsten Wasserstoffanteil. Dadurch weist Erdgas bei seiner Verbrennung geringere Emissionen an Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Ruß und Kohlenwasserstoffen auf. Trotz des niedrigeren HC-Rohemissionsniveaus bestehen bei der Abgasnachbehandlung besondere Anforderungen, da das Methan-Molekül CH4 hohe Stabilität besitzt. So steigen die für hohe Konvertierungsraten des Katalysators erforderliche Abgastemperatur und die Anspringzeit nach Kaltstart. Mit geeigneter Auslegung der Abgasanlage, spezifischer λ-Regelung und Katalysatorbeschichtung können diese Eigenschaten berücksichtigt und damit insgesamt ein gutes Schadstoffemissionsverhalten erzielt werden. Die Reduktion von CO2 beträgt alleine durch das günstigere H/C-Verhältnis etwa 25 % und kann mit der Nutzung der höheren Klopffestigkeit bis an die 30 % erreichen. Bei der Umrüstung bestehender Ottomotoren auf Erdgasbetrieb ohne besondere Abstimmung ist wegen des geringeren Gemischheizwertes mit einer Leistungseinbuße von etwa 10 Prozent zu rechnen. Erdgas spielt bei Großmotoren bereits eine bedeutende Rolle, auch bei Fahrzeuganwendungen erfährt Erdgas zunehmende Verbreitung, allerdings – von Ausnahmen wie Italien, Argentinien, Iran abgesehen – auf niedrigem Niveau. Das Tankstellennetz hat den Status einer flächendeckenden Infrastruktur bei uns noch nicht erreicht. Daher werden mit wenigen Ausnahmen alle Erdgasfahrzeuge derzeit für bivalenten Erdgas/Benzinbetrieb konzipiert. Die Vorteile von Erdgas als Kratstoff können bei bivalenter Betriebsweise nur zum Teil genutzt werden. In den meisten Fällen erfolgt die Gemischbildung im Erdgasbetrieb durch zusätzliche elektromagnetisch betätigte Einblaseventile im Saugrohr. Wegen der bivalenten Betriebsweise bleibt das Brennverfahren vom Benzin-Basismotor zumeist unverändert oder wird geringfügig (höheres Verdichtungsverhältnis) adaptiert.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

73

Erforderliche Modifikationen betreffen die Zündanlage (höherer Zündenergiebedarf), Werkstoffe von Ventilen und -sitzringen sowie die Abgasnachbehandlung und natürlich die Steuergeräte-Applikation. Die aus der höheren Klopffestigkeit resultierenden Potenziale im Wirkungsgrad und der Aufladefähigkeit sind aus Veröffentlichungen und Forschungsmotoren bekannt, in Serienfahrzeugen wegen des bivalenten Betriebes jedoch erst zum Teil umgesetzt. Ein aktueller Serien-PKW demonstriert, dass die CO2 -Vorteile des Kratstoffes in Verbindung mit einem leichten Fahrzeug zu Emissionen führen können, die mit 79 g CO2 /km deutlich unter der für 2020 in der EU angestrebten Marke von 95 g CO2 /km liegen (Worm et al. 2012). Auch mehrere Nutzfahrzeuge mit CNG-Antrieb sind seitens Serienhersteller verfügbar. Diese werden überwiegend mit Saugrohr-Gaseinblasung und Abgasturboaufladung ausgeführt und stöchiometrisch mit Dreiwege-Katalysator betrieben, womit EURO VI erfüllt werden kann (Steinert et al. 2012). Auch wenn einzelne Anwendungen nicht nur im LKW (Kehler 2012), sondern in Rangierlokomotiven und sogar Frachtflugzeugen dokumentiert sind, so sind LNG-Fahrzeuge erst auf wenigen Märkten in nennenswerten Stückzahlen unterwegs. Dem Vorteil der wesentlich höheren und in die Nähe von Diesel heranreichenden Speicherdichte (Energieäquivalent von 1 l Diesel ca. 1,8 l LNG und 5 l CNG (200 bar), jeweils ohne Speicher) und der gegebenen Eignung für Fernverkehr steht die Notwendigkeit und Komplexität der gesamten Infrastruktur gegenüber. Hier spielen die Rahmenbedingungen (Erdgasversorgung flüssig mit Tankschiffen oder gasförmig in Pipeline) eine wesentliche Rolle und werden zunächst zu eingegrenztem Einsatz führen. Insbesondere die tiefkalte Speicherung bei −162 Grad Celsius und Kratstoffförderung an Bord stellen eine beträchtliche technologische Herausforderung dar. Bei den ausgeführten Motoren erfolgt die Einbringung des Kratstoffes in den Gemischbildner gasförmig, Gemischbildung und Brennverfahren unterscheiden sich nicht wesentlich von CNG-Fahrzeugen.

Wasserstof Obwohl sich der überwiegende Anteil der Arbeiten zu Antriebskonzepten auf Wasserstoffbasis auf die Stromerzeugung durch Brennstoffzellensysteme und damit gespeiste elektrische Antriebe konzentriert, ist die Verbrennungskratmaschine eine durchaus interessante Alternative als Brückentechnologie. Komplementär zu den Eigenschaten der Brennstoffzelle sind günstige Herstellkosten, eine in mehr als hundert Jahren entwickelte Reife, eine vergleichsweise hohe Leistungsdichte und vor allem die Eignung für verschiedenste Kratstoffe wesentliche Argumente für die Verbrennungskratmaschine. Aus mehreren Gründen kann Wasserstoff eine besondere Rolle einnehmen. Neben der lokalen CO2 -Freiheit und dem extrem hohen Heizwert sowie der hohen Verbrennungsgeschwindigkeit führen einige seiner Eigenschaten zu besonderem Anreiz für einen verbrennungsmotorischen Betrieb (Eichlseder et al. 2008). So waren die extrem weiten Zündgrenzen und die geringe, um eine Größenordnung unter der für Benzin-Lutgemische erforderliche Zündenergie bereits bei den ersten Verbrennungsmotoren ein Grund für die Verwendung von Wasserstoff. Mit

74

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.54 Multivalentes Benzin/Erdgas/Wasserstoff Fahrzeug (TU Graz/HyCentA)

einer Reihe von Prototypmotoren und -fahrzeugen bis hin zu Flottenversuchen wurden seitdem Untersuchungen durchgeführt (Eichlseder et al. 2012). Der 2007 von BMW präsentierte Hydrogen 7 ist der erste Pkw mit Wasserstoffantrieb, der in einem Serienentwicklungs- und Freigabeprozess dargestellt wurde (Enke et al. 2007). Mit diesem Fahrzeug konnten – neben der offensichtlichen CO2 -Freiheit – Emissionswerte nachgewiesenen werden, die für NOx um 70 % und bei Auslegung für monovalenten Betrieb um 96 % (!) unter dem SULEV II Grenzwert liegen (Wallner et al. 2008). Alle anderen Emissionskomponenten liegen um 99 % unter diesem schärfsten derzeit bestehenden Grenzwert, womit der Umwelteinfluss unter der Relevanzschwelle liegt.

Mischgase Die Fähigkeit von Verbrennungsmotoren, unterschiedlichste Brennstoffe zu verwerten, wird bei Großmotoren unter anderem mit Mischgasen aus unterschiedlichsten Quellen (Deponiegas, Gichtgas, Pyrolysegas, etc.) genutzt. Für mobile Anwendungen ist ein denkbarer Ansatz, regenerativ gewonnenen Wasserstoff in das bestehende ErdgasVersorgungsnetz einzuspeisen und so die entkoppelt vom zeitlichen Bedarf gewonnene Energie zu speichern und zu nutzen. Innerhalb bestimmter, länderspezifisch unterschiedlicher Grenzen für den Wasserstoffanteil wäre das mit der bestehenden Infrastruktur möglich und zulässig und würde einen riesigen Speicher für regenerativ gewonnene Energien bilden. Die in Prüfstandsuntersuchungen ermittelten Eigenschaten von Erdgas- (oder Biogas-) Wasserstoff-Mischgasen zeigen einen wesentlichen positiven Einfluss der Wasserstoffbeimengung (Skalla et al. 2011). Dass eine Stärke des Verbrennungsmotors seine Eignung für verschiedene Kratstoffe ist, kann an einem Beispiel eines multivalenten Fahrzeuges für Benzin, Erdgas, Biogas und Wasserstoff gezeigt werden (Abb. 2.54). Bei diesem im Rahmen eines Eigenforschungsprojektes dargestellten und straßenzugelassenen Pkw ist der Wechsel zwischen flüssigem und gasförmigem Kratstoff per Knopfdruck während der Fahrt möglich.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

75

Abb. 2.55 Vollastpotenzial unterschiedlicher Brennverfahren

Für alle Gasmotoren können weitere innermotorische Ansätze für die Weiterentwicklung und allenfalls Nutzung spezifischer Vorteile aus folgenden Betrachtungen abgeleitet werden: Bei der heute bei Gasmotoren fast ausschließlich eingesetzten äußeren Gemischbildung besteht mit dem geringeren Gemischheizwert ein Defizit, der zu einem Vollastnachteil führt (Abb. 2.55). Mit innerer Gemischbildung können damit beispielsweise bei Wasserstoff-Verbrennungsmotoren nicht nur die Gemischheizwert-Nachteile bei Gemischansaugung vermieden (Eichlseder et al. 2003), sondern in Verbindung mit der Unterdrückung von Verbrennungsanomalien spezifische Leistungen über 100 kW/dm3 nachgewiesen werden. Durch innere Gemischbildung können mit Ladungsschichtung zusätzliche Potenziale eröffnet werden, neben dem möglichen Magerbetrieb (der mit den bekannten Schwierigkeiten der Stickoxid-Abgasnachbehandlung verbunden ist) besteht weitere Flexibilität für die Verbrennungsführung bis hin zur Steuerung der Verbrennung und dieselähnlicher Verbrennung (Eichlseder et al. 2010). Darüber hinaus kann bei Motoren mit hohen Aufladegraden, welche aufgrund der Klopfeigenschaten bei Erdgas naheliegend sind, ein Spülen des Brennraumes (Scavenging) während des Ladungswechsels forciert werden. Mit dem deutlich verbesserten Drehmomentverlauf kann ausgeprägtes Downsizing unterstützt werden (Rößler 2012). Den möglichen Vorteilen der inneren Gemischbildung steht unter anderem der Aufwand für Gaseinblaseventile gegenüber, die sehr hohe Dichtigkeits- und Temperaturanforderungen erfüllen und große Volumenströme bei kurzen Schaltzeiten zumessen müssen.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Ein weiterführender technischer Ansatz, der jedoch eine zusätzliche Komplexitätserhöhung bedingt und bisher nur im Forschungsstadium untersucht wurde, besteht in der Nutzung des niedrigen Temperaturniveaus von flüssig gespeicherten Gasen. Mit einer sogenannten kryogenen Gemischbildung kann sowohl für Erdgas als auch Wasserstoff neben einer Volllaststeigerung und der Reduktion von Verbrennungsanomalien eine deutliche Absenkung der Stickoxid-Emission gelingen, die für Wasserstoff eindrucksvoll nachgewiesen werden konnte (Heller et al. 2006). Die wesentlichen und anspruchsvollen Herausforderungen bestehen hier in der Darstellung betriebssicherer Einblaseventile, Kratstoffförderung und Zumessung, Phasenübergang beim „Kaltfahren“ des Motors etc. (Leitner 2012). Eine weitere und derzeit hinsichtlich Realisierbarkeit und Sinnhatigkeit noch offene Fragestellung betrit die innere Gemischbildung mit tiefkaltem und damit flüssigen Erdgas.

2.7.2

Dieselbrennstofe

Die Nachfrage nach Dieselkratstoffen steigt weltweit kontinuierlich an während der Benzinbedarf eher sinkt oder konstant bleibt, siehe Abb. 2.56. Die starke Zunahme beim Dieselkratstoff kommt aus den Schwellen- und Entwicklungsländern sowie aus dem Gütertransportbereich. Unter Berücksichtigung der eingangs bereits erwähnten Zielsetzungen wie CO2 -Reduzierung, Ressourcenschonung und verringerte Abhängigkeit vom Erdölmarkt ist es deshalb besonders sinnvoll, alternative beziehungsweise ergänzende Kratstoffe für den Einsatz in Dieselmotoren verfügbar zu haben. Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungen an den Kratstoff für die dieselmotorische Anwendung vom Pkw bis zum Marine-Großmotor sehr unterschiedlich sein können. Die Entwicklung der europäische Gesetzgebung ist derzeit schwer absehbar, noch hält sie an dem Ziel in 2020 zehn Prozent der Energie für den Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu gewinnen fest und will nur noch fünf Prozent aus Biokratstoffen der sogenannten ersten Generation, also aus Nahrungsmitteln wie Weizen, Mais, Raps usw. zulassen. Diese Überlegungen basieren auf einem Vorschlag der EU-Kommission vom Oktober 2012 und sind noch nicht abgeschlossen. Außerdem werden Biokratstoffe nur noch auf die Biokratstoffquote angerechnet wenn sie nachhaltig hergestellt wurden, EU-Richtlinie (2009) und Biokratstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (2009). Darin wird sichergestellt, dass Biokratstoffe bei Herstellung und Transport mindestens 35 % Treibhausgase (2013) gegenüber den fossilen Kratstoffen einsparen müssen und im weiteren Verlauf bis zu 60 % (2018), siehe Abb. 2.57. Außerdem ist eine direkte Landnutzungsänderung zu Gunsten der Biokratstoffe ausgeschlossen. Die schwer überprüfbare indirekte Landnutzungsänderung (Biomasse für Biokratstoffe wird verstärkt auf zugelassenen Flächen angebaut und die bisherige Nutzung (Lebensmittel) wird verlagert, z. B. auf Regenwaldflächen) wird derzeit intensiv diskutiert. Nachfolgend werden die in Abb. 2.53 dargestellten alternativen Dieselkratstoffe näher beschrieben.

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

77

Abb. 2.56 Entwicklung des weltweiten Kratstoffbedarfs (Exxon Mobil, EID 2013)

Abb. 2.57 Treibhausgas-Emissionen für verschiedenen Biokratstoffe und ihre Herstellverfahren sowie die mindestens erreichbaren Einsparungen zur Anrechnung auf die Biokratstoffquote (FNR nach Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen e. V., Berlin (2011 - EU-RL- 2009/28/EG), © FNR 2012)

360 37,0 100–135 aus Pflanzenölen oder tierischen Fetten Umesterung von pflanzlichen Ölen mit Methanol zu Pflanzenmethylester z. B. RME CO2 -mindernd, Energieverbrauch bei der Herstellung Schadstoffemissionen z. T. höher/niedriger

370

42,5

> 50

aus Erdöl

CO2 -produzierend Produktion aus fossilen Energieträgern

54–58 330

> 51 180

Umweltbilanz

3,5–5,0

2,0–4,5

in Raffinerien durch Destillation (Mitteldestillat)

860–900

820–845

Dichte bei +15°C kg/m Viskosität bei +40°C mm /s Cetanzahl Siedebeginn °C Siedeende °C Heizwert MJ/kg Flammpunkt °C Herstellung

Verfahren

Biodiesel

Diesel (EN 590)

Eigenschaten/Einheit

Tab. 2.6 Eigenschaten ausgewählter alternativer Dieselkratstoffe

CO2 -mindernd Schadstoffemissionen z. T. höher/niedriger

durch Pressen oder in Raffinerien durch Destillation

aus Rapssaat

189

36

320

40–44 220

38

900–930

Pflanzenöl (Rapsöl)

aus Biomasse, Verwendung aller Pflanzenteile Umwandlung von Biomasse zu Synthesegas anschließend Verflüssigung (FT-Synthese) nahezu CO2 -neutral Niedrigere Schadstoffemissionen

> 70

43,8

330

73–81 210

3,2–4,5

770–785

BtL

Umwandlung von Erdgas in Synthesegas anschließend Verflüssigung (FT-Synthese) CO2 -produzierend Niedrigere Schadstoffemissionen

aus fossilem Erdgas

63

43,0

360

75–80 220

2,6–3,5

778

GtL

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Thermodynamische und chemische Grundlagen

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Gas to Liquid GtL GtL zählt zu den sogenannten synthetischen Kratstoffen und wird bevorzugt aus Erdgas hergestellt. Dieses wird mittels Dampfreformierung in ein Synthesegas, bestehend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, umgewandelt. Anschließend wird aus diesem Gas in einer Synthese ein hoch qualitativer Kratstoff gewonnen. Die CO2 -Bilanz von GtL-Kratstoffen ist somit schlechter gegenüber Erdgas aufgrund des zusätzlichen Energiebedarfs. Durch die künstliche Herstellung können die Kratstoffeigenschaten jedoch besser eingestellt werden als in einer Raffinerie, dadurch lassen sich die Emissionen deutlich senken. In diesem synthetischen Kratstoff sind keine Aromaten oder Schwefel enthalten. Die Siedecharakteristik von GtL ist günstiger als von Diesel, insbesondere die schwer siedenden Anteile oberhalb von 320 °Celsius fehlen. Mit Sauerstoff angereicherter GtL besitzt ein hohes Potenzial zur Verringerung der Rußemissionen. Grundsätzlich ist GtL ein sehr guter Dieselkratstoff mit hervorragenden Eigenschaten und kann in beliebigen Beimischungen zum konventionellen Diesel eingesetzt werden. An den Fahrzeugen müssen keine technischen Änderungen vorgenommen werden. Die bestehende Tankstellen-Infrastruktur kann weiterhin genutzt werden. In Tab. 2.6 sind die wichtigsten Eigenschaten im Vergleich zu anderen Alternativkratstoffen und Diesel dargestellt. Coal to Liquid CtL CtL ist ebenfalls ein synthetischer Kratstoff, dessen Ausgangsbasis Kohle ist. Die CO2 Bilanz ist etwa um den Faktor 2 schlechter als die von fossilem Dieselkratstoff. Es darf davon ausgegangen werden, dass die motorischen Ergebnisse vergleichbar zum GtL sind. Coal to Liquid wird in Regionen mit geringen Erdölvorkommen bzw. großem Kratstoffbedarf, wie z. B. China und USA, favorisiert. Unter CO2 -Gesichtspunkt ist die Erzeugung von CtL kritisch zu sehen, sofern das freigesetzte CO2 z. B. nicht durch Sequestrierung (CCS, Carbon Dioxide Capture and Storage) gebunden werden kann. Dimethylether DME DME ist der einfachste existierende Ether, siehe Abb. 2.47 und wird üblicherweise durch Dehydrierung von Synthesegas aus Kohle, Erdgas oder Biogas gewonnen. Unter Normalbedingungen ist DME gasförmig und kann unter Druck (ca. 5–10 bar) verflüssigt und gespeichert werden. Dieser Dieselkratstoff hat hervorragende Verbrennungseigenschaten (Cetanzahl ca. 60, keine Partikelbildung und geringe Stickoxidemissionen). Fehlende Schmiereigenschaten, geringe Energiedichte und korrosives Verhalten sowie die Speicherung unter Druck erfordern Maßnahmen am Einspritzsystem. Damit ist ein bivalenter Betrieb mit Dieselkratstoff und DME sehr aufwendig und schwierig. Wegen fehlender Infrastruktur eignet sich DME allenfalls für einen überwiegend nichtmobilen Einsatz. Planzenöl Pflanzenöle, d. h. reines, naturbelassenes Öl aus der Frucht von ölhaltigen Pflanzen (z. B. Soja, Raps, Sonnenblumen, Palmen) bestehen hauptsächlich aus Triglyceriden (dreifache

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Abb. 2.58 Entwicklung des Biokratstoffverbrauchs in Deutschland (BAFA/erdgas-mobil/FNR (März 2013), © FNR 2013)

Ester des Glycerin mit Fettsäuren/Karbonsäuren). Sie können auch aus tierischen Fetten und fetthaltigen Speiseabfällen gewonnen werden. Im europäischen Raum wird hauptsächlich das Öl der Rapsfrucht durch Auspressen genutzt. Die CO2 -Bilanz ist sehr günstig, siehe Abb. 2.57, jedoch besteht eine direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittelherstellung. Die hohe Viskosität, die Korrosionsneigung an Metallen und Kunststoffen, die hohe Siedetemperatur und damit verbunden ein schlechtes Kaltstartverhalten, insbesondere bei niederen Temperaturen (normalerweise Zweistoffbetrieb notwendig), verhindern eine Anwendung im Pkw-Bereich. Für Stationärmotoren und landwirtschatliche Anwendungen ist sie denkbar. Inzwischen gibt es einige, von OEMs freigegebene, mit Pflanzenöl betriebene Fahrzeuge (Landwirtschat). Die HC-, CO- und NOx -Emissionen sind in der Regel höher als mit Dieselbetrieb. Bezüglich der Partikelemission gibt es sehr unterschiedliche Ergebnisse. Vorteilhat ist die Unbedenklichkeit bei Anwendung in sensiblen Bereichen mit erhöhtem Boden- und Gewässerschutz. Insgesamt ist Pflanzenöl nur bedingt für die direkte Nutzung geeignet; eine Beimischung zum Diesel im Raffinerie-Prozess wäre aus technischer Sicht günstiger. Die Anwendung ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, siehe Abb. 2.58. Die wichtigsten Eigenschaten sind in Tab. 2.6 zusammengefasst, siehe auch DIN V 51605.

Biodiesel RME, FAME Biodiesel basiert in Europa im Wesentlichen auf umgeestertem Rapsöl (RapsMethylEster). Aber auch andere Pflanzenöle wie z. B. Sojaöl, Sonnenblumenöl oder öl- und fetthaltigen

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

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Bioabfällen werden verestert und unter dem Begriff FAME (Fatty Acid Methyl Ester) zusammengefasst. Beim Veresterungsprozess wird Pflanzenöl unter Zugabe von Methanol zu Monoalkoholester und wirtschatlich nutzbarem Glycerin umgewandelt. Die Viskosität verringert sich durch diesen Prozess und die thermischen Eigenschaten werden so verbessert, dass eine direkte Nutzung in Dieselmotoren möglich ist. Für die Umwandlung in Biodiesel muss zusätzliche Energie bereitgestellt werden, damit steigen die Herstellungskosten im Vergleich zum Dieselkratstoff an und die CO2 -Bilanz erreicht aus heutiger Sicht langfristig nicht das erforderliche Einsparungsniveau, siehe Abb. 2.57. Biodiesel gehört zu den Pflanzenölkratstoffen der sogenannten ersten Generation und steht damit in Flächenund Nutzungskonkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion. Ausnahme sind Pflanzen, die auf erodierten Böden wachsen, wie z. B. Jatropha. Die heutige Norm EN 590 lässt eine Beimischung von maximal 7 % (B7) zu, davor war B100 über viele Jahre im Angebot. Die Einspritzsystemhersteller hatten allerdings keine Freigabe für B100 für ihre Dieseleinspritzausrüstung erteilt. Durch die kontinuierlich zunehmende steuerliche Belastung ist einerseits B100 wirtschatlich nicht mehr attraktiv, andererseits auch technisch nicht empfehlenswert (Korrosion, Betriebseinschränkungen bei langer Stillstandszeit). Nach heutigen Erfahrungen können Beimischungen > 7 % eine verstärkte Schmierölverdünnung während der Dieselpartikelfilterregeneration (späte Nacheinspritzungen) sowie Schlammbildung in der Ölwanne verursachen (Tschöke 2011). Die Langzeitstabilität ist abhängig von dem Beimischungsanteil und kritischer als bei Dieselkratstoff, siehe Abb. 2.59. Hinsichtlich der Partikel-, CO- und HC-Emissionen verhält sich Biodiesel günstiger als herkömmlicher Dieselkratstoff. Nachteilig wirken sich die höheren NOx -Emissionen aus. Im Gegensatz zu naturbelassenem Pflanzenöl ist Biodiesel nicht gewässerneutral und sauer, d. h. beim Tanken sind die gleichen Sicherheitsvorkehrungen erforderlich wie bei Dieselkratstoff. Als Beimischung ist Biodiesel ein bekannter und bewährter Kratstoff mit nahezu konstantem Anteil, siehe Abb. 2.58. Die Eigenschaten des Biodiesels unterliegen einer Überwachung durch die DIN 14214 und sind in Tab. 2.6 beschrieben.

Hydrogenated Vegetable Oil HVO HVO sind Biokratstoffe auf Basis von Pflanzenölen, die durch Zugabe von Wasserstoff sogenannte hydrierte Pflanzenöle ergeben. Die Eigenschaten sind sehr dieselähnlich bei einer hohen Cetanzahl von über 80. Hydrierte Pflanzenöle können zu 100 % verwendet (stand alone Prozess) werden oder im Raffinerie-Prozess bei der Dieselherstellung eingespeist werden (Cohydrate). Die Motorverträglichkeit ist deutlich besser als bei den FAMEKratstoffen, insofern können auch höhere Quoten beigemischt werden. Allerdings sind die Kosten hierfür noch sehr hoch. Grundsätzlich stehen hydrierte Pflanzenöle ebenfalls in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. HVOs können eine Alternative mit besseren motorischen Ergebnissen gegenüber den FAME-Kratstoffen sein, sofern die Weiterentwicklung der Prozesse zu einer kostengünstigeren Lösung führt. Untersuchungen zum Emissionsverhalten verschiedener Dieselkratstoffe zeigt Abb. 2.60. Die höheren Emissionen mit Diesel im Vergleich zu GtL und HVO sind auf den Aromatengehalt im Diesel zurückzuführen. RME hat die bekannt geringen Rußemissionen, dabei war die AGR-Rate

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 2.59 Oxidationsstabilität und Säurezahl für verschiedene RME-Beimischungen (RWTH Aachen/OWI GmbH)

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

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Abb. 2.60 Ruß/NOx Tradeoff für verschieden Kratstoffe

immer auf das Verhältnis NOx /Ruß 10 : 1 eingestellt worden, d. h. die AGR Rate war mit RME deutlich höher als mit den anderen Kratstoffen.

Biomass to Liquid BtL BtL wird aus Biomasse hergestellt, wofür sich eine Vielzahl von schnell wachsenden Pflanzen und biogene Reststoffe eignen (Lignosezellulose). Dabei wird im Gegensatz bei den FAME-Kratstoffen nicht die ölhaltige Frucht sondern besonders die Restpflanze eingesetzt, man spricht von den sogenannten Biokratstoffen der zweiten Generation. Die Ausgangsstoffe werden in einem ersten Schritt zu Biokoks verschwelt und anschließend vergast. Das Synthesegas wird nachfolgend in der Fischer-Tropsch-Synthese zu flüssigem Kratstoff umgewandelt. Auch Umwandlungsprozesse mittels Mikroorganismen bzw. Bakterien werden untersucht. Der dabei entstandene Kratstoff besitzt ähnliche Eigenschaten wie konventioneller Kratstoff. BtL hat eine deutlich bessere CO2 -Bilanz als FAME-Kratstoffe, siehe Abb. 2.57. Bei der Verbrennung entstehen weniger Schadstoffe; die Partikelemissionen sind um bis zu 40 % niedriger. Da BtL keinen Schwefel enthält, entstehen bei der Verbrennung keine Schwefeloxide . Aus motorischer Sicht ist BtL ein interessanter Kratstoff, der jedoch trotz vieler Hoffnungen und Versprechungen bis heute nicht über den Labormaßstab hinaus verfügbar ist. Hinzu kommen derzeit noch viel zu hohe Herstellkosten. Je nach eingesetztem Rohstoff kann eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion vermieden werden. Die Eigenschaten sind in Tab. 2.6 beschrieben.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Algenbiokraftstof Algen können in Reaktoren mit einem hohen Ertrag an Öl kultiviert werden. Durch Umesterung lässt sich Kratstoff gewinnen. Die Verfahren sind an Forschungseinrichtungen und bei den Mineralölkonzernen in der Entwicklung. Man spricht von der sogenannten dritten Generation von Biokratstoffen die aber erst in ca. 20 Jahren praxisrelevant sein wird. Eine Nahrungsmittelkonkurrenz besteht nicht, jedoch ist mit einem hohen Flächenbedarf (keine direkte landwirtschatlich genutzte Fläche notwendig) für die CO2 -Aufnahme z. B. aus einem Kohlekratwerk zu rechnen. In diesem Fall wäre die CO2 Bilanz aber positiv. Weitere im Dieselmotor eingesetzte Kraftstofe Methan (CH4 ) aus fossilen Quellen (Erdgas) oder aus Biomasse (Biogas), siehe Abschn. 2.7.1, wird seit langem in Dieselmotoren eingesetzt. Das Gas-Lutgemisch wird dabei überwiegend nach dem ottomotorischen Verfahren über eine Zündkerze oder über eine geringe Dieselmenge (Zündstrahlmenge < 5 %, die selbst zündet) „fremdgezündet“. Bei Stationärmotoren und Marineanwendungen wird häufig das Diesel-Einspritzsystem und der Motor so ausgelegt, dass auch 100 % Dieselbetrieb möglich ist, damit wird eine hohe Flexibilität bezüglich der Kratstoffverfügbarkeit erreicht. Wird nur ein gewisser Dieselanteil durch das Gas ersetzt spricht man auch von Bi-Fuel-Motoren (Baufeld 2013). Inzwischen werden solche Dual-Fuel-Motoren auch für den Nfz- und Pkw-Bereich entwickelt und untersucht (Eichlseder 2013). Zum Einsatz kommt überwiegend Methan, gespeichert unter ca. 200 bar als CNG (Compressed Natural Gas), aber auch zunehmend in flüssiger Form, gespeichert bei ca. −163 °C als LNG (Liquified Natural Gas) zum Beispiel in Gas-Transportschiffen und bei Nfz. Kerosin (leichter Dieselkratstoff) wird überwiegend im Lutfahrtbereich eingesetzt und entsteht aus einem engen Fraktionierschnitt des Mitteldestillats. Die Cetanzahl liegt mit ca. 45 für heutige Verhältnisse zu niedrig. Kerosin muss mit erheblichen Additiven unterstützt werden, um die notwendigen Eigenschaten zu erreichen. Die Rußemission ist geringer als bei Einsatz von Diesel. Die Kälteempfindlichkeit ist ebenso geringer. Schwefelgehalt und Schmierfähigkeit sind jedoch in der Regel schlechter, deshalb ist Kerosin nicht für die breite Anwendung geeignet, allenfalls als Beimischung denkbar. Alkohole (Ethanol und Methanol) sind als Beimischungen zum Diesel seit langem bekannt, aber insgesamt sind diese Lösungen technisch aufwendig und unwirtschatlich.

Empfehlungen für die Einführung alternativer Kraftstofe Im Idealfall sollte durch die Einführung von alternativen oder ergänzenden Kratstoffen keine Änderung im Betriebsverhalten, d. h. bei Leistung, Dynamik und im Kalt-/ Warmstartverhalten entstehen. Die CO2 -Emission sollte in der Wheel-to-Wheel-Bilanz geringer sein. Die schädlichen Abgas- und Geräuschemissionen sollten geringer oder zumindest nicht höher als bei Betrieb mit konventionellen Kratstoffen sein. Die alternativen

2

Thermodynamische und chemische Grundlagen

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Tab. 2.7 Checkliste zur Freigabe alternativer Krafststoffe Allgemein Verfügbarkeit (wie viel, wo . . . ) Infrastruktur Konkurrenz zur Ernährungswirtschat Kosten Normung Wheel-to-Wheel Bilanz Transportsicherheit Betankungsvorgang Tankgröße/Material Einzelbestandteile (Toxizität, Säure, Schwefel . . . ) Lagerstabilität, Zeitverhalten: Wasserstabilität, Oxidationsstabilität, biologische Veränderung Korrosion Filtrierbarkeit (Sommer-/Winterbetrieb) Temperaturverhalten Mischbarkeit Additivverträglichkeit Motorische Eigenschaten I Heizwert Viskosität Dichte Schmierfähigkeit Siedeverhalten Volumetrischer Verbrauch Reichweite Zweistoffbetrieb vermeidbar Gemischbildung: Temperatur (Vorheizung) Zeit Spraybildung (Tröpfchengröße, Penetration, Spraykegel . . . ) Zündung und Verbrennung: Zündverzug Wärmefreisetzung Motorische Eigenschaten II Zylinderdruck Abgasrohemission Verbrennungsgeräusch AGR-Verträglichkeit Verkokungsneigung Neigung zur Polymerisation

PKW + + + + + + + + o + o

NKW + + + + + + + + o + o

Offroad o o + + o + o o o o o

Stationär o o + + o + o − − − o

o + + + o PKW + + + + + + +

o + + + o NKW + + + + + + +

o o o o o Offroad o o o o o o o

o − o o o Stationär o − − o − o −

+ + +

+ + +

o o o

o o o

+ + PKW + + + + o o

+ + NKW + + + + o o

o o Offroad + o o o o o

o o Stationär + o o − − o

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G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 2.7 Fortsetzung Schmierölverdünnung Blendbetrieb: Verhältnis unterschiedliche Applikationen (Hard- und Sotwaremaßnahmen) Abgasnachbehandlung Katalysatoren (Oxidationskatalysator, DeNox-Katalysator): Langzeitstabilität Light-Off Partikelfilter: Langzeitstabilität Regeneration

+

+

o



o o

o o

o o

− −

PKW

NKW

Offroad Stationär

o +

+ +

+ o

+ –

o +

+ +

+ o

+ –

+ wichtig; o weniger wichtig; – unwichtig

Kratstoffe dürfen keine negativen Auswirkungen auf die Lebensdauer und Zuverlässigkeit des Gesamtsystems haben, und die Sicherheitsanforderungen sollten möglichst unverändert bleiben. Die Applikation der Motoren und Fahrzeuge erfolgt heute noch überwiegend mit einem genormten Standardkratstoff auf Diesel- oder Benzin-Basis. Bei Einführung neuer Kratstoffe oder Kratstoffmischungen ist die gesamte Kette vom Tank bis zum Auspuff, d. h. Niederdruck-, Hochdruck-Kratstoffkreislauf (Einspritzsystem), Motor (Gemischbildung, Verbrennung, Bauteilauslegung) und Abgasnachbehandlung in die Erprobung und Absicherung einzubeziehen. Eine rechtzeitige Standardisierung (Normung) ist unabdingbar, um insbesondere auch die im Feld befindlichen Kratfahrzeuge mit Kratstoffen sicher zu versorgen. In der Praxis sind diese Forderungen in der Regel nicht in vollem Umfang erfüllbar. Außerdem sind Kenntnisse über die Abweichungen üblicherweise nicht ausreichend vorhanden. Hinzu kommt, dass die meist unter definierteren Randbedingungen erfolgten Tests Unterschiede zu den Felderfahrungen aufweisen. Tabelle 2.7 zeigt einen Vorschlag für eine Checkliste zur Freigabe von alternativen Kratstoffen. Die einzelnen Kriterien sind nicht für alle Anwendungen gleich bedeutsam.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren Günter P. Merker und Rüdiger Teichmann

3.1 PKW-Ottomotoren 3.1.1 Gemischbildung Die klassischen ottomotorischen Brennverfahren zeichnen sich durch folgende Charakteristika aus: • Vormischung von Lut und Kratstoff zu einem sowohl zünd- als auch verbrennungsfähigen Gemisch • i. d. R. deutliche zeitliche Trennung von Gemischbildung und Verbrennung • damit meist vollständige Verdampfung des Kratstoffs bei Zündung bzw. Verbrennungsbeginn • Einphasiger Verbrennungsablauf auf der Basis einer den Brennraum durchquerenden Flammfront • Starker Einfluss der Turbulenz innerhalb der Flammfront • Deflagrativer Charakter, d. h. hohe Temperatur-Orts-Gradienten normal zur Flammfrontrichtung (Nieberding 2001)

Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. habil. Günter P. Merker B Tettnang, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann B AVL List GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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Abb. 3.1 Systematik ottomotorischer Brenn- und Gemischbildungsverfahren

Somit bestimmt erwartungsgemäß die Spezifikation des Brennverfahrens die Anforderungen an das Gemischbildungssystem bzw. -verfahren. Zur wesentlichen Klassifizierung gehören die Unterscheidungen nach dem Homogenisierungsgrad des Gemischs, nach dem globalen Lutverhältnis und nach der Positionierung des Gemischbildungsorgans, d. h. Injektors, relativ zum Brennraum. Die kausale Verknüpfung dieser Begriffe ist in Abb. 3.1 dargestellt. Die Charakterisierung der ottomotorischen Brennverfahren durch vorgemischte Flammen steht im Gegensatz zur dieselmotorischen Verbrennung auf der Basis der Diffusionsverbrennung (Abschn. 3.3). Durch ungünstige Randbedingungen (niedrige Motoroder Ansaugluttemperaturen) oder ungeeignete Parametrierung (Einspritzzeitpunkt, Einspritzdruck) kann es zu anteiliger diffusiver Verbrennung beim Ottomotor kommen. Diese erzeugt erwartungsgemäß eine Zunahme der Brenndauer und eine deutliche Erhöhung der Partikelmassen- und -anzahlemission. Die beim PKW-Ottomotor genutzten homogenen Brennverfahren (Abb. 3.1), basieren in den allermeisten Fällen auf einem stöchiometrisch gebildeten Kratstoff-Lut-Gemisch mit λ = 1 bei klarer zeitlicher Trennung von Gemischbildung und Verbrennung im Arbeitszyklus. Somit ist die Voraussetzung zur katalytischen Abgasnachbehandlung nach dem 3-Wege-Prinzip gegeben. Homogene Brennverfahren mit überstöchiometrischem Lutverhältnis λ > 1 stellen i. d. R. Übergangsszenarien dar, die in Kennfeldbereichen zur Anwendung kommen, wo sich eine überstöchiometrische, inhomogene Gemischbildung bzw. Brennverfahrensführung, der sogenannte Schichtbetrieb mit λ ≫ 1, nicht empfiehlt. Der Schichtbetrieb mit nur geringem zeitlichen Abstand des Gemischbildungszeitraums vom Verbrennungsbeginn stellt die konsequenteste Art überstöchiometrischer ottomotorischer Brennverfahren mit Fremdzündung und Flammfrontverbrennung dar. Sämtliche überstöchiometrischen fremdgezündeten Brennverfahren beim PKW-Ottomotor benötigen bei ihrer emissionsgesetzgebungsrelevanten Anwendung eine zusätzliche Abgasnachbehandlungstechnologie zum Abbau der vermehrt anfallenden Stickoxide. Diese besteht entweder aus sog. Stickoxid-Speicherkatalysatoren (ohne zusätzlichen DeNOx -Betriebsstoff) oder sog. SCR (Selektive Katalytische Reduktion)-Systemen (mit zusätzlichem DeNOx -Betriebsstoff).

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Im scheinbaren Gegensatz zu den bisherigen Definitionen stehen die Brennverfahren der Homogenen Selbstzündung (Controlled Auto-Ignition, CAI). Hier wird die Verbrennung durch Selbstzündung an vielen Brennraumorten gleichzeitig eingeleitet. Die Voraussetzungen zur Selbstzündungsfähigkeit werden durch hohe Verdichtungsenddrücke und -temperaturen geschaffen, d. h. i. d. R. durch hohe effektive Verdichtungsverhältnisse und intensive interne heiße Restgasrückführung. Die Verbrennung der meist leicht überstöchiometrischen Gemische erfolgt flammfrontfrei mit sehr geringen Brenndauern. Die auf diese Weise deutlich geringer ausfallenden Verbrennungsspitzentemperaturen führen zu einer sehr geringen Entstehung von Stickoxiden, womit trotz überstöchiometrischen Betriebs auf eine zusätzliche DeNOx -Technologie verzichtet werden kann. Zur Erläuterung soll auf einige ausgeführte Gemischbildungs- und Verfahrensbeispiele näher eingegangen werden.

Homogenbetrieb mit Saugrohreinspritzung Die Saugrohreinspritzung wird heute ausschließlich als Multipoint-Einspritzung ausgeführt. Jedem Zylinder steht ein eigenes Einspritzventil zur Verfügung, das i. d. R. im Einlasskanal des Zylinderkopfs verbaut wird. Die Einspritzventile sind Elemente eines Common-Rail-Systems. Der Einspritzdruck wird von der Vorförderpumpe aufgebaut und kann je nach Systemauslegung zwischen 3 und 5 (10) bar betragen. Entweder wird der Einspritzdruck für eine konstante Druckdifferenz zwischen Kratstoffdruck und Saugrohrdruck geregelt, oder es wird mit konstantem Einspritzdruck und somit variabler Druckdifferenz gearbeitet. Probleme mit dem Auf- und Abbau eines Kratstoff-Wandfilms bei instationärer Änderung des Saugrohrdrucks können mit einlassventilnaher Einbaulage minimiert werden. Der Einspritzzeitpunkt wird vom Motorsteuergerät vorgegeben, siehe Abb. 3.17, und erfolgt in der Dynamik für jeden Zylinder individuell. Bei bewährt frühem Einspritzzeitpunkt nach dem Ende des letzten Ansaugtakts, d. h. „vorgelagerter“ Einspritzung, trit der Kratstoffstrahl bei sehr langer Gemischbildungszeit auf die geschlossenen heißen Einlassventile. Die „saugsynchrone“ Einspritzstrategie für i. d. R. instationären Betrieb besteht darin, während des Ansaugtaktes bei geöffneten Einlassventilen einzuspritzen und die Geschwindigkeit der einströmenden Frischlut für bestmögliche Gemischaufbereitung zu nutzen. Insbesondere bietet sie sich jedoch bei vollvariablen Ventiltrieben mit kleinem Einlassventilhub in der unteren Teillast an. In dieser Situation kann die einströmende Frischlut im engen Einlassventilspalt bis zu Schallgeschwindigkeit erreichen und damit die Kratstotröpfchen bestmöglich zerstäuben. Die Nutzung variabler Steuerzeiten kann die Gemischbildung weiterhin unterstützen. Bei interner Abgasrückführung fördert heißes Restgas die Verdampfungsneigung des eingespritzten Kratstoffs. Die Möglichkeiten zur Verbesserung der Gemischbildung über eine Erhöhung des Einspritzdrucks sind mit preisgünstigen Niederdruck-Einspritzsystemen begrenzt. Deutlich erhöhte Einspritzdrücke werden erst mit separaten Hochdruckpumpen bei Motoren mit Direkteinspritzung erreicht. Beim betriebswarmen Motor kann mit einer optimierten Saugrohreinspritzung eine sehr gute Gemischaufbereitung erreicht werden. Unmittelbar nach dem Kaltstart verdamp-

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fen die Kratstotröpfchen verdampfen durch die benetzten Oberflächen im Einlasskanal schlechter. Relativ große Tropfen können die Brennraumwände benetzen und entweder gar nicht oder nur unvollständig an der Verbrennung teilnehmen, was zu erhöhten HCRohemissionen nach dem Kaltstart und in der Warmlaufphase führt. Ferner besteht bei niedrigen Betriebstemperaturen ein erhöhtes Risiko hinsichtlich Ölverdünnung.

Homogenbetrieb mit Direkteinspritzung Die homogene Direkteinspritzung ist ursprünglich als Unterbetriebsart der ersten SchichtBrennverfahren für den oberen Lastbereich entstanden. Insbesondere aufgeladene Ottomotoren mit Direkteinspritzung werden nahezu ausschließlich für den Homogenbetrieb ausgelegt, da die Flexibilität der Direkteinspritzung ideal mit der Aufladung harmoniert. Auch bei der homogenen Direkteinspritzung stellt die Laststeuerung eine Quantitätsregelung dar. Lutmasse und Kratstoffmasse entsprechen für die Abgasreinigung mit dem 3-Wege-Katalysator daher dem Verbrennungslutverhältnis λ = 1. Die Kratstoffeinspritzung erfolgt mit einem Common-Rail-System unter Hochdruck (50 . . . 200 bar). Die Injektoren können seitlich oder zentral im Zylinderkopf angeordnet werden. Dominierten noch vor einigen Jahren seitliche Drallinjektoren, erfolgt zunehmend der Einsatz von seitlichen oder zentralen Mehrloch-Magnetventilinjektoren oder zentralen außenöffnenden Piezoinjektoren. Der eingespritzte Kratstoff verdampt im Brennraum und entzieht die dafür nötige Wärme der sich abkühlenden Brennraumfüllung. Bei gleichem Verdichtungsverhältnis ε wie bei Saugrohreinspritzung würde sich eine geringere Verdichtungsendtemperatur und damit reduzierte Klopfempfindlichkeit ergeben. Dieser Effekt der „Innenkühlung“ wird jedoch in der Regel genutzt, um das Verdichtungsverhältnis bei gleicher Klopfempfindlichkeit um 1 bis 2 Einheiten zu erhöhen und damit Vorteile im Wirkungsgrad zu erzielen (DI-Saugmotoren: ε ≈ 12; DI-Turbomotoren: ε ≈ 10). Bei Direkteinspritzung steht weniger Zeit für die Gemischbildung zur Verfügung. Der Einspritzbeginn liegt üblicherweise in der ersten Hälte des Ansaugtaktes (z. B. 340 bis 280 °KW vor ZOT). Der direkte Kontakt des Einspritzstrahls mit dem Kolben oder der Laufbuchse ist zu vermeiden, weil Wandkontakt zu erhöhten HC- und Partikelemissionen sowie Ölverdünnung führt. Hinreichend hohe Kolbentemperaturen (bei höherer Drehzahl und Last) sowie ein großer Abstand zwischen Injektor und Kolbenmulde können die negativen Auswirkungen einer Kolbenbenetzung minimieren. Injektorlage, Sprayeigenschaten, Kolbengestaltung und Interaktion des Einspritzstrahls mit der Ladungsbewegung bestimmen stark die Gemischbildung. In Sonderfällen kann eine Mehrfacheinspritzung die beschriebenen Gemischbildungseffekte gerade bei großer Kratstoffmenge unterstützen. Die Flexibilität bei der Wahl der Einspritzzeitpunkte und -events erhöht sich bei sehr schnell schaltenden Injektoren. Schichtbetrieb mit Direkteinspritzung Mitte der 90er Jahre wurden erste direkteinspritzende Ottomotoren mit Schicht-Brennverfahren eingeführt. Zur Kratstoffverbrauchssenkung wird für die Laststeuerung nicht

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die Quantitätsregelung mit Drosselung für den λ = 1-Betrieb, sondern die Qualitätsregelung über die Änderung der eingespritzten Kratstoffmasse eingesetzt. Im theoretischen Idealfall wird bei voll geöffneter Drosselklappe ständig die maximale Lutmasse angesaugt. Dadurch können die Ladungswechsel- und Abgasenthalpieverluste minimiert werden. Eine Mindest-Abgastemperatur ist jedoch sicherzustellen, ab der ein hinreichender Wirkungsgrad des Drei-Wege-Katalysators hinsichtlich Oxidation und des NOx -Speicherkatalysators bezüglich Einlagerung gewährleistet sind. Durch den Betrieb mit Lutüberschuss entstehen zusätzliche Wirkungsgradvorteile im Hochdruckprozess. Die überschüssige Lut wirkt als Inertgas: ohne Verbrennungswirkung muss diese aufgeheizt werden und reduziert damit das Temperaturniveau der Expansionsphase. Damit verringern sich auch die temperaturabhängigen spezifischen Wärmekapazitäten cp und cv des Arbeitsgases. Somit erhöht sich der Isentropenkoeffizient κ = cp /cv entsprechend. Er ist bereits aus dem ottomotorischen Idealprozess neben dem Verdichtungsverhältnis als Haupteinflussgröße auf den Hochdruckwirkungsgrad bekannt. Bei hohem globalen Lutüberschuss (λ = 1,8 . . . 4) in der Teillast müssen Zusatzmaßnahmen für die Zündung und Verbrennung derart magerer Gemische getroffen werden. In der Literatur werden als Zündgrenzen für ein homogenes Gemisch Werte im Bereich von etwa 0,6 . . . 0,8 < λ < 1,5 bis 1,6 (van Basshuysen und Schäfer 2007) angegeben. Deshalb muss eine Ladungsschichtung erreicht werden: im Bereich der Zündkerze eine lokal zündfähige gemischführende Zone, im Außenbereich des Brennraums ein sehr hoher Lutüberschuss. Für diese Ladungsschichtung erfolgt die Kratstoffeinspritzung erst sehr spät in der Kompressionsphase, unter Umständen sehr eng gekoppelt an den Zündzeitpunkt. In der kurzen Gemischbildungsphase bis zum Zündzeitpunkt muss der Kratstoff mit der im Brennraum vorhandenen Lut aufbereitet werden. Untersuchungen zur Kratstoffkonzentration an der Zündkerze zeigen, dass der Zündfunke unter den Randbedingungen des Schichtbetriebs noch wesentlich fetteres Gemisch im unmittelbaren Bereich der Zündkerzenelektroden als im Homogenbetrieb entflammen kann, siehe Witt und Kern (2004) und Fischer et al. (2004), was sich u. a. mit der geringeren globalen und damit auch lokalen Gemischabkühlung im Schichtbetrieb erklären lässt. Die Flamme durchläut bei ihrer Ausbreitung im Brennraum Gebiete mit sehr starkem λ-Gradienten. Um die Ladungsschichtung realisieren zu können, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Brennverfahrensvarianten entwickelt: • wandgeführtes Verfahren • lutgeführtes Verfahren • strahlgeführtes Verfahren Diese Varianten stehen in engem Zusammenhang mit der Lage des Injektors, der seitlich oder zentral im Zylinderkopf verbaut werden kann. Bei den Otto-DI-Motoren der ersten Generation (wand- und lutgeführtes Verfahren) wurde eine seitliche Injektorlage gewählt. In aktuell angebotenen Motoren ist die seitliche Injektorlage nach wie vor zu finden, aller-

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Abb. 3.2 Links: Gemischbildung beim wandgeführten Verfahren, nach Holy et al. (1998), rechts: Gemischbildung beim lutgeführten Brennverfahren mit Tumble-Strömung, nach Grigo et al. (1998)

dings mittlerweile praktisch ausschließlich in Form der homogenen Direkteinspritzung. Bei modernen Ottomotoren mit Schicht-Brennverfahren werden die Injektoren zentral verbaut und strahlgeführte Brennverfahren realisiert. Das wandgeführte Brennverfahren wurde bei den ersten Schicht-Otto-DI-Motoren mit ausgeprägter Kolbenmulde für eine Umlenkfunktion eingesetzt. Die einströmende Lut wird entlang der Brennraumwände und der Kolbenmulde geführt. Der Kratstoffstrahl wird während der Kompression von der Seite in Richtung dieser Mulde eingespritzt. Durch die Gestaltung der Mulde sowie die Aufwärtsbewegung des Kolbens wird der Kratstoff nach oben in Richtung Zündkerze umgelenkt. Die umgelenkte Kratstoffwolke muss sich auf ihrem Weg zur Zündkerze mit der umgebenden Lut vermischen und zum Zündzeitpunkt ein stabiles zündfähiges Gemisch an der Zündkerze bilden. Dieser Gemischbildungsprozess wird bei den wand- und lutgeführten Brennverfahren meist noch durch eine ausgeprägte Ladungsbewegung in Form von Drall oder Tumble unterstützt (Abb. 3.2). Das lutgeführte Brennverfahren arbeitet praktisch immer mit Tumble als Ladungsbewegung (Abb. 3.2). Die Abgrenzung zum wandgeführten Verfahren erfolgt mehr oder weniger fließend. Die Kolbenmulde ist weniger stark ausgeprägt als beim wandgeführten Verfahren und unterstützt vor allem die Umlenkung des seitlich (unter flacherem Winkel) eingespritzten Kratstoffs durch die tumbleförmig einströmende Lut in Richtung Zündkerze. Der Kolben wird weniger stark benetzt als bei Wandführung. Der aus HC-Wandbenetzung entstehende Wirkungsgradverlust kann in der unteren Teillast auffällig sein. Ein weiteres Problem der wand- und lutgeführten Schicht-Brennverfahren besteht im eingeschränkten Kennfeldgebiet. Die obere Drehzahlgrenze wird definiert durch die begrenzte Stabilität des Einspritzstrahls und die zunehmend schlechtere Gemischaufbereitung. Die obere Lastgrenze wird durch die deutlich steigenden Partikelemissionen durch zu geringes lokales Lutverhältnis an der Zündkerze definiert. In der Praxis wird dadurch die Nutzbarkeit des Schichtbetriebs auf den unteren bis mittleren Teillastbetrieb (typischerweise bis etwa n = 3000 U/min, pe = 4 bar) begrenzt. In den letzten Jahren wurden strahlgeführten Brennverfahren entwickelt und eingeführt. Ein wesentlicher Unterschied zu den wand- und lutgeführten Verfahren besteht darin, dass der Strahl eines zentral montierten Injektors unmittelbar an der Zündkerze vorbeiführt.

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Abb. 3.3 Position der Zündkerze am Strahlrand beim strahlgeführten Brennverfahren (Fröhlich et al. 2003)

Als Voraussetzung für eine sichere Entflammung muss sich also das zündfähige Gemisch direkt am Strahlrand an der Zündkerzenposition bilden. Dann kann der Umweg über die Kolbenmulde entfallen und somit auch der größte Teil der wirkungsgradschädlichen Kratstoffbenetzung des Kolbens. Die HC-Emissionen können deutlich reduziert werden bis auf das Niveau guter stöchiometrisch betriebener Motoren (Abb. 3.3). Es steht nur ein räumlich sehr eng begrenzter Bereich für die Gemischbildung zur Verfügung. Hierfür eignen sich außenöffnende Injektoren, die ein Hohlkegelspray mit einem ringförmigen Rezirkulationswirbel am Strahlrand bilden. Die Ausbildung dieses Wirbelgebietes unter den Bedingungen der Kompressionseinspritzung wird intensiv geprägt durch die Interaktion des mit hoher Geschwindigkeit eindringenden Einspritzstrahls mit der nahezu ruhenden Lut im Brennraum. Die Sprayform des Hohlkegels muss auch bei sehr spätem Einspritzzeitpunkt in der Kompressionsphase und somit bei hohem Gegendruck und hoher Gastemperatur stabil bleiben. Extrem schnell öffnende Injektoren mit Piezoantrieb ermöglichen mehrere kurz aufeinanderfolgende Einspritzungen. Diese Eigenschat lässt durch eine entsprechende Einspritzstrategie weitgehende Gestaltungsfreiheiten hinsichtlich des lokalen Verbrennungslutverhältnisses an der Zündkerze zu, wodurch der nutzbare Kennfeldbereich im Schichtbetrieb deutlich erweitert werden kann. Die Auteilung der gesamten Kratstoffmenge in mehrere kurz aufeinanderfolgende Teileinspritzungen (bis zu 8 pro Zyklus, Altenschmidt et al. 2012) bezüglich Massenanteil und Timing bezüglich des Zündzeitpunkts bestimmt das lokale Verbrennungslutverhältnis an der Zündkerze zum Zündzeitpunkt und die Graduierung des Lutverhältnisses im Brennraum.

Homogene Selbstzündung Seit einigen Jahren werden verstärkt Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für neue ottomotorische Teillast-Brennverfahren mit homogener Selbstzündung mit dem Ziel der Erhöhung des Teillast-Wirkungsgrades bei i. d. R. überstöchiometrischem Betrieb ohne zusätzliche NOx -Abgasnachbehandlung betrieben. Zur Reduzierung der Ladungswechselverluste wird eine starke Anreicherung durch Restgas (Restgasgehalt ≫ 30 . . . 80 %) angestrebt. Gleichzeitig bedeutet dies eine drastische Reduzierung der NOx -Emissionen. Eine Verbrennungseinleitung durch ein konventionelles Zündsystem mit einem lokalen Zündfunken kann bei so hohen Inertgasraten jedoch nicht erfolgen. Die Ausbildung einer

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IPR

Ventilhub

Ventilhub

Ventilhub

Auslaßventil für SI- und CAI-Betrieb Einlaßventil für SI-Betrieb zusätzliches Einlaßventil für CAI-Betrieb

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

EPR

Auslaßventil für SI- und CAI-Betrieb Einlaßventil für CAI-Betrieb zusätzliches Auslaßventil für CAI-Betrieb

CCR

Auslaßventil für SI-Betrieb Auslaßventil für CAI-Betrieb Einlaßventil für SI-Betrieb Einlaßventil für CAI-Betrieb

Kurbelwinkel

Abb. 3.4 Restgasstrategien/Ventilsteuerzeiten für Homogene Selbstzündung: IPR = Intake Port Recirculation/Einlasskanalrückführung, EPR = Exhaust Port Recirculation/Auslasskanalrückführung, CCR = Combustion Chamber Recirculation/Brennraumrückführung

Flammfront bzw. deren Fortschritt ist bei der hohen Ladungsverdünnung durch Restgas und Lutüberschuss nicht möglich. Stattdessen muss die Auslösung der Energieumsetzung durch Selbstzündung erfolgen. Handelsüblicher Ottokratstoff hoher Oktanzahl wird petrochemisch robust gegen unkontrollierte Selbstzündungen (Klopfen) ausgelegt. Die thermischen Randbedingungen für eine kontrollierte Selbstzündung im Teillastbereich unterscheiden sich daher vom fremdgezündeten Betrieb. Eine hohe Verdichtungsendtemperatur im Brennraum ist mit einem großen Anteil von heißem Restgas so darzustellen, dass eine Selbstzündung des Gemischs erfolgen kann. Vollvariable Ventiltriebe bieten gute Voraussetzungen für verschiedene Methoden der Restgasrückführung, siehe Kaufmann et al. (2004) und Caton et al. (2005), (Abb. 3.4). Die Restgassteuerstrategien unterscheiden sich in ihrem Potenzial hinsichtlich Restgasgehalt, Zylinderfüllungstemperatur, Kleinstund Hochlastfähigkeit sowie der Homogenisierung. Der Brennverlauf bei Homogener Selbstzündung zeigt i. d. R. eine sehr geringe Energieumsetzung (Brenndauer = ca. 10 KW). In optischen Brennraumaufnahmen ist eine klassische Flammfront nicht erkennbar, vielmehr zündet das Gemisch an vielen Stellen im Brennraum nahezu gleichzeitig, was bei der hohen Ladungsverdünnung zu deutlich geringen Verbrennungstemperaturen führt (Abb. 3.5). Infolge der hohen Dichte dieser exothermen Zentren, siehe Stan et al. (2004) und Guibert et al. (2004), liegen nur geringe Temperatur-Orts-Gradienten vor, womit für die Ver-

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Abb. 3.5 Verbrennungstemperaturverteilung bei SI-Betrieb (links) mit und CAI-Betrieb (rechts) ohne Flammfront (Herrmann et al. 2005)

brennung bei Homogener Selbstzündung der Charakter einer hermischen Explosion vorliegt, siehe Nieberding (2001). Details zur lokalen Selbstzündungsneigung in Form des Zündverzugs und somit durch die örtliche Temperatur sowie zur lokalen Gemischzusammensetzung aus Frischlut, Kratstoff und Restgas beschreiben Kaufmann (2005) und Maiwald (2005). Je nach Gemischbildungseffekten und Ventilsteuerzeiten kann nicht von einer homogenen Temperatur- oder Kratstoffverteilung im Brennraum ausgegangen werden. Nach Selbstzündung an den Stellen mit den besten Zündvoraussetzungen steigen Druck und Temperatur, wodurch die Selbstzündungsbedingungen an weiteren Orten im Brennraum erreicht werden und die Energieumsetzung in Form einer sogenannten Reaktionsfront schnell voranschreitet. Die begrenzenden Faktoren für den Selbstzündungsbereich im Betriebskennfeld werden im untersten Lastbereich durch die erreichbare Kompressionsendtemperatur gesetzt. Die Spitzendruckgradienten können im höheren Lastbereich erkennbar kritische Werte annehmen.

3.1.2 Zündung und Verbrennungsablauf In einem konventionellen Ottomotor wird das Gemisch am Ende der Kompressionsphase kurz vor dem Zünd-OT durch einen Funkenüberschlag zwischen den Elektroden der Zündkerze gezündet.

Aufbau der elektrischen Zündanlage Moderne Ottomotoren werden mit einer ruhenden Zündspannungsverteilung in Form zylinderindividueller Zündspulen mit Primär- und Sekundärwicklung ausgerüstet. Die maximal zur Verfügung stehende Zündenergie wird während der Ladezeit (ca. 1 . . . 5 ms) im Magnetfeld der Primärwicklung gespeichert und kann bei derzeit üblichen Zündspulen Werte von ca. 40 . . . 100 (120) mJ erreichen. Das Magnetfeld in der Primärwicklung bricht bei Zündzeitpunkt schlagartig zusammen und induziert damit kurzzeitig eine Primärspan-

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nung von bis zu 400 V und eine maximale Spannung von ca. 40 kV auf der Sekundärseite. Aufgrund der Hochspannung wird das Gemisch zwischen den Kerzenelektroden leitfähig ionisiert. Der dabei entstehende Plasmakanal erreicht kurzfristig Temperaturen von bis zu 6000 K. Für eine stabile Entflammung durch den Zündfunken muss das Gas zwischen den Kerzenelektroden mit zündfähigem lokalem Lutverhältnis vorliegen.

Verlauf der elektrischen Fremdzündung Der zeitliche Verlauf der Funkenentladung gliedert sich nach Pischinger (2001) in die beiden extrem kurzen Abschnitte des Funkendurchbruchs und der Bogenentladung, die nach insgesamt etwa 1 Mikrosekunde abgeschlossen sind, sowie der anschließenden Glimmentladung, die auch als die Funkenbrenndauer bezeichnet wird (Abb. 3.6). Abb. 3.6 Ablaufphasen der Zündung nach Pischinger (2001)

Der Funkenüberschlag in der Durchbruchsphase erfolgt, sobald die Zündspannung im Sekundärkreis die Durchbruchsspannung erreicht hat. Diese Grenze hängt von der Gemischdichte zwischen den Elektroden, dem Elektrodenabstand und der Elektrodengeometrie ab. Die nötige Zündspannung muss unter allen motorischen Betriebsbedingungen bereitgestellt werden, insbesondere bei hoher Last im aufgeladenen Betrieb (hohe Gemischdichte) sowie zunehmendem Kerzenverschleiß (erhöhter Elektrodenabstand). Je nach Energieangebot der Zündspule kann die Funkenbrenndauer in dieser Phase typischerweise etwa 1 ms andauern, bei Hochenergiezündspulen bis zu 1,5 . . . 2 ms.

Auslenkung und Abriss des Zündfunkens, Nebenschluss Bei einer normalen Entflammung wird der Zündfunke auf dem Weg zwischen den Elektroden durch lokale Ladungsbewegung ausgelenkt. Damit überstreicht der Zündfunke wirksam ein größeres Gemischvolumen. Die Brennspannung erhöht sich dabei mit zunehmender Funkenauslenkung. Bei Funkenabriss muss dann unter verstärktem Energieverbrauch aus der Zündspule neu gezündet werden. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Verbrennungsaussetzers oder einer stark verzögerten Entflammung. Leitfähige Ablagerungen auf dem Zündkerzenisolator führen zu Nebenschluss und damit zu Entflammungsstörungen.

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Wärmewert, Selbstreinigungsfähigkeit und Elektrodenabstand Die Zündkerze muss im Betrieb zur Vermeidung von Ablagerungen hinreichend hohe Temperaturen (> 400 °C) erreichen, was bei kleinen Motorlasten und niedrigen Motortemperaturen kritische Zustände erreichen kann. Die konstruktive Auslegung der Zündkerze beeinflusst sehr stark ihren Temperaturhaushalt, d. h. die Spanne zwischen minimal und maximal zulässigen Werten. Die höchsten Zündkerzentemperaturen sollten im gesamten Motorkennfeld ca. 850 bis 950 °C nicht überschreiten (Gefahr von Glühzündungen). Ein weiterer relevanter Parameter ist der Elektrodenabstand, der wesentlich den Zündspannungsbedarf definiert. Aus diesem Grund werden für freisaugende Ottomotoren eher größere Elektrodenanstände (≥ 1 mm) und für aufgeladene Ottomotoren eher geringere Elektrodenanstände (≤ 0,9 mm) gewählt. Flammfrontentwicklung, Einluss der Turbulenz Die Übertragung von Aktivierungsenergie durch den Zündfunken versetzt die Kratstoffmoleküle in einen reaktionsbereiten Zustand. Sobald die Flammfront besteht, stellt sie die notwendige Aktivierungsenergie zur Entzündung des umliegenden Frischgases in Form von Wärme zur Verfügung. Im Idealfall breitet sich die Flammfront dabei von der Zündkerze ausgehend kugelförmig durch den Brennraum aus. Die besten geometrischen Voraussetzungen bietet eine zentrale Zündkerzenlage. Die Reaktion läut bis zum vollständigen Abbau des Frischgemischs oder zum vorzeitigen Flammenerlöschen, insbesondere durch Wandwärmeverlust (Wall Quenching) oder zu hoher Ladungsverdünnung durch Restgas oder Lut (Flame Quenching). In der Nähe des Zünd-OT baut sich ein turbulenter Strömungszustand mit hoher Reynolds-Zahl durch hohe lokale Strömungsgeschwindigkeit im unmittelbaren Umfeld der Flammfront auf. Die Geometrie des Einlasskanals, die Steuerzeitenlage, die Kolbengestaltung und die Motordrehzahl gestalten die Ladungsbewegung und damit das Turbulenzpotenzial, siehe Heywood (1988). Verschiedene schaltbare Tumble- und Drallklappen dienen der Anpassung der Ladungsbewegungsintensität. Die global erzeugte Ladungsbewegung (Abb. 3.7) soll während der Kompression dissipieren und in Turbulenz zerfallen. Die Flammfront geht somit nach der Flammkernbildung schnell vom laminaren in den turbulenten Zustand über. Die Flammfront wird damit gefaltet und vergrößert so ihre Reaktionsoberfläche, wodurch die Kratstoffdissoziation und somit die Verbrennung entsprechend schneller ablaufen kann, siehe Pischinger (2001) und Heywood (1988). Somit können hohe Motordrehzahlen mit geringen Brenndauern realisiert werden. An Ottomotoren mit ausgeprägter Tumble-Ladungsbewegung wurden kurz nach dem Zündzeitpunkt Flammengeschwindigkeiten von bis zu 30 m/s ermittelt. Für die laminare Flammgeschwindigkeit des Vergleichskratstoffs Iso-Oktan werden in der Literatur, siehe Pischinger (2001), je nach Druck und Temperatur Werte von 0,3 . . . 1 m/s angegeben (Abb. 3.8).

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Abb. 3.7 Grundformen der globalen Ladungsbewegung: Drall (links) als Wirbel um die Zylinderhochachse (hier in Verbindung mit einem Muldenkolben eines wandgeführten DI-Verfahrens), nach Holy et al. (1998), Tumble (rechts) als Wirbel um die Zylinderquerachse (hier dargestellt mit Hilfe einer Tumbleklappe), nach Grigo et al. (1998) Abb. 3.8 Laminare Flammgeschwindigkeit von Iso-Oktan bei λ = 1, nach Pischinger (2001)

Verbrennungsgeschwindigkeit und Heiz- bzw. Brennverlauf Die Auswirkungen der Ladungsbewegung auf die Flammenausbreitungsgeschwindigkeit können auch im Heiz- bzw. Brennverlauf nachvollzogen werden. Üblicherweise werden die Abschnitte des Brennverzugs (meist vom Zündzeitpunkt bis 0 . . . 5 % Energieumsetzung)

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25 20 15 10 5

Zylinderdruck Umsatzpunkte des integralen Heizverlaufs

0

1300

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Differentieller Heizverlauf Umsatzpunkte des integralen Heizverlaufs

-10 -20

-10

-5

0

5

10

KW [°KW]

15

20

25

5%; 10%; 50%; 90%

1100 900 700 500

ZZP

30

ZZP

Zylinderdruck [bar]

35

5%; 10%; 50%; 90%

100

Integraler Heizverlauf [kJ/m3]

40

ZZP

5%; 10%; 50%; 90% Differentieller Heizverlauf [kJ/m3deg]

45

300 100 -100

Integraler Heizverlauf Umsatzpunkte des integralen Heizverlaufs

-300 -10

-5

0

5

10

KW [°KW]

15

20

25

-10

-5

0

5

10

15

20

25

KW [°KW]

Abb. 3.9 Zylinderdruckverlauf bei Teillast (n = 2000 rpm; pi = 6 bar), differenzieller und integraler Heizverlauf sowie Zündzeit- und Umsatzpunkte

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und der Brenndauer (meist als 5 . . . 90 % Energieumsetzung) ermittelt. Der Brennverzug charakterisiert damit die Entwicklung der Flammfront. Die Brenndauer umfasst den Bereich der eigentlichen Energieumsetzung durch Verbrennung (Abb. 3.9). Eine verzögerte Flammfront zeigt sich in einem verlängerten Brennverzug und meist auch einer längeren Brenndauer. Ursachen sind u. a. eine starke Ladungsverdünnung durch hohen Restgasanteil oder Überschusslut. Umgekehrt drückt sich eine Erhöhung der Turbulenz in Form kürzerer Brennverzüge und Brenndauern aus.

3.1.3 Irreguläre Verbrennungsphänomene Irreguläre Verbrennungsphänomene stellen diejenigen Verbrennungsvorgänge im Ottomotor dar, die nicht (bzw. nicht ausschließlich) vom regulären Zündfunken ausgelöst werden, sondern durch Selbstentflammung. Dazu gehören insbesondere die Begriffe der klopfenden Verbrennung, der reaktionskinetischen Vorentflammung und der fremdinduzierten Vorentflammung bzw. Glühzündung. Zuerst ist hierbei hinsichtlich des Entstehungszeitpunkts zu unterscheiden zwischen: 1. Selbstentflammung vor dem regulären Zündzeitpunkt 2. Selbstentflammung nach dem regulären Zündzeitpunkt Weiterhin können die Autretenshäufigkeit, der beeinflusste Brennraumanteil und die beobachtbare Frequenz im Zylinderdrucksignal unterschieden werden: 1. einmaliges Autreten pro Arbeitszyklus (gesamter Brennraum ist betroffen) mit niederfrequentem Signalanteil 2. mehrfaches Autreten pro Arbeitszyklus (mehrere Orte im Endgasbereich sind betroffen) mit hochfrequentem Signalanteil Zusätzlich ist noch eine Gliederung nach dem Entstehungs- bzw. Auslösungsmechanismus möglich: 1. Selbstentflammung durch eine ungesteuerte Fremdquelle 2. Selbstentflammung auf reaktionskinetischem Weg Ebenso angebracht ist die Unterscheidung der irregulären Verbrennungsphänomene nach ihrem Autreten im Betriebskennfeld (siehe Abb. 3.10). Das Klopfen gehört zur jeweils zweiten Gruppe bei nahezu rein lastabhängigem Auftreten. Die reaktionskinetische Vorentflammung ist in den ersten beiden Kategorien der ersten Gruppe, in der letzten Kategorie der zweiten Gruppe zuzuordnen. Ihr Autreten wird (Abb. 3.10) durch hohe Motorlasten bei kleinen Drehzahlen im sog. Low-End-TorqueBereich begünstigt. Die fremdinduzierte Vorentflammung bzw. Glühzündung ist dagegen

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Effektiver Mitteldruck [bar]

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Reaktionskinetische Vorentflammung

500

1000

1500

2000

Klopfende Verbrennung

2500

3000

3500

Fremdinduzierte Vorentflammung (Glühzündung)

4000

4500

5000

5500

6000

Drehzahl [rpm]

Abb. 3.10 Irreguläre Verbrennungsphänomene und deren Autreten im Betriebskennfeld

stets in der ersten Gruppe zu finden. Hohe Motorlasten und Drehzahlen befördert die thermische Überlastung von exponierten Brennraumbauteilen wie Zündkerzenelektroden oder Injektorspitzen. Die Verbrennungstypen differenzieren sich nach dem TemperaturOrts-Gradienten normal zur Flammfront, siehe Nieberding (2001). Die normale einpha-

Abb. 3.11 Einteilung des Verbrennungscharakters nach dem Temperatur-Orts-Gradienten, nach Nieberding (2001)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

103

sige Energieumsetzung des Ottomotors mit der Verbrennung vorgemischter Flammen besitzt infolge des hohen Temperatur-Orts-Gradienten deflagrativen Charakter (Abb. 3.11). Die Flamme pflanzt sich dadurch fort, dass die in Umsetzung befindlichen Moleküle Wärme und damit Aktivierungsenergie an die vor der Flammfront liegenden Moleküle übertragen. Bei Abnahme der Temperatur-Orts-Gradienten normal zur Flammfront nimmt die Schallgeschwindigkeit der von den in Umsetzung befindlichen Molekülen ausgehenden Druckwelle zu. Deren Beitrag zur Energieübertragung an die weiteren Moleküle wächst. Insgesamt wird die Flammfront davon progressiv beschleunigt. Die mechanischen und thermischen Belastungen des Brennraums steigen an.

Klopfende Verbrennung Hier wird zunächst vom Zündfunken zunächst eine reguläre Flammfront ausgelöst. Es findet ein Übergang zur detonativen Verbrennung statt, indem die vor der Flammfront liegenden Endgasbereiche durch die vorauseilenden Druck- und Temperaturfronten eine Energiezufuhr erfahren. Der reaktionskinetisch bedingte Zündverzug durch Vorreaktionen im Frischgemisch wird verkürzt, womit lokale Selbstentzündungszentren entstehen. Die beschleunigte Energieumsetzung führt u. a. zu Druckwellen, die einen Teil der von den exothermen Zentren im sogenannten „Endgas“ ausgehenden Energiefreisetzung bilden. Diese Druckwellen interferieren bzw. werden reflektiert und sind als eine hochfrequente Überlagerung während der Expansion sichtbar (Abb. 3.12). Folgende Randbedingungen erhöhen die Gefahr klopfender Verbrennung: • hohes Verdichtungsverhältnis, starke Aufladung (hohes Niveau bei Verdichtungsenddruck und -temperatur, d. h. Bereitstellung der Aktivierungsenergie) 70 65

Klopfpegel = 2,021 bar

Zylinderdruck [bar]

60 55 50 45 40 35

Klopfpegel = 0,187 bar

30 25 20 15 -10

0

10

20

30

Kurbelwinkel [°KWnZOT]

Abb. 3.12 Beispiel für schwach und stark klopfende Verbrennungen

40

50

60

104

G.P. Merker und R. Teichmann

• geringe Drehzahl (ausreichende Zeit zum Ablauf des Zündverzugs) • Kratstoff mit zu geringer Oktanzahl (höhere Selbstentflammungswahrscheinlichkeit) • ungünstige Brennraumgestaltung mit großen Flammenwegen, d. h. langen Flammenlaufzeiten (Flammfront erreicht den Endgasbereich später) • unzureichende Ladungsbewegungsintensität (zu geringe Flammfrontgeschwindigkeit), • unzureichende Ladelutkühlung (hohe Füllungstemperatur bei Kompressionsbeginn) • unzureichende Kühlung der Brennraumwände. Die Druckschwingungen werden als Körperschall in die Motorstruktur eingeleitet und als Lutschall abgestrahlt. Eine stark klopfende Verbrennung ist auch akustisch bemerkbar. Zur Bewertung der Klopfintensität wird das Zylinderdrucksignal einer Hochpassfilterung unterzogen und die Spitzenwerte des hochfrequenten Anteils ermittelt. Im Fahrzeug detektieren Klopfsensoren am Motorkurbelgehäuse die o. g. Körperschallanregung. Liegt dieses Signal oberhalb definierter Schwellwerte, kann die Klopfregelung des Motorsteuergeräts eingreifen. Die Klopfregelung bewirkt zunächst eine Spätverstellung des Zündzeitpunkts für einen klopffreien Betrieb mit geringeren Druck- und Temperaturanstiegen in den Endgasbereichen. In den folgenden Arbeitsspielen wird der Zündzeitpunkt dann schrittweise bis zu erneutem Klopfen vorverlagert. Der Motor kann so bei wirkungsgradgünstiger Phasenlage der Energieumsetzung ohne Motorschäden betrieben werden. Die Klopfregelung ermöglicht auch den Betrieb mit weniger klopffestem Kratstoff bei entsprechend ungünstigerer Phasenlage der Energieumsetzung.

Reaktionskinetische Vorentlammung Reaktionskinetische Vorentflammungen gehören zur Gruppe der Selbstentflammungen vor dem regulären Zündzeitpunkt. Es liegt bereits vor Verbrennungsbeginn ein erhöhter Energiezustand im Brennraum vor, sodass der detonative Charakter die gesamte Energieumsetzung dominiert. Zur Definitionsabgrenzung bzgl. Glühzündungen spricht man dann von reaktionskinetischen Vorentflammungen, wenn sie weitgehend sporadisch in einzelnen Arbeitsspielen bzw. kurzen Serien, d. h. in jedem zweiten Arbeitsspiel, ohne eine von außen erkennbare Vorgeschichte autreten. Der Druckverlauf bei einer Vorentflammung gleicht u. a. einer Verbrennung, die durch einen zu frühen Zündzeitpunkt ausgelöst worden wäre. Der Zylinderdruck und die -temperatur steigen zu einem frühen Zeitpunkt während des Kompressionshubs stark an. Bei einer reaktionskinetischen Vorentflammung kann es zusätzlich zu klopfender Verbrennung kommen. Insgesamt steigen die mechanischen und thermischen Brennraumbelastungen, die ggf. beim erstmaligen Autreten zur Zerstörung z. B. des Kolbenbodens führen können (Abb. 3.13) Reaktionskinetische Vorentflammungen treten erfahrungsgemäß vor allem bei aufgeladenen Motoren im Low-End-Torque-Bereich auf. Als potenzielle Auslöser gelten einerseits Gemischinhomogenitäten im Brennraum, die zu lokalen Temperaturunterschieden und damit zur Bildung exothermer Zentren führen können. Zum zweiten können sich lösende Ablagerungen zu reaktionskinetischen Vorentflammungen führen. Der damit verbundene starke Druckanstieg kann zur Loslösung weiterer Ablagerungen führen, die im nächsten

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

105

Abb. 3.13 Reaktionskinetische Vorentflammung im Low-End-Torque-Bereich mit stark ausgeprägtem nachgelagertem Klopfen

Zyklus erhitzt werden und im übernächsten wiederum reaktionskinetische Vorentflammungen auslösen können, woraus sich die häufig erkennbare charakteristische Abfolge von reaktionskinetischen Vorentflammungen und risikofreien Verbrennungszyklen erklärt. Da reaktionskinetische Vorentflammungen im Extremfall auch in selbstverstärkenden Serien von deutlich vorverlagertem Energieumsetzungsbeginn in jeweils einem und stark verschleppter Energieumsetzung in dem jeweils folgenden Arbeitsspiel autreten können, sind hinsichtlich der Ursachenbeschreibung mögliche Kopplungseffekte aufeinanderfolgender Arbeitszyklen durch die sich verändernde Abgastemperatur und den sich demzufolge einstellenden Restgasgehalt bzw. durch mögliche Verschiebungen im Wandwärmeübergang in Betracht zu ziehen.

Fremdinduzierte Vorentlammung bzw. Glühzündung Bei fremdinduzierten Vorentflammungen bzw. Glühzündungen handelt es sich i. d. R. um ein sich selbst verstärkendes irreguläres Verbrennungsphänomen: • zu heiße Bauteile oder Oberflächen im Brennraum führen zu einer Selbstentflammung vor dem Zündzeitpunkt, die häufig mit starkem Klopfen verbunden ist

106

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.14 Beispielhater Druckverlauf einer voll entwickelten Glühzündung ohne Klopfen

• durch die (zu früh stattfindende) Selbstentflammung steigen Druck und Temperatur im Brennraum weiter an; das auslösende Bauteil bzw. die Oberfläche wird zusätzlich aufgeheizt • im nächsten Zyklus findet dadurch die Selbstentflammung noch früher statt, damit wird der Brennraum nochmals weiter aufgeheizt etc. Der typische Ablauf einer fremdinduzierten Vorentflammung bzw. Glühzündung erstreckt sich daher über mehrere Zyklen hintereinander, die durch immer früher ausgelöste Selbstentflammungen und zunächst starkes Klopfen geprägt werden. Schließlich findet die Selbstentflammung so früh und mit so hoher Energieumsetzungsgeschwindigkeit statt, dass im Druckverlauf kein Klopfen und keine nennenswerte Abgabe von Volumenänderungsarbeit stattfinden (Abb. 3.14). Die Zündzeitpunkt-Spätverstellung der klassischen Klopfregelung kann keine Abhilfe mehr schaffen: da die Selbstentflammung bereits vor dem Zündfunken stattfindet, bleibt ein verschobener Zeitpunkt des Zündfunkens damit ohne Wirkung. Der Brennraum wird jedoch thermisch stark überlastet, so dass am Ende des Prozesses üblicherweise massive Motorschäden stehen, z. B. abgeschmolzene Elektroden der Zündkerzen, abgebrannte Teilbereiche an den Auslassventilen oder thermisch geschädigte Kolbenoberflächen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

107

3.1.4 Rohemissionen und innermotorische Schadstofreduktion In diesem Kapitel soll das Rohemissionsverhalten des Ottomotors unter dem Einfluss verschiedener Parameter betrachtet werden. Sowohl die betriebspunktseitigen als auch die parametrierungsabhängigen Effekte sollen diskutiert werden.

Abhängigkeit der Emissionskomponenten von Luftverhältnis und Verbrennungstemperatur Für die ottomotorische Verbrennung hat die Abhängigkeit der Emissionsentstehung vom Lutverhältnis eine zentrale Bedeutung. Für das Gesamtaufkommen an limitierten Emissionskomponenten existiert kein Idealwert. Somit wurde der stöchiometrisch geregelte Betrieb mit λ = 1 als Kompromiss eingeführt. Zusätzlich hat die Verbrennungstemperatur auf jeweiligen Bildungsreaktionen der Emissionskomponenten einen wesentlichen Einfluss. Für die komplexen Oxidationsreaktionen in der Flammfront gilt, dass für eine minimale Emissionsentstehung das Lutverhältnis und die Verbrennungstemperatur in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen sollen (Abb. 3.15). Die Abbildung, die unabhängig von der Art des Otto-Brennverfahrens mit Fremd- oder Selbstzündung die lokalen Verbrennungsparameter beschreibt, zeigt neben der klassischen Emissionsproblematik der konventionellen Verbrennungsverfahren auch die Möglichkeit bzw. Motivation für alternative Brennverfahren mit deutlich abgesenkten Verbrennungstemperaturen. Der stöchiometrisch geregelte Ottomotor („Local Equivalence Ratio = 1“ in Abb. 3.15) weist im Vergleich der Brennverfahren die höchsten mittleren Verbrennungstemperaturen auf und wird damit vorrangig in der gekennzeichneten NOx -Bildungszone betrieben.

Abb. 3.15 Emissionsentstehung bei der motorischen Verbrennung in Abhängigkeit von lokalem Lutverhältnis und Verbrennungstemperatur (Gastaldi et al. 2008)

108

G.P. Merker und R. Teichmann

300

70

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Verhältnis der Emissionskomponenten und Betriebspunktabhängigkeit Erwartungsgemäß stehen beim stöchiometrischen Betrieb die Emissionskomponenten in einem betriebspunktabhängigen Verhältnis (Abb. 3.16). Mit steigendem indiziertem Mitteldruck werden die Oxidationsbedingungen durch die ansteigende Verbrennungstemperatur verbessert werden, d. h. die Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen nehmen bis zum Ende des stöchiometrisch geregelten Bereichs (hier bei pi = 7 bar) stetig ab. Im Gegenzug steigen die Stickoxidemissionen im stöchiometrischen Bereich an. Die katalytische 3-Wege-Abgasnachbehandlung kann das Emissionsaufkommen erheblich reduzieren. Sowohl das Rohemissionsverhältnis als auch die Wirkung des Drei-Wege-Katalysators werden aber deutlich verschoben, wenn zur Darstellung eines Vollastbetriebspunkt das Lutverhältnis auf λ = 0,85 abgesenkt wird. Für die Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen kann aufgrund des unterstöchiometrischen Betriebs kaum noch eine Wirkung der katalytischen Abgasnachbehandlung festgestellt werden, während die Reduktionsbedingungen für die Stickoxide verbessert werden.

vor Katalysator nach Katalysaor

250

200

150

100

50

0

60

vor Katalysator nach Katalysator

50 40 30 20 10 0 -10

0

2

4

6

8

10

12

0

2

1000 900 800 700 600

vor Katalysator nach Katalysator

500 400 300 200 100 0 0

2

4

6

8

Indizierter Mitteldruck [bar]

4

6

8

10

12

Indizierter Mitteldruck [bar]

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch [g/kWh] Abgastemperatur [°C]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Indizierter Mitteldruck [bar]

10

12

700 650 600 550 500

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch Abgastemperatur

450 400 350 300 250 200 0

2

4

6

8

10

12

Indizierter Mitteldruck [bar]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung) Lastschnitt bei Drehzahl n = 2000 rpm Teilast mit Luftverhältnis = 1,00 Volllast mit Luftverhältnis = 0,85

Abb. 3.16 Emissionsaufkommen bei stöchiometrisch bzw. unterstöchiometrisch geregeltem Betrieb für einen Lastschnitt bei Drehzahl n = 2000 rpm

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

109

Emissionsverhalten bei Variation von Einspritztiming und Raildruck Sowohl bei Saugrohr- als auch mit Direkteinspritzung kann die Parametrierung des Einspritzsystems gezielt zur Optimierung des Emissionsverhaltens genutzt werden. Bei Saugrohreinspritzung ist ein praktisch unbegrenztes Fenster im Arbeitszyklus des jeweiligen Zylinders zur Einspritzung nutzbar. Begrenzungen existieren hier vorrangig bei dynamischem Betrieb, wo sich die zuzumessende Kratstoffmasse von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus ändert. Zur Erläuterung der phasenrelativen Lage des Einspritzintervalls zum Öffnungsverlauf des bzw. der Einlassventile dient Abb. 3.17. Bei Direkteinspritzung beginnt die für eine homogene Gemischbildung nutzbare Phase für das Einspritzintervall mit dem Ladungswechsel-OT. Das Emissionsverhalten hängt entscheidend von der Homogenisierungsqualität während der Gemischbildungsphase ab. Bei Saugrohreinspritzung gilt: eine verlängerte Gemischbildungszeit entsteht mit vorgelagerter Einspritzung in die ruhende Lutsäule vor dem bzw. den Einlassventilen; eine verkürzte Gemischbildungszeit entsteht bei saugsynchroner Einspritzung in die bewegte Lutsäule, die gerade den Einlassventilspalt passiert. Die ermittelbaren Qualitätsunterschiede im Emissionsverhalten sind erwartungsgemäß konzeptabhängig. Für den Teillastbetrieb im stationären betriebswarmen Modus zeigt Abb. 3.18 die grundlegenden Relationen. Bei Direkteinspritzung gelten ähnliche Zusammenhänge. Eine längere Gemischbildungszeit ist hinsichtlich der Homogenisierungsqualität anzustreben. Bei zu frühem Einspritzbeginn, d. h. z. B. in LWOT, kann es jedoch zu einer erkennbaren Benetzung der Kolbenbodenoberfläche und damit zu einer verringerten Gemischbildungsqualität kommen, die sich insbesondere in den Kohlenwasserstoffemissionen, siehe Abb. 3.19, äußert.

2,0

Lange Vorlagerung Kurze Vorlagerung Frühsynchron

Spätsynchron 1,0

0,5

αE

Einlaßventilhub h

V,E

in mm

Teilsynchron 1,5

hV,E = 2 mm n = 2000 1/min αED : Einspritzdauer t ED : Einspritzzeit α E: Einspritzzeitpunkt Δ α E : Vorlagerungszeit α ED = 60 ° bzw. t ED = 5 ms

αED

Δ αE

0,0 120 150 180 210 240 270 300 330 360 390 420 450 480 510 540 570 600

Kurbelwinkel α in °KW

Abb. 3.17 Lage des Einspritzintervalls bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung in Relation zur Einlassventilöffnung (Gottschalk 2001)

G.P. Merker und R. Teichmann

NOx-Emissionen in ppm

HC-Emissionen in ppm

110 5000 4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 2000 1750 1500 1250 1000 750 500 250 0

MPI-Einspritztiming: Lange Vorlagerung Kurze Vorlagerung Teilsynchron Frühsynchron Spätsynchron

hV,E = 4mm n = 2000 1/min αELS; αALS; αZ = opt. für bi,min λ=1 vHC, vNOx in Balken

6

7

8

9 10 11 12 13 14 Brennstoffarbeitsdruck pB in bar

15

16

17

Abb. 3.18 HC- und NOx -Emissionen bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung bei variablem Einspritztiming (Gottschalk 2001)

Abb. 3.19 Normierte HC-Emissionen bei einem Ottomotor mit Direkteinspritzung bei variablem Einspritztiming im stöchiometrischen Homogenbetrieb (n = 2000 rpm, pe = 2 bar) (Suck 2001)

Bei Direkteinspritzung ist neben dem Einspritztiming auch der Raildruck in seinem Potenzial zur Verbesserung der Homogenisierungsqualität zu betrachten. Idealerweise werden bei der experimentellen Beurteilung dieser Zusammenhänge das Einspritztiming und der Raildruck gemeinsam optimiert. Sehr hohe Raildrücke können bei kleinen Einspritzmassen zum Injektorbetrieb an der Grenze des ballistischen und damit unpräzisen Bereichs führen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

111

Emissionsverhalten bei interner Abgasrückführung Die Emissionsqualität ist ebenso abhängig von der Zusammensetzung der Zylinderfüllung und den daraus folgenden Verbrennungsbedingungen. Bei Variabilitäten im Ventiltrieb, z. B. durch einen Einlassnockenwellenphasensteller, kann die Zusammensetzung der Zylinderfüllung durch eine optimierte interne Abgasrückführung durch Ventilüberschneidung im LWOT hinsichtlich des Emissionsverhaltens angepasst werden. Im Falle weiterer Freiheitsgrade des Ventiltriebs, z. B. in Form eines Auslassnockenwellenphasenstellers, kann eine sowohl hinsichtlich der Emissionen als auch des Wirkungsgrads geeignete Parametrierung gefunden werden (Abb. 3.20). 10

0

14.0

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

14.0

-10 12.0

-20 -30

14.0 16.0

-40

18.0 20.0 22.0

24.0 28.0 26.0 30.0

-50

Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

20

6

0

8

12 14

26

-10

24

22 20

18 16

-20

14 12

-30

10 8

-40 6

4

-50

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-60 30

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 10

0

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

Auslass Schließen [°KWbezLWOT]

10

70

-10

60

60

-20 70

-30

80 90 100 110 120 130 140

-40 -50

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-60 -40

-30

-20

-10

0

10

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

20

310

0 -10

320

-20

320 310

-30

330

-40 380 390 400 420410

-50

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

-60 30

300

340 350 360 370

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung) Drehzahl n = 2000 rpm Ind. Mitteldruck pi = ca. 2,5 bar Luftverhältnis = 1,00 Steuerzeitenvariation Einlass- und Auslassnockenwellenphasensteller Rohemissionen vor Katalysator

Abb. 3.20 Rohemissionen vor Katalysator und Kratstoffverbrauch bei Variation der internen Abgasrückführung mit Hilfe von Nockenwellenphasenstellern

112

G.P. Merker und R. Teichmann

Emissionsverhalten bei alternativen Flüssigkraftstofen Die Emissionssituation bei Ottomotoren ist ebenso abhängig von der Qualität bzw. chemischen Natur des verwendeten Kratstoffs. Neben den klassischen ottomotorischen Benzinkratstoffen gewinnen Kratstoffe mit alternativen Zusätze international an Bedeutung, z. B. Ottokratstoffe mit Ethanol in Anteilen von bis zu 85 % oder als Reinkratstoff (Ethanol 100 %). Die Motivation besteht hauptsächlich in der angestrebten Nutzung jeweils lokaler oder nationaler Energiequellen. Folgende Kratstoffkennwerte sind besonders zu beachten: der untere Heizwert und der stöchiometrische Lutbedarf, d. h. in Summe der Gemischheizwert, die Klopffestigkeit und das Verdampfungsverhalten sowie die Lagerungsstabilität und die Korrosionseigenschaten. Bezüglich des ottomotorischen Downsizings können ethanolhaltige Kratstoffe insbesondere durch ihre deutlich erhöhte Klopffestigkeit interessante Potenziale bieten (Abb. 3.21). Diese zeigen den Vollastvergleich zwischen Benzin ROZ98 und Ethanolkratstoff E85 für einen DI-Saug-Ottomotor. Erwartungsgemäß führt die höhere Klopffestigkeit des Kratstoffs E85 zu verbesserten Kennwerten bei Drehmoment und Leistung. Die Ursachen sind hier einerseits die günstigere Phasenlage der Energieumsetzung durch die abgesenkte Klopfempfindlichkeit. Andererseits führt die gegenüber Benzin ROZ98 erhöhte Verdampfungsenthalpie zu einer intensivierten Innenkühlung im Brennraum und damit bei Einspritzung während des Ansaugvorgangs zu einer Steigerung des Lutliefergrads.

Ind. Wirkungsgrad

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch

Standard-Kraftstoff ROZ 98 Alternativ-Kraftstoff E85

Eff. Leistung

Drehmoment

Vollast-Vergleich DI-Saugmotor

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Rauchwert

Eff. spez. CO-Emission

Eff. spez. HC-Emission

Eff. spez. NOx-Emission

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

500 150025003500450055006500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Abb. 3.21 Vollastvergleich bei Verwendung von Standard- (ROZ98) und ethanol-haltigem Alternativ-Kratstoff (E85)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

113

Die zum Teil deutlichen Verbesserungen in den Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen bei E85 werden hauptsächlich von dem im Ethanolmolekül gebundenen Sauerstoff und den damit lokal verbesserten Oxidationsbedingungen bei der Verbrennung verursacht. Der deutliche Anstieg im Nenndrehzahlbereich, speziell bei den Kohlenwasserstoffen, ist Folge zweier wesentlicher Ursachen: einerseits sind bei E85 die Gastemperaturen im Zylinder während der Expansionsphase durch das frühere Verbrennungsende geringer, was die Nachoxidationsbedingungen verschlechtert, andererseits müssen durch den deutlichen Unterschied der Kratstoffe bezüglich des unteren Heizwerts bei Betrieb mit E85 erheblich größere Kratstoffmassen pro Arbeitsspiel eingespritzt, aufbereitet und umgesetzt werden. Das kann bei verkürzter Gemischbildungsphase bei hoher Drehzahl zu einer mangelhaten Homogenisierungsqualität führen. Zusätzlich muss in Betracht gezogen werden, dass der Vergleich mit identischen Injektoren durchgeführt wurde, d. h. die Einspritzintervalle bei E85 sind deutlich länger und haben damit ebenfalls negativen Einfluss auf die verfügbare Gemischbildungszeit.

Emissionsverhalten im Schichtbetrieb bei DI-Ottomotoren Im Schichtbetrieb von Ottomotoren mit Direkteinspritzung kommt es erwartungsgemäß durch die räumliche Inhomogenität des Lutverhältnisses in der kratstoffangereicherten Zone des Brennraums zu einer Veränderung des Emissionsverhaltens. Die Entstehung der Emissionen ist im Schichtbetrieb unter Berücksichtigung des lokalen Lutverhältnisses und der dortigen Verbrennungstemperatur zu betrachten. Die Interaktion des Einspritzstrahls mit der Ladungsbewegung und dem Kolbenboden formt die Gemischbildungs- und Verbrennungszone. Sowohl das wandgeführte als auch – in etwas geringerem Umfang – das lutgeführte Verfahren weisen eine Kratstoffbenetzung des Kolbenbodens auf. Somit ver-

Abb. 3.22 Emissions- und Kratstoffverbrauchsvergleich zwischen Saugrohr-, wandgeführter und strahlgeführter Direkteinspritzung (Quelle: Robert Bosch GmbH). Einzylinder-Versuchsmotor, Betriebspunkt: n = 2000 min, pi = 2,8 bar, MPI: Saugrohreinspritzung, SG: Strahlgeführte DI, WG: Wandgeführte DI

114

G.P. Merker und R. Teichmann

dampt ein Teil des Kratstoffes nicht mehr, sondern verbleibt auf dem Kolben in flüssiger Form, wird unvollständig verbrannt und bildet unverbrannte Kohlenwasserstoffe oder Partikelemissionen (Abb. 3.22). Der daraus entstehende Wirkungsgradverlust kann in der unteren Teillast erhebliche Größenordnungen annehmen und zehrt so einen Teil des im Idealzustand vorhandenen Wirkungsgradvorteils des geschichteten Betriebs auf. Ein Vergleich über unterschiedliche DI-Schichtverfahren ist insoweit schwierig, da sich die Konzepte in nahezu allen Details (Injektorbauart, -anordnung, Einlasskanalform, Kolbenmuldenform etc.) unterscheiden.

Emissionsverhalten bei Entdrosselung mit variablem Ventiltrieb Variable Ventiltriebe werden hauptsächlich zur Entdrosselung des stöchiometrischen Betriebs eingesetzt. Auf der einen Seite ist damit die Anreicherung der Zylinderfüllung mit internem Restgas (interne Abgasrückführung) möglich. Andererseits wird die Zumessung 76.0

35 58.7

15

55.8 56.4

80.0

-5 -25 -45

80.0

75.0 70.0 60.0 65.0

-65

85.0

55.0

-85

80.0

-105 Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

30

82

55

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

55

35 50

15

27 26

90

-5 -25 90

-45 80

-65

40

-40

-30

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

-5

220

220

260

220

240

-25

240

240

-45

220 180 200

-65 -85

300

220

280 260

260

-105

200

240 280

300

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

-125 -40

-30

-20

-10

0

10

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

-10

0

10

20

30

40

30

285

55

215 280260 240 260

-20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 226

202 205

60

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

-125 40

35 15

70

-105

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 55

50

30

-85

35

290 279

15

267 268

-5

295

-25 290 285

-45 260265

-65

275

265

-105

275

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

-125 40

280

270

-85

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung) Drehzahl n = 2000 rpm Ind. Mitteldruck pi = ca. 2,9 bar Luftverhältnis = 1,00 Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasenstellerund variabler Einlassöffnungsdauer Rohemissionen vor Katalysator

Abb. 3.23 Emissionen vor Katalysator und Kratstoffverbrauch bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents (Teillastbetrieb)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

115

des betriebspunkterforderlichen Lutliefergrads bei vollem Saugrohrdruck im Sinne einer sogenannten drosselfreien Laststeuerung angestrebt. Die auf diese Weise stattfindende Verkürzung der Einlassöffnungsdauer und die damit einhergehende Verringerung des effektiv genutzten Hubvolumens führen ebenso zu einer Absenkung des effektiven Verdichtungsverhältnisses. Bei einer gemeinsamen Variation von Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents können sowohl der Kratstoffverbrauch als auch die Emissionen einer Optimierung unterzogen werden (Abb. 3.23).

Emissionsverhalten bei Drall-Ladungsbewegung mit variablem Ventiltrieb Variable Ventiltriebe besitzen ggf. den Freiheitsgrad, vom 4 V- in den 3 V- oder 2 V-Betrieb überzugehen. Für das Emissionsverhalten ist die Erzeugung einer Drall-Ladungsbewegung durch Abschaltung eines Einlassventils von Interesse. Zum plausiblen Vergleich mit dem Emissionsverhalten bei 4 V-Betrieb muss auch für den 3 V-Betrieb die Variation von Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventile einbezogen werden (Abb. 3.24). Die Energieumsetzung wurde durch die intensivierte Ladungsbewegung beschleunigt. Die Stickoxidemissionen als Indikator der Verbrennungsspitzentemperaturen nehmen zu; die Abgastemperaturen nehmen ab. Die Emissionssituation bei Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid hat sich hier ebenfalls nicht verbessert. Insbesondere die NachoxidationsbedinKohlenwasserstoffe

Stickoxide

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

65 45

23.0

2 Einlaßventile

45

26

2 Einlaßventile

Abgastemperatur in °C

65 45

83.7

2 Einlaßventile

65 45

592.0

2 Einlaßventile

25 25 5 -15

25

29.7 33.8 33.2

25.0

5

30.0

25.0 -55 30.0 35.0 40.0

35.0 30.0

-95 30.0 35.0

-40 -30 -20 -10

0

10

20

30 36

1 Einlaßventil

25 5

5 10

-75

5

-15

-35

-35 80.0

80.0

60.0 100.0 120.0

-95

10

0

10

20

30 31

1 Einlaßventil

-135 40 -40 -30 -20 -10

0

10

20

30 82.06

1 Einlaßventil

5

560.0

540.0

-55 -75

560.0 540.0 520.0 500.0

540.0 540.0 520.0

-135 40 -40 -30 -20 -10

0

10

20

65 45

25 6 7

580.0

-115

65 45

551.5 514.9 524.0

-95

100.0 120.0 140.0

-115

25

45

27 28

20

65 45

5

-75

20 15

-135 40 -40 -30 -20 -10

25

79.7 80.3 79.5 80.0

-15

-55

20

-115

65 45

25 25

-95

-115

5

-35

-55 -75

25

27 2 2

-15 30.0

-35

-135

Einlass Schließen [°KWbezUTH]

Kohlenmonoxid

65

30

40

514

1 Einlaßventil

25 73.93 81.29

5

484 485

100.00 -15

-15

-35 -55 -75 -95 -115

-15 30

-35

40 30

-55 35

-75 35

25 20 15

10

20

30

-135 40 -40 -30 -20 -10

520

-55 80.00

-75 500

-95 -115 0

-35

-75

-115

-135 0

10

80.00

-55

-95

45 40 50

-40 -30 -20 -10

5

-35

-15

10

20

30

-95

100.00 120.00 140.00

-135 40 -40 -30 -20 -10

0

-115 10

20

30

520 540

-135 40 -40 -30 -20 -10

0

10

20

30

40

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Abb. 3.24 Vergleich von 4 V- und 3 V-Betrieb: Emissionen bei variabler Phasenlage und Öffnungsdauer der Einlassventilevents (Ottomotor im Homogenbetrieb, n = 2000 rpm, pi = ca. 1,75 bar; λ = 1,00; eff. spez. Rohemissionen [g/kWh])

116

G.P. Merker und R. Teichmann

gungen wurden durch die sinkende Abgastemperatur, die auf eine kühlere Expansionsphase deutet, verschlechtert. Die Gestaltung des Einspritzstrahls im Brennraum bei DI-Ottomotoren ist auch bei homogenen Brennverfahren in der Regel auf die Wirkung einer Tumble-Ladungsbewegung ausgerichtet. Demzufolge ist nur mit suboptimaler Gemischbildung am Einspritzstrahl selbst bei zusätzlicher Drall-Ladungsbewegung zu rechnen. Im Motorbetrieb bei z. B. geringen Motortemperaturen (z. B. im Warmlauf) kann die zusätzliche Ladungsbewegung aber stabilisierend auf die zyklischen Schwankungen wirken.

14

13  = Basis  = +2 Einheiten

13

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Beeinlussung des Emissionsverhaltens durch das Verdichtungsverhältnis Auch der grundlegende Einfluss des Verdichtungsverhältnisses auf das Emissionsverhalten muss in Betracht gezogen werden. Neben dem bekannten wirkungsgradförderlichen Einfluss eines angehobenen Verdichtungsverhältnisses ist zu beobachten, dass sehr emissi-

12 11 10 9 8 7 6 5

 = Basis  = +2 Einheiten

12 11 10 9 8 7 6 5 4

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

46

265

Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Indizierter Mitteldruck [bar]

44

42 40

38 36

 = Basis  = +2 Einheiten

34

 = Basis  = +2 Einheiten

260

255 250

245 240

235 3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Indizierter Mitteldruck [bar] Ottomotor im Homogenbetrieb (ohne Aufladung) Drehzahl n = 2000 rpm Teillastbetrieb Luftverhältnis = 1,00

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

Indizierter Mitteldruck [bar] Einlass Öffnen = 32°KW vLWOT Einlass Schließen = 75°KW vUTH Rohemissionen vor Katalysator

Abb. 3.25 Einfluss des Verdichtungsverhältnisses: Rohemissionen vor Katalysator und Kratstoffverbrauch

3

F u n k ti o n s w e i s e v o n V e r b r e n n u n g s m o t o r e n

11 7

onsambitionierte Ottomotorkonzepte eher geringere Verdichtungsverhältnisse aufweisen (Abb. 3.25). Insbesondere der Einfluss auf die Abgastemperatur ist in den dargestellten Ergebnissen sichtbar. Eine höhere Abgastemperatur bei geringerem Verdichtungsverhältnis, verursacht durch höhere Temperaturen in der Expansionsphase, verbessert prinzipiell zuerst die Oxidation von Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid.

28

16 SI CAI

26

Effektive spezifische Stickoxidemissionen [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenwasserstoffemissionen [g/kWh]

Emissionsverhalten bei Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung (CAI, HCCI) Die Motivation zur Erforschung von Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung (Controlled Auto Ignition, Homogeneous Charge Compression Ignition) liegt in der Kombination von sehr hohen Wirkungsgraden im Teillastbetrieb und extrem geringen Stickoxidemissionen selbst bei deutlich überstöchiometrischem Betrieb. Die Ursachen sind in der geringen Verbrennungsspitzentemperatur durch die sehr hohen Restgasanteile und

24 22 20 18 16 14 12

14 SI CAI

12 10 8 6 4 2 0

1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

3.8

4.0

3.8

4.0

Indizierter Mitteldruck [bar]

90

320

80

Indizierter spezifischer Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

Effektive spezifische Kohlenmonoxidemissionen [g/kWh]

Indizierter Mitteldruck [bar]

70 60 50 40 30 SI CAI

20 10 0

300 SI CAI

280 260

240 220

200 1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

Indizierter Mitteldruck [bar]

3.6

3.8

4.0

1.8

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

3.6

Indizierter Mitteldruck [bar]

Ottomotor im Homogen-Fremzündungsbetrieb (SI) und Homogen-Selbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung) Drehzahl n = 2000 rpm Teillastbetrieb Rohemissionen vor Katalysator

Abb. 3.26 Vergleich von SI- und CAI-Betrieb an Teillastpunkten: Rohemissionen vor Katalysator und Kratstoffverbrauch

118

G.P. Merker und R. Teichmann

die Verbrennung ohne Flammfront zu sehen (Abb. 3.5). Die geringen Abgastemperaturen können bei der Nachoxidation von Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen nachteilige Wirkung haben (Abb. 3.26). Eine katalytische Nachbehandlung der NOx Emissionen ist für den überstöchiometrischen CAI-Betrieb nicht gegeben. Es besteht demzufolge die Forderung nach geringen NOx -Emissionen, die keinerlei Nachbehandlung benötigen. Eine der wesentlichsten Fragen zur Anwendung der Homogenen Selbstzündung ist die nach der Wahl der Restgasstrategie (Abb. 3.4). Auf der einen Seite kann der zur Herbeiführung der Selbstzündungsbedingungen notwendige Restgasgehalt durch eine sehr große Ventilunterschneidung im Ladungswechsel-OT bereitgestellt werden (CCR = Combustion Chamber Recirculation), andererseits kann in einer ventiltriebseitig aufwendigeren Lösung ein zweites Auslassöffnungsevent im Ansaughub den notwendigen Restgasanteil erzeugen (EPR = Exhaust Port Recirculation). Bei einem Verfahrensvergleich auf einem Versuchsträger konnten Vorteile für die mit gemischtem Restgas arbeitende EPR-Strategie ermittelt werden, siehe Gottschalk (2011). Zusätzlich wurde eine höhere Betriebsstabilität der EPR bei Lutverhältnissen oberhalb des wirkungsgradoptimalen Werts festgestellt. Bei sporadischem Verlust einzelner Arbeitsspiele durch ausbleibende Selbstzündung kann eine Restabilisierung bei EPR im Gegensatz zum Abbruch des selbstzündenden Betriebs bei CCR festgestellt werden, siehe auch Caton et al. (2005). Im Gegensatz zum stöchiometrisch fremdgezündeten Betrieb (SI = Spark Ignition) kann im CAI-Betrieb das Lutverhältnis als Wirkungsgradparameter verstanden und optimiert werden. Die motorische Wirkung einer Abmagerung mit Lutüberschuss entspricht qualitativ der beim fremdgezündeten Homogenbetrieb, allerdings auf weit geringerem Niveau der relativen Emissionsveränderung (Abb. 3.27). Es ist erneut erkennbar, dass die geringen Abgastemperaturen als Folge des hohen Wirkungsgrads und der geringen Brenndauer die katalytische Nachbehandlung von Kohlenwasserstoff- und Kohlenmonoxidemissionen behindern. Die nicht konvertierbaren Stickoxidemissionen haben in diesem Betriebspunkt ein Niveau von ca. 1/100 . . . 1/50 eines vergleichbaren Betriebspunkts im überstöchiometrischen Schichtbetrieb (Abb. 3.22). Für Brennverfahren mit Homogener Selbstzündung ist die sichere Darstellung der Selbstzündungsbedingungen gegen Ende der Kompressionsphase entscheidend. Hierauf hat erwartungsgemäß das Verdichtungsverhältnis einen entscheidenden Einfluss, insbesondere auf die wirkungsgrad- und stickoxidemissionsbegünstigende Fähigkeit zum Betrieb mit Lutüberschuss, siehe Gottschalk (2011). Es ist erkennbar, dass auch mit verringertem Verdichtungsverhältnis ein CAI-Betrieb möglich ist, wenn der bereitgestellte Restgasanteil weiterhin ausreichend hoch ist. Die Verminderung der CAI-typischen Potenziale muss jedoch klar zur Kenntnis genommen werden.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren 1.7

119 1.7

19.0 19.7

1.6

0.00

1.5

Luftverhältnis [-]

1.5

Luftverhältnis [-]

-0.01-0.01

1.6

20.0

15.0

1.4 1.3 1.2 15.0

1.1

1.4

0.02 0.04

1.3

0.06

1.2 1.1

1.0

1.0 Eff. spez. Kohlenwasserstoffemissionen vK in g/kWh

0.9 -40

-30

-20

-10

0

10

20

Eff. spez. Stickoxidemissionen vK in g/kWh

0.9 30

-40

-30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT] 1.7

1.7

16 17

1.6

1.6

1.5

1.5

1.4

10

1.3

8

1.2 8 10

1.1 40

1.0

-40

-30

-20

0

10

0

10

20

30

20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

237

235

241

239

1.3

241

1.2

247 249 255 253

243 245 253 251

249

251 249

245247

247

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch in g/kWh

0.9 30

239

1.4

1.0

-10

-10

239

1.1

Eff. spez. Kohlenmonoxidemissionen vK in g/kWh

0.9

241 240

20

30

-20

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Luftverhältnis [-]

Luftverhältnis [-]

0.08

0.06

20.0

-40

-30

-20

-10

0

10

20

30

Einlass Öffnen [°KWbezLWOT]

Ottomotor im Homogen-Selbstzündungsbetrieb (CAI) (ohne Aufladung, mit Restgasrücksaugung) Drehzahl n = 2000 rpm Ind. Mitteldruck pi = ca. 2,8 bar Luftverhältnis = variabel Steuerzeitenvariation bei Kombination von Einlassnockenwellenphasensteller und variabler Einlassöffnungsdauer Rohemissionen vor Katalysator

Abb. 3.27 Optimierung von Steuerzeiten und Lutverhältnis bei EPR-Strategie im CAI-Betrieb: Rohemissionen vor Katalysator und Kratstoffverbrauch

3.1.5 Potenziale des Ottomotors Aktuelle Ottomotoren sowohl mit Saugrohr- als auch mit Direkteinspritzung sind in der Lage, die schärfsten internationalen Emissionsvorschriten zu erfüllen. Vor dem Hintergrund aktueller Kratstoffverbrauchs- bzw. CO2 -Anforderungen gilt es, bei Erhaltung des hohen Emissionspotenzials des Ottomotors seine Wirkungsgradpotenziale auszubauen. Die wirkungsgradförderlichen Effekte des Downsizings haben Verbesserungen beim Kratstoffverbrauch und damit eine erhöhte Akzeptanz der Ottomotoren mit sich gebracht. Die thermodynamische Auslegung von aufgeladenen Downsizing-Ottomotoren hat sowohl bei Vergleich am spezifischen Teillast-Betriebspunkt als auch auf der Vollastlinie auch ungünstige Effekte zur Folge. Insbesondere die gegenüber den Saug-Ottomotoren verringerten Verdichtungsverhältnisse sind eine Ursache für einen im Vergleich ot gerin-

120

G.P. Merker und R. Teichmann 160

SI-Referenzmotor 1)  = -1 Einheit

SI-VVT-Motor  = +2 Einheiten 1) Basis-VT 2) NW-Variation 3) VVT-Variation CAI-VVT-Motor  = Basis 1) Lambda = 1 2) Lambda > 1 CAI-VVT-Motor  = +2 Einheiten 1) Lambda = 1 2) Lambda > 1

150

Relativer effektiver Mitteldruck in %

SI-VVT-Motor  = Basis 1) Basis-VT 2) NW-Variation 3) VVT-Variation

2

155

Brennstoffarbeitsdruck (Zugeführte spez. Energie) pB = 9,7 bar

2 1 1

145

Drehzahl n = 2000 rpm

140 135 130

3

125

3

120

2

115

2 1

110

1

105

1

100 95 90 60

65

70

75

80

85

90

95

100

105

110

Relativer spezifischer effektiver Kraftstoffverbrauch in %

Abb. 3.28 Relativer Vergleich bezüglich Mitteldruck und Kratstoffverbrauch: Basis-VT = Ventiltriebsparameter wie Referenzmotor, NW-Variation = Phasenlagenoptimierung der Nockenwellen, VVT-Variation = Optimierung aller Ventiltriebsfreiheitsgrade, vgl. Gottschalk (2011)

geren Teillastwirkungsgrad und einen zum Teil nennenswerten Bedarf zur Absenkung des Volllast-Lutverhältnisses für die Einhaltung der Abgastemperaturgrenzen. Vor diesem Hintergrund ist über eine Kombination von Downsizing und Teillastbrennverfahren nachzudenken. Erwartungsgemäß sind aber selbst bei umfangreicher technologischer Ausstattung von Ottomotoren (variable Ventiltriebe incl. Zylinderabschaltung, flexible Aufladungssysteme, intelligente hermomanagementsysteme etc.) nicht alle möglichen Anforderungen (Teillastverbrauch, Low-End-Torque, spezifische Leistung) mit den motormechanischen und thermodynamischen Freiheitsgraden bei gestecktem Kostenrahmen in Deckung zu bringen. Die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des Teillastwirkungsgrads soll mit Hilfe von Abb. 3.28 dargestellt werden. Anhand einer schrittweise dargestellten Konzepterweiterung kann vor dem jeweiligen Kostenhintergrund die Sinnfälligkeit einer motormechanischen bzw. thermodynamischen Maßnahme eingeschätzt werden. Bei Downsizing-Motoren muss der Hoch- bzw. Vollastwirkungsgrad weiterentwickelt werden. Die Endlichkeit des Gleichraumgrads durch klopfende Verbrennung und die Abgastemperaturfestigkeit von Komponenten bilden nach wie vor die Begrenzungen für die

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

Saugrohrdruck [bar]

0,04 Luftverhältnis

Ind. Mitteldruck [bar]

2 bar

121

0,2 bar

Referenz Miller-Cycle

Referenz Miller-Cycle

Referenz Miller-Cycle

20 g/kWh

Referenz Miller-Cycle

Abgastemperatur [°C]

Referenz Miller-Cycle

50%-Umsatzpunkt in °KW nZOT

Ind. spez. Kraftstoffverbrauch [g/kWh]

500 10001500 200025003000 350040004500 50005500 500 100015002000 250030003500 400045005000 5500 500 1000150020002500300035004000450050005500

4°KW

100 K

Referenz Miller-Cycle

500 10001500 200025003000 350040004500 50005500 500 100015002000 250030003500 400045005000 5500 500 1000150020002500300035004000450050005500

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Drehzahl [rpm]

Abb. 3.29 Anwendung des Miller-Cycle auf der Vollastlinie eines aufgeladenen Ottomotors

thermodynamische Gestaltung eines Motorkonzepts. Unter Nutzung der ventiltriebsbasierenden Technologie des Miller-Zyklus, siehe Schutting et al. (2007) und Gottschalk (2011), sind bei Kombination mit einer entsprechend entwickelten Aufladungstechnologie und einem unter Umständen angehobenen geometrischen Verdichtungsverhältnis positive Effekte für Vollastwirkungsgrad und Abgastemperatur sowie dem Bedarf zur Absenkung des Lutverhältnisses erreichbar (Abb. 3.29). Die Beurteilung der Anwendbarkeit einer in Abb. 3.29 für den Vollastbetrieb vorgestellten Lösung hängt wesentlich von der Frage ab, welche ventiltriebseitigen Freiheitsgrade im betrachteten Motorkonzept vorliegen. Der Grad der für den Miller-Zyklus typischen Verringerung der Einlassöffnungsdauer mit der Folge der Absenkung von relativem effektiven Hubvolumen und effektivem Verdichtungsverhältnis war für diese Untersuchung variabel und damit betriebspunktabhängig optimierbar. Gesamtheitlich kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass z. B. im Falle der Kombination des Miller-Zyklus mit einer festen Einlassventilöffnungsdauer eines mechanischen Ventiltriebs bereits deutlich positive Effekte hinsichtlich der dargestellten Zielgrößen erreichbar sind. Zusammenfassend bleibt für die Potenziale des Ottomotors festzustellen, dass diese auch zuküntig sowohl von der grundlegenden Qualität der thermodynamischen und motormechanischen Auslegung des Motorkonzepts als auch immer stärker von der Ausstattung und den jeweiligen Freiheitsgraden bzw. Flexibilität der integrierten motorischen Subsysteme abhängen.

122

G.P. Merker und R. Teichmann

3.2 Groß-Gasmotoren Der Gasmotor besitzt eine ebenso lange Historie wie der Verbrennungsmotor selbst, da der von Jean Joseph Étienne Lenoir entwickelte und mit Gas betriebene Motor aus dem Jahr 1860 allgemein als die erste Verbrennungskratmaschine angesehen wird und damit die verbrennungsmotorische Entwicklung einleitete, vgl. Zacharias (2001). Gasmotoren erlebten seither eine wechselvolle Geschichte, spielen aber heute aufgrund der begrenzten Erdölressourcen, der Entwicklung der Kratstoffpreise und der ausgezeichneten Umweltverträglichkeit eine zunehmende Rolle für die stationäre Energieerzeugung sowie den Antrieb von Schiffen und Fahrzeugen. Dies gilt insbesondere für Großgasmotoren, die aufgrund der Entwicklungsfortschritte der letzten Jahre mittlerweile zu den effizientesten Antriebsmaschinen, Strom- und Wärmeerzeugern zählen und dadurch ihre Stellung im Segment der Großmotoren wesentlich ausbauen konnten. Abbildung 3.30 zeigt in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Wirkungsgrads und des Mitteldrucks von Großgasmotoren in letzten zwei Jahrzehnten. Mit modernen Großgasmotoren können mittlerweile Wirkungsgrade von annähernd 50 % und Mitteldrücke bis zu 24 bar dargestellt werden. Für Groß-Gasmotoren als 4-Takt-Mittelschnellläufer haben sich drei Hauptmärkte herauskristallisiert: die stationäre Energieerzeugung mit einem Trend in Richtung Otto-Gasmotoren, LNG-Tanker mit vorwiegend Dual-Fuel-Motoren sowie gasbetriebene Schiffe wie z. B. Kreuzfahrtschiffe, Fähren oder Offshore-Anwendungen. Abbildung 3.31 zeigt die Auträge von Groß-Gasmotoren (4-Takt Mittelschnellläufer) im Zeitraum von 2001 bis 2011 für die stationäre Energieerzeugung und den Marine-Bereich. Das Diagramm zeigt das Wachstum dieser Märkte auf. Klassische Anwendungen mit Diesel- oder Schwerölmotoren werden zunehmend durch Gasmotoren verdrängt. Die Größe der Märkte für Groß-Gasmotoren wird für die nächsten Jahre auf etwa 4,8 GW pro Jahr mit stabilen Wachstumsraten geschätzt. Haupttreiber der Marktentwicklung von Gasmotoren sind neben den geringen Schadstoffemissionen und der damit verbundenen Umweltverträglichkeit insbesondere die positive Entwicklung des Gaspreises im Vergleich zu flüssigen Kratstoffen und die steigen-

Abb. 3.30 Entwicklung des Wirkungsgrads und des Mitteldrucks von Großgasmotoren

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

123

Abb. 3.31 Entwicklung des Marktes für Großgasmotoren Abb. 3.32 Energiebezogener Preisverlauf fossiler Kratstoffe

de Verfügbarkeit des Kratstoffes Gas. Im Marine-Bereich tragen darüber hinaus die von der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO – International Maritime Organization) festgelegte Einführung sogenannter Emission Control Areas (ECA) mit strengen Emissionsgrenzwerten in küstennahen Bereichen und das Inkrattreten von CO2 -Regularien zur steigenden Nachfrage bei. Abbildung 3.32 zeigt den zeitlichen Verlauf der Preise fossiler Kratstoffe seit Anfang des neuen Jahrtausends aus Studien der Internationalen Energieagentur (IEA). Neben einem deutlichen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus ist auch der Preisvorteil von gasförmigen Kratstoffen sowie eine zunehmende Entkoppelung des Gaspreises von den flüssigen Kratstoffen zu beobachten. Insbesondere in den USA hat die intensivierte Förderung von Schiefergas zu deutlich geringeren Preisen geführt, die jetzt mit denen von Kohle vergleichbar sind. Darüber hinaus ist auch der Handel mit Flüssig-Erdgas (LNG) stark gestiegen, sodass bereits 1/3 des Welthandelsvolumens flüssig transportiert wird und somit auch regionale Gasmärkte langsam zusammenwachsen. Langfristig ist davon auszugehen, dass der Gaspreis unterhalb der Preise für flüssige Kratstoffe bleibt.

124

G.P. Merker und R. Teichmann

4-Takt-Großgasmotoren werden in einem sehr weiten Leistungsspektrum bis zu 20 MW und zuküntig auch darüber hinaus als Gas-Ottomotoren und als Dual-Fuel Motoren bzw. Zweistoff-Motoren angeboten, mit unterschiedlichsten Kratstoffen betrieben und für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Daraus leiten sich sehr unterschiedliche Anforderungen an das jeweils verwendete Verbrennungskonzept ab, was insgesamt zu einer Fülle von Varianten führt. Nachfolgend werden zunächst allgemeine Grundlagen, die insbesondere eine Charakterisierung der Verbrennungskonzepte sowie einen Überblick über die eingesetzten Kratstoffe, die Anwendungsbereiche und die relevanten Emissionsgrenzwerte beinhalten, dargestellt. Anschließend folgen vertiefende Ausführungen zu den Verbrennungskonzepten für Großgas-Ottomotoren und Dual-Fuel Motoren.

3.2.1 Einteilung von Gasmotoren Die bei Gasmotoren eingesetzten Verbrennungsverfahren können grundsätzlich durch die Art der Gaszumischung und die Art der Zündung des Gas-Lut-Gemisches charakterisiert werden. Die Kombination dieser beiden wesentlichen Parameter hat zu vielen Varianten geführt, die je nach Motorgröße und Anwendung bevorzugt eingesetzt werden. Grundsätzlich können alle Varianten den folgenden drei Basis-Ausführungsformen zugeordnet werden, siehe Abb. 3.33:

Abb. 3.33 Varianten von Gasmotoren, charakterisiert nach Gaszuführung und Zündung

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

125

Otto-Gasmotoren sind entsprechend dem ottomotorischen Verfahren fremdgezündet, wobei das homogene Gas-Lut-Gemisch außerhalb des Brennraumes erzeugt wird. Dabei erfolgt die Gemischbildung bei den heute nahezu ausschließlich abgasturboaufgeladenen Motoren entweder zentral vor dem Verdichter des Abgasturboladers (Zentrale Gaszumischung, Single-Point-Injection; Gemischaufladung) oder unmittelbar vor jedem Einlassventil (Zylinderselektive Gaszumischung, Multi-Point-Injection). Gezündet wird das Gemisch durch eine im Hauptbrennraum oder in einer Vorkammer platzierten Zündkerze, die in der Regel durch eine kapazitive Zündanlage gespeist wird. Diesel-Gasmotoren unterscheiden sich von Otto-Gasmotoren im Wesentlichen durch die Art der Zündung, die bei diesen Motoren durch Einspritzen von Dieselkratstoff (Zündöl) in das homogene Gas-Lut-Gemisch erfolgt. Grundsätzlich besteht bei diesem Konzept die Möglichkeit, den Anteil des flüssigen Kratstoffes auf 100 % zu steigern, sodass der Motor auch im reinen Dieselmodus betrieben werden kann. Motoren mit dieser Kratstoff-Flexibilität werden als Dual-Fuel- oder Zweistoffmotoren bezeichnet. Wird der Zündölanteil nur zum Starten des Motors im Dieselbetrieb sowie auf die erforderliche Zündölmenge bei Volllast begrenzt, spricht man – abhängig vom Anteil des eingespritzten Flüssig-Kratstoffes am gesamten Energieeintrag – vom Zündstrahl-Motor bzw. dem Micro-Pilot-Verfahren. Gas-Dieselmotoren sind gemäß dem dieselmotorischen Verfahren grundsätzlich selbstzündend, wobei die Erzeugung des Gemisches durch Hochdruck-Einblasung des Gases in die verdichtete Verbrennungslut erfolgt. Der Einblasedruck beträgt dabei mehrere hundert bar. Zum Zeitpunkt der Zündung – diese erfolgt durch Einspritzung einer zusätzlichen Menge Dieselkratstoffes – liegt ein inhomogenes Gemisch im Brennraum vor. Aufgrund des dieselmotorischen Brennverfahrens tritt in der Regel keine klopfende Verbrennung auf. Damit können auch Gase mit sehr niedrigen Methanzahlen verbrannt werden, ohne dass es einer Leistungsabsenkung bedarf.

3.2.2 Gasförmige Kraftstofe Brenngase für Gasmotoren sind stets Gasgemische, die neben brennbaren Bestandteilen auch inerte Anteile sowie unerwünschte Begleitstoffe aufweisen. Aufgrund der vielschichtigen Entstehungsprozesse und Quellen ist die Bandbreite der chemischen und physikalischen Eigenschaten von gasförmigen Kratstoffen deutlich größer als bei flüssigen Kratstoffen fossilen Ursprungs. Eine Einteilung in Gruppen ist daher zweckmäßig. Hierbei kann man im Wesentlichen in die Gruppen Erdgase sowie Schwach- und Sondergase unterteilen. Erdgase sind natürlichen Ursprungs und weisen einen hohen Methananteil auf. Es entsteht durch ähnliche Vorgänge wie beim Erdöl. Die Zusammensetzung schwankt je nach Fundstätte zum Teil sehr beträchtlich. Zu dieser Gruppe gehören das „klassische“ Erdgas

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aus der öffentlichen Gasversorgung, gemäß DVGW-Arbeitsblatt G 260 bekannt als L-Gas und H-Gas, mit seinen Derivaten LNG (Liquefied Natural Gas; verflüssigt bei −162 °C) und CNG (Compressed Natural Gas) sowie Schiefergas und Erdölbegleitgas. Methan als Hauptbestandteil des Erdgases ist geruchlos, farblos und ungitig. Zur Verwendung in der öffentlichen Gasversorgung muss Erdgas aus Sicherheitsgründen odoriert, d. h. mit einem auffälligen Geruchsstoff versetzt werden. Die Eignung von Erdgas als Kratstoff in Verbrennungsmotoren ist infolge des hohen Methangehaltes und der damit sehr hohen Methanzahl sehr gut. Probleme treten auf, sobald größere Anteile an höherwertigen Kohlenwasserstoffen enthalten sind, was zu klopfender Verbrennung führen kann. Neben diesen primär auf Methan basierenden Kratstoffen existiert noch eine Vielzahl von weiteren Gasen, die sich für die motorische Nutzung eignen. Für diese Gase haben sich vor allem die Begriffe Sondergase und Schwachgase etabliert, wobei eine klare Abgrenzung nicht möglich ist. Bekannte Vertreter dieser Gruppe sind Biogas, Deponiegas und Klärgas. Sie entstehen auf Basis von biologischen Prozessen (anaerobe Zersetzung von biogenen Stoffen oder Abfällen) und bestehen hauptsächlich aus Methan und nichtbrennbaren Bestandteilen (Kohlendioxid). Aufgrund des erhöhten Anteils inerter Gasbestandteile weisen sie geringe Heizwerte, aber eine höhere Klopffestigkeit auf und müssen in der Regel erst aufbereitet bzw. veredelt werden, bevor sie im Gasmotor nutzbar sind. Hierbei werden unerwünschte Begleitstoffe, wie z. B. Schwefelwasserstoff (sehr korrosives Gas), oder erhöhte Wasseranteile aus dem Gas entfernt. Grubengas als weiterer Kratstoff der Sonder- bzw. Schwachgase ist eine problematische Begleiterscheinung des Steinkohlebergbaus, da es in Verbindung mit Lut explosive Gemische bilden kann, vgl. GE-Jenbacher (2007). Hauptbestandteil des ursprünglichen Flözgases (Coal Bed Methane/CBM) ist Methan in einer Konzentration von rund 90 bis 95 %, das bei der geochemischen Umwandlung organischer Substanzen zu Kohle (Inkohlung) entsteht, vgl. GE-Jenbacher (2007). Grubengas aus aktivem Bergbau (Coal Seam Methane/CSM) ist das bei der Kohlegewinnung freigesetzte Methan/Lut-Gemisch und stellt aufgrund der sprunghaten Veränderung der Zusammensetzung hohe Anforderungen an die Regelung von Gasmotoren. Grubengas aus stillgelegten Bergwerken (Coal Mine Methane/CMM) enthält üblicherweise keinen Sauerstoffanteil und ändert seine Zusammensetzung nur sehr langsam. Ganz allgemein liegt der Vorteil der Nutzung von Grubengas in der alternativen Entsorgung eines Problemgases bei gleichzeitiger Nutzung als Energiequelle. Darüber hinaus werden Gase aus synthetischen Prozessen wie z. B. der Kohlevergasung in Gasmotoren umgesetzt. Sie weisen erhöhte Kohlenmonoxid- und Wasserstoffanteile auf und besitzen daher nur eine geringe Klopffestigkeit. Dazu zählen unter anderem Synthesegas, Pyrolysegas, Holzgas oder Koksofengas bzw. Stadtgas (Leuchtgas). Zudem werden auch Abfallgase aus der Industrie vermehrt eingesetzt. Eine Besonderheit stellt das sogenannte LPG (Liquefied Petroleum Gas) oder Autogas dar. Dieses Brenngas ist ein Gemisch aus Propan und Butan, das bereits bei geringen Drücken im Bereich von 3–10 bar flüssig und in diesem Aggregatzustand gespeichert wird. Aufgrund des flüssigen Zustandes weist dieses Gas hohe volumetrische Heizwerte auf und eignet sich daher besonders für mobile Anwendungen z. B. in Fahrzeugen oder für Koch-

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zwecke. Da LPG schwerer ist als Lut, sind umfangreiche Sicherheitsbestimmungen zu beachten. Im Gegensatz zu Erdgas hat Autogas eine höhere Dichte, aber geringere Methanzahl (MZ < 30) und neigt daher im motorischen Einsatz eher zum Klopfen. Der Einsatz von LPG bei Großmotoren ist vor allem im Zusammenhang mit dem Antrieb von LPG-Tankern zu sehen. Tabelle 3.1 zeigt einen Überblick über typische in Großgasmotoren eingesetzte Gase und deren Zusammensetzung. Die teilweise sehr unterschiedliche Zusammensetzung der Brenngase für Gasmotoren führt zu großen Unterschieden in den verbrennungsspezifischen Parametern und Eigenschaten wie Heizwert, stöchiometrischer Lutbedarf, laminare Flammengeschwindigkeit sowie Klopfverhalten und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Verbrennungskonzept bzw. brennverfahrensbezogener Parameter wie z. B. die geometrische Verdichtung oder die Motorleistung. Es ist daher von essenzieller Bedeutung, zum Start der Projektierung die genaue Zusammensetzung des verfügbaren Gases zu kennen. Die beiden wichtigsten Kennwerte von Brenngasen sind die Methanzahl MZ (Maß für die Klopffestigkeit) und der Heizwert HU (quantifiziert den Energieinhalt). Für die Praxis von Großgasmotoren besonders relevant sind Brenngase mit Heizwerten > 7 kWh/m3N und Methanzahlen > 70. Die Methanzahl gibt das prozentuale Mischungsverhältnis eines aus Methan und Wasserstoff bestehenden Vergleichskratstoffes an, der die gleiche Klopfstärke an einem Einzylinder-Prüfmotor besitzt wie das zu untersuchende Gasgemisch. Eine Methanzahl von 100 bedeutet reines Methan, während eine Methanzahl von 0 reinen (klopffreudigen) Wasserstoff bedeutet. Ein Gemisch aus 20 % Wasserstoff und 80 % Methan hat demnach eine Methanzahl von 80. Zur Berechnung der Methanzahl werden heute kommerziell verfügbare Rechenprogramme benutzt. Allen gemein ist, dass es nach wie vor keine allgemein anerkannten Berechnungsalgorithmen für beliebige Gasgemische gibt. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Programme weichen daher speziell bei unkonventionellen Gasgemischen voneinander ab. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die reale Klopffestigkeit von Gasgemischen mit hohen Anteilen an inerten Komponenten otmals stark von den Rechenwerten abweicht. Aktuell wird deshalb von mehreren Stellen an Ansätzen zur verbesserten Charakterisierung der Klopfeigenschaten gearbeitet, vgl. etwa (Kema 2013). In Abb. 3.34 sind für die in Tab. 3.1 angeführten Gasarten Anhaltswerte für Methanzahl und Heizwert dargestellt. Erkennbar sind die zum Teil sehr deutlichen Unterschiede, die eine entscheidende Auswirkung auf die Motorauslegung und das jeweils einzusetzende Verbrennungskonzept haben. Neben den oben angeführten Gasarten existieren zahlreiche weitere gasförmige Kratstoffe, die für eine Nutzung in Gasmotoren eingesetzt werden können. Für weiterführende Informationen wird etwa auf Zacharias (2001), Kaltschmitt et al. (2009), Umweltbundesamt (1991–1992), Energieagentur NRW (2009) und GE-Jenbacher (2007) verwiesen. Bei den Berechnungen mit gasförmigen Brennstoffen wird zweckmäßigerweise das Normvolumen als anschauliches Mengenmaß und als Bezugsgröße verwendet. Generell

Gasart Erdgas Erdölbegleitgas Klärgas Biogas Deponiegas Holzgas Koksgas Hochofengas Grubengas (CSM)

CH4 75–98 60–90 60–66 45–70 45–50 3–7 25–31 – 25–60

C2 H4 – – – – – 0–2 – – –

C2 H6 0,6–7,2 2–20 – – – – 0–1,6 – –

C3 H8 0,2–1,3 3–15 – – – – – – –

C4 H10 0,1–0,6 2–10 – – – – – – –

H2 – – 0–3 0–1 – 6–19 54–57 2–4 –

CO – – – – – 9–21 5,5–8 20–30 0,1–0,4

CO2 0,1–1,6 – 32–33 25–55 35–40 11–19 1,2–2,3 20–25 1–6

Tab. 3.1 Typische prozentuale, volumetrische Zusammensetzung einiger gasförmiger Kratstoffe für Großmotoren N2 0,8–9,8 – 1–5 0,01–5 9–15 42–60 3,8–9,7 45–60 4–40

Andere 1–11 – – 0–10 0–1 – 0–1 – 7–17

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Abb. 3.34 Vergleich der Heizwerte und der Methanzahlen unterschiedlicher gasförmiger Kratstoffe

hängt das Volumen von Gasen von Druck und Temperatur ab und ist proportional zur Masse bzw. zur Stoffmenge. Wird nun ein Bezugszustand eingeführt, bei dem Druck und Temperatur feste Werte einnehmen, so sind das spezifische Volumen und das molare Volumen stoffbezogene Größen. Das Volumen des Gases ist dann direkt proportional zur Masse bzw. Stoffmenge und kann als Mengenmaß verwendet werden. Den Bezugszustand mit der Temperatur T N = 273,15 K (0 °C) und dem Druck pN = 1,01325 bar bezeichnet man als Normzustand und vergibt den Index N. Für das sogenannte Normvolumen gilt VN = V (TN , pN ) =

M = n ⋅ Vm,N . ρN

(3.1)

Bei idealen Gasen und Gasgemischen ergeben sich besonders einfache Zusammenhänge. Hierbei hat das molare Normvolumen den festen Wert 22,41 m /kmol. Darüber hinaus stimmen Volumenanteile und Stoffmengenanteile überein. Reale Gasgemische können in der Praxis mit guter Näherung durch die Gesetzmäßigkeiten idealer Gase beschrieben werden, um die wesentlichen Eigenschaten wie z. B. Heizwert, Dichte und Mindestlutbedarf ermitteln zu können. Diese Kennwerte von Gasgemischen errechnen sich unter dieser vereinfachenden Annahme aus dem mit dem entsprechenden Volumenanteil gewichteten Kennwert der einzelnen Gasbestandteile, indem die Summe der einzelnen Terme gebildet wird. Häufig wird der für die Verbrennungsrechnung erforderliche untere Heizwert als volumen-, massen- oder molare Größe angegeben. Die Umrechnung auf die jeweils an-

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Tab. 3.2 Stoffwerte realer Gase Gas

chem. Formel

V m,N ρN [m3N /kmol] [kg/m3N ]

Lmin H u,N [kWh/m3N ] [m3N /m3N ]

MZ [–]

M [kg/kmol]

Methan Ethen Ethan Propen Propan Buten Butan Wasserstoff Kohlenmonoxid Kohlendioxid Stickstoff Sauerstoff

CH4 C2 H4 C2 H6 C3 H6 C3 H8 C4 H8 C4 H10 H2 CO CO2 N2 O2

22,360 22,245 22,191 21,998 21,928

9,968 16,516 17,873 24,326 25,893

9,561 14,416 16,859 21,867 24,374

100 15 44 19 34

16,043 28,054 30,069 42,080 44,096

34,392 2,995 3,509 – – –

32,321 2,383 2,386 – – –

10 0 62 – – –

58,123 2,016 28,010 44,010 28,013 21,999

21,461 22,428 22,400 22,261 22,403 22,392

0,718 1,261 1,355 1,913 2,011 2,500 2,708 0,090 1,251 1,977 1,250 1,429

dere Bezugsgröße erfolgt über die Molmasse bzw. das molare Volumen. Die wesentlichen Bestandteile und Eigenschaten gasförmiger Brennstoffe sind in Tab. 3.2 aufgeführt. Da sich der reale Zustand der Gase in der Praxis vom Normzustand unterscheidet, müssen Umrechnungen auf den Normzustand vorgenommen werden, um direkte Vergleiche und weitere Berechnungen anstellen zu können. Es gilt beispielhat für das Volumen des Gases: p TN . (3.2) VN = V ⋅ pN T

Zur Ermittlung des Normvolumenstroms ist es also erforderlich, auch den realen Druck und die reale Temperatur zu erfassen. Diese Größen müssen stets mitgemessen werden.

3.2.3 Brennverfahren und Regelung Die in Abschn. 3.2.1 beschriebenen Ausführungsformen und Varianten von Gasmotoren basieren auf in weiten Bereichen gleichen Grundlagen und weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Hinsichtlich der Brennverfahren spielen die Gaszumischung, die Zündung und das Phänomen Klopfen die wesentliche Rolle. Zur Realisierung eines stabilen Brennverfahrens ist die Regelung von essenzieller Bedeutung. Dabei teilt sich die Regelung auf in Gasdruckregelung, Gemischregelung, die Drehzahl- oder Leistungsregelung sowie die Klopfregelung. Die Gaszumischung erfolgt entweder zentral unmittelbar nach Lutfilter (Single Point Gas Admission; Gemischaufladung), dezentral unmittelbar vor jedem Zylinder (Multi Point Gas Admission) oder direkt in den Brennraum (Direct Gas Admission → Gas-Dieselmotor). Dabei kommen unterschiedliche Komponenten zum Einsatz. Während die

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zentrale Gaszuführung mittels Venturi-Prinzip oder mittels Gasdosierventil mit Gasmischer erfolgt, sorgen bei der dezentralen Gaszuführung zylinderselektive Gasventile für die Gaszumischung zur Ladelut. Das Verfahren der Multi Point Gas Admission bietet zudem die Möglichkeit einer zylinderselektiven Lambda-Regelung. Beide Verfahren arbeiten mit vorgemischter Verbrennung und benötigen eine Niederdruck-Gasversorgung mit Gasdrücken – abhängig vom Ladelutdruck des Motors – bis ca. 10 bar. Im Gegensatz dazu erfordert der Gas-Dieselmotor eine Hochdruck-Gasversorgung mit Drücken bis ca. 300 bar, weil das Gas nach Brennbeginn in den Brennraum eingeblasen wird und für die Gaszuführung nur wenig Zeit zur Verfügung steht. Nach erfolgter Gemischbildung sorgt die Zündung für die Einleitung der Verbrennung. Hier kommt neben der klassischen Zündkerze (Otto-Gasmotor) auch eine DieselPiloteinspritzung (Diesel-Gasmotor) zur Anwendung. Da die Zündenergie einer einzelnen Zündkerze im Brennraum von Großgasmotoren nicht ausreicht, werden Zündverstärker eingesetzt. Je nach Motorgröße reicht entweder eine Vorkammer-Zündkerze aus, oder es ist eine Vorkammer mit separater Brenngasversorgung erforderlich. Zuküntig werden ggf. auch andere Zündverfahren wie z. B. die Corona-Zündung oder Laserzündung eine Rolle spielen. Derzeit sind diese Verfahren Gegenstand der Forschung. Durch den mit der Energiefreisetzung einhergehenden Druckanstieg erhöht sich auch die Temperatur in der noch nicht von der Flammenfront erfassten restlichen Frischladung. Bei Überschreiten einer bestimmten Schwelle kann es zur Selbstzündung in diesem Bereich mit sehr schneller Energiefreisetzung und damit zum Klopfen kommen. Dabei entstehen hochfrequente Druckschwingungen mit hoher Amplitude, die ein großes Schädigungspotenzial für alle damit beaufschlagten Bauteile aufweisen. Das Klopfen begrenzt die erreichbare Last und das für den Motorwirkungsgrad entscheidende Verdichtungsverhältnis. Die Vermeidung von Klopfen ist daher speziell für Großgasmotoren, die zum überwiegenden Teil an der Volllast betrieben werden, eine der wesentlichsten Randbedingungen bei der Auslegung und Optimierung von Verbrennungskonzepten. Wesentliche Einflussgrößen auf die Klopfsensibilität sind die Gemischtemperaturen und Zylinderdrücke zum Zündbeginn, die Gemischzusammensetzung, die Methanzahl des verwendeten Brenngases sowie mögliche Wärmenester der den Brennraum begrenzenden Bauteile. Heutige Großgasmotoren sind fast ausschließlich abgasturboaufgeladen mit überwiegend zweistufiger Ladelutkühlung und arbeiten nach dem sogenannten Magerbrennverfahren. Hierbei wird der Motor mit Lutüberschuss betrieben und kann damit rein innermotorisch die gültigen NOx -Grenzwerte in den allermeisten Fällen erfüllen. Eine Ausnahme stellt der Gas-Dieselmotor dar, auf den später eingegangen wird. Die größte Herausforderung ist dabei die Darstellung eines hohen Wirkungsgrades mit einem breiten bzw. stabilen Betriebsfenster zwischen Klopfgrenze und Aussetzergrenze unter Einhaltung der Emissionsgrenzwerte und dem zulässigen Zylinderspitzendruck. Abbildung 3.35 zeigt diesen Sachverhalt qualitativ zusammen mit dem Verlauf der Rohemissionen Stickoxide und unverbrannter Kohlenwasserstoffe. Deutlich zu erkennen ist, dass das Betriebsfenster mit zunehmenden Mitteldrücken stetig schmaler wird.

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Abb. 3.35 Betriebskennfeld Magerbrennverfahren – Mitteldruck in Abhängigkeit vom Verbrennungslutverhältnis

Kombiniert wird die Magerverbrennung mit dem Miller-Verfahren, bei dem die Einlassventile im Vergleich zum füllungsoptimierten Betrieb wesentlich früher bzw. später geschlossen werden, was zu geringeren Ladungstemperaturen und damit zu einer Verringerung der Klopfneigung führt, vgl. etwa Bauer et al. (2013). Das wiederum gestattet den Einsatz erhöhter geometrischer Verdichtung, die zu generell höheren Wirkungsgraden führt. Die kühlere Ladung wird erreicht, in dem ein Teil der Verdichtung in den Kompressor des Turboladers verschoben und über den Gemisch- bzw. Ladelutkühler eine Kühlung erfolgt. In Abb. 3.36 ist die erreichbare Absenkung der Ladungstemperatur bei 45 °KW vor dem oberen Totpunkt in Abhängigkeit von der gewählten Steuerzeit dargestellt. Die Verschiebung des Einlass-Schluss-Zeitpunktes führt allerdings – wie in Abb. 3.36 ebenfalls dargestellt – zu einer Verringerung des Liefergrades und damit zu einer Erhöhung des Ladedruckbedarfs. Abhängig vom gewählten Aufladesystem ergibt sich jeweils ein entsprechendes Optimum. Mit zweistufiger Aufladung lässt sich das Potenzial des Miller-Verfahrens bei insgesamt höheren Aufladewirkungsgraden ausnutzen. Moderne Gasmotoren verfügen daher zunehmend über zweistufige Aufladesysteme, um höchste Motor-Wirkungsgrade bei hohen spezifischen Leistungen darstellen zu können. Um bei den erforderlichen hohen Lutverhältnissen eine ausreichende Brenngeschwindigkeit sicherzustellen, ist eine Erhöhung der turbulenten kinetischen Energie im Brennraum notwendig. Dies wird durch Ladungsbewegung (Drall, Tumble) bzw. bei größeren Gasmotoren durch den Einsatz einer Vorkammer realisiert. Der Leistungsverlust durch den bei Abmagerung verringerten Gemischheizwert wird über eine höhere Aufladung kompensiert. Das enge Betriebsfenster, insbesondere bei hohen Mitteldrücken, stellt hohe Anforderungen an die Regelung des Motors. Diese weist im Vergleich zu Dieselmotoren eine höhere Komplexität auf. Die Regelung hat die Aufgabe, zu jedem Zeitpunkt die richtige Gemischzusammensetzung und Gemischmenge im stationären und dynamischen Motorbetrieb darzustellen und den Motor vor Klopfereignissen zu schützen. Vor dem Motor ist eine

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Abb. 3.36 Ladungskühlung und Ladedruckbedarf in Abhängigkeit der Steuerzeit „Einlass schließt“

Gasdruckregelung nötig. Sie ist Bestandteil der sogenannten Gasregelstrecke und stellt für den Motor den erforderlichen Gasdruck zur Verfügung. Motorseitig sorgt die Gemischregelung dafür, dass das Verbrennungslutverhältnis den für die NOx -Emission und das Betriebsfenster nötigen Wert aufweist. Stellglieder der Gemischregelung sind die Gaszuführung (Gasdosierventile) sowie ggf. die Stellglieder der Ladedruckregelung (z. B. Verdichterbypass, Abgas-Wastegate oder Variabler Turbinenquerschnitt). Zur Darstellung der gewünschten Motorleistung bzw. Drehzahl muss darüber hinaus auch die Gemischmenge geregelt werden. Diese Aufgabe wird von der Drehzahl- bzw. Leistungsregelung übernommen. Stellglieder sind z. B. Drosselklappen sowie ladelut- und abgasseitige Aktuatoren. Treten während des Motorbetriebs Klopfereignisse auf, muss sehr schnell reagiert werden, da bereits wenige Zyklen klopfender Verbrennung zu bleibenden Schäden an Motorbauteilen wie z. B. Kolben führen können. Dies erfolgt durch die Klopfregelung des Gasmotors. Durch eine kaskadierte Vorgehensweise mit Spätverstellung der Zündung, Gemischabmagerung und Leistungsreduzierung werden mögliche Motorschäden durch das Klopfen verhindert. Detektiert wird klopfende Verbrennung durch entsprechend ausgewertete Körperschallsignale oder auch durch direkte Messung und Auswertung des Zylinderdrucksignals. Letztere bietet spürbare Vorteile für den Motorbetrieb und ist bereits heute Stand der Technik bei Großgasmotoren.

Otto-Gasmotoren Otto-Gasmotoren arbeiten mit Fremdzündung des außerhalb des Brennraumes erzeugten Gemisches. Die Gaszumischung erfolgt bei kleineren Motoren zentral mittels Einblaseventil und Gasmischer, die zwischen Lutfilter und Verdichter platziert sind. Damit ergibt sich eine lange Strecke, innerhalb derer sich das Gemisch sehr homogen ausbilden kann. Nach-

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Abb. 3.37 Optimierung der Gemischbildung bei Saugrohr-Einblasung (Multi Point Gas Admission)

teile dieses Verfahrens sind die fehlende Möglichkeit zur zylinderselektiven Regelung der Gemischzusammensetzung sowie die mit verdichtetem Frischgemisch gefüllten, großvolumigen Leitungen unmittelbar vor den Zylindern. Letztere bedingen aus Sicherheitsgründen besondere Beachtung, da es im Falle von sogenannten Rückzündungen zu Explosionen kommen kann, die ein Gefahrenpotenzial darstellen. Bei Großmotoren hat sich die zylinderselektive Gaszumischung unmittelbar vor Zylinder durchgesetzt. In Abhängigkeit des Ladedruckes muss der Gasdruck entsprechend höher eingestellt werden, damit ein in etwa konstantes Druckgefälle zwischen Gas und Lut vorliegt. Aufgrund der sehr kurzen Strecke zwischen Gasdosierventil und Brennraum sowie der kurzen Einblasedauer ist eine sehr intensive Gemischbildung erforderlich, um das für einen stabilen Motorbetrieb benötigte homogen-magere Gemisch darstellen zu können. Um hierbei möglichst optimale Bedingungen zu schaffen, kommen moderne CFDTools zur Strömungsberechnung zum Einsatz. Durch geschickte Wahl von Einblasezeitpunkt und -dauer des Brenngases kann damit die während der Ventilüberschneidungsphase von den Einlasssteuerorganen zum Abgastrakt überspülte Frischgemischmenge sehr klein gehalten werden, was sich positiv auf die Emission unverbrannter Kohlenwasserstoffe und den Wirkungsgrad auswirkt. In Abb. 3.37 sind beispielhat die für den 9,5 MW Gasmotor J920 von GE Jenbacher erzielten Ergebnisse für eine Basisvariante und eine optimierte Variante dargestellt, siehe Wimmer et al. (2011). Die Bewertung der Homogenität erfolgte dabei durch den Vergleich der Massenanteile im jeweiligen Lambda-Bereich. Bei der optimierten Variante liegen bereits 90 % der Gemischmasse im definierten Zielbereich. Mit der optimierten Variante konnte das Klopfverhalten deutlich verbessert werden. Als Zündquelle kommen heute klassische Zündkerzen zum Einsatz, die an die Bedingungen des Gasmotors – hohe Mitteldrücke, Magerverbrennung und hohe Lebensdauer – angepasst sind. Anders als beim Dieselmotor, wo der Verbrennungsablauf durch den zeitlichen Verlauf der Kratstoffeinspritzung gesteuert werden kann, ist die momentane Brenngeschwindigkeit beim Ottomotor durch das Fortschreiten einer von der Zündquelle

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Abb. 3.38 Zündverfahren bei Otto-Gasmotoren

ausgehenden Flammenfront bedingt. Für die Einleitung der Zündung kommen grundsätzlich die in Abb. 3.38 dargestellten Zündverfahren zum Einsatz. Bei kleinen Motoren ist es ausreichend, die Zündkerze direkt im Brennraum zu platzieren (offener bzw. ungeteilter Brennraum), während bei Motoren ab ca. drei Litern Hubvolumen pro Zylinder häufig eine sogenannte Vorkammer-Zündkerze eingesetzt wird. Aufgrund des verbrennungsbedingten Druckanstiegs innerhalb der Vorkammer treten sogenannte Fackelstrahlen in den Hauptbrennraum ein und entzünden das dortige Gemisch. Bei Großgasmotoren mit Zylinderhubvolumen größer als ca. sechs Liter wird in der Regel eine im Zylinderkopf platzierte und mit Brenngas gespülte Vorkammer benötigt, siehe Abb. 3.38 rechts. Durch den Einsatz einer separaten Gasversorgung für die Vorkammer ergeben sich dort sehr günstige Zündbedingungen mit einer im Vergleich zur Vorkammer-Zündkerze nochmals deutlich gesteigerten Zündenergie. Während des Ladungswechsels wird die Vorkammer mit Brenngas gefüllt und das aus dem vorangegangenen Zyklus noch vorhandene Restgas ausgespült. In der anschließenden Verdichtungsphase strömt mageres Gemisch aus dem Hauptbrennraum über die Bohrungen der Vorkammer in diese hinein, sodass zum Zündzeitpunkt ein nahezu stöchiometrisches Frischgemisch mit sehr guten Entflammungseigenschaten vorliegt. Zur Verdeutlichung der ablaufenden Vorgänge zeigt Abb. 3.39 die Verläufe der Lutverhältnisse in Vorkammer und Hauptbrennraum über dem Kurbelwinkel, wobei jeweils örtlich gemittelte Werte dargestellt sind. Die zugrunde liegenden Berechnungen erfolgten auf Basis der 3D-CFD-Simulation. Während der Gasspülung in der Ladungswechselphase sinkt das Lutverhältnis in der Vorkammer nahezu auf Null ab. In der Verdichtungsphase strömt mageres Gemisch in die Vorkammer, was zu einem entsprechenden Anstieg im Lutverhältnis führt. Nach Zündung durch die Zündkerze kommt es innerhalb der Vorkammer zu einer Verbrennung mit einem im Vergleich zu Vorkammer-Zündkerzen wesentlich höheren Druckanstieg. Die aus den Überströmbohrungen der Vorkammer austretenden Fackelstrahlen entflammen das magere Gemisch im Hauptbrennraum. Die Verbrennung wird darüber hinaus durch die Turbulenz der Fackelstrahlen beschleunigt. Aufgrund der nahezu stöchiometrischen Verbrennung innerhalb der Vorkammer entsteht hier der über-

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Abb. 3.39 Entwicklung des Lutverhältnisses in Vorkammer und Hauptbrennraum

wiegende Teil der Stickoxidemissionen. Es ist daher von besonderer Bedeutung, die Vorkammer unter den Aspekten Zündstabilität, Brenndauer, Stickoxidemission und Zündkerzenverschleiß zu bewerten und auszulegen. Bei allen beschriebenen Zündverfahren mit Zündkerze wird die Zündenergie durch eine Zündanlage bereitgestellt. Die Zündenergie wird über entsprechende Kabelverbindungen zur Zündspule und von dort über spezielle Hochspannungskabel zur Zündkerze geleitet. Drehzahlsensoren und Positionsgeber steuern den Zündzeitpunkt für jeden einzelnen Zylinder. Eine weitere Verbindung zur Klopfregelung verstellt den Zündzeitpunkt bedarfsgerecht im Falle klopfender Verbrennung. Abbildung 3.40 zeigt beispielhat zwei moderne 20-Zylinder Otto-Großgasmotoren im Leistungsbereich von etwa 10 MW, vergl. Golloch et al. (2012) und Trapp et al. (2011). Hauptanwendungsgebiet ist die stationäre Energieerzeugung in Kratwerken. Je nach Anwendungssegment kann der Motor optimal betrieben werden für die elektrische Energieerzeugung (Single Cycle), mit nachgeschaltetem Dampfprozess (Combined Cycle) oder für die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme (Combined Heat and Power). Ein heutzutage selten eingesetztes Brennverfahren für Großgasmotoren ist die stöchiometrische Verbrennung. Ein stöchiometrisches Gas-Lut-Gemisch ist Voraussetzung für den Einsatz des Dreiwege-Katalysators, der gleichzeitig die Emission von CO, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion senkt. Die Regelung des Gas-Lut-Gemisches erfolgt über eine Lambda-Sonde, welche die Funktion des Katalysators innerhalb der sehr engen Lambda-Grenzen sicherstellt. Die hohe thermische Belastung und Einflüsse durch Ölasche sowie im Brenngas enthaltene Problemgase wirken sich nachteilig auf den Wirkungsgrad des Katalysators aus. Weitere Nachteile dieses Konzeptes ergeben sich durch

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Abb. 3.40 Moderne Otto-Gasmotoren von MAN Diesel & Turbo SE sowie GE Jenbacher in der 10 MW Leistungsklasse

die hohe thermische Bauteilbeanspruchung und die Klopfneigung, welche eine Realisierung hoher Mitteldrücke und Wirkungsgrade verhindern. Ein möglicher Ansatz zur Reduktion der thermischen Belastung und zur Steigerung der erreichbaren Motorlast ist der Einsatz der Abgasrückführung (AGR) in Kombination mit Hochaufladung. Durch das rückgeführte Abgas lassen sich auch die NOx -Rohemissionen drastisch senken. Da mit AGR allerdings eine Reduktion des Wirkungsgrads einhergeht, ist dieses Konzept für Bereiche interessant, in denen niedrigste Emissionen gefordert werden, vgl. Wimmer et al. (2013).

Diesel-Gasmotoren Wird ein homogen-mageres Gemisch außerhalb des Brennraumes erzeugt, und erfolgt eine Selbstzündung des Gemisches analog dem Dieselprozess, so spricht man von DieselGasmotoren. Heutige Ausführungsformen sind eher im Bereich der Mittelschnellläufer angesiedelt. Die Gaszuführung erfolgt bei diesen Motoren zylinderselektiv nach dem gleichen Verfahren wie bei den Otto-Gasmotoren. Generell ist jedoch auch der Einsatz von zentraler Gaszumischung vor dem Verdichter möglich, wie es bei früher häufiger im Markt zu findenden, sogenannten Zündstrahlmotoren der Fall ist. Die Zündung des homogen-mageren Gas-Lut-Gemisches erfolgt durch Einspritzung einer kleinen Menge flüssigen Kratstoffes – das sogenannte Zündöl oder Pilotöl – in den Hauptbrennraum. Aufgrund des durch die während des Verdichtungstaktes erhitzten Gemisches sowie des erhöhten Zylinderdruckes zerfällt der eingespritzte Kratstoff in viele Einzeltropfen, verdampt und mischt sich mit der umgebenden Ladung. Sobald die Selbstzündtemperatur des eingespritzten Kratstoffes erreicht ist, beginnt die Verbrennung, welche sich dann rasch auf das gesamte, magere Gas-Lut-Gemisch ausbreitet. Mit Hilfe des eingespritzten Zündöls wird eine im Vergleich zur Zündkerze deutlich größere Zündenergie bereitgestellt. Ist das Einspritzsystem so ausgelegt, dass auch größere Mengen flüssigen Kratstoffes in den Brennraum eingebracht werden können, kann der Motor auch vollständig im DieselModus betrieben werden. In diesem Fall spricht man von einem sogenannten ZweistoffMotor oder Dual-Fuel-Motor. Bei diesen Typen kann der Betreiber je nach Verfügbarkeit der Kratstoffe, den einzuhaltenden NOx -Emissionsgrenzwerten oder der Anwendung des

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Abb. 3.41 Dual-Fuel-Konzept der MAN Diesel & Turbo SE; Motorbaureihe 51/60DF

Motors wählen, welcher Modus der jeweils geeignete für den Motorbetrieb ist. Das Einspritzsystem muss dabei besondere Anforderungen erfüllen. Einerseits muss es im GasModus eine sehr geringe Einspritzmenge für den Zündöl-Eintrag bereitstellen (ca. 1 % der Diesel-Volllastmenge) und andererseits gleichzeitig in der Lage sein, im Diesel-Modus die gesamte, für den Volllast-Betrieb nötige Energiemenge als flüssigen Kratstoff einzubringen. Da bei der Diesel-Direkteinspritzung die NOx -Emissionen mit steigenden Einspritzraten stark ansteigen, kann das Haupteinspritzsystem mit einer minimalen Einspritzmenge von ca. 5 % der Diesel-Volllastmenge nicht für die Zündung im Gasbetrieb verwendet werden, vgl. Böckhoff et al. (2009). In der Praxis haben sich daher zwei Varianten durchgesetzt; die erste Variante ist ein Injektor mit zwei Düsennadeln – eine für die Pilot- und eine weitere für die Haupteinspritzung. Die zweite Variante setzt zwei separate, im Zylinderkopf eingebaute Injektoren ein. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Abbildungen 3.41 und 3.42 zeigen beide Varianten im Schnitt durch den jeweiligen Zylinderkopf, vgl. Böckhoff et al. (2009) und Ölander (2006). Grundsätzlich ist mit den Dual-Fuel-Motoren auch ein Mischbetrieb bzw. ein sogenanntes Fuelsharing möglich. Hiermit werden bestimmte Mischungsverhältnisse von Brenngas und Flüssigkratstoff zur Darstellung der Leistung verwendet. Darüber hinaus muss ein Umschalten zwischen Diesel- und Gasbetrieb in bestimmten Betriebsbereichen in beide Richtungen gewährleistet sein. Insbesondere bei Schiffsmotoren kommt dem Dieselbetrieb als redundante Betriebsart in Notfallsituationen große Bedeutung zu. Aufgrund dieser hohen Kratstoff-Flexibilität von Dual-Fuel-Motoren ist deren Einsatz speziell im Marinebereich sinnvoll, worauf in Abschn. 3.2.6 noch näher eingegangen werden soll. Das Motorkonzept von Dual-Fuel Motoren muss grundsätzlich so ausgelegt werden, dass ohne Adaptionen sowohl der Betrieb mit gasförmigem als auch mit flüssigem Kratstoff möglich ist. Die Auslegung stellt daher immer einen Kompromiss dar. Während im Dieselbetrieb vor allem die Einhaltung der jeweiligen NOx -Emissionsgrenzwerte im Vordergrund steht und im Wirkungsgrad unter Umständen Nachteile in Kauf genommen werden müssen, liegt der Schwerpunkt für die Auslegung des Gasbetriebs aufgrund der sehr

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.42 Dual-Fuel-Konzept von Wärtsilä; Motorbaureihe W34DF, vgl. Ölander (2006)

emissionsarmen Verbrennung auf einer weiteren Optimierung des Wirkungsgrades. In Hanenkamp (2009) wurde dazu ein Vergleich zwischen einem auf den Schwerölbetrieb optimierten Motor und einem Dual-Fuel Konzept durchgeführt. Bei 100 % Last ergab sich dabei eine Verschlechterung des Verbrauchs beim DF-Motor im Schwerölbetrieb gegenüber dem reinen Schwerölmotor um ca. 2 %. Im Gasbetrieb konnte neben der sicheren Erreichung der IMO Tier 3 Vorschriten eine Verbrauchsreduktion um mehr als 5 % erreicht werden. DF-Motoren erlauben bei entsprechender Auslegung auch die Einhaltung der Grenzwerte nach TA-Lut. Damit sind diese Motoren auch für stationäre Anwendungen geeignet.

Gas-Dieselmotoren Beim Gas-Dieselmotor (GD-Motor) erfolgt die Mischung von Brenngas und Lut innerhalb des Brennraumes. Die Verbrennung wird durch Selbstzündung eingeleitet. Aufgrund der Verwendung von zwei Kratstoffen (gasförmig und flüssig) handelt es sich um einen Dual-Fuel- bzw. Zweistoffmotor, der zudem auch bestimmte Mischungen von gasförmigen und flüssigen Kratstoffen verbrennen kann. Somit sind mehrere Betriebsmodi möglich: der reine Dieselbetrieb, der Gasbetrieb mit Zündöl sowie der sogenannte Fuel Sharing Betrieb. Im Dieselbetrieb kann neben MDO, MGO und HFO auch Rohöl als Flüssigkratstoff genutzt werden. Analog zum Diesel-Gasmotor ist im Falle von Alarmsituationen ein automatisches Umschalten vom Gasbetrieb zum Dieselbetrieb sicher gestellt. Abbildung 3.43 zeigt das Prinzip des GD-Brennverfahrens am Beispiel der Wärtsilä-Motoren W32GD bzw. W46GD, vgl. Ölander (2006), die bereits seit 1987 auf dem Markt sind. Der Zylinder wird bei allen Betriebsmodi mit reiner Ansauglut gefüllt. Im Gasbetrieb wird am Ende des Verdichtungstaktes zunächst Flüssigkratstoff eingespritzt und kurze Zeit

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Abb. 3.43 Prinzip des Brennverfahrens vom Gas-Dieselmotor (Quelle: Ahn 2011)

später Gas eingedüst. Der Flüssigkratstoff dient dabei als Zündquelle (Kompressionszündung). Das Gas wird demzufolge in die sich ausbildende Diesel-Flamme eingedüst. Daraus ergibt sich ein inhomogenes Gas-Lut-Diesel-Gemisch, welches im Rahmen einer Diffusionsverbrennung umgesetzt wird. Hierbei laufen Gemischbildung und Verbrennung in weiten Teilen zeitlich parallel ab. Es existiert daher keine ausgeprägte Flammenfront wie beim Otto-Gas- und Diesel-Gasmotor. Wesentlich sind bei diesem Verfahren die präzise Einstellung von Einspritz- bzw. Eindüsezeitpunkt sowie die Sprayformation und Sprayrichtung beider Kratstoffarten, um eine gute Verbrennungscharakteristik und geringe Emissionen darstellen zu können, vergl. Sutkowski (2010). Da das Gas erst gegen Ende des Verdichtungstaktes eingedüst wird, sind für die Gaszuführung Brenngas-Einblasedrücke von ca. 350 bar nötig. Dies ist einerseits dem erhöhten Druck im Zylinder geschuldet, andererseits auch der nur kurzen, für die Gaseindüsung zur Verfügung stehenden Zeitdauer. Die sehr dieselähnliche Verbrennung des Gas-Dieselmotors hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Eine Brenngasversorgung mit Einblasedrücken von über 300 bar erfordert eine spezielle Gasverdichter-Einheit, die einerseits hohe Kosten verursacht und andererseits auch Verdichtungsenergie bedarf. Das inhomogene Gemisch verfügt sowohl über magere als auch fette Bereiche, sodass die Stickoxid-Emission deutlich über der von Gasmotoren mit vorgemischter Verbrennung liegt. Rein innermotorisch können daher die strengen Emissionsgrenzwert wie z. B. nach TA-Lut oder Weltbank nicht eingehalten werden. Auf der anderen Seite tritt das bei Gasmotoren mit vorgemischter Verbrennung bekannte Klopfen nicht oder nur sehr wenig in Erscheinung, sodass diesbezüglich keine Leistungsminderung im Gasbetrieb nötig und auch die Nutzung von Brenngasen mit geringen Methanzahlen möglich ist. Auch das Instationär-Verhalten ist besser, da aufgrund der fehlenden Klopfproblematik das Gemisch temporär intensiver angefettet werden kann. Im Vergleich zum Otto-Gas- und Diesel-Gasmotor können darüber hinaus deutlich größere Variationen der Gas-Qualität toleriert werden, ohne dass es zu Problemen mit dem Brennverfahren kommt.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.44 Betriebskennfeld des Wärtsilä Gas-Dieselmotors W32GD, vergl. Sutkowski (2010)

Abbildung 3.44 zeigt das im Jahr 2009 erweiterte Betriebskennfeld des Wärtsilä-GasDieselmotors vom Typ W32GD. Der Motor startet und stoppt im Diesel-Betrieb. Ab einer Leistung von 30 % kann in den Gasbetrieb umgeschaltet werden. Der energetische Anteil des flüssigen Kratstoffes in Bezug auf die Gesamtenergie variiert mit der Motorlast. Bei Volllast wird etwa 5 % der Diesel-Volllastmenge als Zündöl verwendet; bei geringeren Motorlasten ist der Anteil entsprechend höher. Ab 30 % Leistung ist der Fuel Sharing Betrieb möglich, der bis zur Volllast in bestimmten Verhältnissen von gasförmigem und flüssigem Kratstoff aufrechterhalten werden kann. Sowohl der gasförmige als auch der flüssige Kratstoff werden dem Brennraum mit Hilfe eines kombinierten Injektors zugeführt, der über eine zentrale Diesel-Einspritzdüse und über drei symmetrisch um die Diesel-Düse angeordneten Gas-Einblasedüsen verfügt. Ein Hochdruck-Magnetventil in Verbindung mit Steueröl steuern die Gaszuführung, wobei das Gas über mehrstufige Verdichter auf einen konstanten Druck und konstante Temperatur gebracht wird. Während bereits das Gas auf einen Druck von 350 bar verdichtet werden muss, erfordert das Steueröl Drücke von 370 bar. Somit sind neben der FlüssigkratstoffVersorgung zwei weitere Hochdrucksysteme erforderlich.

3.2.4 Emissionen und Abgasgesetzgebung Die Nutzung gasförmiger Kratstoffe führt im Vergleich zu den bekannten flüssigen Kratstoffen fossilen Ursprungs zu einer deutlichen Reduzierung der emittierten Kohlendioxidemissionen als eine Hauptquelle für die globale Erderwärmung. Maßgebend hierfür ist der geringere Kohlenstoffanteil in Brenngasen. Bezieht man die emittierte Masse des bei der vollständigen Verbrennung entstehenden Kohlendioxids auf den Energieinhalt des jewei-

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Tab. 3.3 Energiebezogene Kohlendioxidemissionen unterschiedlicher Kratstoffe Kratstoff

Massenanteil Kohlenstoff [%]

Unterer Heizwert [MJ/kg]

Energiebezogene CO2 -Emission [g/kWh]

Diesel Schweröl Erdgas H Butan Wasserstoff Braunkohle

86 86 76 83 0 68

43 40 49 46 120 20

264 284 204 238 0 450

ligen Brennstoffes, so gilt der Zusammenhang gemäß (3.3): mCO MCO c = . mB ⋅ HU MC HU

(3.3)

Die energiebezogene Kohlendioxid-Emission hängt demnach vom Massenanteil Kohlenstoff und dem Heizwert des Brennstoffes ab. Tabelle 3.3 listet für einige bekannte Brennstoffe diese energiebezogenen Kohlendioxidemissionen auf. Im Vergleich zu Schweröl weist Erdgas beispielsweise eine um ca. 28 % reduzierte CO2 Emission auf, im Vergleich zu Dieselkratstoff beträgt der Vorteil immerhin noch ca. 23 %. Soll die CO2 -Emission auf die mit einer Verbrennungskratmaschine erzeugte Energie bezogen werden, so ist durch den Wirkungsgrad der Maschine zu dividieren. Bedingt durch den Trade-Off zwischen Wirkungsgrad und NOx -Emissionen nehmen vor allem die NOx -Grenzwerte für die Entwicklung von Großgasmotoren einen besonderen Stellenwert ein. Weitere, typische Schadstoffe im Abgas von Gasmotoren mit vorgemischter Verbrennung sind Kohlenmonoxid (CO) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe (THC, Total Hydrocarbons). Insbesondere die THC haben in den letzten Jahren die Diskussion um den sogenannten Methanschlupf angefacht, und einige Länder (z. B. die Niederlande, Dänemark und Portugal) haben hierfür Grenzwerte eingeführt. Methan als Hauptbestandteil des Brenngases von Gasmotoren stellt den größten Anteil an den THC-Emissionen dar und weist eine im Vergleich zu CO2 ca. 25-fache Wirkung auf den Treibhauseffekt auf. Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde vielfach behauptet, dass Gasmotoren trotz der kratstoffbedingt geringeren CO2 -Emissionen mehr Treibhausgas-Emissionen emittieren als Dieselmotoren. Studien, die an modernen Gasund Dieselmotoren durchgeführt wurden, konnten dieses jedoch widerlegen. Je nach Anwendung und Ländern, in denen die Motoren zum Einsatz kommen, gelten unterschiedliche Schadstoffgesetze bzw. Grenzwerte für die einzelnen Komponenten. Aufgrund der Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen werden hier nur die für GroßGasmotoren wichtigsten für stationäre und maritime Anwendungen vorgestellt. In Deutschland gibt die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Lut (TA-Lut) aus dem Jahr 2002, vgl. BMU (2002) die entsprechenden Grenzwerte vor. Diese Vorschriten

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

143

Abb. 3.45 NOx -Emissionsgrenzwerte der TA Lut, des Gothenburg Protokolls und der EU-Richtlinie in mg/mN 3

finden auch in vielen anderen europäischen Ländern Anwendung, siehe etwa Ecopoint inc. (2010), wodurch der Grenzwert für NOx -Emissionen von 500 mg/m3N (bezogen auf 5 % O2 -Konzentration im Abgas) maßgeblich für die Entwicklung von Groß-Gasmotoren wurde. In Abb. 3.45 sind die Grenzwerte der TA-Lut von Magergas-, Diesel- und DualFuel-Motoren gegenübergestellt. Auffällig ist, dass auch Dieselmotoren mit einer Leistung größer 3 MW derselben Limitierung unterliegen. Zusätzlich sind in Abb. 3.45 die Abgasvorschriten des Gothenburg Protokoll (1999) dargestellt. Während hierbei Dieselmotoren mit einer Leistung von über 5 MW auch auf 500 mg/m3N begrenzt sind, sind Magergasmotoren mit 250 mg/m3N strenger limitiert. Das Protokoll wurde von vielen europäischen Staaten unterzeichnet bzw. ratifiziert, wie z. B. Belgien, Norwegen, Schweden, Spanien, Schweiz, Deutschland, Großbritannien, Kroatien, Slowenien. Neben regionalen Ausnahmen mit NOx -Grenzwerten von weniger als 50 mg/m3N (Kanton bzw. Stadt Zürich, Kalifornien, etc.) stellt schließlich die EU-Richtlinie 2010/75/EU mit einem NOx -Grenzwert von 200 mg/m3N (umgerechnet auf 5 % O2 -Konzentration im Abgas) für Gasmotoren derzeit die strikteste Limitierung dar. Eine kurzfristige Umsetzung dieser Limitierung ohne wesentliche Wirkungsgradverluste ist eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von Groß-Gasmotoren. Die EU-Richtlinie kommt jedoch erst

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bei Kratwerken mit einer Feuerungsleistung größer oder gleich 50 MW zu Anwendung, sodass für kleinere Anlagen vorwiegend die TA-Lut-Grenzwerte gültig bleiben. Für die internationale Seeschifffahrt gelten die Emissionsgrenzwerte der MARPOLKonvention („MARine POLlution“; International Convention on the Prevention of Pollution from Ships) mit den entsprechenden Anlagen, die von der IMO (International Maritime Organisation) zusammen mit der SOLAS-Konvention (Safety Of Life At Sea) die Grundlage für den Umweltschutz auf See darstellen. Wesentlich für die Lutverschmutzung ist Anlage VI der MARPOL-Konvention. Hier wurden im Jahr 2000 NOx - und SOx Grenzwerte eingeführt, die bis 2020 stufenweise verschärt werden. Eine Unterscheidung nach Diesel- und Gasmotoren findet nicht statt. In Gewässern der Vereinigten Staaten von Amerika gelten die EPA-Grenzwerte (Environmental Protection Agency), die zusätzlich zu den NOx -Grenzwerten auch Partikel und unverbrannte Kohlenwasserstoffe limitieren. Die NOx -Grenzwerte der IMO werden in der Einheit g/kWh angegeben und sind abhängig von der Nenndrehzahl des Schiffsmotors. Die Stufe III (Tier 3) schreibt in den sogenannten ECA-Zonen (Emission Control Area) besonders strenge StickoxidGrenzwerte vor, während global die Stufe II (Tier 2) gültig bleibt. Im Gegensatz zu Dieselmotoren gestatten Gasmotoren mit vorgemischter Verbrennung die rein innermotorische Einhaltung der Tier-3-Grenzwerte, sodass sich hieraus ein Marktwachstum generiert. Aufgrund der Kratstoff-Flexibilität werden derzeit Diesel-Gasmotoren bevorzugt. Langfristig ist mit einer Verbesserung der Gas-Kratstoffversorgung in den Häfen zu rechnen, sodass zunehmend auch Otto-Gasmotoren für die Schifffahrt eingesetzt werden. Die SOx -Abgas-Grenzwerte werden über den Schwefelanteil im Kratstoff limitiert, da hier ein direkter Zusammenhang besteht. Bis 2020 wird der zulässige Schwefelanteil, angegeben in Massen-%, stufenweise abgesenkt. Darüber hinaus wurden sogenannte SECA-Zonen (Sulfur Emission Control Area) eingeführt, in denen besonders niedrige Kratstoff-Schwefelanteile zugelassen sind. Da Erdgas weitgehend frei von Schwefel ist bzw. nur sehr geringe Mengen beinhaltet, sind Gasmotoren auch hier den Dieselmotoren überlegen. Auch hier kann daher auf eine Abgas-Entschwefelung verzichtet werden. Obwohl Otto-Gasmotoren zu großen Teilen in der Lage sind, die niedrigen NOx Grenzwerte gemäß EU-Richtlinie innermotorisch erfüllen zu können, kann aus rein wirtschatlichen Gründen eine Abgasnachbehandlung z. B. in Form eines SCR-Systems sinnvoll sein. Bei der Selektiven katalytischen Reaktion (SCR) wird Harnstoff oder Ammoniak in den heißen Abgasstrom eingespritzt. Im nachgeschalteten Katalysator werden die Stickoxide dann zu Stickstoff und Wasser umgewandelt. Aufgrund der NOx-Bildungsmechanismen würde eine Gemischabmagerung in Verbindung mit einer Spätverstellung des Zündzeitpunktes die Stickoxidemissionen zwar drastisch senken, allerdings wäre der Wirkungsgradverlust und das schlechtere Betriebsverhalten des Motors (z. B. Laufruhe, Lastaufnahmevermögen) für den Betreiber die schlechtere Lösung. In der Praxis sind die zusätzlichen Kosten für die Installation und den Betrieb eines SCR-Systems bei größeren Kratwerken geringer als die eingesparten Kosten durch den geringeren Brenn-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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gasverbrauch der Motoren. Das macht ein SCR-System, welches Stand der Technik ist, grundsätzlich interessant für den Betreiber. Für die CO-Emissionen von Gasmotoren können die seit vielen Jahren bewährten Oxidations-Katalysatoren eingesetzt werden, sofern als Brennstoff Erdgas genutzt wird. Diese Katalysatoren sind auch in der Lage, das im Abgas vorhandene Formaldehyd weitgehend zu oxidieren. Der Einsatz dieser Katalysatoren stellt bei Biogasmotoren jedoch ein Problem dar, weil die im Abgas dieser Motoren vorhandenen Schwefelverbindungen zur Katalysatorvergitung führen und somit eine aufwendige Gasreinigung voraussetzen. Die Diskussion um den Methanschlupf sowie die Forderung nach höheren Wirkungsgraden hat bei den Motorenherstellern zu intensiven Entwicklungsarbeiten geführt, die THC-Emissionen innermotorisch zu reduzieren. Unverbrannte Kohlenwasserstoffe bei Motoren mit vorgemischter Verbrennung (Gemischbildung findet außerhalb des Brennraumes statt) werden während des Ausschiebetaktes oder während der Ventilüberschneidung ausgestoßen. Das Gas stammt aus Bereichen innerhalb des Brennraumes, die nicht oder nur unzureichend von der Flammenfront erfasst werden und damit nicht oder nur teilweise verbrennen. Auch während der Ventilüberschneidung strömt ein kleiner Teil des Frischgemisches von der Einlassseite direkt in den Auslasskanal und trägt zur THCEmission bei. Es liegt daher nahe, die sogenannten Toträume innerhalb des Brennraumes sowie die Ventilüberschneidung so weit wie möglich zu reduzieren. Hierzu zählen z. B. der Feuerstegbereich, der Quetschspalt oberhalb des äußeren Kolbenoberteils sowie zerklüftete, brennraumseitige Oberflächen am Zylinderkopf. In den letzten Jahren konnten hier deutliche Fortschritte erzielt werden. Abbildung 3.46 zeigt den Einfluss des Feuerstegvolumens eines Otto-Groß-Gasmotors auf den Umsetzungsgrad des Kratstoffes sowie den Wirkungsgrad auf (Bauer et al. 2013). Die Grenzen für die Verringerung der Feuersteghöhe ergeben sich im Regelfall aus der thermischen Beanspruchung des Kolbenring-Paketes, und hier vor allem des obersten Verdichtungsringes. Durch eine intensive Kühlung des Ringpaketes konnte das Feuerstegvolumen beim betrachteten Motor bezogen auf den Ausgangswert um 23 % reduziert werden. Diese Maßnahme mündete in einem Anstieg des Kratstoffumsetzungsgrades um 0,7 %-Punkte und des Wirkungsgrades um 0,3 %Punkte. Eine nachmotorische Oxidation der unverbrannten Kohlenstoffe erweist sich als schwierig, da Methan als Hauptbestandteil der THC im Abgas ein sehr stabiles Molekül ist und hohe Abgastemperaturen nötig sind, um mit Hilfe von Katalysatoren eine Nachoxidation anzustoßen. Diese hohen Temperaturen von mehr als 500 °C nach Turbine treten bei den Gasmotoren mit Magerverbrennung in der Praxis nicht auf. Es sind daher umfangreiche Arbeiten nötig, um neue Katalysatormaterialen zu entwickeln, die eine Methanoxidation bei deutlich geringeren Temperaturen ermöglichen. Derzeit laufen hierzu diverse Forschungsprojekte. Alternativen zur katalytischen Oxidation der unverbrannten Kohlenwasserstoffe sind hermoreaktoren, welche die Abgastemperaturen durch Zufeuerung auf über 700 °C erhöhen, oder ein Katalysator, der vor der Abgasturbine platziert wird. Aufgrund der hohen Investitionskosten sowie des konstruktiven Aufwandes werden diese Lösungen in der Praxis jedoch derzeit nicht umgesetzt.

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Abb. 3.46 Einfluss des Feuerstegvolumens auf Umsetzungs- und Wirkungsgrad eines Otto-Gasmotors (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

3.2.5 Vergleich Groß-Gasmotor mit Groß-Dieselmotor Mit dem aktuellen Technologiestand von Groß-Gasmotoren können bereits effektive Wirkungsgrade erreicht werden, die über den Werten von Dieselmotoren mit vergleichbarer Baugröße liegen. Zur Detaillierung dieser Aussage und zur Darstellung der grundsätzlichen Unterschiede wird nachfolgend eine Wirkungsgradanalyse für den Gas- und Dieselbetrieb gezeigt. Dem Vergleich ist eine Verlustanalyse nach Pischinger et al. (2002) zugrunde gelegt, mit der ausgehend vom Wirkungsgrad des vollkommenen Motors eine Auteilung in eine Reihe von Einzelverlusten (das sind im Wesentlichen die Umsetzungsverluste sowie die Verluste durch reale Verbrennung, Wärmeübergang, Ladungswechsel und Motorreibung) erfolgt. In Abb. 3.47 werden aus Gründen der übersichtlicheren Darstellung allerdings nur die Werte für den Wirkungsgrad des vollkommenen Motors, für den indizierten und für den effektiven Wirkungsgrad (bei einem indizierten Mitteldruck von ca. 25 bar) gezeigt. Dabei charakterisiert der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors den theoretisch maximal erreichbaren Wirkungsgrad, wobei der Dieselmotor aufgrund des höheren Verdichtungsverhältnisses hier eindeutige Vorteile besitzt (mehr als 6 % Punkte). Trotz des wesentlich geringeren Wirkungsgrades des vollkommenen Motors im Gasbetrieb ist sowohl der indizierte als auch in weiterer Folge der effektive Wirkungsgrad höher. Dies ist im Wesentlichen auf die geringeren Verbrennungsverluste und die geringeren mechanischen Verluste zurückzuführen. Während im Mager-Gasbetrieb bei gut abgestimmten Brennverfahren eine wirkungsgradoptimale Verbrennungslage realisiert werden

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren Vollkommener Motor Indiziert

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Dieselmotor (EU Stage III A)

Effektiv

Wirkungsgrad [%]

Gasmotor (TA Luft) 5%

0

1

2

3

4 5 NOx [g/kWh]

6

7

8

Abb. 3.47 Wirkungsgradvergleich für einen Groß-Gas- und -Dieselmotor gleicher Baugröße

kann, ist trotz vergleichbarer Lutverhältnisse im Dieselbetrieb nur eine wesentlich spätere und damit thermodynamisch ungünstigere Lage möglich. Dies ergibt sich zum einen durch die verschärte Spitzendruck-Problematik aufgrund des höheren Verdichtungsverhältnisses und zum anderen vor allem durch die wesentlich höhere NOx -Emission des Dieselmotors. Diese hat ihre Ursache in den hohen Temperaturen der verbrannten Zone der nicht-vorgemischten Verbrennung des Dieselmotors, die im Bereich des stöchiometrischen Lutverhältnisses abläut, vgl. Pischinger et al. (2002) und Merker et al. (2009). Eine maßgebliche Reduktion der lokalen Verbrennungstemperaturen und damit der NOx Emissionen kann nur durch den Einsatz von AGR erreicht werden. Damit reduziert sich allerdings der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors. Dieser Nachteil kann in der Regel durch eine günstigere Verbrennungsführung mehr als kompensiert werden, allerdings treten höhere Ladungswechselverluste durch den Betrieb mit AGR und höhere mechanische Verluste durch die Verwendung eines höheren Einspritzdrucks, der primär zur Senkung der Partikelemissionen eingesetzt wird, auf. Neben den höheren Verlusten durch realen Verbrennungsverlauf weist der Dieselmotor auch höhere Verluste durch Wandwärmeübergang und höhere mechanische Verluste auf. Zu den höheren mechanischen Verlusten des Dieselmotors trägt vor allem die Druckerzeugung für die Hochdruckeinspritzung bei. Insgesamt zeigt sich für den aktuellen Entwicklungsstand ein Vorteil des Gasmotors von mehr als 2 %-Punkten. Die Notwendigkeit, die NOx -Emissionswerte des Dieselmotors weiter drastisch zu reduzieren, wird die Situation zusätzlich verschärfen. Zudem besitzt der Gasmotor im Gegensatz zum Dieselmotor das Potenzial, das Verdichtungsverhältnis noch weiter zu steigern und damit den Wirkungsgradvorteil auszubauen.

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Abb. 3.48 Vergleich der Emissionen eines schwerölbetriebenen Dieselmotors mit einem Otto-Gasmotor gleicher Baugröße

Im direkten Vergleich zum Dieselmotor emittieren Gasmotoren aufgrund der vorgemischten Verbrennung nicht nur weniger Stickoxide sondern auch praktisch keine Rußund Partikelemissionen. Abbildung 3.48 zeigt dazu einen Vergleich der Emissionen eines schwerölbetriebenen Dieselmotors mit einem Otto-Gasmotor. Zusätzlich zur Reduktion der NOx - und Partikelemissionen können die durch den hohen Schwefelgehalt des Schweröls verursachten SOx -Emissionen im Gasbetrieb vermieden werden.

3.2.6 Anwendungen Die Hauptanwendungsgebiete von Groß-Gasmotoren sind die stationäre Energieerzeugung, der Antrieb und die Energieversorgung von Schiffen, der mechanische Antrieb von Pumpen und Verdichtern sowie zunehmend auch der Einsatz in mobilen Maschinen wie z. B. Schienenfahrzeugen und Offhighway-Anwendungen. Charakteristisch ist, dass die Motoren überwiegend mit hohen Lastfaktoren und Einsatzdauern betrieben werden. Da die Kratstoffkosten einen Anteil bis über 80 % an den gesamten Lebenszykluskosten haben, spielt der Motor- bzw. Anlagen-Wirkungsgrad eine bedeutende Rolle. Die Leistungs-Bandbreite reicht von Anlagen mit mehreren hundert KW bis zu Großkratwerken von 500 MW. Je nach Anwendung werden die Motoren bei Nenndrehzahl und unterschiedlichen Lasten betrieben (Kennlinie; Strom- und Wärmeerzeugung) oder bei variierenden Drehzahlen und Leistungen (Kennfeld; mechanische Antriebe). Stationäre Groß-Gasmotoren werden hauptsächlich für die Erzeugung von Strom, Wärme und ggf. Kälte eingesetzt, deren gleichzeitige Erzeugung und Nutzung allgemein als Krat-Wärme-Kopplung (KWK) bezeichnet wird, vgl. GE-Jenbacher & Co OHG, „Jenbacher Gasmotoren“ (2007) und Eberharter, A. (2009). Für derartige Anlagen hat sich auch der Begriff Blockheizkratwerk (BHKW) etabliert. Der Gesamtwirkungsgrad einer BHKWAnlage (Summe des elektrischen und thermischen Wirkungsgrades) kann – je nach nutzbarem Temperaturniveau der verfügbaren Wärme – bis über 90 % betragen. Der erzeugte Strom wird zur Deckung des Eigenverbrauches der Einzelobjekte (z. B. Krankenhäuser)

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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genutzt und/oder in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die thermische Energie wiederum kann sowohl für die Erzeugung von Heizwasser (lokale Verwendung oder Einspeisung in Fernwärmesysteme) als auch zur Dampferzeugung oder als Prozesswärme verwendet werden. In steigendem Maße wird die Wärme auch zur Kälteerzeugung verwendet, da die Wärme als „Abfallprodukt“ bei der Stromerzeugung nicht ungenutzt abgeführt werden soll, wenn eine direkte Wärmenutzung nicht möglich ist. Dies wird gerade vor dem Hintergrund wichtig, dass mit Gasmotoren betriebene Kratanlagen zuküntig mehr stromgeführt betrieben werden, um die mit regenerativ erzeugtem Strom aus Wind- oder Solarkratanlagen gespeisten, volatilen Stromnetze zu stützen. Sofern die Versorgung mit Brenngas sichergestellt ist, kommen Otto-Gasmotoren zum Einsatz. Im Falle einer unsicheren Gasversorgung setzt man auf die Kratstoffflexibilität von Dual Fuel Motoren. Gasmotoren werden auch zur stromnetzunabhängigen Energieerzeugung als MotorGenerator-Systemeinheit (Gen-Set) im sogenannten Inselbetrieb oder Netzersatzbetrieb verwendet. Gen-Sets sind stationär und mobil einsetzbar und können beispielsweise als Notstrom-, Dauerstrom- und Spitzenlastaggregat dienen, vgl. Tognum AG, Glossar technische Fachbegriffe (2009). Neben der Hauptanwendung von Gasmotoren im Bereich der Stromerzeugung sowie der kombinierten Krat-Wärme-Kopplung als Blockheizkratwerk ist der Gasmotor in zahlreichen mechanischen Antriebsapplikationen (Mechanical Drive) in der Öl- und Gasindustrie zu finden. Zusätzlich zur Stromerzeugung wird der Gasmotor dort als Antriebsquelle für Pumpen und Kompressoren in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Der Unterschied zu stationären Kratwerken besteht häufig in dem zur Verfügung stehenden Brenngas, das in seiner Zusammensetzung stark variieren kann. Weitere Anwendungsbeispiele sind die Hochdruck-Gasspeicherung in unterirdischen Kavernen, die Gasförderung in Pipelines sowie Verdichterantriebe für Gasverflüssigungsanlagen. Aufgrund der zunehmenden Fördermengen der fossilen Energieträger Öl und Gas wird dieser Industriezweig in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Ein in den letzten Jahren stark gewachsener Markt für Gasmotoren stellt der MarineBereich dar. Die Einführung sogenannter ECA-Zonen (Emission Controlled Area) der International Maritime Organization (IMO) – das sind in der Regel küstennahe Bereiche, in denen besonders strenge NOx - und SOx -Abgasgrenzwerte einzuhalten sind – hat die Verwendung von Gasmotoren als Schiffsantrieb in das Interesse von Herstellern und Reedereien gerückt vgl. unter anderem MAN SE (2010), Nautischer Verein zu Hamburg NVzHH (2010), Verbundnetz Gas AG VNG (2010) und Germanischer Lloyd (2008). Diese können die ECA-Zonen ohne jegliche Abgasnachbehandlung befahren, da sie die Grenzwerte bereits mit innermotorischen Maßnahmen unterschreiten. Aufgrund der Kratstoffflexibilität bietet sich der Einsatz von Dual Fuel Motoren an. Diese werden unter anderem bereits für Flüssiggastanker (LNG-Tanker) mit diesel-elektrischem Antrieb eingesetzt. Parallel dazu ist die Entwicklung reiner Otto-Gasmotoren für den Schiffsantrieb sowohl als Hilfsmaschinen als auch als Antriebsmotoren zu sehen. Seit dem Jahr 2000 werden etwa in Norwegen Fähren mit reinem LNG-Antrieb eingesetzt. Diesel-Gasmotoren sind insbesondere auch für den Einsatz auf LNG- und LPG-Tankern interessant. Hingegen können mit

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Schweröl betriebene Schiffe nur dann in die ECA einfahren, wenn sie über entsprechende Abgasnachbehandlungssystemeverfügen. Gas-Dieselmotoren kommen neben stationären Kratwerken und Pumpenstationen auch im Marine-Bereich, z. B. als sogenannte FPSO (Floating Production Storage Offshore) in der Erdöl- und Erdgasförderung, zum Einsatz. Sie sind in der Lage, das bei der Förderung entstehende und aufbereitete Erdölbegleitgas (Flaregas) zu nutzen, vergl. Sutkowski (2010). GD-Motoren kommen dort zum Einsatz, wo Brenngase mit niedrigen Methanzahlen bzw. langkettigen Kohlenwasserstoffen zur Verfügung stehen, die mit konventioneller Technologie nicht genutzt und somit abgefackelt werden müssten. Zu beachten ist, dass für den Marinebereich sehr spezielle Richtlinien wie der IGC-Code (International Gascarrier Code) und insbesondere auch die Anforderungen der Klassifikationsgesellschaten einzuhalten sind, was für Gasmotoren eine besondere Herausforderung darstellt, vgl. Böckhoff (2007). Aufgrund des im Vergleich zu Flüssigkratstoffen interessanten Kostenniveaus und der geringeren Emissionen von Erdgas als Kratstoff gewinnen auch mobile Fahrzeuganwendungen an Bedeutung. Hier ist besonderes Augenmerk auf die fahrzeugseitige Speicherung des Energieträgers Gas zu richten. Die hohen volumetrischen Energiedichten von Flüssigkratstoffen können zwar nicht erreicht werden, allerdings sind mit komprimiertem oder verflüssigtem Erdgas durchaus akzeptable Reichweiten möglich. CNG (Compressed Natural Gas) mit 200 bar Speicherdruck ist zwar mit geringerem Energie- und Kostenaufwand zu erzeugen als LNG (Liquefied Natural Gas), bietet jedoch nur ca. 1/3 dessen volumetrischer Energiedichte und sogar nur ca. 1/5 der Energiedichte von Dieselkratstoff. Je nach Verfügbarkeit des Kratstoffes werden eher Otto-Gasmotoren oder Dual Fuel Motoren zum Einsatz kommen.

3.2.7 Entwicklungsmethodik Die Entwicklung und Optimierung von Brennverfahren von Großgasmotoren steht neben der weiteren Erhöhung der Robustheit der Motoren im Spannungsfeld der Wirkungsgradund Leistungssteigerung einerseits bei gleichzeitiger Absenkung des Emissionsniveaus zur Einhaltung der zunehmend strengeren Emissionsvorschriten andererseits und stellt eine hochkomplexe Optimierungsaufgabe dar. Die Simulation wird für die Optimierung immer wichtiger und ist mittlerweile fixer Bestandteil des Entwicklungsprozesses, vgl. etwa die am LEC (Large Engine Competence Center) abgeleitete Methodik LDM (LEC Development Methodology) (Wimmer et al. 2011). Diese Methodik basiert auf einer gezielten Kombination von Simulation und experimentellen Untersuchungen an EinzylinderForschungsmotoren (SCE – Single Cylinder Engine) sowie Vollmotoren (MCE – Multi Cylinder Engine), siehe Abb. 3.49. Zur Simulation werden sowohl die dreidimensionale CFD-Methode als auch die null- und eindimensionale Motorprozessrechnung eingesetzt. Während die 3D-CFD-Simulation vor allem für die Detailoptimierung der relevanten Vorgänge (wie etwa Gemischbildung und Verbrennung in Vorkammer und Hauptbrennraum,

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.49 LEC Entwicklungsmethodik (LDM)

Bestimmung des Klopfverhaltens, etc.) eingesetzt wird, werden null- und eindimensionale Motorprozesssimulationen für die Voroptimierung maßgeblicher Motorparameter (Verdichtungsverhältnis, Steuerzeiten etc.) angewandt. Ein wesentlicher Vorteil der null- und eindimensionalen Modelle ist in den kurzen Rechenzeiten zu sehen, die die Untersuchung einer großen Anzahl von Parametervariationen erlauben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der dargestellten Methodik bildet die Sicherstellung der Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Einzylinder-Versuch auf den Vollmotor. Hierzu ist es notwendig, vergleichbare Randbedingungen wie am Vollmotor zu realisieren. Neben gleichen thermischen Randbedingungen ist dies insbesondere die Darstellung gleicher Bedingungen zu Beginn des Hochdruckteils (Temperatur, Druck und Zusammensetzung des Arbeitsgases). Diese werden im Rahmen der dargestellten Methodik in einem iterativen Prozess auf Basis der 1D-Ladungswechselsimulation von Vollmotor und Einzylinder-Aufbau bestimmt.

3.3 Grundlagen der dieselmotorischen Verbrennung Der konventionelle dieselmotorische Verbrennungsprozess ist durch eine heterogene Gemischbildung und Verbrennung gekennzeichnet. In modernen Dieselmotoren wird der Brennstoff in der Regel kurz vor dem oberen Totpunkt direkt in die hochverdichtete Lut im Brennraum eingespritzt. Der in den Brennraum eintretende flüssige Brennstoff wird in kleine Tropfen zerstäubt, verdunstet und wird mit Lut gemischt, so dass sich ein heterogenes Gemisch aus Brennstoff und Lut ergibt. Die Verbrennung wird durch die hohen Temperaturen und Drücke durch einen Selbstzündungsprozess eingeleitet. Beim konventionellen

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Dieselbrennverfahren steht üblicherweise nur eine sehr kurze Zeitspanne zur Gemischbildung zur Verfügung. Eine schnelle Einspritzung und gute Zerstäubung des Brennstoffs sind deshalb Voraussetzung für eine schnelle und gute Durchmischung von Brennstoff und Lut. Die Last des Motors wird durch die Menge des eingespritzten Brennstoffs, der Brennbeginn durch den Einspritzbeginn geregelt. Dieselmotoren werden üblicherweise mit einem global mageren Lutverhältnis betrieben, die direkte Einspritzung führt jedoch zu unterschiedlichen Gemischbereichen, die zwischen sehr mageren über stöchiometrischen bis zu sehr fetten Gemischverhältnissen variieren. Diese Gemischschichtung führt unvermeidlicherweise zur Bildung von Schadstoffemissionen, insbesondere von Rußpartikeln und Stickoxiden. Die dieselmotorische Verbrennung ist durch eine turbulente, reaktive Mehrphasenströmung geprägt. Die einzelnen Teilprozesse, wie Strahlzerfall, Tropfendynamik, Phasenübergang, Zündung, Verbrennung und Schadstoffbildung laufen weitgehend simultan ab und stehen in Wechselwirkung miteinander. Die Modellierung der dieselmotorischen Verbrennung ist deshalb äußerst komplex.

3.3.1 Gemischbildung Dieselmotoren können sowohl nach dem Zweitakt- als auch nach dem Viertakt-Verfahren betrieben werden. Schnell- und mittelschnell laufende Viertakt-Dieselmotoren werden beispielsweise in Pkw, Nfz, industriellen, maritimen und stationären Anwendungen eingesetzt. Diese Motoren sind üblicherweise mit einem oder zwei Einlass- und einem oder zwei Auslassventilen ausgestattet. Dabei ist der Brennraum als Mulde im Kolben untergebracht. In den häufigsten Anwendungen wird pro Zylinder ein einzelner, zentral positionierter Injektor eingesetzt, der mit einer Mehrlochdüse kombiniert ist. Das Spray eines solchen Brennverfahrens ist in Abb. 3.50 exemplarisch dargestellt. Langsamlaufende ZweitaktDieselmotoren werden überwiegend zum Antrieb großer Schiffe und in der stationären Stromerzeugung eingesetzt. Moderne Zweitakt-Dieselmotoren besitzen eine Gleichstromspülung, Einlassschlitze und ein zentral sitzendes Auslassventil. Bei diesen Anwendungen werden üblicherweise zwei bis vier an der Peripherie des Brennraums positionierte Injektoren mit Mehrlochdüsen eingesetzt. Der Brennstoff wird dabei in tangentialer Richtung in den Brennraum eingebracht. Zu den in Dieselmotoren verwendeten Einspritzsystemen sei auf Kap. 4 verwiesen. Neben der durch das Einspritzsystem eingebrachten Gemischbildungsenergie ist die Güte der Gemischbildung stark von der Interaktion der Einspritzstrahlen mit der Zylinderinnenströmung abhängig. Abbildung 3.51 stellt schematisch die beiden wichtigsten makroskopischen Strömungsstrukturen in Dieselmotoren mit Direkteinspritzung dar. Die Drallströmung ist eine rotierende Strömung um die Zylinderachse, die durch die Geometrie der Einlasskanäle und in Viertaktmotoren zusätzlich durch die Ausformung der Ventilsitze erzeugt wird (Masking, Phasing). Die Quetschströmung wird durch den sich

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.50 Spray eines 4-Takt-Dieselmotors mit Direkteinspritzung

Abb. 3.51 Makroskopische Strömungsstrukturen im Brennraum

dem oberen Totpunkt nähernden Kolben erzeugt, der die Lut oberhalb des Quetschkantenbereichs verdrängt. Sowohl die Drall- als auch die Quetschströmung unterstützen die Gemischbildung. Andere gerichtete Strömungen, wie beispielsweise die Tumbleströmung, zerfallen üblicherweise während der Kompression. Besonders in kleineren Pkw und leichten Nfz-Dieselmotoren werden ot tiefe ω-Mulden relativ kleinen Durchmessers mit starker Drallströmung verwendet. Die Drallzahl hängt stark von der Motordrehzahl ab, so dass eine Optimierung der Drallströmung für unterschiedliche Betriebspunkte, z. B. durch schaltbare Klappen im Einlasskanal notwendig ist. Das Einspritzsystem muss zusammen mit der Zylinderinnenströmung optimiert werden. So werden beispielsweise bei Brennverfahren mit hohem Drall weniger Düsenlöcher verwendet, um eine Interaktion der einzelnen durch den Drall abgelenkten Brennstoffstrahlen zu vermeiden. In nach dem Viertaktprinzip arbeitenden Dieselmotoren mit größerem Hubvolumen werden heutzutage üblicherweise Brennverfahren mit schwächerem Drall und flacheren Kolbenmulden eingesetzt, wobei die Gemischbildungsenergie hauptsächlich vom Einspritzsystem eingebracht wird. Der Vorteil solcher Verfahren mit niedriger Drallzahl liegt im höheren Lutaufwand, da die Erzeugung gerichteter Strömungsstrukturen immer auch die Gaswechselverluste erhöht. Im Gegensatz dazu existiert in großen Zweitaktdieselmotoren aufgrund des Ladungswechselprozesses eine sehr starke Drallströmung. Dabei werden bedingt durch die Lage und Ausrichtung des Einspritzsystems üblicherweise sehr flache Kolbenmulden mit einem zur Bohrung identischem Durchmesser eingesetzt. Aus diesem Grund ist die Quetschströmung in solchen Motoren sehr schwach.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Phänomenologie der Gemischbildung Die Einspritzdüse stellt das Bindeglied zwischen Einspritzsystem und Brennraum dar. Der Brennstoff verlässt die Düse mit hoher Geschwindigkeit durch kleine Bohrungen mit Durchmessern in der Größenordnung von 0,1 mm für Pkw-Dieselmotoren bis zu ungefähr 1,5 mm bei großen Zweitaktdieselmotoren. Abbildung 3.52 zeigt eine qualitative Skizze des aus der Einspritzdüse austretenden Brennstoffstrahls nach Baumgarten (2006). Das während der Einspritzung erzeugte Spray kann grob in zwei Regionen unterteilt werden, eine Region mit dichtem Spray in der Nähe des Düsenaustritts und eine dünne Sprayregion weiter stromabwärts. Die erste Auflösung des zusammenhängenden Brennstoffstrahls in Ligamente und Tropfen wird als primärer Strahlzerfall bezeichnet. Bei modernen Hochdruck-Einspritzsystemen sind Kavitation und Turbulenz die wichtigsten Mechanismen des primären Strahlzerfalls (Arcoumanis et al. 1998). Durch die hohe Beschleunigung und die Umlenkung des Brennstoffs in der Düse kann es in bestimmten Bereichen des Nadelsitzes und/oder im Spritzloch der Druck der Flüssigkeit unter den Dampfdruck absinken, so dass sich Brennstoff-Dampfblasen bilden. Dieser Vorgang wird als hydrodynamische Kavitation bezeichnet. Abhängig von der Geometrie des Spritzlochs und den Strömungsbedingungen kann die Kavitation stabilisiert werden, so dass dampfförmiger Brennstoff den Düsenlochaustritt erreicht oder die Strömung kann sich teilweise oder vollständig wieder anlegen (Kühnsberg-Sarre et al. 1999). Die Kavitation reduziert sowohl die effektiv durchströmte Fläche der Düse als auch die Reibung. Eine intensive Kavitation reduziert die Verkokungsneigung der Düse kann aber gleichzeitig zu mechanischer Schädigung führen. Bei einem Druckanstieg im Kavitationsgebiet im Spritzloch oder beim Verlassen der Düsenlöcher kollabieren die Kavitationsblasen sehr schnell, was zu einer Erhöhung der

Abb. 3.52 Schematische Darstellung der Düseninnenströmung und der Strahlausbreitung, nach Baumgarten (2006)

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Turbulenz und einem schnelleren primären Strahlzerfall führt. Die intensive Zerstäubung in Düsennähe hat einen großen Einfluss auf die Verbrennung und damit auch auf die Schadstoffbildung. Das Autreten von Kavitation kann durch Optimierung der Strömungsbedingungen in der Düse minimiert werden. Übliche Maßnahmen um den statischen Druck zu erhöhen und damit die Kavitationsneigung in Düsen zu Verringern sind eine Verrundung der Einlaufkante sowie eine konische Ausführung des Spritzlochs. Für ein Anwendungsbeispiel zur Simulation der Düseninnenströmung sei auf Abschn. 15.3 verwiesen. Der Zerfall bereits existierender Tropfen in kleinere Tropfen aufgrund der durch die Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Umgebung vorliegenden aerodynamischen Kräte wird als sekundärer Strahlzerfall bezeichnet. Zusätzlich können Tropfen miteinander kollidieren und sich vereinigen. Der Strahlimpuls führt zu einer Einzugströmung (Air-Entrainment) der umgebenden Brennraumlut in den Strahl. Dadurch werden die Tropfen durch konvektiven Wärmeübergang aufgeheizt und der Brennstoff beginnt zu verdunsten. Neben den physikalischen Eigenschaten und den Brennraumbedingungen (Druck, Temperatur) ist die Verdunstungsgeschwindigkeit des Brennstoffs von der Größe der gebildeten Tropfenoberfläche und damit vom primären und sekundären Zerfall sowie von der in den Strahl eingebrachten Lutmenge abhängig. Beim Dieselmotor kann die Gemischbildung nicht unabhängig von der Strahlausbreitung einerseits und der Verbrennung andererseits betrachtet werden. Es ist gerade die Besonderheit der dieselmotorischen Verbrennung, dass Strahlausbreitung, Gemischbildung und Verbrennung teilweise simultan ablaufen. Nur ein geringer Anteil des eingespritzten Brennstoffs mischt sich während des Zündverzugs nahezu homogen mit der Lut im Brennraum. Bei Zündung verbrennt diese Menge fast schlagartig. Anschließend laufen Gemischbildung und Verbrennung simultan ab, und die Verbrennung wird durch die Gemischbildungsvorgänge kontrolliert. Die Strahlausbreitung und die Gemischbildung sind heute zumindest qualitativ gut verstanden und können mit Modellen näherungsweise beschrieben werden, siehe Kap. 6 sowie Baumgarten (2006), Ramos (1989) und Stiesch (2003).

3.3.2 Selbstzündung und Verbrennungsablauf Die Zeitspanne zwischen Einspritz- und Brennbeginn wird als Zündverzugszeit bezeichnet. Die dabei ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse sind sehr komplex. Die wesentlichen physikalischen Vorgänge sind die Zerstäubung des Brennstoffes, die Verdampfung und die Mischung von Brennstoffdampf und Lut bis zur Bildung eines zündfähigen Gemisches. Die chemischen Prozesse, die unter dieseltypischen Bedingungen zu einer Selbstzündung der im Brennstoff enthaltenen Kohlenwasserstoffe führen, sind durch einen hochkomplexen, degenerierten Kettenverzweigungsmechanismus gekennzeichnet (Curran et al. 1998). Für eine genauere Darstellung der chemischen Prozesse und von Modellierungsansätzen sei auf Abschn. 6.2 verwiesen.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.53 Einspritz- und Brennverlauf im Dieselmotor

Der Ort der Zündung im Diesel-Einspritzstrahl hängt stark von den Randbedingungen ab. Higgins et al. (2000) geben beispielsweise basierend auf Messungen in einer Hochdruck-Verbrennungskammer an, dass die Zündung in Gebieten mit einem über dem Strahlquerschnitt gemitteltem Lut-Brennstoffverhältnissen von etwa 0,25 < λ < 0,65 stattfindet. Nach Pischinger (2001) findet die Selbstzündung bevorzugt in Bereichen mit lokalen Lut-Brennstoffverhältnissen im Bereich 0,6 < λ < 0,8 statt. Die Zündverzugszeit kann über Temperatur und Druck zum Einspritzbeginn gesteuert werden, die wiederum von Einlasstemperatur und -druck, dem Verdichtungsverhältnis, dem Einspritzbeginn und den Wandtemperaturen abhängen. Zusätzlich haben die Zündfähigkeit des Brennstoffes (Cetanzahl) und weitere Parameter wie der Einspritzdruck, die Geometrie der Düsenlöcher und die Zylinderinnenströmung maßgeblichen Einfluss auf die Zündverzugszeit und den Zündort. Abb. 3.53 stellt schematisch den Einspritz- und Brennverlauf eines Dieselmotors mit Direkteinspritzung dar. Der Ablauf der dieselmotorischen Verbrennung lässt sich daraus ableitend in drei Phasen unterteilen.

Phase 1: Initiale vorgemischte Verbrennung Die erste Phase schließt direkt an die Zündung an. Der während der Zündverzugszeit eingespritzte Brennstoff mischt sich mit der Lut im Brennraum und bildet ein nahezu homogenes und reaktionsfähiges Gemisch. Nach der Zündverzugszeit, die physikalisch und

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

Abb. 3.54 Einspritz (EV)und Brennverlauf (BV) bei früher (links) und später (rechts) Verbrennung

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dmB d dEB d EV

BV OT

EV

BV OT

EV

BV OT

chemisch kontrolliert ist, verbrennt dieses Gemisch sehr schnell. Da auch in der Hauptverbrennung Gebiete mit vorgemischter Verbrennung autreten, wird diese Phase initiale vorgemischte Verbrennung genannt. Die Rate der Wärmefreisetzung ist in dieser Verbrennungsphase durch die Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen und durch die Menge an während der Zündverzugszeit gebildetem Brennstoff-Lut Gemisch kontrolliert. Das für den Dieselmotor typische Verbrennungsgeräusch wird durch die hohe Druckanstiegsgeschwindigkeit zu Beginn der Verbrennung verursacht. Diese Druckanstiegsgeschwindigkeit kann durch Veränderung des Einspritzzeitpunktes beeinflusst werden, wobei gilt: ein früher Einspritzbeginn führt zu einer „harten“ und ein später zu einer „weichen“ Verbrennung, siehe Abb. 3.54. Eine weitere Verschiebung nach spät führt dann aufgrund der wieder abnehmenden Brennraumtemperaturen wieder zu einer längeren Zündverzugszeit und damit zu einem höheren Verbrennungsgeräusch. Das Verbrennungsgeräusch kann maßgeblich durch eine oder mehrere Voreinspritzungen reduziert werden. Dabei wird zunächst nur eine geringe Brennstoffmenge eingespritzt, die nach der Zündverzugszeit nur zu einer geringen Wärmefreisetzung und damit zu einem geringen Druckanstieg führt. Sowohl die durch den Druckanstieg erhöhte Luttemperatur als auch ein Aufeinandertreffen des Gemischs der Haupteinspritzung mit dem Hochtemperaturbereich der Voreinspritzung führen jedoch zu einer deutlichen Herabsetzung der Zündverzugszeit der Haupteinspritzung, was zu einer Reduzierung des Anteils der Vormischverbrennung mit positiver Auswirkung auf das Geräusch führt.

Phase 2: Hauptverbrennung In der zweiten Phase wird die Wärmefreisetzung durch die turbulenten Mischungsvorgänge zwischen Brennstoff und Lut kontrolliert und wird daher auch als mischungskontrollierte Verbrennung bezeichnet. In dieser Phase finden Einspritzung, Strahlaufbruch, Tropfenverdunstung, Mischung mit Lut, Verbrennung und Schadstoffbildung gleichzeitig statt. Abbildung 3.55 zeigt einen, dem konzeptionellen Modell von Dec (1997) sowie Flynn et al. (1999) folgenden Querschnitt durch einen reagierenden Diesel-Einspritzstrahl. Das Modell beschreibt die quasi-stationäre Phase während der Hauptverbrennung und ist streng genommen nur unter ruhender Umgebungsbedingung gültig. Der flüssige Brennstoffstrahl dringt in den Brennraum ein, vermischt sich mit Lut und verdunstet. Das Lutverhältnis im Strahl nimmt sowohl mit zunehmender Distanz zur Einspritzdüse als auch mit Distanz zur Strahlachse zu. Stromabwärts der flüssigen Eindringtiefe bildet sich eine

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Abb. 3.55 Konzeptionelles Modell der Dieselverbrennung nach Dec (1997) und Flynn et al. (1999)

fette Gemischzone, die zu einer partiellen Oxidation des Brennstoffs und zu Temperaturen bis 1600 K führt. Nach Flynn et al. (1999) liegt das Lutverhältnis in dieser Zone im Bereich 0,25 < λ < 0,5 und es wird ca. 15 % des gesamten Wärme in dieser Zone freigesetzt. Unter den teiloxidierten Produkten der vorgemischten Verbrennung befinden sich auch Vorläuferspezies, die weiter stromabwärts in der Mitte der Flamme zur Partikelbildung führen (vgl. Abschn. 7.2.3). Eine Diffusionsflamme bildet sich um den Einspritzstrahl auf einer Isofläche mit stöchiometrischem Lut-Kratstoffverhältnis. Die teiloxidierten Produkte der fetten Vormischverbrennung und gebildete Partikel bewegen sich weiter stromabwärts und werden in die Diffusionsflamme transportiert, wo sie vollständig zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert werden. Die Temperaturen steigen auf bis zu 2700 K. Aufgrund der hohen Temperaturen bilden sich auf der mageren Seite der Diffusionsflamme Stickoxide (vgl. Abschn. 7.2.4). In der Nähe der Einspritzdüse bestimmen die Verdunstungsprozesse und die chemischen Reaktionen im Strahl die Entfernung, in der sich die Diffusionsflamme von der Einspritzdüse etabliert. Die axiale Distanz zwischen Einspritzdüse und Diffusionsflamme wird als Abhebelänge (lit-off length) bezeichnet und stellt eine wichtige Eigenschat einer Dieselflamme mit Bezug auf die Rußbildung dar (siehe z. B. Siebers und Higgins 2001).

Phase 3: Nachverbrennung Nach Beendigung der Einspritzung wird kein zusätzlicher Impuls mehr über die Einspritzung in den Strahl eingebracht und die Flamme entwickelt sich zu einer Zone teiloxidierter Produkte der fetten Vormischverbrennung, die von einer Diffusionsflamme umgeben ist. Die genauen Eigenschaten dieser Zone hängen vom Einspritzsystem ab. Schließt die Düsennadel sehr schnell, besitzen die letzten Brennstoffpakete noch eine hohe Geschwindigkeit, so dass diese einen ähnlichen Verbrennungsablauf besitzen wie in der Hauptverbrennung. Andererseits führt ein langsames Schließen der Nadel zu niedrigen Geschwindigkei-

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0,75

120 Druckverlauf 90

0,6 0,45

60

0,3 Brennverlauf

30 0 -60

0,15

-30

0

30

60

0 [°KW] 90

150

0,75 Teillast: n = 1500 min-1 pme = 9,8 bar

p [bar] 120 90 60

0,6 0,45 0,3

Druckverlauf

30 0 -60

dEB/d [kJ/°KW]

Volllast: n = 1500 min-1 pme = 22,2 bar

p [bar]

0,15

Brennverlauf -30

0

dEB/d [kJ/°KW]

3

30

60

0 [°KW] 90

Abb. 3.56 Druck- und Brennverlauf in einem schnell laufenden Dieselmotor bei Voll- und Teillast

ten der letzten Brennstoffpakete, einer niedrigen Beimischung mit Lut und entsprechend intensivierter Rußbildung und verlangsamter -oxidation. Durch die Expansion des Kolbens Richtung unterem Totpunkt werden die Temperaturen im Brennraum abgesenkt. Mit den niedrigeren Temperaturen sinken auch die Reaktionsraten, so dass die Verbrennung erneut chemisch kontrolliert ist. Diese Phase ist von extremer Bedeutung für die Oxidation des zuvor gebildeten Rußes, von dem über 90 % wieder abgebaut werden. Wie in Kap. 7 näher erläutert wird, sollten die Temperaturen während dieser Verbrennungsphase hoch sein, da die Rußoxidation unterhalb von 1300 K sehr langsam wird, siehe Glassmann (1988). Maßgebend für die thermodynamische Qualität des gesamten Verbrennungsprozesses ist die freigesetzte thermische Energie (vgl. Abschn. 9.2). Sie führt zur Aufheizung des Brennstoff-Lut-Gemisches im Zylinder und damit zum Temperatur- und Druckanstieg. Als Beispiel zeigt Abb. 3.56 den Druck- und den Brennverlauf bei Voll- und bei Teillast in einem schnell laufenden Dieselmotor mit relativ später Einspritzung. Die Berechnung der Wärmefreisetzung ist ein zentrales Element in der Simulation motorischer Prozesse. Je nach Aufgabenstellung kann sie mit Hilfe einfacher empirischer

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Funktionen (vgl. Kap. 10), mit phänomenologischen Modellen (vgl. Kap. 11) oder mit detaillierten physikalischen und chemischen Modellen in Verbindung mit der mehrdimensionalen numerischen Strömungsmechanik (vgl. Kap. 17) berechnet werden.

3.3.3 Rohemissionen des Dieselmotors Der Fokus in der Entwicklung von Dieselmotoren liegt seit einiger Zeit auf der Erfüllung der gesetzlichen Limitierungen schädlicher Abgasemissionen bei gleichzeitiger Verbesserung oder Beibehaltung des Brennstoffverbrauchs. Je nach Anwendung werden die emittierten Emissionen eines Dieselmotors unterschiedlich ermittelt. In der Regel werden sowohl die Emissionen in weitestgehend stationären Betriebspunkten wie auch in transienten Zyklen bei einer Zertifizierung überprüt. Zu weiteren Details sei auf die nachfolgenden Kapitel verwiesen. Üblicherweise wird die Masse der Abgaskomponenten NOx , Partikel, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und CO einzeln oder in Kombinationen limitiert. Zusätzlich wird bei zuküntig in Krat tretenden Emissionsnormen teilweise die Partikelanzahl limitiert werden. Obwohl heutzutage nahezu alle Dieselmotoren mit unterschiedlichen Abgasnachbehandlungssystemen kombiniert werden (vgl. Kap. 7 und 12), besitzt die Optimierung des Motorprozesses und des Motorbrennverfahrens zur innermotorischen Reduktion der Schadstoffe in Verbindung mit einer Verbrauchs-, Geräusch und Kostenoptimierung immer noch eine entscheidende Bedeutung. In diesem Abschnitt sollen einige grundlegende Einflüsse auf die Emissionen und den Brennstoffverbrauch des dieselmotorischen Brennverfahrens aufgezeigt werden. Der Fokus liegt dabei auf den Stickoxid- und Partikelemissionen im Rohabgas, wobei in erster Linie auf Einflüsse des Einspritzsystems und der Gemischzusammensetzung des Brennraumgases eingegangen wird. Für eine Beschreibung der zugrundeliegenden Entstehungsmechanismen sei auf Kap. 7, für weitere Details zu den unterschiedlichen Anwendung auf die Abschn. 3.4 bis 3.6 verwiesen.

Einspritzparameter Der Optimierung des Einspritzsystems eines Motors und der Einspritzparameter kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Abbildung 3.57 zeigt den Einfluss einer Verstellung des Einspritzbeginns auf den Brennverlauf, den kumulierten Brennverlauf, den Zylinderdruck und die Temperatur in der verbrannten Zone bei einem Betriebspunkt hoher Drehzahl und Last eines Nutzfahrzeugmotors. Die Wärmefreisetzung und die Temperatur der verbrannten Zone wurden mit einer Zweizonen-Druckverlaufsanalyse aus dem gemessenen Zylinderdruck berechnet. Die Beschreibung der beiden Zonen erfolgt dabei ähnlich wie in den in Abschn. 10.2 beschriebenen Modellen. Um die gleiche indizierte Leistung zu erzeugen, wird bei der späten Einspritzung eine etwas größere Brennstoffmenge eingespritzt, d. h. die Einspritzdauer steigt im Vergleich zum frühen Einspritzzeitpunkt leicht an. Ladedruck und Einspritzdruck bleiben konstant.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.57 Einfluss des Einspritzbeginns auf die Verbrennung (Nfz-Motor, 2100 min−1 , 100 % Last)

Am Druckverlauf ist zunächst zu erkennen, dass die um 4,5 °KW frühere Einspritzung zu einem deutlich höheren Spitzendruck führt. In den Brennverläufen ist das Einspritzende durch das Ende des Plateaus maximaler Wärmefreisetzung bei ca. 14 °KW für die frühe Einspritzung und ca. 19 °KW für die späte Einspritzung gekennzeichnet. Der Anstieg und die maximale Wärmefreisetzung sind bei beiden Einspritzzeitpunkten nahezu identisch und nur zeitlich versetzt. Der Abfall der Wärmefreisetzung erfolgt bei der späten Einspritzung aber etwas schneller, so dass die Wärmefreisetzung in der späten Ausbrandphase ab ca. 60 °KW eine ähnliche Größenordnung besitzt. Betrachtet man die Temperaturen, ist zunächst zu erkennen, dass bei der frühen Einspritzung eine minimal höhere Spitzentemperatur vorliegt. Mit Blick auf die in Abschn. 7.2.4 beschriebene thermischen Stickoxidbildung führt jedoch bereits eine kleine Temperatursteigerung zu einem deutlichen Anstieg der Stickoxidemissionen. Durch den Einfluss der Expansion der Zylinderladung liegt die Temperatur in der verbrannten Zone im Fall der frühen Einspritzung ca. 21,5 °KW, im Fall der späten Einspritzung nur ca. 20.5 °KW über 2000 K. Die höheren Verbrennungstemperaturen lassen auf eine deutlich höhere Stickoxidbildung schließen. Gleichzeitig sind durch die höheren Temperaturen, die nach Beendigung der Einspritzung vorliegen, niedrigere Partikelemissionen im Abgas zu erwarten.

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Abb. 3.58 Einfluss des Einspritzdrucks auf die Verbrennung (Nfz-Motor, 2100 min−1 , 100 % Last)

Abbildung 3.58 zeigt den Einfluss einer Einspritzdrucksteigerung von 1600 bar auf 2200 bar auf die Verbrennung im gleichen Betriebspunkt wie zuvor. Der Ladedruck und der Verbrennungsschwerpunkt werden dabei konstant gehalten, d. h. die Einspritzung bei niedrigerem Einspritzdruck beginnt etwas früher. Die Änderung des Einspritzdruckes führt zunächst zu einer Erhöhung der Austrittsgeschwindigkeit und damit des Massenstroms des flüssigen Kratstoffs aus den Düsenlöchern des Injektors. Je nach Druckbereich kann es durch die höheren Geschwindigkeiten zu deutlichen unterschieden in der Düseninnenströmung und im Strahlaufbruch kommen, vgl. Abschn. 3.3.1. Es wurde jedoch in einer Vielzahl von Studien festgestellt, dass eine Änderung des Einspritzdruckes keine Änderung der quasistationären Eindringtiefe der flüssigen Phase in den Brennraum bewirkt, siehe z. B. Siebers (1998). Die Erhöhung des Einspritzdruckes führt zu einem schnelleren Eindringen des Kratstoffes gleichzeitig erhöht sich aber auch die Menge an Lut, die in den Strahl eingezogen wird. Als Resultat bleibt die Verteilung des Lutverhältnisses über der Strahllänge näherungsweise konstant. Die Geschwindigkeit der zur Zündung führenden chemischen Reaktionen ändert sich nicht signifikant, d. h. auch die Zündverzugszeit ändert sich nicht. Durch das schnellere Eindringen des Kratstoffs erhöht sich somit die in Abschn. 3.3.2 beschriebenen Abhebelänge, vgl. Siebers und Higgings (2001). Eine Erhöhung der Abhebelänge bei Erhöhung des Einspritzdruckes bedeutet, dass an dem Punkt im Strahl, an dem die Temperatur stark ansteigt,

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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das Kratstoff-Lut-Verhältnis mit zunehmendem Einspritzdruck abgesenkt wird. Damit ist eine Verringerung der Partikelbildung zu erwarten. Gleichzeitig führt der höhere Strahlimpuls zu einer intensiveren Wandinteraktion zwischen Brennraumgas und Kolbenwand, was zu einer besseren Durchmischung und zu einer verbesserten Rußoxidation führen kann. Die Wandinteraktion ist dabei natürlich stark von der Muldenform und der Brennraumströmung abhängig. Im Brennverlauf in Abb. 3.58 ist gut zu erkennen, dass durch den höheren Einspritzdruck und die damit verbundene schnellere Zufuhr von Kratstoff eine höhere maximale Wärmefreisetzung vorliegt. Am kumulierten Brennverlauf ist zu erkennen, dass durch die Verstellung des Einspritzbeginns der Zeitpunkt an dem 50 % der Energie des Brennstoffs freigesetzt werden konstant bei ca. 18 °KW gehalten wird. Der Temperaturverlauf ist für beide Fälle sehr ähnlich, im Falle des hohen Einspritzdruckes liegen zum Ende der Einspritzung und danach jedoch noch etwas höhere Temperaturen vor, was eine verbesserte Rußoxidation erwarten lässt. Der gesamte Zeitraum mit hohen Temperaturen (z. B. > 2000 K) ist jedoch im Fall des niedrigen Einspritzdruckes etwas größer als im Fall des hohen Einspritzdruckes. Da jedoch durch den größeren Strahlimpuls im Falle des hohen Einspritzdruckes die Gemischbildungsbereiche mit hoher Temperatur ein größeres Volumen einnehmen werden, ist eine Beurteilung der Stickoxidbildung anhand der dargestellten Auswertung nur schwer möglich. Abbildung 3.59 zeigt die Auswirkung einer Einspritzbeginn- und einer Einspritzdruckvariation auf die Partikel- und Stickoxidemissionen im Abgas eines NutzfahrzeugDieselmotors in einem Betriebspunkt mit 1500 min−1 und 50 % Last, Weiskirch et al. (2011). Der Einspritzbeginn wird in vier Stufen um insgesamt 8 °KW verändert. Da durch die Spätverstellung die Wärmefreisetzung weiter in die Expansionsphase verschoben wird, steigt mit späterem Einspritzbeginn der spez. Kratstoffverbrauch an. Wie aus der Betrachtung zu Abb. 3.57 zu erwarten ist, führt ein früherer Einspritzbeginn zu höheren Stickoxidund sinkenden Partikelemissionen. Das dargestellte Verhalten ist in der Regel dann gegeben, wenn die Wärmefreisetzung hauptsächlich als mischungskontrollierte Verbrennung erfolgt (vgl. Phase 2 in Abschn. 3.3.2). Bei stark vorgemischter Verbrennung ist auch eine Umkehr des Trends an bestimmten Einspritzzeitpunkten möglich. Der Einspritzdruck wird in drei Stufen um insgesamt 300 bar variiert. Bei der Einspritzdruckvariation wurde in diesem Fall der Einspritzbeginn konstant gehalten, d. h. der Verbrennungsschwerpunkt bewegt sich mit zunehmendem Einspritzdruck nach früh. Dadurch sinkt mit zunehmendem Einspritzdruck der spez. Kratstoffverbrauch. Durch die Erhöhung der Abhebelänge und die bessere Rußoxidation kann mit einer Erhöhung des Einspritzdruckes eine deutliche Verringerung der Partikelmasse im Abgas erreicht werden, gleichzeitig steigen die Stickoxidemissionen an. Bei gleicher Reduktion in der Partikelmasse wie bei Frühverstellung des Einspritzbeginns fällt jedoch die Erhöhung der Stickoxide bei Steigerung des Raildruckes moderater aus. Die Erhöhung der Stickoxidemissionen ist zum Teil auf die veränderte Schwerpunktlage der Verbrennung zurückzuführen. Mit den aktuellen Emissionsnormen rückt die Limitierung der Partikelanzahl zusätzlich zu der Partikelmasse in den Fokus. Auch in Verbindung mit offenen oder geschlossenen

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Abb. 3.59 Einfluss von Einspritzbeginn und Raildruck auf spez. Kratstoffverbrauch in einem mittleren Teillastpunkt (Nfz-Motor, 1600 min−1 , 50 % Last, Weiskirch et al. 2011)

Partikelfiltersystemen, die üblicherweise in einem bestimmten Partikelgrößenbereich optimal arbeiten, stellt sich die Frage, ob die Partikelgrößenverteilung im Rohabgas beeinflusst werden kann. Zu den in Abb. 3.59 dargestellten Variation stellt Abb. 3.60 die Größenverteilung der Partikel im Abgas dar (Weiskirch et al. 2011). Die Partikelgrößenverteilung, wurde in den Experimenten mit einem EEPS (Exhaust Emission Particle Sizer) ermittelt. Die Messung mit dem EEPS basiert auf der Messung der elektrischen Mobilität der Partikel. Maßgeblich ist dabei die Größe des gesamten, agglomerierten Partikels. Einzelheiten zum Messverfahren können Johnson et al. (2004), Details zum Messaufbau Weiskirch et al. (2011) entnommen werden. Grundsätzlich kann bei Dieselmotoren nach Kittelson (1998) eine tri-modale Verteilung der Partikelgrößen erwartet werden, vgl. Abschn. 7.2.3. In dem dargestellten Betriebspunkt wird die Verteilung vom sogenannten Akkumulationsmodus dominiert. Der Nukleationsmodus ist sehr schwach ausgeprägt und durch die lineare Skalierung der y-Achse in der Darstellung nicht zu erkennen. Es wird deutlich, dass eine Variation des Einspritzbeginns und des Einspritzdruckes zwar in einer deutlichen Veränderung der Partikelanzahl resultiert, die Größenverteilung ändert sich aber nur in sehr geringem Maße. Ähnliche Ergebnisse sind in einer Vielzahl anderer Studien gefunden worden, vgl. z. B. Raatz (2002) und Stumpf et al. (2005). In einigen Untersuchungen wurde jedoch auch ein signifikanter Einfluss auf die Partikelgrößenverteilung gefunden, siehe z. B. Mathis et al. (2005). Die

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.60 Einfluss von Einspritzbeginn und Einspritzdruck auf die Partikelgrößenverteilung in einem mittleren Teillastpunkt (Nfz-Motor, 1600 min−1 , 50 % Last, Weiskirch et al. 2011)

Möglichkeit einer applikativen Einflussnahme hängt damit stark vom Betriebspunkt und der Verbrennungshardware ab. Neben Einspritzdruck und Einspritzbeginn bzw. Schwerpunktlage der Verbrennung stellt die eigentliche Form der Einspritzrate einen wichtigen Optimierungsparameter dar. Abbildung 3.61 stellt eine Auswahl möglicher Einspritzratenverläufe dar. Zum Einen kann die Einspritzmasse in mehrere einzelne Einspritzereignisse aufgeteilt werden. Die Variationsmöglichkeiten hängen dabei stark vom Einspritzsystem ab, grundsätzlich sind aber mehrere Voreinspritzungen, eine eventuell in mehrere Blöcke aufgeteilte Haupteinspritzung und mehrere Nacheinspritzungen denkbar. Voreinspritzungen sind, wie bereits in Abschn. 3.3.3 besprochen, in erster Linie zur positiven Beeinflussung des Verbrennungsgeräusches geeignet. Die Voreinspritzung beeinflusst aber auch Stickoxid- und Partikelemissionen, vgl. z. B. Musculus (2004). Eine nah an die Haupteinspritzung angelegte Nacheinspritzung kann zur Reduktion der Partikelemissionen genutzt werden, vgl. Payri et al. (2002). Weiterhin werden Nacheinspritzungen eingesetzt, um das Temperaturniveau im Abgas zu erhöhen und damit ein Anspringen von Katalysatoren zu erzielen. Eine späte Nacheinspritzung wird teilweise in Pkw-Motoren zur Regeneration von Partikelfilter

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Abb. 3.61 Mögliche Einspritzereignisse und Einspritzratenformen

oder NOx -Speicherkatalysator eingesetzt. Dabei verbrennt der Kratstoff nicht mehr im Brennraum sondern wird auf dem Oxidationskatalysator umgesetzt. Neben der Auteilung in mehrere Einspritzereignisse besitzt auch die Form der Haupteinspritzung Einfluss auf Emissionen und Verbrauch. Bei bestimmten Einspritzsystemen (vgl. Kap. 4) kann die Form der Haupteinspritzung auch betriebspunktabhängig geändert werden. Als Beispiel für die Auswirkung einer Voreinspritzung und einer solchen Variabilität der Haupteinspritzung stellt Abb. 3.62 einen Vergleich zwischen einem Einspritzgesetz lediglich mit Haupteinspritzung, mit Vor- und Haupteinspritzung und einer stiefelförmigen „Boot“-Einspritzung dar (Brauer et al. 2008). Dargestellt ist ein Teillastbetriebspunkt (2280 min−1 , 9,7 bar indizierter Mitteldruck) eines Pkw-Motors. Im unteren Teil des Bildes sind Einspritz- und Druckverläufe für die Betriebspunkte mit einem Verbrennungsschwerpunkt von 15° KW nach dem oberen Totpunkt dargestellt. Die Vor- und Haupteinspritzung wird mit einem konventionellen Common-Rail Einspritzsystem erzeugt, die Boot-Einspritzung mit einem Forschungseinspritzsystem, welches die Einspritzrate über den Einspritzdruck moduliert. Im Vergleich zur konventionellen Einspritzung wird der Einspritzvorgang bei der Booteinspritzung zunächst mit einem geringen Einspritzdruck, hier 400 bar, eingeleitet. Nach einer Verzugszeit wird der Druck auf 1800 bar erhöht. Die Voreinspritzung führt zu einer minimal früheren Entflammung der Haupteinspritzung und damit zu einem reduzierten Anteil der initial-vorgemischten Verbrennung. Dadurch ergibt sich ein santerer Druckanstieg. Die Booteinspritzung reduziert den Anteil der initial-vorgemischten Verbrennung weiter und ermöglicht eine anfänglich reduzierte Wärmefreisetzungsrate. Als Folge ergibt sich ein nahezu isobarer Zylinderdruckverlauf mit einem deutlich reduzierten Maximum in der Wärmefreisetzung. In dem dargestellten Fall können die über den Druckverlauf bestimmten Geräuschemissionen mit der Boot-Einspritzung im Vergleich zur Voreinspritzung noch einmal deutlich abgesenkt werden, ohne dass es zu einer Verschlechterung der Emissionen oder des Wirkungsgrades kommt. Für weitere Erläuterungen zu den dargestellten Verläufen sei auf Brauer et al. (2006) verwiesen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

167

Abb. 3.62 Einfluss der Formung der Einspritzrate auf Emissionen, Geräusch und Verbrauch in einem mittleren Teillastpunkt (Pkw-Motor, Brauer et al. 2006)

Für das Einspritzgesetz ohne Vor- oder Booteinspritzung ist im Diagramm der Partikelemissionen ein Maximum zu erkennen, so dass dort die Partikelemissionen sowohl bei Früh- als auch bei Spätstellung des Einspritzbeginns abnehmen. Die vom Maximum ausgehende Frühstellung stellt den oben beschriebenen Zielkonflikt zwischen Stickoxidund Rußemissionen der klassischen Dieselverbrennung dar. Das Abknicken der Partikelemissionen rührt von einem zunehmenden Zündverzug und damit von einer erhöhten Homogenisierung bei sehr spätem Einspritzbeginn her. Auf dieses Phänomen wird weiter unten unter dem Stichpunkt Homogenisierung näher eingegangen, vgl. auch Abb. 3.67.

168

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.63 Einfluss des Düsendurchflusses auf Emissionen, Geräusch und Verbrauch in einem mittleren Teillastpunkt; dargestellt sind ein unterer Teillastpunkt (links) und oberer Teillastpunkt (rechts) (Pkw-Motor)

Die bisher dargestellten Parameter wie Einspritzbeginn, Einspritzdruck und Formung der Einspritzrate können, eine entsprechende Flexibilität des Einspritzsystems vorausgesetzt, für jeden einzelnen Betriebspunkt im Motorkennfeld optimal angepasst werden. Limitierend sind hierbei nur die Anzahl der notwendigen Kennfelder und der dadurch entstehende Aufwand, diese Kennfelder zu kalibrieren. Die geometrische Auslegung des Einspritzsystems, also die Wahl der Anzahl der Düsenlöcher, Düsenlochform, -lage und -ausrichtung sowie Düsendurchfluss erfolgt zusammen mit der Formung der Kolbenmulde und der Optimierung der Brennraumströmung (Drall). Aufgrund der großen Spreizung in Last und Drehzahl stellt eine solche Auslegung naturgemäß immer einen Kompromiss dar. Als Beispiel für den Einfluss der geometrischen Auslegung stellt Abb. 3.63 die Ergebnisse einer Variation des Düsenlochdurchflusses an einem Pkw-Motor dar. Dabei werden drei Düsen mit gleicher Spritzlochzahl aber unterschiedlichem Durchfluss miteinander verglichen. Dargestellt sind ein unterer Teillastpunkt mit 1200 min−1 und einem effektiven Mitteldruck von 7 bar (links) sowie ein oberer Teillastpunkt bei 2000 min1 und einem effektiven Mitteldruck von 20 (rechts). Der untere Teillastpunkt wird mit zwei Voreinspritzungen, der obere Teillastpunkt mit einer Voreinspritzung gefahren. Dargestellt ist eine

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

169

Variation der Abgasrückführrate, wobei die Verbrennungsschwerpunktlagen jeweils konstant gehalten werden. Beim unteren Teillastpunkt zeigt sich eine leichte Verbesserung im Zielkonflikt zwischen Ruß- und Stickoxidemissionen mit abnehmendem Durchfluss. Das Verbrennungsgeräusch nimmt dabei leicht zu. Der indizierte Wirkungsgrad zeigt keinen einheitlichen Trend. Bei dem oberen Teillastpunkt ergibt sich nur ein minimaler Vorteil im Zielkonflikt zwischen Ruß- und Stickoxidemissionen. Bei niedrigerem Düsendurchfluss ist aber eine geringere Geräuschemission (berechnet auf Basis des Zylinderdrucks) zu erkennen. Es würde an diesem Betriebspunkt also noch ein Potential zur Einspritzdrucksteigerung und damit zur Absenkung der Partikelemissionen bei neutralen Geräuschemissionen vorliegen. Die Verringerung des Düsendurchflusses hat drei maßgebliche Einflüsse. Mit einer Verringerung des Durchflusses über einen abnehmenden Spritzlochdurchmesser sinkt die flüssige Eindringtiefe in den Brennraum. Zwar sinkt auch die Abhebelänge leicht, allerdings führt der verringerte Durchfluss dazu, dass das Lutverhältnis an der Stelle der Flammenabhebung niedriger ist, vgl. Siebers und Higgings (2001). Dadurch verringert sich tendenziell die Rußbildung. Andererseits sinkt bei kleinerem Düsendurchfluss der Strahlimpuls, was zu einem weniger intensivem Strahlkontakt mit der Muldenwand und damit tendenziell zu einer Reduktion der Durchmischung und des Rußabbrandes führt. Drittens erfordert eine Reduktion des Düsendurchflusses eine Verlängerung der Einspritzzeit. Bei konstantem Verbrennungsschwerpunkt endet die Einspritzung damit später und es kommt aufgrund der niedrigeren Temperaturen zu einer verlangsamten Rußoxidation. An Betriebspunkten mit niedriger Last, d. h. mit niedrigem Einspritzmengen wird der erste Einfluss überwiegen. Mit zunehmender Last gewinnen die Reduktion der Wandinteraktion und die Verlängerung der Einspritzdauer an Bedeutung. Aus den Ausführungen wird ersichtlich, dass bei der Auswahl der Geometrie des Einspritzsystems immer mehrere Betriebspunkte betrachtet werden müssen und eine Optimierung zusammen mit der Auswahl der Muldengeometrie und der Brennraumströmung erfolgen muss.

Abgasrückführung und Auladung Zusammen mit der Optimierung der Einspritzung stellt die Abgasrückführung (AGR) und die Aufladung bzw. die Erhöhung des Ladedrucks das wichtigste Mittel zur Schadstoffreduktion des dieselmotorischen Brennverfahrens dar. Bei der Abgasrückführung wird ein Teil der Verbrennungsprodukte, d. h. insbesondere Kohlendioxid und Wasser zusammen mit Stickstoff und in der Verbrennung nicht umgesetztem Sauerstoff, einem späteren Verbrennungszyklus erneut zugeführt. Es gibt mehrere Methoden das Abgas zurückzuführen. Die am weitesten verbreitete Methode ist die sogenannte Hochdruck-AGR. Dabei wird, ein entsprechendes Druckgefälle vorausgesetzt, Abgas vor der Turbine entnommen, üblicherweise durch einen AGR-Kühler geführt und der Frischlut an einer Stelle hinter der Ladelutkühlung zugeführt. Bei der Niederdruck-AGR wird das Abgas in der Regel nach der Turbine im Partikelfilter gereinigt und ein Teil der Frischlut vor dem Verdichter wie-

170

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.64 Einfluss von Sauerstoffkonzentration und Ladedruck auf Emissionen und spez. Kratstoffverbrauch in einem mittleren Teillastpunkt an einem Nfz-Dieselmotor

der zugesetzt. Des Weiteren kann Abgas, beispielsweise durch einen variablen Ventiltrieb im Zylinder gehalten werden. Zu den grundlegenden Phänomenen der Abgasrückführung sei auf Kap. 7 verwiesen. Abbildung 3.64 zeigt den Einfluss der Sauerstoffkonzentration und des Ladedruckes auf Emissionen und Verbrauch in einem Teillastpunkt eines Nutzfahrzeugmotors (1600 min−1 , 50 % Last). Dargestellt ist jeweils eine Einspritzbeginnvariation. Betrachtet man zunächst die Reduktion der Sauerstoffkonzentration von 21 Volumen-% (keine AGR) auf 16 Volumen-% bei konstantem Ladedruck, erkennt man, dass die Stickoxidemissionen deutlich abgesenkt werden, die Partikelemissionen aber aufgrund des niedrigeren Sauerstoffangebots gleichzeitig signifikant steigen. Der spezifische Verbrauch ist mit höherer AGR-Rate aufgrund der verlängerten Brenndauer leicht erhöht. Erhöht man nun den Ladedruck bei konstanter Sauerstoffkonzentration, d. h. man erhöht das globale Lutverhältnis, kann eine deutliche Reduzierung der Partikelemissionen bei nahezu konstanten Stickoxidemissionen erreicht werden. In dem dargestellten Fall liegt das Lutverhältnis noch deutlich niedriger als im Fall mit AGR, so dass eine noch weitere Absenkung der Partikelemissionen möglich ist. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der erhöhten Partikelemissionen bei Einsatz von AGR stellt eine Erhöhung des Einspritzdruckes dar, siehe Abb. 3.65 (Seebode et al. 2006). Dargestellt sind Ergebnisse für einen Betriebspunkt eines Nfz-Motors mit 2100 min−1 und 100 % Last. In der Variation der Sauerstoffkonzentration sind erneut die starke Reduktion der Stickoxide und der starke Anstieg der Partikel bei abnehmender Sauerstoffkonzentration zu erkennen. Für jede Sauerstoffkonzentration ist zusätzlich eine Einspritzdruckvariation von 1600 bar bis 2400 bar dargestellt. Es ist zu erkennen, dass sich der Zielkonflikt zwischen Partikel- und Stickoxidemissionen bei abnehmender Sauerstoffkonzentration stark verändert. Bei einer Konzentration von 21 % führt die Erhöhung des Einspritzdruckes nur zu einer geringen Absenkung der Partikelemissionen während die Stickoxidemissionen stark ansteigen. Bei der niedrigsten Sauerstoffkonzentration von 17 % führt die Einspritzdruckerhöhung demgegenüber nur noch zu einem minimalen

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

171

Abb. 3.65 Einfluss von Sauerstoffkonzentration und Raildruck auf Emissionen und spez. Kratstoffverbrauch an einem Volllastpunkt eines Nfz-Dieselmotors (Seebode et al. 2006)

Anstieg der Stickoxide, da der thermale Bildungspfad schon sehr stark unterdrückt wird. Anderseits ergibt sich durch eine bessere Lutausnutzung eine starke Reduktion der Partikelemissionen. Eine Kombination von AGR, hohem Ladedruck und hohem Raildruck kann zu besonders niedrigen Schadstoffemissionen führen. Allerdings ist zu beachten, dass andere Nachteile, wie beispielsweise eine Erhöhung des Verbrennungsgeräusches, autreten können.

Homogenisierung/Alternative Brennverfahren Eine alternative Maßnahme zur Absenkung der Schadstoffemissionen stellt die Erhöhung des Vormischanteils der Verbrennung dar. Hierbei wird eine längere Gemischaufbereitungszeit durch eine Verlängerung der Zündverzugszeit erreicht. Es existiert eine Reihe von Brennverfahren mit unterschiedlich starker Homogenisierung. Als Beispiel seien das HCCI-Verfahren (Homogenous Charge Compression Ignition) mit möglichst vollständiger Homogenisierung und das mit mäßiger Homogenisierung arbeitende PCCI-Verfahren (Premixed Charge Compression Ignition) genannt. Beim idealen HCCI-Verfahren findet keine Mischung während der Verbrennung und eine nahezu gleichzeitige Zündung und Umsetzung des gesamten Kratstoff-Lutgemischs statt. Da das Kratstoff-Lutgemisch überall nahe dem globalen Kratstoff-Lutgemisch liegt, werden sowohl die Rußbildung als auch die Stickoxidbildung über den thermischen Bildungsweg unterbunden. Eine vollständige Homogenisierung wie beim HCCI-Verfahren wird jedoch nicht als zielführend angesehen. Mit zunehmender Homogenisierung können zwar Partikel-und Stickoxidemissionen deutlich gesenkt werden, als nachteilig stellen sich jedoch erhöhte CO- und Kohlenwasserstoffemissionen, eine schwere Regelbarkeit des Zündbeginns und hohe Geräuschemissionen dar. Abbildung 3.66 kategorisiert verschiedene Ansätze zur Homogenisierung für das PCCIVerfahren (Brauer 2010). Im oberen Teil des Bildes ist das konventionelle Dieselbrennverfahren an einem oberen Teillastpunkt dargestellt. Als Zündverzugszeit τ ZV ist in den unteren drei Teilen des Bildes die Zeit zwischen Einspritzbeginn und dem Beginn der

172

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.66 Kategorisierung unterschiedlicher Homogenisierungsansätze (Brauer 2010)

Hochtemperaturreaktionen (vgl. Abschn. 6.2.2) bezeichnet. Eingezeichnet ist weiterhin die Mitte des Vormischintervalls τ MVI , nach dessen Lage die Klassifizierung in frühe Homogenisierung, Homogenisierung um den OT und späte Homogenisierung erfolgt. Bei allen Verfahren wird die Zündverzugszeit durch größere Mengen an zurückgeführtem Abgas erhöht. Beim PCCI-Verfahren mit früher Homogenisierung wird der Kratstoff sehr früh in den Brennraum eingebracht. Da Brennraumdruck und -temperatur zu diesem frühen Zeitpunkt noch sehr niedrig sind, werden üblicherweise mehrere kurze Einspritzereignisse verwendet, um einen Autrag von Kratstoff auf die Brennraumwände zu vermeiden. Trotzdem besteht hierbei die Gefahr einer Schmierölverdünnung durch Wandbenetzung. Kritisch bei

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

173

Abb. 3.67 Einfluss zunehmender Homogenisierung auf Partikel- und Stickoxidemissionen sowie den Brennverlauf (Pkw-Motor)

diesem Verfahren ist die Regelung des Zündzeitpunktes und die Emissionen von CO und unverbrannten Kohlenwasserstoffen. Mit diesem Verfahren sind nur sehr niedrige Lasten darstellbar. Wie bei der frühen Homogenisierung wird auch bei der späten Homogensierung die Zündverzugszeit durch die zur Einspritzzeit niedrigen Brennraumtemperaturen verlängert. Durch dieses Homogenisierungsverfahren sind die höchsten Lasten darstellbar, allerdings reichen bei hohen Lasten die Vormischzeiten ot nicht aus, um die Rußbildung vollständig zu unterdrücken. Weiterhin ist der Wirkungsgrad dieses Verfahren durch den späten Verbrennungsschwerpunkt schlecht. Bei Verfahren mit Homogenisierung um den OT muss die Zündverzugszeit maßgeblich über die Prozessparameter (AGR-Rate, Ladeluttemperatur, Ventilsteuerung) verlängert werden. Dabei wird das Ziel verfolgt, die Zündverzugszeit möglichst so einzustellen, dass die Rußbildung gerade unterdrückt wird. Der Brennbeginn kann weiterhin über den Einspritzbeginn beeinflusst werden. Durch die geringere Homogenität ergeben sich gegenüber der frühen Homogenisierung Vorteile bezüglich Verbrennungsgeräusch, HC und CO-Emissionen sowie ein größerer Lastbereich. Für weitere Ausführungen zu den unterschiedlichen Homogenisierungsarten sei auf Brauer (2010) verwiesen. Abbildung 3.67 zeigt die Auswirkung einer zunehmenden Zündverzugszeit und damit zunehmenden Homogenisierung auf Partikel- und Stickoxidemissionen sowie den Brennverlauf. Die vier Brennverläufe mit frühen Einspritzzeitpunkten stellen den Zielkonflikt zwischen Ruß- und Stickoxidemissionen der konventionellen dieselmotorischen Verbrennung dar. Bei den beiden Brennverläufen mit spätem Einspritzzeitpunkt ist ein deutliches Ansteigen des Kratstoffumsatzes zu erkennen, was auf einen deutlich erhöhten Anteil der initial-vorgemischten Verbrennung schließen lässt. Durch die bessere Homogenisierung sinken die Rußemissionen trotz der späteren Schwerpunktlage wieder ab.

174

G.P. Merker und R. Teichmann

Emissionen im transienten Betrieb Die vorangegangenen Betrachtungen des Emissionsverhaltens von Dieselmotoren beziehen sich alle auf den stationären Motorbetrieb. Die Vorgänge im Lutpfad, Zylinder und im Kratstoffsystem sind dabei zwar an sich transient, verändern sich von Zyklus zu Zyklus jedoch nur wenig. Bei der Zertifizierung und im realen Betrieb ist aber das transiente Betriebsverhalten in den meisten Motoranwendungen entscheidend. Die Temperatur der den Brennraum begrenzenden Wände, die Zusammensetzung, Menge und Temperatur des Zylindergases und Einspritzparameter können im transienten Betrieb stark von den im stationären Betrieb idealen Bedingungen abweichen. Der Kratstoffpfad kann in der Regel relativ schnell an geänderte Lastanforderungen und Drehzahlen angepasst werden. Insbesondere ist es möglich, die Einspritzmenge, die Schwerpunktlage, das Einspritzgesetz (Anzahl und Lage der Einspritzungen) und je nach Flexibilität des Einspritzsystems auch die Form der Einspritzrate von Zyklus zu Zyklus zu variieren. Die Anpassung des Einspritzdruckes hängt bei Common-Rail Systemen von der Leistung der Hochdruckpumpe ab. Je nach Länge der Leitungen und Auslegung der Regler ist bei Hochdruck-Abgasrückführung eine relativ schnelle Anpassung der Menge an zurück geführtem Abgas möglich. Das transiente Verhalten im Lutpfad hängt stark von der Aufladegruppe (Wastegate- VTG-Lader, zweistufige Aufladung) ab, ist in der Regel jedoch deutlich träger. Die unterschiedlichen Zeitskalen von Kratstoff- und Lutpfad führen dazu, dass in einzelnen Zyklen zu hohe oder zu niedrige Ladedrücke und AGR-Raten und damit zu hohe oder niedrige Lutverhältnisse vorliegen, was sich stark auf die Emissionen auswirkt. Daher ist bei der Entwicklung eines Dieselmotors auf Basis der Auslegung für den Stationärbetrieb eine aufwendige Auslegung von Reglern und Verbrennungsparametern für den transienten Betrieb notwendig. Als Beispiel zeigt Abb. 3.68 eine Lastaufschaltung bei konstanter Drehzahl an einem Nutzfahrzeug-Dieselmotor (Seebode et al. 2009). Bei ca. 260 s wird die Fahrpedalstellung von 30 % auf 80 % erhöht. Am Drehmomentaufbau ist zu erkennen, dass die Einspritzmasse sehr schnell erhöht wird. Um den langsamen Ladedruckaufbau und ein daraus resultierendes, niedriges Lutverhältnis auszugleichen, wird die AGR-Klappe zunächst geschlossen und dann langsam wieder geöffnet. Die Opazität gibt die Trübung im Abgas an und repräsentiert damit die Partikelemissionen. Nur zu Beginn des Lastsprungs ist kurzfristig eine erhöhte Trübung zu erkennen. Durch die Rücknahme der AGR-Rate ist demgegenüber eine deutliche Erhöhung der Stickoxidemissionen zu erkennen. Der Ladedruck ist erst nach einigen Sekunden voll aufgebaut. In dem dargestellten Beispiel ist gut zu erkennen, dass im transienten Betrieb teilweise stark von den für den stationären Betrieb optimalen Einstellwerten abgewichen werden muss, um ein insgesamt optimales Emissionsergebnis zu erzielen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

175

Abb. 3.68 Zeitlicher Verlauf von Drehmoment, Ladedruck, und Emissionen bei Lastaufschaltung (Nfz-Motor, Seebode et al. 2009)

3.3.4 Potenzial des Dieselmotors Nach Erfüllung der zuküntigen Abgasnormen, beispielsweise Euro VI im Nutzfahrzeugbereich im Jahr 2013, ist in naher Zukunt nach aktuellem Wissenstand bei Dieselmotoren keine deutliche Absenkung der jetzt schon limitierten Schadstoffemissionen mehr zu erwarten. Allerdings ist es möglich, dass einzelne Emissionsbestandteile in zuküntigen Normen detaillierter aufgeschlüsselt werden. So wird bereits für Euro VI die Partikelanzahldichte zusätzlich zur Partikelmasse limitiert. Zuküntig wären beispielsweise eine getrennte Limitierung von NO2 und NO sowie eine Limitierung einzelner Kohlenwasserstoffe denkbar. Bei fortschreitender Einführung von Abgasnormen aus Europa, Japan und den USA in Schwellenländern rückt zunehmend die Beherrschung des Brennverfahrens trotz Einsatz

176

G.P. Merker und R. Teichmann

von Brennstoffen niedrigerer Qualität in den Vordergrund. Andererseits bieten aber auch Neuentwicklungen auf dem Kratstoffsektor durch gezielte Beeinflussung der Kratstoffeigenschaten weiter Potenzial zur Verbesserung des Brennverfahrens. Die besondere Herausforderung zuküntiger Entwicklungen wird neben der Einhaltung der Diagnosevorschriten und Emissionen im realen Fahrbetrieb über Laufzeit („in-use compliance“) insbesondere in der Reduktion der CO2 -Emission bzw. des Kratstoffverbrauches liegen. Eine Reduktion in dieser Hinsicht ist sowohl aufgrund der klimaschädlichen Einflüsse von CO2 aber auch aufgrund der Limitierung fossiler Brennstoffe und der damit zu erwartenden Verteuerung von Brennstoffen notwendig. Damit werden auch Technologien und Brennstoffe wieder interessanter, die zuvor aus Kostengründen nicht marktfähig waren. Im Brennverfahren selbst ist noch ein gewisses Potenzial zur Verbesserungen im Wirkungsgrad bei Einhaltung der limitierten Schadstoffe vorhanden. Dieses ist vor allem durch eine geschickte Kombination aus Einzelmaßnahmen, beispielsweise hohen Einspritzdrücken, Geometrieoptimierungen sowie Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung in Verbindung mit einer geeigneten Auslegung des Abgasnachbehandlungssystems unter Beachtung der Kosten zu erzielen. Ohne Etablierung eines revolutionären Brennverfahrens sind jedoch keine signifikanten Verbesserungen abzusehen. Der Fokus in der zuküntigen Entwicklung liegt damit insbesondere auf der Optimierung des Zusammenspiels der einzelnen Subsysteme im Antriebsstrang. Neben dem Zusammenspiel von Verbrennungsmotor und Abgasnachbehandlung ist hier die Hybridisierung des Fahrzeug sowie die Rekuperation thermischer Energie im Abgas und von kinetischer Energie zu nennen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Potenziale der jeweiligen Einzelsysteme nicht additiv betrachtet werden können. Weiterhin gilt es insbesondere unter Beachtung des realen Betriebes der verschiedenen Applikationen, die spezifischen Besonderheiten der unterschiedlichen Betriebsarten der Antriebsstränge herauszuarbeiten. Hieraus ergeben sich zur Erzielung des jeweiligen Effizienzoptimums sehr spezifische Systemlösungen und -layouts. Um einen optimalen Betrieb unter allen Bedingungen zu erreichen ist dabei ein ausgefeiltes Energiemanagement notwendig. Der Verbrennungsmotor könnte dabei in Zukunt eher die Aufgabe eines emissions- und verbrauchsneutralen „Energieflussmodulators“ übernehmen, der den anderen Subsystemen gezielt Energie in Form von thermischer oder mechanischer Energie zuführt (siehe Behnk et al. 2010).

3.4 Pkw-Dieselmotoren 3.4.1 Gesetzgebung und technologische Meilensteine Abgasgesetzgebung Abbildung 3.69 zeigt einen Vergleich der aus heutiger Sicht relevanten Grenzwerte der europäischen und der US-amerikanischen Abgasgesetzgebung für dieselbetriebene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (Delphi n.n. 2012). Bei der US-amerikanischen Abgasgesetzgebung

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren EURO 5 EURO 6 Tier2Bin5 SULEV

(ab 2011) (ab 2015) (ab 2007) (ab 2022 - tbd)

20

Partikel in mg/km

Europa: HC in mg/km USA: NMOG in mg/km

100 300

200

1000

2000

NOx in mg/km

3000

200

100

CO in mg/km

10

Abb. 3.69 Abgasgrenzwerte für Diesel-Pkw und leichte Nfz in Europa (Fahrzeuge bis 3,5 t) und den USA (Fahrzeuge bis 8500 lbs)

177

ist zu beachten, dass der zu Grunde liegende Fahrzyklus FTP75 stärker von Beschleunigungsphasen geprägt sind als der in Europa zu absolvierende neue europäische Fahrzyklus (NEFZ). Insofern ist im Fall der US-Abgasgesetzgebung die Einhaltung gleicher streckenbezogener Grenzwerte schwieriger. Bei den aufgeführten US-amerikanischen Zertifizierungsstufen Tier2Bin5 (US Federal) und SULEV (CARB) handelt es sich um die Grenzwerte für 120.000 Meilen Laufleistung. Die LEV3 Gesetzgebung ist noch nicht endgültig festgelegt. Es wird aber erwartet, dass die SULEV-Grenzwerte als Flottenmittel für Neuzulassungen ab dem Jahr 2022 eingeführt werden. In Europa und den USA gelten neben den in Abb. 3.69 dargestellten Schadstoffgrenzwerten weitere Auflagen z. B. für die emittierte Partikelanzahl (Europa) und die Formaldehydemission (USA). In Europa wird in den kommenden Jahren eine Änderung der Prüfverfahren und Fahrzyklen im Rahmen der Zertifizierung erfolgen. Hierbei wird die Abgasreinheit von Dieselmotoren unter anderem auch bei höherer Motorlast, z. B. im WLTC Fahrzyklus (Worldwide Harmonized Light-Duty Driving Cycle) und bei der Zertifizierung unter realen Fahrbedingungen mit PEMS (Portable Emissions Measurement System), überprüt werden. Eine Überprüfung der Abgasreinheit bei geringer Umgebungstemperatur ist ebenfalls in Diskussion (MVEG Kalttest bei −7 °C).

CO2 -Gesetzgebung Um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken haben die europäische Kommission und die US-Regierung Gesetze zur Reduzierung des CO2 -Ausstoßes beschlossen. Abbildung 3.70 zeigt die aktuellen CO2 -Ziele der EU und der USA, sowie den tatsächlichen Ausstoß der europäischen Neuwagenflotten von 1995 bis 2010. Wie die Abbildung zeigt, ist ausgehend

178

G.P. Merker und R. Teichmann 200 190 180 CO2-Emission in g/km

170 160 150 140 130 120 110 100 90 80 1990

Istwerte Flotte EU Benzinfahrzeuge Dieselfahrzeuge Gesamte Flotte

-3.8 % per anno

CO2 Gesetzgebung EU 2007 CO2 CAFE Standards LDVUSA 2009 CO2 CAFE Standards PC USA 2009

1995

2000

2005

2010 Jahr

2015

2020

2025

2030

Abb. 3.70 CO2 -Gesetzgebung der EU und USA, sowie CO2 -Emission der europäischen Fahrzeugflotte

von dem CO2 -Ausstoß von 140 g/km im Jahr 2010 eine jährliche Absenkung von ungefähr 3,8 % erforderlich, um das Ziel von 95 g/km im Jahr 2020 zu erreichen. Das Erfüllen der küntigen CO2 -Ziele ist insofern eine Herausforderung, als dass innermotorische Maßnahmen zur Absenkung der Schadstoffemission, ebenso wie die Maßnahmen im Bereich der Abgasnachbehandlung in der Regel zu einer Erhöhung des Kratstoffverbrauchs führen. Innermotorisch führen vor allem die Maßnahmen zur Absenkung der NOx -Rohemission zu einem Anstieg des Kratstoffverbrauchs, da hierbei in der Regel die Verbrennungstemperatur (sowohl lokal, als auch global) abgesenkt wird. Außermotorisch führt die Erhöhung des Abgasgegendrucks bei beladenen Partikelfiltern zu einer Erhöhung des Kratstoffverbrauchs. Darüber hinaus erfordert die Regeneration von Partikelfiltern und NOx -Speicherkatalysatoren bzw. das Aufheizen der Abgasnachbehandlungskomponenten einen Kratstoffumsatz, der nicht in Form von Antriebsenergie genutzt werden kann.

Technologische Meilensteine Seit der Einführung der Abgasturboaufladung im Jahr 1978 und der Direkteinspritzung im Jahr 1988 hat der Marktanteil von Diesel Pkw in Europa stark zugenommen. Wie Tab. 3.4 zeigt wurde die Technik im Bereich der Aufladung, Einspritzung und Abgasnachbehandlung im Zuge der Verbreitung von Pkw-Dieselmotoren stetig weiterentwickelt.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

179

Tab. 3.4 Meilensteine in der Technik von Pkw-Dieselmotoren Jahr

Nr. Technologie erstmalig im Pkw-Dieselmotor

Abgasstufe Hersteller/Motor

1978

1

Abgasturboaufladung



1988

2

Direkte Kratstoffeinspritzung



1993

3

Vierventiltechnik

EU1

1997

4

Common-Rail

EU2

1998

5

Pumpe-Düse

EU3

2000

6

Diesel Partikel Filter (DPF)

EU3

2004

7

Zweistufige, geregelte Aufladung (R2S)

EU4

2006

8

Selektive Katalytische Reduktion (SCR)

Tier2Bin8

2008

9

NOx -Speicherkatalysator (LNT)

Tier2Bin5

2008

10

Zwölfzylindermotor

EU5

2012

11

Zweistufige Aufladung mit drei ATL

EU6

Mercedes 3,0 l R5 (OM617) Fiat 1,9 l R4 (1900 TD i. d.) Mercedes 2,2 l R4 (OM604 D22) Alfa 1,9 l R4 (1,9 8 V JTD) VW 1,9 l R4 TDI (EA 188 TDI-PD) Peugeot 2,2 l R4 (DW12 FAP) BMW 3,0 l R6 (M57D30TÜ) Mercedes 3,0 l V6 (OM642 Bluetec) VW 2,0 l R4 (EA189 clean TDI-CR) Audi 6,0 l V12 (6,0 l V12 TDI) BMW 3,0 l R6 (N57D30S1)

Abbildung 3.71 zeigt die historische Entwicklung der Motorkennwerte Gesamthubraum, Nennleistungen und spezifische Leistung von Diesel Pkw mit Typzulassung für den europäischen Markt seit 1978. Die Jahreszahl auf der Abszisse stellt das Datum der erstmaligen Serieneinführung des jeweiligen Motorkonzepts in einem Fahrzeug dar. Das obere Ende des Streubands zeigt, dass Pkw-Dieselmotoren aufgrund der technischen Weiterentwicklung über die Jahre zunehmend auch im Premiumsegment eingesetzt wurden. Hierfür sind neben dem im Vergleich zum Ottomotor geringeren Kratstoffverbrauch auch der Anstieg der spezifischen Leistung und das verbesserte Geräuschverhalten ausschlaggebend gewesen. Die ebenfalls gezeigten Kurven der Mittelwerte aller im jeweiligen Jahr zugelassenen Motortypen zeigen, dass der durchschnittliche Motorhubraum aller neu zugelassenen Pkw innerhalb der Letzten Jahre nicht signifikant variierte. Der Bedarf an mehr Leistung ist im Wesentlichen durch eine Steigerung der spezifischen Leistung erfüllt worden. Die mittlere spezifische Leistung ist von 38 kW/l im Jahr 1990 auf 51 kW/l im Jahr 2010 gestiegen.

180

G.P. Merker und R. Teichmann Streuband Pkw Diesel EU 1979-2013 Mittelwerte Verkaufszahlen Westeuropa Meilensteine Pkw Diesel

Nennleistung [kW]

350 300 250 200 150 100

11

EU1 EU2 EU3 EU4 EU5 EU6

1

50

10

7 8

2

3

4 5

9

6

0

6.0

10

5.0 4.0 1

7 2

3

4 5

6

11

8 9

3.0 2.0

Spezifische Leistung [kW/l]

1.0

Gesamthubraum [l]

400

100 0.0 11 90 80 70 7 10 60 8 9 50 4 5 6 40 2 3 30 1 20 10 0 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Jahr

Abb. 3.71 Entwicklung von Hubraum, Nennleistung und spezifischer Leistung von Pkw-Dieselmotoren

3.4.2 Wege zum Erreichen der Emissions-, Verbrauchs- und Leistungsziele Die wichtigsten Baugruppen, die bei Pkw-Dieselmotoren für das Erreichen der Emissions-, Verbrauchs- und Leistungsziele weiterentwickelt werden müssen sind der Grundmotor, das Aufladesystem inklusive Abgasrückführstrecke, das Einspritz- und Gemischbildungssystem und das Abgasnachbehandlungssystem.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

181

Grundmotor Abbildung 3.72 zeigt das Streuband der Grundmotorkennwerte Zylinderanzahl, Hub-/ Bohrungsverhältnis und geometrisches Verdichtungsverhältnis von Diesel-Pkw mit Typzulassung für den europäischen Markt seit 1978. Zylinderanzahl Für das Premiumsegment wurden in der Vergangenheit Motoren mit Acht, Zehn- und Zwölfzylindermotoren gebaut. Um die küntigen CO2 -Ziele zu erfüllen und mit möglichst wenigen Motorfamilien alle Leistungsanforderungen abdecken zu können, besteht ein Trend die Acht, Zehn- und Zwölfzylindermotoren im Premiumsegment zunehmend durch Vier- und Sechszylindermotoren mit leistungsfähigen Aufladegruppen zu ersetzen.

10

Streuband Pkw Diesel EU 1979-2013 Meilensteine Pkw Diesel

10.0 8.0 6.0

7

4.0 2.0 0.0

8

11

1 2

3

4 5

EU1 EU2 EU3 EU4 EU5 EU6

6

9

1.3 5 2

1

1.2

9

6

4

7

8 10

11

1.1 1.0

3

0.9

Geometrisches Verdichtungsverhältnis [-]

24

0.8

23 22 21

Verhältnis Hub / Bohrung [-]

Zylinderanzahl [-]

12.0

3

1

20 19 18 17 16

4 2

5

6

7

8

9 10

11

15 14 13 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Jahr

Abb. 3.72 Entwicklung von Zylinderanzahl, Hub/Bohrung Verhältnis und geometrischem Verdichtungsverhältnis von Pkw-Dieselmotoren

182

G.P. Merker und R. Teichmann

Ein Beispiel hierfür ist der als Meilenstein 10 in Abb. 3.20 dargestellte 3,0 l Reihensechszylindermotor von BMW mit einer Nennleistung von 280 kW (N57D30S1). Im Volumen- und Kleinwagensegment werden die meisten Pkw-Dieselmotoren aus Vibrations- und Geräuschgründen als Reihenvierzylindermotor mit Massenausgleich erster und zweiter Ordnung gebaut. Mit dem Ziel, die CO2 -Emission weiter abzusenken wird erwartet, dass für kleinere und mittlere Fahrzeuge zuküntig vermehrt Dreizylinderund Zweizylindermotoren zum Einsatz kommen. Die Maßnahmen zur Erfüllung der Komfortanforderungen sind hierbei aufwendiger, der Wegfall von einer oder zwei Zylindereinheiten führt im Rahmen des Downsizings jedoch zu einem deutlichen CO2 Einsparungspotential. Hub/Bohrungsverhältnis Abbildung 3.72 zeigt, dass das Streuband des Hub/Bohrungsverhältnisses von PkwDieselmotoren über die Jahre keine eindeutige Veränderung aufzeigt. Die meisten Motoren liegen in dem Bereich 1,0 < H / B < 1,2. Grundsätzlich gilt, dass bei langhubigen Motoren das Schadvolumen (z. B. Feuerstegbereich) ebenso wie das Verhältnis aus Oberfläche/Volumen im oberen Totpunkt geringer ausfällt. Hierdurch resultieren geringere Emissionen von HC und CO sowie geringe Wandwärmeverluste. Begrenzend für eine langhubige Motorauslegung ist im Pkw unter anderem auch die Bauhöhe der Motoren (Fußgängerschutz). Kurzhubige Motoren können durch den entsprechend größeren Bohrungsdurchmesser mit größeren Ventildurchmessern gebaut werden. Hierdurch ergeben sich Vorteile beim Füllungsverhalten, insbesondere bei höherer Motordrehzahl. Da das Füllungsverhalten für Saugmotoren sehr relevant ist, werden diese in der Regel mit einem geringeren Hub/Bohrungsverhältnis als aufgeladene Dieselmotoren ausgelegt. Kurzhubige Motoren weisen konstruktionsbedingt auch eine höhere Drehzahlfestigkeit auf. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist entsprechend der Hubhöhe bei gleicher Kurbelwellendrehzahl geringer als bei langhubigen Motoren. Geometrisches Verdichtungsverhältnis Abbildung 3.72 zeigt, dass das geometrische Verdichtungsverhältnis von Pkw-Dieselmotoren innerhalb der letzten zehn Jahre immer weiter abgesenkt wurde. Die bis zum Jahr 1995 weit verbreiteten Motoren mit indirekter Kratstoffeinspritzung hatten in der Regel (d. h. auch im Fall mit Abgasturboaufladung) geometrische Verdichtungsverhältnisse von ε ≥ 18,5. Saugdieselmotoren mit direkter Kratstoffeinspritzung, die ungefähr bis zum Jahr 2005 in Pkw angeboten wurden, wurden ebenfalls mit Verdichtungsverhältnisse von ε ≥ 18,5 ausgeführt. Seit 1995 wurden die Technologien Abgasturboaufladung und direkte Kratstoffeinspritzung zunehmend bei Pkw-Dieselmotoren eingesetzt. Unterstützt durch Fortschritte in der Kaltstarttechnik (Anlasser, Glühsystem, Einspritzsystem, Motorsteuerung) konnten die Motoren seitdem mit Verdichtungsverhältnissen im Bereich von 16,5 ≤ ε ≤ 18,5 ausgeführt werden. In Folge dessen wurden auch höhere Aufladegrade und höhere Leistungsdichten

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

183

Abb. 3.73 Zusammenhang Leistungsdichte, Zylinderspitzendruck und Verdichtungsverhältnis (aus Fasolo et al. 2005)

realisiert, ohne dass die Anforderungen an den zulässigen Zylinderspritzendruck signifikant gesteigert werden mussten, siehe Abb. 3.73. Die Absenkung des Verdichtungsverhältnisses bietet neben der Möglichkeit die spezifische Leistung zu steigern auch Vorteile im Emissionsverhalten. Zum einen führt die Absenkung der Temperaturkurve zu einer geringeren NOx -Emission. Zum anderen lassen sich durch das größere Muldenvolumen (größere freie Strahllänge) und die geringere Temperatur- und Druckkurve Vorteile in der Rußemission erlangen. Das geometrische Verdichtungsverhältnis von Motoren der Abgasstufen EU2 bis EU3 lag bei Einsatz von Abgasturboaufladung und direkter Kratstoffeinspritzung in den meisten Fällen im Bereich von 17,5 bis 18,5. Als Beitrag zum Erreichen der Abgasstufen EU4 und EU5 wird das geometrische Verdichtungsverhältnis in der Regel auf Werte im Bereich von 15,5 bis 16,5 abgesenkt. Die ersten Pkw mit Zertifizierung für die Abgasstufe EU6 zeigen eine Spanne von 14,0 ≤ ε ≤ 17,5. Abbildung 3.73 zeigt am Beispiel von EU3 und EU4 Motoren von Renault, wie durch eine Absenkung des geometrischen Verdichtungsverhältnisses eine Steigerung der spezifischen Leistung bei konstantem Zylinderspitzendruck möglich ist (Fasolo et al. 2005).

Auladesystem inklusive Abgasrückführstrecke Auladesystem Das Aufladesystem ist von besonderer Bedeutung für das Erreichen der Emissions-, Verbrauchs- und Leistungsziele von Pkw-Dieselmotoren. Zum einen ermöglicht die Aufladung von Dieselmotoren eine Steigerung der spezifischen Leistung, wodurch ausgehend von einem Grundmotor verschiedene Leistungsstufen angeboten werden können. Beim Einsatz der Abgasturboaufladung kann darüber hinaus das Verhältnis aus Nutzarbeit und mechanischen Verlusten verbessert werden, wodurch ein geringerer Kratstoffverbrauch und eine geringere CO2 -Emission erreicht werden können (Downsizing, siehe Abschn. 3.5). Zum anderen kann durch die Aufladung die Abgasrückführrate im Teillast-

184

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.74 Aufladekonzepte für Pkw-Dieselmotoren mit zwei bzw. drei Abgasturboladern

betrieb angehoben werden, ohne dass dabei das Verbrennungslutverhältnis auf kritische Werte absinkt. Hierdurch kann der Zielkonflikt zwischen der Rußpartikel- und der NOx Emission entschärt werden. Die Aufladung von Pkw-Dieselmotoren ist aufgrund der großen Spreizung der Motordrehzahl zwischen Leerlauf und Nenndrehzahl eine Herausforderung. Die resultierende große Spreizung des Massendurchsatzes macht eine optimale Auslegung der Aufladung für das gesamte Drehzahlband in der Regel unmöglich. Es entsteht ein Zielkonflikt zwischen der Auslegung für den oberen Drehzahlbereich (Leistungsauslegung) und der Auslegung für den unteren Drehzahlbereich (Auslegung für gutes Anfahrdrehmoment und geringe Emissionen in der Teillast). Dem Problem der großen Durchsatzspreizung wird in manchen Pkw Dieselmotoren durch Aufladekonzepte mit mehreren Abgasturboladern begegnet. Abbildung 3.74 zeigt schematisch die wichtigsten dieser Konzepte. Bei der parallel-sequentiellen Aufladung wird im Bereich niedriger Motordrehzahl und niedriger Motorlast nur ein im Verhältnis zum Motordurchsatz bei Nennleistung relativ kleiner Abgasturbolader durchströmt (Primärabgasturbolader). Sobald der Frischlut- bzw. Abgasmassenstrom des Verbrennungsmotors an die obere Durchsatzgrenze des Primärabgasturboladers gelangt, wird ein zweiter Abgasturbolader (Sekundärabgasturbolader) parallel dazu geschaltet. Der Sekundärabgasturbolader ist in der Regel gleich groß wie der Primärabgasturbolader, um eine stabile Gleichverteilung der Massenströme zu erlangen. Die Vorteile dieses Aufladekonzepts liegen im guten Ansprechverhalten des Motors (geringe Drehträgheit des Primärabgasturboladers) und im relativ hohen erzielbaren Lade-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

185

druck im unteren Teillastbereich. Des Weiteren wird im unteren Teillastbetrieb nur eine Abgasturbine durchströmt, so dass geringere Abgastemperaturverluste als bei den Aufladekonzepten mit zwei Turbinen autreten. Hierdurch wird ein schnelleres Aufheizverhalten des Abgasnachbehandlungssystems nach Motorstart erzielt. Aufgrund des parallelen Betriebs der beiden Abgasturboalder kommt es im Bereich der Volllast zu ähnlich hohen Stufendruckverhältnissen wie bei einer einstufigen Abgasturboaufladung. Mit dem parallel-sequentiellen Aufladekonzept werden bei Pkw-Dieselmotoren spezifische Leistungen von bis zu 75 kW/l erreicht. Bei der zweistufig geregelten Aufladung werden im Bereich niedriger Motordrehzahl und niedriger Motorlast zwei nacheinander geschaltete Turbinen und Verdichter betrieben. Der Ladedruck wird zunächst vor allem durch den kleiner ausgelegten Abgasturbolader in Hochdruckposition aufgebaut. Bei steigendem Motordurchsatz kann aufgrund der seriellen Verschaltung der beiden Abgasturbolader ein vergleichsweise hoher Ladedruck mit geringen Stufendruckverhältnissen aufgebaut werden. Die geringen Stufendruckverhältnisse führen vor allem im oberen Lastbereich bei niedriger Motordrehzahl zu einem guten Strömungswirkungsgrad der Aufladegruppe. Da der Abgasturbolader in der Hochdruckposition in der Regel für ein gutes Anfahrverhalten und geringe Emissionen in der Teillast ausgelegt ist (kleine Auslegung), muss er bei größerem Motordurchsatz mit einem Bypass umgangen werden. Im oberen Leistungsbereich wird der Ladedruck nur durch den größeren Abgasturbolader in der Niederdruckposition bereitgestellt. Aufgrund des einstufigen Betriebs ergeben sich hierbei ähnlich hohe Stufendruckverhältnisse wie bei einer einstufigen Abgasturboaufladung. Mit der zweistufig geregelten Aufladung werden bei Pkw-Dieselmotoren der Abgasstufen EU5 und EU6 spezifische Leistungen von bis zu 85 kW/l erreicht. Um eine weitere Steigerung der spezifischen Leistung im Vergleich zu Motoren mit parallel-sequentieller und zweistufig geregelter Aufladung zu ermöglichen, hat BMW ein Aufladekonzept entwickelt, bei dem sowohl im unteren, als auch im oberen Leistungsbereich eine serielle Verschaltung von Abgasturboladern zum Einsatz kommt. Dieses „TriTurbo“-Aufladekonzept verfügt über drei Abgasturbolader, von denen zwei in der Hochdruckposition parallel angeordnet sind. Im Bereich niedriger Motordurchsätze wird nur einer der beiden Hochdruckabgasturbolader durchströmt. Der Abgasturbolader in der Niederdruckposition wird turbinenseitig in allen Betriebssituationen durchströmt. Der Verdichter des Niederdruckabgasturboladers wird bei Anfahrvorgängen aus niedrigen Drehzahlen bypassiert, um einen schnelleren Ladedruckaufbau zu erzielen (hohes Rotationsträgheitsmoment des großen Niederdruckabgasturboladers). Mit dem „TriTurbo“-Aufladekonzept erreicht der BMW-Motor N57D30S1 eine spezifische Leistung von 93 kW/l. Der Einsatz von mechanisch oder elektrisch angetriebenen Aufladevorrichtungen (Strömungslader oder Verdrängerlader) hat sich in Dieselmotoren bisher nicht durchgesetzt. Ausschlaggebend ist der Verbrauchsnachteil der durch diese Konzepte entsteht. Zum einen ist es nachteilig den Abgasenthalpiestrom nicht als Energiequelle für die Aufladung zu nutzen, zum anderen weisen die Komponenten (gegebenenfalls Elektromotor, Getrie-

186

G.P. Merker und R. Teichmann

be, Aufladevorrichtung) als Gesamtverband ein relativ schlechtes Wirkungsgradverhalten auf. Abgasrückführstrecke Abbildung 3.75 zeigt schematisch den Aufbau von Hochdruck- (HD-) und NiederdruckAbgasrückführsystemen (ND-AGR) sowie eine Kombination der beiden Systeme. Aus Gründen der Einfachheit ist in Abb. 3.75 nur die Kombination mit einer einstufigen Abgasturboaufladung dargestellt. Die AGR-Systeme lassen sich prinzipiell aber mit allen im vorangegangenen Abschnitt erwähnten Aufladekonzepten kombinieren. Der prinzipbedingte Vorteil von ND-AGR ist die Unabhängigkeit des Massenstroms über die ATL-Strömungsmaschinen von der Höhe der AGR-Rate. Im Gegensatz zur HDAGR sinkt der Massenstrom über die ATL-Strömungsmaschinen bei ND-AGR nicht, wenn die AGR-Rate angehoben wird (siehe Abb. 3.76). Wie Abb. 3.76 zeigt kann durch ND-AGR an Betriebspunkten geringer Motorlast und Motordrehzahl ein höherer Ladedruck und damit ein höheres Verbrennungslutverhältnis bei einer gegebenen AGR-Rate eingestellt werden. In bestimmten Motorkennfeldbereichen lassen sich hierdurch Vorteile in der Rußemission und im Kratstoffverbrauch erzielen. Bei Einstellung eines konstanten Verbrennungslutverhältnisses kann der Ladedruckvorteil in eine Anhebung der AGR-Rate umgewandelt werden, wodurch im Vergleich zu Konzepten mit HD-AGR ein Vorteil in der Stickoxidemission bei gleicher Rußemission und gleichem Kratstoffverbrauch erzielt werden kann (siehe Abb. 3.77).

Motor mit HochdruckAbgasrückführsystem

DOC DPF

Abb. 3.75 AGR-Systeme

Motor mit NiederdruckAbgasrückführsystem

DOC DPF

Motor mit kombiniertem Abgasrückführsystem

DOC DPF

nM = 1400 BMEP = 4 bar HD-AGR ND-AGR

20 0

150 125

150

75

125

50

100

25

50

1

2

3

4

5

6

1200 4

1000

3

750

0

1400

EGR valve position in %

min-1

Turbine enthalpy difference in kJ /kg

40

1600

7

Time in s

2 100

Lambda

60

100

Turbocharger speed in min-1 x 1000

187 Absolute boost pressure in mbar

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren EGR rate in %

3

1

75 50 25 0

1

2

3

4

5

6

7

Time in s

Abb. 3.76 Entkopplung von AGR-Rate und Abgasturboladerverhalten bei ND-AGR (vgl. auch Tietze et al. 2006) 230

260 240 220

0.6

HD-AGR ND-AGR

0.4 0.2

nM = 2400 min-1 BMEP = 13.5 bar

215 200 185

0.3

HD-AGR ND-AGR

0.2 0.1

0.0 0.5

1.0

1.5

2.0

NOX in g/kWh

Soot in g/kWh

Fuel consumption in g/kWh

nM = 2000 min-1 BMEP = 6 bar

Soot in g/kWh

Fuel consumption in g/kWh

280

0.0 1.0

2.0

3.0

4.0

NOX in g/kWh

Abb. 3.77 Vorteile von ND-AGR bezüglich Kratstoffverbrauch und Schadstoffverhalten (vgl. auch Tietze et al. 2006)

Einspritz- und Gemischbildungssystem Ladungsbewegung und Brennraumform Die Einlasskanäle von Pkw-Dieselmotoren werden üblicherweise für einen möglichst hohen Drall ausgelegt, wobei aufgrund der Leistungsziele bestimmte Grundanforderungen an das Füllungsverhalten und damit an das Ventil- und Kanalkonzept vorliegen. Da die beiden Einlasskanäle bei Vierventilzylinderköpfen in der Regel ungleich in der Drallerzeugung sind, kann an Teillastpunkten mit geringem bis mittlerem Gasdurchsatz eine Steigerung

188

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.78 Kolbenmuldenvergleich zwischen EU4 und EU5/EU6 im Daimler OM642 (vgl. auch Werner 2010)

des Dralls realisiert werden, in dem die Gaszufuhr in den Zylinder durch den Einlasskanal mit geringerer Drallneigung mit Hilfe einer Klappe abgeschaltet wird. Das Verhältnis aus räumlich gemittelter Winkelgeschwindigkeit der Ladungsrotation und zeitlich gemittelter Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle wird auch als Drallzahl nach hien bezeichnet (hien 1965). Diese Kennzahl liegt zum Zeitpunkt ZOT bei EU5 Pkw-Dieselmotoren mit Vierventiltechnik ohne abgeschalteten Einlasskanal üblicherweise im Bereich von 1 bis 3. Durch Einsatz der Einlasskanalabschaltung kann eine Steigerung des Dralls um ca. 50–80 % erreicht werden. Die Brennraummulde von Pkw Dieselmotoren weist in den meisten Fällen eine OmegaForm auf (ω-Mulde) und ist anders als bei Nfz- und Großdieselmotoren verhältnismäßig tief. Abbildung 3.78 zeigt einen Schnitt durch eine typische Kolbenmulde eines EU5/EU6 Pkw-Dieselmotors mit einem geometrischen Verdichtungsverhältnis von ε = 15,5. Die Abbildung zeigt darüber hinaus die Kontur der Kolbenmulde des Vorgängermotors mit EU4Zertifizierung (ε = 17,7). Es ist zu erkennen, dass die Kolbenmuldenform beim Übergang von EU4 zu EU6 nicht wesentlich verändert wurde. Die Lage der Einspritzstrahlen und die Form der Kolbenmulde werden in PkwDieselmotoren so gewählt, dass der gegen die Kolbenwand strömende gasförmige Kratstoff sowohl nach unten in die Mulde, als auch nach oben in Richtung Brennraumplatte und Quetschspalt abgelenkt wird. Die Strahllage und die Kontur der Kolbenmulde im Bereich des Strahlautreffpunkts spielen daher für die Beeinflussung der Luterfassung im Pkw-Dieselmotor eine wesentliche Rolle. Abbildung 3.79 zeigt eine Modellvorstellung für die Ablenkung des gasförmigen Kratstoffs an der Kolbenmuldenwand in light duty Dieselmotoren (vgl. auch Miles et al. 2006). Die Mittenerhebung in der Kolbenmulde dient vor Allem dem Ausfüllen des vom Krat-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

189

Abb. 3.79 Interkation von Einspritzstrahl und Kolbenmuldenwand im Pkw-Dieselmotor (vgl. auch Miles 2006) Abb. 3.80 Eindringtiefe des flüssigen Kratstoffstrahls in einem Nfz-Dieselmotor mit Direkteinspritzung (vgl. auch Flynn et al. 1999)

stoff nur schwer bzw. nur spät im Verbrennungszyklus erreichbaren Volumens in der Mitte des Brennraums. Durch die Mittenerhebung kann bei konstantem Verdichtungsverhältnis ein größeres Volumen im äußeren Bereich der Kolbenmulde erzielt werden. Wie Abb. 3.80 für eine Nfz-Einspritzdüse mit einem Lochaustrittsdurchmesser von d = 246 μm zeigt, ist die Penetrationstiefe des flüssigen Kratstoffstrahls bei warmem Motorzustand und mittleren Brennraumdichten in der Größenordnung des Muldendurchmessers (vgl. auch Flynn et al. 1999). Bei Pkw-Dieselmotoren ist die Penetrationstiefe des flüssigen Kratstoffstrahls im Verhältnis zum Muldendurchmesser in der Regel etwas größer, als bei Nfz-Dieselmotoren.

190

G.P. Merker und R. Teichmann

Einspritzdruck und Variabilitäten Der maximale Einspritzdruck wurde seit der Einführung der Direkteinspritzung in PkwDieselmotoren stetig gesteigert. Das Ziel bei der Steigerung des maximalen Einspritzdrucks ist die Verbesserung des Zielkonflikts zwischen der erreichbaren Nennleistung und dem Schadstoffverhalten im Teillastbetrieb. Um eine möglichst hohe Nennleistung innerhalb der Triebwerksgrenzen bezüglich Zylinderdruck und Abgastemperatur zu erreichen, ist eine möglichst hohe Einspritzrate erforderlich. Die Einspritzrate hängt sowohl vom Düsendurchfluss, als auch vom Einspritzdruck ab. Da ein geringer Düsendurchfluss vorteilhat für das Schadstoffverhalten im Teillastbetrieb ist, kann eine hohe Nennleistung ohne entsprechende Nachteile im Schadstoffverhalten nur durch einen hohen Einspritzdruck erreicht werden. Abbildung 3.81 zeigt die Steigerung des Einspritzdrucks bei Bosch Common Rail Einspritzsystemen seit dem Jahr 1997 (siehe auch Leonhard et al. 2008). Aufgrund der Anforderungen durch Abgasnachbehandlungssysteme haben sich bei Pkw-Dieselmotoren Common Rail Direkteinspritzsysteme durchgesetzt. Ausschlaggebend ist die Anforderung an die Nacheinspritzfähigkeit, die für das Aufheizen und die Regeneration von den Abgasnachbehandlungskomponenten benötigt wird. Die Nacheinspritzungen müssen hierfür bezüglich der Anzahl, der jeweiligen Kratstoffmenge und des zeitlichen Abstands zueinander flexibel kalibrierbar sein. Abbildung 3.82 zeigt typische Einspritzstrategien im Motorkennfeld. Die gestrichelten Nacheinspritzungen werden in Abhängigkeit des Temperaturzustands und der Beladung der Abgasnachbehandlungskomponenten angewendet.

Abb. 3.81 Roadmap Bosch Common Rail System für Pkw und leichte Nfz (vgl. auch Leonhard et al. 2008)

191

25

20

pme in bar

DOC-Exotherme für heat-up

Fettsprung NOx-Speicherkat

Heizen DOC, DPF, LNT, SCR

Rußpartikelabsenkung

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

Geräuschkontrolle

3

15

10

5 NOx Beitrag NEFZ 0

1000

2000

3000

4000

Motordrehzahl in min-1

Abb. 3.82 Typische Einspritzstrategien im Motorkennfeld bei Pkw-Dieselmotoren

Die Herausforderung bei der flexiblen Kalibrierung der Anzahl, Mengen und Abstände der Vor- und Nacheinspritzungen stellen die Druckwelleneffekte in den Injektorleitungen und im Kratstoffspeicher (Rail) dar. Die Druckwelleneffekte führen in der Regel zu Ungenauigkeiten bei der Kratstoffmengenzumessung. Einspritzsysteme mit einer geringen Druckwellenempfindlichkeit und Modelle, aus denen der korrekte Zusammenhang zwischen der Injektor-Ansteuerdauer und der Einspritzmenge unter allen Umständen berechnet werden kann, sind wichtige Voraussetzungen für die Nutzung der vollen Potenziale von Einspritzsystems. Der Entwicklungstrend bei der diskontinuierlichen Common Rail Einspritzung in PkwDieselmotoren geht Richtung einer größeren Anzahl von Einspritzereignissen mit kleineren Spritzabständen und kleineren Einzelmengen (vgl. auch Heinold et al. 2010). Die im Abschn. 3.3.3 beschriebene kontinuierliche Einspritzverlaufsformung zeigt in Grundlagenversuchen ein großes Potential zur weiteren Optimierung des Zielkonflikts zwischen dem Verbrennungsgeräusch und der Ruß- bzw. CO-Emission.

Abgasnachbehandlungssystem Relevanz von Abgasnachbehandlungssystemen zur Erfüllung künftiger Abgasgrenzwerte Die in Abb. 3.69 dargestellten aktuellen und küntigen Abgasgrenzwerte für Europa und die USA lassen sich ohne eine Abgasnachbehandlung nicht erfüllen. Die Einhaltung der Abgasgrenzwerte EU2, EU3 und EU4 erfolgte in der Regel mit Hilfe eines DieselOxidationskatalysators (DOC) für die Konvertierung von Kohlenwasserstoffen (HC) und Kohlenmonoxid (CO). Beim Übergang von EU4 zu EU5 wurde der Partikelgrenzwert

192

G.P. Merker und R. Teichmann

von 25 mg/km auf 5 mg/km abgesenkt, so dass ab diesem Zeitpunkt flächendeckend Dieselpartikelfilter zum Einsatz gekommen sind. Manche Pkw mit EU5 Zertifizierung verfügen bereits über aktive Maßnahmen zur Absenkung der Stickoxidemission (sogenannte DeNOx -Maßnahmen) wie NOx -Speicherkatalysatoren (NSK) oder Katalysatoren zur selektiven katalytischen Reduktion der Stickoxide (SCR-Katalysatoren). Bei Pkw mit EU6 Zertifizierung sind die aktiven DeNOx -Maßnahmen weit verbreitet, es gibt jedoch auch Fahrzeuge, bei denen die Einhaltung der Grenzwerte ohne eine aktive DeNOxierung gelingt. Bei leichten Fahrzeugen wie z. B. der A und B-Klasse von Mercedes Benz reicht für die Erfüllung der EU6 Grenzwerte der Einsatz einer Niederdruck-Abgasrückführung in Kombination mit einer einstufigen Abgasturboaufladung (vgl. auch Schommers et al. 2012). Bei schweren Fahrzeugen, wie z. B. dem Mazda CX5 können die Grenzwerte ohne aktive DeNOxierung durch den kombinierten Einsatz einer zweistufig geregelten Abgasturboaufladung mit einer Niederdruckabgasrückführung erreicht werden, (vgl. Terazawa et al. 2011). Die Funktionsweise der einzelnen Abgasnachbehandlungskomponenten sind in Abschn. 7.3 näher beschrieben. Entwicklungsschwerpunkte für zukünftige Abgasnormen Das Aufheizen der Abgasnachbehandlungskomponenten zu Beginn und während der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrzyklen spielt für die Erfüllung der zuküntigen Abgasgrenzwerte eine besonders wichtige Rolle, da die mit katalytischen Reaktionen arbeitenden Abgasnachbehandlungskomponenten ein bestimmtes Betriebstemperaturfenster benötigen, um effizient zu funktionieren. Um den Aufheizvorgang schnell und mit geringen Wärmeverlusten ablaufen zu lassen, wird daran gearbeitet, die Abgasnachbehandlungskomponenten so nah wie möglich am Motoraustritt zu platzieren. Bei EU4 und EU5 Pkw ist es üblich nach der Turbine des Abgasturboladers ein Gehäuse mit einer Kombination von Dieseloxidationskatalysator und Dieselpartikelfilter zu platzieren. Für die Erfüllung zuküntiger Abgasgrenzwerte sind Konzepte denkbar, bei denen der Dieseloxidationskatalysator (zumindest teilweise) vor der Turbine des Abgasturboladers eingebaut wird und sich eine Kombination aus Dieselpartikelfilter und aktivem DeNOx -System direkt nach der Turbine des Abgasturboladers befindet. Da die motornahe Positionierung der Abgasnachbehandlungskomponenten für eine ausreichend schnelle Aktivierung nicht ausreichen wird, müssen auch die motorischen Heizmaßnahmen in ihrer Wirksamkeit, ihrem Kratstoffverbrauch und ihrem Rohemissionsverhalten optimiert werden. Die folgenden konventionellen Möglichkeiten zur Erhöhung der Abgastemperatur (vor und nach DOC) werden heute in Serie eingesetzt: • Spätverstellung des Verbrennungsschwerpunkts und Anwendung von einer oder mehrerer Nacheinspritzungen zur Verlängerung der Brenndauer • Verringerung des Wirkungsgrades durch Erhöhung der Ladungswechselverluste (frischlut- oder abgasseitig)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

193

• Verringerung der Brennraumladung durch Androsselung der Ansauglut • Erhöhung der Motorlast, z. B. durch Zuschalten elektrischer Verbraucher • Gezielte Anhebung der HC- und CO-Emission, z. B. durch Nacheinspritzungen (nach Erreichen der light-off Temperatur des Dieseloxidationskatalysators) Die genannten Maßnahmen unterscheiden sich im Hinblick auf ihre energetische Bilanz, die Kosten, die Regelbarkeit und positive Begleiteffekte auf das Motorbetriebsverhalten (Rohemission, Geräusch und Fahrbarkeit). Für die Verbesserung des Aufheizverhaltens der Abgasnachbehandlung könnten in zuküntigen Pkw-Dieselmotoren auch Ventiltriebsvariabilitäten sinnvoll eingesetzt werden. Die Wirkmechanismen von Ventiltriebsvariabilitäten, die ein verbessertes Aufheizverhalten der Abgasnachbehandlungskomponenten bewirken können lassen sich wie folgt unterscheiden: • Verringerung des Wirkungsgrades durch Verkürzung des Expansionstakts • Vermeidung der Wärmeverluste externer AGR durch Verwendung interner AGR • Drosselfreie Reduzierung der Zylinderfüllung Abbildung 3.83 zeigt das Potential zur Anhebung der Abgastemperatur durch ein frühes Öffnen der Auslassventile am Betriebspunkt nM = 800 min−1 , pmi = 2,5 bar (Leerlaufpunkt, kalt). Die Messungen wurden mit einem vollvariablen hydraulischen Ventiltrieb auf einem Einzylindermotor durchgeführt. Alle gezeigten Messungen wurden bei einem Rohemissionsniveau von NOx = 1,0 g/kWh durchgeführt. Etwaige NOx -Unterschiede durch Änderungen der Verbrennungstemperatur oder der internen AGR-Rate wurden durch Anpassungen der externen AGR-Rate ausgeglichen. Als Referenz für die Versuche mit variablen Steuerzeiten zeigt Abb. 3.83 eine Messreihe mit den Steuerzeiten des Serienmotors, bei der eine Spritzpausenvariation zwischen der Haupteinspritzung und einer Nacheinspritzung durchgeführt wurde. Die Variation wurde bei festen Einspritzzeitpunkten der zwei Voreinspritzungen und der Haupteinspritzung durchgeführt, so dass bei zunehmender Pause zwischen Haupt- und Nacheinspritzung eine Verschiebung des Verbrennungsschwerpunkts in Richtung spät erfolgt. Die Haupteinspritzmenge ist bei der Messreihe mit Nacheinspritzung halb so groß wie bei der Messreihe ohne Nacheinspritzung. Abbildung 3.83 zeigt, dass mit Hilfe einer spät eingebrachten Nacheinspritzung eine Anhebung der Abgastemperatur erreicht werden kann. Jedoch führt die durch die Nacheinspritzung verursachte Verschiebung des Verbrennungsschwerpunkts zu einem deutlichen Anstieg der HC- und CO-Emission im Vergleich zum Referenzpunkt bei COHR = 377,5 °KW (CO: +80 %, HC: +90 %). Durch die spätere Verbrennungsschwerpunktlage und die erhöhte Emission von HC und CO steigt der indizierte Kratstoffverbrauch (ISFC) um ca. 20 % (von bi = 243 g/kWh auf bi = 298 g/kWh). Der Vergleich der Messreihe mit frühem Öffnen des Auslassventils mit der Messreihe mit Nacheinspritzung zeigt die folgenden Unterschiede:

194

G.P. Merker und R. Teichmann

n M = 800 min -1, pmi = 2.5 bar T2 = 35°C p2 = 1.000 bar p3 = 1.200 bar TÖl = 60°C

Kurve

TKW = 35°C pRail = 320 bar 2 VE

COHR

NE

Variation 377.5 °KW

SA Variation NE Referenz keine NE frühes AV Öffnen 45

externe AGR in %

Ruß in g/kWh

0.3 0.2 0.1

20 10

30 15

20 10 0

+30 °C

COHR in °CA

bi in g/kWh

0

260 210 125

Alle Messungen bei NOx = 1.0 g/kWh

0 HC in g/kWh

CO in g/kWh

0.0

310

VVT

150 175 200 225 Abgastemperatur T3 in °C

250

385 375 365 125

150 175 200 225 Abgastemperatur T3 in °C

250

Abb. 3.83 Motorbetriebswerte bei frühem Öffnen des Auslassventils

Durch das frühe Öffnen der Auslassventile kann anders als mit der Nacheinspritzung eine Anhebung der Abgastemperatur T 3 ohne Nachteile bei der HC- und CO-Emission erreicht werden. Ausschlaggebend hierfür ist die Möglichkeit beim frühen Öffnen der Auslassventile ein frühes Einspritz- und Verbrennungsende aufrechtzuerhalten. Die Anhebung der Abgastemperatur T 3 führt auch beim frühen Öffnen der Auslassventile zu einem Anstieg des Kratstoffverbrauchs. Aufgrund des sich nicht verschlechternden Kratstoffumsetzungsgrads (s. HC und CO) fällt der Kratstoffverbrauchsanstieg allerdings nicht so stark aus wie bei der Messreihen mit Nacheinspritzung. An dem hier untersuchten Leerlaufpunkt kann dadurch bei gleichem indizierten Kratstoffverbrauch eine um ca. 30 K höhere Abgastemperatur erreicht werden (s. Pfeil in Abb. 3.83). Abbildung 3.84 zeigt die Indizierverläufe für die hervorgehobenen Punkte in Abb. 3.83. Anhand des oberen Diagramms sind das frühere Öffnen der Auslassventile bei der gepunkteten Kurve (frühes AVÖ) und das dadurch bedingte Einbrechen des Zylinderdrucks deutlich zu erkennen. Die Größen T Zyl und ROHR in den unteren Diagrammen zeigen die intensivere und heißere Hauptverbrennung, die durch die Kompensation des Expansionsverlusts und die entsprechende Erhöhung der Haupteinspritzmenge zu Stande kommt. Die dargestellten Versuche zeigen, dass Ventiltriebsvariabilitäten eine sehr vielversprechende Heizmaßnahme für Dieselmotoren sein könnten. Bei der Verkürzung des Expansi-

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren nM = 800 min-1, pmi = 2.5 bar T2 = 35°C p2 = 1.000 bar p3 = 1.200 bar TÖl = 60°C 6 pZyl in bar

Kurve

TKW = 35°C pRail = 320 bar 2 VE

195

COHR

NE

VVT

389.0 °KW 377.5 °KW

SA = 4735 ? s keine NE

AVÖ = 535 °CA AVÖ = 442 °CA

EV1 EV2

AV1 AV2

4 2 0

10 5

0

60

120

180

240

300

360

420

480

540

600

660

Ventilhub

3

0 720

Kurbelwinkel in °KW

40

pZyl in bar

30 20 10

1000

0

900 800

ROHR in J/°KW

600 30

500

20

400

10

300

TZyl in K

700

0 300

315

330

345

360

375

390

405

420

435

450

465

480

Kurbelwinkel in °KW

Abb. 3.84 Motorbetriebswerte bei frühem Öffnen des Auslassventils Indizierverläufe für die hervorgehobenen Marker in Abb. 3.83

onstakts steigen allerdings die Ventilkräte und es muss aufgrund der starken Ausströmpulse ein besonderes Augenmerk auf die Geräuschabstrahlung der Abgasleitung gelegt werden (vgl. auch Messner et al. 2012).

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G.P. Merker und R. Teichmann

3.5 Downsizing bei Pkw-Motoren Durch die erforderliche Schonung fossiler Energieträger und der sich laufend verschärfenden CO2 -Gesetzgebung ergibt sich als Hauptaufgabe für die Automobilindustrie, kratstoffverbrauchssenkende Maßnahmen umzusetzen. Gleichzeitig haben alternative Antriebsformen wie z. B. die Elektromobilität zu einer beschleunigten Entwicklung auch bei den konventionellen Antrieben im Fahrzeug geführt. Generell ist zu beobachten, dass bemerkenswerte Verbrauchseinsparungen beim Verbrennungsmotor vor allem auch durch Downsizing-Konzepte in den Fahrzeugen erzielt werden. Unter dem Begriff Downsizing wird allgemein die Verkleinerung des Hubraumes von Verbrennungsmotoren verstanden, siehe Golloch (2005). Allein für sich betrachtet würde die Verkleinerung des Hubraumes jedoch zu einem Absinken des maximalen Drehmoments und der maximalen Leistung führen. Da der Kunde in den verschiedenen Fahrzeugklassen Einbußen bei den Fahrleistungen nicht akzeptieren würde, ist beim Downsizing der Erhalt der Fahrdynamik gegenüber einem hubraumstärkeren Motor unbedingte Voraussetzung. Dies führt zu spezifisch höher belasteten Aggregaten. Hauptaugenmerk liegt dabei auch auf dem transienten Drehmomentaufbau in dynamischen Fahrsituationen. Während bei den Pkw-Ottomotoren seit den 90er Jahren spezifische Leistungen von 100 kW/l als allgemeiner Stand der Technik zu sehen sind, ist auch bei den Pkw-Dieselmotoren aktuell eine Steigerung auf 80–93 kW/l zu beobachten, vgl. Eidenböck et al. (2012). Sowohl bei den Diesel- wie auch bei den Ottomotoren hat sich die Kombination aus Aufladung und Kratstoff-Direkteinspritzung dabei als zielführend erwiesen und mittlerweile eine sehr weite Verbreitung gefunden. Während beim Dieselmotor die Herausforderung in der Erreichung höchster spezifischer Leistungen liegt, muss beim Ottomotor insbesondere die Steigerung des effektiven Mitteldruckes bei niedrigen Drehzahlen zum Erhalt der Fahrdynamik betrachtet werden (Abb. 3.85). In den letzten Jahren hat sich jedoch zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass zur Kundenakzeptanz des Downsizings in Pkw-Motoren fahrzeugübergreifend weitere Herausforderungen zu bewältigen sind. Insbesondere ist hier der Anspruch des Kunden nach Fahrkomfort in der jeweiligen Fahrzeugklasse zu beachten. Fahrzeugseitige Maßnahmen zur Optimierung des Schwingungs- und Akustikverhaltens des Verbrennungsmotors im Gesamtfahrzeug müssen berücksichtigt werden. Für die entsprechende Kundenakzeptanz muss auch der gesamte Antriebsstrang inklusive Getriebe auf das Downsizing-Konzept abgestimmt sein. Im weiteren Verlauf der Entwicklung hat sich gezeigt, dass das Downsizing als kratstoffverbrauchssenkende Maßnahme auch an Grenzen stößt. Spezifisch hoch belastete Ottomotoren bedürfen in schweren Fahrzeugen eines erhöhten Anfettungsbedarfes, der gegebenenfalls durch Zusatztechnologien kompensiert werden muss. Bei Dieselmotoren mit hohen spezifischen Leistungen sind in schweren Fahrzeugen Maßnahmen zur Absenkung der Stickoxid-Emissionen zu ergreifen. Auch die mechanische Belastung des Grundtriebwerks erfordert teure und teilweise nicht gewichtsoptimale Sondermaßnahmen, um die Lebensdauer der Downsizing-Aggregate dauerhat zu gewährleisten.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.85 Effektive Mitteldrücke und spezifische Leistungen bei Pkw-Otto- und -Dieselmotoren

Diese Effekte führen heute zu dem allgemeinen Trend, die KratstoffverbrauchsEinsparungen nicht allein durch extremes Downsizing, sondern immer in Kombination mit Downspeeding und Rightsizing zu erzielen. Die Auslegungskriterien und Wechselwirkungen werden im Folgenden dargestellt.

3.5.1 Downsizing, Downspeeding und Rightsizing Downsizing beim Verbrennungsmotor, also die Verringerung des Gesamt-Hubvolumens V H , kann nach π VH = D  ⋅ s ⋅ z (3.4)  auf mehreren Wegen erzielt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, bei gleicher Zylinderzahl z den Bohrungsdurchmesser D und den Hub s zu verringern. Bei der Umsetzung stellt sich die Frage, welches Hub-/Bohrungsverhältnis s / D bei der Einzelhubraumreduktion zugrunde gelegt werden sollte. Für einen möglichst hohen indizierten Wirkungsgrad weist eine langhubige Variante (s / D ~ 1,1–1,2) wegen des günstigeren Oberflächen-/ Volumenverhältnisses, vgl. Golloch (2005), und der Vorteile bei den Lager- und Ventiltriebsverlusten, vgl. Ebel (1993), Vorteile auf. Gleichzeitig muss jedoch der Einfluss der damit realisierbaren Ventildurchmesser und deren Auswirkung auf den Ladungswechsel dem gegenüber gestellt werden, siehe auch Weinowski et al. (2009). Ein höheres Potenzial zur Kratstoffverbrauchseinsparung kann in der Regel durch die Hubraumreduktion mit verringerter Zylinderzahl z und ggf. auch gleichzeitig erhöh-

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G.P. Merker und R. Teichmann

tem Einzelzylinderhubvolumen erreicht werden. Kleinere Motoren weisen meist weniger oder kleinere Lagerstellen auf und haben demzufolge Vorteile bei den Reibungsverlusten. Gleichzeitig ergeben sich häufig Vorteile im Gewicht des Antriebsaggregates, das damit einen weiteren Beitrag zur Gewichtsreduktion und Gewichtsverteilung im Gesamtfahrzeug leisten kann. Bei beiden Möglichkeiten wird vom statischen Downsizing gesprochen. Der Downsizinggrad γ DS wird nach Golloch (2005) als charakteristische Kenngröße verwendet, wenn ein Motor 2 im Vergleich zu einem Basismotor 1 die gleiche Nennleistung und einen reduzierten Hubraum aufweist: VH, − VH, ) (3.5) γDS = ( VH, Peff

Neben dem statischen Downsizing wird gerade in jüngster Zeit auch das so genannte dynamische Downsizing bei den Pkw-Motoren in Serie eingesetzt, das durch Anwendung der Zylinderabschaltung erzielt wird (Abb. 3.86). Einzelne Zylinder werden bei Niedriglast deaktiviert. Diese Methode des Downsizings bleibt zunächst den Ottomotoren vorbehalten. Während bei den Ottomotoren im Niedriglastbereich die Ladungswechselverluste dominieren und mit der Zylinderabschaltung wirkungsvoll verbessert werden können, überwiegen hier beim Dieselmotor die Reibungsverluste bei fast vollständiger Entdrosselung des Ladungswechsels. Der Einspareffekt durch Zylinderabschaltung ist daher beim Dieselmotor weitaus geringer. Der gewünschte Effekt beim statischen und dynamischen Downsizing ist eine Lastpunktverschiebung des Verbrennungsmotors bei gleicher Antriebsleistung des Fahrzeugs. Der Betriebsbereich verschiebt sich im Kennfeld zu höheren Lasten, die Vorteile bezüglich des effektiven Wirkungsgrades des Verbrennungsmotors aufweisen. Zur Hebung weiterer CO2 -Potenziale wird in der jüngsten Zeit Downsizing häufig in Kombination mit Downspeeding angewendet. Unter Downspeeding wird allgemein eine Verlängerung der Achsübersetzung des Getriebes bei gleichem Motorhubvolumen verstanden. Während beim Downsizing der Lastpunkt bei konstanter Drehzahl zu höheren Lasten verschoben wird, wird beim Downspeeding zusätzlich die Fahrdrehzahl im Motorkennfeld abgesenkt. Auch Schaltprogramme bei Automatikgetrieben, die hohe Gänge frühzeitig im Fahrbetrieb einlegen, werden irreführenderweise mit Downspeeding in Verbindung gebracht. Voraussetzung für die Anwendung von Downspeeding sind drehmomentstarke Aggregate, die bezüglich ihres Ansprechverhaltens auch bei niedrigen Drehzahlen optimiert sind. Während aufgrund der typischen Motorcharakteristik bei den Dieselmotoren Downspeeding frühzeitig umgesetzt wurde, mussten bei den Ottomotoren die Voraussetzungen hierfür geschaffen werden. Dennoch ist auch in Zukunt eine weitere Verlängerung der Achsübersetzungen und der Absenkung der Fahrdrehzahlen zur CO2 -Absenkung zu erwarten. Sowohl Downsizing als auch Downspeeding haben jedoch aufgrund des Komfortanspruches der Kunden ihre Grenzen. Kleinere Aggregate mit Zylinderzahlsprung weisen in der Regel eine höhere Drehungleichförmigkeit mit Auswirkungen auf Motorakustik und

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

199

Abb. 3.86 Begriffsdefinitionen Downsizing, Downspeeding und Rightsizing

Schwingungsverhalten auf. Gleichzeitig können bei extremem Downsizing in schweren Fahrzeugen Nachteile im Kundenverbrauch bei hohen Volllastanteilen des Motors autreten. Die angemessene Nutzung der Technologien Downsizing und Downspeeding, angepasst an die jeweilige Fahrzeugklasse hinsichtlich Fahrzeuggewicht und Kundenkomfortanspruch, wird allgemein als Rightsizing bezeichnet. So ist zu erwarten, dass in den verschiedenen Fahrzeugsegmenten unterschiedliche Ausprägungen in der jeweiligen Anwendung von Downsizing und Downspeeding vorzufinden sein werden. Einen Vergleich der Wirksamkeit von Downsizing und Downspeeding zeigt Abb. 3.87. Für eine angenommene Fahrzeuggeschwindigkeit v sind in der Konstantfahrt die Fahrwiderstände bestehend aus Roll-, Wind- und Steigungswiderstand zu überwinden. Dazu ist eine konstante Motorantriebsleistung Pe erforderlich. Anhand der Gleichung Pe =

 ⋅ pm,e ⋅ VH ⋅ n 

(3.6)

für einen 4-Takt-Verbrennungsmotor wird das Prinzip der Lastpunktverschiebung deutlich. Beim klassischen Ansatz des Downsizings durch Hubraumverkleinerung V H steigt der effektive Mitteldruck pm,e zur Erzielung der gleichen effektiven Leistung Pe bei konstanter

2 0 0

G .P .M erker und R. Teichmann

Abb. 3.87 Betriebspunktverschiebungen durch Downsizing und Downspeeding nach Sonner et al. (2005)

Motordrehzahl n an. Der Betriebspunkt des Downsizing-Motors verschiebt sich bei konstanter Drehzahl zu höheren Lasten, in denen der effektive Kratstoffverbrauch günstigere Werte aufweist. Eine analoge Betrachtung kann mit einer Verlängerung des Gesamtübersetzungsverhältnisses zum Downspeeding durchgeführt werden, die eine Absenkung der Fahrdrehzahl n bei gleicher Fahrgeschwindigkeit v zur Folge hat. Um die gleiche Antriebsleistung Pe zu erreichen, steigt auch hier der effektive Mitteldruck pm,e an. Downspeeding verlagert also den Betriebspunkt des Motors hin zu niedrigeren Drehzahlen und zu höheren Lasten. Auch hier werden Kennfeldbereiche günstigeren spezifischen Kratstoffverbrauches genutzt. Die Wirksamkeit der beiden Ansätze Downsizing und Downspeeding wird von Sonner et al. (2005) bewertet und zeigt Abb. 3.88. In diesem Anwendungsbeispiel wird durch beide Ansätze eine Erhöhung des effektiven Mitteldruckes von 10 % erreicht. Im Falle der Hubraumreduktion mit einem DownsizingGrad γ DS = 0,1 kann der spezifische Kratstoffverbrauch durch die alleinige Lastanhebung um 4,3 % abgesenkt werden. Betrachtet man analog den Fall des Downspeedings mit gleichem Hubraum und ca. 9 % verlängerter Getriebe-Gesamtübersetzung, so erhöht sich der effektive Mitteldruck ebenfalls um ca. 10 %, jedoch wird der Verbrennungsmotor bei niedrigeren Drehzahlen betrieben. Dieser Effekt erschließt weitere Verbrauchspotenziale, da der hubraumreduzierte Motor Nachteile im thermodynamischen Wirkungsgrad und in der relativen Reibung in Kauf nehmen muss. So kann in diesem Anwendungsbeispiel der Kratstoffverbrauch mit Downspeeding um 6,0 % abgesenkt werden, während mit dem klassischen Downsizing-Ansatz nur eine Absenkung um 4,3 % erzielt werden kann. Auch auf Landstraßen und Autobahnen bewirkt der Downspeeding-Ansatz nach Sonner et al. (2005) Vorteile im kundenrelevanten Kratstoffverbrauch. Bei beiden

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.88 Wirksamkeit und Verbrauchseinfluss von Downsizing und Downspeeding nach Sonner et al. (2005)

Ansätzen besteht in der Motorentwicklung die Herausforderung darin, das Beschleunigungsverhalten des Aggregates im Fahrzeug gegenüber der Basisvariante zu erhalten. Die Kombination aus Abgasturboaufladung und Direkteinspritzung hat sich dabei sowohl bei den Otto- wie auch bei den Dieselmotoren als zielführend gezeigt. Hier werden jedoch auch zuküntig Anstrengungen notwendig sein, um weitere CO2 -Reduktionspotenziale zu heben. Die Mitteldrucksteigerung wirkt sich generell auf die Einzelverluste der Verbrennungsmotoren aus. Die Anhebung der Motorlast führt sowohl bei den Otto- wie auch bei den Dieselmotoren zu einer Absenkung von Wandwärme-, Ladungswechsel- und Reibverlusten, die Einzelverluste sind je nach Brennverfahren jedoch unterschiedlich gewichtet, vgl. Golloch (2005). Abbildung 3.89 zeigt den Verlauf der Wirkungsgrade über Last jeweils von einem modernen, aufgeladenen Pkw-Otto- und Dieselmotor bei einer Drehzahl von 2000 U/min. Der Ottomotor weist bei gleicher Last niedrigere effektive Wirkungsgrade auf als der Dieselmotor. Sowohl beim Diesel- wie auch beim Ottomotor steigt der effektive Wirkungsgrad mit steigender Motorlast signifikant an. Dieser Effekt wird durch den Downsizingund Downspeeding-Ansatz positiv genutzt. Während beim Dieselmotor im Niedriglastbereich die mechanischen Verluste Wirkungsgrad-Nachteile verursachen, stehen beim konventionellen Ottomotor die Ladungswechselverluste bei niedrigen Lasten im Vordergrund. Auf die Wirkungsgrade bezogen, führt eine Anhebung der Motorlast bei Otto- und Dieselmotoren in der Summe zu einer Steigerung des indizierten und des mechanischen Wirkungsgrades.

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Abb. 3.89 Wirkungsgrade von modernen Otto- und Dieselmotoren über Last (n = 2000 U/min)

Die Anwendung von Downsizing und Downspeeding bedingt, dass im Vergleich zum Basisaggregat Drehmoment und Leistung vergleichbar sind. Dies hat zur Folge, dass die spezifische Belastung des Aggregates entsprechend steigt. Hauptkriterien bei der Auslegung von Pkw-Verbrennungsmotoren unter Anwendung von Downsizing und Downspeeding sind: • Stationäre Volllast-Kennlinie: Low-End-Torque (Abk.: LET), Eckdrehmoment und max. Leistung • Betriebsverhalten bei dynamischen Lastanforderungen (Ansprechverhalten) • Anfahrverhalten aus dem Stand (mit und ohne Start/Stopp-System) • Ausdrehverhalten bei hohen Drehzahlen (Emotionalisierung) • Performance unter Hitze- und Höhe-Bedingungen (Umwelteinflüsse) • hermische und mechanische Belastung • Akustik und Schwingungskomfort im Fahrzeug • Getriebeauslegung (Drehmomentwandler, Übersetzung) Abbildung 3.90 zeigt die Grenzen bei der stationären Drehmoment- und Leistungssteigerung von PKW-Verbrennungsmotoren. Beim Dieselmotor wurde der DownspeedingAnsatz aufgrund des hohen stationären Drehmomentes bereits frühzeitig verfolgt. Häufig sind die übertragbaren stationären Drehmomente moderner Dieselmotoren durch das Getriebe im Fahrzeug begrenzt. Beim Dieselmotor hat sich die zweistufig geregelte Aufladung zur Darstellung eines guten LET-Verhaltens bei gleichzeitig höchsten spezifischen Leistungen bereits durchgesetzt, siehe beispielhat Eiglmeier et al. (2011). Die spezifischen Leistungen solcher Aggregate können durch Anhebung des Einspritzdruckes, der zulässigen Abgastemperatur vor Turbine (T3 ) und des zulässigen Zylinderspitzendruckes

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Abb. 3.90 Grenzen bei der Drehmoment- und Leistungssteigerung von PKW-Motoren

(pmax ) weiter angehoben werden. Die heute erzielbaren Ladedrücke der Aufladesysteme erfordern zur Absenkung der maximalen Verdichteraustrittstemperaturen und zur Vermeidung von Ölverkokung zunehmend Zusatzmaßnahmen, wie z. B. eine indirekte Ladelutzwischenkühlung, siehe auch Eidenböck et al. (2012). Zur Emotionalisierung wird auch das Ausdrehverhalten der Aggregate betrachtet, die Maximaldrehzahl ist dabei in der Regel durch die Massenkräte und autretenden Triebwerks-Schwingungen begrenzt. Beim Ottomotor sind die maximal darstellbaren Leistungen zwar durch die Klopfneigung bei gegebenem Verdichtungsverhältnis und durch den notwendigen Anfettungsbedarf zum thermischen Bauteilschutz ebenfalls begrenzt, der Schwerpunkt liegt für eine erfolgreiche Downsizing- und Downspeeding-Strategie jedoch auf der Darstellung eines hervorragenden LET. Wichtige thermodynamische Grenzen ergeben sich durch die Neigung zu irregulären Verbrennungen (so genannte Vorentflammungen, s. Abschn. 3.1.3) und der Klopfneigung des Aggregates bei der Darstellung höchster Mitteldrücke im Niedrigstdrehzahlbereich. Die Optimierung des Ladungswechsels und der Brennraumgestaltung sind in diesem Zusammenhang entscheidende Entwicklungsansätze. Auch beim Ottomotor nimmt in jüngster Zeit die zweistufig geregelte Aufladung als Maßnahme für erhöhte Spreizungen zwischen Drehmoment und Leistung beim Downsizing an Bedeutung zu, siehe Sauerstein et al. (2010). Das statische Downsizing durch konventionelles Absenken des Hubraumes erfordert technische Zusatzmaßnahmen, um das transiente und stationäre Betriebsverhalten des Fahrzeugmotors einem hubraumstärkeren Aggregat anzugleichen. Ein möglicher Alternativweg kann durch das so genannte dynamische Downsizing durch Anwendung einer Zylinderabschaltung (Abk.: ZAS) beschritten werden. Hier wird der Effekt positiv genutzt, dass insbesondere unter Bedingungen konstanter Fahrgeschwindigkeiten das Antriebsaggregat über hohe Zeitanteile im Niedriglastbereich betrieben wird. Die gewünschte Motorleistung kann in diesen Betriebsbereichen von weniger Einzelzylindern bereit gestellt

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werden, die in Folge der Lastpunktverschiebung analog dem konventionellen Downsizing mit höherer Last und höherem motorischen Wirkungsgrad betrieben werden. Die Anwendung der ZAS ist gerade in den letzten Jahren verstärkt bei den Ottomotoren zu beobachten. Die Umsetzung in Serie ist bei den Ottomotoren insbesondere deshalb zielführend, weil diese aufgrund der Quantitätsregelung bei den Ladungswechselverlusten profitieren. Auch die weite Verbreitung der Benzindirekteinspritzung ermöglicht während der Umschaltung eine effektive Umschaltung des ZAS-Betriebes durch die Entkopplung von Kratstoff- und Lutpfad. Aufgrund des bereits entdrosselten Betriebes erscheint die Anwendung der ZAS beim Dieselmotor hingegen als nicht zielführend. Zur vollständigen Nutzung des ZAS-Potenzials müssen die Ladungswechselverluste auf ein Minimum reduziert werden. Dies wird in der Regel durch die Deaktivierung der Einund Auslassventile der abgeschalteten Zylinder und entsprechendem Frischgaseinschluss mit dem Gasfederprinzip erreicht. Die Vorteile des effektiven Wirkungsgrades ergeben sich hauptsächlich aus der Entdrosselung des Ladungswechsels sowie zusätzlich aus der Reduzierung der Reibung. Auch in den Schubphasen kann die ZAS positiv genutzt werden, da in diesen Betriebszuständen das Bremsmoment verringert wird und längere Schubphasen ohne Kratstoffeinspritzung erzielt werden können. Abbildung 3.91 zeigt beispielhat das stationäre Verbrauchspotenzial der ZAS im Kennfeld am Beispiel eines aufgeladenen Ottomotors nach Middendorf et al. (2012). Im dritten Gang beginnt der Zylinderabschalt-Bereich bei etwa 30 km/h, im fünten und sechsten Gang endet er bei etwa 130 km/h. Die Grenzen der Anwendung von ZAS ergeben sich zum einen aus den Drehungleichförmigkeiten bei niedrigsten Drehzahlen und aus dem verbleibenden Wirkungsgradvorteil im Halbmotorbetrieb bei hohen Drehzahlen und Lasten. Der Konstantfahrverbrauch kann dabei je nach Getriebegang und Fahrgeschwindigkeit um bis zu ~ 20 % reduziert werden, insbesondere ergeben sich Vorteile im städtischen Verkehr und bei Über-Land-Fahrten. Bei der Abschätzung des ZAS-Potenzials ist es unvermeidbar, den autretenden Wirkungsgradverlust während der Umschaltung vom Vollmotor- in den Halbmotorbetrieb mit zu berücksichtigen. Um den „langsamen“ Lutpfad auf die bevorstehende Entdrosselung vorzubereiten, muss die Drosselklappe bereits vor Deaktivierung der Zylinder weiter geöffnet und der Zündwinkel zur Momentenneutralität nach spät verstellt werden. In dieser Zeit wird der Ottomotor nicht verbrauchsoptimal mit später Verbrennungsschwerpunktlage betrieben. Nach Deaktivierung der Zylinder wird über den „schnellen“ Zündwinkel durch Frühverstellung zyklussynchron die Momentenneutralität beibehalten. Auch beim Rücksprung in den Vollmotorbetrieb treten die Wirkungsgradverluste erneut auf, siehe Königstedt et al. (2012). Damit auch in diesen dynamischen Fahrzuständen der Einspareffekt durch ZAS gewährleistet ist, kommen zunehmend Steuerungslogiken zum Einsatz, die das Fahrverhalten des Fahrers im Motorsteuergerät auswerten und eine zu erwartende Dauer der Zylinderabschaltphase prädizieren. Zuküntig ergeben sich weitere Potenziale, wenn auch vernetzte Systeme wie das fahrzeugfeste Navigationssystem mit zur Prädiktion eingebunden werden können.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.91 Verbrauchspotenzial eines aufgeladenen R4-Ottomotors mit Zylinderabschaltung nach Middendorf et al. (2012)

Voraussetzung für die Anwendung der ZAS ist aus Akustik- und Schwingungsgründen der Betrieb des Verbrennungsmotors mit einem gleichmäßigen Zündabstand bei deaktivierten Zylindern. Dennoch müssen im Gesamtfahrzeug Zusatzmaßnahmen umgesetzt werden, um dem Komfortanspruch des Kunden gerecht zu werden. Neben der Einbaurichtung bezogen auf die Fahrzeuglängsachse spielen insbesondere die Auslegungen der Motorlager, der Torsionsschwingungsdämpfer und der Abgasanlage entscheidende Rollen. In Premium-Segment kommen hier zusätzlich aktive Systeme fahrzeugseitig zum Einsatz. Mit gezieltem Gegenschall über die Fahrzeuglautsprecher werden unerwünschte Geräusche unterdrückt. Auch aktive Motorlager erzeugen phasenversetzte Gegenschwingungen zum Aggregat, die beim Betrieb mit deaktivierten Zylindern entstehen, für weitere Details sei auf Königstedt et al. (2012) verwiesen.

3.5.2

Schlüsseltechnologien beim Ottomotor

Beim Ottomotor ist für den klassischen Downsizing- und Downspeeding-Ansatz die Kombination aus Benzindirekteinspritzung und Abgasturboaufladung als zentrale Schlüsseltechnologie zu sehen. Zur Akzeptanz hubraumreduzierter Motoren beim Kunden ist es notwendig, das Hauptaugenmerk in der Entwicklung auf den dynamischen und stationären Drehmomentaufbau im niedrigen Drehzahlbereich zu legen (vgl. Kap. 5). Damit ist auch bei niedrigen und für den Wirkungsgrad günstigen Fahrdrehzahlen eine ausreichende Zugkratreserve im Fahrzeug gegeben. Gleichzeitig sind Downsizing-Motoren bei Nennleistung und hohen Fahrgeschwindigkeiten hoch belastet, daher gilt auch dem Anfettungsbedarf und dem für die Bauteilkühlung verwendeten Kratstoffeinsatz besondere

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Abb. 3.92 Downsizing- und Downspeeding-Schlüsseltechnologien beim Ottomotor

Beachtung (s. Abb. 3.92). Bei nicht ausreichender Beachtung dieser Zielkonflikte können die CO2 -Potenziale im vergleichsweise schwachlastigen NEFZ und im Kundenverbrauch auseinander laufen. Generell ist das Downsizing- und Downspeeding-Potenzial in Abhängigkeit vom Verbrauchszyklus (NEFZ, s. Abschn. 19.1) zu betrachten. Es ist zu beobachten, dass die Abweichung von realem und im NEFZ gemessenem Kratstoffverbrauch bis zu 25 % betragen kann und zu weiterführenden Überlegungen eines überarbeiteten Fahrzyklus in der Europäischen Union führt. Nach Festlegung des so genannten WLTP (= Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure) als zuküntiger Normzyklus ist zu erwarten, dass das Fahrgeschehen realistischer mit höheren Fahrzeuglasten abgebildet wird. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen können den Downsizing-Grad zuküntiger Motoren entscheidend beeinflussen, da sich der Schwerpunkt bezüglich des CO2 -Potenzials vom klassischen Downsizing hin zu hubraumstärkeren Motoren mit Downspeeding verschieben kann. Sowohl bei Downsizing als auch bei Downspeeding trägt insbesondere der spülende Ladungswechsel (auch: Scavenging) zur Verbesserung des LET bei den Ottomotoren bei. Dieser kann nur durch Einsatz von Benzindirekteinspritzung und Aufladung ermöglicht werden. Bei der Realisierung des spülenden Ladungswechsels sind bei Pkw-Ottomotoren verschiedene Realisierungsmöglichkeiten in Serie vorzufinden (Abb. 3.93) Voraussetzung beim spülenden Ladungswechsel ist eine Überschneidung zwischen geöffneten Einlass- und Auslassventilen im Ladungswechsel-OT sowie eine konsequente

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

207

Abb. 3.93 Anwendungsbeispiele spülender Ladungswechsel („Scavenging“) beim Ottomotor

Zündfolgetrennung auf der Abgasseite des Ottomotors. In der Überschneidungsphase bildet sich ein treibendes Druckgefälle zwischen der Einlass- und Auslassseite aus, das das verbleibende Restgas im Brennraum zum größten Teil ausspült und mit Frischgas füllt. Damit ergeben sich neben besseren Verbrennungsbedingungen (Klopfgrenze) aufgrund des geringen Restgasniveaus eine deutlich erhöhte Zylinderfüllung, vgl. Wurms et al. (2010). Zusätzlich kann der Ottomotor mit fettem Brennraum-Lambda klopfgünstig betrieben werden, obwohl durch den Spüleffekt ein weiterhin stöchiometrisches GesamtmotorLutverhältnis erreicht werden kann. Gleichzeitig steht durch den erhöhten Abgasmassenstrom ein erhöhtes Enthalpieangebot für die Abgasturbine zur Verfügung, die eine erhöhte Verdichterantriebsleistung bewirkt. Die Zündfolgetrennung stellt dabei sicher, dass die Druckpulsationen beim Ausschieben eines Nachbarzylinders den Spüleffekt nicht stören. Einerseits kann diese Zündfolgetrennung auf der Abgasseite durch Variabilitäten im Ventiltrieb erreicht werden, siehe Wurms et al. (2010): im niedrigen Drehzahlbereich werden durch eine Ventilhubumschaltung kürzere Auslassventil-Öffnungsdauern realisiert, die maximal in der Nähe des Zündabstandes der vor Turbine zusammengeführten Zylinder liegen. Gleichzeitig können durch die Umschaltung auf lange Auslass-Steuerzeiten bei der Umsetzung hoher spezifischer Leistungen geringe Ladungswechselverluste dargestellt werden. Alternativ kann die Zündfolgetrennung durch eine Trennung der Zündfolge-benachbarten Einzelzylinder im Abgaskrümmer bis in das Turbinengehäuse (so genannte TwinScroll-Turbine) realisiert werden (Abb. 3.93). Auch hiermit findet eine weitgehende Entkopplung der Abgasdruckpulsationen vom Spülvorgang statt, vgl. Steinparzer et al. (2011). Besonderes Hauptaugenmerk dieser konstruktiven Gestaltungsmöglichkeit liegt auf der Realisierung ausreichender Einzelfluten-Querschnitte für geringe Ladungswechselverluste bei hohen spezifischen Leistungen. Auch die Werkstoffwahl der Turbine ist aufgrund der thermischen Belastung der inneren Trennrippe bei gleicher Abgastemperatur zu beachten, siehe Wurms et al. (2008).

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Abb. 3.94 Optimierung des stationären und dynamischen Drehmomentaufbaus von aufgeladenen Ottomotoren beispielhat nach Wurms et al. (2010)

An dieser Stelle sei erwähnt, dass aufgeladene R3-Ottomotoren aufgrund ihres Zündabstandes von 240 °KW von Haus aus sehr günstige Voraussetzungen zum Scavenging haben. Selbst bei der Realisierung höchster spezifischer Leistungen besteht kein Zielkonflikt zur Öffnungsdauer der Auslassventile, so dass beim 3-Zylinder-Ottomotor ein Scavenging ohne teure Zusatztechnologien möglich ist. Zur Nutzung des maximalen Potenzials ist hier lediglich eine konventionelle Nockenwellen-Verstellung erforderlich, siehe Korte et al. (2011). Aufgrund dieses Kosten- und Performance-Vorteils ist davon auszugehen, dass im Rahmen des Downsizings aufgeladene 3-Zylinder-Ottomotoren zuküntig an Bedeutung gewinnen werden. Abbildung 3.94 zeigt die Potenziale des spülenden Ladungswechsels in Kombination mit der Abgasturboaufladung beim Ottomotor beispielhat auf. Neben der stationären Volllast ist im Fahrzeug für die Zugkratreserve insbesondere der dynamische Drehmomentaufbau bei niedrigen Drehzahlen von Bedeutung. Die Bewertung wird in der Regel bei einer sprunghaten Lastanforderung durch Auswertung der Zeit vorgenommen, die bis zum Erreichen des jeweiligen Drehmomentmaximums verstreicht. Gegenüber dem Basismotor konnte durch Nutzung des Scavengings das Drehmoment stationär deutlich gesteigert werden, gleichzeitig wird das höhere Eckdrehmoment bereits bei niedrigeren Drehzahlen erreicht. Auch dynamisch ergibt sich eine deutliche Verbesserung. Weiteres Potenzial kann durch Kombination mit einem Auslass-Nockenwellenversteller gehoben werden. Neben der Optimierung des Ladungswechsels ist die darauf abzustimmende Abgasturboaufladung von hoher Bedeutung zur Darstellung eines bestmöglichen LET (Abb. 3.92).

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

209

Auch hier sind verschiedene Entwicklungen zur Verbesserung des Drehmomentaufbaus zu beobachten. Als Mainstream zeigt sich beim Ottomotor immer noch die Anwendung konventioneller Festgeometrielader mit Wastegate-Regelung. Herausforderung ist nach Sauerstein et al. (2010) hier die Spreizung zwischen LET und max. spezifischer Leistung. Weiterentwicklungen der Festgeometrielader sind auf dem Gebiet der Werkstoffwahl des Laufzeuges zu beobachten. Das Ansprechverhalten der Aufladegruppe konnte zum Beispiel durch Einsatz von Titan-Aluminid-Laufrädern mit verringerten Massenträgheitsmomenten verbessert werden, der Einsatz ist bisher jedoch auf Kleinserien beschränkt, vgl. Wurms et al. (2010). Während beim Dieselmotor die variable Turbinengeometrie (VTG) als Stand der Technik zu bezeichnen ist, bleibt sie beim Ottomotor bis heute auf Einzelanwendungen beschränkt. Im Vergleich zum Festgeometrielader können mit der VTG geringere Abgasdrücke vor Turbine und damit größere Spülgefälle erzielt werden, vgl. Sauerstein et al. (2010). Dies führt zu weiteren Potenzialen im stationären und transienten Drehmomentenaufbau (Abb. 3.94). Weitere Steigerungen des Anfahrmomentes bei extremem Downsizing können mit einstufigen Aufladesystemen auch beim Ottomotor nur begrenzt umgesetzt werden. Daher werden hier ähnlich wie beim Dieselmotor zweistufig geregelte Aufladesysteme vermehrt untersucht, siehe Wurms et al. (2010). Hier sorgt eine zweite, auf geringen Durchsatz ausgelegte kleine Aufladestufe für den gewünschten Ladedruckaufbau bei niedrigen Drehzahlen, während die große Hauptstufe auf maximalen Lutdurchsatz und gleichzeitig geringem Abgasgegendruck bei Nennleistung optimiert ist. Damit lassen sich die Aufladegrade des Ottomotors nochmals steigern und eine erhöhte Spreizung zwischen LET und max. spezifische Leistungen darstellen. Dem gegenüber steht eine erhöhte Komplexität bei der Ansteuerung der Turbolader in dynamischen Fahrsituationen – diese Technologie kann sich zuküntig ähnlich wie beim Dieselmotor als Mainstream erweisen. Bei Ottomotoren-Downsizing-Aggregaten in schweren Fahrzeugen muss der notwendige Anfettungsbedarf zum Bauteilschutz bei hohen Motordrehzahlen und –lasten berücksichtigt werden. Unter kundennahen Fahrbedingungen kann es dadurch aufgrund des hohen Aufladegrades zu Nachteilen im Kratstoffverbrauch kommen. Daher kommen häufig zusätzliche Maßnahmen zum Einsatz, die den Kratstoffverbrauch im Hochlastbetrieb reduzieren. Als weitere Schlüsseltechnologie ist hier der in den Zylinderkopf integrierte Abgaskrümmer mit Zündfolgetrennung zu sehen. Durch die Ausführung als wassergekühlten Abgaskrümmer kann auf die Volllastanfettung nahezu vollständig verzichtet werden, siehe Eiser et al. (2011) und Hrachowy (2012). Als Herausforderung einer Umsetzung in Großserie ist das thermodynamisch und thermomechanisch optimale Package aus Gaskanälen und Wasser-Kühlkanälen im Zylinderkopf zu sehen. Auch die fahrzeugseitigen Randbedingungen der Wasserkühlung sind aufgrund der erhöhten Wärmeabfuhr aus dem Abgas bei der Auslegung zu beachten. Alternativ kann die Reduktion der Volllast-Anfettung durch Maßnahmen zur Erhöhung der Abgastemperatur vor Turbine erreicht werden. Vereinzelt werden in Serie bei den Ot-

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G.P. Merker und R. Teichmann

tomotoren Abgastemperaturen bis 1050 °C in Serie umgesetzt, die erhöhte Anforderungen an hochtemperaturfeste Komponenten – insbesondere dem Abgasturbolader (Abk.: ATL) – stellen. Das Potenzial zur Kratstoff-Reduktion kann in diesen Volllast-Betriebspunkten je nach Brennverfahren bis zu 20 % betragen. In Verbindung mit extremem Downsizing ergeben sich auch Potenziale durch die mögliche Umsetzung einer gekühlten externen Abgasrückführung (Abk.: AGR). Diese kann sowohl als Niederdruck- wie auch als HochdruckAGR ausgeführt sein und erreicht eine weitere Absenkung der Volllast-Anreicherung und des Kratstoffverbrauches bei spezifisch hoch belasteten Ottomotoren, siehe Mahr et al. (2012). Generell sind beim Ottomotor hohe Downsizing-Grade umsetzbar. Diese sind dennoch angemessen zu wählen, um den Kratstoffverbrauchsvorteil sowohl im Niedriglastbereich durch die Betriebspunktverschiebung als auch im Volllastbereich durch einen geringen Anfettungsbedarf zu erzielen. Gleichzeitig sind die Kundenansprüche an die Fahrdynamik und an das Schwingungs- und Akustikverhalten des Aggregates in der jeweiligen Fahrzeugklasse zu erfüllen: „Rightsizing“.

3.5.3 Schlüsseltechnologien beim Dieselmotor Auch beim Dieselmotor ist die Kombination aus Kratstoffdirekteinspritzung und Abgasturboaufladung bereits seit vielen Jahren Stand der Technik. Hier steht ebenso die Verbesserung des LET-Verhaltens bei gleichzeitiger Umsetzung hoher spezifischer Leistungen im Fokus der Motorenentwickler. Der Schlüssel zur Erweiterung der erforderlichen Spreizung liegt in der Optimierung des Ladungswechsels gesamtheitlich mit der Abgasturboaufladung (Abb. 3.95). Der Dieselmotor bietet dabei aufgrund des hohen MitteldruckAngebotes beste Voraussetzungen zur Anwendung von Downspeeding-Strategien mit langen Getriebegesamtübersetzungen und niedrigen Fahrdrehzahlen. Generell hat die Auslegung des Ladungswechsels mit starren Einlass- und Auslassnocken Einfluss auf das Anfahrverhalten und Anbindeverhalten des Fahrzeugs. Insbesondere durch Schließen der Einlass-Nockenwelle nahe des unteren Totpunktes kann die Zylinderfüllung im niedrigen Drehzahlbereich für ein verbessertes Anfahrverhalten erhöht werden, siehe auch Eiglmeier et al. (2011). Grenzen in der Ausführung sind dann erreicht, wenn die damit einhergehende Verkürzung der Einlass-Öffnungsdauer Nachteile im Ladungswechsel bei hohen Drehzahlen und hohen spezifischen Leistungen aufweist, die durch die Abgasturboaufladung nicht mehr kompensiert werden können. Auch beim Dieselmotor müssen für ein gutes Anfahrverhalten die Druckpulsationen auf der Abgasseite analysiert und optimiert werden. So kann zum Beispiel eine konstruktive Zündfolgetrennung in der Krümmerzusammenführung zwischen den beiden Bänken eines V6-Dieselmotors die Druckpulsationen (Übersprechen) während des Auslass-Taktes erheblich reduzieren und damit Restgasgehalt und Ladungswechselarbeit reduzieren. Aufgrund des beim Dieselmotor kritischen Ventilfreiganges ist die Umsetzung eines Durchspüleffektes ähnlich wie beim Ottomotor bisher nicht gelungen (vgl. Abschn. 3.5.2).

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

211

Abb. 3.95 Schlüsseltechnologien beim Dieselmotor für effektives Downsizing/Downspeeding

Potenziale können sich hier in Zukunt durch die Kombination von variablen Ventiltrieben und neuen Aufladetechnologien ergeben. Zwar ist der Dieselmotor von der Klopfproblematik des Ottomotors nicht betroffen, jedoch kann auch dieser aufgrund des höheren Füllungsgrades bei gleicher Rauchgrenze im Anfahr- und Lastsprungverhalten profitieren, vgl. Kreuter et al. (2004). Während bei den Ventiltriebsvariabilitäten noch Potenziale in Verbindung mit Downsizing zu erwarten sind, ist die Aufladetechnologie beim Dieselmotor im Vergleich zum Ottomotor bereits weit vorangeschritten. Als Mainstream ist immer noch die MonoAusführung mit einem Abgasturbolader und VTG-Verstellung anzusehen. In der Spreizung zwischen gutem Anfahr-/Anbindeverhalten und hohen spezifischen Leistungen kommt diese jedoch an ihre Grenzen. Zur Darstellung von spezifischen Leistungen im Bereich ab 70 kW/L ist heute fast flächendeckend die zweistufig geregelte Aufladung in seriell-sequentieller Anordnung

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G.P. Merker und R. Teichmann

als Schlüsseltechnologie bei den Dieselmotoren vorzufinden. Diese erlaubt bei hervorragendem Ansprechverhalten im niedrigen Drehzahlbereich gleichzeitig eine sehr hohe spezifische Leistung bei hohen Drehzahlen. Die umgesetzte hohe Spreizung zwischen einem kleinen Hochdruck-ATL und einem vergleichsweise großen Niederdruck-ATL ist hier entscheidend in ihrer Auslegung. Dem Übergangsbereich zwischen dem zweistufigen und einstufigen Laderbetrieb kommt hierbei besondere Bedeutung zu, da der Umschaltvorgang im mittleren Drehzahlbereich ohne negative Auswirkungen auf das Fahrverhalten erfolgen muss, siehe auch Eiglmeier et al. (2011). Ein Verbrauchskennfeld bei Anwendung der 2-stufig geregelten Aufladung zeigt am Beispiel eines V6-Dieselmotors Abb. 3.96. Charakteristisch für die zweistufige Aufladung sind hier die beiden lokalen Verbrauchsminima im Motorkennfeld. Diese ergeben sich aus dem kleinen Hochdruck- und dem großen Niederdruck-Turbolader, die ihre günstigsten Wirkungsgrade jeweils bei unterschiedlichen Drehzahlen ausbilden. Besondere Beachtung muss dem 2-stufig geregelten Übergangsbereich geschenkt werden. Bei diesen mittleren Drehzahlen ist eine Wirkungsgradsenke zu durchfahren, die entsprechende Verbrauchsnachteile gegenüber der einstufigen Aufladung aufweist. Die Getriebeübersetzung und das Schaltprogramm bei Automatikgetrieben sind in der Fahrzeuganwendung so zu wählen, dass der Übergangsbereich im Kundenbetrieb möglichst wenig durchfahren wird. Die zweistufige Aufladung eignet sich jedoch hervorragend für die Kombination mit extremem Downspeeding, da hier die Wirkungsgradvorteile des kleinen Hochdruck-Turboladers gegenüber einem Mono-Konzept voll ausgespielt werden können. Zur Darstellung eines guten Ansprechverhaltens bei 2-stufig geregelter Aufladung ist die Dichtigkeit des Turbinenumschaltventils über Motorlebensdauer von entscheidender Bedeutung. Bereits kleinste Leckagen führen zu erheblichem Enthalpieverlust für die Hochdruck-Turbine. Daher wird in Eiglmeier et al. (2011) im Verlauf der Entwicklung der Dichtigkeit des Turbinenumschaltventils besondere Bedeutung beigemessen. Im Neuzustand weist eine einseitig gelagerte Umschaltklappe signifikante Dichtigkeitsvorteile gegenüber einer mittig gelagerten Klappe auf. Gleichzeitig zeigt eine einseitig gelagerte Klappe auch deutliche Vorteile in den Strömungsdruckverlusten, da diese im hohen Drehzahlbereich aus dem Bypasskanal vollständig ausfährt. Neben der 2-stufig geregelten (seriell-sequentiellen) Aufladung ist insbesondere bei VDieselmotoren auch die Registeraufladung (parallel-sequentiell) als Alternative in Serie zu finden. Diese Systeme arbeiten mit zwei unterschiedlich großen Turboladern, von denen einer zu- und abschaltbar ist. Im Anwendungsbeispiel nach Bartsch et al. (2009) ist ein etwas größerer Aktiv-Turbolader mit VTG-Verstellung im Dauerbetrieb, ein zweiter – kleinerer – Passivlader wird bei höheren Drehzahlen und Lasten zugeschaltet. Die Vorteile dieser Technologie liegen allgemein in einem sehr guten LET-Verhalten sowie in einem günstigen Katalysatoraufheizverhalten, da der Passiv-Lader im unteren Drehzahlbereich nicht durchströmt wird. Diesen Vorteilen steht der Nachteil gegenüber, dass die Registeranordnung gegenüber der 2-stufig geregelten Aufladung ein geringeres max. Leistungspotenzial besitzt, siehe Bartsch et al. (2009).

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

213

Abb. 3.96 Schlüsseltechnologie 2-stufig geregelte Aufladung beim Dieselmotor beispielhat nach Eiglmeier et al. (2011)

Für die Umsetzung höchster spezifischer Leistungen ist ein entsprechend hoher Aufladegrad erforderlich. Um auch hier den Anforderungen zwischen gutem Ansprechverhalten und maximaler Leistung gerecht zu werden, ist zunehmend die Umsetzung von 2-stufigen Ladelutkühlungen bei 2-stufig geregelter Aufladung zu beobachten. In einem Ausführungsbeispiel nach Wartha et al. (2012) ist eine für das Ansprechverhalten optimale indirekte Ladelutkühlung hinter Hochdruck-Verdichter angeordnet, während für die Sicherstellung einer effektiven Ladelutkühlung bei Nennleistung hinter NiederdruckVerdichter ein zweiter nur im Bypassbetrieb durchströmter Lut-Lut-Ladelutkühler positioniert ist. Aufgrund weiter steigender Aufladegrade beim Downsizing-Dieselmotor ist zuküntig davon auszugehen, dass wegen der Versottungsneigung durch Rückstände aus den Gasen der Kurbelgehäuseentlütungen und den zulässigen Verdichteraustrittstemperaturen zusätzlich Verdichtergehäusekühlungen umgesetzt werden. Neben der Auslegung des Ladungswechsels und des Aufladesystems sind für hohe Downsizing-Grade beim Dieselmotor auch weitere Anstrengungen beim Brennverfahren notwendig (Abb. 3.95). Während heute Zylinderspitzendrücke bis 180 bar als MainstreamPkw-Anwendung zu sehen sind, sind über weitere Steigerungen auf bis zu 200 bar weitere

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G.P. Merker und R. Teichmann

Leistungspotenziale zu heben, siehe Eidenböck et al. (2012). Niedrigere Verdichtungsverhältnisse ergeben hier weitere Potenziale, müssen jedoch die Anforderungen seitens Kaltstarttauglichkeit, Brennverfahrensstabilität und notwendiger Abgaswärme für die Abgasnachbehandlung weiterhin erfüllen. Auch mit einer Anhebung der Abgastemperatur vor Turbine (T3 ) kann durch die längere Spritzdauer eine Mehrleistung erzielt werden. Hier besteht die Herausforderung in der thermomechanischen Festigkeit der betroffenen abgasführenden Bauteile und der Abgasturbolader. Für Hochleistungsaggregate wird auch nach wie vor eine weitere Steigerung des Einspritzdruckes erfolgen. In Mainstream-Anwendungen sind heute hier 2000– 2200 bar Stand der Technik, eine weitere Erhöhung des Kratstoffdruckes ist bereits absehbar. Bei gleichem Düsendurchfluss ist auch hier eine weitere Leistungssteigerung effektiv möglich. Für den Dieselmotor hat der Begriff „Rightsizing“ eine besondere Bedeutung. Dies ergibt sich direkt aus den Wirkzusammenhängen der jüngsten Entwicklungen (Abb. 3.97). Die Automobilhersteller arbeiten aktuell zur Hebung weiterer CO2 -Reduktionspotenziale intensiv an einer Umkehrung der Gewichtsspirale. Durch den verstärkten Einsatz von Leichtbau-Materialien im Fahrzeug ist davon auszugehen, dass zuküntige Fahrzeuge innerhalb ihres Segments leichter werden. Eine angenommene Reduktion des Fahrzeuggewichtes von 100 kg kann mit einer Verbrauchsreduktion von ca. 2–4 g/km CO2 im NEFZ aus der verringerten Motorlast abgeschätzt werden. Neben der Umsetzung leichterer Fahrzeuge stehen weitere CO2 -Maßnahmen wie beispielsweise die innermotorische Reibungsreduktion im Fokus. In der Regel haben die CO2 absenkenden Zusatzmaßnahmen durch ihre innermotorische Lastabsenkung den Nebeneffekt, dass die beim Dieselmotor aufgrund seines guten Wirkungsgrades bereits geringe Abgasenergie noch weiter sinkt. So kann bei einer angenommenen CO2 -Absenkung von 10 g/km die Abgastemperaturabsenkung vor Turbine mit ca. 10 °C abgeschätzt werden. Dieser Effekt hat unmittelbare Auswirkungen auf die Betriebsbereitschat der Abgasnachbehandlungskomponenten. Für eine gute Konvertierung der CO- und HC-Rohemissionen über Motorlebensdauer ist ein schnelles Erreichen des Oxikat-Light-offs im Fahrzeug notwendig. Für die wirkungsvolle Konvertierung der Stickoxid-Emissionen muss gleichzeitig die Betriebsbereitschat eines SCR-Systems erreicht werden. Auch bei alternativem Einsatz eines NOx -Speicherkatalysators, der prinzipiell die Aufgaben der CO- und HC-Konvertierung mit übernehmen kann, ist die schnelle Aufheizung für eine wirkungsvolle Konvertierung wichtig. Der Wunsch eines schnellen Aufheizens der Abgasnachbehandlung steht daher heute im direkten Zielkonflikt mit der Abgastemperatur-absenkenden Wirkung von CO2 -Maßnahmen. Downsizing und Downspeeding können aufgrund der damit verbundenen Betriebspunktverlagerung wirkungsvoll eine Erhöhung der Abgastemperaturen für eine effektive Abgasnachbehandlung und gleichzeitig die Umsetzung von CO2 -Maßnahmen ermöglichen. Bei der Umsetzung des Downsizings ist jedoch zu beachten, dass Maßnahmen zur Steigerung der effektiven spezifischen Leistung den Vorteil einer höheren Abgastemperatur

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

215

Abb. 3.97 Wirkzusammenhänge CO2 , Abgastemperatur, Emissionen beim Dieselmotor

mindestens zum Teil wieder kompensieren können. So ist bei Umsetzung einer 2-stufig geregelten Aufladung mit den beiden Abgasturbinen eine höhere thermische Masse zwischen Auslassventilen und Abgasnachbehandlungssystem aufzuheizen. Während der Downsizing- und Downspeeding-Ansatz für die Konvertierfähigkeit des Abgasnachbehandlungssystems in Summe einen Vorteil aufweist, kommt jedoch beim PKW-Dieselmotor erschwerend der direkte Zusammenhang von Motorlast und StickoxidRohemissionen zum Tragen. Mit moderatem Downsizing kann bei nahezu konstanten Stickoxid-Emissionen durch die Betriebspunktverlagerung zwar eine CO2 -Absenkung erreicht werden, jedoch steigen bei zu geringem Hubvolumen die NOx -Rohemissionen so stark an, dass ggf. motorinterne und verbrauchsverschlechternde Maßnahmen zur Einhaltung der NOx -Grenzwerte erforderlich werden, siehe Schommers et al. (2011). Generell ist daher das Downsizing-Potenzial beim Dieselmotor als begrenzt anzusehen: hohe innere Motorlasten führen zwar zu guten Konvertierungsraten des Abgasnachbehandlungssystems und besseren Motorwirkungsgraden, jedoch auch zu höheren NOx Rohemissionen. Der Schlüssel ist daher in einem angemessenen Downsizing-Grad zu sehen, kurz gesagt „Rightsizing“. Da bei den Automobilherstellern ein Motoraggregat meist in mehreren Fahrzeugklassen zur Anwendung kommt, müssen bei der Wahl des richtigen Downsizing-Grades die abzudeckenden Fahrzeuggewichte in die Überlegungen mit einbezogen werden. Auch die gesetzlichen Randbedingungen, die sich zum Beispiel durch endgültige Definition eines

216

G.P. Merker und R. Teichmann

überarbeiteten Fahrzyklus in der Zukunt verändern können, müssen dabei insbesondere beim Dieselmotor frühzeitig mit berücksichtigt werden.

3.6 Hybridantriebe und Range Extender 3.6.1 Elektriizierung des Antriebs Die für unsere heutige individuelle Mobilität mit dem Automobil erforderliche Energie ist zu über 95 % fossiler Herkunt und dabei überwiegend erdölbasiert. Gleiches gilt für den Gütertransport auf Straße und Wasser sowie für den Betrieb mobiler Arbeitsmaschinen. Aber auch im internationalen Zugverkehr und beim Betrieb stationärer Kratmaschinen werden fossile flüssige oder gasförmige Kratstoffe in großem Umfang eingesetzt. Die Reduzierung der CO2 -Emission bei steigendem Mobilitätsbedarf, die Endlichkeit der fossilen Energieträger, und der Wunsch nach größtmöglicher politischer und wirtschatlicher Unabhängigkeit im Energiesektor beeinflusst mittel- und langfristig die Energiewandlungsprozesse zur Erzeugung mechanischer Antriebsenergie. Trotzdem wird der Verbrennungsmotor auf heute nicht absehbare Zeit der zentrale Energiewandler bleiben. Seit Jahrzehnten wird in Teilbereichen der konventionelle Kratstoff zunehmend mit biogenen oder nicht erdölbasierten, aber immer noch fossilen, Kratstoffen ergänzt oder gar substituiert, siehe Abschn. 2.5 und 2.6. Eine weitere und gerade in den letzten etwa zehn Jahren intensiv entwickelte Technologie ist die Anwendung der sogenannten sauberen elektrischen Energie für den Antrieb von Fahrzeugen und mobilen Arbeitsmaschinen. Bereits zur vorletzten Jahrhundertwende hatten in den USA 38 % der 4000 produzierten Fahrzeuge einen Elektroantrieb, der Rest waren Dampfwagen oder benzinbetriebene Fahrzeuge. Auch in Deutschland wurden in dieser Zeit Busse elektrisch betrieben; die Lohner-Porsche Kutsche mit Radnabenmotoren gilt als der erste serielle Hybridantrieb, Hofmann (2010). Der unüberwindbare Nachteil der begrenzten Speicherung von elektrischer Energie in Bleibatterien war letztlich das Aus für diese erste Phase der E-Mobilität. Auf der anderen Seite wurde der Verbrennungsmotor immer komfortabler und leistungsfähiger. Es ist nicht zuletzt dem amerikanischen Ingenieur und Erfinder Charles F. Kettering zu verdanken, dass durch seine Erfindung des elektrischen Starters der Verbrennungsmotor einfach zu starten war und damit die Akzeptanz bei den Kunden deutlich erhöhte. Der Zwang zur drastischen CO2 -Reduzierung im Verkehrsbereich auf 95 g CO2 /km in 2020 und geplanten 70 g CO2 /km in 2025 als Zyklusmittelwert der in der EU produzierten Pkw führt zur Entwicklung effizienterer und damit CO2 -ärmeren, -neutralen oder gar -freien Energiewandler. Die elektrische Energie spielt dabei eine zentrale Rolle, weil ihr Einsatz im Fahrzeug außerdem die Schadstoffemission der konventionellen Verbrennungsmotoren verringern oder bei rein elektrischem Betrieb lokal gänzlich vermeiden kann. Die klimarelevante globale CO2 -Freiheit der elektrischen Energie gilt natürlich nur, wenn die

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

217

Abb. 3.98 Treibhausgasemissionen verschiedener Energieträger (Quelle: VDA Technischer Kongress 2009, 25.–26. März 2009 VW Wolfsburg (AutoUni), „Der Weg zur Elektrifizierung des Antriebsstranges“, Dr. Steffen Berns/Dr. Dieter Krat, Robert Bosch GmbH)

elektrische Energie selbst über CO2 -freie Prozesse, wie zum Beispiel aus Windkrat, der Photovoltaik oder nachwachsenden Rohstoffen „erzeugt“ wird. Da heute für die gesetzlichen Vorgaben nur die CO2 -Emission vom Tank zum Rad (Tank to Wheel) erfasst wird, gilt der rein elektrische Antrieb als CO2 -freier Antrieb; sämtliche „Well to Tank“ Emissionen werden derzeit nicht berücksichtigt. Abbildung 3.98 zeigt sowohl die durch den Energie-Bereitstellungsprozess, als auch die durch die Energiewandlung in mechanische Antriebsenergie erzeugte CO2 -Emission. Die elektrische Energie kann zur Verringerung der CO2 -Belastung wesentlich beitragen, einerseits durch das Potential bei der Erzeugung und andererseits durch den höheren Wandlungswirkungsgrad in den elektrischen Maschinen. Die Elektrifizierung des Antriebs beginnt prinzipiell schon bei dem nach Bedarf regelbaren elektrischen Antrieb der Nebenaggregate eines Motors wie zum Beispiel Wasserpumpe oder Ölpumpe. Dadurch wird direkt der Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors positiv beeinflusst und indirekt über ein optimiertes hermomanagement, das sich auch positiv auf die Schadstoffemissionen auswirken kann. Durch die an Last und Drehzahl angepassten Kühlmittel- und Schmiermittelströme können der Leistungsbedarf der Pumpen und die Reibverluste des Motors, beispielsweise nach dem Kaltstart, reduziert werden, die Kratstoffeinsparungen können bis zu 3 % betragen, van Basshuysen und Schäfer (2012). Auch der Wechsel von pneumatisch oder hydraulisch oder direkt vom Motor mechanisch ange-

G.P. Merker und R. Teichmann CO2-Emissionen [g/km]

218 150

136 g/km

140 130

E-Fahrzeuge + PHEV

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor

5

36

≈ 87%

120 110

Ziel: 95 g/km

100

Floe EU 2020

Floe EU 2011

Abb. 3.99 Anteil des zu erwartenden CO2 -Reduzierungspotentials durch die E-Mobilität zur Erreichung der zuküntigen CO2 Ziele (Quelle: nach Bosch Media Service: http://www.bosch-presse. de/presseforum, „CO2-Emissionen reduzieren mit optimiwwerten Verbrennungsmotoren“, Referat von Dr. Rolf Leonhard Bereichsvorstand Entwicklung Diesel Systems anlässlich des 60. Motorpressekolloquiums in Boxberg im Juni 2011) 25.000 2.956

22.500

Anzahl der Neuzulassungen

20.000 17.500 15.000 2.154 12.500 541

10.000 162

8

7.500

36 47 2.500

10.661

19

5.000 3.589

7.591 5.278

21 438 21.438

6.464

12.622

8.374

0 2005

2006

Hybridfahrzeuge (HEV)

2007

2008

Elektrofahrzeuge (EV)

2009

2010

2011

2012

Jahr

Abb. 3.100 Entwicklung der Neuzulassungen von E- und Hybridfahrzeugen in Deutschland (Quelle: Statista 2013 (KBA, VDA))

triebener Steller oder Hilfsaggregate in elektrisch betätigte Aktuatoren trägt zur Elektrifizierung bei. Nachfolgend soll aber die sogenannte E-Mobilität, das heißt die direkte Integration elektrischer Komponenten in den Antriebstrang und deren Auswirkungen auf den Verbrennungsmotor betrachtet werden. Der rein elektrische Antrieb über Batterien oder

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

219

Produktion Welt Prozentualer Anteil an der P Gesamtp produkon

100%

50%

0% HEV

reiner VM-Antr.

2020

VM + HEV P-HEV + RE

HEV

reiner VM-Antr.

VM + HEV P-HEV + RE

2030 Range der Prognosen

Abb. 3.101 Prognosen der elektrifizierten Pkw-Antriebe mit Verbrennungsmotor, weltweit (Quelle: McKinsey, Bosch, Conti, Fraunhofer, Pierburg)

mittels Brennstoffzellen, ohne jegliche verbrennungsmotorische Unterstützung wird hier nicht behandelt, siehe hierzu z. B. Kasper und Schünemann (2012). Die intensive Diskussion der Elektrifizierung des Antriebs in Politik und Medien darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Verbrennungsmotor noch auf lange Sicht dominierend sein wird und dass nur durch Verbesserungen am Verbrennungsmotor und natürlich am Gesamtfahrzeug die CO2 -Ziele erreichbar sein werden. Abbildung 3.99 zeigt, dass bis zum Jahr 2020 die Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeuge nur etwa 13 % zur notwendigen CO2 Reduzierung beitragen, das verbrennungsmotorisch angetriebene Fahrzeug aber 87 % beisteuern muss. Die Anstrengungen zur Weiterentwicklung dieser Antriebstechnologie dürfen also nicht nachlassen. Die aktuellen Zulassungszahlen für Elektro- und Hybridfahrzeuge zeigt Abb. 3.100. Trotz einer Verdopplung der Neuzulassungen in 2012 gegenüber 2010 ist ihr Anteil von 0,8 % an den Gesamtzulassungen in 2012 noch verschwindend gering. Die Prognosen zur weltweiten Produktion von Hybridantrieben zeigt Abb. 3.101 mit einer starken Streubreite. Der Verbrennungsmotor bleibt aber auch in der extremsten Prognose für 2030 mit einem Anteil von 65 % an den Antriebskonfigurationen beteiligt. Die Größe der Verbrennungsmotoren wird dabei von 2 bis 6 Zylinder reichen mit einem Schwerpunkt bei 3-und 4-Zylindermotoren.

3.6.2 Hybridantriebe Der Begriff „Hybrid“ kommt in dem hier verwendeten Sinn aus dem Lateinischen mit griechischem Ursprung und bedeutet „gemischt“, „von zweierlei Herkunt“ beziehungsweise „zusammengesetzt“. Ein Fahrzeug mit einem Hybridantrieb besitzt somit mindestens zwei

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G.P. Merker und R. Teichmann

verschiedene Energiewandler und zwei verschiedene Energiespeicher zu dessen Antrieb, Hofmann (2010) und Richtlinie des europäischen Parlaments (2007). Die Energiewandler können mechanische Energie zum direkten Fahrzeugantrieb oder elektrische Energie für den Antrieb bereitstellen. Die Energie kann als chemisch gebundene Energie (Kratstoffe), mechanische Energie (Schwungrad, Druckspeicher oder Federspeicher) und elektrische Energie sowie als Kombinationen dieser Energieformen gespeichert werden. Nachfolgend sollen nur Systeme auf Basis chemisch und elektrisch gespeicherter Energie und deren direkte und indirekte Wandlung in mechanische Antriebsenergie betrachtet werden, siehe auch Tschöke (2012). Hybridfahrzeuge werden üblicherweise nach zwei Hauptkriterien unterschieden. Die Einteilung der Fahrzeuge erfolgt einerseits nach ihrem Hybridisierungs- oder Elektrifizierungsgrad und andererseits nach der Antriebsarchitektur, das heißt der Kombination und dem Einsatz der Antriebskomponenten beziehungsweise dem Energiefluss. Wichtige Unterscheidungsmerkmale für Hybridantriebe sind außerdem die Betriebszustände, die realisierbar sind, wie zum Beispiel: • • • • • • •

Rein verbrennungsmotorisches Fahren Rein elektrisches Fahren Hybridisches Fahren Boosten Regeneratives Bremsen (Rekuperation) Elektrische Energieerzeugung (Generatorbetrieb) Start-Stopp-Funktion.

Einteilung nach dem Hybridisierungs- oder Elektriizierungsgrad Abhängig von der Verfügbarkeit und Speicherung der beiden Energieformen und damit zusammenhängend von der Auslegung beziehungsweise Größe der Antriebsmaschinen unterscheidet man zwischen • • • •

Mikrohybrid, Mildhybrid, Vollhybrid und Plug-in-Hybrid,

siehe auch Richtlinie des europäischen Rates (2007) und Reif (2010). Mikrohybrid Der Mikrohybrid ist nach oben stehender Definition kein Hybridantrieb. Der Fahrantrieb erfolgt hier ausschließlich und direkt über die vom Verbrennungsmotor bereitgestellte mechanische Energie. Die elektrische Energie aus der Standardbordnetzbatterie und dem Standardgenerator (14 V) wird nur für die Betriebsstrategie des Verbrennungsmotors bei stillstehendem Fahrzeug eingesetzt (Start-Stopp-Funktion). Hält beispielsweise das Fahr-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

221

zeug an einer Verkehrsampel, das heißt die Geschwindigkeit ist Null, der Drehmomentstrang ist unterbrochen (kein eingelegter Gang bei Schaltgetrieben), eine ausreichende Batteriekapazität für den Wiederstart sowie entsprechende Betriebstemperatur sind vorhanden, dann wird der Motor abgestellt. Bei Betätigung der Kupplung oder nach lösen der Bremse (bei Automatikgetrieben) startet der Verbrennungsmotor wieder automatisch. Das Start-Stopp-System erfordert wegen der häufigeren Startvorgänge (> 500.000 während der Lebensdauer) einen verstärkten Ritzelstarter oder wird über einen Riemenstarter/Generator realisiert. Auch die Batterie muss die deutlich höhere Zahl von Startvorgängen ertragen können und gegebenenfalls durch eine zusätzliche, meist kleinere Batterie gestützt werden, um die Spannungsveränderungen im Bordnetz während der Startphase zu vermeiden. In begrenztem Umfang ist im Schiebebetrieb des Verbrennungsmotors eine Rekuperation der Bremsenergie möglich, um über den Generator die Bordnetzbatterie zu laden. Abhängig von der Systemauslegung ist dann zum Beispiel für die Beschleunigung die volle Leistung des Verbrennungsmotors verfügbar, da die Versorgung der elektrischen Verbraucher ausschließlich über die Batterie erfolgt. Hierzu ist ein Batteriemanagement mit Ladezustandssensor erforderlich, Liebl (2006). Bei Motorstillstand ist sicherzustellen, dass die üblicherweise durch den Verbrennungsmotor angetriebenen Nebenaggregate (wie z. B. Klimakompressor) elektrisch angetrieben werden, sofern deren Funktion während der Stillstandsphasen erforderlich ist. Der Mikrohybrid ist eine wichtige Stufe der Elektrifizierung des Verbrennungsmotors und kann Verbrauchseinsparungen im NEFZ bis zu 5 % und im reinen Stadtverkehr bis zu 10 % ermöglichen. Mildhybrid Der Mildhybrid, siehe Abb. 3.102, verfügt neben dem Verbrennungsmotor als Hauptantriebsmaschine über eine elektrische Maschine mit einer Leistung bis etwa 20 kW und eine zusätzliche Traktionsbatterie neben dem Niederspannungsbordnetz. Die elektrische Maschine übernimmt die Start-Stopp-Funktion (siehe Mikrohybrid), kann als Anfahrhilfe und zur Unterstützung bei der Beschleunigung (Boosten) dienen sowie zur Bremsenergierückgewinnung genutzt werden. Abhängig von der Systemauslegung bleibt der konventionelle Starter unter Umständen erhalten, um den Kaltstart des Verbrennungsmotors bei sehr niedrigen Temperaturen zu gewährleisten. Die Elektromaschine des Mildhybrids ist direkt mit der Kurbelwelle des Verbrennungsmotors als KurbelwellenStarter-Generator verbunden. Bei der Anfahr- und Beschleunigungsunterstützung wird das Antriebsmoment des Verbrennungsmotors durch das Moment des Elektromotors erhöht und führt zu einem besseren dynamischen Fahrverhalten, besonders in unteren Drehzahlbereichen. Ein rein elektrisches Fahren ist meist nicht sinnvoll oder möglich, weil durch die direkte Kopplung zusätzlich das Schleppmoment des inaktiven Verbrennungsmotors aufgebracht werden muss. Durch Zylinderabschaltung in diesem Betriebsmodus kann dieses Schleppmoment reduziert und ein kurzzeitiges elektrisches Fahren erleichtert werden (entspricht dann Parallelhybrid). Zur Bremsenergierückgewinnung wird die elektrische Maschine als Rekuperator genutzt. Das Spannungsniveau für die Elektroma-

222

G.P. Merker und R. Teichmann

Mild Hybridantrieb

Elektrofahrzeug

Full-/Plug-in-Hybridantriebe Paralleler Hybrid

Axle-Split Hybrid

1

1

Leistungsverzweigter Hybrid

Serieller Hybrid 1

1

1

(Batterie/Brennstoffzelle)

3

4

2

3 2

5

4 +

+

8

8

+ 9

5

6

BZ +

+

5

6

5

+ 6

7

9

H2

-

9

-

7

-

7

3

-

9

-

-

9

5

2

3

+

-

6

6

6

10

7

5

3

4

7

3

• Unterstützung der VKM beim Anfahren • Kein rein elektrisches Fahren üblich • Rekuperation

• Fahren mit VKM und/oder E-Motor • Laden der Batterie während der Fahrt möglich • Rekuperation

• Fahren nur mit E-Motor möglich • VKM treibt ausschließlich Generator an • Rekuperation

1 2 3 4 5

Verbrennungsmotor Kupplung E-Maschine Getriebe Leistungselektronik

• Rein elektrisches Fahren • Rekuperation • Range Extender (nur bei Batteriefahrzeugen)

6 Traktionsbatterie Plug-In 7 Plug In 8 Generator 9 Tank 10 Planetengetriebe

Abb. 3.102 Basisarchitektur der elektrifizierten Fahrzeugantriebe

schine und die Traktionsbatterie liegt mit 42 bis 150 V deutlich über dem des Bordnetzes. Außerdem ist während der Batterieladung eine Lastpunktverschiebung für den Verbrennungsmotor möglich, um den spezifischen Kratstoffverbrauch zu senken. Die realisierte Kratstoffeinsparung gegenüber konventionellen Antrieben beträgt im NEFZ 15 bis 20 %, siehe Wallentowitz und Freialdenhoven (2011). Auf Komponentenebene erfordern Mildhybride neben der größeren Elektromaschine eine fortgeschrittene Batterietechnik zur Zwischenspeicherung der Energie (Traktionsbatterie) sowie Steuergeräte mit erweiterter Funktionalität für das Batteriemanagement und die Abstimmung der verschiedenen Betriebsmodi. Der Verbrennungsmotor muss die Dauer- und Spitzenleistung zur Verfügung stellen. Vollhybrid Der Vollhybrid, siehe Abb. 3.102, ermöglicht sowohl ein rein elektrisches als auch ein rein verbrennungsmotorisches oder kombiniertes Fahren. Die Energieflüsse können folglich parallel, seriell oder als Kombination daraus (leistungsverzweigt), abhängig von der Anordnung, Auslegung und Anzahl der Antriebskomponenten verlaufen. Im Gegensatz zum Mildhybrid mit der starren Verbindung zwischen Verbrennungsmotor und elektrischer Maschine muss der Verbrennungsmotor beim rein elektrischen Fahren nicht mehr mitgeschleppt werden. Die elektrische Antriebsleistung liegt bei mehr als 20 kW und erreicht je nach Energieflussstrategie Werte von etwa 60 kW und auch darüber. Das Hochspannungsbordnetz für den elektrischen Fahrbetrieb und die Traktionsbatterie arbeitet in Bereichen von 200 bis 400 V. Parallel ist für die Standardverbraucher das übliche 14-V-Bordnetz

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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installiert. Ein zusätzlicher Generator hierfür ist nicht mehr notwendig. Die Niederspannungsbatterie wird aus der Energie der elektrischen Maschine für den Fahrbetrieb über die Hochspannungsbatterie und einen DC/DC-Wandler gespeist. Abhängig von der Systemauslegung bleibt der konventionelle Starter unter Umständen erhalten, um, ähnlich dem Mildhybrid, den Kaltstart des Verbrennungsmotors bei sehr niedrigen Temperaturen zu gewährleisten. Das Potential für die Kratstoffverbrauchsreduzierung liegt bei 20 bis 30 % im NEFZ, hängt aber wesentlich von der Energieflussstrategie ab. Die rein elektrisch zu fahrenden Distanzen sind ohne vergrößerte Batteriekapazität (siehe Plug-in-Hybrid) gering und liegen im Bereich von < 10 km. Plug-in-Hybrid Der Plug-in-Hybrid, siehe Abb. 3.102, ist ein Vollhybrid mit der Möglichkeit der Batterieaufladung aus einer externen Stromquelle (zum Beispiel Steckdose). Auch andere Ladesysteme (beispielsweise berührungslose bei Fahrzeugstillstand oder während langsamer Fahrt) sind in der Entwicklung. Hauptziele der Plug-in-Technik sind, die elektrische Reichweite deutlich zu verlängern und die elektrische Energie unabhängig vom Verbrennungsmotor verfügbar zu machen. Hierzu sind in erster Linie größere Batterien mit einer höheren Energiekapazität erforderlich. Die realistischen elektrischen Reichweiten liegen derzeit bei 30 bis 100 km und hängen sehr stark vom Fahrprofil oder Testzyklus und den Umgebungsbedingungen (wie Temperaturen) ab. Plug-in-Hybride bilden die Brücke vom rein verbrennungsmotorischen Antrieb zum rein elektrischen Antrieb. Abhängig von der installierten elektrischen Energiekapazität kann der elektrische Fahrbetrieb einen immer größeren Anteil des Gesamtbetriebs übernehmen, bis letztlich zu 100 % elektrisch gefahren wird. Plug-in-Hybride sind besonders attraktiv für den täglichen Kurzstreckenverkehr; in Europa liegen 70 bis 80 % der täglich zurückgelegten Strecken unter 50 km, nach Fischer (2009). Hauptnachteil der Plug-in-Hybride sind derzeit noch die hohen Kosten, der große Raumbedarf, das hohe Gewicht und die unbefriedigende Ladesituation (Verfügbarkeit und Dauer). Nach dieser grundsätzlichen Definition und Einteilung der Hybridantriebe entsprechend ihres Elektrifizierungsgrads werden nachfolgend die Unterschiede im Energie- oder Leistungsfluss des Antriebsstrangs auf Basis der unterschiedlichen Komponentenarchitekturen (Anordnung und Auslegung) beschrieben.

Einteilung nach dem Energieluss oder der Antriebsarchitektur Abhängig von der Anordnung und Kombination der Komponenten Verbrennungsmotor, Elektromaschine, Batterie, Getriebe und Kupplung wird bezüglich des Leistungsflusses unterschieden in: • serieller Hybridantrieb • paralleler Hybridantrieb • leistungsverzweigter oder kombinierter Hybridantrieb.

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Serieller Hybridantrieb Beim seriellen Hybridantrieb, siehe Abb. 3.102, sind die Energiewandler Verbrennungsmotor und Elektromaschine in Reihe, also hintereinander oder seriell, angeordnet. Dabei ist mit dem Verbrennungsmotor ein Generator direkt mechanisch gekoppelt, der die elektrische Fahrenergie erzeugt, die dann über die zweite elektrische Maschine, die sowohl motorisch als auch generatorisch (für die Rekuperation) arbeitet, das Fahrzeug antreibt. Der Antrieb erfolgt somit immer elektrisch und der Verbrennungsmotor arbeitet abhängig von der Betriebsstrategie. Im einfachsten, aber unwirtschatlichsten Fall erzeugt der Verbrennungsmotor immer gerade die erforderliche elektrische Energie. Das heißt, die maximale Leistung des Verbrennungsmotors (Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigungsvermögen) muss um die elektrischen Verluste für die zweimalige Energiewandlung (mechanisch/elektrisch und elektrisch/mechanisch) höher sein als bei einem direkten mechanischen Durchtrieb. Die elektrischen Maschinen müssen auf die entsprechende hohe Leistung ausgelegt werden (Gewicht, Kosten, aber Vorteile bei der Rekuperation). Grundsätzlich wird der Gesamtwirkungsgrad durch die zusätzlichen Energiewandlungen schlechter als bei reinem verbrennungsmotorischem Betrieb. Diese klassischen seriellen Hybridantriebe werden seit langem für Bahn- und Schiffsantriebe angewandt, aber weniger im Pkw. Bei größerer Batteriekapazität können der Verbrennungsmotor und der Generator kleiner ausgeführt werden; eine Betriebspunktoptimierung für den Verbrennungsmotor im Hinblick auf Verbrauch und Emissionen wird möglich, zum Beispiel Vermeidung von extremem Kaltstart. Der Verbrennungsmotor liefert dann nur noch eine mittlere Leistung und gibt die über dem Fahrbedarf liegende Energie an die Batterie ab, die dann die Zusatzenergie für Beschleunigungs- und kurze Höchstgeschwindigkeitsphasen bereitstellt. Damit lässt sich der Wirkungsgradnachteil durch die genannten Energiewandlungsprozesse teilweise kompensieren. Grundsätzlich sind alle anfangs erwähnten Betriebsmodi fahrbar, wenn man den rein verbrennungsmotorischen Betrieb nicht als direkt mechanisch gekoppelten Antrieb versteht. Durch die Plug-in-Technik in Verbindung mit einer erhöhten Batteriekapazität kann der Verbrennungsmotor weiter verkleinert werden, sodass er letztlich nur noch als sogenannter Reichweitenverlängerer (Range Extender) dient. Paralleler Hybridantrieb Beim parallelen Hybridantrieb, siehe Abb. 3.102, sind prinzipiell, im Gegensatz zum seriellen Hybridantrieb, nur eine elektrische Maschine (motorisch und generatorisch arbeitend) und eine Kupplung erforderlich. Bei geöffneter Kupplung kann rein elektrisch und in geschlossenem Zustand rein mechanisch oder mechanisch/elektrisch gefahren werden. Je nach Ausführung der Ankopplung der Elektromaschine zum Verbrennungsmotor (direkt, über Stufengetriebe) kann die gewünschte Fahrleistung über eine Drehmomentaddition (Drehzahlen stehen in einem festen Verhältnis zueinander) oder mittels Planetengetriebe über Drehzahladdition erreicht werden. Beim Einsatz eines Doppelkupplungsgetriebes sind die beiden Energiewandler in unterschiedlichen, wirkungsgradoptimalen Betriebspunkten betreibbar.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Ein einfacher Parallelhybrid ist der oben beschriebene Mildhybrid mit KurbelwellenStarter-Generator, bei dem die Kupplung nach der elektrischen Maschine angeordnet ist. Im Falle des reinen elektrischen Antriebs ist dann aber, wie bereits erwähnt, das Schleppmoment des Verbrennungsmotors zu überwinden. Je nach Ausführung der elektrischen Komponenten ist meist nur ein Boosten, ein extrem kurzzeitiges elektrisches Fahren oder „Segeln“, das heißt das Halten einer konstanten, geringen Fahrgeschwindigkeit, möglich. Der serielle Hybridantrieb kann durch eine kuppelbare mechanische Drehmomentverbindung zwischen den beiden elektrischen Maschinen zum Parallelhybrid aufgerüstet werden. Die elektrischen Maschinen könnten kleiner ausgeführt werden, wenn bei niedrigem Leistungsbedarf seriell gefahren wird und bei hohem Leistungsbedarf nur der Verbrennungsmotor über den Direktdurchtrieb oder beide Energiewandler wirken. Eine weitere Variante ist die Leistungsaddition über die Zugkrat, das heißt nicht im Antriebsstrang erfolgt die Addition, sondern durch die Traktion auf der Straße. In diesem Fall wirkt je ein Energiewandler auf eine Achse, das heißt es kann ein Front-, Hinterrad- und Allradantrieb realisiert werden, auch Axle-Split-Hybrid genannt. Die Antriebsleistung lässt sich im Rahmen der Auslegungsgrenzen beliebig auf die beiden Achsen verteilen. Die Versorgung der Bordnetze muss bei Fahrzeugstillstand über einen leistungsfähigen Generator des Verbrennungsmotors erfolgen. Außerdem wird der Verbrennungsmotor durch den eigenen, konventionellen Starter angelassen. Diese Variante ermöglicht dem Fahrzeughersteller im Zusammenhang mit kostengünstigen Plattform- und Baugruppenstrategien eine hohe Flexibilität in den Antriebskonfigurationen. Während der serielle Hybrid in seiner Weiterentwicklung zum reinen Elektrofahrzeug mit Range Extender führt, wird bei der parallelen Antriebsstruktur der elektrische Betrieb eher für den Teillastbereich optimiert und der Hochleistungsbedarf durch den Verbrennungsmotor abgedeckt. Leistungsverzweigter Hybridantrieb Beim leistungsverzweigten Hybridantrieb, siehe Abb 3.102, auch Power-Split-Hybrid genannt, wird die vom Verbrennungsmotor erzeugte Leistung in einem Planetenradgetriebe in einen mechanischen Teil (mechanischer Pfad) und einen elektrischen Teil (elektrischer Pfad) aufgeteilt. Durch das Planetenradgetriebe kann sowohl die serielle als auch die parallele Hybridstruktur umgesetzt werden. Grundsätzlich lassen sich diese beiden Modi auch durch die direkte mechanische Kopplung der beiden elektrischen Maschinen eines seriellen Hybridantriebs darstellen. Das Planetenradgetriebe erlaubt eine elegante, übersetzungsflexible und kostensparende Kombination dieser beiden Pfade. Damit kann der Verbrennungsmotor in weiten Bereichen betriebspunktoptimal betrieben werden und weitere Getriebe können entfallen. Der Verbrennungsmotor wirkt auf den Planetenradträger, der Generator ist mit dem innenliegenden Sonnenrad verbunden, während die Antriebsachse und die elektrische Maschine im Falle des sogenannten ausgangsgekoppelten Planetenradgetriebes mit dem äußeren Hohlrad gekoppelt sind, siehe Hofmann (2010). Durch das Planetenradgetriebe ist zwangsläufig beim aktiven mechanischen Antriebspfad über den Verbrennungsmotor immer eine Erzeugung elektrischer Leistung

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G.P. Merker und R. Teichmann

im Generator verbunden, die in der elektrischen Maschine in mechanische Antriebsenergie gewandelt wird (bei höherem Leistungsbedarf, Boosten). Beim rein elektrischen Fahren und bei der Rekuperation ist nur die Elektromaschine aktiv, entweder gespeist aus der Traktionsbatterie oder zu deren Aufladung. Schlussfolgerung Die vorgestellten Hybridsysteme haben, wie beschrieben, ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Abhängig vom Einsatz (Fahrstreckenlänge, Topografie), der Fahrzeuggröße, den gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber auch vom emotionalen Bedürfnis des Kunden und nicht zuletzt der Kostenentwicklung entscheidet sich, ob und welche Hybridsysteme breite Akzeptanz finden. Die Basishybridsysteme werden deshalb kontinuierlich weiterentwickelt und sind in verschiedenen Modifikationen am Markt verfügbar. Trotzdem gibt es noch erheblichen Bedarf an Verbesserungen hinsichtlich Komponenten- und Systemfunktion, Kosten, Gewicht und Lebensdauer. Unabhängig davon hat die Elektrifizierung des Antriebstrangs durch die Hybridtechnik bereits einen hohen technischen Stand erreicht, der es erlaubt, einen Beitrag zur Erfüllung der Emissionsvorschriten (Schadstoffe und CO2 ) zu leisten. Start-Stopp-Systeme werden sich weiter durchsetzten und, abhängig von der Fahrzeugklasse, zu Mildhybriden erweitert. Bei den Vollhybriden geht der Trend zu den Parallelsystemen. Die seriellen Ausführungen werden zu Elektrofahrzeugen mit Range Extender oder in Kombination mit den Parallelsystemen weiterentwickelt, hier sind allerdings Aufwand und damit Kosten deutlich zu verringern. Sämtliche Systeme sind mit Plug-in-Technik kombinierbar, allerdings mit unterschiedlicher Notwendigkeit.

3.6.3 Range Extender Das größte Handicap rein batteriebetriebener (technisch exakt akkumulatorbetriebener) Elektrofahrzeuge ist nach wie vor, trotz aller Anstrengungen, die deutlich geringere Reichweite gegenüber einem konventionellen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Die Tankfüllung moderner Benzin- und Dieselfahrzeuge reicht im Praxisbetrieb für 600 bis über 1000 km. Bei den Elektrofahrzeugen ist eine Praxisreichweite von 100 km derzeit ein guter Wert; viele Fahrer sind jedoch unsicher und entwickeln eine sogenannte „Reichweitenangst“. Außerdem wird die Situation durch eine unzureichende Ladeinfrastruktur und die sehr langen Ladezeiten, die sich in Stunden bemessen, erschwert. Zu diesen Nachteilen gegenüber dem verbrennungsmotorischen Antrieb kommen noch höhere Kosten und eine begrenzte Transportkapazität. Die Akzeptanz von reinen Elektrofahrzeugen ist derzeit deshalb eingeschränkt. Abhilfe kann ein zusätzlicher, von der Batterie unabhängiger Energiespeicher und -wandler schaffen, d. h. ein sogenannter Reichweitenverlängerer, kurz als Range Extender (RE) bezeichnet.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Deinition Der Begriff Range Extender wird bevorzugt in Europa verwendet; in den USA spricht man vom Extended Range Electric Vehicle. Grundsätzlich entspricht die RE-Architektur einem seriellen Hybridantrieb, wenn der Antrieb des Fahrzeugs ausschließlich über den elektrischen Fahrmotor erfolgt. Der RE ist in der Standardvariante eine Verbrennungskratmaschine (thermischer RE), kombiniert mit einem elektrischen Generator, der die Traktionsbatterie speist. Es besteht somit keine mechanische Antriebsverbindung (kein Eingriff in den Drehmomentstrang) zwischen dem RE- Modul und dem Fahrantrieb, lediglich eine elektrische Kabelverbindung über die Leistungselektronik zur Batterie, siehe Abb. 3.103. Anstelle einer Wärmekratmaschine kann auch eine Brennstoffzelle (BZ) als RE ausgelegt und eingesetzt werden (chemisch-elektrischer RE). Die Grundstruktur entspricht einem mit Brennstoffzellen betriebenen Elektrofahrzeug. In der RE-Variante würde die Brennstoffzelle die elektrische Energie für die Batterie des Fahrzeugantriebs liefern, ähnlich dem Generator eines thermischen RE. Das Brennstoffzellenmodul ist eine angepasste sogenannte Auxiliary Power Unit (APU). Der mit der Wärmekratmaschine direkt gekoppelte Generator entfällt. Beim derzeitigen Entwicklungsstand der Brennstoffzellentechnologie (H2 -Verfügbarkeit, Speicherung, Kosten) ist allerdings ein solches Konzept für die Serie nicht sinnvoll und absehbar. Der Übergang vom seriellen Hybrid zum Elektrofahrzeug mit RE ist fließend und lässt sich nicht eindeutig mit konkreten Zahlen oder Komponenten abgrenzen. Geht man vom seriellen Hybridantrieb aus, dessen Antriebsenergie überwiegend vom vergleichsweise großen Verbrennungsmotor geliefert wird, und vergrößert nun die Batteriekapazität bei gleichzeitiger Verkleinerung des Verbrennungsmotors, führt das zum RE. Einsatzhäufigkeit und Leistungsangebot dieses kleinen Verbrennungsmotors sind dann deutlich reduziert. Geht man umgekehrt von einem reinen Batteriefahrzeug (große Batteriekapazität) aus und stattet es mit einem RE aus, kann die Reichweite erhöht und die Batteriekapazität verringert werden. Die erforderliche Elektromotorleistung bleibt unverändert, da diese durch das Fahrzeug und die gewünschten Fahrleistungen bestimmt wird. Dieses klassische RE-System wird als serieller RE bezeichnet und ist in erster Linie durch die Architektur und Auslegung der Komponenten definiert (Tschöke 2012). Das Ziel, die Reichweite eines Fahrzeugs zu vergrößern, ist systemisch betrachtet eine Funktionserweiterung, ohne Festlegung auf die hierfür einzusetzenden Bauteile und deren Kombination. Das heißt, dass die RE-Funktion auch mit anderen Komponentenstrukturen, zum Beispiel parallelen oder leistungsverzweigten Hybridsystemen, realisiert werden kann (Beidl 2011; Grebe 2011; ATZ-online 2011). Diese RE-Konzepte werden als hybride RE bezeichnet. Betrachtet man das RE-Konzept (Ausnahme BZ-RE) aus Sicht des Energieflusses, so wird in jedem Fall die für die Verlängerung der Reichweite erforderliche Energie zunächst als mechanische Energie über den Verbrennungsmotor zur Verfügung gestellt. Am Antriebsrad ist wiederum mechanische Energie erforderlich. Dies gilt für alle Konfigurationen, unabhängig ob dazwischen weitere Energiewandlungen (mechanisch/elektrisch

G.P. Merker und R. Teichmann

G

G

E-Maschine

E-Maschine

Generator

+

Leistungselektronik

+

-

-

-

-

WKM

BZ

+

Baerie

Leistungselektronik

Baerie

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H2 Krastoff

Abb. 3.103 Definition des klassischen (seriellen) Range Extenders (links: chemisch-elektrischer RE, rechts: thermischer RE)

und elektrisch/mechanisch) oder Drehzahl-/Drehmomentwandlungen erfolgen. Die Anzahl der dazwischen liegenden Energiewandlungen ist eine Frage des Konzepts unter Berücksichtigung der Wirkungsgrade, der Fahrzeuggröße, der Kosten und strategischer Gesichtspunkte des Fahrzeugherstellers. Die grundsätzliche RE-Funktion ist davon unabhängig. Das RE-Konzept lässt sich nach diesen Vorbemerkungen verallgemeinert als ein System definieren, das die elektrische Reichweite über eine Basisauslegung hinaus verlängert. Als Basisauslegung gilt dabei eine für den üblichen täglichen Einsatz ausreichende elektrischen Reichweite. Geht man von den statistischen Zahlen aus, dass etwa 70 % der täglichen Fahrten in Deutschland unter 50 km liegen, sollte man von einem RE-Konzept erst ab dieser elektrischen Reichweite (unter Praxisbedingungen) sprechen. Dies ist eine subjektive Betrachtung und berücksichtigt die heutigen technischen Möglichkeiten.

Anforderungen Nachfolgend wird ausschließlich der serielle thermische RE betrachtet. Die Anpassungen der Verbrennungskratmaschine hinsichtlich Auslegung und Betriebsweise sind weiterge-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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hender als bei klassischen hybriden Konzepten, siehe Abschn. 3.6.2 und 3.6.4, bei denen die Wärmekratmaschine in den Drehmomentstrang des Antriebs integriert ist (Ausnahme serieller Hybrid). Der serielle RE sollte möglichst problemlos in das Fahrzeug integrierbar sein. Da der RE nur sporadisch eingesetzt wird, ist der spezifische Kratstoffverbrauch weniger hoch zu bewerten. Bauraum, Gewicht, unauffälliges Laufverhalten (Akustik und Vibrationen) sowie Kosten haben höchste Priorität. Allerdings kann durch einen RE die Batteriekapazität deutlich reduziert werden, was bei den noch sehr hohen Batteriekosten zu einer Reduktion der Gesamtkosten des Elektrofahrzeugs führt. Insofern sind die zusätzlichen RE-Kosten leicht zu kompensieren. Die Leistung des RE hängt vom Einsatzanteil und der geforderten Fahrleistung unter RE-Bedingungen ab. Übliche Leistungsbandbreiten für Kompaktfahrzeuge liegen zwischen 15 und 50 kW. Der niedrigere Wert ist für die sogenannte limp home function (Notfahrfunktion) und das mehr oder weniger kontinuierliche Nachladen der Batterie ausreichend. Bei Fahrt mit höheren Geschwindigkeiten von etwa 130 km/h sind Leistungen von 30 bis 50 kW notwendig, um die Batterieladung sicherzustellen (Mahr 2011; Bassett 2012; Speckens 2011; Andert 2012). Um Steigungen und Überholvorgänge von Lastwagen sicher zu bewältigen sind diese höheren Leistungen zu bevorzugen. Situationsbedingt kann es zu häufigen Starts des Verbrennungsmotors kommen. Diese Betriebsart darf nicht zu unzulässig hohen Kohlenwasserstoffemissionen führen und ist über Maßnahmen beim Motormanagement und bei der Abgasnachbehandlung besonders zu berücksichtigen. Der Energiebedarf für die Fahrgast-Innenraumheizung kann die Reichweite eines Elektrofahrzeugs deutlich reduzieren. Mit einem RE kann über ein intelligentes hermomanagement dieser Reichweitenverlust verringert und die Heizleistung verbessert werden. Mittelfristig sollte der RE auch für Biokratstoffe, wie zum Beispiel E 20 oder E 85 geeignet sein. Ein Gasbetrieb ist zwar grundsätzlich möglich, erfordert aber einen erheblichen Raumbedarf für den Tank und ist deshalb wenig realistisch. Eine Besonderheit des RE ist seine überwiegende quasistationäre Betriebsweise. Ein Einpunkt-Betrieb ist in den meisten Fällen nicht sinnvoll, da verschiedene Ladestrategien notwendig werden, abhängig vom Ladezustand der Batterie und dem Fahrerwunsch. Zumindest ein Zweipunkt- oder gar ein Dreipunkt-Betrieb sollte möglich sein; ein transienter Betrieb kann aber weitgehend ausgeschlossen werden. Damit entfallen kritische Betriebszustände für die Schadstoffemissionen und kontinuierlich arbeitende Einrichtungen für die Lasteinstellung. Die Verbrennungskratmaschine kann bezüglich Gemischbildung, Verbrennung, Abgasnachbehandlung und Akustik auf diese wenigen Betriebspunkte optimiert werden, gleiches gilt für die Nebenaggregate (Öl- und Kühlwasserpumpen). Die Reibungsverluste können mittels hermomanagement und bedarfsorientiertem Betrieb der Nebenaggregate reduziert werden. Die damit verbundene Effizienzsteigerung kompensiert weitgehend die Wirkungsgradverluste durch die zweimalige Energiewandlung mechanisch/elektrisch und elektrisch/mechanisch. Ein Anlasser ist in der Regel nicht notwendig. Die Verbrennungskratmaschine lässt sich über die mit ihr direkt gekoppelte elektrische Maschine starten, Abb. 3.104.

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G.P. Merker und R. Teichmann Keine transiente Belastung

Schleppstart über Generator

Keine Verstelleinrichtungen

Einpunkt-/MehrpunktBetrieb

Flexible Einbaulage

Reibungsminimierung im Betriebspunkt Optimierung der Nebenaggregate

Verbrauchs- und Emissionsoptimierung im Betriebspunkt

Abb. 3.104 Randbedingungen für einen Range Extender

Der Charme des seriellen RE liegt in seiner flexiblen Integration in das Fahrzeug. Grundsätzlich ist der Einbauort frei wählbar, da nur eine elektrische Kabel-SteckerVerbindung mit der Leistungselektronik besteht. Kratstotank und Kühlwassersystem sind bevorzugt am RE unterzubringen, sodass ein kompaktes RE-Modul entsteht. Im Idealfall handelt es sich um ein „Boardcase“, das eventuell auch als Ausstattungsvariante für das Elektrofahrzeug optional gekaut oder gemietet werden kann. Hierfür wären allerdings Schnittstellen-Standards hilfreich. Erste RE-Module erreichten Gesamtgewichte von 60 bis 80 kg (Goroncy 2011).

Ausführungsmöglichkeiten Als RE können grundsätzlich unterschiedliche Wärmekratmaschinen in Betracht kommen. Neben den konventionellen Verbrennungsmotoren werden inzwischen auch für klassische Fahrzeugantriebe nicht mehr verfolgte Konzepte wie Zweitakt-, Wankel- und Stirlingmotoren oder die Gasturbine sowie weitere „exotische“ Wärmekratmaschinen diskutiert; Abb. 3.105 zeigt eine Auswahl dieser Varianten. Geht man aber davon aus, dass ein RE nur für Elektrofahrzeuge (serieller RE) eingesetzt wird und die Batterieentwicklung weiter voranschreitet, so wird dieses Konzept bestenfalls auf mittlere Stückzahlen kommen und nur mittelfristig interessant sein. Allerdings ist aus heutiger Sicht der RE das entscheidende Konzept, um dem Elektrofahrzeug bei einer breiteren Käuferschicht zur Akzeptanz zu verhelfen. Die Entwicklung einer nicht etablierten Wärmekratmaschine als RE zur Serienreife würde mindestens fünf Jahre in Anspruch nehmen und erhebliche Entwicklungskosten verschlingen. Aus betriebswirtschatlicher Sicht werden deshalb die konventionellen Bauarten zum Einsatz kommen. Nachfolgend sollen die wichtigsten Wärmekratmaschinen bezüglich ihrer Eignung als RE beschrieben und anschließend bewertet werden. Der klassische Viertakt-Ottomotor mit λ = 1-Gemischbildungsverfahren ist die Standardmotorisierung für Pkw und Zweirad. Für eine RE-Anwendung ist ein kostengünstiger Saugmotor mit Kanaleinspritzung in der Regel ausreichend. Motoren mit einem bis vier Zylindern, üblicherweise werden es zwei oder drei Zylinder sein, stehen in den geforderten

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.105 Ausführungsmöglichkeiten für einen Range Extender

Leistungsklassen zur Verfügung oder sind mit geringem Aufwand darstellbar. Das weniger komfortable Vibrationsverhalten bei kleinen Zylinderzahlen kann durch Massenausgleich und/oder aufwendige Motor- oder Modulträgerlager verbessert werden. Für einen niedrigen Kratstoffverbrauch und eine günstige Akustik ist ein Drehzahlbereich zwischen 2000 und 4000 min−1 empfehlenswert. Für ein niedriges Geräuschniveau ist eine Wasserkühlung erforderlich, die sich außerdem für das hermomanagement besser eignet als eine Lutkühlung. Bei diesen kleinen Zylinderzahlen sind Wälzlager als Kurbelwellen- und Pleuellager einsetzbar, um die mechanischen Verluste, insbesondere in den häufigen Startphasen, zu reduzieren. Hierbei gilt es aber zwischen den Reibungsvorteilen und den Geräuschnachteilen abzuwägen. Durch eine Lastpunktoptimierung und den stationären Betrieb sind Kennfeldbereiche mit geringerem Wirkungsgrad vermeidbar. Für die Abgasnachbehandlung reicht ein kostengünstiger Dreiwege-Katalysator. Allerdings ist bei der Auslegung ein besonderes Augenmerk auf die häufigen Starts und Stopps des kleinen Verbrennungsmotors zu richten. Der Viertakt-Ottomotor als RE dient für die nachfolgend beschriebenen Wärmekratmaschinen als Referenzkonzept. Der Zweitakt-Ottomotor besticht durch seine einfache und leichte Bauweise mit wenigen Bauteilen. Durch die doppelte Frequenz der Arbeitsspiele ergibt sich in der Praxis eine um etwa 50 % höhere Leistungsabgabe bei gleichem Hubvolumen und eine geringere Ungleichförmigkeit bei gleicher Zylinderzahl. Allerdings steigt generell die thermische und mechanische Belastung der Triebwerksteile, besonders der Kolben. Der Zweitaktmotor mit einfacher Kurbelkastenspülung und äußerer Gemischbildung weist

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gravierende Nachteile bezüglich HC-Emissionen, Verbrauch und Schmierung auf. Durch den stationären Ein- oder Zweipunktbetrieb lassen sich die spülungsbedingten Probleme der Emissionen und des Verbrauchs zwar deutlich verringern, aber nicht beseitigen. Wegen des fehlenden Ventiltriebs und einer möglichen Wälzlagerung des Kurbeltriebs sind die Reibungsverluste deutlich geringer. Die Stickoxidemissionen können durch den Restgasgehalt, gesteuert über die Spülung, stark reduziert werden. Dabei müssen aber Restgas bedingte Zündaussetzer vermieden werden. Auch dies lässt sich im stationären RE-Betrieb deutlich besser abstimmen. Das Geräuschniveau ist tendenziell höher, aber mit Zusatzmaßnahmen beherrschbar. Um den Zweitaktmotor auf das Emissions- und Verbrauchsniveau des Viertaktmotors zu bringen, sind eine Direkteinspritzung und ein deutlich verbesserter Ladungswechsel erforderlich, beispielsweise mit Steuerungselementen wie Schieber und Membranen in den Kanälen. Im Extremfall könnte man sogar an den Einsatz von Einlass- oder Auslassventilen (analog zum Großdieselmotor) denken. Allerdings hätte dieses Motorkonzept dann seinen Vorteil der Einfachheit verloren. Bei einer Anwendung des Zweitaktmotors als RE besteht in jedem Fall erheblicher Entwicklungsbedarf. Für den Viertakt-Dieselmotor als RE spricht zunächst wenig. Er ist schwerer, lauter und erfordert ein teures und aufwendiges Einspritzsystem. Als konventioneller Fahrantrieb ist er heute immer aufgeladen und verfügt dadurch über eine hervorragende Drehmomentcharakteristik. Aufgrund der höheren Zylinderdrücke müssen die Bauteile entsprechend dimensioniert werden. Die Abgasreinigung, speziell für die Ruß- und NOx -Emissionen, ist aufwendig und teuer. Setzt man jedoch bei der Auslegung eines Dieselmotors konsequent die vereinfachten Anforderungen eines RE um, so ergeben sich durchaus interessante Möglichkeiten. Der stationäre Betrieb erlaubt die Entwicklung eines emissionsarmen Brennverfahrens. Auf die Aufladung kann möglicherweise verzichtet werden. Eventuell genügt ein offenes Partikelfiltersystem. Durch Vermeidung von Kaltstarts fällt das störende, harte Dieselgeräusch nicht mehr besonders auf. In dieser abgespeckten Variante verringert sich auch der Kostennachteil. Positiv sind der geringe Verbrauch und die Robustheit. Zwar gibt es kleine Dieselmotoren für den Stationärbetrieb, aber für einen RE-Einsatz sind ebenfalls noch erhebliche Entwicklungsarbeiten erforderlich. Für den Zweitakt-Dieselmotor werden keine Chancen gesehen. Das Direkteinspritzsystem ist zwar ähnlich dem des Viertaktmotors, allerdings sind die thermischen und mechanischen Belastungen bei den hohen Drehzahlen kritisch. Außerdem wird ein Spülgebläse notwendig und bei Kombination mit Auslassventilen steigt auch hier die Komplexität. Ebenso ist das Konzept der Abgasnachbehandlung nicht geklärt und das Geräuschverhalten des Motors wird als problematisch eingeschätzt. Grundsätzlich hat der Kreiskolbenmotor in der Bauart Wankel bestechende Vorteile, speziell bezüglich der RE-Anforderungen. Das Bauvolumen ist klein und kompakt, dies führt zu einem geringen Gewicht. Die Zahl der bewegten Teile ist gering (Läufer, auch Scheibe oder Kolben genannt, die Exzenterwelle und die Dichtelemente) und sie bewegen sich nicht oszillierend wie beim Hubkolbenmotor. Es gibt also keine Massenkräte aus einer hin- und hergehenden Bewegung. Die rotierenden Massen lassen sich einfach

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ausgleichen. Dies erlaubt höhere Drehzahlen, die für die elektrische Maschine vorteilhat sind. Pro Exzenterwellenumdrehung (Abtriebswelle) findet beim Einscheibenmotor ein Viertaktarbeitsspiel statt. Der Einscheiben-Wankel entspricht damit einem ZweizylinderViertaktmotor mit 360° Zündfolge. Dies führt zu einem deutlich geringeren Ungleichförmigkeitsgrad und damit zu einem drehschwingungsarmen Lauf. Die Mechanik und der weiche Zylinderdruckverlauf beeinflussen die Geräuschemissionen positiv. Die Nachteile des Wankelmotors liegen in den thermodynamischen Eigenschaten sowie in der Abdichtung des Läufers gegenüber der Trochioden-Laufbahn und den Seitenwänden. Das große Oberflächen-Volumen-Verhältnis und die verbrennungstechnisch ungünstige längliche Form des Verbrennungsraums führen zu hohen Wandwärmeverlusten und einem nicht optimalen Durchbrennverhalten des Gemischs mit letztlich hohem Kratstoffverbrauch. Dafür sind die Stickoxidemissionen günstig. Der Ladungswechsel ist schwierig darzustellen; in der einfachsten Form (Umfangskanäle) ergeben sich hohe HC-Emissionen. Intensive Entwicklungsarbeiten hatten in den letzten Jahrzehnten zwar deutliche Verbesserungen zur Folge, aber die schwierige Abdichtung am Läufer und der hohe Verbrauch (20 bis 30 % mehr) sind nach wie vor die Hauptprobleme. Dazu kommen noch problematische Schmierungsverhältnisse und hohe Fertigungskosten. Die Produktion des einzig verbliebenen Fahrzeugs mit Wankelmotor (Mazda RX8) wurde nach Pressemitteilungen eingestellt. Für einen RE lassen sich manche der aufgezeigten Probleme bei entsprechendem Entwicklungsaufwand lösen (Beidl 2011), es bleibt aber ein erhebliches Risiko bestehen. Auch Gasturbinen haben nur rotierende Bauteile auf einer Achse. Alle Zustandsänderungen finden gleichzeitig (ähnlich einem Wankelmotor), aber in unterschiedlichen Baueinheiten statt. Jede dieser Einheiten ist für sich zu optimieren. Keine der jahrzehntelangen Entwicklungen und Versuche, die Gasturbine in Pkw oder Nfz als Antriebsmaschine einzusetzen, waren erfolgreich. Kleine Gasturbinen haben, bedingt durch die Geometrie, relativ hohe Verluste und damit einen schlechten Wirkungsgrad. Vorteilhat durch die äußere Verbrennung sind die Flexibilität bei der Nutzung verschiedener Kratstoffe und die vergleichsweise geringen Schadstoffemissionen. Hohe Lutmassenströme und Geräusche in Folge sehr hoher Drehzahlen sind schwer beherrschbare Probleme (Göschel 2009). Insgesamt wird der Gasturbine keine Chance eingeräumt, da sie sowohl funktionell als auch kostenseitig mit großem Aufwand bei hohem Risiko für einen RE-Einsatz angepasst werden müsste. Der Stirlingmotor arbeitet ebenfalls mit äußerer Verbrennung. Er ist deshalb vielstofffähig und emittiert geringe Schadstoffmengen. Sein träges Instationärverhalten, in Folge der Energieübertragung im Wärmetauscher, ist für den Stationärbetrieb des RE kein Nachteil. Auch das Vibrationsverhalten und die Akustik sind wegen der fehlenden Druckspitzen im Arbeitsraum unkritisch und sogar besser als bei klassischen Verbrennungsmotoren. Kritisch dagegen sind der komplexe Aufbau, die großen Wärmetauscher und damit zusammenhängend die Baugröße und das Gewicht. Die Entwicklung von Stirlingmotoren für den Automobileinsatz wurde in den 80er Jahren eingestellt. Trotz spezifischer Vorteile ist der Stirlingmotor für einen RE-Einsatz nicht attraktiv.

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Tab. 3.5 Bewertungsmatrix verschiedener Range Extender Lösungen

Weitere exotische Wärmekratmaschinen sind mangels ausreichender technischer Reife und des hohen Entwicklungsrisikos chancenlos. Eine zusammenfassende Wertung zeigt Tab. 3.5.

Schlussfolgerung Der RE kann eine Schlüsseltechnik sein, um dem batteriebetriebenen Elektrofahrzeug die gewünschte Kundenakzeptanz zu verschaffen. Der Reichweitenverlängerer ist jedoch nicht auf die serielle Konzeption beschränkt. Eine Integration in den Drehmomentstrang kann ebenso die Funktion eines RE erfüllen, wenn das Fahrzeug ausreichend, das heißt mindestens 50 km weit, rein elektrisch fahren kann. Wegen der spezifischen Anforderungen an Bauraum, Gewicht, Akustik, Kosten und Verfügbarkeit schränkt sich die Zahl der Möglichkeiten stark ein. In der Summe ist der Viertakt-Ottomotor die erste Wahl. Der ZweitaktOttomotor, der Wankelmotor und der Dieselmotor (eventuell für größere Fahrzeuge) bleiben zumindest aus technischer Sicht Optionen. Alle anderen Varianten haben, trotz punktueller Vorteile, bei einer technisch-wirtschatlichen Gesamtbetrachtung keine Chance.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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3.6.4 Auswirkungen auf den Verbrennungsmotor Durch die Elektrifizierung des Antriebstranges entsprechend Abschn. 3.6.2. verändern sich die Anforderungen an den Verbrennungsmotor (VM). Für klassische Hybridfahrzeuge bleiben von den theoretischen Möglichkeiten, siehe auch Abschn. 3.6.3, nur der Ottound Dieselmotor nach dem Viertaktverfahren als wirtschatlich und technisch sinnvolle Variante übrig. Die im Abschn. 3.6.3 unter dem Abschnitt „Anforderungen“ formulierten Zielsetzungen gelten grundsätzlich auch für die Hybridantriebe, ergänzt um die erforderliche Motorleistung, abhängig vom Hybridkonzept. Die Gewichtung der einzelnen Anforderungen hängt vom Elektrifizierungsgrad und damit von der Energiekapazität und Leistungsfähigkeit der Traktionsbatterie ab. Generelle Zielsetzung ist die optimale Auteilung des Antriebsmomentes (Leistung) auf die beiden Energiewandler bezüglich Verbrauchs- und Schadstoffemissionsreduzierung unter Berücksichtigung des Fahrerwunsches. Außerdem hat der Verbrennungsmotor in allen Fällen einen ausreichenden Ladezustand der Traktionsbatterie sicherzustellen. Für die CO2 - und Schadstoffemission heißt das, dass im jeweiligen Testzyklus möglichst elektrisch gefahren werden soll. Der Verbrennungsmotor kann abhängig vom aktuellen Betriebspunkt bei konstanter Drehzahl in höheren Lastbereichen mit günstigerem Wirkungsgrad betrieben werden. Die zusätzliche Leistung wird für die Ladung der Batterie verwendet. Zur Reduzierung von HC-und CO-Emissionen sind untere Teillastgebiete möglichst nicht oder wenig verbrennungsmotorisch zu fahren. Bei Dieselmotoren und Ottomotoren im Magerbetrieb (λ > 1) können NOx kritische mittlere/höhere Lastbereiche für den VM durch boosten mit dem Elektroantrieb reduziert werden. Bei leistungsverzweigten Hybriden kann ähnlich einem CVT-Getriebe der VM nahe der verbrauchsoptimalen Betriebspunkte gefahren werden (Reif 2010). Neben diesen Betriebsstrategien ist der Verbrennungsmotor auf die Anforderungen hin auszulegen und anzupassen. Wichtige Auslegungsparameter sind: • • • • • • •

Hubvolumen/Zylinderzahl (Downsizing) Saugmotor/Aufladung (ein-/mehrstufig) Einspritzsystem (Saugrohr-/Direkteinspritzung) Gemischbildung (λ = 1, λ > 1) Variable Ventilsteuerung, Atkinson-Prozess Zylinderabschaltung Zylinderanordnung

Die Zylinderzahl wird tendenziell kleiner, 3- und 4-Zylindermotoren werden ein Übergewicht erhalten, 8-Zylindermotoren werden seltener oder können ganz vermieden werden. Für Mild- und Vollhybride sind aufgeladene kleine Motoren sicherlich eine attraktive Alternative zu Saugmotoren. Je höher der Elektrifizierungsgrad, zum Beispiel Plug-inHybride, desto eher kommen einfache Saugmotoren mit Saugrohreinspritzung zum Einsatz. Dieselmotoren werden eher ab der Mitteklasse nach oben hin eingesetzt, seltener in den unteren Fahrzeugklassen. Die variable Ventilsteuerung kann beim Ottomotor vorteil-

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hat zur Entdrosselung und Wirkungsgraderhöhung (Atkinson: spätes Einlass-Schließen) aber auch zum Temperaturmanagement und damit zur Abgasreduzierung (NOx ) beim Dieselmotor genutzt werden. Eine interessante Alternative ist die längst bekannte Zylinderabschaltung. Hierdurch kann bedarfsgerecht das erforderliche aktive Hubvolumen bereit gestellt werden. Für die untere Teillast und Konstantfahrt genügen ot 2 Zylinder eines 4-Zylindermotors oder 3 Zylinder eines 6-Zylindermotors. Außerdem werden die befeuerten Zylinder dann in einem höheren und damit effizienteren Lastpunkt betrieben. Für hohe Leistungen steht der Vollmotor uneingeschränkt zur Verfügung, siehe auch Szengel (2012), Middendorf (2012), Indra (2011). Sato (2013) berichtet von Verbrauchsreduzierungen von fast 8 % im NEFZ durch Zylinderabschaltung und 19 % bei Kombination von Atkinson (über Eingriff in die Kinematik des Kurbeltriebes) und Zylinderdeaktivierung aus Simulationsrechnungen. Durch die geschlossenen Ventile der inaktiven Zylinder wird das Schleppmoment geringer und im Falle der Rekuperation kann mehr Bremsenergie für die Batterieladung genutzt werden. Bei kleinen Motoren wie zum Beispiel für den Range Extender und kleinen Fahrzeugen kann die Zylinderanordnung ein Entscheidungskriterium sein. Hier spielen dann die Erfordernisse des Massenausgleichs (Kräte und Momente) eine wichtige Rolle. Mahr (2011) und Andert (2012) zeigen zwei unterschiedliche Konzepte für einen kleinen 2-Zylinder Ottomotor. Generell wird aber bis 4-Zylinder dem Reihenmotor der Vorzug gegeben. Tabelle 3.6 gibt eine Orientierung zur Anwendung der verschiedenen Motorkonzepte abhängig von der Fahrzeuggröße und dem Elektrifizierungsgrad. Ein wichtiges Entscheidungskriterium sind die Systemkosten für Hybridantriebe. Sorger (2013) vergleicht die einzelnen Baugruppenkosten verschiedener Hybridisierungen mit einem optimierten Gesamtsystem aus einem modularen Antriebsbaukasten und zeigt Einsparpotenziale auf. Generell gilt, dass je höher der Elektrifizierungsgrad ausfällt, desto höher werden die Gesamtkosten bei deutlich geringerem Anteils des Verbrennungsmotors. Die Kostentreiber sind die Batterie, die Leistungselektronik (LE) und die elektrischen Maschinen (EM), siehe Abb. 3.106. Die Technik für die zuküntigen Pkw-Antriebe lässt sich zusammenfassen: • Die Produktion konventioneller Antriebssysteme wird in den nächsten 10–15 Jahren weiter ansteigen • Die Elektromobilität wirkt sich frühestens in 20 Jahren auf das Klima (CO2 ) aus • Die CO2 -Emissionen müssen sofort weiter gesenkt werden durch: – Optimierung der Verbrennungsmotoren und Fahrzeugparameter (Roll- und Lutwiderstand, Gewicht . . . ) – Nutzung alternativer (CO2 -reduzierender) Kratstoffe • Mittel- und langfristig Einsatz von Hybrid- und E-Fahrzeugen – Leistungsbedarf des VM sinkt – Zylinderzahl wird geringer – Komplexität kann geringer werden (abhängig vom Elektrifizierungsgrad) – Kostentreiber sind Batterie/BZ, LE und EM Abbildung. 3.107 zeigt ein mögliches, zeitliches Gesamtszenario der Antriebstechnik.

Gering Otto/Diesel 3–4 Zyl. BEV



Reichweitenanforderung Konventionelle Motorisierung Elektrifizierung

VM in Verbindung mit Elektromotor

Kleinwagen (Stadtwagen) Mittel Otto/Diesel 4 Zyl. Mild-Hybrid BEV + RE Voll-Hybrid Otto 2–4 Zyl. Zylinderabschaltung Saugrohreinspritzung/DI Aufladung/Saugmotor Downsizing

Kompaktklasse Mittel–hoch Otto/Diesel 4–6 Zyl. Mild-Hybrid Voll-Hybrid (P-HEV) Otto/Diesel 3–4 Zyl. Zylinderabschaltung Saugrohreinspritzung/DI Aufladung/Saugmotor Downsizing

Mittelklasse (obere)

Tab. 3.6 Antriebskonzeptionen in Abhängigkeit der Fahrzeuggröße und des Elektrifizierungsgrades

Otto/Diesel 4–6 Zyl. Zylinderabschaltung DI Aufladung Downsizing

hoch Otto/Diesel 6–8 Zyl. Voll-Hybrid (P-HEV)

Luxusklasse

Otto/Diesel 4–6 Zyl. Zylinderabschaltung DI Aufladung (Downsizing)

hoch Otto/Diesel 6–8 Zyl. Voll-Hybrid (P-HEV)

SUV

3 Funktionsweise von Verbrennungsmotoren 237

238

G.P. Merker und R. Teichmann

350 %

Grün: Konvenonelle Architektur Blau: e-Fusion Vorschlag AVL Basis: Oomotor, 2-Zyl.DKG

Baerie Leistungselektronik Generator Elektromotor Getriebe VKM

300 %

30 %

250 %

200 % 10 % 150 %

100 %

50 %

0%

6-Gang DKG

Paralleler Plug-inl i Hybrid

Mild b id Hybrid

Mild Hybrid

Reiner AllzweckRange Reiner l k i h Plug-in- Extender Range elektrischer Hybrid A-Segment Extender Antrieb B-Segment

Abb. 3.106 Kostenstruktur verschiedener Hybridkonzepte (Quelle: Sorger 2013)

Erdölbasiert

Kraftstoffmix

Antriebsmix

Verbrennungsmotoren (Otto/Diesel mit verschiedenen Kraftstoffen)

Hybridantriebe, Elektroantriebe – Batterie (Nische)

Elektroantriebe – Brennstoffzelle

2000

2010

2020

Abb. 3.107 Roadmap der Antriebstechnik für Pkw

2030

2040

2050

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

239

3.7 Nfz-Dieselmotoren 3.7.1 Anforderungen an Nfz-Dieselmotoren und deren Einteilung Als 1923 die ersten Verbrennungsmotoren nach dem Diesel-Brennverfahren als Antriebe für Nutzfahrzeuge eingesetzt wurden, sank der Fahrverbrauch gegenüber den bis dahin eingesetzten Ottomotoren um 25 %, vgl. Wikipedia (2013). Damit war der Weg der Nutzfahrzeug-Antriebe vorgezeichnet. Der Anteil der Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen wuchs stetig und hat heute praktisch 100 % erreicht. Der Dieselmotor ist somit der überragende Nutzfahrzeug-Antrieb. Auf Grund der vielfältigen Einsatzbedingungen von Nfz-Dieselmotoren ist eine präzise Zuordnung oder Einteilung schwierig. Weitestgehend durchgesetzt hat sich eine Einteilung in zwei Gruppen, die aus dem US-amerikanischen Sprachgebrauch entnommen ist. Die Bezeichnungen lauten Medium-Duty- und Heavy-Duty-Motoren. Diese Motoren werden hauptsächlich in mittelschweren und schweren Nutzfahrzeugen eingesetzt. Im Gegensatz dazu werden in den leichten Nutzfahrzeugen Dieselmotoren eingesetzt, die meist von PkwMotoren abgeleitet sind. Diese werden dann als Light-Duty-Motoren bezeichnet. Das Kapitel „Nfz-Dieselmotoren“ beschätigt sich ausschließlich mit den MediumDuty- und Heavy-Duty-Motoren, da diese speziell für den kommerziellen Güterverkehr entwickelt werden und die somit besondere Anforderungen erfüllen müssen. Diese spezifischen Anforderungen ergeben sich aus dem Einsatz eines Nfz-Dieselmotors. Nachdem ein Nutzfahrzeug dazu dient, Transportaufgaben zu erfüllen, ist die Wirtschatlichkeit das oberste Kriterium. Die Wirtschatlichkeit setzt sich aus verschiedenen Anforderungen bzw. Einzelfaktoren zusammen, die in Abb. 3.108 anschaulich gemacht werden. Zur Wirtschatlichkeit eines Nfz-Dieselmotors tragen hauptsächlich der Kratstoffverbrauch, die Lebensdauer und Servicefreundlichkeit, die Kosten des Motors sowie Bauraum und Gewicht bei. Alle diese Kriterien lassen sich im weitesten Sinne monetär fassen. Darüber hinaus gibt es Kriterien, die von einem Nfz-Antrieb erfüllt werden müssen, weil sie vom Gesetzgeber vorgeschrieben sind. Dazu zählen die Emissions- und Geräuschvorschriten. Und als dritte Kategorie sind Kriterien zu nennen, die teilweise messbar und teilweise dem subjektiven Empfinden zuzuordnen sind wie Fahrbarkeit, Kaltstartfähigkeit und Identifikation mit dem Produkt. Für den Motorenhersteller ist auch die Plattformstrategie ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg. Darunter ist eine möglichst große Anwendungsbreite von einzelnen Komponenten sowohl über verschiedene Baureihen als auch über verschiedene Märkte hinweg und die Ableitbarkeit von wirtschatlichen Non-Road-Motoren zu verstehen. Auf Grund der verschiedenen Einsatzbereiche werden die entsprechenden Motoren nach Leistung, Baugröße, Erfüllung von Gesetzesvorgaben etc. ausgewählt. Es hat sich eine sinnvolle Logik herausgebildet, dass Fahrzeuge für das Verteilen von Gütern in einem begrenzten Radius kleiner und leichter sind und deshalb auch kleinere Motoren eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu kommen größere und leistungsstärkere Motoren

240

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.108 Anforderungen an Nfz-Dieselmotoren

hauptsächlich in schwereren Fahrzeugen im Fernverkehr zum Einsatz, bei dem es auf eine größtmögliche Wirtschatlichkeit ankommt. Darüber hinaus gibt es verschiedenste Anwendungsfälle wie die Einsätze in Bussen, Baustellen-Lkw und Kommunalfahrzeugen sowie im gesamten Non-Road-Markt, in dem die Motoren außerhalb des Straßenverkehrs eingesetzt werden. Dazu zählen spezielle Baumaschinen und -fahrzeuge, Traktoren, Erntemaschinen, Pistengeräte, Schienenfahrzeuge und Boote und im ortsfesten Einsatz als (Not-)Stromaggregate, Blockheizkratwerke und zum Antrieb von Arbeitsmaschinen (Pumpen und Kompressoren), Seilbahnen und Liten und Fördermaschinen im Bergbau, siehe Beier et al. (1983). Zur Veranschaulichung der Einteilung in Medium-Duty- und Heavy-Duty-Motoren werden in Tab. 3.7 verschiedene Kriterien gegenübergestellt. Als wesentlichstes Unterscheidungsmerkmal zählt das Hubvolumen. Als Grenze zwischen den beiden Gruppen gilt heute ein Wert von ca. 9 dm . Die anderen Werte in Tab. 3.7 sollen einen Überblick über die Grenzen einiger Kennzahlen heutiger Nfz-Dieselmotoren geben.

3.7.2

Entwicklung der Nfz-Dieselmotoren seit 1970

Die Landschat der Nfz-Antriebe im Jahre 1970 war in Europa hauptsächlich geprägt von Saug-Dieselmotoren, von denen die meisten mit Direkteinspritzung betrieben wurden. Es gab auch schon eine Anzahl von aufgeladenen Motoren, Ladelutkühlung kam erst im Lau-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

241

Tab. 3.7 Kriterien für die Einteilung von Nfz-Dieselmotoren

Hubvolumen Bohrung Hub Zylinderzahl Motorleistung Spez. Leistung Max. Drehmoment Eff. Mitteldruck Nenndrehzahl Mittlere Kolbengeschwindigkeit

dm mm mm – kW kW/dm Nm bar min−1 m/s

Medium-Duty-Motoren Untergrenze Obergrenze

Heavy-Duty-Motoren Untergrenze Obergrenze

4 95 100 4 85 16 300 7 1900 8

9 115 125 5 170 14 1000 8 1700 8

9 127 150 6 300 37 1800 25 3200 13

18 147 171 8 (10) 600 35 3600 28 2500 12

fe des Jahrzehnts. Ab den 1980er-Jahren setzten sich fast ausschließlich wassergekühlte Viertakt-Dieselmotoren mit Turboaufladung und Ladelutkühlung durch. Dieses Konzept war so erfolgreich, dass bis heute keine Änderung nötig war. Die seit Mitte der 1970er Jahre eingeführten Abgasgesetze stabilisierten diese Entwicklung.

Entwicklung der Leistungen und Drehmomente Die Entwicklung der Leistungen und Drehmomente seit 1970 zeigt Abb. 3.109. Es ist zu erkennen, dass die Topmotorisierung, d. h. die höchste Leistung eines Motors mit ca. 7 bis 8 kW/Jahr zugenommen hat. Das maximale Drehmoment stieg im gleichen Zeitraum durchschnittlich um 50 bis 60 Nm/Jahr. Das hat bis 2011 zu einer höchsten Leistung von 552 kW (750 PS) und einem höchsten Drehmoment von 3550 Nm geführt. Die Abgasvorschriten EPA07 und EPA10 in den USA sowie Euro VI in Europa schwächen diesen Trend ab, da die meistens eingesetzte Abgasrückführung Leistung und Drehmoment mindert. Insgesamt hat die Entwicklung dazu geführt, dass heute die Leistung ca. 2,5-mal höher ist als 1970 und das maximale Drehmoment ca. 3-mal so hoch. Die stärkere Entwicklung der Drehmomente zeigt, dass eine gute Fahrbarkeit eines Nutzfahrzeuges im europäischen Fernverkehr mehr vom maximalen Drehmoment als von der Nennleistung abhängt und gleichzeitig auch von den aus Verbrauchsgründen abgesenkten Drehzahlen. Neben den Motoren mit der jeweils höchsten Leistung, die ot nur deswegen im Mittelpunkt stehen, gibt es für die Betreiber von Nutzfahrzeugen eine optimale Leistung. Sie bestimmt sich aus der größtmöglichen Wirtschatlichkeit der gestellten Transportaufgabe. Es hat sich herausgestellt, dass sich die populärste Leistung über Jahre hinweg bei ca. 70 % der höchsten Leistung etabliert hat. Das führt z. B. im Jahre 2005 zu einem Wert von ca. 330 kW. Dieser Wert stellt auch heute die meistverkaute Leistungsklasse im europäischen Fernverkehr dar.

242

G.P. Merker und R. Teichmann 4000

600

Nennleistung in kW

3500

Max. Drehmoment

400

3000

300

2500

200

2000

100

1500

0 1960

1970

1980

1990

2000

2010

Max. Drehmoment in Nm

Nennleistung

500

1000 2020

Jahr Abb. 3.109 Entwicklung der Nennleistungen und max. Drehmomente (Topmotorisierung) (Eurotransport 2012)

Entwicklung der Emissionsgesetzgebung Als zum ersten Mal in den 1970er Jahren in den USA im Clean Air Act eine Reduktion der Abgasemissionen von Nfz-Motoren vorgeschrieben wurde, begann eine Entwicklung von erheblichen Dimensionen, vgl. Environmental Protection Agency (2008). Der damals festgeschriebene Stickoxid-Grenzwert von 1,62 g/BHP-hr (1 BHP = 0,7457 kW) kam auf Grund der Forderung einer 90-prozentigen Absenkung der damaligen Basis zustande. Zu dieser Zeit war nicht zu erkennen, wie bzw. ob dieser Wert überhaupt erreicht werden kann. Durch eine maßvolle Politik des Gesetzgebers und der Behörde wurde unter Miteinbeziehung der Hersteller ein pragmatischer Weg gefunden, der es ermöglichte, das Ziel in sinnvollen Schritten zu erreichen. Dazu trugen die Anhörung der Hersteller bezüglich der Erfüllbarkeit von Grenzwerten und eine Frist von vier Jahren zu deren jeweiliger Erfüllung ganz wesentlich bei. Die in der zweiten Hälfe der 1980er Jahre einsetzende Emissionsgesetzgebung in Europa führte zu einer ähnlichen Entwicklung, wenn auch die Details der Gesetzgebung durchaus unterschiedlich waren und noch immer sind. Zu den bis heute limitierten Emissionen zählen die gasförmigen Komponenten Stickoxide (NOx ), Kohlenwasserstoffe (HC) und Kohlenmonoxid (CO), die festen Bestandteile Partikelmasse (PM) und neuerdings auch die Partikelanzahl (PN) und in bestimmten Anwendungsbereichen die Trübung des Abgases. Die heute gültigen Abgasgrenzwerte und die eingesetzte Technologie führen zu nahezu schadstofffreien Abgasen, was die limitierten Schadstoffe anbelangt. Die ab 2013 gültige Emissionsvorschrit Euro VI für Europa und die bestehenden Vorschriten EPA10 in USA bzw. JP09 in Japan liegen bezüglich Partikelmasse bei 0,01 bis 0,013 g/kWh. Dennoch sind

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

243

Abb. 3.110 Stickoxid- und Partikelgrenzwerte in Europa, USA und Japan ab 2005

weitere Verschärfungen in Diskussion (Euro VII etc.). Abbildung 3.110 zeigt die Entwicklung der Grenzwerte in Europa, USA und Japan ab 2005. Mit den heute gültigen und für die nächste Zukunt diskutierten Grenzwerten erreichen Gesetzgeber und Motorenhersteller eine Absenkung der NOx - und PM-Werte seit 1980 um 98 bis 99 %. Das bedeutet, dass ein Nfz-Dieselmotor 2013 nur 1 bis 2 % der Schadstoffe von 1980 emittiert und die Anforderungen des Clean Air Act noch deutlich unterboten werden. Gleichzeitig steht in der nächsten Zukunt die Absenkung der CO2 -Emissionen bevor. Es sind Absenkungen um bis zu 20 % bis 2020 angedacht. Die Diskussion um die Absenkung der CO2 -Emission geht zum Teil eng mit der Verbesserung des Kratstoffverbrauches der heutigen Verbrennungsmotoren mit konventionellem Dieselkratstoff einher, aber auch mit anderen Kratstoffen wie Biodiesel und Gas und mit der Verringerung der fahrzeugseitigen Antriebsleistung (Roll- und Lutwiderstand, Nutzung von Energiespitzen zum Rollen etc.). Obwohl die Vorstellungen und Vorschriten einzelner Länder stark voneinander abweichen, was die Umsetzung bei global aufgestellten Motoren-Herstellern erheblich erschwert, ist eine Reduktion der CO2 -Emissionen auf Grund des starken Treibhauseffektes notwendig und daher sinnvoll. Für die Hersteller wird das in den nächsten Jahren eine der Hauptaufgaben werden. Damit wird auch die bereits angesprochene Verbrauchsabsenkung im Güterverkehr wieder stärker in den Fokus rücken.

244

G.P. Merker und R. Teichmann

Entwicklung des Kraftstofverbrauches Eine interessante Entwicklung zeigt sich auch beim Kratstoffverbrauch. Der Trend der Verbrauchswerte auf einer Teststrecke geht bis ca. 1988 kontinuierlich nach unten (Abb. 3.111). Von durchschnittlich 51 l/100 km im Jahre 1968 sinkt der Verbrauch auf durchschnittlich 35 l/100 km im Jahre 1988. Dies entspricht einer Abnahme von ca. 0,8 l/100 km pro Jahr bei einer gleichzeitigen Steigerung von Leistung und Drehmoment (s. Abb. 3.109). Ab dem Jahre 1988 zeigt Abb. 3.111 eine nur mehr geringfügige Abnahme der Kratstoffverbrauchswerte. Die Ursache dafür liegt in der einsetzenden Abgasgesetzgebung in Europa. Während in USA die Limitierung der Schadstoffe Mitte der 1970er Jahre begann, war dies in Europa erst Ende der 1980er Jahre der Fall. Im ersten Moment führte eine Limitierung der Schadstoffe zu einem Anstieg des Kratstoffverbrauches, was auch die Punktewolke über 40 l/100 km in den Jahren 1990 und danach anzeigt. Dennoch zeigt Abb. 3.111 auch, dass es gelungen ist, den Kratstoffverbrauch in den letzten 20 Jahren trotz der deutlichen Absenkung vor allem der Stickoxid- und Partikelemission sogar noch leicht zu senken. Der Durchschnittsverbrauch auf der Lastauto-Omnibus-Teststrecke lag 2008 bei 34 l/100 km bei Abgasgrenzwerten nach Euro V, d. h. 2 g/kWh NOx und 0,02 bzw. 0,03 g/kWh PM im ESC bzw. ETC, vgl. EUR-Lex (1999), was in diesem Zeitraum für NOx eine Absenkung um ca. 90 % und bei PM um ca. 95 % bedeutet hat. Die Entwicklung der Leistungen, der Drehmomente und des Kratstoffverbrauches zeigen die Ergebnisse der Anstrengungen der Nfz-Hersteller und des Einflusses der Gesetzgebung. Es gilt, dies der Öffentlichkeit gerade in der Diskussion um die Zunahme des 60

Testverbrauch in l/100 km

55 Fahrzeug-Gesamtgewicht 38/40 t

50

Saugmotoren Aufgeladene Motoren Aufgeladene Motoren mit Ladelukühlung

45 40 35 30

2010 modifizierte Strecke 1986 modifizierte Strecke

25 20 1965

1970

1975

1980

1985

1992 Euro I

1990

1995 Euro II

2000 Euro III

2005 2008 Euro IV Euro V

1995

2000

2005

2010

2013 Euro VI

2015

Jahr Abb. 3.111 Entwicklung des Kratstoffverbrauchs auf der Lastauto Omnibus-Teststrecke (Quelle: Lastauto Omnibus 1967–2012)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

245

Lkw-Verkehrs nahe zu bringen und darf als Leistung einer erfolgreichen Entwicklung angesehen werden.

Entwicklung der Nenndrehzahlen Die Saugmotoren in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten eine Nenndrehzahl von 2500 min–1 bei den Motoren im schweren Einsatz und bis zu 3500 min–1 im mittleren Segment. Mit der Steigerung der Aufladung wurden Drehzahlspanne und Nenndrehzahl verkleinert. Die Nenndrehzahlen haben sich auf bis zu 1700 min–1 bei den größeren Motoren und auf bis zu 1900 min–1 bei den kleineren Motoren abgesenkt. Die Absenkung des Drehzahlniveaus bringt eine Reihe von Vorteilen, wovon hauptsächlich Verbrauchsverbesserungen und eine Geräuschabsenkung zu nennen sind, sowie auch eine einfachere Abstimmung der Motor- bzw. Brennverfahrenskomponenten. Dennoch gibt es auch heute noch Motoren, die Nenndrehzahlen bis 2500 bzw. 3200 min–1 aufweisen. Entwicklung des Verdichter-Druckverhältnisses und des Verbrennungshöchstdruckes Saugmotoren saugen die Verbrennungslut aus der Umgebung an und haben definitionsgemäß keine Aufladung. Man kann ihnen aber dennoch ein fiktives Verdichter-Druckverhältnis von ca. 1 zuordnen, um sie in die Entwicklung der Verdichter-Druckverhältnisse mit aufzunehmen. Abbildung 3.112 zeigt, dass die turboaufgeladenen Motoren anfänglich Verdichter-Druckverhältnisse um 2 hatten. Im Laufe der Zeit steigerten sich die Aufladegrade und erreichten mit der Einführung der Ladelutkühlung Werte um ca. 2,5. Die mit zunehmender Verbreitung der Aufladung breiter einsetzende Entwicklung der Turbolader führte zu einem fast stetig wachsenden Verlauf des maximalen Verdichter-Druckverhältnisses. Mit Einsetzen der EPA07-Grenzwerte, die mit hohen Abgasrückführraten dargestellt wurden, wurde mit einem Verdichter-Druckverhältnis von fast 4 die Grenze der einstufigen Aufladung erreicht. In einigen Fällen wird auch die zweistufige Aufladung eingesetzt, die derzeit nur leicht höhere Gesamt-Druckverhältnisse erreicht. Prinzipiell sind mit der zweistufigen Aufladung natürlich wesentlich höhere Gesamt-Druckverhältnisse möglich (5 bis 10), wobei Grenzen durch Bauteiltemperaturen gesetzt sind und eine Zwischenkühlung nach der ersten Stufe erforderlich ist. Auch die Entwicklung der Verbrennungshöchstdrücke beginnt bei den Saugmotoren. Das damals übliche Niveau lag bei ca. 80 bar. Mit dem Einsetzen der Aufladung hat man erkannt, dass aufgeladene Motoren ein höheres zulässiges Verbrennungsdruckpotenzial haben müssen, um ihren Vorteil nutzen zu können. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Verbrennungshöchstdrücke parallel zu den Leistungen und VerdichterDruckverhältnissen wuchsen. Gezeigt wird das in Abb. 3.112 beispielhat an den schweren Mercedes-Benz Nfz-Motoren. Eine besondere Anforderung stellt in diesem Zusammenhang die Abgasrückführung dar, weil der notwendige Aufladegrad und die günstige Lage der Verbrennung einen in Bezug auf Leistung und Drehmoment noch höheren Verbrennungshöchstdruck erfordert. Modernste Motoren weisen heute einen zulässigen Ver-

G.P. Merker und R. Teichmann 2-stufige Aufladung

Max. Verdichterdruckverhältnis in -

4,0 3,5

400 350

3,0

300 Ladelugekühlte

2,5

250

Motoren Aufgeladene

2,0

OM 47x BR 500

Motoren

1,5 1,0

200 150

Saugmotoren

100 BR 400 Max. Verdichterdruckverhältnis

0,5

50

Verbrennungshöchstdruck in bar

246

Verbrennungshöchstdruck

0,0 1970

1980

1990

2000

2010

0 2020

Jahr Abb. 3.112 Entwicklung des max. Verdichterdruckverhältnisses und des Verbrennungshöchstdruckes von Heavy-Duty-Dieselmotoren

brennungshöchstdruck von 230 bar auf. In den nächsten 10 Jahren dürte der maximale Verbrennungshöchstdruck noch weiter steigen.

Entwicklung der Einspritzdrücke Für einen Dieselmotor ist die Einbringung des Kratstoffes in den Brennraum von zentraler Bedeutung. Nach einer kurzen Zeit der Suche nach einem geeigneten System zur Kratstoffeinbringung in den Anfängen des Dieselmotors wurde der Kratstoff mittels einer Reiheneinspritzpumpe eingespritzt, vgl. Beier et al. (1983). Die in den 1970er Jahren eingesetzten Einspritzpumpen hatten ein Druckpotenzial von 400 bis 600 bar, wie Abb. 3.113 zeigt. Bis zum Ende des Einsatzes von Reiheneinspritzpumpen steigerte sich der zulässige Druck an der Einspritzpumpe bis Mitte der 90er Jahre auf 1150 bar. Da die Wirksamkeit höherer Einspritzdrücke bereits klar war und die Reiheneinspritzpumpen kein weiteres Potenzial besaßen, wurden für jeden Zylinder Einzeleinspritzelemente mit (Steckpumpe) und ohne Einspritzleitung (Pumpe-Düse) entwickelt. Diese Systeme wurden von einer Nockenwelle betätigt. Mit diesen Einzeleinspritzelementen lassen sich Einspritzdrücke von bis zu 2100 bar erreichen. Der stark last- und drehzahlabhängige Einspritzdruck von nockengetriebenen Einspritzsystemen führte zur Entwicklung von Common-RailEinspritzsystemen, bei denen der Einspritzdruck aus einem Reservoir (Common Rail) zu den Injektoren gelangt und von dort der Kratstoff in den Brennraum einspritzt wird. Diese Systeme weisen heute einen maximalen Druck von 1800 bis 2500 bar auf. Zuküntig dürte

Max. Einspritzdruck an der Einspritzpumpe [bar]

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren Reihenpumpen

247

Einzel-Steckpumpen

Flexibles, druckverstärktes Common Rail System

2600

Heavy Duty Engine Platform (HDEP) FlexCRS2

vollelektr. geregelte EinzelSteckpumpe mit aktiver Düse OM460 LA, EPA07

2200

Heavy Duty Engine Platform (HDEP) FlexCRS

1800

1400

OM501 LA, Euro 2 vollelektr. geregelte Einzel-Steckpumpe (DTC SP 110)

elektronisch geregelte Hubschieberpumpe (Bosch, RP43) OM442 LA

1000 mech. Einspritzpumpe

600

mit Spritzversteller (Bosch S3000) BR400

OM442 LA, Euro 0 mech. Einspritzpumpe mit Spritzversteller (Bosch RP25)

mechanischer Spritzversteller 1980

1985

1990

elektronische Spritzbeginnregelung 1995

2000

2005

2010

2015

Abb. 3.113 Entwicklung der Einspritzdrücke von schweren Mercedes-Benz-Nfz-Motoren (Schmid et al. 2007)

nur noch eine leichte Steigerung des maximalen Einspritzdruckes eintreten, sofern die Emissionsgesetzgebung sich wie im Abschnitt „Entwicklung der Emissionsgesetzgebung“ in Abschn. 3.7.2 beschrieben entwickelt.

3.7.3 Brennverfahren von Nfz-Dieselmotoren Wie der Name schon sagt, arbeiten Nfz-Dieselmotoren nach dem von Rudolf Diesel erfundenen und entwickelten Dieselverfahren. Das bedeutet, dass Kratstoff in komprimierte Lut oder in ein Gemisch aus komprimierter Lut und Abgas eingespritzt wird. Der Kratstoff verdampt in der heißen Lut, entzündet sich und brennt, bis er nahezu vollständig aufgebraucht ist. Wird der Kratstoff kurz vor oder nach dem Oberen Totpunkt eingespritzt, dann nennt man diese Verbrennung heterogen, weil sich Lut und Kratstoffdampf nicht in größerem Umfang mischen. Wird der Kratstoff in das Saugrohr oder in einer frühen Phase der Kompression in den Zylinder eingespritzt, dann vermischen sich Lut und Kratstoffdampf mehr oder weniger gut und man spricht von einer homogenen Verbrennung. Kombinationen von homogener und heterogener Verbrennung werden als teilhomogen bezeichnet. Die Verbrennung von Kratstoff hat eine Energieentwicklung zur Folge und in einem Verbrennungsmotor mit einem praktisch geschlossenen Brennraum eine Druck- und Temperatursteigerung. Der Verlauf der Verbrennung und der Verlauf von Druck und Temperatur entscheiden über die an die Kurbelwelle abgegebene Arbeit, über die Bildung von Schadstoffen und über das Entstehen von Geräuschen. Diesem Brennverlauf genannten

248

G.P. Merker und R. Teichmann

Verlauf der Energieentwicklung kommt also eine entscheidende Bedeutung bei. Details zur dieselmotorischen Verbrennung sind Abschn. 2.2 zu entnehmen. Die Beeinflussung des Brennverlaufes führt zu unterschiedlichen Brennverfahren. Ziel einer Beeinflussung des Brennverlaufes ist bei Nfz-Dieselmotoren sehr häufig die Minimierung des Kratstoffverbrauches unter Einhaltung der vorgegebenen Randbedingungen. In den letzten 25 Jahren waren diese Randbedingungen zum großen Teil die Emissionsvorschriten, mit unterschiedlicher Gewichtung aber auch alle anderen in Abschn. 3.7.1. genannten Anforderungen. Die vorrangige Aufgabe bei der Entwicklung von Nfz-Motoren in den letzten 25 Jahren war also die Erfüllung der NOx - und PM-Grenzwerte bei möglichst niedrigem Kratstoffverbrauch. Die Entwicklung von Nfz-Dieselmotoren und deren Brennverfahren ist, wie viele Entwicklungen, meist eine evolutionäre Angelegenheit. Es geht vielfach um die Weiterentwicklung bestehender Verfahren und selten um die Einführung von revolutionären Neuerungen. Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es bei den Nfz-Dieselmotoren Vorkammerund Direkteinspritzmotoren. Schließlich setzten sich die Direkteinspritzmotoren trotz des etwas höheren Geräusches aus Verbrauchsgründen durch. In den folgenden Jahren zwischen 1960 und 1980 gab es zwei unterschiedliche Wege zur Gestaltung der dieselmotorischen Verbrennung mit Direkteinspritzung. Man unterschied damals zwischen wandanlagernden und lutverteilenden Brennverfahren. Wie der Name sagt, wird beim wandanlagernden Verfahren der Kratstoff tangential auf die Wand einer kugelähnlichen Mulde aufgebracht, von wo er im Idealfall in konzentrischen Schichten abbrennen sollte, vgl. Beier et al. (1983). Dieses Verfahren zeichnete sich durch günstige Geräuschwerte aus. Im Gegensatz dazu wird beim lutverteilenden Verfahren der Kratstoff in die Lut in der meist zylindrischen Brennraummulde eingebracht und nur die Strahlspitzen haben Wandberührung, vgl. Beier et al. (1983). Die örtlich hohen Temperaturen bei wandanlagernden Verfahren führten zu hohen Stickoxidwerten und spätestens mit der Einführung von NOx -Grenzwerten zum Aus dieses Verfahrens. Die lutverteilenden Brennverfahren Mitte der 1980er Jahre waren geprägt von niedrigen Einspritzdrücken (vgl. Abschnitt „Entwicklung der Einspritzdrücke“ in Abschn. 3.7.2) und Zylinderköpfen mit zwei Ventilen pro Zylinder. Das führte zu kleinen, exzentrisch versetzten Brennraummulden mit schräg eingebauter Einspritzdüse. Ein solches Zusammenfügen von Brennverfahrenskomponenten braucht Gemischbildungsenergie in Form von Lutdrall und die Abstimmung der Komponenten war schwierig. Mit Fortschreitung der Emissionsvorschriten und der stetigen Absenkung der NOx und Partikel-Emissionen war es notwendig, Brennverfahren zu entwickeln, die einerseits die Emissionsvorschriten erfüllen konnten und andererseits dennoch einen hohen Wirkungsgrad aufwiesen. Es war der Weg zur senkrechten, mittig eingebauten Düse und zu Einspritzelementen mit höheren Einspritzdrücken (Steckpumpen, Pumpe-DüseElemente) vorgezeichnet. Die mittig eingebaute Düse führt konstruktiv zu einem Zylinderkopf mit vier Ventilen pro Zylinder, was den Gaswechsel positiv beeinflusst. Verschiedene

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

249

Hersteller haben für sich die Frage „mit oder ohne Lutdrall“ unterschiedlich beantwortet. Es gibt hier beides, wobei die überwiegende Zahl der Hersteller Drall verwendet. Diese Mitte der 1990er Jahre in Serie gegangenen, stark lutverteilenden Brennverfahren mit großen, flachen Brennräumen und hohen Einspritzdrücken wurden in den folgenden Jahren nicht mehr verändert. Sie wurden aber im Hinblick auf die Emissionsvorschriten weiter verbessert. Bis zu einem NOx -Grenzwert von ca. 5 g/kWh konnten die Motoren die Stickoxidwerte ohne Zusatzmaßnahmen erreichen, darunter waren interne und externe Maßnahmen notwendig. Je nach Marktbedingungen wurden Brennverfahren mit Abgasrückführung oder mit einem nachmotorischen NOx -Katalysator eingesetzt. Da die SCR-Technologie den Zusatzstoff Adblue erfordert und die dafür nötige Infrastruktur zuerst in Europa etabliert wurde, gab es die ersten Serienmotoren mit der SCR-Katalysatortechnologie in Europa mit Einsetzen der Euro IV-Gesetzgebung. Im nordamerikanischen Raum war bis zur Emissionsstufe EPA07 keine Adblue-Infrastruktur vorhanden. Die Motoren erfüllten die NOx -Grenzwerte mit einem Brennverfahren mit Abgasrückführung. Mit den Emissionsstufen EPA10 und Euro VI werden von fast allen Herstellern beide Verfahren kombiniert.

Heterogene Brennverfahren Die heute üblicherweise angewandten Brennverfahren sind heterogene Brennverfahren. Die Unterscheidung ist in der Einleitung von Abschn. 3.7.3. beschrieben. Das Brennverfahren wird ganz wesentlich von dem vom Motor zu erfüllenden RohNOx -Emissionswert bestimmt. Dieser hängt vom NOx -Grenzwert und von dem verfügbaren Konversionsgrad des NOx -Katalysators ab. Die ohne Abgasrückführung auskommenden Brennverfahren brauchen etwas weniger Entwicklungsaufwand als solche mit. Im Falle des Einsatzes einer Abgasrückführung, die meistens von der Hochdruckseite vor Turbine auf die Seite nach Verdichter geführt und gekühlt wird, kommt dem Einspritzsystem eine noch entscheidendere Rolle zu. Bei diesen Einsatzbedingungen hat sich ein Common-RailEinspritzsystem am vorteilhatesten herausgestellt. Ein solches System ist in der Lage, die Anforderungen bez. niedriger (Roh-)Partikelwerte und von kennfeldweit optimalen Einspritzungen zu erfüllen und harmoniert sehr gut mit der Abgasrückführung. Abbildung 3.114 veranschaulicht die Komplexität der dieselmotorischen Brennverfahrensentwicklung. Ausgehend von einem vorhandenen Brennverfahren mit bestimmten NOx -, PM- und Verbrauchswerten (roter Punkt in Abb. 3.114) wird das notwendige Primär- oder Roh-NOx -Niveau mittels Spätverstellung des Einspritzzeitpunktes und/oder Einsatz der Abgasrückführung eingestellt. Der Kratstoffverbrauch folgt dabei den bekannten Zusammenhängen, er verschlechtert sich deutlich (oranger Punkt in Abb. 3.114). Nun setzt die eigentliche Entwicklungsarbeit ein. Der natürliche Anstieg des Kratstoffverbrauches ist zu kompensieren oder sogar zu unterbieten (blaue Punkte in Abb. 3.114). Dies geschieht mit Variation der in Abb. 3.114 rechts gezeigten Einflussfaktoren. Auf Grund der hohen Anzahl von Parametern und Freiheitsgraden müssen bei der Optimierung verschiedene Wege beschritten werden. Es ist unabdingbar, dass Simulation und

250

G.P. Merker und R. Teichmann

Abgasgrenzwert

Kraftstoffverbrauch

Brennraumgestaltung

Düsenkonfiguration

Brennverfahrensentwicklung

Einspritzdruck, -strategie

Abgasrückführung

Luftausnutzung, Aufladegrad

Prozessführung

Abgasnachbehandlung

Konstruktive Voraussetzungen Elektronik Abgasnachbehandlung Kühlwärme Fahrzeug

NOx, PM

Abb. 3.114 Entwicklung von Brennverfahren für Nfz-Dieselmotoren mit niedrigen Abgasgrenzwerten (schematisch)

Versuch Hand in Hand gehen. Während der Entwicklungsphase und für die Serieneinführung sind aber Messwerte unabdingbar. Meist werden die Messwerte an vollständig ausgeführten Mehrzylindermotoren ermittelt, manche Hersteller verwenden zur Brennverfahrensentwicklung zusätzlich spezielle Einzylinder-Versuchsmotoren. Nach geglückter Brennverfahrensentwicklung ist der Verbrauch auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gesunken und das noch vorhandene NOx bzw. die noch vorhandene Partikelmasse ist durch die außermotorische Abgasnachbehandlung auf den einzuhaltenden Grenzwert abzusenken (grüne Punkte in Abb. 3.114). Ein wesentlicher Faktor für die Erzielung guter Verbrauchswerte ist der Konversionsgrad der Abgasnachbehandlungssysteme. Fast immer lässt sich durch eine höhere Rohemission ein niedrigerer Kratstoffverbrauch erzielen (dunkelblaue und dunkelgrüne Punkte und dunklere Pfeile in Abb. 3.114). Dabei sind höhere Konversionsgrade notwendig. In der Praxis sind die Entwicklung des Brennverfahrens und der Abgasnachbehandlung nicht entkoppelt. Eine Kopplung beider Pfade zeigt sich z. B. bei der Beeinflussung der Temperatur des Abgases, die eine direkte Einflussgröße auf den Wirkungsgrad der Nachbehandlungssysteme ist. Im Folgenden sollen einige typische Abhängigkeiten bei der Entwicklung von NfzDiesel-Brennverfahren gezeigt werden. Es sind dies beispielhat die Größen Kratstoffverbrauch, NOx -Emission und die Abgasschwärzung (Filter Smoke Number, FSN), die in Abb. 3.115 abhängig vom elektrischen Einspritzbeginn (d. h. vom Beginn der Bestromung, BOC), vom Lutverhältnis (lambda), von der Abgasrückführrate (EGR) und vom Einspritzdruck an der Düse (p_ED) dargestellt sind. Die Werte stammen von einem Einzylinder-Versuchsmotor der Größe 139 × 171 mm und einem Hubvolumen pro Zylin-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

251

Abb. 3.115 Kratstoffverbrauch, NOx -Emission und Filter Smoke Number in Abhängigkeit vom elektrischen Einspritzbeginn, vom Lutverhältnis, von der Abgasrückführrate und vom Einspritzdruck

der von 2,59 dm , einem Brennverfahren mit Stufenmulde für die Abgasstufe Euro VI in einem Lastpunkt 1200 min-1 und ca. 50 % Last. Als Einspritzsystem wurde ein flexibles Common-Rail-System verwendet, wobei der Einspritzverlauf auf die bei konventionellen Common-Rail-Systemen vorhandene Rechteck-Einspritzung eingestellt wurde. Die Wirkungsweise eines flexiblen CR- Einspritzsystems und der Variation von Einspritzverläufen wird im Abschnitt „Einspritzsystem“ in Abschn. 4.2 beschrieben. In Abb. 3.115 sind die unterschiedlichen Auswirkungen von Parametervariationen und die teilweise gegenläufigen Tendenzen von verschiedenen motorischen Größen zu erkennen. Abbildung 3.115 zeigt den großen Einfluss, den der Einspritzbeginn und die Abgasrückführung auf die Stickoxidemission haben. Die Reaktion von Verbrauch und Abgasschwärzung sind dagegen unterschiedlich in Größe und Gradient. Ähnlich verhält es sich mit den Parametern Lutverhältnis und Einspritzdruck, wenn auch die Abhängigkeiten zum Teil unterschiedlich sind. Zur einfacheren Darstellung sind in Abb. 3.115 die jeweils anderen Parameter konstant gesetzt. Der gezeigte Zusammenhang Abgasrückführrate-Verbrauch gilt grundsätzlich für Einzylindermotoren und für Vollmotoren bei Drosselung der zurückgeführten Abgasmenge vom höchsten Wert aus. Anders, teilweise gegenläufig, ist der Verbrauchsverlauf, wenn die Rückführmenge durch Variation des Aufstaudruckes an der Turbine erzeugt wird. In diesem Fall kann die Verschlechterung des Ladungswechsels zu einem Ansteigen des Verbrauches führen. Ähnliches gilt für den Zusammenhang Lutverhältnis und Verbrauch. Hier zeigt ein Vollmotor ein ausgeprägteres Minimum im Verbrauch bei einem bestimmten Lutverhältnis durch das Zusammenwirken von Verbrauchs-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.116 Kratstoffverbrauch und Rußemission in Abhängigkeit vom Muldendurchmesser (Krüger et al. 2012)

verbesserung der Hochdruckschleife bei Steigerung des Lutverhältnisses und Verbrauchsverschlechterung durch den steigenden Ladungswechselanteil. Der Einfluss des Einspritzdruckes ist in volllastnahen Betriebspunkten stärker als hier in Abb. 3.115 für ca. 50 % Last dargestellt. In der Praxis muss die Vielzahl der Parameter so optimiert werden, dass beispielhat bei einem anzustrebenden NOx -Wert der Verbrauch minimal wird und andere Größen nicht die festgesetzten Grenzen überschreiten. Zu diesen Grenzen gehören beispielsweise weitere Emissionen, Gas- und Bauteiltemperaturen, der Verbrennungshöchstdruck und die Laderdrehzahl. Auf Grund der Vielzahl der Parameter und der hohen Komplexität der Abhängigkeiten wird ot ein mathematisch-statistisches Verfahren verwendet, das als „Design of Experiments“ (DoE) bezeichnet wird. Eine detaillierte Beschreibung ist in Kap. 13 zu finden. Neben der Optimierung der Einstell- oder auch Sotwareparameter müssen für ein gutes Brennverfahren auch die Bauteile oder Hardware-Komponenten wie Kolbenmulde, Einspritzdüse und Drall untersucht und optimiert werden. Ergebnisse einer Untersuchung von Hardware-Komponenten zeigen Abb. 3.116 und 3.117. Auch diese Ergebnisse stammen von einem Einzylinder-Versuchsmotor. In diesem Fall handelt es sich um einen Motor der Größe 125 × 145 mm und einem Hubvolumen pro Zylinder von 1,78 dm in der Abgasnorm Euro VI, s. Krüger et al. (2012). Bei der Entwicklung des Brennverfahrens zeigte sich, dass eine konventionelle, leicht eingezogene Brennraummulde mit einem relativ großen Durchmesser (ca. 73 % der Bohrung) optimal war. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigt Abb. 3.116. Die Untersuchung des Lochquerschnittes der Einspritzdüse ist in Abb. 3.117 links dargestellt. Es zeigt sich, dass der als Maß herangezogene hydraulische Durchfluss der Einspritzdüse einen geringen Einfluss auf Kratstoffverbrauch und Rußemission hat. Als günstigste

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

253

Abb. 3.117 Kratstoffverbrauch und Rußemission in Abhängigkeit vom hydraulischen Durchfluss und vom Spritzkegelwinkel der Einspritzdüse (Krüger et al. 2012)

Variante kann hier ein hydraulischer Durchfluss von 770 cm /30 s bei 100 bar festgestellt werden. Eine Variation des Spritzkegelwinkels der Einspritzdüse in Abb. 3.117 rechts lässt für eine Absenkung des Kegelwinkels auf 146 Grad einen Kratstoffverbrauchsvorteil erkennen, wohingegen die Rußemission deutlich ansteigt. Da die Absolutwerte der Rußemission noch im Bereich des Tolerierbaren sind, wurde für den Euro-VI-Motor die Variante mit dem höchsten Verbrauchspotenzial ausgewählt. Für den Non-Road-Motor nach Tier 4 wurde jedoch aus Gründen niedrigster Rußemission der Spritzkegelwinkel mit 150 Grad festgelegt. Moderne Nfz-Diesel-Brennverfahren zeichnen sich auch durch einen niedrigen Geräuschpegel und durch ein subjektiv angenehmes Geräusch aus. Voraussetzung dafür sind eine entsprechend geräuscharme Grundstruktur des Motors, auf die bei der konstruktiven Auslegung zu achten ist, und eine entsprechende Verbrennungsabstimmung, bei der in den geräuschrelevanten Kennfeldbereichen Voreinspritzung appliziert wird. Begünstigt wird das durch die modernen Common-Rail-Einspritzsysteme, die in der Lage sind, mehrere Einspritzungen pro Arbeitsspiel stabil zu erzeugen. Grundsätzlich trägt auch das gesunkene Drehzahlniveau zur Geräuschabsenkung bei. Abschließend ist zur Brennverfahrensentwicklung zu sagen, dass neben den heute üblichen und notwendigen Berechnungen auf den Versuch nicht verzichtet werden kann. Die komplexen Vorgänge bei der dieselmotorischen Verbrennung incl. Schadstoffbildung sind noch immer nicht vollständig bekannt. Die bekannten Phänomene können in Rechenmodellen abgebildet werden, wobei die Qualität des jeweiligen Modelles eine große Rolle spielt und die Modelle deshalb immer wieder verbessert werden müssen. Die Berechnung eignet sich vorzüglich, um die komplexen Vorgänge im Brennraum und einzelne Phänomene

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zu visualisieren. Für die Optimierung der Brennverfahrensparameter eines Motors, der im Vergleich mit den Wettbewerbern führend sein will, ist nach wie vor Detailarbeit auf dem Prüfstand verbunden mit der Erfahrung des Versuchsingenieurs unverzichtbar.

Homogene Brennverfahren Es gibt, abhängig von der lokalen Temperatur und dem lokalen Lutverhältnis, Bereiche, in denen NOx und Ruß gebildet werden. Im Normalfall läut eine konventionelle Verbrennung durch diese Zonen. Beim Dieselmotor kann als konventionell die heterogene Verbrennung angesehen werden. Es gibt aber auch Bereiche, in denen keine NOx - und Rußbildung stattfindet. Insbesondere der Bereich niedrigerer lokaler Verbrennungstemperaturen kann als praktisch stickoxid- und rußfrei betrachtet werden. Niedrige lokale Verbrennungstemperaturen können erreicht werden, wenn lokal nur geringe Kratstoffmengen verbrennen. Dazu ist es notwendig, den gesamten Kratstoff möglichst homogen in der Verbrennungslut zu verteilen. Bei Dieselkratstoffen gestaltet sich das wegen der hohen Siedetemperaturen durchaus schwierig. Möglich ist eine Einspritzung des Kratstoffes in die Ansauglut vor den Einlassventilen oder in den Brennraum während des Verdichtungsvorganges. Beide Möglichkeiten haben deutliche Nachteile, wobei sich beim Dieselmotor eher die Einspritzung während der Kompression eignet. Dabei kann je nach Bedarf der Kratstoff in Teilmengen ab einem Zeitpunkt von ca. 100 °KW v. OT eingebracht werden. Wesentlich dabei sind tief spritzende Einspritzdüsen, damit möglichst wenig Kratstoff, der sich an der Laufbuchsenwand anlagert, ins Schmieröl gelangt. Nach einer möglichst homogenen Verteilung der eingespritzten Kratstotröpfchen schreitet die Verdampfung des Kratstoffes in der sich erwärmenden Lut voran. Nach Erreichen einer bestimmten Temperatur entzündet sich der Kratstoff in zwei Stufen selbsttätig und verbrennt meist schlagartig mit hohen Druckanstiegen. Wenn es gelingt, die Temperaturen lokal niedrig zu halten, entstehen während der Verbrennung keine Stickoxid- und keine Rußemission. Dazu sind hohe Abgasrückführraten (ca. 50 %) und niedrige effektive Verdichtungsverhältnisse erforderlich. Da thermodynamisch das Verhältnis der oberen und unteren Prozesstemperatur ausschlaggebend für den Wirkungsgrad ist (vgl. Abschn. 3.3.2), haben Niedertemperatur-Brennverfahren grundsätzlich einen schlechteren Kratstoffverbrauch zur Folge. Des Weiteren können auf Grund der niedrigen Temperaturen größere Anteile an unverbrannten Kohlenwasserstoffen und höhere CO-Emissionen entstehen. Hilfreich oder sogar notwendig für ein homogenes Brennverfahren ist der Einsatz eines Miller-Zyklus durch frühes oder spätes Schließen der Einlassventile (vgl. „MillerVerfahren“ in Abschn. 2.4.2). Damit lässt sich die Ladungstemperatur weiter reduzieren und auch regeln. Der Aufwand einer solchen variablen Ventilsteuerung (vgl. Abschn. 19.3.2) ist jedoch erheblich. Abbildung 3.118 zeigt schematisch den Betriebsbereich und die Grenzen bei homogener Verbrennung. Nur eine sinnvolle Kombination von Verdichtungsverhältnis und Abgasrückführrate erlaubt eine homogene Verbrennung. Eine zu niedrige Abgasrückführrate und/oder ein

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

255

70

Abgasrückführrate in %

65 60 55 50 45 40 35 30 8

10

12

14

16

18

20

Verdichtungsverhältnis in -

Abb. 3.118 Betriebsbereich und -grenzen bei homogener Verbrennung (Maderthaner et al. 2008)

zu hohes Verdichtungsverhältnis ergeben Zustände mit unzulässig hohen Druckanstiegen während der Verbrennung. Zu niedriges Verdichtungsverhältnis und/oder eine zu hohe Abgasrückführrate führen zu einer instabilen Verbrennung. Der Einsatz eines MillerZyklus ermöglicht die Ausdehnung des Betriebsbereiches zu höheren Verdichtungsverhältnissen. Unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten (Absenkung des Verdichtungsverhältnisses und Applikation des Miller-Zyklus) ist derzeit ein rein homogener Betrieb nur bis zu einem Mitteldruck von ca. 10 bar praktisch NOx - und rußfrei möglich, wie in Abb. 3.119 zu erkennen ist. Gleichzeitig führt ein solcher Betrieb aber auch zu einem Druckanstieg der Verbrennung von fast 20 bar/°KW. Solche Werte stellen neue Anforderungen bez. der Geräuschemission dar. Höhere Lasten brauchen eine teilweise oder ganz heterogene Verbrennung mit entsprechenden Stickoxid- und Rußemissionen. Wertvolle Erkenntnisse zum Verständnis der homogenen Dieselverbrennung wurden im FVV-Vorhaben „Homogene Brennrate“ gefunden und von Rether et al. (2012) veröffentlicht. Auf Grund der mittlerweile zum Stand der Technik gehörenden Abgasnachbehandlung und des damit verbundenen niedrigeren Kratstoffverbrauches hat die Entwicklung von homogenen Dieselbrennverfahren an Bedeutung verloren. Eine homogene Verbrennung kann aber in Teil-Betriebsbereichen oder bei besonderen Anwendungsfällen durchaus interessant sein.

Beispiele ausgeführter Nfz-Motoren Auch wenn sich die Brennverfahren von Nfz-Dieselmotoren in den letzten Jahren im Wesentlichen nicht mehr verändert haben, gibt es doch genügend Unterschiede in den Details. Zur Verdeutlichung dieser Details dienen die in Tab. 3.8 und 3.9 zusammengestellten Motoren und Brennverfahrensparameter. Die Auswahl folgt bestimmten Kriterien wie

256

G.P. Merker und R. Teichmann 5,5 Einzylinderergebnisse Vh = 2,13 dm³, 1300 min-1, Abgasrückführrate 50 %

18

5,0

16

4,5

14

4,0

12

3,5

10

3,0

8

2,5 2,0

6 epsilon = 18

4

1,5

epsilon = 18 + spätes Einlass-Schließen

2

1,0

epsilon = 14 + spätes Einlass-Schließen

0

0,5

-2

0,0 -0,5

-4 0

2

4

6

8

10

NOx-Emission in g/kWh

Druckanseg in bar/°KkW

20

12

Eff. Mieldruck in bar

Abb. 3.119 Druckanstieg und NOx -Emission bei homogener Verbrennung, Maderthaner et al. (2008)

der Verfügbarkeit von Daten, moderner Abgasstufen, einer Differenzierung in der NOx Strategie und einer Auffächerung über Regionen. Die Auswahl der Hersteller ist zufällig. Eine Zusammenstellung von Daten von Euro-VI-Motoren wäre wünschenswert gewesen, ist aber angesichts der geringen Anzahl von im Markt befindlichen Motoren derzeit nicht möglich. In Tab. 3.8 sind einige Brennverfahrensparameter von Medium-Duty-Motoren und in Tab. 3.9 die gleichen von Heavy-Duty-Motoren aufgeführt. Es ist zu erkennen, dass trotz ähnlicher Anforderungen die unterschiedlichen Hersteller im Detail zu unterschiedlichen Lösungen kommen. Dies ist sowohl bez. der Geometrie- und Leistungsdaten als auch bez. der eingesetzten Systeme zu erkennen. Beispielhat erwähnt seien hier die große Spanne der Hub-Bohrungsverhältnisse und die Einspritz- und Aufladesysteme. Den Entwicklungsstand eines modernen Heavy-Duty-Dieselmotors zeigt Abb. 3.120. Hier werden für einen Motor mit der Abgasstufe Euro V effektive Wirkungsgrade bis über 46 % erreicht.

3.7.4

Kaltstartfähigkeit und Warmlaufverhalten

Auch bez. Kaltstartfähigkeit und Warmlaufverhalten werden an einen Nfz-Dieselmotor besondere Anforderungen gestellt. Während es vor 20 Jahren noch undenkbar war, einen Motor ohne spezielle Kaltstarteinrichtungen auszurüsten, sind mittlerweile Forderungen bez. Kaltstartfähigkeit bis −30 °C ohne Hilfsmittel üblich. Die heutigen Nfz-Dieselmotoren sind in der Lage, diese Forderungen zu erfüllen.

Euro V, 2008 108 125 1,16 1,145 6 6,87 250 36,4 2300 9,58 1250 22,9 18,0 65/77,6 0,60/0,72 Bosch CR 1800 9 ja Festgeometrie 2-stufig ja

Euro V, 2008 102 120 1,18 0,981 6 5,88 205 34,8 2500 10,00 950 20,9 17,0 56,6/70 0,55/0,69 Bosch CR 1600 8 ja Festgeometrie nein

EPA10, 2011 107 124 1,16 1,115 6 6,69 242 36,2 2300 9,51 1017 19,1 17,3 61/73 0,57/0,68 Bosch CR 1800 8 ja VTG ja

Iveco Tector 6 Cummins ISB MAN D08

Abgasstufe, Modelljahr Bohrung Hub Hub-Bohrungsverhältnis Hubvolumen pro Zylinder Zylinderzahl Hubvolumen Max. Leistung Literleistung Nenndrehzahl Max. mittlere Kolbengeschwindigkeit Max. Drehmoment Max. Mitteldruck Verdichtungsverhältnis Muldendurchmesser min./max. Muldendurchmesser/Bohrung Einspritzsystem Max. Einspritzdruck Düsenlochzahl Drall Aufladung Abgasrückführung

– mm mm – dm – dm kW kW/dm min–1 m/s Nm bar – mm – – bar – – – –

Hersteller, Motor

Tab. 3.8 Brennverfahrensentwicklung Medium-Duty-Motoren, charakteristische Größen EPA10, 2011 110 123 1,12 1,169 6 7,01 209 29,8 2500 10,25 881 15,8 17,5 63 0,57 Denso CR 2000 6 ja VTG ja

Euro VI, 2013 110 135 1,23 1,283 6 7,70 260 33,8 2200 9,90 1400 22,8 17,6 61,5/84,7 0,56/0,77 Delphi CR 2400 10 ja Festgeometrie 2-stufig ja

Nissan UD GH7 Daimler OM 936

3 Funktionsweise von Verbrennungsmotoren 257

Euro V, 2006 125 140 1,12 1,718 6 10,31 331 32,1 2100 9,80 2100 25,6 17,0 67,2/87,8 0,54/0,70 Bosch Pumpe-Düse 2000 8 ja VTG

– mm mm – dm – dm kW kW/dm min–1 m/s Nm bar – mm – – bar – – – –

Abgasstufe, Modelljahr Bohrung Hub Hub-Bohrungsverhältnis Hubvolumen pro Zylinder Zylinderzahl Hubvolumen Max. Leistung Literleistung Nenndrehzahl Max. mittlere Kolbengeschwindigkeit Max. Drehmoment Max. Mitteldruck Verdichtungsverhältnis Muldendurchmesser min./max. Muldendurchmesser/Bohrung Einspritzsystem Max. Einspritzdruck Düsenlochzahl Drall Aufladung

Abgasrückführung

Nein

Iveco Cursor10

Hersteller, Motor

Scania DC13

Euro V, 2011 Euro V, 2008 126 130 166 160 1,32 1,23 2,070 2,123 6 6 12,42 12,74 371 353 29,9 27,7 1900 1900 10,51 10,13 2300 2500 23,3 24,7 19,0 17,3 71/95 79,4/89,8 0,56/0,75 0,61/0,69 Bosch CR Cummins XPI 1800 2400 9 8 ja ja Festgeometrie VTG 2-stufig Ja Ja, 2-stufig

MAN D26

Tab. 3.9 Brennverfahrensentwicklung Heavy-Duty-Motoren, charakteristische Größen

Nein

Euro V, 2006 131 158 1,21 2,130 6 12,78 397 31,1 1900 10,01 2600 25,6 18,1 89,2 0,68 Delphi Pumpe-Düse 2000 6 nein Festgeometrie

Volvo D13

Euro V, 2012 132 156 1,18 2,135 6 12,81 375 29,3 1800 9,36 2500 24,5 17,3 94 0,71 Bosch APCRS 2100 8 nein Festgeometrie asymmetrisch Ja

Daimler OM 471

258 G.P. Merker und R. Teichmann

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

259

2600

Drehmoment in Nm

2200 1800

η_e = 46 %

1400 45 %

1000

44 %

42 %

600

40 % 36 %

200 800

1000

1200

1400

1600

1800

Motordrehzahl in min-1

Abb. 3.120 Wirkungsgradkennfeld des Mercedes-Benz OM 471 Euro V, 375 kW/1800 min–1 , 2500 Nm/1100 min–1

Die Startzeiten von verschiedenen Nfz-Dieselmotoren in Fahrzeugen zeigt Abb. 3.121. Darin sind die Startzeiten verschiedenster Motoren und die Anforderungen über der Kühlmitteltemperatur aufgetragen. Die Ergebnisse stammen aus einem sog. Wintertest, den jeder Hersteller in einer Region mit niedrigen Temperaturen durchführt. Die überwiegende Anzahl der Ergebnisse zeigt, dass die Motoren auch noch bei −30 °C innerhalb von 10 s anspringen und laufen. Die Voraussetzung für ein gutes Kaltstartverhalten sind ein entsprechend hohes Verdichtungsverhältnis und die sorgfältige Abstimmung der Einspritzparameter. Unterhalb von −30 °C werden zur Startunterstützung Heizsysteme eingesetzt, die die Ansauglut vorwärmen. Es sind dies Heizelemente, die im Saugrohr eingebaut werden. Auch bez. Warmlaufverhalten haben moderne Nfz-Dieselmotoren inzwischen einen exzellenten Stand erreicht. Die Weiß- und Blaurauchemission in dieser Phase ist nicht mehr existent. Messwerte zeigen dies bez. der HC-Emission in der Größe von weniger als 100 ppm.

3.7.5 Besonderheiten der Auladung An dieser Stelle sollen die Besonderheiten der Aufladung von Nfz-Dieselmotoren beschrieben werden. Die Grundlagen der Aufladung finden sich in Kap. 4. Die seit den 1970er Jahren stärker einsetzende Einführung der Aufladung war eine zwangsläufige und konsequente Entwicklung von der Leistungssteigerung zur Verbrauchsverbesserung und Einhaltung von Abgasgrenzwerten. Allgemein durchgesetzt hat sich bei

260

G.P. Merker und R. Teichmann 25 mit

ohne Kaltstart-Hilfseinrichtungen Gute Startzeit

20

Akzeptable Startzeit

Startzeit in s

Motor A Motor B Motor C

15

Motor D Motor E Motor F

10

Motor G

5

0 -35

-30

-25

-20

-15

-10

-5

0

Kühlmieltemperatur in °C Abb. 3.121 Startzeiten bei Kaltstart für verschiedene Motoren

Nfz-Dieselmotoren die Turboaufladung, bei der Energie aus dem Abgas zur Verdichtung der Ansauglut verwendet wird. Dem Zusammenwirken von Kolbenmaschine und Strömungsmaschine kommt eine große Bedeutung bei. Die Abstimmung der beiden aufeinander ist eine wesentliche Aufgabe der Entwicklung von Nfz-Dieselmotoren. Bei Fahrzeugmotoren hat sich auf Grund der Dynamikanforderungen die Stoßaufladung durchgesetzt. Das Abgas wird auf möglichst kurzem Weg in zwei getrennten Fluten bis in die Turbine geführt. Die starke Pulsation im dieselmotorischen Abgas erhöht bei entsprechender Auslegung den Wirkungsgrad der Turbine. Wie schon in Abschn. 3.7.2. erwähnt begnügen sich die meisten Nfz-Dieselmotoren mit einer einstufigen Aufladung. Sofern das einstufig darstellbare Verdichter-Druckverhältnis ausreicht, werden damit die höchsten Wirkungsgrade erzielt. Derzeit können mit einer Stufe maximale VerdichterDruckverhältnisse von knapp 4 dargestellt werden. Benötigt ein Motor bez. seiner Auslegung mehr Lut, so dass ein Verdichter-Druckverhältnis von knapp 4 nicht mehr ausreicht, ist die Aufladung in zwei Stufen zu führen. Damit ist der Motorenentwickler in einem gewissen Grade wieder frei, was das Druckverhältnis anbelangt. Grundsätzlich kann eine zweistufige Aufladung Druckverhältnisse bis zu 10 erreichen, im praktischen Einsatz finden sich derzeit aber keine über 5. Es ist zu beachten, dass hohe Verdichter-Druckverhältnisse mit hohen Verdichteraustrittstemperaturen einhergehen, die einerseits von den lutführenden Bauteilen (Verdichter, Rohre, Schläuche, Dichtungen, Ladelutkühler) nicht ertragen werden und andererseits zur Verkokung des in der Lut transportierten geringen Schmierölanteiles führt. Der Gesamtwirkungsgrad der zweistufigen Aufladung ist im Normalfall auf Grund der Schwierigkeit, zwei Lader jeweils im optimalen Kennfeldbereich

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

261

Abb. 3.122 Radialturbinen mit asymmetrischen und symmetrischen Fluten

gleichzeitig zu betreiben, niedriger als der Wirkungsgrad einer gut ausgelegten einstufigen Aufladung. Die Verdichter eines Nfz-Turboladers sind Radialverdichter entweder aus gegossenem oder gefrästem Aluminium oder aus gegossenem oder gefrästem Titan, jeweils mit steigender Festigkeit. Insbesondere die hohen Druckverhältnisse erfordern eine hohe Umfangsgeschwindigkeit und damit eine hohe Festigkeit. Natürlich steigen mit den Maßnahmen zur Steigerung der Festigkeit auch die Kosten. Umfangsgeschwindigkeiten von 530 m/s im Normalbetriebsfall sind mittlerweile üblich, die Grenze liegt bei Maximalwerten von 585 m/s. Die Verdichterräder von modernen Nfz-Turboladern sind für einen hohen Wirkungsgrad meist rückwärts gekrümmt, d. h. der Austrittswinkel ist größer als 90 Grad (s. Abschnitt „Grundlagen Strömungsverdichter“ in Abschn. 4.2.1). Der Einlauf ist optimiert für einen guten Kompromiss aus Wirkungsgrad und Geräusch. Die Austrittsspirale ist meist aus Aluminium, bei hohen Austrittstemperaturen aus Grauguss hergestellt. Verstellbare Leitapparate werden am Verdichter bislang in der Serie nicht eingesetzt. Die Wirkungsgrade erreichen bei Nfz-Größe Werte bis zu 78 %. Die Turbinen eines Nfz-Turboladers sind derzeit praktisch immer Radialturbinen aus einer hochwärmebeständigen Stahl-Legierung. Die Turbinengehäuse sind aus legiertem Grauguss, in seltenen Fällen bei entsprechend hoher Temperaturbelastung aus Stahlguss. Meist werden Turbinen mit Festgeometrie verwendet, sie sind in der Regel zweiflutig beaufschlagt. Neben den überwiegend eingesetzten symmetrischen Turbinengehäusen gibt es auch asymmetrische mit dem Vorteil, dass der Transport des rückgeführten Abgases günstiger zu bewerkstelligen ist. Abbildung 3.122 zeigt die Gegenüberstellung zweier Turbinen mit symmetrischem und asymmetrischem Turbinengehäuse. Beide Turbinen haben ungefähr den gleichen Gesamtdurchsatz. Festgeometrie-Turbinen sind zur Regelung des Ladedruckes sehr häufig mit einem Wastegate, d. h. einem Ventil mit variablem Querschnitt, ausgestattet. Das Wastegate kann mit einem Steller direkt angesteuert oder mit dem zu regelnden Ladedruck beaufschlagt wer-

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G.P. Merker und R. Teichmann

den. Ein Motor mit Abgasrückführung stellt auch an die Turbinenauslegung besondere Anforderungen. Auf Grund des geringeren Massendurchsatzes auf der Turbinenseite und des höheren notwendigen Druckverhältnisses auf der Verdichterseite muss die Turbine noch etwas kleiner ausgelegt werden, was im Allgemeinen eine Verschlechterung des Wirkungsgrades und einen anderen Verlauf des Wirkungsgrades in Abhängigkeit vom TurbinenExpansionsverhältnis zur Folge hat. Diese Eigenschaten müssen bei der Entwicklung und Optimierung der Aufladung besonders berücksichtigt werden. Viele Motorenhersteller haben sich auf Grund der Regelbarkeit für eine variable Turbinengeometrie (VTG) entschieden. Es gibt die Möglichkeit der verstellbaren Leitschaufeln vor dem Eintritt in die Turbine (s. Abschnitt „Variable Turbinengeometrie (VTG)“ in Abschn. 4.1.4, z. B. Fa. Honywell Turbo Technology) und die axiale Verschiebung eines festen Leitgitters (Fa. Cummins Turbo Technology). Beide Systeme haben unterschiedliche Fähigkeiten und Problemzonen. So haben z. B. verstellbare Leitschaufeln einen guten Wirkungsgrad, aber auch eine geringere mechanische Robustheit. Die Vorteile einer variablen Turbinengeometrie liegen bei einer kennfeldweit optimalen Einstellung des Lutverhältnisses oder wahlweise der optimalen Abgasrückführrate. Beides gleichzeitig gibt es nur in Ausnahmefällen und erhöht den Verbrauch, weil sich durch den höheren Aufstau der Ladungswechsel verschlechtert. Grundsätzlich hat sich herausgestellt, dass bei einer variablen Turbinengeometrie die Variabilität durch einen im Mittel niedrigeren Wirkungsgrad erkaut wird. Eine weitere Nutzung der Abgasenergie ist durch eine sog. Compound-Turbine möglich (s. Abschn. 4.1.6). Sie ermöglicht, die nach der Hochdruckturbine noch vorhandene Enthalpie in Form hoher Temperatur in mechanische Energie umzuwandeln. Die mechanische Energie der Turbine wird dann mittels Getriebe auf die Kurbelwelle geleitet oder treibt einen Generator zur Stromerzeugung an. Es gibt Compound-Turbinen sowohl in radialer als auch in axialer Ausführung mit jeweils Vor- und Nachteilen in Strömungsführung und Anbindung an das Triebwerk des Motors. Grundsätzlich erhöht eine Compound-Turbine den Gesamtwirkungsgrad des Motors bei hohen Lasten, verschlechtert ihn aber bei niedrigen. Das hat zur Folge, dass ein Compound-Antrieb bei Motoren sinnvoll ist, die weniger bei Teillast betrieben werden und/oder eine hohe spezifische Leistung erbringen sollen. Eine weitere Schwierigkeit bei der Auslegung besteht darin, dass die Hochdruckturbine auf Grund des zusätzlichen Rückstaues der Compound-Turbine auf einem höheren Druckniveau arbeitet. Das bedeutet, dass die Hochdruckturbine kleiner sein muss, was in der Regel zu einer Verschlechterung des Turbinenwirkungsgrades führt. Die Abstimmung der beiden Turbinen ist eine sehr anspruchsvolle Arbeit besonders bei Abgasrückführung, zumal nicht immer die exakt passende Größe der Hochdruckturbine verfügbar ist. CompoundMotoren zeichnen sich aber durch einen exzellenten Volllastverbrauch aus und sind vereinzelt immer wieder im Markt anzutreffen, obwohl der Aufwand nicht zu vernachlässigen ist. Eine im Markt befindliche Ausführung zeigt Abb. 3.123. Eine bekannte, wenn auch momentan nicht im praktischen Einsatz anzutreffende Lösung ist eine segmentierte Zuführung von Teilen des Abgases über dem Umfang der Turbi-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

263

Abb. 3.123 Abgasturbolader und Compound-Turbine eines schweren Mercedes-Benz Nfz-Dieselmotors Abb. 3.124 Variable Segmentturbine

ne. Man bezeichnet eine solche Turbine als Segment-Turbine. Diese andere Art der Zweioder Mehrflutigkeit vermeidet die unterschiedliche Anströmung des Turbinenrades aus den jeweiligen Fluten, was einen Wirkungsgradgewinn bedeutet. Eine Variabilität durch variable Zungen ist denkbar, Abb. 3.124. Ob sich solche Segment-Turbinen bewähren, wird die Zukunt zeigen.

264

G.P. Merker und R. Teichmann

3.7.6 Mechanik des Nfz-Dieselmotors Zur Wirtschatlichkeit eines Nfz-Dieselmotors zählen unter anderem die Lebensdauer, die Servicefreundlichkeit und eine möglichst geringe Anzahl von Reparaturen (s. Abb. 3.108). Nichts ist für einen Betreiber eines Nutzfahrzeuges unangenehmer als ein nicht einkalkulierter Werkstattaufenthalt oder gar ein Liegenbleiben des Fahrzeugs. Nur ein fahrendes Fahrzeug kann seine Transportaufgabe erfüllen. Die Lebensdauer eines Nfz-Dieselmotors wird wie bei vielen anderen technischen Bauteilen oder Geräten mit der Größe „Lebensdauer B10 oder B50“ beschrieben. Dabei bedeutet „Lebensdauer“ bei Nfz-Dieselmotoren entweder die Laufleistung des Fahrzeuges in km oder die Laufzeit des Motors in h und „B10“ oder „B50“ den Ausfall von höchstens 10 oder 50 % der Gesamtpopulation bis zu diesem Zeitpunkt. Demnach ist bei ein und derselben Population der Wert der B50-Lebensdauer höher als der der B10-Lebensdauer. Da prinzipiell eine geringe Ausfallrate wesentlich ist, ist bei Nfz-Dieselmotoren eine Angabe der B10-Lebensdauer technisch sinnvoll. In Prospekten der Hersteller findet sich jedoch auch der B50-Wert. Von modernen Nfz-Dieselmotoren im Fernverkehrseinsatz wird heute eine B10-Lebensdauer von mehr als 1 Mio. km erwartet. Für kleinere Motoren im Verteilerverkehr sind es 600.000 km. Die Entwicklung der Laufleistungen von schweren Mercedes-Benz Nfz-Dieselmotoren zeigt Abb. 3.125. Dabei hat sich die Laufleistung seit 1970 ungefähr verdoppelt. Dieser Trend ist auch bei anderen Herstellern zu erkennen. Damit ein Nfz-Dieselmotor nur wenige Ausfälle hat und eine lange Lebensdauer erreicht, sind bei der Auslegung und bei der Erprobung besondere Anstrengungen nötig. Bei 1,4

Lebensdauer B10 in Mio. km

OM 47x

1,2 Mio. km

1,2 BR 500

1 Mio. km

1,0 BR 400

0,8 0,6

OM 355

0,4

500 000 km

750 000 km

0,2 0,0 1970

1980

1990

2000

2010

2020

Jahr Abb. 3.125 Entwicklung der Lebensdauer von schweren Mercedes-Benz Nfz-Dieselmotoren

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

265

der Auslegung ist darauf zu achten, dass der Motor robust ist. Das bedeutet, dass schon bei der Auswahl und der Auslegung der Komponenten darauf geachtet werden muss, dass ein möglichst langer und reibungsfreier Betrieb gewährleistet ist. Dies ist die Aufgabe des Konstrukteurs und der vorgelagerten Berechnung. Je besser ein Bauteil oder System vorausgelegt ist, umso weniger Erprobungsaufwand wird während der Entwicklungsphase benötigt. In der Erprobungsphase muss den besonderen Gegebenheiten des Betriebes eines NfzDieselmotors Rechnung getragen werden. Das sind neben den notwendigen Funktionstests Untersuchungen zum Verschleiß und zum Bauteilversagen. Insbesondere ist das Bauteilversagen eine sehr stark stochastische Angelegenheit und daher nur mit Methoden der Statistik plan- und auswertbar. Zudem kommt noch, dass es während der begrenzten Erprobungszeit nicht möglich ist, Bauteile auf ihre gesamte Lebensdauer zu testen. Es müssen daher Prüfvorschriten geschaffen werden, die sowohl in der Lage sind, die Versagenswahrscheinlichkeit eines Bauteils vorherzusagen, als auch eine zeitlich begrenzte Dauer zu haben. Dies geschieht mit sog. Raffungstests, bei denen die Belastung soweit gesteigert wird, dass das Bauteil in der zur Verfügung stehenden Zeit versagen könnte. Die Kunst besteht darin, die Prüfvorschrit so zu gestalten, dass das Ergebnis des Raffungstests das gleiche Ergebnis liefert wie eine Erprobung mit Normalbelastung über die gesamte Lebensdauer. Solche Raffungstests zu entwickeln, ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe und wird nie für alle Bauteile gleichermaßen zum Ziel führen. Der Auswahl der richtigen Tests kommt daher große Bedeutung zu. Man unterscheidet zwischen Funktionserprobung, bei der das Ergebnis praktisch zeitgleich mit dem Prüflauf zur Verfügung steht und Dauerlauferprobung. Eine Dauerlauferprobung läut je nach Bauteil oder Komponente von mehreren hundert bis einigen tausend Stunden auf dem Motoren- oder Komponentenprüfstand und/oder mehrere 100.000 km im Fahrzeug. Dieses Beispiel verdeutlicht die besondere Situation der Mechanikerprobung von Nfz-Dieselmotoren. Ein 2000 h-Dauerlauf dauert mit allen notwendigen und unvorhergesehenen Unterbrechungen im statistischen Mittel ca. vier Monate. Ein Fahrzeugdauerlauf über 300.000 km dauert im Zweischichtbetrieb üblicherweise bis zu eineinhalb Jahre. Allein diese Zahlen zeigen schon den enormen Aufwand, den die Mechanikerprobung von Nfz-Dieselmotoren nach sich zieht. Neben der Prüfung des Bauteilversagens ist die Verschleißbeurteilung ein wesentlicher Teil bei der Mechanikerprobung von Nfz-Dieselmotoren. Es müssen für die einzelnen Bauteile Verschleißmodelle erstellt werden. Die Ermittlung des Verschleißverlaufes über der Laufzeit kann nur über einen längeren Zeitraum erfolgen. Aus diesen Messwerten können Verschleißmodelle abgeleitet und für die weitere Entwicklung verwendet werden. Problematisch wird es, wenn sich auf Grund von Änderungen der Materialeigenschaten oder Randbedingungen der Verschleißverlauf während des Betriebes anders verhält als angenommen. Im schlimmsten Fall führt ein solcher Fall zum vorzeitigen Ausfall eines Motors. Es ist daher sehr viel Sorgfalt und Aufwand bei der Bestimmung der Verschleißmodelle notwendig.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschatlichkeit eines Nfz-Dieselmotors liefern seine Wartungs- und Ölwechselintervalle. Auch hier hat eine stetige Entwicklung stattgefunden. Derzeit stehen wir bei Euro-V-Motoren bei Ölwechselintervallen von bis zu 150.000 km. Diesen Wert erreichen Motoren, die im europäischen Fernverkehr eingesetzt sind, mit den hochwertigsten Schmierölen und den im europäischen Markt befindlichen Dieselkratstoff mit geringstem Schwefelanteil. Die meisten Hersteller geben im europäischen Heavy-Duty-Segment Ölwechselintervalle von 100.000 bis 120.000 km an. Unter anderen Einsatzbedingungen, z. B. im Verteilerverkehr, in anderen Märkten und Regionen oder mit schlechteren Öl- und Kratstoffqualitäten, sinken die Ölwechselintervalle teilweise auf 50.000 bis 70.000 km. Wenn mehrere ungünstige Randbedingungen gleichzeitig autreten, kann das Ölwechselintervall auf unter 20.000 km sinken.

3.7.7 Motorbremssysteme Neben den Betriebsbremsen (Scheiben-, Trommelbremsen) kommen bei Nutzfahrzeugen und Omnibussen verschleißfreie Dauerbremsen zum Einsatz. Sie verringern die Belastung der konventionellen Betriebsbremsen und damit deren Verschleiß, reduzieren deren Erwärmung und verringern die Gefahr von Bremsfading. Grundsätzlich lassen sich Dauerbremssysteme in die zwei Kategorien primäre und sekundäre Dauerbremssysteme unterteilen. Mit primären Systemen sind Motorbremssysteme gemeint, die vor dem Getriebe die Bremsleistung erzeugen. Diese sind daher von der Motordrehzahl abhängig und erzeugen die größte Bremsleistung bei hohen Drehzahlen. Aufgrund dessen sind diese Systeme von der Fahrzeuggeschwindigkeit unabhängig. Sekundäre Systeme wirken hinter dem Getriebe auf den Antriebsstrang und sind daher von der Gelenkwellendrehzahl und damit auch von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängig. Sie haben bereits bei niedrigen Drehzahlen der Gelenkwelle eine gute Bremswirkung. Am weitesten verbreitet sind hydrodynamische Retarder, die mittels Öl oder mittels Motorkühlwasser arbeiten. Seltener werden elektromagnetische Retarder als Wirbelstrombremsen eingesetzt. Abbildung 3.126 zeigt eine Übersicht und eine mögliche Unterteilung von Dauerbremssystemen. Zusätzlich zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen, StVZO Bremsen und Unterlegkeile § 41 (15), spielen der Sicherheitsaspekt und die Wirtschatlichkeit über eine bestimmte Laufzeit bei der Kaufentscheidung eines LKW eine entscheidende Rolle. So nehmen die vom Hersteller angebotenen beziehungsweise vom Kunden ausgewählten Dauerbremssysteme einen entscheidenden Einfluss auf die laufenden Wartungskosten. Hierbei bestimmt der individuelle Einsatz des Fahrzeugs, das Fahrkollektiv und die gewünschten Durchschnittsgeschwindigkeiten die Auswahl des Dauerbremssystems. Im Weiteren wird auf die Wirkungsweise verschiedener Motorbremssysteme eingegangen. Für Dauerbremssysteme mit der Bremswirkung im Antriebsstrang wird auf Hoepke und Breuer (2013) verwiesen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

267

Dauerbremsen

Motorbremse

Motorstaubremse

Auspulappe

fest

druckgeregelt

Retarder

Hydrodynamisch

Dekompressionsbremse

Auslassvenl

konstant / zeitlich getaktet

Zusätzliches

Ladedruck-Systeme

Venl

konstant / zeitlich getaktet

Elektromagnesch

VTG

Turbobrake

Asymmetrische Turbolader

Abb. 3.126 Übersicht von Dauerbremssystemen an einem Nfz

Im Allgemeinen lassen sich Motorbremssysteme wie folgt unterteilen (Abb. 3.126): 1. Motorstaubremsen (Auspuffklappenbremsen) 2. Dekompressionsbremsen Jeder Hersteller verwendet diese beiden physikalischen Prinzipien zur Erzeugung der Bremsleistung separat oder in Kombination. Die konstruktive und mechanische Ausführung hängt vom Entwicklungsstand des Motors, vom Bauraum und der konstruktiven Detaillösung des Zylinderkopfes einschließlich Nockenwelle und Ventiltrieb ab. Hierdurch erklären sich dann auch die unterschiedlichen Bezeichnungen der Hersteller, wie VEB+ (advanced Volvo Engine Brake) bei Volvo, EVB (Exhaust Valve Brake) bei MAN, Jake Brake, Konstantdrossel und Turbo Brake bei Mercedes Benz, IVECO Turbobrake und Optibrake bei Renault. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, natürlich existieren noch weitere Systeme und Begriffe. Unabhängig von der Detaillösung des jeweiligen Herstellers wird durch eine Motorstaubremse die Ausschiebearbeit des Kolbens im 4. Takt erhöht, resultierend in einer vergrößerten Gaswechselschleife. Diese deutlich erhöhten Ladungswechselverluste entsprechen der gewünschten Bremsleistung. Die Drosselung des Abgasmassenstroms erfolgt im Abgasrohr meist durch Drehklappen, die pneumatisch, oder elektro-pneumatisch betätigt werden. Um die Bremsleistung entsprechend zu regeln, werden Systeme mit Druckregelventilen, die einen Bypass öffnen, eingesetzt. Bei der Applikation dieser Systeme ist darauf zu achten, dass durch das Schließen der Abgasklappe und damit das Aufstauen der Abgase

268

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.127 Konstantdrossel mit Auspuffklappe

auf keinen Fall der Motor bis zum Stillstand abgebremst wird, wobei alle Zusatzaggregate ausfallen würden und eine ausreichende Manövrierfähigkeit nicht mehr gegeben wäre. Das Funktionsprinzip der Konstantdrossel (Abb. 3.127), welche als Bypass zum Auslassventil im Zylinderkopf ausgelegt ist, reduziert durch „konstantes“ Öffnen zwar die zu verrichtende Verdichtungsarbeit (reduziert die Motorbremswirkung), allerdings wird durch den geringeren Kompressionsenddruck im Zylinder eine geringere Expansionsarbeit an die Kurbelwelle übertragen. Zusätzlich wird während der Expansion die Lut/das Abgas gegen den Widerstand der Konstantdrossel wieder in den Zylinder gesaugt, was die Expansionsarbeit nochmals stark reduziert und die Motorbremsleistung steigert. Dekompressionsbremsen hingegen konzentrieren ihren Wirkmechanismus auf den Verdichtungs- und Expansionstakt, um möglichst eine große Bremsleistung zu erzielen. Hierbei wird nach geleisteter Verdichtungsarbeit um den oberen Totpunkt das Auslassventil (z. B. Jake Brake, Jacobs Vehicle Systems 2013) oder ein zusätzlich im Zylinderkopf verbautes Ventil (Dekompressionsventil) geöffnet. Die Betätigung der Auslassventile erfolgt meist durch ein mittels Motoröl geschaltetes hydraulisches Konzept und zusätzliche Bremsnocken, oder zusätzliche nockenförmige Erhebungen auf der Nockenwelle. Die Detaillösung ist von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Die komprimierte Lut (es findet im Bremsbetrieb keine Einspritzung statt) entspannt in den Abgastrakt. Der freigegebene Querschnitt in den Abgastrakt bleibt auch während der Expansionsphase geöffnet, so dass der Anteil der Expansionsarbeit stark reduziert wird. Hierdurch werden hohe Motorbremsleistungen erreicht, da ein großer Teil der Verdichtungsarbeit vernichtet wird. Dieser Anteil wird Kompressionsverlust genannt. Zusätzlich zu den Kompressionsverlusten können die Auslassventile im Verdichtungstakt kurz nach dem Schließen des Einlassventils geöffnet werden, um den Zylinderdruck und damit die zu verrichtende Verdichtungsarbeit und die Bremsleistung zu erhöhen. Diese sogenannte „Bremsgasrückführung“ wird entsprechend der Zündreihenfolge durch die schlagartige Expansion (Kompressionsverlust) der Nachbarzylinder erreicht. Ein positiver Nebeneffekt ist die Reduzierung des Risikos von unkontrollierten Ventilbewegungen durch die hohen Druckpulsationen beim Kompressionsverlust. Des Weiteren muss bei der Applikation der Motorbremsbedatung die Anzahl und die Anordnung der geschalteten Zylinder sowie die Auslegung der Abgasströmung berücksichtigt werden.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

269

Ladedruck-Systeme Durch eine zusätzliche Erhöhung des Ladedruckes wird die Motorbremsleistung erneut erheblich gesteigert. Dieses kann durch eine entsprechende Aufladegruppe dargestellt werden. Eine Erhöhung des Ladedrucks und die daraus resultierende größere Zylinderfüllung bedeuten eine höhere zu leistende Verdichtungsarbeit und damit einen Anstieg der Bremsleistung. Mercedes-Benz setzt in seinen Heavy-Duty-Motoren OM47x asymmetrische Turbolader ein (vgl. Abschn. 3.7.5). Diese ermöglichen mittels der AGR-Klappe und des Wastegates das Enthalpieniveau an der Turbine zu regeln, so dass unterschiedliche Ladedrücke durch den Verdichter dargestellt werden können. Viele Hersteller setzen VTG Lader (variable Turbinengeometrie) ein, die es auch im Bremsbetrieb ermöglichen, durch entsprechende Stellung der Leitschaufeln das Ladedruckniveau anzuheben. Gleichzeitig wird der Gegendruck im Abgassystem erhöht, so dass eine größere Ausschiebearbeit notwendig ist. Ein Beispiel hierfür ist die IVECO Turbobrake (ITB). Bei der von Mercedes-Benz entwickelten Turbobrake handelt es sich um eine Schiebehülse (Turbinenleitgitter), die axial verschiebbar ist und pneumatisch über das Turbinenrad geschoben wird. Dadurch werden die Drehzahl des Turboladers und damit der Ladedruck und der Abgasgegendruck erhöht. Auch hier werden die Verdichtungsleistung und die höhere Ausschiebearbeit zur Erzeugung von Bremsleistung genutzt. Kombination der Motorbremssysteme Die Bremsleistung eines Motors wird weiter verbessert, wenn Motorstaubremse und Dekompressionsbremse miteinander kombiniert werden. In Abb. 3.128 ist der Vergleich der Bremsleistungen verschiedener Systeme an einem Motor dargestellt, so dass ein direkter Vergleich der Motorbremssysteme an diesem Diagramm möglich ist. Zusätzlich ist die Bremsleistung der Mercedes-Benz Baureihe OM471 mit Jake Brake dargestellt. Es zeigt sich, dass deutliche Steigerungen der Bremsleistungen mit den Dekompressionsbremssystemen zur Konstantdrossel und im Vergleich zu reinen Motorstauverfahren möglich sind. Die Motoren, die ausschließlich Bremsklappen (Motorstausysteme) verwenden, haben die geringsten Bremsleistungen über den gesamten Drehzahlbereich. Die Bremsleistungen werden mit den heute üblichen Dekompressionsbremsen, die den Kompressionsverlust und die Bremsgasrückführung verwenden, mehr als verdoppelt. Vergegenwärtigt man sich, dass die in Abb. 3.128 aufgeführten Motoren eine Antriebsleistung von 350 kW bzw. 375 kW haben, wird die enorme Krat der Motorbremssysteme deutlich. So erreicht der Mercedes-Motor OM471 Euro6 eine absolute Bremsleistung von 400 KW bei 2300 min−1 . Je nach verwendetem Bremssystem und mechanischer Ausführung sowie unterschiedlicher Aufladesysteme werden von Hersteller zu Hersteller unterschiedliche Maßnahmen zur Regelung der Bremsleistung verwendet. Üblicherweise werden mehrere Bremsstufen angeboten.

270

G.P. Merker und R. Teichmann 450 MB OM471 - Jake Brake 400

MB OM501 - Konstantdrossel + Bremsklappe MB OM501 - Bremsklappe

350

MB OM501 - Schleppleistung

Bremsleistung [kW]

300 250 200 150 100 50 0 800

1000

1200

1400

1600

1800

2000

2200

2400

Drehzahl [1/min]

Abb. 3.128 Bremsleistungen verschiedener Systeme

3.7.8 Motorregelung Die Motorregelung oder das Motormanagement findet durch das Motorsteuergerät (Hardware) statt, das die elektrischen Signale der Sensoren des Motors (Temperaturen, Drücke, etc.) auswertet und mit den in der Sotware dargestellten Funktionen die Ansteuersignale der Aktuatoren (Motorstellglieder) berechnet. Das Steuergerät ist die Kontrolleinheit oder das „Gehirn“ des Motors. Jeder Hersteller verwendet eine individuelle Sotware mit spezifischen Funktionen und eigenen Modellen, die dem jeweiligen Motor angepasst, aber auch für die Betriebsstrategie des Motors entwickelt sind. Nicht die Hardwarekomponenten des Motors, sondern die Funktionen/die Strategie sind das eigentliche Geheimnis und bestimmen den reibungslosen, optimalen und sicheren Fahrzeugbetrieb für den Kunden. Außerdem werden hierdurch die gesetzlichen Regelungen für Emissionen und Geräusch unter den unterschiedlichsten Umgebungsbedingungen über die Lebensdauer eines Fahrzeugs gewährleistet. Das Steuergerät steuert, regelt und übernimmt die Überwachung aller Funktionen des Motors und zum Teil der Abgasnachbehandlung. Zudem bildet es die Schnittstelle zum Fahrzeug. Wichtige Funktionalitäten sind: Bestimmung der Lutmasse, Bestimmung der AGR-Rate, Regelung des Ladedrucks, Ablauf der Einspritzung (Raildruck, Einspritzbeginn, Einspritzdauer; Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung), Überwachung des Motors (OBD, Motorschutz), Kalt-, Heiß- und Höhenbetrieb, Bestimmung der Betriebsart (tran-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

271

sient oder stationär), Freigabe von verschiedenen Betriebsmodi (Kaltstart, Warmlauf, Normal, etc.) und das Bremsmanagement. Diese Vielzahl an hemen und die heutige Komplexität der Euro V und Euro VI Motoren resultieren in vielen tausend Variablen, Kennlinien und Kennfeldern. Die Bedatung dieser ergeben die sogenannten Datensätze, die die Motoren erst lauffähig machen. Es wird deutlich, dass die Funktionsentwicklung und die Bedatung daher einen großen Stellenwert in der Motorenentwicklung einnehmen.

3.7.9 Non-Road Mobile Machinery-Motoren Zu mobilen Maschinen und Geräten (Non-Road Mobile Machinery, NRMM) gehören die unterschiedlichsten Motoraggregate in Maschinen, die für andere Zwecke als Personenund Gütertransport eingesetzt werden (Europäische Kommission 2013). An die Motoren, die in diesen Non-Road Anwendungen zum Einsatz kommen, werden grundsätzlich andere Erwartungen als im On-Road Segment gestellt. Typische Applikationen in der Land- und Forstwirtschat sind Feldhäcksler, Mähdrescher, Zuckerrübenroder und -lademaschinen, Traktoren, Kartoffelvollerntemaschinen sowie Holzvollerntemaschinen, Holztransporter und Holzschredder. Im Baumaschinenbereich sind Muldenkipper, Radlader, Bagger, Straßenbaumaschinen und Mobilkräne zu nennen. Unter Arbeitsmaschinen fallen z. B. Pistenfahrzeuge und Schneefräsen. Im Industriemotorenbereich kommen Pumpen, Kompressoren, Sieb- und Kehrmaschinen zum Einsatz. Zuverlässige und robuste Motoren sind für den Kunden oberste Priorität. Diese Erwartungen stellen die besondere Herausforderung für den Hersteller dar. Denn die Motoren müssen in allen Anwendungen und unter extremen Umgebungsbedingungen wie Kälte, Höhe, besondere Schräglage und hohe mechanische Belastungen jederzeit ihre volle Leistung erbringen. Einige Beispiele finden sich in Abb. 3.130. Dieser vom Kunden geforderten Alltagstauglichkeit stehen die Wirtschatlichkeit des Motorbetriebs und die gesetzlichen Anforderungen zur Erfüllung der Emissionen gegenüber. In Anlehnung an die Emissionsgesetzgebung für On-Road Motoren mussten auch die im Non-Road Segment eingesetzten Motoren den Stickoxid- und Partikelausstoß in letzten Jahren deutlich senken, Abb. 3.129. So gilt ab 2014 die Norm Euromot Stufe IV sowie EPA TIER 4. Diese haben vergleichbare Stickoxid Grenzwerte wie Euro VI Motoren im On-Road Segment, vergleiche Abb. 3.129. Die Partikel liegen auf Euro V EEV Niveau. Zu berücksichtigen ist, dass für die Zertifizierung von Non-Road und On-Road Motoren unterschiedliche Testverfahren zur Verfügung stehen. Die Non-Road Motoren müssen den NRSC (Non Road Steady-state Cycle), den NRTC (Non Road Transient Cycle) und die NTE (Not To Exceed) Zone erfüllen. Eine ausführliche Erklärung dieser Testzyklen findet sich im EU Recht, EUR-Lex. Die Lastkollektive von Drehzahl/Drehmoment von Non-Road Motoren sind sehr spezifisch und meist auf einen engen Bereich konzentriert, wohingegen ein On-Road Motor im weiten Bereich des Kennfeldes eingesetzt wird. Abbildung 3.130 zeigt den Vergleich ei-

272

0,2 Stufe IIIA TIER 3

PM [g/kWh]

Abb. 3.129 Stickoxid- und Partikelgrenzwerte für NonRoad Motoren (170–560 kW)

G.P. Merker und R. Teichmann

0,025

Stufe IV TIER 4 0,4

Stufe II TIER 2

Stufe IIIB TIER 4i 2,0

4,0

6,0

NOx [g/kWh]

Abb. 3.130 Typische Betriebsbereiche für unterschiedliche On- und Non-Road Anwendungen

ner On-Road (gestrichelt) und einer Non-Road (durchgezogen) Leistungskurve für einen Euro VI und einen TIER4 Motor. Die Leistungskurve wird entsprechend der Anforderungen im Non-Road Segment angepasst. Das heißt, der Nennleistungsbereich wird durch den Einsatz größerer Turbolader ausgeweitet und die Abregelung des Motors wird je nach Kundenwunsch und Anwendung angepasst, siehe schraffierte Flächen. Die größere Aufladegruppe bedingt eine Reduzierung der Leistungskurve im unteren Drehzahlbereich. Zusätzlich sind typische Betriebsbereiche von einem Pistenfahrzeug, einem Mähhäcksler und einem Mähdrescher im Vergleich zur

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

273

On-Road Anwendung dargestellt. Der gleiche Motor bezüglich Hardware und Kennfeldbedatung muss optimal in den verschiedenen Non-Road Fahrzeugen funktionieren.

3.7.10 Künftige Nfz-Antriebe Der Dieselmotor ist seit fast 100 Jahren der dominierende Antrieb für Nutzfahrzeuge. In ihm vereinigen sich Robustheit und Wirtschatlichkeit. Mittlerweile wurde der NfzDieselmotor derart weiter entwickelt, dass er niedrigsten Kratstoffverbrauch bei praktisch schadstofffreiem Abgas erreicht. Ein Nfz-Dieselmotor hält im Fernverkehrseinsatz über eine Mio. km und hat Wartungsintervalle von 100.000 km und mehr. Diese Bilanz ist beachtlich. Dennoch ist es möglich, den Nfz-Dieselmotor noch weiter zu verbessern. Von der gesetzgeberischen Seite steht in den nächsten Jahren die Absenkung der CO2 -Emission im Vordergrund. Nachdem CO2 ein Gas mit erheblichem Treibhauseffekt ist, ist diese Maßnahme sinnvoll. Da bei der Verbrennung von Kratstoffen CO2 entsteht, geht eine CO2 Reduktion mit einer Absenkung des Kratstoffverbrauches einher. Eine Verbrauchsabsenkung ist möglich, wenn alle Teile des Verbrennungsprozesses und der Antriebskette weiter optimiert werden. Ein Teil der hier angeführten Möglichkeiten oder Systeme findet sich detailliert in Kap. 19. Derzeit wird nach Lösungen gesucht, die thermische Energie des Abgases weiter zu nutzen. Man nennt solche Systeme oder Bestrebungen „Waste Heat Recovery“. Damit lassen sich im besten Fall bis zu 10 % Kratstoff einsparen. Der Aufwand bez. Kosten und Bauraum ist aber erheblich. Eine bereits bekannte Technologie zur Verbrauchsabsenkung ist die Kombination eines Verbrennungsmotors mit einem Elektromotor, der sog. Hybrid-Antrieb. Diese Lösung wird in den nächsten Jahren auch im Nfz-Bereich stärker anzutreffen sein. Des Weiteren gewinnen alle Kratstoffe an Bedeutung, die ein größeres CO2 -Einsparpotential haben. Dazu gehören bestimmte Bio-Kratstoffe, bei denen die Öko-Bilanz positiv ist, und auch Erdgas in unterschiedlicher Form. Der Gasmotorenanteil in Nutzfahrzeugen wird in den nächsten Jahren steigen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Verbrennungsmotor, insbesondere der Dieselmotor, in den nächsten zwanzig Jahren weiterhin der dominierende Antrieb sein wird. Er wird aber gegenüber heutigen Motoren noch deutlich an Komplexität zunehmen und es werden vermehrt kombinierte Systeme eingesetzt werden, bei denen der Dieselmotor ein wichtiger Teil bleiben wird. Ein Entfall des Nfz-Dieselmotors ist in einem heute überschaubaren Zeitraum nicht zu erwarten.

274

3.8

G.P. Merker und R. Teichmann

Großdieselmotoren

3.8.1 Einführung Seit dem Beginn der Entwicklung werden Motoren unterschiedlichster Größe und Ausführung eingesetzt. Insofern soll zu Beginn dieses Abschnitts erläutert werden, was sich hinter dem Begriff „Großdieselmotoren“ verbirgt. Die folgende Tab. 3.10 zeigt dafür entsprechende Kennwerte. Wie aus der linken Spalte zu sehen ist, werden hiermit überwiegend Motoren mit Zylinderhubvolumina von mehr als 2,5 Liter charakterisiert. Die Werte für Bohrung und Hub sind üblicherweise größer als bei Dieselmotoren z. B. für Lastkratwagen. In der rechten Spalte sind maximale Werte für diese Motoren angegeben, wie sie heute im Feld ausgeführt sind. Technisch ist es denkbar, dass die hier aufgeführten Werte zuküntig noch weiter nach oben getrieben werden. Ob dies, insbesondere bei der erzielten Maximalleistung, wirtschatlich vertretbar ist, kann aktuell nicht abgesehen werden. Im Folgenden werden Dieselmotoren betrachtet, die sich in den hier definierten Grenzen befinden. Nach dieser Definition waren die ersten produzierten Dieselmotoren ausschließlich Großmotoren. Erst der Einsatz in Lastkratwagen in den 1920er Jahren und in Personenfahrzeugen in den 1930er Jahren führte zu den heute weit verbreiteten kleinen Dieselmotoren. Die Geschichte der Großmotoren ist ausgesprochen vielfältig. Viele Basismotortechnologien, die heute umfassend eingesetzt werden, wurden im Rahmen der Großmotorenentwicklung beim Streben nach höherer Leistungsdichte und besserem Wirkungsgrad bereits sehr frühzeitig erfunden und wurden im Laufe der Zeit weiter optimiert. In der folgenden Tab. 3.11 sind beispielhat einige Meilensteine zusammengestellt.

Tab. 3.10 Kennwerte heutiger Großdieselmotoren Motorleistung Eff. Mitteldruck Bohrungsdurchmesser Kolbenhub Zylinderhubvolumen Motornenndrehzahl Motorgewicht

Untergrenze

Obergrenze

ca. 500 kW ./. ca. 150 mm ca. 200 mm ca. 2,5 l ca. 2100 U/min ./.

ca. 80.000 kW ca. 30 bar ca. 1000 mm ca. 3700 mm ca. 2300 l ca. 70 U/min ca. 2400 t

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

275

Tab. 3.11 Meilensteine der Großmotorenentwicklung Jahr

Meilenstein

1897

Erster funktionsfähiger Dieselmotor (ηe = 26,2 %, Kreuzkopfbauweise, 4-Takt-Verfahren) Auslieferung erster 2-Zylinder-Dieselmotor (44 kW) Patent Diesel-/Gasverfahren für Rudolf Diesel Realisierung 2-Takt-Dieselmotor Erstmaliger Betrieb eines Dieselmotors mit Erdnussöl als Alternative zu mineralischen Kratstoffen Realisierung des ersten Tauchkolben-Dieselmotor Erster Schiffsdieselmotor für Kanalboot (2-Zylinder 4-Takt Gegenkolbenmotor, 18,5 kW) Inbetriebnahme Dieselkratwerk Kiew (4 × 4-Zylinder Motoren á 295 kW), Abb. 3.131 Alfred Büchi schlägt Nutzung der Abgasenergie vor Umsteuerbarer 2-Takt-Dieselmotor als Schiffsantrieb Erstes seegehendes Schiff (Polarforschungs-Segelschiff „Fram“) mit Dieselmotor als Hilfsantrieb Erstes Schiff (Frachtschiff „Holzapfel I“) mit Gasmotor (Kohlegasgenerator, 6-Zylinder-Tauchkolbenmotor, 135 kW, 273 mm Bohrung, 254 mm Hub, 450 U/min) Erstes seegehendes Schiff (Frachtschiff „Selandia“) mit Dieselmotoren (2 Motoren á 920 kW, 8-Zylinder 4-Takt-Kreuzkopfmotoren, 140 U/min) Testlauf doppeltwirkender 6-Zylinder 2-Takt Schiffsdieselmotor (9120 kW, 850 mm Bohrung, 1050 mm Hub), als Marschantrieb für Linienschiff geplant, nicht zum Einsatz gekommen Beginn Entwicklungsarbeiten für Gegenkolben-Flugdieselmotor Doppelwirkender 2-Takt-Dieselmotor mit gezielter Kolbenkühlung über Posaunenrohre Einführung Nachladeschieber zur Leistungserhöhung für umkehrgespülte 2-Takt-Motoren Inbetriebnahme des damals größten Motors der Welt im Kratwerk Neuhof in Hamburg (9-Zylinder 2-Takt-Kreuzkopf-Reihenmotor, 11.030 kW) Einzug der 4-Ventiltechnik bei 4-Takt-Dieselmotoren Erste Großanlage mit Dieselmotoren als Schiffshauptantrieb für Panzerschiff „Deutschland“ (41.765 kW Gesamtleistung, 8 × doppeltwirkende 9-Zylinder 2-Takt-Kreuzkopf-Reihenmotoren á 5220 kW, 420 mm Bohrung, 580 mm Hub) 2-Takt 6-Zylinder Gegenkolben-Flugdieselmotor (441 kW, 105 mm Bohrung, 2 × 160 mm Hub, 2200 U/min) für Langstreckenpassagierflugzeuge Schnellaufender Hochleistungsdieselmotor für Schnelltriebwagen „Fliegender Hamburger“ (2 × 12-Zylinder V-Motoren á 310 kW, 150 mm Bohrung, 200 mm Hub, 1400 U/min) Einführung der Abgasturboaufladung für mittelschnellaufende 4-Takt-Großmotoren Testlauf doppeltwirkender 24-Zylinder 2-Takt Kreuzkopfmotor in V-Anordnung (11.765 kW, 420 mm Bohrung, 580 mm Hub, 450 U/min), Abb. 3.132

1898 1898 1899 1900 1901 1903 1905 1905 1906 1910 1911 1912 1914

1914 1923 1926 1926 1928 1931

1933 1933

1935 1943

276

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 3.11 Fortsetzung Jahr

Meilenstein

ab 1950 Umstellung der langsamlaufenden 2-Takt-Kreuzkopfmotoren auf Schwerölbetrieb zur Betriebskostenreduzierung 1952 Erster langsamlaufender 2-Takt-Kreuzkopf-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung (920 kW/Zyl., 740 mm Bohrung, 1600 mm Hub, 115 U/min) ab 1960 Übergang von der Umkehr- zur Gleichstromspülung bei 2-Takt-Kreuzkopfmotoren ab 1970 Umstellung der mittelschnellaufenden 4-Takt-Motoren auf Schwerölbetrieb 1979 Erste Realisierung eines langsamlaufenden 2-Takt-Kreuzkopfmotors mit Common-Rail-Einspritzsystem 1986 Umrüstung Passagierschiff „Queen Elisabeth 2“ auf erstmals schwingelastisch aufgestellte Großdieselmotoren (95.500 kW Gesamtleistung, 9 × 9-Zylinder 4-Takt-Reihenmotoren, 580 mm Bohrung, 640 mm Hub, 428 U/min) 1994 Inbetriebnahme des ersten langsamlaufenden 2-Takt-Motors mit Hochdruckgaseinblasung im Kratwerk Chiba/Japan 2001 Indienststellung des ersten Handelsschiffs (Massengutfrachter) „Gypsum Centennial“ mit langsamlaufendem 2-Takt-Kreuzkopfmotor mit schweröltauglichem Common-Rail-Einspritzsystem 2006 Erste Indienststellung des weltweit größten gebauten und leistungsstärksten Motors (80.080 kW, 14-Zylinder 2-Takt-Reihenmotor, 960 mm Bohrung, 2500 mm Hub, 102 U/min), Abb. 3.133

Abb. 3.131 Dieselkratwerk in Kiew (Mau 1984)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

277

Abb. 3.132 Doppeltwirkender 24-Zylinder 2-Takt V-Dieselmotor (Möller 1998) Abb. 3.133 Größter und leistungsstärkster Motor, 14-Zylinder 2-Takt-KreuzkopfDieselmotor (N.N. 2013)

Die Großdieselmotoren werden üblicherweise nach Drehzahlbereichen klassifiziert (Abb. 3.134). Dabei erfolgt die Einteilung nach langsamlaufenden, mittelschnelllaufenden und schnelllaufenden Motoren. Die jeweils zugeordneten Drehzahlbereiche sind dem folgenden Bild in logarithmischer Darstellung zu entnehmen. Während es bei 300 U/min eine klare Abgrenzung zwischen den Langsamläufern und den Mittelschnellläufern gibt,

278

G.P. Merker und R. Teichmann Schnelläufer ( > 1.000 U/min)

Mittelschnelläufer (300 ... 1.200 U/min)

Langsamläufer ( ... 300 U/min)

Schweröltauglich ! 1

10

100 Motordrehzahl [U/min]

1000

10000

Abb. 3.134 Klassifizierung der Großmotoren in Drehzahlbereichen

ist der Übergang zwischen den beiden anderen Kategorien nicht so eindeutig. Die Überschneidung ist hier vorrangig in Besonderheiten der Konstruktion zu suchen, die sich bei den Mittelschnellläufern aus der erforderlichen Schweröltauglichkeit ergibt. Für das an Bord von Schiffen übliche 60 Hz-Bordnetz ist in einigen Fällen ein Motorbetrieb mit 1200 U/min erwünscht. Konstruktionsmerkmale von Schnellläufern lassen sich bis hinunter zu Anwendungen bis 1000 U/min finden. Ein weiterer Aspekt bei der Klassifizierung ist die Bauart. Bei den Großdieselmotoren kommen sowohl die Kreuzkopfbauweise als auch die Tauchkolbenbauweise zum Einsatz, die sich konstruktiv deutlich unterscheiden. Die typischen Bauweisen sind Abb. 3.135 zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass die beiden Motoren nicht maßstabsgerecht zueinander darstellt sind. Die Kreuzkopfbauweise weist dabei als Vorteile auf, dass die Kolben nicht mit Seitenführungskräten belastet sind und dass nahezu keine Begrenzungen beim realisierbaren Hub-Bohrungsverhältnis bestehen. Weiterhin sind der Verbrennungsraum und der Kurbeltrieb durch die Stopfbuchse an der Durchführung der Kolbenstange voneinander getrennt. Als Nachteile sind die große Bauhöhe dieser Motoren sowie die großen bewegten Massen zu nennen. Damit eignen sie sich nur für niedrige Drehzahlen, ermöglichen aber durch das große zu realisierende Hub-Bohrungsverhältnis eine Prozessführung mit sehr hohen Wirkungsgraden. Heute werden alle langsamlaufenden 2-Takt-Großmotoren in dieser Bauweise ausgeführt. Im Gegensatz dazu weist die Tauchkolbenbauweise einen vergleichsweise einfachen Aufbau, eine kompakte Bauart und relativ kleine bewegte Massen als Vorteile auf. Dies ermöglicht den Betrieb mit höheren Drehzahlen. Allerdings ist das maximal realisierbare Hub-Bohrungs-Verhältnis auf Werte von ungefähr 1,5 beschränkt. Die Kolben müssen in diesem Fall auch die aus der Pleuelstellung resultierenden Seitenführungskräte auf-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

Abb. 3.135 Kreuzkopf- und Tauchkolbenbauweise (MAN 2011; Caterpillar 2008)

279

280

G.P. Merker und R. Teichmann

nehmen. Diese Bauweise wird für alle mittelschnell- und schnelllaufenden Großmotoren verwendet. Langsamlaufende und mittelschnelllaufende Großdieselmotoren werden üblicherweise mittels Drucklut gestartet, da elektrische Starter nicht das notwendige Losbrechmoment leisten können. Dabei kommen heute für Motoren bis zu 320 mm Bohrung sogenannten Drucklutturbinenstarter zum Einsatz, von denen bis zu drei Stück am Schwungrad angeordnet sind und die mit einem Druckniveau von ungefähr 10 bar betrieben werden. Die Motoren mit Zylinderbohrungen von mehr als 320 mm werden durch eine gesteuerte direkte Einblasung von Drucklut in die Zylinder mit einem Druckniveau von ungefähr 30 bar gestartet. Dafür sind in den Zylinderköpfen spezielle Startventile vorgesehen, die zum Eintritt der Drucklut geöffnet werden. Eine Besonderheit der Großdieselmotoren – zumindest für die Langsamläufer und die Mittelschnellläufer – ist der Betrieb mit Schweröl als Kratstoff, welches aus Kostengründen seit der Mitte der 1950er Jahre bei seegehenden Schiffen und auch bei einigen Stationäranlagen an Land eingesetzt wird. Schweröle sind preiswerte hochviskose Rückstandsöle aus der Erdölraffination. Für die Verwendung in Motoren muss eine akzeptable Viskosität sichergestellt werden. Dafür werden die ursprünglich vorhandenen langen Molekülketten mittels Crack-Verfahren oder dem sogenannten Visbreaker-Verfahren aufgespalten. Unter Umständen werden auch niedrigviskose Destillate zugesetzt, um die Viskosität auf einem für die motorische Nutzung geeigneten Niveau halten zu können. Die Eigenschaten der Schweröle variieren je nach Herkunt sehr stark. Insofern kann hier nicht von einem standardisierten Kratstoff ausgegangen werden, auch wenn es verschiedene Klassifizierungen, z. B. die ISO 8217 (2010), gibt. Die optimierte Ausnutzung der Rohöle zur Gewinnung von Qualitätskratstoffen (Benzin, Kerosin, Dieselkratstoff) führte in den letzten Jahren dazu, dass die Schwerölqualität schlechter wurde. Weiterhin wurde in bestimmten Bereichen der Welt immer wieder festgestellt, dass auch Abfallprodukte wie gebrauchtes Schmieröl, organische Lösungsmittel oder Chemieabfälle über einen Zusatz zum Schweröl „entsorgt“ werden. Dies kann sehr starke Auswirkungen auf den Motorbetrieb oder auch auf den Zustand der betroffenen Motorkomponenten haben. In jedem Fall ist eine entsprechende Aufbereitung des Schweröls vor dem Motor vorzusehen. Mit Hilfe von Separatoren und Filtern wird das Schweröl gereinigt und mittels einer Vorwärmung wird die zur Einspritzung notwendige Viskosität, die üblicherweise im Bereich von 10 bis 20 cSt liegt, sichergestellt. Dafür muss das Schweröl vor dem Eintritt in den Motor auf bis zu 150 °C aufgeheizt werden. In Abb. 3.136 ist der übliche Schwerölaufbereitungsprozess schematisch dargestellt. Neben der hohen Viskosität weist Schweröl im Vergleich zu den sonst üblichen Standardkratstoffen weitere Unterschiede auf. Der Anteil von Schwefel kann im Vergleich zu Fahrzeugmotoren sehr hoch sein – heute sind noch bis zu 3,5 Massen-% Schwefel in der weltweiten Schifffahrt zulässig. Weiterhin können verschiedene abrasive Stoffe enthalten sein. Aber auch Vanadium, Wasser, Salze und Fluor werden in Schwerölen nachgewiesen.

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

281

Abb. 3.136 Schwerölaufbereitungsprozess (Westfalia 2011)

Abb. 3.137 Vorgabe zur Reduzierung des Schwefelgehalts von Marinekratstoffen durch die IMO (MEPC 59) (Roman 2010)

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zuweilen stark variierende Zündwilligkeit, die mittels des Cetanindex oder des CCAI (Calculated Carbon Aromaticity Index) bestimmt wird, Steernberg and Forget (2007).

282

G.P. Merker und R. Teichmann

Seit 2012 ist international festgelegt, dass Schweröl für den weltweiten Einsatz maximal nur noch 3,5 % Schwefel enthalten darf. Weiterhin ist vorgesehen, dass der Schwefelgehalt ab 2020 nur noch 0,5 % betragen darf. In den sogenannten ECAs (Emission Controlled Areas) ist der Schwefelgehalt ab Juli 2010 auf 1 % und wird ab 2015 auf 0,1 % limitiert (Abb. 3.137). Neben Schweröl werden auch Marine Diesel Oil (MDO) und Marine Gas Oil (MGO) eingesetzt, die dem bei Fahrzeugmotoren üblichen Dieselkratstoff deutlich näher sind. Aufgrund der zuküntig vergleichsweise strengen Anforderungen an die Marinekratstoffe insbesondere hinsichtlich des Schwefelgehalts ist mittelfristig ein Rückgang der Anwendung von Schweröl in der heutigen Form zu erwarten und der Einsatz anderer Kratstoffe wie schwefelarmer Destillatkratstoff (MDO/MGO) oder Erdgas (als LNG in flüssiger Form) zu erwarten. Alternativ ist eine dem Motor nachgeschaltete Entschwefelung der Abgase möglich. Zusätzlich zu der anstehenden Reduzierung der Schwefelgehalte in den Marinekratstoffen und den damit reduzierten Emissionen von Schwefeldioxiden werden in der nächsten Zeit auch die Stickoxid- und Partikelemissionen von Großmotoren deutlich beschränkt (s. Abb. 3.138). Während die IMO für Marinemotoren nur eine Begrenzung der Stickoxidemissionen um 80 % (bezogen auf IMO Tier 1 als Ausgangsbasis) vorsieht, sehen EPA und EU auch deutliche Begrenzungen der Partikelemissionen vor. Die zuküntigen Stickoxid-Emissionsgrenzwerte für Großdieselmotoren sind in den meisten Fällen nicht mehr mit rein innermotorischen Maßnahmen einzuhalten. Deshalb werden auch hier zuküntig die Motoren mit Abgasrückführung oder SCR-Katalysatoren ausgerüstet werden, um die Grenzwerte zu erfüllen. Aufgrund der unterschiedlichen Bauweise unterscheiden sich auch die Schmierungskonzepte. Während bei den Tauchkolbenmotoren das Schmieröl durch das Blow-by am Kolben vorbei mit den Verbrennungsgasen belastet wird, findet man bei Kreuzkopfmotoren durch die Stopfbuchse an der Kolbenstange eine klare Trennung zwischen Verbrennungsraum und Kurbeltrieb vor. Die Schmierung des Kolbens erfolgt dabei als dosierte Verlustschmierung. Das Schmieröl ist in seiner Spezifikation den Anforderungen der Verbrennung, insbesondere bei der Verwendung von Schweröl mit hohen Schwefelanteilen als Kratstoff, angepasst. Im Kurbeltrieb kann ein sehr einfach additiviertes Schmieröl verwendet werden, dass kaum physikalischen und chemischen Belastungen ausgesetzt ist. Im Stationärbereich wird bereits seit langem neben der Erzeugung von mechanischer bzw. elektrischer Energie auch die Abwärme der Motoren im Rahmen von Prozessen zur Krat-Wärme-Kopplung (KWK) oder Krat-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) eingesetzt. Damit können dann bis zu 90 % der eingesetzten chemischen Energie des Kratstoffs genutzt werden. Generell sind dabei die folgenden Varianten oder auch Kombinationen möglich: • die Produktion von Wärme in Form von Dampf oder Heißwasser • die Produktion von Kälte mittels Absorptionskältemaschinen • die Produktion von mechanischer bzw. elektrischer Energie mittels Dampturbine, Dampfmotor oder Organic-Rankine-Cycle-Prozess (ORC)

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

283

Abb. 3.138 Zusammenstellung aktueller und zuküntiger NOx - und Partikelemissionsgrenzwerte für Großmotoren (Cartus 2012)

Auf Schiffen wird vielfach nur ein Teil der Abgaswärme zur Erzeugung von Dampf für Heizzwecke (u. a. auch die Vorwärmung des Schweröles) eingesetzt. Mittlerweile setzt sich aber auch hier eine konsequente Nutzung der Motorabwärmen im Rahmen einer möglichen Energieeinsparung immer mehr durch. Dabei wird zusätzlich noch eine Abgasnutz-

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G.P. Merker und R. Teichmann

turbine eingesetzt, die z. B. in Kombination mit einer Dampturbine elektrische Energie produziert. Diese zusätzliche Leistung kann dann entweder über entsprechend geeignete Wellengeneratoren zum Vortrieb oder für den elektrischen Bordbedarf genutzt werden, wodurch keine Notwendigkeit zum Betrieb der Hilfsdiesel mehr besteht. Die im Folgenden betrachteten Motorentypen – aufgeteilt in die Kapitel schnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 3.8.2), mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 3.8.3) und langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren (Abschn. 3.8.4) werden in sehr unterschiedlichen Anwendungen eingesetzt. Dies sind: • Schiffshauptantriebe zur Propulsion von Schiffen • Schiffshilfsantriebe zur Energieerzeugung an Bord von Schiffen • Stationäranwendungen, z. B. zur Produktion von Strom und Wärme an Land bzw. zum Antrieb von Pumpen und Verdichtern • Schienentraktion (Antriebe für Lokomotiven und Triebwagen) • Antriebe von Großlandfahrzeugen, z. B. Mining Trucks • Sonderanwendungen, z. B. Car-Shredder-Anlagen Es ist zu beachten, dass mittlerweile diverse Motoren nicht nur als ausschließliche Dieselmotoren verfügbar sind, sondern zur möglichen Betriebskostensenkung und zur Reduzierung von Abgasschadstoffemissionen auch Varianten entwickelt wurden, die mit Gas als Brennstoff betrieben werden können, z. B. als Diesel-/Gasmotoren mit Niederdruckgaseinblasung vor die Einlassventile oder als Gas-Dieselmotoren mit Hochdruckgaseinblasung direkt in die Zylinder. Hier sei auf den Abschn. 3.2 dieses Buchs verwiesen, das Gasmotoren behandelt.

3.8.2 Schnelllaufende Viertaktdieselmotoren Allgemeines Schnelllaufende Dieselmotoren sind üblicherweise durch eine hohe Leistungsdichte, d. h., hohe Abtriebsleistung bei geringem Bauvolumen und geringem Gewicht charakterisiert. Dieses Kapitel beschätigt sich ausschließlich mit schnelllaufenden Off-Highway-Motoren, d. h. mit Motoren, die abseits der Straßen betrieben werden. PKW- und LKW-Dieselmotoren sind auch schnelllaufende Motoren, sind aber nicht Gegenstand dieses Kapitels. Es wird auf Abschn. 3.4 und 3.7 verwiesen. Im Allgemeinen werden die schnelllaufenden Dieselmotoren zu den mittelschnelllaufenden Dieselmotoren (siehe Abschn. 3.8.3) dahingehend abgegrenzt, dass die obere Drehzahlgrenze des Auslegungspunktes des mittelschnelllaufenden Dieselmotors und damit die untere Grenze des schnelllaufenden Dieselmotors bei 1000 1/min liegen. Der Übergangsbereich beider Motorentypen liegt zwischen 900 und 1200 1/min, so dass man erst bei Motoren oberhalb von 1200 1/min von schnelllaufenden Motoren sprechen sollte. Die obere Grenze liegt, mit Ausnahme von Extremanwendungen, bei 2500 1/min. Ein weitere wich-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

285

Abb. 3.139 Schiffsdieselmotor MTU 20V8000

tige Eigenschat zur Charakterisierung des schnelllaufenden Dieselmotors ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit, siehe Abschn. 2.5.1. Im Auslegungspunkt liegt dieser Wert im Bereich zwischen 12 und 14 m/s. Mit einem üblichen Hub/Bohrungsverhältnis von 1,2 können zunächst der maximalen Hub und dann die maximale Bohrung berechnet werden: Aus der Beziehung für die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm = 2sn folgt mit cm < 12 m/s (bei großen Motoren liegt dieser Wert eher im unteren des oben angegebenen Bereichs) und n < 1200 1/min der maximale Hub zu s < 300 mm und mit s/D = 1,2 die maximale Bohrung eines schnelllaufenden Dieselmotors zu D = 250 mm. Das Zylinderhubvolumen liegt damit bei maximal ca. 15 dm3 . In einem Grenzbereich liegt der MTU-Schiffdieselmotor 20V8000 M92, siehe Abb. 3.139. Sein Zylindervolumen beträgt 17,36 dm3 , die Bohrung 265 mm und der Hub 315 mm. Dies ergibt ein Hub-Bohrungsverhältnis von s/D = 1,18. Mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit von 12 m/s ergibt sich die geforderte Leistung von 10.000 kW. Die Kolbenflächenleistung beträgt damit 9,07 W/mm2 , für weitere Details siehe Haussmann (2001) und Freitag et al. (2001). Die kleinen Off-Highway-Dieselmotoren werden bis zu einem Zylinderhubvolumen von 0,25 dm3 ausgeführt. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf den für diesen Markt wichtigen Hubvolumenbereich pro Zylinder von 2 bis 5 dm3 . Wesentlich bestimmt wird dieser Größenbereich von Dieselmotoren durch die Synchrondrehzahlen von Stromgeneratoren. Diese liegen in dem hierfür relevanten Bereich bei 1000, 1500 und 3000 1/min für 50 Hz- und bei 900, 1200, 1800 und 3600 1/min für 60 Hz-Anlagen. Gemäß der oben aufgeführten Restriktionen sind für diese Betrachtungen nur die Drehzahlen 1200 (grenzwertig!), 1500 und 1800 1/min von Bedeutung. Geht man davon aus, dass aus Kostengründen die 60 Hz- Anlagen mit 1800 1/min ausgeführt werden und wieder 13 m/s als maximale Kolbengeschwindigkeit zu Grunde gelegt wird, so erhält man einen Hub von 210 mm In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass diese Motoren in anderen Anwendungen auch mit Drehzahlen bis 2100 1/min betrieben werden sollen. Dann ergibt sich mit

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G.P. Merker und R. Teichmann

Stationär

Mobil Marine • Yachten • Kommerzielle Schiffe

• Schiffe öffentlicher Auftraggeber

Industrie

Öl & Gas

Dieselsysteme

• Eisenbahnen • Landmaschinen • Baumaschinen,

• Onshore • Offshore

• Notstromanlagen • Grundlastanlagen

industrielle Anwendungen • Bergbau

• Spitzenlastanlagen

Abb. 3.140 Mobile und stationäre Anwendungen für Off-Highway-Dieselmotoren

der oben angegebene Grenze von 14 m/s für die mittlere Kolbengeschwindigkeit und dem Hub/Bohrungsverhältnis. s/d = 1,17 die Bohrung zu D = 170 mm und der Hub s = 200 mm. Das Zylinderhubvolumen läge dann bei 4,5 dm3 . Um auch kleinere Leistungspunkte bedienen zu können, werden die genannten Synchrondrehzahlen von 1500 und 1800 1/min auch mit Motoren mit Zylinderhubvolumina von ca. 2 dm3 angeboten. Der Einsatz dieser Off-Highway-Dieselmotoren ist sehr breit, siehe Abb. 3.140. Man unterscheidet hierbei mobile und stationäre Anwendungen. Bei mobilen Anwendungen erfolgt der Einsatz auf dem Wasser in Yachten, schnellen Passagierschiffen, Arbeitsschiffen und militärischen, bzw. paramilitärischen Schiffen. Die Leistungsbandbreite dieser Motoren beträgt 500 kW bis 4300 kW. Ein weiteres Einsatzgebiet ist der Industriebereich. Hier werden die Motoren in Diesellokomotiven und Dieseltriebwagen, in Maschinen für den Straßenbau und der Land- sowie Forstwirt-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

287

schat eingesetzt. Leistungsstarke Motoren treiben darüber hinaus Fahrzeuge in Minen zur Rohstoffförderung an. Der Leistungsbereich dieser Motoren liegt zwischen 500 und 3000 kW. Bei stationären Anwendungen ist die Stromerzeugung ein großes Anwendungsgebiet für schnelllaufende Dieselmotoren. Der Haupteinsatz ist hier die Spitzenstromund Notstromerzeugung. Der Einsatz zur Dauerstromerzeugung ist auch gegeben, aber im geringeren Umfang. Hier wird verstärkt Gas als Brennstoff eingesetzt. Das erfolgt mit mager brennenden Gasmotoren, was nicht Gegenstand dieses Kapitels sein soll, siehe Abschn. 3.2.1 Für den 50 Hz-Betrieb werden die Motoren ausschließlich mit 1500 1/min betrieben. Im 60 Hz-Einsatz beträgt die Drehzahl in der Regel 1800 1/min, in Ausnahmen auch 1200 1/min, siehe obige Ausführungen. In dieser Anwendung werden Motoren im Bereich von 200 bis 3000 kW betrieben. Der letzte hierzu diskutierende Einsatzfall ist der Betrieb zur Öl- und Gasförderung, entweder zu Lande oder auf dem Wasser. Die Motoren dienen hier zum Antrieb von Pumpen oder zur Stromerzeugung, um damit die elektrische Energieversorgung der Bohrausrüstung sicher zu stellen. Die Motoren werden in dieser Anwendung im Bereich zwischen 1000 und 3000 kW eingesetzt. An dieser Stelle ist es interessant, die Historie des schnelllaufenden Dieselmotors im Off-Highway-Einsatz kurz zu schildern. Ca. 40 Jahre nach Erfindung des Dieselmotors in den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, wurden Dieselmotoren für den Einsatz im Nutzfahrzeug und PKW entwickelt. Parallel dazu wurden größere schnelllaufende Dieselmotoren mit einem Hubvolumen oberhalb von 5 Litern pro Zylinder gebaut. Ein Beispiel hierfür ist die Motorenbaureihe GTO von Maybach-Motorenbau für den Einsatz in den Schnelltriebwagen „Fliegender Hamburger“ in der 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Es folgten Spezialmotoren, die bevorzugt in schnellen militärischen Schiffen zum Einsatz kamen. Für Anforderungen an zuküntige Off-Highway-Dieselmotoren sei auf Teetz (2007) verwiesen.

MTU-Baureihe 331/396 Die Entwicklung der 4-Liter pro Zylinder Klasse nahm ihren Anfang in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Zunächst wurde bei Daimler-Benz ein Motor mit 165 mm Bohrung und 155 mm Hub entwickelt. Über die Zusammenlegung der Aktivitäten auf dem Gebiet der schnelllaufenden Off-Highway-Motoren von Daimler-Benz und Maybach-Motorenbau gelangte diese Motorenbaureihe zur später gegründeten MTU-Friedrichshafen. Um die Stückzahlen dieses Motors zu erhöhen, platzierte MTU diese Motoren als Baureihe 331 (331 gibt das Zylinderhubvolumen mit Faktor 100 in Liter an) in der 6- bzw. 8-Zylinderversion in V-Anordnung im kommerziellen Markt, bevorzugt für den Einsatz in schweren zivilen Fahrzeugen und in Yachten. Es zeigte sich, dass der Leistungsbereich der 6 V- und 8 V-Motoren nicht ausreichte und es folgte eine 12 V-Variante. Auch dieser Schritt genügte nicht, die Stückzahlen für diesen Motor im ausreichenden Maße zu erhöhen. Um in das Marktsegment für die Aggregatsanwendungen eindringen zu können und damit die Stückzahlen weiter zu erhöhen, wurde eine Langhubvariante mit einem Hub von 185 mm konzipiert und damit das Zylinderhubvolumen von 3,31 auf 3,96 Liter angehoben. Da die Fertigungseinrichtungen der damaligen Zeit noch sehr unflexibel waren, behielt man wich-

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G.P. Merker und R. Teichmann

tigen Stichmaße zur Baureihe 331 bei und konnte die wesentlichen Bauteile wie Zylinderkopf und Kurbelgehäuse auf denselben Maschinen fertigen. Die Baureihe 396 wurde durch eine 16 V-Variante ergänzt und man konnte mit einer Zylinderleistung von 160 kW eine maximale Leistung von 2560 kW darstellen. Ein Leistungsbereich, der bis dahin nur von wesentlich schwereren Motoren bedient werden konnten. Ein neues Produkt begann sich neue Märkte zu erschließen: Schnelle Yachten, schnelle Passagierschiffe wie Katamarane, Notstromaggregate mit wesentlich geringerem Gewicht und Abmessungen und große Minenfahrzeuge mit erhöhter Nutzlast.

MTU-Baureihen 2000 und 4000 Es zeigte sich sehr schnell in den 80er Jahren, dass die Motoren 6 V und 8 V wirtschatlich nicht sehr interessant sind, weil sie im Vergleich zu den höheren Zylinderzahlen 12 V und 16 V spezifisch – bezogen auf die Leistung – größer, schwerer und kostenungünstiger sind. Die Marktanforderungen sind aber genau umgekehrt: Im unteren Leistungsbereich werden eher kleinere Volumina und Motorengewichte mit geringeren spezifischen Erlösen vom Markt erwartet. Übrigens ist das für jede Motorenbaureihe mit einer großen Zylinderzahlspreizung der Fall. Es entstand Anfang der 90er Jahre die Idee, den Leistungsbereich der Baureihe 396 mit 6 V, 8 V, 12 V und 16 V durch 2 Baureihen mit einer Erweiterung des Leistungsbereiches nach oben und unten zu ersetzen. Diese Motoren sollten vollständig für den Einsatz im kommerziellen Markt mit Anforderungen, wie: • • • • •

Geringe Life-Cycle-Kosten, damit geringer Kratstoffverbrauch Hohe Lebensdauer und hohe Wartungsintervalle Hohe Verfügbarkeit Hohe Leistungsdichte, d. h. geringes Bauvolumen und geringes Gewicht geringe Herstellkosten

optimiert werden. Der Ansatz war, eine untere Baureihe auf Komponenten aus der Produktion von Nutzfahrzeugmotoren mit hoher Stückzahl aufzubauen. Da MTU-Friedrichshafen zur damaligen Zeit Bestandteil von Daimler-Benz war, baute die Baureihe 2000 auf der neu entwickelte Nutzfahrzeug-Motorenbaureihe 500 von Daimler-Benz auf, siehe Haug et al. (2001). Dadurch konnten die Herstellkosten für diesen unteren Leistungsbereich gegenüber den Motoren 6 V- und 8 V-396 erheblich gesenkt werden, siehe Abb. 3.141. Oberhalb der Baureihe 2000 wurde die BR 4000 komplett neu entwickelt, siehe Abb. 3.142 und Müller et al. (2001). Die Festlegung des Hubvolumens orientiert sich an den Anforderungen der Anwendung, in der die Baureihe bevorzugt positioniert werden soll. Soll die Baureihe auf die kommerziellen Märkte ausgerichtet sein, wird die Grundauslegung in der Regel auf die Anwendung mit der höchsten Stückzahl und der höchsten Kostensensibilität angepasst. Zusätzlich sind die Zylindervarianten und die Leistungsspreizung festzulegen. Mit dem Derivat aus dem Nutzfahrzeugmotor lässt sich mit einem 16Zylindermotor in der 50 Hz-Anwendung eine Leistung bis ca. 1000 kW abdecken. Damit ist die untere Leistung der neuen Baureihe in der 50 Hz-Anwendung festgelegt. Wegen der

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

289

Abb. 3.141 MTU- GenSet 8V2000 Abb. 3.142 MTU- Schiffsdieselmotor 16V4000

elektrischen Wirkungsgrade und Berücksichtigung des cos phi (Zusammenhang zwischen kW und kVA), weichen die Motorleistungen leicht von diesen „runden“ Zahlen ab. Für die weiteren Betrachtungen ist dies unerheblich und wird daher vernachlässigt. Bei der Stromerzeugung liegen wegen der Positionierung der Generatoren die Hauptleistungspunkte bei 1000 kVA, 1500 kVA, 2000 VA und 2500 kVA. Möchte man bei dieser neuen Motorenbaureihe die Zylinderzahlen 8 V, 12 V, 16 V und in Ausnahmefällen auch 20 V verwirklichen, so ergibt sich idealerweise eine Zylinderleistung von ca. 125 kW. Die gleiche Zylinderleistung für jede Zylinderzahl ist von großer Bedeutung, um mit minimaler Anzahl von unterschiedlichen Teilen und mit einem minimalen Abstimmungsaufwand die

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G.P. Merker und R. Teichmann

gesamte Baureihe darstellen zu können. Ein 10 V-Motor wird in der Regel vermieden, da das Drehschwingungsverhalten dieses Motors ungünstig ist. Dies kann zwar mit Zusatzmaßnahmen kompensiert werden, wofür jedoch zusätzliche Aufwendungen erforderlich sind. Mit der bekannten Formel für die Leistung eines Viertaktmotors Pe = pm, e V H n erhält man mit einem Wert von 25 bar für den Mitteldruck 4-liter für das Zylinder-Hubvolumen Dieser Mitteldruck lässt sich noch mit einstufiger Aufladung darstellen, auch unter Berücksichtigung, dass das Lastannahmeverhalten des Motors bei einem Lastsprung die hohen Anforderungen erfüllt. Um auch Anforderungen für andere Anwendungen optimal bedienen zu können, wird das Zylinderhubvolumen eher leicht oberhalb der 4 Liter festgelegt. Nach Festlegung des Hubvolumens folgt die Auswahl weiterer wesentlicher Parameter wie: • • • • •

V-Winkel Zylinderabstand Aufladeverfahren Einspritzsystem Anordnung der Nebenabtriebe

Der V-Winkel bestimmt wesentlich die Breite und Höhe des Motors, aber auch in Zusammenhang mit der Zündfolge der jeweiligen Zylinderzahl (z. B. 8 V, 12 V, 16 V, 20 V) das Drehschwingungsverhalten der Motoren der gesamten Baureihe. Da für alle Zylinderzahlen der V-Winkel aus produktionstechnischen Gründen gleich zu wählen ist, ist unter Berücksichtigung aller genannten Parameter, ein Kompromiss zu finden. Dieser liegt bei diesen Motoren in der Regel bei 60 Grad. Der Zylinderabstand hat einen wesentlichen Einfluss auf die Länge und das Gewicht der Motoren sowie auf die Belastung der Triebwerkslager (Pleuel- und Grundlager). Auch hier lässt sich keine allgemein gültige Festlegung machen. Die Belastung und Lebensdauer der Triebwerkslager wird wesentlich durch den maximalen Zündruck und den spezifischen Mitteldruck bestimmt. Für Motoren mit hohen Anforderungen an die Abgasemissionen liegt der Auslegungspunkt für den maximalen Zylinderdruck bei ca. 250 bar. Unter Berücksichtigung eines effektiven Mitteldrucks von 25 bar, der Verwendung von Sputterlagern und einer angestrebten Lebensdauer von 24.000 Betriebsstunden, liegt der Zylinderabstand bei ca. dem 1,4-fachen der Zylinderbohrung. Bevor auf das Aufladeverfahren eingegangen wird, sollen an dieser Stelle kurz die Verfahren diskutiert werden, die zur Erfüllung der Emissionsforderungen notwendig sind. Die Rohemission eines Dieselmotors, in der diskutierten Größenordnung, liegt bei ca. 12 g/kWh NOx und unter Zugrundelegung eines maximalen Einspritzdrucks von 1500 bar, bei 0,2 g/kWh Partikelemission. Die Stickoxidemissionen können mit der Annahme, dass sich der Kratstoffverbrauch nicht wesentlich verschlechtert (maximal plus 2,5 %), durch folgende Maßnahmen positiv beeinflusst werden:

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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• Optimierung des Brennverfahrens bis ca. 8 g/kWh NOx • Verwendung des Millerverfahrens bis ca. 5 g/kWh NOx • Verwendung einer gekühlten Abgasrückführung bis ca. 3 g/kWh NOx Für eine weiteren Absenkungen der NOx -Emissionen ist bei Berücksichtigung eines guten Kratstoffverbrauchs eine Abgasnachbehandlung erforderlich. Die Partikelemission wird im Wesentlichen durch den Einspritzdruck und das Brennverfahren beeinflusst. Daraus ergeben sich für die Festlegung des Aufladeverfahrens und des Einspritzsystems folgende Vorgaben: Die Motoren sind für bzgl. der Emissionen wenig regulierte Märkte mit einer 1-stufigen Aufladung bis Nutzmitteldrücke von 25 bar auszuführen. Um die Motoren im Kennfeld optimieren zu können, ist ein Common-Rail-Einspritzsystem vorzusehen. Für diese Anforderungen reicht ein maximaler Einspritzdruck von 1800 bar. Für regulierte Märkte mit Anforderungen bei den NOx -Emissionen von < 3,5 g/kWh, können Emissionen, wie oben beschrieben nur mit der gekühlten Abgasrückführung innermotorisch bei guten Kratstoffverbräuchen eingehalten werden. Durch den höheren Inertgasanteil sinkt der Sauerstoffpartialdruck im Brennraum und kann nur durch einen höheren Ladedruck wieder ausgeglichen werden. Soll der Nutzmitteldruck von 25 bar gehalten werden und der Kratstoffverbrauch nicht ansteigen, ist eine 2-stufige Aufladung unvermeidlich. Verbunden ist diese Maßnahme mit der Anhebung des maximalen Zylinderdrucks auf ca. 250 bar. Um die Partikel-Werte unter 0,02 g/kWh absenken zu können, ist zusätzlich zu den bereits genannten Maßnahmen, die Verwendung eines Einspritzsystems mit einem Einspritzdruck von 2500 bar erforderlich. Es ist selbstverständlich, dass die Regelung und Überwachung der Motoren mit elektronischen Systemen erfolgen muss. Für weitere Details zur Abgasnachbehandlung wird auf Teetz (2008) und Kap. 7 verwiesen. Die Anordnung der Nebenabtriebe und wartungsintensiven Öl- und Kratstofffilter werden in der Regel aus Wartungsgründen auf der Kupplungsgegenseite angeordnet. Vorgesehen werden müssen jeweils ein Abtrieb für die Hochdruckpumpe des Einspritzsystems, die Kühlwasserpumpe, die Seewasserpumpe, die Lichtmaschine und 2 weitere Abtriebsmöglichkeiten für Lutkompressor und Hydraulikpumpe. In der Regel werden nicht alle genannten Abtriebsmöglichkeiten gleichzeitig benötigt. Der Motorstart erfolgt üblicherweise über einen elektrischen Starter auf der Abtriebsseite des Motors. Mit weiterer Verschärfung der Emissionsanforderungen werden Partikelfilter und SCR-Technik zur Minderung der NOx -Emissionen obligatorisch werden.

3.8.3 Vier-Takt Mittelschnellläufer Deinition und Einordnung Mittelschnelllaufende 4-Takt Dieselmotoren sind mit Nenndrehzahlen im Bereich von ca. 300 bis 1200 min−1 zwischen den langsamlaufenden 2-Takt Motoren und den schnelllaufenden 4-Takt Dieselmotoren angesiedelt. Wie auch die Langsamläufer, aber im Gegen-

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Tab. 3.12 Beispiele für 4-Takt Mittelschnellläufer Hersteller Typ

Bohrung Hub V cyl [mm] [mm] [lit]

s/DVerh. [–]

Nenndrehzahl [1/min]

max. Zyl. eff. Mit- mittl. leistung teldruck Kolben[kW] [bar] geschw. [m/s]

MAN Wärtsilä Hyundai MAN MAN Wärtsilä Cat-MaK MAN Wärtsilä

160 200 250 270 320 380 430 480 640

1,50 1,40 1,32 1,41 1,38 1,25 1,42 1,25 1,41

1200 1000 1000 800 750 600 514 514 333

110 200 300 365 600 725 1000 1200 2150

16/24 W20 H25/33 27/38 32/44 CR W38 M43C 48/60 CR 64

240 280 330 380 440 475 610 600 900

4,8 8,8 16,2 21,8 35,4 53,9 88,6 109 290

22,8 27,3 22,2 25,2 27,1 26,9 26,4 25,8 26,8

9,6 9,3 11,0 10,1 11,0 9,5 10,5 10,3 10,0

satz zu den Schnellläufern, sind die mittelschnelllaufenden Dieselmotoren dadurch gekennzeichnet, dass sie außer mit herkömmlichem (Destillat-) Dieselkratstoff auch mit Rückstandsölen, dem sog. Schweröl betrieben werden können. Die heute üblichen mittleren Kolbengeschwindigkeiten liegen zwischen 10 und gut 11 m/s, so dass bei den o. g. Nenndrehzahlen Kolbenhübe zwischen 240 und 900 mm resultieren. Nahezu alle aktuellen Motoren sind langhubig ausgelegt, so dass die entsprechenden Zylinderbohrungen einen Bereich von etwa 160 bis 640 mm abdecken. Die Leistungen reichen damit theoretisch von ca. 100 bis 2000 kW pro Zylinder, wobei das oberste Leistungssegment heute weitgehend vom langsamlaufenden 2-Takt Motor besetzt ist. Tabelle 3.12 fasst exemplarisch die Kenndaten einiger ausgewählter Mittelschnellläufer zusammen. Mittelschnelllaufende Dieselmotoren werden sowohl in Reihen- als auch in V-Konfiguration ausgeführt, in der Regel mit 6 bis 10 Zylindern in der Reihen und 12 bis 20 Zylindern in der V-Version. Um ein möglichst lückenloses Leistungsspektrum abdecken zu können, bieten fast alle Hersteller Motor-Baureihen bzw. -Familien an, bei denen eine möglichst identische Zylinder-Unit, bestehend aus Kolben, Pleuel, Laufbuchse, Zylinderkopf, Einspritzsystem, Ladelut- und Abgasleitungssegmenten, mit jeweils gleicher Zylinderleistung in unterschiedlichen Zylinderzahl-Varianten, sowohl in Reihen- als auch in V-Konfiguration, ausgeführt wird.

Anwendungsgebiete und Anforderungen Mittelschnelllaufende Dieselmotoren kommen vorwiegend auf seegehenden Schiffen zur Propulsion und Bordstromerzeugung sowie auch zur Strom- und Wärmeerzeugung in stationären Dieselkratwerken zum Einsatz, s. Abb. 3.143. Charakteristisch für diese Anwendungen ist ein hoher Lastfaktor zwischen 75 und 100 % der Nennleistung mit gleichzeitig extrem hoher jährlicher Laufzeit fast ohne Stillstand. Insbesondere für Grundlast-Kratwerke sind bis zu 8000 Volllast-Betriebsstunden pro Jahr typisch, Marine-Propulsionsmo-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.143 Anwendungen für mittelschnelllaufende 4-Takt Dieselmotoren (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

toren kommen auf ca. 6000 Stunden pro Jahr mit einem mittleren Lastfaktor zwischen 75 und 90 %. Die typische Lebensdauer der Motoren liegt zwischen 20 und 30 Jahren, so dass bis zu 200.000 Betriebsstunden akkumuliert werden (verglichen mit ca. 5000 bis 8000 Std. für Pkw- und ca. 20.000 bis 25.000 Std. für Nfz-Motoren). Dies erfordert eine entsprechend robuste Motorauslegung, zumal die Wartungsintervalle so lang sein müssen, dass der durchgehende Betrieb der Anlagen nicht gestört wird. Gerade bei Marine-Motoren sind größere Wartungsarbeiten zeitgleich mit den Dock-Aufenthalten des Schiffes durchzuführen, die in der Regel nur alle 3 Jahre, d. h. alle 15.000 bis 20.000 Betriebsstunden anfallen. Aufgrund der hohen Lastfaktoren und Betriebsstundenanzahl sind die Kratstoffkosten von übergeordneter Bedeutung für die Wirtschatlichkeit der Dieselmotoren-Anlage. Ihr prozentualer Anteil an den Gesamt-Lebenszykluskosten des Motors inkl. Erst-Investition und Wartungen beträgt je nach aktuellem Kratstoffpreis bis zu 90 %. Dies führt dazu, dass die Schweröltauglichkeit sowohl für die Marine- als auch für die Stationärmotoren eine wesentliche Voraussetzung ist. Denn in der Vergangenheit lagen die energiebezogenen spezifischen Kosten für Schweröl bei nur ca. 60 % des höherwertigen destillierten MarineGasöls und damit sogar noch unterhalb der Kosten des in der Raffinerie als Grundstoff eingesetzten Rohöls, s. Abb. 3.144. Die Schwerölfähigkeit erfordert thermodynamische und konstruktive Besonderheiten der mittelschnelllaufenden 4-Takt Dieselmotoren, mit denen sie sich gegenüber schnelllaufenden (Destillat-) Motoren absetzen, s. nachfolgende Abschnitte. Trotz dieser Besonderheiten ist es den mittelschnelllaufenden Dieselmotoren auch möglich, mit höherwertigen Destillat-Kratstoffen betrieben zu werden, sollte dies aufgrund regionaler Emissionsvorschriten erforderlich oder durch die günstige lokale Verfügbarkeit von Destillatkratstoffen (z. B. im Bereich der Offshore Öl- und Gasförderung) wirtschatlich sinnvoll sein.

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Abb. 3.144 Historische Entwicklung ausgewählter Kratstoffpreise bezogen auf deren Heizwert

In den typischen Mittelschnellläufer-Anwendungen steht der weitgehend stationäre Betrieb in einem Lastpunkt im Vordergrund, transiente Beschleunigungs- und Lastaufschaltvorgänge treten zwar auf und sind zu beherrschen, sind aber von geringerer Bedeutung als z. B. bei schnelllaufenden Motoren im Fahrzeugeinsatz. Aus diesem Grund sind sowohl Motor als auch die zugehörige Turboaufladung üblicherweise so ausgelegt, dass bestmögliche Wirkungsgrade am Auslegungspunkt erreicht werden, auch wenn dadurch Einbußen in der Kennfeldbreite, d. h. im Drehmomentverlauf über der Motordrehzahl und damit im Beschleunigungsvermögen resultieren. Dadurch erreichen moderne Mittelschnellläufer spezifische Kratstoffverbräuche zwischen 170 und 180 g/kWh (entspricht ca. 48 % eff. Wirkungsgrad). Zweistufig aufgeladene Motoren, die sich gerade in der Markteinführung befinden, erreichen noch einmal um ca. 5–10 g/kWh bessere Werte, s. Tab. 3.13. Marine Propulsionsmotoren Mittelschnelllaufende 4-Takt Dieselmotoren kommen sowohl als Einmotoren- als auch als Mehrmotoren-Anlagen zum Einsatz. Gerade die Einmotoren-Anwendung stellt besondere Anforderungen an die Betriebssicherheit des Motors, denn ohne Antrieb wäre das Schiff manövrierunfähig. Dies könnte bei schlechten Wetter- und Seebedingungen im schlimms-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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ten Fall zum Totalverlust des Schiffes führen. Deshalb ist sicherzustellen, dass der Motor nie über längere Zeit ausfällt. Selbst beim Schaden eines Zylinders muss es noch möglich sein, die Pleuelstange des defekten Zylinders in kurzer Zeit zu demontieren und mit den restlichen Zylindern die Manövrierfähigkeit des Schiffes zu erhalten und den nächsten Hafen zu erreichen. Bei Einmotoren-Anlagen steht der mittelschnelllaufende Dieselmotor in starker Konkurrenz durch den langsamlaufenden 2-Takt Motor, der sich ggü. dem 4-Takter insbesondere durch größere Einheitsleistungen, noch höheren Wirkungsgrad und ein geringeres Drehzahlniveau auszeichnet. Letzteres ermöglicht es, den Propeller ohne Übersetzungsgetriebe direkt anzutreiben. Der Mittelschnellläufer benötigt dagegen immer ein Übersetzungsgetriebe zur Reduzierung der Propeller-Drehzahl und häufig zusätzlich einen Verstellpropeller mit variabler Flügelstellung zur Steuerung der drehzahlabhängigen Leistungsaufnahme des Propellers. Durch die höhere Drehzahl und durch das TauchkolbenPrinzip (im Gegensatz zum Kreuzkopf-Prinzip des 2-Takters) bietet der Mittelschnellläufer aber Vorteile im Bauraum (insb. Höhe) und im Leistungsgewicht. Entsprechend kommt er besonders zum Antrieb kleinerer und schnellerer Schiffe zum Einsatz, bei denen Bauraum und Gewicht von größerer Bedeutung sind. Mehrmotoren-Propulsions-Anlagen gibt es sowohl in Diesel-mechanischer als auch inzwischen immer häufiger in Diesel-elektrischer Ausführung, wobei die Dieselmotoren dann über einen Generator Strom erzeugen und die eigentliche Propulsion des Schiffs über elektrische Antriebsmotoren erfolgt. Hierbei hat das höhere Drehzahlniveau der Mittelschnellläufer einen Vorteil, denn die Generatoren bauen bei höherer Drehzahl kleiner und kostengünstiger. Ein weiterer Vorteil in der Diesel-elektrischen Ausführung ist, dass bei einer Anordnung von ca. 4 bis 6 kleineren Motoren auch der Teillast-Wirkungsgrad der Gesamtanlage sehr gut ist. Bei nur kleiner Lastanforderung können dann einzelne Motoren komplett abgeschaltet werden, während die übrigen immer noch mit relativ hoher Last und sehr gutem Wirkungsgrad nahe ihres Bestpunkts laufen. Der Wirkungsgrad eines größeren Einzelmotors würde dagegen zur Teil- und Schwachlast hin stark abfallen. Ein typischer Anwendungsfall für Diesel-elektrische Antriebe mit mittelschnelllaufenden 4Takt Motoren sind Kreuzfahrtschiffe und Fähren, bei denen die Leistungsanforderungen zwischen Hafen-, Manövrier- und Transit-Betrieb sehr unterschiedlich ist, und bei denen auch die Bauraum-Vorteile der 4-Takter unerlässlich sind. Marine Hilfsmotoren (Bordstromaggregate) Zur Bordstromerzeugung seegehender Schiffe kommen fast ausschließlich mittelschnelllaufende 4-Takt Motoren zum Einsatz. Obwohl Laufstunden und Lastfaktoren dieser Hilfsmotoren deutlich geringer als bei Propulsionsmotoren sind, s. Abb. 3.143, ist die Schwerölfähigkeit dennoch von Bedeutung, weil dieser Kratstoff für die 2- oder 4-Takt Antriebsmotoren ohnehin an Bord mitgeführt wird. Im Vergleich zu den Propulsionsmotoren ist der relative Kostenanteil des Kratstoffs an den Lebenszykluskosten jedoch deutlich geringer, so dass die Herstellkosten gegenüber dem spezifischen Kratstoffverbrauch bei den Bordstromaggregaten relativ an Bedeutung gewinnen. Üblicherweise werden mehrere Hilfsmo-

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Abb. 3.145 Beispiel eines DCC (Diesel Combined Cycle) Kratwerks mit Abwärmenutzung im nachgeschalteten Dampturbinenprozess (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

toren gleichen Typs auf einem Schiff installiert, um einerseits eine Redundanz zu erreichen und andererseits auch, um den Lastpunkt der einzelnen Motoren relativ höher (in der Regel zwischen ca. 40 und 60 %) und damit näher am Wirkungsgrad-Optimum halten zu können. Stationäre Kraftwerksmotoren In der Anwendung für Grundlast-Dieselkratwerke haben mittelschnelllaufende 4-Takt Dieselmotoren sowohl die höchste Auslastung als auch die höchste Anzahl an Betriebsstunden. Bis zu 8000 Volllast-Betriebsstunden im Jahr sind üblich. Daher ist der Kratstoffverbrauch im Nennpunkt von allergrößter Bedeutung, und die Motoren werden auch kundenspezifisch für die klimatischen Randbedingungen des jeweiligen Einsatzortes optimiert, z. B. durch Detail-Abstimmung der Turboaufladung und der Nockenwelle/Ventilsteuerzeiten. Um die geringsten spezifischen Investitionskosten zu erreichen, kommen üblicherweise V-Motoren in der größten Zylinderzahl zum Einsatz. Es werden meist mehrere Motoren (ca. 2 bis 10 pro Kratwerk) installiert.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Für einen noch besseren Wirkungsgrad und damit geringere Betriebskosten, wird bei modernen Mehrmotoren-Anlagen immer häufiger ein Dampturbinenprozess nachgeschaltet, bei dem die im heißen Dieselmotorenabgas enthaltene Restenergie zur Dampferzeugung genutzt wird. Die Dampturbine gibt dann je nach Anlagengröße ca. 10 % der mechanischen Dieselmotorenleistung zusätzlich ab, ohne, dass zusätzliche Brennstoffenergie zugeführt werden muss, s. Abb. 3.145. Der effektive Anlagen-Wirkungsgrad kann damit um ca. 5 %-Punkte auf Werte oberhalb 50 % steigen. Weil der spezifische Anlagenaufwand und auch der Wirkungsgrad der Dampturbine stark von deren Baugröße abhängen, ist dieser als Diesel Combined Cycle (DCC) bezeichnete Anlagentyp besonders bei größeren Kratwerken ab einer elektrischen Gesamtleistung von ca. 50 bis 100 MW interessant. Gibt es am Standort des Dieselmotoren-Kratwerks auch Abnehmer von thermischer Energie, können Mittelschnellläufer auch als Heizkratwerk eingesetzt werden. Neben der Nutzung der Abgasenergie kann zusätzlich Wärme aus dem Kühlwasser und Schmieröl ausgekoppelt werden, so dass der Gesamtwirkungsgrad aus Strom und Wärme bis über 80 % steigt. Dabei ist ein möglichst hohes Temperatur-Niveau von Kühlwasser und Schmieröl anzustreben, um die Restwärmen möglichst gut als Prozesswärme nutzen zu können.

Thermodynamische Motoreigenschaften Die thermodynamischen Eigenschaten und Besonderheiten von mittelschnelllaufenden 4-Takt Dieselmotoren sind neben der Forderung nach höchstem Wirkungsgrad im Hochlastbereich insbesondere durch die geforderte Schwerölfähigkeit bestimmt. Letztere führt dazu, dass die maximale Abgastemperatur nach Auslassventil bei allen Umgebungsbedingungen auf Werte unterhalb ca. 560 °C gehalten werden muss, um Ablagerungen und Materialangriff durch Hochtemperatur-Korrosion zu vermeiden. Diese kann im SchwerölBetrieb in Abhängigkeit des Vanadium- und Natriumgehalts des Kratstoffs (bzw. auch der salzhaltigen Ansauglut bei Marine-Motoren) entstehen, wenn diese Stoffe bei zu hoher Temperatur eine schlackenartige Asche bilden, die sich auf den abgasführenden Bauteilen (z. B. auf Kolben, Auslassventilen, Abgasleitungen bis Turbine und der Turbine selbst) ablagert und diese korrosiv angreit, s. Abb. 3.146. Abb. 3.146 Durch Heißkorrosion geschädigtes Auslass-Ventil

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Tab. 3.13 Spezifische Technologie-Kennwerte moderner 4-Takt Mittelschnellläufer spezifischer Kennwert

Ausgeführte Motoren mit einstufiger Turboaufladung

Potential mit zweistufiger Turboaufladung

Mitteldruck pme Mittl. Kolbengeschw. cm Kolbenflächenleistung PA,Kolb Zünddruck pmax Ladelutdruck pLL Spüldruckgefälle Δpspül Aufladewirkungsgrad ηATL Spez. Kratstoffverbrauch

25 . . . 27 bar 10 . . . 12 m/s 7 . . . 7,5 MW/m2 220 . . . 240 bar 5,0 . . . 5,5 bar ca. + 1 bar 67 . . . 70 % 170 . . . 180 g/kWh

27 . . . 30 bar 10 . . . 12 m/s ≥ 8 MW/m2 ≥ 250 bar ≥ 7 bar ca. + 2 bar ≥ 75 % 165 . . . 170 g/kWh

Die Begrenzung der Abgastemperatur auf ein zulässiges Niveau wird dadurch erreicht, dass die Turboaufladung der Motoren mit sehr hohem Ladedruck und positivem Spülgefälle ausgelegt wird, d. h. mit höherem Ladedruck vor Zylinder als Abgasgegendruck nach Zylinder. Dadurch wird einerseits ein mageres Verbrennungslutverhältnis im Zylinder (λV ≈ 2,0 . . . 2,2 im Nennpunkt) erzielt. Andererseits besteht durch das positive Spülgefälle die Möglichkeit, während einer relativ langen Ventilüberschneidung im Ladungswechsel-OT gekühlte Ladelut im Kurzschluss durch die gleichzeitig geöffneten Einund Auslassventile direkt in das Abgas vor Turbine zu mischen. Dadurch wird die Temperatur in der Abgasleitung zwischen Zylinder und Turbine zusätzlich abgesenkt. Desweiteren verhindert das positive Spülgefälle ein Rückströmen von Abgas in die Ladelutleitung. Dies ist im Schwerölbetrieb von besonderer Bedeutung, weil der mit dem Kratstoff in den Brennraum eingetragene und während der Verbrennung zu SOx oxidierte Schwefel bei den niedrigen Temperaturen in der Ladelutleitung kondensieren und zu Korrosionsangriff durch Schwefel- oder schweflige Säure führen könnte. Die mittelschnelllaufenden Motoren zeichnen sich in der Regel durch eine relative Langhubigkeit mit Hub/Bohrungs-Verhältnissen zwischen etwa 1,25 und 1,5 aus. Diese ermöglicht hohe geometrische Verdichtungsverhältnisse bei gleichzeitig noch kompakten Brennraumformen im Bereich des oberen Totpunkts. Beides ist für die Zündung und den vollständigen Ausbrand des teilweise langsam verbrennenden Schweröls vorteilhat. Tabelle 3.13 fasst typische spezifische Kennwerte mittelschnelllaufender 4-Takt Dieselmotoren zusammen. Insbesondere im maximalen Zylinderdruck und im Ladelutdruck, aber auch im Mitteldruck und spezifischen Kratstoffverbrauch repräsentiert der Mittelschnellläufer damit technologische Spitzenwerte unter den Verbrennungsmotoren. Die mittleren Kolbengeschwindigkeiten liegen leicht unter den entsprechenden Werten der schnelllaufenden Motoren. Dies ist der Forderung nach geringem Verbrauch durch geringe Reibleistung sowie der geforderten langen Lebensdauer und Wartungsintervalle der Mittelschnellläufer geschuldet, die einen minimalen Verschleiß gerade im Verbund Laubuchse/Kolben/Kolbenringe erfordert.

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Abb. 3.147 Miller-Verfahren mit frühem Schließen der Einlass-Ventile (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

Zur innermotorischen Optimierung des für Dieselmotoren typischen Trade-Offs zwischen Kratstoffverbrauch und Stickoxid-Emissionen hat sich bei den Mittelschnellläufern das Miller-Verfahren als sehr effizient erwiesen und wird heute bei nahezu allen aktuellen Motoren eingesetzt. Dieses Verfahren ist durch ein frühes Schließen der Einlassventile schon deutlich vor dem unteren Totpunkt gekennzeichnet, s. Abb. 3.147. Dadurch expandiert die Ladelut im Zylinder zwischen Einlass Schließt und dem unteren Totpunkt, verbunden mit einer Temperaturabsenkung unterhalb des Niveaus, das mit einem üblichen Ladelutkühler erreicht werden kann. Das niedrige Temperaturniveau ermöglicht eine Reduktion der Stickoxid-Emission, ohne Nachteile im Kratstoffverbrauch. Allerdings bewirkt das frühe Einlass Schließen einen geringeren Liefergrad des Motors, d. h. die im Brennraum eingeschlossene Lutmasse sinkt. Dies muss mit Hilfe eines höheren Ladedrucks kompensiert werden, damit das Verbrennungslutverhältnis bei konstanter Leistung und Kratstoffmasse nicht absinkt und zu erhöhter Abgastemperatur und erhöhten Rußemissionen führt. Moderne Turbolader für mittelschnelllaufende Motoren können bei relativ schmalen Kennfeldern Verdichterdruckverhältnisse bis zu ca. 5,5 in der Volllast darstellen. Im Teillastbereich des Motors fällt der Aufladewirkungsgrad und damit auch der absolute Ladedruck jedoch deutlich ab. Deshalb ist es bei ausgeprägtem Miller-Steuerzeiten, d. h. bei sehr frühem Schließen der Einlassventile, notwendig, das Miller-Verfahren unterhalb von ca. 30 bis 40 % Leistung mit Hilfe einer variablen Ventilsteuerung zu deaktivieren, um Lutmangel und verstärkte Rußemissionen zu vermeiden. Die Forderung nach einer weiteren Steigerung des Motorwirkungsgrads hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich mehr und mehr Hersteller mit einer zweistufigen Turboaufladung beschätigen. MAN Diesel & Turbo hat im Jahr 2011 als erster Hersteller

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Abb. 3.148 Ansicht des zweistufig aufgeladenen mittelschnelllaufenden Dieselmotors 18V 48/60 TS für stationäre Anwendungen (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

im Mittelschnellläufer-Bereich den zweistufig aufgeladenen Motor 18 V 48/60 TS eingeführt, der speziell für stationäre Kratwerksanwendungen optimiert ist, s. Abb. 3.148. Auch weitere Hersteller haben inzwischen entsprechende Produkte angekündigt. Im Gegensatz zu den aus dem On-Highway-Bereich bekannten Anwendungen, bei denen die zweistufige Aufladung häufig in einer geregelt sequentiell-parallelen Anordnung aufgebaut ist und insbesondere zu einer Drehmomentsteigerung bei gleichzeitig hoher Spitzenleistung genutzt wird, sind die beiden Turbolader in der Mittelschnellläufer-Anwendung direkt in Reihe geschaltet, s. Abb. 3.149. Dadurch kann zum einen der Ladelutdruck gegenüber der 1-stufigen Aufladung deutlich gesteigert werden, und zum anderen wird der GesamtAufladewirkungsgrad durch die Zwischenkühlung in der Verdichtung verbessert. Dieser steigt bei Ladedrücken in der Größenordnung von 7 bar auf Werte bis zu 76 %, verglichen mit knapp 70 % bei der 1-stufigen Aufladung im Mittelschnellläufer-Bereich. In Summe ermöglicht die zweistufige Aufladung beim mittelschnelllaufenden 4-Takt Dieselmotor damit eine Senkung des spezifischen Kratstoffverbrauchs um ca. 6 bis 10 g/kWh (entspricht ca. 3 bis 5 %) im hohen Lastbereich bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Leistungssteigerung über den Mitteldruck. Etwa ein Drittel dieses Wirkungsgradvorteils resultiert aus dem verbesserten Aufladewirkungsgrad bei Einsatz der Zwischenkühlung. Zwei Drittel des Effektes werden durch die Möglichkeit zu noch stärker ausgeprägten Miller-Steuerzeiten mit Hilfe des angehobenen Ladelutdrucks erreicht. Allerdings ist es zur vollen Nutzung des Po-

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Abb. 3.149 Schematische Anordnung der zweistufigen Aufladung in Reihenschaltung

tenzials der zweistufigen Aufladung notwendig, auch den zulässigen Zylinderspitzendruck weiter anzuheben. Mittelfristig ist daher mit einer weiteren Steigerung der heute bei ca. 240 bar liegenden Spitzenwerte zu rechnen.

Konstruktive Besonderheiten Verglichen mit On-Highway- und schnelllaufenden Off-Highway-Dieselmotoren weisen Mittelschnellläufer einige konstruktive Besonderheiten auf, die neben der Baugröße wesentlich durch die Forderungen nach • • • •

Robustheit und langer Lebensdauer Betriebssicherheit (insb. für Einmotoren-Anlagen) Service- und Reparaturfähigkeit im eingebauten Zustand im Maschinenraum Schwerölfähigkeit

bestimmt sind. Charakteristisch ist, dass die sog. Zylinder-Unit, bestehend aus den Baugruppen Zylinderkopf, Laufbuchse, Feuerstegring bzw. Wasserleitmantel sowie Ladelut- und Abgasleitungssegmenten, für jeden Zylinder separat aufgebaut ist und auch einzeln ausgebaut und gewartet werden kann. Dies hat mehrere Gründe. Erstens würden sich die für die sichere Funktion notwendigen engen Toleranzen bei einem zusammenhängenden Bauteil mit einer Länge von bis zu 10 m und unter Berücksichtigung der im Betrieb autretenden thermischen, mechanischen und dynamischen Belastungen kaum einhalten lassen. Zweitens ist die zylinderindividuelle Ausbaubarkeit und Wartungsmöglichkeit aufgrund von Platzund Sicherheitsaspekten von großer Bedeutung, und drittens ermöglicht dieses modulare Konzept die Umsetzung eines flexiblen Baukastens mit unterschiedlichen Zylinderzahlen aber gleichartiger Konstruktion. So werden innerhalb einer Baureihe üblicherweise 6, 7, 8, 9 und 10-Zylinder-Motoren in Reihenanordnung dargestellt sowie 12, 14, 16, 18 und 20-Zylinder-Motoren in V-Anordnung.

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Abb. 3.150 Querschnitt durch Reihen und V-Motor der MAN-Baureihe 48/60 CR (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

In Abb. 3.150 ist exemplarisch der Querschnitt durch einen Reihen- und einen V-Motor der Baureihe 48/60 CR von MAN Diesel & Turbo dargestellt. Die heiße Abgasleitung liegt bei V-Motoren innen im Motor-V, um eine möglichst einfache Verschalung zur Einhaltung der maximal zulässigen Oberflächentemperatur des Motors (in der Regel max. 220 °C) zu ermöglichen. Die Kratstoff-Hochdruckpumpe wird über die Nockenwelle auf der kalten (d. h. Ladelut-) Seite angetrieben, die gleichzeitig auch die Ventilsteuerung über Stoßstangen und Kipphebel übernimmt. Beim V-Motor sind daher zwei außen liegende Nockenwellen üblich. Konventionelle Pumpe-Leitung-Düse Einspritzungen mit mechanischer Mengenregelung über eine Absteuerkante sind im Bereich der Mittelschnellläufer aufgrund Ihrer Einfachheit und Robustheit immer noch verbreitet. Jedoch geht inzwischen auch für Schwerölmotoren der Trend zu elektronisch gesteuerten Common-Rail Einspritzsystemen, die eine betriebspunktunabhängige freie Wahl von Einspritzdruck und Einspritzzeitpunkt und damit eine Optimierung von Kratstoffverbrauch und Emissionen im gesamten Motorbetriebsbereich ermöglichen. Bei MAN Diesel & Turbo wurde mit der Baureihe 32/44 CR das erste Schweröl-fähige Common-Rail Einspritzsystem im Jahr 2006 eingeführt und seitdem auch auf die die Baureihe 48/60 CR übertragen. Andere Hersteller arbeiten ebenfalls seit einigen Jahren an der Entwicklung und Markteinführung von Common-Rail Systemen. Aufgrund der Motorgröße kommt kein durchgehender Hochdruckspeicher („Rail“) über die gesamte Motorlänge zum Einsatz, sondern es werden mehrere kürzere Rail-Segmente eingesetzt, die jeweils zwei Zylinder versorgen, s. Abb. 3.151. Die Druckerzeugung kann weiterhin über nockengetriebene Hochdruckpumpen ausgeführt werden.

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Abb. 3.151 Schwerölfähiges Common-Rail Einspritzsystem der MAN-Baureihe 32/44CR für 6 Zylinder mit 3 Hochdruck-Speichern und 3 nockengetriebenen Hochdruckpumpen (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

In Abb. 3.150 lässt sich ein weiteres typisches Merkmal der Mittelschnellläufer erkennen: nicht zuletzt um die hohen Zünddrücke und die Drehschwingungen des Kurbeltriebs über die große Motorlänge und sogar bei Ausfall eines einzelnen Zylinders zu beherrschen, sind Grund- und Hubzapfen der Kurbelwelle vergleichsweise stark dimensioniert. Das große Pleuelauge inkl. seiner Verschraubung wird dadurch so groß, dass es nicht nach oben durch die Buchsen-Aussparung im Kurbelgehäuse ausgebaut werden kann. Um dennoch einen Kolbenausbau zur Wartung oder Reparatur zu ermöglichen, muss das Pleuel daher zweigeteilt sein, s. Abb. 3.152. Damit kann es durch die Inspektionsluke im Kurbelgehäuse an seiner Trennstelle geteilt und der Kolben anschließend durch die Laufbuchse nach oben herausgezogen werden. Das Pleuellager um den Hubzapfen der Kurbelwelle muss dafür nicht geöffnet werden. Die Laufbuchse wird nur im obersten Bereich, in dem der Wärmeeintrag durch die Verbrennung besonders hoch ist, mit Kühlwasser gekühlt. Die mittleren unteren Bereiche sind „trocken“, um zu verhindern, dass es zu Taupunktkorrosion aufgrund der im Schweröl enthaltenen Schwefelanteile kommt. Um darüber hinaus sicherzustellen, dass die Honstruktur der Laufbuchsenoberfläche lange intakt bleibt und damit ausreichend Schmieröl und die darin enthaltenen basischen Anteile aufnehmen kann, kommt im Bereich des Feuerstegs ein sog. Flamm- bzw. Feuerstegring aus sehr hartem Material zum Einsatz, dessen Durchmesser etwas kleiner ist als der der Laufbuchse. Dadurch werden eventuelle Koksablagerungen am Feuersteg des Kolbens im oberen Totpunkt mechanisch abgestreit, und es kann verhindert werden, dass diese Ablagerungen die Oberflächenstruktur/das Honbild der Laufbuchse zerstören (sog. bore polishing).

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 3.152 Zweigeteilte Marinekopf-Pleuel mit unterer (links) bzw. oberer Teilung (rechts). (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE) Abb. 3.153 Gebauter zweiteiliger Stahlkolben mit Shakerkühlung (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.154 Variabler Ventiltrieb zur Phasen-Verschiebung der Einlass-Steuerzeiten (Quelle: MAN Diesel & Turbo SE)

Bei den hohen Zünddrücken von deutlich oberhalb 200 bar kommen heute ausschließlich gebaute zweiteilige Stahl-Kolben zum Einsatz, s. Abb. 3.153. Die Kühlung erfolgt dabei nicht wie bei kleineren Motoren üblich mit einem über Spitz-Öl-Düsen versorgten Kühlkanal, sondern über eine Druckölversorgung im Pleuel und sog. Shaker-Bohrungen im Kolbenoberteil. Diese Art der Kühlung ist konstruktiv aufwendiger, jedoch sehr effektiv und umgeht das Risiko, dass bei größer werdendem Hub, der Ölfanggrad des Spritzöls deutlich reduziert wird. Viele moderne mittelschnelllaufende Dieselmotoren nutzen heute das Miller-Verfahren (d. h. frühes Schließen der Einlassventile) zur Optimierung des NOx -Verbrauchs-TradeOffs, müssen dieses jedoch in der Teillast deaktivieren, um bei sinkendem Aufladewirkungsgrad eine immer noch ausreichende Zylinderfüllung mit Ladelut sicherzustellen. Dazu wird üblicherweise eine Verstellung der Einlass-Steuerzeiten umgesetzt und je nach Hersteller kommen unterschiedliche mechanische oder hydraulische Verstellmechanismen zum Einsatz. Exemplarisch ist in Abb. 3.154 das bei MAN-Motoren umgesetzte Prinzip dargestellt, bei dem eine Exzenter-Welle den Schwinghebel zwischen Einlass-Nocke und Stoßstange verschiebt, und damit eine Phasen-Verschiebung der Ventilöffnungskurve ermöglicht.

Emissionsminderung Zusätzlich zu den seit jeher bestehenden Anforderungen nach geringstem Kratstoffverbrauch und damit minimalen Betriebskosten sind in den letzten Jahren auch beim mittelschnelllaufenden Großdieselmotor die Anforderungen bzgl. einer Reduzierung der Abgasemissionen signifikant gestiegen. Beispielhat ist in Abb. 3.155 die Emissionsgesetzgebung der International Maritime Organization (IMO) für Schiffsmotoren angeführt, mit der seit dem Jahr 2000 Grenzwerte für Stickoxide (NOx ) und Schwefeloxide (SOx ) eingeführt und schrittweise verschärt wurden. Danach müssen die NOx -Emissionen ab dem Jahr 2016 um 80 % gegenüber dem Ausgangswert des Jahres 2000 gesenkt werden. Parallel dazu werden die zulässigen Schwefeloxide, die im Gegensatz zu den Stickoxiden nicht durch die Verbrennung beeinflusst werden, sondern nur vom Schwefelgehalt des Kratstoffs bzw.

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a) IMO NOx-Grenzwerte in Abhängigkeit der Motor-Nenndrehzahl 18

NOx-Grenzwert [g/kWh]

16 14 12

IMO Tier I -80%

8

-15-22%

10

6

IMO Tier II

4

IMO Tier III

2

2400

2200

2000

1800

1600

1400

1200

800

1000

600

400

200

0

0

Nenndrehzahl [1/min]

b) Zeitliche Entwicklung der IMO NOx- und Schwefel-Grenzwerte KraftstoffSchwefelgehalt [%] 4,5

4 General

3,5 3 2,5 2 1,5 in ECAs

1 0,5 0

NOx [g/kWh] Tier I Tier II in ECAs

Tier III 2008

2010

2012

2014

2016

2018

2020

2022

Abb. 3.155 Stickoxid- und Schwefelgrenzwerte für Schiffsmotoren nach der IMO

von einer eventuellen Abgas-Nachbehandlung abhängen, stark begrenzt. Für stationäre Kratwerksanwendungen an Land existieren Emissionsgrenzwerte in vergleichbarer Weise. Allerdings sind diese nicht weltweit einheitlich geregelt sondern häufig von nationalen Gesetzgebern bestimmt, so dass sich die Grenzwerte je nach Aufstellungsort im Detail unterscheiden. Sowohl bei den innermotorischen Maßnahmen zur Emissionssenkung als auch bei der Abgasnachbehandlung von mittelschnelllaufenden Dieselmotoren ist die Schwerölfähig-

3

Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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keit eine besondere Voraussetzung. Dies bedeutet unter anderem, dass in der Prozessführung niedrige Abgastemperaturen zu vermeiden sind, bei denen Taupunkt-Korrosion durch Kondensation von Schwefelsäure autreten kann (unterhalb ca. 180 °C), und dass eine besondere Robustheit gegen Verschmutzung und Verschleiß z. B. durch die Aschebestandteile des Schweröls gewährleistet ist. Unter diesen Randbedingungen hat sich das sog. Miller-Verfahren in Verbindung mit Hochdruck-Aufladung als besonders zweckmäßig zur innermotorischen Reduktion der NOx -Emissionen herausgestellt und wird heute bei nahezu allen modernen Mittelschnellläufern eingesetzt. Dabei wird die effektive Verdichtung durch das frühe Schließen der Einlassventile vor dem unteren Totpunkt reduziert, das Temperaturniveau im gesamten Brennraum sinkt und die NOx -Bildung wird effektiv eingeschränkt (s. auch Abschn. 7.2.4). Die Herausforderung beim Miller-Verfahren ist es, eine erhöhte Ruß- bzw. Partikelemission im Teillastbereich zu verhindern, in dem einerseits das Ladelutangebot aufgrund des geringeren Aufladewirkungsgrads abnimmt und andererseits bei konventionellen PumpeLeitung-Düse Einspritzsystemen auch das Einspritzdruckniveau und damit die Qualität der Kratstoffzerstäubung sinkt. Als wirkungsvolle Gegenmaßnahmen haben sich eine variable Ventilsteuerung auf der Einlass-Seite und der Übergang zur elektronisch gesteuerten Common-Rail Einspritzung etabliert. Mit der variablen Ventilsteuerung wird das MillerVerfahrens im Schwachlastbereich deaktiviert, so dass eine größere und wärmere Lutmasse für eine rußarme Verbrennung im Zylinder zur Verfügung steht. Das Common-Rail Einspritzsystem gewährleistet auch in der Teillast noch einen ausreichend hohen Einspritzdruck für eine gute Kratstoffzerstäubung und Gemischbildung. Mit dem Miller-Verfahren lassen sich gegenüber dem IMO Tier I Niveau des Jahres 2000 ca. 20–30 % Stickoxid-Reduktion erzielen, bei gleichzeitigem Einsatz einer zweistufigen Hochdruckaufladung und noch „stärkeren“ Miller-Steuerzeiten bis ca. 50 %. Für die notwendige 80-prozentige NOx -Reduktion zur Erreichung der Tier III Stufe im Jahr 2016, wird das Miller-Verfahren alleine jedoch nicht ausreichen. Zusätzlich werden weitere Maßnahmen wie Abgasrückführung (AGR) oder Abgasnachbehandlung mit selektiver katalytischer Reduktion (SCR) notwendig. Die Abgasrückführung befindet sich für mittelschnelllaufende Dieselmotoren noch in der Entwicklungsphase. Es zeichnet sich ab, dass damit eine effektive NOx -Reduktion bei gleichzeitig nur geringem Anstieg des Kratstoffverbrauchs erreichbar ist. Allerdings wird diese Technologie voraussichtlich auf den Betrieb mit sauberem Destillat-Kratstoffen beschränkt sein. Hintergrund ist, dass nur eine gekühlte AGR eine ausreichend effiziente NOx -Reduktion ermöglicht und dadurch im Schwerölbetrieb kaum zu beherrschende Probleme mit Versottung und Schwefel-Taupunktkorrosion autreten. Eine Reinigung des rückgeführten Abgases in einem Abgaswäscher („Scrubber“), wie dies bei den noch größeren langsamlaufenden 2-Takt-Motoren ausgeführt wird, ist für Mittelschnellläufer zwar technisch möglich, in dieser Leistungsklasse jedoch voraussichtlich nicht wirtschatlich sinnvoll. Des Weiteren ist für eine AGR beim Mittelschnellläufer zu berücksichtigen, dass das rückzuführende Abgas das stets positive Spüldruckgefälle z. B. mit einem AGR-Gebläse oder einem zusätzlichen AGR-Turbolader überwinden muss. Um das Risiko einer erhöh-

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ten Partikelemission auszuschließen, ist wie auch bei schnelllaufenden Dieselmotoren eine Hochdruckeinspritzung mit Mehrfach-Einspritzfähigkeit und mindestens 2000 bar Einspritzdruck erforderlich, sowie eine Anhebung des Ladedruck-Niveaus, die letztlich in einem erhöhten Zünddruckbedarf des Motors resultiert. Die Abgasnachbehandlung mit SCR-Katalysator (s. auch Abschn. 12.3) ist mit entsprechenden Anpassungen auch für mittelschnelllaufende Motoren im Schwerölbetrieb möglich. In der Regel wird eine 40-prozentige wässrige Harnstofflösung als Reduktionsmittel eingesetzt. Die Umsetzung von Harnstoff über hermolyse und Hydrolyse zu Ammoniak muss vor dem Eintritt in den eigentlichen Reaktor abgeschlossen sein. Als KatalysatorWaben kommen entweder Voll-Extrudate auf Titanoxid-Basis mit homogen verteilten aktiven Substanzen oder beschichtete Trägermaterialien (Cordierit) zum Einsatz. Katalytisch aktive Substanz ist in beiden Fällen Vanadium-Pentoxid. Die Kanalquerschnitte müssen ausreichend groß dimensioniert sein, um Verstopfung durch Ruß und Kratstoffaschen im Schwerölbetrieb zu verhindern. Bei schwefelhaltigen Kratstoffen besteht außerdem die Gefahr, dass Ammoniak bei Temperaturen unterhalb ca. 320 °C eine ungewünschte Nebenreaktion mit Schwefel zu Ammoniumbisulfat eingeht. Diese Verbindung kondensiert als klebrige Substanz an der Katalysatoroberfläche und reduziert so die aktive Kontaktfläche zwischen Katalysator und Abgas. Im Extremfall kann sie die Katalysatorwaben sogar vollständig verstopfen. Daher ist der Motor im gesamten Betriebsbereich mit entsprechend heißer Abgastemperatur vor Katalysator-Eintritt auszulegen, z. B. über ein aktives Abgastemperatur-Management mit Hilfe eines regelbaren Wastegates. Schließlich ist die Auswahl des Motor-Schmieröls so festzulegen, dass einerseits eine ausreichend hohe Alkalität zur Neutralisierung des Kratstoffschwefels sichergestellt ist, dass andererseits aber möglichst keine Additive enthalten sind, die den Katalysator chemisch vergiten und damit die Lebensdauer der Katalysator-Waben reduzieren. Im Gegensatz zu den Stickoxid- oder Partikelemissionen lassen sich die SchwefeloxidEmissionen (SOx ) nicht durch innermotorische Maßnahmen beeinflussen. Sämtliche über den Kratstoff zugeführte Schwefelbestandteile verlassen den Motor in oxidierter Form als SO2 und SO3 . Daher ist die Einhaltung zuküntiger Schwefel-Grenzwerte entweder über die Verwendung eines schwefelarmen Kratstoffs möglich, oder über einen dem Motor nachgeschalteten Abgaswäscher, einen sog. Scrubber. Weil die zuküntig geforderten Schwefelgehalte von kleiner 0,5 % bzw. kleiner 0,1 % (s. Abb. 3.155) in der Regel nicht mit Schweröl sondern nur mit deutlich teureren Destillat-Kratstoffen eingehalten werden, kann die Entschwefelung des Motorabgases über Scrubber wirtschatlich sinnvoll sein. Je nach Anwendungsfall, Einsatzgebiet und Verfügbarkeit von z. B. Wasser und zusätzlichen Reaktionsmitteln können nasse, trockene oder auch Zwischenstufen, sog. halbtrockene Entschwefelungsverfahren zum Einsatz kommen. Bei den nassen Verfahren im maritimen Bereich wird entweder salzhaltiges Meerwasser oder auch Frischwasser unter Zusatz von Natronlauge (NaOH) in den Abgasstrom eingedüst. Die Schwefeloxide im Abgas werden dadurch neutralisiert und in Form von Sulfaten im Waschwasser gebunden und abgeführt. Durch die Eindüsung von Wasser wird der Abgasstrom stark abgekühlt. Deshalb wird der Nasswäscher hinter sämtlichen anderen Kom-

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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ponenten zur Abgasreinigung bzw. Restwärmenutzung am Kaminaustritt installiert. Bei Verwendung von Meerwasser ohne NaOH-Zusatz sind wegen der geringen Alkalität (pHWert ca. 8) große Wassermengen zur Neutralisierung der Schwefeloxide notwendig, so dass die Pumpenleistung bis zu 2 % der Motorleistung betragen kann. Für das Waschwasser nach Scrubber-Austritt ist eine Aufbereitung vorzusehen, die den gesondert zu entsorgenden Schlamm separiert und das restliche Waschwasser soweit säubert, dass es ins Meer zurückgeführt werden kann. Die trockenen und halbtrockenen Entschwefelungsverfahren arbeiten überwiegend mit einem Reaktionsmittel auf Kalk-Basis (CA(OH)2 ). Hier wird der Kratstoffschwefel als Kalziumsulfat CaSO4 oder Kalziumsulfit CaSO3 gebunden. Je nach Verschmutzungsgrad durch z. B. Rußpartikel und Kratstoffaschen ist dieses entweder zu entsorgen oder kann als Grundstoff (Gips) weiter verwendet werden. Im Vergleich zu den Nass-Scrubbern zeichnen sich die trockenen und halbtrockenen Verfahren durch geringeren Energiebedarf, jedoch größeren Bauraum aus. Im Kratwerksbereich werden seit langem insbesondere trockene und halbtrockene Entschwefelungsanlagen eingesetzt. Im Marinesektor befinden sich Scrubber aktuell in der Markteinführung.

3.8.4 Zwei-Takt Langsamläufer Anwendung und genereller Aufbau Der Aufbau von langsamlaufenden Zwei-Takt Kreuzkopfmotoren unterscheidet sich deutlich von den ansonsten nahezu ausschließlich eingesetzten Tauchkolbenmotoren, wie prinzipiell in Abschn. 2.4 beschrieben. Der Ursprung dieser Unterschiede liegt in der speziellen Anwendung des Langsamläufers als Hauptantriebsmaschine von großen Schiffen. Langsamläufer werden zwar neben ihrem Einsatz als Schiffshauptantrieb auch als Stationärmotoren zur Stromerzeugung betrieben und hier otmals als Grundlastwerk. Dies ist jedoch eine Nischenanwendung, da die Motoren spezifisch teuer sind und die Generatoren wegen der für die niedrige Drehzahl notwendigen hohen Polanzahl und den geringen Stückzahlen hohe Kosten verursachen. Über 95 % aller Langsamläufer werden für den maritimen Bereich gefertigt und deshalb liegt der Entwicklungsfokus auch auf dieser Anwendung. Die Produktion von Langsamläufern unterscheidet sich deutlich von den kleineren Motoren. Langsamläufer werden fast ausschließlich in Lizenz gefertigt und dies ot in geografischer Nähe zu den Werten. Da der globale Schiffsbau inzwischen in Fernost-Asien (Korea, Japan, China) konzentriert ist, ist auch der überwiegende Teil der Motorenfertigung dort angesiedelt. Die Entwicklung und Konstruktionsarbeit der Motoren liegt aber weiterhin in europäischer Hand – mit MAN Diesel & Turbo und Wärtsilä als marktführende Unternehmen. Über die Hälte des weltweiten Seetransports wird mit Langsamläufern angetrieben und ab einer gewissen Größe sind diese heute de-facto die Standardtechnologie für Hauptantriebe von Handelsschiffen. Dies gilt für den überwiegenden Teil der Tanker und Mas-

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Abb. 3.156 Links: Columbus Express der Reederei Hapag Lloyd –ein Containerschiff mit der Kapazität von 8750 TEU (Twenty Foot Units). Rechts: Der Motor der Columbus Express– ein MAN B&W 12K98ME Motor mit einer Leistung von 69.500 kW. Aufgrund der Größe des Motors sind auf dem Bild im Wesentlichen nur die Zylinderdeckel mit den Auslassventilen und die Einspritzpumpen zu erkennen

sengutschiffe (engl. Bulk-Carriers) mit einer Tragfähigkeit oberhalb von 30.000 Tonnen sowie Containerschiffe mit einer Kapazität von über 2000 TEU (Twenty-foot Equivalent Unit – Standardcontainer). Unterhalb dieser Größen teilt sich der Langsamläufer mit den Mittelschnellläufern den Markt für Schiffshauptantriebe. Abbildung 3.156 zeigt ein Containerschiff mit der Kapazität von 8750 TEU und die oberste Gallerie des Hauptmotors. In der Anwendung als Schiffshauptantrieb ist der Langsamläufer immer direkt mit dem Propeller auf eine Achse gekuppelt, d. h. ohne zwischenliegendes Getriebe. Da der Wirkungsgrad eines Propellers grundsätzlich mit steigendem Propellerdurchmesser wächst, die Propellerflügelgeschwindigkeit aber aus Gründen der Kavitation begrenzt ist, führt eine Optimierung der Energieeffizienz des Gesamtantriebes zwingend zu geringen Motordrehzahlen. Abhängig vom Einsatz liegen übliche Nenndrehzahlen im Bereich von 60 bis 180 U/min, maximale Mitteldrücke um 20 bar und Motorleistungen im Bereich von 4000 kW bis 80.000 kW. Typische Kennwerte sind in Tab. 3.14 am Beispiel eines Ausschnittes der Motorenprogramme der Herstellers MAN Diesel & Turbo und Wärtsilä aufgelistet. Bei diesen großen Motorleistungen und vergleichsweise langsamen Drehzahlen sind typische Drehmomente extrem hoch mit Werten um 250 kNm für die kleinsten Motoren bis hin zu 8000 kNm für die größten Motoren. Um das Leistungsgewicht des Motors bei diesen großen Leistungen und extrem hohen Drehmomenten zu minimieren, folgen die zwei wichtigsten konstruktiven Hauptunterschiede zum Mittelschnellläufer (zur Verdeutlichung siehe auch Abb. 3.157 links). 1. Der Motor folgt dem Zeittaktprinzip um die Anzahl der Arbeitstakte bei gleichem Hubraum und gleicher Drehzahl im Verhältnis zum Viertakter zu verdoppeln. 2. Der Motor ist ein sogenannter Kreuzkopfmotor (siehe Abb. 3.157) in dem der Kolben fest mit der Kolbenstange verschraubt ist, die im Kreuzkopf endet. An diesem wird die

Typ

S35ME-B9 G50ME-B9 S50ME-B9 G80ME-C9 K98ME-C7 S90ME-C9 RT-flex50 RT-flex60 RT-flex96

Hersteller

MAN MAN MAN MAN MAN MAN Wärtsilä Wärtsilä Wärtsilä

5–8 5–9 6–9 6–9 6–14 5–14 5–8 5–9 6–14

Zylinderanzahl 21,0 21,0 21,0 21,0 19,2 20,0 21,0 20,0 18,6

Mitteldruck bar 350 500 500 800 980 900 500 600 960

Bohrung mm 1550 2500 2214 3720 2660 3260 2050 2250 2500

Hub mm 4,43 5,00 4,43 4,65 2,71 3,62 4,10 3,75 2,60

Hub/ Bohrung 870 1720 1780 4450 6230 5810 1745 2420 5720

max. Zylinderleistung kW/Zyl 167 100 117 68 97 84 124 114 127

Nenndrehzahl U/min

8,63 8,33 8,63 8,43 8,60 9,13 8,47 8,55 10,58

Kolbengeschwindigkeit m/s

Tab. 3.14 Typische Kennwerte von Langsamläufern am Beispiel eines Ausschnittes der Motorenprogramme der Hersteller MAN Diesel & Turbo und Wärtsilä

3 Funktionsweise von Verbrennungsmotoren 311

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Abb. 3.157 Links: Prinzipdarstellung des MAN B&W 12K98ME Motors (siehe auch Abb. 3.156) Rechts: Der gleiche Motor auf dem Prüfstand

oszillierende Bewegung des Kolbens mittels des Pleuels und der Kurbelwelle in Rotation umgesetzt. Mittlere Kolbengeschwindigkeiten liegen auch bei Großmotoren im Bereich von 8 bis 10 m/s. In Verbindung mit den geringen Drehzahlen ergeben sich daraus sehr große Hübe im Bereich von 1,5 m bis über 3 m. Bei gegebener Leistung und Drehzahl und dem Wunsch nach einer Zylinderanzahl zwischen 4 und 12, steigt die Bohrung nicht in gleichem Maße. Daraus ergeben sich Hub-Bohrungsverhältnisse von 2,5 bis zu 5, die in Tauchkolbenbauweise nicht realisierbar wären. Die Kreuzkopfbauweise hat darüber hinaus noch den Vorteil, dass die Kolben nicht mit Seitenführungskräten belastet sind. Die weiteren Unterschiede des Langsamläufers zum Mittelschnellläufer ergeben sich zwangsläufig als Folge der oben genannten Punkte. Die üblicherweise fünf bis vierzehn Zylinder, die aktuell mit Bohrungsdurchmessern zwischen 260 mm und 980 mm verfügbar sind, werden beim Langsamläufer ausschließlich in Reihe angeordnet. Der Grund hierfür ist das Handling der sehr schweren Motorkomponenten während der notwendigen Wartungsarbeiten an Bord, das bei gerader Aufstellung am einfachsten ist. In Schiffsanwendungen ist der Motor immer direkt – ohne Getriebe – mit der Propellerwelle gekuppelt. Bei feststehendem Propeller setzt dies die Möglichkeit einer Drehrichtungsumkehr voraus, um den Betrieb von „Voraus“ auf „Zurück“ umstellen zu können. Da nur ein Hauptmotor im Schiff installiert ist und Liegezeiten der Schiffe so kurz wie möglich gehalten werden, sind jährliche Betriebsstunden von etwa 6000 Stunden die Regel. Da das Schiff auf der Wert sozusagen um den Langsamläufer herum gebaut wird und ein späterer Ausbau nur mit sehr viel Aufwand möglich ist, ist die grundlegende Standfähigkeit des Motors über die gesamte Lebensdauer des Schiffes absolut entscheidend.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

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Abb. 3.158 Instationäre „pseudo-LES“ CFD Simulation des Spülvorgangs eines Langsamläufers

Der Hauptmotor von Handelsschiffen ist in der Regel der Hauptenergieverbraucher an Bord. Die Kratstoffkosten sind ot in noch höherem Maß wie schon beim Mittelschnellläufer von Bedeutung für die Wirtschatlichkeit des Motors und selbst minderwertigstes Schweröl muss mit hohem Wirkungsgrad verbrannt werden können.

Ladungswechsel Der Kreuzkopf-Zweitakt-Dieselmotor kann nicht als Saugmotor betrieben werden, da der Ladungswechsel konstruktionsbedingt nur mit positivem Spülgefälle möglich ist und diese nur mit Aufladung gewährleistet werden kann. Alle heute ausgeführten langsamlaufenden Kreuzkopf-Zweitakt-Dieselmotoren arbeiten mit Gleichstromspülung, die sich anderen Spülmethoden insbesondere bei großen Hub-Bohrungsverhältnissen als überlegen gezeigt hat. Hierbei ist der Zylinder an der Durchführung der Kolbenstange mit einer Stopfbuchse vom Kurbelraum abgetrennt. Der Raum über der Stopfbuchse (engl. Scavenge Box) umgibt den unteren Teil der Zylinderbuchse und wird mit frischer Spüllut versorgt. Zentral im Zylinderkopf ist ein Auslassventil angebracht. Die Spülung erfolgt durch Öffnen des Auslassventils, das Verbrennungslut in den Abgassammler (engl. Exhaust Receiver) lässt. Die Öffnungszeit des Auslassventils ist so gewählt, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kolben die im unteren Teil des Zylinders angebrachten Einlassschlitze freigibt, die Drücke im Zylinder und in der „Scavenge Box“ etwa im Gleichgewicht sind. Darauf folgt der eigentliche Ladungswechsel, bei dem Frischlut über die Spüllutschlitze in den Zylinder gelangt und diese gleichzeitig die restlichen verbrannten Gase des vorherigen Arbeitsspieles aus dem Zylinder treibt, sie auch Abb. 3.158. Das Auslassventil bleibt auch nach Schließen der Spüllutschlitze offen und wird erst verhältnismäßig spät geschlossen – bei modernen Motoren ot erst bei ca. 90 Grad vor OT. Die Steuerzeit für das Schließen des Auslassventils bestimmt somit die Ladungsmenge und

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damit auch den Kompressionsdruck. Aus diesem Grund benutzt man bei thermodynamischen Betrachtungen von Langsamläufern auch statt dem volumetrischen Kompressionsverhältnis, das für die Beschreibung des Prozesses eigentlich irreführend ist, das Druckverhältnis zwischen Kompressionsdruck bei OT und Ladungsdruck. Typische KompressionsDruckverhältnisse liegen zwischen 32 und 50. Bei elektronisch geregelten Motoren wird das Auslassventil hydraulisch betätigt und Steuerzeiten für Öffnen und Schließen sind damit frei wählbar. Damit kann das Kompressionsverhältnis des Motorprozesses voll variabel dargestellt werden, was insbesondere für die Reduktion von Stickoxiden sehr große Bedeutung erlangt hat.

Kraftstofeinspritzung Die Kratstoffeinspritzung kann bei einem modernen Langsamläufer nicht durch eine zentral gelegene Einspritzdüse erfolgen, da an diesem Platz das Auslassventil sitzt. Deshalb wird Kratstoff über zwei oder drei Einspritzventile eingespritzt, die im Zylinderkopf radial um das Auslassventil angebracht sind und Kratstoff über je mehrere Düsenlöcher tangential zur Zylinderachse einspritzen. Um die Verbrennung zu stabilisieren und den Luteintrag in die Flamme zu erhöhen, ist die Geometrie der Spüllutschlitze so gewählt, dass die Ladungsbewegung einen starken Drall in Einspritzrichtung aufweist. Es existieren verschiedene Typen von Einspritzsystemen. Konventionelle Einspritzsysteme weisen nockengetriebene Einzelpumpen auf, die über Hochdruckleitungen an einfache mechanische Einspritzventile gekoppelt sind. Elektronisch geregelte Einspritzsysteme gibt es in zwei Bauweisen. Das ME-System von MAN übernimmt die robusten Einspritzventile des konventionellen Einspritzsystems, ersetzt aber die mechanischen Pumpen mit elektrohydraulisch getriebenen Pumpen. Das ME-System zeichnet sich dadurch aus, dass sowohl Mehrfacheinspritzung sowie Einspritzdruckmodulierung darstellbar sind, siehe auch Abb. 3.159. In einer Weiterentwicklung des ME-Systems hat MAN die elektrohydraulische Pumpe in das Einspritzventil integriert, was zu einer Verkleinerungen der benötigten Komponenten führt und gleichzeitig eine weitaus schnellere EinspritzverlaufModulierung ermöglicht. In beiden Bauweisen erfolgt die hydraulische Steuerung nicht mit Kratstoff, sondern mit einem separaten Servoöl-Kreislauf. Das RTflex-System von Wärtsilä ist ein Common Rail System, das sich dadurch auszeichnet, dass individuelle Einspritzventile im Kopf eines Zylinders angesteuert werden können. Die hydraulische Steuerung der Einspritzventile erfolgt hier mit separatem Servoöl-Kreislauf bei den größeren Motortypen und Kratstoff bei den kleineren Typen. Auladung Die Aufladung von Langsamläufern erfolgt nach dem Staudruckprinzip. Dabei strömt das Abgas aus den Zylindern in einen großvolumigen Sammler. Die Auslasskanäle haben dabei die Form eines Strömungsdiffusors, wodurch sich ein kleiner Teil der kinetischen Energie der Abgase regenerieren lässt. Aus dem Sammler werden dann parallel die bis zu vier Abgasturbolader versorgt. Dieses Verfahren ermöglicht eine sehr gleichmäßige Beaufschlagung der Turbinen mit Abgas, wodurch hohe Wirkungsgrade erreicht werden können.

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Funktionsweise von Verbrennungsmotoren

315

Abb. 3.159 Das MAN ME-Einspritzsystem Links: Prinzipskizze des Systems. Rechts: Gemessener Pumpendruck über der Zeit von drei verschieden modulierten Einspritzverläufen

Nachteilig ist ein verzögertes Ansprechen bei schnellen Laständerungen, was hier aber ohne große Auswirkungen bleibt, da dieser Motorentyp nahezu quasi-stationär betrieben wird. Typische Ladedrücke bei Volllast betragen bis zu 4,5 bar. Die eingesetzten Ladelutkühler kühlen die Ladelut auf etwa 10 bis 20 °C über Kühlmitteltemperatur, d. h. typische Ladeluttemperaturen betragen 40 bis 50 °C – ot weit unter der Taupunktgrenze des angesaugten Wasseranteils im Frischgas. Zur möglichst optimalen Abscheidung von Wasser in der Ladelut wird im unteren Teil des Ladelutkühlergehäuses eine 180°-Strömungsumlenkung vorgesehen. Unter tropischen Bedingungen können bei diesen Motoren täglich durchaus mehrere Tonnen Wasser aus der Ladelut abgeschieden werden. Da Langsamläufer nicht als Saugmotoren betrieben werden können und der Ladungsdruck von Abgasturboladern bei kleiner Last grundsätzlich dramatisch absinkt, sind die Motoren immer mit Hilfsgebläsen ausgestattet, die einen zufriedenstellenden Ladungswechsel auch bei kleiner Last gewährleisten. Die Hilfsgebläse dienen darüber hinaus zur Notaufladung im Fall eines Turboladerausfalls. In der heutigen Zeit werden viele Schiffe zur Einsparung von Kratstoffkosten für längere Zeiträume nur im unteren Lastbereich betrieben. Deshalb werden hierfür mittlerweile Konzepte realisiert, bei denen einzelne Abgasturbolader durch Ventile von der Lut- und Abgasseite getrennt werden können, sodass dann die verbliebenen Abgasturbolader höher belastet werden und damit auch mehr Ladedruck produzieren, was wiederum einem verbesserten Ladungswechsel, einer verbesserten Verbrennung in den Zylindern und eines besseren Verbrauchs zugutekommt. Die erreichbaren Wirkungsgrade moderner großer Turbolader bei hoher Last sind in der Regel so hoch, dass der Kompressor mehr Lut komprimieren kann als der Motor für den Ladungswechsel benötigt. Zur Optimierung des Gesamtkratstoffverbrauchs wird des-

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halb in steigendem Maße eine Abgasenergierückgewinnung eingesetzt, wobei ein Teil der Abgase über eine Turbine geleitet wird, die einen Generator antreibt.

Schmiersystem Das Schmierungskonzept von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren basiert auf zwei getrennten Systemen: der Zylinderschmierung und der Kurbelgehäuseschmierung. Dies ergibt sich durch die Trennung von Zylinder und Kurbelgehäuse mittels der Stopfbuchse für die Kolbenstange. Für die Zylinderschmierung wird Schmieröl über radial angeordnete Düsen in den Zylinder eingebracht. Die Einspritzung erfolgt dabei getaktet, wobei sich die Einspritzstrategie je nach Hersteller unterscheiden kann. In vielen Fällen wird zur verbesserten Verteilung des Schmieröls auf der Zylinderwand noch eine zickzackförmig ausgeführte, umlaufende Nut vorgesehen. Die Taktung der Schmierung erfolgt bei älteren Motoren mechanisch, bei neuen Motoren ist eine vollelektronisch gesteuerte Zuführung installiert. Aufgrund des hohen Schwefelgehalts im Kratstoff wird für die Zylinderschmierung hoch additiviertes Schmieröl mit einer Basenzahl von 40 bis 100 verwendet, um eventuelle saure Verbrennungsrückstände zu neutralisieren. Das eingespritzte Schmieröl wird überwiegend mit verbrannt, überschüssiges Öl sammelt sich oberhalb der Stopfbuchse und wird von dort abgeführt. Aufgrund des hohen Schwefelgehalts im Schweröl muss bei der Kühlung der Motoren eine Unterschreitung des Schwefelsäuretaupunkts an gefährdeten Komponentenoberflächen vermieden werden. Ansonsten ist in diesen Bereichen mit stark korrosivem Verschleiß zu rechnen. Die Kurbelgehäuseschmierung hat hier keinen Kontakt zum Brennraum und betrit nur die Grund-, Pleuel- und Kreuzkopflager. Deshalb können hier niedrig additivierte Schmieröle verwendet werden. Im Normalfall ist in diesem Bereich kein Ölverbrauch zu erwarten. Abgasenergierückgewinnung Dem Hauptmotor ist in der Regel ein Wärmetauscher/Boiler zur Produktion von Dampf nachgeschaltet und damit stellen die warmen Abgase des Hauptmotoren die gesamte Energie für den Wärmehaushaltes eines Schiffes. Da aber die Wärme der Abgase in der Regel viel größer ist als der Bedarf an Bord, wird zur Optimierung des Gesamtverbrauches vermehrt der erzeugte Dampf über eine parallel geschaltete Dampturbine zur Stromproduktion herangezogen. Die Dampturbine treibt dabei ot zusammen mit einer von Abgas angetriebene Turbine einen Generator an. Die Erfahrung zeigt, dass mit einer solchen kombinierten Dampf- und Power-Turbinenlösung im oberen Lastbereich des Motors ungefähr 8 bis 10 % der Motorleistung erzeugt werden kann. Besonderheiten beim Betreiben von Langsamläufern Da in der Regel nur eine Hauptmaschine an Bord ist – der Wirkungsgrad eines großen Propellers ist höher als der Wirkungsgrad von zwei kleinen – stellt sich das Problem der Redundanz, da ein Ausfall des Schiffsvortriebs und damit auch der Steuerung ein Schiff in

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große Gefahr bringen kann – zum Beispiel bei schlechtem Wetter und Küstennähe. Deshalb ist das Betreiben der Hauptmaschine auch möglich bei z. B. einer defekten Einspritzpumpe oder defekten Auslassventilsteuerung – der jeweilige Zylinder wird einfach durch Wegnehmen der Einspritzung und permanentes Schließen des Auslassventils „ausgeschaltet“. Auch das elektronische Kontrollsystem ist mit Redundanz für Fehler ausgeführt. So sind systemkritische Komponenten, wie Netzwerke und Hauptkontroll-Steuergeräte doppelt ausgeführt. Ein weiterer Unterschied ist, dass Steuerzeiten für Auslassventil und Einspritzung grundsätzlich nicht in Kennfeldern fest hinterlegt sind, sondern die Mannschat die Möglichkeit hat, den Motorprozess auf Basis von regelmäßigen Messungen an die gegebene Kratstoffqualität (Zündverzug, Brennwert) und Umgebungsbedingungen (Frischlutund Kühlwassertemperatur) anzupassen, um die höchstmögliche Energieeffizienz zu erreichen. Sollwerte für den Motorprozess an einem gegebenen Lastpunkt können so zum Bespiel der Kompressionsdruck, Zylinderspitzendruck, Druckanstiegsrate und das sogenannte „Blow Back“ sein. Letzteres ist ein Maß dafür, wie viel verbrannte Gase bei Öffnen der Spülschlitze rückwärts in den Frischlutsammler geraten.

Arbeitsprozess des Langsamläufers Aufgrund der langsamen Drehzahl in Verbindung mit dem hohen Hub-Bohrungsverhältnis von mittlerweile bis zu 5, das einen sehr kompakten Brennraum mit nahezu optimalem Oberflächen-Volumenverhältnis ermöglicht, erreicht dieser Motortyp mit über 50 % die höchsten Wirkungsgrade aller Wärmekratmaschinen – selbst bei Verwendung eines qualitativ minderwertigen Kratstoffes. Abbildung 3.160 zeigt den Brennraum des MAN B&W S50ME-C Motors mit einem Hub-Bohrungsverhältnisses von 4,4. Grundsätzlich zeichnet sich der Arbeitsprozess des Langsamläufers durch folgende Eigenschaten aus: • Eine Abart des Atkinson Verfahren ist grundlegender Bestandteil des Motorprozesses und ist eine Voraussetzung für die hohen erreichten Wirkungsgrade. Das effektive Kompressionsverhältnis wird kleiner gewählt als das Expansionsverhältnis, oder anders ausgedrückt die Steuerzeit für das Schließen des Auslassventils liegt deutlich näher an OT als die Steuerzeit für das Öffnen des Ventils. Durch einen im Vergleich zum füllungsoptimierten Betrieb wesentlich späteren Schließzeitpunkt des Auslassventils wird eine kühlere Ladung erreicht, in dem ein Teil der Verdichtung in den Kompressor des Turboladers verschoben wird, wo über den Ladelutkühler eine Kühlung ermöglicht wird. Die Verschiebung des Auslass-Schließ-Zeitpunktes führt allerdings zu einer Verringerung des Liefergrades und damit zu einer Erhöhung des Ladedruckbedarfs. • Der Gesamtprozess ist durch die geringen Drehzahlen so langsam, dass der Zündverzug nur einen kleinen Einfluss auf die Phasenlage der Verbrennung hat. Grundsätzlich überlappt selbst bei kleiner Last der Einspritzvorgang zeitlich die des Verbrennungsvorganges. Die geringe Drehzahl ist auch Hauptgrund dafür, dass selbst Kratstoff sehr schlechter Qualität zufriedenstellend verbrannt werden kann. Gegebenenfalls wird durch Ein-

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Abb. 3.160 Brennraum des MAN G50ME-B Motors dargestellt in einer CAD Grafik mit Zylinderkopf, Zylinderlaufbuchse, Auslassventil, Auslasskrümmer, Einspritzventilen und Kolben (in der Position OT)

stellen des Einspritzzeitpunktes der korrekte Zylinderspitzendruck erreicht und damit ein längerer Zündverzug kompensiert. • Der Brennvorgang ist selbst bei hoher Last selten länger als etwa 30 Grad Kurbelwinkel. • Aufgrund der hohen Aufladung und der niedrigen Ladeluttemperaturen muss bei thermodynamischen Berechnungen zwingend ein Real-Gas Modell eingesetzt werden. Ansonsten wird der Kompressionsdruck bei OT um bis zu 10 % zu niedrig berechnet.

Emissionen des Langsamläufers Historisch gesehen sind Emissionsvorgaben für den internationalen Seeverkehr erst sehr spät durch die zuständige UN Organisation IMO eingeführt worden. So sind erst im Jahr 2000 die ersten international geltenden Emissionsgrenzwerte für Stickoxidemissionen (NOx ) eingeführt worden (IMO Tier I). Der IMO 1 Grenzwert ist über den relevanten Nenndrehzahlbereich nahezu konstant und lag bei 17 g/kWh. Dieser wurde im Jahr 2011 um 20 % auf 14,4 g/kWh weiter verschärt (IMO Tier II). Im Gegensatz zur früheren, eher langsamen Verschärfung ist ab 2016 eine drastische Absenkung der Stickoxidgrenzwerte auf 3,4 g/kWh in sogenannten Emission Control Areas (ECA) angekündigt worden (IMO Tier III). Ein Großteil der heutigen Entwicklungsarbeit bei den Konstrukteuren und Herstellern zielt auf die Einhaltung dieser Grenzwerte ab. Es gibt aktuell keine international geltenden Grenzwerte für Kohlenmonoxid (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (UHC) oder Partikelmasse. Da der Verbrennungsvorgang beim Langsamläufer zur Zeit noch bei großem Lutüberschuss (typische Werte für Lamb-

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da sind 1,8 bis 2,2) und hohen Temperaturen abläut und die langsamen Drehzahlen viel Zeit für das vollständige Ausbrennen der Gase bedeuten, sind Rohemissionswerte aller drei Schadstoffkategorien üblicherweise vergleichsweise gering. Dies mag sich jedoch mit der zuküntigen Einführung von AGR-Systemen ändern.

Entwicklung Da Langsamläufer fast ausschließlich als direkt an die Propellerachse gekuppelte Hauptmotoren eingesetzt werden, spiegeln sich geänderte Anforderungen an Schiffsneubauten in Bezug auf Geschwindigkeit, Energieeffizienz, Propellerdesign, etc. direkt in den Anforderungen an die Motoren wider. Dies hat – relativ zur Anzahl gefertigter Motoren – zu einer sehr großen Typenvielfalt geführt und zwingt die Hersteller binnen kürzester Zeit neue Typen zu entwickeln. So können zwischen Entwicklungsanfang einer neuen Modellreihe bis Fertigstellung des ersten Motors weniger als eineinhalb Jahre liegen. Dies lässt sich nur durch Einsatz von parametrischen Designkonzepten und weitgehendem Einsatz von numerischen Methoden (Prozessrechnung, FEM Strukturrechnungen) erreichen. Die Entwicklung und Optimierung von grundlegenden Brennverfahren stellt neben der weiteren Erhöhung der Robustheit der Motoren im Spannungsfeld der Wirkungsgrad- und Leistungssteigerung einerseits, und bei gleichzeitiger Absenkung des Emissionsniveaus zur Einhaltung der zunehmend strengeren Emissionsvorschriten andererseits, eine hochkomplexe Optimierungsaufgabe dar. In der Entwicklung verbietet es sich aus Kostengründen volle Prototypen zu bauen und zu testen. Langsamläufer lassen sich zwar am Prüfstand an einer Wasserbremse an stationären Betriebspunkten testen, dynamische Betriebsverläufe sind aber grundsätzlich nur in der praktischen Anwendung im Schiff und gekoppelt an die Propellerachse realisierbar. Außerdem schließen sich Langzeitversuche am Prüfstand aufgrund der resultierenden hohen Kratstoffkosten aus. Gegen diesen Hintergrund geschieht die Entwicklung großer Schiffsmotoren generell in vielen kleineren inkrementellen Schritten. Grundlegende Entwicklungsschritte werden zwar durch Tests an Versuchsmotoren, von denen es weniger als 10 gibt, unterstützt, die Mehrheit neuer Entwicklungen werden aber an Produktionsmotoren getestet und die getesteten Teile gegebenenfalls auch wieder ausgebaut. Da Versuchsarbeiten wegen der Größe der Motoren und deren großen Kratstoffverbrauches sehr teuer sind, bietet es sich an, den Einsatz von numerischen Methoden (0D/1D Motorprozessrechnung und CFD Simulation) zu verstärken. Zwar ist dies in den letzten 10 Jahren auch geschehen, weil aber die Anforderungen an die Genauigkeit von brauchbaren Simulationsresultaten recht hoch sind, ist parallel zur numerischen Arbeit viel Energie in Validierungsarbeit der numerischen Modelle geflossen. Dies wiederum fordert Validierungsdaten. Die notwendige Prüfstandsarbeit umfasst sowohl große parametrische Studien auf Grundlage von statistischer Versuchsplanung (Design Of Experiment – DOE), als auch optische und laser-optische diagnostische Methoden.

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Reduktion von Emissionen Zur Erfüllung zuküntiger Vorschriten in Bezug auf Stickoxidemissionen in Tier III Emissions-Zonen werden bei Langsamläufern aktuell zwei verschiedene Verfahren entwickelt und erprobt. Dies ist zum einen die Abgasrückführung (AGR) und zum anderen der Einsatz von SCR-Katalysatoren. Der Einsatz von Abgasrückführungskonzepten wird grundlegend dadurch erschwert, dass der hohe Schwefelgehalt des Kratstoffes potenziell zu hohen Schwefelsäurekonzentrationen im gekühlten Abgas führen kann. Um den Turboladerkompressor nicht solchen zersetzenden Gasen auszusetzen und die AGR-Kühler klein zu halten, wird AGR grundsätzlich auf der Hochdruckseite des Turboladers eingesetzt, siehe Abb. 3.161. Dies setzt ein Gebläse voraus, um das positive Spülgefälle des Motors zu überwinden. Um die korrosive Belastung der Zylinder zu mindern, wird das rückgeführte Abgas nicht nur gekühlt, sondern in einem Scrubber von Schwefeloxiden und Partikeln gereinigt. Das Wasser, das zur Gasreinigung notwendig ist, wird in einer Wasserreinigungsanlage sowohl gereinigt als auch durch Zugabe von Base auf neutralem bis basischen PH-Wert aufbereitet und dann rezirkuliert. Eigentlich wäre der Betrieb der AGR-Anlagen aus emissionsgesetzlichen Gründen nur zwingend, wenn sich das Schiff in ECA Tier III Regionen befindet. Da aber eine Reduktion von Stickoxiden durch den Betrieb der AGR-Anlage und ohne größere Verbrauchserhöhung auf weit unter die IMO Tier II Grenzwerte möglich ist, lässt sich die installierte AGRAnlage auch zur Verbrauchsminderung auf offener See nutzen. Die Motorprozessführung kann dann kompromisslos auf minimalen Kratstoffverbrauch optimiert werden und die

Abb. 3.161 Prozessdiagramm eines Hockdruck-AGR-Systems, einschließlich Scrubber, AGR-Gebläse und Wasserreinigungsanlage

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Abb. 3.162 Langsamläufer mit Mixer und SCR Reaktor of der Hochdruckseite der Turbolader-Turbine. V1–V4 bezeichnen Regelungsventile zum Aktivieren und Deaktivieren der SCR Anlage

zu hohen Stickoxidemissionen können fast verbrauchsneutral mit AGR auf die geforderten Grenzwerte reduziert werden. SCR-Anlagen werden bei Langsamläufern nur hochdruckseitig zum Turbolader eingesetzt, siehe Abb. 3.162. Die Turbinenausgangstemperatur, insbesondere bei kleiner Last, wäre zu gering, um einen Katalysator nach dem Turbolader mit schwefeloxidhaltigen Gasen zu betreiben, da in diesem Fall die ungewünschte Nebenreaktion von Ammoniak und Schwefeloxiden Ammoniumbisulfat produziert, was wiederum zu Ablagerungen und Verstopfung des Katalysator führen würde. Der eigentliche Aufbau des SCR ähnelt ansonsten dem des Mittelschnellläufers und auch die technischen Herausforderungen sind vielmals die gleichen. Reduktionsmittel sind in der Regel wie bei kleineren Motoren Harnstofflösungen, können aber auch Ammoniakwasser oder reiner Ammoniak sein. Zwei Aspekte machen jedoch die Anwendung eines SCR komplizierter. Zum einen wird mit der Platzierung des Katalysators vor der Turbine eine große Wärmekapazität auf der Hochdruckseite des Abgasstrang gesetzt, die allen Änderungen des Motorbetriebspunktes eine große Trägheit auferlegt, und die sogar zu kritischen Instabilitäten der Motorsteuerung führen kann. Zum anderen ist selbst ein geringer Ammoniakschlupf nach dem Katalysator ein Problem im nachgeschalteten Wärmetauscher zur Dampfproduktion. Ammoniak würden in Verbindung mit niedrigen Temperaturen und schwefelhaltigen Abgasen sofort zur Ablagerungen von Ammoniumbisulfat im Wärmetauscher führen.

Dual-Fuel und Gasbetrieb Da in den letzten Jahren der Erdgaspreis zeitweise unter dem Preis von Schweröl lag, stellt sich die Frage, ob Schiffshauptmotoren auch mit Erdgas – im Wesentlichen Me-

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than – betrieben werden können. Grundsätzlich gibt es, wie bei anderen Motortypen auch, zwei mögliche Brennverfahren um dies zu ermöglichen: zum einen die vorgemischte Verbrennung nach dem Otto-Prinzip, zum anderen die dieselmotorische Verbrennung. Die vorgemischte Verbrennung hat zwar den Vorteil der geringen Stickoxidemissionen, birgt aber ein Sicherheitsrisiko in Bezug auf Klopfen und mögliche Gasentflammung in den Sammlern und kann nicht mit der gleichen Leistungsdichte des äquivalenten Dieselmotors dargestellt werden. Deshalb zielt man in der Entwicklung hauptsächlich darauf Gas in einem Dieselverfahren zu verbrennen, bei dem hochkomprimiertes Methan in den Brennraum eingeblasen wird. Die Prozessführung folgt hier dem gleichen Prinzip wie beim Schwerölmotor: die Brennrate wird in hohem Masse von der Bewegungsmenge des Gasstrahls kontrolliert, der den Eintrag von Frischlut in die Flamme bestimmt. Da die Selbstzündungseigenschaten von Methan schlecht sind, sichert eine Pilot-Einspritzung die Zündung. In der Praxis wird der Gasbetrieb als ein Add-on zum konventionellen schwerölbetriebenen Langsamläufer angeboten und der Grundmotor ist unverändert in Bezug auf Leistung und Verbrauch. Das heißt auch, dass bei Gasbetrieb die gleiche Leistung geboten wird, wie im Dieselbetrieb. Da aber die Stickstoffoxidemissionen aus thermodynamischen/chemischen Gründen etwa 25 % geringer ausfallen als im Dieselölbetrieb (bei vergleichbarer Auslegung des Motors), lässt sich der gasbetriebene Motor weiter auf Effizienz optimieren und erlangt damit einen Verbrauchsvorteil von bis zu 3 %. Der Hersteller MAN bietet seit 2012 alle elektronisch geregelten ME-Motoren des ZweiTakt-Programms auch als sogenannte ME-GI Gas-Dieselmotoren an. Der Nachteil des Gas-Dieselmotors, dass Hochdruckgas bereitgestellt werden muss, dessen Kompression viel Energie kosten kann, fällt bei marinen Anwendungen nicht sehr ins Gewicht. An Bord eines Schiffes muss Gas aus Platzgründen in jedem Fall in flüssiger Form gelagert werden. Hochkomprimiertes Gas lässt sich somit durch den Einsatz von kryogenen Hochdruckpumpen und nachgeschalteten, von Motor-Abwärme gespeisten Verdampfern ohne großen Energieverbrauch bereitstellen.

Autoren dieses Kapitels Dr.-Ing. habil. Wolfram Gottschalk, Berlin (Abschn. 3.1) Dr.-Ing. habil. Rainer Golloch, MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg (Abschn. 3.2) Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer, technische Universität Graz, Graz (Abschn. 3.2) Dr.-Ing. Peter Eckert, Laatzen (Abschn. 3.3) Dr.-Ing. Sebastian Rakowski, WABCO Development GmbH, Hannover (Abschn. 3.3) Dr.-Ing. Maximilian Brauer, Berlin (Abschn. 3.4) Dr.-Ing. Christian Eiglmeier, AUDI AG, Neckarsulm (Abschn. 3.5) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Helmut Tschöke, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg (Abschn. 3.6)

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Dr.-Ing. Heiko Lettmann, Daimler AG, Stuttgart (Abschn. 3.7) Dr. techn. Karl Maderthaner, Daimler AG, Stuttgart (Abschn. 3.7) Dr.-Ing. Hinrich Mohr, AVL LIST GmbH, Graz (Abschn. 3.8.1) Dr.-Ing. Christoph Teetz, MTU Friedrichshafen GmbH, Friedrichshafen (Abschn. 3.8.2) apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch, MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg (Abschn. 3.8.3) Dr.-Ing. Stefan Mayer, MAN Diesel & Turbo SE, Kopenhagen (Abschn. 3.8.4)

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4

Einspritzsysteme Roger Busch, Jürgen Hammer, Ralph-Michael Schmidt, Hartmut Schneider, Peter Eckert und Sebastian Rakowski

4.1

Benzineinspritzung

Das vorliegende Kapitel fußt auf den Ausführungen im Robert Bosch Fachbuch „Ottomotor-Management“ (Robert Bosch GmbH 2005). Dabei wurden Auszüge entnommen, Überarbeitungen vorgenommen und aktuelle Beiträge ergänzt. Inhaltlich fokussiert der Beitrag auf die Arbeitsweisen der verschiedenen Einspritzsysteme beim Ottomotor, inkl. einer Erläuterung der wichtigsten beteiligten Komponenten, sowie die dazugehörigen Mechanismen der Gemischbildung. Abschließend werden sowohl für die Saugrohr- als auch für die Direkteinspritzung zuküntige Entwicklungstrends vorgestellt. Moderne Ottomotoren benötigen zur Einhaltung strenger Abgas- und Verbrauchsvorschriten eine bezüglich Menge und zeitlicher Abfolge hoch präzise Zumessung und Aufbereitung des Kratstoffs. Die Anforderungen an das Gemischbildungssystem leiten sich aus den hoch dynamischen Vorgängen während der Gemischbildung ab. Die elektronische Kratstoffeinspritzung mittels Magnet- und Piezoventilen hat sich gegenüber dem Vergaser mit Ausnahme des Zweirad- bzw. Utility-Segmentes als das dominierende System durchgesetzt.

Dr.-Ing. Roger Busch ⋅ Hon.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Hammer B Robert Bosch GmbH, Stuttgart, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Ralph-Michael Schmidt ⋅ Dipl.-Ing. Hartmut Schneider L´Orange GmbH, Stuttgart, Deutschland Dr.-Ing. Peter Eckert B Laatzen, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Sebastian Rakowski IAV Berlin GmbH, Berlin, Deutschland G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

331

332

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 4.1 Schematische Darstellung der Einspritzsysteme (Robert Bosch GmbH 2013)

Es existieren 2 Arten von Einspritzsystemen, das System mit äußerer Gemischbildung – Saugrohreinspritzung SRE, und das System mit innerer Gemischbildung – Benzindirekteinspritzung BDE. Bei der SRE findet die Gemischbildung überwiegend außerhalb des Brennraums im Saugkanal statt während bei der BDE die Gemischbildung ausschließlich im Zylinder stattfindet. In Abb. 4.1 sind die wesentlichen Unterschiede beider Systeme dargestellt. Die Unterschiede in den Gemischbildungsmechanismen und in der Systemgestaltung führen zu unterschiedlichen Anforderungen an die Einspritzkomponenten, die in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben werden. Neue und erweiterte Anforderungen an die Sub-Systeme und Komponenten des Kratstoffversorgungs- und Gemischbildungssystems bzgl. Medienverträglichkeit, Zumessbereich oder Gemischbildungsqualität entstehen durch den zunehmenden Einsatz von alternativen Kratstoffen (z. B. steigender Ethanolgehalt). Besonders hervorzuheben sind hier die Einspritzsysteme für CNG und LPG, die im Prinzip auf den Komponenten der Benzineinspritzung basieren, jedoch zur Erfüllung der sehr spezifischen Anforderungen dieser alternativen Kratstoffe einer stärkeren Überarbeitung und Anpassung bedürfen oder teilweise Neuentwicklungen erfordern.

4.1.1 Saugrohreinspritzung Bei Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung (SRE) entsteht das Lut-Kratstoff-Gemisch außerhalb des Brennraums im Saugrohr. Dabei werden hohe Ansprüche bezüglich Abgasverhalten, Verbrauch und Laufkultur des Verbrennungsmotors gestellt.

Aufbau Saugrohreinspritzung Neben der genauen Dosierung der eingespritzten Kratstoffmasse – abgestimmt auf die vom Motor angesaugte Lutmasse – ist auch die zeitgenaue Einspritzung (Einspritz-Timing) sowie die Ausrichtung des Sprays relativ zum Saugkanal und zum Brennraum (Spray-Targeting) von Bedeutung.

4

E inspritzsysteme

333

Abb. 4.2 Systemaufbau Saugrohreinspritzung (Robert Bosch GmbH 2011, 2013)

Stand der Technik ist die elektronisch gesteuerte, für jeden Zylinder einzeln intermittierende (d. h. zeitweilig aussetzende) Einspritzung des Kratstoffs direkt vor die Einlassventile. Die elektronische Steuerung ist im Steuergerät des Motormanagementsystems integriert. Eine Übersicht über ein System mit Saugrohreinspritzung gibt Abb. 4.2.

Arbeitsweise der Saugrohreinspritzung Bei Benzineinspritzsystemen mit Saugrohreinspritzung wird der Kratstoff in das Saugrohr bzw. in den Einlasskanal eingebracht (siehe Abb. 4.3). Hierzu fördert die Elektrokratstoffpumpe den Kratstoff zu den Einspritzventilen, an denen der Kratstoff mit dem Systemdruck ansteht. Bei Einzeleinspritzanlagen ist jedem Zylinder ein Einspritzventil zugeordnet (Abb. 4.3, Pos. 5), das den Kratstoff intermittierend in das Saugrohr (6) bzw. in den Einlasskanal (7) vor die Einlassventile (4) einspritzt. Die Gemischbildung beginnt außerhalb des Brennraums im Einlasskanal mit der Einspritzung des Kratstoffsprays (8). Nach der Einspritzung strömt im darauf folgenden Ansaugtakt das entstandene Lut-Kratstoff-Gemisch durch die geöffneten Einlassventile in den Zylinder (1) und beendet damit die Gemischbildung. Dieser Vorgang wird entscheidend vom Spray-Targeting und auch vom Einspritz-Timing beeinflusst. Die Lutmasse wird dabei über die Drosselklappe (siehe Abb. 4.2, Pos. 2) dosiert. Bei hohen Drehzahlen (= kleines Zeitfenster) und Lasten (= großer Mengenbedarf) muss in der zur Verfügung stehenden Zeit ausreichend Kratstoff eingebracht werden. Anderseits ist auch sicher-

334

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 4.3 Arbeitsweise Saugrohreinspritzung (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

zustellen, dass für den Leerlaufbetrieb eine ausreichende Kleinsteinspritzmenge für den stöchiometrischen Betrieb (λ = 1) unter Berücksichtigung von sich verschärfenden Anforderungen bzgl. Komfort darstellbar ist. Der Lutmassenmesser (Abb. 4.2, Pos. 1) misst vor der Drosselklappe den Lutmassenstrom durch das Saugrohr. Alternative Systeme messen mit einem Drucksensor (4) den Saugrohrdruck und berechnen aus der Drosselklappenstellung und der Drehzahl die angesaugte Lutmasse. Im Motorsteuergerät (12) werden aus der angesaugten Lutmasse in Abhängigkeit des Motorbetriebspunktes die erforderliche Kratstoffmasse und der Zündzeitpunkt berechnet, sowie die weiterer Komponenten (z. B. Elektrische Drosselvorrichtung DV-E, Abb. 4.2, Pos. 2) angesteuert. In Kombination mit dem Abgasnachbehandlungssystem (Abb. 4.2, Pos. 10) ist es möglich, die marktspezifischen gesetzlichen Abgasgrenzwerte einzuhalten. Der Dreiwegekatalysator kann die bei der Verbrennung entstandenen Schadstoffe bei stöchiometrischem Lut-Kratstoff-Gemisch (λ = 1) weitgehend abbauen. Daher werden Motoren mit Saugrohreinspritzung in den meisten Betriebspunkten so betrieben. Der Betriebsbereich des Motorkaltstarts stellt bei Ottomotoren die Herausforderung zur Schadstoffminderung dar (siehe Abb. 4.4). Unterhalb von 300 °C findet keine Umsetzung der Schadstoffe im Dreiwegekatalysator statt. Der Kratstoff schlägt sich im Start bei kaltem Motor an der Zylinderwand nieder, verdunstet kaum und nimmt nicht an der folgenden Verbrennung teil. Die unverbrannten, ausgestoßenen Kratstoffbestandteile führen zu einem Anstieg der HC- und CO-Rohemissionen. Um einen stabilen Motorhochlauf zu gewährleisten, ist eine erhöhte Kratstoffmenge in der Startphase erforderlich. In der Startphase, im Bereich von der ersten Verbrennung bis zum erstmaligen Überschreiten der definierten Startende-Drehzahl ist eine erhöhte Kratstoffmenge notwendig (ca. 3- bis 4-fache Volllastmenge bei ca. 20 °C). In der anschließenden Nachstartphase werden die

Einspritzsysteme

335

60 40 Fahrgeschwindigkeit

20

2

0

Kumulierte HC-Masse vor Katalysator (Rohemission)

1

2

3

4

1

4 5

Kummulierte HC-Masse [g]

Fahrzeuggeschwindigkeit [km/h]

4

Kumulierte HC-Masse nach Katalysator 0 0

20

1 Startphase 2 Nachstartphase 3 Katalysatorheizen

40

60

80

100

120 Zeit [s]

4 Warmlauf 5 Warmbetrieb

Abb. 4.4 Kaltstartemissionen (Robert Bosch GmbH 2013)

Füllung und die Einspritzmenge abhängig von der Motortemperatur sukzessive reduziert. Die Warmlaufphase schließt sich der Nachstartphase an. Aufgrund der noch niedrigen Motortemperatur ist ein erhöhter Drehmomentbedarf erforderlich (erhöhte Reibmomente) und damit ein erhöhter Kratstoffbedarf im Vergleich zum warmen Motor. Dieser Mehrbedarf ist im Gegensatz zur Nachstartphase nur von der Motortemperatur abhängig und bis zu einer bestimmten Temperaturschwelle erforderlich. In der Katheizphase wird durch Zusatzmaßnahmen wie z. B. der Zündwinkelverstellung ein schnelleres Aufheizen des Katalysators erreicht. Die Grenzen der verschiedenen Phasen sind fließend. Das Katheizen kann dem Warmlauf überlagert sein. Abhängig vom jeweiligen Motorsystem kann die Warmlaufphase auch über die Katheizphase hinausreichen. Zusätzlich zur korrekten Einspritzdauer ist die Lage der Einspritzung bezogen auf den Kurbelwellenwinkel ein weiterer Parameter zur Optimierung der Verbrauchs- und Abgaswerte. Bei der Betrachtung der Einspritzlage für jeden einzelnen Zylinder wird zwischen vorgelagerter und saugsynchroner Einspritzung differenziert. Es handelt sich um eine vorgelagerte Einspritzung, wenn das Einspritzende für den betreffenden Zylinder zeitlich noch vor dem Öffnen des Einlassventils liegt und ein Großteil des Kratstoffsprays auf den Kanalboden und die Einlassventile trit. Im Gegensatz hierzu erfolgt die saugsynchrone Einspritzung bei geöffneten Einlassventilen.

336

G.P. Merker und R. Teichmann

Elektromagnetische Einspritzventile für die Saugrohreinspritzung Neben der exakten Dosierung der Einspritzmenge ist die Strahlaufbereitung unter Berücksichtigung der Saugrohrgeometrie und Position der Einlassventile sowie die Zerstäubung des Kratstoffs eine wichtige Funktion des Einspritzventils. Elektromagnetische Einspritzventile (siehe Abb. 4.5) bestehen im Wesentlichen aus: • • • • •

dem Ventilgehäuse (3) mit elektrischem (4) und hydraulischem Anschluss (1), der Spule des Elektromagneten (9), der beweglichen Ventilnadel (10) mit Magnetanker und Ventilkugel (11), dem Ventilsitz (12) mit der Spritzlochscheibe (13) sowie der Ventilfeder (8).

Um einen störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, ist das Einspritzventil im Kratstoff führenden Bereich aus korrosionsbeständigem Stahl gefertigt. Ein Filtersieb (6) im Kratstoffzulauf schützt das Einspritzventil vor Verschmutzung. Bei stromloser Spule drücken die Feder und die aus dem Kratstoffdruck resultierende Krat die Ventilnadel mit der Ventilkugel in den kegelförmigen Ventilsitz. Hierdurch wird

Abb. 4.5 Elektromagnetisches Einspritzventil für Saugrohreinspritzung (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

4

Einspritzsysteme

1

337 2

3

4

60,6 mm 48.6 mm 33.6 mm

11 mm 24 mm

1 Kompakt mit vorgesetztem Abspritzpunkt 2 Kompakt 3 Standard 4 Lang

Abb. 4.6 Bauformen Saugrohreinspritzventile (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

das Kratstoffversorgungssystem gegen das Saugrohr abgedichtet. Wird die Spule bestromt, entsteht ein Magnetfeld, das den Magnetanker der Ventilnadel anzieht. Die Ventilkugel hebt vom Ventilsitz ab und der Kratstoff wird eingespritzt. Wird der Erregerstrom abgeschaltet, schließt die Ventilnadel wieder durch Federkrat. Die Zerstäubung des Kratstoffs geschieht mit einer Spritzlochscheibe. Mit den gestanzten Spritzlöchern wird eine geringe Eispritzmengentoleranz erzielt. Die Spritzlochscheibe ist auch unempfindlich gegenüber Kratstoffablagerungen. Das Strahlbild des austretenden Kratstoffs ergibt sich durch die Anordnung und die Anzahl der Spritzlöcher. Die gute Ventildichtheit im Bereich des Ventilsitzes ist durch das Dichtprinzip Kegel/Kugel gewährleistet. Das Einspritzventil EV14 ist das Standardeinspritzventil für aktuelle SRE-Systeme. Es zeichnet sich durch kleine Außenabmessungen und ein geringes Gewicht aus. Dieses Einspritzventil bietet damit die Voraussetzung zur Konzeption von kompakten Saugmodulen. Das EV14 weist zudem ein gutes Heißbenzinverhalten auf, d. h., die Neigung zur Dampfblasenbildung bei heißem Kratstoff ist gering. Das erleichtert den Einsatz rücklauffreier Kratstoffversorgungssysteme, da dort die Kratstotemperatur im Einspritzventil gegenüber Systemen mit Rücklauf höher ist. Dank verschleißfester Oberflächen zeigt das EV14 auch eine hohe Dauerlaufstabilität und eine hohe Lebensdauer. Aufgrund der sehr guten Dichtheit erfüllen diese Ventile alle zuküntigen Anforderungen bezüglich „zero evaporation“, da nahezu keine Kratstoffdämpfe aus dem Ventil austreten. Zur besseren Zerstäubung des Kratstoffs werden die in der Regel verwendeten Spritzlochscheiben mit vier Löchern durch Mehrlochscheiben mit bis zu 12 Spritzlöchern ersetzt. Dies führt zu einer bis zu 35 % reduzierten Tröpfchengröße und verringerten Abgasemissionen.

338

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Für verschiedene Anwendungsbereiche stehen Einspritzventile mit unterschiedlichen Baulängen, Durchflussklassen und Sprayeigenschaten zur Verfügung. Das EV14 ist auch für den Einsatz von Kratstoffen mit einem Ethanolgehalt von bis zu 100 % (E100, reines Ethanol) geeignet. Das EV14 gibt es in den drei Baulängen Kompakt, Standard und Lang (siehe Abb. 4.6). Für alle Baulängen wird die Option eines vorgesetzten Abspritzpunktes („extended tip“) angeboten. Das macht die individuelle Anpassung an die Saugrohrgeometrie des Motors möglich. Die Strahlaufbereitung der Einspritzventile, d. h. Strahlform, Strahlwinkel und Tröpfchengröße, beeinflusst die Bildung des Lut-Kratstoff-Gemischs. Weiterentwicklungen fanden hier im Bereich der Mehrloch-Spritzlochscheiben und der Strömungsführung im Ventil statt. Es werden dadurch sehr homogene Kratstoffsprays mit bis zu 50 % reduzierter Tröpfchengröße im Vergleich zu Einspritzventilen mit Vierloch-Scheiben erzeugt.

Kraftstofverteiler Die Aufgabe des Kratstoffverteilers (engl.: fuel rail, rail) ist es, den für die Einspritzung benötigten Kratstoff zu speichern und die Gleichverteilung auf alle Einspritzventile sicherzustellen. Man unterscheidet grundsätzlich durchströmte Rails (Return-System mit Rücklauf) und nicht durchströmte Rails (Returnless System ohne Rücklauf) (siehe Abb. 4.7). Die Einspritzventile sind direkt am Kratstoffverteilerrohr montiert. Neben den Einspritzventilen kann bei Systemen mit Rücklauf auch ein Kratstoffdruckregler und eventuell im Kratstoffverteilerrohr ein Druckdämpfer integriert werden. Die gezielte Auslegung der Abmessungen des Kratstoffverteilerrohrs verhindert örtliche Druckänderungen durch Resonanzen beim Öffnen und Schließen der Einspritzventile. Last- und drehzahlabhängige Unregelmäßigkeiten der Einspritzmengen werden dadurch vermieden. Abhängig von den Anforderungen der verschiedenen Fahrzeugtypen besteht das Kratstoffverteilerrohr aus Edelstahl oder Kunststoff. Zu Prüfzwecken und zum Druckabbau im Service kann ein Diagnoseventil integriert sein.

Abb. 4.7 Kratstoffverteiler (links: ohne Rücklauf, rechts: mit Rücklauf) (Robert Bosch GmbH 2013)

4

Einspritzsysteme

339

Gemischbildung bei der Saugrohreinspritzung Die Gemischbildung beginnt mit der Kratstoffeinspritzung in das Saugrohr und erstreckt sich über die Ansaugphase bis in die Kompressionsphase des jeweiligen Zylinders. Dabei muss ein zündfähiges Gemisch an der Zündkerze zum Zündzeitpunkt bereitgestellt werden. Das Ziel ist eine gute Homogenisierung des Gemischs im Zylinder, bei geringen HC-Emissionen im Kaltstart, mit gutem dynamischen Verhalten im instationären Betrieb. Beeinflusst wird dies von Motortemperatur, Primärtröpfchenspray, Einspritzlage, SprayTargeting und Lutströmung. Ziel ist es, zum Zündzeitpunkt des jeweiligen Zylinders ein homogenes Gemisch von Kratstoffdampf und Lut im Brennraum vorliegen zu haben (Abb. 4.8). Als Primärtröpfchenspray bezeichnet man das Kratstoffspray direkt nach dem Austritt aus dem Einspritzventil. Kleine Primärtröpfchen begünstigen tendenziell die Kratstoffverdunstung. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass bei kaltem Motor infolge niedriger Temperatur nur ein sehr geringer Anteil des eingebrachten Kratstoffs im Saugrohr verdunstet. Der Großteil liegt als Wandfilm vor und wird in der Ansaugphase von der Lutströmung mitgerissen. Die eigentliche Gemischaufbereitung findet im Zylinder statt. Bei warmem Motor hingegen verdunstet bereits im Saugrohr ein Großteil des eingebrachten Kratstoffsprays sowie ein Teil des vorhandenen Wandfilms. Die Einspritzlage hat vor allem bei kaltem Motor einen großen Einfluss auf die Gemischbildung und die HC-Rohemissionen (Abb. 4.9). Bei saugsynchroner Einspritzung wird ein Teil des Kratstoffs durch die Lutströmung an die gegenüberliegende Zylinderwand Richtung Auslassventile transportiert (siehe Abb. 4.9 links). Dieser Kratstofffilm (Wandfilm) verdunstet an den kalten Zylinderwänden nicht,

Abb. 4.8 Gemischbildung bei der Saugrohreinspritzung (Robert Bosch GmbH 2011, 2013)

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G.P. Merker und R. Teichmann Einlaßventil

Kraftstoff B

Einspritzventil

o

Einlaßventil

Kraftstoff B

s

c

h

Einspritzventil

Luft

Auslaß

o

s

c

h

Luft

Auslaß

Tumble

Tumble

Feuersteg

Feuersteg Kolben

Kolben

Einströmung bei saugsynchroner Einspritzung

1

2

ex

in

saugsynchrone

Einspritzung

Einströmung bei vorgelagerter Einspritzung

1

1 Auslass-Hubkurve 2 Einlass-Hubkurve 3 Lage der Einspritzung

3

Lage des Einspritzsignals saugsynchron

2

ex

in vorgelagerte Einspritzung

3

Lage des Einspritzsignals vorgelagert

Abb. 4.9 Strömung des Gemischs im Brennraum (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

nimmt somit nicht an der Verbrennung teil und gelangt deshalb unverbrannt in den Auslasskanal. Dies führt zu erhöhten Rohemissionen. Die saugsynchrone Einspritzung wird heute im Kaltstart nur noch selten angewandt. Sie kommt im warmen Motorbetrieb an der Volllast zur Leistungssteigerung zum Einsatz. Insbesondere neue Ansätze mit zwei Einspritzventilen je Zylinder bieten hier neue Freiheitsgrade. Da bei saugsynchroner Einspritzung die Kratstoffverdunstung weitgehend im Brennraum stattfindet, kann die Frischlutfüllung gesteigert werden. Der Grund hierfür ist, dass die flüssigen Kratstotröpfchen im Saugrohr ein kleineres Volumen einnehmen als Dampf. Außerdem wird durch die Kratstoffverdampfung im Brennraum die Zylinderfüllung abgekühlt mit positiver Auswirkung auf die Klopfneigung des Motors. Durch eine vorgelagerte Einspritzung (Abb. 4.9, rechts) ist im Kaltstart eine deutliche Reduzierung der Schadstoffemissionen erreichbar. Der Kratstoffeintrag wird in Richtung Brennraummitte verschoben und die unerwünschte Wandfilmbildung an der auslassseitigen Zylinderwand wird vermieden. Zusätzlich zur vorgelagerten Einspritzung können in Kombination mit optimalem Spray-Targeting (Sprayausrichtung relativ zum Saugkanal und Brennraum Abb. 4.10) die HC-Emissionen im Kaltstart weiter verringert werden. Bei Ausrichtung des Sprays in Richtung Kanalboden (Abb. 4.10 rechts) wird das angesaugte Spray verstärkt in Richtung Brennraummitte transportiert. Dadurch wird die Kratstoffbenetzung der auslassseitigen Zylinderwand weiter reduziert, was sich in niedrigeren HCEmissionen in der Startphase zeigt. Zudem verringert sich die Gefahr einer zu starken Benetzung der Zündkerze mit Kratstoff. Die Benetzung des Kanalbodens führt andererseits aber auch zu einer verstärkten Wandfilmbildung im Saugrohr. Hierbei ist der Applikationsaufwand für den Instationärbetrieb (Lastwechsel) etwas aufwendiger. Grundsätzlich ist

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.10 Spray-Targeting (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

immer ein Kompromiss zwischen den Anforderungen des Kaltstarts und des Instationärbetriebs zu suchen. Bei Motoren mit Saugrohreinspritzung ist es notwendig, bei Laständerungen die gespeicherte Wandfilmmasse im Saugrohr zu berücksichtigen. Bei einer sprunghaten Lasterhöhung wird mehr Wandfilm aufgebaut. Der Motor würde kurzzeitig ausmagern, falls bei der Berechnung der notwendigen Einspritzmenge die gespeicherte Wandfilmmenge und ihr verzögerter Eintrag in den Brennraum nicht berücksichtigt würde. Hierfür sind im Steuergerät Wandfilm-Kompensationsfunktionen integriert, die bei der Applikation auf die jeweilige Motorgeometrie und das Spray-Targeting bedatet werden müssen, um weitgehend einen λ = 1-Betrieb auch im instationären Betriebszustand zu gewährleisten. Die Lutströmung wird maßgeblich durch die Motordrehzahl, die geometrische Gestaltung des Einlasskanals sowie durch die Öffnungszeiten und die Erhebungskurve der Einlassventile beeinflusst. Teilweise sind Ladungsbewegungsklappen (Tumble, Drall) im Einsatz, um zusätzlich auf die Strömungsrichtung betriebspunktabhängig Einfluss zu nehmen. Ziel ist es, die notwendige Lut in der zur Verfügung stehenden Zeit in den Brennraum zu bekommen und eine gute Homogenisierung des Lut-Kratstoff-Gemischs im Brennraum bis zum Zündzeitpunkt zu erzielen. Eine starke Zylinderinnenströmung begünstigt eine gute Homogenisierung und ermöglicht eine Erhöhung der AGR-Verträglichkeit (Abgasrückführrate), wodurch eine Verbrauchs- und NOx -Reduzierung erzielt werden kann. Eine starke Zylinderinnenströmung verringert jedoch bei Volllast die Füllung, was eine Absenkung des maximalen Drehmoments und der maximalen Leistung zur Folge hat. Daher werden überwiegend variable Klappen eingesetzt, um eine hohe Ladungsbewegung in der Teillast und eine minimale Drosselung in der Volllast zu kombinieren. Zusätzlich unterstützt die Lutströmung auch die Kratstoffaufbereitung (sekundäre Gemischaufbereitung). Besteht zum Zeitpunkt des Öffnens der Einlassventile ein Differenzdruck zwischen Saugrohr und Brennraum, werden durch die entstehende Strömung die

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G.P. Merker und R. Teichmann

Kratstoffaufbereitung und der Transport beeinflusst. Ist der Saugrohrdruck bei Öffnen des Einlassventils wesentlich größer als der Brennraumdruck, so werden das Lut-KratstoffGemisch und der Wandfilm im Ventilspalt beschleunigt in den Brennraum gesaugt. Ist der Saugrohrdruck bei „Einlass öffnet“ kleiner als der Druck im Brennraum, dann strömt warmes Abgas aus der vorhergehenden Verbrennung zurück in das Saugrohr. Hier wird zum einen die Aufbereitung des Wandfilms und der Kratstotröpfchen durch die Strömung begünstigt, zum anderen unterstützt das warme Abgas zusätzlich die Verdunstung. Dieser Vorgang ist besonders im Kaltstart und in der Warmlauf- und Katheizphase wichtig.

Advanced PFI Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung stellen wegen ihrer günstigen Kosten-/NutzenBilanz für viele Marktsegmente weiterhin eine attraktive Technik dar und behalten somit eine hohe Markrelevanz. Strengere CO2 -Vorgaben und niedrigere Emissionsgrenzwerte in der weltweiten Gesetzgebung erfordern auch bei diesen Systemen eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Eine Lösung bieten hier Advanced PFI Konzepte (PFI = Port Fuel Injection) mit der Kombination aus kontinuierlicher Verbesserung der Komponenten und neuen Systemansätzen. Die Säulen des Advanced PFI Konzepts sind in Abb. 4.11 dargestellt. Kern der Advanced PFI Konzepte ist die Twin-Injection, die den Kratstoff für einen Zylinder statt mit einem Einspritzventil mit Zweistrahlcharakteristik über zwei Einspritzventile mit einem Einzelstrahlspray zuführt. Neben der Reduzierung der mittleren Tröpfchengröße SMD (Sauter-Mean-Diameter) liefert auch das optimierte Spray-Targeting bei Einsatz von zwei Einspritzventilen pro Zylinder einen großen Beitrag zur Senkung der Rohemissionen im Kaltstart. Zudem ergibt sich durch die bessere Gemisch-Homogenisierung die Möglichkeit, im Katheizen eine aggressivere Aufheizstrategie zu fahren. Aufgrund der Stabilisierung und Verkürzung der Entflammungsphase ist es möglich, mit späteren Zündwinkeln bei gleicher Laufruhe im Katheizen den Wärmeeintrag in den Katalysator zu erhöhen, was ein früheres Anspringen der Kat-Konvertierung unterstützt. In Kombination mit einer kurzzeitigen Kratstoffdruckerhöhung während der Kaltstartphase lassen sich die HC-Emissionen im Zyklus um bis zu 20 % gegenüber konventionellen Applikationen reduzieren. Neben dieser Ausgestaltung als Emissionskonzept kann die Twin-Injection auch als Verbrauchskonzept konzipiert werden, indem sie im klopfbegrenzten oberen Lastbereich mit der Einspritzung in das offene Einlassventil während der Ansaugphase des jeweiligen Brennraums kombiniert wird. Vorteil der saugsynchronen Einspritzung ist die durch eine Verlagerung der Verdampfung vom Saugrohr in den Zylinder erreichte Innenkühlung des Brennraums, die zu niedrigeren Temperaturen in der Kompressionsphase (geringere Klopfneigung) sowie zu einer erhöhten Zylinderfüllung führt. Dies eröffnet die Möglichkeit zur moderaten Erhöhung des Kompressionsverhältnisses des Grundmotors und trägt damit auch im nicht klopfbegrenzten Teillastbereich zu einer Absenkung des Verbrauchs um bis zu 2 % bei. Vorteile der Twin Injection sind hier die erweiterten Freiheitsgrade zur Darstellung des optimalen Sprays (Reduzierung Wandbenetzung bzw. Wandkühlung,

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.11 Advanced PFI-Ansatz (Robert Bosch GmbH 2013)

Ort der Tropfenverdampfung) und die Vermeidung von Emissionsnachteilen, die bei saugsynchroner Einspritzung mit Standard-Sprays entstehen. Zusätzlich ergibt sich durch den starken Treiber der CO2 -Reduzierung bestehender Motorbaureihen die Anforderung, Downsizing-Konzepte auch auf Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung zu übertragen bzw. diese weiter zu verbessern. Der Haupteinflussparameter für die Verbrauchsreduzierung ist hierbei die Downsizing-Rate, die wiederum durch das darstellbare Anfahrdrehmoment begrenzt wird („low end torque“). Eine Maßnahme zur Erreichung eines möglichst großen Drehmoments bei niedrigen Drehzahlen ist das Scavenging. Die fahrbare Ventilüberschneidung ist bei SRE-Motoren aufgrund der prinzipbedingten äußeren Gemischbildung (= verfügbares Einspritzfenster) begrenzt. TwinInjection und die kurzzeitige Erhöhung des Kratstoffdrucks liefern auch hier eine Möglichkeit Wandfilmeinflüsse und Einspritzfenster zu minimieren. Zusammen mit einer Verdichtungserhöhung leitet sich für Advanced PFI Systeme ein 25 %-iges Downsizing-Potenzial des Basismotors ab, welches Verbrauchseinsparungen von bis zu 10–12 % ermöglicht. Im Vergleich bieten Motoren mit Direkteinspritzung mit bis zu 40 % das größere DownsizingPotenzial.

4.1.2

Direkteinspritzung

Bei Ottomotoren mit Benzindirekteinspritzung (BDE) entsteht das Lut-Kratstoff-Gemisch innerhalb des Brennraums. In Downsizing Konzepten lassen sich mit Hilfe von

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G.P. Merker und R. Teichmann

Benzin-Direkteinspritzung, Turbo-Aufladung und variabler Nockenwellensteuerung Verbräuche um bis zu 20 % reduzieren und gleichzeitig Drehmomentkurven und Leistungen realisieren, die bisher eher vielzylindrigen Saugmotoren vorbehalten waren. Auf der Abgasseite ermöglicht die Benzin-Direkteinspritzung Einspritz- und Zündstrategien, die nach dem Motorstart zu einer schnellen und sicheren Konvertierung des Katalysators führen. Damit können bei einer Vielzahl von Motoren auch strengste Abgasvorschriten wie EU6 in Europa und SULEV in den USA unter Vermeidung kostenintensiver Zusatzmaßnahmen erfüllt werden. Im Gegensatz zur Saugrohreinspritzung wird der Kratstoff direkt in den Brennraum eingespritzt. Dadurch ergeben sich wesentliche Freiheitsgrade bzgl. Wahl von Einspritzlage, Einspritzhäufigkeit und Spraypositionierung zur Zündkerze. Dies ermöglicht die Realisierung von verschiedenen Brennverfahren. Bei oben genannten Turbo-Motoren kommen Homogen-Brennverfahren mit stöchiometrischer Verbrennung zum Einsatz. Durch eine späte Einspritzlage im unteren Drehzahlbereich kann eine lange Überschneidung beim Ladungswechsel umgesetzt werden, welche Füllung und Drehmoment steigert (Scavenging). Des Weiteren sorgt die Verdampfung des Kratstoffs im Brennraum für eine Kühlung, welche die Klopfneigung reduziert. Durch Weiterentwicklung der Brennverfahren auf Mager-Betrieb mit geschichtetem Gemisch oder homogener Kompressionszündung (HCCI – Homogeneous charge compression ignition) in bestimmten Teilen des Kennfelds können weitere Verbrauchspotenziale erschlossen werden.

Aufbau Direkteinspritzung Der Aufbau eines Systems mit Direkteinspritzung ist schematisch in Abb. 4.12 dargestellt. Die Elektrokratstoffpumpe (EKP) im Kratstotank fördert den Kratstoff mit einem Druck von 3 . . . 5 bar durch einen Filter zur Hochdruckpumpe. Der Druck im Niederdrucksystem ist dabei entweder konstant oder in modernen bedarfsgeregelten Systemen variabel im Bereich von 2 . . . 6 bar einstellbar. Es wird stets ein Druck gewählt, bei dem noch keine Dampfbildung im Niederdrucksystem stattfindet. In der Hochdruckpumpe (HDP) wird der Kratstoff abhängig vom Betriebspunkt (u. a. gefordertes Drehmoment, Drehzahl) auf einen Systemdruck von 50 bis 200 bar, zuküntig auch auf noch höhere Drücke, komprimiert. Die Regelung der Hochdruckpumpe erfolgt über ein saugseitig angebrachtes Mengensteuerventil. Die Verbindung mit dem Hochdruckrail erfolgt über eine Stahlleitung. Aufgabe des Rails ist die Speicherung und die Verteilung des Kratstoffs auf die Hochdruckeinspritzventile. Über einen Drucksensor wird der Systemdruck gemessen und von der Motorsteuerung für die Druck- und Mengenregelung der Hochdruckpumpe eingelesen. Die mit dem Rail hydraulisch verbundenen Hochdruckeinspritzventile (HDEV) werden von der Motorsteuerung angesteuert und spritzen die geforderte Kratstoffmenge winkel- und/oder zeitgesteuert in den Brennraum des Zylinders ein. Alle Komponenten der Bosch Benzin Direkteinspritzung sind aus Edelstahl gefertigt und somit robust im Einsatz mit unterschiedlichen Kratstoffen. Die Medienverträglichkeit besteht für alle gängigen Kratstoffe, E85 und M15.

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.12 Systemaufbau Direkteinspritzung (Robert Bosch GmbH 2013)

Arbeitsweise der Direkteinspritzung Die Bosch Hochdruckpumpe HDP ist eine nockengetriebene Einzylinderpumpe mit integriertem Mengensteuerventil, hochdruckseitiger Druckbegrenzung und integriertem Druckdämpfer (niederdruckseitig). Sie ist als Steckpumpe am Zylinderkopf befestigt. Der Antrieb der HDP erfolgt über einen Nockenantrieb mit 2, 3 oder 4 Nockenerhebungen. Die Anzahl der Nockenerhebungen und deren Hub bestimmt die geometrische Fördermenge der Pumpe. Zur Übertragung der Hubkurve des Nockens auf den Förderkolben der HDP werden Tassenstößel oder bei größeren Fördermengen auch Rollenstößel eingesetzt. Bei der Drehung der Nockenwelle folgt der Stößel der Kontur des Nockens, woraus sich die Hubbewegung des Förderkolbens ergibt. Im Förderhub nimmt der Stößel die anstehenden Kräte wie Druck-, Massen-, Feder- und Kontaktkrat auf. Durch die aktuell eingesetzten Systemdrücke sind die Anforderungen an Schmierung, hertz’sche Pressung und Massenträgheit höher als bei früheren Generationen. Beim Einsatz eines 4-fach Nockens sind die mechanischen Anforderungen am größten. Somit ergibt sich bei einer Maximaldrehzahl des Motors von 7000 U/min für die Hochdruckpumpe eine Wiederholfrequenz von 14.000 Hüben pro Minute. Mit dem Vierfach-Nocken ist eine zeitliche Synchronisierung von Förderung und Einspritzung beim 4-Zylinder-Motor möglich, d. h., bei jeder Einspritzung gibt es auch eine

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G.P. Merker und R. Teichmann

Förderung. Damit wird zum einen die Druckanregung des Hochdruckkreises mit Pulsationen reduziert, zum anderen kann das Speichervolumen des Rails reduziert werden. Die Fördermenge der Hochdruckpumpe wird auf den maximalen Kratstoffbedarf des Motors ausgelegt, so dass jederzeit die benötigte Kratstoffmenge für die Einspritzung zur Verfügung steht. Faktoren, die das Förderverhalten beeinflussen (z. B. Systemdruck, maximale Kratstotemperatur, Alterung der Pumpe, Druckdynamik), werden dabei berücksichtigt. Eine Kenngröße für die Hochdruckpumpe ist der Liefergrad. Er ergibt sich aus dem Verhältnis von tatsächlich gelieferter Kratstoffmenge zu theoretisch möglicher Menge (geometrische Fördermenge). Diese ist vom Kolbendurchmesser, vom Hub sowie der Anzahl der Nockenerhebungen abhängig. Der Liefergrad ist über der Drehzahl nicht konstant und hängt von folgenden Faktoren ab: • Im unteren Drehzahlbereich: Kolben- und andere Leckagen, • Im oberen Drehzahlbereich: Trägheit und Öffnungsdruck des Ein- und Auslassventils, • Im gesamten Drehzahlbereich: Totvolumen des Förderraums und Kratstoffeigenschaften (Kompressibilität und Viskosität, beides temperaturabhängig). Mit dem Mengensteuerventil kann die Fördermenge der Hochdruckpumpe im Bereich von 0–100 % eingestellt werden. Es arbeitet als hochdynamisches Schaltventil, das für jeden Förderzyklus der Hochdruckpumpe einmal vollständig geschlossen und wieder geöffnet werden muss. Der von der Elektrokratstoffpumpe gelieferte Kratstoff wird über das Einlassventil des offenen Mengensteuerventils in den Förderraum gesaugt. Im anschließenden Förderhub bleibt das MSV nach dem unteren Totpunkt durch Federkrat weiterhin offen (stromlos offenes Konzept), sodass der im jeweiligen Lastpunkt nicht benötigte Kratstoff unter Vordruck in den Niederdruckkreis zurückgefördert wird. Nach Ansteuern des MSV mit einer stromgeregelten Endstufe schließt das Einlassventil, der Kratstoff wird vom Pumpenkolben verdichtet und in den Hochdruckkreis gefördert. Die Fördermenge der Hochdruckpumpe wird demnach mit Hilfe des Zeitpunkts der elektrischen Ansteuerung relativ zum jeweiligen Förderhub eingestellt. Das Motormanagement berechnet dabei aus der benötigten Fördermenge und der zu erwartenden Verzugszeit des Mengensteuerventils den richtigen Zeitpunkt, ab dem das MSV angesteuert werden muss. Der Raildruck wird mit einer Vorsteuerung und einem Regler stets dem Sollwert nachgeführt. Mit dem variablen Druckdämpfer der HDP werden die durch die Hochdruckpumpe im Niederdruckkreis angeregten Druckpulsationen gedämpt und die Füllung vor allem bei hohen Drehzahlen verbessert. Der Druckdämpfer besteht aus einer gasgefüllten Membrandruckdose und nimmt über Verformung der Membranen das Volumen der vom Förderkolben im Förderhub zurückgeschobenen Kratstoffmenge auf und gibt sie im Saughub zur Füllung des Förderraums wieder frei. Die pulsationsdämpfenden Eigenschaten des Niederdruckdämpfers werden dabei noch vom Stufenkolben unterstützt. Der Niederdruckdämpfer kann auch mit variablem Vordruck in Verbindung mit bedarfsgeregelten Niederdrucksystemen eingesetzt werden.

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Abb. 4.13 Aufbau Hochdruckeinspritzventil (Robert Bosch GmbH 2005, 2013)

Die Aufgabe des Hochdruckeinspritzventils ist die Dosierung präziser Kratstoffmengen sowie die gezielte räumliche Einbringung des Kratstoffs zur Erzeugung eines brennfähigen Lut-Kratstoffgemischs im Brennraum. Abhängig vom Brennverfahren und dem Betriebspunkt sind unterschiedliche Anforderungen für eine optimale Verbrennung mit geringen Emissionen zu erfüllen. Im Homogenbetrieb soll der Kratstoff möglichst gleichmäßig im gesamten Brennraum zerstäubt werden. Im Falle einer Ladungsschichtung wird der Kratstoff im Bereich um die Zündkerze positioniert. Generell ist eine Benetzung der Einlassventile und der Oberflächen im Brennraum möglichst zu vermeiden. Abhängig von dem Betriebszustand und der Einspritzstrategie unterscheiden sich auch die pro Einspritzung benötigten Kratstoffmengen erheblich. Bei Magnetventilinjektoren (siehe Abb. 4.13) wird das Spray motorspezifisch angepasst. Zum Einen geschieht dies über Design-Eigenschaten des HDEV, z. B. durch eine individuelle Auslegung des Spritzlochdesigns, das entsprechend den geometrischen Verhältnissen im Brennraum zu angepassten Spraywinkeln und Sprayneigungen führt. Zum Anderen kann über die Einspritzstrategie die Eindringtiefe reduziert werden, beispielsweise durch die Erhöhung des Kratstoffdrucks, was zu kürzeren Ansteuerdauern führt oder durch die Auteilung der nötigen Kratstoffmenge auf mehrere Einspritzungen. Prinzip bedingt sind die Dynamik-Anforderungen an das Einspritzventil bei der Benzin-Direkteinspritzung höher als bei der Saugrohreinspritzung. Während bei der Saugrohreinspritzung zwei Kurbelwellenumdrehungen für die Einspritzung zur Verfügung stehen, was bei einer Drehzahl von 6000 min−1 einer Einspritzdauer von 20 ms entspricht,

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 4.14 Aufbau Piezoinjektor (Robert Bosch GmbH 2013)

muss bei der Benzin-Direkteinspritzung z. B. im Homogenbetrieb der Kratstoff während des Ansaugtakts eingespritzt werden. Es steht also nur ein Einspritzfenster von einer halben Kurbelwellenumdrehung zur Verfügung, was bei 6000 min−1 einer Einspritzdauer von 5 ms entspricht. Eine weitere Anforderung ergibt sich aus der Mengenspreizung zwischen Volllast und Leerlauf. Auch durch die Verwendung von Mehrfacheinspritzungen werden sehr kleine Einspritzmengen und damit kurze Einspritzdauern notwendig. Sowohl die großen als auch die kleinen Einspritzmengen sind mit hoher Genauigkeit sicherzustellen, was hohe Anforderungen an die Schaltdynamik des Ventils stellt. Die Anforderungen an die Bauform des Hochdruckeinspritzventils ergeben sich im Wesentlichen aus dem Brennverfahren und den räumlichen Gegebenheiten. Bei seitlicher Einbaulage sind eine kleine Bauhöhe und ein schlankes Design notwendig. HDEVs für die zentrale Einbaulage müssen hingegen verlängert werden, um die hydraulischen (Kratstoffversorgung) und elektrischen (Ansteuerung) Kontakte zu ermöglichen. Primäres Einsatzgebiet von direktschaltenden Piezoinjektoren sind strahlgeführte Mager-Brennverfahren. Das Piezoeinspritzventil HDEV4.1 enthält die zentralen Funktionselemente Ventilgruppe, Aktormodul, Kompensationsmodul (Koppler) sowie Gehäuseund Anschlussteile (siehe Abb. 4.14). Die Ventilgruppe ist für die Darstellung des spezifizierten Sprays und für die Zumessung der Menge zuständig. Wesentliches Bauelement ist die nach außen öffnende Ventilnadel, die über eine Schraubenfeder gegen einen Gehäusekörper vorgespannt ist. Der nominale

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Nadelhub des geöffneten Ventils beträgt etwa 35 μm und kann nach 180 μs Öffnungsdauer eingestellt werden. Weitere Bauteile sind der Feinfilter im Zulauf zum Schutz der Düse vor Partikeln und der Wellbalg zur Abtrennung des Kratstoffes vom trockenen Aktorraum. Das Aktormodul treibt die Ventilnadel an. Es besteht aus dem piezokeramischen Aktor, einer Isolierung, der elektrischen Kontaktierung und einem Gehäuse, mit dem der Aktor auf Druck vorgespannt wird. Im Aktor sind aktive Schichten mit außen anliegenden Elektroden in Siebform kontaktiert. Durch die direkte mechanische Ankopplung an die Ventilnadel sind kurze Schaltzeiten, bis hin zu Teilhubeinspritzungen, und damit eine exakte Zumessung mit geringen Hubverlusten möglich. Der Koppler bewirkt durch sein Funktionsprinzip unter allen autretenden thermischen Bedingungen einen Längenausgleich zwischen den metallischen und keramischen Bauteilen. Stahlmembranen sorgen für eine Vorspannung der gesamten Schaltkette Nadel/Aktormodul. Ein unter Druck eingeschlossenes Hydrauliköl, welches sich langsam zwischen zwei Hohlräumen bewegen kann, stellt abhängig von der anliegenden statischen Krat einen Axialausgleich her. Das Spray einer außenöffnenden Düse unterscheidet sich grundsätzlich von dem der im Markt verbreiteten Mehrlochdüse der Magnetinjektoren. Der während des Öffnens der Ventilnadel freie Strömungsquerschnitt sorgt dafür, dass Kratstoff mit sehr hoher Geschwindigkeit kegelförmig austritt und sich ein lagestabiler Hohlkegel mit einem räumlich zugeordneten Randwirbel bildet. Der Strahlwinkel beträgt typ. 85° und streut über die gesamte Fertigung nur sehr gering. Die Sprayform ist symmetrisch und weitgehend unabhängig vom Gegendruck. Sie ermöglicht auch bei Einspritzung während der Kompression kurz vor Zündung und teilweise in Form mehrerer dicht aufeinanderfolgender Teilmengen eine stabile Entflammung des Gemischs. Die Ansteuerung basiert auf einer ladungsgeregelten Endstufentopologie. Durch einen geschlossenen Regelkreis erfolgt eine Nachführung der Sollladung, um unter allen Betriebsbedingungen eine bestmögliche Zumessqualität darzustellen. Hierdurch kann einspritzindividuell das Nadelhubniveau und der Ansteuergradient der Nadelöffnungs-/ Schließflanke entsprechend den Erfordernissen strahlgeführter Brennverfahren vorgegeben werden. Nadelhub und Ansteuerdauer sind die primären Stellgrößen für die Zumessung der Kratstoffmenge. Wegen des großen statischen Durchflusses der A-Düse und der kurzen Schaltzeiten des Aktormoduls spielt der Kratstoffdruck in der Applikation eine untergeordnete Rolle bei der Zumessung. Konstruktionsbedingt sind Änderungen der Einspritzmenge nicht ausschließlich über die Ansteuerzeit, sondern wahlweise auch über das Hubniveau darstellbar. Damit kann eine Einspritzmengenspreizung von 0,5– 150 mg/Einspritzung dargestellt werden. Um die Zumesskonstanz der Piezoinjektoren über Laufzeit sicherzustellen, sind eine Vielzahl von speziell für diesen Anwendungsfall entwickelten Algorithmen erforderlich. Im homogenen Motorbetrieb kommt ein laufruhebasierter Algorithmus zum Einsatz. Während einer mageren Verbrennung werden Momentenunterschiede der einzelnen Zylinder ausgeregelt. Die Stöchiometrie im Abgassystem wird während des Adaptionsvorganges durch eine sehr späte und für die Verbrennung nicht mehr wirksame Nacheinspritzung

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sichergestellt. Das Verfahren nutzt die hohe Zumessdynamik und Mehrfacheinspritzfähigkeit des HDEV4.1 kombiniert mit den systembedingt sehr kurzen Pausenzeiten, um auch bei kleinsten Einspritzmengen eine robuste Nachführung zu ermöglichen. Unter Einbeziehung des Lambdareglers können somit auch globale Kratstoffpfadtoleranzen bis in den Kleinstmengenbereich gelernt werden. Mit den eingesetzten Algorithmen ist über die zylinderindividuelle Nadelhubkorrektur eine zuverlässige Adaption der gesamten Injektorkennlinie darstellbar. Durch die Freiheitsgrade einer hubgedrosselten Düse werden störende Einflüsse auf das Einspritztiming minimiert und damit ein Grundstein für heutige und zuküntige Applikationsstrategien geschaffen.

Brennverfahren und Gemischbildung bei der Direkteinspritzung Als Brennverfahren bezeichnet man bei der Benzin-Direkteinspritzung die Art und Weise, wie die Gemischbildung und die Energiefreisetzung im Brennraum zustande kommen. Die Mechanismen werden bestimmt durch die Geometrien des Brennraums und des Saugrohrs sowie des Einspritz- und Zündzeitpunkts. Abhängig vom gewählten Verfahren ergeben sich im Brennraum unterschiedliche Strömungszustände. Vor allem bei den Brennverfahren, die mit einer Ladungsschichtung arbeiten (geschichtete Konzepte), ist das Zusammenspiel zwischen eingespritztem Kratstoff und Strömungszustand von großer Bedeutung. Um die gewünschte Ladungsschichtung zu erreichen, düst das Einspritzventil den Kratstoff so in die Lutströmung ein, dass dieser in einem räumlich begrenzten Bereich verdunstet. Abhängig vom Verfahren transportiert die Lutströmung die Gemischwolke bis zum Zündzeitpunkt an die Zündkerze. Ein Brennverfahren besteht ot aus mehreren verschiedenen Betriebsarten, auf die betriebspunktabhängig umgeschaltet wird. Prinzipiell teilen sich die Brennverfahren in zwei Klassen auf: Schicht- und Homogenbrennverfahren. Beim Homogenbrennverfahren wird in der Regel im gesamten Motorkennfeld ein global stöchiometrisches Gemisch im Brennraum gebildet. Das bedeutet, dass immer eine Lutzahl von λ = 1 vorliegt. Damit wird die aufwendige Abgasnachbehandlung von NOx Emissionen, welche bei Magergemischen notwendig ist, vermieden. Homogenkonzepte sind daher als Emissionsminderungskonzepte ausgelegt. Bei einer Hubraumverkleinerung (Downsizing) wird dieses Brennverfahren ebenfalls ot angewandt, um so kombiniert ein Verbrauchskonzept darzustellen. Der Injektor kann seitlich oder zentral eingebaut sein (siehe Abb. 4.15). Beim Schichtbrennverfahren wird in einem bestimmten Kennfeldbereich (kleine Last, kleine Drehzahl) der Kratstoff erst im Verdichtungstakt in den Brennraum eingespritzt und ggf. als Schichtwolke zur Zündkerze transportiert. Die Wolke ist dabei idealerweise von reiner Frischlut umgeben. Somit ist nur in der lokalen Wolke ein zündfähiges Gemisch vorhanden. Global im Brennraum liegt eine Lutzahl größer 1 vor. Dadurch kann in größeren Bereichen ungedrosselt gefahren werden, was aufgrund der reduzierten Ladungswechselverluste zu einer Erhöhung des Wirkungsgrads führt. Es werden zwei Schichtkonzepte unterschieden: das wand-/lutgeführte Verfahren und das strahlgeführte Verfahren. Beim strahlgeführten Brennverfahren ist der Injektor zentral oben im Brennraumdach angeordnet. Die Zündkerze ist injektornah daneben eingebaut. Der Vorteil dieser Anord-

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Abb. 4.15 Homogene Verbrennung mit seitlicher (links) und zentraler (rechts) Einbaulage (Robert Bosch GmbH 2013) Abb. 4.16 Strahlgeführtes Schichtbrennverfahren (Robert Bosch GmbH 2013)

nung ist die Möglichkeit der direkten Strahlführung des Kratstoffstrahls zur Zündkerze ohne Umwege über Kolben oder Lutströmungen (siehe Abb. 4.16). Nachteilig ist allerdings die kurze Zeit, die zur Gemischaufbereitung zur Verfügung steht. Strahlgeführte Schichtbrennverfahren benötigen daher einen auf ca. 200 bar erhöhten Kratstoffdruck. Das strahlgeführte Brennverfahren erfordert eine exakte Positionierung von Zündkerze und Einspritzventil und eine präzise Strahlausrichtung, um das Gemisch zum richtigen Zeitpunkt entzünden zu können. Die Wärmewechselbelastung der Zündkerze ist dabei sehr hoch, da die heiße Zündkerze unter Umständen vom relativ kalten Einspritzstrahl direkt benetzt wird. Bei guter Auslegung des Systems weist das strahlgeführte Brennverfahren einen höheren Wirkungsgrad auf als die anderen geschichteten Brennverfahren, sodass hier gegenüber dem Schichtbetrieb mit wand-/lutgeführten Brennverfahren eine noch höhere Verbrauchsersparnis erreicht werden kann. Außerhalb des Schichtbetriebsbereichs wird auch beim Schichtbrennverfahren der Motor im Homogenmodus betrieben. Aufgabe der Gemischbildung ist die Bereitstellung eines möglichst homogenen, brennfähigen Lut-Kratstoff-Gemischs. Im Homogenbetrieb soll das Gemisch im gesamten Brennraum homogen sein. Im Schichtbetrieb hingegen ist das Gemisch nur innerhalb eines räumlich begrenzten Bereichs teilweise homogen, während sich im restlichen Brennraum

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Frischlut oder Inertgas befindet. Homogen kann eine Gas- bzw. Gas-KratstoffdampfMischung nur sein, wenn der gesamte Kratstoff verdunstet ist. Einfluss auf die Verdunstung haben viele Faktoren, vor allem die Temperatur im Brennraum, die Tröpfchengröße des Kratstoffs und die Zeit, die zur Verdunstung zur Verfügung steht. Die Temperatur beeinflusst maßgeblich die Verdunstung des Kratstoffs. Bei tieferen Temperaturen verdunstet er nicht vollständig. Deshalb muss unter diesen Bedingungen mehr Kratstoff eingespritzt werden, um ein brennfähiges Gemisch zu erhalten. Die Tröpfchengröße des eingespritzten Kratstoffs ist abhängig vom Einspritzdruck und dem Druck im Brennraum. Mit steigendem Einspritzdruck können kleinere Tropfengrößen erzielt werden, die schneller verdunsten. Bei gleichem Brennraumdruck und steigendem Einspritzdruck erhöht sich die Eindringtiefe, d. h., die Weglänge, die der einzelne Tropfen zurücklegt, bis er vollständig verdunstet ist. Ist dieser zurückgelegte Weg länger als der Abstand vom Einspritzventil zur Brennraumwand, wird die Zylinderwand oder der Kolben benetzt (Wandbenetzung). Verdunstet dieser Wandfilm nicht rechtzeitig bis zur Zündung, nimmt er nicht oder nur unvollständig an der Verbrennung teil. Die Geometrie des Motors (Saugrohr und Brennraum) ist auch verantwortlich für die Lutströmung und die Turbulenz im Brennraum. Beide Faktoren haben einen sehr großen Einfluss auf die Gemischbildung, weil sie sowohl die Gemischaufbereitung als auch den Transport des zündfähigen Gemischs bei Ladungsschichtung zur Zündkerze bestimmen. Um eine möglichst lange Zeit für die Gemischbildung zu erhalten, sollte der Kratstoff möglichst frühzeitig eingespritzt werden. Deshalb wird im Homogenbetrieb bereits im Ansaugtakt eingespritzt und mithilfe der einströmenden Lut eine schnelle Verdunstung des Kratstoffs und eine gute Homogenisierung des Gemischs erreicht. Die Aufbereitung wird vor allem durch hohe Strömungsgeschwindigkeiten und deren aerodynamischen Kräten im Bereich des öffnenden und schließenden Einlassventils unterstützt. Wandinteraktion ist nicht erwünscht und die damit verbundene Wandfilmverdunstung spielt hier eine untergeordnete Rolle. Für den Schichtbetrieb ist die Ausbildung der brennfähigen Gemischwolke, die sich zum Zündzeitpunkt im Bereich der Zündkerze befindet, entscheidend. Dazu wird der Kratstoff während der Verdichtungsphase so eingespritzt, dass eine Gemischwolke entsteht, die durch die Lutströmungen im Brennraum und vom sich aufwärts bewegenden Kolben in den Bereich der Zündkerze geführt wird. Der Einspritzzeitpunkt ist von der Drehzahl und vom geforderten Drehmoment abhängig. Die Gemischaufbereitung profitiert bei der Schichteinspritzung von der höheren Temperatur und dem bereits angestiegenen Druck im Brennraum während der Kompressionsphase.

Mechatronische Systemkonzepte bei der Direkteinspritzung Mit Verbreitung der Benzin-Direkteinspritzung und der Weiterentwicklung der Brennverfahren steigen auch die technischen Anforderungen an deren Komponenten. Lösungen in der Komponente selbst lassen sich tlw. nur mit erheblichem Aufwand darstellen. Daher bieten sich in Verbindung mit immer leistungsfähigeren Steuergeräten zunehmend mecha-

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.17 Vergleich vorgesteuerter (links) und geregelter (rechts) Kleinstmengen-Betrieb von Einspritzventilen (Robert Bosch GmbH 2013)

tronische Lösungsansätze an. Das sind Ansätze bei denen die Komponenten-Performance durch spezielle Hard- und Sotware des Steuergerätes optimiert wird. Ein schnelles und präzises Einregeln auf den gewünschten Kratstoffdruck erfordert in der Hochdruckpumpe ein hochdynamisch schaltendes Mengensteuerventil, vor allem bei hoher Motordrehzahl. Je nach Anbauort der Hochdruckpumpe am Motor kann sich dessen Schaltgeräusch, vor allem im Leerlauf, vom restlichen Motorgeräusch wahrnehmbar abheben. Ein mechatronischer Lösungsansatz besteht darin, die Schaltdynamik im Leerlauf über den Ansteuerstrom soweit zu reduzieren, dass der Magnetkrataufbau etwas langsamer erfolgt und damit der Anschlagimpuls der Ventilnadel deutlich gesenkt wird. Das Stromprofil für den geräuschoptimierten Betrieb wird dabei durch einen Adaptionsvorgang ermittelt, welcher auch in der Lage ist, die Exemplartoleranzen des MSV und des restlichen Systems auszugleichen. Der vom Steuergerät erfasste Istdruck im Rail dient als Rückführung der Adaption. Während des Adaptionsvorgangs wird das Stromprofil sukzessive abgesenkt, bis der Raildruck nicht mehr gehalten werden kann und etwas vom gewünschten Solldruck abweicht. Daraufhin kann das Mengensteuerventil mit einem durch einen Sicherheitsaufschlag erhöhten Stromprofil robust und gleichzeitig geräuschoptimiert betrieben werden. Bestimmte Katheizstrategien erfordern die präzise Zumessung von Kleinstmengen zu einem späten Zündzeitpunkt. Diese Mengen liegen typischerweise im ballistischen Kennlinienbereich des Injektors, d. h. in einem Bereich, in dem der Injektor nur so kurz öffnet, dass die Nadel noch nicht den oberen Anschlag erreicht. Dieser Kennlinienbereich ist sehr sensitiv hinsichtlich Alterungseffekten. Über einen rein vorgesteuerten Betrieb kann das angestrebte Abgaspotenzial nicht robust erschlossen werden. Deshalb wurde ein mechatronischer Ansatz entwickelt, mit dem aus den elektrischen Ansteuergrößen der Öffnungsund Schließzeitpunkt des Injektors bestimmt werden kann. Aus diesen wird die aktuelle Ist-Offendauer gebildet, die einem Regler zugeführt wird, der sie mit einer Soll-Offendauer vergleicht. In diesem geregelten Betrieb wird somit jedes Ventil individuell vermessen und angesteuert (vgl. Abb. 4.17). Dadurch lassen sich besonders bei Kleinstmengen Zumess-

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genauigkeiten erzielen und mit einer nachgelagerten Adaption über Lebensdauer halten, die über reine Injektormaßnahmen technisch und kostenseitig praktisch nicht umsetzbar wären.

4.2 Dieseleinspritzung Das vorliegende Kapitel fußt auf den Ausführungen im Handbuch Dieselmotoren der Hrsg. Mollenhauer und Tschöke (2007). Dabei wurden Auszüge entnommen, Überarbeitungen vorgenommen und aktuelle Beiträge ergänzt. Inhaltlich fokussiert der Beitrag auf die Einspritzhydraulik, wobei sich der Autor auf die Erläuterung der Grundfunktionen, Bauarten und Einsatzgebiete sowie der Funktionsweisen von modernen Dieseleinspritzsystemen beschränkt. Besondere Vertiefung erfährt das sogenannte Common Rail System, welches sich in den vergangenen 15 Jahren wegen seine Flexibilität bei der Kratstoffzumessung am Markt weitgehend durchgesetzt hat.

4.2.1

Grundfunktionen

Die Grundfunktionen von Dieseleinspritzsystemen lassen sich in vier Teilfunktionen untergliedern: • Kratstoff fördern (Niederdruckseite) vom Tank über das Kratstofffilter zur Hochdruckerzeugung. Diese Aufgabe übernimmt das Teilsystem „Niederdruckkreislauf “, welches im Allgemeinen mit den Komponenten Vorfilter, Hauptfilter (ggf. beheizt), Förderpumpe und Regelventilen ausgestattet ist. Der Niederdruckkreis verbindet durch Leitungen den Fahrzeugtank über die genannten Niederdruckkomponenten den Zuund Rücklauf des Hochdrucksystems. Dabei sind funktionsbestimmende Druck-, Temperatur- und Durchflussspezifikationen der angeschlossenen Hoch- und Niederdruckkomponenten einzuhalten. • Hochdruck erzeugen und Kratstoff fördern (Hochdruckseite) mit hohem Wirkungsgrad bei der Verdichtung zur Zumessstelle oder in einen Speicher. Dabei ist der motorbetriebspunktabhängige, optimale Einspritzdruck sowohl stationär als auch dynamisch bereit zu stellen. Die geforderte Einspritzmenge sowie systemabhängige Steuerund Leckagemengen sind zu fördern. Diese Aufgabe übernimmt die Hochdruckpumpe und systembedingt ein Speicher. Zur Steuerung der Massenströme und Drücke sind im Hochdruckkreis Ventile verbaut, die in modernen Einspritzsystemen elektrisch angesteuert werden. • Kratstoff zumessen in Form einer präzisen Dosierung der Kratstoffmasse in den Brennraum als Funktion der Drehzahl und Motorlast, sowie der Unterstützung von Abgasnachbehandlungssystemen. Bei modernen Einspritzsystemen erfolgt die Krat-

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Einspritzsysteme

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stoffzumessung mit Hilfe von elektrisch angesteuerten Magnet- oder Piezoventilen, die an den Hochdruckpumpen oder direkt an den Einspritzinjektoren angebracht sind. • Kratstoff aufbereiten durch optimale Nutzung der Druckenergie zur primären Gemischbildung im Sinne eines Fluidsprays, das zeitlich und örtlich optimal im Brennraum verteilt wird. Der Kratstoff wird in der Einspritzdüse aufbereitet, dabei ist das Zusammenspiel der Zumessventile zur Düsennadelsteuerung und die Strömungsführung vom Düsenzulauf bis zum Austritt an den Düsenlöchern von zentraler Bedeutung.

4.2.2

Bauarten

Übersicht Die zuvor beschriebenen Grundfunktionen sind je nach Bauart der Einspritzsysteme unterschiedlich umgesetzt. In den folgenden Abschnitten werden die Bauarten beschrieben und deren Funktion erklärt. Abbildung 4.18 zeigt eine Übersicht der heute am Markt befindlichen Einspritzsysteme und typische Einsatzgebiete. In der Gesamtheit der Bauformen wird zunächst nach Systemen der konventionellen Bauart und jenen mit Hochdruckspeicher unterschieden. Die Einspritzsysteme ohne Spei-

Abb. 4.18 Einsatz Diesel Einspritzsysteme

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Abb. 4.19 Einspritzsysteme Diesel

cher verfügen stets über Hochdruckpumpenkolben, die unmittelbar von einem Nocken angetrieben werden und so eine Druckwelle im Hochdrucksystem erzeugen, die direkt dazu genutzt wird, um die Einspritzdüse zu öffnen und den Kratstoff zylinderselektiv entsprechend der Zündfolge einzuspritzen. Die nächste Gliederungsebene unterscheidet nach Systemen mit „zentraler Einspritzpumpe“, die alle Motorzylinder bedient und die Aufgaben Kratstoff fördern und zumessen bewerkstelligt. Typische Vertreter sind hier die Reihenpumpen, sowie die Verteilerpumpen mit axialen und radialen Pumpenelementen. Die andere Bauweise ist durch „aufgelöste Einspritzpumpen je Motorzylinder“ gekennzeichnet, bei denen für jeden Zylinder des Verbrennungsmotors eine diskrete Druckerzeugereinheit angeordnet ist, die von der Motornockenwelle angetrieben wird. Die Zumessung des Kratstoffs erfolgt über schnell schaltende Magnetventile, die in die Pumpeneinheit integriert sind. Ein bekanntes Beispiel für diese Einspritzsystembauart ist die des „Unit Injector“. Die Speichersysteme hingegen verfügen über eine zentrale Hochdruckpumpe, die ihrerseits den Kratstoff verdichtet und unter Hochdruck in einen Speicher fördert. Der Druck in diesem Speicher kann über niederdruck- und hochdruckseitige Ventile geregelt werden. Aus dem Speicher erfolgt die Kratstoffzumessung über so genannte Einspritzinjektoren, die wiederum von Magnet- oder Piezoventilen gesteuert werden. Die Namensgebung der Common Rail Systeme rühren vom „gemeinsamen Speicher/Verteiler“ her. Man unterscheidet je nach Aktortyp an den Injektoren zwischen „Magnetventil-Common Rail“ Systemen und „Piezo-Common Rail“ Systemen sowie nach Sonderbauarten (Abb. 4.19).

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Einspritzsysteme

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Hub-/Druck-Steuerung der Düsennadel Die Kratstoffaufbereitung erfolgt bei allen Einspritzsystemen unabhängig von der Bauart an der Einspritzdüse, die entweder über eine Hochdruckleitung mit der Pumpeneinheit verbunden oder direkt in das Gehäuse der Pumpeneinheit bzw. in den Injektor integriert ist. Ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen konventionellen und Common Rail Einspritzsystemen ist die Art der Düsennadelsteuerung. Während bei nockengetriebenen Einspritzsystemen die Düsennadel „druckgesteuert“ ist, findet das Öffnen und Schließen bei Common Rail Injektoren „hubgesteuert“ statt. Abbildung 4.20 stellt die beiden Steuerungsarten der Düsennadel gegenüber und fasst die Hauptmerkmale zusammen. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass die Common Rail Systeme zuküntig bei nahezu allen Motoren eingesetzt werden und bei Pkw bereits die Hauptanwendungen sind. Grund dafür ist die Flexibilität dieser Einspritsysteme gegenüber derer konventioneller Bauart. Die Fähigkeit, den Druck und die Anzahl der Einspritzungen pro Arbeitszyklus frei als Funktion von Drehzahl und Last des Motors sowie weiterer Parameter wählen zu können, ist zur Erreichung der motorischen Zielgrößen unabdingbar. Weiterhin bietet der Speicher die Möglichkeit, bezogen auf den Motorkurbelwinkel, sehr späte Einspritzungen zur Steuerung der Abgasnachbehandlung abzusetzen, was zur Erreichung küntiger Emissionsstandards zwingend erforderlich ist. Obwohl die druckgesteuerte Düsennadel auch Vorteile bzgl. der Gemischaufbereitung und somit auf die dieselmotorischen Zielgrößen Vorteile aufweisen kann, verzichtet man zu Gunsten der flexiblen Mehrfacheinspritzung auf diese und setzt auf die Hubsteuerung der Düsennadel in Common Rail Injektoren. In der Gesamtsystembetrachtung überwiegen die Vorteile der hubgesteuerten Kratstoffzumessung hinsichtlich Präzision, Kleinstmengenfähigkeit und minimaler Spritzabstände gegenüber den konventionellen Systemen mit druckgesteuerter Nadel. Detaillierte Beschreibungen der Bauarten sind in Mollenhauer und Tschöke (2007) zu finden. Im Folgenden beschränken sich die Ausführungen auf Common Rail Systeme für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.

Abb. 4.20 Hubgesteuerte und druckgesteuerte Düse

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4.2.3 Common Rail System Hauptmerkmale: • Speichereinspritzsystem • Entkopplung von Hochdruckerzeugung und Einspritzung • zentrale Hochdruckpumpe erzeugt Druck im Speicher der im gesamten Kennfeld unabhängig von Drehzahl und Last des Motors eingestellt werden kann • mehrfache Kratstoffentnahme aus dem Rail pro Arbeitsspiel des Motors erlaubt hohe Flexibilität bei Lage, Anzahl und Größe der Einspritzungen • pro Motorzylinder ist ein Einspritzinjektor angebaut (Körper mit Düse und Steuerventil (Magnet- oder Piezoaktor) • Düse arbeitet hubgesteuert • Injektor arbeitet zeitgesteuert, Einspritzmenge hängt von Raildruck und Ansteuerdauer ab • Anzahl, Lage und Einspritzmenge werden vom Steuergerät geregelt

Niederdrucksystem Im Niederdruckkreislauf ist die Kratstoffversorgung der Hochdruckpumpe vom Tank und die Rückführung der Leck- und Überlaufmengen zum Tank zusammengefasst. Den prinzipiellen Aufbau zeigt Abb. 4.21, die wesentlichen Komponenten sind:

Hochdruckpumpe CP

Druckregelventil DRV

weitere Steller

(Common) Rail

Raildrucksensor RDS

weitere Sensoren Gaspedal

Kraftstofffilter / Wasserabscheider

Injektoren CRI 1 .. n

EKP Steuergerät EDC

Tank

Abb. 4.21 Common Rail System (CRS)

Drehzahl Kurbelwelle Drehzahl Nockenwelle

Hochdruck Niederdruck

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Einspritzsysteme

• • • • •

Kratstoffbehälter Kratstoffvorfilter mit Handpumpe (optional) und Kratstoffhauptfilter Kühler für das Steuergerät (optional) Vorförderpumpe Kratstoffkühler (optional)

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Als Vorförderpumpen kommen Elektrokratstoffpumpen (EKP, Abb. 4.21) oder Zahnradpumpen (ZP) zum Einsatz. Systeme mit EKP werden ausschließlich bei Pkw und leichten Nfz verwendet. Die EKP wird meist im Kratstotank (Intank-Pumpe), optional aber auch in der Zuleitung zur Hochdruckpumpe (Inline-Pumpe) verbaut. Beginnend mit dem Startvorgang schaltet die EKP ein. Damit ist sichergestellt, dass bei Motorstart der notwendige Druck im Niederdruckkreis vorhanden ist. Die Förderung des Kratstoffs erfolgt kontinuierlich und unabhängig von der Motordrehzahl, überschüssiger Kratstoff fließt über ein Überströmventil zum Tank zurück. Heutige Niederdrucksysteme werden aufgrund der Effizienz geregelt betrieben. Typische Werte für den stationären Lieferdruck liegen bei 3–4 bar relativ zur Umgebung. EKP haben gegenüber mechanisch angetriebenen Vorförderpumpen Vorteile hinsichtlich Startverhalten bei heißem Kratstoff, beim Erststart und nach dem Motorservice (z. B. Filterwechsel). ZP werden in Pkw- und Nfz-Systemen als Vorförderpumpe angewandt, für schwere Nfz kommen ausschließlich ZP zur Anwendung. Die ZP ist zumeist in die Hochdruckpumpe integriert und wird über deren Antriebswelle angetrieben. Somit fördert die ZP erst beim Drehen des Motors, d. h. sie muss so ausgelegt sein, dass im Startfall ein genügend schneller Druckaufbau erfolgt. Für hohe Drehzahlen (Fördermenge ist annähernd proportional zur Motordrehzahl) ist daher eine Mengenbegrenzung notwendig. Dies wird in der Regel durch Drosselung auf der Saugseite der ZP realisiert. Zum Schutz des Einspritzsystems vor Verunreinigungen im Kratstoff (Feststoteilchen, Wasser) und damit zur Sicherstellung der geforderten Lebensdauer muss ein auf die jeweiligen Einsatzbedingungen abgestimmtes Kratstofffilter verwendet werden. Vorfilter mit integriertem Wasserabscheider werden vor allem für Nfz in Ländern mit schlechter Kratstoffqualität und bei Industriemotorapplikationen verwendet. Hinsichtlich ihrer Abscheidecharakteristik werden sie an den Hauptfilter angepasst. Der Hauptfilter ist in der Regel druckseitig zwischen Vorförderpumpe und Hochdruckpumpe angeordnet. Im Niederdruckteil der Hochdruckpumpe befindet sich ein stufenlos regelbares Magnetventil, die Zumesseinheit (nur bei Systemen mit saugseitiger Mengenregelung) sowie das Überströmventil und die Nullförderdrossel. Die Zumesseinheit passt die zur Hochdruckpumpe gelangende Menge so an, dass nur der hochdruckseitige Systemmengenbedarf auf den hohen Druck verdichtet wird, die zu viel geförderte Kratstoffmenge wird über das Überströmventil in den Tank bzw. vor die Vorförderpumpe geleitet. Bei kratstoffgeschmierten Pumpen dienen Drosseln im Überströmventil der Entlütung bzw. garantieren eine ausreichende Schmiermenge. Über die Nullförderdrossel werden die bei geschlossener Zumesseinheit autretenden Leckagemengen abgeführt und damit ein ungewollter Raildruckanstieg verhindert bzw. ein schneller Druckabbau sichergestellt.

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Hochdrucksystem Der Hochdruckbereich des Common Rail Systems gliedert sich in die drei Bereiche Druckerzeugung, Druckspeicherung und Kratstoffzumessung mit folgenden Komponenten: • • • •

Hochdruckpumpe Rail mit Drucksensor sowie Druckregel- oder Druckbegrenzungsventil Hochdruckleitungen Injektoren

Die Hochdruckpumpe wird vom Motor angetrieben. Das Übersetzungsverhältnis ist so zu wählen, dass die Fördermenge ausreicht, um die Mengenbilanz des Systems zu erfüllen. Außerdem sollte die Förderung einspritzsynchron erfolgen um weitgehend gleiche Druckbedingungen zum Zeitpunkt der Einspritzung zu erreichen. Der von der Hochdruckpumpe verdichtete Kratstoff wird über die Hochdruckleitung(en) in das Rail gefördert und von dort auf die angeschlossenen Injektoren verteilt. Das Rail hat neben der Speicherfunktion auch die Aufgabe, die maximalen Druckschwingungen, die durch die pulsierende Pumpenförderung bzw. durch die Kratstoffentnahme über die Injektoren entstehen, zu begrenzen, um die Zumessgenauigkeit der Einspritzung sicherzustellen. Einerseits sollte das Railvolumen möglichst groß sein, um dieser Anforderung gerecht zu werden, andererseits muss es hinreichend klein sein, um einen schnellen Druckaufbau beim Start zu gewährleisten. Das Speichervolumen ist in der Auslegungsphase dahingehend zu optimieren. Als Eingangsgröße zur Druckregelung dient das Signal des Raildrucksensors, mit dem der aktuelle Kratstoffdruck im Rail ermittelt wird. Zur Druckregelung kommen verschiedene Verfahren zur Anwendung. Hochdruckseitige Regelung Der gewünschte Raildruck wird über ein Druckregelventil (Proportional-Magnetventil, das über das Steuergerät angesteuert wird) hochdruckseitig geregelt. In diesem Fall fördert die Hochdruckpumpe unabhängig vom Kratstoffbedarf die maximale Fördermenge. Der überschüssige Kratstoff fließt über das Druckregelventil in den Niederdruckkreis zurück. Diese Regelung ermöglicht zwar eine schnelle Anpassung des Raildrucks bei Änderung des Betriebspunkts, die permanente Maximalförderung und das Abführen des unter Hochdruck stehenden Kratstoffs sind energetisch betrachtet nachteilig. Wegen des ungünstigen energetischen Verhaltens ist die Anwendung eines solchen Systems auf niedrige Druckbereiche (max. 1400 bar) begrenzt. Diese Art der Regelung wurde bei den ersten Common Rail Systemen für Pkw angewandt. Das Druckregelventil ist meist am Rail, bei einzelnen Anwendungen auch an der Hochdruckpumpe angebaut. Saugseitige Regelung Die Regelung des Raildrucks erfolgt bei diesem Verfahren niederdruckseitig über die an der Hochdruckpumpe angeflanschte Zumesseinheit. Durch die saugseitige Mengenregelung wird nur die Kratstoffmenge in das Rail gefördert, mit welcher der geforderte Raildruck aufrechterhalten wird. Dadurch muss im Vergleich zur

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Einspritzsysteme

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hochdruckseitigen Regelung weniger Kratstoff auf Hochdruck verdichtet werden, die Leistungsaufnahme der Pumpe ist damit geringer. Das wirkt sich einerseits positiv auf den Kratstoffverbrauch aus, andererseits ist die Temperatur des in den Tank zurücklaufenden Kratstoffs niedriger. Diese Art der Druckregelung wird bei allen Nutzfahrzeug-Systemen angewandt. Heute in Serie befindliche CR-Systeme verfügen über max. Drücke von bis zu 2500 bar. Dies gilt für einzelne Nutzfahrzeugapplikationen und Hochleistungsmotoren. Weitere Drucksteigerungen sind geplant. Typische Werte liegen jedoch bei 1800–2000 bar und stellen am Markt heute den Stand der Technik dar. Saug- und hochdruckseitige Regelung Wenn der Druck nur auf der Niederdruckseite eingestellt werden kann, dauert der Druckabbau im Rail bei negativen Lastwechseln bei anspruchsvollen Applikationen zu lange. Dies gilt insbesondere bei Verwendung von Injektoren mit geringer innerer Leckage, wie z. B. Piezoinjektoren. Um die Dynamik für die Druckanpassung an die veränderten Lastbedingungen zu beschleunigen, wird zusätzlich ein am Rail angebautes Druckregelventil verwendet. Mit diesem Zweistellersystem werden die Vorteile der niederdruckseitigen Regelung mit dem günstigen dynamischen Verhalten der hochdruckseitigen Regelung kombiniert. Ein weiterer Vorteil gegenüber der ausschließlich niederdruckseitigen Regelung ergibt sich dadurch, dass bei kaltem Motor nur hochdruckseitig geregelt werden kann. Die Hochdruckpumpe fördert somit mehr Kratstoff als eingespritzt wird, der überschüssige Kratstoff wird dadurch deutlich schneller erwärmt, wodurch auf eine separate Kratstoffheizung verzichtet werden kann. In jüngster Vergangenheit haben sich am Markt Systemauslegungen etabliert, die zum Druckabbau den Injektor selbst ansteuern. Die Ansteuerung erfolgt so, dass Steuermenge vom Servoventil abfließt und somit dem Rail Kratstoff entnommen wird, was wiederum zum gewünschten, schnellen Druckabbau im Speicher führt. Jedoch erfolgt die Ansteuerung in einer so kleinen Zeitspanne, dass die Düsennadel selbst geschlossen bleibt und kein Kratstoff eingespritzt wird. Diese Druckabbau-Ansteuerung des Injektors wird als „Blind Shot“ bezeichnet. Die Druckregelqualität beim Druckabbau mit „Blind Shots“ ist der eines Druckregelventils unterlegen, jedoch für kostengünstige Applikationen ausreichend hoch, weshalb diese Architektur bei solchen Applikationen Anwendung findet. Hochdruckpumpe und Injektoren sind mit dem Rail über Hochdruckleitungen verbunden. Diese müssen dem maximalen Systemdruck und den zum Teil sehr hochfrequenten Druckschwankungen standhalten. Sie bestehen aus nahtlosen Präzisionsstahlrohren oder gebohrten Schmiederails, die für sehr hohe Festigkeitsansprüche auch autofrettiert werden können. Aufgrund von Drosselverlusten und Kompressionseffekten beeinflussen Querschnitt und Leitungslänge Einspritzdruck und -menge. Daher müssen die Leitungen zwischen Rail und Injektor gleich lang und so kurz wie möglich gehalten werden. Die durch die Einspritzung entstehenden Druckwellen breiten sich in den Leitungen mit Schallgeschwindigkeit aus und werden an den Enden reflektiert. Dadurch beeinflussen sich dicht aufeinander folgende Einspritzungen (z. B. Vor- und Haupteinspritzung) gegenseitig, was sich negativ auf die Zumessgenauigkeit auswirken kann. Weiterhin führen die Druckwellen zu einer erhöhten Injektorbelastung. Durch Einbau optimierter Drosseln in den Anschluss am Rail lassen sich diese

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Druckwellen deutlich reduzieren. Der Effekt auf die Zumessgenauigkeit wird bei Festlegung der Kennfelder oder durch eine entsprechende Sotware-Funktion ausgeglichen. Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge werden über das Steuergerät vorgegeben. Die Menge wird über die Ansteuerdauer der im Injektor eingebauten Aktoren bestimmt, der Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der elektronischen Dieselregelung (EDC, siehe Mollenhauer und Tschöke 2007) gesteuert. Zur Anwendung kommen elektro-magnetische und piezo-elektrische Aktoren. Die Verwendung von Piezostellern beschränkt sich bis heute aufgrund der begrenzten Schaltspielzahl eines Piezoaktors ausschließlich auf Injektoren für Pkw-Anwendungen.

4.2.4

Hochdruckpumpen

Die Hochdruckpumpe ist die Schnittstelle zwischen dem Nieder- und Hochdruckteil des Common Rail Systems. Ihre Aufgabe besteht darin, die vom System benötigte Kratstoffmenge auf dem betriebspunktabhängig gewünschten Druckniveau bereit zu stellen. Diese umfasst nicht nur die aktuell vom Motor benötigte Einspritzmenge, sondern berücksichtigt darüber hinaus Mengenreserven für einen schnellen Startvorgang und einen raschen Druckanstieg im Rail, aber auch Leckage- und Steuermengen für andere Systemkomponenten inkl. deren verschleißbedingte Zunahme über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs.

Aufbau und Funktion Bei den Pkw Common Rail Systemen der ersten Generation kommen überwiegend Hochdruckpumpen mit Exzenterwellenantrieb und drei radial angeordneten Kolben zur Anwendung, siehe Abb. 4.22. An dieser Bauart soll im Folgenden die Funktion einer Common Rail-Hochdruckpumpe beispielhat erläutert werden. Das zentrale Antriebsbauteil ist die Exzenterwelle (1). Radial zu dieser und um jeweils 120 Grad am Umfang der Pumpe versetzt befinden sich die Pumpenelemente, d. h. Funktionsgruppen aus Kolben (3), Zylinder (8), zugehörigen Ventilen (5, 7) und Kratstoffkanälen (4, 6). Über das sog. Polygon (2), ein auf den Exzenter der Exzenterwelle geschobenes 120 Grad-Dreiflach, wird die Hubbewegung des Exzenters auf die Pumpenkolben übertragen, wobei die Fußscheibe des Kolbens (9) auf dem Polygon eine hin- und hergehende Gleitbewegung ausführt. Bei seiner durch Federkrat erzwungenen Abwärtsbewegung saugt der Kolben über ein als Rückschlagventil ausgebildetes Saugventil (5) Kratstoff aus dem Ansaugkanal (4) der Pumpe an. Die Förderung des Kratstoffs vom Tank zur Pumpe und die Erzeugung eines Vordrucks im Ansaugkanal übernimmt dabei je nach Hochdruckpumpentyp eine mechanische, in die Pumpe integrierte, oder externe elektrische Vorförderpumpe. Kurz nach dem unteren Totpunkt der Kolbenbewegung schließt das Saugventil, und bei der folgenden Aufwärtsbewegung des Kolbens wird der Kratstoff im Zylinder solange verdichtet, bis der Öffnungsdruck des ebenfalls als Rückschlagventil gestalteten Auslassventils (7) erreicht wird, welcher in etwa dem im Rail vorliegenden Druck ent-

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Einspritzsysteme

363

Abb. 4.22 Hochdruckpumpe mit Exzenterwellenantrieb

spricht. Nach dem Öffnen des Auslassventils strömt der Kratstoff aus der Pumpe über die Hochdruckverbindungsleitung (6) zum Rail. Im oberen Totpunkt des Kolbens ist das Ende des Förderhubs erreicht, und bei der folgenden Abwärtsbewegung fällt der Druck im Zylinder wieder ab, wodurch das Auslassventil schließt. Der Befüllvorgang des Zylinders beginnt nun von neuem. Hochdruckpumpen werden vom Verbrennungsmotor mit einem festen Übersetzungsverhältnis angetrieben, wobei abhängig von der Zylinderzahl des Motors und der Pumpe nur bestimmte Werte sinnvoll sind. Übersetzungsverhältnisse von 1/2 und 2/3 bezogen auf die Motordrehzahl sind bei 4-Zylinder-Motoren in Verbindung mit Dreikolben-Pumpen weit verbreitet. Bei kleineren Übersetzungsverhältnissen müsste zur Kompensation das geometrische Fördervolumen der Pumpe unnötig groß ausgelegt werden, größere Übersetzungsverhältnisse dagegen stellen höhere Anforderungen an die Drehzahlfestigkeit der Pumpe. Die sog. einspritzsynchrone Förderung einer Pumpe dient zur Erzielung konstanter Druckverhältnisse zum Einspritzzeitpunkt in Rail und Injektor. Dabei muss die Anzahl der Pumpen-Förderhübe pro Nockenwellenumdrehung der Zylinderzahl des Motors entsprechen. Bei 4-Zylinder-Motoren mit Dreikolben-Pumpen ist dies z. B. bei einer Übersetzung von 2/3 gegeben. Ist bei Einspritzsynchronität darüber hinaus jedem Einzelinjektor stets dasselbe Pumpenelement zugeordnet, so erreicht man den Idealzustand der sog. elementsynchronen Förderung. Diese kann für 4-Zylinder-Motoren grundsätzlich nur mit Ein- oder Zweikolben-Pumpen und entsprechend angepasstem Übersetzungsverhältnis erreicht werden. Die beschriebene Kopplung zwischen Pumpenelement und Injektor ist für die sog. Mengenausgleichsregelung zur Reduzierung der Einspritzmengenunterschiede zwischen

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den Zylindern nötig und kann auch bei asynchroner Förderung gegeben sein, falls die Phasenlage der Pumpenhübe relativ zum Einspritzzeitpunkt nach jeder NockenwellenUmdrehung erhalten bleibt. Die Einstellung eines exakten Werts für die Phasenlage der Pumpen-Förderhübe zu den Einspritzungen in Grad Nockenwinkel kann zur weiteren Steigerung der Genauigkeit der Einspritzmenge bei der Montage der Pumpe über eine definierte Zuordnung der Drehwinkel von Nockenwelle und Pumpenantriebswelle erfolgen. Hochdruckpumpen für druckübersetzte Common Rail Systeme müssen bei gleichem Einspritzmengenbedarf Prinzip bedingt und wegen der größeren Steuermengen für den Injektor eine höhere Fördermenge liefern als Pumpen für nicht-übersetzte Systeme. Aufgrund der Druckerhöhung im Injektor kann die Pumpe allerdings auf einem niedrigeren Druckniveau fördern, wodurch die größere Bauteilbelastung durch die Fördermengenerhöhung teilweise kompensiert wird.

Mengenregelung Aufgrund der eingangs genannten Auslegungskriterien fördert die Hochdruckpumpe üblicherweise wesentlich mehr Kratstoff als von Motor bzw. System benötigt wird, insbesondere im Teillastbetrieb des Motors. Dies führt ohne regelnde Maßnahmen zu unnötig hohem Leistungsaufwand bei der Hochdruckerzeugung. Dieser resultiert in einer Aufheizung des Kratstoffsystems, welche u. a. schädlich wegen der nachlassenden Schmierwirkung des heißen Kratstoffs ist. Magnetgehäuse Stecker mit elektrischer Schnittstelle (2-polig) Lager Anker mit Stößel Wicklung mit Spulenkörper Topf mit magnetischen Eigenschaften Stützhülse Restluftspaltscheibe Magnetkern mit magnetischer und hydraulischer Funktion Formdichtung Kolben (Druckausgeglichen) lasergeschnittene Steuerschlitze Filter Feder Sicherungselement

Abb. 4.23 Zumesseinheit (ZME)

4

Einspritzsysteme

365

Zur Anpassung der Fördermenge an den Motorbedarf wird in modernen Hochdruckpumpen die sog. Saugdrosselregelung eingesetzt. Bei dieser wird in den Zulaufkanal der Pumpenelemente eine elektrisch verstellbare Drossel eingebaut, die sog. Zumesseinheit, deren Aufbau in Abb. 4.23 dargestellt ist. Der Kolben eines Magnetventils gibt abhängig von seiner Stellung einen Strömungsquerschnitt frei, wobei die Ansteuerung mittels eines pulsweitenmodulierten elektrischen Signals erfolgt, dessen Tastverhältnis in einen entsprechenden Ansaugquerschnitt umgesetzt wird. Im Teillastbetrieb des Motors werden über den dann angedrosselten Zulaufkanal die Pumpenzylinder nicht vollständig befüllt, wobei in letzteren in bestimmten Betriebszuständen Kratstoffdampf entsteht und die Förderleistung der Pumpe insgesamt abnimmt. Bei der Aufwärtsbewegung des Pumpenkolbens bricht zunächst die im Pumpenzylinder entstandene Dampfblase zusammen, bevor dann im Teilhub Druckaufbau und Kratstoffförderung ins Rail beginnen. Der schlagartige Druckaufbau nach dem Zusammenfall der Dampfblase in den Pumpenzylindern bewirkt eine erhöhte Triebwerksbelastung gegenüber Pumpen ohne Saugdrosselregelung.

Hauptbauarten für Pkw Die für Pkw eingesetzten Radialkolben-Hochdruckpumpen sind ausnahmslos kratstoffgeschmiert, was durch die geringere Schmierfähigkeit gegenüber Motoröl höchste Anforderungen an die Oberflächenqualität der an der Hochdruckerzeugung beteiligten Bauelemente stellt. Die Kratstoffschmierung vermeidet sicher eine Medienvermischung von Kratstoff und Motoröl, die wegen der Gefahr der Ölverdünnung und Düsenverkokung durch Ölanteile im eingespritzten Kratstoff unerwünscht ist. Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe Bei neuen Hochdruckpumpen-Entwicklungen, insbesondere für kleine und mittelgroße Pkw-Motoren, wird zur Kostenoptimierung die Anzahl der Pumpenelemente auf zwei und sogar auf eins reduziert. Als Maßnahmen zur Kompensation der dadurch reduzierten Fördermenge kommen zur Anwendung (ggf. auch in Kombination): • vergrößerte Zylindervolumina (wodurch sich bei vergrößertem Kolbendurchmesser Wirkungsgradnachteile ergeben) • Drehzahlerhöhung (durch angepasstes Antriebsübersetzungsverhältnis) • Antriebswelle mit Doppelnocken statt Exzenterwelle mit Polygon (dadurch Verdoppelung der Kolbenhübe pro Antriebswellenumdrehung) Zur Erzielung eines gleichmäßigen Förderstroms weisen die Pumpenelemente von Zweikolben-Pumpen abhängig vom Antriebskonzept eine Kröpfung von 90 oder 180 Grad auf. Der Pumpentyp CP4 der Fa. Bosch (Abb. 4.24) besitzt zwei Kolben in 90 GradAnordnung und eine Antriebswelle mit Doppelnocken. Zur Vermeidung von Punktkontakt zwischen Nocken und Tassenstößel muss zwischen diesen ein weiteres Übertragungsglied eingefügt werden, bei dieser Bauart eine im Stößel gelagerte, auf dem Nocken ablaufende Rolle.

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G.P. Merker und R. Teichmann Verschlussschraube Saugventil Zumesseinheit

HD-Ventil Elementkolben

Zylinderkopf Gehäuse

Stößelkörper Stößelkörper

WDR

Federteller

WDR

ÜV

pumpenseitig motorseitig

Rollenschuh Laufrolle Flansch

Nockenwelle

Abb. 4.24 Einkolben-Radial-Hochdruckpumpe

Die dargestellte Pumpe wird auch als Einkolbenvariante hergestellt; diese kann vorteilhat mit einem Übersetzungsverhältnis von 1 : 1 bezogen auf die Motor-Kurbelwelle angetrieben werden, wodurch sich bei 4-Zylinder-Motoren eine elementsynchrone Förderung ergibt und zudem die geringe Kolbenzahl hinsichtlich Fördermenge gut kompensiert wird.

4.2.5 Rail und Anbaukomponenten Funktion Rail Speichereinspritzsysteme verfügen über einen Hochdruckspeicher, auch (Common) „Rail“ genannt. Dem Rail kommen die Hauptfunktionen • Kratstoff unter Hochdruck speichern und • Kratstoff auf die Injektoren verteilen zu. Dabei beinhalten diese beiden Hauptfunktionen auch die Dämpfung von Druckschwankungen bei der Befüllung und Entnahme von Kratstoff aus dem Rail. Die zulässige Raildruckschwankung stellt ein Auslegungskriterium beim Rail dar. Überdies erfüllt das Rail auch die Nebenfunktionen: • Anbauort von Sensoren und Aktoren im Hochdruckkreis und • Drosselelementen zur Dämpfung von Leitungsdruckschwingungen zwischen Hochdruckpumpe und Rail sowie den Injektoren und Rail; • Verbindungselement der Komponenten im Hochdruckkreis des Common Rail Systems, wie Hochdruckpumpe, Injektoren über die Hochdruckleitungen.

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Einspritzsysteme

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Der von der Hochdruckpumpe verdichtete Kratstoff gelangt über eine Hochdruckleitung zum Rail, wird dort gespeichert und über weitere Hochdruckleitungen, die mit den Injektoren verbunden sind, auf diese verteilt. Durch das gespeicherte Volumen im Rail, in Verbindung mit der Kompressibilität des Kratstoffs, ist das Rail in der Lage Druckschwankungen, die durch Entnahme und Zufluss zum Rail hervorgerufen werden, zu dämpfen. Der Druck im Rail hängt somit von den Verbrauchern und der Pumpe die ans Rail angeschlossen sind und dem Speicherverhalten des Rails selbst ab. Der aktuelle Druck im Rail wird vom Raildrucksensor gemessen, Stellgrößen zur Beeinflussung des Raildrucks sind neben der Pumpe und den Injektoren das Druckregelventil, welches am Rail selbst oder an der Hochdruckpumpe angebaut sein kann.

Auslegung Rail Die Auslegung des Rails folgt dem Zielkompromiss möglichst große Speicherfähigkeit und damit Dämpfung über ein großes Volumen darzustellen, um den Raildruck konstant zu halten und andererseits möglichst dynamisch auf Raildrucksollwertänderungen zu reagieren. Etwa beim Druckaufbau im Start oder dynamischen Lastwechseln des Motors, wobei hier große Druckaufbau- und Abbaugeschwindigkeiten je nach Laständerung gefordert sein können. Hier wäre ein möglichst kleines Hochdruckvolumen optimal. Mit Hilfe von Simulationen des Gesamtsystems an repräsentativen Lastpunkten und Verifikation an hydraulischen Prüfständen wird das minimal erforderliche Railvolumen als Funktion der Haupteinspritzmenge, bei gegebener Motorkonfiguration ermittelt. Tabelle 4.1 zeigt typische Auslegungen für das Railvolumen für Serienapplikationen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass etwa durch die Randbedingung gleicher Leitungslängen im Hochdrucksystem zur Vermeidung von Zyl./Zyl.-Streuungen, die Länge des Rails motorseitig vorgegeben sein kann. Weitere Aspekte stellen der fahrzeugseitig vorgegeben Bauraum und Fertigungsaspekte beim Rail dar. Somit liegt das tatsächlich gewählte Railvolumen ot über dem funktional vorgegebenen Minimalvolumen, ohne dabei die geforderten Dynamikanforderungen merklich zu unterschreiten. Tab. 4.1 Serienauslegungen für typische Applikationen Pkw-Motor

QE, max. [mm3 /H]

Drossel-∅ [mm]

V Rail [ccm]

VHD gesamt [ccm]

Anzahl Rail

Verbindungsrail/ -leitung

R4 R6 V6 V8 Nkw-Motor R4 R6

~80 ~80 ~80 ~90

0,85 0,85 0,85 0,85

~17 ~30 2×~20 2×~25

~30 ~40 ~50 ~60

1 1 2 2

– – JA JA

~200 ~450

0,85 0,85 . . . 1,3

14 . . . 20 20 . . . 40

20 . . . 30 35 . . . 80

1 1

– –

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G.P. Merker und R. Teichmann

Die an den Railabgängen angebrachten Dämpfungsdrosseln sind als Kompromiss zwischen kleinstmöglichem Druckabfall und größtmöglicher Dämpfung der Reflexionswellen zwischen Rail und dem Verbrauchern ausgelegt. Funktional dienen die Drosselelemente zur Belastungsreduzierung der Pumpe und der Injektoren, sowie der Dämpfung von Leitungsdruckschwankungen, die bei Mehrfacheinspritzung die Zumessgüte vermindern können.

Bauarten Rail Die gewählte Bauform des Rails hängt maßgeblich von den Motorgegebenheiten und der Ausführung des Common Rail Systems selbst ab. Abbildung 4.25 zeigt ein typisches 4-Zylinder Rail für ein Pkw Common Rail System mit angebautem Druckregelventil und Raildrucksensor. Je nach Fertigungskonzept sind Rails aus Schmiedrohlingen oder Rohrhalbzeugen ausgeführt. Die bei der Spanbearbeitung autretenden Verschneidungen werden in der Regel verrundet, um die geforderte Festigkeit zu erreichen. Die eingangs erwähnten Dämpfungsdrosseln an den Hochdruckabgängen zu Injektor und Pumpe können gebohrt oder als separate Bauteile eingepresst werden. Bei Reihenmotoren wird im System ein Rail eingesetzt, während bei V-Motoren üblicherweise pro Zylinderbank des Motors ein Rail zum Einsatz kommt. Die spezielle Ausführung ist wieder motorabhängig und kann Ausgleichsleitungen zwischen den Rails oder gar Verbindungsrails enthalten, die eine möglichst gleiche Druckverteilung zwischen den Motorbänken und -zylindern sicherstellt.

Abb. 4.25 Rail mit Druckregelventil und Drucksensor

Raildrucksensor Der Raildrucksensor dient zur Erfassung des aktuellen Raildrucks, der Sensor ist am Rail verbaut und elektrisch mit dem Steuergerät verbunden. Weitere Ausführungen sind in Mollenhauer und Tschöke (2007) zu finden.

4

Einspritzsysteme

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Druckregelventil Das Druckregelventil hat die Aufgabe als hochdruckseitiger Steller im Hochdruckregelkreis den Raildruck einzustellen. Dies geschieht durch Veränderung eines Querschnitts im Druckregelventil, über den je nach anstehendem Druck und elektrischem Strom mehr oder weniger Kratstoff von Hochdruck auf Niederdruck abgesteuert wird. Das Ventil ist vorzugsweise am Rail angebaut und speist seine Absteuermenge in den Niederdruckkreis des Common Rail Systems ein. Abbildung 4.26 zeigt den Aufbau und die funktionsbestimmenden Bauteile. Der Ventilkörper beherbergt einen Ventilsitz, der über einem Drosselquerschnitt angeströmt wird. Die Ventilkugel steht im Krätegleichgewicht der hydraulischen Krat infolge der Anströmung, sowie der Federkrat und Magnetkrat, die über den Magnetventilbolzen auf die Kugel eingebracht werden. Erhöht sich die hydraulische Krat infolge größerer Durchsätze über den Ventilquerschnitt, so lenkt diese die Kugel und damit den Magnetventilbolzen stärker aus, was zu einer Erhöhung der Federkrat und somit zu einer proportionalen Gegenkopplung führt. Soll einem größeren mittleren Druck Stand gehalten werden, prägt das Steuergerät durch Pulsweitenmodulation dem Magneten einen höheren mittleren Strom auf, was die Magnetkrat erhöht. Im regelungstechnischen Sinne handelt es sich bei dieser Ventilausführung um ein PI-Glied, das über eine langsame integrative Führungsgröße und eine schnelle proportionale Störgrößenaufschaltung verfügt. Damit werden hochdynamische Druckschwankungen proportional ausgeglichen und über den Integrator in der Regelkaskade die bleibende Regelabweichung zu null geführt. Um ungewünschte Hystereseeffekte auszuschließen, wird dem Stromsignal eine DitherFrequenz überlagert, die den Magnetbolzen stets in Bewegung halten. Die Frequenz ist so gewählt, dass der aktuelle Raildruck davon nicht negativ beeinflusst wird. Abb. 4.26 Druckregelventil

Verschraubung Anker

Ventilsitz Spule Druckstift

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Bei typischen 4-Zylinder Pkw-Applikationen liegen je nach Arbeitspunkt des Druckregelventils die Durchflusswerte zwischen 0 und 120 l/h und die mittleren elektrischen Strömen < 1,8 A bei Drücken zwischen 250 und 2500 bar.

4.2.6

CR-Injektoren

Common Rail Injektoren werden für Pkw- und Nkw-Systeme mit gleicher Grundfunktion eingesetzt. Der Injektor besteht primär aus Einspritzdüse (Mollenhauer und Tschöke 2007), Haltekörper, Steuerventil, Steuerraum. Der Steller des Steuerventils wird als Magnet- oder Piezoaktor ausgeführt. Beide Steller ermöglichen Mehrfacheinspritzung. Der Vorteil des Piezoaktors mit seinem großen Kratvermögen und seiner deutlich kürzeren Schaltzeit lassen sich nur nutzen, wenn das Injektordesign dazu optimiert wurde. Beim Common Rail Dieseleinspritzsystem sind die Injektoren über kurze HochdruckKratstoffleitungen mit dem Rail verbunden. Die Abdichtung der Injektoren zum Brennraum erfolgt über eine Kupferdichtscheibe. Die Injektoren werden über Spannelemente im Zylinderkopf angebracht. Die Common Rail Injektoren sind je nach Ausführung der Einspritzdüsen für den Gerade- oder Schrägeinbau in Dieselmotoren mit Direkteinspritzung geeignet. Die Charakteristik des Systems ist die Erzeugung von Einspritzdruck, unabhängig von der Motordrehzahl und der Einspritzmenge. Spritzbeginn und Einspritzmenge werden mit dem elektrisch ansteuerbaren Injektor gesteuert. Der Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der Elektronischen Dieselregelung (EDC) gesteuert. Hierzu sind an der Kurbelwelle und zur Zylindererkennung (Phasenerkennung) an der Nockenwelle zwei Drehzahlsensoren notwendig. BOSCH bietet heute verschiedene Injektortypen zum Serieneinsatz an: • Magnet-Injektor Top Head – mit druckbelastetem Kugelsitzventil – mit druckausgeglichenem Schieberventil • Piezo-Injektor Inline

Düsen für Comon Rail Injektoren Düsen nehmen entscheidenden Einfluss auf die Gemischbildung durch gezielte Verteilung und optimale Zerstäubung des Kratstoffs im Brennraum und sie beeinflussen den Einspritzverlauf. Aufbau, Bauarten Eine Standarddüse besteht aus einem Düsenkörper mit Hochdruckzulauf, Nadelführungs-, Sitz- und Spritzlochbereich und einer nach innen öffnenden Nadel. Abhängig vom Brennverfahren und der Nadelansteuerung sind bei modernen Common Rail Systeme zwei Bauarten üblich: (Abb. 4.27):

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Einspritzsysteme

Düse für Magnetventil-Injektor mit Schieberventil

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Düse für Magnetventil-Injektor mit Kugelventil

Düse für Piezo Inline-Injektor

Abb. 4.27 Düsenvarianten Abb. 4.28 Lochausführungen

Sitzlochdüse

Sacklochdüse

• Lochdüsen für DHK-,UI- und CRI-Anwendungen in DI-Motoren. • Düsenmodule, d. h. Lochdüsen mit integriertem hydraulischem Steuerraum für CRIAnwendungen in DI-Motoren. Die Druckmodulation im Steuerraum erfolgt über Zulauf- und gesteuerte Ablaufdrosseln im Injektor. Das Steuerraumvolumen ist für eine gute Kleinstmengenfähigkeit hydraulisch steif, d. h. klein ausgelegt. • Die Baugröße der Düsen richtet sich nach der Motorzylindergröße und der Einspritzmenge. Des Weiteren werden Lochdüsen und Düsenmodule nach Sitzloch- und Sacklochausführung unterschieden (Abb. 4.28). Auslegung Lochdüsen und Düsenmodule werden in allen aktuellen DI-Motorkonzepten appliziert. Ziel der Düsenauslegung ist die wirkungsgradoptimierte Umsetzung der Druckenergie in kinetische Energie, d. h. in Einspritzstrahlen, deren Eindring-, Aufbruch- und Zerstäubungsverhalten auf das Brennverfahren, die Brennraumgeometrie, die Einspritzmenge, das Lutmanagement des Motors und das last- und drehzahlabhängige Einspritzmuster optimal abgestimmt sind. Sitzgeometrie Die Sitzauslegung berücksichtigt die Dichtfunktion und bestimmt über den Sitzdurchmesser den Öffnungsdruck. Bei kleinen Hüben wirkt der Sitzspalt als Strömungsdrossel, beeinflusst die Anströmung der Spritzlöcher und damit die Strahlaufbereitung und durch die strömungsbedingten Druckfelder im Spalt die Nadeldynamik. Die Auslegung der Nadelsitz- und Nadelspitzenkegel bzgl. Länge und Winkeldifferenzen

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G.P. Merker und R. Teichmann

zum Körper erfolgt systemabhängig und ist ein Kompromiss aus Nadeldynamik (Einspritzmenge und -verlauf) und Langzeitstabilität (Geometrieangleich und daraus resultierende Einspritzmengendrit). Nadelführung Die Nadelführung im Düsenkörper zentriert die Nadel zum Körpersitz während der Hubbewegung und dient der Trennung von Hochdruck- und Niederdruckbereich (letzteres gilt nicht für Düsenmodul). Führungsspiele liegen im Bereich 1–5 μm, je höher der Einspritz- bzw. Systemdruck, desto kleiner das Führungsspiel, um die Leckageverluste zu minimieren. Sitzlochdüsen weisen ot eine zweite Führung im Düsenschat auf, um die Nadelzentrierung zum Sitz und damit die Mengenverteilung auf die Spritzlöcher und die Nadeldynamik zu verbessern. Sacklochdüsen sind diesbezüglich robuster, da die Strömung im Sitz die Verhältnisse am Spritzloch im Sackloch nicht direkt beeinflussen. Nadelhub Die hydraulische Auslegung führt bei Vollhub zu vernachlässigbaren Drosselverlusten am Sitz. Der Nadelhub ist entweder ballistisch oder durch einen Festanschlag begrenzt ausgeführt. Der ballistische Hub hat den Vorteil eines nahezu linearen (knickfreien) Mengenverlaufs über der Spritzdauer, ist jedoch nur in Verbindung mit Common Rail Injektoren sinnvoll, die den Öffnungs- und Schließzeitpunkt gegenüber anderen Systemen sehr präzise steuern können. Sitzloch-, Sacklochausführung, Schadvolumen (Abb. 4.28) Bei Sitz- und Sacklochdüsen ist das emissionsrelevante Merkmal die Größe des unter der Sitzkante nach dem Nadelschließen verbleibende sog. Schadvolumen, dessen Kratstoffinhalt ausgast nicht optimal verbrennt und die HC-Emissionen erhöht. Das kleinste Schadvolumen hat die Sitzlochdüse, gefolgt von konischen und zylindrischen Sacklochdüsenausführungen. Bei Sitzlochdüsen werden die Spritzlöcher ein- oder mehrreihig im Sitzkegel unterhalb des Nadelsitzes angeordnet, wobei wegen der Anströmung der Spritzlöcher und aus Festigkeitsgründen Mindestabstände einzuhalten sind. Bei Sacklochdüsen sind die erforderlichen Mindestabstände zwischen den Spritzlöchern wesentlich kleiner. Spritzlochlänge (Abb. 4.29) Aktuelle Spritzlochlängen liegen zwischen 0,7 und 1 mm. Sie beeinflussen den Strahl und auch die Kuppenfestigkeit, insbesondere bei Sitzlochdüsen wegen der Nähe der Spritzlöcher zur Krateinleitung im Sitz. Spritzgeometrie und Strahl Ziel ist es, eine optimale Kratstoffverteilung, -zerstäubung und Gemischaufbereitung im Brennraum zu erzeugen. Ausgelegt werden zunächst Anzahl der Spritzlöcher, Strahlrichtung, jeweils mit räumlicher Zuordnung zu Zylinderkopf, Glühstit und Brennraummulde. Der Spritzlochquerschnitt wird durch die maximale Einspritzmenge, den zugehörigen Einspritzdruck und die zulässige Spritzdauer festgelegt. Die Anzahl der Spritzlöcher richtet sich nach dem Brennverfahren und dem Lutmanagement (u. a. Drall). Die Strahlen dürfen nicht ineinander verwehen.

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.29 Düsendesign

Düsen-Körper Düsen-Nadel

Spritzlochlänge Spritzloch-Durchmesser Düsenkuppe

1mm

Höhenwinkel

Derzeit werden bei Pkw 7–9 Spritzlöcher mit Durchmessern von 105–135 μm appliziert. Der Trend geht zu höherer Lochzahl bei gleichzeitig kleinerem individuellem Lochdurchmesser und strömungsoptimerter Feingeometrie. Grenzen für die kleinsten, applizierbaren Durchmesser bei gleichzeitig möglichst strömungsoptimaler Geometrie liegen beim sogenannten maximal zulässigen Verkokungsgrad und nicht in der Fertigungstechnik. Zu weiteren Auslegungsdetails der Spritzgeometrie an der Düse sowie Strahlanalytik und Simulations von Düsenströmungen wird auf Mollenhauer und Tschöke (2007) verwiesen.

Magnetventil-Injektor mit Kugelsitzventil Aufbau Der Injektor kann in verschiedene Funktionsgruppen aufgeteilt werden: • die Lochdüse (siehe Mollenhauer und Tschöke 2007), • das hydraulische Servosystem und • das Magnetventil. Der Kratstoff wird vom Hochdruckanschluss (Abb. 4.30, Pos. 1) über einen Zulaufkanal (2) zur Einspritzdüse (3) sowie über die Zulaufdrossel (4) in den Ventilsteuerraum (5) geführt. Der Ventilsteuerraum ist über die Ablaufdrossel (6), die durch ein Magnetventil geöffnet werden kann, mit dem Kratstoffrücklauf (7) verbunden. Arbeitsweise Die Funktion des Injektors lässt sich in vier Betriebszustände bei laufendem Motor und fördernder Hochdruckpumpe unterteilen:

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Abb. 4.30 Magnetventil-Injektor mit Kugelsitz

• • • •

Injektor geschlossen (mit anliegendem Hochdruck), Injektor öffnet (Einspritzbeginn), Injektor vollständig geöffnet und Injektor schließt (Einspritzende).

Diese Betriebszustände stellen sich durch die Kräteverteilung an den Bauteilen des Injektors ein. Bei nicht laufendem Motor und fehlendem Druck im Rail schließt die Düsenfeder den Injektor. Injektor geschlossen (Ruhezustand) Der Injektor ist im Ruhezustand nicht angesteuert (Abb. 4.31a). Die Magnetventilfeder (1) presst die Ventilkugel (2) in den Sitz der Ablaufdrossel (3). Im Ventilsteuerraum (4) baut sich der Hochdruck des Rail auf. Derselbe Druck steht auch im Kammervolumen der Düse an. Die durch den Raildruck auf die Stirnflächen des Steuerkolbens (5) aufgebrachten Kräte und die Krat der Düsenfeder (4.30-8) halten die Düsennadel gegen die öffnende Krat, die an deren Druckschulter (4.30-9) angreit, geschlossen. Injektor öffnet (Einspritzbeginn) Der Injektor befindet sich in Ruhelage. Das Magnetventil wird mit dem „Anzugsstrom“angesteuert, was einem schnellen Öffnen des Magnetventils dient (Abb. 4.31, b). Die erforderlichen kurzen Schaltzeiten lassen sich durch eine

4

Einspritzsysteme

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Abb. 4.31 Magnetventil-Injektor mit Kugelsitz

entsprechende Auslegung der Ansteuerung der Magnetventile im Steuergerät mit hohen Spannungen und Strömen erreichen. Die magnetische Krat des nun angesteuerten Elektromagneten übersteigt die Federkrat der Ventilfeder. Der Anker (6) hebt die Ventilkugel (2) vom Ventilsitz (3) und öffnet nun die Ablaufdrossel. Nach kurzer Zeit wird der erhöhte Anzugsstrom auf einen geringeren Haltestrom des Elektromagneten reduziert. Mit dem Öffnen der Ablaufdrossel kann nun Kratstoff aus dem Ventilsteuerraum (4) in den darüber liegenden Hohlraum und über den Kratstoffrücklauf (4.30-7) zum Kratstoffbehälter abfließen. Die Zulaufdrossel (7; 4.30-4) verhindert einen vollständigen Druckausgleich, so dass der Druck im Ventilsteuerraum sinkt. Dies führt dazu, dass der Druck im Ventilsteuerraum kleiner ist als der Druck im Kammervolumen der Düse, der noch immer das Druckniveau des Rail hat. Der verringerte Druck im Ventilsteuerraum bewirkt eine verringerte Krat auf den Steuerkolben und führt zum Öffnen der Düsennadel. Die Einspritzung beginnt. Injektor vollständig geöffnet Die Öffnungsgeschwindigkeit der Düsennadel wird vom Durchflussunterschied zwischen der Zu- und Ablaufdrossel bestimmt. Der Steuerkolben erreicht seinen oberen Beharrungspunkt und verharrt dort auf einem Kratstoffpolster („hydraulischer Anschlag“). Das Polster entsteht durch den Kratstoffstrom, der sich zwischen der Zu- und Ablaufdrossel einstellt. Die Injektordüse ist nun voll geöffnet. Der Kratstoff wird mit einem Druck, der nahe dem Raildruck liegt, in den Brennraum eingespritzt. Die Kräteverteilung am Injektor ist ähnlich der Kräteverteilung während der Öffnungsphase. Die eingespritzte Kratstoffmenge ist bei gegebenem Druck proportional zur

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Einschaltzeit des Magnetventils und unabhängig von der Motor- bzw. Pumpendrehzahl (zeitgesteuerte Einspritzung). Injektor schließt (Einspritzende) Bei nicht mehr angesteuertem Magnetventil drückt die Ventilfeder den Anker nach unten, die Ventilkugel verschließt daraufhin die Ablaufdrossel. Durch das Verschließen der Ablaufdrossel baut sich im Steuerraum über den Zufluss der Zulaufdrossel wieder ein Druck wie im Rail auf. Dieser ansteigende Druck übt eine erhöhte Krat auf den Steuerkolben aus. Diese Krat aus dem Ventilsteuerraum und die Krat der Düsenfeder überschreiten nun die Krat auf die Düsennadel und die Düsennadel schließt. Der Durchfluss der Zulaufdrossel bestimmt die Schließgeschwindigkeit der Düsennadel. Die Einspritzung endet, wenn die Düsennadel den Düsenkörpersitz wieder erreicht und somit die Spritzlöcher verschließt. Diese indirekte Ansteuerung der Düsennadel über ein hydraulisches Kratverstärkersystem wird eingesetzt, weil die zu einem schnellen Öffnen der Düsennadel benötigten Kräte mit dem Magnetventil nicht direkt erzeugt werden können. Die dabei zusätzlich zur eingespritzten Kratstoffmenge benötigte Servomenge gelangt über die Drosseln des Steuerraums in den Kratstoffrücklauf. Zusätzlich zur Steuermenge gibt es Leckagemengen an der Düsennadel- und der Ventilkolbenführung. Die Steuer- und die Leckagemengen werden über den Kratstoffrücklauf mit einer Sammelleitung, an die auch Überströmventil, Hochdruckpumpe und Druckregelventil angeschlossen sind, wieder in den Kratstoffbehälter zurückgeführt.

Magnetventil-Injektor mit Schieberventil (Maier et al. 2012; Leonhard et al. 2010; Hammer 2013) Der Injektor ist durch folgende Hauptfunktionsgruppen definiert: • das druckausgeglichene Schieberventil, • dem Haltekörper • und das hydraulische Servosystem zur Steuerung der langen Düsennadel Das Grundkonzept des Magnetventil Injektors mit Schieberventil besteht wie beim Injektor mit Kugelventil aus einer servo-gesteuerten Anlenkung der Düsennadel. Die relevanten Parameter der Hochdruckhydraulik wie Ablauf (2) – und Zulauf-Drossel (1) können bezüglich Einspritzrate und Permanentleckage optimiert werden. Die Düsennadel wird voll ballistisch betrieben, um ein lineares Kennfeld zu erreichen. Das Verhalten eines servo-gesteuerten Injektors wird maßgeblich durch das Steuerventil bestimmt. Abbildung 4.32 zeigt ein Schnitt des Injektors und des Ventilbereichs. Das Schaltventil führt im geöffneten Zustand die Steuermenge der A-Drossel (Abb. 4.33) in den Rücklauf. Zusätzlich hat ein druckausgeglichenes Ventil an der Ventilführung eine Permanentleckage. Der Druckausgleich funktioniert vollständig nur bei einer idealen Linienberührung im Sitzbereich. Innerhalb der angeglichenen Ringfläche kann der Systemdruck eine öffnende Krat auf das Ventil ausüben. Wenn mit zunehmendem Verschleiß

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4

4

5 2 3 1

1

Zulaufdrossel

2

Ablaufdrossel

3

Ventilraum

4

Rücklaufstutzen

5

Hochdruckstutzen

Abb. 4.32 Magnetventil-Injektor mit Schieberventil Anker Ankerbolzen

prail

A-Drossel

Fp

pbackflow

Ventilstück

Abb. 4.33 Schieberventil

diese druckunterwanderte Fläche größer wird, kann das Ventil bei hohem Systemdruck undicht werden. Um dies zu vermeiden, werden druckausgeglichene Ventile in der Regel mit einer Sitzbegrenzung ausgeführt, so dass die maximale Angleichfläche limitiert wird. Der Ventilsitz liegt zentrisch oberhalb der Ablaufdrossel. Das bewegte Ventilelement ist hülsenförmig aufgebaut und ist gleichzeitig als Anker auch Teil des Magnetkreises. Die innere Bohrung des Ankers wird durch einen zylindrischen Stit abgedichtet, der mit einem engen Spiel zur Bohrung gepaart ist. Die zweiteilige Konstruktion ermöglicht eine hohe Variabilität bei der Gestaltung der Sitzgeometrie. Dies wurde genutzt, um den Anker im Sitzbereich innerhalb des Führungsdurchmessers zu verstärken. Für eine hohe Dynamik des Schaltventils ist eine große Überschusskrat des Magnetaktors notwendig.

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3

1 5 2

1 Aktormodul 2 Hydraulischer Koppler u. Übersetzer

4

3 Steuer- und Servoventil 4 Düsenmodul 5 Düsennadel

Abb. 4.34 Piezo-Inline-Injektoren

Piezo-Inline-Injektoren Aufbau und Funktion eines Piezo-Inline-Injektors Der Aufbau des Piezo-Inline-Injektors kann in die Hauptbaugruppen (siehe Abb. 4.34) gegliedert werden: • • • •

Aktormodul (1), hydraulischer Koppler oder Übersetzer (2), Steuer- oder Servoventil (3) und Düsenmodul (4).

Bei der Auslegung des Injektors wurde darauf geachtet, dass eine hohe Gesamtsteifigkeit innerhalb der Stellerkette aus Aktor (1), hydraulischem Koppler (2) und Steuerventil (3) erreicht wird. Eine weitere konstruktive Besonderheit ist die Vermeidung von mechanischen Kräten auf die Düsennadel (5), wie sie bei bisherigen Magnetventil-Injektoren über eine Druckstange autreten können. In der Summe konnten damit die bewegten Massen und die Reibung wirkungsvoll reduziert und die Stabilität und verschleißbedingte Veränderung des Injektorverhaltens gegenüber konventionellen Systemen verbessert werden. Zusätzlich bietet das Einspritzsystem die Möglichkeit, sehr kurze Spritzabstände (nahezu hydraulisch pausenfrei) zwischen den Einspritzungen zu realisieren. Die Anzahl und Ausgestaltung der Kratstoffzumessung kann derzeit bis zu acht Einspritzungen pro Einspritzzyklus umfassen und somit den Erfordernissen an die Motorapplikation und der Regeneration des DieselPartikelfilters angepasst werden.

4

Einspritzsysteme

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Durch die enge Kopplung des Servoventils (3) an die Düsennadel wird eine unmittelbare Reaktion der Nadel (5) auf die Betätigung des Aktors erzielt. Die Zeitspanne zwischen dem elektrischen Ansteuerbeginn und der hydraulischen Reaktion der Düsennadel beträgt etwa 150 Mikro-Sekunden. Dadurch können die gegensätzlichen Anforderungen hohe Nadelgeschwindigkeiten mit gleichzeitiger Realisierung kleinster, reproduzierbarer Einspritzmengen erfüllt werden. Prinzipbedingt beinhaltet der Injektor darüber hinaus keine Leckagestellen vom Hochdruckbereich in den Niederdruckkreis. Eine Steigerung des hydraulischen Wirkungsgrads des Gesamtsystems ist die Folge. Ansteuerung des Piezo-Inline-Injektors Die Ansteuerung des Injektors erfolgt über ein Motorsteuergerät, deren Endstufe speziell für diese Injektoren entwickelt wurde. Abhängig vom Raildruck des eingestellten Betriebspunkts wird eine Sollansteuerspannung vergeben. Die Bestromung erfolgt pulsförmig bis eine minimale Abweichung zwischen Soll- und Regelspannung erreicht wird. Der Spannungsanstieg wird proportional in den Hub des Piezoaktors umgesetzt. Über die hydraulische Übersetzung erzeugt der Aktorhub einen Druckanstieg im Koppler, bis das Kratgleichgewicht am Schaltventil überschritten wird und das Ventil öffnet (Abb. 4.35). Sobald das Schaltventil seine Endposition erreicht hat, beginnt nun der Druck im Steuerraum über der Nadel zu sinken und die Einspritzung wird abgesetzt. Abb. 4.35 Piezo-InlineInjektoren: Öffnen und Schließen

4.2.7 Zumessfunktionen Der Begriff Zumessfunktionen umfasst Steuer- und Regelstrukturen im elektrischen Steuergerät, die in Verbindung eines monotonen Injektorverhaltens die geforderte Zumessgenauigkeit bei der Einspritzung sicherstellen. Die Funktionen nutzen ein gezielt entwickeltes Verhalten der Einspritzhydraulik und verwenden zur präzisen Mengenzumessung Signale vorhandener Sensoren als Hilfsgröße sowie modellbasierte Ansätze, die auf den physikalischen Erhaltungsgesetzen beruhen.

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Abb. 4.36 Common Rail Korrektur Funktionen

Der Einsatz solcher Funktionen wird durch die zunehmend schärfer formulierten Lastenhete an die Kratstoffzumessung getrieben, die wiederum aus den dieselmotorischen Entwicklungszielen herrühren. Nämlich stets niedrigere Rohemissionen bei gleichzeitig höheren Komfort- und Leistungsansprüchen mit konkurrenzlos niedrigem Verbrauch. Der Ansatz, die geforderten Genauigkeiten bei der Kratstoffzumessung an die Hydraulikkomponenten selbst zu stellen und diese über die Lebensdauer einhalten zu wollen, hat sich als unwirtschatlich erwiesen. Abbildung 4.36 zeigt eine Übersicht von vier wichtigen Zumessfunktionen zur Erreichung der geforderten Zumesstoleranzen für heutige Applikationen sowie zuküntige Emissionsstandards weltweit. Während die Funktion Injektormengenabgleich – IMA die Fertigungstoleranzen der Einspritzinjektoren im Neuzustand ausgleicht, korrigiert die Druckwellenkompensation – DWK modellbasiert den Mengeneinfluss von Druckwellen bei Mehrfacheinspritzung. Beide Funktionen arbeiten gesteuert und benötigen als Eingangsgrößen Ergebnisse aus Messungen am Hydrauliksystem. Die Nullmengenkalibrierung – NMK nutzt die Hilfsgröße Drehzahländerung, um die Kleinstmenge eines Injektors in situ über der Laufzeit zu lernen. Gestützt auf das λ-Signal ermittelt die Mengenmittelwertadaption – MMA die nötige Lutmasse zur im Mittel eingespritzten Kratstoffmenge. Beide letztgenannten Funktion sind adaptive Mengenregelfunktionen, die sich der Hilfsgrößen aus vorhandenen Sensorsignalen bedienen.

4

Einspritzsysteme

381

Zur Vertiefung der einzelnen Zumessfunktionen sei auf die Beschreibung in Mollenhauer und Tschöke (2007) verwiesen.

4.3

Einspritzung für Großdieselmotoren

4.3.1 Geschichtlicher Rückblick Keine andere Komponente kann während der Geschichte des Dieselmotors so viele unterschiedliche Varianten und Entwicklungsschritte vorweisen wie die Einspritzsysteme. Daher ist es lohnend, in einem Rückblick einen wenn auch unvollständigen Überblick zu geben. Die ersten Dieselmotoren wurden ohne die heute üblichen Einspritzpumpen mit Kratstoff versorgt. Eine Niederdruckpumpe förderte den Kratstoff in eine Zerstäuberdüse (Abb. 4.37), anfänglich auf einen Siebzerstäuber, später in mehrere hintereinandergeschaltete Plattenzerstäuber. Die Düsennadel wurde über einen Nocken zwangsgesteuert mechanisch geöffnet. Mit etwa 60 Bar komprimierte Lut blies dann den Kratstoff durch die gelochten Zerstäuberplatten, die einen feinen Kratstoffnebel erzeugten, in den Zylinder. Diese Art der Kratstoffeinbringung machte die Motoren groß und schwer. Höhere Drehzahlen und dynamische Lastwechsel waren mit dieser Technologie nicht darstellbar. Allerdings ergab sich durch die Kratstoffaufbereitung in der Zerstäuberdüse eine deutlich bessere Gemischbildung als mit einer reinen Flüssigkeitseinspritzung. Grund dafür ist, dass die Gemischbildung über Strahlzerfall, Tröpfchenbildung und -verteilung bei reiner Flüssigkeitseinspritzung erst im Brennraum erfolgen kann.

Abb. 4.37 Zerstäuberdüse

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Der kompressorlose Dieselmotor Um das Betriebsverhalten zu verbessern, entwickelte Prosper L’Orange zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Motor mit einer mechanischen ungeregelten Flüssigkeits-Hochdruckpumpe zur Dosierung des Kratstoffs. Dabei wurde der Kratstoff mit etwa 50 Bar in den Brennraum des Motors eingespritzt. Um die Gemischbildung bei diesem niedrigen Einspritzdruck zu verbessern, wurde der Kratstoff in die sogenannte Vorkammer eingespritzt (Raum a in Abb. 4.38), für die L’Orange 1909 ein Patent erhielt. In der Kammer findet keine schlagartige Explosion statt, sondern eine allmähliche Verbrennung. Der Druck in der Vorkammer steigt dabei nur so weit an, dass die Haupt-Einspritzmenge in die komprimierte Lut des Brennraums mitgerissen wird. Damit konnten die Motoren schon deutlich kompakter gebaut werden, waren aber immer noch zu schwer für den Einbau in mobile Fahrzeuge. Erst weitere Erfindungen von L’Orange wie die Nadel-Einspritzdüse (1919), die Weiterentwicklung der Vorkammer zur Trichtervorkammer (1919) (siehe Abbildung 4.39) und die regelbare Einspritzpumpe (1921) machten den Dieselmotor schnelllauffähig und dabei erstmals tauglich für den Einsatz bei mobilen Anwendungen. Der nicht von Kühlwasser umflossene Bereich (d) des Trichters (c) erwärmt sich während des Motorbetriebs stark. Dadurch ist eine sichere Entzündung des Kratstoffs gewährleistet. Die hohen Strömungsgeschwindigkeiten sowie die Kühlung (e) des Trichters (c) und der Durchtrittsöffnungen in den Brennraum im unteren Bereich verhindern eine Verkokung. Ein seitlich angeordneter Glühstit (f) lässt eine Anwärmung der Vorkammer für den Start des Motors zu. Verbesserungen in den Folgejahren betrafen die Ausgestaltung der Vorkammer, deren Größe typischerweise 20–40 % des Gesamtbrennraums einnimmt: so zum Beispiel die LenAbb. 4.38 Vorkammer

4

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Abb. 4.39 L’Orange Trichtervorkammer

kung des Strahls gezielt auf den Glühstit, um durch das rasche Verdampfen des Kratstoffs den Zündverzug weiter zu vermindern. Eine Sondervariante der Vorkammermotoren sind die von MAN entwickelten Motoren mit Mittenkugel-Vorkammer. Hierbei wird die Vorkammer aus dem Zylinderkopf in eine kugelförmige Ausnehmung in den Kolben verlegt. Durch das Einspritzen des Kratstoffs auf die heiße Kugeloberfläche kommt es zu einer schnellen Verdampfung. Dabei findet eine vorkammerähnliche Verbrennung ohne die dabei autretenden Strömungsverluste der heißen Gase durch die Überströmöffnungen in den Brennraum statt. Durch diese Maßnahmen sind bei modernen Vorkammermotoren Drehzahlen von bis zu 5500 1/min möglich. Die Einspritzdrücke bei Vorkammermotoren liegen bei ca. 400 Bar. Dadurch und durch die weiche Verbrennung sind die Belastungen für das Einspritzsystem und die Motorenbauteile sehr gering, was zu einer hohen Lebensdauer dieser Dieselmotoren führt. Allerdings wirken sich die große kühlende Oberfläche der Vorkammer und die Überströmverluste negativ auf den Verbrauch aus, der etwa 15–20 % höher liegt als bei vergleichbaren Motoren mit Direkteinspritzung. Zusätzlich benötigt das Vorkammer-Brennverfahren im Vergleich zur Direkteinspritzung eine Glühkerze für den Kaltstart. Ein weiterer Vorteil der Direkteinspritzung ist – infolge der effizienteren Verbrennung – eine wesentlich geringere Rußentwicklung. Dem gegenüber ist der Motorlauf der Direkteinspritzung im Vergleich zur Vorkammerverbrennung deutlich lauter, die notwendigen Einspritzdrücke sind wesentlich höher und der Zündverzug größer.

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Direkteinspritzung Steigende Kratstoffkosten waren zwischen 1960 und 1999 die maßgeblichen Treiber für die Weiterentwicklung von großen Dieselmotoren. Erst 2000 mit der Einführung der IMO Tier I und anderer gesetzlicher Emissionsgrenzen änderte sich dies. Da Laufgeräusche im Bereich der Großmotoren nur eine untergeordnete Rolle spielen, konnten dort schon früh direkteinspritzende Brennverfahren eingesetzt werden. Die Gemischbildung bei direkteinspritzenden Brennverfahren erfolgt nicht über die Verdampfung des Kratstoffs an heißen Wänden, sondern durch die umgebende Lut im Brennraum. Um möglichst kurze Zündverzüge und eine emissionsarme Verbrennung zu erreichen, muss der Kratstoff optimal mit der Lut im Brennraum vermischt werden. Dazu ist es notwendig, möglichst kleine Tröpfchen im Einspritzstrahl zu realisieren. Dies lässt sich am einfachsten über einen hohen Einspritzdruck erreichen, der zu einer hohen Strahlgeschwindigkeit führt, die ihrerseits einen guten Strahlaufbruch und kleine Tröpfchen bewirkt.

4.3.2 Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzsysteme Die Weiterentwicklung der bereits von L’Orange in den 1920er Jahren patentierten regelbaren Einspritzpumpe und Nadel-Einspritzdüse führte zu den Pumpe-Leitung-Düse(PLD)Systemen, wie sie heute noch im Einsatz sind. Hierbei wird jedem Zylinder über einen nockengetriebenen Pumpkolben die einzuspritzende Menge zur Verfügung gestellt. Die Verteilung des Kratstoffs im Brennraum übernehmen dabei federbelastete Nadelventile mit Mehrlochdüsen. Abbildung 4.40 zeigt die moderne Ausführung eines solchen Einspritzsystems. Die Rolle rollt auf dem Einspritznocken des Verbrennungsmotors ab, der über seine Form die Hubbewegung (Weg und Geschwindigkeit) der Einspritzpumpe vorgibt. Der Hub des Plungers bestimmt in Verbindung mit dem Kolbendurchmesser die maximal mögliche Einspritzmenge, der Verlauf der Einspritzrate ist durch die Form des Nockens vorgegeben. Der Stößel übernimmt die Führung der Rolle und überträgt die Bewegung auf den Plunger. Die Rückstellfeder hält die oszillierenden Teile in der Abwärtsbewegung auf dem Nocken, sodass kein Abheben oder Rutschen der Rolle stattfindet. Abbildung 4.41 zeigt in prinzipieller Darstellung die Funktion der Mengenregelung einer mechanischen Einspritzpumpe: Wenn der Plunger (3) im Pumpenelement (1) mit seiner oberen Steuerkante die beiden Steuerbohrungen (2) überfährt und damit verschließt, beginnt der Druckaufbau in der Pumpe. Der verdrängte Kratstoff wird durch das Druckventil über das Anschlussstück in die zum Einspritzventil führende Einspritzleitung gefördert. Überfährt die schräge Steuerkante (4) des Plungers die Steuerbohrung, wird diese wieder geöffnet. Der Druck oberhalb des Plungers baut sich ab, die Einspritzung ist beendet. Die Mengenregelung erfolgt über die Regelstange (5), die den Plunger (3) verdreht, so dass die Länge des Verdrängerhubs zwischen der oberen und der schrägen Steuerkante (4) verändert wird.

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.40 Pumpe-LeitungDüse-Einspritzsystem

Der Druck in der Einspritzleitung baut sich so weit ab, bis ein Gleichdruckventil schließt. Typische Restdruckwerte von 80 bis 100 Bar in Einspritzleitung und -ventil verhindern das Entstehen von Kavitationserosion durch kritische (Unter-)Druckwellen nach dem Einspritzende. Der Kolben saugt während seiner Abwärtsbewegung durch die Steuerbohrungen wieder neuen Kratstoff in den Verdrängerraum ein. Die nächste Einspritzung kann erfolgen.

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Abb. 4.41 Mengenregelung mechanischer Einspritzpumpen (Bruognolo und Ritter 2002)

Abb. 4.42 Einspritzventil eines Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzsystems

Die Abdichtung des Hochdrucks im Pumpenelement erfolgt an den bewegten Teilen durch sehr geringe Spiele (wenige Mikrometer) zwischen Plunger und Kolbenführung, Verlustleckagen sollten minimiert werden. Andererseits ist sowohl mit thermischen Einflüssen während des Betriebs (vor allem mit heißem Schweröl) als auch mit unterschiedlichen Kratstoffqualitäten zu rechnen, bei denen der Plunger nicht fressen darf. Deshalb sind Plunger heute typischerweise mit harten Verschleißschutzschichten versehen, die gleichzeitig die Gleiteigenschaten verbessern. Die Einspritzleitungen von der Pumpe zum Einspritzventil sind bei Großmotoren in der Regel doppelwandig ausgeführt. Sollte es zu einer Undichtheit des inneren Hochdruckrohrs kommen, wird ein Austreten von Kratstoff verhindert (Feuergefahr). Die Düsennadel wird aus ihrem Sitz gehoben, wenn die nach oben wirkende Krat durch den Einspritzdruck die Schließkrat der Düsennadelfeder übersteigt. Um bereits zu Beginn der Einspritzung eine möglichst gute Zerstäubung zu erreichen, wird die Düsennadel mithilfe der Feder auf einen Öffnungsdruck von typischerweise 350 bis 550 Bar eingestellt. Der Kratstoff wird anschließend durch die Mehrlochdüse in den Brennraum eingespritzt. Abbildung 4.42 zeigt ein typisches Einspritzventil eines Pumpe-Leitung-DüseEinspritzsystems. Für Motoren, die Schweröl einspritzen, sind die Düsenelemente aufgrund der autretenden höheren Verbrennungstemperaturen mit Motoröl gekühlt. Düsenelemente sind typische Verschleißteile und können im Feld auch vom Endbenutzer ausgetauscht werden.

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Einspritzsysteme

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4.3.3 Pumpe-Düse-Einspritzsysteme Ein Nachteil des Pumpe-Leitung-Düse-Systems ist der relativ langsame Druckaufbau bei Einspritzbeginn und der langsame Druckabbau bei Einspritzende. Grund dafür sind die großen Flüssigkeitsmengen in den langen Leitungen zwischen Pumpe und Einspritzventil. Um diesen Nachteil zu umgehen und um weiter steigende Einspritzdrücke darstellen zu können, werden die Einspritzpumpe und das Einspritzventil in einer Pumpe-Düse-Einheit (Unit Injector) zusammengefasst. Die hydraulische Steifheit des Systems steigt damit an, die Druckgradienten bei Spritzbeginn und -ende werden steiler, höhere Einspritzdrücke sind darstellbar. Prinzipielle Überlegungen und erste Konstruktionen dazu gab es bereits in den 1940er Jahren. Probleme der ersten Konstruktionen waren die mangelhate Kühlung der PumpeDüse-Einheiten, der geringe zur Verfügung stehende Bauraum und die Schwierigkeit der Abdichtung der autretenden hohen Drücke. Die praktische Umsetzung einer kompakten Pumpe-Düse-Einheit gelang erst durch weitere Detailverbesserungen, die durch Rudolf L’Orange in den 1950er Jahren zum Patent angemeldet wurden und in Maybach-Motoren zur Serienreife gelangten. Abbildung 4.43 zeigt eine frühe Pumpe-Düse-Einheit für einen Großmotor. Der Antrieb des Pumpkolbens erfolgt von der Motor-Nockenwelle T über den Kipphebel U. Während des Pumphubs ist das Rückschlagventil F1 geschlossen. Der Druckaufbau im Arbeitsraum G1 erfolgt, sobald die Steuerbohrung N1 verschlossen ist. Beim Erreichen des Öffnungsdrucks der Düsennadel-Verschlussfeder H öffnet die Nadel F nach unten, die Einspritzung beginnt. Die Einspritzung ist beendet, wenn die helixförmige Steuernut O1 die Steuerbohrung N1 überfährt. Die Einstellung der Einspritzmenge erfolgt über das Verdrehen des Kolbens mithilfe der Regelstange W. Die Kühlung der Pumpe-Düse-Einheit erfolgt während der gesamten Einspritzpause mit durchströmendem Kratstoff. Dieser strömt über die Bohrung C1 über die oberen Nuten und Bohrungen im Gehäuse bzw. über die Kolbenführung in das Innere E1 des Kolbens. Da das Rückschlagventil F1 geöffnet ist, strömt der Kratstoff durch den Arbeitsraum G1, kühlt die Wandung der Kolbenführung C, den Sitz des Druckventils T1 und die Düsenkappe D. Er tritt dann über die Steuerbohrung N1 in die Bohrung N aus und anschließend zurück in den Rücklaufanschluss W1. Die gesamte Pumpe-Düse-Einheit hat nur drei Stellen, an denen Hochdruck abgedichtet werden muss: am Sitz des Rückschlagventils F1, an der Teilfuge zwischen Nadelführung und Pumpenelement sowie zwischen Kolben und Kolbenführung. Der Nachteil aller mechanischen Einspritzsysteme ist, dass der Zeitpunkt der Einspritzung während des Betriebs nicht verändert werden kann. Um dies zu ermöglichen, wurden Einspritzsysteme mit elektrisch betätigten Absteuerventilen entwickelt. Die Kolben sind ohne helixförmige Steuerkante, die Pumpe fördert immer während des gesamten Arbeitshubs. Der Beginn der Einspritzung wird durch das Schließen des Ventils gesteuert, das Einspritzende erfolgt durch das Öffnen des Steuerventils.

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Abb. 4.43 Pumpe-DüseEinheit

Elektrisch betätigte Absteuerventile in Kombination mit Pumpe-Düse-Einspritzventilen führten zur Entwicklung des Electronic Unit Injectors, der bei Pkw-Motoren z. B. von Volkswagen noch bis zum Ende der 1990er Jahre erfolgreich eingesetzt wurde. All diese Weiterentwicklungen konnten die grundlegende Schwäche der nockengetriebenen Einspritzsysteme jedoch nicht beheben. Der Druck, der sich im Einspritzsystem einstellt, ist im Wesentlichen eine Funktion aus dem pro Zeiteinheit verdrängten Volumen in der Pumpe und dem hydraulischen Widerstand der Spritzlöcher in der Düse. Da die Hubgeschwindigkeit des Plungers auf der Nockenwelle direkt proportional zur Motordrehzahl ist, ist der Einspritzdruck damit stark von der Motordrehzahl abhängig. Eine Lösung dieses Problems ist nur durch ein System möglich, das den Einspritzdruck unabhängig von der Motordrehzahl zur Verfügung stellt.

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.44 Speicher-Einspritzsystem 1. Generation

4.3.4 Speicher-Einspritzsysteme Common-Rail-Systeme 1. Generation Der namensgebende Grundgedanke ist, elektrisch betätigte Einspritzventile (Injektoren) aus einem gemeinsamen Speicher (Common Rail) konstant mit Druck zu versorgen. Obwohl es hierzu bereits in den 1930er Jahren erste Überlegungen gab, wurde die praktische Ausführung dieser Systeme erst Ende der 1980er Jahre möglich, als durch die Entwicklung leistungsfähiger Mikrochips schnelle Rechen- und Regelmöglichkeiten für mobile Anwendung zur Verfügung standen. Abbildung 4.44 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines solchen Speicher-Einspritzsystems. Die Hochdruckpumpe erzeugt den Druck unabhängig von der Drehzahl des Motors. Der Kratstoff wird am zwischengeschalteten Sicherheitsventil vorbei in das entlang des Motors verlaufende Rail eingespeist. Von dort aus abgehend werden die Einspritzventile mit Kratstoff versorgt. Das ganze Einspritzsystem wird von einer Elektronik (Engine Control Unit) geregelt, die die Fördermenge der Pumpe und die Einspritzmenge der Injektoren steuert. Die Hochdruckpumpe (Abb. 4.45) ist mit dem Rädertrieb des Motors verbunden, das Triebwerk ist motorölgeschmiert und an den Schmierölkreislauf des Motors angeschlossen. Eine Saugdrossel steuert den Kratstoffeintritt in die Pumpe, sodass nur die aktuell benötigte Menge verdichtet wird. Die Steuerungsrichtung der Saugdrossel ist bei Großmotoren stromlos offen. Damit wird gewährleistet, dass der Motor auch beim Ausfall des Saugdrosselmagneten oder eines Kabelbruchs weiterbetrieben werden kann. Die Plunger sind ohne Steuerkanten, die Kolbenführungen ohne Steuerbohrungen, die Steuerung des Kratstoffflusses in den Pumpenelementen übernehmen Saug- und Druckventile. Das Anschlussstück sammelt den verdichteten Kratstoff, dämpt die Druckpulsationen im integrierten Speicher und gibt den Kratstoff durch die Hochdruckleitung an das Rail weiter.

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Abb. 4.45 Common-Rail-Hochdruckpumpe für Großmotor

Abb. 4.46 Common Rail

Bei Common-Rail-Systemen der 1. Generation (Abb. 4.46) wird der für die Einspritzung benötigte Kratstoff in einem Hochdruckrohr gespeichert. Aus Sicherheitsgründen sind die Hochdruckrohre mit einem weiteren Rohr ummantelt, eventuell austretende Leckagen aus dem Hochdruckbereich werden gesammelt und abgeleitet. Mengenbegrenzungsventile am Railabgang verhindern ein Nachströmen des Kratstoffs im Fall einer brechenden Einspritzleitung oder einer in geöffneter Stellung blockierten Düsennadel. Weitere Ventile wie z. B. Sicherheitsventile oder Spülventile für Schwerölbetrieb sind integriert. Bei größeren Motoren werden die Rails in Segmente mit zwei bis vier Injektoranschlüssen aufgeteilt, da sonst die Einzelrails zu groß und zu schwer werden. Bei der Befestigung der Rails für Schwerölmotoren ist auf eine Fest-Los-Lagerung zu achten, da sich die mehrere Meter lan-

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.47 SchwerölSpülventil

gen Rohre aufgrund der im Betrieb autretenden großen Temperaturdifferenzen deutlich ausdehnen. Werden Schwerölmotoren mit Kratstoffen hoher Viskosität (bis zu 700 cSt bei Raumtemperatur) betrieben, frieren die Leitungen bei Motorstillstand ein. Um dies zu verhindern, wird das Einspritzsystem vor dem längeren Abstellen des Motors mit Dieselkratstoff gespült. Werden die Motoren nur kurzzeitig abgestellt (Beispiel: Fährbetrieb), wird das Kratstoffsystem mit heißem Schweröl gespült. Dazu muss das Einspritzsystem möglichst am pumpenfernsten Ende geöffnet werden. Das dafür eingesetzte Spülventil ist in Abb. 4.47 dargestellt. Wenn kein Druck im Rail anliegt, hält die Feder das Ventil geöffnet. Heißer (Spül-) Kratstoff kann in das Ventil eintreten, am Ventilsitz durch das Ventil strömen und über den Austritt zurück zur Vorförderpumpe geleitet werden. Soll der Motor gestartet werden, wird Drucklut unterhalb des Kolbens angelegt, das Ventil wird über die Kolbenstange nach oben in seinen Sitz gezogen und damit geschlossen. Im Rail kann jetzt Druck aufgebaut werden. Wenn der Raildruck groß genug ist, muss das Ventil nicht mehr aktiv mit Drucklut zugehalten werden, es ist selbstschließend ausgeführt. Am Ende der doppelwandigen Einspritzleitungen befinden sich die elektrisch angesteuerten Injektoren. Die Ansteuerung der Düsennadel erfolgt hierbei nicht direkt über einen Magnet, sondern über ein magnetgesteuertes Pilotventil (Abb. 4.48). Bei unbestromtem Magneten steht der volle Systemdruck oberhalb der Kolbenstange und am Nadelsitz der Düse an. Wir der Magnet bestromt, hebt sich das Pilotventil aus seinem Sitz. Aus der Abflussdrossel des Steuerraums strömt Kratstoff aus. Da die Zulaufdrossel kleiner ist als die Abflussdrossel, sinkt der Druck im Steuerraum ab. Wenn das Produkt aus Druck im Steuerraum und Fläche der Kolbenstange kleiner ist als das Produkt

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Abb. 4.48 Common-Rail-Injektor 1. Generation (Diesel)

aus Druck und Fläche an der Düsennadel, beginnt sich die Nadel zu öffnen, der Einspritzvorgang beginnt. Wird der Manget nicht mehr bestromt, schließt sich das Pilotventil. Der Druck im Steuerraum erhöht sich durch den Zufluss von Kratstoff durch die Zulaufdrossel. Wenn das Produkt aus Druck im Steuerraum und Fläche der Kolbenstange größer ist als das Produkt aus Druck und Fläche an der Düsennadel, schließt sich die Nadel, der Einspritzvorgang ist beendet. Der Kratstoff wird über Mehrlochdüsen mit meist sieben bis neun Spritzlöchern, die bei Großmotoren einen Durchmesser von bis zu 1 mm erreichen können, in den Brennraum eingebracht. Mit Systemen dieser Art sind gute Einfacheinspritzungen bei beliebigem Raildruck zu jedem gewünschten Zeitpunkt darstellbar. Allerdings stellen sich im Injektor während und vor allem am Ende der Einspritzung hohe Druckschwingungen ein (siehe Abb. 4.49). Grund dafür sind einerseits die großen Einspritzmengen, die bis zu 20.000 mm pro Einspritzung betragen. Andererseits aber auch lange Leitungen vom Rail zum Injektor, die bei Großmotoren über 1 m lang sein können. Beim Öffnen der Düsennadel sind diese nicht in der Lage, den Kratstoff schnell genug aus dem Speicher nachzuführen. Es kommt beim Nadelöffnen zu einem Druckeinbruch und beim Nadelschließen zu einer Drucküberhöhung. Die Lage und Höhe dieser Druckschwingungen sind nicht nur von der Menge der Haupteinspritzung abhängig, auch die Viskosität und Temperatur des Kratstoffs haben einen Einfluss. Speziell bei Schwerölmotoren führt dies zu Variationen, die über z. B. rechnerische Druckwellenkompensationen nicht mehr beherrschbar sind.

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Abb. 4.49 Einspritzverlauf Common-Rail-Injektor 1. Generation

Würde man eine Nacheinspritzung anschließen, wären Beginn und Menge der Nacheinspritzung davon abhängig, ob die Nacheinspritzung in einem Druckberg oder in einem Wellental beginnt. Mengenunterschiede von 10 % und mehr können dadurch autreten. Lösung für dieses Problem bieten die Common-Rail-Systeme der 2. Generation.

Common-Rail-Systeme 2. Generation Das Problem der Druckschwingungen durch die Einspritzung lässt sich nur dadurch lösen, dass man den Speicher so nah wie möglich an die Düse rückt. Nächstmöglicher Ort ist die Integration des Speichers in den Injektor. Abbildung 4.50 zeigt den Systemaufbau eines solchen Einspritzsystems. Der Systemaufbau ähnelt dem der 1. Generation. Auch hier erzeugt eine zentrale Pumpe den Druck für das ganze System. Ein Sicherheitsventil als Bauteilschutz ist weiterhin integriert. Das Speicherrail der 1. Generation ist allerdings zu einem Verteilersystem reduziert, die Druckspeicherfunktion ist in die Injektoren verlagert. Das Motorsteuergerät (Engine Control Unit) steuert auch hier die Saugdrossel der Hochdruckpumpe und die Magneten in den Injektoren. Im Vergleich zum Injektor der 1. Generation ist das Pilotventil beim Injektor der 2. Generation (siehe Abb. 4.51) direkt über der Düsennadel angeordnet, die lange schwere Kolbenstange entfällt. Dadurch erhöht sich die Schaltgeschwindigkeit des Pilotventils, kürzere Abstände zwischen den (Mehrfach-)Einspritzungen sind möglich. Das für die Einspritzung notwendige Speichervolumen ist in das Injektorgehäuse integriert. Das Mengenbegren-

394 Abb. 4.50 SpeicherEinspritzsystem 2. Generation

Abb. 4.51 Common-Rail-Injektor 2. Generation

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Abb. 4.52 Einspritzverlauf Common-Rail-Injektor 2. Generation

zungsventil (MBV) ist im Innern des Injektors angeordnet, um ein Entleeren des Injektorspeichers in den Brennraum zu verhindern. Der integrierte Speicher reduziert den Druckabfall und vor allem die Druckschwingungen während der Einspritzung deutlich, es sind mit diesem Injektorprinzip sehr stabile Mehrfacheinspritzungen möglich. Einen typischen Mehrfach-Einspritzverlauf zeigt Abb. 4.52. Wie im Bereich der Pkw- und Nfz-Motoren werden so heute stabile Mehrfacheinspritzungen mit Einspritzdrücken von deutlich über 2000 Bar realisiert. Durch den dominanten Einfluss der Einspritzung auf die Verbrennungsthermodynamik können somit geringe Stickoxidemissionen und nahezu rußfreie Abgase bei sehr hohen thermischen Wirkungsgraden erzielt werden.

Schweröl-Common-Rail-Systeme Die hohen Temperaturen und abrasiven Bestandteile des Schweröls als Betriebsmedium machen besondere Maßnahmen erforderlich, um Common-Rail-Systeme zur Einspritzung von Schweröl zu ertüchtigen. Schweröl muss auf eine Temperatur von etwa 120 bis 140 °C aufgeheizt werden, um eine einspritzbare Viskosität von maximal 20 cSt zu erreichen. Zusätzlich erwärmt sich der Kratstoff im Pilotventil durch die Entspannung in der Abflussdrossel auf Umgebungs-

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Abb. 4.53 Schwerölinjektor 1. Generation

druck. Um die Lebensdauer der z. B. Kunststoffvergussmasse im Elektromagnet zu erhöhen, ist dieser deshalb vom Pilotventil entfernt angeordnet und zusätzlich motorölgekühlt. Abbildung 4.53 zeigt den Aufbau eines solchen Schwerölinjektors der 1. Generation. Die Ankerstange des Magneten ist extrem verlängert, mehrfach im Injektorgehäuse geführt und auf ihrer ganzen Länge ölgeschmiert. Da Schweröl einen hohen Anteil an abrasiven Partikeln enthält, ist das Pilotventil aus Hartmetall hergestellt. Mit diesen Injektoren der 1. Generation sind Einfacheinspritzungen möglich und auch über die Lebensdauer des Injektors stabil darstellbar. Mehrfacheinspritzungen dagegen sind nur eingeschränkt möglich. Abbildung 4.54 zeigt den Einspritzverlauf eines solchen Injektortyps für Einfach- und Mehrfacheinspritzung. Die Druckschwingungen, vor allem am Ende der Haupteinspritzung, verhindern eine stabile Nacheinspritzung. Zusätzlich werden die Bauteile durch die autretenden hohen Druckspitzen extrem beansprucht. Um auch für Schwerölmotoren stabile Mehrfacheinspritzungen darstellen zu können, ist der Speicher bei den Schwerölinjektoren der zweiten Generation (Abb. 4.55) ebenfalls in das Injektorgehäuse integriert. Der ölgekühlte und -geschmierte Magnet liegt direkt über dem Pilotventil, ist aber von diesem über eine kurze abgedichtete Übertragungsstange getrennt, sodass er nicht mit dem heißen und aggressiven Schweröl in Berührung kommt.

4.3.5 Derivate Einspritzventile für Gasmotoren Großmotoren werden nicht nur mit Flüssigkratstoffen betrieben, als zunehmend kostengünstige Alternative wird auch Gas verwendet. Hierbei kommen neben Erdgas auch so-

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.54 Einspritzverlauf Schwerölinjektor 1. Generation

Abb. 4.55 Schwerölinjektor 2. Generation

genannte Schwachgase wie Deponiegas, Biogas oder Grubengas zum Einsatz. Gebräuchlich sind im Wesentlichen zwei Brennverfahren: das Otto-Brennverfahren mit der äußeren Gemischbildung im Ansaugkrümmer und das strahlgeführte Diesel-Brennverfahren mit Diffusionsverbrennung. Hierbei wird das Gas direkt mit hohem Druck in den Brennraum eingeblasen.

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Abb. 4.56 Dual-Fuel-Einspritzventil für Otto-Brennverfahren

Da Zündkerzen nur eine kleine Zündenergie (wenige Joule) zur Verfügung stellen können und ihre Lebensdauer auf wenige Tausend Betriebsstunden begrenzt ist, werden große Gasmotoren durch eine kleine Diesel-Einspritzmenge gezündet. Diese Pilot-Einspritzmenge – weniger als 1 % der Energiemenge, die durch die Gasverbrennung entsteht – entzündet auch Schwachgase in sehr großen Brennräumen zuverlässig. Um bei Ausfall der Gasversorgung den Motorbetrieb sicherstellen zu können, werden große Gasmotoren z. T. auch als Dual-Fuel-Motoren ausgelegt. Das heißt, sie können zusätzlich zum Gasbetrieb auch mit Flüssigkratstoff betrieben werden. Zur Einbringung der sowohl Pilot- als auch Volllast-Kratstoffmenge in den Brennraum werden im Prinzip zwei Einspritzventile benötigt. Da der Bauraum im Zylinderkopf stark begrenzt ist, werden die beiden Düsen in einem Gehäuse integriert. Abbildung 4.56 zeigt ein solches Einspritzventil für einen Dual-Fuel-Motor. Im unteren Bereich ist das Pilot-Einspritzventil zu sehen. Hierbei handelt es sich um ein Diesel-Common-Rail-Einspritzventil der 1. Generation. Der obere Bereich zeigt das Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzventil für den reinen Flüssigkratstoffbetrieb. Da der Betrieb mit Flüssigkratstoff bei den meisten Dual-Fuel-Motoren nicht den Hauptbetrieb darstellt, kann in diesem Fall auf ein modernes Einspritzsystem verzichtet werden. Die Düse ist zwischen den beiden Düsennadeln mit Motoröl gekühlt, da sie während des Gasbetriebs über die große Stirnfläche große Wärmemengen aufnimmt. Einspritzsysteme für strahlgeführte Diesel-Brennverfahren müssen neben dem Flüssigkratstoff für Pilot- und Haupteinspritzung auch das Gas in den Brennraum eindosieren. Das Gas kann hierbei entweder tiefgekühlt und flüssig oder gasförmig und verdichtet zugeführt werden. Im Fall der tiefgekühlten Lagerung wird das Gas in flüssigem Zustand auf etwa 300 Bar verdichtet. Anschließend wird es verdampt, in gasförmigem Zustand über ein Gas-Common-Rail zum Injektor geführt und von dort zentral in den Brennraum eingeblasen. Anwendungen für gasförmige Brennstoffzufuhr beschränken sich meist auf solche, bei denen Gas bereits unter hohem Druck zur Verfügung steht (z. B. Blow-by-Gas auf Ölbohrplattformen). Das Hochdruck-Gasventil (Abb. 4.57) besteht aus einem inneren Pumpe-Leitung-DüseEinspritzventil und einem äußeren hydraulisch betätigten Gas-Einspritzventil. Es besitzt drei konzentrisch um das innere Ventil angeordnete Düsennadeln, die über Übertragungsstangen, eine Verteilerplatte und eine Feder geschlossen werden (untere Nadel in linker Ansicht). Der von einer Schalteinheit (nicht dargestellt) angesteuerte zentrale Hydraulik-

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Abb. 4.57 Einspritzventil für Hochdruck-Gaseinspritzung (links); Detailansicht Düsenelement (rechts)

Abb. 4.58 Wasser-Side-Injektor

kolben hebt diese drei Nadeln gleichzeitig an, wenn Gas eingeblasen werden soll. Das innere Pumpe-Leitung-Düse-Ventil ist in der Lage, sowohl die Pilot-Zündmenge als auch die Volllastmenge an Flüssigkratstoff einzuspritzen, ein Umschalten von Gas- auf Flüssigkratstoffbetrieb ist ohne Leistungsabfall des Motors möglich.

Wasser-Einspritzsystem In die Verbrennung eingebrachtes Wasser senkt die Verbrennungstemperatur und damit die Stickoxidemissionen. Neben der Befeuchtung der Ansauglut und dem Einsatz von Kratstoff-Wasser-Emulsion kann Wasser auch direkt in den Brennraum eingespritzt werden. Entweder über einen Zentralinjektor mit zwei Düsennadeln, sehr ähnlich dem bereits beschriebenen Dual-Fuel-Injektor, oder über ein seitlich im Brennraum angebrachtes Einspritzventil (Abb. 4.58). Dazu kann im Fall einer Nachrüstung z. B. eine bereits im Zylinderkopf vorhandene Inspektionsbohrung verwendet werden. Bei dem Einspritzventil handelt es sich um ein Common-Rail-Einspritzventil der 1. Generation, da der Einspritzdruck mit etwa 250 Bar zum einen sehr niedrig ist und zum anderen eine Einfacheinspritzung ausreicht. Die Düse des Einspritzventils muss aus einem extrem korrosionsfesten Material bestehen, da sich durch die Verbrennungsgase in Verbindung mit dem im Sackloch zurückbleibenden Wasser sehr aggressive Säuren bilden.

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Einspritzsysteme für Sonderkraftstofe Schweröl-Common-Rail-Einspritzsysteme sind prinzipiell in der Lage, auch Biokratstoffe einzuspritzen. Veresterte Kratstoffe (Biodiesel), wie sie heute Kratstoffen im Kfz-Bereich zugemischt werden, stellen dabei im Allgemeinen während des Betriebs kein Problem dar. Die sensiblen Komponenten wie Anker und Pilotventilstange, die mit relativ geringen Kräften betätigt werden, kommen nicht mit dem Kratstoff in Berührung. Biorohöle oder Reststoffe aus der lebensmittelverarbeitenden Industrie (z. B. gebrauchtes Frittierfett) sind zurzeit nur mit Pumpe-Leitung-Düse-Systemen gut beherrschbar. Starken Schwankungen unterliegen dabei die chemischen Eigenschaten, die sich durch Lagerung auch noch verändern können. Besonders kritisch ist dabei der Anstieg der Säurezahl bei unsachgemäßer oder zu langer Lagerung von Biorohöl. Dies macht den Einsatz von Sonderstählen oder zusätzlichen Beschichtungen notwendig. Im Gegensatz zu Einspritzsystemen in Pkw- und Nfz-Motoren decken die Systeme für Großmotoren sehr viel größere Anwendungsbereiche und Ausführungsvarianten ab. Über die beschriebenen Applikationen und Derivate hinaus existieren noch viele Sonderlösungen, auf die hier jedoch nicht eingegangen wird.

4.4 Hydraulische Simulation Mit der gestiegenen Flexibilität von CR-Einspritzsystemen, hinsichtlich Anzahl, Position und Dauer der Einspritzereignisse ist die Bedeutung der Darstellung der Interaktivität von Einspritzsystem und Brennverfahren ebenfalls gewachsen. Im Rahmen von Vorausberechnungen und Motorprozessoptimierungen müssen die Auswirkungen von Einspritzparameteranpassungen, z. B. einer Spritzabstandsvariation (Veränderung des Abstandes zwischen einer Vor-und der Haupteinspritzung), bekannt sein; ein Berechnungsmodell erscheint somit unerlässlich. Im Folgenden wird die hydraulische Simulation anhand des Einsatzes bei der Berechnung eines Einspritzsystemen erläutert. Die gleichen Überlegungen besitzen für die Berechnung von z. B. Ölkreisläufen ebenfalls ihre Gültigkeit.

4.4.1 Modellierung der Grundkomponenten Grundlegend lassen sich auch komplexe hydraulische Systeme, analog zum Ansatz der Füllund Entleermethode, in eine Aneinanderreihung von elementaren Bauteilen zerlegen. Die sind im Wesentlichen Drosseln, Volumina und Leitungen.

Drosseln Drosseln stellen für das hindurchströmende Fluid eine Störstelle dar. Die Strömung wird an der engsten Stelle der Drossel zunächst eingeschnürt und beschleunigt. Hinter der Engstelle wird die Strömung wieder verzögert. Die dissipativen Verluste aufgrund der Beschleunigung und der Verzögerung manifestieren sich in einem Druckverlust der Strömung über

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Einspritzsysteme

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Abb. 4.59 Exemplarische Darstellung des Durchflussbeiwertes in Abhängigkeit von der Drosselgeometrie

der Drossel. In der einfachsten Form können diese Druckverluste unter Zuhilfenahme der Bernoulli-Gleichung beschrieben werden Δp =

 ρ ( ) Q .  ζ ⋅ AD

(4.1)

Dabei ist AD die Fläche im engsten Querschnitt der Drossel und ζ die Kontraktionszahl. Für eine korrekte Beschreibung ist das Vorzeichen der Strömung Q zu beachten. Gleichung 4.2 beschreibt den Zusammenhang zwischen der Kontraktionszahl und dem Durchflussbeiwert Cd .  Cd = √ . (4.2) ζ

Der Durchflussbeiwert, welcher neben geometrischen Randbedingungen auch von der Strömungsgeschwindigkeit, also von der Reynoldszahl abhängt und die einzelnen Verlustfaktoren zusammenfasst, ist eine charakteristische Größe zur Berechnung von Durchströmverlusten. Abbildung 4.59 stellt exemplarisch den Verlauf des Durchflussbeiwertes in Abhängigkeit von der Drosselgeometrie, gemäß Lichtarowicz et al. (1965), dar. Die Durchflussbeiwerte werden zumeist empirisch für die unterschiedlichsten Geometrien und Randbedingungen experimentell ermittelt. Eine umfangreiche Sammlung findet sich z. B. in Idel’chik (1996).

Volumina Hydraulische Volumina bilden Verbindungsknoten in hydraulischen Systemen und Netzwerken dar, siehe Abb. 4.60. Sie sind mit einem Fluid gefüllt, welches entsprechend der Berechnung kompressibel oder inkompressibel sein kann. Hydraulische Volumina weisen zumeist ein konstantes Volumen auf. Werden sie mit einem anderen funktionalen Bauteil verbunden, z. B. einem Hydraulikzylinder, kann das Volumen auch veränderlich sein. Ist das gewählte Fluid kompressibel, so führt die Massenerhaltung in dem Knoten unter Zuhilfenahme der Zustandsgleichungen für p(ρ) und zu einer Differenzialgleichung für den Druck im Knoten.

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Abb. 4.60 Volumenknoten

Ist das Fluid kompressibel, wird die Änderung des Druckes über das Elastizitätsmodul E erfasst dp . (4.3) E = −V dV

Bei Kenntnis des E-Moduls, welcher eine Stoffeigenschat des Fluides darstellt, kann für einen Knoten konstanten Volumens die Druckänderung berechnet werden p˙ =

E ∑ Qi . V

(4.4)

Die korrekte Modellierung der charakteristischen Fluideigenschaten, wie z. B. Dichte und E-Modul nimmt einen großen Stellenwert in der hydraulischen Simulation ein. Insbesondere die Berücksichtigung von gelösten Gasen innerhalb des Fluids hat einen entscheidenden Einfluss auf die Güte der Berechnung.

Leitungen Leitungen in hydraulischen Systemen werden dazu eingesetzt um Komponenten und Volumina miteinander zu verbinden. Im einfachsten Fall geschieht dies mit einer direkten Verbindung, welche lediglich die Ein- und Ausgänge der Komponenten verbindet, ohne die Dynamik einer Leitung darzustellen; dies ist z. B. für sehr kurze Verbindungen mit l / d < 5 gegeben. Da sich Informationen (Druckwellen) in hydraulischen Systemen maximal mit der Schallgeschwindigkeit des Fluides vorwärts bewegen, müssen längere Leitungen zu einer korrekten Beschreibung des Systems ebenfalls modelliert werden. Dabei werden gemäß Stanciu (2005) aufgrund der mangelnden geometrischen Auflösung folgende Annahmen getroffen: • eindimensionale Strömung in x-Richtung • konstante Druck- und Dichtebedingungen über den Rohrquerschnitt • konstante mittlere Geschwindigkeit über den Rohrquerschnitt. Daneben können Leitungsmodelle beliebig komplex werden, z. B. durch die Berücksichtigung von frequenzabhängiger Reibung und der Wechselwirkung durch eine endlich steife Leitungswand. Entsprechend werden unter den o. g. genannten Randbedingungen die Navier-Stokes-Gleichungen für eine eindimensionale Strömung abgeleitet. ∂ρ ∂(uρ) + =. ∂t ∂x

(4.5)

4

Einspritzsysteme

403

Abb. 4.61 Kavitationsbedingte Beschränkung des Durchflusses, aufgetragen über dp0,5 (links) und über den Kavitationsindex Ki (rechts)

ρ(

∂u ∂u ∂p ∂ u +u )=− −μ  ∂t ∂x ∂x ∂x

(4.6)

Gleichung 4.5 stellt die Kontinuitätsgleichung dar, während (4.6) die eindimensionale Impulsgleichung (bei Vernachlässigung der Schwerkrat) verkörpert. Zur Lösung dieser partiellen Differenzialgleichungen wird zumeist eine Finite-Differenzen-Verfahren benützt. Darüber hinaus werden auch die Methode der Charakteristiken sowie Finite-ElementeMethoden eingesetzt. Für eine weiter führende detaillierte Beschreibung der Simulation hydraulischer Systeme sei der Leser auf Borchsenius (2003) verwiesen.

Kavitation Insbesondere bei der Simulation von Einspritzsystemkomponenten spielt die Kavitation nicht selten eine dominierende Rolle. Der Grund dafür liegt in der Tatsache begründet, dass aufgrund der enormen Druckdifferenzen in aktuellen Einspritzsystemen sehr hohe Geschwindigkeiten an Drosselstellen und Krümmungen autreten. Aufgrund des Abfalls des statischen Druckes auf einen Wert unterhalb des Dampfdruckes des Fluides, verdampt das Fluid und bewirkt, hervorgerufen durch die Volumenexpansion des Dampfes, eine Verringerung des Strömungsquerschnittes. Daraus resultiert letztlich eine Verringerung des Durchflusses, derart, dass eine weitere Zunahme des Druckgefälles bei konstantem Vordruck, keine weitere Erhöhung des Durchflusses bewirkt. Abbildung 4.61 stellt diesen Zusammenhang im linken Bildteil dar. Prinzipiell ist dieses Phänomen in seiner Auswirkung vergleichbar mit dem überkritischen Ausströmen von Gasen, wenngleich andere physikalische Gesetzmäßigkeiten Anwendung finden. Um eine Beschreibung des multidimensionalen Phänomens in der 1-d Umgebung zu ermöglichen, wird eine Formulierung unabhängig vom anliegenden Druck durch eine Normierung der Druckdifferenz eingeführt K=

pvor − pgegen . pvor − pdampf

(4.7)

404

G.P. Merker und R. Teichmann

Wird der Dampfdruck des Fluides pdampf vernachlässigt und statt der Druckdifferenz ihre Wurzel eingesetzt, erhält man statt der Kavitationszahl K den Kavitationsindex Ki Ki =



pvor− pgegen = pvor



−

pgegen . pvor

(4.8)

Der rechte Bildteil von Abb. 4.61 verdeutlicht die Auswirkung der Normierung auf den Vordruck. Unabhängig vom anliegenden Vordruck ergibt sich ein Wert für den Kavitationsindex, ab welchem trotz weiterer Erhöhung der Druckdifferenz keine Zunahme des Durchflusses stattfindet. Dieser kritische Kavitationsindex Kikrit beschreibt unabhängig von den Randbedingungen das Einsetzen der Kavitation und charakterisiert so das Durchflussverhalten durch eine Drosselstelle.

4.4.2

Anwendungsbeispiel

Einspritzrate in mg/ms

Aus den oben beschriebenen Grundelementen können durch Kombination Subkomponenten gebildet werde. Diese Subkomponenten stellen gebräuchliche Bauteile der Hydraulik dar; die Zusammenfassung zu Modulen erleichtert das Modellieren, da auf bereits vorgefertigte Module zurückgegriffen werden kann. Beispiele für solche Subkomponenten sind beispielsweise:

Simulation

20

Messung

10 0 0

1

2

3

4 Zeit in ms

Düsendruck in bar

850 800 750 700 650 600 550 0

1

2

3

4 Zeit in ms

Abb. 4.62 Simulierter und gemessener Einspritzraten- und Düsendruckverlauf eines modernen Piezo-Diesel-Injektors

4

Einspritzsysteme

• • • •

Ventilsitze (Nadelventil, Plattenventil, Kugelsitzventil, etc.) Hydraulikzylinder Schaltventile Leckagestellen.

405

Werden diese Subkomponenten mit mechanischen Bauteilen gekoppelt und damit Massenträgheiten und Beschleunigungen/Kräte eingebracht, so lassen sich komplexeste hydraulische Systeme aufbauen, wie z. B. Injektoren und Hochdruckpumpen. Diese werden häufig auch als Superkomponenten bezeichnet. Abbildung 4.62 stellt exemplarisch das Ergebnis eines komplexen hydraulischen Systems in Form eines Piezo-Diesel-Injektors dar, bestehend aus weit über 150 Zustandsvariablen. Diese Modelle können aufgrund ihrer Komplexität und damit auch Detailtreue sogar für Vorbedatungen von Steuergeräten und zur Entwicklung von Steuergerätefunktionen verwendet werden.

Literatur Borchsenius, F.: Simulation Ölhydraulischer Systeme VDI Reihe 8, Bd. Nr. 1005. VDI Verlag, Düsseldorf (2003) Bosch GmbH, R. (Hrsg.): Ottomotor-Management, 3. Aufl. Friedr. Vieweg & Sohn Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, S. 86–129 (2005) Bosch GmbH, R.: Kratfahrtechnisches Taschenbuch. Vieweg+Teubner Verlag, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden, S. 540 (2011) Bruognolo, H., Ritter, E.: Systeme und Komponenten. In: Bosch GmbH, R. (Hrsg.) DieselmotorenManagement, 3. Aufl., S. 97 (2002) Hammer, J.: 13. Internationales Stuttgarter Symposium, Moderne BOSCH Einspritzsysteme: Technologie für zuküntige Anforderungen an Diesel Antriebe Idel’chik, I.E.: Handbook of Hydraulic Resistance, 3. Aufl. Begell House, New York (1996) Leonhard, R., Warga, J., Pauer, T.: Magnetventil- Common Rail Injektor. MTZ 02(2010), 86 (2010) Lichtarowicz, A., Duggins, R.K., Markland, E.: Discharge Coefficients for Imcompressible Non Cavitating Flow hrough Long Orifices. Journal of Mechanical Engineering Science 7(2), 210–219 (1965) Maier, R., et al.: Digital Rate shaping, neuer CR2-20 Injektor. 33. Internationales Wiener Motorensymposium. Die nächste Generation von BOSCH Common Rail Injektoren mit Digital Rate Shaping – Der Schlüssel zur Erfüllung zuküntiger Anfoprderungen (2012) Meyer, S., Krauß, J., Gerhardt, J.: Diesel Direkteinspritzung VII, Präzise Zumessung über Lebensdauer in Diesel CRS (2012) Mollenhauer, Tschöke: Handbuch Dieselmotoren, 3. Aufl. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg (2007) Stanciu, A.S.: Gekoppelter Einsatz von Verfahren zur Berechnung von Einspritzhydraulik, Gemischbildung und Verbrennung von Ottomotoren mit Kratstoff-Direkteinspritzung (2005). Dissertation, Technische Universität Berlin

5

Auladesysteme Roland Baar

Die Aufladung von Verbrennungsmotoren dient dazu, die Lutmenge, die für den Verbrennungsprozess im Motor zur Verfügung steht, zu steigern, um bei bestimmten Vorgaben für das Mengenverhältnis aus Kratstoff und Lut („Lutverhältnis“) die Menge an zugeführtem Kratstoff erhöhen zu können, um damit wiederum die Leistung des Motors anzuheben. Im Kreisprozess wirkt sich die Aufladung durch eine Arbeitsschleife mit größerer Arbeitsausbeute und höherem Spitzendruck aus. Die Ladungswechselschleife verschiebt sich auf

Zylinderdruck

Abb. 5.1 Kreisprozesse eines Saug- und eines Turbomotors

Turbomotor

Saugmotor

pU OT

Zylindervolumen

UT

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar B Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_5, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

407

408

G.P. Merker und R. Teichmann

Grund des notwendigen Ladedrucks (Abb. 5.1). Diese Ideen sind so alt wie die Idee des Verbrennungsmotors selbst und wurden von Daimler und Diesel früh untersucht. Der Ansatz der Ausnutzung der Abgasenergie wie beim Abgasturbolader geht zurück auf ein Patent des Schweizers Alfred Büchi aus dem Jahr 1905. Heute spielen Aufladesysteme nicht nur zur Leistungssteigerung eine Rolle, in der Anwendung als Komponente zur Realisierung des Downsizing wird statt einer Leistungssteigerung eine Verkleinerung der Motorbaugröße (Hubvolumen) bei gleicher Leistung realisiert. Auf Grund der zentralen Bedeutung des Ladungswechsels moderner Motoren werden Aufladesysteme zur Regelung des Lutund Abgaspfads eingesetzt, z. B. zur Unterstützung der Abgasrückführung und beim hermomanagement der Abgasnachbehandlung. Bei Nutzfahrzeugmotoren unterstützen Turbolader die Funktion der Motorbremse. Eine Einteilung von modernen Aufladesystemen ist auf Grund der Vielfalt der technischen Optionen und Realisierungen eine besondere Herausforderung (Baines 2005). Die in der Öffentlichkeit verwendeten Begriffe gehen häufig durcheinander und bedürfen einer systematischen Klärung. Im folgenden werden dementsprechend zunächst die Aufladeverfahren beschrieben, danach erfolgt eine Betrachtung der Kopplung mit dem Motor und die Regelungsmöglichkeiten, und schließlich werden Systeme und weitere Komponenten betrachtet.

5.1

Auladeverfahren

Grundsätzlich kann man zwischen Systemen unterscheiden, die Ladelut durch gasdynamische Effekte oder durch aktive Verdichter komprimieren. Darüber hinaus kann man

LLK

SR

LLK

LLK

V

T

DWL K

VOL M a) Natürliche Aufladung

M b) Druckwellenaufladung

c) Kompressoraufladung M LLK SR VOL

Abb. 5.2 Aufladeprinzipien

M

M

Verbrennungsmotor Ladeluftkühler Schwingrohr Volumen

d) Abgasturboaufladung DWL Druckwellenlader K Kompressor V Strömungsverdichter T Turbine

A uladesysteme

5

409

zwischen verschiedenen Antriebsarten differenzieren, entweder mechanisch über die Kurbelwelle des Motors oder mittels Abgas. Die entsprechenden Verfahren sind die natürliche Aufladung, die Druckwellenaufladung, die Kompressoraufladung (mechanische Aufladung) und die Abgasturboaufladung (Abb. 5.2).

5.1.1

Natürliche Auladung

Bei der natürlichen Aufladung wird ausschließlich die Gasdynamik des Befüllungsvorgangs während der Öffnung der Einlassventile eingesetzt (Abb. 5.2a). Es wird weder ein Verdichter verwendet, noch wird in irgendeiner Weise Abgasenergie ausgenutzt. Das Prinzip ist, dass die Gesamtlänge der Leitung bis zum Einlassventil derart abgestimmt wird, dass die Unterdruckwelle, die beim Öffnen des Ventils und dem Ansaugen von Frischlut entsteht, nach Reflektion am Rohrende (üblicherweise das Sammlervolumen des Saugrohrs) als Überdruckwelle zu einer Erhöhung des Liefergrads führt (Abb. 5.3). Dazu sind entweder die Steuerzeiten (EÖ, ES) oder die Rohrleitungen abzustimmen. Da sich die Druckwellen mit Schallgeschwindigkeit fortpflanzen, berechnet sich die Rohrlänge (zwischen Sammlervolumen und Ventil) nach: Schwingrohrlänge

LSaugrohr ≤

a Δφ  ⋅ n EÖ−ES

Dieses System kann variabel gestaltet werden, indem die Rohrlänge entsprechend der Drehzahl und der daraus resultierenden veränderlichen Steuerzeiten angepasst wird. Dadurch lässt sich die Erhöhung des Liefergrads auf verschiedene Motordrehzahlen optimie-

AK

Luftzufuhr

EK Saugrohr

Unterdruckwelle

Überdruckwelle

M

Abb. 5.3 Prinzip der natürlichen Aufladung

Reflexion am Volumen

410

G.P. Merker und R. Teichmann

ren. Weiterhin gibt es Systeme, die zusätzliche Resonatoren einsetzen, d. h. Zwischenvolumina, die die Systemresonatoren flexibel unterstützen können. Die natürliche Aufladung stellt ein einfaches und robustes System dar. Die Aufladegrade allerdings sind als eingeschränkt zu betrachten. Die Anwendung erfolgt üblicherweise bei Ottomotoren, bei denen sich aufwendigere Systeme nicht unbedingt lohnen.

5.1.2

Druckwellenauladung

Bei der Druckwellenaufladung (Comprex-Lader, Hyprex-Lader) wird Frischlut ohne direkte Trennung durch Abgas verdichtet (Abb. 5.2b). Dafür wird Abgas aus dem Motor durch einen Rotor aus langen Zellen ausgeschoben, wodurch Frischlut in den Zellen verdichtet wird. Die Steuerung erfolgt durch Drehung des Rotors. Der Antrieb des Rotors erfolgt mechanisch über die Kurbelwelle (Comprex) oder elektrisch über einen Elektromotor (Hyprex). Die Antriebsleistung dient dabei nicht unmittelbar zur Verdichtung, statt dessen steuert sie nur die Gasdynamik des Ladungswechsels. Die Durchströmung der Zellen wird durch Kantensteuerung am Ein- und Auslass reguliert. Dadurch dass sich die Druckwelle des Abgases mit Schallgeschwindigkeit ausbreitet, ist die Vermischung mit der Frischlut gering. Die Funktion des Druckwellenladers wird maßgeblich durch die Druckverhältnisse in der Abgas- und in der Frischlutleitung bestimmt, dabei ist die Drehzahlsynchronisation zwischen Kurbelwelle und Ladungswechseltakten entscheidend. Kleine Veränderungen der Druckverhältnisse und der Abstimmung können die Druckwellenwirkung entscheidend verändern. Der Comprex-Lader war in verschiedenen Fahrzeuganwendungen in einer Serienproduktion. Trotz der langen Historie der Druckwellenaufladung und bestimmten bedeutenden Vorteilen (verzögerungsfreies Ansprechverhalten, keine Pumpgrenze) konnte sie sich jedoch noch nicht nennenswert durchsetzen. Dafür ist insbesondere der hohe Bedarf zur Abstimmung an den Motor verantwortlich. Kleine Veränderungen an der Lutstrecke (z. B. Lutfilter) oder an der Abgasstrecke haben leicht große Auswirkung auf die Gesamtfunktion. Der Comprex-Lader ist gegenüber Abgasturboladern deutlich größer und schwerer. Darüber hinaus sind hochfrequente Geräusche unangenehme akustische Nebenwirkungen. Schließlich haben Motoren mit Comprex-Lader Anfahrschwächen. Neues Potenzial bietet der Hyprex-Lader, der durch einen regelbaren Rotorantrieb und verbesserte Aerodynamikregelung flexibler in der Applikation ist, außerdem sollen eine erhöhte und asymmetrische Anordnung von Zellen eine verbesserte Akustik gewährleisten.

5.1.3 Kompressorauladung Zur aktiven Aufladung kann ein Verdichter eingesetzt werden. Zunächst soll der Fall betrachtet werden, dass dieser mechanisch angetrieben wird (Abb. 5.2c). Zur Vermeidung höherer Getriebeübersetzungen wird dabei üblicherweise ein Verdichter eingesetzt, der

5

Auladesysteme

411

nach dem Verdrängerprinzip arbeitet und im folgenden als Kompressor bezeichnet wird. Diese Art der motorischen Lutversorgung wird häufig „mechanische Aufladung“ genannt, wobei dieser Begriff nur teilweise die Besonderheiten des Antriebs des Verdichters dieser Aufladung beschreibt. Mit „Kompressoraufladung“ wird der Verdichtertyp gewürdigt. Ein Kompressor führt die Druckerhöhung durch Volumenverringerung durch, wobei die Antriebsdrehzahl proportional und in der gleichen Größenordnung der des Verbrennungsmotors ist. Dabei haben sich im wesentlichen drei Bauformen durchgesetzt, der Rootslader, der Schraubenlader sowie der Spirallader. In Anwendungen in Fahrzeugen hat sich dabei im Vergleich der Rootslader durchgesetzt. Die entsprechenden Arbeitsverfahren zur Druckerhöhung unterscheiden sich in ihrer technischen Umsetzung, wobei es insbesondere Unterschiede hinsichtlich des erreichbaren Ladedrucks und der Herstellungsaufwendungen gibt. Mit dem Begriff „mechanische Aufladung“ ist die Art des Antriebs charakterisiert. Dieser erfolgt direkt gekoppelt z. B. über eine Riemenübersetzung von der Kurbelwelle aus. Das Kennfeld weist steile Kennlinien (Linien konstanter Verdichterdrehzahl nV ) auf (Abb. 5.4a). Dies bedeutet, dass schon bei kleinen Motordrehzahlen ein hoher Ladedruck bereitgestellt werden kann, was das dynamische Verhalten des Motors positiv beeinflusst. Begrenzt ist diese Art der Aufladung dadurch, dass die aufgewendete Leistung zur Verdichtung der Lut einschließlich der Systemreibungsverluste vollständig der Nutzleistung des Motors entzogen werden muss. Üblicherweise wird der Lader geregelt betrieben. Dies kann mit einem regelbaren Bypass realisiert werden (z. B. DaimlerChrysler-4-ZylinderOttomotor, 1,8 l, 120 kW, „Kompressor“ (Rootsverdichter)). Zusätzlich kann zur Senkung

nV

hV = const.

red. nom. Volumenstrom [-] a) Kennfeld des Verdrängerladers (Kompressor)

Abb. 5.4 Verdichter – Prinzipien

Ke nn lin

instabiler Bereich en ze

¾ nV

ie

hV = const.

Pu mp gr

½ nV

Turboverdichter Verdichterdruckverhältnis [-]

¼ nV

Spiralverdichter

Kennlinie

Verdichterdruckverhältnis [-]

Rootsverdichter

¾ nV ¼ nV

½ nV

red. nom. Volumenstrom [-] b) Kennfeld des Strömungsladers (Turbolader)

nV

412

G.P. Merker und R. Teichmann

des Verbrauchs in Bereichen geringen Ladedruckbedarfs eine Abschaltung des Kompressors mit Hilfe eine steuerbaren Kupplung vorgesehen werden. Insgesamt ist der konstruktive Aufwand am Motor bei dieser Art der Aufladung hoch.

5.1.4

Abgasturboauladung

Die Abgasturboaufladung (Abb. 5.2d) hat ein thermodynamisches Antriebsprinzip. Die Energie zur Aufladung wird dem Abgas entzogen. Dies hat den Vorteil, dass ein Teil der Wärmeenergie des Abgases genutzt werden kann, was den Wirkungsgrad des Motors verbessert. Dabei erfolgt die Energiebereitstellung durch eine Turbine prinzipiell dadurch, dass Abgas durch die Turbine entspannt wird. Das Abgas wird vor dem Turbinenrad beschleunigt, im Laufrad wird die entsprechende Energie infolge von Dralländerung auf die Welle übertragen. Für einen guten Wirkungsgrad ist eine hohe Leistungsdichte mit großen Umfangsgeschwindigkeiten des Laufrads nötig, was andererseits – verglichen mit den Kompressoren – in kleinem Bauvolumen der Turbolader resultiert. Bei Motoren für Personenkratwagen werden Turbolader eingesetzt, die Drehzahlen weit oberhalb von 200.000 1/min (Umfangsgeschwindigkeiten oberhalb 500 m/s) haben können. Die heute verwendeten Turboverdichter arbeiten ähnlich wie die Turbine als Turbomaschine. Das Prinzip der Abgasturboaufladung mündet dabei gegenüber der mechanischen Aufladung auch in einer vollkommen anderen Verdichterbauart. Das Kennfeld von Turboverdichtern unterscheidet sich nicht nur durch eine andere Charakteristik der Linien gleicher Drehzahl (Kennlinien nV ) gegenüber dem Kompressor (Abb. 5.4b; Abflachen des Druckaufbaus bei Reduzierung des Volumenstroms; maximale Drehzahl etwa 20fach höher als bei der Kompressoraufladung). Für Turboverdichter ist zudem ein instabiler Strömungsbereich typisch. Hierfür verantwortlich sind Ablösungserscheinungen bei der zum Druckaufbau notwendigen Verzögerung der Strömung, die dazu führen können, dass sich die geförderte Lut entgegen der eigentlichen Strömungsrichtung zurück durch den Verdichter bewegt. Dieser Vorgang vollzieht sich zyklisch und wird auf Grund der Geräuschbildung als „Pumpen“ bezeichnet. Den Übergang zwischen dem stabilen und dem instabilen Bereich des Kennfelds nennt man dementsprechend „Pumpgrenze“. Bei der Auslegung des Verdichters ist darauf zu achten, dass der Motor nur im stabilen Bereich des Kennfelds betrieben werden kann. Bei Diesel- und Ottomotoren hat dies in Bereichen hoher Drehmomente, d. h. hoher Ladedrücke und niedriger Motordrehzahlen, eine Einschränkung des Betriebsbereichs zur Folge. Turbolader haben gegenüber mechanisch angetriebenen Kompressoren verschiedene Vorteile. Da ist die Nutzung der Abgasenergie zu nennen, wodurch die Antriebsleistung des Verdichters nicht ausschließlich der Kurbelwelle entnommen wird. Außerdem eignet sich das Abgas gut, eine hohe Leistung bereit zu stellen. Ein weiterer Vorteil ist der verhältnismäßig geringe konstruktive Eingriff in den Motor, was insbesondere bei der notwendigerweise individuellen Anpassung von Aufladesystemen an Motoren eine große Bedeutung spielt. Turbolader lassen sich schließlich in dem von Fahrzeuganwendungen typischen Betriebs-

5

Auladesysteme

413

bereich auf verhältnismäßig einfache Weise in hoher Präzision regeln. Bedingt durch diese Vorteile werden heute nahezu alle aufgeladenen Verbrennungsmotoren mit Abgasturboladern betrieben. Aus diesem Grund widmen sich die folgenden Ausführungen diesem Aufladetyp.

5.2 Aufbau und Funktion von Turboladern Bestimmte konstruktive Elemente von Abgasturboladern sind unabhängig vom Anforderungsfall sehr ähnlich (Abb. 5.5). Nach außen dominieren die drei Gehäuse für Verdichter, Lagerung und Turbine. Bedeutend für die hermodynamik sind aber die Bauteile innerhalb der Gehäuse, insbesondere die Laufräder und die Lagerung. Die Laufräder werden durch eine Welle miteinander zu einem Rotor verbunden. Welle und Turbinenrad werden verschweißt, das Verdichterrad mit der Welle verschraubt. In Einzelfällen werden Kugellager zur Lagerung des Rotors verwendet, diese haben jedoch Nachteile hinsichtlich Lebensdauer, Kosten und Akustik. Daher hat sich die an dem Motorölkreislauf gekoppelte, hydrodynamische Gleitlagerung durchgesetzt, wobei hier meist Axial- und Radiallager getrennt aufgebaut sind. Das Axiallager nimmt die aerodynamischen Kräte aus den Laufrädern auf. Die statische Belastung der Axiallagerung ist gegenüber der Belastung der Radiallagerung verhältnismäßig hoch. Im Fahrzeug-Betrieb durchfährt der Turbolader-Rotor ständig sei-

Verdichterrad Axiallager Radiallager Kolbenring (ts) Turbinenrad

Abb. 5.5 Turboladerkonstruktion

414

G.P. Merker und R. Teichmann

ne kritischen Drehzahlen (Braess et al. 2013). Daher hat in der Radiallagerung die Funktion der Dämpfung hohe Bedeutung, durch die das Bewegungsverhalten des Rotors im gesamten Betriebsbereich des Laders bestimmt wird. In einzelnen Anwendungen setzt sich die Wälzlagerung als Alternative zur Gleitlagerung durch (Eißler 2011). Die Vorteile hierbei liegen in der geringeren Reibung, die sich im Wirkungsgrad und im Dynamikverhalten ausdrückt. Als Herausforderungen ist neben den höheren Kosten und der Lebensdauer insbesondere die Akustik zu nennen, die auf Grund des metallischen Kontakts und dem ständigen Durchfahren kritischer Drehzahlen naturgemäß nicht unproblematisch ist. Die Abdichtung des Rotors zwischen Turbinen- bzw. Verdichtergehäuse zum dazwischen liegenden Lagergehäuse erfolgt durch Labyrinthdichtungen, die mit Hilfe von Kolbenringen aufgebaut werden. Die Laufräder von Verdichter und Turbine werden in radialer Bauweise ausgeführt. Dies bedeutet, dass die Strömungsrichtung auf der Hochdruckseite (Verdichteraustritt und Turbineneintritt) radial gerichtet ist. Die Strömung auf der Niederdruckseite (Verdichtereintritt und Turbinenaustritt) hingegen ist zur Reduzierung des Bauvolumens meist axial gerichtet. Die Gestaltung des Verdichters zeigt Abb. 5.6. Die Anforderung an mechanische und strömungstechnische Robustheit führt zu der typischen, geometrisch komplexen Bauart dieser Laufräder, welche wiederum dazu geführt hat, dass die Räder in der Vergangenheit fast ausschließlich gegossen wurden. Heute werden Verdichterräder zunehmend häufiger vollständig gefräst. Dies verbessert gleichzeitig die akustischen Eigenschaten, die Ur-Unwucht sowie die Festigkeitseigenschaten. Um die Laufräder sind jeweils Spiralgehäuse angeordnet. Laufrad und Gehäuse des Verdichters bestehen im allgemeinen aus Aluminiumlegierungen, bei besonders hoher Umfangsgeschwindigkeit, hoher Temperatur oder hoher Lebensdauer werden für Verdichterräder auch Titanlegierungen verwendet. Das Turbinenlaufrad besteht auf Grund der Abgastemperatur aus NickelBasislegierungen. Hier gibt es zur Reduzierung der Massenträgheit Ansätze, als alternative Werkstoffe Titan-Aluminium-Legierungen einzusetzen, die gute Festigkeitseigenschaten bei deutlich geringerer Dichte auch bei typischen Abgastemperaturen aufweisen. Die Funktionsweise von Strömungsmaschinen wird anhand von Geschwindigkeitsdreiecken deutlich. Abb. 5.7 zeigt das Geschwindigkeitsdreieck am Eintritt des Verdichters bei mittlerer Schaufelhöhe. Man unterscheidet zwischen zwei Bezugssystemen, in denen die Strömungsgeschwindigkeit in unterschiedlicher vektorieller Weise dargestellt werden. Die absolute Strömungsgeschwindigkeit c1 bezieht sich auf das raumfeste System, die relative Strömungsgeschwindigkeit w1 bezieht sich auf das rotierende System. Zusammen mit der Umfangsgeschwindigkeit u1 ergibt sich das Geschwindigkeitsdreieck. Der Unterschied zwischen der Relativgeschwindigkeit und dem Schaufelwinkel („Metallwinkel“) stellt die Fehlanströmung dar. Es ist leicht erkennbar, dass bei konstanter Umfangsgeschwindigkeit (konstanter Drehzahl) die Form des Geschwindigkeitsdreiecks vom Betrag der Zuströmgeschwindigkeit abhängt. Diese wiederum hängt direkt vom Volumenstrom ab. Daraus ergibt sich, dass die Fehlanströmung auf das Verdichterrad abhängig vom Volumenstrom ist. Die Fehlanströmung ist maßgeblich für den Wirkungsgrad des Verdichters sowie die Strömungsstabilität (Pumpgrenze) verantwortlich.

5

Auladesysteme

415

Abb. 5.6 Verdichteraufbau Fehlanströmung axiale Zuströmung (drallfrei) c1U = 0

Schaufelwinkel

c1 – absolute Strömungsgeschwindigkeit

w1 – relative Strömungsgeschwindigkeit

u1 – Umfangsgeschwindigkeit der Schaufel

Abb. 5.7 Verdichtereintritt

Am Austritt aus dem Verdichter kann die Strömung ebenfalls über ein Geschwindigkeitsdreieck charakterisiert werden (Abb. 5.8). Im Idealfall folgt die relative Strömungsgeschwindigkeit dem Schaufelverlauf. Die Umfangsgeschwindigkeit ist auf Grund des größeren Radius am Austritt höher als am Einstritt. Dadurch ergibt sich bereits im Rad ein Druckaufbau. Die absolute Strömungsgeschwindigkeit am Austritt aus dem Verdichter-

416

G.P. Merker und R. Teichmann c2U (tangentiale Komponente der Absolutgeschwindigkeit)

w2 (relative Strömungsgeschwindigkeit)

c2 (absolute Strömungsgeschwindigkeit)

u2 (Umfangsgeschwindigkeit der Schaufel)

g iale rad trömun tet) f s a b h A llbe (dra

Abb. 5.8 Verdichteraustritt

rad hat eine deutliche Umfangskomponenten (tangentiale Komponente entsprechend c = √  + c  ). Der Betrag dieser Geschwindigkeit wird im nachgeschalteten Diffusor reducm u ziert und in Druck gewandelt. Die am Rad bzw. der Stufe umgesetzte Arbeit lässt sich entsprechend der Eulergleichung aus den Umfangsanteilen der Strömungsgeschwindigkeit und der Umfangsgeschwindigkeit berechnen. Diese kann in eine Beziehung mit realen Geschwindigkeiten umgewandelt werden, wodurch die Bedeutung einzelner Komponenten für die Energieumsetzung deutlich wird. Eulergleichung

ΔhV = u  c u − u  c u  ΔhV = [(c  − c  ) + (u  − u  ) + (w  − w  )] 

Auf detaillierte Beschreibungen der Vorgänge an der Turbine wird hier verzichtet. Die Verhältnisse an der Turbine lassen sich analog zum Verdichter beschreiben. Die Strömung ist insgesamt stabiler, was darin begründet liegt, dass in der Turbine die Strömung beschleunigt wird, im Verdichter jedoch verzögert. Die Arbeitsweise von Turbine und Verdichter lässt sich im h-s-Diagramm erklären (Abb. 5.9). Die Indices 1 und 2 beschreiben jeweils den Ein- und Austritt der Laufräder. Während die realen Enthalpiedifferenzen leicht über die Temperaturdifferenzen

Auladesysteme

417

½ c32 hvo

½

c22

3

3S

p3

2

p2 p1

Enthalpie h

Enthalpie h

5

p0

½ c02 ½ c12

0

hTo

1

p1

½ c22 2

½ c12

2S

p2

1

Entropie s

Entropie s b) Turbine

a) Verdichter

Abb. 5.9 Verdichter und Turbine im h-s-Diagramm

berechenbar sind, berechnen sich die isentropen Enthalpiedifferenzen entsprechend der Isentropenbeziehung. Isentropes Verdichterenthalpiegefälle Isentropes Turbinenenthalpiegefälle

ΔhVs =

p c p,L T [( p ) 

κ L − κL

Δh Ts = c p,A T [ − ( p ) p 

− ]

κ A − κA

]

Die Verdichtung bzw. Expansion erfolgt jeweils zu etwa gleichen Teilen im Rad und im Gehäuse. Beim Verdichter wird im Laufrad gleichzeitig Druck aufgebaut und die Strömung beschleunigt. Die hohe Austrittsgeschwindigkeit wird im nachgeschalteten Diffusor weiter in Druck gewandelt. Bei der Turbine wird die Strömung vor dem Laufrad expandiert und damit beschleunigt. Die Anteile der Zustandsänderungen zwischen Laufrad und Leitrad kann mit dem Reaktionsgrad beschrieben werden. Er ist als Verhältnis zwischen Enthalpiegefälle am Laufrad zum Gesamtenthalpiegefälle definiert (Baines 2005). Bei Radialrädern wird üblicherweise ein Reaktionsgrad von 0,5 angenommen. Eine stärkere Bedeutung kann der Reaktionsgrad bei Realisierung von turbinenseitigen Diagonal- („Mixed Flow“) oder Axialrädern bekommen. Durch eine stärkere axiale Durchströmung der Turbine (Abb. 5.10) kann deren Leistungsangebot flexibel angepasst werden, gleichzeitig kann die Massenträgheit des den Rotor materialbedingt dominierenden Turbinenrads deutlich verringert werden (Lei 2012). Allerdings ist dies auf Grund der erwähnten Beschleunigung der Strömung in der Turbine bzw. der Verzögerung im Verdichter nicht für beide Turbomaschinen realisierbar. Weil in aktuellen Abstimmungen mit Radialrädern auf Verdichterund Turbinenseite der Axialschub in weiten Kennfeldbereichen kompensiert ist, muss

418

Radiaturbine

G.P. Merker und R. Teichmann

Diagonalturbine

Axialturbine

Abb. 5.10 Radial-, Diagonal- und Axialturbine

Veränderungen an der Turbine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bei Veränderung der Durchstromrichtung nur eines Rads kann es Konsequenzen für den Axialschub geben, wobei der Reaktionsgrad bei der Abstimmung helfen kann. Ansonsten wird der Reaktionsgrad selten bei der Auslegung von Turbinen und Verdichtern als Auslegungsgröße verwendet. Das Betriebsverhalten von Verdichter und Turbine kann in Form von Kennfeldern dargestellt werden. Diese werden üblicherweise an Turboladerprüfständen aufgenommen. Dabei wird der Turbolader turbinenseitig mit heißem Abgas konstanter Temperatur (typischerweise 600 °C) stationär angetrieben. Die Ölversorgung ist dabei mit konstantem Druck und konstanter Temperatur konditioniert. An solchen Prüfständen werden Kennlinien aufgenommen, die sich aus bestimmten Werten von Druckverhältnis und Massenstrom bei konstanter Drehzahl ergeben. So ergeben sich charakteristische Drehzahllinien. Daneben wird der Wirkungsgrad der Turbomaschine bestimmt und dargestellt. Im Fall des Verdichters wird das totale Verdichterdruckverhältnis als Funktion des Verdichtermassenstroms für verschiedene Drehzahlen aufgetragen (Abb. 5.11). Häufig wird statt der Drehzahl die Umfangsgeschwindigkeit eingetragen, weil diese insbesondere die mechanische Belastung besser charakterisiert. Die Umfangsgeschwindigkeit liegt durch die grundsätzliche Skalierbarkeit (mechanische und aerodynamische Ähnlichkeit) für verschiedene Baugrößen in vergleichbarer Größenordnung. Zwischen den Drehzahllinien wird der isentrope Verdichterwirkungsgrad in Form von Isolinien eingetragen. Der Massenstrom wird durch Bezug auf Eintrittsbedingungen und Normzustände für Druck und Temperatur reduziert und normiert. Dadurch wird der Einfluss der Zustandsgrößen kompensiert, zum einen ist dies eine Voraussetzung, Kennfelder reproduzierbar miteinander vergleichen zu können, zum anderen lässt sich dadurch – wie später gezeigt wird – der motorische Betrieb in diesen Kennfeldern darstellen. Das Reduzieren der Kenngrößen basiert auf Machscher Ähnlichkeit.

5

Auladesysteme 4.0 3.5

419 540

pref = 1000 hPa

Drehzahlgrenze

Tref = 298.15 K

500

u2 [m/s]

460 420

2.5 0. 7

4

Pumpgrenze 340

2.0

0 .7 3 0 .7 2 0. 0 . 70 68

Π V,tot [-]

3.0

65 0. 0 0. 6 0. 5

260

1.5 180

1.0 0.00

0.05

0

Stopfgrenze

0.10

0.15

0.20 0.25 • m V,red [kg/s]

0.30

0.35

0.40

Abb. 5.11 Verdichterkennfeld

Totales Verdichterdruckverhältnis Reduzierter, normierter Massenstrom Verdichterwirkungsgrad Umgangsgeschwindigkeit

ΠV =

p p

ηsV =

(Π V )

√ T ˙ redV = m ˙V ⋅ T  m refV

uV =

κ− κ

T  − T  d  ⋅π⋅n V

−

pref p



Das Kennfeld weist drei Grenzen auf. An der Pumpgrenze wird der stabile Kennfeldbereich vom instabilen Kennfeldbereich abgegrenzt. Das Verdichterpumpen tritt auf, wenn Ablösungserscheinungen (z. B. durch Fehlanströmung) eine Durchströmung durch den Verdichter verhindern und darauf hin es zu Rückströmungen durch den Verdichter kommt. Dieser periodisch autretende Vorgang wiederholt sich mit der Helmholtzfrequenz und ist abhängig von der Geometrie des dem Verdichter nachgeschalteten Volumens. Ein großes Volumen, wie es in der Ladelutleitung von Verbrennungsmotoren üblich ist, verstärkt den Effekt (Abb. 5.12, FVV 2008). Das Pumpen tritt als „mild surge“ und als „deep surge“ auf, diese Ausprägungsformen unterscheiden sich in Intensität und Amplitude, dementsprechend in Periodendauer bzw. Frequenz. Das Verdichterpumpen ist ein verhältnismäßig langsamer Vorgang (wenige Hertz), der zu Geräuschen führt, der verantwortlich für die Namensgebung „Pumpen“ war. Der Pumpvorgang ist nicht zu verwechseln mit der rotierenden Ablösung („rotating stall“, Abb. 5.13, Grigoriadis 2008), obwohl dieses Phänomen dem Pumpen ot voraus geht. Beim Rotating Stall löst üblicherweise nur die Strömung in einem einzelnen Kanal im

420

G.P. Merker und R. Teichmann

lange Luftstrecke „motortypisch“

3,0 Verdichterdruckverhältnis [-]

V

kurze Luftstrecke

kurze Luftstrecke

lange Luftstrecke nV

2,0

¾ nV

V

¼ nV

½ nV

1,0 red. nom. Volumenstrom [-]

Abb. 5.12 Verdichterpumpen in Abhängigkeit von der austrittsseitigen Lutstrecke

Laufrad ab. Die Ablösung wird maßgeblich durch die Gestaltung des Strömungskanals beeinflusst. Durch die Ablösung wird die Strömung lokal umgelenkt, was wiederum dazu führt, dass die Strömung in Drehrichtung vor der blockierten Zelle stabiler und dahinter instabiler wird, sodass die Ablösung von Zelle zu Zelle gegen die Drehrichtung wandert. Trotz Ablösung kann dabei ein stabiler Betrieb des Verdichters stattfinden, Auswirkungen sind dann lediglich zusätzliche Verluste (in Wirkungsgrad und Druckaufbau, die sich in fallenden Kennlinien ausdrücken) und eine hohe Geräuschentwicklung. Im Fall der Turbine wird in der Kennfelddarstellung der reduzierte Massenstrom über dem Turbinendruckverhältnis aufgetragen (Abb. 5.14). Der Massenstrom wird dabei nicht normiert, weil die Eintrittstemperatur willkürlich festgelegt ist und im motorischen Betrieb in einem sehr weiten Bereich variiert. Der reduzierte Massenstrom wird häufig als Massenstromkennzahl (MKZ) bezeichnet. Auf Grund der beschleunigten Strömung in der Turbine gibt es keine Instabilitäten wie das Pumpen im Verdichter. Der maximale Durchsatz durch die Turbine charakterisiert ihr Schluckverhalten. Totales Turbinendruckverhältnis Reduzierter Massenstrom Wirkungsrad Umgangsgeschwindigkeit

ΠT =

p p

˙ redT = m ˙T⋅ m



T p

ηT = ηTs ⋅ ηmech

uT =

dT ⋅ π ⋅ nT 

5

Auladesysteme

421

Rezirkulation

Stall-Zelle b a

c

ω

MKZ [kg/s • K0,5/bar]

2.4

164

236

309

382

418

455

0.70 0.68 0.66 0.64 0.62 0.60 0.58 0.56 491 u3 [m/s] 0.54

η sT • η m [-]

Abb. 5.13 Rotating Stall

2.2 2.0 1.8 1.6 1.4 1.2 1.0

Tref = 873.15 K

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

4.5

Π T,tot/st [-]

Abb. 5.14 Turbinen-Kennfeld

Bei der Vermessung der Turbine gibt es verschiedene Besonderheiten. Zunächst ist erkennbar, dass bei konventioneller Vermessung die Drehzahllinien wenig überlappen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Turbinenkennlinien üblicherweise nicht als solche vermessen werden, sondern als Nebenergebnis bei der Vermessung des Verdichters anfallen. In der Praxis werden am Turboladerprüfstand zwischen den Betriebsgrenzen des Verdichters einzelne Betriebspunkte gewählt. Für eine einfache Anpassung eines Turboladers an einen Motor auf Basis bekannter stationärer Motorbetriebspunkte ist diese Darstellung

G.P. Merker und R. Teichmann

1.80 Erweiterung Extended range with CCL @bei low durch CCL pressure level Unterdruck

1.70 1.60 1.50

0.74 Erweiterung Extended range with CCL @bei high durch CCL pressure level Überdruck

0.70

Standartbereich Standard range

1.40

0.66

1.30 0.62 1.20 0.58

1.10 1.00

1.4

1.6

1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 Turbine pressure ratio p3t/p4 [-] Turbinendruckverhältnis

2.8

3.0

η T= η T.is* η m [-]

0.78

Turbinenwirkungsgrad

TurbinenmassenstromReduzierter Reduced turbine mass flow (MFP) [kg*K0.5/(s*bar)]

422

0.54

Abb. 5.15 Kennfelderweiterung mittels Compressor Closed Loop (CCL)

ausreichend. Bei der Motorprozesssimulation hingegen reichen die Daten nicht aus, da bedingt durch die turbinennahen Motorpulsationen ein weiterer Betriebsbereich der Turbine überstrichen wird. Um dem Rechnung zu tragen, wurde die Vermessung im Compressor Closed Loop (CCL) entwickelt. Der Verdichter wird hierbei in einem geschlossenen Kreislauf bei unterschiedlichen Druckniveaus betrieben, womit sich die Leistungsaufnahme des Verdichters bei gleicher Drehzahl veränderlich gestalten lässt. Dadurch kann der Betriebsbereich der Turbine deutlich erweitert werden (Abb. 5.15, Boxberger 2013). Eine weitere Problematik ergibt sich daraus, dass am Austritt aus der Turbine die Strömung inhomogen und drallbehatet ist (Abb. 5.16). Dies macht eine konventionelle Messung der Austrittstemperatur schwierig. Anders als beim Verdichter, wo nach dem Laufrad die Strömung im Gehäuse vermischt wird, ist dieses Problem bei der Turbine nicht ohne Weiteres zu lösen. Damit wird die Bestimmung des isentropen Turbinenwirkungsgrads nicht möglich, weil für eine Ermittlung des realen Enthalpiegefälles über die Turbine eine verlässliche Austrittstemperatur fehlt. Dieses Problem wird in der Praxis dadurch gelöst, dass zunächst eine einfache Leistungsbilanz des Turboladers erstellt wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Leistung der Turbine vollständig in Verdichterleistung und Lagerreibung gewandelt, der Turbolader also als komplett adiabat verstanden wird. Daraus lässt sich die erste Hauptgleichung der Abgasturboaufladung ableiten, die sich zur Bestimmung des Gesamtwirkungsgrads des Turboladers umformulieren lässt.

5

Auladesysteme 842

T2

423

T3

Temperatur [K]

840 838

a=0 a=1 T 1

836 834 832 830 0,0

830

T1 T2 T3

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

820

Dimensionsloser Sensorabstand a [-]

824

828

832

836

840

Temperatur [K]

Abb. 5.16 Problematik T4-Messung

Turboladergesamtwirkungsgrad

ηges = ηVs ⋅ η Ts ⋅ η m =

PV,s PT,s

=

κ − ⎤ ⎡ ⎥ ⎢ p  LκL ⎥ ˙ V ⋅cp,L ⋅T  ⎢ −⎥ ⎢(  ) m ⎢ p ⎥ ⎢ ⎥ ⎣ ⎦ κ A − ⎤ ⎡ ⎥ ⎢  κ p A ⎥ ˙ V ⋅c p, A ⋅T  ⎢ ⎥ ⎢−(  ) m ⎥ ⎢ p  ⎥ ⎢ ⎦ ⎣

Da der mechanische Wirkungsgrad gleichermaßen nicht ohne Weiteres bestimmt werden kann (auf Grund der kleinen Baugröße von Turboladern und dem Axialkrateinfluss), wird als Äquivalent des Turbinenwirkungsgrads aus dem Turboladergesamtwirkungsgrad bei Kenntnis des isentropen Verdichterwirkungsgrads der Term ηT,is ηm bestimmt und zur Charakterisierung der Turbine verwendet. Erwähnt sei noch, dass sich im motorisch gekoppelten Betrieb der Turbinenmassenstrom aus Verdichtermassenstrom und Kratstoffmassenstrom berechnet. Motorischer Turbinenmassenstrom

5.3

˙V +m ˙B ˙T = m m

Regelung

Wachsende Anforderungen an das Betriebsverhalten (Leistung, Verbrauch, Emissionen, Dynamik) aufgeladener Motoren haben zu einer kontinuierlichen Entwicklung der Aufladesystem-Regelung mit wachsender Komplexität geführt. Ungeregelte Lader spielen in Pkw-Anwendungen keine Rolle mehr. Heute sind folgende Regelungsarten von Bedeutung:

424

G.P. Merker und R. Teichmann

5.3.1 Kompressor Mechanisch angetriebene Verdichter müssen auf Grund der direkten Kopplung an den Motor vollkommen anders als Turbolader geregelt werden. Die Lastregelung erfolgt mit einem regelbaren Bypass um den Kompressor herum. Dieser arbeitet bei offener Regelklappe quasi lastfrei (nur beim Rootsverdichter ohne innere Verdichtung möglich). Darüber hinaus kann der Kompressor abgeschaltet werden, um den Verbrauch des Motors zu reduzieren. Dies wird bei Kompressoren mit innerer Verdichtung zwingend notwendig (z. B. Schraubenverdichter), um eine Schädigung des Verdichters zu vermeiden.

5.3.2

Turbolader mit Bypassregelung (Wastegate)

Hierbei kann ein Teil des Abgasmassenstroms um die Turbine herumgeführt werden, sodass dieser Teil nicht zur Verdichterleistung beiträgt (Abb. 5.17a). Damit kann eine kleinere Turbine verwendet werden, die einerseits für eine höhere Motorleistung bei kleinen Motordrehzahlen und andererseits für eine verbesserte Motordynamik sorgt. Zur Begrenzung des Ladedrucks bzw. Vermeidung von Überdrehzahlen bei Nennleistung wird eine Klappe oder ein Ventil geöffnet. Die Regelung erfolgt üblicherweise selbstregelnd oder kennfeldgeregelt

Abb. 5.17 Regelungsarten einstufiger Turbolader

5

Auladesysteme

425

durch einen Überdruck-Aktuator, bei dem der Verdichterdruck an einer Membran anliegt, die über ein Gestänge die Bypassklappe betätigt. Die Regelung mittels Wastegate ist robust und wird daher meist auf Grund der hohen Abgastemperatur bei Pkw-Ottomotoren sowie auf Grund der hohen Lebensdaueranforderung bei Nutzfahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt.

5.3.3 Turbolader mit Regelung über einen verstellbaren Düsenring (VTG) Zur Verbesserung der Energieausnutzung und der Regelbarkeit hat sich in anspruchsvollen Pkw-Dieselmotoren die Regelung mit dem verstellbaren Düsenring durchgesetzt (Abb. 5.17b; Technologie erstmals bei Dieselmotoren eingesetzt im Jahr 1996 im Audi/VW-4-Zylindermotor, 1,9 l, 81 kW und bei Ottomotoren im Jahr 2006 im Porsche-6Zylinder-Boxermotor, 3,6 l, 353 kW). Hierbei wird der gesamte Abgasmassenstrom durch die Turbine geführt. Die Leitschaufeln bilden einen Düsenring (häufig „Variable Turbinengeometrie“ (VTG) genannt), mit dem das Druckgefälle über die Turbine entsprechend der verdichterseitigen Anforderungen angepasst werden kann. Dabei steht die Düsenwirkung (Beschleunigung der Strömung) gegenüber der Leitwirkung (Richtung der Strömung) im Vordergrund (Abb. 5.18). Da hier im Gegensatz zur Turbine mit Wastegate-Regelung der gesamte Abgasmassenstrom durch das Turbinenrad geleitet wird, müssen größere Laufräder eingesetzt werden. Die daraus resultierenden Dynamik-Nachteile können durch die Regelung kompensiert werden. Der erweiterte Kennfeldbereich sowie die genauere Regelbarkeit haben sich insbesondere bei höheren Emissionsanforderungen als Vorteil erwiesen. Die Ansteuerung des Verstellmechanismus erfolgt mit Hilfe eines Aktuators, der mittels Unterdruck oder elektrisch angetrieben ist. Die Regelung des Ladedrucks erfolgt unter Gesichtspunkten des stationären und des transienten Betriebs. Im stationären Betrieb wird die Turbine derart eingestellt, bis der

Beschleunigung (Düse)

Richtung (Leitschaufel) Fehlanströmung

Querschnittsverengung

Abb. 5.18 Wirkweise der variablen Turbinengeometrie

426

G.P. Merker und R. Teichmann

Verdichter-Druckverhältnis [-]

3.0 VTG-Regelung

2.5 2.0 stationär

WG-Regelung

1.5 1.0 Dynamischer Hochlauf 100kW-Motor 1000 bis 3000 1/min

0.5 25

50 Motordrehzahl / Nenn-Motordrehzahl [%]

75

Abb. 5.19 Einfluss der Regelung bei Lastsprung

gewünschte Ladedruck erreicht wird. Zusätzliche Potenziale sind durch die Regelung mit variablem Düsenring hinsichtlich des transienten Ladedruck-Aufbaus möglich. Turbolader haben bedingt durch die nicht existierende mechanische Kopplung von Motor und Lader den Nachteil des verzögerten Ladedruckaufbaus („Turboloch“). Die Gründe dafür liegen darin, dass bei einem Beschleunigungsvorgang einerseits die Massenträgheit des Turbolader-Rotors überwunden werden muss (mechanische Trägheit), andererseits die Abgasenergie bei Beschleunigungsvorgängen erst im Laufe der Beschleunigung aufgebaut wird (thermische Trägheit). Abbildung 5.19 stellt die Ergebnisse von Motorhochläufen bei verschiedenen Regelungsarten dar. Zwar hat die WG-Regelung am Anfang der Beschleunigung durch die kleinere Turbinenrad-Masse einen kleinen Vorteil, insgesamt aber kann durch eine geschickte Regelung der VTG der Ladedruck schneller aufgebaut werden. Außerdem lässt sich der Überschwinger des Ladedruck am Ende des Beschleunigungsvorgangs deutlich reduzieren. Die Düsenring-Technologie wird bei modernen Motoren nicht nur zur Regelung des Ladedrucks, sondern auch zur Regelung der Abgasrückführmengen und im hermomanagement der Abgasnachbehandlung (Abgastemperaturen nach Turbolader) eingesetzt. Neben Pkw-Dieselmotoren konnte sich diese Regelung bisher noch nicht in gleichem Maße durchsetzen. Bei Lkw-Dieselmotoren stellt die deutlich höhere Lebenserwartungsanforderung das zentrale Problem dar. Bei Ottomotoren liegen die Herausforderungen an Konstruktion und Werkstoffe in der Höhe der Abgastemperatur (max. 1050 °C) begründet.

5.4

Anpassung von Turboladern an Verbrennungsmotoren

Ein Fahrzeugmotor wird im allgemeinen nicht nur im Nennpunkt (Punkt mit maximaler Leistung), sondern in einem weiten Last- und Drehzahlbereich eingesetzt. Bei einem

5

Auladesysteme

427

Nennpunkt

¼ nM

½ nM

zah lgre nze

¾ nM

instabiler Bereich

o M

Pu m pg re nz e

Verdichterdruckverhältnis [-]

Dre h

nM

ie lin ck u l ch rs to

Nennleistungspunkt

nV ¾ nV

¼ nV

½ nV

1 0

50

100

red. norm. Volumenstrom [%]

Abb. 5.20 Motorschlucklinien in einem Turboverdichterkennfeld

aufgeladenen Motor ist insbesondere die Änderung des Momentes und des Lutdurchsatzes in Abhängigkeit der Drehzahl wichtig. Hierfür kann das Motor-Schluckverhalten und das Verdichterkennfeld betrachtet werden. Die folgenden Betrachtungen werden hier verallgemeinert durchgeführt, ohne dass zwischen Motortypen oder Leistungsklassen unterschieden wird. Das Zusammenwirken von Motor und Verdichter kann derart verstanden werden, dass der Motor ein „Verbraucher“ des Verdichters ist. Dementsprechend lässt er sich als Charakteristik im Verdichterkennfeld darstellen. Es ergeben sich für verschiedene Motordrehzahlen die sogenannten „Schlucklinien“ (Abb. 5.20, Beispiel Abgasturbolader-Verdichter, Dieselmotor). Der auf den Eintrittszustand bezogene, vom Motor „geschluckte“ Volumenstrom verändert sich nahezu linear mit dem Druckverhältnis. Schnittpunkte zwischen Verdichterkennlinie nV und Motorschlucklinie nM stellen Betriebspunkte des Motors dar. Dies ist insbesondere bei der Auslegung von Verdichtern hilfreich, da das Betriebsverhalten im gesamten Kennfeld vorab bewertet werden kann. Bei mechanisch angetriebenen Kompressoren kann so die Übersetzung zwischen Verdichter und Motor bestimmt werden, bei Abgasturboladern helfen diese Schnittpunkte bei der Auswahl eines geeigneten Verdichters und einer geeigneten Turbine. Ein Beispiel einer typischen Auslegung zeigt Abb. 5.21. Dargestellt ist die Motorvollastlinie eines 2 l-Dieselmotors im Verdichterkennfeld. Bei der Auslegung des Turboladers muss auf verschiedene Aspekte geachtet werden. Im Falle des Beispiels ist die Auslegung derart ausgeführt, dass der Ladedruck an der Volllast in weiten Bereichen konstant gehalten wird. Hingegen erfolgt die Anpassung bei kleinen Motordrehzahlen sehr eng an der Pumpgrenze. Durch diese Charakteristik wird ein günstiges Drehmomentenverhalten des Motors

G.P. Merker und R. Teichmann Totales Verdichterdruckverhältnis p2/p1 [-]

428 3.5

3.0 0.65 0.58

2.5

0.56 0.56

0.62

490

460 420

1.5 0.50 310

1.0 0.00

520

0.68

2.0

370

230

0.06 0.08 0.02 0.04 0.10 0.12 0.14 Reduzierter Verdichtermassenstrom m_pkt_red_V [kg/s]

0.16

Abb. 5.21 Motorvolllast-Darstellung eines VTG-geregelten Turbomotors im Verdichterkennfeld

ermöglicht. Der Nennleistungspunkt wird derart gewählt, dass auch bei Fahrt in höher gelegenen Gebieten, wo das Verdichterdruckverhältnis zur Aufrechterhaltung der Ladelutdichte ansteigt, ein ausreichender Abstand zur Drehzahlgrenze erhalten bleibt („Höhenreserve“). Schließlich ist auffällig, dass die Auslegung nicht zwingend auf den Bereich bester Wirkungsgrade erfolgt. Dies liegt darin begründet, dass durch den weiten Betriebsbereich in Fahrzeuganwendungen zwischen der Pumpgrenze und der Drehzahl- bzw. Stopfgrenze kein Spielraum besteht. Zu beachten ist, dass im Kennfeld Daten aus verschiedenen experimentellen Quellen (Heißgas-Prüfstand, Motor-Prüfstand) dargestellt sind. Es wurde schon gezeigt, dass die Lage der Pumpgrenze vom Prüfstandsaufbau abhängig ist. Weder Abgas- noch Lutstrecke werden üblicherweise aus dem Motoraufbau direkt auf den Aufbau am Turboladerprüfstand übertragen. Darüber hinaus sind die Zustandsgrößen Druck (insbesondere der zeitliche Druckverlauf) und Temperatur (Temperaturniveau und Umgebung) aus praktischen Gründen meist nicht immer übertragbar. Aus diesem Grund muss die Auslegung auf Kennfeldbasis durch experimentelle Untersuchungen am realen Motor überprüt werden. Die engen Grenzen der Verdichterauslegung werden auch deutlich, wenn man das Downsizing von Motoren betrachtet (Golloch 2005). In Abb. 5.22 wird eine schematische Betrachtung angestellt, bei der ausgehend von einer Basis-Motorabstimmung (2,0 l 100 kW) die absolute oder spezifische Motorleistung gesteigert wird. Bei Verringerung des Hubvolumens auf beispielsweise 1,3 l verschiebt sich die Volllastlinie hin zu höherem Druckverhältnis und überschreitet dabei die (gestichelt dargestellten) Grenzen des Verdichters. Hier sind demnach neue Maßnahmen notwendig, die Grenzen des Betriebs von Abgasturboladern auszuweiten. Dabei sind beispielsweise variable Verdichter zu nennen. Der dargestellte Ladedruckverlauf lässt sich in idealer Weise mit einer variabel regelbaren Turbine realisieren. Im Kennfeld einer variablen Turbine wird eine Schar von Kennli-

5

Auladesysteme

429

Verdichter-Druckverhältnis [-]

4.0 2.0l 150kW

1.3l 100kW

3.5

Downsizing

3.0 2.5

2.0l 125kW

2.0l 100kW

3.0l 150kW

2.0 1.5 1.0 0.00

0.02

0.04

0.06

0.08

0.10

0.12

0.14

0.16

0.18

0.20

Normierter reduzierter Volumenstrom [m³/s]

Abb. 5.22 Anforderung an das Aufladesystem durch Downsizing

nien für verschiedene Stellungen der VTG-Schaufeln zwischen der voll geöffneten und der nahezu voll geschlossenen Position eingetragen (Abb. 5.23). Die Motorvollastlinie zeigt dabei den typischen Verlauf. Bei kleinen Motordrehzahlen bleiben die Schaufeln in geschlossener Position. Mit zunehmender Drehzahl steigt der Druck vor der Turbine, die Schaufeln können bei Erreichen des maximal gewünschten Ladedrucks zunehmend geöffnet werden, sodass der Turbinendruck zurückgeht. Erst im Bereich der Motornennleistung nimmt der Druck vor der Turbine wieder zu. Moderne Pkw-Dieselmotoren werden aus diesem Grund heute nahezu ausschließlich mit dieser Regelungsart ausgerüstet. Wie schon beschrieben bleibt aber die Regelung mittels Wastegate eine bedeutende Alternative. Hier gibt es ganz unterschiedliche Auslegungsstrategien. Die Vollastlinie eines Nutzfahrzeug-Dieselmotors ist in Abb. 5.24a gezeigt. Erkennbar ist, dass der Massenstrom durch den Motor in weiten Bereichen dem Verlauf des Turbinenkennfelds folgt. Das Wastegate öffnet erst kurz vor der Nennleistung. Bei Ottomotoren wäre eine solche Applikation der Wastegate-Öffnung nicht praktikabel. Abbildung 5.24b zeigt ein Beispiel, bei dem eine verhältnismäßig kleine Turbine verwendet wird, sodass schon bei kleinen Motordrehzahlen das Wastegate geöffnet werden muss und dadurch an der Nennleistung ein großer Wastegate-Massenstrom existiert. Durch diese Auslegung kann ein angemessener Ladedruck und damit Mitteldruck bei kleiner Motordrehzahl realisiert werden, wodurch ein gutes Fahrverhalten ermöglicht wird. Ein hohes Drehmoment bei kleiner Motordrehzahl ist desweiteren eine gute Voraussetzung für ein gutes Ansprechverhalten des Motors. Dies spielt in Pkw-Anwendungen eine größere Rolle als bei Nutzfahrzeugen. Das Beispiel aus Abb. 5.21 zeigt, wie – bedingt durch die Betriebsgrenzen – exakt die Auslegung des Turboladers an den Motor erfolgen muss. Dies zeigt, dass der Turbolader eines der anpassungsintensivsten Bauteile am Motor ist. Dies ist umso kritischer, da es zahl-

G.P. Merker und R. Teichmann Reduzierter Turbinenmassenstrom [kg/s K0,5/bar]

430 1.6 1.4 1.2

MAX 80 %

1.0

60 %

0.8 40 %

0.6 20 %

0.4

MIN

0.2 0.0

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

Totales Turbinendruckverhältnis [-] totales Turbinendruckverhältnis

2.0 1.8 1.6 1.4 1.2 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 Totales Turbinendruckverhältnis[-][-] totales Turbinendruckverhältnis

a) PKW-Ottomotor

reduzierter Turbinenmassenstrom [kg*K^0,5/(s*bar)]

reduzierter Turbinenmassenstrom [kg*K^0,5/(s*bar)]

Abb. 5.23 Motorvolllast-Darstellung eines VTG-geregelten Turbomotors (PKW, Diesel) im Turbinenkennfeld 3.0 2.8 2.6 2.4 2.2 2.0 1.8 1.6 1.4 1.2 1.0 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 totales Turbinendruckverhältnis Totales Turbinendruckverhältnis[-] [-]

b) NFZ-Dieselmotor

Abb. 5.24 Motorvolllast-Darstellung von WG-geregelten Turbomotoren im Turbinenkennfeld

reiche geometrische Größen gibt, die optimiert werden können (Raddurchmesser, Schaufelhöhe, Schaufelwinkel am Ein- und Austritt sowie Schaufellänge, Schaufelanzahl, Schaufeldicke, Spirale, Diffusor(Verdichter)). Um die Aufwendungen hinsichtlich Entwicklung und Produktion zu begrenzen, gibt es verschiedene Auslegungsstrategien. a) Skalieren von bekannten Turbomaschinen und Vorhersage des entsprechenden Kennfelds entsprechend Ähnlichkeit

5

Auladesysteme

431

b) Anpassung des TRIM (verdichterseitig) bzw. des Halsquerschnitts (turbinenseitig) in kleinen Abstimmungsgrenzen c) Komplette Neuauslegung auf Basis von 1-D-Modellen bei Berücksichtigung bekannter Verlustmodelle oder automatisierte Optimierung mittels 3-D-Strömungssimulation. In der Vergangenheit wurde ausgenutzt, dass Turbomaschinen verhältnismäßig gut skalierbar sind. Mittels einfacher Regeln lassen sich aus einem bekannten Rad die aerodynamischen Eigenschaten (Kennfelder) eines Rads anderer Baugröße prognostizieren. Dabei verhalten sich die mechanischen Eigenschaten ebenfalls ähnlich. Eine Erweiterung dieses Vorgehens wird am Verdichter durch Trim-Variationen des Rads möglich. Dabei wird der Verlauf der Schaufelkontur angepasst. Trim = (

Trim

d  ) ⋅  d

Abbildung 5.25 zeigt verschiedene Ergebnisse von 2 Basis-Laufrädern mit unterschiedlichem Trim. Damit lassen sich auf einfache Weise Anpassungen an motorische Anforderungen realisieren. Der Vorteil ist, dass einerseits Varianten aus einem Rohteil eines Verdichterrads durch Schleifen erzeugt werden können und dass andererseits bei diesen Anpassungen das Verdichtergehäuse nicht komplett neu aufgebaut werden muss, solange die Konturanpassung des Rads im Rahmen des Gussaufmaßes im Gehäuse bleibt. Durch moderne Produktionsverfahren wird heute zunehmend von diesem Vorgehen abgewichen. Durch die Möglichkeit von Hochgeschwindigkeitsfräsverfahren können Laufräder sehr 4.0

3.5

pref = 1000 hPa

540

Tref = 298.15 K u2 [m/s]

500

3.0

420 0.7

3

Π

V,tot

[-]

460 2.5

2.0

0.7 6

340

1.5

1.0 0.00

48-47-80-S 66-47-108-R 66-52-108-R 66-57-108-R 72-47-118-R 72-52-118-R 72-57-118-R

2 0.7

260 180 0.05

0.10

0.15

0.20 • m V,red [kg/s]

Abb. 5.25 Trim-Druchmesser-Varianten von Verdichtern

0.25

0.30

0.35

0.40

432

G.P. Merker und R. Teichmann

Massenstromkennzahl [kg/s K0,5/bar]

4,0 +30 % Halsquerschnitt Basis

3,0

- 40 % Halsquerschnitt 2,0 +15 % Raddurchmesser 1,0

0,0 1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

4,5

5,0

Turbinendruckverhältnis [-]

Abb. 5.26 Turbinenvariation

individuell hinsichtlich aller Gestaltungsoptionen ausgelegt werden. Damit ergeben sich zwar thermodynamische Vorteile, allerdings wird u. a. auch von der mechanischen Vergleichbarkeit abgewichen. Die mechanische Absicherung von Laufrädern berücksichtigt statische Festigkeit und Ermüdungssicherheit (High Cycle Fatigue und Low Cycle Fatigue). Bei geometrisch ähnlichen Bauteilen sind bestimmte Ergebnisse dabei übertragbar. Dies entfällt, sobald Räder nicht mehr geometrisch ähnlich sind. Dementsprechend folgen zur Realisierung von thermodynamischen Potenzialen bei individueller Auslegung von Rädern überproportional höhere Aufwendungen bei der Absicherung. Die Anpassung der Turbine erfolgt auch über die Baugröße und den Trim, zusätzlich ergibt sich gegenüber dem Verdichter noch die Option der Anpassung des Halsquerschnitts. Dieser ist der engste Querschnitt im Turbinengehäuse vor dem Eintritt in die Spirale. Damit wird maßgeblich die Energiewandlung im Gehäuse (Punkt 1 in Abb. 5.9b) und damit die Zuströmgeschwindigkeit zum Turbinenrad festgelegt. Ein Vorteil dieser Anpassungsstrategie liegt darin, dass bei gleichem Turbinenrad durch Variation des Gehäuses verschiedene Charakteristiken der Turbinen realisiert werden können. Dies ist auch deshalb bei der Auslegung interessant, weil die Herstellung von Turbinenrädern deutlich kostenintensiver als die von Verdichterrädern ist und die individuelle Anpassung des Turbinengehäuses durch z. B. Packageanforderungen am Verbrennungsmotor meist ohnehin individuell erfolgen muss. Abbildung 5.26 zeigt Kennlinien verschiedener Turbinen mit gleichem Rad bei verschiedenen Halsquerschnitten. Die Anpassung von Turbine und Verdichter darf nicht unabhängig voneinander optimiert werden, da naturgemäß beide Turbomaschinen auf einer gemeinsamen Welle gekoppelt sind. Wie beschrieben gibt es beim Verdichter meist keinen großen Spielraum. An der Turbine hingegen kann verhältnismäßig einfach mit verschiedenen Optionen ein Op-

5

Auladesysteme

433

dVR = 1,20 dTR

dVR = 1,10 dTR

dVR = 0,95 dTR

Abb. 5.27 Zusammenspiel Turbine – Verdichter, Optimum bzgl. Turbinenwirkungsgrad

timum gesucht werden, wobei dies auch hinsichtlich des Wirkungsgrads möglich ist. Als geeignet hat sich eine Darstellung des Wirkungsgrads über der Schnelllaufzahl erwiesen. Schnelllaufzahl

u =√ c κR κ−

u T ( − ΠTκ ) κ−

Die Schnelllaufzahl berechnet sich aus der Umfangsgeschwindigkeit u und der theoretischen Strömungsgeschwindigkeit c0 . Letztere kann auch als isentrope Strömungsgeschwindigkeit bezeichnet werden, die sich aus dem Enthalpiegefälle der Turbine berechnen lässt. Abbildung 5.27 zeigt die Wirkungsgradlinien von 3 Turboladern, die mit gleichen Turbinen und unterschiedlichen Verdichtern betrieben werden. Es zeigt sich, dass es ein Optimum der Auswahl zwischen Turbine und Verdichter existiert, für die ein maximaler Wirkungsgrad realisiert werden kann. Auf Basis der evolutionär entwickelten Turbinen und Verdichter kann man davon ausgehen, dass das Außendurchmesserverhältnis von Verdichter- und Turbinenrad etwa bei 1,05 . . . 1,10 liegt.

5.4.1

Erweiterte Turboladermodellierung

Wie bereits mehrfach erwähnt hat sich der Turbolader-Prüfstand als Grundlage zur experimentellen Untersuchung von Turboladern bewährt. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es zwei Effekte gibt, die für eine genaue Bewertung von Turboladern entscheidend sind. Motorähnliche Pulsationen sind am Turboladerprüfstand nur mit erheblichem Aufwand

434 Abb. 5.28 Modellerweiterung durch Wärmeflüsse

G.P. Merker und R. Teichmann Systemgrenze

& H Öl,ein

& H T,ein

& H V,aus

& H T→ V

& Q T

PR

PT

PV

& Q V

& H T→Öl

& H T,aus Turbine

& H Öl,aus Lager

& H V,ein Verdichter

realisierbar, Wärmeströme sind auf Grund der hohen Leistungsdichte nicht zu vernachlässigen. Abbildung 5.28 zeigt das üblicherweise verwendete Wärmestrommodell eines Turboladers. Neben den ein- und ausströmenden Enthalpieströmen von Turbine und Verdichter wird Wärme durch das Schmieröl über die Systemgrenzen sowie in Form von Strahlung, Leitung und Konvektion innerhalb des Turboladers sowie über seine Systemgrenzen transportiert. Der Turbolader kann im realen Betrieb keinesfalls als adiabat angenommen werden. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn am Turboladerprüfstand Betriebspunkte untersucht werden, bei denen der Massenstrom gering und die Abgastemperatur hoch ist. In diesen Fällen ist die Gehäusetemperatur sehr hoch, sodass der Wärmetransport an die Umgebung eine zentrale Rolle einnimmt. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass der Turbinenwirkungsgrad Werte größer 1 annimmt. Physikalisch macht dies keinen Sinn, kann aber mit einem speziellen Modell (Abb. 5.29) erklärt werden. Die Entspannung in der Turbine findet nicht unmittelbar vom Eintritt zum Austritt statt, stattdessen wird davon ausgegangen, dass die Vorgänge in der Turbine in drei Phasen separiert werden können. Die eigentliche Entspannung erfolgt adiabat von 3* nach 4*, davor bzw. danach nimmt die Temperatur im Gehäuse ab. Analog des zu hoch bewerteten Turbinenwirkungsgrads wird durch diabate Vorgänge der Verdichterwirkungsgrad als zu schlecht bewertet. Eine genaue Analyse und Modellierung der Wärmeströme ist sowohl im Experiment als auch in der Simulation sehr aufwendig. Daher ist es ot praktikabel, für vergleichbare und reproduzierbare Ergebnisse einen Zustand herzustellen, der die Wärmeströme quasi ausschließt und damit als adiabat bezeichnet werden kann. Dies kann derart erfolgen, dass alle einund austretenden Wärmeströme auf gleichem Niveau eingestellt werden, die Gehäuse und Anschlüsse isoliert werden und schließlich durch Temperaturmessstellen an ausgewählten Punkten in den Gehäusen sichergestellt wird, dass innerhalb des Turboladers keine Temperaturdifferenzen autreten. Ein Beispiel dafür zeigt Abb. 5.30 (Boxberger 2013). Der Verdichterwirkungsgrad weicht bei kleiner Drehzahl unverhältnismäßig deutlich von den Wirkungsgraden höherer Drehzahl ab (schwarze Linien). Durch Wiederholung der Versuche mit den beschriebenen „kalten“, quasi-adiabaten Betriebsbedingungen und Berück-

5

Auladesysteme

435

Abb. 5.29 Modellierung der Diabatheit – Wärmeabgabe vor und nach Laufrad

3

T03

p03 䌚hET

3*

Enthalpie h

䌚hT,dia 䌚h*T,adi 䌚h*T,s 䌚hT,s 4s T04 p04

4*s

4* 䌚hAT

4

Entropie s

Isentroper Verdichterwirkungsgrad η C,is [-]

0.75 0.70 0.65 0.60

40000

0.55

100000

0.50 0.45

nTC, corr=160000 min-1

0.40 0.35 0.30 0.25 0.00

TRef=298K pRef=1000mbar 0.02

0.04

Exp. T3=600°C; TOil=90°C Exp. T3=25°C; TOil=25°C CFD Unsicherheitsbereich uncerntainty envelope

0.06 0.08 0.10 0.12 Reduzierter Massenstrom [kg/s]

0.14

0.16

0.18

Abb. 5.30 Korrektur diabater Vorgänge

sichtigung von systematischen Fehlern in der Messtechnik (blaues Ergebnisfeld) ergeben sich plausible Ergebnisse, die zudem eine sehr genaue Übereinstimmung mit einer Strömungssimulation (CFD) aufweisen. Die Forschung im Bereich der Pulsation hat noch keine praktikabel anwendbaren Modelle erbracht. Erste Untersuchungen zeigen aber, dass es einen sehr deutlichen Einfluss der

436

G.P. Merker und R. Teichmann

Pulsation des Verbrennungsmotors auf das Verhalten des Turboladers gibt. Ursache hierfür ist die sehr nahe Anordnung der Turbine bezogen auf das Auslassventil des Motors, wodurch die Turbine nicht als stationär durchströmt verstanden werden kann. Ansätze gehen in die Richtung, zwischen Volute und Laufrad zu trennen, da die Volute gasdynamisch als Volumen zu sehen ist, die durch die Motorpulsationen stärker als das Turbinenrad beeinflusst wird (Aymanns 2011).

5.5

Auladesysteme

Die hohen Anforderungen an Aufladesysteme haben zu einer Vielzahl an Variationen geführt, die zusätzliche Freiheitsgrade durch Kombination von Aufladesystemen erlangen. Im Folgenden wird zunächst auf einzelne Beispiele eingegangen und anschließend ein Ausblick auf weitere Varianten gegeben.

5.5.1

Zweistuig geregelte Auladung aus zwei Abgasturboladern

Bedingt durch die Einschränkungen der Turbolader mit verstellbarem Düsenring sowie durch wachsende Wünsche an die Höhe des Ladedrucks entwickelte sich der Ansatz, mehrere Turbolader in einer Reihenanordnung aufzubauen und so ein System zu schaffen, das eine Ladedruckerhöhung in mehreren Stufen realisiert. Sowohl bei Nutzfahrzeugen als auch bei Pkw (z. B. BMW-6-Zylinder-Diesel-Reihenmotor, 3,0 l, 210 kW) gibt es Systeme, die aus einer Hochdruck- und einer Niederdruckstufe bestehen (Abb. 5.31a). Im einfachsten Fall wird das System mit Hilfe einer Regelklappe geregelt, indem die Hochdruckturbine mit einem Bypass umgangen wird und gerade noch so viel Energie umsetzt, dass der Rotor der Hochdruckstufe nicht zum Stillstand kommt. Dieser Aufbau kann den Anforderungen entsprechend erweitert werden, z. B. durch Einsatz eines Wastegate-Turboladers als Niederdruckstufe und eines zusätzlichen Bypasses um den Verdichter der Hochdruckstufe. Die Vorteile dieses Systems liegen neben der Erhöhung des erreichbaren Ladedrucks in einer Verbesserung der Motordynamik (da die Hochdruckstufe Ladedruck mit den Vorteilen eines kleinen Laders aufbauen kann) und des Pumpverhaltens (da die einzelnen Verdichter für sich genommen weniger hoch belastet sind und eine unkritische Pumpgrenzlage aufweisen). Außerdem können verhältnismäßig einfache Turbolader verwendet werden. Nachteilig ist das hohe Bauvolumen des Systems. In vielen Anwendungen ist es nicht möglich, den Platz für eine zweistufige Aufladung zu schaffen. Bei der Anordnung kann es dementsprechend auch zu hohen Strömungsverlusten in den Verbindungselementen (Krümmern) der Lader kommen. Außerdem stellen sich durch hohe Drücke auf der Turbinen- und Verdichterseite hohe Anforderungen an die Abdichtung von Gehäuse und Rotor. Zusätzliche Varianten dieser Anordnung sind die Verwendung einer variablen Turbine im Hochdruckturbolader zur Erhöhung der Regelbarkeit oder die Anordnung eines

T

a) Reihenschaltung von zwei Abgasturboladern

V

T

V schaltbare Kupplung

V

T

Kompressor mit Regelklappe

Turbolader (Niederdruckstufe)

V

437

Turbolader mit Wastegate

Auladesysteme

Turbolader (Hochdruckstufe) mit Regelklappe

5

b) Reihenschaltung von Abgasturbolader und Kompressor

Abb. 5.31 Zweistufige Aufladung

Zwischenkühlers zwischen Niederdruck- und Hochdruckverdichter zur Erhöhung der Ladelutdichte bzw. zum thermischen Schutz des Hochdruckverdichters. In einer Anwendung hoher spezifischer Motorleistung gibt es bereits erste Ansätze mit 3 Turboladern an einem Motor, wobei zwei davon alternativ als Hochdruckstufe geschaltet werden (Kaufmann 2012).

5.5.2

Zweistuig geregelte Auladung aus Abgasturbolader und Kompressor

Eine Alternative zur Aufladung mit zwei in Reihe geschalteten Turboladern kann die Reihenschaltung von Kompressor und Abgasturbolader sein (Abb. 5.31b, Prinzip des VWTSI-4-Zylinderreihenmotor, 1,4 l, 125 kW). Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Ladedruck im Nennlastpunkt mit einem Turbolader erreicht werden kann und insbesondere das Fahrverhalten verbessert werden soll. Der Abgasturbolader ist dabei nicht als Hochdruckstufe zu verstehen. Er ermöglicht bei maximaler Motordrehzahl das Erreichen der Nennleistung bei akzeptablem Verbrauch. Geregelt wird er mit Hilfe eines Wastegates. Bei kleinen Motordrehzahlen und hohen Drehmomenten wird der Kompressor (z. B. Rootsverdichter) permanent zugeschaltet, wodurch sich die stationäre und dynamische Leistung der Motors optimieren lassen. Der Kompressor wird mit einer Kombination aus Regelklappe (Bypass) und Magnetkupplung (komplettes Abschalten) geregelt. Der Motor kombiniert somit die Vorteile der Aufladekonzepte „Turbolader“ und „Kompressor“. Der turboaufgeladene, kleinvolumige Motor sichert einen geringen Kratstoffverbrauch

438

G.P. Merker und R. Teichmann

(„Downsizing“), der Kompressor gleicht die entsprechenden Nachteile aus bzw. verbessert das dynamische Verhalten des Motors. Nachteilig ist naturgemäß der hohe konstruktive Aufwand dieser Aufladung. Zwar werden verhältnismäßig einfache Lader eingesetzt, deren Technologie in anderen Anwendungsfällen ausreichend erprobt ist, auf der anderen Seite existieren zwei vollständige Ladersysteme, die neben dem konstruktiven Aufwand hohe Anforderungen an die Lastregelung im dynamischen Betrieb stellen.

5.5.3

Registerauladung

Die thermodynamische Anordnung von zwei Turboladern erlaubt neben der Reihenschaltung wie im Fall der zweistufigen Aufladung auch eine Parallelschaltung. Zur Abgrenzung der Begriffe zeigt Abb. 5.32 verschiedene Optionen. Die Verwendung von 2 Turboladern in V-Motoren wird häufig als Bi-Turboaufladung bezeichnet, die beiden Turbolader haben hier jedoch im Betrieb kaum Abhängigkeit voneinander. Bei der Registeraufladung wird der Abgasmassenstrom auf zwei Turbolader aufgeteilt, das System erhält seine besondere Regelbarkeit dadurch, dass der Motor in bestimmten Betriebsbereichen durch Abschaltung des einen Turboladers nur mit dem zweiten betrieben werden kann. Der Vorteil liegt dann darin, dass der einzelne Turbolader die Abgasenergie besser nutzen kann. Das Ansprechverhalten und der Wirkungsgrad verbessern sich. Allerdings ist das maximale Ladedruckniveau begrenzt. Problematisch jedoch ist die Umschaltung der beiden Betriebsmodi. Hierbei muss aus Gründen der Fahrbarkeit ein Einbruch des Ladedrucks vermieden werden. Schließlich ist anzumerken, dass das volle Potenzial erst bei großvolumigen Motoren mit mehr als sechs Zylindern ausgeschöpt werden kann. Dieses Verfahren, das für Großmotoren spezieller Anwendung etabliert ist, hat sich in Straßenfahrzeug-Anwendungen bisher noch nicht durchgesetzt. Für weitere Ausführungen wird auf die Abschn. 2.5 und 3.8.1 verwiesen.

M

M

Bi-turbo

Abb. 5.32 Systeme mit 2 Turboladern

twostage

register

5

Auladesysteme

5.5.4

439

Elektrisch unterstützte Auladung

Auf der Suche nach Erweiterungen von Freiheitsgraden beim Betrieb von Turboladern wurde die Zuführung elektrischer Leistung als eine Option entdeckt. Dabei gab bzw. gibt es verschiedene Ansätze. Entweder kann ein Elektromotor auf der Welle des Turboladers integriert werden, der bei Bedarf zusätzliche Energie auf den Verdichter übertragen kann oder es wird ein zusätzlicher, elektrisch angetriebener Turboverdichter in die Lutstrecke des Motors (vor oder hinter Turboladerverdichter) eingebaut, der direkt den Ladedruck erhöht. Die Vorteile liegen insbesondere in einer Verbesserung des dynamischen Ladedruckaufbaus bei angemessener Regelbarkeit. Nachteilig ist der sehr hohe Bedarf an elektrischer Energie. Um einen wirksamen Beitrag zur Ladedrucksteigerung zu bewirken, wird eine elektrische Leistung in ähnlicher Größenordnung der aerodynamischen Verdichterleistung (mehrere kW) über eine bestimmte Zeit (mehrere Sekunden) benötigt. Die üblichen Bordnetze (besonders 12-Volt-Technik) sind damit allerdings überfordert. Elektrische Zwischenspeicher können eine Lösung sein, führen aber zusammen mit dem Ladersystem und der Leistungselektronik zu hohen Kosten. Schließlich ist noch die Temperaturempfindlichkeit (besonders beim Elektromotor auf der Turboladerwelle) zu nennen. Insgesamt haben Untersuchungen an verschiedenen Stellen ergeben, dass die Wirkung dieser Zusatzaufladung bei vertretbarem Aufwand derzeit nicht ausreichend ist.

5.6 5.6.1

Sonstiges Ladeluftkühlung

Die Mehrheit der aufgeladenen Motoren in Fahrzeuganwendungen ist heute mit Ladelutkühlern ausgestattet. Diese haben den Zweck, die durch den Verdichtungsprozess erhöhte Temperatur der Frischlut zu senken. Die Luterwärmung ist nicht zu vermeiden und findet auch bei adiabat isentropen Zustandsänderungen statt. Durch die Erhöhung der Dichte mittels Temperaturabsenkung (ideales Gasgesetz) wird eine höhere Lutmenge im Brennraum des Motors ermöglicht. Dementsprechend dient die Ladelutkühlung primär der Leistungssteigerung. Zusätzlich ergeben sich noch Vorteile hinsichtlich einer geringeren thermischen Bauteilbelastung, geringerer Stickoxidbildung sowie einer Verbesserung des Klopfverhaltens (bei aufgeladenen Ottomotoren). Technisch umgesetzt wird diese Kühlung durch Wärmetauscher (Ladelutkühler in Abb. 5.3), die entweder lut- oder wassergekühlt sind.

5.6.2

Abgasrückführung

Im Zuge steigender Anforderungen zur Senkung von Abgasemissionen, ist die Abgasrückführung (AGR) bei Dieselmotoren nicht mehr wegzudenken. Hierbei wird Abgas meist

440

G.P. Merker und R. Teichmann

direkt aus dem Abgaskrümmer der aufgeladenen Frischlut zugeführt. Das Abgas wirkt in diesem Fall als Inertgas und senkt lokale Temperaturspitzen bei der Verbrennung im Brennraum. Damit wird die Stickoxidbildung reduziert. Die Menge an rückführbarem Abgas ist begrenzt durch den Druckunterschied zwischen dem Abgasdruck vor der Turbine und dem Ladedruck. Für den Turbolader hat dies verschiedene Auswirkungen. Instationär senkt die Abgasrückführung die an der Turbine zum Antrieb des Verdichters verfügbare Leistung. Zur Füllung des Brennraums mit dem Gemisch aus Frischlut und zurückgeführtem Abgas muss der Ladedruck gesteigert werden. Solange Abgasrückführung nur im Teillastbereich des Motors realisiert wird, stellt dies kein Problem dar. Die schärfer werdenden Emissionsgesetze erfordern jedoch zunehmend auch Abgasrückführung im Bereich der Volllast, sodass zur Stabilisierung des Kratstoff-Lut-Verhältnisses ein zusätzlicher Ladedruckbedarf auch im volllastnahen Bereich realisiert werden muss, was wiederum ggf. zu einem zweistufigen System führen kann. Zur Erreichung strengster Emissionsgrenzwerte setzt sich bei Dieselmotoren zunehmend die Niederdruckabgasrückführung durch. Dabei wird im Partikelfilter gereinigtes Abgas vor den Verdichter eingeleitet. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der guten Durchmischung von Abgas und Frischlut, der Möglichkeit der Erhöhung der Menge des zurückgeführten Abgases sowie in zusätzlichen Optionen zur Kühlung des Abgasrückführanteils. Aus Sicht des Turboladers ergibt sich zudem Potenzial im dynamischen Verhalten, da – wenn Abgas erst nach der Turbine entnommen und der Frischlut zugeführt wird – der Turbine die volle Abgasmenge zum Antrieb zur Verfügung steht. Abbildung 3.76 (Abschn. 3.4) zeigt den Effekt eines AGR-Mengensprungs auf die Turboladerdrehzahl und damit den Ladedruck bei Hochdruck- und Niederdruck-AGR.

5.6.3 Stau- und Stoßauladung Wenn Abgas im Krümmer zusammengeführt wird, werden die vom Motor ausgehenden Pulsationen gedämpt; man spricht von einer Stauaufladung. Durch gezielte Zusammenführung entsprechend der Pulsfolge des Motors und Trennung der Pulse bis kurz vor das Turbinenrad lassen sich die Pulsationen stärker zum Antrieb der Turbine nutzen, man spricht dann von einer Stoßaufladung. Voraussetzung dafür ist ein getrennter Abgaskrümmer sowie ein zweiflutiges Turbinengehäuse (Abb. 5.33). Dabei wird die kinetische Energie der Abgasströmung nicht wie bei der Stauaufladung komplett dissipiert, wodurch der Turbine insgesamt ein höheres Enthalpieangebot zur Verfügung steht, das zur Erreichung höherer Ladedrücke genutzt werden kann. Prädestiniert für die Anwendung der Stoßaufladung sind 6-Zylindermotoren, da der Abgasmassenstrom von je 3 Zylindern zusammengefasst werden kann, um das Turbinenrad kontinuierlich und effektiv mit Pulsen zu versorgen. Dabei liegt der Druck nach Öffnen des Auslassventils fast vollständig am Turbinenrad an (Abb. 5.34), die Folge von Pulsen ist hier ideal. Die Stoßaufladung wird üblicherweise bei Turboladern ohne variable Turbinengeometrie eingesetzt, also z. B. bei 6-Zylindermotoren aus Nutzfahrzeuganwendungen oder 4-Zylindermotoren mit Otto-Brennverfahren.

5

Auladesysteme

441 zweiflutig

Abb. 5.33 Stoß- und Stauaufladung

einflutig

2,4

p2 p3 pZyl 1 pZyl 2 pZyl 3

2,2 Druck [bar]

2,0 1,8

Zyl 3

Zyl 2

1,6 1,4 1,2

Zyl 1

1,0

Druck p2 [bar]

0,8 -90

0

90

270 360 180 Kurbelwinkel [°KW]

1,46

450

540

630

Stoßaufladung

1,42 1,38 1,34 1,30 -90

Stauaufladung 0

90

270 360 180 Kurbelwinkel [°KW]

450

540

630

Abb. 5.34 Stoß- und Stauaufladung

Der konstruktive Aufwand ist bei Turbinengehäusen mit Flutenteiler nicht unerheblich. Die Gestaltung des Gehäuses muss die zyklischen und unterschiedlichen Wärmedehnungen des Materials berücksichtigen. Dies bedarf spezieller Absicherungsmaßnahmen mittels Versuch und Simulation, um zu vermeiden, dass Risse kritisch werden.

442

5.6.4

G.P. Merker und R. Teichmann

Kennfeldstabilisierende Maßnahmen am Verdichter

Zur Verschiebung der Pumpgrenze von Verdichtern werden manchmal Rezirkulationskanäle am Verdichtereintritt realisiert (Abb. 5.35). Eine gezielte Zirkulation von Lut kann stabilisierend wirken, weil dem Verdichter damit ein zusätzlicher Massenstrom „vorgegaukelt“ wird. Dadurch wird die Fehlanströmung zum Rad, dadurch wiederum wird die Neigung zur Ablösung und schließlich zum Verdichterpumpen vermindert. Der Effekt wirkt insbesondere bei hohen Druckverhältnissen (Abb. 5.36) und spielt daher nur

Rückströmung

Zuströmung

lat ion

Abb. 5.35 Kennfeldstabilisierende Maßnahmen

irk u it R ez ze m Pu mp gr en

Verdichterdruckverhältnis [-]

3,0

m Pu

p

e eR hn o e nz gre

ku zir

ion lat

nV

2,0

¾ nV

¼ nV

½ nV

1,0 red. nom. Volumenstrom [-]

Abb. 5.36 Kennfeldstabilisierende Maßnahmen (KSM)

5

Auladesysteme

443

bei entsprechenden Motoren eine Rolle, z. B. bei einstufig aufgeladenen Nutzfahrzeugmotoren.

5.6.5 Schubumluft Im Ottomotor wird zur Regelung eine Drosselklappe eingesetzt, die zwischen Turboladerverdichter und Saugrohr positioniert wird. Beim Schließen dieser Klappe im Schubbetrieb wird der Verdichter stark gedrosselt. Dies kann zur Folge haben, dass der Verdichterbetriebspunkt in den instabilen Bereich des Pumpens rückt. Zur Vermeidung dieses Effekts wird ein Schubumlutventil verwendet, das den Verdichter durch einen Bypass zwischen Verdichteraus- und -eintritt entlastet. Die Querschnitte des Schubumlutventils bzw. der Schubumlutleitung sind dabei so zu dimensionieren, dass der Drehzahlabfall des Verdichters bei Schließen der Drosselklappe möglichst gering ist, um ein gutes Transientverhalten des Motors bei erneuter Lastaufschaltung zu erreichen.

Literatur Aymanns, R., Scharf, J., Uhlmann, T., Lückmann, D.: A Revision of Quasi Steady Modelling of TurboCharger Turbines in the Simulation of Pulse Charged Engines, Tagungsband. Aufladetechnische Konferenz, Dresden (2011) Baines, N. (2005): Fundamentals of Turbocharging, Concepts NREC, Wilder, Vt. Boxberger, V., Mai, H., Kadunic, S., Baar, R.: Challenges to validate turbocharger CFD simulations with hot gas test, IAV-Tagung, Engines Processes. Expert Verlag, Renningen (2013) Braess, H.-H., Seiffert, U.: Vieweg Handbuch Kratfahrzeugtechnik. Springer Vieweg, Wiesbaden (2013) Eißler, W.: Optimierung des Abgasturboladers für den 6-Zylinder Diesel von Mercedes-Benz, Aufladetechnische Konferenz. Tagungsband, Dresden (2011) FVV-Abschlussbericht: Dynamische Pumpgrenze (2008) Golloch, R.: Downsizing bei Verbrennungsmotoren. Springer, Berlin (2005) Grigoriadis, P.: Experimentelle Erfassung und Simulation instationärer Verdichterphänomene bei Turboladern von Fahrzeugmotoren (2008). Dissertation, TU Berlin Kaufmann, M., Ardey, N., Stütz, W., Hiemesch, D., Wichtl, R., Steinmayr, T.: he New Cornerstones of the BMW Diesel Engine Portfolio, Aachener Kolloquium. Lehrstuhl für Verbrennungskratmaschinen, Aachen (2012) Lei, V.-M., Nejedly, M., Houst, V., Keres, V.: Dual boost compressor development, IMechE Turbocharging Conference, 10th International Conference on Turbochargers. Woodhead Publishing Limited, Cambridge (2012)

Teil II: Verbrennungstechnik, Schadstofbildung und -reduktion, Emissionsmesstechnik

6

Reaktionskinetik Gunnar Stiesch und Peter Eckert

6.1

Grundlagen

6.1.1 Chemisches Gleichgewicht Ein chemische Reaktion zwischen den Edukten Aa , Ab , usw., die die Produkte Ac , Ad , usw. bildet, kann in der folgenden Form beschrieben werden v a A a + vb Ab + . . . → v c A c + vd Ad + . . .

(6.1)

Dabei bezeichnen die ν i die sog. stöchiometrischen Koeffizienten der Reaktion. Da jede chemische Reaktion grundsätzlich sowohl vorwärts als auch rückwärts ablaufen kann, kann der Reaktionspfeil in (6.1) durch ein Gleichheitszeichen ersetzt werden. Dadurch erhält man die allgemeine Form der Reaktionsgleichung ∑ νi Ai =  ,

(6.2)

i

wobei die stöchiometrischen Koeffizienten konventionsgemäß für alle Edukte negativ und für alle Produkte positiv sind. Jede chemische Reaktion strebt immer ihrem Gleichgewichtszustand entgegen, der unter der Voraussetzung erreicht wird, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Dieser Gleichgewichtszustand kann als eine Situation interpretiert werden, in der sowohl die Vorwärts- als auch die Rückwärtsreaktionen mit identischer Geschwindigkeit ablaufen. apl.- Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg, Deutschland Dr.-Ing. Peter Eckert B Laatzen, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_6, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

447

448

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 6.1 Geschlossener Reaktor m, p, T = const.

Dadurch wird die makroskopisch sichtbare Reaktionsrate zu Null, und die Stoffzusammensetzung ändert sich nicht mehr. Diese Stoffzusammensetzung im Gleichgewichtszustand kann mit Hilfe der beiden Hauptsätze der hermodynamik in Abhängigkeit der Randbedingungen Temperatur und Druck bestimmt werden. Dieses Vorgehen wird im Folgenden aufgezeigt. Für ein geschlossenes, kompressibles System mit konstanter Temperatur und konstantem Druck (siehe Abb. 6.1) lauten der erste und der zweite Hauptsatz der hermodynamik dU = dQ + dW = dQ − pdV ,

(6.3)

dQ (6.4) + dSirr . T Dabei bezeichnet dSirr die Entropiezunahme aufgrund von Irreversibilitäten, die grundsätzlich größer oder gleich Null ist. Kombination von (6.3) und (6.4) ergibt daher die Ungleichung TdS − dU − pdV ≥  . (6.5) dS =

Führt man dazu die freie Enthalpie G ein

G = H − T S = U + pV − T S ,

(6.6)

dann erhält man nach Differenziation und entsprechender Umformung dG − Vdp + SdT ≤  .

(6.7)

Für ein geschlossenes System mit konstanter Temperatur und konstantem Druck ist die Ableitung der freien Enthalpie also immer kleiner oder gleich Null. Das bedeutet, dass jede Änderung der Zusammensetzung durch chemische Reaktionen den Wert von G reduziert und dass im chemischen Gleichgewicht die Bedingung dG∣T,p = 

(6.8)

erfüllt ist. Die freie Enthalpie hat ein Minimum im chemischen Gleichgewicht. Für ein einphasiges Mehrkomponenten-System wie z. B. ein Verbrennungsgas ist die freie Enthalpie eine Funktion von Temperatur, Druck und Zusammensetzung G = G(T, p, n  , n  , n  , . . .) ,

(6.9)

6

R eaktionskinetik

449

wobei die ni die Stoffmengen der verschiedenen Spezies i kennzeichnen. Es wird nun das chemische Potenzial μi einer Stoffkomponente i eingeführt. Dieses ist definiert als die partielle Ableitung der freien Enthalpie nach der Stoffmenge von i μi =

∂G ∣ , ∂n i T,p,n j

j≠i.

(6.10)

Für ein ideales Gas – und dies ist eine akzeptable Annahme für die meisten Verbrennungsgase – kann gezeigt werden, dass das chemische Potenzial identisch der molaren freien Enthalpie ist, siehe z. B. Moran und Shapiro (1992) ˜ ln p i . μ i = g˜i (T, p i ) = g˜○i + RT p○

(6.11)

Der Index ° kennzeichnet dabei den Zustand beim Referenzdruck von 1 atm. Der erste Term auf der rechten Seite von (6.11) steht für g˜○i = h˜ i (T) − T s˜○i (T)

(6.12)

und kann daher aus tabellierten thermodynamischen Zustandsdaten bestimmt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die molare Enthalpie hier aus der molaren StandardBildungsenthalpie und einem temperaturabhängigen Term zusammensetzt h˜ i (T) = h˜ ○f ,i + Δ h˜ i (T) .

(6.13)

Setzt man das in (6.10) eingeführte chemische Potenzial in die Gleichgewichtsbedingung (6.8) ein, erhält man die Form dG∣T,p = ∑ μ i dn i =  .

(6.14)

i

Für eine allgemeine chemische Reaktion entsprechend (6.2) sind die Änderungen der Stoffmengen dni jedoch proportional zu den entsprechenden stöchiometrischen Koeffizienten, so dass die Gleichung (6.15) dn i = ν i dε ,

mit dem Proportionalitätsfaktor dε, für alle Komponenten i erfüllt ist. Die Gleichung (6.14) erhält also die vereinfachte Form (6.16) ∑ μi ν i =  , i

die alle zur Bestimmung der Gleichgewichtszusammensetzung notwendigen Informationen enthält. Allerdings ist die Lösung von (6.16) nach den verschiedenen Stoffkonzentrationen nur iterativ möglich und daher sehr aufwendig.

450

G.P. Merker und R. Teichmann

Um dieses Problem zu umgehen, wird das Konzept der Gleichgewichtskonstanten eingeführt. Durch Einsetzen von (6.11) in (6.16) erhält man die Beziehung νi

○ ˜ ln ∏ ( p i ) =  , ∑ ν i g˜i + RT p○ i i

(6.17)

in der der logarithmische Term als die Gleichgewichtskonstante bezeichnet wird Kp = ∏ ( i

νi

pi ) . p○

(6.18)

Diese Gleichgewichtskonstante K p enthält nun die Informationen über die Stoffzusammensetzung im Gleichgewicht anhand der Partialdrücke pi der verschiedenen Spezies i. Da der erste Term von (6.17) ausschließlich von der Temperatur abhängt (vergl. 6.12), ist es offensichtlich, dass auch die Gleichgewichtskonstante K p nur eine Funktion von T ist. Sie kann mit Hilfe von thermodynamischen Zustandsdaten leicht berechnet und für jede beliebige Reaktion tabelliert werden ln K p =

− ∑ ν i g˜○i i

˜ RT

=

−ΔR g˜○ . ˜ RT

(6.19)

Der Zähler in (6.19) wird dabei üblicherweise als freie molare Reaktionsenthalpie bezeichnet. Mit Hilfe von (6.18) kann die Gleichgewichtszusammensetzung für ein System, in dem eine einzige chemische Reaktion abläut, z. B. (CO + 1/2 O2 = CO2 ), nun für bestimmte Temperatur- und Druckrandbedingungen gelöst werden. Allerdings werden zusätzlich zu (6.18) noch zwei weitere Bedingungen benötigt, da insgesamt drei Unbekannte, nämlich die Partialdrücke von CO, O2 und CO2 , gelöst werden müssen. Diese beiden Bedingungen ergeben sich aus den Atombilanzen für die beiden beteiligten Elemente C und O, d. h. aus der Tatsache, dass sich die absolute Anzahl der Atome eines Elements während einer chemischen Reaktion nicht ändert. Da üblicherweise mit den Partialdrücken der Komponenten und nicht mit deren absoluter Atom- bzw. Molekülanzahl gearbeitet wird, ist es zweckmäßig, die Atombilanzen als Verhältnis auszudrücken. Dies ist möglich, weil das Verhältnis zweier Konstanten selbst auch stets eine Konstante ist. Für die BeispielReaktion (CO + 1/2 O2 = CO2 ) erhält man demnach für das Atomzahlverhältnis ξC/O von Kohlenstoff- zu Sauerstoffatomen vor (*) und nach der Reaktion ∗ ∣Edukte = ξC/O ∣Produkte = ξC/O

pCO + pCO , pCO + pO + pCO

(6.20)

wobei das Atomzahlverhältnis vor der Reaktion aus den Stoffmengen n∗i der miteinander reagierenden Edukte bekannt ist ∗ ξC/O ∣Edukte =

n∗CO . + n∗O

n∗CO

(6.21)

6

Reaktionskinetik

451

Durch die Verhältnisbildung der beiden Atombilanzen hat man jedoch eine unabhängige Gleichung verloren. Diese kann durch das Dalton’sche Gesetz ersetzt werden, das aussagt, dass die Summe aller Partialdrücke dem Systemdruck entspricht ∑ p i = psys .

(6.22)

i

6.1.2 Reaktionsgeschwindigkeit Auf der Mikroskala, d. h. auf der Molekularebene, läut eine chemische Reaktion, wie sie z. B. in (6.1) gegeben ist, immer sowohl in Vorwärts- als auch in Rückwärtsrichtung ab. Die makroskopische Reaktionsrichtung ergibt sich dann aus der einfachen Differenz zwischen Vor- und Rückreaktionen. Daher stellt das chemische Gleichgewicht lediglich einen Sonderfall dar, in dem Vor- und Rückreaktionen jeweils gleich schnell ablaufen, so dass kein makroskopisch sichtbarer Stoffumsatz mehr stattfindet. Auf Molekularebene laufen jedoch nach wie vor Reaktionen ab. Während die makroskopische Reaktionsrate immer in Richtung des chemischen Gleichgewichts gerichtet ist, liefert die Gleichgewichtsanalyse jedoch keine Informationen über die absoluten Reaktionsraten, d. h. über die Zeit, die bis zum Erreichen des Gleichgewichts notwendig ist. Diese Information liefert die sog. Reaktionskinetik. Für die in (6.1) angegebene chemische Reaktion kann die zeitliche Änderung einer Spezies-Konzentration, z. B. für [Ac ], mit dem empirischen Ansatz ⎞ ⎛ d[A c ] ν ν ν ν k f [A a ] a [A b ] b − k r [A c ] c [A d ] d ⎟ = νc ⎜ ⎟ ⎜ dt F F F F F F F FGF F F F F F F F F F F F F F F F F F F H EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F F H⎠ ⎝EFF F F F F F F F F F Fvorwärts rückwärts

(6.23)

angegeben werden, wobei der erste Term auf der rechten Seite die Reaktionsrate der Vorwärtsreaktion und der zweite Term die Rate der Rückwärtsreaktion beschreibt. Dabei sind kf und kr die sog. Geschwindigkeitskoeffizienten der Vor- bzw. Rückwärtsreaktion. Sie müssen für jede einzelne chemische Reaktion experimentell, z. B. mit Versuchen in Stoßwellenreaktoren, ermittelt werden. Da die Geschwindigkeitskoeffizienten der meisten Reaktionen extrem temperaturabhängig sind, werden sie üblicherweise mit einem ArrheniusAnsatz der Form EA ] (6.24) k = A ⋅ T b ⋅ exp [− ˜ RT dargestellt. Die Konstante A und der Exponent b sowie die sog. Aktivierungsenergie EA sind für viele chemische Reaktionen in umfangreichen Tabellenwerken zusammengefasst, siehe z. B. Warnatz et al. (2001). Es ist grundsätzlich ausreichend, entweder den Geschwindigkeitskoeffizienten der Vorwärts- oder den der Rückwärtsreaktion zu kennen. Der jeweils andere kann dann unter Einbeziehung der entsprechenden Gleichgewichtskonstante ermittelt werden. Dies

452

G.P. Merker und R. Teichmann

wird klar, wenn man berücksichtigt, dass im Sonderfall des chemischen Gleichgewichts die integrale Umsatzrate zu Null wird, da die Reaktion in beiden Richtungen gleich schnell abläut. Setzt man diese Bedingungen in (6.23) ein, erhält man k f [A c ]ν c [A d ]ν d = ≡ Kc , k r [A a ]ν a [A b ]ν b

(6.25)

wobei K c die in Abhängigkeit der Stoffkonzentrationen definierte Gleichgewichtskonstante ist. Sie ist über die Beziehung p○ ∑i ν i ) (6.26) Kc = K p ⋅ ( ˜ RT eindeutig an die in Abhängigkeit der Partialdrücke definierte Gleichgewichtskonstante K p gekoppelt, die in (6.18) und (6.19) eingeführt wurde. Da sowohl die Geschwindigkeitskoeffizienten als auch die Gleichgewichtskonstante ausschließlich von der Temperatur und nicht von den tatsächlichen Stoffkonzentrationen abhängen, gilt die Beziehung kf p○ ∑i ν i ) = Kp( ˜ kr RT

(6.27)

nicht nur für den Gleichgewichtszustand sondern allgemein.

6.1.3 Partielles Gleichgewicht und Quasi-Stationarität In einem umfangreichen Reaktionssystem mit einer großen Anzahl von Reaktionen zwischen vielen beteiligten Spezies spricht man von einem partiellen Gleichgewicht, wenn einige Reaktionen (aber nicht notwendigerweise alle) derart schnell ablaufen, dass die Annahme des Gleichgewichts zwischen den in diesen Reaktionen autretenden Spezies zu jedem Zeitpunkt gerechtfertigt ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die absoluten Konzentrationen der Spezies, die sich im partiellen Gleichgewicht befinden, zeitlich konstant sein müssen. Bei veränderten Randbedingungen können sich die Spezieskonzentrationen sehr wohl zeitlich verändern. Allerdings sind diese Konzentrationsänderungen aller beteiligten Spezies über die Annahme von unendlich schnellen Hin- und Rückreaktionen fest aneinander gekoppelt, so dass die Bestimmung der Spezieskonzentrationen wesentlich vereinfacht werden kann: Im Fall des partiellen Gleichgewichts können die Partialdrücke der entsprechenden Spezies in Analogie zu der Vorgehensweise für eine Einzelreaktion bestimmt werden. Allerdings ist nun die Zahl der Unbekannten (d. h. der Partialdrücke der Spezies) größer, so dass zusätzliche Gleichungen aufgestellt werden müssen, um das System lösen zu können. Diese Gleichungen erhält man, wenn man für jede Reaktion, die sich im partiellen Gleichgewicht befindet, eine Gleichgewichtskonstante gemäß (6.19) bestimmt und diese gemäß (6.18) zu den entsprechenden Partialdrücken in Beziehung setzt. Ein Beispiel für das Autreten von partiellen Gleichgewichten sind die Reaktionen zwischen den Spezies CO, CO2 , H, H2 , H2 O, O, O2 und OH direkt innerhalb der Flamme und

6

Reaktionskinetik

453

auch innerhalb der heißen Verbrennungsprodukte in Verbrennungsmotoren. Die Konzentrationen dieser acht Spezies, die insgesamt drei verschiedene Elemente enthalten (C, O und H), können durch fünf linear unabhängige Reaktionsgleichungen, die sich jeweils im partiellen Gleichgewicht befinden, bestimmt werden s. Abschn. 6.2, Reaktionen (6.38) bis (6.42). Die weiteren zur Lösung der acht unbekannten Partialdrücke benötigten drei Gleichungen erhält man aus den Atombilanzen der drei beteiligten Atome. Für eine ausführlichere Darstellung sei auf Warnatz et al. (2001) verwiesen. Ein Zustand wird allgemein als quasi-stationär bezeichnet, wenn bei einer Folgereaktion A LL→ B LL→ C k f ,

k f ,

(6.28)

der zweite Reaktionsschritt sehr viel schneller abläut als der erste, d. h. wenn kf ,1 ≪ kf ,2 . In diesem Fall kann näherungsweise angenommen werden, dass die gesamte Stoffmenge von B, die in der ersten Teilreaktion gebildet wird, sofort durch die sehr viel schnellere zweite Teilreaktion abgebaut wird. Damit ist die zeitliche Änderungsrate der Konzentration von B näherungsweise gleich Null, d. h. B ist quasi-stationär d[B] ≈. dt

(6.29)

Durch diese Annahme kann die zeitabhängige Bestimmung der Konzentrationen der beteiligten Stoffe A, B und C sehr stark vereinfacht werden, wie im folgenden dargestellt wird. Gemäß Abschn. 6.1.2 ergeben sich für die Reaktion (6.28) die Konzentrationsänderungsraten d[B] d[C] d[A] = −k f , [A], = k f , [A] − k f , [B], = k f , [B] . dt dt dt

(6.30)

Die Integration der Gleichungen (6.30) unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen (6.31) [A] t= = A  , [B]t= = [C]t= = 

ergibt den zeitabhängigen Verlauf der Konzentrationen von A, B und C, die für den Fall kf ,1 ≪ kf ,2 in Abb. 6.2a) schematisch dargestellt sind [B] = A 

[C] = A  ⋅ [ −

[A] = A  ⋅ exp(−k f , ⋅ t) ,

k f , [exp (−k f , ⋅ t) − exp(−k f , ⋅ t)] , k f , − k f ,

k f , k f , exp(−k f , ⋅ t) + exp(−k f , ⋅ t)] . k f , − k f , k f , − k f ,

(6.32)

(6.33) (6.34)

1 0,8

a) exakte Lösung [A]

[C]

0,6 0,4 0,2 0

[B]

Konzentration von A, B, C

G.P. Merker und R. Teichmann

Konzentration von A, B, C

454

Zeit

1

b) Komponente B ist quasi-stationär

0,8

[A]

[C]

0,6 0,4 0,2

[B]

0

Zeit k f ,

k f ,

Abb. 6.2 Verlauf der Konzentrationen von A, B und C bei der Folgereaktion (A → B → C) unter der Bedingung kf ,1 ≪ kf ,2 . a) Exakte Lösung b) Annahme der Quasi-Stationarität von B

Setzt man nun die Vereinfachung (6.29) in die Änderungsrate von [B] in (6.30) ein, erhält man anstelle von (6.33) k f , [A] = k f , [B] ⇔ [B] =

k f , A  exp [−k f , ⋅ t] . k f ,

(6.35)

Damit vereinfacht sich schließlich auch (6.34) zu

[C] = A  [ − exp(−k f , ⋅ t)] .

(6.36)

Die Konzentrationsverläufe von A, B und C für die Annahme der Quasi-Stationarität von B sind in Abb. 6.2b) schematisch dargestellt. Im Vergleich zu der exakten Lösung in Abb. 6.2a) wird deutlich, dass lediglich ganz zu Beginn der Reaktion die Konzentration von B nicht korrekt abgebildet wird. Während des Großteils der Reaktionszeit stimmt die mit Hilfe der Quasi-Stationaritätsannahme ermittelte Lösung jedoch sehr genau mit der exakten Lösung überein. Ein typisches Beispiel für einen quasi-stationären Zustand bei der motorischen Verbrennung stellt das Stickstoffatom N bei der thermischen NO-Bildung dar, siehe auch Abschn. 7.2.4.

6.2 Reaktionskinetik von Kohlenwasserstofen 6.2.1 Oxidation von Kohlenwasserstofen Bei vollkommener Verbrennung werden Kohlenwasserstoffverbindungen Cx Hy in Kohlendioxid CO2 und Wasserdampf H2 O umgesetzt. Diese Reaktion kann pauschal durch die Bruttoreaktionsgleichung y y Cx H y + (x + ) O → x ⋅ CO + H O + ΔHR  

(6.37)

6

Reaktionskinetik

455

Abb. 6.3 Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema

beschrieben werden. Dabei stellt die Reaktionsenthalpie ΔH R die durch die Verbrennung freigesetzte Wärme dar. Tatsächlich läut die Verbrennung jedoch nicht nach dieser Bruttoreaktionsgleichung, sondern nach einem sehr komplexen und auf Elementarreaktionen basierenden Reaktionsschema ab. Abbildung 6.3 zeigt eine stark vereinfachte Darstellung des Reaktionsschemas von Alkanen. Sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Temperaturen findet eine Abstraktion, d. h. eine Abspaltung eines Wasserstoffatoms vom Kohlenwasserstoffmolekül statt. Bei niedrigen Temperaturen entstehen Kohlenwasserstoffperoxide (ROOH• ), die durch Oxidation und Dehydrierung in kleinere Kohlenwasserstoffe zerfallen. Diese Reaktionen sind für Zündprozesse in motorischen Anwendungen von entscheidender Bedeutung und werden in Abschn. 6.2.2 ausführlich behandelt. Bei hohen Temperaturen wird die Bildung von Wasserstoffperoxid umgangen, stattdessen entstehen aus dem durch Wasserstoffabstraktion gebildeten Alkylradikal über einen β-Zerfall jeweils ein Alken und ein kleineres Alkylradikal (Glassmann 1996). Im weiteren Verlauf entstehen Alkene, Dialken, Ketyle, Keton und Aldehyde, wie etwa Acetaldehyd (Ethanal) CH3 CHO und Formaldehyd (Methanal) CH2 O. Bis zur Bildung der Aldehyde werden nur etwa 15 % der gesamten Reaktionswärme freigesetzt. In der darauffolgenden Bildung von CO und H2 O werden ca. 40 % und bei der Oxidation von CO zu CO2 die restlichen 45 % der im Brennstoff gespeicherten Wär-

456

G.P. Merker und R. Teichmann ci Temperatur

CxHy, O2 H, O, OH

CO2

C2H4, C3H6, C2H2 HCHO, CH3CHO, H2

H2O CO

t

Abb. 6.4 Zeitlicher Konzentrationsverlauf bei der Kohlenwasserstoffverbrennung

me freigesetzt. Ein wesentlicher Teil der Wärmefreisetzung erfolgt also erst am Ende des Reaktionsschemas bei der Oxidation von CO zu CO2 . Abbildung 6.4 zeigt qualitativ den zeitlichen Konzentrations- und Temperaturverlauf bei der Kohlenwasserstoffverbrennung Zur Abschätzung der Temperatur und der Konzentrationen in der Flammenfront kann vereinfacht angenommen werden, dass die acht Komponenten H• , H2 , O• , O2 , OH• , CO, CO2 und H2 O in der Flammenfront wegen der dort herrschenden hohen Temperatur im partiellen Gleichgewicht sind. Dieses so genannte OHC-System wird damit durch die fünf Reaktionsgleichungen (6.38) H = H• O = O•

(6.39)

 H O = H + OH• (6.40)   H O = O  + H  (6.41)   (6.42) CO = CO + O  beschrieben, wobei die fünf Gleichgewichtskonstanten folgendermaßen formuliert sind: −

(6.43)

−

(6.44)

KC1 = [H] [H ] 

KC2 = [O] [O ] 

−

(6.45)

−

(6.46)

KC3 = [H ]  [OH][H O] 

KC4 = [O ] [H ][H O]  

−

KC5 = [CO][O ] [CO ]  

.

(6.47)

6

Reaktionskinetik

457

Abb. 6.5 Partielles Gleichgewicht der OHC-Komponenten in Abhängigkeit der Temperatur für den Gesamtdruck 1 bar

Zusammen mit den Atombilanzen für die Atome O, H und C (besser CO) und der Bedingung, dass die Summe der Partialdrücke aller Komponenten gleich dem Gesamtdruck sein muss, erhält man schließlich ein nicht lineares Gleichungssystem, das mit bekannten numerischen Integrationsverfahren, z. B. dem Newton-Kantorowitsch-Verfahren, eindeutig lösbar ist. Eine alternative Möglichkeit, das chemische Gleichgewicht des OHC-Systems zu lösen, ergibt sich beispielsweise mit der so genannten Element Potential Methode, siehe Reynolds (1986). In Abb. 6.5 ist beispielhat die Konzentrationsverteilung der OHC-Komponenten in Abhängigkeit der Temperatur für den Gesamtdruck 1 bar dargestellt.

6.2.2

Zündvorgänge

Zündung ist der Übergang eines nichtreaktiven Brennstoff-Lut-Gemisches in eine Verbrennung. Zündvorgänge können in die Kategorien thermische Explosion und Kettenexplosion unterteilt werden. Nach Semenov’s Analyse, siehe Semenov (1935), findet eine thermische Explosion statt, wenn die chemische Wärmeproduktion die Wärmeverluste an den Brennraumwänden übersteigt. Bei dieser Form der Zündung liegt ein direkter Temperaturanstieg ohne Verzögerung vor. Bei Kettenexplosionen wird dagegen üblicherweise eine Zündverzugszeit mit konstanter Temperatur durchlaufen. In dieser Zeit werden erste, als Kettenträger dienende Radikale gebildet. Erst wenn eine gewisse Menge dieser Radikale im System vorliegen, findet eine ausreichende Wärmefreisetzung für eine Temperaturerhöhung und eine nachfolgende Explosion statt. Die Reaktionen einer Kettenexplosion werden in Start-, Fortpflanzungs-, Verzweigungs- und Abbruchsreaktionen unterteilt. Wichtige Radikale sind beispielsweise die Atome O• und H• sowie das Hydroxylradikal (OH• ), das Hydroperoxyradikal (HO•2 ) und das Methylradikal (CH•3 ).

458

G.P. Merker und R. Teichmann

Startreaktionen bilden Radikale aus stabilen Spezies, wie z. B. in der Reaktion zwischen Methan und molekularem Sauerstoff: CH + O → CH• + HO• .

(6.48)

Fortpflanzungsreaktionen erhalten die Anzahl radikaler Spezies: CH + OH• → CH• + H O .

(6.49)

In Kettenverzweigungsreaktion werden mehr Radikale gebildet als verbraucht: CH + O• → CH• + OH• .

(6.50)

In Abbruchreaktionen wird die Anzahl radikaler Spezies verringert, z. B. bei der Rekombinationsreaktion von Methylradikalen: CH• + CH• → C H6 .

(6.51)

Kettenabbrüche können auch durch Kollision von Radikalen mit den Brennraumwänden erfolgen, ein Mechanismus der insbesondere bei niedrigen Drücken von Bedeutung ist.

Das H2 -O2 -System Das H2 -O2 -System besitzt einen verhältnismäßig einfachen Oxidationsmechanismus und ist sowohl bei der Untersuchung der Wasserstoffverbrennung als auch als Untermenge in Reaktionsmechanismen komplexerer Brennstoffe von Bedeutung. Trotz der einfachen Beschaffenheit des Brennstoffs werden bei der Wasserstoffverbrennung bereits mehr als 25 Reaktionen zwischen mindestens acht unterschiedlichen Spezies, H2 , O2 , OH• , H2 O, H• , O• , HO•2 und H2 O2 , betrachtet. Die wichtigsten Reaktionen in Bezug auf die Zündung sind gemäß Glassmann (1996): H + O ⇄ HO• + H

H + OH• ⇄ H O + H• H• + O ⇄ O• + OH•

O + H ⇄ H + OH •



H• → 0,5 H



H• + O + M ⇄ HO• + M .

(6.52) (6.53) (6.54) (6.55) (6.56) (6.57)

Reaktion (6.56) stellt dabei einen Wandabbruch dar. Die trimolekulare Reaktion (6.57) ist zwar formell eine Fortpflanzungsreaktion, sie kann jedoch als Kettenabbruch angesehen werden, da das entstehende HO•2 -Radikal relativ inert ist.

6

Reaktionskinetik

459

Abb. 6.6 H2 -O2 -Explosionsdiagramm

Der Einfluss der unterschiedlichen Reaktionen auf die Zündung kann anhand eines Explosionsdiagramms erklärt werden, siehe Abb. 6.6. Bei konstanter Temperatur und sehr niedrigen Drücken findet keine Zündung statt, da gebildete Radikale durch die schnelle Diffusion zu den Brennraumwänden diffundieren und in Reaktion (6.56) rekombinieren. Bei Erhöhung des Druckes wird die Diffusion langsamer, so dass die Kettenverzweigung (6.54) überwiegt und eine erste Explosionsgrenze erreicht wird. Bei weiterer Erhöhung des Drucks wird die zweite Explosionsgrenze erreicht. In diesem Bereich gewinnt die stark druckabhängige Reaktion (6.57) an Bedeutung und das H2 -O2 -Gemisch ist erneut stabil. An der dritten Explosionsgrenze wird eine weitere Kettenverzweigung über die vorher inerten HO•2 -Radikale wichtig, zusammen mit einer durch den höheren Druck steigenden Wärmefreisetzung pro Volumeneinheit kommt es wieder zur Zündung.

Zündung von Kohlenwasserstofen Die Selbstzündung von Kohlenwasserstoffen ist wie die Wasserstoffzündung ein Kettenprozess. Kohlenwasserstoffe besitzen jedoch deutlich komplexere Zündmechanismen mit einer wesentlich größeren Anzahl beteiligter Spezies und Reaktionen. Wie bei der Wasserstoffverbrennung liegen bei Kohlenwasserstoffen drei Explosionsgrenzen im Explosionsdiagramm vor. Bei hohen Drücken und Temperaturen oberhalb ca. 1100 K ist bei Kohlenwasserstoffen Reaktion (6.54) die dominierende Kettenverzweigung. In diesem Bereich läut die Oxidation des Brennstoffs nach dem in Abschn. 6.2.1 diskutierten Schema ab. Die Verzweigungsreaktion (6.54) ist jedoch stark temperaturabhängig und verliert bei T < 1100 K schnell an Bedeutung.

460

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 6.7 Schematische Darstellung des negativen Temperaturkoeffizienten (NTC) bei der Zündung von Kohlenwasserstoffen

In motorischen Anwendungen liegt die Temperatur nach der Kompression üblicherweise unterhalb 1000 K. In diesem Bereich treten bei Kohlenwasserstoffen, insbesondere bei Alkanen, zusätzliche, komplexere Zündmechanismen auf. Die Zündung im niederen und mittleren Temperaturbereich ist durch das Autreten der so genannten Zweistufen-Zündung charakterisiert. Hierbei steigt die Wärmefreisetzung zunächst durch eine erste Zündphase an und geht dann oberhalb von ungefähr 900 K wieder zurück. Nach Überschreiten von etwa 1000 K schließt sich eine zweite Zündphase an, die zur vollständigen Oxidation des Kratstoffs führt. Die exakten Temperaturen sind dabei vom Druck abhängig. Die Zweistufen-Zündung erklärt das Autreten des in Abb. 6.7 schematisch dargestellten negativen Temperaturkoeffizienten (NTC), der die Tatsache beschreibt, dass die Zündverzugszeit mit steigender Ausgangstemperatur innerhalb des NTC-Regimes größer wird. Im Niedertemperaturbereich bei T < 900 K liegt ein komplexer Kettenverzweigungsmechanismus vor. In einem ersten Schritt wird ein Wasserstoffatom vom Brennstoffmolekül RH abgespalten. Zu Beginn der Zündung, wenn nur wenige Radikale im System vorhanden sind, läut die Wasserstoffabstraktion in erster Linie über die relativ langsame Reaktion mit Sauerstoff ab: (6.58) RH + O ←→ R• + HO• .

Im weiteren Verlauf reagieren die Kohlenwasserstoffmoleküle mit den im Kettenverzweigungsprozess gebildeten Radikalen O• , H• , OH• , HO•2 , etc. Insbesondere die Reaktion mit dem OH• -Radikal besitzt eine sehr niedrige Aktivierungsenergie und ist damit sehr schnell: (6.59) RH + OH• ←→ R• + H O . An das gebildete Alkylradikal R• findet dann eine O2 Addition statt: R• + O ←→ RO• .

(6.60)

Die Gleichgewichtskonstante von Reaktion (6.60) ist stark temperaturabhängig. Bei niedrigen Temperaturen liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite, bei steigender Temperatur verschiebt sich das Gleichgewicht nach links. Die entstehenden RO•2 -Radikale

6

Reaktionskinetik

461

durchlaufen eine Isomerisierungsreaktion, wobei im Molekül ein Wasserstoffatom abstrahiert und an die O-O-Gruppe angelagert wird: RO • ←→ R′ OOH• .

(6.61)

An das gebildete Hydroperoxy-Alkylradikal lagert sich im Folgenden ein weiteres Sauerstoffmolekül an. In einer weiteren Isomerisierungsreaktion entsteht dann ein Ketohydroperoxidmolekül OR′′ OOH sowie ein OH• -Radikal. Das Ketohydroperoxidmolekül zerfällt weiter, wobei schließlich erneut ein OH• -Radikal und ein Carbonylradikal OR′′ O• gebildet werden: (6.62) R′ OOH• + O ←→ OOR′ OOH• OOR′ OOH• ←→ OR′′ OOH + OH• OR OOH ←→ OH + OR O . ′′



′′



(6.63) (6.64)

In dem durch (6.58) bis (6.64) beschriebenen Mechanismus findet also eine Kettenverzweigung statt, wobei, wenn der Prozess durch Reaktion (6.59) eingeleitet wird, eine Nettoproduktion von einem OH• -Radikal vorliegt. Diese Kettenverzweigung führt in einem Niedertemperaturzündprozess zu einem ersten Anstieg der Wärmefreisetzungsrate. Die Niedertemperaturoxidation hält solange an, bis sich das Gleichgewicht von Reaktion (6.60) bei einer Temperatur von ca. 900 K verschiebt. Durch diese Verschiebung wird die Kettenverzweigung über die Isomerisierungsreaktion (6.61) unterbrochen, stattdessen werden in diesem mittleren Temperaturbereich verstärkt Alkene und HO•2 -Radikale gebildet. Die HO•2 -Radikale reagieren weiter zu Wasserstoffperoxid, H2 O2 , das zunächst relativ inert ist. (6.65) R′′ OOH• ←→ Alken + HO HO• + HO• ←→ H O + O .

(6.66)

Im Folgenden steigt die Temperatur langsam an, bis schließlich oberhalb von ca. 1000 K Wasserstoffperoxid extrem schnell zersetzt wird und die zweite Zündphase einleitet: H O  + M L → 2OH• + M .

(6.67)

Dieser Prozess wird als degenerierte Kettenverzweigung bezeichnet und ist die Ursache für den negativen Temperaturkoeffizienten. Nach Verschiebung des Gleichgewichts von Reaktion (6.60) und Einsetzen von Reaktion (6.65) werden nicht mehr genug Radikale gebildet um den Zündprozess fortzuführen. Erst mit der Zersetzung von Wasserstoffperoxid werden große Mengen OH• -Radikale produziert, die die Zündung beschleunigen und zu einer zweiten Wärmefreisetzung führen, die einen Hochtemperaturoxidationsmechanismus einleitet. Der negative Temperaturkoeffizient ist bei langkettigen Alkanen am stärksten ausgeprägt. Demgegenüber zeigen Alkene und Aromaten ein schwächeres bzw. kein NTC-Verhalten, siehe Leppard (1990). Weitere Details zum degenerierten Kettenverzweigungsmechanimus sind beispielsweise bei Curran et al. (1998) zu finden.

462

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 6.8 Druckverlauf bei Zündung eines Alkan-Lut Gemischs in einer schnellen Kompressionsmaschine

Der vorgestellte Reaktionsablauf ist der maßgebliche Mechanismus für die Selbstzündung von Kohlenwasserstoffen in motorischen Anwendungen. Er tritt sowohl bei der (gewollten) Selbstzündung in Diesel- und HCCI-Motoren wie auch bei der (ungewollten), zum Motorklopfen führenden Selbstzündung im Ottomotor auf. Die Zweistufen-Zündung ist in Versuchen mit einer schnellen Kompressionsmaschine sehr gut erkennbar. In einer Kompressionsmaschine wird ein homogenes Kratstoff-Lut Gemisch durch einen einzelnen Kompressionshub verdichtet und der Kolben am oberen Totpunkt festgehalten. Abbildung 6.8 stellt den Druckverlauf in einem solchen Apparat über der Versuchszeit dar. Nach Ende der Kompression bei ca. 9,3 ms liegt eine erste Zündverzugszeit vor. In der ersten Zündstufe steigen Druck und Temperatur an, bis der mittlere Temperaturbereich mit den Reaktionen (6.65) und (6.66) erreicht wird. Nach einer zweiten, längeren Zündverzugszeit beginnt die zweite Zündstufe mit der nachfolgenden Verbrennung. Die Reaktionsrate und damit auch die Zündverzugszeit von Alkanen hängen von der Anzahl und der Art der vorhandenen Kohlenstoff-Wasserstoff Verbindungen ab. Abbildung 6.9 zeigt exemplarisch die Molekülstruktur von n-Oktan und Iso-Oktan (2,2,4 Trimethylpentan). Obwohl beide Alkane die gleiche Anzahl Kohlenstoff- und Wasserstoffatome aufweisen, weist n-Oktan eine deutlich höhere Zündwilligkeit auf als Iso-Oktan. Dies liegt an den unterschiedlichen Raten der Wasserstoffabstraktion von unterschiedlich gebundenen Kohlenstoffatomen. Wasserstoffatome, die an ein Kohlenstoffatom mit nur einer Verbindung zu einem anderen Kohlenstoffatom gebunden sind, nennt man primäre Wasserstoffatome. Wasserstoffatome mit Bindung an ein Kohlenstoffatom mit zwei Kohlenstoffnachbarn werden sekundäre und an ein Kohlenstoffatom mit drei Kohlenstoffnachbarn tertiäre Wasserstoffatome genannt. Die primären Bindungen sind am stärksten, d. h. es muss die höchste Energie aufgebracht werden, um sie zu brechen; tertiäre Bindungen sind am schwächsten. Die Reaktionswahrscheinlichkeit einer primären Wasserstoffabstraktion ist damit niedriger als die einer sekundären und einer tertiären Bindung. Zusätzlich ist die Reaktionsrate der Anzahl der jeweiligen im Molekül vorkommenden Verbindungen proportional. Aus diesem Grund sind größere Alkane reaktionsfreudiger als kleinere und geradkettige Alkane reaktionsfreudiger als verzweigte. Neben der Art des zu

6

Reaktionskinetik

463

Abb. 6.9 Molekülstruktur von n-Oktan (links) und IsoOktan (2,2,4-Trimethylpentan, rechts)

abstrahierenden Wasserstoffatoms spielt auch die Lage für die nachfolgenden Kettenverzweigungsreaktionen eine Rolle. So führt eine Abstraktion des sekundären Wasserstoffatoms an zweiter Stelle in dem in Abb. 6.9 abgebildeten n-Oktan zu anderen Folgeprodukten als eine Abstraktion des sekundären Wasserstoffatoms an dritter oder vierter Stelle.

6.2.3 Reaktionskinetik in der motorischen Simulation Die Zündung und Oxidation selbst einfacher Moleküle ist ein komplexer Prozess. So sind zur vollständigen Beschreibung der Wasserstoffverbrennung bereits über 25 Reaktionen zwischen acht Spezies notwendig, der detaillierte Mechanismus GRI-Mech 3.0, der die Kinetik der Methanoxidation beschreibt, besteht aus 325 Reaktionen zwischen 53 Spezies, siehe Smith et al. (1999). Mit zunehmender Länge werden auch die Reaktionsmechanismen von Kohlenwasserstoffen komplexer. So besteht der komplexe n-Heptan Reaktionsmechanismus von Curran et al. (1998) aus 2539 Reaktionen zwischen 561 Spezies. Die Leistung moderner Rechnersysteme reicht zwar aus, um solche Modelle unter homogenen Bedingungen zu lösen, bei der Simulation motorischer Prozesse ist jedoch je nach Anwendung der Einsatz von vereinfachter Reaktionskinetik notwendig.

Globale Einschrittmechanismen Im einfachsten Fall wird die Oxidation von Kohlenwasserstoffen über die globale Einschrittreaktion (6.37) beschrieben. Westbrook und Dryer (1981) haben eine Beziehung für die globale Reaktionsrate zu Reaktion (6.37) für eine Auswahl von Kohlenwasserstoffen vorgeschlagen: d [Cx H y ] EA m n = −A ⋅ exp (− ) ⋅ [C x H y ] [O ] . (6.68) dt RT Die entsprechenden Parameter A, m und n sowie die Aktivierungstemperatur EA / R sind in Tab. 6.1 angegeben. Trotz ihrer Einfachheit werden globale Einschrittmechanismen auch heutzutage noch in vielen Verbrennungsmodellen, beispielsweise in einigen phänomenologischen Modellen für die dieselmotorische Verbrennung (vgl. Abschn. 11.1) verwendet. Dies ist möglich, da die chemischen Reaktionen nach der Zündung ot wesentlich schneller sind als die physikalischen Mechanismen wie Turbulenz und Mischung. Allerdings ist zu beachten, dass bei Einsatz von Einschrittmechanismen die Flammentemperatur zu hoch berechnet wird. Ab-

464

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 6.1 Reaktionsraten-Parameter für die Einschrittreaktion (6.68) nach Westbrook und Dryer (1981) Brennstoff

A (mol, cm, s)

Aktivierungstemperatur EA /R (K)

m (–)

n (–)

CH4 C2 H6 C3 H8 C4 H10 C5 H12 C6 H14 C7 H16 C8 H18 C9 H20 C10 H22 C2 H4 C3 H6 C2 H2 CH3 OH C2 H5 OH C6 H6 C7 H8

8,3 ⋅ 105 1,1 ⋅ 1012 8,6 ⋅ 1011 7,4 ⋅ 1011 6,4 ⋅ 1011 5,7 ⋅ 1011 5,1 ⋅ 1011 4,6 ⋅ 1011 4,2 ⋅ 1011 3,8 ⋅ 1011 2,0 ⋅ 1012 4,2 ⋅ 1011 6,5 ⋅ 1012 3,2 ⋅ 1012 1,5 ⋅ 1012 2,0 ⋅ 1011 1,6 ⋅ 1011

15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098 15,098

–0,30 0,10 0,10 0,15 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,25 0,10 –0,10 0,50 0,25 0,15 –0,10 –0,10

1,30 1,65 1,65 1,60 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 1,50 1,65 1,85 1,25 1,50 1,60 1,85 1,85

hilfe kann beispielsweise der Einsatz eines Zweischrittmechanismus schaffen, in dem der Brennstoff zunächst zu CO und H2 O oxidiert wird und dann CO in einem zweiten Schritt zu CO2 oxidiert. Auch zur Beschreibung der Zündung werden teilweise noch Ansätze in der Form von (6.68) eingesetzt. Mit einer geeigneten Anpassung der Parameter an Experimente können damit durchaus zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden, wenn nicht zu stark von den zur Kalibrierung verwendeten Bedingungen abgewichen wird. Allerdings ist eine Darstellung des negativen Temperaturkoeffizienten nicht möglich.

Semi-empirische Mehrschrittmodelle Um eine realistischere Darstellung der Zündung zu erreichen, wurde eine Reihe von semiempirischen Mehrschrittmodellen entwickelt. Das wahrscheinlich am weitesten verbreitete Modell dieser Art ist das Shell-Modell, das ursprünglich von Halstead et al. (1977) zur Vorhersage von Klopfen in Ottomotoren entwickelt und später für die Modellierung der Dieselzündung von Kong et al. (1995) erweitert wurde. Das Shell-Modell wurde nicht durch Reduktion aus einem komplexen Mechanismus gewonnen. Stattdessen kann es eher als ein mathematisches Gleichungssystem betrachtet werden, mit dem das Zündverhalten komplexer Kohlenwasserstoffe, inklusive dem Autreten des negativen Temperaturkoeffizienten, beschrieben werden kann.

6

Reaktionskinetik

465

Das resultierende Reaktionsschema umfasst acht Reaktionen zwischen fünf generischen Spezies: (6.69) RH + O → 2R• R• → R• + P + Wärmefreisetzung R• → R• + B

R• → R• + Q

R• + Q → R• + B B → 2R•

R• → Kettenabbruch

R• → Kettenabbruch .

(6.70)

(6.71) (6.72) (6.73) (6.74) (6.75) (6.76)

Dabei stellt RH erneut ein Kohlenwasserstoffmolekül dar, R• beschreibt ein Kohlenwasserstoffradikal, Q ist eine instabile Zwischenspezies und B eine Verzweigungsspezies. P bezeichnet Produkte der Verbrennung, also CO, CO2 und H2 O. Reaktion (6.69) repräsentiert im Shell-Modell die Startreaktion, (6.70) bis (6.73) sind Fortpflanzungsreaktionen, (6.74) ist die Kettenverzweigungsreaktion und (6.75) und (6.76) sind Abbruchreaktionen. Das Shell-Modell umfasst 26 Parameter, die angepasst werden müssen, um einen bestimmten Brennstoff zu repräsentieren. Obwohl in den letzten Jahren verstärkt detaillierte Reaktionsmechanismen zur Berechnung der Zündung und Hochtemperaturoxidation eingesetzt werden, haben globale, semiempirische Modelle nach wie vor ihre Vorteile. So bilden komplexe Mechanismen nicht zwangsläufig alle globalen Phänomene gut ab und eine Anpassung komplexer Mechanismen ist ot aufwendig. Die Parameter von semi-empirischen Modellen können dagegen relativ schnell an vorhandene Probleme angepasst werden. Weiterhin sind in motorischen Anwendung eingesetzte Brennstoffe Gemische aus einer großen Anzahl von Einzelkomponenten, die auch durch detaillierte Reaktionsmechanismen einiger weniger Komponenten nur näherungsweise beschrieben werden können.

Detaillierte Reaktionsmechanismen Gegenüber semi-empirischen Modellen wie dem Shell-Modell sollen detaillierte Reaktionsmechanismen den Vorteil eines größeren Anwendungsbereichs bezüglich der Randbedingungen wie Temperatur, Druck und Kratstoff-Lutverhältnis bieten. Mit geeigneten Mechanismen ist es möglich, die Chemie der Niedertemperaturzündung und der Hochtemperaturoxidation in einem Modell zu beschreiben, also einen Schnitt zwischen der Modellierung der Zündung und Verbrennung zu vermeiden. Weiterhin werden die Konzentrationen von Zwischenspezies berechnet, so dass eine direkte Kopplung mit für die Schadstoffbildung wichtigen Reaktionen erfolgen kann.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Für eine Reihe von Kohlenwasserstoffen gibt es sehr komplexe und umfangreiche Mechanismen. Besonders intensiv wurden in der Vergangenheit beispielsweise die Reaktionsmechanismen von Methan, siehe z. B. Smith et al. (1999), n-Heptan, siehe z. B. Curran et al. (1998) und Iso-Oktan (2,2,4-Trimethylpentan, siehe z. B. Curran et al. (2002) untersucht. In letzter Zeit werden auch verstärkt Mechanismen für längere Kohlenwasserstoffe, Aromaten und sauerstoffhaltige Moleküle aufgestellt. Die Reaktionsraten der einzelnen Reaktionen werden bei diesen umfangreichen Mechanismen teilweise auf Basis von besonders gut untersuchten Elementarreaktionen, teilweise basierend auf quantenmechanischen heorien, aber auch durch Anpassen an Experimente gewählt. In der Regel wird versucht, komplexe Mechanismen an möglichst unterschiedlichen Experimenten zu validieren. Trotzdem muss beachtet werden, dass ein Mechanismus, der beispielsweise für die Beschreibung von Zündvorgängen entwickelt wurde nicht zwangsläufig gute Resultate bei der Berechnung laminarer Flammengeschwindigkeiten liefert, vgl. Meeks et al. (2008). Darüber hinaus sind auch heutzutage einige kinetische Prozesse und Reaktionsabläufe noch nicht im Detail verstanden.

Reduktion kinetischer Mechanismen Vollständige, komplexe Reaktionsmechanismen benötigen nicht nur aufgrund der großen Anzahl an gewöhnlichen Differenzialgleichungen hohe Rechenzeiten. Insbesondere sind die bei kinetischen Modellen aufgestellten Differenzialgleichungen steif, d. h. sie können mit expliziten Lösungsverfahren nur mit impraktikabel kleinen Zeitschritten gelöst werden, so dass aufwendige implizite Verfahren zur Lösung notwendig sind. In komplexen mehrdimensionalen Problemen müssen neben den chemischen Quelltermen außerdem noch für jede Spezies im System Transportgleichungen gelöst werden. Vollständige komplexe Mechanismen sind daher in der Regel nur für sehr detaillierte Fragestellungen zu verwenden. In den meisten Verbrennungsmodellen ist es aus Gründen der Rechenzeit notwendig vereinfachte Mechanismen einzusetzen. Zur Reduktion komplexer Mechanismen gibt es eine große Vielfalt von Verfahren. Ein erster Schritt in der Reduktion besteht ot in der Eliminierung unwichtiger Spezies und Reaktionen. Spezies, die eliminiert werden können ohne die Vorhersagegenauigkeit des Mechanismus zu stark einzuschränken, können beispielsweise mit einer Analyse der Jacobimatrix, d. h. der Ableitung der Reaktionsraten nach den Spezieskonzentrationen gefunden werden: ∂ω . (6.77) J= ∂c Eine systematische Methode zur Speziesreduktion ist die Directed Relation Graph Methode, siehe Lu und Law (2006). Dabei wird die Kopplung zwischen einzelnen Spezies untersucht. Man geht zunächst von einer oder mehrerer Spezies aus, die unbedingt im Mechanismus enthalten bleiben sollen, beispielsweise dem Brennstoff und Spezies, die für die Schadstoffbildung von Bedeutung sind. Nun berechnet man für eine zu erhaltene Spezies A jeweils den Fehler, der entsteht, wenn man eine andere Spezies B aus dem Mechanismus

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Reaktionskinetik

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entfernt: ε AB =

∑ ∣ν A,i ω i δ Bi ∣

i=,I

∑ ∣ν A,i ω i ∣

i=,I

,

δ Bi = {

ν B,i ≠  ∶ ν B,i =  ∶

 . 

(6.78)

Dabei ist i die i-te Reaktion in einem Mechanismus mit insgesamt I Reaktionen. Ist der Fehler εAB niedriger als ein Grenzwert, führt die Entfernung von B zu einem vernachlässigbaren Fehler in der Berechnung von A. Ist der Fehler hingegen größer als der Grenzwert, sind die Spezies gekoppelt. Wenn Spezies A im Mechanismus enthalten bleiben soll, muss auch Spezies B enthalten bleiben. Zusätzlich müssen alle Spezies enthalten bleiben, die indirekt mit Spezies A gekoppelt sind, also beispielsweise bei Entfernung einen nicht vernachlässigbaren Fehler in der Berechnung von Spezies B verursachen würden. Die Kopplung zwischen den Spezies wird dabei in einem Graph festgehalten. Ein einzelner Graph kann nur Information über einen lokalen Reaktionszustand geben. Aus diesem Grund muss jeweils ein Graph für mehrere repräsentative Punkte im Reaktionsablauf bei unterschiedlichen Versuchen aufgestellt werden. Nur die Spezies, die an allen Punkten von den Ausgangsspezies entkoppelt sind, können dann aus dem Mechanismus entfernt werden. Unwichtige Reaktionen können über eine Sensitivitätsanalyse identifiziert werden. Bei der Sensitivitätsanalyse werden die Reaktionsraten einzelner Reaktionen oder von Reaktionsklassen variiert und die Auswirkung auf ein Ergebnis des Mechanismus, beispielsweise der Zündverzugszeit, unter verschiedenen Randbedingungen ermittelt. Reaktionen die eine niedrige Sensitivität aufweisen können eliminiert werden. Gleichzeitig kann die Sensitivitätsanalyse verwendet werden, um wichtige Reaktionen zu identifizieren, deren Reaktionsraten besonders geeignet sind, den Reaktionsmechanismus an Experimente anzupassen. Zur Vereinfachung von Mechanismen wird außerdem häufig die Zeitskalenanalyse eingesetzt. Chemische Systeme besitzen ot stark unterschiedliche Zeitskalen, d. h. einige Spezies erreichen während der Reaktion extrem schnell eine Gleichgewichtskonzentration, während andere Spezies sehr stabil sind. Ziel der Zeitskalenanalyse ist es, die schnellen von den langsamen Zeitskalen zu entkoppeln und so ein System mit weniger Variablen als zuvor zu erzeugen. Zwei Annahmen, die in der Zeitskalenanalyse eingesetzt werden, sind die Quasistationarität von Spezies und das partielle Gleichgewicht von Reaktionen. Diese Annahmen wurden bereits in Abschn. 6.1 erläutert. Zusätzlich existieren systematischere Methoden wie beispielsweise die ILDM-Methode (Intrinsic Low Dimensional Manifolds, siehe Maas und Pope (1992). Auch Tabellierungsmethoden, die in zunehmender Häufigkeit in der motorischen Simulation eingesetzt werden, basieren auf der Annahme, dass sich auch hochdimensionale chemische Probleme vereinfacht durch wenige Variablen beschreiben lassen. Eine weitere Reduktionsmaßnahme, die bei langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen von Interesse ist, ist das Zusammenfassen von Speziesgruppen, das so genannte Lumping. Bei der Oxidation von Kohlenwasserstoffen entsteht eine Vielzahl von Zwischenspezies, die das gleiche Molgewicht besitzen und eine ähnliche Struktur aufweisen, sich aber in der

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Lage der Radikalposition bzw. der Oxidationsgruppe unterscheiden. Diese Isomere werden durch analoge Reaktionen gebildet. Je nach Lage der funktionellen Gruppe ergeben sich jedoch unterschiedliche nachfolgende Reaktionspfade und Reaktionsprodukte. Aus diesem Grund müssen Beziehungen für den Anteil der ursprünglichen Spezies an der zusammengefassten Speziesgruppe aufgestellt werden um die nachfolgenden Reaktionsraten berechnen zu können. Ein Ansatz dieses Verhältnis zu bestimmen ist die Annahme eines partiellen Gleichgewichts zwischen den Isomeren einer zusammengefassten Gruppe, vgl. Chaos et al. (2007). Für weitere Details zur Reduktion von kinetischen Mechanismen sei auf die angegebene Literatur, Tomlin et al. (1997) und Lu und Law (2009) verwiesen.

Ersatzgemische für reale Brennstofe In motorischen Anwendungen eingesetzte Brennstoffe sind in der Regel Gemische aus mehreren Hundert verschiedener Kohlenwasserstoffe (vgl. Abschn. 2.1). Mit einem kinetischen Mechanismus einer einzelnen Komponente kann das komplexe Verhalten eines solchen Brennstoffgemischs zwangsläufig nur unzureichend beschrieben werden. So können beispielsweise die bei Dieselkratstoff autretenden chemischen Zündverzugszeiten mit n-Heptan näherungsweise vorausgesagt werden, die Schadstoffbildung und auch das physikalische Verhalten von n-Heptan weichen jedoch stark von Diesel ab. Aus diesem Grund wird zunehmend versucht, reale Brennstoffgemische durch mehrere repräsentative Komponenten, also durch vereinfachte Ersatzgemische abzubilden. Ein in der Vergangenheit häufig verwendetes, einfaches Ersatzgemisch für Ottokratstoff besteht beispielsweise aus den zur Bestimmung der Oktanzahl eingesetzten Komponenten n-Heptan und 2,2,4Trimethylpentan (Iso-Oktan). Ein häufig in der Simulation dieselmotorischer Prozesse eingesetzter Ersatzbrennstoff ist das so genannte IDEA-Fuel, eine Mischung aus 70 % n-Dekan und 30 % α-Methylnaphtalin (Antoni 1999). Grundvoraussetzung für die Erstellung eines Ersatzgemisches ist, dass für die einzelnen eingesetzten Komponenten ausreichend detaillierte und validierte Reaktionsmechanismen zur Verfügung stehen. Die Zusammensetzung eines Ersatzgemisches kann auf Basis unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Eine Möglichkeit besteht darin, jede Kohlenwasserstoffgruppe, also n-Alkane, iso-Alkane, Alkene, Aromaten, oxidierte Kohlenwasserstoffe etc. durch eine Ersatzkomponente zu repräsentieren und entsprechend dem durchschnittlichen Anteil der Gruppe im realen Brennstoff zu gewichten. Alternativ kann die Zusammensetzung der Ersatzspezies erfolgen, in dem die funktionellen Gruppen des realen Gemischs ermittelt werden und die Ersatzspezies so zusammengestellt werden, dass die Anzahl von primärem, sekundärem, tertiärem und aromatischem Kohlenstoff mit dem realen Brennstoff übereinstimmt. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, Ersatzkomponenten so auszuwählen, dass bestimmte physikalische und chemische Eigenschaten von dem Ersatzgemisch repräsentiert werden. Zu diesen Eigenschaten gehören beispielsweise das H/C-Verhältnis, die Siedelinie, der Aromatengehalt, der Heizwert und die Oktan- bzw. Cetanzahl. Wichtig dabei ist, dass die entstehenden Eigenschaten für ein Modellgemisch schnell berechnet werden kön-

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Reaktionskinetik

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nen. So sind beispielsweise bei der experimentellen Ermittlung der Cetanzahl auch Sprayund Gemischbildungseffekte von Bedeutung, die bei einer rechnerischen Ermittlung der Cetanzahl eines Ersatzbrennstoffs vereinfacht berücksichtigt werden müssen. Bei der Zusammenstellung der Reaktionsmechanismen der einzelnen Komponenten ist es wichtig, dass die Mechanismen konsistent sind, dass also Reaktionen die in mehreren Einzelmechanismen autauchen, die gleichen Reaktionsraten besitzen. Zusätzlich müssen in den Gesamtmechanismen Reaktionen zwischen Spezies, die in einem Mechanismus autauchen, in einem anderen aber nicht, neu definiert werden. Die entstehenden Gesamtmechanismen sind ot zu groß um in motorischen Fragestellungen eingesetzt werden zu können, so dass eine Reduktion der Modellgröße erforderlich ist. Zusammenfassend versprechen detaillierte Reaktionsmechanismen von Ersatzgemischen in der Zukunt eine bessere Annäherung an reale Brennstoffe, als dies zuvor mit globalen Modellen oder detaillierten Modellen einzelner Komponenten möglich war. Allerdings ist noch eine Reihe von Schwierigkeiten bezüglich der Zusammenstellung, der Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten und auch dem Rechenaufwand bei Einsatz solcher Ersatzgemische zu lösen. Einen Überblick über aktuelle Untersuchungen zu Ersatzgemischen für Otto- und Dieselkratstoffe sowie alternative Kratstoffe sind bei Pitz et al. (2007) und Farrell et al. (2007), Meeks et al. (2008) sowie Naik et al. (2011) zu finden.

Literatur Antoni, C.: Untersuchung des Verbrennungsvorgangs im direkteinspritzenden Dieselmotor mit zyklusaufgelöster Emissionsspektroskopie. Fortschrittsberichte VDI, 12(409), Düsseldorf (1999) Chaos, M., Kazakov, A., Zhao, Z., Dryer, F.L.: A High-Temperature Chemical Kinetic Model for Primary Reference Fuels. Int. J. Chem. Kinet. 39, 399–414 (2007) Curran, H.J., Gaffuri, P., Pitz, W.J., Westbrook, C.K.: A Comprehensive Modeling Study of n-Heptane Oxidation. Comb. Flame 114, 149–177 (1998) Curran, H.J., Gaffuri, P., Pitz, W.J., Westbrook, C.K.: A Comprehensive Modeling Study of iso-Octane Oxidation. Comb. Flame 129, 253–280 (2002) Farrell, J.T., Cernansky, N.P., Dryer, F.L., Friend, D.G., Hergart, C.A., Law, C.K., McDavid, R., Mueller, C.J., Pitsch, H.: Development of an experimental database and kinetic models for surrogate diesel fuels (2007). SAE Paper 2007-01-0201 Glassmann, I.: Combustion. Academic Press, San Diego (1996) Halstead, M., Kirsch, L., Quinn, C.: he Autoignition of Hydrocarbon Fuels at High Temperatures and Pressures – Fitting of a Mathematical Model. Comb. Flame 30, 45–60 (1977) Kong, S.-C., Han, Z., Reitz, R.D.: he Developement and Application of a Diesel Ignition and Combustion Model for Multidimensional Engine Simulations (1995). SAE Paper 950278 Leppard, W.R.: he Chemical Origin of Fuel Octane Sensitivity (1990). SAE Paper 902137 Lu, T., Law, C.K.: Linear time reduction of large kinetic mechanisms with directed relation graph: n-Heptane and iso-octane. Comb. and Flame 144, 24–36 (2006)

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G.P. Merker und R. Teichmann

Lu, T., Law, C.K.: Toward accommodating realistic fuel chemistry in large-scale computations. Progr. In Energy and Combustion Science 35, 192–215 (2009) Maas, U., Pope, S.B.: Simplifying chemical-kinetics – intrinsic low-dimensional manifolds in composition space. Comb and Flame 88, 239–264 (1992) Meeks, E., Ando, H., Chou, C.-P., Dean, A.M., Hodgson, D., Koshi, M., Lengyel, I., Maas, U., Naik, C.V., Puduppakkam, K.V., Reitz, R.D., Wang, C., Westbrook, C.K.: New Modeling Approaches Using Detailed Kinetics for Advanced Engines, 7. International Conf. on Modeling and Diagnostics for Advanced Engine Systems (COMODIA), Sapporo (2008) Moran, M.J., Shapiro, H.N.: Fundamentals of Engineering hermodynamics, 2. Aufl. Wiley, New York, NY (1992) Naik, C.V., Puduppakkam, K.V., Modak, A., Meeks, E., Wang, Y.L., Feng, Q., Tsotsis, T.T.: Detailed chemical kinetic mechanism for surrogates of alternative jet fuels. Combust. Flame 158, 434–445 (2011) Pitz, W.J., Cernansky, N.P., Dryer, F.L., Egolfopoulos, F.N., Farrell, J.T., Friend, D.G., Pitsch, H.: Development of an experimental database and kinetic models for surrogate gasoline fuels (2007). SAE Paper 2007-01-0175 Reynolds, W.C.: he Element Potential Method for Chemical Equilibrium Analysis: Implementation in the Interactive Program STANJAN. Stanford University, Stanford (1986) Semenov, N.: Chemical Kinetics and Chain Reactions. Oxford University Press, London (1935) Smith, G.P., Golden, D.M., Frenklach, M., Moriarty, N.W., Eiteneer, B., Goldenberg, M., Bowman, C.T., Hanson, R. K., Song, S., Gardiner, W.C. Jr., Lissianski, V.V., Qin, Z.: (1999). http://www.me. berkeley.edu/gri_mech/ Tomlin, A.S., Turanyi, T., Pilling, M.J.: Mathematical tools for the construction, investigation and reduction of combustion mechanisms. In: Pilling, M.J., Hancock, G. (Hrsg.) Low-temperature Combustion and Autoignition Comprehensive Chemical Kinetics, Bd. 35, S. 293 (1997) Warnatz, J., Maas, U., Dibble, R.W.: Verbrennung: Physikalisch-Chemische Grundlagen, Modellierung und Simulation, Experimente, Schadstoffentstehung, 3. Aufl. Springer, Berlin (2001) Westbrook, C. K., Dryer, F. L.: Simplified Reaction Mechanism for the Oxidation of Hydrocarbon Fuel in Flames. Combust. Sc.: Technol. 27(1–2), 31–43 (1981)

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Schadstofbildung und -reduktion Peter Eckert und Sebastian Rakowski

7.1

Abgaszusammensetzung

Bei der vollständigen Verbrennung eines nur aus C- und H-Atomen bestehenden, so genannten Cx Hy -Brennstoffes enthält das Abgas die Komponenten Sauerstoff (O2 ), Stickstoff (N2 ), Kohlendioxid (CO2 ) und Wasserdampf (H2 O). Bei der realen Verbrennung treten zusätzlich zu diesen Bestandteilen auch die Produkte der unvollständiger Verbrennung Kohlenmonoxid (CO) und unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) sowie die unerwünschten Nebenprodukte Stickoxide (NOx ) und Partikel auf. Im Gegensatz zu diesen gesundheitsschädlichen Stoffen wird das für den Treibhauseffekt mitverantwortliche CO2 nicht als Schadstoff angesehen, da es keine direkte Gefahr für die Gesundheit des Menschen darstellt und als Endprodukt jeder vollständigen Oxidation eines Kohlenwasserstoffs autritt. Eine Reduktion von CO2 im Abgas ist daher nur durch eine Verbrauchsreduzierung oder durch einen veränderten Brennstoff, der bezogen auf seinen Heizwert einen geringeren Kohlenstoffanteil aufweist, zu erreichen. Man unterscheidet die Begriffe vollständige und unvollständige sowie vollkommene und unvollkommene Verbrennung. Für Lutverhältnisse λ > 1,0 ist genügend Sauerstoff vorhanden, um den Brennstoff theoretisch vollständig zu verbrennen. Tatsächlich läut jedoch bei solchen Lutverhältnissen die Verbrennung auch unter idealen Bedingungen maximal bis zum chemischen Gleichgewicht, also immer unvollständig ab. Dadurch liegen nach der Verbrennung auch bei ausreichendem Sauerstoffangebot immer gewisse Mengen an CO und unverbrannten Kohlenwasserstoffen vor. Bei Lutverhältnissen λ < 1,0 kann der Brennstoff infolge von O2 -Mangel nicht vollständig verbrennen. Unter idealen BedinDr.-Ing. Peter Eckert B Laatzen, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Sebastian Rakowski IAV Berlin GmbH, Berlin, Deutschland G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_7, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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472 Abb. 7.1 Rohemissionen (ohne Katalysator) in Volumenprozent. a Ottomotor, b Dieselmotor

G.P. Merker und R. Teichmann a N2: 72,1 % O2 und Edelgase: 0,7 % H2O: 13,8 % CO2: 12,3 % Schadstoffe: 1,1 %

Partikel: 0,0008 % NOx: 0,13 % HC: 0,09 %

CO: 0,90 %

b N2 : 73,8 % O 2: 9 % H2O: 9 % CO2: 8 %

SO2:0,011 % Ruß: 0,002 % HC: 0,008 % CO: 0,008 %

Schadstoffe: 0,2 % NOx: 0,17 %

gungen läut die Verbrennung erneut unvollständig und bestenfalls bis zum chemischen Gleichgewicht ab. Bei allen Lutverhältnissen kann die Verbrennung darüber hinaus unvollkommen ablaufen, da beispielsweise der Sauerstoff nicht ideal mit dem Brennstoff gemischt ist oder da bestimmte Reaktionen so langsam ablaufen, dass das chemische Gleichgewicht nicht erreicht wird. Zusätzlich treten ungewollte Nebenreaktionen auf. In Abb. 7.1 sind exemplarisch die Zusammensetzungen der Abgase (ohne Katalysator) von konventionellen Otto- und Dieselmotoren angegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Abgaszusammensetzung sowohl zwischen unterschiedlichen Motoren und Zertifizierungsstufen als auch zwischen unterschiedlichen Betriebspunkten variiert. Aus Abb. 7.1 ist ersichtlich, dass der Schadstoffanteil aus energetischer Sicht keine Bedeutung für den Motorprozess hat, sondern nur wegen seines Gefährdungspotenzials für die menschliche Gesundheit bzw. die Umwelt. Obwohl der Dieselmotor nur etwa ein Füntel der Schadstoffmenge des Ottomotors emittiert, ist die absolute NOx -Konzentration nicht sehr verschieden. Während beim Dieselmotor neben den Stickoxiden auch die Partikelemission eine kritische Größe darstellt, ist beim konventionellen Ottomotor das CO die dominierende Schadstoffkomponente. Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung sind demgegenüber auch Partikelemissionen von Bedeutung.

7.2 Innermotorische Schadstofbildung und -reduktion Die Bildung der Schadstoffkomponenten CO, HC, NOx sowie Partikel im Verbrennungsprozess ist in erster Linie vom lokalen Lutverhältnis, der Sauerstoffkonzentration und der lokalen Temperatur abhängig. Vernachlässigt man Wandeinflüsse sind dabei das Lutverhältnis und die Verbrennungstemperatur direkt gekoppelt. Während CO, HC und Partikel

7

Schadstofbildung und -reduktion

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Abb. 7.2 Schadstoffbildung in Abhängigkeit des Lutverhältnisses

als Produkte der unvollständigen Verbrennung bei fettem Gemisch (λ < 1,0) ansteigen, wird die NOx -Bildung durch eine hohe Temperatur bei ausreichendem Sauerstoffangebot begünstigt (λ ≈ 1,1). Bei magerem Gemisch (λ > 1,0) sinkt die Verbrennungstemperatur, so dass die NOx -Emission vermindert wird und die HC-Emission ansteigt. Bei zu geringen Temperaturen, zum Beispiel aufgrund von Wandwärmeverlusten oder der Expansion des Kolbens, frieren außerdem die weitere Oxidation von Kohlenwasserstoffen, CO und Partikeln auch bei ausreichendem Lutverhältnis ein. Dieses Verhalten ist qualitativ in Abb. 7.2 dargestellt. Die innermotorische Reduktion der Schadstoffe zielt daher immer auf eine Optimierung der lokalen Gemischzusammensetzung und des Temperaturverlaufs ab. Dabei ist aber üblicherweise eine Einzelmaßnahme nicht ausreichend, da eine Maßnahme die zur Reduktion einer Schadstoffkomponente führt häufig die Erhöhung einer anderen Komponente verursacht. Wesentliche Grundlage der Reduktion der Schadstoffe, bzw. der Optimierung des Wirkungsgrades unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoffgrenzwerte ist immer die Optimierung des Brennraums sowie des Zusammenspiels von Brennraumgeometrie, Einspritzsystem und Zylinderinnenströmung. Im Folgenden sollen kurz die thermodynamischen Auswirkungen von konventionellen Maßnahmen zur Schadstoffreduktion auf den Motorprozess beschrieben werden. Abgasrückführung Die Methode der Abgasrückführung hat in erster Linie das Ziel, die Bildung von Stickoxiden während der Verbrennung zu senken. Bei ottomotorischen Brennverfahren dient die Abgasrückführung aber auch der Laststeuerung, siehe dazu Abschn. 3.1. Es gibt mehrere Methoden dem Verbrennungsprozess Abgas zurückzuführen. Eine Variante bei ist die Rückführung außerhalb des Zylinders. Bei Turbomotoren erfolgt eine Abnahme eines Teils des Abgasmassenstroms vor Turbine und Zuführung hinter Ladelutkühler (Hochdruck-AGR) und/oder Abnahme hinter Turbine und Partikelfilter und Zuführung vor Verdichter. Zumindest bei dieselmotorischen Brennverfahren ist eine Entnahme erst hinter Partikelfilter möglich, da es sonst schnell zu einer Berußung der Verdichterschaufeln kommt. Je nach Konzept wird das rückgeführte Abgas gekühlt. Alternativ oder zusätzlich kann ein Teil des Abgases über eine geeignete Ventilsteuerung auch

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G.P. Merker und R. Teichmann

im Zylinder gehalten oder aus den Einlass- oder Auslasskanälen zurückgesaugt werden. Bei dieser Methode ist die Temperatur des Abgases die höchste. Das zurückgeführte Abgas verändert die Verbrennung durch chemische, thermische und Verdünnungseffekte. Der thermische Effekt der AGR ist auf die höheren spezifischen Wärmekapazitäten der Gase Kohlendioxid und Wasser im Vergleich zu Lut zurückzuführen. Die höheren Wärmekapazitäten führen zu einem Absinken von Verdichtungsendund Verbrennungstemperatur. Natürlich besteht, abhängig von Ladelut- und AGR-Kühler, auch ein direkter Temperatureffekt durch die AGR. Die veränderten Temperaturen führen zum einen zu einer Änderung der Zündverzugszeit und damit beim Dieselbrennverfahren zu einer Verschiebung der Anteile der initial-vorgemischten und der mischungskontrollierten Verbrennung. Weiterhin beeinflussen die Temperaturen stark die Reaktionsrate der thermischen Stickoxidbildung aber auch die Bildung und Oxidation von Rußpartikeln (Kap. 6). Das zurückgeführte Wasser besitzt einen chemischen Effekt durch die Dissoziation des Wassermoleküls zu O- und OH-Radikalen. Diese Radikale spielen eine wichtige Rolle in der thermalen Stickoxidbildung, so dass eine Erhöhung der Radikalkonzentration auch zu einer Erhöhung der Stickoxidemission führen müsste. Allerdings sind die Dissoziationsreaktionen endotherm, was diesen Effekt durch eine zusätzliche leichte Temperaturabsenkung ausgleicht. Die mit Abstand stärkste Wirkung der AGR geht auf den Verdünnungseffekt zurück, siehe Ladommatos et al. (1997). Der Verdünnungseffekt reduziert die Sauerstoffkonzentration im Verbrennungsgas. Zur Umsetzung einer bestimmten Brennstoffmenge muss daher eine größere Menge Gemisch aufgeheizt werden, wodurch die Verbrennungstemperaturen und damit die thermale Stickoxidbildung reduziert werden. Variable Ventilsteuerzeiten Die Möglichkeit der variablen Einstellung der Ventilsteuerzeiten stellt das wahrscheinlich flexibelste Werkzeug zur Minimierung der innermotorischen Schadstoffemissionen dar. Durch eine gezielte Beeinflussung von Ladung und Ladungsbewegung kann sehr effektiv in die Schadstoffentstehungs- und Abbauprozesse eingegriffen werden. Während beim Ottomotor der variable Ventiltrieb vornehmlich zur Leistungs- und Wirkungsgraderhöhung genutzt werden kann, liegen die Vorteile für die Schadstoffreduktion überwiegend beim Dieselmotor. Stellvertretend für alle Mechanismen soll an dieser Stelle der Einfluss vom Miller-Prozess, interner Abgasrückführung und variablen Drall erläutert werden. Der Miller- bzw. Atkinson-Prozess beschreibt den Einfluss einer Füllungsreduzierung auf die Prozesstemperatur. Durch ein frühzeitiges Schließen (Miller) bzw. längeres Öffnen (Atkinson) der Einlassventile findet eine Reduktion der Zylinderfüllung statt, die eine Senkung des realen Verdichtungsverhältnisses zur Folge hat, siehe Schutting et al. (2007). Das geringere Verdichtungsverhältnis führt zu geringeren Prozesstemperaturen während der Verbrennung und damit zu einer signifikanten Reduktion der NOx -Bildungsrate. Als Nachteil bleibt zu erwähnen, dass der Füllungsnachteil durch eine Erhöhung des Ladedruckes kompensiert werden kann (und muss), was aber eine leistungsfähige Ladelutkühlung voraussetzt.

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Schadstofbildung und -reduktion

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Mit einer Deaktivierung von einzelnen Einlassventilen bzw. durch eine geeignete Einstellung des Einlassventilhubes, kann der Drall eines Motors betriebspunktabhängig optimiert werden, siehe Adolph et al. (2009). Der entstehende Sitzdralleffekt weist im Gegensatz zu separaten Füll- und Drallkanälen weniger Strömungsverluste auf. Mit dieser Maßnahme steigt der Turbulenzgrad durch die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit am Ventil prinzipbedingt an. Durch die intensivierte Vermischung von Lut und Brennstoff wird außerdem eine saubere Verbrennung begünstigt und bewirkt durch die Erhöhung des lokalen Verbrennungslutverhältnisses eine Reduktion der Ruß- und Partikelemissionen. Andererseits führt ein erhöhter Drall beim Dieselmotor zu einer stärkeren Verwehung und Ablenkung des Einspritzstrahles . Schließlich sei an dieser Stelle die Möglichkeit der internen Abgasrückführung erläutert. Durch ein vorgezogenes Schließen des Auslassventils kann eine Restgasmenge im Zylinder zurück gehalten werden, welche sich dann in der darauf folgenden Ansaugphase mit der Frischlut vermengen kann; die genaue Wirkungsweise von AGR wurde bereits im vorangegangen Abschnitt „Abgasrückführung“ erläutert. Obwohl die interne Abgasrückführung im Vergleich mit einer (zumeist) gekühlten externen AGR durch die erhöhten Ladungstemperaturen eher nachteilig ist, birgt sie Vorteile in der Dynamik. Während die externe AGR durch die Koppelung über den Lutpfad eher langsam ist, steht die interne AGR nach Umstellung der Ventilsteuerzeiten sofort zur Verfügung und lässt so eine Minimierung der Verbrennungstemperaturen schon im transienten Betriebsbereich zu. Erhöhung des Einspritzdrucks Die Erhöhung des Einspritzdruckes birgt sowohl für ottomotorische als auch für dieselmotorische Brennverfahren Vorteile hinsichtlich des Emissionsverhaltens. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass bei konventionellen ottomotorischen Brennverfahren Gemischbildung und Verbrennung nicht zeitgleich stattfinden wie beim Dieselmotor und die Volatilität des Brennstoffes höher ist, sodass der erzielbare positive Einfluss auf die Schadstoffbildung geringer ausfällt als bei dieselmotorischen Brennverfahren. Unabhängig vom Brennverfahren sind die Intensivierung der Gemischbildungsenergie und die Verringerung der Tropfendurchmesser als die gewichtigsten zwei Faktoren zu nennen, welche jedoch nicht separat autreten. Wird der Einspritzdruck erhöht, findet eine Zunahme der Austrittsgeschwindigkeit des Brennstoffes aus dem Düsenloch statt; beispielsweise führt eine Verdoppelung des Druckes zu einem Anstieg der Geschwindigkeit um den Faktor ca. 1,4. Wird die Geometrie des Düsenloches nicht angepasst, kann somit die gleiche Menge Brennstoff in einer kürzeren Zeit in den Brennraum eingebracht werden. Da dies jedoch eine stabile Zumessung von kleinen Mengen erschweren würde, findet üblicherweise eine Anpassung des Düsenlochdurchmessers statt derart, dass die Querschnittsfläche um den Faktor verringert wird, wie die Austrittsgeschwindigkeit zunimmt. Bedingt durch erhöhte Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Brennstoff und Gas, erhöhen sich die an den Tropfen angreifenden Scherkräte und führen zu einem stärkeren Aufbrechen der Flüssigkeitsligamente mit der Folge einer deutlichen Verschiebung der Tropfenkollektive zu kleineren Durchmessern hin; die kleineren Tropfen ermöglichen eine schnellere Verdunstung (Hiroyasu et al. 1980). Darüber

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G.P. Merker und R. Teichmann

hinaus führt die Erhöhung der Einspritzstrahlgeschwindigkeit bei Motoren mit Direkteinspritzung zu einem erhöhten Strahlimpuls und führt so zusätzliche Energie in das System ein, die für die Gemischbildung, also der Interaktion zwischen Brennstoff und Gasphase genutzt werden kann; Motoren mit äußerer Gemischbildung profitieren lediglich von der besseren Verdunstung aufgrund der kleineren Tropfen. Der erhöhte Impuls führt makroskopisch zu einer Vergrößerung von Eindringtiefe und Aufbruchswinkel sodass der Einspritzstrahl ein größeres Volumen des Brennraumes einnehmen kann, auf mikroskopischer Ebene wird die Turbulenzproduktion durch den Eingriff in die Wirbelkaskade intensiviert. Diese Vorgänge werden detaillierter im Kap. 16 beschrieben. Die Homogenisierung des Lut-Kratstoff-Verhältnisses führt zu geringeren Konzentrationsgradienten mit einer Verkleinerung der lokal fetten Zonen und damit grundsätzlich zu einer rußärmeren Verbrennung mir weniger Partikelbildung, jedoch kann so auch der Vormischanteil an der Verbrennung steigen, was evtl. eine Erhöhung der Stickoxidproduktion nach sich ziehen würde. Der größte Vorteil der Einspritzdruckerhöhung zeigt sich jedoch in der AGR-Verträglichkeit des Brennverfahrens, also inwieweit die AGR-Rate an einem Lastpunkt eingestellt werden kann, ohne eine Zunahme der Rußemissionen zu riskieren. Durch die Erhöhung des Strahlimpulses werden auch Zonen des Brennraumes mit Brennstoff erfasst, die bei geringeren Drücken nicht erfasst werden können und führen zu einer Homogenisierung des Gemisches. Für detaillierte Untersuchungen zur Einspritzdruckerhöhung an Nfz- bzw. PkwDieselmotoren sei auf Seebode et al. (2006) und Marohn et al. (2008) sowie Abschn. 3.3.3 sowie Abb. 3.10, 3.11 und 3.16 verwiesen. Diesel-Wasser Emulsionen Es gibt unterschiedliche Arten, der Verbrennung Wasser zuzuführen, um eine Reduktion der Schadstoffentstehung während der dieselmotorischen Verbrennung zu erreichen. Bei Befeuchtungsmethoden wird Wasser bereits in das Ansaugsystem des Motors verdampt. Ähnlich wie bei der Abgasrückführung, wird bei dieser Methode der Sauerstoffgehalt der angesaugten Lut reduziert, wodurch eine Verringerung der thermischen Stickoxidbildung erreicht werden kann. Befeuchtungsmethoden eignen sich speziell bei Motoren, an denen der Einsatz einer Abgasrückführung, z. B. aufgrund zumindest teilweisen Betriebs mit Schweröl, nur schwer realisierbar ist. Neben einer direkten Einspritzung von Wasser stellen Kratstoff-Wasser-Emulsionen eine dritte Möglichkeit zur Einbringung von Wasser in den Verbrennungsprozess dar. Hierbei gelangt das Wasser gezielt in die Brennraumbereiche, in denen auch die Verbrennung abläut. Durch die hohe Verdampfungsenthalpie des Wassers werden ein Absinken der Flammentemperaturen und eine Reduzierung der thermischen Stickoxidbildung erreicht. Auch auf die Rußemissionen hat der Einsatz von Diesel-Wasser Emulsionen eine positive Auswirkung. Je nach Konfiguration wird durch den Einsatz von Emulsionen das lokale Lutverhältnis im Einspritzstrahl angehoben. Durch die Wasserverdunstung steigt der Zündverzug, so dass die Abhebelänge der Flamme ansteigt (vgl. Abschn. 3.3.2), was zu einem weiteren Absinken des Lutverhältnis im Bereich der Hochtemperaturreaktionen führt. Für weitere Details zu Diesel-Wasser-Emulsionen sei auf Musculus et al. (2002) und Eckert (2008) verwiesen.

7

Schadstofbildung und -reduktion

7.2.1

477

Kohlenmonoxid (CO)

Bei Verbrennung von Kohlenwasserstoffen entsteht CO als ein Zwischenprodukt der Oxidation, vgl. Abschn. 5.2. Unter stöchiometrischen (λ = 1,0) und überstöchiometrischen (λ > 1,0) Bedingungen kann CO theoretisch vollständig zu CO2 oxidiert werden. Bei lokalem Lutmangel (λ < 1,0) bleibt CO grundsätzlich als ein Produkt der unvollständigen Verbrennung erhalten. Die entscheidenden Reaktionen bei der Oxidation von CO sind die Reaktionen mit einem Hydroxylradikal und mit einem Hydroperoxydradikal. CO + OH ↔ CO + H

CO + HO ↔ CO + OH .

(7.1) (7.2)

Dabei ist Reaktion (7.1) klar dominierend. Reaktion (7.2) spielt lediglich während Selbstzündungsprozessen eine Rolle, da hier HO2 in relativ hoher Konzentration vorkommt (vgl. Abschn. 6.2.2). Weitere Oxidationsreaktionen, die jedoch bei Anwesenheit von Wasserstoffatomen eine untergeordnete Bedeutung besitzen, sind

und

CO + O + M ↔ CO + M CO + O ↔ CO + O .

(7.3)

(7.4)

Da Reaktion (7.1) unter den meisten Bedingungen dominiert, ist die CO-Oxidation stark von der Konzentration an OH-Radikalen abhängig. Dabei ist die Reaktionsrate von Reaktion (7.1) deutlich niedriger als die Reaktionsrate bei der Reaktion zwischen OH-Radikalen und Kohlenwasserstoffen (Westbrook und Dryer 1984). Aus diesem Grund ist die CO-Oxidation normalerweise inhibiert, bis die Brennstoffmoleküle und Kohlenwasserstoff-Zwischenspezies oxidiert sind (vgl. auch Abb. 6.4 in Abschn. 6.2.1). Im unterstöchiometrischen Bereich (λ < 1,0) läut Reaktion (7.1) wegen des O2 -Mangels in Konkurrenz zur H2 -Oxidation ab H + OH ↔ H O + H .

(7.5)

Im Gegensatz zur kinetisch kontrollierten Reaktion (7.1) befindet sich Reaktion (7.5) bei höheren Temperaturen praktisch im Gleichgewicht. Mit steigendem Lutverhältnis und steigender Temperatur wird die Abweichung der Kinetik vom OHC-Gleichgewicht geringer und die CO-Konzentration nimmt deshalb mit steigendem Lutverhältnis λ ab. Im stöchiometrischen Bereich (λ ≈ 1,0) lassen sich die Reaktionen (7.1) und (7.5) in sehr guter Näherung als Bruttovorgang durch die Wassergasreaktion beschreiben CO + H O ↔ CO + H ,

(7.6)

478

G.P. Merker und R. Teichmann

die in diesem Fall in Gleichgewichtsnähe abläut, weil die Überschusskonzentrationen der Kettenträger H und OH dabei sehr groß sind. Im überstöchiometrischen Bereich (λ > 1,0) läut die CO-Oxidation nicht mehr in Konkurrenz zur H2 -Oxidation ab und wird wieder durch Reaktion (7.1) dominiert. Im extrem mageren Gemisch (λ > 1,0) entsteht wieder vermehrt CO wegen der niedrigen Temperaturen und der unvollständigen Verbrennung im wandnahen Bereich des Brennraums. Generell ist die CO-Oxidation stark von der Temperatur abhängig, so dass die Reaktion (7.1) auch während der Expansion zunehmend langsamer wird. Die COKonzentration im Abgas entspricht deshalb etwa der Gleichgewichtskonzentration bei 1700 K.

7.2.2

Unverbrannte Kohlenwasserstofe (HC)

Bei der Verbrennung von Cx Hy -Brennstoffen treten, unter der Voraussetzung, dass λ > 1 ist, „hinter“ der Flammenfront keine messbaren HC-Konzentrationen auf. HC stammt deshalb aus Zonen, die nicht oder nicht vollständig von der Verbrennung erfasst werden. Dabei setzen sich die unverbrannten Kohlenwasserstoffe aus einer Vielzahl verschiedener Komponenten zusammen, die entweder vollständig unverbrannt oder aber schon teiloxidiert sein können. Vom Gesetzgeber wird heute nur die Summe aller HC-Komponenten, die üblicherweise mit einem Flammen-Ionisations-Detektor bestimmt wird, beschränkt. Dabei wird keine Aussage über die Zusammensetzung dieser unverbrannten Kohlenwasserstoffe getroffen und damit auch nicht das besondere Gefährdungspotenzial bestimmter Bestandteile berücksichtigt. Unter den unverbrannten Kohlenwasserstoffen befinden sich auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, so genannte PAK, die für die Rußbildung im Dieselmotor von Bedeutung sind, vgl. Abschn. 7.2.3. Quellen von HC-Emissionen Bei Betrachtung der HC-Emissionsquellen muss zwischen Brennverfahren mit homogenem Gemisch, beispielsweise in konventionellen Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung oder HCCI-Brennverfahren und Brennverfahren mit heterogenem Gemisch, also beispielsweise in DI-Dieselmotoren oder Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Schichtbetrieb, unterschieden werden. Grundsätzlich emittieren Motoren den größten Teil der unverbrannten Kohlenwasserstoffe bereits in der Kaltstart- und Warmlaufphase, da hier relativ niedrige Temperaturen im Brennraum vorliegen, so dass eine Nachoxidation nur im geringen Maße abläut. Bei konventionellen Ottomotoren mit homogener Gemischbildung sind die wichtigsten Quellen der HC-Emissionen (Cheng at al. 1993): • Flammenlöschen innerhalb eines Spaltes infolge zu starker Abkühlung der Flammenfront, • Adsorption und Desorption von Brennstoff im Ölfilm auf der Zylinderbuchse,

7

Schadstofbildung und -reduktion

Abb. 7.3 Schematische Darstellung der HC-Entstehung nach Heywood (1988)

479

Einl.

Ausl.

Material aus dem Kolbenringbereich

Einl.

Ausl.

Therm. Grenzschicht Wirbel

E in l .

Ausl.

Wirbel"überbleibsel"

Therm. Grenzschicht

• Adsorption und Desorption von Brennstoff in Ablagerungen an den Brennraumwänden, • flüssiger Brennstoff mit hohem Molgewicht im Zylinder, der vor Ende der Verbrennung nicht ausreichend schnell verdunstet und mit Lut gemischt wird, • frontales Löschen der Flamme bei Annäherung an eine kalte Wand, • Flammenlöschen infolge zu kleiner Flammengeschwindigkeit während der Expansion (rascher Temperaturabfall) oder lokales Flammenlöschen bei mageren Gemischen sowie • Leckage von Brennstoff-Lut-Gemisch durch die geschlossenen Auslassventile. Dabei ist zu beachten, dass die oben genannten Mechanismen zwar zunächst der Verbrennung gewisse Mengen Brennstoff entziehen, dieser Brennstoff zu späteren Zeiten jedoch zumindest noch teilweise nachoxidieren kann. Dies wird beispielhat in Abb. 7.3 verdeutlicht. Zu Beginn der Verbrennung entweicht ein Teil des Gemisches in den Kolbenringverband und wird so nicht von der Flammenfront erfasst. Ein Teil des entwichenen Gemisches verbleibt im Kurbelgehäuse und wird bei modernen Motoren in den Ansaugbereich zurückgeführt. Ein anderer Teil strömt gegen Ende der Verbrennung wieder in den Brennraum zurück. Zu diesem späten Zeitpunkt liegen die Brennraumtemperaturen ot schon so tief, dass nur eine geringe Oxidation zu vollständigen Verbrennungsprodukten möglich ist. Ein Teil dieses Gemisches verbleibt jedoch als Restgas im Zylinder und kann so im nachfolgenden Verbrennungszyklus oxidiert werden. Insbesondere nehmen unverbrannte Kohlenwasserstoffe, die durch Flammenlöschen an den Brennraumwänden entstehen, einen relativ kleinen Teil der tatsächlich im Abgas gemessenen Kohlenwasserstoffe ein. Stattdessen diffundieren die Brennstoffmoleküle nach dem Flammenlöschen relativ schnell in das noch heiße Verbrennungsgas und werden so oxidiert.

480

G.P. Merker und R. Teichmann Brennstoff 100% Brennraum: CO2, H2O, CO, Schadstoffe nur Brennstoff

91%

Ölsch. 1% Ablag. 1% fl. BS 1,2% 3,2% Oxidation im Zylinder 4,5%

9%

Quenching 0,5% Spalte 5,2% Ventile 0,1% 5,1%

1/3 Oxid. 2/3 Oxid. 2,1%

Oxidation im Abgas

0,9%

HC - Bildung Gemisch

Blow - By 0,6%

1,7% 3,8%

1,2%

Residual HC 1,2%

1,7% HC nach A-Ventil 1,8% Katalysator Vollständig verbrannter BS im Abgas (97,8 - 98,1)%

HC im Abgas (0,1 - 0,4)%

HC - Rückführung 1,8%

Abb. 7.4 HC-Bildungsmechanismen bei der ottomotorischen Verbrennung (Cheng et al. 1993)

Die verschiedenen Pfade der HC-Bildungsmechanismen bei der Verbrennung in einem älteren Ottomotor mit Saugrohreinspritzung sind in Abb. 7.4 beispielhat dargestellt (Cheng et al. 1993). Es ist zu erkennen, dass das Flammenlöschen in Spalten die Hauptquelle der HC-Emissionen darstellt. Insgesamt werden in dem gezeigten Beispiel zunächst 8,3 % des Brennstoffs nicht von der Flamme erfasst. Im Abgas vor dem Katalysator verbleiben jedoch nur ca. 1,7 % des Brennstoffs als unverbrannte Kohlenwasserstoffe. Einen großen Einfluss auf die HC-Emissionen von konventionell betriebenen Ottomotoren besitzt die Brennraumform. So steigen die HC-Emissionen in der Regel mit zunehmendem Oberflächen-Volumen-Verhältnis an. Für eine ausführliche Darstellung des Einflusses der Brennraumform auf die HC-Emissionen sei zudem auf Borrmeister und Hübner (1997) verwiesen. Neben anderen motorischen Parametern hat insbesondere der Zündzeitpunkt einen großen Einfluss auf die HC-Emissionen. Eine Spätverstellung des Zündbeginns führt zu höheren Gastemperaturen während der Expansion, so dass aus Spalten, Öl und Ablagerungen austretender Brennstoff besser oxidiert werden kann. Sehr späte Zündzeitpunkte führen allerdings wieder zu einem Anstieg der HC-Emissionen. Für weitere Details zum Einfluss des Zündzeitpunktes sei auf Eng (2005) verwiesen. Bei einem idealen HCCI-Brennverfahren liegt keine Flammenfrontverbrennung vor. Stattdessen findet eine Raumzündung statt, d. h. das homogene Gemisch zündet an mehreren Stellen gleichzeitig. Trotzdem sind die Quellen für HC-Emissionen ähnlich wie beim konventionell betriebenen Ottomotor.

7

Schadstofbildung und -reduktion

481

Die genannten Mechanismen der HC-Entstehung bei homogenen Brennverfahren sind insgesamt sehr komplex und eine quantitative Berechnung der HC-Emission ist deshalb noch nicht möglich. Für eine näherungsweise Berechnung der HC-Emissionen sind insbesondere eine sehr detaillierte Darstellung der Brennraumgeometrie, inklusive aller Spalten und dem Ringbereich sowie detaillierte Verbrennungsmodelle, die Flammenlöschen und Teiloxidation vorhersagen können, notwendig. In Motoren mit heterogenem Gemisch gelangen in der Regel nur kleine Mengen Brennstoff-Lutgemisch in den Ringbereich und in Spalten, so dass diese Mechanismen von untergeordneter Rolle sind. Die wichtigsten Quellen für HC-Emissionen in Dieselmotoren und Ottomotoren mit Direkteinspritzung und Schichtbetrieb sind: • der äußere Rand des Sprays, die Gemischzusammensetzung liegt außerhalb des Zündbereichs (zu mager), • der innere Spray-Bereich, die Gemischzusammensetzung ist zu fett, • Löschen der Diffusionsflamme durch raschen Druck- und Temperaturabfall während der Expansion, • an der Wand angelagerter Brennstoff verdunstet wegen zu niedriger Temperaturen nur langsam und wird nicht vollständig oxidiert, • „Nachspritzer“ durch erneutes Öffnen der Düsennadel nach Einspritzende. Daraus resultieren extrem große Brennstotropfen, die nur langsam verdunsten und verbrennen können, • Ausdampfen von unverbranntem Brennstoff aus dem Sacklochvolumen der Einspritzdüse gegen Ende der Verbrennung, • Ausgasen von Brennstoff durch Injektorleckage insbesondere nach dem Abstellen des Motors und anschließendem Kaltstart, • Bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung kann es im Schichtbetrieb zusätzlich zu Fehlzündungen in einzelnen Arbeitsspielen kommen, wenn das Brennstoff-Lutgemisch an der Zündkerze zu mager ist. Im Hinblick auf den vorletzten Punkt ist in Abb. 7.5 der Einfluss des Sacklochvolumens auf die HC-Emission des Dieselmotors schematisch dargestellt. Die HC-Emissionen steigen näherungsweise linear mit dem Sacklochvolumen an. Dabei sind die HC-Emissionen für Sitzlochdüsen prinzipbedingt am geringsten. Für weitere Details zu den HC-Entstehungsmechanismen bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung sei auf van Basshuysen (2008) verwiesen. Wie bei Brennverfahren mit homogenem Gemisch sind die HCEntstehungsmechanismen bei Brennverfahren mit heterogenem Gemisch sehr komplex und finden, wie das Ausdampfen aus der Düse in lokalen Bereichen statt, so dass auch hier nur eine qualitative Berechnung möglich ist. Nicht limitierte Schadstoffkomponenten Unter der Gesamtmasse der unverbrannten Kohlenwasserstoffe befinden sich einige Substanzen, deren Anteil nicht explizit limitiert

482

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 7.5 Schematische Darstellung der HC-Emission in Abhängigkeit des Sacklochvolumens





R - CH2 - CH3 + O •2 •



R - CH2 -CH2 + O •2



R - CH2 - CH2 + HO2 •

R - CH2 - CHO + OH •







R - CH2 - CH2 + O• 2

R - CH2 - CH2 - OO

R - CH = CH2 + HO2 •

R - CH2 - CH2 - OO •

R - CH = CH2 + OH



R - CHO + CH3 •

R - CH2 + HCHO Formaldehyd Carbonylverbindungen:

• • •



R - CH2 - CH2 - OO



R + HCHO + HCHO



R - CH2 - CH2 - OO + R - H

R - CH2 - CH2 - OOH





R - CH2 - CH2 - OOH + R •

OH + R - CH2 + HCHO R - CH2 - OH + HCHO

- Aldehyde - Ketone (hier nicht gezeigt)



R - CH2 - O + HCHO

• • •

bei vollständiger Verbrennung: H2O + CO2

Abb. 7.6 Ausschnitt aus dem Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema

ist, die aufgrund ihres Gefährdungspotenzials jedoch besondere Bedeutung haben. Dazu gehören Carbonylverbindungen sowie Dioxine und Furane. Carbonylverbindungen können dem menschlichen Organismus schaden, indem sie direkt oder durch die in der Atmosphäre gebildeten Folgeprodukte auf ihn einwirken. So tragen sie z. B. zusammen mit Stickstoffdioxid zur Bildung von bodennahem Ozon bei (fotochemischer Smog). Zu den Carbonylverbindungen zählen die Aldehyde und Ketone, die jeweils über mindestens eine charakteristische Carbonylgruppe verfügen. Sie entstehen als teilverbrannte Brennstoffbestandteile, deren vollständige Oxidation vorzeitig abgebrochen wurde. In Abb. 7.6 ist qualitativ ein Ausschnitt aus dem Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema mit den in der Endphase der Oxidation autretenden Aldehyden R-CHO, sowie dem

7

Schadstofbildung und -reduktion C1-Komponente: O H

Formaldehyd H

C2-Komponenten: O H3C O

Acetaldehyd

O

H3C O

H3C

H

H3C

H O

O Glyoxal

H

H

C3-Komponenten: H3C H2C

O H3C

C4-Komponenten:

O Propionaldehyd H O Acrolein H Aceton

CH3

H3C

O H2C H3C O H3C

O H2C

483 C5-Komponenten: O

ButyrHC H aldehyd 3

Isobutyraldehyd H3C CrotonH aldehyd

Methacrolein H

3-Pentanon CH3

C6-Komponenten: O H3C

2-Butanon CH3

Cyclopentanon

O

H

O

O

Valeraldehyd H3C

H O

C7-Komponente:

Aromaten: O O

H O

H

Hexanal

CH3 O

Cyclohexanon

H

H3C O IsobutylMetylmethylvinylketon H3C CH3 keton CH3

Heptanal H

O CH3

Furfural

Benzaldehyd

o-Tolylaldehyd Acetophenon

Abb. 7.7 Nachweisbare Carbonylverbindungen (Lange 1996) C1: Formaldehyd (73,4%) C2: Acetaldehyd (15,2%) C3: Propionaldehyd (2,2%) Acrolein (4,4%) Aceton (2,0%) C4: (Iso)Butyraldehyd (0,7%) Crotonaldehyd (0,6%) Methacrolein (0,4%) 2-Butanon (0,1%) C5: Valeraldehyd (0,5%) C6: Hexanal (0,1%) C7: Heptanal (0,1%) Aromaten: Benzaldehyd (0,3%)

Abb. 7.8 Verteilung der Carbonylverbindungen im Abgas eines Nutzfahrzeug-Dieselmotors (Lange 1996)

Formaldehyd HCHO gezeigt. Diese Darstellung vermittelt auch eine Vorstellung von der Komplexität des der Cx Hy -Oxidation zugrunde liegenden Oxidationsschemas. Ergänzend dazu sind in Abb. 7.7 die heute nachweisbaren Carbonylverbindungen und in Abb. 7.8 die Verteilung der Carbonylverbindungen im Abgas eines NutzfahrzeugDieselmotors dargestellt, vgl. Lange (1996). Dioxine sind aromatische Kohlenwasserstoffe mit völlig untoxischen bis hin zu extrem toxischen Verbindungen. Der Begriff schließt häufig noch die chemisch und toxikologisch verwandte Klasse der Furane ein. Seit dem Chemieunfall von Seveso im Jahre 1976 steht jedoch das damals freigesetzte und extrem toxische 2,3,7,8-Tetrachlordibenzop-Dioxin („Seveso-Git“) ot stellvertretend für alle Dioxine. Zur Erläuterung des chemischen Aufbaus sind in Abb. 7.9 die Strukturformeln des Benzolrings, einiger chlorierter

484

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 7.9 Aufbau einiger aromatischer Kohlenwasserstoffe

1. Drei verschiedene Darstellungen für Benzol H H H

C C

C C

C C

H H

H 2. Chlorierte aromatische HC OH OH Cl Cl

Cl

Cl

Cl

Cl Cl

Cl

Cl

Cl 2,4,5 - Trichlorphenol

Cl

Cl Pentachlorphenol

Cl 2,3,3',4',5' Pentachlorbiphenyl

3. Polyzyklische aromatische HC (PAK)

Naphthalin

Abb. 7.10 Aufbau heterozyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe

Pyren

Benzo(a)pyren

1. Heterozyklische aromatische Verbindungen (Hetarene) O N O Dioxin Pyridin 2. Derivate des Benzols OH O=C_H

Phenol NH2

Benzaldehyd NO2

Amilin

Nitrobenzol

O Furan O=C_O_H

Benzosäure CH3 NO2 NO2 NO2 Trinitrotoluol (TNT)

sowie polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe und in Abb. 7.10 die Strukturformeln der heterozyklischen aromatischen Verbindungen Pyridin, Dioxin und Furan sowie zweier substituierter Verbindungen dargestellt. Als Vorläufer der Dioxine und Furane sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), polyzyklische Biphenyle (BCB) Cl

Cl

7

Schadstofbildung und -reduktion

485

und polychlorierte Terphenyle (PCT) Cl Cl

Cl

zu nennen. In Abb. 7.11 sind die Strukturformeln von Dibenzofuran, Dibenzodioxin, das so genannte Seveso-Git, sowie die Zahl der möglichen Derivate angegeben. In Abb. 7.12 sind die Größenordnungen der Konzentrationen der verschiedenen Schadstoffkomponenten im Abgas eines Verbrennungsmotors angegeben. Bezüglich der Größenordnung unterscheiden sich verschiedene Bauarten von Motoren sowie auch Otto- und Dieselbrennstoffe nicht. Man erkennt, dass die Konzentrationen aller Dioxine und Furane in der Größenordnung 10−9 kg pro kg Abgas und die Konzentrationen des berüchtigten Seveso-Gites in der Größenordnung 10−14 kg pro kg Abgas, und damit extrem niedrig liegen. Mit modernen Verbrennungsmotoren mit Abgasnachbehandlung ist der Verkehr als Quelle von Dioxinemissionen vernachlässigbar, vgl. z. B. den 2. Dioxinbericht des Landesamts für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2012). Nach heutigen Stand sind auch Cu-Zeolith SCR-Katalysatoren hinsichtlich ihrer Dioxin-Emissionen unbedenklich, siehe von Liu et al. (2011) und Johnson (2010). Für weitere Ausführungen sei auf Bühler (1995) und Bühler et al. (1997) verwiesen. Abb. 7.11 Dioxinverbindungen

8 7 8 7

9 6 9 6 H

O

O O

1 4 1

2 3

Dibenzofuran

2 3

Dibenzodioxin (Dibenzo-p-dioxin)

4 H

Cl

O

Cl

Cl

O

Cl

H

2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxin ("Seveso-Gift")

H

PCDD 75 ... ... Dioxine PCDF 5020 135 PXDF ... 3320 ... PXDD: polyhalogenierte Dibenzodioxine PCDD: polychlorierte Dibenzodioxine PXDD 1700

486

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 7.12 Schadstoffkonzentrationen im Abgas von Verbrennungsmotoren (Bühler 1995)

1

10 0

=

10

CO2, H2O

10

-2

CO, O2

10

-3

NOx, HC

10

-4

Toluol, Benzol

10

-5

H-CHO, Phenole

10

-6

NH3

10

-7

Gesamt-PAK

10

-8

Benzo(a)pyren

10

-9

Summe PXDF

-10

Summe PXDD

-11

Summe Tetra- bis Octa CDD/CDF

-12

Summe TCDF

10-13

Summe TCDD

10-14

2,3,7,8-TCDD

10-15

2,3,7,8-TCDD (Kat)

mg/g

μg/g

ng/g

10

10 pg/g

fg/g

N2

-1

10

2,3,7,8- TCDD = ^ 2,3,7,8- Tetrachlordibenzo-p-dioxin ("Seveso-Gift", 1976)

7.2.3

Partikelemission beim Dieselmotor

Einführung Als Partikelgehalt im Abgas wird die Menge aller Stoffe bezeichnet, die von einem bestimmten Filter erfasst werden, nachdem das Abgas nach einem definierten Verfahren verdünnt und auf T < 52 °C abgekühlt worden ist (EN ISO 8178). Die unterschiedlichen, in motorischen Partikeln vorkommenden Bestandteile sind in Tab. 7.1. Den größten Anteil and der Gesamtpartikelmasse nehmen elementarer Kohlenstoff, der üblicherweise als Ruß bezeichnet wird, Kohlenwasserstoffe und Sulfate ein, wobei die exakte Zusammensetzung je nach Brennverfahren und Betriebspunkt variieren kann. Abbildung 7.13 zeigt exemplarisch Auszüge aus den von Kweon et al. (2002) ermittelten Zusammensetzungen von Partikelemissionen eines Nfz-Dieselmotors an verschiedenen Tab. 7.1 Unterschiedliche Komponenten in Partikelemissionen Organische Partikel

Ruß (unterschiedliche Form und Größe)

Anorganische Partikel

Aschen von Öladditiven

Rostpartikel, Salze

Metallspäne

Kohlenwasserstoffe sublimiert, kondensiert kristallisiert Keramische Wasser Fasern

7

Schadstofbildung und -reduktion

487

Abb. 7.13 Zusammensetzung von Dieselpartikeln (Kweon et al. 2002)

Lastpunkten bei konstanter Drehzahl. Die Gesamtpartikelmasse ist dabei bei den Betriebspunkten mit 75 % und 100 % Last ca. viermal höher als bei 25 % und 50 % Last. Es ist zu erkennen, dass die organischen Komponenten bei unterer Teillast und damit bei relativ großem Lut-Brennstoff-Verhältnis λ, den größten Anteil der Partikelmasse ausmachen, während bei höherer Teillast und Volllast, d. h. bei niedrigem Lut-Brennstoff-Verhältnis λ, elementarer Kohlenstoff deutlich überwiegt. Der Anteil der Sulfate an der Gesamtpartikelmasse steigt tendenziell mit zunehmender Last an und nimmt bei 75 % Last einen Anteil von ca. 5 % ein. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Kweon et al. (2002) einen Dieselbrennstoff mit einem Schwefelgehalt von 350 mg/kg Brennstoff verwendet haben. Bei aktuell in Europa verwendeten Dieselbrennstoffen mit einem maximalen Schwefelgehalt von 10 mg/kg liegt der Sulfatanteil vermutlich deutlich niedriger. Die bei der Partikelentstehung ablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse sind zwar in groben Zügen verstanden, jedoch in vielen Details nicht hinreichend gut. Deshalb ist auch die Modellierung der Partikel- bzw. Rußbildung sehr problematisch. Die Partikelentstehung besitzt nach heutigem Verständnis etwa den folgenden, in Abb. 7.14 schematisch dargestellten, Ablauf: • chemische Reduktion der Brennstoffmoleküle unter sauerstoffarmen Bedingungen zu kleinen Kohlenwasserstoffen, wobei kleine Alkene, Dialkene und Alkine und deren Radikale von besonderer Bedeutung sind; Bildung des ersten Benzolrings. • Bildung von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch Polymerisation von Ringen und fortschreitender Dehydrierung, dabei prozentualer Anstieg der C-Atome, • Kondensation und Bildung von Rußkernen (Nukleation) mit Abmessungen von etwa 1 bis 2 nm,

488

G.P. Merker und R. Teichmann 50 nm

Abb. 7.14 Prinzipskizze der Rußbildung (nach Bockhorn 1994)

Koagulation

Reaktionszeit

Oberflächenwachstum Koagulation Partikel - Entstehung Partikel - Zone

0,5 nm Molekular - Zone CO2 CO

H 2O H2 O2

• Oberflächenwachstum und Koagulation von Rußkernen zu Rußprimärteilchen mit Durchmessern von etwa 20 bis 30 nm und anschließende Anlagerung verschiedener Substanzen, • Zusammenschluss von Rußprimärteilchen zu langen kettenförmigen Strukturen durch Agglomeration, • Verkleinerung der Rußteilchen und Zwischenspezies durch Oxidation mit O2 -Molekülen und OH-Radikalen. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) Die Bildung des ersten aromatischen Kohlenwasserstoff-(Benzol-)Ringes ist ein wichtiger, da otmals geschwindigkeitsbestimmender, Schritt in der Rußentstehung. So skaliert beispielsweise die Rußbildung in mit unterschiedlichen Heptanisomeren angereicherten, nicht-vorgemischten Methanflammen linear mit der gebildeten Benzolkonzentration (McEnally et al. 2003). Die Bildung des ersten Benzolringes kann über unterschiedliche Reaktionspfade ablaufen, deren relative Anteile vom Brennverfahren und dem eingesetzten Brennstoff abhängen. Beispielhat sollen an dieser Stelle der Acetylen- und der Ionen-Pfad dargestellt werden. Für weitere Details sei auf McEnally et al. (2006) verwiesen. Beim Acetylen-Pfad spielt das bei fetter Verbrennung entstehende Ethin (Acetylen, C2 H2 ) die entscheidende Rolle. In einer ersten Reaktion reagiert ein Ethin-Molekül mit einem Vinylradikal (C2 H3 ). Nachfolgend sind, wie in Abb. 7.15 dargestellt, je nach lokaler Temperatur zwei verschiedene Reaktionswege möglich, wobei jeweils noch ein EthinMolekül zur Schließung des Benzolrings verbraucht wird (Frenklach und Wang 1994). Bei hohen Temperaturen entsteht ein Phenyl, bei niedrigen Temperaturen ein Benzolring. Beim Ionen-Pfad reagieren Ethin-Moleküle zunächst mit ebenfalls im brennstoffreichen Gemisch vorliegenden CH- oder CH2 -Gruppen zu C3 H3 -Ionen. Zwei solcher C3 H3 -Ionen

7

Schadstofbildung und -reduktion

489 Hohe Temperatur +H +C H n-C4H3 2 2 - H2

Abb. 7.15 Reaktionswege zur Bildung von Benzolringen (nach Frenklach und Wang 1994)

C4H4 C2H3 + C2H2

+H -H2

C4H5

+H

n-C4H5 + C2H2 Niedrige Temperatur H

H

H2C = C = C

C=C H

+

CH

H

H2C = C = C

CH C=C

H

H

Abb. 7.16 Entstehung von Benzolringen (nach Warnatz et al. 1996) Abb. 7.17 PAK-Wachstum (nach Frenklach und Wang 1994)

+ C2H2 -H

C

C

H C

+H - H2

C

H

+ C2H2 + C2H2 -H a) H - Abspaltung und C2H2 - Anlagerung +H

+ - H2 + H + C2H2 -H b) Ringzusammenschluss +H

können sich anschließend unter Umlagerung von zwei H-Atomen zu einem Ring zusammenschließen, siehe Abb. 7.16. Durch fortschreitende H-Abspaltung und C2 H2 -Anlagerung, dem so genannten HACAMechanismus (H-Abstraktion, C2 H2 -Addition) (Frenklach und Wang 1994), entstehen zusammenhängende PAK-Gebilde, vgl. Abb. 7.17a. Benzolringe können sich aber auch direkt zusammenschließen und dadurch komplexe Ringverbindungen aufbauen, siehe Abb. 7.17b. Man geht heute davon aus, dass im Brennstoff enthaltenen Aromaten unter sauerstoffarmen Bedingungen zunächst nicht in kleinere Kohlenwasserstoffe zerfallen, sondern direkt an dem PAK-Bildungsprozess teilnehmen (McEnally et al. 2006).

490

G.P. Merker und R. Teichmann

Entstehung von Ruß Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe wachsen zu immer größeren Gebilden an. Üblicherweise spricht man ab dem Moment von Rußpartikeln, zu dem die PAK nicht mehr in einer Ebene angeordnet sind, sondern ein räumliches Gebilde darstellen. Ein möglicher Mechanismus, der zur Bildung einer solchen Struktur führt, ist die Kollision zwischen zwei PAK-Molekülen, die ab einer bestimmten Größe der Moleküle über van der Waals Kräte aneinander haten bleiben können. Diese so gebildeten Rußkerne besitzen Durchmesser von etwa 1 bis 2 nm. Obwohl die Rußkerne nur einen kleinen Anteil der Gesamtpartikelmasse ausmachen, sind sie für die weitere Rußbildung von entscheidender Bedeutung. Auf den Rußkernen findet im Folgenden ein Oberflächenwachstum statt, bei dem sich Moleküle aus der Gasphase an die Rußpartikel anlagern. Dabei geht man davon aus, dass das Oberflächenwachstum zu einem großen Teil über Ethin-Moleküle, in einem dem HACA-Mechanismus ähnlichen Prozess stattfindet. Des Weiteren kann ein Oberflächenwachstum über Kondensation von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auf der Rußoberfläche erfolgen. Auch Sulfate können auf der Oberfläche haten bleiben. Bei relativ kleinen Partikeln führt eine Kollision zu Koagulation, d. h. zwei kollidierende, näherungsweise sphärische Partikel bilden ein größeres, ebenfalls sphärisches Partikel. Größere Partikel agglomerieren, d. h., die an der Kollision beteiligten Partikel behalten ihre Form und haten aneinander. Die einzelnen agglomerierten Partikel nennt man Rußprimärteilchen. Unter dieselmotorischen Bedingungen besitzen sie einen Durchmesser von etwa 15 nm bis 35 nm (Mathis et al. 2005). Die agglomerierten Partikel bilden ot eine verzweigte, kettenförmige Struktur. Während des gesamten Rußbildungsprozesses kann es gleichzeitig zur Rußoxidation kommen, wobei je nach Randbedingungen sowohl molekularer Sauerstoff als auch das Hydroxylradikal OH die dominierende Rolle einnehmen können. Einzelne Rußpartikel in einer Flamme weisen unterschiedliche Raten des Oberflächenwachstums, der Oxidation, der Kondensation, der Koagulation und der Agglomeration auf, so dass sich eine Verteilung von Partikeln mit unterschiedlichen Durchmessern ergibt, die durch eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion beschrieben werden kann. Die Größe der Partikel erstreckt sich über einen weiten Bereich von 2 < dP < 150 nm, wobei aber auch Partikel mit Größen bis zu 10 μm entstehen können; das Maximum der Verteilung liegt jedoch bei etwa 100 nm. Die Verteilung der Partikelgrößen ist häufig tri-modal, vgl. Kittelson (1998). Die kleinsten Partikel im Abgas gehören zum sogenannten Nukleationsmodus (dP < 50 nm). Neben Rußpartikel gehören hierzu vor allem volatile Bestandteile die durch Kühlung des Abgases entstehen. Im sogenannten Akkumulationsmodus, der üblicherweise den größten Massenanteil aufweist, befinden sich die agglomerierten Rußpartikel. Die Partikel im Grobmodus bestehen aus agglomerierten Partikeln, die sich zeitweise an den Wänden im Zylinder im Auslass abgelagert und wieder gelöst haben (Kittelson 1998). Das kumulierte Rußvolumen ist durch VP =

π ˜ π   ] N d = N [∑ N i dP,i   N

(7.7)

7

Schadstofbildung und -reduktion

491

Abb. 7.18 Rußertrag als Funktion von Lutverhältnis und Temperatur (Pischinger et al. 1988) Rußertrag [%]

50 40 30 20 10 0

2000

0,4 0,5 Luftverhältnis λ

1800 0,6

1600 1400

Temperatur [K]

gegeben, wobei N die Partikelanzahl aller Rußpartikelgrößenklassen i und d˜ den mittleren Durchmesser der diskrete Rußpartikelgrößenverteilung darstellt. Der Einfluss der Temperatur auf die Rußbildung ist schwer einheitlich zu beschreiben, da eine hohe Temperatur sowohl die Bildung (Pyrolyse) als auch den Abbau (Oxidation) von Ruß begünstigt. Unter vorgemischten Bedingungen gilt ein Temperaturfenster von 1500 < T < 1900 K als kritisch für die Rußbildung. Dies wird in Abb. 7.18 verdeutlicht, in dem der prozentuale Rußertrag in Abhängigkeit des Lutverhältnisses und der Temperatur dargestellt ist. Man erkennt den kritischen Temperaturbereich 1500 < T < 1900 und ein extremes Ansteigen der Rußemission für Lutverhältnisse λ < 0,6 (Pischinger et al. 1988). Bei nichtvorgemischten Flammen, wie sie im Dieselmotor autreten, steigt die Rußbildung in fetten Gemischbereichen mit der Temperatur an. Gleichzeitig führen hohe Temperaturen zu einer schnellen Oxidation von Ruß in mageren Gemischbereichen. Die Problematik Pyrolyse-Oxidation ist in Abb. 7.19 exemplarisch verdeutlicht. Aufgetragen ist dabei der Rußmassenbruch im Brennraum als Funktion des Kurbelwinkels. Man erkennt, dass zu Beginn der Verbrennung relativ viel Ruß gebildet wird, der aber während der Haupt- und Nachverbrennung zum größten Teil wieder oxidiert wird. Die im Abgas gemessene Partikelmenge ist deshalb nur ein Bruchteil (ca. 1 bis 10 %) der maximal gebildeten. Aus diesem Grund ist die Rußbildung und -oxidation nur sehr schwer modellierbar, da selbst exakte Modelle für die Bildung und Oxidation, die für sich genommen Fehler im niedrigen Prozentbereich aufweisen, einen sehr großen Fehler in der absoluten Rußmenge im Abgas aufweisen können (Stiesch 2003). Aus diesem Grund ist die Modellierung der Rußemissionen unter motorischen Bedingungen in erster Linie für qualitative Fragestellungen geeignet.

492

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 7.19 Zeitlicher Verlauf der Rußkonzentration im DIDieselmotor (Stiesch 2003)

Rußmassenbruch

ZOT

Kurbelwinkel

Modellierung der Partikelemission Wie im vorangehenden Abschnitt beschrieben, ist die Rußbildung und -oxidation ein sehr komplexer Prozess, dessen Modellierung unter motorischen Bedingungen eine große Herausforderung darstellt und in erster Linie für qualitative Fragestellungen geeignet ist. Aus diesem Grund werden heutzutage noch häufig sehr einfache Modelle verwendet, wie beispielsweise das 2-Gleichungsmodell nach Nishida und Hiroyasu (1989). In diesem Modell werden Bildung und Oxidation mit jeweils einer empirischen Gleichung beschrieben. Die Netto-Änderung der Rußmasse ergibt sich aus der Differenz dieser beiden Größen: . dmP,b = Ab mB,g p, exp [− ], dt T

. dmP,ox = A ox mP xO p, exp [− ], dt T dmP dmP,b dmP,ox = − . dt dt dt

(7.8) (7.9) (7.10)

Die Rußbildung in (7.8) ist dabei direkt proportional der Brennstoffkonzentration. Mit diesem einfachen Modell sind Trendaussagen über die Rußbildung, jedoch keine quantitativ zuverlässigen Ergebnisse zu erzielen. Statt (7.9) wird zur Beschreibung der Rußoxidation häufig die Beziehung nach Nagle und Strickland-Constable (1962) verwendet. In diesem halb-empirischen Modell wird angenommen, dass die Oberfläche der Rußpartikel teilweise aus reaktiven Bereichen A und weniger reaktiven Bereichen B besteht, eine Annahme, die auch in einigen detaillierten Rußmodellen verwendet wird. Die Oxidationsrate ergibt sich im Modell nach Nagle und Strickland-Constable zu: ω = ARu {(

kA p O  ) x + kB pO ( − x)} ,  + k Z pO

(7.11)

wobei der erste Term in der Klammer die Reaktion der reaktiven A-Oberfläche und der zweite Term die Reaktion der weniger reaktiven B-Oberfläche darstellt. Der Anteil der AOberfläche ist pO . (7.12) x= pO + (k t /kB )

Die Reaktionsraten kA , kB , kt und kZ sind bei Nagle und Strickland-Constable (1962) zu finden. Zusätzlich wird häufig der Einfluss der OH-Radikale auf die Rußoxidation basierend auf der gaskinetischen Kollisionsrate berechnet, siehe Neoh (1976).

7

Schadstofbildung und -reduktion

493

Abb. 7.20 Schematische Darstellung des phänomenologischen Rußmodells (nach Tao et al. 2005)

Um insbesondere die direkte Abhängigkeit der Rußbildung von der Brennstoffkonzentration zu vermeiden, wurden in der Vergangenheit eine Reihe von phänomenologischen Rußmodellen entwickelt, beispielsweise von Belardini et al. (1994) oder Fusco et al. (1994), deren Modell später von Kazakov und Foster (1998) und Tao et al. (2005) erweitert wurde. In diesen Modellen werden auch Zwischenspezies wie z. B. Ethin (Acetylen, C2 H2 ) bilanziert und die im vorangegangenem Abschnitt dargestellten Schritte der Rußbildung, also PAK-Bildung, Rußkernbildung, Oberflächenwachstum, Koagulation und Oxidation beschrieben. Das Modell nach Tao et al. (2005) umfasst dabei 9 Reaktionen zwischen 6 Spezies; zusätzlich wird noch die Rußpartikel-Anzahldichte bilanziert. Die einzelnen Schritte des Modells sind schematisch in Abb. 7.20 dargestellt. Ein aktueller Vergleich zwischen mit dem Modell berechneten Ergebnissen und Experimenten für verschiedene Motoren und Betriebspunkte ist bei Tao et al. (2009) zu finden. Ein alternativer Ansatz zu den oben beschriebenen phänomenologischen Modellen zur Beschreibung der Rußbildung liegt in der Verwendung einer detaillierten Reaktionskinetik der Kohlenwasserstoffoxidation und Bildung der ersten aromatischen Ringe in Kombination mit dem empirischen Ansatz nach (7.8) bis (7.12) (Vishwanathan und Reitz 2009). Die Idee hinter diesem Ansatz ist, dass die Bildung der ersten aromatischen Ringe den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt in der Rußbildung darstellt. In detaillierten Rußmodellen wird eine detaillierte Reaktionskinetik der Kohlenwasserstoffoxidation und der PAK-Bildung mit einer phänomenologischen Beschreibung der Rußpartikeldynamik mit Rußkernbildung, Oberflächenwachstum, Kondensation, Koagulation, Agglomeration und Oberflächenoxidation gekoppelt. Beispiele für solche detaillierte Ansätze sind bei Frenklach und Wang (1994) und Mauß (1997) zu finden. Kern detaillierter Rußmodelle ist neben der verwendeten Reaktionskinetik die Beschreibung der Dynamik der Rußpartikel-Größenverteilung. Das Smoluchowski-Modell beschreibt die zeitliche Entwicklung der Verteilung in einem System kollidierender und

494

G.P. Merker und R. Teichmann

koagulierender Partikel mit einer unendlichen Anzahl Differenzialgleichungen für die Partikelanzahldichten N i (Smoluchowski 1917; Frenklach 2002): ∞ dN i  i− = ∑ β j,i− j N j N i− j − ∑ β j,i N i N j ; dt  j= j=

i = , . . . , ∞ .

(7.13)

In (7.13) ist β ein Kollisionskoeffizient und der Index i steht für die Partikelgrößenklasse (bspw. die Anzahl der C-Atome im Partikel). Der erste Term der Gleichung beschreibt die Bildung von Partikeln der Größe i aus zwei Partikeln der Größe j und i – j, der zweite Term beschreibt die Verringerung von Partikeln der Größe i durch Kollision mit anderen Partikeln. Die weiteren Schritte der Rußbildung und Rußoxidation lassen sich in (7.13) über Quellterme einbinden. Ein häufig gewählter Ansatz zur Lösung der Smoluchowski-Gleichung ist dabei die Beschreibung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion über ihre Momente (Method of Moments, Frenklach 2002): ∞

M r = ∑ m ri N i .

(7.14)

i=

Dabei ist M r das r-te Moment der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion. Das 0. Moment beschreibt dabei die Gesamtpartikelanzahldichte, das erste Moment ist proportional zur Gesamtmasse der Partikel. Um die Smoluchowski-Gleichung in Momentengleichungen zu überführen, ist es notwendig zwischen den Momenten zu interpolieren, um gebrochene Momente zu erhalten, Method of Moments with Interpolative Closure (Frenklach 2002). heoretisch liefert die Kenntnis aller Momente (r = , , . . . , ∞) die gleichen Informationen wie die Kenntnis über alle Partikelanzahldichten N i , allerdings werden im praktischen Einsatz lediglich die Gleichungen für einige wenige Momente gelöst, siehe z. B. Mauß (1997). Dadurch ergibt sich der Hauptvorteil der Method of Moments, nämlich die relativ hohe rechnerische Effizienz. Ein Nachteil der Methode ist, dass die eigentliche Verteilungsfunktion nicht ohne weitere Annahmen aus den berechneten Momenten zurückgewonnen werden kann. Alternative Verfahren zur Lösung der Partikelgrößenverteilung sind beispielsweise die Diskretisierung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion in einzelne Sektionen, Sectional Method (Netzell et al. 2007), eine Lösung mit der Galerkin-Methode (Appel et al. 2001) und auf der Monte-Carlo Methode basierende Ansätze, siehe z. B. Mosbach et al. (2009). Trotz der in letzter Zeit erzielten Fortschritte in der Modellierung der Rußbildung und Rußoxidation sind jedoch noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Unter motorischen Bedingungen ist insbesondere zu beachten, dass die Güte der Modellierung der Rußbildung stark von der Güte der Modellierung der vorangehenden Prozesse, wie Spray- und Gemischbildung, Zündung und turbulente Verbrennung, abhängt. Darüber hinaus sind weitere Entwicklungen im Verständnis der Oxidation von Kohlenwasserstoffen, der PAKBildung, der Partikelreaktionen und der Partikeldynamik sowie der numerischen Beschreibung dieser Prozesse notwendig.

7

Schadstofbildung und -reduktion

7.2.4

495

Stickoxide

Stickoxide (NOx ) begünstigen in der Troposphäre die Bildung von bodennahem Ozon und fotochemischem Smog. Bei der motorischen Verbrennung entsteht hauptsächlich Stickstoffmonoxid (NO), das jedoch nach längerem Verweilen unter atmosphärischen Bedingungen fast vollständig in Stickstoffdioxid (NO2 ) umgewandelt wird. Das NO kann bei der Verbrennung auf vier verschiedenen Wegen gebildet werden. Man unterscheidet das so genannte thermische NO, das innerhalb der Verbrennungsprodukte bei hohen Temperaturen nach dem Zeldovich-Mechanismus aus Lutstickstoff gebildet wird, das so genannte Prompt-NO, das bereits in der Flammenfront durch den Fenimore-Mechanismus aus Lutstickstoff entsteht, das über den N2 O-Mechanismus gebildete NO und schließlich das so genannte Brennstoff-NO, das durch Stickstoffanteile im Brennstoff hervorgerufen wird. Die Bedeutung der unterschiedlichen Bildungsmechanismen ist unter motorischen Bedingungen stark von den Betriebsbedingungen abhängig. Unter den meisten Bedingungen dominiert der Zeldovich-Mechanismus. Bei niedrigen Temperaturen, die beispielsweise über Abgasrückführung erzielt werden, steigt die Bedeutung des Prompt-NO Pfades unter brennstoffreichen und des N2 O-Pfades unter sauerstoffreichen Bedingungen. Die Bildung über den Brennstoff-Pfad ist unter motorischen Bedingungen zumeist vernachlässigbar. hermisches NO Die thermische NO-Bildung läut „hinter“ der Flammenfront im so genannten Verbrannten ab und wurde erstmals von Zeldovich (1946) beschrieben. Der von Zeldovich angegebene Zweischritt-Reaktionsmechanismus wurde später von Lavoie et al. (1970) erweitert. Dieser erweiterte Zeldovich-Mechanismus besteht aus den drei Elementarreaktionen k (7.15) O + N ←→ NO + N N + O ←→ NO + O k

N + OH ←→ NO + H k

(7.16)

(7.17)

mit den experimentell zu ermittelnden Geschwindigkeitskonstanten ki . Obwohl die thermische NO-Bildung nach dem Zeldovich-Mechanismus einer der meist untersuchten Reaktionsmechanismen ist, besteht nach wie vor Unsicherheit in der Wahl der Geschwindigkeitskonstanten. In der Literatur werden hierfür zum Teil abweichende Werte vorgeschlagen, von denen einige in Tab. 7.2 zusammengefasst sind. Für die NO-Bildungsrate erhält man mit den Reaktionsgleichungen (7.15) bis (7.17) d[NO] = k ,r [O][N ] + k ,r [N][O ] + k ,r [N][OH] dt − k ,l [NO][N] − k ,l [NO][O] − k ,l [NO][H] ,

(7.18)

496

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 7.2 Geschwindigkeitskoeffizienten für die Hinreaktionen des Zeldovich-Mechanismus Reaktion i

ki,r [cm3 /mol s]

Autor

] , ⋅  exp [− . T ] , ⋅  T , exp [− . T ] , ⋅  exp [− . T ] , ⋅  T , exp [− . T ] , ⋅  T exp [−  T ] , ⋅  T , exp [−  T   , ⋅  T exp [− T ] 13

Baulch et al. (1994) GRI-MECH 3.0 (2000) Heywood (1988) Pattas (1973) GRI-MECH 3.0 (2000) Pattas (1973) GRI-MECH 3.0 (2000) Heywood (1988) Pattas (1973)



(7.15)

(7.16)

(7.17)

4,1 ⋅ 10 4,22 ⋅ 1013

und für die zeitliche Änderung der Stickstoffatom-Konzentration folgt d[N] = k ,r [O][N ] − k ,r [N][O ] − k ,r [N][OH] dt − k ,l [NO][N] + k ,l [NO][O] + k ,l [NO][H] .

(7.19)

Liegt die momentane NO-Konzentration unterhalb der Gleichgewichtskonzentration der entsprechenden Temperatur, wie dies in weiten Abschnitten der motorischen Verbrennung der Fall ist, hat die Hinreaktion entscheidenden Einfluss auf den Gesamtumsatz. Erst wenn die momentane NO-Konzentration oberhalb der Gleichgewichtskonzentration der entsprechenden Temperatur liegt, wird der Gesamtumsatz maßgeblich durch die Rückreaktion bestimmt. Im Motor tritt diese Situation jedoch allenfalls gegen Ende des Expansionstaktes auf, wenn die Temperatur bereits weit abgesunken ist. An den Geschwindigkeitskonstanten für die Hinreaktionen ist zu erkennen, dass die NO-Bildung über die Reaktion (7.15) sehr viel langsamer abläut als über die Reaktionen (7.16) und (7.17). Für eine Temperatur von T = 1800 K erhält man z. B. k ,r ≈ , ⋅  , k ,r ≈ , ⋅  , k ,r ≈ , ⋅  [

m ] . kmol s

Die erste Reaktion besitzt wegen der stabilen N2 -Dreifachbindung eine hohe Aktivierungsenergie und läut deshalb erst bei hohen Temperaturen ausreichend schnell ab, daher auch der Name „thermisch“. Sie ist deshalb der geschwindigkeitsbestimmende Schritt. Die obigen Zahlenwerte zeigen, dass bei 1800 K die erste Reaktion um sieben bis acht Zehnerpotenzen langsamer als die zweite und dritte abläut. Abbildung 7.21 zeigt den Verlauf des Geschwindigkeitskoeffizienten k1,r in [g/(mol s)] in Abhängigkeit der Temperatur T. Man erkennt, dass eine Verdopplung der Temperatur die thermische NO-Bildung um den Faktor 103 steigert, bzw. bei Anhebung der Temperatur von 2000 auf 2500 K das ther-

7

Schadstofbildung und -reduktion

Abb. 7.21 Geschwindigkeitskoeffizient der ersten Zeldovich-Reaktion

497 -1 k 1,r 10

g mol s

2

1 T

10-14 10-16

Faktor 103

10-18 10-20

Faktor 2

1

2

104

5000

3

4

5

2500 2000

6

104 K/T T/K

38370 T

Abb. 7.22 NO-Molanteil bei Gleichgewichtszustand bzw. kinetisch kontrollierter NOBildung

misch gebildete NO auf das etwa 50-fache ansteigt. Wegen dieser starken Temperaturabhängigkeit spricht man von einer kinetisch kontrollierten NO-Bildung. Das bedeutet, dass die chemische Reaktionskinetik bei den im Brennraum vorliegenden Temperaturen langsam im Vergleich zu den physikalischen Zeitskalen des Strömungsfeldes ist und dass der chemische Gleichgewichtszustand daher nicht erreicht werden kann. Dies soll durch Abb. 7.22 verdeutlicht werden, in dem qualitativ die NO-Konzentration bei Annahme des Gleichgewichts und unter Beachtung der Kinetik nach Zeldovich dargestellt ist. Der kinetisch kontrollierte Prozess nach Zeldovich produziert zunächst wesentlich weniger NO als bei Annahme von Gleichgewicht (Δ1), in der späten Phase der Verbrennung wird aber wegen des bei niedrigeren Temperaturen extrem langsam ablaufenden Prozesses das gebildete NO nicht wieder über die Rückreaktionen zurückgebildet (Δ2). Man spricht von einem „Einfrieren“ der Reaktion. Weil die Reaktionsgeschwindigkeit der Hinreaktionen (7.16) und (7.17) um Zehnerpotenzen größer als die der Reaktion (7.15) ist, wird der im ersten Reaktionsschritt gebildete atomare Stickstoff im zweiten und dritten Schritt sofort weiter zu NO umgesetzt. Die Konzentration des atomaren Stickstoffs bleibt deshalb nach einer kurzen Anlaufphase praktisch konstant. Deshalb kann die Konzentration von [N] als quasi-stationär angenommen wer-

498

G.P. Merker und R. Teichmann NO - Bildung

10 000

NO - Zerfall

NO [ppm]

T = 2200 K

8 000

2300 K T = 2800 K

6 000 2700 K

4 000

2400 K

2700 K

2600 K

2600 K

2500 K

2500 K

2400 K

2 000 0

28 0 0 K

2300 K 2200 K

0

5

10 Zeit [ms]

15

20 0

5

10 Zeit [ms]

15

20

Abb. 7.23 NO-Bildung und -Zerfall in einem thermischen Reaktor; p = 60 bar; 1 λ = 1,0

den (vgl. Abschn. 5.1.3): d[N] ≈. dt Damit folgt nach Addition der Beziehungen (7.18) und (7.19): d[NO] = k ,r [O][N ] − k ,l [NO][N] . dt

(7.20)

(7.21)

Für die unbekannte Konzentration der Stickstoffatome [N] erhält man durch Umformung von (7.19) unter Beachtung von (7.20) [N] =

k ,r [O][N ] + k ,l [NO][O] + k ,l [NO][H] . k ,l [NO] + k ,r [O ] + k ,r [OH]

(7.22)

Damit enthält (7.21) außer der Konzentration von NO nur noch die Konzentration von N2 und die Konzentrationen O, O2 , OH und H des OHC-Systems, das unter der Annahme des partiellen Gleichgewichts gelöst werden kann, vgl. Abschn. 5.1.3. In Abb. 7.23 sind die NO-Bildung und der NO-Zerfall in einem thermischen Reaktor bei 60 bar und λ = 1 für verschiedene Temperaturen als Funktion der Zeit dargestellt. Die Abbildung zeigt, dass das Gleichgewicht desto schneller erreicht wird, je höher die Temperatur ist; für T = 2400 K nach etwa 20 ms und für T = 2800 K bereits nach etwa 3 ms. Da eine Temperatur von 2800 K im Motor aber allenfalls für einen extrem kurzen Zeitraum direkt in der Flammenfront erreicht wird und weil die Temperatur im verbrannten Gemisch wegen der Beimischung von unverbrannter Frischlut schnell abfällt, kann das Gleichgewicht in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nicht erreicht werden. Die NOBildung bei der motorischen Verbrennung muss daher mit Hilfe der Reaktionskinetik berechnet werden.

7

Schadstofbildung und -reduktion

499

Prompt-NO Die Bildung von so genanntem Prompt-NO in der Flammenfront selbst ist wesentlich komplexer als die thermische NO-Bildung, weil dieser Prozess sehr eng mit der Bildung des CH-Radikals verbunden ist, das in vielfältiger Weise reagieren kann. Die Prompt-NO-Bildung wurde erstmals von Fenimore (1971) beschrieben. Fenimore postulierte dabei die Reaktion von CH mit N2 zu HCN (Cyanwasserstoff bzw. Blausäure), die schnell zu NO weiterreagiert, als entscheidenden Reaktionspfad: CH + N L→ HCN + N. kfr

(7.23)

In GRI-MECH 3.0 (2000) ist die Reaktionsrate mit k f = , ⋅  exp (−

. m ) T kmol s

(7.24)

angegeben. Ethin (Acetylen, C2 H2 ) als Vorläufer des CH-Radikals wird nur unter brennstoffreichen Bedingungen in der Flammenfront gebildet, deshalb auch der Begriff „PromptNO“. Wegen der relativ geringen Aktivierungsenergie der Reaktion läut die Prompt-NOBildung schon bei Temperaturen ab etwa 1000 K ab. Im weiteren Verlauf reagiert HCN auf unterschiedlichen Pfaden weiter zu NCO und NH (Miller und Bowman 1989): HCN + O ←→ NCO + H ,

HCN + O ←→ NH + CO ,

HCN + OH ←→ CN + H O , CN + O ←→ NCO + O .

(7.25) (7.26) (7.27) (7.28)

Die nachfolgenden Reaktionen von NH und NCO, wobei N-Atome gebildet werden, sind relativ schnell, so dass die oben genannten Reaktionen geschwindigkeitsbestimmend sind. Die Verteilung von NO und N2 in der Flamme ist dann abhängig von den um das Stickstoffatom konkurrierenden Zeldovich-Reaktionen (7.15) und (7.17). Reaktion (7.23) war bis vor wenigen Jahren als die entscheidende Reaktion im PromptNO Mechanismus akzeptiert. heoretische Berechnungen der Reaktionsrate von Ciu et al. (1999) und Vergleich mit experimentellen Untersuchungen zeigen jedoch, dass die theoretisch berechnete Rate um zwei Größenordnungen zu klein ist. Moskaleva et al. (2000) untersuchten einen Prompt-NO Pfad mit NCN als Zwischenspezies: CH + N L→ NCN + H . kr

(7.29)

Basierend auf ihren Rechnungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass diese Reaktion gegenüber der ursprünglichen Reaktion (7.33) bevorzugt abläut und dass mit dieser

500

G.P. Merker und R. Teichmann

Reaktion die gefundenen experimentellen Ergebnisse besser reproduziert werden. Sutton et al. (2008) bestätigen die Relevanz des NCN-Pfades experimentell mit Hilfe von Messungen mit laserinduzierter Fluoreszenz in Methanflammen. Das gebildete NCN kann mit unterschiedlichen Spezies reagieren und HCN, CN, NCO und NO bilden (Glarborg et al. 1998): NCN + H ←→ HCN + N ,

NCN + O ←→ NO + NCO ,

NCN + OH ←→ HCN + NO , NCN + O ←→ CN + NO .

(7.30) (7.31) (7.32) (7.33)

Für einen Vergleich zwischen einem GRI-MECH 3.0 Mechanismus, in dem der HCNPfad durch den NCN-Pfad ersetzt wurde und experimentellen Ergebnissen sei der Leser auf Sutton und Fleming (2008) verwiesen. Wie an den oben dargestellten unterschiedlichen Reaktionspfaden deutlich wird, existiert bezüglich des genau ablaufenden Mechanismus sowie über die einzelnen Reaktionsraten der Prompt-NO Bildung noch erheblicher Forschungsbedarf. Über N2 O-Mechanismus erzeugtes NO Dieser Reaktionsmechanismus ist dann von Bedeutung, wenn magere Brennstoff-Lut-Gemische die Bildung von CH zurückdrängen und damit wenig Prompt-NO gebildet wird und wenn weiterhin niedrige Temperaturen die Bildung von thermischem NO unterdrücken. N2 O (Lachgas) wird analog zur ersten und geschwindigkeitsbestimmenden Reaktion des Zeldovich-Mechanismus gebildet, N + O + M → N O + M .

(7.34)

Dabei läut die Reaktion aber mit einem aus der Reaktion unverändert hervorgehenden Stoßpartner M ab, der die Aktivierungsenergie im Vergleich zur Reaktion (7.15) deutlich herabsenkt. Die NO-Bildung erfolgt dann durch Oxidation von N2 O entsprechend N O + O → NO + NO .

(7.35)

Weil das N2 O nur in einer Dreierstoß-Reaktion gebildet wird, läut dieser Reaktionsweg bevorzugt bei hohen Drücken ab. Niedrige Temperaturen bremsen diese Reaktion kaum. Das über N2 O gebildete NO ist die wesentliche NO-Quelle bei der mageren vorgemischten Verbrennung in Gasturbinen. Dieser Mechanismus ist aber auch bei der motorischen Verbrennung zu beachten. So ist er bei der ottomotorischen Magerverbrennung sowie bei modernen dieselmotorischen Brennverfahren mit hohen Spitzendrücken von Bedeutung. Weiterhin ist er vermutlich der wesentliche NO-Bildungsmechanismus bei der mageren HCCI-Verbrennung (Amnéus et al. 2005).

7

Schadstofbildung und -reduktion

501

Brennstoff-Stickstoff Die Umwandlung von im Brennstoff gebundenem Stickstoff in Stickoxid spielt bei der motorischen Verbrennung keine Rolle, weil Brennstoffe zumindest für im Straßenverkehr eingesetzte Verbrennungsmotoren praktisch keinen gebundenen Stickstoff enthalten. Sie kann aber bei bestimmten Schwerölen niedriger Qualität eine Rolle spielen (Besio und Nobile 2001). Auch bei der Kohleverbrennung ist die Bildung von NO über Brennstoff-Stickstoff von Bedeutung, da auch „saubere“ Kohle etwa 1 % gebundenen Stickstoff enthält. Die Reaktion läut nach allgemeiner Vorstellung über Cyanwasserstoff HCN und Ammoniak (NH3 ) ab, siehe Miller und Bowman (1989). Die weitere Umsetzung von HCN läut über den in (7.25) bis (7.27) gegebenen Mechanismus. Reaktionen zu NO2 Die in Flammen für die NO/NO2 -Verteilung wichtigsten Reaktionen sind (Miller und Bowman 1989): NO + HO ←→ NO + OH , NO + OH ←→ NO + H , NO + O ←→ NO + O .

(7.36) (7.37) (7.38)

Dabei wird NO2 in erster Linie über Reaktion (7.36) bei niedrigen Flammentemperaturen, bei denen hohe HO2 -Konzentrationen vorliegen, gebildet und insbesondere über Reaktion (7.37) bei höheren Temperaturen abgebaut. Üblicherweise ist das Verhältnis von NO2 zu NO im Abgas von Verbrennungsmotoren relativ gering. Unter mageren Bedingungen, sehr hohen Abgasrückführraten oder sehr späten Einspritzzeitpunkten, wie sie z. B. teilweise in mager betriebenen Gasmotoren, HCCI- oder Diesel-Brennverfahren eingesetzt werden, wurden in den letzten Jahren jedoch deutlich höhere Anteile von NO2 im Abgas festgestellt, siehe z. B. Liu et al. (2004) (Hill und McTaggart-Cowan 2005; Upatnieks et al. 2005). Eine Erklärung für diesen Anstieg ist, dass bei diesen Brennverfahren bei niedrigen Temperaturen verstärkt NO2 über Reaktion (7.38) gebildet wird, dieses NO2 aufgrund schlechter Durchmischung und insgesamt langsamer Verbrennung aber nicht mehr zu NO zurückreagieren kann, siehe Amnéus et al. (2005).

7.3

Nachmotorische Schadstofreduktion

In den vorangegangenen Kapiteln wurde neben den Mechanismen zur Schadstoffentstehung auch kurz auf Möglichkeiten zur innermotorischen Reduktion der einzelnen Bestandteile eingegangen. In den folgenden Abschnitten wird die nachmotorische Schadstoffreduzierung anhand der unterschiedlichen zum Einsatz kommenden KatalysatorTypen erläutert. Der Einsatz eines Katalysators zur Herabsenkung der Aktivierungstemperatur wird obligatorisch in Anbetracht der vergleichsweise geringen Temperaturen, die sich im Abgas-

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strom einstellen können. Je nach Brennverfahren und Lastzustand stellen sich Temperaturen von 300 bis 900 °C beim Ottomotor bzw. 200 bis 600 °C beim Dieselmotor ein. Zur Oxidation von Kohlenwasserstoffen bzw. CO werden jedoch Temperaturen im Bereich von 600 bis 700 °C benötigt; die Reduktion von NO hingegen kann sinnhat nur mit Hilfe eines katalytischen Prozesses bei Temperaturen < 400 °C erfolgen. Die Grundtypen von Katalysatoren, welche in unterschiedlichen Konfigurationen in Otto- und Dieselmotoren zum Einsatz kommen, werden durch den Oxidations-, Reduktions- und Speicherkatalysator dargestellt. Eine Sonderstellung nimmt dabei der Partikelfilter ein, welcher in seiner Basisfunktionalität ohne eine katalytischen Reaktion lediglich eine Filterung der Abgase vornimmt. Katalysatoren sind üblicherweise aus drei Komponenten aufgebaut. Der Katalysatorträger, das Substrat, besteht üblicherweise aus keramischen Monolithen oder Metallfolien. Die Grundierung (engl. washcoat) trägt das katalytische Material und stellt dabei eine möglichst große Oberfläche bereit. Das katalytische Material selbst reduziert die für die chemische Reaktion notwendige Aktivierungsenergie ohne selbst in der Bruttoreaktion umgesetzt zu werden. Während in den folgenden Abschnitten die grundlegenden im Katalysator ablaufenden Mechanismen erläutert werden, wird im Kap. 12 – Abgasnachbehandlungssysteme näher auf die Modellierung eingegangen.

7.3.1 Oxidationskatalysatoren Der Oxidationskatalysator wird in der Abgasnachbehandlung von Motoren mit mageren Brennverfahren eingesetzt, vornehmlich bei Diesel- und mageren Ottobrennverfahren. Dabei findet einerseits eine Oxidation bereits teiloxidierter Komponenten, wie CO zu CO2 und NO zu NO2 statt, darüber hinaus werden teil- und unverbrannte Kohlenwasserstoffe oxidiert, die insbesondere in der Phase kurz nach Motorstart entstehen, in sofern ein ausreichender Lutüberschuss vorhanden ist. Während das Kohlenmonoxid schon bei vergleichsweise geringen Temperaturen weiteroxidiert wird, bedürfen unverbrannte Kohlenwasserstoffe höherer Temperaturen um die gleiche Konvertierungsrate zu erreichen. Abbildung 7.24 zeigt beispielhat die Temperaturabhängigkeit der Konvertierungsraten von CO und HC für einen gegebenen Oxidationskatalysator. In (7.39) bis (7.41) sind die wesentlichen Reaktionsgleichungen für die Oxidation von CO, NO und unverbrannter Kohlenwasserstoffe dargestellt. CO + /O → CO

C n Hm + (n +

m ) O → nCO + mH O 

NO + /O ↔ NO

(7.39) (7.40) (7.41)

7

Schadstofbildung und -reduktion

503

Konvertierungsrate [%]

100 80

CO HC

60 40 20 0 150

200

250

300 350 Temperatur [°C]

400

450

Abb. 7.24 Konvertierungsrate von CO und HC im Abgas in Abhängigkeit der Temperatur, nach Heywood (1988)

Die tatsächliche Umsatzgeschwindigkeit hängt neben der Temperatur auch von den Konzentrationen und damit auch Partialdrücken der Reaktionspartner ab. Gleichung 7.42 beschreibt beispielhat die CO-Oxidationsrate in einem Platin-Palladium-Oxidationskatalysator (Heywood 1988). K  pCO pO d[CO] =  n ) dt ( + K  pCO + K  pHC ) ( + K  pNO

(7.42)

Dabei sind die K 1 bis K 4 temperaturabhängige Konstanten, zum Beispiel in Form eines Arrhenius-Ansatzes und pCO , pO2 , pHC und pNO die Partialdrücke der Reaktionsedukte. Die im Oxidationskatalysator ablaufenden Prozesse reagieren sehr sensibel auf das Vorhandensein von Schwefel und Blei; beide Elemente führen zu einer „Vergitung“ des Trägermaterials und zu einer z. T. drastischen Verminderung der Konvertierungsrate. Während Blei, in Form von Tetraethyl-Blei als Klopfhemmer durch die flächendeckende Einführung bleifreier Kratstoffe aktuell nur noch in Flugbenzin (AvGas) zu finden ist, stellt der Schwefelgehalt im Brennstoff, vor allem in den Schwellenländern immer noch ein gravierendes Problem dar.

7.3.2

Dreiwegekatalysatoren

Der Dreiwegekatalysator findet bei qualitätsgeregelten Motoren Anwendung, welche die überwiegende Zeit stöchiometrisch betrieben werden. In diesem Fall kann der Oxidationsund der Reduktionskatalysator in einem Katalysatorbett zusammengefasst werden und es findet eine gleichzeitige Oxidation von HC und CO sowie eine Reduktion von NO statt.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 7.25 Konzentration (qualitativ) der Schadstoffkomponenten CO, HC und NOx vor dem Dreiwegekatalysator (nach Hertzberg 2001)

Abbildung 7.25 stellt qualitativ die sich einstellenden Konzentrationen der Schadstoffkomponenten CO, HC und NOx vor dem Katalysator dar. Die Beschichtung des Katalysators mit Platin bzw. Rhodium, wobei das Rhodium die Reduktion des NO begünstigt, bewirkt eine Beschleunigung der Reaktion in Richtung des Gleichgewichtszustandes zugunsten der Reaktionsprodukte der vollständigen Verbrennung H2 O, CO2 und N2 . Die wesentlichen Grundgleichungen werden in den folgenden Reaktionsgleichungen dargestellt. CO + /O → CO

C n Hm + (n +

m ) O → nCO + mH O 

NO + CO → CO + N H + /O → H O

NO + /O ↔ NO

CO + H O ↔ CO + H

Cn Hm + nH O → nCO + (n + m)H

(7.43) (7.44) (7.45) (7.46) (7.47) (7.48) (7.49)

Die Konvertierungsrate reagiert sehr sensitiv auf das Verbrennungslutverhältnis, sodass dieses immer möglichst nah an der Stöchiometrie liegen sollte und üblicherweise mit einem Sensor (Lambda-Sonde) überwacht wird. Abb. 7.26 zeigt qualitativ die Konvertierungsraten der Reaktionsedukte in Abhängigkeit des Verbrennungslutverhältnisses. Im realen Betrieb des Motors kommt es aufgrund von zyklischen Schwankungen und Abweichungen in der Regelgüte zu Änderungen im Verbrennungslutverhältnis, welche sich negativ auf die Reaktionsprozesse und damit auch auf die Performance des Katalysators auswirken. Vor allem der Betrieb mit λ < 1 führt zu einer deutlichen Verminderung der NO-Konvertierungsrate, da bevorzugt CO und HC oxidiert werden und somit kein Sauerstoff für die Reduktion von NO vorhanden ist. Aus diesem Grund ist eine gewisse Speicherwirkung des Katalysators hinsichtlich des Sauerstoffs erwünscht; erreicht wird dies durch den Einsatz von Rhenium (Re) bzw. Cer

7

Schadstofbildung und -reduktion

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Konvertierungsrate [%]

100 80 60 CO HC NOx

40 20 0 0,96

0,97

0,98

0,99 1 1,01 Luftverhältnis [-]

1,02

1,03

1,04

Abb. 7.26 Konvertierungsraten von CO, HC und NOx in Abhängigkeit des Lutverhältnisses (nach Heywood 1988) Abb. 7.27 Konzentration (qualitativ) der Schadstoffkomponenten CO, HC und NOx hinter dem Dreiwegekatalysator (nach Hertzberg 2001)

(Ce). Die folgende Reaktionsgleichung zeigt den ablaufenden Prozess am Beispiel des Cers. (7.50) Ce O + O ↔ CeO CeO + CO ↔ Ce O + CO

m  (n + m) CeO + Cn Hm ↔ (n + ) Ce O + nCO + mH O  

(7.51)

(7.52)

In Betriebspunkten mit Lutüberschuss kommt es gemäß (7.50) zu einer Oxidation des Ce2 O3 zu CeO2 und damit zu einer Einspeicherung des überschüssigen Sauerstoffs. Wechselt der Betriebspunkt ins Unterstöchiometrische, findet eine Reduktion des Cers und damit eine „Freisetzung“ von Sauerstoff statt, sodass eine Oxidation von HC und CO stattfinden kann. Abbildung 7.27 stellt schließlich die Konzentrationen der Schadstoffkomponenten hinter dem Dreiwegekatalysator qualitativ dar.

506

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7.3.3 Selektive katalytische Reduktion (SCR) Die selektive katalytische Reduktion (engl. selective catalytic reduction – SCR) über Ammoniak (NH3 ) ist eine der wirksamsten Methoden zur Verringerung von Stickoxiden (NOx ) aus mageren Verbrennungsabgasen bei mittleren Temperaturen. Im Bereich von großen stationären Verbrennungsanlagen wie beispielsweise kohle- und gasgefeuerten Kratwerken sind SCR-Anlagen bereits seit den 80er Jahren im Einsatz. Der erste Großserieneinsatz der selektiven katalytischen Reduktion in mobilen Anwendungen erfolgte mit der Einführung der Emissionsstufen Euro IV und V für Nutzfahrzeuge, bei denen fast alle Motoren europäischer Hersteller mit dieser Technologie ausgerüstet wurden, siehe z. B. Hoepke (2004). Inzwischen sind SCR-Systeme auch bei Pkw-Motoren und Motoren für mobile Arbeitsmaschinen im Einsatz. Weiterhin nimmt die SCR-Technologie eine zentrale Rolle in den Konzepten für die Erfüllung der NOx -Grenzwerte der kommende Emissionsstufe IMO Tier III für Schiffsdieselmotoren ein, siehe z. B. Tinschmann et al. (2010), Dohle (2010) und Wettstein (2011). Neben Ammoniak-basierten Technologien werden auch auf Kohlenwasserstoffen basierende Systeme zur Reduzierung von Stickoxiden in Forschung und Entwicklung untersucht. Auch auf diese Technologie wird im Folgenden kurz eingegangen. Ammoniak-SCR Bei stationären Anlagen wird üblicherweise direkt Ammoniak als Reduktionsmittel in das Abgas eingebracht. Da Ammoniak ein gitiges und ätzendes Gas ist, wird der Ammoniak bei allen aktuell in Serie befindlichen Systemen für mobile Anwendungen in Form einer Harnstoff-Wasserlösung zugeführt. In Europa wird diese Lösung unter dem Markennamen AdBlue vertrieben, welches zu 32,5 Gew.-% aus Harnstoff besteht. In Nordamerika wird üblicherweise die Bezeichnung Diesel Exhaust Fluid verwendet. Wird eine Harnstoff-Wasserlösung in heißes Abgas eingespritzt, laufen nach Koebel et al. (2000) im Spray drei Schritte zur Bildung von Ammoniak ab. Im ersten Schritt verdunstet Wasser aus den gebildeten Tropfen und es entsteht fester oder flüssiger Harnstoff (Koebel et al. 2000): NH −CO−NH (aq.) → NH −CO−NH (s) + xH O .

(7.53)

Der Harnstoff wird aufgeheizt und thermolysiert zu Isocyansäure (HNCO) und Ammoniak (Koebel et al. 2000): NH −CO−NH (s) → NH (g) + HNCO(g) .

(7.54)

Die gebildete Isocyansäure hydrolysiert weiter zu Ammoniak und Kohlendioxid (Koebel et al. 2000): HNCO + H O → NH + CO . (7.55)

Isocyansäure ist dabei in der Gasphase sehr stabil, reagiert aber sehr schnell auf Metalloxiden wie TiO2 , auf Eisen-Zeolithen sowie Cu-Zeolithen, siehe Piazessi (2006) und Devarakonda et al. (2009).

7

Schadstofbildung und -reduktion

507

Abb. 7.28 Spraybilder von zwei unterschiedlichen nicht druckunterstützten Injektoren, linke Seite: Dreilochinjektor mit 0,5 MPa Einspritzdruck, rechte Seite: Hollow-Cone Injektor mit über 3 MPa Einspritzdruck (Maass et al. 2012)

Um eine hohe Konvertierung von Stickoxiden bei möglichst niedrigem Verbrauch des Reduktionsmittels und geringem Ammoniakschlupf zu erzielen, ist es notwendig eine hohe Gleichverteilung des Ammoniaks über dem Katalysatorquerschnitt auch unter transienten Bedingungen zu realisieren. Da die zur Verfügung stehende Strecke zwischen Eindosierung und Katalysator in Pkw- und Nutzfahrzeuganwendungen üblicherweise kurz ist, kommt der Optimierung der Gemischbildung eine entscheidende Rolle zu. Da bei Nutzfahrzeugen eine Drucklutversorgung zur Verfügung steht, waren AdBlue-Injektoren dort häufig als drucklutunterstützte Zerstäuber ausgeführt. Bei SCR-Systemen für Pkw werden üblicherweise Zerstäuber eingesetzt, die ohne Drucklutunterstützung auskommen. Um eine hohe Gemischbildungsgüte zu erlangen, benötigen solche Systeme aber einen höheren Einspritzdruck. Drucklutfreie Dosierventile kommen für die Abgasnorm Euro 6 auch vermehrt bei Nutzfahrzeugen zum Einsatz, vgl. z. B. Herrmann et al. (2012). Abbildung 7.28 zeigt als Beispiel das Spray von zwei unterschiedlichen Injektoren (Maass et al. 2012). Der als Doser 1 bezeichnete Injektor ist ein Dreilochinjektor der mit 0,5 MPa Einspritzdruck betrieben wird. Der als Doser 2 bezeichnete Injektor ist ein Hohlkegel-Injektor mit einem Einspritzdruck von über 2 MPa. Dabei weist Doser 1 ein weitestgehend trapezförmiges Profil auf, während Doser 2 einen eher oszillierendes Einspritzverlauf mit drei nahezu getrennten Einspritzpulsen. Auf der linken Seite von Abb. 7.28 sind die drei separaten Einspritzstrahlen zu sehen, die einen sehr kleinen Spraywinkel aufweisen. Das Hollow-Cone-Spray von Doser 2 zeigt einen Sprayöffnungswinkel von ca. 60°. Weiterhin ist die Kaskadierung des Sprays durch die einzelnen Einspritzereignisse zu erkennen. Um eine gute Gemischbildung auf kurzer Strecke zu gewährleisten, werden häufig Mischerelemente eingesetzt. Dabei muss jedoch auf einen niedrigen Gegendruckanstieg des Mischelements geachtet werden, um den Kratstoffverbrauch nicht unnötig zu erhöhen. Für Ausführungen verschiedener Mischersysteme sei beispielsweise auf Halbei et al. (2007) verwiesen. Eine Entwicklungsmethodik zur Optimierung der Gemischbildung ist in Krämer et al. (2013) dargestellt.

508

G.P. Merker und R. Teichmann

Die Verwendung der Harnstoff-Wasserlösung als Reduktionsmittel weist einige Nachteile auf, siehe (Kröcher et al. 2008). So besitzt AdBlue einen Gefrierpunkt von –11 °C, was Heizmaßnahmen im Winter erforderlich macht. Weiterhin besteht bei niedrigen Temperaturen die Gefahr einer unvollständigen hermolyse und Hydrolyse des Harnstoffs, wodurch bei Kontakt mit nicht katalytisch beschichteten, kühlen Wänden feste Ablagerungen (z. B. Amelin, Amelide und Biuret) entstehen können. Diese Nebenprodukte können erst bei höheren Temperaturen wieder abgebaut werden, wobei beispielsweise Polymere wie Amelin und Amelid erst oberhalb von 360 °C mit sehr niedriger Reaktionsgeschwindigkeit abgebaut werden, siehe Schaber et al. (2005). Die Ablagerungen können damit zu einer Beeinträchtigung der Funktionalität des Abgasnachbehandlungssystems führen. Es gibt verschiedene andere Substanzen auf fester und flüssiger Basis die als Alternative zu Harnstoff-Wasserlösungen untersucht werden, sich aber noch nicht in Serie befinden. Je nach gewählter Technologie verspricht man sich neben der Vermeidung von festen Ablagerungen eine Reduktion der minimalen Dosiertemperatur, einer höhere Dichte von Ammoniak bezogen auf das Volumen und/oder die Masse des Dosiersystems und Speichers sowie eine Verringerung oder Vermeidung der Notwendigkeit von Heizmaßnahmen im Winterbetrieb. Für Details sei beispielsweise auf Bals et al. (2008) oder Kröcher et al. (2008) verwiesen. Für SCR-Abgasanlagen dienen häufig keramische Monolithen wie beispielsweise Cordierite als Substrate für eine katalytische Beschichtung, siehe z. B. Williams (2001). Weiterhin werden Metallträger unterschiedlicher Form als Substrat verwendetet, siehe Pace und Prestin (2010). Neben reinen SCR-Katalysatoren, sind in den letzten Jahren verstärkt Systeme in Entwicklung, bei denen die katalytische Schicht auf Dieselpartikelfiltern aufgebracht wird. Als Vorteil dieser Systeme ist die schnellere Aufheizung des Systems zu nennen, was notwendige Heizmaßnahmen in kalt gestarteten Emissionszyklen und damit niedrigere Kratstoffverbräuche bzw. CO2 -Emissionen ermöglicht. Die Integration von SCR und DPF in einem Bauteil führt aber zu einer Reihe von Herausforderungen. Hierzu sei beispielsweise auf Bunar et al. (2012) verwiesen. Für die selektive katalytische Reduktion sind maßgeblich drei Katalysatoren im Einsatz. Vanadium-Katalysatoren sind Katalysatoren mit Vanadium(V)-Oxid, V2 O5 , als aktive Komponente. Das Vanadiumoxid wird üblicherweise mit Wolframtrioxid WO3 kombiniert und es wird Titandioxid TiO2 (Anatas) als Träger eingesetzt. Als Einzelkatalysator ist Wolframoxid wenig aktiv, in Kombination mit V2 O5 /TiO2 erhöht es aber sowohl die thermische Stabilität des Systems als auch die SCR-Aktivität (Kompio 2010). Weiterhin werden Eisenund Kupfer-Zeolithe (Fe-ZSM5 und Cu-ZSM5) als Katalysatoren eingesetzt. Die Stöchiometrie der Reduktion von NO und NO2 bei unterschiedlichen NO/NO2 -Verhältnissen ist dabei bei den unterschiedlichen Katalysatoren gleich, die relative Geschwindigkeit ist zumindest in der Tendenz ähnlich, siehe Devadas et al. (2006). Ein Vergleich von hydrothermal gealterten Katalysatoren ist in Abb. 7.29 dargestellt (Girard et al. 2008). Der Cu-Zeolith weist die höchsten Umsatzraten bei niedrigen Temperaturen auf, Der Fe-Zeolith die höchsten Umsatzraten bei hohen Temperaturen. Vanadium-Katalysatoren besitzen eine relativ niedrige thermische Stabilität oberhalb von ca. 550 °C (siehe z. B. Girard et al. 2008), d. h.

7

Schadstofbildung und -reduktion

509

Abb. 7.29 Vergleich der NOx -Konvertierung unterschiedlicher SCRKatalysatorbeschichtungen bei einer Raumgeschwindigkeit von 30.000 h−1 (Normbedingungen) – Kurven nach Girard et al. (2008)

bei Betrieb oberhalb dieser Temperaturen verringern sich die Umsatzraten deutlich über der Zeit. Damit sind sie nicht geeignet für Abgasnachbehandlungssysteme in denen der SCR-Katalysator hinter dem Partikelfilter angeordnet ist und dieser über eine aktive Maßnahme bei hoher Temperatur regeneriert wird. Zeolithe besitzen eine höhere thermische Stabilität. Cu-Zeolithe sind jedoch anfällig für eine Vergitung mit Schwefel, siehe Girard et al. (2008). Unter hohen Temperaturen kann Kupfer die Bildung von Dioxinen katalysieren, wenn Chlor und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe im Abgas vorhanden sind, siehe auch Abschn. 7.2.2 zur Struktur von Dioxinen. Untersuchungen von Liu et al. (2011) und der US Environmental Protection Agency (EPA, siehe Johnson 2010) haben jedoch keine statistisch signifikanten Unterschiede der Dioxin- und Furanemissionen vor und nach CuZeolith-Katalysatoren feststellen können. SCR-Katalysatoren können größere Mengen Ammoniak einspeichern, wobei die Speicherfähigkeit bei Zeolithen größer ist als bei Vanadium-Katalysatoren und die Speichermenge mit steigender Temperatur tendenziell abnimmt. Der Adsorptions- und Desorptionsprozess von Ammoniak wird häufig über eine Variation der Temkin-Isotherme beschrieben, wobei die Adsorptionsreaktion üblicherweise als nicht aktiviert modelliert wird, siehe z. B. Tronconi et al. (2005). Für die mikroporösen Strukturen von ZeolithKatalysatoren wird die Adsorption und Desorption häufig über einen Ansatz nach DubininRadushkevich beschrieben, siehe z. B. Koltsakis et al. (2007). Die Speicherfähigkeit macht eine Regelung der AdBlue-Dosiermenge für SCR-Systeme nicht nur über die aktuelle Stickoxid-Rohemissionen, sondern auch auf die aktuelle Ammoniak-Speichermenge auf dem Katalysator möglich. Damit kann auch im transienten Motorbetrieb eine hohe Stickoxidkonvertierung bei niedrigem Ammoniakschlupf erreicht werden. Sowohl bei Vanadium-Katalysatoren als auch bei Zeolithen folgt die Reduktion von NO global betrachtet der sogenannten Standard-SCR-Reaktion (Bosch et al. 1986) und Devadas et al. (2006): (7.56) NH + NO + O → N + H O . Diese globale Reaktion läut tatsächlich in mehreren Schritten ab. Es gibt verschiedene Ansätze, die Einzelschritte zu beschrieben. Für eine Übersicht unterschiedlicher Reakti-

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onsmechanismen sei auf Gruber (2011) verwiesen. Nach Tronconi et al. (2005) könnte die Reaktion über zwei verschiedene Adsorptionsplätze ablaufen. An einem Adsorptionsplatz wird NO adsorbiert und aktiviert. An dem zweiten Adsorptionsplatz adsorbiert NH3 . Nach der Reaktion des adsorbierten NH3 mit dem aktivierten NO findet eine Reoxidation des NO-Adsorptionsplatzes statt. Zusätzlich kann es zu einem Wechsel von NH3 auf den NO-Adsorptionsplatz kommen, welcher die Selbstinhibition von NH3 bei der StandardSCR-Reaktion erklärt. Diese tritt nur bei niedrigen Temperaturen auf, wenn hohe NH3 Beladungen auf der Katalysatoroberfläche vorliegen. Der Inhibitionseffekt ist vor allem bei transientem An- und Abschalten der NH3 -Dosierung zu beobachten, da sich dort die NH3 -Beladung mit der Zeit ändert. Beschrieben werden kann der Redox-Mechanismus vereinfacht über eine Reaktionsrate nach dem Langmuir-Hinshelwood-Typ. Für Beispiele zum Inhibitionseffekt und Details zum Reaktionsmechanismus sei auf Tronconi et al. (2005) verwiesen. Bei einer Vergrößerung des NO2 /NOx -Verhältnisses bis zu 0,5 wird die Reduktion von NOx beschleunigt, was mit der sogenannten schnellen SCR-Reaktion („Fast-SCR“) beschrieben wird (Devadas et al. 2006): NH + NO + NO → N + H O .

(7.57)

Auch diese Reaktion läut über mehrere Einzelschritte ab. Dabei wird in Zwischenschritten unter anderem Ammoniumnitrat, NH4 NO3, gebildet und es kann es auch bei niedrigen Temperaturen zur Bildung von Lachgas N2 O kommen. Für Details des Mechanismus der schnellen SCR-Reaktion sei auf Devadas et al. (2006) und Chatterjee et al. (2006) verwiesen. Bei NO2 /NOx -Verhältnissen über 0,5 steht nicht genug NO für die schnelle SCRReaktion zur Verfügung. Die Reaktion zwischen NO2 und Ammoniak wird aufgrund der relativ niedrigen Reaktionsgeschwindigkeit als langsame SCR-Reaktion bezeichnet (Devadas et al. 2006): (7.58) NH + NO → N + H O . Neben den eigentlichen Reduktionsreaktionen treten eine Reihe von ungewollten Reaktionen auf, beispielsweise die Oxidation von NH3 oder verschiedene Reaktionen zur Bildung von N2 O bei hohen Temperaturen (Devadas et al. 2006; Madia et al. 2002): NH + ,O → N + H O , NH + O → NO + H ,

NH + NO → N O + H O , NH + NO → N O + H O .

(7.59) (7.60) (7.61) (7.62)

Die letzte Reaktion stellt dabei die Nettoreaktion der N2 O-Bildung über Ammoniumnitrat in der schnellen SCR-Reaktion dar. Insbesondere Reaktion (7.59) führt bei hohen

7

Schadstofbildung und -reduktion

511

Temperaturen zu einem Absinken des NOx -Umsatzes, wie er bei allen Katalysatortypen in Abb. 7.29 zu erkennen ist. In großen Betriebsbereichen sind die ungewollten Nebenreaktionen jedoch im Vergleich zum NOx -Umsatz von relativ niedriger Geschwindigkeit. Es liegt also über einen großen Betriebsbereich eine hohe Selektivität vor, was zur Bezeichnung selektive katalytische Reduktion geführt hat. Katalytische Reduktion von Stickoxiden mit Kohlenwasserstoffen Die katalytische Reduktion von Stickoxiden mit Kohlenwasserstoffen wird üblicherweise als HC-SCR bezeichnet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Selektivität der Kohlenwasserstoff-SCR üblicherweise niedriger ist als bei Ammoniak-SCR-Verfahren. So sind zur Reduktion eines Stickoxidmoleküls ca. 15 bis 20 Kohlenwasserstoffmoleküle notwendig (Schütte 2010). Alternativ ist daher die Bezeichnung nicht-selektive katalytische Reduktion (NCR) gebräuchlich, die teilweise aber auch für den Dreiwege-Katalysator verwendet wird. Nicht zu verwechseln ist diese Bezeichnung mit der selektiven nicht-katalytischen Reduktion (SNCR) bei der wie bei SCR-Systemen Ammoniak als Reduktionsmittel, aber kein Katalysator eingesetzt wird. Für die Reduktion von Stickoxiden mit Kohlenwasserstoffen kommen verschiedene Katalysatortypen in Betracht. Dazu gehören Edelmetalle, Metalloxide und Zeolithe. Für Details sei beispielsweise auf Amiridis et al. (1996) verwiesen. HC-SCR Systeme bieten gegenüber Ammoniak-SCR Systemen prinzipiell den Vorteil, dass kein zusätzliches Reduktionsmittel mitgeführt werden muss und zur Reduktion der Kratstoff verwendet werden kann. Allerdings sind die aktuell erzielten Umsatzraten relativ gering, so dass sich noch kein System in Serie befindet.

7.3.4

NOx -Speicher-Katalysatoren

Speicherkatalysatoren für Stickstoffmonoxide kommen wie Oxidationskatalysatoren bei mageren Brennverfahren mit Lutüberschuss zur Anwendung. Dabei handelt es sich prinzipiell um Dreiwegekatalysatoren, welche eine zusätzliche Schicht zur Einspeicherung von Stickoxiden aufweisen. Als Speicherkomponenten werden schwere Alkali- bzw. Erdalkalimetalle und Lanthanoide eingesetzt, wobei Barium bevorzugt zur Anwendung kommt. Im intermittierenden Betrieb des Motors wird in mageren Betriebsphasen (60–90 s Dauer) Stickoxid eingelagert, indem Bariumcarbonat zu Bariumnitrat unter Freisetzung von CO2 umgewandelt wird. In sauerstoffarmen Betriebspunkten (ca. 2 s Dauer) reagiert das Bariumnitrat mit Kohlenmonoxid erneut zu Bariumkarbonat. Die folgenden Gleichungen stellen die ablaufenden Prozesse dar, wobei zu beachten ist, dass nach der erneuten Freisetzung die Stickoxide mit CO wieder reduziert werden müssen (Hertzberg 2001). NO + O → NO

BaCO + NO + /O → Ba(NO ) + CO

(7.63) (7.64)

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Ba(NO ) + CO → BaCO + NO + O

HC + NO + O + /H + CO → H O + CO + N

(7.65) (7.66)

Um eine Konvertierungsrate > 90 % des Gesamtprozesses zu erreichen, muss die Abgastemperatur zwischen 300–400 °C betragen. Bei geringeren Temperaturen ist die Bildungsrate von NO zu NO2 deutlich vermindert, wohingegen bei höheren Temperaturen die fehlende thermische Stabilität der Nitrate die Konvertierungsrate reduziert. Wie andere Katalysatoren auch, reagiert der NOx -Speicherkatalysator empfindlich auf Schwefel, welcher über den Brennstoff in das Abgas gelangt. Erreicht der Schwefel als SO2 den Speicherkatalysator, kommt es zu einer „Vergitung“ indem bevorzugt Schwefel mit Barium zu Bariumsulfat reagiert, wodurch eine weitere Einspeicherung von NO zunächst unterbunden wird. Eine Umkehrung des Prozesses (Oxidation des Schwefeldioxids) ist in sauerstoffarmen Betriebspunkten bei Temperaturen > 650 °C möglich. Werden im Abgas Temperaturen > 950 °C erreicht können thermische Schäden am Trägermaterial eintreten, welche die Konvertierungsrate vermindern. Davon unabhängig kann bereits bei Temperaturen von 700–850° eine thermische Alterung des Katalysators stattfinden, indem mit dem Washcoat-Material Aluminate gebildet werden, mit der Folge, dass das Aktivitätsfenster verkleinert und die „Anspringtemperatur“ erhöht wird.

7.3.5 Partikelilter Partikelfilter haben die Aufgabe in der Verbrennung entstandene Partikel, also z. B. Ruß und Asche aus dem Abgas herauszufiltern und damit sowohl die Partikelanzahldichte als auch die Partikelmasse zu reduzieren. Ein Teil der abgeschiedenen Partikel (Asche und Metallrückstände) können im motorischen Betrieb nicht durch Verbrennung aus dem Filter entfernt werden und sammeln sich über die Wartungs- bzw. Lebensdauer im Partikelfilter an. Demgegenüber muss der im Filter zurückgehaltende Ruß kontinuierlich oder intermittierend abgebrannt werden, um einen zu hohen Druckanstieg über den Filter und eine Verblockung zu unterbinden. Partikelfilter kommen in erster Linie in Verbindung mit Dieselmotoren zum Einsatz und werden dann auch als Dieselpartikelfilter (DPF) bezeichnet. In Verbindung mit dem verstärktem Aufkommen von Ottomotoren mit Direkteinspritzung, den damit verbundenen Problemen mit Partikelemissionen und der in Kürze in Krat tretenden Abgasnorm Euro 6 sind in Zukunt aber auch Ottopartikelfilter (OPF) zu erwarten. Grundsätzlich können verschiedene Mechanismen unterschieden werden, mit denen Partikel aus einem Aerosol an Festkörpern bzw. Filterfasern abgeschieden werden, vgl. Abb. 7.30. Bei der Trägheitsimpaktion separieren größere Partikel von der Strömung aufgrund ihrer Trägheit. Ein weiterer Mechanismus ist die Interception von Partikeln am Festköper. Dieser tritt auf, wenn Partikel aus dem Aerosol dem Festkörper so nahe kommen, dass diese aufgrund ihrer Geometrie mit der Oberfläche der Filterfaser zusammentreffen

7

Schadstofbildung und -reduktion

513

Abb. 7.30 Darstellung verschiedener Filtermechanismen (vgl. Friedlander 1958)

Abb. 7.31 Schematische Darstellung von Wandstromfilter (links) und Nebenstrompartikelfilter (rechts); Darstellung des Nebenstromfilters (nach Brück et al. 2006)

und haten bleiben. Sehr kleine Partikel werden maßgeblich durch Diffusion von der eigentlichen Strömungsrichtung in die Nähe der Filterfasern abgelenkt und abgeschieden. Bei der elektrostatischen Abscheidung erfolgt eine Anziehung geladener Partikel über das elektrostatische Prinzip. Nicht dargestellt ist die direkte Filterung, die bei Partikeln autritt, die größer sind als die Probengröße oder Gitterweite des Filtermediums. Bei Partikelfiltern für Verbrennungsmotoren ist dieser Mechanismus nicht relevant. Bei Partikelfiltern tritt häufig ein Wechsel zwischen der Filterung in verschiedenen Regimen auf. Bei nur schwach beladenen Filtern werden die Partikel im Filtermedium abgeschieden (Tiefbettfiltrierung). Durch den steigenden Druckverlust werden Partikel zunehmend auf der Wandoberfläche als Rußkuchen abgeschieden. Dabei steigt der Filtrierungswirkungsgrad. Die unterschiedlichen Filterregime sind bei Betrachtung des Druckverlusts über dem Filterrußbeladung zu erkennen. Die Abscheidung in der Wand führt zu einem asymptotischen Anstieg des Druckverlustes, die Abscheidung am Rußkuchen zu einem linearen Anstieg. Für Details zum Druckverlust in Partikelfiltern und Modellierungsansätze sei beispielsweise auf Konstandopolous et al. (2000) und Haralampous et al. (2004) verwiesen. Für Verbrennungsmotoren in mobilen Anwendungen sind zwei Typen von Partikelfiltern in Verwendung: Wandstrompartikelfilter und Teil- oder Nebenstrom-Tiefbettpartikelfilter. Eine schematische Darstellung der Partikelabscheidung beider Systeme ist in Abb. 7.31 gezeigt. Die Kanalhöhe und -breite ist in der Abbildung zur besseren Darstellung nicht maßstabsgerecht.

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Tiefbett-Nebenstromfilter Tiefbett-Nebenstromfilter basieren meistens auf MetallKatalysatorträgern. Der Abgasmassenstrom wird im Kanal durch Leitbleche in Richtung des eigentlichen Filters abgelenkt. Das Filtermedium kann beispielsweise ein Sintermetallvlies sein (Brück et al. 2006). Ein Teil des Abgases kann am Filtermedium vorbei direkt zum Auslass des Trägers strömen, was einen sicheren Betrieb auch ohne zusätzliche motorische Maßnahmen garantiert. Der Anteil des Abgases, der das Vlies durchströmt, ist dabei von der bereits im Vlies abgeschiedenen Partikelmenge abhängig. Ein hoher Abscheidegrad kann somit nur erreicht werden, wenn ein kontinuierlicher Abbrand der Rußpartikel erfolgt. Eine Herausforderung in der Auslegung von Nebenstrom-Filtersystemen ist die Vermeidung von Ausblasungen von abgelagertem Ruß im transient Betrieb. Bei im Bereich der dieselmotorischen Verbrennung autretenden Partikelgrößen erfolgt die Abscheidung der Partikel vor allem durch Diffusion. Zusätzlich werden aufgrund der geringeren Trägheit bei der Strömungsumlenkung kleinere Partikel eher durch das Vlies gelenkt als größere. Dadurch ergibt sich in der Regel ein besserer Filterwirkungsgrad für kleinere Partikel als für größere und eine stärkere Reduktion der Partikelanzahl im Vergleich zur Partikelmasse. Aufgrund der Verblockungssicherheit wurden Nebenstromfilter vor allem in Nachrüstlösungen aber auch in Seriensystemen eingesetzt. Mit der Notwendigkeit von sehr hohen Filterwirkungsgraden für die neuesten Emissionsgrenzwerte sind reine Nebenstromfilter nur noch bedingt geeignet. Eine Möglichkeit zur Verbesserung stellt die Erweiterung des Tiefbettnebenstromfilters durch eine elektrostatische Abscheidung dar, siehe Maus et al. (2011). Wandstromfilter Die Mehrzahl der im mobilen Bereich eingesetzten Filter sind Wandstromfilter. Wandstrompartikelfilter (Abb. 7.31, linke Seite) sind üblicherweise extrudierte Monolithen die in Form einer Bienenwabenstruktur (engl. honeycomb) aufgebaut sind. Die Kanäle weisen ot eine quadratische Querschnittsfläche auf. Da sich der Ruß nur auf der Einlassseite absetzt, kann es jedoch von Vorteil sein, wenn Einlass- und Auslasskanäle nicht die gleiche durchströmte Fläche haben. Das gesamte Abgas strömt durch die einlassseitig nicht verschlossenen Kanäle in den Partikelfilter ein, durch die poröse Wand und durch die auslassseitig nicht verschlossenen Kanäle aus. Damit wird der gesamte Abgasstrom durch das Filtermedium geleitet. Dadurch steigt im Gegensatz zu Nebenstromfiltern der Abscheidegrad mit zunehmender Beladung des Partikelfilters. Substrate für Partikelfilter werden unter Berücksichtigung des thermalem Verhaltens, Dauerhaltbarkeit, Druckverlust, maximaler Rußbeladung und Herstellkosten ausgelegt. Als Substrate werden bei Wandstromfiltern beispielsweise Siliziumcarbid, Cordierite, oder Alluminiumtitanat eingesetzt. In den ersten serienmäßig eingeführten Filtern wurde hauptsächlich Siliziumcarbid verwendet. In den letzten Jahren kommen verstärkt Cordierit- und Alluminiumtitanat-Filter zum Einsatz. Siliziumcarbid besitzt eine relative niedrige Toleranz gegenüber thermischem Schock und eine hohe Wärmeausdehnung, so dass der Monolith segmentiert werden muss. Diese Segmentierung ist teuer in der Fertigung. Cordierite ist toleranter gegenüber thermischen Schock und besitzt einen niedrigen

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Abb. 7.32 Visualisierung der Ruß- und Ascheverteilung in einem Wandstrompartikelfilter durch hochauflösende Neutronen-Tomographie. a Foto der zurechtgeschnittene Probe, b 3D Darstellung, c Segmentierung der einzelnen Bestandteile der Probe; Grünzweig et al. (2012)

Wärmeausdehnungskoeffizienten und eine niedrige Wärmekapazität. Alluminiumtitanate besitzen ebenfalls niedrige Wärmeausdehnungskoeffizienten, eine hohe Toleranz gegenüber thermischen Schock und eine hohe Wärmekapazität. Allerdings besteht bei sehr hohen Temperaturen die Gefahr das Alluminiumtitanat instabil wird (siehe z. B. Ogunwumi et al. 2005). Höhere Toleranz gegenüber thermischem Schock und eine höhere Wärmekapazität führen zu einer höheren maximalen Rußbeladung. Abbildung 7.32 zeigt eine mit Hilfe der Neutronen-Tomographie von Grünzweig et al. (2012) erstellte Visualisierung der Verteilung von Ruß und Asche in einem Wandstrompartikelfilter. Der Filter wurde vor den Messungen dreimal beladen und zweimal regeneriert. Um eine hohe Auflösung zu ermöglichen, wurden die hier dargestellten Ergebnisse an einem zugeschnittenen Stück des Partikelfilters ermittelt. Das Stück wurde aus einem äußeren Segment am Ausgang des Filters entnommen. In Abb. 7.32a ist eine Fotografie der Probe zu sehen. Die hellen Ablagerungen sind Ascherückstände, die dunklen sind Rußablagerungen. Abbildung 7.32b zeigt die per Tomographie ermittelte 3D-Darstellung, in Abb. 7.32c sind die einzelnen Bestandteile der Probe, also Monolith, Ruß, Asche und metallische Partikel, dargestellt. Der Ruß hat sich relativ gleichmäßig als Rußkuchen auf den Wänden und der Asche angelagert. Durch die mehrmals durchgeführte Beladung und Entladung hat sich die Asche zum großen Teil am verstopten Ende des Kanals abgesetzt und ist nur in sehr geringem Maße als Schicht auf den Kanalwänden zu sehen. Nach einer Regeneration besitzt die überbleibende Asche eine relativ schwache Bindung zu Wand und kann dadurch bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten leicht ans Ende des Filters getragen werden. Dieser Vorgang wird Migration genannt. Für Details zur Messtechnik und weitere Visualisierungen sei auf Grünzweig et al. (2012) verwiesen.

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Regeneration von Partikelfiltern Wie oben beschrieben müssen Partikelfilter kontinuierlich oder periodisch regeneriert wurden. Es gibt unterschiedliche Methoden zur Regeneration, ein Überblick ist bei Konstandopolous et al. (2000) zu finden. Dabei werden periodisch eingeleitete Regenerationen häufig als aktive Maßnahme bezeichnet, während kontinuierliche Maßnahmen häufig als passiv bezeichnet werden. Häufig werden aktive und passive Maßnahmen kombiniert. Bei der aktiven Regeneration wird üblicherweise die Abgastemperatur stark angehoben. In Pkw-Anwendungen wird dies üblicherweise über eine oder mehrere Nacheinspritzungen erreicht. Beispielsweise kann über ein oder zwei angelagerte Nacheinspritzungen die Temperatur angehoben werden. Der Kratstoff einer zweiten oder dritten späten Nacheinspritzung verbrennt dann nicht mehr im Brennraum sondern wird im Oxidationskatalysator umgesetzt. Beim Einsatz von Nacheinspritzungen besteht die Gefahr der Ölverdünnung. Aus diesem Grund werden in Nutzfahrzeugmotoren bei Systemen mit aktiver Regeneration externe Kratstoffinjektoren eingesetzt. Dabei sind trotzdem innermotorische Maßnahmen notwendig, um das Temperaturniveau so weit anzuheben, dass eine vollständige Umsetzung des Kratstoffs auf dem Oxidationskatalysator stattfindet. Dies kann auch durch variable Auslassventilsteuerung erfolgen. Eine alternative Technologie zur aktiven Regeneration stellen Brennersysteme oder elektrische Heizsysteme dar. Die dann im Partikelfilter ablaufende Reaktion wird als thermale Reaktion bezeichnet und läut über Sauerstoff ab. Die globale Reaktionsgleichung lautet (Konstandopolous 2000): α α → CO + ( − α) CO . (7.67) C + ( − ) O L  Dabei ist α die Selektivität bezüglich CO2 . Die stark exotherme Reaktion läut bei Temperaturen oberhalb von 550–600 °C sehr schnell ab. Die maximale Temperatur, die sich beim Abbrand einstellt, steigt dabei unter konstanten Randbedingungen mit steigender Rußbeladung an. Um eine Beschädigung des Filters während der Regeneration zu vermeiden, darf daher eine kritische Rußmasse auf dem Filter nicht überschritten werden. Partikelfilter, die mit einem Oxidationskatalysator beschichtet sind, zeigen eine niedrigere Selektivität bezüglich CO in (7.67) und haben damit eine niedrigere kritische Rußmasse. Die Einhaltung thermischer Grenzen ist unter allen Betriebsbedingungen einzuhalten. Der Fall, der die kritische Rußmasse bestimmt, stellt einen Wechsel in den Leerlauf kurz nach Beginn der aktiven Regeneration dar. Im Leerlaufbetrieb ist zum einen der Sauerstoffgehalt im Abgas sehr hoch, zum anderen ist der Abgasmassenstrom und damit der Abwärmetransport sehr niedrig, was zu einem sehr starken Temperaturanstieg führt. Für Untersuchungen zur Optimierung der Limitierung der Spitzentemperaturen sei beispielsweise auf Koltsakis et al. (2007) verwiesen. Zur Einhaltung der kritischen Rußmasse kommt der Regelung von Partikelfiltern eine zentrale Bedeutung zu. Dabei erfolgt üblicherweise sowohl eine Überwachung der Rußmenge über eine Gegendruckerfassung als auch eine Berechnung der Rußmasse auf Basis von Modellen der Partikelabscheidung und des Rußabbrands.

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Eine Möglichkeit die Aktivierungsenergie von (7.67) zur reduzieren basiert auf der Zuführung eines katalytischen Additivs zum Kratstoff und wurde in den ersten serienmäßig in Pkw eingesetzten Dieselpartikelfiltern verwendet (Salvat et al. 2000). Die Kratstoffaddditve basieren beispielsweise auf Cerium, Kupfer oder Platin. Das bei Salvat et al. (2000) eingesetzte Cerium(IV)oxide senkt beispielsweise die Anspringtemperatur von Reaktion (7.67) auf ca. 450 °C. Die passive, kontinuierliche Regeneration kann über eine katalytische Beschichtung oder über NO2 erfolgen. Eine katalytische Beschichtung mit einem Oxidationskatalysator, beispielsweise Platin oder Palladium, führt ebenfalls zu einer Herabsetzung der Aktivierungsenergie von Reaktion (7.67). Ein solcher Partikelfilter wird teilweise auch als Coated-Particulate Filter (CPDF) bezeichnet. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nur der Ruß katalytisch reagiert, der sich in direkter Nachbarschat zum Katalysator befindet. Der im Rußkuchen oder tiefer in der Wand angelagerte Ruß reagiert weiterhin nur über die thermische Reaktion bei höheren Temperaturen. Die Reaktion über NO2 wird teilweise auch als CRT-Effekt (Continous Regeneration Trap) bezeichnet. Die globale Reaktion der Rußoxidation über NO2 lautet: → CO + ( − β) CO + ( − β) NO . C + ( − β) NO L β

(7.68)

Dabei ist β die Selektivität der Reaktion bezüglich CO. Eine ausreichend hohe kontinuierliche Regeneration liegt vor, wenn das System in einen Gleichgewichtszustand kommt, bei dem der abgebrannte Ruß gleich dem neu gefilterten Ruß ist und die Rußbeladung unterhalb der kritischen Rußmasse liegt. Dafür muss mindestens ein stöchiometrisches Verhältnis von Rußemissionen und NO2 -Emissionen vorliegen (Massenverhältnis > 3,83). In der Praxis muss das Verhältnis deutlich höher liegen, da die Stickoxide zum Einen auch nach Oxidationskatalysator nicht vollständig in Form von NO2 vorliegen und zum Anderen kein vollständiger NO2 -Umsatz möglich ist. Reaktion (7.68) läut oberhalb von Temperaturen von ca. 250 °C ausreichend schnell ab. Bei steigenden Temperaturen wird zwar die Reaktionsrate größer, gleichzeitig verschiebt sich aber das chemische Gleichgewicht zwischen NO und NO2 zu höheren NO-Anteilen. Dadurch wird die Reaktion ab ca. 450 °C wieder langsamer. Die Reaktion kann zusätzlich unterstützt werden, wenn der Partikelfilter mit einem die Oxidationsreaktionen katalysierenden Metall beschichtet ist. Dadurch wird gebildetes NO wieder zu NO2 oxidiert. Für die global betrachtete Reaktion über den Partikelfilter ist dabei die Rückdiffusion von NO2 von der katalytischen Schicht entgegen der eigentlichen Strömungsrichtung in den Rußkuchen von Bedeutung, siehe Haralampous (2004). Die katalytische Beschichtung führt zusätzlich zu einem weiteren Umsatz von in den Reaktion (7.67) und (7.68) gebildetem CO. Zu mit SCR-Funktionen beschichteten Partikelfiltern sei auf Abschn. 7.3.4 sowie Bunar et al. (2012) verwiesen.

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Schadstofbildung und -reduktion

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Emissionsmesstechnik Alexander Bergmann, Kurt Engeljehringer und Rüdiger Teichmann

8.1 Einführung Die Bestimmung der Abgaszusammensetzung sowie der Gesamtmassen an emittierten Schadstoffen und Klimagasen wird immer einen wichtigen und aufwendigen Teil der Motoren- und Fahrzeugentwicklung darstellen. Die Motivation, Abgas zu messen, kann man in drei Hauptbereiche unterteilen: • Gesetzliche Vorgaben erfüllen: Regierungen haben den Autrag den Bürger vor Umweltgefahren zu schützen und haben deshalb die zulässigen Emissionswerte von Kratfahrzeugen limitiert. Diese Begrenzung unterliegt einer ständigen Verschärfung, da die Gesamtzahl des weltweiten Fahrzeugbestandes und andere Anwendungen von Verbrennungsmotoren seit Jahrzehnten stetig steigen. Diese Entwicklung wird sich auch in Zukunt fortsetzen. Fahrzeuge und Motoren dürfen nur verkaut werden (Typfreigabe) wenn nachgewiesen ist, dass sie diese Vorgaben erfüllen. Dazu werden in definierten Prüfzyklen die gesamt emittierten Massen der einzelnen Schadstoffkomponenten bestimmt und entweder auf die Fahrstrecke (g/km) oder die geleistete Arbeit (g/kWh) bezogen. Seit 2011 werden in Europa auch die Anzahl an emittierten Partikel limitiert, dies erfolgt analog zu den anderen Limits bezogen auf die Wegstrecke (N/km) oder erbrachte Arbeit (N/kWh). • Motorenentwicklung: Die Zusammensetzung der Abgase gibt einen Einblick in die Verbrennungsqualität des Motors (Gemischbildung, Verbrennung, Lut/Kratstoff-Verhältnis, usw.), sowie über die Funktion eines Abgasnachbehandlungssystems. Dafür werden Dr. Alexander Bergmann ⋅ Kurt Engeljehringer AVL LIST GmbH, Graz, Österreich Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann B AVL List GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_8, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

525

526

G.P. Merker und R. Teichmann

vor allem die emittierten Abgas-Konzentrationen gemessen und zusammen mit den gemessenen Ansauglut- und Kratstoffmassen bewertet (Mengenbilanzen). • Umweltrelevanz: Für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Verwendung von Verbrennungsmotoren muss die Umweltbelastung, die von emittierten Schadstoffen und Klimagasen ausgeht, minimiert werden. Die Abgasmessung bestimmt was (Komponenten) und wie viel (Masse) der einzelne Motor oder das einzelne Fahrzeug emittiert. Es wird kontinuierlich gemessen, welche Massen der einzelnen Schadstoff- und Klimagaskomponenten je Zeiteinheit (g/s) emittiert werden. Bei den obigen Punkten sei nochmals hervorgehoben das es beim Punkt 2 (motorbezogene Information) ot ausreicht nur die Schadstoff Konzentrationen zu messen, wo hingegen bei Punkt 1 und 3 (Umwelt relevante Informationen) die emittierten Schadstoffmassen entscheidend sind. Die Konzentrationsmessung wird mittels unterschiedlicher Analysatoren realisiert. Die Massen können nicht direkt gemessen werden und müssen immer aus verschiedenen Messdaten berechnet werden.

8.2 Messgasaufbereitung In den meisten Fällen ist es nicht möglich das Abgas direkt im oder am Auspuff zu messen. Deshalb wird entweder eine kleine Probenmenge entnommen und diese über diverse Leitungen, Filter, Pumpen und Ventilen den eigentlichen Analysatoren zugeführt, oder es wird das gesamte Abgas mit Umgebungslut verdünnt und eine Probe des verdünnten Abgases analysiert. In beiden Fällen ist es wichtig, dass das zu messende Abgas so konditioniert wird, dass es einerseits für die Messanalysatoren geeignet ist eine genaue Messung zu ermöglichen und es andererseits zu keiner Verfälschung des Abgases kommt, zum Beispiel durch chemische Umwandlungen auf dem Weg zum Analysator oder durch Ablagerungen von Abgaskomponenten. Diese Konditionierung wird Messgasaufbereitung genannt. Im folgendem wird sie in zwei Unterkapitel beschrieben, einmal die Aufbereitung einer unverdünnten Abgasprobe für die Messung von gasförmigen Komponenten in einer Abgasmessanlage und zweitens die Aufbereitung des Abgases mittels Verdünnung.

8.2.1 Messgasaufbereitung für Abgas-Messanlagen (AMA) Meistens werden die gasförmigen Abgaskomponenten CO2 , CO, HC, NOx und O2 gemessen, je nach Aufgabenstellung können aber noch weitere Komponenten hinzukommen, wie CH4 , NH2 , N2 O und andere. Bei der Messung der gasförmigen Komponenten werden entweder einzelne Gasanalysatoren verwendet, typischerweise wird je Komponente ein Analysator verwendet, oder ein einziger Multi-Komponentenanalysator. Zusammen mit den entsprechenden Pumpen, Ventilen und anderen Komponenten werden die Gas-

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Emissionsmesstechnik

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Abb. 8.1 Beispiel des inneren Aufbaus einer Abgas Messanlage (AVL AMA i60). Im oberen Bereich befinden sich die einzelnen Abgasanalysatoren und im unteren Drittel die Messgasaufbereitung

analysatoren in einem Schrank zu einem gesamten Messsystem zusammengebaut. Dieses Gesamtsystem nennt man Abgas-Messanlage (AMA) (Abb. 8.1). Eine AMA enthält neben den einzelnen Gasanalysatoren ein komplexes pneumatisches System aus Leitungen, Pumpen und Ventilen (Abb. 8.2). Diese Pneumatik fördert die Abgasprobe aus dem Abgastrakt des Motors zu den einzelnen Analysatoren. Zusätzlich sind eine Vielzahl an Ventilen und Leitungen vorhanden, die verschiedenste Betriebs- und Kalibriergasse ebenfalls den Analysatoren zuführen. Die Probenkonditionierung verhindert dass sich die Zusammensetzung der Probe auf dem Weg zu den Analysatoren verändert, wie zum Beispiel die Verhinderung von ungewollter Wasserkondensation oder Ablagerungen gewisser Kohlenwasserstoffverbindungen, wie sie bei Dieselmotorenabgas vorkommen können. Weiters werden Partikel aus dem Abgas gefiltert, um eine Verschmutzung der Analysatoren zu verhindern. Die Messgasaufbereitung beginnt unmittelbar bei der Abgasprobe und endet in der Messzelle des Analysators. Bei Messanlagen für unverdünntes (Roh-)Abgas sind folgende Punkte zu beachten. • Die Messgasprobe (SP in Abb. 8.2) ist so auszulegen und so zu positionieren, dass die entnommene Abgasprobe einen repräsentativen Mittelwert des Abgases entspricht. Bei schwierigen Einbausituationen in Krümmern oder nach starken Querschnittsveränderungen im Ausputrakt kann es zu einer deutlich heterogenen Verteilung der Abgaskonzentrationen über den Querschnitt im Auspuffrohr kommen. Vorteilhat sind hier Proben die über den gesamten Querschnitt des Abgasrohres verteilt mehrere Löcher be-

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G.P. Merker und R. Teichmann R

B CO2

EP

Null- und Endgas

Abgas Probe

CO

HF1

HF2 HSL

SP

Null- und Endgas

HP HL HC HL

Null- und Endgas

Optional

NOx/NO Konverter

NOx Null- und Endgas

EP

Abgasrohr Exhaust pipe

HP

Beheizte Pumpe Heated Pump

CO

CO-Analysator CO-Analyzer

SP

Probenentnahme Sample Probe

R

Systemdrückregler Back pressure Regulator

HC

THC-Analysator THC-Analyzer

HF1

Beheizter Vorfilter Heated Prefilter

B

Kühler / Trockner Dryer (Cooling Bath)

NOx

NOx-Analysator

Beheizte Probenleitung Heated Sample Line

HL

Beheizte Leitung Heated Line

NOx/NO

Beheizter Filter Heated Filter

CO2

HSL

HF2

NOx Analyzer NO2-zu-NO-Konverter NO2-to-NO-Converter

CO2-Analysator CO2 Analyzer

Abb. 8.2 Schematischer Aufbau einer Abgasmessanlage (nach ISO 16183), zur leichteren Orientierung in der meist englischsprachigen Literatur sind die Hauptbegriffe zusätzlich in Englisch angegeben

sitzen. Es ist ratsam bei kritischen Einbausituationen mehrere Probenstellen zu untersuchen oder die Messgasprobe während einer Probemessung hin und her zu bewegen. Bei einer unvorteilhaten Probenentnahme werden sich die Messwerte bei der Bewegung verändern, so dass eine andere Messstelle oder ein anderes Probendesign verwendet werden sollte. • Abgasmessanlagen haben einen spezifizierten Druckbereich bei welchem sie betrieben werden (typischerweise −200 bis +200 mbar, relativ). Ist der Druck an der Messstelle außerhalb dieses Bereichs sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Messstellen vor Abgasturboladern oder vor beladenen Dieselpartikelfiltern können deutlich höhere Drücke aufweisen, was den Einbau eines Druckreglers in die Abgasprobenleitung

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Emissionsmesstechnik

529

erfordert. Bei Messungen bei denen sich der Motor innerhalb einer Höhensimulationskammer befindet und die Messanlage außerhalb auf Normaldruck, kann es erforderlich sein eine zusätzliche Probengaspumpe zu verwenden um den Druckunterschied auszugleichen (ca. 100 mbar Unterdruck je 1000 Höhenmeter). Bei der Messung der gasförmigen Abgaskomponenten werden alle Feststoffe (Partikel) durch Filter aus der Probe entfernt um eine Verschmutzung der Analysatoren und Ventile zu verhindern. Vorteilhaterweise wird diese Filterung (HF1 in Abb. 8.2) so nahe wie möglich an der Messstelle durchgeführt um das komplette System von Partikel freizuhalten. Verhinderung von Kondensation von schweren Kohlenwasserstoffen (HC). Bei der Verwendung von Diesel als Kratstoff entsteht im Abgas ein kleiner Teil von schweren (langkettigen) HC’s. Solche Kohlenwasserstoffe kondensieren schon bei Temperaturen unter 170 °C. Durch die Kondensation würden diese HC’s einerseits nicht gemessen und andererseits würden sie das System verschmutzen und zu späteren Zeitpunkten, wenn sie wieder abdampfen, die Messung verfälschen. In diesem Zusammenhang spricht man im Englischen vom Begriff „HC Hang-up“. Um dies zu verhindern werden alle abgasführenden Leitungen und Komponenten immer auf einer Temperatur von ca. 190 °C beheizt, von der Messstelle bis in die Messkammer des HC Analysators hinein. Andere Analysatoren, die keine HC messen, können natürlich bei niedereren Temperaturen betrieben werden. Verhinderung einer unkontrollierten Kondensation von Wasser. Durch die Verbrennung ist im Abgas ein relativ hoher Anteil and Wasserdampf enthalten, der bei Umgebungstemperatur als Wasser kondensiert. Um dies zu verhindern (Verschmutzung und Verfälschung der Messergebnisse) werden alle Abgas führenden Leitungen und Komponenten auf eine Temperatur über dem Taupunkt des Abgases beheizt. Typischerweise liegt der Taupunkt bei ca. 40 bis 55 °C, abhängig vom verwendeten Kratstoff und Lambda des Motors. Auch hier ist sicherzustellen, dass die Beheizung durchgängig von der Messstelle bis zum Analysator. Gewollte Kondensation (Trockene Messung). Manche Gasanalysatoren sind nicht geeignet bei höheren Temperaturen zu messen oder haben eine zu starke Querempfindlichkeit gegenüber Wasserdampf. Das sind vor allem die Analysatoren für CO und CO2 (NDIR) und für O2 (PMD). Bei diesen Analysatoren wird der Wasserdampf bewusst aus der Abgasprobe entfernt und dem Analysator trockenes Abgas zugeführt. In einem Kühler (B in Abb. 8.2) wird das Abgas auf ca. 4 °C abgekühlt und das kondensierte Wasser abgepumpt. Dadurch erhöht sich die Konzentration der restlichen Abgaskomponenten, da die Gesamtabgasmenge um den Wasseranteil reduziert wurde. Die vom Analysator gemessene „trockene“ Konzentration muss daher für die weitere Ergebnisberechnung korrigiert werden. Die Korrektur berücksichtigt die Veränderung aufgrund der entzogenen Wassermenge. Diese wird nicht gemessen sondern aus den Gaskomponenten CO, CO2 , HC und der Kratstoffzusammensetzung berechnet.

530

G.P. Merker und R. Teichmann

Bei Abgas-Messanlagen (AMA) für verdünntes Abgas ist die Messgasaufbereitung deutlich weniger anspruchsvoll als bei AMA’s für unverdünnten Abgas. Verdünntes Abgas wird vor allem im Zusammenhang mit einer CVS (Constant Volume Sampler) gemessen. Es sind folgende Punkte zu beachten. • Da das Motorabgas so stark mit Lut verdünnt wird, dass es bei Raumtemperatur zu keiner Wasserkondensation kommt, brauchen solche Abgasmessanlagen im Normalfall auch nicht beheizt werden und es gibt auch keinen Kühler um das Wasser aus der Abgasprobe zu entfernen. Daher sind die gemessenen „feuchten“ Konzentrationen auch nicht mehr zu korrigieren, wie bei „trockenen“ Konzentrationen im Falle von unverdünnter Messung. Analysatoren die eine mögliche Querempfindlichkeit gegenüber Wasser haben sollten überprüt werden, damit eine zu große Querempfindlichkeit nicht zu falschen Ergebnissen führt. Dies betrit typischerweise die CO- und CO2 -Messung. • Für die Messung von Motoren mit niedrigsten Emissionen werden aber auch CVS und AMA beheizt (ca. 30–40 °C). Dadurch wird der Taupunkt erhöht und es muss das Abgas nicht so stark mit Lut verdünnt werden, um Wasserkondensation zu verhindern. Durch die geringere Verdünnung werden die schon niederen Abgas-Konzentrationen nicht noch zusätzlich reduziert, was zu einer deutlichen Verbesserung der Messgenauigkeit führt. • Aber auch bei verdünntem Abgas muss ein Kondensieren von schweren Kohlenwasserstoffen (HC), wie sie bei Dieselmotoren vorkommen, verhindert werden. Dazu wird die komplette Messkette bis zum HC Analysator auf ca. 190 °C beheizt. Die Messung erfolgt unmittelbar und kontinuierlich aus dem verdünnten Abgas und nicht aus den Beuteln der CVS Anlage.

8.2.2

Messgasaufbereitung durch Verdünnung

Emissionsmesstechnik hat die Aufgabe genau zu bestimmen welche Gesamtmassen an schädlichen Abgaskomponenten in die Umwelt freigesetzt werden. Während gasförmige Abgaskomponenten sich typischerweise nach dem Auspuff nicht mehr verändern ist die Bildung von Partikeln noch nicht abgeschlossen. Um Partikel richtig zu messen wird Abgas im Messsystem verdünnt um eine ähnliche Partikelbildung wie in der Umwelt zu erhalten. Die Verdünnung des Abgases bringt auch noch den Vorteile mit sich, dass der relative Wassergehalt im Abgas verringert wird und damit, insofern die Verdünnung hoch genug ist, Wasserkondensation im Messsystem verhindert wird. Diese Vorteile ergeben sich unabhängig davon ob das gesamte Abgas des Motor verdünnt wird oder nur eine kleinere Abgasprobe, wie bei Teilstrom-Verdünnungssystemen. Der bedeutendste Vorteil der Verdünnung von Abgas kommt, wenn man das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom-Verdünnung) in einem CVS-System (Constant Volume Sampler) verdünnt. Der Vorteil besteht darin, dass diese Methode es ermöglich mit relativ einfachen Messungen und Berechnungen die Gesamtmassenemissionen der einzelnen

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Emissionsmesstechnik

531

Abb. 8.3 Schematik der Methoden zur Bestimmung von Massenemissionen

Schadstoffkomponenten zu bestimmen. Damit war dies auch in früheren Zeiten möglich, bevor moderne Messsysteme und Computer zu Verfügung standen. Aber auch heute noch, ermöglicht die Einfachheit der Methode, dass ein Überprüfungsbeautragter (z. B. TÜV) eine Messung auf Richtigkeit überprüfen kann, was bei komplexen Messverfahren und Berechnungen nur schwer möglich wäre. Die Hauptfunktion einer CVS (Constant Volume Sampling) liegt darin das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom) zu verdünnen und den Volumenstrom an verdünntem Abgas (Abgas und Verdünnungslut) konstant zu halten. Das erfolgt meistens durch die Verwendung einer überkritischen Venturi Düse. Der Durchfluss dieser Düse wird so gewählt, dass er deutlich höher ist als der maximale Volumenstrom von Motorabgas. Die nötigen Durchflussvolumen der CVS sind stark von der Motorgröße und Anwendung abhängig. Typische Durchflüsse sind für: • Nutzfahrzeugmotoren 120 . . . 180 m3 /min • Personenkratwagen 8 . . . 30 m3 /min • Motorräder 1 . . . 5 m3 /min Da der Gesamtdurchfluss der CVS konstant ist, wird je nach Abgasdurchfluss des Motors mehr oder weniger Verdünnungslut durch den offenen Verdünnungsluteingang der CVS gesaugt (Verdünnungslut Eingang in Abb. 8.3). Damit ergibt sich eine massenproportionale Gewichtung der Abgaskonzentrationen im verdünnten Abgas. Durch die Messung der verdünnten Abgaskonzentrationen und des Gesamtvolumens, das während der Mes-

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G.P. Merker und R. Teichmann

sung durch die CVS geströmt ist, werden die Gesamtemissionsmassen der Schadstoffe berechnet. Auch wenn sich die verdünnten Konzentrationen kontinuierlich verändern, ist es nicht unbedingt nötig, diese auch kontinuierlich zu messen. Da für die Endergebnisberechnung nur die mittleren Konzentrationen im verdünnten Abgas erforderlich sind, können diese kontinuierlich gemessen und mathematisch gemittelt werden oder eine kleine Probenmenge wird über die Messzeit in Analysebeutel gesammelt (in Abb. 8.3 als grünes Oval dargestellt mit der Bezeichnung Beutel-Messung) und nach der Messung die darin enthaltenen Konzentrationen (pneumatisch-mechanische Mittelung) analysiert. In Abb. 8.3 sind die 3 Möglichkeiten dargestellt, Emissionsmassen zu bestimmen. Die oben erwähnte Methode der Vollstrom Verdünnung und Verwendung eines Beutels ist mit ① gekennzeichnet. Mit ② ist die kontinuierliche Messung der verdünnten Abgaskonzentrationen aus der CVS dargestellt, die proportional zur Massenemission des Motors ist. ③ stellt die Messung von unverdünntem Abgas (Roh-Abgas) direkt aus dem Auspuff des Motors dar. In dieser Methode müssen auch kontinuierlich die Abgasdurchflüsse des Motors gemessen werden und mittels einer Integralrechnung zu Massenemissionen umgerechnet werden.

8.3

Messung gasförmiger Bestandteile

Zur Messung der gasförmigen Komponenten werden entweder je zu messender Komponente ein Analysator verwendet oder nur ein einziger Multi-Komponentenanalysator. Ot kann eine Gaskomponente mittels verschiedener Messprinzipien gemessen werden. Tab. 8.1 Darstellung der meisten gemessenen Abgaskomponenten und die dafür typischerweise verwendeten Messprinzipien Gas

Messprinzip

Abkürzung

CO2

Nichtdispersiver Infrarot Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Nichtdispersiver Infrarot Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Flamen Ionisations Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Chemolumineszenz Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Paramagnetscher Detektor Laser Dioden Spektroskopie Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Nichtdispersiver Infrarot Detektor Fourier Transform Infrarot Spektroskopie

NDIR (*) FTIR NDIR (*) FTIR FID (*) FTIR CLD (*) FTIR PMD LDS (*) FTIR (*) NDIR (*) FTIR (*)

CO HC NOx O2 NH3 N2 O

Die mit (*) gekennzeichneten Messprinzipien sind auch für die gesetzliche Typfreigabemessung zugelassen.

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Emissionsmesstechnik

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Die einschlägigen Abgasgesetzgebungen und Standards schreiben für die limitierte Abgaskomponente auch die zu verwendenden Messprinzipien vor. Typischerweise werden diese Messprinzipien nicht nur für die gesetzlichen Messungen verwendet sondern auch während der Motorentwicklung (siehe Tab. 8.1).

8.3.1 NDIR – Nichtdispersiver Infrarot Detektor Die Strahlung einer Infrarotquelle wird durch eine zweigeteilte Messzelle geschickt. Es wird ein breites Spektrum von Infrarotstrahlung von der Quelle ausgesandt (in Abb. 8.4 Strahler) und diese Strahlung wird in ihrer Wellenlängenstruktur nicht verändert, das bezeichnet man als nicht dispersiv. Ein Teil der Messgaszelle wird von der Abgasprobe durchströmt (in Abb. 8.4 Messzelle). Enthält die Abgasprobe Gasmoleküle, die Infrarotstrahlung absorbieren, wie z. B. CO oder CO2 , werden je nach Gasmolekül gewisse Wellenlängen absorbiert. Der zweite Teil der Messzelle ist mit nicht absorbierendem Gas (z. B. Stickstoff N2 ) gefüllt. In dieser sogenannten Referenzzelle kommt es zu keiner Abnahme der Infrarotstrahlung (siehe Abb. 8.4). Mit einem Chopper (rotierende Lochscheibe) wird die Infrarot Strahlung alternierend unterbrochen. Befinden sich in der Abgasprobe Gasmoleküle die Infrarotstrahlung absorbieren kommt nach der Messzelle weniger Infrarotstrahlung auf den Detektor als aus der Referenzzelle. Der Unterschied der Intensität wird vom Detektor gemessen. Auch der Detektor besteht aus zwei Kammern, eine empfängt die Strahlung der Referenzzelle und die andere jene aus der Messzelle. Beide Detektorkammern sind jeweils mit jenem Gas gefühlt, welches vom Analysator gemessen werden soll (z. B. CO oder CO2 ). Damit kommt es auch im Detektor zur Absorption genau jener Wellenlängen, wie schon in der Messzelle. Dadurch ist die Selektivität des Detektors für das zu messende Gas gegeben. Die Strahlung die in den Detektor

Abb. 8.4 Schema eines NDIR (Non-Dispersive Infrarot) Detektors

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trit wird ebenfalls absorbiert. In der abgeschlossenen Kammer erhöhen sich dadurch die Energie und damit der Druck. Umso höher die Konzentration des zu messenden Gases in der Messzelle ist, umso größer wird der Unterschied der Infrarotstrahlung durch die Messzelle verglichen zur Referenzzelle und damit auch die Druckdifferenz zwischen den beiden Kammern das Detektors. Dieser Druckunterschied wird gemessen, zum Beispiel als Durchbiegung einer beweglichen Membrane zwischen den zwei Detektorkammern. Durch das Choppern der Infrarotstrahlung erfolgt das alternierend und kann damit besser in der nachgeschalteten Elektronik verstärkt werden. Je höher die Konzentration in der Abgasprobe ist, umso größer wird das Messsignal des Detektors. Der Zusammenhang zwischen Konzentration und Messsignal entspricht dem Lambert-Beer’schen Gesetz, welches eine nicht lineare Funktion ist. Daher müssen NDIR Detektor immer linearisiert werden.

8.3.2 FID – Flame Ionisation Detektor In der Messzelle eines Flame Ionisation Detektors (FID) verbrennt ein Gasgemisch aus Wasserstoff (H2 ) und Helium (He) mit synthetischer Lut (Abb. 8.5). Die Flamme brennt zwischen einer Kathode und Anode an die eine elektrische Spannung angelegt ist. In die Flamme wird zusätzlich das Probengas beigemischt. Sind im Probengas Kohlenwasserstoffmoleküle enthalten werden diese gekrackt und ionisiert. Die erzeugten Ionen transportieren Strom zwischen Kathode und Anode. Der dadurch vorhandene Stromfluss stellt das Messsignal dar. Idealerweise würden alle Kohlenwasserstoffmoleküle in ionisierte Teile zerlegt werden, die jeweils nur ein Kohlenstoffatom enthalten. Damit wäre der Ionenstrom proportional zur Anzahl von Kohlenstoffatomen, die eine Bindung mit Wasserstoffatomen in der Abgasprobe haben. Real funktioniert der Craking- und Ionisierungsprozess nicht vollständig, hat aber eine konstante Effektivität für die einzelnen Kohlenwasserstoffmoleküle, dies wird als Strukturlinearität oder auch als Responsefaktoren bezeichnet. Responsfaktoren geben den Unterschied zwischen dem Messwert eines FID und der wirklichen Konzentration der unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindungen wieder. Typischerweise liegen Responsefaktoren für jene Kohlenwasserstoffe die in relevanten Mengen im Abgas enthalten sind zwischen 0,9 und 1,1. Ein FID ist damit nicht selektiv für einzelne Kohlenwasserstoffe, sondern misst einen Summenwert aller relevanten Kohlenwasserstoffe, man spricht von Gesamtkohlenwasserstoffen (Total Hydrocarbons auf Englisch).

8.3.3 CLD – Chemolumineszenz Detektor Ein Chemolumineszenz Detektor misst die Konzentration von Stickoxid (NO) in einer Gasprobe (Abb. 8.6). Für die Abgasmessung an Motoren ist aber meistens der Summen-

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Emissionsmesstechnik

535

Abb. 8.5 Schema eines FID (Flame Ionisation Detector)

Abb. 8.6 Chemolumineszenz Detektor CLD (schematisch)

wert aus NO und Stickstoffdioxid (NO2 ) entscheidend. Der Summenwert von NO und NO2 wird als NOx bezeichnet. Entsteht bei einer chemischen Reaktion elektromagnetische Strahlung (sichtbares Licht), so spricht man von Chemolumineszenz. In der Messzelle des CLD’s wird NO mit Ozon (O3 ) zusammengemischt, und wandelt sich zu NO2 und O2 um. Ungefähr 10 % dieser Reaktionen ergeben ein NO2 Molekül in einem energetisch angeregten Zustand (NO2 *). Aus diesem energetisch angeregten Zustand kehren diese Moleküle wieder in den Basiszustand zurück und emittieren den Energieüberschuss des angeregten Zustandes als elektromagnetische Strahlung (Licht). Das entstehende Licht wird mit Fotodioden oder Photomultipliern gemessen und die Intensität des Lichtes ist direkt proportional zur NO Konzentration in der Messzelle. NO + O → NO + O

NO + O →

NO∗

+ O

NO∗ → NO + hν

bei ca.  % der NO Moleküle in der Probe bei ca.  % der NO Moleküle in der Probe mit

h . . . Planckkonstante hν . . . Lichtquantum (Photonen)

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Das für diese Reaktion nötige Ozon wird im Analysator selbst in einem Ozongenerator aus Sauerstoff O2 erzeugt. Damit kann ein CLD aber nur NO messen, um NOx (NOx = NO + NO2 ) messen zu können werden vor dem CLD Detektor alle NO2 Moleküle in NO umgewandelt. Dies geschieht in einem beheizten NO2 /NO Konverter, der ähnlich einem Katalysator diese Umwandlung bewerkstelligt. Da NO2 teilweise in Wasser löslich ist muss Wasserkondensation in der Abgasprobe verhindert werden. Das wird üblicherweise durch Beheizung der Gaswege und des Analysators gemacht.

8.3.4 PMD – Paramagnetischer Detektor Ein paramagnetischer Detektor nutzt die magnetische Eigenschat von Sauerstoff (O2 ) zur Messung der Konzentration dieses Elementes (Abb. 8.7). In der Messzelle des PMD wird ein starkes Magnetfeld erzeugt und von der Abgasprobe durchströmt. Aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaten versuchen die Sauerstoffmoleküle ins Zentrum des Magnetfeldes zu strömen. Dort ist eine unmagnetische Quarzkugel positioniert. Ein solcher Detektor ist immer symmetrisch gebaut, so dass es also zwei Magnetfelder als auch eine zweite Quarzkugel gibt. Beide Kugeln sind über einen Arm starr miteinander verbunden, weshalb man auch von einer Hantel – wie beim Gewichtheben – spricht. Die Hantel ist drehbar gelagert, so dass die Sauerstoffmoleküle, die ins Magnetfeld drängen, die Kugeln verdrängen würden und die Hantel verdrehen. Umso höher die Sauerstoffkonzentration ist umso höher ist diese Verdrängungskrat. Auf der drehbaren Achse der Hantel ist ein Spiegel montiert, mit dem mittels eines Lichtstrahls und eines Lichtdetektors die Drehung der Hantel gemessen wird. Entweder ist die Auslenkung selbst das Messsignal, oder es wird über eine Regeleinheit die Hantel immer im Zentrum des Magnetfeldes gehalten. Der elektrische Strom, der benötigt wird, um ein Drehen der Hantel zu verhindern, ist dann das Messsignal.

8.3.5 FTIR – Fourier Transform Infrarot Spektroskopie Fourier Transform Infrarot Spektroskopy (FTIR) ist eine Infrarot basierende Messmethode, die eine Vielzahl an Abgaskomponenten zeitgleich messen kann. Die Messung basiert, ähnlich zu einem NDIR, auf der Absorption von infrarotem Licht durch die einzelnen Gaskomponenten. Das FTIR verwendet ein breites Wellenband im Infrarotbereich. In einem Michelson Interferometer (Abb. 8.8) wird die Intensität der einzelnen Wellenlängen kontinuierlich verändert. Dazu wird die Strahlung der Infrarotquelle mittels Strahlenteilers in zwei Strahlen aufgeteilt. Einer der beiden Strahlen trit auf einen beweglichen Spiegel und der andere auf einen fixen Spiegel. Anschließend werden die beiden Strahlen wieder zu einem Strahl

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Emissionsmesstechnik

537 Spiegel

Lichtquelle

Sauerstoff

O

Lichtdetektor Handel -

+

Verstärker und Regelung

Abb. 8.7 Schema eines Paramagnetischen Detektors (PMD) nach Mollenhauer und Tschöke (2007)

Abb. 8.8 Schema eines FTIR-Messsystems (AVL SESAM-FTIR)

zusammengeführt. Durch die kontinuierliche Längsverschiebung des beweglichen Spiegels ergeben sich Weglängenunterschiede der beiden Stahlen und Interferenzeffekte, wenn die Strahlen wieder vereint werden. Abhängig von der Position des beweglichen Spiegels werden gewisse Wellenlängen ausgelöscht und andere verstärkt. Die Zusammensetzung des Infrarotstrahls, welche Wellenlängen verstärkt oder ausgelöscht werden, ist nicht bekannt.

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Der so kontinuierlich modifizierte Infrarot-Strahl wird durch die Messzelle geleitet und durch die in der Abgasprobe enthaltenen Gaskomponenten werden einzelne Wellenlängen absorbiert. Das Signal eines Infrarotdetektors, der ein breites Band an Wellenlängen messen kann, wird während der Spiegelbewegung aufgezeichnet. Dieses Diagramm der Infrarotintensität über der Zeit wird Interferogramm genannt. Aus den Interferogrammen kann mittels der Fourier-Transformation Methode ein Infrarot Spektrum berechnet werden. Fourier-Transformation ist eine komplexe und rechenintensive mathematische Berechnungsmethode, die die Kurvenform eines Interferogramms in eine Vielzahl von Sinuskurven mit unterschiedlicher Amplitude und Frequenz zerlegt. Die Frequenz der Sinuskurve entspricht der Infrarotwellenfrequenz (Wellenlänge) und die Amplitude der Signalstärke nach der Messzelle. Aus den damit berechneten Infrarot Spektren wird ermittelt, welche Gaskomponenten in der Abgasprobe enthalten sind und in welcher Konzentration. Für die speziellen Gegebenheiten des Motorenabgases und die nötigen Genauigkeiten in der Motorenentwicklung sind aber Standardinfrarotspektrenauswertungen nicht Ziel führend, so dass zusätzliche auf den verwendeten Kratstoff abgestimmte Auswertemethoden hinzugefügt werden.

8.3.6 LDS – Laser Dioden Spektroskopie Die Laserdioden Spektroskopie funktioniert ähnlich wie das NDIR Messprinzip. Anstelle der Infrarotquelle werden hier Laserdioden verwendet, die nur eine genau definierte Wellenlänge ausstrahlen, die dann von der zu messenden Gaskomponente in der Abgasprobe absorbiert wird. Gasselektive Detektoren messen den Absorptionsgrad. Durch die Weiterentwicklung im Bereich der Laserdioden und durch gesunkenen Herstellungspreise werden Laserdioden in Zukunt an Bedeutung gewinnen.

8.4 Messung fester Bestandteile 8.4.1 Messung der Partikel entsprechend gesetzlicher Vorgaben Gravimetrische Bestimmung der Partikelmasse Die in allen gesetzlichen Bestimmungen angegebenen Grenzwerte für die Partikelemission beruhen auf einer integralen Messung durch gravimetrische Bestimmung der Partikelmasse nach Verdünnung in einem Vollstrom- oder Teilstromtunnel. Die Definition des Messverfahrens erfolgte erstmals von der US EPA („United States Environmental Protection Agency“) nach CFR Vol. 67 und wurde dann weltweit übernommen, siehe auch 70/220/EEC u. ä. oder TRIAS 60-2003. Abgas wird nach dem „CVS-Prinzip“ mit gefilterter Lut gemischt und ein Teilstrom des verdünnten Abgases, der eine Temperatur < 52 °C bzw. 47 °C ± 5 °C aufweisen muss, über inerte Filter mit > 99 % Abscheidegrad gezogen. Aus der Massendifferenz zwischen beladenem und unbeladenem Filter wird die Emissi-

8

Emissionsmesstechnik

539

Abb. 8.9 Vollstromverdünnung für die Zertifizierung von Nfz-Motoren

on berechnet. In Abb. 8.9 ist dies für eine Anlage mit Sekundärverdünnung, wie sie für Nutzfahrzeuge üblicherweise verwendet wird, schematisch dargestellt. Bei PKW wird die Emission des Fahrzeugs am Rollenprüfstand im Prinzip gleich, jedoch ohne Sekundärverdünnung, gemessen. Partikel setzen sich aus Ruß festen Bestandteile wie Abrieb und Aschen, adsorbierten organischen Komponenten, kondensierter und adsorbierter Schwefelsäure etc. zusammen. Kondensierte und adsorbierten Substanzen werden im Wesentlichen erst im Verdünnungstunnel gebildet, aber auch die Rußkonzentration ist nach Engeljehringer und Schindler (1989) zwischen Motor und Mess-Filter nicht völlig stabil. Es ist daher einsichtig, dass schon kleine Änderungen in der Auslegung der Verdünnungs- und Partikelsammelanlage einen Einfluss auf die gemessene Partikelmasse hat. Um bei abnehmender Partikel-, vor allem auch Ruß-Emission die Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit der Messmethode zu erhöhen, hat die US-EPA ab 2007 das Verdünnungs-, Partikelsammlungs- und Wäge-System genauer spezifiziert, siehe z. B. CFR 1065. In der EU (nach 2005/55/EC) und seit 2011 auch in den USA ist für Nutzfahrzeuge die Verwendung von Teilstromverdünnungstunneln erlaubt, die einen konstanten Teil des Abgases verdünnen, wie es in der Norm ISO 16183 festgelegt ist. Dem Platz- und Kostenvorteil dieser Systeme – siehe Prinzip-Darstellung Abb. 8.10 – steht eine aufwendige Regelung der Massenströme gegenüber. Zusätzlich müssen nach Silvis et al. (2002) mehrere Randbedingungen beachtet werden, damit die gemessene Emission im wesentlich gleich der einer Vollstromanlage ist.

Bestimmung der Partikelanzahl im Abgas Da die Rußemissionen moderner Verbrennungsmotoren nur mehr mit sehr empfindlichen Partikelmessgeräten erfasst werden können, hat sich die PMP Expertengruppe der

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 8.10 Teilstromverdünnung für die Zertifizierung von Nfz-Motoren

UNECE-GRPE mit neuen Messmethoden zur Partikelmessung befasst. Die Empfehlung dieser Gruppe für weitere Zertifizierungen sind neben einer modifizierten „US-2007“ Partikelmessung („particulate measurement“) auch die Partikelzählung („particle number counting“) nach UNECE Regulation No. 83 und Andersson et al. (2007). Die PMP Gruppe hat ein aufwendiges System zur Konditionierung des bereits verdünnten Abgases definiert, das in Abb. 8.11 schematisch dargestellt ist: Erstens, Abscheidung von groben Partikeln, die nicht direkt aus der Verbrennung, sondern von wiedereingetragenen Wandablagerungen stammen. Zweitens, hohe Abgasverdünnung (Verdünnungsfaktor ≥ 10) und nachfolgendes Aufheizen auf 300 °C bis 400 °C. Dadurch erhält man einerseits die im praktischen Betrieb erforderliche niedrige Partikelanzahl im Kondensationskernzähler (PNC), andrerseits werden die flüchtigen Nanopartikel-Anteile in die Gasphase überführt, sodass nur nicht-flüchtige Partikel, z. B. Ruß-Partikel gezählt werden. Der Hintergrund für diese Anforderung hat zwei Ursachen. Einerseits scheinen nichtflüchtige Partikel toxikologisch relevanter für die menschliche Gesundheit zu sein, andrerseits hat sich herausgestellt, dass es extrem schwierig ist, Emissionen von flüchtigen Partikeln in Bezug auf Partikelanzahlkonzentration reproduzierbar zu messen. Das ist kein Problem der Messung an sich – flüchtige Partikel können genauso gezählt werden wie feste – aber die Bildung von homogen kondensierten Kohlenwasserstoffen und Sulfaten nach Partikelfilter ist extrem sensitiv auf kleinste Änderungen der Motor- oder Abgaskonditionierung. Drittens wird vor dem PNC noch mal verdünnt, um das Abgas abzukühlen und gegebenenfalls Rekondensation der flüchtigen Bestandteile zu verhindern. Kondensationskernzähler (Condensation Particle Counting) sind empfindliche Systeme zur Messung der Partikelanzahl (Particle Number Counting) im sub-μ Bereich bis hin zu einigen Nanometern. Das Prinzip eines CPC ist in Abb. 8.12 dargestellt. Aus Nanopartikeln werden durch heterogene Kondensation von übersättigtem Dampf (typischerweise n-Butanol) „Mikropartikel“ generiert, die dann ausreichend groß sind um anschließend mittels einer Streulichtmethode gezählt zu werden.

8

Emissionsmesstechnik Dilution air in. Humidity and T controlled

C

541

HEPA

CVS Tunnel

PSP

Particle Counter

PNC with size-selective inlet

PTT

PCF: >2.5μm, < 10μm 3°D2 cools and dilutes

ET evaporates volatiles

VPR

3°D1 at >=150°C dilutes

To mass flow controller and pump

Abb. 8.11 Abgasaufbereitung für die Partikelzählung nach PMP nach UNECE Regulation No. 83 Abb. 8.12 Funktionsprinzip eines Kondensationskernzählers (CPC), (nach http://www. grimm-aerosol.de/html/de/ products/nanoparticle-5400. htm)

8.4.2 Bestimmung von Partikeleigenschaften im Abgas mit alternativen Verfahren Die gravimetrische Ermittlung der Partikelemission hat zwei bedeutende Nachteile beim Einsatz in der Motoren- bzw. Abgasnachbehandlungsentwicklung: Erstens ist sie zeitaufwendig und zweitens integrierend. Für die Motorentwicklung sind jedoch häufig eine schnelle Messung und die Zeitzuordnung der Emission zu den dynamischen Fahrzuständen erforderlich. Es wurden daher eine Reihe einfacherer oder dynamischer Messverfahren entwickelt, um den Anforderungen der modernen Motorenentwicklung zu genügen. Nachteilig an den alternativen Messverfahren ist, dass im Allgemeinen die Messgrößen von den gesetzeskonform ermittelten Partikeln (Partikelanzahl, Partikelmasse) abweichen, und die ermittelten Korrelationen nur bedingt gültig sind. Eine bedeutende Rolle nimmt die Messung der Rußemission ein, da diese auch ein wichtiger Indikator für die Bestimmung der Verbrennungsqualität ist. Dafür wurden mehrere Methoden entwickelt, die fast immer auf der verhältnismäßig starken Absorption von Strahlung (im nahen infraroten oder sichtbaren Bereich) durch Ruß basieren. Neuere Verfahren weisen eine sehr gute Zeitauflösung (typisch im einstelligen Hertz Bereich) und/oder sehr hohe Empfindlichkeit (typisch im Bereich von wenigen μg pro Kubikmeter) auf.

542

G.P. Merker und R. Teichmann

Die wichtigsten alternativen Messmethoden sind in Tab. 8.2 zusammengefasst und in den Abb. 8.13 bis 8.20 schematisch dargestellt. Für alle Meßmethoden gibt es verschiedene Ausführungsformen und kommerzielle Anbieter. Ergänzende, weiterführende und/oder zusammenfassende Information zu nichtkonventionellen modernen Methoden der Dieselpartikelmessung finden sich in den Literaturzitaten.

Smokemeter Das Prinzip der Smokemetermessung besteht darin, dass ein Filterpapier über eine bestimmte Zeit mit Abgas beladen wird und die Schwärzung des Filterpapiers mit einem optischen Verfahren bestimmt wird. Die resultierende Größe ist die Filterschwärzung bzw. Filter Smoke Number (FSN), siehe Abb. 8.13. Opazimeter Das Opazimeter bestimmt die Abschwächung des Lichts bei Durchgang durch eine mit Abgas gefüllte Zelle definierter Länge. Das Ergebnis ist die sogenannte Extinktion. Ot werden in diesem Zusammenhang auch Trübung und Opazität als Begriffe für die Messgröße verwendet, Abb. 8.14. Photoakustische Rußmessung, Abb. 8.15 Ein modulierter Laserstrahl wird vom Rußpartikel absorbiert. Die Absorption führt zur Erwärmung des Partikels und dessen Umgebung. Die periodische Erwärmung generiert eine Schwingung mit der Modulationsfrequenz des Lasers, die in einer resonanten Zelle mit einem Mikrofon detektiert wird, dessen Signal proportional zur Rußkonzentration ist. Abb. 8.13 Prinzip der Smokemeter Messung (nach http:// www.avl.com)

Detector

Light source Blackened ilter

T, p

Lamp I0

I Detector

L N

I / I0 = (1 - 100 ) = Extinction = Absorption + Scattering

Abb. 8.14 Prinzip der Opazimeter Messung (nach http://www.avl.com)

8

Emissionsmesstechnik

543

Tab. 8.2 Vor- und Nachteile alternativer Methoden zur Partikelmessung Methode

Vorteile

Nachteile

Opazimeter http://www.avl. com

Für einige Zertifizierungstests, z. B. ELR vorgeschrieben Robuste, kostengünstige, etablierte Methode zur Messung der Abgastrübung Sehr gute Zeitauflösung, 0,1 sec Hohe Empfindlichkeit (0,1 % Opazität, entspricht ungefähr 300 μg/m3 Ruß) Mit spezieller Gasführung bis zu Abgasdrücken von 400 mbar einsetzbar, Zusatz für höhere Drücke in Entwicklung Akzeptable Korrelation zur Rußkonzentration (mg/m3 ) kann für Motorenfamilien aufgestellt werden Messung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur Partikelmessung Zeitauflösung im Sekundenbereich

Bei probenehmenden Systemen, Probeströme bis 40 l/min erforderlich Hohe Empfindlichkeit nur mit ausgefeilter Systemauslegung möglich: große optische Weglänge L, gute thermische Konditionierung Relativ starke Querempfindlichkeit auf NO2

TEOM nach http:// www.rpco.com

MASMO nach http:// www.dekati.fi

Smokemeter nach http:// www.avl.com

Ersetzt den Partikelfilter, erfordert aber Abgasverdünnung Volle Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode im allgemeinen nicht gegeben. Empfindlichkeit abhängig von der Zeitauflösung Typisch 1 mg/m3 Kostspielig Ersetzt den Partikelfilter, erfordert aber hohe Abgasverdünnung Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode häufig unvollständig Kostspielig

Messung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur Partikelmessung Zeitauflösung im Sekundenbereich Empfindlichkeit ca. 1 μg/m3 Zusätzliche Abschätzung der mittleren Partikelgröße Integrierende Methode – zeitRobust, kostengünstig liche Auflösung ca. 1 Minute Etablierte Methode Hohe Empfindlichkeit (0,002 FSN, entspricht ca. 20 μg/m3 Ruß) bei längeren Entnahmezeiten Mit „Sonderentnahme“ Vorrichtung ist eine Messung des Abgases vor Dieselpartikelfilter möglich Gute Korrelation zur Ruß Konzentration, (mg/m3 ), minimale Querempfindlichkeit auf andere Abgaskomponenten

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G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 8.2 (Fortsetzung) Methode Photoakustischer Ruß-Sensor nach Krämer et al. (2001); Mollenhauer und Tschöke (2007); Schindler et al. (2004) Laser Induzierte Glühemission nach Schraml et al. (2004)

Photoelektrischer Aerosol-Sensor nach http:// www.matterengineering.com DiffussionsLadungs-Sensor nach http:// www.dekati.fi und http://www. matterengineering.com

Vorteile

Nachteile 3

Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 μg/m Ruß Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentration, minimale Querempfindlichkeit Gute Zeitauflösung, ≈ 1 sec Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern Moderate Kosten Hoher Dynamikbereich (1: 10.000) Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 μg/m3 Ruß Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentration, minimale Querempfindlichkeit Gute Zeitauflösung, ≤ 1 sec Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern. Kompaktes, kostengünstiges System Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 μg/m3 Ruß Empirische Korrelation der elektrischen Signals zur Rußemission von Dieselmotoren häufig gegeben Kompaktes, kostengünstiges System Misst die aktive Partikeloberfläche (Fuchs’sche Oberfläche) Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 μg/m3 Partikel In einigen Fällen wurde eine empirische Korrelation des Signals zur Partikelemission von Dieselmotoren gefunden

Abb. 8.15 Photoakustisches Messprinzip (nach Schindler et al. 2004)

Erfordert Abgas-Verdünnung. Kalibriermethode nicht rigoros etabliert Messung vor DPF erfordert Abgaskonditionierung Regelmäßige Wartung einfach, aber erforderlich

Sehr hohe Kosten Kalibriermethode nicht etabliert Hoher Dynamikbereich nur mit optischen Abschwächern erreichbar (Einführen von Absorber Filtern)

Zeitauflösung, ≤ 10 sec Starker Einfluss durch Substanzen mit hoher Photoemission (PAH)

Nicht proportional zur Partikelmasse Zeitauflösung einige Sekunden

Mikrophon als Detektor

Rußpartikel

Modulierter Laserstrahl

Schallwelle

Modulierte Expansion

Modulierte Erwärmung

8

Emissionsmesstechnik

545

Laserinduzierte Glühemission, Abb. 8.16 Bei der laserinduzierten Glühemission wird der Ruß mit einem gepulsten Laser sehr schnell bis zur Sublimationstemperatur erwärmt. Die dabei entstehende Glühemission wird gemessen und liefert Information über die Rußkonzentration und Primärpartikelgröße. Abb. 8.16 Prinzip der Laserinduzierten Glühemission, LII (nach Schraml et al. 2004)

Photoelektrische Rußsensor, Abb. 8.17 Die Partikel gelangen mit dem Gasfluss in den Bestrahlungsraum. Dort werden sie mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Die Partikel emittieren Elektronen und sind somit elektrisch positiv geladen. Die geladenen Teilchen werden mit einem Messfilter in einen messbaren elektrischen Strom umgewandelt, der Information über die Rußkonzentration liefert. Damit die freien Elektronen die Messung nicht verfälschen, werden diese in einem elektrischen Feld aufgefangen. Abb. 8.17 Photoelektrisches Messprinzip (nach http://www. matter-engineering.com)

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G.P. Merker und R. Teichmann

Difusionsladungssensoren, Abb. 8.18, 8.19 und 8.20 Ähnlich dem Photoelektrischen Rußsensor wird beim Diffusionsladungssensor der Strom der durch die geladenen Partikel generiert wird mit einem Elektrometer gemessen. Im Gegensatz zum photoelektrischen Rußsensor werden die Partikel in einem elektrischen Feld geladen.

Abb. 8.18 Prinzip des Diffusionsladungs Sensors (nach http://www.dekati.fi)

Abb. 8.19 Dekati Mass Monitor (MASMO), Schema der Sensorik und Datenverarbeitung (nach http://www.dekati.fi)

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Emissionsmesstechnik

547

Abb. 8.20 TEOM: Glaskanüle mit dem Filter an der Spitze. Die Schwingungsfrequenz der Glaskanüle ändert sich bei Beladung des Filters (nach http://www.rpco.com)

Literatur Abbas, M.K., Andrews, G.E., Williams, P.T., Bartle, K.D.: Diesel particulate Composition Changes along an Air Cooled Exhaust Pipe and Dilution Tunnel. SAE Technical Paper Series 890789 (1989) Andersson, J., Giechaskiel, B., Munoz-Bueno, R., Sandbach, E., Dilara, P.: Particle measurement programme (PMP): light-duty inter-laboratory correlation exercise (ILCE LD) Final Report (EUR 22775 EN) GRPE-54-08-Rev.1 (2007). http://www.unece.org/trans/main/wp29/wp29wgs/ wp29grpe/grpeinf54.html Aufdenblatten, S., Schänzlin, K., Bertola, A., Mohr, M., Przybilla, K., Lutz, T.: Charakterisierung der Partikelemission von modernen Verbrennungsmotoren. MTZ 63(11), 962 (2002) Burtscher, H.: Physical characterization of particulate emissions from diesel engines: a review. J. of Aerosol Science 36, 896–932 (2005) Burtscher, H., Majewski, W.A.: „Particulate Matter Measurements“. http://www.dieselnet.com/tech/ measure_pm_ins.html Code of Federal Regulations (CFR), Title 40, Part 86, § 86007-11, „Control of Emissions from new and In-Use Highway Vehicles and Engines“ Code of Federal Regulations, (CFR), Title 40, Part 1065, June 2005 „Engine testing Procedures“ Control of Air pollution from New Motor Vehicles – Certification and Test Procedures. Letzte Ausgabe 6 Dec 2002: Code of Federal Regulations (CFR), Title 40, Part 86, Vol. 67, No 235 DMM Manual: DEKATI Ltd (2002) Engeljehringer, K., Schindler, W.: he organic Insoluble Diesel Exhaust Particulates – Differences between diluted and undiluted Measurement. Journal of Aerosol Science 20(8), 1377 (1989) Faxvog, F.R., Roessler, D.M.: Optoacoustic measurements of Diesel particulate Emissions. J. Appl. Phys. 50(12), 7880 (1979) http://www.avl.com http://www.dekati.fi

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G.P. Merker und R. Teichmann

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9

Verbrennungsdiagnostik Rüdiger Teichmann, Andreas Wimmer und Ernst Winklhofer

Der Verbrennungsmotor bezieht seine Energie aus der Umsetzung der chemischen Energie in Wärme. Diesen Vorgang zu verstehen, so effizient und schadstoffarm wie möglich zu gestalten ist das Ziel der Verbrennungsdiagnostik. Während die Messung des Verbrennungsdruckes (Abb. 9.1 oben) so alt wie der Verbrennungsmotor selbst ist, und einen globalen

Indizierung Datenanalyse

optische Messtechnik Abb. 9.1 Überblick über Verbrennungsmesstechnik Dr.-Ing. Rüdiger Teichmann B AVL List GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected] Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer Technische Universität Graz, Graz, Österreich Dr.-techn. Ernst Winklhofer AVL LIST GmbH, Graz, Österreich G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_9, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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G.P. Merker und R. Teichmann

Wert aus dem Brennraum repräsentiert, bestand immer der Wunsch zusätzliche Informationen oder auch räumliche Information von der Verbrennung für eine Optimierung zur Verfügung zu haben. Dafür hat sich die optische Messtechnik (Abb. 9.1 unten) durchgesetzt. Neben dem Einsatz in Forschungslabors oder in der Vorentwicklung kommt diese Technik gerade in den letzten Jahren ob ihrer Robustheit und einfachen Applizierbarkeit auch ergänzend in der Serienentwicklung zum Einsatz. Der Messung von Verbrennungswerten schließt sich zum einen eine Analyse während der Messung und otmals eine aufwendige und tiefgründige Analyse nach der Messung an (Abb. 9.1 rechts).

9.1

Druckindizierung

9.1.1 Allgemeines Die Druckindizierung begleitet den Verbrennungsmotor seit seinen ersten Umdrehungen. Dies bestätigt Abb. 9.2, die einen von August Nikolaus Otto auf Basis mechanischer Indikatoren aufgenommenen Zylinderdruckverlauf aus dem Jahr 1876 zeigt. Dieser Zeitpunkt wird, nach Hohenberg (1994), auch häufig als Ausgangspunkt der geschichtlichen Entwicklung der Druckindizierung bezeichnet. Nach über 135 Jahren Entwicklung hat sich die Indizierung heute flächendeckend durchgesetzt und kommt als Standardmesstechnik an den meisten Motorenprüfständen zum Einsatz, siehe Frommelt et al. (2008). Die Hochdruck- (Erfassung des Zylinderinnendruckes) und die Niederdruckindizierung1 (Erfassung des Druckes im Ein- und Auslasssystem) haben sich seither zu wertvollen, hochentwickelten Analyseverfahren zur Verbrennungsoptimierung entwickelt. Sowohl die

Abb. 9.2 Indikatordiagramm von August Nikolaus Otto vom 18. Mai 1876 1

Unter dem Begriff Niederdruckindizierung wird von einigen Autoren auch die Zylinderdruckmessung während der Ladungswechselphase mit eingeschlossen.

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Verbrennungsdiagnostik

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Abb. 9.3 Einsatzgebiete der Indiziertechnik

Sensorik, als auch die computergestützte Datenerfassung haben heute einen Entwicklungsstand erreicht, der auf der einen Seite den Einsatz der Indizierung als Betriebsmesstechnik erlaubt, aber auch Genauigkeitsansprüchen genügt, die weitreichende Aussagen aus den gemessenen Druckverläufen (vgl. dazu Abb. 9.3) ermöglichen: • Die Indizierung ist das Entwicklungswerkzeug um schnell und mit hoher Qualität Verbrennungsmotoren zu optimieren. • Kein anderes Messverfahren liefert eine derartige Informationsfülle über innermotorische Vorgänge. • Bei kompetenter Anwendung ist die Indizierung ein sicheres Messverfahren und ist daher als Standardmesstechnik auf dem Entwicklungsprüfstand einsetzbar. Die Hochdruckindizierung im Brennraum wird meistens mit piezoelektrischen Druckaufnehmern durchgeführt, die entweder direkt in den Brennraum oder mittels eines Adapters in der Zünd- oder Glühkerze eingebaut werden. Die Analyse der gemessenen Druckverläufe im Brennraum erlaubt vielfältige und umfangreiche Beurteilungen der innermotorischen Vorgänge. Auf der Grundlage des gemessenen Druckverlaufs lässt sich eine Fülle von wichtigen Daten berechnen. Diese Ergebnisgrößen werden im Allgemeinen Indizierkennwerte genannt und lassen sich prinzipiell in zwei Kategorien unterteilen: • direkte und • indirekte Indizierkennwerte. Die direkten Indizierkennwerte werden unmittelbar aus dem Verlauf des Zylinderdrucks p über dem Arbeitsspiel ermittelt und erlauben bereits eine Vielzahl von Aussagen, siehe Tab. 9.1. Indirekte Indizierkennwerte sind Größen, die nur über umfangreiche Zwischenberechnungen auf Grundlage des Druckverlaufs ermittelt werden können. Dazu

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G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 9.1 Direkte Indizierkennwerte Direkte Indizierkennwerte

Aussage/Bewertung

Indizierte Mitteldruck pmi (pmi - HD , pmi - LW )

Innere Arbeit innerer Wirkungsgrad Reibmitteldruck pmr Verbrennungsstabilität Motorlaufruhe Anzahl Aussetzer Bauteilbelastung akustische Bewertung Lage der Verbrennung relativ zur optimalen Lage Grad der Klopfbegrenzung Umsatzgeschwindigkeit (α pmax – ZZP) Umsatzgeschwindigkeit akustische Bewertung Akustische Bewertung

σ pmi Standardabweichung des indizierten Mitteldruckes Spitzendruck pmax Lage des Spitzendruckes α (pmax )

Maximaler Druckanstieg (dp/dα)max Druckanstiegsgeschwindigkeit dp/dα 2

zählen vor allem jene Kenngrößen, die aus dem im Rahmen der thermodynamischen Analyse berechneten Brennverlauf bestimmt werden. Beispiele dafür sind der Zündverzug, der Brennbeginn, und die Energieumsatzpunkte (in der Regel 5 %, 50 % und 95 %), die eine Beurteilung des Verbrennungsprozesses erlauben. Moderne Indiziersysteme sind in der Lage, Indizierkennwerte in Echtzeit zu berechnen. Sie stehen damit zusammen mit anderen Messgrößen bereits unmittelbar am Prüfstand zur Verfügung. Dadurch ist es möglich, Untersuchungen wie z. B.: • • • • • •

Aussetzererkennung, automatische Kennfeldoptimierung, Klopferkennung, Abmagerungsabstimmung, Abgasrückführabstimmung, Verbrennungsgeräuschoptimierung

direkt am Prüfstand durchzuführen. Für die Niederdruckindizierung werden piezoresistive und piezoelektrische Druckaufnehmer eingesetzt. In Verbindung mit dem Zylinderdruckverlauf stellen die gemessenen Druckverläufe im Ein- und Auslasssystem die Grundlage für die Ladungswechselanalyse dar. Damit erfolgt: • • • •

die Auslegung der Ladungswechselorgane ( Sauganlage und Abgassystem), die Auslegung der Steuerorgane (Steuerzeiten, Nockenformen), die Beurteilung der Ladungswechselarbeit sowie die Analyse der Ein- und Auslassmassenströme (Füllung, Restgas, Rückströmen).

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Verbrennungsdiagnostik

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Zur Berechnung des Ladungswechsels werden zudem die genauen Ventilhubverläufe und Durchflussbeiwerte benötigt. Für die Ladungswechselanalyse ist es wichtig, dass die Niederdruckindizierung zusammen mit der Hochdruckindizierung durchgeführt wird. Das heißt, dass pro Zylinder drei Drücke zeitgleich gemessen werden: der Saugrohrdruck, der Brennraumdruck und der Auslassdruck. Nur in dieser Konstellation kann eine komplette Brennverlaufs- und Ladungswechselanalyse durchgeführt werden. Heute gibt es Sotwareprogramme die diese Berechnungen automatisiert ablaufen lassen. Unter optimalen Voraussetzungen z. B. am Prüfstand stellt das Indiziersystem nicht nur die erforderlichen Druckverläufe aus dem Einlass-, Auslasskanal und Zylinder bereit, sondern übernimmt auch die Kommunikation zum Prüfstandsautomatisierungssystem, um globale Daten wie z. B. Kratstoffverbrauch, Saugrohrtemperatur/-druck oder Abgastemperatur/-druck bereitzustellen. Damit ist es möglich die Ergebnisse einer umfangreichen Brennverlaufs- und Ladungswechselanalyse schon kurz nach dem Arbeitsspiel zur Verfügung zu haben, um einerseits nicht messbare Daten (unter anderem Restgasgehalt im Zylinder) als „Messwerte“ zum Messpunkt ablegen zu können oder andererseits auf Basis solcher Daten Steuer- oder Regelalgorithmen aufzubauen.

9.1.2 Die Indiziermesskette Im Wesentlichen besteht die piezoelektrische Druckmesskette (Abb. 9.4) aus folgenden Komponenten: • • • •

Druckaufnehmer, eventuell mit Druckaufnehmerkühlung, Ladungsverstärker, Datenerfassung mit Messsteuer- und Anzeigesotware und Winkelaufnehmer,

die im Nachhinein näher erläutert werden.

Abb. 9.4 Schematischer Aufbau der piezoelektrischen Druckmesskette mit Zusatzeinrichtungen

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Piezoelektrische Druckaufnehmer Der piezoelektrische Druckaufnehmer beruht auf dem Funktionsprinzip der elektrischen Ladungsabgabe bestimmter Kristalle unter mechanischer Belastung. Somit stellt er ein aktives Messelement dar, wobei die abgegebene Ladung proportional zur Belastung, d. h. zum aufgebrachten Druck ist. Piezoelektrische Druckaufnehmer sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr Aufnehmerelement aus einem piezoelektrischen Material besteht und der Druck über eine Membrane auf das Aufnehmerelement übertragen wird. Sie eignen sich deshalb hervorragend für dynamische Messungen. Prinzip bedingt können damit jedoch keine statischen Drücke gemessen werden. Messprinzip Allgemein versteht man unter Piezoelektrizität eine lineare Wechselwirkung zwischen dem mechanischen und dem elektrischen Zustand in Kristallen, die kein Symmetriezentrum besitzen. Es wird zwischen dem reziproken (ein äußeres elektrisches Feld führt zum Auftreten von dem Feld proportionalen mechanischen Spannungen, welche den Piezokristall verformen) und dem für die Druckmessung relevanten direkten piezoelektrischen Effekt (eine mechanische Deformation des piezoelektrischen Körpers rut eine ihr proportionale Änderung der elektrischen Polarisation hervor) unterschieden. Für den elektrisch freien Zustand eines Piezokristalles (experimentell erreicht man diesen Zustand am einfachsten durch kurzgeschlossene Abnahmeelektroden) kann der direkte piezoelektrische Effekt phänomenologisch mit (9.1) beschrieben werden. Di = di μ ⋅ T μ .

(9.1)

Di (i = 1 bis 3) Vektor der elektrischen Flussdichte di μ Tensor der piezoelektrischen Koeffizienten nach (9.2) Tμ (μ = 1 bis 6) Tensor der mechanischen Spannungen (mit T 1 bis T 3 für die Normalspannungen σ x , σ y , σ z sowie T 4 bis T 6 für die Schubspannungen τ yz , τ xz und τ xy ) ⎛ d  d  d  d  d  d  ⎞ (9.2) d i μ = ⎜d  d  d  d  d  d  ⎟ . ⎝d  d  d  d  d  d  ⎠ Jeder einzelne piezoelektrische Koeffizient di μ bestimmt den Zusammenhang einer bestimmten Spannungstensorkoordinate Tμ mit einer bestimmten Vektorkoordinate der elektrischen Flussdichte. Für die Ladungsabgabe Q der durch die Elektroden bedeckten Fläche des Kristallelementes gilt schließlich (9.3). Q = A ⋅ Di ni

(9.3)

9

Verbrennungsdiagnostik

555

Flächeninhalt A ni (i = 1 bis 3) Komponenten des Normalvektors der Fläche Je nach Richtung der piezoelektrischen Polarisation in Bezug auf die Richtung der eingeleiteten Krat unterscheidet man mehrere Arten des piezoelektrischen Effektes, wobei für den Einsatz in Druckaufnehmern vor allem der Transversal- und der Longitudinaleffekt von Bedeutung sind. Longitudinalefekt Dabei werden die Messelemente in der Regel scheibenförmig ausgeführt und die Ladungsabgabe erfolgt an den Kratangriffsflächen selbst, vgl. dazu Abb. 9.5 links. Sind die kristallographische x-Achse und die Kratangriffsrichtung identisch, so ergibt sich die abgegebene Ladung unter der Annahme eines einachsigen Spannungszustandes nach (9.4). Die beim Longitudinaleffekt abgegebene Ladung ist also nicht von der Geometrie des Messelementes, sondern allein von der aufgebrachten Krat F abhängig. Q = A ⋅ d  σx = A ⋅ d 

F = d  ⋅ F . A

(9.4)

Zur Erhöhung der Ladungsabgabe (Empfindlichkeit) können mehrere Scheiben kratmäßig in Reihe und elektrisch parallel geschaltet werden, vgl. Abb. 9.6. Ein Vorteil dieser Ausführung ist das kompakte und widerstandsfähige Messelement. Zudem erfolgt die Ladungsabgabe direkt an den gedrückten Flächen, so dass Kontaktfehler bei der Ladungsableitung praktisch ausgeschlossen sind. Transversalefekt Die Messelemente sind stabförmig ausgeführt und die Ladungsabgabe erfolgt senkrecht zu den Kratangriffsflächen, vgl. Abb. 9.5 rechts. Unter der Annahme eines einachsigen Spannungszustandes kann bei einem reinen Transversalschnitt (die Länge l des Stabes hat die Longitudinaleffekt

Transversaleffekt z

x Ladungsabgabe

F

F

r

F a

F

x

l

Abb. 9.5 Messelemente für Longitudinal- und Transversaleffekt

b y

556

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.6 Erhöhung der Ladungsabgabe beim Longitudinaleffekt

F + + + + + + + + + + - - - - - - - - - - - - - - - - - - + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + - - - - - - - - - - - - - - - - - - + + + + + + + + + +

Q+

F

Q-

genaue Richtung der kristallographischen y-Achse, die Breite b die Richtung der z-Achse und die Ladungsabnahme erfolgt an den Flächen normal zur x-Achse) die abgegebene Ladung mit (9.5) ermittelt werden. Q = A ⋅ d  σ y = l ⋅ b ⋅ d 

F l = d  ⋅ F ⋅ . a⋅b a

(9.5)

Neben den elektrischen Eigenschaten des verwendeten Piezomaterials wird damit die Ladungsausbeute vor allem durch die Schlankheit des Messelementes l/a bestimmt. Durch ein günstiges Kantenverhältnis l/a kann man also beim Transversaleffekt größere Polarisationsladungen erzielen, durch die mechanische Festigkeit des verwendeten Piezomaterials wird jedoch der Abmessungsgestaltung eine praktische Grenze gesetzt.

Piezomaterialien Von Materialien für piezoelektrische Messelemente in Druckaufnehmern werden vor allem folgende Eigenschaten erwartet, siehe Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000): • hohe Temperaturbeständigkeit und Unabhängigkeit der messtechnischen Eigenschaften von der Temperatur, • hohe piezoelektrische Empfindlichkeit, • Die piezoelektrische Empfindlichkeit wird von den piezoelektrischen Koeffizienten di μ bestimmt, deren Matrix von der Kristallsymmetrie abhängt. Die im Aufnehmer zur Erzeugung des Messsignals relevanten Koeffizienten sollen möglichst groß sein. • hohe mechanische Steifigkeit und Festigkeit, • Eine hohe mechanische Steifigkeit gewährleistet kurze Messwege und hohe Eigenfrequenzen. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Messung großer Kräte, Drücke und Beschleunigungen sowie für die Beständigkeit der Aufnehmer gegenüber mechanischen Stößen. • hoher elektrischer Isolationswiderstand, der quasistatisches Messen mit piezoelektrischen Aufnehmern ermöglicht (vgl. elektrische Drit) • linearer Zusammenhang zwischen der Messgröße und der abgegebenen Ladung,

9

Verbrennungsdiagnostik

557

• langfristige Stabilität der wichtigen Materialeigenschaten und deren geringe Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, (Insbesondere stellt die Erreichung einer von Temperatur und mechanischer Belastung unabhängigen piezoelektrischen Empfindlichkeit eine sehr schwierige Aufgabe dar, zu deren Lösung neben der Materialwahl auch die Orientierung der piezoelektrischen Elemente in Bezug auf die kristallographischen Achsen beitragen kann.) • kein pyroelektrischer Effekt, • niedrige Materialkosten, • gute mechanische Bearbeitbarkeit. Quarz (SiO2 ) Das klassische piezoelektrische Material für Druckaufnehmer ist Quarz (SiO2 ), vgl. Abb. 9.7. Quarz tritt in mehreren aus Silizium-Sauerstoff-Tetraedern aufgebauten Modifikationen auf. Für die piezoelektrische Anwendung benutzt man seine unterhalb von 573 °C autretende Tietemperaturmodifikation, die als α-Quarz (Tiefquarz) bezeichnet wird. Eine Temperaturerhöhung über 573 °C führt zur Phasenumwandlung, die dabei entstehende Modifikation wird als β-Quarz (Hochquarz) bezeichnet. Aufgrund unvermeidlicher Einschlüsse und Verunreinigungen des naturgewachsenen Quarzes verwendet man heute ausschließlich gezüchtete Quarze (Hydrothermalsynthese) und erhält auf diese Weise eine gleichbleibend hohe Qualität. Die Temperatur übt einen wesentlichen Einfluss auf die piezoelektrischen Eigenschaten von Quarz aus. In Abb. 9.9 ist dazu die piezoelektrische Konstante d11 in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt. Bereits ab einer Temperatur von etwa 300 °C nimmt d11 stark ab z

Abb. 9.7 Quarzkristall

x

y

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G.P. Merker und R. Teichmann

und verschwindet schließlich bei der Umwandlungstemperatur von 573 °C gänzlich. Zudem sinkt mit steigender Temperatur die Grenze der Belastbarkeit durch Zwillingsbildung. Bei α-Quarz kann es bei hohen Belastungen zur Bildung sogenannter Dauphiné-Zwillinge (sekundäre Zwillingsbildung) kommen, die zum Teil geänderte Vorzeichen der piezoelektrischen Koeffizienten aufweisen und damit zu einer Verminderung der Empfindlichkeit führen. Während die Bildung dieser Zwillinge bei Raumtemperatur erst bei Drücken von etwa 5 × 108 bis 9 × 108 Pa autritt, setzt mit steigender Temperatur die Zwillingsbildung bereits bei niedrigeren Belastungen ein, und kurz unterhalb der Umwandlungstemperatur von 573 °C kann man die Zwillingsbildung auch bei unbelastetem Quarz beobachten. Es wurde festgestellt, dass die bei der Belastung entstandenen Zwillinge bei der Entlastung wieder ganz verschwinden können. Bei längerer mechanischer Belastung können aber auch stabile Zwillinge entstehen, die eine dauernde Herabsetzung der piezoelektrischen Empfindlichkeit zur Folge haben. Herkömmliche Messelemente aus Quarz sind deshalb nur bis zu Temperaturen von etwa 200 bis 250 °C einsetzbar, was für die Anwendung in Verbrennungsmotoren, bei der an den Messstellen durchaus Temperaturen von mehr als 400 °C autreten können, die Verwendung einer entsprechenden Kühlung des Messelementes voraussetzt. Zur Verbesserung des Temperaturverhaltens besteht beim Transversaleffekt (im Gegensatz zum Longitudinaleffekt) die Möglichkeit, den Kristallschnitt so festzulegen, dass der wirksame piezoelektrische Koeffizient in einem bestimmten Temperaturbereich relativ unabhängig von der Temperatur bleibt. Damit können Messelemente hergestellt werden, die bis zu einer Temperatur von etwa 350 °C einsetzbar sind. Gleichzeitig weisen derartige Kristallschnitte in der Regel eine geringere Neigung zur Zwillingsbildung auf. Galliumorthophosphat (GaPO4 ) Speziell für Hochtemperaturanwendungen wurde das Piezomaterial Galliumorthophosphat (GaPO4 ) entwickelt, vgl. Krempl et al. (1997), das sich insbesondere durch eine hohe und von der Temperatur weitgehend unabhängige piezoelektrische Empfindlichkeit auszeichnet. Die Kristallstruktur von Galliumorthophosphat kann aus α-Quarz abgeleitet werden, indem Silizium abwechselnd durch Gallium und Phosphor ersetzt wird, siehe Abb. 9.8. α-Galliumorthophosphat ist bis zu einer Temperatur von 933 °C stabil und wandelt sich darüber in den Hochcristobalittyp um. Bemerkenswert an Galliumorthophosphat sind vor allem folgende Eigenschaten: • temperaturbeständig bis über 900 °C, • eine im Vergleich zu Quarz etwa doppelt so hohe Empfindlichkeit, die bis weit über 500 °C nahezu unverändert bleibt (vgl. dazu Abb. 9.9), • hoher elektrischer Isolationswiderstand bis zu hohen Temperaturen, • stabil gegen spannungsinduzierte Zwillingsbildung, • kein pyroelektrischer Effekt.

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Verbrennungsdiagnostik

559

Abb. 9.8 Kristallstruktur von Galliumorthophosphat

d 11 [pC/N]

6 5

Galliumorthophosphat

4 3

Quarz

2 1 0 200

400

600

800

1000

1200

Temperatur [°C]

933

Galliumorthophosphat Quarz

Hochcristobalit

α-GaPO4

α-Quarz

Tridymit

β -Quarz 573

870

Abb. 9.9 Temperaturabhängigkeit der piezoelektrischen Konstante d11 für Quarz und Galliumorthophosphat

Aufgrund des ausgezeichneten Temperaturverhaltens und der hohen Empfindlichkeit eignet sich Galliumorthophosphat besonders gut für den Bau von ungekühlten Miniaturdruckaufnehmern. Andere Piezomaterialien Neben Quarz und Galliumorthophosphat gibt es noch eine Reihe weiterer Piezomaterialien, die jedoch aufgrund verschiedener Nachteile (insbesondere aufgrund der Temperaturabhängigkeit bestimmter Eigenschaten) nur bedingt für den Einsatz in der motorischen Druckmesstechnik geeignet sind. Dazu gehören z. B.:

560

• • • •

G.P. Merker und R. Teichmann

Turmalin, Langasit, Lithiumniobat (LiNbO3 ) und Lithiumtantalat (LiTaO3 ), Piezokeramiken (Bariumtitanat etc.).

Aufbau von piezoelektrischen Druckaufnehmern Die hervorragenden Eigenschaten bestimmter piezoelektrischer Materialien wie Quarz und Galliumorthophosphat stellen eine sehr gute Basis für die präzise Druckmessung im Brennraum eines Verbrennungsmotors dar. Aber erst die optimale Kombination der verwendeten Piezomaterialien mit einem exakt abgestimmten Gehäuse lässt einen genauen Druckaufnehmer entstehen. Aufgrund der Vielfalt der Anforderungen für den Einsatz der Druckaufnehmer im Verbrennungsmotor (Einbauraum, Temperaturbelastung, mechanische Verformung der Einbaustelle, autretende Beschleunigungen, etc.) haben sich verschiedene Ausführungen durchgesetzt. Der prinzipielle Aufbau der Aufnehmer ist aber ähnlich und soll am Beispiel des in Abb. 9.10 dargestellten wassergekühlten Quarzdruckaufnehmers für den Longitudinaleffekt gezeigt werden. Der zu messende Druck p wirkt über eine biegeweiche Membrane und eine kurze steife Druckplatte auf das piezoelektrische Messelement. Der

Abb. 9.10 Aufbau eines piezoelektrischen Druckaufnehmers nach dem Longitudinaleffekt (Fa. AVL)

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Verbrennungsdiagnostik

Abb. 9.11 Ungekühlter Miniaturdruckaufnehmer nach dem Transversaleffekt (Fa. AVL)

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Messelement

Druckplatte kommt dabei die Aufgabe zu, im Messelement einen möglichst gleichmäßigen mechanischen Spannungszustand zu erzeugen. Mit der zwischen Messelement und Druckplatte eingebauten Kompensationsscheibe werden Wärmeausdehnungsunterschiede ausgeglichen. Das Messelement sowie die Membrane sind von einem Wassermantel umgeben und werden im Betrieb intensiv gekühlt. Dadurch wird das Messelement beim Einsatz im Motor nur wenig wärmer als das Kühlwasser (typischerweise bis etwa 10 bis 20 °C über der Kühlwassertemperatur). Zur Erhöhung der Ladungsabgabe werden mehrere scheibenförmige Messelemente aus Quarz eingesetzt. Die einzelnen Quarzscheiben werden derart metallbeschichtet, dass durch Überleitungsbrücken mit Kontaktzungen einerseits und Isolierzonen andererseits die elektrische Parallelschaltung gewährleistet ist. Das Druckaufnehmergehäuse ist mit der Pluselektrode des Messelementes elektrisch verbunden und stellt somit die elektrische Masse dar. Die Negativelektrode ist mit einer gegenüber dem Gehäuse hochisolierten Steckverbindung an der Rückseite des Aufnehmers verbunden, über die die elektrische Ladung abgegeben wird. Moderne Verbrennungsmotoren in Mehr-Ventil-Technik verlangen aufgrund ihrer kompakten Bauweise die optimale Nutzung des verfügbaren Einbauraumes durch den Einsatz von Miniaturdruckaufnehmern. Abbildung 9.11 zeigt den Aufbau eines derartigen Miniaturdruckaufnehmers (Transversaleffekt). Miniaturdruckaufnehmer müssen in der Regel ohne Wasserkühlung auskommen, wodurch sich vor allem sehr hohe Anforderungen an die Piezomaterialien (hohe Temperaturbeständigkeit und Unabhängigkeit der messtechnischen Eigenschaten in einem weiten Temperaturbereich) und an die Konstruktion der Aufnehmer ergeben. Heute verfügbare Miniaturdruckaufnehmer haben eine Güte erreicht, die mit der Güte hochpräziser wassergekühlter Druckaufnehmer vergleichbar ist und damit deren Einsatz für genaue thermodynamische Analysen ermöglichen. Druckaufnehmerkühlung Obwohl sich für viele Anwendungen ungekühlte Druckaufnehmer durchgesetzt haben, werden für Präzisionsdruckmessungen auch heute noch wassergekühlte Druckaufnehmer eingesetzt, die, wegen der notwendigen Kühlung, ein entsprechendes Kühlsystem erfordern. Durch die direkte Wasserkühlung von Membrane und Messelement ergeben sich folgende Vorteile:

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G.P. Merker und R. Teichmann

• Vermeidung der Überhitzung des Messelementes, • Verringerung des Temperatureinflusses auf die Empfindlichkeit (Quarz) und die thermische Drit, • keine Abnahme des Isolationswiderstandes durch hohe Temperaturen, • der (bündige) Einbau des Druckaufnehmers auch an thermisch hochbelasteten Messstellen wird vereinfacht. Leider sind wasserkühlte Druckaufnehmer nur bis zu einem Durchmesser von 8 mm erhältlich, was bei beengten Einbausituationen die Adaption erschwert. Wichtig ist, dass die Kühlung der Druckaufnehmer konstant und pulsationsfrei erfolgt, d. h. dass weder durch die Kühlmittelpumpe selbst noch von außen Schwingungen auf das Kühlmedium übertragen werden, die sich als Fehler im Messsignal zeigen würden. Die Sicherstellung, dass wassergekühlte Druckaufnehmer in jedem Motorbetriebszustand ausreichend gekühlt werden, entscheidet über die Messgüte und letztendlich über die einwandfreie Funktion dieser Aufnehmer.

Absolutdruckmessende Sensoren Der Einsatz von absolutdruckmessenden Druckaufnehmern zur Indizierung wäre wünschenswert, doch haben bestehende piezoresistive und fiberoptische Prinzipien unter anderem einen hauptsächlichen Nachteil in der Temperaturbeständigkeit, wenn man die gleiche Einbausituation im Vergleich zu piezoelektrischen Sensoren voraussetzt. Um dieses zu kompensieren, gibt es die Möglichkeit zu kühlen (siehe vorigen Abschnitt) oder an Stellen zu messen, die eine deutlich geringere Temperaturbelastung aufweisen. Aufgrund der vereinfachten Handhabung haben sich piezoresistive Sensoren zur Niederdruckindizierung (auf der Einlass- und Auslassseite) durchgesetzt. Nachfolgend werden sie grundlegend beschrieben. Piezoresistive Druckaufnehmer Bei piezoresitiven Druckaufnehmern wird der Effekt ausgenutzt, dass durch den Einfluss des Druckes elektrische Widerstände verändert werden. Solche Druckaufnehmer sind sowohl für statische als auch dynamische Anwendungen geeignet. Sie sind passiv, benötigen also eine Speisung. Zum Einsatz kommen vor allem metallische Dehnmessstreifen (DMS) und Halbleiter-DMS. Metallische Dehnmessstreifen (DMS) sind in der Regel aus einer auf einen Trägerfilm aufgebrachten Metallfolie (z. B. Constantan) herausgeätzt und werden zur Messung von Deformationen aller Art eingesetzt. Die Widerstandsänderung resultiert aus zwei überlagerten Effekten. Zum einen bewirkt die Dehnung des Messkörpers eine Querschnittsverringerung und dadurch eine Erhöhung des Widerstandes (Geometrieeinfluss). Zum anderen verändert sich auch der spezifische Widerstand mit der Dehnung (Materialeinfluss). Während bei metallischen DMS der Geometrieeinfluss den größeren Anteil an der Widerstandsänderung bewirkt, überwiegt bei Halbleiter-DMS der Materialeinfluss. Im Ver-

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Verbrennungsdiagnostik

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gleich zu metallischen DMS ist der piezoresistive Effekt wesentlich ausgeprägter als bei Metallen (etwa Faktor 50). Er hängt von der Orientierung des Halbleiter-Einkristalles und von der Dotierung (Art, Dichte und Verteilung der Fremdatome, welche die Leitfähigkeit bestimmen) ab. Halbleiter-DMS werden zur Druckmessung entweder ebenfalls auf eine solche Struktur aufgeklebt oder das Halbleitermaterial ist direkt aufgesputtert, so dass eine intensive Verbindung gewährleistet ist, was die Voraussetzung für Hysteresefreiheit, Alterungs- und Temperaturbeständigkeit ist. Obwohl der piezoresistive Effekt nicht allein dieser Gruppe vorbehalten ist, hat sich die Bezeichnung piezoresistiver Druckaufnehmer für diejenigen eingebürgert, bei denen die elastische, sich unter Druck deformierende Struktur und die Widerstände in einem Chip integriert sind. Das Verhalten eines piezoresistiven Druckaufnehmers verändert sich mit der Temperatur. Während temperaturbedingte Nullpunktverschiebungen offensichtlich sind und vom Anwender leicht erkannt und überprüt werden können, sind temperaturbedingte Änderungen der Empfindlichkeit und der Linearität weniger auffällig und werden deshalb ot übersehen. Die Ursache für die Nullpunktverschiebung kann eine Summe verschiedener Effekte sein, z. B.: • unterschiedliche Widerstandswerte oder verschiedene Temperaturkoeffizienten der einzelnen Widerstände in der Messbrücke, • mechanische Spannungen aufgrund der Montage der Messzelle auf ihrem Träger, die sich mit der Temperatur verändern, • falls Öl als Übertragungsmedium genutzt wird, kann die Ausdehnung des Öls in Verbindung mit der Steifigkeit der Stahlmembrane dazu führen, dass sich ein Druck im Aufnehmer aufbaut. Empfindlichkeitsänderungen sind durch die Abnahme des piezoresistiven Wirkungsfaktors mit zunehmender Temperatur bedingt. Die Brückenschaltungen werden in der Praxis so ausgeführt, dass diese Abnahme automatisch kompensiert wird. In einem Temperaturbereich von ca. 10 bis 80 °C kann die Änderung der Empfindlichkeit auf weniger als 1 % eingeschränkt werden. Auch die Linearität verändert sich etwas mit der Temperatur, dies kann aber in der Praxis meist vernachlässigt werden. Aufgrund des eingeschränkten Temperaturbereiches und wegen ihrer Baugröße sind piezoresistive Druckaufnehmer für eine Zylinderdruckindizierung wenig geeignet. Piezoresistive Druckaufnehmer werden allerdings häufig für die instationäre Druckmessung im Einlass- bzw. Auslasssystem eingesetzt. Infolge der insbesondere im Auslasssystem autretenden hohen Wärmeübergänge sind entsprechende Maßnahmen zur Reduktion der Temperaturbelastung des Aufnehmers unumgänglich (z. B. Einbau des Sensors im Umschaltbzw. Kühladapter oder weit zurückversetzter Einbau). Um diese Nachteile zu minimieren hat es in letzter Zeit eine Reihe von Entwicklungen gegeben, die zum Ziel hatten, den Druck direkt, d. h. ohne Übertragungsglied, über die Wheatstone’sche Brücke zu messen und gleichzeitig den Temperatureinsatzbereich zu

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G.P. Merker und R. Teichmann

erweitern. Dies wurde zum Beispiel dadurch erreicht, in dem die Halbleiterwiderstände in Siliziumoxid verpackt wurden, das gleichzeitig als Isolator dient. Diese Technologie (silicon on silicon) erlaubt den Bau kleinerer Aufnehmern. Der trotzdem vorhandene Temperatureinfluss auf den Messwert konnte wesentlich durch den Einsatz einer digitalen Fehlerkompensation verbessert werden. Fiberoptische Druckaufnehmer Fiberoptische Druckaufnehmer bestehen im Wesentlichen aus einer metallischen Membrane, die mit dem Aufnehmergehäuse verschweißt ist, und zwei Lichtwellenleitern. Über einen dieser Leiter wird ein optisches Signal gesendet, das an der Rückseite der Membrane reflektiert und über den zweiten Leiter einem Empfänger zugeführt wird. Aufgrund der Druckbelastung verschiebt sich die Membrane, was unter anderem zu einer Änderung in der empfangenen Lichtintensität führt. Für die Druckmessung wird nach Wlodarczyk (1999) nur ein sehr schmaler Bereich der Membranbewegung herangezogen, typischerweise etwa 20 μm. Fiberoptische Druckaufnehmer werden für die Motorüberwachung verwendet, für hochgenaue Zylinderdruckindizierungen sind sie derzeit nur bedingt geeignet.

Ladungsverstärker Die vom piezoelektrischen Druckaufnehmer erzeugte Polarisationsladung wird mit Hilfe eines Ladungsverstärkers in ein Spannungssignal umgewandelt, das den nachgeschalteten Datenerfassungs- und Auswertegeräten zur weiteren Verarbeitung zugeführt wird. Entsprechend dem in Abb. 9.12 oben dargestellten Schaltplan besteht ein Ladungsverstärker im Wesentlichen aus einem Verstärker V mit sehr hoher innerer Spannungsverstärkung und einem Gegenkopplungskondensator CG . Wird vom piezoelektrischen Druckaufnehmer DA eine Ladung geliefert, so entsteht eine geringe Spannungserhöhung am Eingang des Verstärkers V. Diese Spannungserhöhung erscheint stark verstärkt und negativ am Ausgang – die Ausgangsspannung weist also eine gegenüber der Eingangsspannung negative Polarität auf. Der damit negativ vorgespannte Gegenkopplungskondensator nimmt entsprechend Ladung vom Eingang ab und hält damit den Spannungsanstieg am Verstärkereingang klein. Moderne Ladungsverstärker haben heute zusätzlich die Möglichkeit Sensoren zu erkennen und so die entsprechend erforderlichen Daten zur automatischen Parametrierung des Messkanals bereitzustellen. Bei der hier notwendigen Anwendung der Sensoren in heißer Umgebung kommen entweder durch das Messkabel mit dem Sensor verbundene Halbleiterspeicher (TEDS – Transducer Electronic Data Sheet) oder im Sensor eingebaute mit einer hardcodierten Kennung versehene temperaturbeständige SAW-Elemente (Surface Acoustic Waves) zum Einsatz. Letztere haben den Vorteil, dass • die Messleitung auch zur Kennungsabfrage genutzt werden kann, • die Messleitung selbst auf volle Funktion überprüt werden kann und • durch den Einbau der Kennung in den Sensor diese nie verloren gehen kann.

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Verbrennungsdiagnostik

565 Long

RG

Short Reset CG

I IIso

IE

V

UE UA

DA

CK

RISO

Ladungsverstärker

Abb. 9.12 Schaltbild und Ausführung eines Ladungsverstärkers (Fa. AVL)

Die Sensorkennung erhöht die Messsicherheit durch die eindeutige Erkennung des angeschlossenen Sensors und die damit mögliche automatische Parametrierung des Messkanals reduziert drastisch die Fehleranfälligkeit. Weiterhin kann durch eine automatische Dokumentation des genutzten Sensors im Messfile eine lückenlose Rückverfolgbarkeit der gerüsteten Messkette sichergestellt werden. Beide Technologien genügen dem Standard IEEE 1451.4. Neben der Signalkonditionierung und der Sensorkennung liefern speziell ausgerüstete Verstärker auch berechnete Messwerte (z. B. Zylinderspitzendruck, Geräuschauswertung), so dass für schnelle und einfache Aussagen über die Verbrennung keine komplette Indizierausrüstung mehr notwendig ist.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Indiziergerät Mit Hilfe eines Indiziergerätes (Abb. 9.13) wird das analoge Ausgangsspannungssignal des Ladungsverstärkers digitalisiert und aufgezeichnet. Die Datenerfassung enthält zumindest einen A/D-Wandler, eine Triggereinheit, die die Zuordnung der Messwerte zu den Kurbelwinkelwerten sicher stellt, einen oder mehrere Prozessoren für RT-Berechnungen (realtime) und einen schnellen Speicher zur vorübergehenden Speicherung der Roh- und RTDaten. Die Übernahme der Daten/Ergebnisse aus dem Datenerfassungsspeicher sowie weitere Berechnungen, die Datenablage und Darstellung der Werte erfolgt mit einem Rechner, der dazu bei einigen Geräten direkt eingebaut sein kann. Für die Digitalisierung wird typischerweise eine Auflösung von 14 Bit oder 16 Bit genutzt und die Datenerfassung geschieht mit Abtastraten von 800 kHz bis 1,2 MHz pro Kanal. Einen Anhaltspunkt auf die Frage, wie hoch die Abtastrate gewählt werden muss, um ein vorgegebenes Signal zu erfassen, liefert das Abtasttheorem nach Nyquist. Danach muss die Abtastrate mindestens doppelt so hoch sein wie die höchste vorkommende Signalfrequenz. Mit einer Abtastrate von 800 kHz sind bei 0,1° Kurbelwinkelauflösung Motordrehzahlen bis über 13.000 1/min problemlos messbar. Der typische Eingangsspannungsbereich je Kanal von −10 V bis +10 V besteht bei 16.384 Digitalschritten, was einer Auflösung von ca. 1,22 mV je Schritt entspricht. Um genaue Ergebnisse zu erzielen, sollte durch eine optimale Einstellung der Verstärkung der Betriebsbereich des A/D-Wandlers möglichst gut ausgenutzt werden. Die Auflösung des Kurbelwinkels bestimmt die Anzahl der Messpunkte, wobei zur Datenreduktion nur bestimmte Bereiche im Zyklus (z. B. Klopfbereich) mit entsprechend hoher Auflösung erfasst werden müssen. Sind harte Echtzeitberechnungen (RT) wie einfache Wärmefreisetzungen, Spitzendruck, Klopfkennwerte usw. für Regeleingriffe notwendig liefert diese das Indiziergerät direkt. Die Dauer einer Messung wird entweder vom in der Datenerfassung vorhandenen Speicher oder der Geschwindigkeit der Schnittstelle Datenerfassung-PC (IEEE1394, USB, Ethernet) bestimmt. Ist diese schnell genug, können die Messwerte schon während der

Abb. 9.13 Indiziergerät

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Verbrennungsdiagnostik

567

Abb. 9.14 Parametrieroberfläche

Messung für weitere Berechnungen im PC genutzt werden. Eine leicht zu handhabende Programmieroberfläche unterstützt den Nutzer dabei, seine eigenen Berechnungen leicht zu erstellen und trägt so zur individuellen Konfiguration des gesamten Messsystems bei. Die Parametrierung (Abb. 9.14) der gesamten Messkette, die Messsteuerung und die Visualisierung der Messdaten und berechneten Größen erfolgt heute ausschließlich mit PC basierter Sotware. Neben der Sicherstellung der eigentlichen Messfunktion handhabt die Indiziersotware die Schnittstelle und den Datenverkehr zu übergeordneten Systemen und/oder Subsystemen (z. B. Prüfstandsautomatisierung, Motor- oder Fahrzeugkalibriersystem mit oder ohne automatisierte Unterstützung). Die Vielfalt der Untersuchungsschwerpunkte bei heutigen Indiziermessungen und den damit verbundenen Messmöglichkeiten erfordert neben einer einfachen und konsistenten Messparametrierung die Dokumentation der Messkette als „zur Messung und zum Messergebnis gehörig“. Dieses kann z. B. im Messfile geschehen. Die Nutzung der Funktionalität Sensorkennung als auch die Erfassung der gerüsteten Komponenten der Messkette werden damit zur Voraussetzung.

Messverkabelung Die Messverkabelung dient zur Übertragung der Ladungs- und Spannungssignale. Aufgrund der geringen elektrischen Ladungsabgabe des piezoelektrischen Druckaufnehmers

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kommt vor allem der Verbindung zwischen Aufnehmer und Ladungsverstärker entscheidende Bedeutung zu. Sowohl für Messverkabelung als auch Ladungsverstärker werden sehr hohe Isolationswerte, Rauscharmut, Robustheit und einfache Handhabung gefordert.

Winkelaufnehmer Aufgrund der Ungleichförmigkeiten der Winkelgeschwindigkeit kann das Zeitsignal als Basis für die Messung dynamischer Größen am Verbrennungsmotor nicht zur Anwendung kommen. Vielmehr bietet sich der nahezu zeitproportionale Kurbelwinkel an und wird auch praktisch ausschließlich verwendet. Dazu liefert ein an der Kurbelwelle des Verbrennungsmotors angebrachter Winkelaufnehmer (Abb. 9.15) dieses Signal. Aufgrund der Art der Datenerfassung und Datenverarbeitung kommen praktisch nur digitale Winkelmessprinzipien in Frage. In der Regel werden eine Triggermarke zur Synchronisation (Triggerung) nach jeder Umdrehung und eine Reihe von Winkelmarken (zumeist 360 oder 720 Marken pro Umdrehung) für die Winkelinformation verwendet. Neben den von dieser Einheit mechanisch zur Verfügung gestellten Winkelmarken kann eine weitere erhöhte Auflösung durch entsprechend höhere Anzahl von Winkelmarken pro Umdrehung separat oder im Indiziergerät erzeugt werden und ermöglichen damit eine Auflösung bis zu 0,025 °KW. Dabei gilt: Je höher die (mechanisch) vorhandenen Rohwinkelmarken, desto einfacher und sicherer die Vervielfachung im dynamischen Motorbetrieb. Für die Erzeugung des Winkelsignals werden je nach Anforderung unterschiedliche Prinzipien der Signalerzeugung verwendet: • Hall-Sensoren Der Halleffekt beruht darauf, dass elektrische Ladungsträger in einem Magnetfeld abgelenkt werden. An einem stromdurchflossenen leitenden Plättchen wird senkrecht zu Strom und Magnetfeld die sogenannte Hallspannung abgegriffen. Hall-Sensoren sind auch für geringe Drehzahlen geeignet, die Genauigkeit dieser Sensoren ist allerdings relativ gering. Gleichzeitig ist eine systemimmanente Signalverzögerung bei hochgenauen Indiziermessungen zu berücksichtigen.

Abb. 9.15 Winkelaufnehmer

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Verbrennungsdiagnostik

Abb. 9.16 Messprinzipien von Winkelaufnehmern

569 Induktiv

Optisch

• Induktive Sensoren Induktive Sensoren bestehen aus einem Dauermagnet, der hinter einem Weicheisenkern mit einer Spule angeordnet ist, siehe Abb. 9.16 links. Bewegt man einen magnetisch leitfähigen Markenträger (z. B. Zahnrad) vor dem Sensor, so ändert sich der magnetische Fluss im Weicheisenkern und induziert damit eine Spannung in der Spule. Induktive Sensoren werden meist in Verbindung mit am Motor bereits vorhandenen Zahnrädern eingesetzt. Die dabei erzielbare Genauigkeit und Winkelauflösung hängt stark von der mechanischen Ausführung der Geberräder ab, weshalb diese Art von Aufnehmern hauptsächlich für Überwachungszwecke und/oder Drehzahlmessungen verwendet wird. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Relativbewegungen von Sensorkopf und Markenträger das Signal beeinflussen. Weiterhin weisen induktive Sensoren eine starke Drehzahlabhängigkeit der Ausgangsspannung auf, wodurch niedere Drehzahlen schwer zu detektieren sind. Der Digitalisierung eines Induktivsignals kommt unter diesen Umständen eine besondere Bedeutung zu. • Optische Sensoren Als Messprinzip wird dabei das der Lichtschranke verwendet, siehe Abb. 9.16 rechts. Je nach Anordnung kommt das Durchlicht- oder Reflexionslichtverfahren zur Anwendung. Optische Winkelaufnehmer erfüllen durch die Möglichkeit einer sehr genauen Strukturierung der Markenscheiben hohe Genauigkeitsanforderungen (auch bei kleinen Dimensionen). Ein weiterer Vorteil liegt in der geringen Anfälligkeit gegenüber Störungen. Dieses gilt vor allem dann, wenn im Bereich großer Störfelder störungsfrei mit Lichtleitfasern gearbeitet wird. Die Winkelauflösung liegt gewöhnlich unter 1 °KW. Aufgabe der Winkelsensoren ist eine möglichst genaue Messung der Kurbelwellendrehbewegung relativ zum Kurbelgehäuse. Die Montage kann dafür grundsätzlich am freien Kurbelwellenende oder am Kurbelwellenende beim Abtrieb zum Verbraucher erfolgen. Daraus leiten sich folgende Möglichkeiten der Montage von Sensorkopf und Markenscheibe ab:

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Markenscheibe fest auf Kurbelwelle – Sensorkopf fest auf Kurbelgehäuse Diese Art der Montage wird üblicherweise für die Position am Abtrieb zum Verbraucher eingesetzt, da dadurch eine Durchführung der Welle zur Bremseinrichtung möglich ist. Nachteilig wirken sich Relativbewegungen zwischen der Markenscheibe und dem Sensorkopf aus, siehe Abb. 9.17 links. Als vorteilhat erweist sich hier die Verwendung einer Markenscheibe mit möglichst großem Durchmesser, um Winkelfehler zu minimieren. Abb. 9.17 Auswirkung der Relativbewegung von Markenscheibe und Sensorkopf

Markenscheibe fest auf Kurbelwelle – Sensorkopf axial und radial fest auf Kurbelwelle Die direkte Lagerung des Winkelaufnehmergehäuses (verdrehgesichert zum Kurbelgehäuse) am freien Ende der Kurbelwelle minimiert jegliche Relativbewegungen zwischen der Markenscheibe und dem Sensorkopf (Abb. 9.17 rechts). Die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der Montage führen – wie in Abb. 9.18 dargestellt – zu zwei generell unterschiedlichen Konstruktionen von Winkelaufnehmern. Bei den Winkelaufnehmern mit Eigenlagerung (links dargestellt) wird an das freie Kurbelwellenende ein Wellenstück angeflanscht, auf welchem auch die Markenscheibe fixiert ist. Der Sensorkopf ist drehbar auf dem angeflanschten Wellenstück gelagert und stützt sich gegen das Kurbelgehäuse ab. Die Abtastung der Markenscheibe mit dem Sensorkopf kann mit Durchlicht- oder Reflexionsverfahren erfolgen. Wird der Winkelaufnehmer auf der Abtriebsseite des Motors installiert, so ist der Sensorkopf getrennt von der Markenscheibe am Motorblock oder einer anderen Aufnahme befestigt (Abb. 9.18 rechts). Die besten Resultate können mit einem am freien Ende der Kurbelwelle gelagerten Winkelaufnehmer erzielt werden. Wichtig ist, dass dabei am zum Winkelaufnehmer nächsten Zylinder indiziert wird. In diesem Fall lassen sich eine minimale Kurbelwellentorsion und damit ein geringer Winkelfehler erwarten. Eine Montage auf der Nockenwelle oder auf einem Zwischentrieb soll auf Grund von Deformationen und Spiel in der Verbindung zur Kurbelwelle vermieden werden. Zur Vermeidung von Messfehlern ist weiterhin zu beachten, dass die Abstützung des Winkelaufnehmers zum Motorblock an einer vibrationsarmen Stelle gewählt wird und möglichst steif ausgeführt ist. Nutzen der Winkelsignale der Motorsteuerung Neben dem Einsatz der oben beschriebenen und zusätzlich zu montierenden Winkelaufnehmer besteht auch die Möglichkeit, direkt auf die Winkelmarkengenerierung der elek-

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Verbrennungsdiagnostik

Markenscheibe

571

Sensorkopf

Sensorkopf

Lagerung

Markenscheibe

Abb. 9.18 Beispiele ausgeführter Winkelaufnehmer (Fa. AVL)

tronischen Motorsteuerung zurückzugreifen. Typische Rastermaße sind 60 minus 2 Zähne oder 30 minus einen Zahn. Intelligente elektronische Schaltungen machen auch diese groben Rasterungen für eine ausreichend genaue Indizierung nutzbar. Hierbei sind insbesondere im transienten Betrieb geeignete Algorithmen notwendig, um immer die notwendige Anzahl an Kurbelwinkelmarken für ein Arbeitsspiel sicherzustellen. Dabei ist ein gutes Zusammenspiel zwischen Winkelaufbereitung und Indiziergerät notwendig. Diese Art der Kurbelwinkelgenerierung stellt vor allem für die Indizierung im Fahrzeug eine erhebliche Vereinfachung dar.

9.1.3 Einlüsse auf die Messgenauigkeit Äußere Einlüsse auf den Sensor Neben den grundlegenden Kenngrößen von piezoelektrischen Druckaufnehmern wie Messbereich, Empfindlichkeit, Linearitätsabweichung etc. sind bei der Anwendung vor allem jene Änderungen in den messtechnischen Eigenschaten von Bedeutung, die durch die während des Einsatzes wirkenden äußeren Einflüsse zu einer maßgeblichen Beeinflussung des Messergebnisses führen können. In Abb. 9.19 sind die wichtigsten Einflüsse dargestellt. Neben dem Druck selbst gehören dazu in erster Linie: • Temperatur und Wärmestrom Aufgrund der sehr hohen Arbeitsgastemperaturen bei der Verbrennung sind Druckaufnehmer im Betrieb sehr hohen Wärmestrombelastungen ausgesetzt. In extremen Fällen treten zyklische Wärmeströme mit einer Amplitude von mehr als 1000 W/cm2 (etwa bei klopfender Verbrennung) und mittlere Wärmeströme bis zu 50 W/cm2 auf.

572

G.P. Merker und R. Teichmann Temperatur im Druckaufnehmer

Vibration / Stoß 200 g / 1000 g

gekühlt / ungekühlt

Verformungsspannungen

20 °C / 200 °C

± 200 N/ mm2

40 °C / 400 °C ± 200 N/ mm2

100 °C / 500 °C - 200 N/ mm2

2400 °C / 200 bar

Chemischer Anriff / Ruß

Wärmestrom 50 W/cm2 – dauernd 1000 W/cm2 – zyklisch

Abb. 9.19 Äußere Einflüsse auf den Druckaufnehmer

Die daraus resultierenden hohen Temperaturen können bei ungekühlten Druckaufnehmern bis zu 500 °C im Frontbereich, bis zu 400 °C am Messelement und bis zu 200 °C an der Steckverbindung betragen. Bei gekühlten Aufnehmern liegt das Temperaturniveau naturgemäß wesentlich niedriger. Durch die intensive Kühlung liegen dabei die Temperaturen typischerweise im Frontbereich bei etwa 100 °C, die Temperaturen am Messelement bei etwa 40 °C und an der Steckverbindung bei ca. 20 °C. • Beschleunigungen Körperschall aber auch allgemeine Vibrationen des Motors verursachen Beschleunigungen am Druckaufnehmer. Während die durch Motorvibrationen bedingten Beschleunigungswerte mit etwa 200 g begrenzt sind, können aufgrund von Stoßbelastungen bis zu 1000 g am Aufnehmer autreten. Speziell bei hochdrehenden Rennmotoren und bei der Erfassung von Druckverläufen im Ein- und Auslasssystem können Beschleunigungseinflüsse die Qualität der Messung erheblich beeinflussen. • Verformungsspannungen Gas- und Massenkräte sowie die thermische Beanspruchung führen an der Einbaustelle des Druckaufnehmers zu Verformungsspannungen von bis zu 200 N/mm2 . Die daraus resultierenden Verformungen im Druckaufnehmergehäuse können zu Fehlern im Drucksignal führen. Entscheidend für die Verformungsempfindlichkeit von Druck-

9

Verbrennungsdiagnostik

573

aufnehmern ist neben der Konstruktion vor allem auch die Einbauart. Druckaufnehmer in Steckausführung sind in der Regel verformungsunempfindlicher als Gewindetypen, reagieren aber auf Temperatureinflüsse stärker als Gewindetypen. • Chemische Einflüsse und Ablagerungen Im Motor entstehen Verbrennungsprodukte, die zu Korrosionsschäden am Druckaufnehmer führen können. Zudem kommt es sowohl in Otto- als auch in Dieselmotoren zu Ablagerungen an der Oberfläche des Brennraumes und damit auch am Druckaufnehmer. Korrosionsschäden und Ablagerungen können das Messergebnis beeinflussen. Um die Reaktion auf diese einzelnen Einflüsse beschreiben und die Auswirkungen bei der Messung abschätzen zu können, werden bei piezoelektrischen Druckaufnehmern für den Einsatz in Verbrennungsmotoren neben den grundlegenden Spezifikationen eine Reihe weiterer Kenngrößen angegeben. Für einen Teil dieser Kenngrößen wurden spezielle Prüfmethoden entwickelt. Insbesondere die Temperatur- und Wärmestrombelastung übt einen sehr wesentlichen Einfluss auf die messtechnischen Eigenschaten von Druckaufnehmern aus. Dabei sind vor allem • die Änderung der Empfindlichkeit mit der Temperatur und • die thermische Drit (zyklische Temperaturdrit und Lastwechseldrit) von Bedeutung.

OT-Zuordnung Bei der thermodynamischen Analyse von Druckverläufen kommt der exakten Bestimmung des oberen Totpunktes eine entscheidende Bedeutung zu. Beispielhat sind in Abb. 9.20 links der Einfluss eines Winkelfehlers auf die Energiebilanz und rechts der Einfluss auf den Reibmitteldruck bei einem Dieselmotors dargestellt (Pischinger et al. 2002). Eine zu frühe Lage des OT, was eine Rechtsverschiebung des Zylinderdruckverlaufs bedeutet, bewirkt bei aufwärtsgehenden Kolben einen zu niederen Druck, bei abwärtsgeLL..Leerlauf VL..Vollast

∆QB [%]

∆Pr = 22, LL

25

ε = 14, LL

∆Pr [bar]

15

2,0 ε = 22, VL ε = 14, VL

10 5

ε = 14

1,0

ε = 22

0,5

OT liegt zu früh

OT liegt zu spät

1,5

OT liegt zu spät

-2,0

-1,0

-5

ε = 14 22

-10

ε = 14

-15

ε = 22

-20

1,0 ∆φ

2,0 [°KW]

-2,0 ε = 22

-1,0

OT liegt zu früh

-0,5

1,0 ∆φ

2,0 [°KW]

-1,0 -1,5

ε = 14

-2,0

Abb. 9.20 Einfluss des Winkelfehlers auf Energiebilanz und Reibmitteldruck (Dieselmotor)

574

G.P. Merker und R. Teichmann

henden Kolben einen zu hohen Druck. Eine scheinbar längere Nachverbrennungsphase und ein erhöhter Energieumsatz sind die Folge. Bei zurückversetzter OT-Lage kehren sich die Verhältnisse um. Die Auswirkungen von Winkelverschiebungen zeigen sich auch bei der indizierten Arbeit (indizierter Mitteldruck pi ), welche größer wird, wenn der OT zu früh liegt und umgekehrt. Man erhält dann größere bzw. kleinere Reibmitteldrücke. Die Zuordnung der Triggermarkierung zum oberen Totpunkt kann mit verschiedenen Methoden erfolgen: Statische Totpunktbestimmung Dabei wird zunächst am Motorblock eine Markierungsfahne (1) angebracht, die über einen drehenden Teil des Motors mit größtmöglichem Durchmesser (z. B. Schwungscheibe) ragt, siehe Abb. 9.21. Dann wird die Kurbelwelle solange gedreht, bis die Kurbelkröpfung und das Pleuel des Zylinders, an dem gemessen wird, ungefähr einen rechten Winkel einnehmen (Stellung a). In dieser Stellung wird die Höhenlage des Kolbens gemessen. Dazu wird ein Mikrometertaststit (2) über z. B. die Zündkerzenbohrung auf die Kolbenoberfläche gesetzt. Auf der Schwungscheibe wird diese Stellung gegenüber der Markierungsfahne gekennzeichnet (A). Nun wird der Kolben abgesenkt und durch Weiterdrehen der Kurbelwelle wieder angehoben, bis am Mikrometer wieder die gleiche Anzeige wie vorhin aufscheint (Stellung b). Auch diese Position wird auf der Schwungscheibe angezeichnet (B). Darauf wird die Distanz zwischen den beiden Anzeichnungen auf der Schwungscheibe halbiert. Dreht man nun die Kurbelwelle so weit, bis die Halbierung genau bei der Markierungsfahne zu stehen kommt, so befindet sich der Kolben im oberen Totpunkt. Totpunktbestimmung über thermodynamischen Verlustwinkel Aufgrund von Wärme- und Leckageverlusten kommt im geschleppten Motorbetrieb das Druckmaximum vor dem oberen Totpunkt zu liegen. Dieser Differenzwinkel zwischen

Abb. 9.21 Verfahren zur statischen OT-Bestimmung

9

Verbrennungsdiagnostik

575

Druckmaximum und dem OT wird als thermodynamischer Verlustwinkel bezeichnet, vgl. Pischinger et al. (2002). Der thermodynamische Verlustwinkel hängt von der Bauart des Motors und von der Drehzahl ab. Bei höheren Drehzahlen wird der thermodynamische Verlustwinkel geringer, da aufgrund der geringeren zur Verfügung stehenden Zeiten die Wärmeabgabe sinkt. Für die OT-Zuordnung wird der Motor geschleppt2 , aus dem gemessenen Druckverlauf das Druckmaximum bestimmt und der Druckverlauf entsprechend dem Verlustwinkel verschoben. Thermodynamische Einpassung Wie noch später bei der Zuordnung des Druckniveaus gezeigt, wird dabei durch einen Vergleich des gemessenen mit dem berechneten Druckverlauf eine Zuordnung zum OT möglich, siehe Feßler (1988). Totpunktbestimmung mit kapazitiven Sensoren Eine genaue Möglichkeit zur Bestimmung des oberen Totpunkts bieten kapazitive OTSensoren, siehe Abb. 9.22. Dies vor allem deshalb, weil direkt die Kolbenbewegung gemessen wird. Damit können Genauigkeiten von ± 0,1 °KW erreicht werden. Die Bestimmung erfolgt im Schleppbetrieb. Der OT-Sensor wird für die Messung im Zylinderkopf montiert, dazu werden bereits vorhandene Bohrungen für Zündkerze, Einspritzdüse oder Druckaufnehmer verwendet. Das Funktionsprinzip basiert auf einem kapazitiven Messverfahren bei dem der Sensor die Veränderungen der Kapazität zwischen dem Kolben und dem Sensorkopf misst. Die Kapazität verändert sich linear mit dem Abstand Kolben zu Sensorkopf. Im Fall eines 4-Takt Motors weist das Ausgangssignal des OT-Sensors sowohl im Ladungswechsel-OT und im Zünd-OT ein Maximum auf. Wegen des Spiels in den Gleitlagern und des geringen Zylinderdrucks beim Ladungswechsel wird das Signal des Ladungswechsel-OT höher sein. Trotz des höheren Signals im Ladungswechsel-OT ist für eine maxima-

Abb. 9.22 Aufbau und Montage eines kapazitiven OT-Sensors (Fa. AVL)

Elektronik Sensor Klemmung Adapter

Min. Abstand 1.5mm im Ladungswechsel-OT

2

Bei Mehrzylindermotoren kann die OT-Bestimmung auch im gefeuerten Betrieb mit einem stillgelegten Zylinder erfolgen, in welchem der OT bestimmt wird.

576

G.P. Merker und R. Teichmann Aufwand OT-Sensor

hoch

statisch

mäßig

thermodynamische Einpassung Thermodynamischer Verlustwinkel

gering

Genauigkeit gering

mäßig

hoch

Abb. 9.23 Vergleich von Aufwand und Genauigkeit verschiedener Verfahren zur OT-Bestimmung

le Genauigkeit das Signal des Zünd-OT zu verwenden. Dies einerseits um die im realen Betrieb autretenden Deformationen berücksichtigen zu können, andererseits weil beim Ladungswechsel die Ventilbewegungen die Kapazität der jeweiligen Kolbenpositionen beeinflussen und damit das Ergebnis verfälschen können. Die Bestimmung der tatsächlichen OT-Lage aus dem Ausgangssignal des Sensors kann wegen des flachen Signalverlaufs in OT-Nähe und der Auflösung der Signalabtastung nicht über das Signalmaximum erfolgen. Es wird daher folgender Algorithmus verwendet: Im steigenden Ast wird bei einem bestimmten Winkelwert (ca. 15 °KW bis 5 °KW vor OT) die Amplitude gemessen und der entsprechende Winkel zur gleichen Signalamplitude im fallenden Ast ermittelt. Die Halbierung des Winkelbereiches ergibt die OT-Lage. Der Vorgang wird mehrmals wiederholt und ein Mittelwert bestimmt. Die beschriebenen Methoden zur Zuordnung zum OT unterscheiden sich grundsätzlich hinsichtlich Aufwand und der erzielbaren Genauigkeit, für Details siehe Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000). Eine Bewertung ist in Abb. 9.23 dargestellt. Die statische Bestimmung des oberen Totpunkts führt insbesondere aufgrund des nicht ideal starren mechanischen Aufbaus von Verbrennungskratmaschinen zu Ungenauigkeiten und ist zudem relativ aufwendig. Das Verfahren des thermodynamischen Verlustwinkels ist einfach, man ist allerdings auf Erfahrungswerte angewiesen, die nicht immer zur Verfügung stehen und Unsicherheiten mit sich bringen. Eine genauere Zuordnung zum oberen Totpunkt lässt sich mit kapazitiven OT-Sensoren und der thermodynamischen Einpassung erreichen, der Aufwand ist aber jedenfalls hoch. Die thermodynamische Einpassung basiert auf einer Berechnung des Schleppdruckverlaufes und setzt die genaue Kenntnis der Ladungsmasse sowie des Wärmeüberganges und der Leckage voraus. Insbesondere die Berücksichtigung des Wärmeüberganges führt dabei zu Unsicherheiten.

9

Verbrennungsdiagnostik

577

Bestimmung des Druckniveaus Mit piezoelektrischen Druckaufnehmern kann Prinzip bedingt nur der wechselnde Druckanteil gemessen werden, nicht jedoch der physikalisch korrekte Absolutdruck p. Der gemessene Druckverlauf pMess muss somit nach (9.6) um den Betrag Δpn (Nulllinienverschiebung) korrigiert werden. (9.6) p(φ) = pMess (φ) + Δp n .

Da ein korrekter Druckverlauf Grundlage für eine genaue Brennverlaufsrechnung ist, kommt der Nulllinienfindung eine zentrale Bedeutung zu. Ein positiver Nullpunktsfehler (+Δp) hat zu große Zylinderdrücke zur Folge, was vor OT zu kleineren und nach OT zu größeren Umsetzraten führt. Bei negativen Nullpunktsfehler (–Δp) verhält es sich gerade umgekehrt. Da der größte Teil der Energieumsetzung nach dem OT stattfindet, überwiegen die Veränderungen in diesem Teil des Brennverlaufes. Typische Auswirkungen eines Nullpunktfehlers auf die Energiebilanz sind in Abb. 9.24 links für einen Dieselmotor und rechts für einen Ottomotor dargestellt, siehe Pischinger et al. (2002). ΔQB [%] 15

Leerlauf ΔQB

10 5

10

Vollast

5

-0,3 -0,2 -0,1 -5

0,1 0,2 0,3 0,4 Δ p [bar]

-0,1

-5

[%] Leerlauf Halblast Vollast 0,1 0,2 0,3 Δp [bar]

Abb. 9.24 Auswirkung eines Nullpunktfehlers auf die Energiebilanz

Es existieren eine Reihe unterschiedlicher Verfahren zur Bestimmung des Druckniveaus. Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung von Umschaltadaptern, bei denen der Druckaufnehmer kurzzeitig mit einem Referenzdruck (meist Umgebungsdruck) beaufschlagt wird. Umschaltadapter werden für die Zylinderdruckmessung wegen ihres großen Platzbedarfes und der möglichen hohen Drücke beim Schaltvorgang kaum eingesetzt, sie eignen sich aber grundsätzlich sehr gut für die Indizierung im Ein- und Auslassbereich, vgl. Abschn. 9.1.2. Bei der Niveauzuordnung des Zylinderdruckverlaufes wird grundsätzlich zwischen Referenzverfahren und thermodynamischer Nulllinienfindung unterschieden: Referenzverfahren Beim Fixpunkt-Verfahren wird der gemessene Zylinderdruck pMess bei einem bestimmten Kurbelwinkel φRef (Referenzwinkel) auf einen vorgegeben Druckwert pFix (Referenzpunkt) gesetzt. Um den Einfluss von Störsignalen/Ausreißern beim gemessenen Zylinderdruckverlauf auf das Verfahren zu minimieren, wird eine Signalmittelung des gemessenen

578

G.P. Merker und R. Teichmann

Druckverlaufs pMess im Bereich des Referenzwinkels φRef durchgeführt, siehe (9.7). Δp n = pFix −

 LOT+N ∑ pMess (φ) . N +  φ=LOT

(9.7)

Als Referenzwert dient häufig der Umgebungsdruck pU , der dem Zylinderdruck im Ladungswechsel-OT gleichgesetzt wird. Diese Annahme ermöglicht allerdings nur bei ungedrosselten Saugmotoren eine hinreichend genaue Niveauzuordnung. Eine weitere Möglichkeit basiert auf der Annahme, dass der Zylinderdruck während der Ansaugphase in guter Näherung dem Saugrohrdruck entspricht. Daher kann der Zylinderdruck im Bereich des unteren Ladungswechseltotpunktes (LUT) nach (9.8) gleich dem gemittelten Druck im Saugrohr gesetzt werden. Δp n = p Saug − _

 LUT+N ∑ pMess (φ) . N +  φ=LUT

(9.8)

Als Alternative dazu kann auch der Zylinderdruck bei maximalem Einlassventilhub gleich dem mittleren Saugrohrdruck gleichgesetzt werden. Die Genauigkeit der Nulllinienfindung mit Hilfe des Saugrohrdrucks lässt sich signifikant erhöhen, wenn man anstelle des gemittelten Saugrohrdrucks den kurbelwinkelaufgelösten zylinderspezifischen Saugrohrdruckverlauf zur individuellen Nulllinienfindung verwendet. Dabei wird der Druck zwischen dem maximalen Einlassventilhub und dem Ladungswechsel-UT gleich dem in diesem Bereich gemessenen Saugrohrdruckverlauf gesetzt. Bei modernen Indiziersystemen lässt sich der Bereich der Mittelung frei wählen, so dass die Nulllinienfindung den Gegebenheiten optimal angepasst werden kann. Thermodynamische Nulllinienindung Die thermodynamische Nulllinienfindung basiert auf einem Vergleich des gemessenen mit einem berechneten Druckverlauf. Ein relativ einfaches Verfahren dazu stellt ein Verfahren von Hohenberg (1983) dar, das von einem konstanten Polytropenexponenten n in einem bestimmten Kurbelwinkelbereich ausgeht. Für die polytrope Verdichtung gilt (9.9): V κ p Mess + Δp n =( ) =C . p Mess + Δp n V

(9.9)

Damit ergibt sich in weiterer Folge für Δpn (9.10): Δp n =

C ⋅ p Mess − p Mess . −C

(9.10)

9

Verbrennungsdiagnostik

579

Tab. 9.2 Bewertung der Verfahren zur Nulllinienfindung

Messtechnischer Zusatzaufwand Genauigkeit Verfahren echtzeitfähig

Fixpunktkorrektur

Mittlerer Saugrohrdruck

Kurbelwinkelaufgelöster Saugrohrdruck

Konstanter Polytropenexponent

Berechneter Schleppdruckverlauf

Nein

(Ja)

Ja

Nein

Nein

Mäßig Ja

Mäßig Ja

Gut Ja

Gut Ja

Sehr gut Nein

Als Polytropenexponent n sind folgende Werte empfehlenswert: für Dieselmotoren und für Ottomotoren im geschleppten Betrieb für Ottomotoren mit Verbrennung

n = 1,37 . . . 1,40 n = 1,32 . . . 1,33

Für die beiden Kurbelwinkelwerte φ1 und φ2 empfehlen sich folgende Bereiche: φ1 = 100 °KW φ2 = 60 °KW

80 °KW vor ZOT 70 °KW vor ZOT

Diese Art der Nulllinienfindung wird in der Praxis häufig verwendet, da sie trotz ihrer Einfachheit und Schnelligkeit eine gute Genauigkeit in der Berechnung liefert. Die Hauptunsicherheit dieses Verfahrens liegt in der Verwendung eines konstanten Polytropenexponenten. Um diesen Einfluss zu minimieren, sollte das Kurbelwinkelintervall so klein wie möglich gewählt werden. Eine weitere Schwachstelle zeigt sich, wenn dem Druckverlauf in diesem Kurbelwinkelbereich Signalstörungen (z. B. verursacht durch Körperschall) überlagert sind. Das von Feßler (1988) vorgestellte thermodynamische Einpassverfahren geht hingegen von einer wesentlich detaillierteren Berechnung des Schleppdruckverlaufs aus, wobei der Wärmeübergang, die Leckage und die im Zylinder befindlichen Massen Berücksichtigung finden. Durch die Minimierung der Fläche zwischen dem errechneten und dem gemessenen Druckverlauf in einem bestimmten Kurbelwinkelbereich kann das Druckniveau zugeordnet werden. Der Kurbelwinkelbereich sollte dabei so groß als möglich gewählt werden, d. h. bei Schleppdruckverläufen der gesamte Hochdruckbereich und bei gefeuerten Druckverläufen der Bereich zwischen Einlassschluss und Brennbeginn3 . Dieses Ver3

Bei Motoren mit Otto-Direkteinspritzung muss für die Anwendbarkeit dieses Verfahrens ein Verdampfungsmodell, das die unterschiedlichen Stoffwerte und die dem Arbeitsgas durch die Verdampfung des Kratstoffes entzogene Enthalpie berücksichtigt, eingeführt werden und/oder der Einpassbereich bis zum Einspritzbeginn verkürzt werden, was sich negativ auf die Genauigkeit des Verfahrens auswirken kann. Ähnliches gilt für DI Dieselmotoren bei Verwendung einer Voreinspritzung.

580

G.P. Merker und R. Teichmann

fahren ist insbesondere auch für die Zuordnung der gemessenen Druckkurve zum oberen Totpunkt und für die Bestimmung des Verdichtungsverhältnisses geeignet. In Tab. 9.2 findet sich eine Bewertung der einzelnen Verfahren bezüglich ihrer Anwendbarkeit.

9.1.4 Kennwerte infolge von äußeren Einlüssen auf den Sensor Temperaturbedingte Empindlichkeitsänderung Die Empfindlichkeit jedes piezoelektrischen Druckaufnehmers verändert sich mit dessen mittlerer Temperatur. Je nach verwendetem Piezomaterial bestehen unterschiedlich große Einflüsse: Quarz mit achsnormalem Schnitt (x-Cut) Quarz mit achsnormalem Schnitt (x-Cut) weist eine relativ starke Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur auf, weshalb dieser nur in wassergekühlten Druckaufnehmern zum Einsatz kommt. Durch eine geeignete Kühlung wird das Messelement selbst unter extremen Belastungen ständig innerhalb eines Temperaturbereiches von 10 bis 20 °C über der Temperatur des Kühlwassers gehalten. Temperaturstabil geschnittener Quarz Aufgrund eines speziellen Belastungswinkels (geeignete Schnittwahl in Bezug auf die kristallografischen Achsen) ist dabei die Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur wesentlich geringer als bei Quarz mit achsnormalem Schnitt. Temperaturstabil geschnittener Quarz eignet sich deshalb auch für den Einsatz in ungekühlten Druckaufnehmern. Die Einsatztemperatur dieser Aufnehmer ist aber mit etwa 350 °C beschränkt. Alternative Piezomaterialien Beispielsweise weist Galliumorthophosphat eine im Vergleich zu Quarz sehr geringe Abhängigkeit der Empfindlichkeit von der Temperatur auf und ist für Hochtemperaturanwendungen bis deutlich über 550 °C geeignet (vgl. Abb. 9.9). Die Änderung der Empfindlichkeit bei piezoelektrischen Druckaufnehmern wird in der Regel mit dem Temperaturkoeffizienten der Empfindlichkeit beschrieben, der die autretende Empfindlichkeitsänderung in Prozent von der nominellen Empfindlichkeit pro °C innerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches angibt. Bei kleinen Temperaturänderungen – z. B. bei Einsatz von wassergekühlten Druckaufnehmern – kann die Änderung der Empfindlichkeit vernachlässigt oder durch den mittleren Temperaturkoeffizienten berücksichtigt werden. Andernfalls ist eine Berücksichtigung des Temperatureinflusses möglich, wenn der Druckaufnehmer bei Einsatztemperatur, d. h. bei der mittleren, im Betrieb autretenden Messelementtemperatur kalibriert wird, oder die entsprechenden Herstellerangaben zur Korrektur genutzt werden.

9

Verbrennungsdiagnostik

581

Thermische Drift Bei Druckaufnehmern, die für Messungen an Verbrennungsmotoren verwendet werden, versteht man unter thermischer Drit diejenige „Druckanzeige“, die allein durch Temperaturänderungen an Druckaufnehmer und Montagestelle verursacht wird. hermische Driften stellen bei vielen Messungen den entscheidenden Messfehler dar. Neben der konstruktiven Ausführung des Druckaufnehmers wird die thermische Drit vor allem durch Größe und Verlauf der Druckaufnehmerbeheizung, die auch wesentlich von der Einbausituation des Druckaufnehmers abhängig ist, bestimmt. Bei der Druckindizierung an Verbrennungsmotoren sind zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Phänomene der thermischen Drit zu beobachten: • die zyklische Temperaturdrit und • die Lastwechseldrit.

Zyklische Temperaturdrift Dabei handelt es sich um die durch zyklische Beheizung des Druckaufnehmers autretende Fehldruckanzeige innerhalb eines Zyklus. Die zyklische Temperaturdrit wird auch als Kurzzeittemperaturdrit oder hermoschock bezeichnet. Da die zyklische Temperaturdrit in vielen Fällen über einen großen Kurbelwinkelbereich wirkt, ist der Einfluss bei Größen, die über ein Arbeitsspiel integriert werden (z. B. dem indizierten Mitteldruck pmi ), erheblich. Abbildung 9.25 zeigt den Einfluss eines charakteristischen Verlaufes der zyklischen Temperaturdrit auf die Bestimmung des indizierten Mitteldruckes und der Energiebilanz (Vergleich der pro Zylinder und Arbeitsspiel eingebrachten Kratstoffenergie mit der aus der Motorprozessrechnung berechneten, im Brennraum umgesetzten Energie unter Berücksichtigung der Umsatzverluste). Im Vergleich dazu wirkt sich ein druckproportionaler Fehler in derselben Größenordnung – wie er etwa durch eine Änderung der Empfindlichkeit hervorgerufen wird – wesentlich geringer aus. Die Bestimmung von Kennwerten zur Beschreibung der zyklischen Temperaturdrit erfolgt zum einen durch eine drucklose, zyklische Beheizung des Aufnehmers in einem speziellen Prüfgerät und zum anderen durch Vergleichsmessungen im realen Motorbetrieb. Bestimmung durch drucklose, zyklische Beheizung Dazu wird das in Abb. 9.26 links dargestellte Prüfgerät (Glaser 1983) eingesetzt, das es ermöglicht, den unbelasteten Druckaufnehmer einer zyklischen Beheizung ähnlicher Größe und Frequenz auszusetzen, wie sie auch im Motor autritt. Dem zu prüfenden Aufnehmer steht eine Strahlungsheizfläche gegenüber, die von einem rotierenden Blendenrad abgedeckt und wieder freigegeben wird, so dass am Aufnehmer der ebenfalls in Anhang 1 dargestellte Wärmestromverlauf entsteht. Die Strahlungsheizfläche wird elektrisch auf Temperaturen von über 2000 °C aufgeheizt, wodurch Wärmeströme von mehr als 100 W/cm2

582

G.P. Merker und R. Teichmann Z ylinderdruck [bar] 60 50 40

Abweichung im indizierten Mitteldruck Abweichung in der Energiebilanz

[% ]

30

20

20 10 0

-90

-60

-30

0 ZO T

30

60

10

0

D ruckproportionaler Fehler

D ruckdifferenz [bar]

Zyklische Temperaturdrift

0.4 0 -0.4 -0.8

-90

-60

-30

0 ZO T

30

60

90

120

150

Kurbelwinkel [°KW ]

180 UT

210

240

270

Abb. 9.25 Abweichungen im indizierten Mitteldruck und in der Energiebilanz durch einen druckproportionalen Fehler und durch zyklische Temperaturdrit Blende offen

Blendenrad

Blende geschlossen

. qo

Graphitheizfläche

Δq . qm . qu

0

Aufnehmer

0

30

60

90 Drehwinkel

120

150

180

[°]

Abb. 9.26 Dynamisches Prüfgerät zur Bestimmung der zyklischen Temperaturdrit

erzeugt werden können. Der Druckaufnehmer ist in einer massiven, gekühlten Stahlplatte bündig eingebaut. Als Kennwert für die zyklische Temperaturdrit wird die innerhalb eines Zyklus autretende maximale Druckabweichung des Druckaufnehmers bei einer bestimmten Frequenz des Blendenrades und bei einer bestimmten Strahlungsbeheizung herangezogen.

9

Verbrennungsdiagnostik

583

Dieses Verfahren eignet sich sehr gut für eine grundsätzliche Beurteilung des Aufnehmerverhaltens und für eine Vorauswahl von Aufnehmer mit besonders niedriger zyklischer Temperaturdrit. Die damit erzielten Ergebnisse sind aber nicht unmittelbar auf den Motorbetrieb übertragbar, weshalb die Bewertung von Aufnehmern auch im realen Motorbetrieb durchgeführt werden sollte. Bestimmung im Motorbetrieb mit Referenzdruckaufnehmer Dabei wird ein Kennwert für die zyklische Temperaturdrit aus der Differenz zwischen dem Druckverlauf des untersuchten Aufnehmers und eines Referenzaufnehmers bestimmt. Der Referenzaufnehmer muss dabei sehr hohen Genauigkeitsansprüchen genügen. In der Regel werden dazu wassergekühlte Aufnehmer mit sehr geringer zyklischer Temperaturdrit eingesetzt. Zudem kann die Membrane des Referenzaufnehmers mit Silikonkautschuk beschichtet werden, wodurch der durch die Verbrennung verursachte Wärmestrom in die Membrane stark verringert wird. Als Kennwert für die zyklische Drit wird die maximale Druckabweichung innerhalb eines Arbeitsspieles bei einem bestimmten Lastzustand des Motors angegeben. In Wimmer und Glaser (1996) wird beispielsweise eine nach dieser Methode durchgeführte Bewertung von ungekühlten Miniaturdruckaufnehmern gezeigt. Maßnahmen zur Verminderung der zyklischen Temperaturdrift Obwohl der Einfluss der zyklischen Temperaturdrit bei modernen Druckaufnehmern durch eine spezielle Konstruktion von Membrane und Gehäuse erheblich reduziert werden konnte, ist die zyklische Temperaturdrit nach wie vor einer der häufigsten aufnehmerbedingten Fehlerquellen. Die Hersteller sind bemüht, die Aufnehmerkonstruktion und hier insbesondere den Bereich der Membrane so zu optimieren, dass eine möglichst geringe zyklische Temperaturdrit autritt. Dabei unterstützt heute insbesondere der Einsatz der Finiten Elemente Methode die Aufnehmerkonstruktion (Karst 2000). Voraussetzung dafür ist neben einer realitätsnahen Modellierung auch die genaue Kenntnis der Randbedingungen, insbesondere die Kenntnis der an der Brennraumseite autretenden Wärmestromverhältnisse. Neben der Auswahl von Druckaufnehmern mit möglichst geringer zyklischer Temperaturdrit bieten sich auch seitens des Anwenders einige Möglichkeiten. Da die zyklische Temperaturdrit durch den in den Aufnehmer fließenden Wärmestrom verursacht wird, kann sie • durch die Wahl einer günstigen Einbauposition, • eines zurückversetzten Einbaus oder • durch den Einsatz eines hermoschutzes erheblich reduziert werden. Eine detaillierte Beschreibung der Maßnahmen findet sich in Wimmer und Glaser (2002) sowie Wimmer (2000).

584

G.P. Merker und R. Teichmann

Lastwechseldrift Das langsame Driten des Drucksignales nach einem Lastwechsel, d. h. einer Änderung der Beheizung über eine Reihe von Zyklen, wird als Lastwechseldrit bezeichnet. In älteren Publikationen findet sich auch die Bezeichnung Lang- und/oder Mittelzeitdrit. Die Lastwechseldrit äußert sich als relativ langsame Druckniveauverschiebung, die durch eine Temperaturänderung im gesamten Druckaufnehmer verursacht wird. Erst wenn der Druckaufnehmer im Mittel keine Temperaturänderung mehr erfährt, tritt keine weitere Niveauänderung mehr auf. Die Bestimmung von Kennwerten zur Beschreibung der Lastwechseldrit erfolgt im realen Motorbetrieb, wobei nach Betrieb bei einem bestimmten Lastpunkt durch Abschalten der Kratstoffzufuhr auf Schleppbetrieb übergegangen und damit ein rascher Wechsel der mittleren Beheizung des Druckaufnehmers (Lastsprung) erzeugt wird, siehe Abb. 9.27. Als Kenngrößen zur Spezifizierung der Lastwechseldrit werden aus dem dabei erfassten Mess-Signal in der Regel der maximale Nullpunktsgradient und die bleibende Veränderung des Druckniveaus nach einer bestimmten Zeit (20 s) her[bar] 50

Zylinderdruck

40 30 20 10 0 0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

Zeit [sec]

Lastwechsel Niveauverschiebung

[bar] max. Nullpunktsgradient dp/dt

1.0

bleibende Abweichung des Druckniveaus

0 -1.0

Lastwechseldrift

-2.0 0

2

4

6

8

10 Zeit [sec]

Abb. 9.27 Lastwechseldrit

12

14

16

18

20

9

Verbrennungsdiagnostik

585

angezogen. Dieser Fehler kann in modernen Ladungsverstärkern mit Dritkompensation im Allgemeinen gut korrigiert werden.

9.1.5 Varianten für die Sensoradaptierung Die moderne Brennraumindizierung wird – wenn möglich – über im Zylinderkopf vorhandene Bohrungen durchgeführt. Dabei kommen Adapter zur Anwendung, die ungekühlte Miniaturdruckaufnehmer bzw. Druckmesssonden enthalten und die gegen Originalbauteile, wie Glüh- oder Zündkerzen, ausgetauscht werden. Dadurch ist es möglich, den Adaptionsaufwand wesentlich zu minimieren.

Zündkerzenadaptierung Bei Ottomotoren kann durch Verwendung einer Messzündkerze ohne Eingriff am Zylinderkopf indiziert werden. Diese Messzündkerze erfüllt dabei eine Doppelfunktion: Sie zündet einerseits wie eine herkömmliche Zündkerze das im Zylinder befindliche Gemisch, auf der anderen Seite nimmt sie den Druckaufnehmer auf. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse ist der Einbau des Aufnehmers meistens nur mit einer exzentrisch angeordneten Mittelelektrode möglich. Da Messzündkerzen in erster Linie als Ersatz zu einer standardmäßig vorhandenen Zündkerze eingesetzt werden, ist darauf zu achten, dass die für den Motor passenden Kennwerte wie Wärmewert, Funkenlage, Elektrodenform und Elektrodenabstand ausgewählt werden. Aus diesem Grund sind Messzündkerzen in verschiedensten Ausführungen erhältlich. Prinzipiell existieren entsprechend Abb. 9.28 drei Ausführungsvarianten von Messzündkerzen: • Messzündkerze mit Miniaturdruckaufnehmer Heute fast nicht mehr verwendet wird der zurückgesetzte Einbau eines ungekühlten Miniaturdruckaufnehmers im Kerzenkopf in Höhe des Sechskants (Abb. 9.28 links). Ein relativ langer Kanal stellt dabei die Verbindung Brennraum – Aufnehmer her. Der Vorteil dieser Variante infolge der geringeren zyklischen Temperaturdrit aufgrund geringer Wärmestrombelastung kann durch den Nachteil des Autretens von Pfeifenschwingungen nicht annähernd kompensiert werden. • Messzündkerze mit Druckmesssonde Ein brennraumbündiger Einbau einer Druckmesssonde in der Messzündkerze ist erst durch den Einsatz neuer Piezomaterialien (z. B. GaPO4 ) möglich geworden (Abb. 9.28 Mitte). Aufgrund der hohen Temperaturbelastung bei engsten Platzverhältnissen waren piezoelektrische Quarzdruckaufnehmer für diese Adaptierung nicht geeignet. Selbst bei hohen Drehzahlen treten damit nur minimale Pfeifenschwingungen auf, die zyklische Temperaturdrit wird durch einen guten Wärmeübergang Druckmesssonde-AdapterZylinderkopf minimiert.

G.P. Merker und R. Teichmann

10

586

B

25

Ø10.5

D

C

A

HEX17

M14x1.25 Ø18.6

Abb. 9.28 Unterschiedliche Bauformen von Messzündkerzen (Fa. AVL)

• Direktmessende Messzündkerze Kleinere Zündkerzenbohrungen können nur durch eine weitere Miniaturisierung der Adapter, der Isolatoren und auch der Druckaufnehmer bedient werden. Insbesondere die Druckaufnehmereigenschaten leiden unter diesem Zielkonflikt. Aus diesem Grund stellt es einen optimalen Kompromiss dar, die Druckmessfunktion direkt in den Zündkerzenmassekörper zu integrieren (Abb. 9.28 rechts). Durch die Schrägstellung der Membrane wird ein brennraumbündiger Messort ohne Einfluss von Pfeifenschwingungen erreicht. Gleichzeitig wird eine Exzentrizität des Zündortes im Vergleich zu der oben beschriebenen Lösung mit Druckmesssonde weitgehend vermieden. Wie die beiden rechten Ausführungen in Abb. 9.28 zeigen sind heute auch identische äußere Anschlussmaße für Messzündkerzen im Vergleich zu Originalzündkerzen üblich.

Glühkerzenadaptierung Beim Dieselmotor mit Glühkerze bietet sich die Glühkerzenbohrung als bevorzugte Messstelle an. Die Adaptierungsvariante wird dabei in erster Linie durch die geometrischen Abmessungen der Bohrung bestimmt. Wenn möglich wird eine brennraumnahe Position der Druckaufnehmermembrane angestrebt, um mögliche Pfeifenschwingungen zu minimieren. Bei langen schlanken Glühkerzen bietet sich der Einsatz von eigens entwickelten Druckmesssonden an, um eine brennraumnahe Position und somit ein unverfälschtes Messsignal zu erreichen (siehe Abb. 9.29 links). Dieser Anforderung kann heute auch bis zu

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Verbrennungsdiagnostik

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Abb. 9.29 Glühkerzenadapter mit Druckmesssonde und Glühkerzenaufnehmer (Fa. AVL)

den kleinsten üblichen Durchmessern genügt werden, so dass die Druckmesssonde auch ohne Adapter zur Anwendung kommt und durch eine spezielle Gestaltung der Spitze die exakte Form der Originalglühkerze nachgebildet wird (Abb. 9.29 rechts). Muss der Druckaufnehmer wegen zu geringen Durchmessers der Bohrung oder in Kombination mit einer Glühfunktion hinter die Dichtfläche zurückgesetzt werden, sorgen speziell gestaltete Dämpfungsvolumina im Adapter dafür, dass mögliche Signalverfälschungen durch Pfeifenschwingungen im Gaskanal deutlich verringert werden. Höchste Messqualität wird nur mit optimal angepassten Adaptern erreicht. Dabei kommt insbesondere dem Spalt zwischen Glühkerzenbohrung und Adapter entscheidende Bedeutung bezüglich thermischer Belastung des Aufnehmers zu. Je größer dieser ist, desto stärker wird die Temperaturerhöhung im Bereich des Aufnehmers und eine umso stärkere Beeinflussung des Messsignals tritt auf. Aus diesem Grund werden Glühkerzenadapter anwendungsspezifisch nach den exakten Abmessungen der Glühkerzenbohrung gefertigt.

Druckindizierung mit Eingrif am Versuchsträger Bei dieser Form der Adaptierung besteht eine Vielfalt an Möglichkeiten Aufnehmer und Einbauvarianten an unterschiedlichen Messstellen zu kombinieren. Aufgrund der gegen-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.30 Zylinderkopf mit zwei eingebauten Druckaufnehmern

seitigen Abhängigkeiten gestaltet sich die richtige Auswahl von Aufnehmer und Einbauvariante sowie der Messstelle jedoch sehr komplex. Um brauchbare Messergebnisse zu erhalten, müssen in diesem Zusammenhang viele potenzielle Fehlerquellen Berücksichtigung finden. Hinweise zur Wahl einer geeigneten Messstelle finden sich im vorigen Kapitel. Abbildung 9.30 zeigt den Einbau zweier ungekühlter Druckaufnehmer in einen Zylinderkopf mittels Adapterhülsen, wobei einmal nur der Kühlwassermantel und einmal sowohl Kühlwasser- als auch Ölraum durchquert werden. In einem solchen Fall muss auch berücksichtigt werden, dass der Kühlwasserkreislauf durch den Einbau von Aufnehmern gestört wird und sich durch geänderte Strömungsverhältnisse örtlich eventuell negative Einflüsse auf die Kühlleistung ergeben können. Wahl der Messstelle Bei der Wahl der Messstelle ist grundsätzlich zu beachten, dass der Druck im Brennraum nicht überall gleich ist (unterteilte Brennräume, Quetschflächen, usw.). Für eine präzise Druckmessung bei thermodynamischen Untersuchungen ist es deshalb nicht gleichgültig, an welcher Stelle der Druckaufnehmer im Zylinderkopf eingebaut wird. Die Wahl des Einbauortes und die Ausführung der Montagestelle müssen sicherstellen, dass • • • •

die zulässige Betriebstemperatur des Druckaufnehmers nicht überschritten wird, die Wärmestrombelastung nicht zu hoch wird, die Temperaturschwankungen im Druckaufnehmer möglichst gering gehalten werden, die durch den Einbau bedingten Fehler möglichst klein gehalten werden (Pfeifenschwingungen etc.) und • Einflüsse durch Verschmutzung der elektrischen Verbindung zwischen Aufnehmer und Kabel (Öl, Wasser etc.) vermieden werden. Erschwerend kommt hinzu, dass thermisch günstige Einbauorte ot wegen mangelnder Platzverhältnisse (Kühlmantel, Vierventiltechnik, Doppelzündung etc.) ausscheiden.

9

Verbrennungsdiagnostik

589

Motorenhersteller nehmen bei der Gestaltung von Zylinderköpfen selten auf die Montagesituation von Druckaufnehmern Rücksicht, da diese meist nur während der Entwicklungsphase zum Einsatz kommen und die optimale Form des Serienproduktes nicht beeinflussen sollen. Aus diesem Grund macht die kompakte Konstruktion moderner Motoren otmals Kompromissentscheidungen bezüglich des Einbauortes erforderlich. Daher wird es nicht immer möglich sein, alle autretenden Störfaktoren in gleicher Weise zu eliminieren. Die ideale Messstelle befindet sich an einer Position, an der der örtliche Druck für die jeweilige Messaufgabe repräsentativ ist. Anordnungen mit einem (langen) Indizierkanal, über einem Quetschspalt, über der Autreffstelle des Einspritzstrahles und an thermisch hoch belasteten Stellen sollten nach Möglichkeit vermieden werden, kühle Einbaustellen (z. B. in der Nähe der Einlassventile) sind zu bevorzugen. Indizierkanal Die Ausbildung eines Indizierkanals bewirkt eine Vergrößerung des Brennraumvolumens. Dadurch ergeben sich geringfügige Änderungen im Verdichtungsverhältnis, die sich auf das Motorverhalten auswirken können. Zudem stellt der Indizierkanal einen akustischen Resonator dar, der durch Druckänderungen zu sogenannten Pfeifenschwingungen angeregt wird. Zur Verdeutlichung dieses Einflusses zeigt Abb. 9.31 die auf Basis einer Zündkerzenadaptierung an einem Ottomotor gemessenen Druckverläufe bei unterschiedlicher Längen des Indizierkanals (2,7; 25 und 37 mm). Abgebildet sind jeweils 5 Einzelzyklen, wobei das Niveau der einzelnen Druckkurven so festgelegt wurde, dass sich eine übersichtlichere Darstellung ergibt. Demnach treten selbst bei einer Indizierkanallänge von 25 mm noch signifikante Pfeifenschwingungen auf. Druck [bar] 90 80 70 60 50 40 30 20 10

LKanal > 37 mm

LKanal = 25 mm

LKanal = 2,7 mm

0

-20

0

20

40

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

60

-20

0

20

40

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

60

-20

0

20

40

ZOT

Kurbelwinkel [°KW]

Abb. 9.31 Einfluss der Länge des Indizierkanals auf den gemessenen Druckverlauf

60

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G.P. Merker und R. Teichmann

Diese Störfrequenz ist abhängig vom Gaszustand und somit vorab nicht exakt bestimmbar. Daher scheidet auch die nachträgliche Verwendung von Frequenzfiltern zur Eliminierung von Pfeifenschwingungen wegen des beträchtlichen rechnerischen und experimentellen Aufwandes aus. Anordnung über dem Quetschspalt Durch die Kolbenbewegung werden die Gase im Quetschspalt im Bereich des oberen Totpunktes (OT) stark beschleunigt. Mit diesen Gasströmungen gehen starke Druckunterschiede im Quetschspalt einher, die bei der Auswertung einer Druckmessung zu entsprechenden Fehlaussagen führen können. Speziell bei einer exzentrischen Lage der Kolbenmulde und bei Querschnittserweiterungen im Bereich der Ventiltaschen ist die Quetschspaltströmung zeitlich und räumlich unterschiedlich stark. Das Gas in der Brennraummulde und jenes im Quetschspalt kann bei Anregung (Zündung) eine gekoppelte Gasschwingung ausführen. Je nach Lage der Messstelle kann daher der Druckaufnehmer mit Gasschwingungen unterschiedlicher Frequenz und Amplitude beaufschlagt werden, die sich dann signifikant ausbilden können, wenn die Verbrennung eine hohe Druckanstiegsgeschwindigkeit besitzt. Prinzipiell ist bei exzentrischen Mulden zur Vermeidung überlagerter Gasschwingungen im Messsignal die Anordnung des Druckaufnehmers an der Seite mit der kurzen Quetschspaltlänge von Vorteil. Strömungstasche bei schrägem Einbau Generell soll sich die Druckaufnehmermembrane möglichst der Kontur des Zylinderkopfbodens anpassen, d. h. die Längsachse des Druckaufnehmers sollte nach Möglichkeit rechtwinkelig zum Zylinderkopfboden verlaufen. Meist ist jedoch wegen des konstruktiven Aufbaus des Zylinderkopfes nur ein leicht schräger Einbau des Druckaufnehmers möglich. Bei sehr schrägem Einbau können sich Nachteile aufgrund der dabei erzeugten Strömungstasche durch eine geringfügige Vergrößerung des Brennraumvolumens und einer Störung der Strömungsverhältnisse am Einbauort ergeben. Anordnung in Ventilnähe Bei einer Anordnung der Messstelle in Ventilnähe ergibt sich eine geringe lokale Druckänderung beim Gaswechsel, wodurch vor allem die Niederdruckschleife etwas verzerrt werden kann. Besonders in unmittelbarer Nähe der Auslassventile ergeben sich hohe Strömungsgeschwindigkeiten an der Oberfläche der Druckaufnehmermembrane und eine damit verbundene erhöhte Wärmestrombelastung (zyklische Temperaturdrit). In der Nähe eines Auslassventils ist der Zylinderkopfboden in der Regel am heißesten. Somit nimmt auch der Druckaufnehmer eine hohe Temperatur an, wodurch eine Empfindlichkeitsänderung sowie ein Absinken der Lebensdauer des Druckaufnehmers verursacht werden kann.

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Verbrennungsdiagnostik

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Anordnung über der Auftrefstelle des Einspritzstrahls Bei der Anordnung der Messstelle unmittelbar über der Autreffstelle des Einspritzstrahles können durch das Autreffen von kaltem Treibstoff (Änderung der Wärmestrombelastung) Fehler durch zyklische Temperaturdrit verursacht werden. Deshalb sollten derartige Messstellenanordnungen möglichst vermieden werden.

9.1.6 Elektrische Drift am Ladungsverstärker Am Ausgang des Verstärkers V wird sich genau jene Spannung U A einstellen, die über den Gegenkopplungskondensator die Ladung vom Eingang so weit abzieht, dass die verbleibende Eingangsspannung über V verstärkt gerade U A ergibt. Da der Verstärkungsfaktor von V sehr groß ist (bis etwa 100.000), bleibt die Eingangsspannung U E nahezu null. Die vom Druckaufnehmer abgegebene Ladung wird nicht zur Aufladung, d. h. zur Spannungserhöhung an den Eingangskapazitäten verwendet, sondern vom Gegenkopplungskondensator abgesogen. Daher haben auch Änderungen der Eingangskapazität – z. B. durch unterschiedliche Kabel mit unterschiedlicher Kabelkapazität CK – praktisch keinen Einfluss auf das Messergebnis. Die Ausgangsspannung U A des Verstärkers ist direkt proportional zur abgegebenen Ladung Q des Aufnehmers sowie umgekehrt proportional zur Kapazität des Gegenkopplungskondensators CG , so dass durch Einschalten entsprechender Kapazitätswerte beliebig gestute Messbereiche (Range-Einstellung) verfügbar werden, siehe Zusammenhang (9.11). (9.11) UA ∼ −Q/CG .

Bei konstanter Messgröße, d. h. bei konstantem Druck am Aufnehmer, würde man eine konstante Spannung am Ausgang des Ladungsverstärkers erwarten. Bei der piezoelektrischen Messkette kommt es aber Prinzip bedingt zu einer Drit des Ausgangssignals. Da diese Drit elektrische Ursachen hat, spricht man von elektrischer Drit. Die Ursachen für die elektrische Drit sind im Wesentlichen das je nach Polarität der Eingangsspannung auftretende Zu- oder Abfließen von Ladungen und die Entladung des Gegenkopplungskondensators. Ist die Zeitkonstante auf „long“ gesetzt und die Dritkompensation abgeschaltet, dann sollte die Zeitkonstante [τ 63 ] länger als 100 s (vorzugsweise länger als 1000 s) sein. (τ ist die Zeit, die das Messsystem benötigt, um auf 38,6 % von einem 100 %-Sprung zu fallen; Abb. 9.32.) Eine wesentliche Maßnahme gegen die elektrische Drit ist vor allem die hochisolierende Ausführung des Verstärkereingangs, des Druckaufnehmers und der Messkabel inklusive der Steckverbindungen (Isolationswerte in der Größenordnung von 1013 Ω). Zudem kann durch die Parallelschaltung eines zusätzlichen Gegenkopplungswiderstandes RG die Drit auf einen bestimmten Wert begrenzt und das Abwandern in die Sättigung vermieden werden. In dieser Betriebsart kann damit auch bei schlechterer Isolation gemessen werden, sie eignet sich aber ausschließlich für den Monitorbetrieb, da das Drucksignal in Abhängigkeit

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Abb. 9.32 Elektrische Drit

von Drehzahl und Range-Einstellung phasenverschoben und in der Amplitude verringert wird. Schließlich kann eine Dritkompensation auch durch die Einspeisung eines Kompensationsstromes, der gleich groß ist wie die Summe der über die Isolationswiderstände abfließenden Ströme, in den Eingang des Operationsverstärkers realisiert werden.

9.1.7 Druckindizierung im Ein- und Auslasssystem Für die Analyse des Ladungswechsels ist neben einer möglichst genauen Brennraumdruckindizierung während der Ventilöffnungszeiten auch eine genaue Erfassung der Druckverläufe im Ein- und Auslasssystem notwendig, siehe Wimmer et al. (2000). Für die Messung von Ladungswechseldruckverläufen werden sowohl piezoelektrische als auch piezoresistive Druckaufnehmer verwendet:

Piezoelektrische Druckaufnehmer Der Einbau des piezoelektrischen Druckaufnehmers erfolgt dabei mit einem Dämpfungsadapter, um die Übertragung von Vibrationen an den Aufnehmern weitgehend zu verhindern. Dies ist insbesondere bei der Verwendung von beschleunigungsempfindlichen Druckaufnehmern von Bedeutung. Zur Reduktion der Temperaturbelastung sind Dämpfungsadapter in der Regel mit einer Kühlung ausgeführt. Beispielhat sind in Abb. 9.33 Dämpfungsadapter für unterschiedliche Druckaufnehmerbauarten dargestellt. Diese Anordnung ermöglicht eine kürzestmögliche Verbindung von der Messstelle zur Druckaufnehmermembrane, Pfeifenschwingungen und Verschiebungen in der Phasenlage

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Verbrennungsdiagnostik

Sensor: Adapter:

AVL QC42D AVL 12ZP88

593

AVL GU21C AVL AE02

AVL GH12D AVL AE03

Abb. 9.33 Dämpfungsadapter für die Niederdruckindizierung mit piezoelektrischen Druckaufnehmern (Fa. AVL)

des gemessenen Druckverlaufes können damit weitgehend verhindert werden. Beim Einsatz im Auslasssystem ergibt sich allerdings eine hohe Wärmestrombelastung, weshalb jedenfalls Aufnehmer mit einer geringen zyklischen Temperaturdrit zu verwenden sind. Zur Bestimmung des Absolutdruckniveaus ist am Adapter ein entsprechender Anschluss vorgesehen. Die Messung des Referenzdruckes erfolgt in geeignetem Abstand von der Montagestelle beispielsweise mit piezoresistiven Druckaufnehmern. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung des Druckniveaus stellen sogenannte Umschaltadapter dar, die eine kurzzeitige Beaufschlagung des piezoelektrischen Druckaufnehmers mit Umgebungsdruck erlauben. Diese Art von Adaptern wird auch bei piezoresistiven Aufnehmern verwendet, um an hoch belasteten Messstellen die trotz Absolut-Messprinzip notwendige Korrektur des Nullniveaus zu ermöglichen.

Piezoresistive Druckaufnehmer Piezoresistive Druckaufnehmer haben den Vorteil, dass der Absolutdruck bestimmt werden kann, besitzen aber eine starke Abhängigkeit der messtechnischen Eigenschaten von der Temperatur (Nullpunktsdrit, zyklische Temperaturdrit). Im Auslasssystem können diese deshalb nur weit zurückversetzt oder in Kombination mit gekühlten Spezialadaptern verwendet werden (Bertola 2008), vgl. Abb. 9.34. Dabei wird der Druckaufnehmer mit Hilfe eines mechanischen Ventils nur für eine bestimmte Anzahl von Zyklen (etwa 100) den heißen Verbrennungsgasen ausgesetzt. Anschließend wird der Gaskanal im Um-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.34 Gekühlter Schaltadapter für die Niederdruckindizierung mit piezoresistiven Druckaufnehmern (Fa. Kistler)

schaltventil wieder geschlossen, wodurch der Druckaufnehmer zwischen zwei Messphasen die Möglichkeit einer thermischen Regeneration hat. Bei der Indizierung im Ein- und Auslasssystem sind damit vor allem folgende Einflüsse zu berücksichtigen: • Beschleunigungseinflüsse (bei piezoelektrischen Druckaufnehmern), • Einflüsse durch Temperatur- und Wärmestrombelastung (speziell im Auslasssystem): thermische Nullpunktsdrit (bei piezoresistiven Druckaufnehmern) und zyklische Temperaturdrit, • Einflüsse durch einen zurückversetzten Sensoreinbau (Pfeifenschwingungen sowie Veränderungen in der Phasenlage und Amplitude). Grundsätzlich können sowohl mit piezoresistiven als auch mit piezoelektrischen Druckaufnehmern genaue Messungen durchgeführt werden. Werden piezoresistive Absolutdruckaufnehmer eingesetzt, so ist unbedingt darauf zu achten, dass die Temperaturund Wärmestrombelastung des Aufnehmers gering bleibt. Dies kann durch einen zurückversetzten Einbau realisiert werden, was allerdings Änderungen in der Phasenlage und Amplitudenänderungen des Drucksignales zur Folge hat. Die oben beschriebene Anordnung mit Schaltadapter, bei der der Druckaufnehmer nur für eine geringe Anzahl von Zyklen freigegeben wird, entspricht diesem Typ. Der darin realisierte Indizierkanal weist eine Länge auf, mit der sich nur eine geringe Beeinflussung auf Phasenlage und Amplitude ergibt. Je nach Betriebszustand des Motors können jedoch Pfeifenschwingungen die Qualität der Messung beeinflussen. Piezoelektrische Druckaufnehmer sind bezüglich ihrer Einsatzgrenzen weniger eingeschränkt (Temperaturbereich bis 400 °C). Aufgrund der geringeren Beschleunigungsempfindlichkeit empfiehlt sich der Einsatz von ungekühlten Aufnehmern. Moderne ungekühlte

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Verbrennungsdiagnostik

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Druckaufnehmer weisen bereits eine sehr geringe zyklische Temperaturdrit auf und sind deshalb auch für bündigen oder nur geringfügig zurückversetzten Einbau im Auslasssystem geeignet. Die Zuordnung zum Druckniveau kann einfach durch die Messung mit einem in ausreichendem Abstand zur Messstelle und damit thermisch gering belasteten Absolutdruckaufnehmer oder durch die Verwendung eines Umschaltadapters erfolgen.

9.2 Druckverlaufsanalyse Die Analyse des Zylinderdruckverlaufes ist trotz der Weiterentwicklung optischer Messverfahren bei der heutigen Entwicklung von Verbrennungsmotoren nicht wegzudenken. Zum einen ist der Zylinderdruckverlauf die wichtigste Größe zur Erkennung von klopfender Verbrennung online am Prüfstand und zum anderen können aus der thermodynamischen Analyse des Drucksignals wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Verbrennung (Entflammungsdauer, Zündverzug, Heiz- und Brennverlauf) sowie der sogenannten Verlustteilung gewonnen werden. Zudem gibt der Druckverlauf Aufschluss über die Einhaltung des vorgegebenen Spitzendruckes, die indizierte Arbeit sowie über das Ladungswechselverhalten des Motors (Füllung) und das Restgas im Brennraum.

9.2.1 Bestimmung des Brennverlaufes Erfassung des Drucksignals Die notwendige Messtechnik (siehe Abschn. 9.1) liefert das Drucksignal dessen weitere Analyse wichtige Aussagen zur Energieumsetzung während der Verbrennung liefert. Trotz großer Bemühungen gelingt die exakte Reproduzierbarkeit von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel nur unzulänglich, so dass folgende Empfehlung die allgemeingültige Aussage der Analyse vereinfacht. Bei fremdgezündeten Motoren (Ottomotor) kann es z. B. durch Gemisch-Inhomogenitäten an der Zündkerze zu sehr starken Unterschieden bei der Verbrennung kommen, da diese je nach Gemischzustand im Zündkerzenspalt einige Grad Kurbelwinkel früher oder später startet. Diese sogenannten Zyklenschwankungen werden für eine thermodynamische Auswertung durch eine Mittelung über eine große Anzahl von Arbeitsspielen geglättet. Beim Ottomotor ist eine Mittelung von bis zu 250 Arbeitsspielen anzustreben. Beim Dieselmotor sind aufgrund der Selbstzündung diese Schwankungen weniger ausgeprägt, weshalb eine Mittelung über weniger als 50 Arbeitsspiele meist ausreicht. Auswertung des Drucksignals Setzt man zunächst den Brennraum des Verbrennungsmotors als Bilanzvolumen an, können die Zustände des eingeschlossenen Gases, also Druck, Temperatur und die Innere

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Energie, über die thermische Zustandsgleichung sowie über die Massenbilanz und die Energiebilanz eindeutig beschrieben werden (vgl. Kap. 10). Die im Brennraum eingeschlossene Gasmasse kann im einfachsten Fall über die Messung der Frischgasmasse bestimmt werden. Es ergibt sich jedoch das Problem, dass der Fanggrad meist nur unzureichend bekannt ist. Bei Mehrzylindermotoren stellt sich zudem die Auteilung der Frischgasmasse auf die einzelnen Zylinder als problematisch dar, da diese Größe meist nur integral über alle Zylinder gemessen werden kann. Hier kann z. B. eine Ladungswechselrechnung unterstützend helfen, für die eine Messung der Niederdruckverläufe im Ansaug- und Abgastrakt notwendig ist. Diese Messung erfolgt meist mittels piezoresistiver Drucksensoren. Die Drucksignale werden als Randbedingungen einem sogenannten Minimodell aufgeprägt, das über die in Kap. 10 beschriebenen gasdynamischen Zusammenhänge das Rohrleitungssystem zwischen der einlassseitigen Messstelle und der abgasseitigen Messstelle beschreibt. Bei Motoren mit hohen Restgasanteilen hat sich zur Ermittlung der Restgasmasse bei äußerer Abgasrückführung eine Messung der CO2 -Konzentration im Abgas und im vom Zylinder angesaugten Gasgemisch – also im Ansaugtrakt nach der Zumischungsstelle – als zielführend herausgestellt. Die innere Abgasrückführrate kann praktisch nur über die oben beschriebene Ladungswechselrechnung bestimmt werden. Da die Verbrennung normalerweise nur während des Hochdruckteiles stattfindet (Ausnahme: später Ausbrand durch z. B. Nacheinspritzung), kann man den Brennraum für den Hochdruckteil als geschlossenes System betrachten. Damit sind die Enthalpieströme über die Systemgrenze Null und auch die Blowby-Verluste und die Verdampfungsenthalpie bei Benzin-Direkteinspritzung können in erster Näherung zu Null gesetzt werden. dmBr.,verd. dV dmBB dQB dU dQW = + +p [− hBB (− Δhverd. )] . dt dt dt dt dt dt

(9.12)

Die Innere Energie in (9.12) kann in Abhängigkeit von Druck, Temperatur und Gaszusammensetzung beschrieben werden. Auch die Wandwärmeverluste von Kolben, Zylinderkopf und der Laufbüchse können als Funktionen von Druck und Temperatur dargestellt werden. Zur Beschreibung des brennraumwandseitigen Wärmestromes sind die Wandtemperaturen notwendig, die durch Messung oder Berechnung bestimmt werden können. Das Zylindervolumen ist ohnehin nur von geometrischen Größen abhängig. Die zugehörigen physikalischen Gesetzmäßigkeiten sind in Kap. 10 ausführlich beschrieben. Die mittlere Gastemperatur kann bei Kenntnis des momentanen Brennraumvolumens, des Druckes und der im Brennraum befindlichen Gesamtgasmasse über die thermische Zustandsgleichung leicht bestimmt werden. Als einzige Unbekannte für die Ermittlung des Brennverlaufes – also der freigesetzten Verbrennungswärme – verbleibt der Druck im Zylinder. Die Fragestellung zur Ermittlung des Brennverlaufes richtet sich somit auf die Ermittlung des Druckes im Zylinder, die bereits beschrieben ist. Die Einpassung kann im Bereich der Kompressionsphase, in der die Gastemperatur in der gleichen Größenordnung wie die Zylinderwandtemperatur liegt, über eine polytrope Verdichtung erfolgen. Begünstigt wird dies dadurch, dass in diesem Bereich der Wärme-

9

Verbrennungsdiagnostik

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übergangskoeffizient sehr niedrig ist. Ein Bereich zwischen ca. 100 °KW und ca. 65 °KW vor OT erweist sich bei einer Vielzahl von Motoren als günstig, kann jedoch nicht verallgemeinert werden. Für den Dieselmotor ist ein Polytropenexponent von 1,37 und für den gemischansaugenden Ottomotor aufgrund des Brennstoffanteiles im angesaugten Gemisch ein Polytropenexponent von 1,32 zu wählen. Eine weitere Möglichkeit stellt eine Einpassung über den 1. Hauptsatz der hermodynamik dar. Zwischen dem Schließen des Einlassventils und dem Zündzeitpunkt muss die durch die Verbrennung integral und zeitlich freigesetzte Wärmemenge identisch Null sein. Versieht man nun den gemessenen Druck mit einem additiven Druckkorrekturglied, kann man nach diesem auflösen und erhält iterativ eine sehr exakte Lösung für die Druckeinpassung. Die höchste Genauigkeit ist mit der bereits beschriebenen Ladungswechselberechnung unter Vorgabe der gemessenen dynamischen Saugrohr- und Abgasgegendrücke möglich. Nach erfolgter Ladungswechselrechnung wird der gemessene Zylinderdruck an den Druck der Ladungswechselberechnung bei „Einlass schließt“ angepasst. Mit diesem Verfahren ist zudem eine exakte Ermittlung des Restgasanteils und damit eine exakte Bestimmung der Zylindermasse möglich, was als weiterer Vorteil für eine deutlich verbesserte Auswertegenauigkeit genutzt werden kann. Eine wesentliche Größe für die Beurteilung der Qualität der Brennverlaufsauswertung ist jedoch die sogenannte Energiebilanz. Sie wird aus dem Quotienten der durch die Brennverlaufsauswertung ermittelten Energiemenge und der im Zylinder durch die Verbrennung des Brennstoffes maximal freigesetzten Energiemenge gebildet. Dabei wird der Brennverlauf zum sogenannten Summenbrennverlauf integriert, dessen Wert bei Verbrennungsende den Zähler des Quotienten der Energiebilanz darstellt. Die maximal freigesetzte Energiemenge – also der Nenner – berechnet sich aus dem Produkt des pro Arbeitsspiel eingebrachten Brennstoffes und dem unteren Heizwert, wobei vor allem beim Ottomotor die Energie der nicht verbrannten Abgasbestandteile abgezogen werden muss: φBE

EB =



φBB

φBE

dQB dφ

mB H u − Quv ηu =  −

=



φBB

dQB dφ

mB H u ηu

,

Quv . mB H u

(9.13) (9.14)

Dabei gilt für die im Abgas enthaltenen unverbrannten Bestandteile wie CO, H2 , HC und Ruß folgender Zusammenhang. Quv = mCO H u,CO + mH H u,H + mC H H u,C H + mC H u,C .

(9.15)

Eine Schwankung der Energiebilanz im Bereich von 98 bis 102 %, also im Bereich von ±2 % kann im Rahmen der erreichbaren Genauigkeiten bei der Messung und bei der Beschreibung der thermodynamischen Zusammenhänge als sehr gut angesehen werden.

598

G.P. Merker und R. Teichmann 120 mBHu

Brennverlauf Summenbrennverlauf

u = 100%

0,05

100

0,04

80

0,03

60

Schwerpunkt(50%) (50%)

50 0,02

(3%) Brennbeginn (3%)

Brennende (97%) (97%)

0,01 Zündung 0 330

345

40 20

ZOT 375 390 Grad Kurbelwinkel

405

Summenbrennverlauf SQB [J], [%]

Brennverlauf dQB [J/°KW], [%/°KW]

0,06

0 420

Abb. 9.35 Charakteristische Größen des Brennverlaufes

Neben dem Verlauf der Verbrennung können auch noch andere für die Charakterisierung des Brennverlaufs wichtige Größen ermittelt werden. Diese sind in Abb. 9.35 dargestellt. Die Zeit zwischen Zündung bzw. Einspritzung beim Dieselmotor und dem Brennbeginn, der bei ca. 3 bis 5 % des Summenbrennverlaufes festgelegt werden kann, wird Zündverzug genannt. Die Zeit zwischen Verbrennungsbeginn und Verbrennungsende bezeichnet man als Brenndauer. Der Schwerpunkt des Brennverlaufes ist als der Grad Kurbelwinkel definiert, bei dem 50 % der gesamten Wärmemenge umgesetzt wurden. Fast unabhängig vom Motortyp und vom Brennverfahren ergeben sich verbrauchsoptimale Betriebspunkte bei einer Schwerpunktlage des Brennverlaufes von ca. 8 °KW nach dem Zünd-OT. Abbildung 9.36 zeigt die Auswertung eines Brennverlaufes für einen konventionellen Ottomotor bei einer Drehzahl von 1000 U/min und einer Last von pi = 1 bar. Dargestellt sind der Brennverlauf und die Einzelanteile des Brennverlaufs gemäß dem 1. Hauptsatz der hermodynamik, vgl. Gl. (9.12). Die genaue Vorgehensweise zur Ermittlung des Brennverlaufes ist u. a. bei Witt (1999) beschrieben. Zusammenfassend kann man sagen, dass für eine thermodynamisch korrekte Auswertung eine hohe Präzision bei der Druckindizierung und Ermittlung aller Messgrößen nötig ist. Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, dann gelingt es, neben dem indizierten Mitteldruck auch die zeitliche Freisetzung der Verbrennungswärme als entscheidende Voraussetzung für eine effiziente Simulation zu ermitteln. Bei einer Kombination von Ladungswechselrechnung und Druckverlaufsanalyse kann über die Niederdruckindizierungen auch der Restgasanteil sehr sicher bestimmt werden.

9

Verbrennungsdiagnostik

599

10 pdV dQW dU dQB

Energieanteile [J/°KW]

8 6 4 2 0 -2 270

300

330

ZOT 390 420 Grad Kurbelwinkel

450

480

510

Abb. 9.36 Druckverlauf und Brennverlauf für einen Ottomotor bei 1000 U/min und einer indizierten Last von pi = 1 bar

9.2.2

Verlustteilung

Um unterschiedliche Brennverfahren hinsichtlich ihrer Potenziale bewerten zu können, bedient man sich der sogenannten Verlustteilung. Dabei werden die Einzelverlustanteile ausgehend vom Prozess des vollkommenen Motors systematisch berechnet und bis zum realen Motorprozess nachvollzogen. Der Verbrennungsablauf des vollkommenen Motors wird nach Pischinger et al. (2002) als ideal angenommen und genügt so entsprechenden Gesetzmäßigkeiten. Jedoch werden für den vollkommenen Motor auch einige abweichende Annahmen getroffen, die in folgender Aufstellung nach Witt (1999) zusammengefasst sind: • Berechnung mit idealem Gas und realen Stoffwerten (cv , cp , κ = f (T)), • gleiches Verbrennungslutverhältnis wie beim realen Prozess, • die Verbrennung verläut bis zum chemischen Gleichgewicht mit Berücksichtigung der Dissoziation, • idealisierter Verbrennungsablauf (Wärmezufuhr am OT beim Ottomotor), • keine Wandwärmeverluste, • keine Reibung, • keine Strömungsverluste, • die Steuerzeiten liegen in den Totpunkten (AÖ im UT, AS und EÖ im OT, ES im UT), • Druck und Temperatur zu Verdichtungsbeginn werden so festgelegt, dass sich die gleiche Verdichtungslinie zwischen dem vollkommenen und dem realen Prozess ergibt, • die Ladungsmasse ist die gleiche wie beim realen Prozess, • gleicher Restgasanteil wie beim realen Prozess.

600

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.37 Wirkungsgrad des vollkommenen Motors (gemischansaugend) in Abhängigkeit vom Verdichtungsverhältnis und vom globalen Verbrennungslutverhältnis nach Pischinger et al. (2002)

Abbildung 9.37 zeigt den Wirkungsgrad des vollkommenen Motors in Abhängigkeit vom Verdichtungsverhältnis und vom globalen Verbrennungslutverhältnis nach Pischinger et al. (2002) Der reale Prozess unterscheidet sich vom vollkommenen durch Verluste aus unvollständiger bzw. unvollkommener Verbrennung, durch Verbrennungsverluste, durch Wandwärmeverluste, Ladungswechselverluste und Reibungsverluste. Um diese Verluste zu quantifizieren werden die Kreisprozesse unter Berücksichtigung der jeweiligen Verlustquellen neu berechnet und der Unterschied zum vorherigen Kreisprozess ausgewertet.

Verluste aus unvollständiger/unvollkommener Verbrennung Unter Verlusten aus unvollständiger Verbrennung versteht man Verluste, die durch unterstöchiometrische Verbrennung – also durch Sauerstoffmangel – entstehen. Diese Verluste sind im vollkommenen Motor bereits berücksichtigt, da hierbei ohnehin nur die Umsetzung des Brennstoffs bis zum chemischen Gleichgewicht berücksichtigt wird. Verluste aus unvollkommener Verbrennung entstehen, wenn der Brennstoff nicht bis zum chemischen Gleichgewicht verbrennt. Aus dieser unvollkommenen Verbrennung resultieren zusätzliche Abgasbestandteile wie CO, H2 , HC und Ruß, die über das Niveau der Verbrennung bei Sauerstoffmangel hinausgehen. Diese Bestandteile aus unvollständiger und unvollkommener Verbrennung werden durch die Abgasanalyse in ihrer Gesamtheit erfasst. Die Verluste aus unvollkommener Verbrennung verringern die dem Prozess isochor zugeführte Wärmemenge (auf 1 kg Gemischmasse bezogen) und sind wie folgt zu quantifizieren quv,unvollk. = quv,ges − quv,chem .

(9.16)

9

Verbrennungsdiagnostik

601

Dabei gilt für die gesamten Verluste aus unvollständiger und unvollkommener Verbrennung aus der Abgasanalyse

mit

quv,ges = (νCO H u,CO + νH H u,H + νC H H u,C H + νC H u,C )

 MV

(9.17)

H u,CO = . kJ/kmol ,

H u,H = . kJ/kmol ,

H u,C  H = . kJ/kmol ,

H u,C = .. kJ/kmol, M V = , kg/kmol .

Für die unvollständige Verbrennung bis zum chemischen Gleichgewicht gilt nach Vogt (1975) folgender Zusammenhang

mit

quv,chem = [ − (, λ − ,)] h ∗u h ∗u = H u



λL min + 

(9.18)

.

Verbrennungsverluste Verbrennungsverluste entstehen dadurch, dass beim realen Prozess die Verbrennungswärme nicht isochor am OT – also in unendlich kurzer Zeit – zugeführt wird, sondern in Form des Brennverlaufs (vgl. Kap. 10), der sich über einige Grad Kurbelwinkel erstreckt. Dabei wirkt die vor dem OT zugeführte Wärmemenge der Kompression entgegen, während die nach dem OT zugeführte Wärmemenge nicht mehr während der gesamten Expansion wirken kann. Dieser Verlust kann durch zweimalige Kreisprozessrechnung – einmal mit isochorer Wärmezufuhr und einmal mit Vorgabe der realen Verbrennung ermittelt werden. Hierbei ist anzumerken, dass eine Reduzierung der Verbrennungsverluste als näherungsweise isochore Verbrennung immer mit einer Zunahme der Wandwärmeverluste im realen Motorbetrieb einhergeht, weshalb das Gesamtoptimum aus Verbrennungs- und Wandwärmeverlusten nicht bei einer isochoren Verbrennung liegt. Wandwärmeverluste Auch bei der Ermittlung der Wandwärmeverluste sind zwei Prozessrechnungen notwendig. Der Wandwärmestrom wird dabei über die bekannten Gesetzmäßigkeiten nach Woschni oder Bargende berechnet (siehe Kap. 10).

602

G.P. Merker und R. Teichmann

Ladungswechselverluste Der vollkommene Motor besitzt definitionsgemäß keine Ladungswechselverluste, da die Prozessführung von UT bis UT mit einer Wärmeabfuhr erfolgt. Um die Ladungswechselverluste exakt zu berücksichtigen, muss nach Witt et al. (1999) eine Definition der Ladungswechselverluste nach der UT-UT-Methode unter zusätzlicher Berücksichtigung von Expansions- und Kompressionsverlusten gewählt werden. Dabei wird die Reduzierung der Arbeitsfläche im p, V-Diagramm durch den plötzlichen Druckabfall aufgrund des Öffnens des Auslassventils vor dem UT berücksichtigt. Genauso verhält es sich mit dem nach UT stattfindenden Schließen des Einlassventils. Hierbei sind entsprechende Kompressionsverluste zu berücksichtigen. Diese Verluste werden „verursachungsgemäß“ den Ladungswechselverlusten zugeschlagen. Die Berücksichtigung der Ladungswechselverluste führt zum indizierten Druckverlauf und damit zum indizierten Wirkungsgrad. Verluste wie Leckagen etc. wirken sich nur marginal auf das Ergebnis der Verlustteilung aus.

9.2.3 Vergleich unterschiedlicher Brennverfahren In diesem Kapitel sind beispielhat die Brennverläufe und Verlustteilungen für unterschiedliche Brennverfahren dargestellt. Es handelt sich dabei um einen gedrosselten Ottomotor mit Saugrohreinspritzung (MPI), einen Ottomotor mit vollvariabler mechanischer Ventilhubsteuerung und Saugrohreinspritzung (VVH), einen direkteinspritzenden Ottomotor mit einem strahlgeführten Brennverfahren (DI), einen Ottomotor mit kontrollierter Selbstzündung (CAI) und einen Wasserstoffmotor mit Saugrohreinblasung (H2 ). Allen Betriebspunkten gemeinsam ist eine Drehzahl von 2000 U/min und ein indizierter Mitteldruck von ca. 2 bar.

Vergleich der Brennverläufe unterschiedlicher Brennverfahren Abbildung 9.38 zeigt die Brennverläufe für die oben beschriebenen Brennverfahren. Der Unterschied der Brennverläufe zwischen dem gedrosselten und dem ungedrosselten Betrieb mit vollvariabler Ventilhubsteuerung ist im Vergleich zu den Brennverläufen für die kontrollierte Selbstzündung nur marginal. Deutlich zu erkennen ist die sehr kurze Brenndauer bei der homogenen Selbstzündung von ca. 10 bis 15 °KW, was eine ca. dreimal niedrigere Brenndauer als beim Benzinsaugrohreinspritzer mit stöchiometrischer Verbrennung bedeutet. Dies ist durch die vielen eng beieinander liegenden Zündherde bedingt, deren umliegendes Gemisch praktisch gleichzeitig verbrennt. Das direkteinspritzende strahlgeführte Brennverfahren besitzt eine relativ frühe Schwerpunktlage. Hier erkennt man den Zielkonflikt zwischen einer möglichst guten Gemischaufbereitung zur Sicherstellung des Ausbrandes mit geringen Emissionen (HC) und einer späten Einspritzung zur Erzielung einer verbrauchsoptimalen Schwerpunktlage. Der Wasserstoffmotor besitzt eine im Vergleich zum saugrohreinspritzenden Benzinmotor relativ ähnliche Brenndauer, die sich aus der prinzipiell hohen Brenngeschwindig-

9

Verbrennungsdiagnostik

603 50

Brennverlauf [J/°KW]

Abb. 9.38 Vergleich der charakteristischen Brennverläufe unterschiedlicher Brenn- und Laststeuerverfahren

MPI VVH DI str. CAI H2

40 30 20 10 0 330

340

350

ZOT 370 380 390 Grad Kurbelwinkel

400

410

420

keit des Wasserstoffs und der hohen Abmagerung des Gemisches (λ > 3) mit der dadurch verbundenen Verzögerung der Brenngeschwindigkeit ergibt.

Vergleich der Verlustteilung unterschiedlicher Brennverfahren Die Verlustteilungen für die oben beschriebenen Betriebspunkte sind in Abb. 9.39 dargestellt. Das Brennverfahren mit der vollvariablen Einlassventilhubsteuerung besitzt aufgrund der höheren Restgasverträglichkeit gegenüber dem gedrosselten Motor das größere Potenzial für den vollkommenen Motorwirkungsgrad. Jedoch liegen die Verluste durch unvollkommene Verbrennung deutlich höher und kompensieren zum Teil die deutlich geringeren Ladungswechselverluste. Das höchste Potenzial des vollkommenen Motors von über 57 % besitzt der direkteinspritzende strahlgeführte Ottomotor, da dieser in dem beschriebenen Betriebspunkt aufgrund der Schichtfähigkeit ein sehr hohes globales Verbrennungslutverhältnis besitzt. Das höhere Verdichtungsverhältnis von 12 gegenüber 10,5 bei den anderen Brennverfahren n = 2000 min-1 pme = 2 bar pmi 60

Wirkungsgrad [%]

50 40 30 20 10 0

2.5 47.8 3.3 5.5 6.4 30.1

3.8 48.9 2.6 5.7 4.6 32.2

e

e

1.4 50.6 0.3 7.6 3.0 38.3

e

2.1 3.7 9.2 2.7

2,7 bar 57.3

3.1 56.0 1.4 11.6

39.6

e

1.7

38.2

e

23.1

24.4

28.4

29.3

28.3

MPI gedrosselt

MPI VVH

CAI = 1.1 = 11

Otto-DI strahlgeführt

MPI H2

unvollkommene Verbrennung realer Brennverlauf WandwärmeVerluste

LW-Verluste indizierter Wirkungsgrad

Abb. 9.39 Vergleich der Verlustteilungen unterschiedlicher Brenn- und Laststeuerverfahren

604

G.P. Merker und R. Teichmann

verstärkt das größere Grundpotenzial. Bei diesem Betriebspunkt erkennt man die geringen Verluste aufgrund unvollkommener Verbrennung. Durch die frühe Schwerpunktlage sind die Verbrennungsverluste jedoch höher als die von Saugrohreinspritzern, was sich zudem noch in deutlich höheren Wandwärmeverlusten auswirkt. Diese Effekte kompensieren einen Teil des sehr großen Potenzials, zeigen jedoch gleichzeitig ein großes Weiterentwicklungspotenzial auf. Deutlich zu erkennen sind die geringen Ladungswechselverluste, die sich in Summe zu einem um ca. 7 % höheren indizierten Wirkungsgrad auswirken. Dies bedeutet in diesem Betriebspunkt eine Brennstoffverbrauchsverbesserung um ca. 20 % gegenüber der variablen Ventilhubsteuerung. Nicht berücksichtigt sind hierbei jedoch die Verluste durch Abgasnachbehandlungsmaßnahmen (Purging). Deutlich zu erkennen ist das große Potenzial der kontrollierten Selbstzündung, bei der trotz geringerem Grundpotenzial aus der Betrachtung des vollkommenen Motors extrem geringe Verbrennungsverluste, relativ geringe Wandwärmeverluste und sehr geringe Ladungswechselverluste zu einem hohen indizierten Wirkungsgrad führen. Dieser liegt deutlich über der von variablen Ventilhubsteuerungen und nur knapp unter dem des direkteinspritzenden strahlgeführten Brennverfahrens. Beim Wasserstoffmotor wirken sich das hohe Verdichtungsverhältnis und vor allem das hohe Verbrennungslutverhältnis (λ > 3) aufgrund der extrem weiten Zündgrenzen von Wasserstoff sehr günstig auf das Grundpotenzial des vollkommenen Wirkungsgrades aus. Der Wirkungsgrad des vollkommenen Motors beträgt ca. 56 %. Die Verbrennung mit ihrer optimalen Schwerpunktlage reduziert zwar die Verbrennungsverluste, jedoch ergeben sich aus den höheren Verbrennungstemperaturen der Wasserstoffverbrennung auch deutlich höhere Wandwärmeverluste, die einen Großteil des Potenzials zunichtemachen. Dennoch stellt sich ein vergleichsweise sehr hoher indizierter Wirkungsgrad ein. Aus den Betriebspunkten ist zu erkennen, dass eine kurze Brenndauer und damit verbunden geringe Verbrennungsverluste höhere Wandwärmeverluste bewirken. Hier muss meist ein Kompromiss gefunden werden, um einen geringen Brennstoffverbrauch realisieren zu können. Dasselbe gilt für den Zusammenhang zwischen einem höheren Verdichtungsverhältnis zur Erzielung eines höheren Wirkungsgrades des vollkommenen Motors und den Wandwärmeverlusten.

9.3

Optische Messverfahren

9.3.1 Einleitung Welche Eigenschaten einer Verbrennung erfordern optische Messverfahren, welcher Nutzen wird daraus für den Motorentwicklungsvorgang gewonnen? Mit der Vorgabe dieser Fragestellung ist in den nachfolgenden Tabellen eine Übersicht über verschiedene optische Messtechniken und deren Anwendungsmöglichkeiten angeführt. Von den vielfältigen Methoden, die in der Verbrennungsforschung zur Anwendung kommen, haben jedoch nur wenige das Potenzial im praktischen Messbetrieb zur Unterstützung der Motorentwick-

9

Verbrennungsdiagnostik

605

lung zum Einsatz zu kommen. Der nachfolgende Beitrag gibt nach dem tabellarischen Überblick der Methoden eine beispielhate Darstellung optischer Verfahren, die zur Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung in Vor- und Serienentwicklung verwendet werden. Auswahlkriterium für eine Methodik ist immer der erzielbare Informationsgehalt für eine aktuelle Fragestellung und der Aufwand, das angestrebte Ergebnis auch erzielen zu können. Daher zeichnen sich erfolgreiche Methoden durch einfache Anwendbarkeit und hohen Informationsgehalt für entwicklungsrelevante Fragestellungen aus.

9.3.2 Anwendungsgebiete optischer Methoden im tabellarischen Überblick Die Tab. 9.3, 9.4, 9.5 und 9.6 zeigen einen Überblick über Aufgabengebiete, grundlegende Eigenschaten optischer Sensoren, Objekte im Brennraum, die entweder selbst leuchten Tab. 9.3 Aufgabengebiete für optische Messtechnik im Motorbrennraum Aufgabengebiet

Ziel

Priorität

Optische Methoden Randbedingung und Methodik wird von Fragestellung bestimmt

Forschung

Wissenschatliche Präzision Genaue Definition und Kenntnis der Versuchsbedingungen Prüfen spezifischer Realitätsnaher, Muss mit Motorbetrieb Fragen in Motoren- relevanter vereinbar sein, Aufwand/ entwicklung Motorbetrieb Nutzen Relation im Projektablauf

Verbrennungsvorgänge verstehen Methodenentwicklung Abgleich mit Simulation Entwicklung Brennverfahren

Tab. 9.4 Grundeigenschaten optischer Empfänger Signal

Sensor

Zeitsequenz

Bild

Kamera

Strahlung

Einkanal-, Mehrkanalsensor

Single shot und Belichtungszeit oder high speed Kamera Beleuchtungszeit Kontinuierlich Bandbreite Signalwandler und Digitalisierungsrate

Zeitauflösung

Ortsauflösung Pixelgenau durch optische Abbildung Integral im Sichtkegel oder Sichtfleck je Kanal

Tab. 9.5 Signalquellen für passive optische Messtechniken Signalquelle

Objekt

Leuchtendes Gas

Flammenfront, Ottomotoren verbranntes Gas Rußstrahlung Diesel und GDI Motoren

Heiße Partikel

Heiße Oberflächen

Motoren

Bauteilstrahlung Motorbauteile

Anwendung Flammenkernbildung, Flammenausbreitung Diffusionsflammen, Flammeninteraktion im Dieselmotor, Rußtemperatur, Rußkonzentration Bauteiltemperatur

606

G.P. Merker und R. Teichmann

Tab. 9.6 Beleuchtete Objekte im Brennraum Objekt

Beleuchtung

Anwendung

Kratstoffstrahlen Kratstoffwandfilm Ablagerungen Motorbauteile

Dauerlicht oder Blitzlampe

Strahlausbreitung Kolben, Zylinderbüchse, Zylinderkopf Injektoren, Ventile, alle Oberflächen Bauteilfunktion

Tab. 9.7 Lasertechniken für Messungen im Brennraum, nach Wytrykus und Düsterwald (2001) Methode

Objekt

Information

Sensorik

PIV, particle image velocimetry LDA, laser doppler anemomentry PDA, phase doppler anemomentry LIF, laser induced fluorescence

Seedingpartikel Partikel, Tropfen

Strömungsfeld Lokale Strömung

Tropfen

Tropfengröße

Kamera Photodiode, Multiplier Photodiode, Multiplier Kamera

Fluoreszierende Moleküle LII, laser induced incandescence Rußpartikel Ramanstreuung Moleküle Lichtabsorption

Moleküle, Partikel

Konzentration Rußverteilung Konzentration, Temperatur Konzentration

Kamera Multiplier Photodiode, Multiplier

und daher mit passiven Techniken erfassbar sind, oder die mit externen Lichtquellen beleuchtet werden müssen. Tabelle 9.7 gibt eine Zusammenstellung von Lasermesstechniken für motorspezifische Messaufgaben.

9.3.3 Anwendungsbeispiele optischer Methoden In diesem Beitrag werden folgende Arten von Messtechniken vorgestellt: • Bildgebende Verfahren zur Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung in Diesel und Ottomotoren. Untersuchung im Transparentmotor zu Gemischbildung und Verbrennung • Bildgebende Verfahren, die über Endoskope Zugang zum Brennraum haben. • Messung der Flammenstrahlung in Dieselmotoren, Auswertung nach der Zweifarbenmethode • Messung der Flammenstrahlung in Ottomotoren Anwendungsgebiete dieser Methoden für Entwicklungsaufgaben an Otto und Dieselmotoren sind in Tab. 9.8 zusammengestellt.

9

Verbrennungsdiagnostik

607

Tab. 9.8 Optische Methoden in Transparent- und in Serienmotoren Methode

(DI) Ottomotor

Einzylinder Transparentmotor

Gemischbildung, Strahlausbreitung, Flammenqualität Flammenverteilung Spray – Bauteil Interaktion Diffusionsflammen Flammenverteilung Flammentemperatur Rußkonzentration Gemischqualität aus Flammenstrahlung

Endoskopie im seriennahen Motor Zweifarbenmethode im seriennahen Motor Flammenmesstechnik Ottomotoren, seriennaher Motor

(DI) Dieselmotor

Sensorik Kamera Endoskop und Kamera Lichtleitersensoren Ein- und Mehrkanallichtleitersensoren

9.3.4 Dieselmotoren Der Idealzustand für Gemischbildung im Muldenbrennraum eines Dieselmotors ist in Abb. 9.40 in einer Fotomontage dargestellt: Aus einer Schlierenaufnahme sind der düsennahe Bereich (der „Strahlkern“) und die weit aufgefächerte Dampfwolke sichtbar, die sich durch die Verdampfung der Kratstotropfen im Wärmekontakt mit dem verdichteten, heißen Brennraumgas bildet und in der über Vorreaktionen die Verbrennung beginnt. Die Lage einer sich daraus bildenden Dieselflamme ist im zweiten Teil von Abb. 9.40 angeführt. Die Brennraumberandung in dieser Fotomontage wurde in einer Größe gewählt, die eine optimale Nutzung des Gasvolumens vorgibt, wobei aber ein Kontakt mit der Mulden- oder Zylinderkopfoberfläche vermieden wird. Dieser Idealzustand ist im realen Motorbetrieb nicht erzielbar. In der Hochlast berühren Flammen immer die Brennraumberandung, im betriebskalten Motor gelangen Kratstofftropfen an die Muldenwand, die dort einen massiven Wandfilm bilden können. Entsprechende Beispiele sind in den Endoskopaufnahmen von Abb. 9.41 angeführt.

Endoskopaufnahme in Serienmotor

Schlierenaufnahme in Forschungsmotor

Abb. 9.40 Fotomontage: Dieselspray mit Kratstoffdampfwolke und Dieselflamme im Querschnitt eines Muldenbrennraums

608

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.41 Dieselsprays und Flammen im betriebswarmen Motor (A) Kratstoffwandfilm und Flammen im kalten Brennraum (B)

A

B

Brennraumendoskopie Endoskope sind optische Instrumente zur Bildübertragung mit Stablinsen oder mit bilderhaltenden Faserbündeln. Bei Anwendungen im Motorbrennraum wird das Endoskop über ein Sichtfenster in den Brennraum eingeführt. Die Ausführung der Sichtfenster muss auf die Druck- und Temperaturverhältnisse eines Motors abgestimmt sein. Dies gelingt bei geeigneter Dimensionierung und Materialauswahl auch für Einsätze an der Volllast in hochaufgeladenen Diesel- und Ottomotoren. Entsprechende Ausführungen sowie ein Einbaubeispiel und der Aufbau eines Geradsichtendoskops sind in Abb. 9.42 angeführt.

Endoskop mit Kamera

ø 7mm

Object

67 °

Beleuchtung

Stablinsen mit Kühlkanälen

Abb. 9.42 Endoskop und Endoskopeinbau im Zylinderkopf eines Dieselmotors

Bildaufnahme über Kolbenfenster in Forschungsmotoren In der Motorenforschung und Vorentwicklung werden zunehmend Versuchsaufbauten mit transparenten Kolben verwendet. Der Blick durch den Kolbenboden bietet die Gelegenheit, sämtliche Strahlen und Flammenkeulen eines Einspritz- und Verbrennungsvorgangs gleichzeitig zu erfassen und damit die Gleichförmigkeit der Einspritzstrahlen und Flammen bewerten zu können. Ein Ergebnisbeispiel ist in der Flammensequenz von Abb. 9.43 zu sehen (Lindstrom et al. 2010). Da hier der optische Zugang über ein großflächiges Fenster und einen Spiegel erfolgt, können vielfältige Beobachtungstechniken mit relativ geringem Adaptierungsaufwand eingesetzt werden.

9

Verbrennungsdiagnostik

609

Flammenbildauswertung – Beispiele Neben der geometrischen Information über Flammenlage und Größe enthalten Flammenbilder auch Information über Temperatur und Konzentration der in der Flamme strahlenden Rußpartikel. Beide Größen sind durch eine Auswertung der spektralen Leuchtintensität aus den Flammenbildern ableitbar. Die Bildauswertung erfolgt nach den Algorithmen der Zweifarbenmethode (Gstrein 1987). Spektrum einer Diesellamme Dieselflammen sind intensiv strahlende Diffusionsflammen, deren Spektrum von der thermischen Strahlung der Rußpartikel bestimmt wird. Abbildung 9.44 zeigt, dass dieser breitbandigen Strahlung im nahen UV die Molekülstrahlung der OH-Bande überlagert ist. Weitere schmalbandige Anteile aus der Rekombinationsstrahlung leuchtender Moleküle sind vor dem Hintergrunde dieser Partikelstrahlung kaum erkennbar (Kuwahara und Ando 2000). Die Festkörperstrahlung der Rußpartikel wird zur Bestimmung der Flammtemperatur und der Konzentration der strahlenden Rußpartikel herangezogen. Die Algorithmen dieser Strahlungsanalyse bauen auf der heorie strahlender trüber Medien auf und verwenden im einfachsten Fall Flammenintensitätssignale in zwei schmalbandigen Wellenlängenbereichen. Auf der Grundlage dieser „Zweifarbenmethode“ und mit Endoskopaufnahmen von Dieselflammen wurde die in Abb. 9.43 vorgestellte Flammenanalyse vorgenommen.

Abb. 9.43 Flammenverteilung im Brennraum eines Forschungsmotors

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.44 Spektrum einer Dieselflamme im Zeitablauf der Verbrennung. OHMolekülstrahlung und massive thermische Strahlung der Rußpartikel (Kuwahara und Ando 2000)

Spectral intensity [rel. Units]

610

Soot conc. - rel. u.

Rußbildung – Rußabbrand Variantenanalyse Vergleichende Ergebnisse für eine Flammenauswertung sind in Abb. 9.45 dargestellt. Dazu wurden Flammenbilder aus einem NFZ Motor über ein Endoskop aufgenommen. Verbrennungseigenschaten wurden über EGR und Nadelöffnungsdruck variiert, beide Variationen nehmen Einfluss auf die Rußemission. Für die Flammenauswertung wird in den Endoskopaufnahmen ein Auswertefeld festgelegt. Die in diesem Auswertefeld integral vorliegende Rußkonzentration wird für die gesamte Kurbelwinkelsequenz eines Verbrennungsablaufs bestimmt. Dazu werden Flammenaufnahmen aus einigen hundert aufeinanderfolgenden Zyklen als Datenbasis verwendet. Die in Abb. 9.45 A und B angeführten Auswerteergebnisse zeigen eine stetige Zunahme der Rußkonzentration bis mit dem Ende des Einspritzvorgangs ein Maximum erreicht

A

0%

Soot conc. - rel. u.

-10

Endoskopaufnahme im Serienmotor. Bildzone wird für die Integralauswertung vom Benutzer festgelegt.

15 % EGR

0

deg 10 CA

20

30

40

50

40

50

low NOP

B high -10

0

deg10CA

20

30

Abb. 9.45 Auswertung ausgewählter Flammenbildzonen: Rußbildung und Rußabbrand bei EGR Variation (A) und bei Änderung des Nadelöffnungsdrucks NOP (B)

9

Verbrennungsdiagnostik

611

wird. Der nachfolgende Signalabfall zeigt den je Betriebsvariante unterschiedlichen Verlauf der Rußoxidation. Wie zu erwarten, erfolgt der Rußabbrand bei EGR Zunahme langsamer. Eine Erhöhung des Nadelöffnungsdrucks zeigt eine schnellere Rußbildung, aber auch einen schnelleren Rußabbrand. Im späten Expansionstakt sind Rußpartikel entweder oxidiert oder aber soweit abgekühlt, dass sie in den Endoskopaufnahmen nicht mehr erkennbar sind. Ein Vergleich von Rußemissionswerten mit den Rußintensitätssignalen des Expansionstakts zeigt einen signifikanten Zusammenhang beider Messgrößen. Der theoretische Zusammenhang der Flammensignale mit Rußmessungen im Abgas ist damit bestätigt und die vorgestellte Bildanalysemethode ist für praktische Entwicklungsaufgaben nutzbar. Rußbewertung mit der Zweifarbenmethode In der Emissionsentwicklung von Dieselmotoren hat die Optimierung transienter Lastwechselvorgänge eine zentrale Bedeutung. Da sich im Transientbetrieb Gaswechsel und Einspritzung in jedem Zyklus und Zylinder beständig verändern, besteht die messtechnische Aufgabe darin, jene Zylinder und Zyklen zu identifizieren, die in besonderer Weise zu einer Überhöhung der Emissionsbildung und insbesondere zu einem Rauchstoß bei Lastzunahme beitragen. Abbildung 9.46 zeigt dazu das Beispiel aus einem Zylinder eines PKW Dieselmotors. Der Motor wurde in 6 Wiederholungen bei konstanter Drehzahl (2000 min–1 ) innerhalb von ca. 100 Zyklen von pi = 3 bar bis pi = 19 bar belastet. Nach Vorgabe der Belastungsrampe reagiert der ausgewählte Zylinder mit der geforderten Mitteldruckzunahme. Aus dem Abgasstrang wird einem Opazimeter das Verbrennungsgas aus allen 4 Zylindern zugeführt. Dieses zeigt die Zunahme der Rußemission nach Auflegen der Last, sowie den Maximalbeitrag etwa zeitgleich mit dem Erreichen der Volllast. Vereinzelt sind Signalausreißer vor allem bei hoher Last erkennbar. Eine aus der Flammenstrahlung bestimmte Rußkennzahl („V-Soot“-Signal, Winklhofer et al. (2006)) zeigt die aus dem indizierten Zylinder stammenden Beiträge, die bei gleichzeitiger Messung mit dem Flammensensor bestimmt wurden. Zunächst fällt auf, dass das V-Soot-Signal im Ablauf der Verbrennungszyklen wesentlich stärker fluktuiert als die Opazität. Das Flammensignal reagiert zeitgleich mit der Belastung und zeigt Maximalbeiträge bereits knapp, bevor der Motor die Volllast erreicht hat. In diesem Vergleich kommt zunächst der Unterschied der beiden Messverfahren zum Ausdruck. Die Opazitätsmessung erfolgt mit einer Zeitauflösung von 0,1 Sekunde, das Messgas enthält dabei eine Abgasmischung aus allen 4 Zylindern und trit zeitverzögert nach Durchlaufen des Röhrenwerks in der Messkammer ein. Die Flammenrußmessung kompensiert genau die Nachteile dieser zeitverzögerten und integrierenden Messung. Die Kennzahlen für den ausgewählten Zylinder liegen genau nach dem Ende der Verbrennung vor, bei Bedarf stehen auch die kurbelwinkelgenauen Beiträge als Interpretationshilfe zur Verfügung. Um aus den Messergebnissen praktische Empfehlungen ableiten zu können, ist es nötig, systematisch und wiederholt autretende Emissionsbeiträge von sporadischen Ausreißern

612 20 Opazität - rel. E.

Abb. 9.46 Rauchstoß im Transienttest. V-Soot-Signal aus der Zweifarbenmessung zeigt zyklusgenau überhöhte Rußbeiträge. A, B wiederholte Einzeltests, C Ensemblemittelung

G.P. Merker und R. Teichmann

A

15

Opacity

10 5

Zyl. 1 VisioFEM rel. soot

0

20 15

V-soot

10 5 0

20 Ind. Mitteldruck - bar

B

6 Transienttests gemittelt IMEP

15

C

V-soot

10 5 Opacity 0 0

100

Nr. 200 Zyklus300

oder Überhöhungen in Einzeltestläufen zu unterscheiden. Dazu werden Ergebnisse aus mehreren Testläufen miteinander verglichen. Bei präziser Versuchsführung lässt sich mit den Ergebnissen der einzelnen Testläufe auch eine Signalmittelung durchführen. Im entsprechenden Mittelwertdiagramm von Abb. 9.46 C kommt nun klar zum Ausdruck, dass • sofort mit dem Lastwechsel eine erhöhte Rußbildung beginnt, und • in allen Tests bereits kurz vor Erreichen der Volllast eine systematische Rußüberhöhung autritt.

9.3.5 Ottomotoren Im Idealzustand ist der Kratstoff in einem Ottomotor vollständig verdampt, das Gemisch ist homogen verteilt und liegt in stöchiometrischer Zusammensetzung vor. Nach der Zün-

9

Verbrennungsdiagnostik

613

dung bildet sich ein Flammenkern aus, dessen Flammenfront sich durch turbulente Diffusion in das Brenngas hinein ausbreitet. Die Gemischhomogenisierung stellt sicher, dass Rußbildung vermieden wird. Bei stöchiometrischer Verbrennung liegt die Flammentemperatur nahe der adiabaten Verbrennungstemperatur von ca. 2400 K. Das dabei gebildete Stickoxid wird im Katalysator zu Stickstoff reduziert. Ein derart betriebenes Brennverfahren bietet ideale Voraussetzungen für einen emissionsarmen Betrieb. Die Aufgabe der Brennverfahrensentwicklung besteht nun darin, durch geeignete Gemischbildung dafür zu sorgen, dass für die Verbrennung auch tatsächlich vollständig verdamptes, homogenes oder aber gezielt geschichtetes Gemisch verfügbar ist und dass die Verbrennung mit höchstmöglichem Wirkungsgrad erfolgt. Optische Messverfahren unterstützen diese Entwicklungsaufgaben bei folgenden hemen: 1. Emissionen: Gemischbildung bei Saugrohr und Direkteinspritzung für eine rußfreie Verbrennung 2. Stabilität: Flammenkernbildung, Flammenausbreitung unter Nutzung der Innenströmung 3. Wirkungsgrad: Klopfortbestimmung 4. Irreguläre Verbrennung: Der Entwicklungstrend zu aufgeladenen Motoren mit zunehmend hoher Leistungsdichte führt zu unkontrollierten Selbstzündungsvorgängen. Solche irregulären Zünd- und Verbrennungsvorgänge werden durch optische Messverfahren bewertbar. 5. Berührungslose Temperaturmessung: Durch die Verwendung infrarotempfindlicher Signalwandler werden optische Sensoren auch für die berührungslose Messung der Strahlungstemperatur von Bauteilen im Brennraum und im Abgassystem nutzbar, Winklhofer et al. (2009).

Emissionen: Bewerten der Gemischbildung aus einer Messung der Flammenstrahlung Turbulente Flammenausbreitung in vorgemischter Ladung In ideal vorgemischter Ladung breitet sich die Flamme nach der Zündung durch Diffusion der Flammenfront in das unverbrannte Gemisch hinein aus. Die Ausbreitung der Flammenfront wird durch die turbulente Ladungsbewegung gesteuert. Aktivierungsenergie wird dem unverbrannten Brenngas durch den Wärmeaustausch mit dem heißen verbrannten Gas zugeführt. Durch dieses Aktivieren der Oxidationsvorgänge wird die Kettenreaktion der Verbrennung aufrechterhalten bis das gesamte Gemisch in Verbrennungsprodukte umgesetzt ist. Ein Großteil der Verbrennungsenthalpie wird in der Flammenfront durch Oxidation freigesetzt und führt dadurch zu einer Zunahme des Zylinderdrucks. Die bei der Oxidation entstehenden angeregten Moleküle tragen durch Rekombinationsstrahlung zum Flammenleuchten bei.

614

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.47 Vormischverbrennung: A: Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten nahezu gleichzeitig auf. B: Flammenfront unter dem Einfluss turbulenter Innenströmung. C: Flammenmustersignal bei Vormischverbrennung zeigt Isotropie der Flammenausbreitung

Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten daher in einer Vormischflamme nahezu gleichzeitig auf. Diese Gleichzeitigkeit ist durch die Messung des Zylinderdrucks und der Flammenhelligkeit überprüfbar. Abbildung 9.47 A zeigt dazu ein Signalbeispiel. In homogener Ladung erfolgt die Ausbreitung der Flammenfront durch molekulare Diffusion und ist durch diesen primären Mechanismus zunächst unabhängig von der Ausbreitungsrichtung. Überlagert ist dieser Isotropie die lokale Zerklütung der Flammenfront durch die turbulente Bewegung der Zylinderladung und eine makroskopische Dritbewegung unter dem Einfluss einer eventuell vorhandenen gerichteten Innenströmung. Die Flammenaufnahme in Abb. 9.47 B aus einem Transparentmotor (Winklhofer et al. 2009) zeigt diese turbulente Zerklütung der Flammenfront und auch eine bevorzugte makroskopische Ausbreitungsrichtung. Die Messung der integralen Lichtstrahlung entlang eng begrenzter Sichtkegel eröffnet eine sehr einfache und informative Methode, eine Vormischverbrennung anhand des zeitlichen Verlaufs und der Ähnlichkeit der Signale in einzelnen Blickrichtungen zu bewerten. In Abb. 9.47 C wird eine Vormischverbrennung in einer polaren Darstellung der über Grad Kurbelwinkel aufgezeichneten Signale anhand der Signalisotropie erkennbar. Die höchste Strahlungsintensität ist dabei wieder mit dem Zeitpunkt maximaler Wärmefreisetzung verbunden. Flammenleuchten in heterogenem Gemisch Bei unzureichender Verdampfung beginnt die Verbrennung zwar mit einer Vormischflamme, an dieser Vormischflamme entzünden sich dann aber eventuell vorhandene fette Ge-

9

Verbrennungsdiagnostik

615 pressure

B

A

B

2

flame

1 flame

-60

-0 60 120 Crank Angle [deg]

18

Zylinderdruck, Wärmefreisetzung und Flammenstrahlung in einem Serienmotor

Flammenbild in einem Transparentmotor. Blick durch ein Kolbenfenster

C

deg CA

Flammenstrahlung in einem Serienmotor, Sensor mit 40 radialen Blickrichtungen

Abb. 9.48 Vormisch- und Diffusionsflammen. A: Vormischanteil 1, Wärmefreisetzung und Flammenleuchten treten nahezu gleichzeitig auf, Diffusionsanteil 2; intensive Flammenstrahlung aber keine Wärmefreisetzung. B: fette Gemischzonen (Tropfen, Wandfilm) werden von der Vormischflamme entzündet. C: Flammenmustersignal bei Vormisch- und Diffusionsverbrennung: Anisotropie der Flammenstrahlung durch lokale Diffusionsflamme

mischzonen, Kratstotropfen oder ein Wandfilm. Abbildung 9.48B zeigt dazu das Beispiel einer Flammenaufnahme aus einem Transparentmotor. Dieser Mechanismus führt dazu, dass zu Beginn der Verbrennung die Flammenstrahlung aus dem Anteil der Vormischflamme besteht, zu der mit fortschreitender Flammenausbreitung dann Anteile aus der Diffusionsverbrennung der fetten Gemischzonen hinzukommen. Im Signalbeispiel von Abb. 9.48 A ist diese zeitliche Trennung durch das Autreten intensiver Strahlung im Expansionstakt erkennbar. Da fette Gemischzonen örtlich begrenzt sind, wird in einer Vielkanalmessung auch die Lage dieser Diffusionsflammen erkennbar. Abbildung 9.48C zeigt das Beispiel einer Diffusionsflamme, die in der Nähe eines Einlassventils aus einer Wandfilmverbrennung entsteht. Der Wandfilm entzündet sich an der sich ausbreitenden Vormischflamme, die dabei entstehende Diffusionsflamme brennt lange in den Expansionstakt hinein nach und bleibt örtlich begrenzt. Die Auswertung der Wärmefreisetzung zeigt in Abb. 9.48 A dass diese eng an die Vormischverbrennung gekoppelt ist. Der Beitrag der Diffusionsflamme zur Wärmefreisetzung bleibt auch bei intensiver Strahlung sehr gering. Anwendungsgebiet der Flammenbewertung Die Signalbeispiele in Abb. 9.47 und 9.48 zeigen, dass sich mit einer Messung der Flammenhelligkeit auf sehr einfache Weise feststellen lässt, ob die Verbrennung in homogen vorgemischter Ladung abläut, oder ob bei der Verbrennung Diffusionsflammen autreten. Da in solchen Diffusionsflammen immer Ruß gebildet wird, der zumindest teilweise zur Partikelemission beiträgt, ist das Erkennen von Diffusionsflammen ein wertvolles Hilfsmittel

616

G.P. Merker und R. Teichmann

für die Emissionsoptimierung. Der Vorteil einer Messmethode, die die Rußbildung bereits im Brennraum erkennbar macht, liegt darin, dass jeder einzelne Zylinder mit Zyklus- und Grad Kurbelwinkelauflösung bewertbar wird. Diese Eigenschat wird vor allem im Transientbetrieb und beim Startvorgang von Ottomotoren genutzt. Anwendungsbeispiele Beschleunigung

Bei einem Teillast-Volllast-Übergang tritt besonders in DI Ottomotoren ot ein unkontrollierter Rauchstoß auf, weil der mit der erhöhten Lastanforderung zusätzlich eingespritzte Kratstoff nicht ausreichend schnell verdampfen kann. Dies führt bei Kalibrieraufgaben dazu, dass in Iterationsschleifen Einspritzparameter so lange variiert werden, bis akzeptable Emissionswerte erzielt werden. Dabei kann aber aus Messungen im Abgasstrang nicht ermittelt werden welche Zylinder und welche Zyklen in besonderem Ausmaß zum Rauchstoß beitragen und daher eine besonders präzise Einstellung der Einspritzparameter benötigen. Diese Aufgabe wird mit einer Messung der Flammenstrahlung gelöst. Abbildung 9.49 A zeigt Zylinderdruck, Wärmefreisetzung und Flammenstrahlung in der Zyklusfolge eines Lastsprungs. Mit der Zunahme der Motorlast werden Kratstoffanteile erst verschleppt im Zyklus verbrannt bis nach Stabilisieren der Hochlast diese verschleppten Flammenanteile wieder verschwinden. Durch verbesserte Voraussetzungen für eine schnellere Verdampfung kann diese verschleppte Diffusionsverbrennung merkbar vermindert werden, Abb. 9.49B. Motorstart

Im Motorstart werden mit abnehmender Umgebungstemperatur zunehmend höhere Anreichungsfaktoren notwendig, um zündfähiges Gemisch für die Verbrennung bereitzustellen. Der überzählig eingespritzte Kratstoff liegt vor allem als Wandfilm vor und kann nur teilweise zur Verbrennung beitragen. Diffusionsflammen und Rußbildung sind unter solchen Bedingungen unvermeidbar, müssen aber durch geeignete Einspritzparameter an die schnell veränderlichen Betriebsbedingungen angepasst und auf ein Minimum reduziert werden. Für den Extremfall von Zündaussetzern muss erkannt werden, ob die Zündung durch Kratstoffmangel oder Überfüllung verursacht wird um eine entsprechende Anpassung der Einspritzdauer vornehmen zu können. Abbildung 9.50 zeigt eine Zyklussequenz aus einem Zylinder eines 4-Zylinder-Motors. Zylinderdruck und Wärmefreisetzung zeigen drei Zündaussetzer, bevor in den nachfolgenden Zyklen die Verbrennung einsetzt. Die Flammensignale zeigen, dass im ersten dargestellten Zyklus keinerlei Flammenleuchten bemerkbar ist. Im nächsten Zyklus liegt ein Flammensignal vor, es kommt jedoch zu keiner wirksamen Wärmefreisetzung, im Drucksignal wird lediglich ein Zündaussetzer registriert. Im dritten Zyklus zeigt das Flammensignal, dass die Verbrennung bereits im frühen Kompressionstakt eingesetzt hat. Offen-

617 20

„Flammenintegral“

40 IMEP [bar]

pi [bar]

A

16

30

12

20

8

10

4

0

Zyklussignale

-50 -25

0

160 160

168 Nr. 172 Zyklus

164

180 180

176

Abbrand von angelagertem Kraftstoff

17

0

25

Druck

50

75

1 00

168

164

172

25

25

le5s0

75 Wärmefreisetzung

50 75

0

10 125 Angle Flammenstrahlung 150 175 [deg]

50

20

„Flammenintegral“

IMp EP[bar] [bar]

40

16

30

12

20

8

10

4

i

B

0

242 242 244

Zyklussignale

-25 0 C

IntVal [V*deg]

50

integr. Flammensignal [rel. u.]

Verbrennungsdiagnostik

25 50 75 100

Druck

5

2

248

246

Zyklus 248 250 Nr. 252

254 256 Cycle Based [Cycles]

254 2 2 250 2525 50 75

100 5 Wärmefreisetzung

260262 262

258

0

25 50 75 100

integr. Flammensignal IntVal [V*deg] [rel. u.]

9

24 2 Flammenstrahlung

160

164

168

172

le Cyc

s

Sensor

Verschwindend kleines Signal aus dem Abbrand von angelagertem Kraftstoff

248

250 252

254 25

Abb. 9.49 Rußbildung im Lastsprung. A: Überfettung wird im Flammlichtsignal zyklusgenau erkennbar. B: Minimale Überfettung (Diffusionsflamme) durch verbesserte Kratstoffverdampfung

sichtlich ist das frisch angesaugte Gemisch durch Flammenreste aus dem vorhergehenden Zyklus frühzeitig gezündet worden. Erst in den nachfolgenden Zyklen kommt es zu einer wirksamen regulären Verbrennung. Als Ursache für die Zündaussetzer und die irreguläre Verbrennung wir daher in Zyklus 2 und 3 eine Überfüllung des Brennraums mit Kratstoff erkannt. Veriizieren der Flammlichtsignale mit Rußmessungen

Der Information über zyklusgenaue Rußbeiträge zur Partikelemission kann zwar in Serienmotoren nicht mit Emissionsmessgeräten geprüt werden, jedoch kann mit konventionellen Partikelmessgeräten ein Trendvergleich unter stationären Betriebsbedingungen vorgenommen werden. Dazu zeigt Abb. 9.51 den Vergleich von Partikelmessungen mit

618

G.P. Merker und R. Teichmann rel. scales for rate of heat release

pressure

flame radiation

TDC de g. CA Spark timing near TDC

TDC

le n cyc

TDC

r be um

BDC

flame integral – rel. u.

2000 rpm, 11 bar IMEP Particle Counter vs. Flame signal particle counts

2000 rpm, 11 bar IMEP MicroSoot vs. Flame signal

flame integral – rel. u.

Micro Soot signal – mg/m³

Abb. 9.50 Zündaussetzer bei Motorstart. Ursache wird aus Interpretation von Wärmefreisetzung und Flammenleuchten erkannt

SOI – deg CA

Abb. 9.51 Trendvergleich: Abgasmessung im Stationärbetrieb (Partikelmasse und Anzahl) im Vergleich mit Flammlichtsignalen (Integral über Zyklusdauer)

einem Micro Soot Sensor und von Flammlichtmessungen mit einer VisioPressure Zündkerze. Die Flammlichtsignale (über Kurbelwinkel integrierte Flammenstrahlung) zeigen denselben Trend wie die Abgasmessung. Die zyklusgenaue Aussage über Rußbeiträge kann mit solchen Stationärvergleichen für jeden Anwendungsfall nachvollzogen werden. Richtungsinformation

Zündkerzensensoren deren optische Empfangskanäle in Umfangsrichtung angeordnet sind wurden bereits in Abb. 9.47 und 9.48 zur Bewertung isotroper oder anisotroper Flammenmuster bei Saugrohreinspritzung vorgestellt. Abbildung 9.52 zeigt Messergebnisse aus einem GDI Brennraum mit Flammenmustersignalen die einer sehr zielsichere Bewertung von Injektorparametern in Bezug auf Rußentstehung in Serienmotoren möglich machen.

9

Verbrennungsdiagnostik

Ex

Ex

In

In

A

619

B

C

D

deg CA

Abb. 9.52 Flammenmustersignale im Brennraum, eines GDI Motors. A: Sensoranordnung, B: Einspritzung zu früh, dadurch Rußbildung aus intensiver Kolbenbenetzung, C: Einspritzung spät, dadurch Kratstoffanlagerung an Zylinderwand, D: Bestvariante mit rußendem Flammenrest unterhalb des Injektors Tab. 9.9 Messaufgaben und Methoden zur Ursachenanalyse für Verbrennungsschwankungen Messgröße

Methode

Sensor

Referenz

Lambda

HC Absorptionsmessung

Zündkerze mit Absorptionsstrecke, Zündfunkenspektroskopie Zündkerze mit LDA Optik Zündkerze mit Absorptionsstrecke Zündkerze mit Lichtleitern

Hall und Matthews (2002); Berg et al. (2006); Fansler et al. (2002) Ikeda et al. (2000)

Strömung, Turbulenz LDA EGR

CO2 -Absorption

Flammenausbreitung

Flammenstrahlung, Lichtschranken

Wärmefreisetzung Flammenkern

Druckmessung Flammenfotografie

Berg et al. (2006) Witze et al. (1988); Winklhofer und Salzinger (2004)

Drucksensor Transparentmotor, Endoskop

Verbrennungsstabilität: Strömung, EGR, Lambda Kennzahlen für die Verbrennungsstabilität werden aus dem Druckverlauf bestimmt. Eine Stabilitätsbewertung erfolgt durch Angabe der Mitteldruckschwankung (Vpi ) und der Statistik für die Brenndauer (T5 % bis T95 %) und die Lage charakteristischer Umsatzpunkte (T5 %, T50 %, T95 %). Die Ursache für unzureichende Stabilität liegt zumeist in einer Verzögerung der Entflammungsphase. Ausgelöst werden diese Verzögerungen durch Schwankungen der Strömung, der Kratstoffkonzentration und des Restgasgehalts im Bereich der Zündkerze. Daraus ergibt sich die Messaufgabe, diese Größen für eine Ursachenanalyse verfügbar zu machen. Tabelle 9.9 gibt eine Übersicht zu Methoden und Sensoren, mit denen diese Aufgaben in Serien- und Forschungsmotoren bearbeitet werden. Als Ergebnisbeispiel ist in Abb. 9.53 die Flammenkernentwicklung aus einer Messung mit einer VisioFlame Zündkerze dargestellt. Die Polardarstellungen zeigen die Geschwindigkeit mit der sich der Flammenkern aus dem Bereich der Zündkerze heraus in den Brennraum hinein ausbreitet. Bei Variation des Zündzeitpunkts unterliegt der Flammenkern den

620

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 9.53 Flammenkernausbreitung, Zyklusmittel (n = 100) und Standardabweichung. Variation Zündzeitpunkt

veränderlichen Strömungs- und Turbulenzverhältnissen, dies kommt im aktuellen Beispiel durch die Richtungsumkehr des Flammenkerns bei später Zündung zum Ausdruck. Die erhöhte Geschwindigkeit bei später Zündung ist eine Folge der Dichte- und Turbulenzzunahme.

Wirkungsgrad: Klopfortbestimmung Die Verbrennungsentwicklung an der Klopfgrenze eines Ottomotors steht unter der Forderung nach verbrauchsoptimalen Zündwinkeln bei vorgegebenem Verdichtungsverhältnis. Die Umsetzung dieser Anforderung hat Auswirkungen auf Wirkungsgrad, Leistungsdichte, Geräusch und Betriebssicherheit und stellt damit einen zentralen Entwicklungsschritt für Ottomotoren dar. Optische Verbrennungsanalyse unterstützt diese Arbeiten durch die Bestimmung der Klopfortverteilung und durch eine Ursachenanalyse für die jeweilige Klopfbegrenzung. Zu klopfender Verbrennung kommt es durch die Selbstzündung von Endgas. Nach dem normalen Zündvorgang dauert es einige 10 °KW bis die Flammenfront sich im Brenngas ausgebreitet hat und die Verbrennung beendet ist. Während dieser Brenndauer steigt die Temperatur im unverbrannten Gas durch die Druckzunahme aus Kompression und Verbrennung an. Dieser adiabate Wärmeeintrag in das Brenngas kann zur Aktivierung der Selbstzündung führen. Vermieden wird die Selbstzündung durch ausreichend schnelle Ausbreitung der Flammenfront und durch Absenken des Wärmeeintrags. Die Entwicklungsaufgabe besteht nun darin, die Flammenausbreitung durch innermotorische Strömungsvorgänge zu optimieren und Temperaturüberhöhungen im Endgas durch geeignete Brennraumkühlung zu vermeiden. Dazu ist die Kenntnis der Flammenausbreitung und der Klopfortverteilung ein wertvolles Hilfsmittel. Die Messtechnik zum Erfassen von Klopfzentren muss an die in Tab. 9.10 angeführten Signaleigenschaten angepasst sein. Dafür eignen sich prinzipiell Messmethoden die Signale aus dem Brennraumvolumen erfassen und eine Ortszuordnung der Signalquelle möglich machen (Mazoyer et al. 2003; Wytrykus und Düsterwald 2001; Philipp et al. 1995; Philipp et al. 2001). Das spontane Autreten und die hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit müssen durch entsprechende Methoden für Signalaufzeichnung und Signalabtastraten berücksichtigt werden.

9

Verbrennungsdiagnostik

621

Tab. 9.10 hemengebiete und Anforderungen an Messtechnik zur Klopfortbestimmung hema

Eigenschat

Motorbetrieb Wann tritt Klopfen auf? Signal

Auswahl Zündwinkel an der Klopfgrenze Spontan, Ereignisfenster knapp nach OT Druckwelle nach Spontanzündung Druckwelle bedingt Dichtewelle Dichtewelle bedingt Helligkeitswelle im leuchtenden verbrannten Gas Druckwelle, lokal am Sensorort erfasst Helligkeitswelle mit optischer Sensorik im Volumen erfasst Durchlaufzeit der Klopfwelle durch den Brennraum: 50 bis 200 μs Schallgeschwindigkeit: bis zu 1000 m/s bei Volllast

Messsignal Druck Messsignal Licht Signaldauer Geschwindigkeit der Klopfwelle Forderung Messempfindlichkeit Messaufgabe Optik

Klopfortbestimmung bei Klopfintensität ab 0,5 bar Druckamplitude

160

40

80

40

80

deg CA 0

10

Mit einem Hochpass gefilterte Flammensignale aus einem 40-Kanal VisioKnock Sensor.

0

20

Kanal Nr.

0 -10

30

40

1

Pressure - bar Druck - bar

Alternative Methode Schwingungsmoden im Brennraum

Intensity - rel. units

Aus der Ausbreitung der Helligkeitswelle den Ausgangsort bestimmen Aus der Ausbreitung der Druckwelle den Ausgangsort bestimmen Bilden sich nach Reflexion der Primärwelle aus

Grad KW

Zuordnung des Klopfortes aus der Einbaulage der Sensorkanäle

Abb. 9.54 Klopfortbestimmung in einem Serienmotor mit einem VisioKnock Zündkerzensensor

Für den praktischen Messeinsatz an Pkw-Ottomotoren haben sich Zündkerzensensoren bewährt, da sie ohne Adaptierungsaufwand in die Zündkerzenbohrung von Serienmotoren eingesetzt werden können. Ein Signalbeispiel mit dem Auswerteprinzip für die Klopfortbestimmung ist in Abb. 9.54 angeführt.

622

G.P. Merker und R. Teichmann Ausbreitung der Flammenfront, Messung mit Flammentomographie

Abb. 9.55 Zusammenhang zwischen Endgasgebieten A1, A2 und Klopfortverteilung

Klopfortverteilung, Messung mit Zündkerzensensor

A

A1

A2 Entwicklungsergebnis Entwicklungsvariante

20 %

0

2500

3500

4500

5500

Klopfhäufigkeit

1 bar

Ausgangsbasis

pe

Abb. 9.56 Entwicklungsschritte zu Klopfoptimierung. Basis: Begrenzung durch Klopfzentren auf Auslassseite. Endvariante: Klopfzentren auf Einlassseite bei signifikant erhöhtem Mitteldruck

B

6500

Drehzahl [1/min]

Den Zusammenhang zwischen Endgasgebieten und Klopfzentren zeigt Abb. 9.55. Da die Flammenfront einzelne Randgebiete verspätet erreicht, kann sich in diesen Endgaszonen über Vorreaktionen hinaus eine Selbstzündung entwickeln. Den Nutzen einer Klopfortbestimmung für die Verbrennungsentwicklung zeigt die Ergebnisübersicht in Abb. 9.56. In der Grundauslegung wurde eine Zündwinkelbegrenzung durch starkes Klopfen auf der Auslassseite festgestellt. Mit einer Modifikation der Innenströmung konnte ein schnelleres Ausbrennen der Auslassseite erzielt werden. Der dabei erzielte Zündwinkelgewinn bewirkt eine Mitteldrucksteigerung über einen weiten Drehzahlbereich von über 1 bar.

Eigenschwingungen im Brennraum Klopfen wird im Motorbetrieb als akustisches Phänomen wahrgenommen. Dabei bilden sich im Brennraum nach der Selbstzündung durch Reflexion der Wellenfront an der Zylinderberandung stehende Wellen aus. Da mit optischen Sensoren das gesamte Zylindervolumen erfasst wird, kann aus den Signalverläufen neben dem Zündort auch die Ausbildung der Eigenschwingungsmoden rekonstruiert werden. Abbildung 9.57 zeigt dazu die Modulation der Flammensignale im Zeitablauf und einen momentane örtliche Zuordnung im Brennraum.

Verbrennungsdiagnostik

Abb. 9.57 Hochpasssignale aus Zylinderdruck und Flammenleuchten. Nach Reflexion der primären Klopfwelle wird eine Eigenschwingung des leuchtenden Gasvolumens sichtbar. P: Lage des Drucksensors

623 Pressure Druck

Sensor Kanal Nr.

9

40 30

Flammensignal

20 10 1 20 20 10 10

Deg CA Grad KW 30 30

Sensor 1 Sensor1 conf iguration anordnung

Ex

Ex

In

In

P

Irreguläre Verbrennung Durch Leistungs- und Wirkungsgradsteigerung können Ottomotoren in Betriebszustände kommen, in denen durch thermochemische Vorgänge eine unkontrollierte Selbstzündung autritt. Zündort und Zündzeitpunkt unterliegen dabei nicht mehr der Kontrolle durch Aktuatoren des Motors. Bei frühzeitiger „Irregulärzündung“ können dabei Drucküberhöhungen autreten, die zu einem Motorschaden führen. Dies stellt die Aufgabe an die Verbrennungsmesstechnik, jene Stellen im Brennraum zu identifizieren, an denen es zu einer Frühzündung kommt, sodass Maßnahmen zum Vermeiden solcher irregulärer Zündungen getroffen werden können. In Tab. 9.11 sind mögliTab. 9.11 hemengebiete und Anforderungen an Messtechnik für Frühzündung und irregulärer Verbrennung Mögliche Ursache

Motorbetrieb

Heißer Bauteil

Hochlastbetrieb

Auslösen der Frühzündung

Entwicklungsmaßnahme

Durch gezielte Lastüber- Bauteilkühlung höhung Ablagerungen (aus Öl Glühende Lastwechselbetrieb, Spontan nach langsaAblagerung dann Hochlast mem Aufbau von Abla- und Kratstoff) vermeiden gerungen, nach klopfender Verbrennung Klopfgrenze Übergang Klopfen Betrieb an Klopfgrenze Bauteilerhitzung durch Frühzündung erhöhten Wärmeeintrag reduzieren, Bauteilkühlung im Klopfbetrieb HCCI-Zündung Niedrige Drehzahl, Heißstart Lastbegrenzung, Startanpassung, Restgasgehalt Restgas und Lamb- Hochlast Nach Zündaussetzer Zündaussetzer dafluktuation vermeiden Strömung, LadungsHochlast Keine Frühzündung, Regulärzündung/ zustand, Brennraumaber spontane überIrregulärverbrentemperatur schnelle Verbrennung nung

624

G.P. Merker und R. Teichmann IndiCom user interface

Plattform für Verbrennungsmesstechnik Beispiel: Indizierung und Flammlichtmessung Anwendung: Erfassen und Bewerten von Irregulärverbrennung

data Daten

p ar parameters Parameter

Indicating Indizieren

Visiolution Visiolution data Daten parameters Parameter Master

sync, gate

Slave

sensors Sensoren Zyklus, cycle,°KW °CA

Zylinderdruck

Abb. 9.58 Module eines Messsystems („combustion measurement platform“) zum Erfassen spontaner Verbrennungsereignisse nach Irregulärzündung

spark Zündung timing

Irregulärprezündung ignition

EX EX IN

Kanal Nr. 1 - 80 Channel

80

1

Flame Knoc k3

C X

Grad KW

Knoc k2

No flame Dunkelsignal

A

BY

IN

A: Beginn der Verbrennung B: Zeit bis Flammenfront die Zündkerze erreicht C: Zeit bis Flammenfront den Zündkerzendurchmesser überquert Aus A. B und C wird der Zündort im Bereich eines Auslassventils lokalisiert Flame Flammensignal deg. CA Grad KW

Abb. 9.59 Signalbeispiel zeigt den Ausgangsort einer frühzeitigen Irregulärzündung

9

Verbrennungsdiagnostik

625

che Ursachen angeführt, die zu einer irregulären Verbrennung Anlass geben und Betriebsbedingungen, unter denen sie ausgelöst werden. Die messtechnische Aufgabe besteht nun darin, mit geeigneter Sensorik den Zündort festzustellen und diesen Zündort in einer Zyklusabfolge zu finden, in der das Ereignis spontan autritt. Gelöst wird diese Aufgabe nach Winklhofer et al. (2005) mit einer Gerätekombination, deren Module in Abb. 9.58 angeführt sind. Abbildung 9.59 zeigt das Beispiel einer Zündortbestimmung mit einem Zündkerzensensor. Berührungslose Temperaturmessung Optische Sensorik ist auch dafür geeignet, im nahen Infrarot thermische Strahlung zu übertragen. Mit den vorgestellten Endoskop- und Lichtleitersensoren kann also aus dem Brennraum oder aus dem Abgasstrang Wärmestrahlung an geeignete Signalwandler übertragen werden. Bei entsprechender Kalibrierung wird damit eine berührungslose Messung von Bauteiltemperaturen möglich (Winklhofer et al. 2009). Abbildung 9.60 zeigt Ergebnisse aus einer Ventiltemperaturmessung in einem Serienmotor. 5000 1/min, Volllast Sen. 2 Valve rim Ventilrand

Sen. 1 Temp Sen. 2 Temp Sen. 1 Valve lift

700

Valve stem Ventilschaft

14 12 10

650

Ventilsitz Valve seat

8 6

600

4 550

Valve Lift [mm] Ventilhub [mm]

750

Temperatur [°C]

Abb. 9.60 Temperatur von Auslassventilen wird durch Messung ihrer thermischen Strahlung erfasst

2 500 100

150

200

250

300

Temperature [°C] Temperatur [°C]

deg CA Grad

0 400

350

KW

4000 1/min, Teillast

560 550 540 530 520

cyl 1

1

cyl 2

2

3

cyl 3

4

5

cyl 4

6

7

8

exhaust valveNr. nr. Auslassventil

9.3.6 Lasermesstechniken In Tab. 9.7 ist eine Auswahl von Lasermesstechniken angeführt, die für punktuelle oder flächenhate Messungen wim Brennraum Verwendung finden. Um Motoranwendungen

626

G.P. Merker und R. Teichmann

möglich zu machen, werden zumeist großflächige Fenster für den Zutritt der Laserstrahlung und die Auskoppelung der Streustrahlung in speziell adaptierten Transparentmotoren verwendet. Für den Einsatz bei Forschungsaufgaben werden laseroptische Effekte zur Messung von Geschwindigkeit, Konzentration und Temperatur von Gasen und Kratstotropfen verwendet, Rußpartikel werden durch Absorptionsmethoden erfasst (Lackner 2008). Als Beispiel für Messaufgaben zur Unterstützung der Vor- und Serienentwicklung von DI Ottomotoren ist in Abb. 9.60 die Sprayverteilung im Brennraum eines aufgeladenen Transparentmotors angeführt. Für die Auswahl geeignete Injektoren und deren Betriebsparameter ist die im Ergebnisbeispiel gezeigte Information über Sprayverteilung in der Geometrie des Brennraums und unter dem Einfluss der realen Innenströmung ein wertvolles Hilfsmittel.

9.4 Ausblick Verbrennungsdiagnostik Die Druckindizierung hat sich in den letzten Jahren als eine Standardmesstechnik am Prüfstand durchgesetzt. Um die Verbrennung als „Herzstück“ des Motors allumfassend analysieren zu können, wird dabei durch die optische Messtechnik ergänzt. Der Schlüssel zur erfolgreichen und praxisnahen Anwendung optischer Methoden in der Entwicklung motorischer Brennverfahren liegt in der technischen Ausführung der optischen Zugänge und in der praxisgerechten Interpretation der Messsignale. Sensoren, Signalerfassung und Ergebnisinterpretation müssen an die Arbeitsumgebung der Motorentwicklung angepasst sein und in der Vernetzung mit konventionellen Messtechniken und Prüfverfahren einsetzbar sein. Die jeweilige hemenstellung ergibt sich aus der Forderung, ergebnisentscheidende Einzelschritte von Gemischbildung über Verbrennung bis hin zur Abgasnachbehandlung in informativer Weise analysieren zu können. Die Ausführung eines Diagnosesystems steht unter der Forderung, bewährte Verfahren in standardisierten Abläufen verwenden zu können, diese Verfahren aber bei Bedarf auch zu erweitern und an geänderte Aufgaben anzupassen. Hier hat sich eine Systemkonfiguration bewährt, die modulare Messeinheiten bestehend aus Sensorik, Signalwandler und Datenspeicher durch geeignete Geräte- und Sotwareinterfaces in einer „Plattform für Verbrennungsmesstechnik“ nutzbar macht. Einzelne Messaufgaben werden dabei von den jeweils nötigen Messmodulen erfüllt. Die Plattform erfüllt die Funktionen • • • •

Bereitstellen von Signalen zum Synchronisieren der Signalaufzeichnung, Erkennen von Triggerereignissen, Triggerlogik für die Signalspeicherung, Zusammenführen lokaler Daten und Auswerteergebnisse.

Die Ausführung einer nach dieser Systematik aufgebauten Gerätekombination für die Analyse von irregulären Verbrennungen wurde in Abb. 9.57 vorgestellt.

9

Verbrennungsdiagnostik

627

Ein effektiver Entwicklungsprozess erfordert aber auch die Vorgänge im Motor im Fahrzeug oder Vorort am Motor besser zu verstehen und mit den Prüfstandsmessungen in Relation setzen zu können, so dass die Indiziermesstechnik auch im mobilen Einsatz zunehmend Einzug hält. Hierfür gibt es spezielle Geräte, die z. B. Signalkonditionierung und Datenerfassung vereinigen und die deutlich kompakter und robuster diesen Anforderungen genügen. Der Vergleichbarkeit der Daten zum Prüfstand und bei den mobilen Messungen untereinander, der Einbindung in komplexe mobile Messtechnikaufbauten (z. B. Temperatur-, Druck-, Geräusch-, Kalibrationsmessungen) und der zeitrichtigen Messung, der Unterstützung umfangreicher Messabläufe und der leichten Auswertung der Messdaten kommt für die Akzeptanz eine entscheidende Bedeutung zu. Die Aufgaben die es bei jedem Einsatz einer praxisnahen Verbrennungsdiagnostik zu lösen gilt, starten mit • der bewährten thermodynamischen Analyse, umfassen Fragen • der Energiefreisetzung, des Flammenfortschrittes und der Emissionsbildung – beginnend mit Gemischbildung bis hin zur Flammenanalyse- und reichen bis zu • einer Bewertung von Funktionen der Abgasnachbehandlung. • Ergänzt wird dieser Umfang zunehmend durch Fragestellungen • zur Haltbarkeit und Robustheit von temperaturbelasteten Bauteilen, da ein verbrauchsoptimierter Motorbetrieb die Funktionsgrenzen von Brennverfahren durch entsprechende Analysen und daraus folgenden Entwicklungsschritten nutzbar machen soll. Heute ist die Indiziermesstechnik auf dem Weg oder schon im Serieneinsatz an Motoren verbaut, um einen Regelalgorithmus für eine optimierte Verbrennung von Arbeitszyklus zu Arbeitszyklus oder sogar vom Einströmvorgang bis zur Verbrennung innerhalb eines Arbeitszyklus zu unterstützen. Weiterhin ist es naheliegend, dass aus den im Serieneinsatz gesammelten Indizierdaten Veränderungen im Motor oder an den die Verbrennung beeinflussenden Hilfsaggregaten (z. B. Einspritzsystem, Turbolader) festgestellt und über vorbeugendes Monitoring Schäden am Motor oder an den Hilfsaggregaten vermieden werden können, siehe Mohr et al. (2011). Bei diesem Anwendungsfall der Indizierung werden wir zuküntig verstärkt Kombinationen von reinen Mess- und Simulationswerten finden. Die Verbrennungsdiagnostik hat sich damit vom reinen Forschungswerkzeug zur Standard- und bis zur Serienmesstechnik entwickelt und hilt mit, die Effektivität und Umweltverträglichkeit der Verbrennungsmotoren weiter zu verbessern.

Literatur Berg, T., Beushausen, V., hiele, O., Voges, H.: „Fiber Optics Spark Plug Sensor for the Optimization of Engine combustion processes“. MTZ Motortechnische Zeitschrit (2006)

628

G.P. Merker und R. Teichmann

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9

Verbrennungsdiagnostik

629

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Teil III: 0D-, 1D- und phänomenologische Modelle

Grundlagen der Motorprozessrechnung Franz Chmela, Gerhard Pirker und Andreas Wimmer

10

Zur Analyse und Simulation des Arbeitsprozesses von Verbrennungsmotoren existieren eine Reihe von Berechnungsmöglichkeiten. Grundsätzlich wird unter dem Begriff Analyse die Beschreibung eines existierenden Systems bezeichnet. Dabei wird durch Beobachtung des Systems auf die Gesetzmäßigkeiten seiner Abläufe geschlossen und diese unter Einbeziehung der jeweils wesentlichen Parameter in mathematische Rechenmodelle überführt. Sobald die Ergebnisse der Rechenmodelle ausreichend mittels Experimenten abgesichert sind, können diese auch zur Simulation herangezogen werden. Unter Simulation wird in diesem Fall die Vorhersage des Verhaltens ähnlicher Systeme verstanden. Die verfügbaren Berechnungsmöglichkeiten können nach Pischinger et al. (2009) wie folgt eingeteilt und beschrieben werden: Nulldimensionale Modelle Dabei wird eine örtliche Variabilität der Größen nicht berücksichtigt, sondern nur deren Zeitabhängigkeit. Für die Berechnung des Systems Brennraum werden thermodynamische Modelle eingesetzt, die auf dem 1. Hauptsatz der hermodynamik basieren. Derartige Modelle haben den Vorteil, einfach und rasch Ergebnisse zu liefern. Sie erlauben eine energetisch richtige Beurteilung des Motorprozesses, ohne das räumliche Strömungsfeld im Brennraum oder lokale Phänomene auflösen zu können. Wird der Brennraum als eine einzige Zone mit örtlich konstanten Stoffeigenschaten betrachtet, spricht man vom Einzonenmodell. In Zweizonenmodellen wird der Brennraum in zwei Zonen unterteilt, ohne dabei eine räumliche Zuordnung vorzunehmen, meist wird eine Zone mit verbrannter und eine mit unverbrannter Ladung unterschieden. Analog ist eine Auteilung des Brennraums auch in mehrere Zonen möglich. Die auf diesen Aussagen Dr.-Ing. Franz Chmela ⋅ Dr.-techn. Gerhard Pirker Large Engines Competence Center, Technische Universität Graz, Graz, Österreich Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer B Technische Universität Graz, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_10, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

633

634

G.P. Merker und R. Teichmann

basierenden Berechnungsprogramme werden allgemein unter dem Begriff „Motorprozessrechnung“, „Kreisprozessrechnung“ oder „Arbeitsprozessrechnung“ zusammengefasst. Quasidimensionale Modelle Als quasidimensionale Modelle werden jene Ansätze bezeichnet, bei denen räumliche Phänomene und geometrische Charakteristika im Rahmen einer sonst nulldimensionalen Modellierung Berücksichtigung finden, indem ortsabhängige Variable als Funktion der Zeit eingeführt werden. Ein- und mehrdimensionale Modelle Wird die Abhängigkeit der Variablen von einer bzw. mehreren Ortskoordinaten explizit formuliert, spricht man von ein- bzw. mehrdimensionalen Ansätzen. Eindimensionale Modelle werden in erster Linie zur Berechnung der Rohrströmung im Einlass- und Auslasssystem eingesetzt. Zur detaillierten Berechnung der komplexen Strömungsfelder wie sie im Brennraum und im Ein- und Auslasssystem autreten, kommen auch mehrdimensionale strömungsdynamische Modelle (Computational Fluid Dynamics – CFD) zur Anwendung. Bei der mehrdimensionalen Berechnung des Systems Brennraum wird zunächst die räumliche turbulente Ladungsbewegung bestimmt, die dann als Basis für die Modellierung von Kratstoffaufbereitung, Verbrennung und Schadstoffbildung dient. CFD-Modelle teilen den Brennraum in eine große Anzahl finiter Volumina (Zellen) ein und lösen die Erhaltungssätze numerisch für deren Gesamtheit. Grenzen erfährt die dreidimensionale Berechnung des realen Motorprozesses neben der Genauigkeit der verwendeten Rechenmodelle durch die entsprechend der angenommenen Zellenzahl und den Stabilitätskriterien erforderliche lange Rechenzeit. Im Folgenden werden die Grundlagen der verschiedenen Analyse- und Simulationswerkzeuge (insbesondere die der Motorprozessrechnung auf Basis null- bzw. quasidimensionaler Modelle und der eindimensionalen Ladungswechselrechnung) beschrieben. Für detailliertere Informationen wird auf die sehr ausführliche und umfassende Darstellung der für den Verbrennungsmotor relevanten thermodynamischen Grundlagen und der verschiedenen Berechnungsmöglichkeiten des Arbeitsprozesses bei Pischinger et al. (2009) und Wimmer (2000) verwiesen.

10.1 Null- und quasidimensionale Modellierung 10.1.1 Grundgleichungen Der Brennraum stellt ein instationäres, offenes System dar, in dem alle Größen zeitlich wie örtlich stark veränderlich sind, vgl. Abb. 10.1. Während jedes Arbeitsspiels laufen eine Reihe komplexer Prozesse ab, die sich thermodynamisch wie folgt einteilen lassen, Pischinger et al. (2009).

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

635

Abb. 10.1 System Brennraum, Pischinger et al. (2009)

• Stotransport: über die Systemgrenzen werden die einströmende Gasmasse dmE und die ausströmende Gasmasse dmA, die Leckage dmLeck und bei lutansaugenden Motoren die Brennstoffmasse dmB transportiert. • Energietransport: der chemische Prozess der Verbrennung des Kratstoffs setzt Wärme dQB frei; vom Arbeitsgas wird Wärme dQW und Arbeit dW über die Systemgrenzen abgegeben; alle Massenströme tragen mit ihrer Enthalpie und äußeren Energie zum Energietransport bei. • Änderung der im System gespeicherten inneren Energie dU wie der äußeren Energie dEa . Zur Berechnung dieses Systems stehen grundsätzlich die Erhaltungssätze für Masse, Energie und Impuls sowie die thermische Zustandsgleichung des Arbeitsgases zur Verfügung. Der nulldimensionalen thermodynamischen Modellierung des Systems Brennraums liegen üblicherweise die folgenden Voraussetzungen zugrunde: • Das System Brennraum wird in Zonen unterteilt, die für sich als homogen betrachtet werden. Durch diese Annahme werden alle Größen innerhalb jeder Zone auf ihre Zeit- bzw. Kurbelwinkelabhängigkeit reduziert, lokale Unterschiede werden nicht berücksichtigt. • Das Arbeitsgas im Brennraum wird als Gemisch idealer Gase behandelt, dessen Komponenten Lut, verbranntes Gas und bei Gemischansaugung Kratstoffdampf zu jedem Zeitpunkt als vollständig durchmischt angenommen werden. • Reibungskräte im Arbeitsgas werden vernachlässigt. • Die Systemgrenzen werden so gewählt, dass äußere Energien nicht berücksichtigt werden müssen. • Die Verbrennung wird im Energieerhaltungssatz durch die Zufuhr der Brennstoffwärme dQB dargestellt, die der Energiefreisetzung des chemisch reagierenden Kratstoffs entspricht. Kratstoffaufbereitung, Verdampfung oder Zündverzug werden in der Regel

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G.P. Merker und R. Teichmann

nicht modelliert. Zur Simulation dieser Vorgänge ist allerdings eine Reihe von weiteren Modellen erforderlich. ˙ i besagt, dass die Ände˙ = ∑m Massenerhaltung Das allgemeine Kontinuitätsgesetz m rung der Masse m im Kontrollraum gleich der Summe der zu- und abfließenden Massenströme ist. Bezogen auf den Kurbelwinkel φ stellt sich der Massenerhaltungssatz für das System Brennraum in der differenziellen Form nach (10.1) für gemischansaugende bzw. nach (10.2) für lutansaugende Motoren dar: dm dmE dmA dmLeck = − − , dφ dφ dφ dφ

dm dmE dmA dmLeck dmB = − − + . dφ dφ dφ dφ dφ

(10.1) (10.2)

Die Änderung der Arbeitsgasmasse m im Brennraum erfolgt hauptsächlich durch die Verläufe von einströmender Masse mE und ausströmender Masse mA während des Ladungswechsels. Während des Hochdruckteils des Arbeitsspiels ergeben sich Änderungen der Ladungsmasse durch die Leckagemasse mLeck , die vorwiegend über die Kolbenringe verloren geht. Während bei gemischansaugenden Motoren die zugeführte Brennstoffmasse mB in der einströmenden Masse enthalten ist, muss die Kratstoffeinbringung bei lutansaugenden Motoren in der Massenbilanz durch den Einspritzverlauf dmB / dφ berücksichtigt werden. Der Einspritzverlauf ausgeführter Motoren kann etwa über die Durchflussgleichung berechnet werden, wenn die Verläufe von Einspritzdruck und Einspritznadelhub sowie die Durchflussbeiwerte bekannt sind. Energieerhaltung Der 1. Hauptsatz der hermodynamik für offene instationäre Systeme lässt sich unter Berücksichtigung der oben genannten Voraussetzungen für den Brennraum abgeleitet nach dem Kurbelwinkel φ in Form der (10.3) anschreiben: −

dmE dmA dmLeck dU pdV dQB dQW + − + hE − hA − hA = . dφ dφ dφ dφ dφ dφ dφ

(10.3)

Der erste Term der linken Seite pdV / dφ steht für die abgegebene technische Arbeit in Form der Volumenänderungsarbeit, die sich als Produkt aus dem momentanen Zylinderdruck und der Änderung des Zylindervolumens ergibt. Die nächsten beiden Terme stellen den sogenannten Heizverlauf dar, die dem System zugeführte Wärme. Diese setzt sich zusammen aus der freigesetzten Brennstoffwärme, dem Brennverlauf dQB / dφ sowie der abgeführten Wandwärme dQW / dφ. Die nächsten drei Terme stellen die Enthalpieströme von ein- und ausströmender Masse sowie der Leckage dar (äußere Energien sowie die Enthalpie der bei lutansaugenden Motoren zugeführten Brennstoffmasse werden vernachlässigt). Auf der rechten Seite der Energiegleichung findet sich die Änderung der inneren Energie im Brennraum dU / dφ.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

637

Zustandsgleichung Voraussetzungsgemäß gilt für das Arbeitsgas im Brennraum die ideale Gasgleichung (10.4): pV = mRT . (10.4) Für die Ableitung dieser Gleichung nach dem Kurbelwinkel folgt: p

dV dp dT dR dm +V = mR + mT + RT . dφ dφ dφ dφ dφ

(10.5)

Diese Gleichungen stehen grundsätzlich für die Berechnung des Systems Brennraum zur Verfügung. Durch entsprechende Annahmen in der Modellierung muss versucht werden, die Terme dieser drei Gleichungen durch eine möglichst geringe Zahl von Unbekannten auszudrücken. Zusätzlich ist zu beachten, dass zur eindeutigen Lösbarkeit für jede Differenzialgleichung eine Anfangsbedingung erforderlich ist, d. h. zu einem bestimmten Kurbelwinkel müssen die Werte aller Variablen bekannt sein. Im Einzonenmodell ist mit folgenden Unbekannten zu rechnen: Der Zustand des Arbeitsgases – festgelegt durch die Verläufe von Temperatur T und Druck p, – die momentane Zusammensetzung des Arbeitsgases, sowie die umgesetzte Brennstoffwärme dQB . Als wichtigste Anfangsbedingung der Motorprozessrechnung sind die Arbeitsgasmasse m, deren Zusammensetzung und deren Zustand zu einem bestimmten Kurbelwinkel, gewöhnlich zu Einlassschluss, anzugeben. Ist eine dieser vier Variablen bekannt, können auf Basis von Stoffwertepolynomen (vgl. Abschn. 10.1.2), mit denen die Werte für die innere Energie U und die Gaskonstante R in Abhängigkeit von Druck p, Temperatur T und Zusammensetzung der Ladung bestimmt werden, die anderen drei berechnet werden. Bei der Analyse ausgeführter Motoren wird der gemessene Zylinderdruckverlauf vorgegeben. Damit können die anderen Größen ermittelt werden, wobei insbesondere der Brennverlauf von Interesse ist, der Aufschluss über verbrennungsspezifische Parameter wie Beginn, Dauer, Verlauf und Geschwindigkeit der Verbrennung liefert. Die Analyse der Verluste des realen Motorprozesses gegenüber Idealprozessen zeigt Stärken und Schwächen des Motors sowie dessen Potenzial für Verbesserungen auf. Für die Simulation ist ein Brennverlauf vorzugeben, was mittels eines Ersatzbrennverlaufs bzw. mit Hilfe einer Verbrennungssimulation geschieht. Daraus folgen die Verläufe von Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Ladung im Brennraum. Aussagen über die zu erwartende indizierte Arbeit, den Verbrauch sowie über Verluste sind damit möglich, der Einfluss verschiedener Motor- und Betriebsparameter kann untersucht werden.

10.1.2 Stofwerte Zur Lösung der in Abschn. 10.1.1 beschriebenen Gleichungen werden die Stoffwerte des Gasgemischs im Brennraum benötigt. Um die Stoffwerte des Gasgemischs bestimmen zu können, müssen zuerst die Stoffwerte der einzelnen sich im Brennraum befindenden Spezi-

638

G.P. Merker und R. Teichmann

es ermittelt werden. Sind diese bekannt, lassen sich unter Zuhilfenahme der Zusammensetzung der einzelnen Spezies im Brennraum die Stoffwerte für das Gasgemisch bestimmen. Zur Berechnung der Stoffwerte der einzelnen Spezies wird üblicherweise auf PolynomialAnsätze zurückgegriffen. Hier seien als Beispiel die 7-Koeffizienten-Polynome im sogenannten NASA-Format, Burcat und Ruscic (2005) erwähnt. Diese gelten für ideale Gase, sind daher nur von der Temperatur T abhängig, zur Berechnung wird außerdem die molare Gaskonstante Rm benötigt: Molare Wärmekapazität bei konstantem Druck Cp Rm

= a + a T + a T  + a T  + a T 

(10.6)

Molare technische Enthalpie

H T a T a T  a T  a T  a = a + + + + + . Rm T     T

(10.7)

Molare freie Enthalpie

GT a T a T  a T  a T  a = a  ( − ln T) − − − − + − a . Rm T     T

(10.8)

Die Koeffizienten für die dargestellten Polynome sind von mehreren Quellen erhältlich. Mit diesen Polynomen und der molaren Masse M i der einzelnen Spezies können die spezifischen Wärmekapazitäten, die spezifischen Enthalpien und die freien Enthalpien berechnet werden. Als Beispiel soll hier die Berechnung der spezifischen Enthalpie für eine beliebige Spezies i angeführt werden: hi =

H T i Mi

.

(10.9)

Um die spezifische Enthalpie h der gesamten Ladung bestimmen zu können, muss neben den Enthalpien der einzelnen Spezies hi zusätzlich die Zusammensetzung der Ladung durch die Massenverhältnisse μi bekannt sein: h = ∑ h i μi .

(10.10)

i

Bei den anderen Stoffwerten kann prinzipiell gleich vorgegangen werden. Über die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck cp und die spezifische Gaskonstante der Ladung R kann die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen cv bestimmt werden: (10.11) cv = cp − R .

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

639

Über die Verschiebearbeit pv kann aus der spezifischen Enthalpie h die spezifische innere Energie u der Ladung bestimmt werden. Über die Gasgleichung kann die Verschiebearbeit auch als RT ausgedrückt werden. Hierbei ist wiederum die spezifische Gaskonstante der gesamten Ladung zu verwenden: u = h − pv = h − RT .

(10.12)

Die hier dargestellte spezifische innere Energie u enthält einerseits die chemisch gebundene innere Energie als auch die thermische innere Energie. Wird die chemisch gebundene innere Energie bereits durch den Heizwert bzw. den Brennverlauf ausgedrückt, darf nur mehr der thermische Anteil berücksichtigt werden. Bei Verwendung des in Abschn. 10.1.3 beschriebenen Einzonenmodells wird nur die Ableitung der inneren Energie nach der Temperatur benötigt, was der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Volumen entspricht: ∂u = cv . (10.13) ∂T

10.1.3 Ein- und Mehrzonenmodelle Wird der gesamte Brennraum als eine einzige homogene Zone betrachtet, spricht man vom Einzonenmodell. Dieses Modell eignet sich für die thermodynamische Berechnung realer Motorprozesse, wenn eine globale energetische Beurteilung erwünscht ist und lokal differenzierte Aussagen, etwa über die Temperaturverteilung im Brennraum, nicht benötigt werden. Das Einzonenmodell liefert für lutansaugende Motoren zufriedenstellende Ergebnisse, obwohl Gemischverteilung und Verbrennung sehr inhomogen ablaufen. Bei gemischansaugenden Motoren kann das Einzonenmodell bei Lutüberschuss und im stöchiometrischen Betrieb angewendet werden. Bei Lutmangel bleibt die chemische Energie des unverbrannten Kratstoffs als innere Energie gebunden. Um dies berücksichtigen zu können, ist eine Einteilung des Brennraums in eine Zone mit verbranntem und eine mit unverbranntem Gemisch erforderlich. Die Unterteilung des Brennraums in Zwei- oder Mehrzonenmodellen kann nach verschiedenen Gesichtspunkten und zu unterschiedlichen Zwecken erfolgen, neben der Berechnung von Ottomotoren im Lutmangelbereich etwa zur Auflösung der lokalen Temperaturverteilung, wie sie für die Berechnung der Schadstoffbildung von Bedeutung ist. Einzonenmodell Das Einzonenmodell kann sowohl zur Druckverlaufsanalyse als auch zur Simulation des Motorprozesses mit vorgegebenem Brennverlauf verwendet werden. Eine schematische Darstellung der Energieströme im Einzonenmodell findet sich in Abb. 10.2. Hierbei wird nur der Hochdruckteil des Motorzyklus betrachtet. Zur Berechnung müssen allerdings die Anfangsbedingungen für die Berechnung des Hochdruckteils

640

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 10.2 Energiebilanzierung 1-Zonen-Modell

bekannt sein. Diese sind Lut- und Kratstoffmasse, Restgasgehalt und Druck im Zylinder, die mit Ausnahme des Restgasgehalts üblicherweise als Messdaten vorhanden sind. Im Falle einer reinen Simulation oder falls die benötigten Anfangsbedingungen nicht vorhanden sind, können diese aus einer 1D Ladungswechselrechnung bestimmt werden. Zur Bestimmung des Restgasgehalts wird immer eine 1D Ladungswechselsimulation benötigt. Üblicherweise wird bei der Betrachtung des Hochdruckteils der Blow-By-Massenstrom vernachlässigt. Zusätzlich muss bei lutansaugenden Motoren noch ein zugeführter Brennstoffmassenstrom inklusive zugeführter Brennstoffenthalpie abgebildet sein. Im folgenden Beispiel ist dieser zugeführte Brennstoffmassenstrom im Fall des Dieselmotors als Ausdruck in {Klammern} dargestellt. Hierbei gilt, dass dieser erst im thermodynamischen System vorhanden ist, sobald er verbrannt ist. Damit bedeutet der Term: verbrannt ist gleich zugeführt. Gasgleichung Die Gasgleichung kann wie unter Abschn. 10.1.1 beschrieben in vollem Umfang angewandt werden. Die spezifische Gaskonstante R hängt nur von der molaren Masse des betrachteten Gases ab. Bleibt die Molzahl während der Verbrennung konstant, ist die Änderung der Gaskonstanten gleich 0, was z. B. bei Methan der Fall ist. Daher kann, wenn die Molzahl während der Verbrennung annähernd konstant bleibt, der Term dR / dφ vernachlässigt werden. Die Gasgleichung vereinfacht sich damit zu: p

dp dT dmB dV +V = mR {+RT }. dφ dφ dφ dφ

(10.14)

Abbildung der inneren Energie Wie in Abschn. 10.1.1 bereits erwähnt, kann der chemisch gebundene Teil der inneren Energie als von außen zugeführte Wärme dQB / dφ abgebildet werden. Damit darf nur mehr die Änderung der thermischen inneren Energie abgebildet

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

641

werden, was der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Volumen cv multipliziert mit der Temperaturänderung dT / dφ entspricht: dT dmB dU ≈ mcv {+u }. dφ dφ dφ

(10.15)

Energiebilanz Die Energiebilanz aus Abschn. 10.1.1 vereinfacht sich mit den oben genannten Annahmen zu: −p

dT dmB dV dQB dQW + − {+ (hB − u) } = mcv . dφ dφ dφ dφ dφ

(10.16)

Die im Zeitschritt umgesetzte Brennstoffmasse dmB / dφ kann über dQB / dφ und den Heizwert H u bestimmt werden: dmB  dQB = . dφ Hu dφ

(10.17)

Brutto-Reaktionsgleichung Für eine globale Bestimmung der Verbrennungsprodukte kann bei stöchiometrischem und überstöchiometrischem Verbrennungslutverhältnis die Brutto-Reaktionsgleichung verwendet werden: Cx H y Oz + (x +

y y z − ) O  → xCO + H O .   

(10.18)

Für eine detailliertere Beschreibung der Ladungszusammensetzung und auch zur Berücksichtigung der Dissoziation, sowie für unterstöchiometrische Fälle, muss ein chemisches Gleichgewicht berechnet werden, Details dazu werden in Abschn. 10.1.4 beschrieben. Über die Brutto-Reaktionsgleichung können bei Kenntnis der Zusammensetzung des Brennstoffs die bisher umgesetzte Kratstoffmasse und die Ladungszusammensetzung im Brennraum zum betrachteten Zeitpunkt global bestimmt werden. Die von Verbrennungsbeginn φVB bis zum betrachteten Zeitpunkt φ umgesetzte Brennstoffmasse ergibt sich aus: m B um = ∫

φ

φ VB

dmB . dφ

(10.19)

Mit der bereits umgesetzten Brennstoffmasse kann über die Bruttoreaktionsgleichung und die molaren Massen der an der Reaktion beteiligten Stoffe die während der Verbrennung gebildeten Massen der einzelnen Verbrennungsprodukt-Spezies bestimmt werden: ΔmCO = xm B um

M CO , MB

(10.20)

642

G.P. Merker und R. Teichmann

Δm H O =

MH O y . m B um  MB

(10.21)

Zusätzlich muss noch die Sauerstoffmasse um den bei der Verbrennung verbrauchten Sauerstoff reduziert werden: Δm O = − (x +

MO y z . − ) m B um   MB

(10.22)

Die Massen der einzelnen Stoffe ergeben sich damit aus der bereits umgesetzten Brennstoffmasse: (10.23) m i = m i φ VB + Δm i (m B um ) .

Zweizonenmodell Zur Darstellung des Zweizonenmodells kann wiederum auf die Grundgleichungen in Abschn. 10.1.1 zurückgegriffen werden. Wie in Abb. 10.3 dargestellt, werden für die 2-Zonen-Rechnung zwei thermodynamische Systeme verwendet, die ineinander überströmen können. Hierbei bildet der unverbrannte Anteil der Zylinderladung eine Zone (Index u) und der verbrannte Anteil der Zylinderladung die andere Zone (Index v). Wie schon beim Einzonenmodell beschrieben, wird direkt eingebrachter Kratstoff als Beispiel von Dieselkratstoff in {Klammern} dargestellt. Im Fall des Dieselmotors wird wiederum angenommen, dass der Dieselkratstoff erst zum Zeitpunkt der Verbrennung eingebracht wird. Im thermodynamischen System kommt daher der flüssige Dieselkratstoff in

Abb. 10.3 Energiebilanzierung 2-Zonenmodell

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

643

der unverbrannten Zone gar nicht vor und wird erst zum Zeitpunkt der Verbrennung der verbrannten Zone in Form von Verbrennungsgas zugeführt. Massenbilanzen Die Masse der unverbrannten Zone verringert sich um den Massenstrom dmuv / dφ in die verbrannte Zone: dmu dmuv =− . dφ dφ

(10.24)

Die Masse der verbrannten Zone erhöht sich um den Massenstrom dmuv / dφ aus der unverbrannten Zone und im Fall der inhomogenen Dieselverbrennung zusätzlich um den Massenstrom dmB / dφ des verbrannten Dieselkratstoffs: dmv dmuv dmB = {+ }. dφ dφ dφ

(10.25)

Energiebilanzen Die Energiebilanzen können wie in Abschn. 10.1.1 angesetzt werden. Hierbei wird wie schon bei dem beschriebenen Einzonenmodell nur der Hochdruckteil betrachtet, ein etwaiger Blow-By-Massenstrom wird hier vernachlässigt. Zusätzlich tritt neben dem Wandwärmeübergang dQW / dφ zusätzlich ein Wärmestrom dQvu / dφ zwischen den zwei Zonen auf. Die Energiebilanz für die unverbrannte Zone stellt sich dadurch wie folgt dar: dmuv dUu dVu dQ Wu dQv u − + − hu = . (10.26) −p dφ dφ dφ dφ dφ

Bei der Formulierung der Energiebilanz für die verbrannte Zone muss neben dem Enthalpiestrom hu dmuv / dφ aus der unverbrannten Zone zusätzlich der Enthalpiestrom hB dmB / dφ des eingebrachten Dieselkratstoffs berücksichtigt werden, wenn es sich um eine inhomogene Verbrennung handelt: −p

dmuv dmB dUv dVv dQ Wv dQv u − − + hu {+hB }= . dφ dφ dφ dφ dφ dφ

(10.27)

Bei dem im vorigen Abschnitt beschriebenen Einzonenmodell wird die durch die Verbrennung freigesetzte Energie als von außen zugeführter Wärmestrom dQB / dφ dargestellt. Im Gegensatz dazu wird beim verwendeten Ansatz für das Zweizonenmodell die Verbrennung als Teil der Änderung der inneren Energie dargestellt. Hierbei verändert sich die chemisch gebundene innere Energie des Systems durch Änderung der Spezies aufgrund der Verbrennung. Wird zur Berechnung der entstehenden Spezies das chemische Gleichgewicht verwendet, können zusätzlich zur zwischen den beiden Zonen autretenden Verbrennung Reaktionen in der verbrannten Zone beschrieben werden. Diese ergeben sich aus der Änderung des chemischen Gleichgewichts der verbrannten Zone aufgrund der Änderung von Druck und Temperatur.

644

G.P. Merker und R. Teichmann

Gasgleichungen Zusätzlich kann für jede Zone die Gasgleichung wie in Abschn. 10.1.1 beschrieben angewandt werden. Diese stellt sich für die unverbrannte und verbrannte Zone damit wie folgt dar: p

dp dTu dRu dmu dVu + Vu = mu Ru + mu Tu + Tu Ru , dφ dφ dφ dφ dφ

p

dp dTv dRv dmv dVv + Vv = mv Rv + mv Tv + Tv Rv . dφ Dφ dφ dφ dφ

(10.28)

(10.29)

Volumenfunktion Zusätzlich wird zur Lösung des Gleichungssystems noch die Definition der Volumina benötigt. Hierbei gilt, dass das unverbrannte Volumen V u und das verbrannte Volumen V v zusammen dem Gesamtvolumen V entsprechen müssen: V = Vu + Vv .

(10.30)

Dieser Zusammenhang kann auch differenziell angeschrieben werden: dV dVu dVv = + . dφ dφ dφ

(10.31)

Auteilung der Wandwärme Da die meisten Wandwärmemodelle (vgl. Abschn. 10.1.6) für Einzonenmodelle entwickelt worden sind, muss zuerst ein Gesamtwandwärmestrom mit der mittleren Gastemperatur bestimmt werden. Die mittlere Gastemperatur kann über die Gasgleichung bestimmt werden. Anschließend wird der übergehende Gesamtwärmestrom auf die einzelnen Zonen aufgeteilt. Von Hohlbaum (1992) wurde eine recht einfache Auteilmethodik gewählt. Dabei wurde der Wärmestrom zwischen den beiden Zonen vernachlässigt. Der Gesamtwandwärmestrom kann mit der mittleren Temperatur des Brennraums bestimmt werden, die Wandwärmeströme werden nach folgender Definition aufgeteilt: dQ Wu mu Tu . = dQ Wv mv Tv

(10.32)

Massenstrom in die verbrannte Zone Zur Berechnung muss zusätzlich der Massenstrom von der unverbrannten Zone in die verbrannte Zone definiert werden. Im Simulationsfall wird dieser durch ein Verbrennungsmodell vorgegeben, beziehungsweise kann dieser auch aus einem vorgegebenen Brennverlauf berechnet werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass bei Verwendung des chemischen Gleichgewichts in der verbrannten Zone hier ebenfalls eine Energiefreisetzung erfolgt, die nicht auf dem Massenstrom zwischen unverbrannter und verbrannter Zone beruht. Der Massenstrom in die verbrannte Zone lässt sich unter Zuhilfenahme vom Verbrennungslutverhältnis λ und der Mindestlutmenge Lmin bestimmen:

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

645

Für homogene Brennverfahren (der Kratstoff ist bereits in der unverbrannten Zone enthalten) gilt: dmuv dmB = ( + λLmin ) . (10.33) dφ dφ Bei der homogenen Verbrennung ist das in (10.33) verwendete Verbrennungslutverhältnis λ gleich dem globalen Lutverhältnis. Für inhomogene Brennverfahren (der Kratstoff wird bei Verbrennung zugeführt) gilt: dmB dmuv = λLmin . dφ dφ

(10.34)

Bei der inhomogenen Verbrennung kann das in (10.34) verwendete Verbrennungslutverhältnis λ stark vom globalen Lutverhältnis abweichen. Zusammensetzung des Massenstroms in die verbrannte Zone Bei homogenen Brennverfahren ist die Zusammensetzung des Massenstroms von der unverbrannten in die verbrannte Zone gleich der Zusammensetzung der unverbrannten Zone. Bei inhomogenen Brennverfahren, wie zum Beispiel der Diesel-Verbrennung muss ein Verbrennungslutverhältnis definiert werden, um mit den Verbrennungsprodukten des Dieselkratstoffs zusätzlich Überschusslut in die verbrannte Zone zu bringen. Zur Beschreibung des Verbrennungslutverhältnisses bei der inhomogenen Verbrennung muss ein Modellansatz getroffen werden. An dieser Stelle wird auf die Veröffentlichungen von Hohlbaum (1992) und Pischinger et al. (2009) verwiesen. Mehrzonenmodelle Mehrzonenmodelle können prinzipiell genau gleich formuliert werden wie das 2-Zonenmodell. Für jede weitere Zone ist die oben dargestellte Formulierung gültig. Es sind nur zusätzliche Definitionen der Massenwanderung zwischen den Zonen und für die Wandwärmeauteilung notwendig.

10.1.4 Chemisches Gleichgewicht Mit der Brutto-Reaktionsgleichung kann, wie bereits weiter oben erklärt wurde, in gewissen Fällen die Gaszusammensetzung global beschrieben werden. Für eine detailliertere Berechnung der Zusammensetzung des Arbeitsgases speziell bei unterstöchiometrischen Bedingungen und zur Berücksichtigung der Dissoziation ist die Berechnung des chemischen Gleichgewichts erforderlich. Zusätzlich kann auch eine weitere Oxidation in der verbrannten Zone über die Änderung des Gleichgewichtszustandes in eben dieser berechnet werden. Neben der Berechnung der Zusammensetzung des Arbeitsgases spielt die Kenntnis des chemischen Gleichgewichts vor allem bei der Vorausberechnung von Stickoxidemissionen eine entscheidende Rolle.

646

G.P. Merker und R. Teichmann

Berechnung des chemischen Gleichgewichts Die Berechnung des chemischen Gleichgewichts wird anhand der Methodik von Pattas und Häfner (1973) beschrieben. Die Autoren verwendeten die zwölf Spezies H2 O, CO2 , O2 , N2 , H2 , OH, CO, N2 O, NO, N, O und H. Zur Berechnung der zwölf Unbekannten sind ebensoviele Gleichungen notwendig, die sich aus acht Reaktionsgleichungen, drei Atombilanzen, sowie dem Gesetz der Partialdrücke zusammensetzen. Reaktionsgleichungen Für diese zwölf Spezies wurden die folgenden 8 Reaktionsgleichungen gewählt, bei denen der Gleichgewichtszustand berechnet wird. Über die Gleichgewichtskonstante können die Partialdruckverhältnisse der einzelnen Spezies gemäß den folgenden acht Gleichungen bestimmt werden:  CO + O → CO ∶   H  + O → H  O ∶ 

 OH + H → H O ∶   H → H ∶   O → O ∶ 

  O + N → NO ∶  

 N  + O → N  O ∶   N → N ∶ 

k =

k =

k =

p CO , √ p CO p O p H O , √ p H p O

p H O , √ p OH p H

pH k = √ , p H

pO k = √ , p O k = √ k =

p NO , √ p O  p N

p N O , √ p N p O 

pN k = √ . pN

(10.35) (10.36) (10.37) (10.38) (10.39) (10.40) (10.41) (10.42)

Die Gleichgewichtskonstanten k1 bis k8 können beispielsweise mit Polynomansätzen bestimmt werden: ΔG r (10.43) kp = e − RT . Die Änderung der freien Enthalpie ΔGr kann dabei über die freien Enthalpien der einzelnen an der Reaktion beteiligten Stoffe dargestellt werden: aA + bB → cC + dD ∶

ΔGr = cGC + dGD − aGA − bGB .

(10.44)

Pattas und Häfner (1973) hatten ebenfalls Gleichgewichtskonstanten veröffentlicht. Diese basieren auf dem Arrhenius-Ansatz. Unterschiede zwischen den Konstanten berechnet nach den Stoffwerten von Burcat und Ruscic (2005) und den Konstanten nach Pattas und Häfner (1973) werden von Grill (2006) angegeben.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

647

Daltonsches Gesetz Die Summe der Partialdrücke muss dem Gesamtdruck im Brennraum entsprechen. (10.45) p = ∑ pi . i

Die molare Zusammensetzung kann über die einzelnen Partialdrücke bestimmt werden: νi =

pi . p

(10.46)

Atomverhältnisse Zusätzlich gibt es noch 3 Atomverhältnisse, welche konstant bleiben müssen. Bei den Atomverhältnissen ist es prinzipiell nicht von Belang, welche Atome zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, nur sollte darauf geachtet werden, dass Divisionen durch 0 vermieden werden. Von Grill (2006) beispielsweise wurden die folgenden Atomverhältnisse verwendet: N O p H O + p CO + p O + p OH + p CO + p N O + p NO + p O = = const. , NN p N  + p N O + p NO + pN NC p CO + p CO = = const. , N O p H O + p CO + p O + p OH + p CO + p N O + p NO + p O NH p H O + p H + p OH + p H = = const. N O p H O + p CO + p O + p OH + p CO + p N O + p NO + p O

(10.47) (10.48) (10.49)

Dadurch ergeben sich 12 teilweise nicht lineare Gleichungen zur Bestimmung der gesuchten Partialdrücke. Diese Gleichungen können mittels Newton-Verfahren gelöst werden. Ergebnisse der Gleichgewichtsrechnung Die folgenden zwei Diagramme zeigen als Beispiel Ergebnisse der Gleichgewichtsrechnung für Methan bei einem Druck von 50 bar und verschiedenen Lutverhältnissen (vgl. Abb. 10.4) und Temperaturen (vgl. Abb. 10.5). Die Gleichgewichtsrechnung gibt die Zusammensetzung des Arbeitsgases wieder. Dabei kann das Verbrennungslutverhältnis kleiner, gleich, oder größer als 1 sein, wie Abb. 10.4 zeigt. Die Brutto-Reaktionsgleichung ist nicht mehr von Belang, würde die Gleichgewichtsrechnung allerdings auf die in der Bruttoreaktionsgleichung vorkommenden Spezies beschränkt werden, wäre das Ergebnis bei stöchiometrischem und überstöchiometrischem Verbrennungslutverhältnis ident. Gerade bei der Betrachtung von höheren Temperaturen wird die Vereinfachung der Verbrennung über die Brutto-Reaktionsgleichung deutlich. Die Radikalbildung wird nicht wiedergegeben. Ab einer Temperatur von ungefähr 2700 K kommt zusätzliche noch die Dissoziation von Stickstoff zum Tragen. Diese beiden Effekte wirken sich auf die Temperatur in der verbrannten Zone aus und beeinflussen dadurch die Bildung von Stickoxiden. Durch die Darstellung der Radikale wird zudem die weitere Oxidation dieser Radikale in der verbrannten Zone abbildbar.

648

G.P. Merker und R. Teichmann 100 N2

H2O

Stoffmengenanteil [-]

10-1

CO2 H2

10-2

O2

CO

NO

10-3 OH 10-4 O

10-5

N2O

H 10-6 0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1.0

1.1

1.2

1.3

1.4

1.5

λ [-]

Abb. 10.4 Chemisches Gleichgewicht Methan, λ-Variation, T = 2000 K, p = 50 bar

10.1.5 Ladungswechsel Die Gesamtprozessrechnung bestehend aus der Hochdruck- und der Ladungswechselphase erlaubt auch eine Analyse der Ladungswechselvorgänge. Die Zylindermasse oder auch der Restgasanteil im Zylinder kann dabei entweder über die Durchflussgleichung oder den 1. Hauptsatz der hermodynamik bestimmt werden, wobei für erstere Methode zusätzlich weitere Vorgaben, unter anderem die gemessenen Niederdruckverläufe in Ein- und Auslasskanal, benötigt werden. Die vereinfachte Möglichkeit zur Ladungswechselrechnung besteht in der Anwendung des ersten Hauptsatzes, bei dem mit der Vorgabe des Zylinderdruckverlaufs in der Niederdruckphase die über die Systemgrenze transportierten Massen berechnet werden (Feßler 1988). Eine zusätzliche Vorgabe der Ein- und Auslassdruckverläufe ist hier nicht erforderlich, da das System ansonsten überbestimmt wäre. Im Bereich der Ventilüberschneidung, wo zwischen den Massenströmen durch das Einund Auslassventil unterschieden werden müsste, ist das Gleichungssystem unterbestimmt. Das bedeutet, dass die überströmenden Massen während der Phasen langer Ventilüberschneidung lediglich extrapoliert, aber nicht exakt nachgerechnet werden können. Die wesentlich komplexere eindimensionale Berechnung des Ladungswechsels auf Basis von gasdynamischen Betrachtungen wird in Abschn. 10.2.2 beschrieben.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

649

100 N2

H2O

Stoffmengenanteil [-]

10-1

CO2

10-2

O2

NO

10-3 CO 10-4 OH

H

O

10-5 N2O

H2 10-6 1000

1250

1500

1750 2000 2250 Temperatur [K]

2500

2750

N 3000

Abb. 10.5 Chemisches Gleichgewicht, Temperatur-Variation, λ = 1, p = 50 bar

10.1.6 Wärmeübergang Sowohl bei der Analyse als auch bei der Simulation von Verbrennungsmotoren müssen Annahmen über den Wärmeübergang getroffen werden, vgl. dazu auch (10.3). Da die Verhältnisse im Brennraum sehr komplex sind, gestaltet sich die Entwicklung geeigneter Modelle zur Beschreibung des Wärmeüberganges sehr schwierig. Seit vielen Jahrzehnten wird an Berechnungsmodellen gearbeitet, wobei die Palette von phänomenologischen Modellen mit dimensionsbehateten, rein experimentellen Ansätzen über dimensionslose Ansätze basierend auf Ähnlichkeitsüberlegungen bis hin zu physikalischen Modellen reicht (Wimmer 2000; Pischinger et al. 2009). Allgemeines Der instationäre gasseitige Wärmeübergang in Verbrennungsmotoren erfolgt überwiegend durch erzwungene Konvektion, bei der der Energietransport durch turbulenten Stotransport und durch Wärmeleitung in der laminaren Grenzschicht, also durch die Ladungsbewegung sowie den Temperaturgradienten des Arbeitsgases an den Brennraumwänden, bestimmt ist. Der Anteil der Strahlungswärme ist vor allem bei Ottomotoren infolge der dort vorherrschenden selektiven Gasstrahlung nur von untergeordneter Bedeutung. Bei Dieselmotoren ist der Strahlungsanteil durch die autretende Rußstrahlung größer.

650

G.P. Merker und R. Teichmann

Zur Beschreibung des konvektiven Wärmeüberganges wird in der Regel der Newton’sche Ansatz nach (10.50) herangezogen.

Darin bedeuten: Q˙ G [W] q˙G [W/m2 ] AG [m2 ] αG [W/m2 K] TG [K] TWG [K]

... ... ... ... ... ...

Q˙ G (t) = AG q˙G (t) = AG αG (t) [TG (t) − TWG (t)] .

(10.50)

gasseitiger Wandwärmestrom gasseitige Wandwärmestromdichte Oberfläche für den gasseitigen Wärmeübergang gasseitiger Wärmeübergangskoeffizient Temperatur des Arbeitsgases gasseitige Wandoberflächentemperatur

Die Berücksichtigung des Wärmeübergangs durch Strahlung kann gemäß dem StefanBoltzmann’schen Strahlungsgesetz nach (10.51) erfolgen.

Darin sind: Q˙ Str [W] q˙Str [W/m2 ] AStr [m2 ] εG [–] CS [W/m2 K4 ] TG [K] TWG [K]

⎤ ⎡  ⎢ TG (t) TWG  ⎥ ⎥ . ) − ( ) Q˙ Str (t) = AStr q˙Str (t) = AStr εG CS ⎢ ( ⎢   ⎥ ⎥ ⎢ ⎦ ⎣ ... ... ... ... ... ... ...

(10.51)

Wärmestrom durch Strahlung Wärmestromdichte durch Strahlung Oberfläche für Wärmeübergang durch Strahlung Emissionsverhältnis Strahlungskonstante des schwarzen Körpers Temperatur des Arbeitsgases gasseitige Wandoberflächentemperatur

In der Praxis wird vereinfachend ot mit einem einzigen Wärmeübergangskoeffizienten für den gasseitigen Wärmeübergang gerechnet, der sich entsprechend (10.52) aus einem konvektiven Anteil und einem Strahlungsanteil zusammensetzt. Viele Autoren geben nur einen Ansatz für den konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten an, der zur Berücksichtigung der Strahlung entsprechend aufgewertet ist. Falls der Strahlungsanteil explizit formuliert wird, gilt für den gesamten Wärmeübergangskoeffizienten (10.53). Q˙ G,ges (t) = Q˙ G (t) + Q˙ Str (t) = AG,ges q˙G,ges (t) = AG,ges αG,ges (t) [TG (t) − TWG (t)] , (10.52) TWG  TG   (10.53) εG CS [( ) −( ) ] . αG,ges = αG + TG − TWG  

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

Q˙ G,ges [W] q˙G,ges [W/m2 ] AG,ges [m2 ] αG,ges [W/m2 K]

... ... ... ...

651

gesamter gasseitiger Wandwärmestrom gesamte gasseitige Wandwärmestromdichte Oberfläche für den gasseitigen Wärmeübergang gesamt gasseitiger Wärmeübergangskoeffizient gesamt

Modelle auf Basis des Newton’schen Ansatzes Wegen ihrer einfachen Handhabung haben sich in der Praxis Modelle nach dem Newton’schen Ansatz bewährt, bei denen wie bereits erwähnt die Wandwärmestromdichte q˙W als Produkt eines Wärmeübergangskoeffizienten α und der Differenz zwischen der örtlich gemittelten Gastemperatur T G und der Wandtemperatur T W dargestellt wird: q˙W (t) = αG (t) [TG (t) − TW (t)] .

(10.54)

Zur Berechnung der momentan übergehenden Wärmemenge dQW ist die Wärmestromdichte noch mit der gasberührten Oberfläche A zu multiplizieren. Diese wird üblicherweise in die Bereiche Zylinderkopf, Zylinderbuchse und Kolben aufgeteilt. Für jeden Bereich wird eine eigene Oberflächentemperatur T W eingesetzt, die aus der Erfahrung oder aus Oberflächentemperaturmessungen stammt. Wegen der gegenüber der Gastemperaturschwankung geringen Schwankungen der Oberflächentemperaturen werden diese meist als konstant über das Arbeitsspiel angenommen. dQ W (t) = αG (t)A[TG (t) − TW ]dt .

(10.55)

Die übergehende Wärme wird somit proportional der momentanen Differenz aus einer mittleren Gastemperatur und der Wandtemperatur angesetzt. Als Proportionalitätsfaktor dient der örtlich gemittelte, zeitlich veränderliche Wärmeübergangskoeffizient α G (t), der von einer Vielzahl von Parametern wie Druck, Temperatur, Strömungsfeld und Brennraumgeometrie abhängt. Die Ermittlung dieser Abhängigkeiten ist seit langem das Ziel verschiedener Forschungsarbeiten. Heute werden hauptsächlich Wärmeübergangsbeziehungen angewendet, die auf Ähnlichkeitsbetrachtungen basieren. In der Ähnlichkeitstheorie werden alle ein Phänomen bestimmenden Parameter zu dimensionslosen Kennzahlen zusammengefasst und die interessierenden Abhängigkeiten als Funktionen dieser Kennzahlen ausgedrückt. Dies hat den Vorteil, dass sich allgemein gültige Aussagen treffen lassen, die für alle „ähnlichen“ Systeme gelten, das sind solche, bei denen sich trotz unterschiedlicher Einzelgrößen gleiche Kennzahlen ergeben. Für den Wärmeübergang durch erzwungene Konvektion sind die Reynolds-, die Nußelt- und die Prandtl-Zahl entscheidend: Gleiche Reynolds-Zahlen bedeuten ähnliche Strömungszustände, die Nußelt-Zahl stellt den dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten dar und kennzeichnet ähnliche Temperaturfelder, die Prandtl-Zahl schließlich vereint die physikalischen Stoffeigenschaten, die für das Temperaturfeld maßgeblich sind. Wie in (10.56) d m Nu = f (Re, Pr) = C( ) Rem  Prm  l

(10.56)

652

G.P. Merker und R. Teichmann

ausgedrückt, kann der Wärmeübergangskoeffizient bei turbulenter stationärer Rohrströmung als Funktion von Reynolds-Zahl und Prandtl-Zahl dargestellt werden. Für zweiatomige Gase, also näherungsweise auch für Lut und Verbrennungsgase, ist die Prandtl-Zahl proportional dem Verhältnis der spezifischen Wärmen cp /cv und kann im betrachteten Temperaturbereich als konstant bei einem Zahlenwert um 0,7 betrachtet werden. Damit erhält man die Gleichung (10.57) Nu = CK Re m ,

(10.57)

die erstmals von Woschni (1965) in dieser Form als Ausgangspunkt für die Formulierung einer Wärmeübergangsbeziehung formuliert wurde. Die darin aufscheinende Konstante CK hat gegenüber den zuvor besprochenen Beziehungen den Vorteil, dimensionslos zu sein. Alle auf dieser Beziehung basierenden Wärmeübergangsbeziehungen nutzen die sogenannte Reynolds-Colburn-Analogie, nach welcher in der Grenzschicht einer voll ausgebildeten turbulenten Strömung der Wärmeaustausch analog zum Impulsaustausch erfolgt. Wärmeübergangsbeziehung nach Woschni Der von Woschni (1965) vorgeschlagene Ansatz für den Wärmeübergangskoeffizienten findet im praktischen Einsatz der Motorprozessrechnung weite Verbreitung. Basierend auf Ähnlichkeitsbetrachtungen und temperaturabhängigen Polynomansätzen für die Stoffwerte gelangte Woschni über die Beziehung (10.57) zu einer im Ansatz sauberen und leicht anwendbaren Gleichung. Allerdings mussten für verschiedene Motorarten und Betriebsbereiche unterschiedliche Konstanten eingeführt werden. Die Gleichung wurde ursprünglich für die Anwendung an Dieselmotoren entwickelt, nach Woschni (1970) modifiziert und erweitert und schließlich von Woschni und Fieger (1981) auch für Ottomotoren als gültig erklärt. Woschnis Ansatz für den Wärmeübergangskoeffizienten stellt sich wie folgt dar: αG = d −, p, T −, (C  w)

,

w = cm +

,

C  Vh T (p − p  ) . C  p  V

Dabei bedeuten: d [m] p [bar] p0 [bar] T [K] w [m/s] cm [m/s] V h [m3 ]

... ... ... ... ... ... ...

Bohrungsdurchmesser Zylinderdruck Zylinderdruck im Schleppbetrieb mittlere Gastemperatur charakteristische Geschwindigkeit mittlere Kolbengeschwindigkeit Hubvolumen

(10.58) (10.59)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

C1 [–]

cu [m/s] nD [1/s]

C2 [–]

653

. . . Konstante C1 = 2,28 + 0,308 cu /cm für den Hochdruckteil C2 = 6,18 + 0,417cu /cm für den Ladungswechselteil . . . Drallgeschwindigkeit zur Berücksichtigung des Eintrittsdrall cu = dπnD . . . Drehzahl eines Flügelradanemometers im stationären Drallversuch, dessen Durchmesser 70 % des Zylinderdurchmessers d beträgt . . . Konstante C2 = 0,00622 für Diesel-Kammermotoren C2 = 0,00324 für Dieselmotoren mit direkter Einspritzung und Ottomotoren

Als charakteristische Geschwindigkeit in der Reynolds-Zahl wählte Woschni die mittlere Kolbengeschwindigkeit, die er allerdings um ein sogenanntes „Verbrennungsglied“ erweiterte. Dieser zweite Term in (10.59) soll den erhöhten Wärmeübergang während der Verbrennung berücksichtigen und basiert auf dem Druckunterschied zwischen geschlepptem (p0 ) und gefeuertem (p) Motorbetrieb. Der Index 1 in diesem Term bezieht sich auf den Zustand des Arbeitsgases zu Beginn der Verdichtung. Da sich bei experimentellen Untersuchungen wiederholt gezeigt hatte, dass die Werte für den Wärmeübergangskoeffizienten besonders im Schleppbetrieb und bei geringer Last zu niedrig waren, wurde der Geschwindigkeitsterm von Huber (1990) nochmals adaptiert zu: Vc (10.60) w = c m [ +  ( ) p−, mi ] . V Dabei bezeichnet pmi den indizierten Mitteldruck in bar, der immer ≥ 1 einzusetzen ist. In (10.58) ist jeweils die größere der nach (10.59) oder (10.60) berechneten Geschwindigkeiten w zu verwenden. Als Neuerung scheint in (10.60) das mit dem Kurbelwinkel veränderliche Zylindervolumen V auf.

Wärmeübergangsbeziehung nach Hohenberg Dieses veränderliche Volumen verwendet auch Hohenberg (1983) als charakteristische Länge in seinem Ansatz, der speziell für die Anwendung an direkteinspritzenden Dieselmotoren geeignet ist: αG = V −, p, T −, (c m + ,)

,

.

(10.61)

Obgleich die genannten auf Ähnlichkeitsbetrachtungen basierenden phänomenologischen Ansätze in gewissen Maßen die physikalischen Gegebenheiten berücksichtigen und sich in der Praxis über viele Jahre bewährt haben, zeigt sich mit den steigenden Anforderungen an Allgemeingültigkeit und Genauigkeit doch, dass damit nicht immer das Auslangen gefunden werden kann. Da der Wärmeübergang entscheidend vom momentanen Strömungsfeld geprägt wird, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit in der Re-Zahl nicht

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G.P. Merker und R. Teichmann

geeignet, die Kurbelwinkelabhängigkeit von Turbulenz und Wärmeübergang genügend genau abzubilden. Überdies können Konstruktionseigenheiten der Brennraumgeometrie, die das Strömungsfeld und damit den Wärmeübergang signifikant beeinflussen, nicht berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen entstanden Wärmeübergangsbeziehungen, die sich entweder basierend auf obigen Ähnlichkeitsbetrachtungen bei der Wahl der charakteristischen Geschwindigkeit in der Re-Zahl am instationären Strömungsfeld im Brennraum orientieren, oder die, wie nachfolgend dargestellt, auf einer physikalisch fundierteren Formulierung beruhen. Physikalische Modelle Als Alternative zum phänomenologischen Newton’schen Ansatz schlägt Kleinschmidt (1993) und (1995) ein physikalisches Modell zur Berechnung des Wärmeübergangs vor, dessen Grundlagen im Folgenden beschrieben sind. Um die partiellen Differenzialgleichungen zur Beschreibung der physikalischen Vorgänge aufstellen und lösen zu können, müssen bei der physikalischen Modellierung vereinfachende Annahmen getroffen werden. Kleinschmidt geht in seinem Modell von folgenden Voraussetzungen aus, vgl. dazu Abb. 10.6: • Das Temperaturfeld in der Brennraumwand sei linear, zum Zeitpunkt t0 = 0 herrsche an der Wandoberfläche die Temperatur T W0 . • Die Brennraumwand sei zum Zeitpunkt t0 = 0 in Kontakt mit einer als ruhend und turbulenzfrei vorausgesetzten Gasschicht von homogener Temperatur T 0 und Druck p0 . • Für t > t0 überlagere sich dem wegen T W0 ≠ T 0 einsetzenden thermischen Ausgleichsvorgang zwischen Wand und Gas eine schnelle zeitliche Druckänderung p(t). • Wandparallele Strömungsbewegungen werden vernachlässigt, Temperaturgradienten treten nur normal zur Wandoberfläche auf. Unter der Voraussetzung, dass die entscheidenden Vorgänge jeweils nur in einer dünnen Grenzschicht des Gases und der Wand ablaufen, und diese im Vergleich zum Krümmungsradius der Wand klein sind, wird das Problem eindimensional betrachtet. Abb. 10.6 Anfangssituation der instationären Wärmeübertragung zwischen Wand und Gas, Pischinger et al. (2009)

-x Wand

x Gasraum p0

TW (x,t=0) TW0

T=T0

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

655

• Von einer Ortsveränderlichkeit des Druckes p werde abgesehen. • Chemische Reaktionsvorgänge werden durch eine Bruttoreaktionsgleichung der Form Cx H y + ν ′O O → Produkte mit der Geschwindigkeit J B und der Reaktionsenthalpie ΔH0 mR modelliert. • Turbulenz und Wärmestrahlung werden später durch Zusatzterme in der Lösung berücksichtigt. Damit ergibt sich für den Kontrollbereich Wand – Gasraum das folgende System partieller Differenzialgleichungen: Energiebilanz in der Wand:

∂ ϑ ∂ϑ =a  ∂t ∂x

Energiebilanz im Gasraum:

(10.62)

 dp ∂T  ∂ ∂T  ∂T  − +w = λ (T) − ΔH mR JB ∂t ρcp dt ∂x ρcp ∂x ∂x ρcp (10.63) Massenbilanz

∂ρ ∂w ∂ρ = −ρ −w ∂t ∂x ∂x

(10.64)

Es bedeuten: ϑ [K] a [m2 /s] T [K] p [N/m2 ] ρ [kg/m3 ] cp [J/kg K] w [m/s] λ [W/mK]  [J/kg] ΔH mR J B [kg/m3 s]

... ... ... ... ... ... ... ... ... ...

Temperatur innerhalb der Wand Temperaturleitfähigkeit a = λ/ρc Temperatur im Gasraum Druck im Gasraum Dichte spezifische Wärmekapazität Strömungsgeschwindigkeit Wärmeleitfähigkeit Reaktionsenthalpie Reaktionsgeschwindigkeit

Zusammen mit den Randbedingungen ϑ (−x = , t) = T (x = , t) = TW (t) ,

− λW (

∂ϑ ∂T ) = −λ (TW ) ( ) = q˙W (t) ∂x −x= ∂x x=

(10.65) (10.66)

656

G.P. Merker und R. Teichmann

und bei Vorgabe der genannten Anfangsbedingungen für die Wandtemperatur ϑ, die Gastemperatur T und der Strömungsgeschwindigkeit w sowie von Funktionszusammenhängen für p(t) bzw. J B (x,t) können die Lösungsfunktionen T(x,t), ϑ(x,t), w(x,t) sowie q˙W (t) berechnet werden. Zur Berücksichtigung der Turbulenz im Brennraum schlägt Kleinschmidt einen Faktor für den Wandwärmestrom vor, der unter Verwendung einer Motor-Reynolds-Zahl durch Ähnlichkeitsüberlegungen aus der stationären Rohrströmung abgeleitet wird. Bezüglich der mathematischen Transformationen zur Lösung des Gleichungssystems sei auf Kleinschmidt (1993) verwiesen. Die Formulierung und Lösung der relevanten partiellen Differenzialgleichungen bei der physikalischen Modellierung komplexer Vorgänge bereitet einige Schwierigkeiten. Ot muss eine Vielzahl von vereinfachenden Annahmen getroffen werden, deren Gültigkeit und Sinnhatigkeit jeweils kritisch zu hinterfragen ist. Trotz derartiger Vereinfachungen stellt sich die Lösung meist recht kompliziert dar. Im vorliegenden Fall erfordert das physikalische Modell für den Wärmeübergang verglichen mit dem Ansatz nach Newton erheblich mehr Aufwand in Programmierung und Berechnung. Obgleich eine physikalische Modellierung für das Verständnis der physikalischen Vorgänge letztlich unabdingbar ist, scheint in der auf rasche Ergebnisse ausgerichteten thermodynamischen Prozessrechnung der Einsatz z. B. quasidimensionaler Modelle meist zielführender. Strömungsfeldorientierte Ansätze Wie bereits erwähnt, besteht ein möglicher Ansatz zu einer verbesserten Beschreibung des Wärmeüberganges in der möglichst realitätsnahen Bestimmung der charakteristischen Geschwindigkeit im Brennraum für die Berechnung der Re-Zahl in (10.57). Aufwendigere Modelle berücksichtigen dabei auch die turbulente kinetische Energie und unterteilen den Brennraum in mehrere Teilgebiete, wodurch auch örtliche Informationen über den Wärmeübergang erhalten werden können. Wärmeübergang nach Bargende Bargende, Hohenberg und Woschni präsentierten 1991 einen Ansatz, in dem als charakteristische Geschwindigkeit in der Reynolds-Zahl sowohl die turbulente kinetische Energie k aus einem globalen k-ε Modell als auch die momentane Kolbengeschwindigkeit cK Berücksichtigung finden: √ k w = ,  (10.67) + cK .  Die Ermittlung der turbulenten kinetischen Energie erfolgt dabei über eine Differenzialgleichung für k, siehe (10.68), die nur für den Hochdruckbereich ab Einlassschluss gilt. ,

kq dk  k dV k , =− −ε + εq . dt  V dt L L

(10.68)

Hier ergibt sich die Änderung der turbulenten kinetischen Energie – von einem Startwert kES aus – durch Turbulenzgenerierung infolge der Kompression sowie der Quetschströmung und durch die Dissipation.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

657

Für den Wärmeübergangskoeffizienten wird folgende Beziehung angegeben: αG = ,V −, p, Tm−, w , Δ .

(10.69)

Als charakteristische Länge scheint das momentane Zylindervolumen V auf, die Temperaturabhängigkeit der Stoffgrößen wird durch den Mittelwert aus mittlerer Gas- und Wandtemperatur Tm = (TG + TW )/ berücksichtigt. Als Neuerung ist auch der Verbrennungsterm Δ zu sehen, der unter Berücksichtigung der unterschiedlichen treibenden Temperaturdifferenzen zwischen verbranntem (T v − T W ) bzw. unverbranntem (T uv − T W ) Arbeitsgas und der Wand formuliert ist:

Dabei bedeuten:

Δ = [X

Tv Tv − TW Tuv Tuv − TW  + ( − X) ] . TG TG − TW TG TG − TW

(10.70)

X [–] . . . normierte Durchbrennfunktion, QB [J] . . . umgesetzte Kratstoffenergie QBges [J] . . . gesamte umgesetzte Kratstoffenergie Wärmeübergang nach Wimmer (2000), Pivec (2001) und Schubert et al. (2005) Da der Wärmeübergang entscheidend vom momentanen Strömungsfeld geprägt wird, besteht eine wesentliche Aufgabe für eine verbesserte Modellierung des Wärmeübergangs in der möglichst realitätsnahen Abbildung der charakteristischen Geschwindigkeit. Dafür kann eine Berücksichtigung der Brennraumgeometrie erforderlich sein. Lokale Unterschiede sind unter Umständen auch bei der Formulierung der treibenden Temperaturdifferenz zu beachten. In diesem Kapitel wird nun zunächst die Modifikation des Geschwindigkeitsterms für die Berechnung des Wärmeübergangs in der Ladungswechselphase auf Basis der Beziehung von Woschni dargestellt, die eine wesentlich bessere Abbildung ermöglicht. In weiterer Folge wird auch ein Ansatz für die Hochdruckphase diskutiert, der im Wesentlichen auf der Berücksichtigung der turbulenten kinetischen Energie nach einem Modell von Borgnakke et al. (1980) und der Bestimmung der Wärmeübergangszahl nach der Reynolds-ColburnAnalogie beruht. Ziel der weiterführenden Arbeiten ist es, eine einheitliche, sowohl für den Ladungswechsel als auch für den Hochdruckteil gültige Beziehung darzustellen. Als Ansatz für eine grundlegende Verbesserung der Beschreibung des Wärmeübergangs in der Hochdruckphase kann die Einbeziehung von Modellen zur Bestimmung der charakteristischen Geschwindigkeit unter Berücksichtigung der Strömungsgeschwindigkeiten und der turbulenten kinetischen Energie im Brennraum angesehen werden. Um zunächst ein geeignetes Turbulenzmodell zu bestimmen, wurden mehrere aus der Literatur bekannte Modelle mit den Ergebnissen der dreidimensionalen Strömungsberechnung verglichen. Hierbei zeigt das Modell von Borgnakke et al. eine relativ gute Übereinstimmung und bildet deshalb auch die Grundlage für die weiteren Betrachtungen.

658

G.P. Merker und R. Teichmann

Um mit dem Turbulenzmodell von Borgnakke et al. eine weitere Verbesserung in der Abbildung der turbulenten kinetischen Energie zu erreichen, wurden die Produktionsterme für k und ε um die Anteile für Quetschströmung, Einspritzung und Auslassströmung erweitert, siehe die Gleichungen (10.13) und (10.14), und die zu bestimmenden Modellparameter entsprechend den CFD-Ergebnissen angepasst. Ein detaillierte Beschreibung der Modifikation und die dabei erzielten Ergebnisse finden sich in bei Pivec (2001).  dρ d (mk) ˙ Inj kInj + m ˙ Aus kAus − mε , ˙ Ein kEin + ( + a) k ˙ q kq + m =m +m dt  dt  dρ ε d (mε) ˙ Ein εEin + ε ˙ q εq + m ˙ Inj εInj + m ˙ Aus εAus − C ε m . =m +m dt  dt k

(10.71)

(10.72)

Zur Bestimmung der charakteristischen Geschwindigkeit wird der Ansatz von Morel et al. nach (10.73) angesetzt. √ w = w x + w y + k . (10.73)

Darin sind wx und wy die Geschwindigkeitskomponenten parallel zum betrachteten Oberflächenbereich. So wird etwa an der Zylinderbüchse eine achsiale Geschwindigkeitskomponente wa und eine tangentiale Geschwindigkeitskomponente wt , am Zylinderkopf eine radiale wr und eine tangentiale Geschwindigkeitskomponente wt eingesetzt. Zur Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten wird die Reynolds-Colburn Analogie herangezogen, wobei der Reibwert λr für jeden Oberflächenbereich in Abhängigkeit von der Grenzschichtdicke getrennt nach (10.74), Holman (1997) bestimmt wird. λr = ,Re −/ .

(10.74)

Mittels Verifikationsrechnungen, die bei Wimmer (2000) dargestellt sind, konnte die grundsätzliche Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Ansatzes für eine verbesserte Abbildung des Wärmeüberganges bestätigt werden. Durch eine Berücksichtigung der Geometrie lässt der Ansatz auch die Bestimmung der örtlichen Verteilung der Wandwärmeströme im Brennraum zu. Eine zusätzliche Weiterentwicklung und Verfeinerung erfuhr das Modell bei Schubert et al. (2005). Dort konnte auch bei Dieselmotoren eine gute Übereinstimmung des Modellvorschlags zur Bestimmung der turbulenten kinetischen Energie erzielt werden. Hier gilt es allerdings noch, das Problem der großen Unterschiede in der lokalen Temperaturverteilung zu lösen, da es in diesem Fall nicht ausreichend erscheint, den Wandwärmeübergang auf Basis einer gemittelten Brennraumtemperatur zu bestimmen. Strahlungswärmeübergang Neben dem Wärmeübergang durch Konvektion ist gasseitig noch die durch Strahlung ausgetauschte Wärme zu berücksichtigen. Vom Arbeitsgas wird Energie in Form elektromagnetischer Wellen verschiedener Wellenlänge ausgesandt. Treffen diese Wellen auf die Brennraumwände auf, werden sie teilweise reflektiert, teilweise

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

659

absorbiert. Die absorbierte Strahlung wird in Wärme umgewandelt und erhöht die Temperatur der Wandungen. Der Anteil an Strahlungswärme wird durch das Emissionsvermögen des Verbrennungsgases bestimmt. Dabei ist zwischen der Gasstrahlung und der durch das Vorhandensein von Rußteilchen verursachten Partikelstrahlung zu unterscheiden, beide zusammen ergeben die Flammenstrahlung. Im Ottomotor, wo die Verbrennung des Gasgemisches ohne wesentliche Leuchterscheinung vor sich geht, tritt hauptsächlich Gasstrahlung auf. Die Strahlung wird vor allem durch die Gase H2 O, CO2 und CO verursacht, die als selektive Strahler bezeichnet werden, weil sie nur bei bestimmten Wellenlängen strahlen bzw. absorbieren. Der Anteil der Strahlung am Wärmeübergang bei Ottomotoren liegt im Bereich weniger Prozent der Konvektionswärme und spielt eine untergeordnete Rolle. Die Ruß- oder Partikelstrahlung ist für den Dieselmotor spezifisch, wo durch winzige Kratstotröpfchen und örtlichen Lutmangel eine rußende Verbrennung mit leuchtender Flamme entsteht. Ruß ähnelt einem grauen Strahler, der über den gesamten Wellenbereich Strahlung emittiert. Dies ist auch der Grund, warum die Rußstrahlung wesentlich stärker als die Gasstrahlung ist. Eine Berücksichtigung der Partikelstrahlung ist auch bei kleinen Dieselmotoren von praktischem Interesse, sie kann bis zu 50 % des konvektiven Wärmeübergangs ausmachen. Beide Strahlungsarten werden von der Schichtdicke der strahlenden Gase bzw. Flammen bestimmt, ab einer gewissen Schichtdicke wirkt die leuchtende Flamme nahezu wie ein schwarzer Körper. Die Strahlungswärme hängt von der Strahlungsart, der Schichtdicke sowie dem wechselseitigen Emissions- und Absorptionsvermögen zwischen Gaskörper und Wand ab, welches durch das sogenannte Emissionsverhältnis ε ausgedrückt wird. Absorbiert ein Körper die gesamte einfallende Strahlung, wird er als schwarz bezeichnet. Im Gegensatz dazu handelt es sich um einen weißen Körper, wenn die gesamte Strahlung reflektiert wird. Man nennt schließlich einen Körper farbig, wenn er nur bestimmte Wellenlängen, und grau, wenn er von allen Wellenlängen den gleichen Anteil reflektiert und daher unabhängig von der Wellenlänge strahlt. Nach dem Stefan-Boltzmannschen Strahlungsgesetz gilt für die von einem Körper mit dem Emissionsverhältniszahl ε bei der Temperatur T in der Zeit dt pro Bezugsfläche A abgestrahlte Energie dQStr : T  ) dt . (10.75) dQStr = εC s A( 

Darin beträgt die Strahlungskonstante des schwarzen Körpers CS = 5,77 W/m2 K4 . Für den einfachsten Fall, dass sich zwei parallele Wände mit den Temperaturen T 1 und T 2 (T 1 > T 2 ) gegenüberstehen und die Emissionsverhältnisse als konstant angenommen werden, gilt für die ausgetauschte Strahlungswärme: dQStr = ε  CS A [(

T  T  ) −( ) ] dt .  

(10.76)

660

G.P. Merker und R. Teichmann

Darin ist ε12 das gemeinsame Emissionsverhältnis, welches sich mit den Emissionsverhältnissen ε1 und ε2 der beiden Wände aus ε  =

 ε

+

  ε

−

(10.77)

errechnet. Die Verhältnisse im Brennraum eines Verbrennungsmotors sind erheblich komplexer, da der Strahlungsaustausch nicht nur an der Oberfläche stattfindet und außerdem von den schon genannten Parametern des Gaskörpers abhängig ist. Trotzdem wird für die Berechnung der Strahlungswärme meist eine zu (10.76) analoge Beziehung verwendet. Dabei werden die beiden Wandtemperaturen T 1 und T 2 durch die Gastemperatur T G und die jeweiligen Wandtemperaturen T W i der den Brennraum bildenden Begrenzungswände von Kolben, Kopf und Zylinderbuchse ersetzt, anstelle der Gesamtoberfläche A tritt die jeweilige Einzelfläche Ai . Für das gemeinsame Emissionsverhältnis ε12 schließlich wird jenes Emissionsverhältnis εi eingesetzt, das die vorherrschende Strahlung beschreibt, nämlich Gas- (εG ), Ruß- (εR ) oder die aus beiden Anteilen zusammengesetzte Flammenstrahlung (εF ): TG  TWi  dQW,Stri = ε i CS A i [( ) −( ) ] dt . (10.78)  

Das Emissionsverhältnis εG eines strahlenden Gases ist außer von der Wellenlänge noch von der Gasart, von der Temperatur, vom Partial- und vom Gesamtdruck sowie von der Schichtdicke abhängig (10.79) εG =  − e −kG pG s . Darin sind:

kG [m/N] . . . Konstante abhängig von Gasart, Gas- und Wandtemperatur pG [Pa] . . . Partialdruck des Gasgemisches s [m] . . . Schichtdicke des strahlenden Gaskörpers Die Schichtdicke s wird in Analogie zum hydraulischen Durchmesser bestimmt, wobei für den zylindrischen Brennraum des Kolbenmotors anstelle des 4-fachen nur das 3,6-fache Verhältnis aus Brennraumvolumen V und Brennraumoberfläche A gesetzt wird, also: s = ,

V . A

(10.80)

Darin ist s vom Kurbelwinkel abhängig und hat im OT ein Minimum. Da kG nicht einfach zu bestimmen ist, andererseits aber in der Literatur (z. B. Hottel et al. 1967; VDIWärmeatlas 1974) für die im Verbrennungsmotor wichtigen Gase H2 O und CO2 weitgehend gesicherte Angaben für die von der Gastemperatur T G und dem Produkt pG s abhängigen Strahlungswerte vorliegen, ist es einfacher, das Emissionsverhältnis der Gasstrahlung näherungsweise nach der Beziehung εG = ε CO + ε H O − ΔεG

(10.81)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

661

zu ermitteln. Darin ist ΔεG ein Abminderungsfaktor, der wie εCO2 und εH2O von T G und pG s abhängt und der berücksichtigt, dass bei einem Gasgemisch durch die spektrale Überlagerung der Einzelkomponenten eine Verringerung der Strahlung entsteht. Für das Emissionsverhältnis der durch die Rußteilchen verursachten Strahlung εR gilt ein ähnlicher Zusammenhang wie für die Gasstrahlung:

Darin sind:

εR =  − e −kR ρR s .

(10.82)

kR [m2 /kg] . . . Konstante abhängig von Größe und Form der Rußpartikel ρ [kg/m3 ] . . . Konzentration des Rußes im Abgas s [m] . . . Schichtdicke des strahlenden Gaskörpers Bei Pflaum und Mollenhauer (1981) findet man für kR Werte zwischen 1,6 bei großvolumigen Auflademotoren und 9,6 bei kleinvolumigen Saugmotoren. Für den gesamten Emissionsgrad εF einer leuchtenden Flamme gilt schließlich: εF = εG + εR − εG εR .

(10.83)

Das Abminderungsglied berücksichtigt, dass die Rußstrahlung über das gesamte Spektrum reicht und damit natürlich auch die Bereiche der Gasstrahlung überdeckt, so dass diese zweifach erfasst wird. Allgemein gilt, dass die Flammenstrahlung mit dem Zylinderdurchmesser, d. h. mit größerer Schichtdicke s und mit höherer Last zunimmt. Je nach Belastung und Zylinderdurchmesser werden innerhalb eines Arbeitsspieles maximale εF -Werte von 0,8 bis 0,99, also fast der Strahlungswert des schwarzen Körpers erreicht. Damit ist εF , wie schon erwähnt, erheblich größer als εG , wobei als Richtwerte bei Pflaum und Mollenhauer (1981) εF / εG = 8 bei Zylinderdurchmessern um 100 mm und εF / εG = 4 bei solchen von 400 mm angegeben werden. Eine umfassende Bestimmung des Wärmeübergangs durch Strahlung, die auch geometrische Charakteristika einschließt, findet sich bei Morel und Keribar (1986).

10.1.7 Plausibilisierung von Analysenergebnissen Die wichtigsten Rechenergebnisse der Motorprozessanalyse sind der Brennratenverlauf sowie die Auteilung der Verluste vom Wirkungsgrad des idealen Motors bis zum effektiven Wirkungsgrad. Sämtliche Eingabegrößen für die thermodynamische Berechnung des Motors, d. h. sämtliche Messgrößen, sowie die Ergebnisse der Druckverlaufsanalyse (vgl. Abschn. 9.3 „Druckverlaufsanalyse“) und damit in weiterer Folge auch die aus Energiebilanz und

662

G.P. Merker und R. Teichmann

Verlustteilung (vgl. Abschn. 2.4 „Motorprozesse“) generierten Aussagen können mit Fehlern behatet sein, was die Genauigkeit der berechneten Ergebnisse reduziert. Solche Eingabegrößen sind beispielsweise die Massen von Lut und Kratstoff, die während eines Arbeitsspiels in den Zylinder strömen. Eine weitere wichtige Eingabegröße ist der Zylinderdruckverlauf, der wegen der Unvollkommenheit der verwendeten Messtechnik ebenfalls mit Fehlern behatet sein kann. Weitere Eingabegrößen sind auch die gemessenen Schadstoffkonzentrationen im Abgas, der Umgebungszustand und auch die Kratstoffzusammensetzung. Zur Erhöhung der Aussagekrat der Prozessanalyse besteht daher Bedarf nach einer Methodik zur Korrektur von Messfehlern und zur Bewertung der Genauigkeit von aus Messdaten berechneten Analyseergebnissen, vgl. Losonczi et al. (2011). Korrektur von Messwerten Der wahre Wert einer physikalischen Größe wird während eines Messvorgangs durch diverse Störungen beeinflusst und dadurch verfälscht. Diese Störeinflüsse entstehen durch bekannte systematische Abweichungen, individuelle zufällige Einflüsse und unbekannte systematische Abweichungen. Durch korrekte Kalibrierung der verwendeten Messgeräte können die negativen Auswirkungen der bekannten systematischen Abweichungen in den meisten Fällen korrigiert werden. Von den zufälligen Einflüssen und unbekannten systematischen Abweichungen sind aber weder Richtung noch Größe bekannt, deswegen können ihre Auswirkungen nur durch geeignete Datenvalidierungsmethoden beseitigt werden, um möglichst fehlerfreie Messwerte zu erhalten. Dazu wird angenommen, dass die Messwertfehler und damit auch die Fehler der daraus abgeleiteten Ergebnisgrößen stetig verteilte Zufallsvariablen sind und dass sie jeweils im Wesentlichen einer Gauß’schen Normalverteilung folgen. Um die Anwendung der verwendeten Datenkorrekturmethoden zu ermöglichen, werden die Messgrößen zu einer mehrdimensionalen Zufallsvariablen zusammengefasst. Eine große Gruppe von Korrekturmethoden bilden die sogenannten datenbasierten Verfahren. Bei diesen Verfahren werden Aussagen über die Qualität der Messdaten durch Analyse bereits vorhandener Daten getroffen. Solche Methoden sind z. B. die mathematisch-statistischen Approximationsverfahren, oder Verfahren, für die die Gesetzmäßigkeiten der neuronalen Netze zugrunde gelegt werden. Die Fuzzy-Expertensysteme arbeiten ebenfalls nach diesem Schema. Die Vorteile dieser Verfahren sind, dass sie universell anwendbar sind und wenig spezifisches Wissen über das untersuchte System benötigt wird. Als Nachteile sind zu nennen, dass sie zum Teil vorvalidierte Trainingsdaten zur Modellbildung brauchen und dass die Übertragbarkeit der erstellten Modelle von einem System auf ein anderes als eher kritisch anzusehen ist. Eine weitere Gruppe bilden die Verfahren, die auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten basieren. Eine derartige Methode ist auch die hier weiterhin verwendete Gauß’sche Ausgleichsrechnung (Streit 1975). Diese Methode ermöglicht die Korrektur der Messdaten und der dazugehörigen Unschärfeintervalle aufgrund von physikalischen Zusammenhängen. Die Vorteile dieser Methode sind, dass keine vorvalidierten Daten zur Erstellung der Modelle benötigt werden und dass die Übertragung der verwendeten Zusammenhänge auf andere Systeme mit ge-

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

663

ringem Aufwand möglich ist. Als Nachteil ist zu nennen, dass Detailkenntnisse über die theoretischen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Messergebnissen notwendig sind. Das Ziel der Gauß’schen Ausgleichsrechnung ist es, Schätzwerte für die wahren Werte der Messgrößen zu berechnen. Diese Schätzwerte entstehen durch die Korrektur bzw. Verbesserung der Messwerte. Wenn man die Messwerte in einem Vektor x und die Verbesserungen in einem Vektor v zusammenfasst, können die gesuchten Schätzwerte x¯ als die Summe der beiden Vektoren berechnet werden. x = (x  , x  , . . . , x n ) , v = (v  , v  , . . . , v n ) , x¯ = x + v .

(10.84) (10.85) (10.86)

Das Grundprinzip dieser Methode bildet das Gauß’sche Ausgleichsprinzip nach (10.87), das besagt, dass die Summe der mit der Kovarianzmatrix Sx gewichteten quadratischen Differenzen zwischen Messwerten und korrigierten Werten ein Minimum sein soll. ξ  = v T S x− v ⇒ min .

(10.87)

Diese Bedingung folgt aus der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion einer mehrdimensionalen Zufallsvariablen, worauf hier nicht näher eingegangen werden soll. Die als Gewichtung verwendete Kovarianzmatrix enthält die Unsicherheiten der Messgrößen in Form der Varianzen und die stochastischen Abhängigkeiten zwischen den Messgrößen in Form der Kovarianzen. ⎡ σx ⎤ ⎢  σx , ⋅s σx , n ⎥ ⎢σ ⎥  σ ⋅s σ ⎢ x , n ⎥ x ⎥ . S x = ⎢ x , (10.88) ⎢ ⋮ ⋮ ⋱ ⋮ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢σ  ⎥ ⎣ x n, σx n, ⋅s σx n ⎦

Die Lösung der Optimierungsaufgabe soll aber noch den vorher erwähnten Nebenbedingungen genügen. Diese Nebenbedingungen können einerseits physikalische Zusammenhänge zwischen den Messgrößen wie Energie- und Stoffbilanzen sein, oder können auch Verknüpfungen zwischen gemessenen und simulierten Größen darstellen. Das durch die Gleichungen der Nebenbedingungen definierte Gleichungssystem kann in Vektorschreibweise wie folgt angegeben werden: f (x¯) = f (x + v) =  .

(10.89)

Es wird angenommen, dass die Fehler und damit die gesuchten Verbesserungen klein zu den jeweiligen Messgrößen sind. Dies ermöglicht die Linearisierung der obigen Gleichungen durch die Taylor-Reihenentwicklung, siehe (10.90), was die weitere mathematische Verarbeitung des Gleichungssystems erheblich erleichtert. f (x) + [

∂ f (x) ]v =  . ∂x

(10.90)

664

G.P. Merker und R. Teichmann

Das so entstandene Gleichungssystem ist analytisch noch nicht lösbar, weil die Anzahl der Unbekannten, das sind die zu korrigierenden Messgrößen, im Allgemeinen höher als die Anzahl der zugrunde gelegten Gleichungen der Nebenbedingungen ist. Zur Lösung des Gleichungssystems wird daher die Lagrange’sche Multiplikatorenregel verwendet. (10.91) gibt die verwendete Lagrange-Funktion wiederum in Vektorschreibweise wieder. L = v T S x v − [ f (x) + [

∂ f (x) ] v] λ =  . ∂x

(10.91)

Nach der partiellen Ableitung dieser Funktion nach den Verbesserungen v und den Lagrange-Multiplikatoren λ entsteht ein Gleichungssystem, in dem die Anzahl der Unbekannten gleich der Anzahl der Gleichungen ist. Damit ist die analytische Lösung der Gleichungen möglich und der gesuchte Vektor der Verbesserungen kann nun berechnet werden. Auf die Darstellung des Gleichungssystems wird hier verzichtet. Anhand eines Beispiels soll die Wirkungsweise der Methode anschaulich gemacht werden. Dazu wird angenommen, dass bei einer Messung am Motorprüfstand die Messdaten für Kratstoff- und Lutmasse und die Ergebnisse der Abgasanalyse für CO2 durch Fehler verfälscht wurden. Mit Hilfe dieses synthetischen Fallbeispiels soll untersucht werden, ob die Methode in der Lage ist, einzelne Fehler selektiv zu detektieren und zu korrigieren. Für mögliche Korrekturen werden fünf Messgrößen berücksichtigt, nämlich die zugeführte Kratstoff- und Lutmasse sowie die drei Abgaskomponenten CO2 , O2 und H2 O. Als Nebenbedingungen werden vier Gleichungen herangezogen, nämlich die Energiebilanz sowie die Stoffbilanzen für Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, siehe (10.92) bis (10.95). Unter dem Begriff Bilanz soll jeweils die Differenz aus Input und Output verstanden werden. (10.92) mK Hu − Qunv − Qmax =  , mK μC − (mK + mL ) (μCO

MC MC MC + μHC + μCO )=, M CO M CO M CH 

mK μH − (mK + mL ) (μHC

, mL − (mK + mL ) (μCO

M H M H ) + m H O =, M CH  MH O

(10.93)

(10.94)

M O MO MO + μO  ) + m H  O + + μCO =  . (10.95) M CO M CO MH O

In den obigen Gleichungen bedeuten m die Massen, M die molaren Massen und μ die Massenanteile der jeweiligen Komponenten. Qunv und Qmax stehen für die chemisch gebundene Energie der unverbrannten Kohlenwasserstoffe bzw. für die mittels des ersten Hauptsatzes aus dem Zylinderdruckverlauf errechnete umgesetzte Kratstoffenergie. H u repräsentiert den unteren Heizwert des Kratstoffs. Mit den realen verfälschten Messdaten sind die rechten Seiten der Gleichungen im Allgemeinen nicht gleich Null. Die Aufgabe besteht darin, den insgesamt wahrscheinlichsten Vektor von Messwertkorrekturen zu ermitteln, mit denen die Gleichungen identisch erfüllt werden. In diesem Beispiel ist die

Relative Abweichung [%]

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

665

5

5

5

5

4

4

4

4

3

3

3

3

3

2

2

2

2

2

1

1

1

1

1

0

0

0

0

0

-1

-1

-1

-1

-1

-2

-2

-2

-2

-2

-3

-3

-3

-3

-3

-4

-4

-4

-4

-4

-5

-5

mK

-5

mL

5

Messwert Basis Unschärfeintervall Basis Messwert Korrigiert 4 Unschärfeintervall Korrigiert

-5

CO2

-5

O2

H2O

Abb. 10.7 Ergebnisse der Ausgleichsrechnung (Losonczi 2011)

analytische Lösung des durch die Nebenbedingungen gegebenen Gleichungssystems nicht möglich, weil die Anzahl der Unbekannten höher als die Anzahl der Nebenbedingungen ist. Zur Lösung der Aufgabe ist also in der Tat die Verwendung der Ausgleichsrechnung notwendig. Für die Untersuchung wurden die folgenden Schritte durchgeführt: im ersten Schritt wurde ein Betriebspunkt ohne gravierende Messfehler ausgewählt, wo folglich alle Nebenbedingungen nahezu vollständig erfüllt waren. Dann wurden synthetische Fehler aufgeprägt, indem die Kratstoffmasse, die Lutmasse und der CO2 -Anteil im Abgas jeweils um 2 % erhöht wurden. Alle weiteren Eingabegrößen wurden unverändert belassen (Basisfall). Durch die Veränderung der erwähnten Eingabegrößen wurden alle vier Nebenbedingungen verletzt. Im Idealfall sollte die Ausgleichsrechnung die fehlerhaten Eingabegrößen so korrigieren, dass alle Nebenbedingungen wieder vollständig erfüllt werden. Die Ergebnisse der Ausgleichsrechnung zeigt Abb. 10.7. In dieser Abbildung sind auf der Ordinatenachse jeweils die relativen Abweichungen der berücksichtigten Eingabegrößen des Basisfalls aufgetragen. Die blauen Punkte repräsentieren die Messwerte im Basisfall und die blauen Balken stehen für ihre angenommenen Unschärfeintervalle, die grundsätzlich von der angegebenen Messgenauigkeit des jeweiligen Messgeräts abhängen und im vorliegenden Beispiel aber der Einfachheit halber für alle Größen gleich angenommen wurden. Die roten Punkte und Balken zeigen die korrigierten Werte. Es ist klar ersichtlich, dass die synthetisch veränderten Eingabegrößen von der

666

G.P. Merker und R. Teichmann

Methode im Wesentlichen erkannt und korrigiert, die nicht veränderten Größen aber am Ausgangswert belassen wurden. Der Grund dafür, warum die betrachteten Eingabegrößen nach der Korrektur doch leicht von den bekannten Basiswerten abweichen, kann auf numerische Ungenauigkeiten bzw. auf die durch die Linearisierung der Gleichungen der Nebenbedingungen entstehenden Approximationsfehler zurückgeführt werden. Zusätzlich zur Korrektur der Eingabegrößen wurden für alle Größen auch korrigierte Unschärfeintervalle bestimmt und in Abb. 10.7 dargestellt. Diese korrigierten Unschärfeintervalle werden später für die Genauigkeitsbewertung von Analyseergebnissen noch eine wichtige Rolle spielen. Genauigkeitsbewertung von aus Messdaten berechneten Analysenergebnissen Die Qualität einer aus Messdaten abgeleiteten Ergebnisgröße kann mit Hilfe eines Unschärfeintervalls gekennzeichnet werden. Im Folgenden wird eine Methode vorgestellt, die mittels der sogenannten Fehlerfortpflanzungsrechnung die Berechnung von Unschärfeintervallen auch in diesem Fall ermöglicht. Mit Hilfe dieser Methode kann nicht nur die globale Unsicherheit einer Ergebnisgröße berechnet werden, sondern es können darüber hinaus auch gezielte Hinweise gegeben werden, welche Messgrößen zum Entstehen dieser Unsicherheit maßgeblich beigetragen haben. Als Grundlage dient das Gauß’sche Fehlerfortpflanzungsgesetz (Großmann 1969). Wenn eine eindeutige Funktion zwischen der betrachteten Ergebnisgröße y und den Messgrößen xi existiert, kann die Varianz der Ergebnisgröße nach folgender Gleichung berechnet werden. ∂y   n (10.96) ) σx i . σ y = ∑ i= ( ∂x i

Diese Gleichung enthält die partiellen Ableitungen der zugrunde gelegten Funktion nach den Messgrößen und die Unsicherheiten der Messgrößen gegeben durch ihre Varianzen. Zur Beurteilung der Einflüsse der einzelnen Unsicherheiten kann die folgende Beziehung verwendet werden: Bi =

( ∂x i ) σxi ∂y



σ y

i = , . . . , n .

(10.97)

Dieser Quotient gibt den Fehleranteil einer Messgröße am Gesamtfehler der Ergebnisgröße an. Für die Anwendung dieser Methode sind die folgenden Schritte durchzuführen: Im ersten Schritt werden die Standardabweichungen der Messgrößen zur Bildung der Varianzen festgelegt. Dafür können die Ergebnisse der oben diskutierten Ausgleichsrechnung herangezogen, oder Daten von Messgeräteherstellern bzw. Erfahrungswerte vom Prüfstandsbetrieb verwendet werden. Danach werden die mathematischen Zusammenhänge zwischen Eingabe- und Ergebnisgrößen zur Berechnung der notwendigen partiellen Ableitungen

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

667

aufgestellt. Diese Zusammenhänge liegen bei einer Motorprozessanalyse selten als einfache Gleichungen vor. Um der vorgestellten Bewertungsmethode eine möglichst hohe Flexibilität zu sichern, werden numerische Methoden benötigt, die die Berechnung der partiellen Ableitungen ermöglichen. Anschließend, wenn alle diese Informationen vorhanden sind, können die Unschärfeintervalle Δy der Ergebnisgrößen mit Hilfe von (10.96) und (10.98) berechnet werden. √ (10.98) Δy = α σ y .

Dabei wird der Faktor α abhängig von der gewünschten Wahrscheinlichkeit gewählt (z. B. α = 3 bei einer Wahrscheinlichkeit von 99,73 %).

0.4380

49.10

16.18

0.4378

49.08

47.2

16.16

0.4376

49.06

47.1

16.14

0.4374

49.04

47.0

16.10

16.08

0.4372

0.4370

0.4368

Basis Korrigiert

Indizierter Wirkungsgrad [%]

16.12

Heizwert [MJ/kg]

16.20

Kraftstoffmasse [g]

Indizierter Mitteldruck [bar]

Anwendungsbeispiel Hier soll anhand eines Beispiels gezeigt werden, dass selbst kleine durch die Ausgleichsrechnung bestimmte Korrekturen der Messgrößen von großer Bedeutung sein können. Um die Auswirkungen dieser kleinen Korrekturen darzustellen, wurde der indizierte Wirkungsgrad ηi herangezogen, der sich mit der folgenden Gleichung

49.02

49.00

48.98

47.3

46.9

46.8

46.7

46.6

16.06

0.4366

48.96

16.04

0.4364

48.94

46.5

16.02

0.4362

48.92

46.4

16.00

0.4360

pi

48.90

mK

46.3

Hu

Abb. 10.8 Anwendungsbeispiel indizierter Wirkungsgrad (Losonczi 2011)

ηi

668

(10.99) berechnen lässt:

G.P. Merker und R. Teichmann

ηi =

p i VH . mK Hu

(10.99)

In der obigen Gleichung bedeutet pi den indizierten Mitteldruck und V H das Zylinderhubvolumen. mK und H u stehen für die Kratstoffmasse bzw. für den unteren Heizwert des Kratstoffs. Wenn man davon ausgeht, dass das Zylinderhubvolumen eine bekannte Größe und damit keine Zufallsvariable ist, bleiben nur die anderen drei Größen, deren wahrscheinlichste Werte mit Hilfe der Ausgleichsrechnung zu ermitteln sind. Für dieses Beispiel wurde wieder ein realer Messpunkt mit hoher Messqualität gewählt, in dem die Nebenbedingungen nur unwesentlich verletzt werden. Dies hat zur Folge, dass die betrachteten Eingabegrößen mK und H u im Zuge der Ausgleichsrechnung auch nur geringfügig korrigiert werden. Dies gilt ebenfalls für den indizierten Mitteldruck pi , der selbst keine Eingabegröße ist, sondern ein aus den Eingabegrößen abgeleiteter Wert. Die absoluten Zahlenwerte dieser Größen sind in der folgenden Abb. 10.8 dargestellt. Die blauen Balken stehen für den unkorrigierten Zustand, die roten Balken geben die Ergebnisse nach der Ausgleichsrechnung wieder. Abbildung 10.8 zeigt auf der rechten Seite auch den mit der (10.99) berechneten indizierten Wirkungsgrad ebenfalls vor und nach der Ausgleichsrechnung. Obwohl die in diesem Beispiel betrachteten Größen (indizierter Mitteldruck, Kratstoffmasse und Heizwert) von der Ausgleichsrechnung nur geringfügig verändert wurden, ist die daraus abgeleitete Wirkungsgradänderung von etwa 0,5 Prozentpunkten nicht mehr vernachlässigbar.

10.1.8 Simulation durch Vorgabe des Brennverlaufs Für die nulldimensionale Simulation des Arbeitsprozesses sind Brennverläufe vorzugeben. Diese werden dazu entweder durch mathematische Funktionen in Form von Ersatzbrennverläufen angenähert oder werden mit Hilfe allgemeiner Verbrennungssimulationsmodelle, die meist auf einfachen physikalischen Zusammenhängen basieren, berechnet. Ersatzbrennverläufe Wählt man für den Brennverlauf einfache mathematische Funktionen, die eine Variation von Brennbeginn, Brenndauer und Brenngeschwindigkeit erlauben, kann deren Auswirkung auf verschiedene Motorparameter rasch untersucht und beurteilt werden. Wegen ihrer Anschaulichkeit und einfachen Handhabung sind Exponentialfunktionen zur Beschreibung des Brennverlaufs nach Vibe (1970) weit verbreitet. Vibe trit für die Umsetzrate, die er als Durchbrennfunktion x bezeichnet, den Ansatz: m+ QB C( t ) = x =  − e t . Q B

(10.100)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

669

Abb. 10.9 Umsetzrate und Brenngesetz über der relativen Brenndauer für verschiedene Formfaktoren (Pischinger et al. 2009)

In (10.100) ist m der Formfaktor oder Kennwert der Durchbrennfunktion, t die Brenndauer ab Brennbeginn und t0 die gesamte Brenndauer. Unter der Festlegung, dass bei Umsetzung von 99,9 % der Brennstoffenergie (QB /Q B = ,) das Brennende erreicht ist (t = t0 ), erhält man aus (10.100) für die Konstante C den Zahlenwert −6,908. Für die praktische Anwendung wird die Brenndauer meist in Grad Kurbelwinkel ausgedrückt. Mit dem Verbrennungsbeginn bei φVB und der Verbrennungsdauer ΔφVD lautet (10.100) für die Umsetzrate: m+ φ−φ QB (φ) −,( Δ φ VB ) VD =−e . Q B

(10.101)

Differenziert man (10.101) nach dem Kurbelwinkel, erhält man den Brennverlauf zu: m+ φ−φ dQB Q B φ − φ VB −,( Δ φ VB ) VD . , (m + ) ( ) e = dφ ΔφVD ΔφVD

m

(10.102)

Für verschiedene Formfaktoren m zeigt Abb. 10.9 im linken Teil die Umsetzrate, im rechten Teil den Brennverlauf über der relativen Brenndauer. Man erkennt, dass die Energieumsetzung umso später erfolgt, je größer der Formfaktor ist. Für die Annäherung eines realen Brennverlaufs durch Vibe-Funktionen stehen die drei Parameter Verbrennungsbeginn φVB , Verbrennungsdauer φVD und Formfaktor m zur Verfügung. Um die Vibe-Parameter für bestehende Brennverläufe zu bestimmen, kann die Methode der kleinsten Quadrate oder die Methode des gleichen Energieumsatzes eingesetzt werden (Pischinger et al. 2009). Zur Darstellung von Brennverläufen mit ausgeprägtem vorgemischten Anteil werden Doppel-Vibe-Funktionen verwendet. Ein Vergleich von Einfach-Vibe Funktionen, ermittelt nach der Methode der kleinsten Quadrate sowie nach der Methode des gleichen Energieumsatzes, mit einer Doppel-Vibe Funktion zeigt Abb. 10.10. Man erkennt, dass die errechneten Ersatzbrennverläufe zum

670

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 10.10 Unterschiedliche Vibe-Ersatzbrennverläufe (Pischinger et al. 2009)

Teil deutliche Unterschiede zueinander aufweisen und dass der reale Brennverlauf dadurch nicht in allen Einzelheiten richtig wiedergeben werden kann. Dementsprechend weichen auch die mit den jeweiligen Ersatzbrennverläufen berechneten Motorprozesse vor allem bezüglich des Druck- und Temperaturverlaufes ab. Dennoch kommen Vibe-Funktionen in ihrer Form vielen Brennverläufen nahe und sind für Variationsrechnungen geeignet. Verbrennungsmodelle Im Gegensatz zur Berechnung des Verbrennungsprozesses auf Basis von Ersatzbrennverläufen soll dabei der Brennverlauf ohne Vorgaben über den Verlauf der umgesetzten Brennstoffmasse berechnet werden. Die verfügbaren Ansätze für die Modellierung des Brennverlaufs sowohl für Diesel- als auch Ottomotoren findet sich in Kap. 11, „Phänomenologische Verbrennungsmodelle“. Die Beschreibung von Verbrennungsmodellen für gasmotorische Anwendungen findet sich in Abschn. 3.2, „GroßGasmotoren“. Meist basieren diese Modelle auf den relativ einfachen Ansätzen von Arrhenius und Magnussen, deren grundsätzliche Zusammenhänge und deren Anwendung zur Formulierung einer Reaktionsrate sowohl für Otto- als auch Dieselmotoren im Folgenden beschrieben werden sollen. Grundsätzliche Ansätze zur Modellierung von Zündverzug und Brennrate Der Zustand der Zylinderladung während des Hochdruck-Teils ist geprägt durch hohe Temperatur aus Verdichtung und Energiefreisetzung und durch hohe Turbulenzdichte, die generell durch die Kolbenbewegung und bei Dieselmotoren zusätzlich vom Einspritzstrahl-Impuls beziehungsweise bei Vorkammer-Gasmotoren vom Impuls der überströmenden Gasmasse erzeugt wird. Die Prozesse der Gemischbildung und Verbrennung werden daher durch diese beiden Gegebenheiten kontrolliert (Chmela et al. 2008).

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

671

Reaktionsrate nach Magnussen Die momentane Verfügbarkeit der Reaktionspartner für die Reaktion wird durch Transport- und Mischungsprozesse auf molekularer Ebene gesteuert. Die lokale Turbulenzdichte ist dabei das treibende Phänomen für die Mischungsgeschwindigkeit der Reaktanten. Die dadurch kontrollierte Reaktionsrate lässt sich mit Hilfe der Ansätze nach Magnussen und Hjertager (1976) formulieren. In der folgenden Gleichung (10.103) ist k die Turbulenzdichte und ε die Dissipationsrate. ε r Mag = CMag cR ( ) . k

(10.103)

Diese sich auf das bei der drei-dimensionalen Simulation verwendete k-ε-Modell stützende Formulierung ist für die Verwendung in null-dimensionalen Modellen wenig geeignet. Mit Hilfe der bekannten Approximation von Taylor, Morel und Keribar (1985), siehe (10.104)  k (10.104) ε= l und einer aus dem Zylindervolumen abgeleiteten charakteristischen Länge l lässt sich (10.23) in die folgende für die null-dimensionale Berechnung besser geeignete Form bringen. Der Turbulenzterm enthält hier nur noch die aus den Gemischbildungsparametern bestimmbare Turbulenzdichte. Die charakteristische Länge l wird mit der Kubikwurzel des Zylindervolumens abgeschätzt. √

rMag = CMag cR √ 

k . VZyl

(10.105)

CMag ist in (10.105) eine Modellkonstante und cR die ratenbestimmende Konzentration, die weiter unten noch näher erläutert wird. Die Berechnung der Turbulenzdichte k aus dem Einspritzstrahl-Impuls wurde bereits bei Chmela und Orthaber (1999) und die Erzeugung aus Drallströmung und Quetschströmung bei Jobst et al. (2005) ausführlich erläutert. Die Rechnung beginnt jeweils mit der Bestimmung der kinetischen Energie, wovon ein Teil in turbulente kinetische Energie umgewandelt wird. Dieser Anteil wird dann auf die Gemischmasse bezogen, die momentan an der Verbrennung teilnimmt. Bei der ratenbestimmenden Konzentration cR wird nach Magnussen unterschieden zwischen Diffusionsverbrennung und vorgemischter turbulenter Verbrennung sowie zwischen unter- und überstöchiometrischem Massenverhältnis von Lut bzw. Sauerstoff und Kratstoff. Bei der Diffusionsverbrennung ist die ratenbestimmende Konzentration die relativ zur Stöchiometrie kleinere Konzentration, also bei λ > 1 die Kratstoffkonzentration cK und bei λ < 1 die Sauerstoffkonzentration cO . Die beiden Konzentrationen lassen sich nach den folgenden Beziehungen mit Hilfe des Gemischvolumens V Gem berechnen. cK =

mK , VGem

(10.106)

672

G.P. Merker und R. Teichmann

cK =

,mL mK =λ . O ,min VGem VGem

(10.107)

Bei der turbulenten vorgemischten Verbrennung tritt an die Stelle der Konzentrationen der Ausgangsstoffe die Konzentration cP der Verbrennungsprodukte CO2 und H2 O (10.108). cP =

mP

( + O ,min ) VGem

=

˙ + h mK mK .c = cK . VGem  + .˙ c + h + o VGem

(10.108)

c, h und o sind dabei die Massenanteile von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff im Kratstoff. λ ist das Lutverhältnis und O2,min der stöchiometrische Sauerstoffbedarf. Die Massen von Sauerstoff und der Verbrennungsprodukte sind jeweils auf die stöchiometrischen Massen bezogen. Der von der Kratstoffzusammensetzung abhängige Term in (10.108) soll weiterhin mit CK bezeichnet werden. Das Gemischvolumen V Gem in (10.109) enthält Kratstoffdampf und, wenn man hier der Kürze halber von Beimischungen von Restgas und rückgeführtem Abgas absieht, die durch das lokale Lutverhältnis definierte Lutmenge. VGem = mK (

 ρ K,d

+

λLmin ) . ρL

(10.109)

Ein wichtiges Beispiel für die Anwendbarkeit des Ansatzes nach Magnussen ist die mischungsgesteuerte Diffusionsverbrennung im direkteinspritzenden Dieselmotor, die sich damit gut beschreiben lässt. Reaktionsrate nach Arrhenius Die momentane Reaktionsrate zwischen den bereits gemischten Reaktionspartnern wird durch die Reaktionskinetik kontrolliert. Die zugrunde liegenden chemischen Reaktionen können näherungsweise als Bruttoreaktion zwischen Kratstoff und Sauerstoff beschrieben werden. Unter der Annahme, dass die Konzentrationszunahme der Reaktionsprodukte einem Arrhenius-Gesetz folgt, stellt (10.110) bei nicht turbulenten Oxidationsprozessen im Motor die Reaktionsrate in allgemeiner Form dar. −k  Ta (10.110) rArr = CArr cK c O p a e T .

In dieser Gleichung bedeuten cK und cO wieder die Konzentrationen von Kratstoff und Sauerstoff in der Zylinderladung. p und T sind Druck und (lokale) Temperatur im Zylinder. T a ist die aus Aktivierungsenergie und Gaskonstante abgeleitete Aktivierungstemperatur. Der Exponent a sowie die Aktivierungstemperatur T a müssen je nach Reaktionstyp aus Messergebnissen bestimmt werden. Die lokale Ladungstemperatur während der Verbrennung ist über ein die Frischgaszone und mindestens eine verbrannte Zone berücksichtigendes Mehrzonen-Modell zu berechnen. Die Konzentrationen lassen sich wie vorher mit Hilfe von (10.106) und (10.107) bestimmen.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

673

Beispiele für mit dem Arrhenius-Ansatz mit guter Näherung beschreibbare Prozesse sind allgemein die NO-Bildung und bei Ottomotoren das Anwachsen der Radikalkonzentration in der vorgemischten Frischladung, die dann zum Klopfen führt. Auch die Brennrate bei den Verbrennungsverfahren mit homogener Selbstzündung folgt dieser Gesetzmäßigkeit. Kombinierter Ansatz Bei der motorischen Verbrennung sind immer beide Reaktionstypen beteiligt, wenn auch mit unterschiedlichen Beiträgen. Zur Berechnung der Gesamtreaktionsrate können die für die Einzelprozesse benötigten Zeiten τ Mag und τ Arr als Kehrwerte der Reaktionsgeschwindigkeiten addiert werden, um vom Zustand vor der Mischung zum Zustand nach der Reaktion zu gelangen. τges = τMag + τArr .

(10.111)

Die Summe der beiden ist dann der Kehrwert der kombinierten Reaktionsrate, die in (10.29) weiter ausgeführt ist. rges =

 τges

=

 rMag

 +

 rArr

=

rMag rArr . rMag + rArr

(10.112)

Diese Formulierung kann für eine Reihe von Modellen benutzt werden, zum Beispiel für den Zündverzug, den Rußabbrand oder auch für die Brennrate der vorgemischten Verbrennung im direkteinspritzenden Dieselmotor, wo in jedem Fall ein höheres Turbulenzniveau erfahrungsgemäß zu einer signifikanten Ratenerhöhung führt. Bei stark unterschiedlichen Reaktionsraten der Einzelprozesse kontrolliert die jeweils kleinere Rate den Gesamtprozess.

10.1.9 Mittelwertmodelle Bei den sogenannten Mittelwertmodellen wird im Gegensatz zur herkömmlichen Motorprozessrechnung der Arbeitsprozess nicht kurbelwinkelaufgelöst, sondern über ein Arbeitsspiel gemittelt betrachtet, vgl. Pötsch (2012) und Guzzella et al. (2004). Dies hat den Vorteil, dass die Rechenzeit von Mittelwert-Motormodellen sogar im Vergleich zu nulldimensionalen Modellen noch deutlich verringert werden kann. Diese Methodik kommt zum Einsatz, wenn eine kurbelwinkelaufgelöste Betrachtung des Motorprozesses nicht notwendig ist, bzw. eine sehr geringe Rechenzeit erforderlich ist, was sie für die echtzeitfähige Simulation beispielsweise in Steuergeräten sehr gut einsetzbar macht. Aufgrund der Annahme, dass die Verbrennung für gegebene thermodynamische Randbedingungen immer sehr ähnlich abläut, wird dabei die Vereinfachung getroffen, dass die

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G.P. Merker und R. Teichmann

hochgradig instationären Abläufe während der Verbrennung als statische Effekte beschrieben werden. Das Verhalten des Verbrennungsmotors wird im Mittelwertmodell mittels sogenannter Zeitkonstanten berücksichtigt. Im Folgenden werden kurz die jeweiligen Methoden zur Beschreibung unterschiedlicher Komponenten des Systems Motor im Mittelwertmodell dargestellt: Behälter Für die Modellierung von Behältern im System wird die in Abschn. 10.2.1 beschriebene Füll- und Entleermethode verwendet. Der thermodynamische Zustand wird konstant über den gesamten Behälter angenommen, die Wände des Behälters gelten als adiabat. Die Massen- und Enthalpieströme über die Systemgrenzen bewirken eine Speicherung von innerer Energie im Behälter. Druck und Temperatur können über die ideale Gasgleichung bestimmt werden. Verbrennung im Zylinder, Auswirkung auf die Kurbelwelle Die Zustandsänderung im Zylinder durch die Verbrennung und deren Wirkung auf den Antriebsstrang werden im Mittelwertmodell nicht zeitlich aufgelöst modelliert, sondern der Motor wird gesamtheitlich betrachtet, wobei aus der zugeführten Lut und Brennstoffmasse direkt Drehmoment und Verbrennungsgas generiert wird. Der Massenstrom im Einlasssystem wird dabei vereinfacht proportional der Motordrehzahl ausgedrückt. Das Drehmoment wird durch die Lut- und Brennstoffmasse bestimmt, wobei die Umwandlung der im Kratstoff gespeicherten chemischen Energie in mechanische Arbeit mit einfachen Zusammenhängen modelliert wird. Der Mitteldruck kann über den effektiven Wirkungsgrad bestimmt werden, der wiederum aus Messungen bekannt sein sollte und üblicherweise in Motorkennfeldern in Abhängigkeit von Last und Drehzahl abgelegt wird. Für Mittelwertmodelle eignet sich die Darstellung des Wirkungsgrads über der eingebrachten Kratstoffmenge und der Drehzahl. Die Kurbelwellendynamik wird über ein einfaches Momentengleichgewicht beschrieben (Pötsch 2012), wobei auch die im Schwungrad gespeicherte kinetische Energie Berücksichtigung findet. Die Fahrwiderstände unter Berücksichtigung der Einflüsse des Antriebsstranges bestimmen letztendlich das Lastmoment, das im Modell als bekannt vorausgesetzt werden muss. Ein wesentlicher Teil der eingebrachten Kratstoffenergie findet sich nach Ablauf des Kreisprozesses im Auslasskanal wieder. Die Enthalpie des ausströmenden Arbeitsgases kann in Abgasturbinen oder Abgasnachbehandlungssystemen zur Erreichung der notwendigen Betriebstemperatur genutzt werden. Die Bestimmung der Abgastemperatur erfolgt über das Lut-/Kratstoffverhältnis sowie den indizierten Wirkungsgrad. Weitere Einflüsse auf den Zustand des Arbeitsgases im Auslasskanal, wie Einspritz- oder Zündzeitpunkt, Brennverlauf und Wärmeübergang können aufgrund ihrer Komplexität für Mittelwertmodelle aber nicht verwendet werden. Grundsätzliche Einflüsse, wie beispielsweise der Einfluss der Last auf den Wärmeübergang finden jedoch sehr wohl Berücksichtigung.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

675

Abbildung des Turboladers Die Modellierung des Lutpfades ist ein zentrales Element für die Beschreibung des Systems Motor mittels Mittelwertmodellen. Der Turbolader stellt bei aufgeladenen Motoren die thermodynamische Koppelung zwischen Motor, Ein- und Auslasssystem dar. Die Abbildung des Verdichters lässt sich grundsätzlich entweder über die Ermittlung von Druckverhältnis und Wirkungsgrad in Abhängigkeit von reduziertem Massenstrom und reduzierter Drehzahl, oder über die Ermittlung von Massenstrom und Wirkungsgrad in Abhängigkeit von Druckverhältnis und reduzierter Drehzahl erreichen. Letztere Methode kann in einem Mittelwertmodell direkt angewendet werden. Für erstere Methode ist eine zusätzliche Modellierung der Gasdynamik im Rohr zwischen Verdichter und Einlasssammler notwendig. Das Betriebsverhalten des Verdichters wird über Drehzahl, Druckverhältnis, Massenstrom und Wirkungsgrad bestimmt, die Temperatur bei Verdichteraustritt lässt sich als eine Funktion der Temperatur bei Verdichtereintritt, Druckverhältnis und Wirkungsgrad bestimmen. Das Betriebsverhalten der Turbine wird in Mittelwertmodellen mittels Massenstrom und Wirkungsgrad beschrieben, die wiederum in Abhängigkeit des Turbinendruckverhältnisses und der korrigierten Turbinendrehzahl dargestellt werden. Die Dynamik des Laufrades des Turboladers wird über das Momentengleichgewicht beschrieben, wobei sich dieses aus Leistung von Verdichter und Turbine sowie deren Drehzahlen ermitteln lässt.

10.2 Modellierung des Ladungswechsels Die Berechnung des Ladungswechsels ist für thermodynamische Betrachtungen des Arbeitsprozesses von besonderer Bedeutung, da damit wichtige Eingangsgrößen für die Analyse des Zylinderdruckverlaufs (Brennverlaufsauswertung, Verlustteilung, . . . ), wie Restgasgehalt und Ladungsmasse bei Einlassschluss, die entscheidend für die Hochdruckrechnung sind, ermittelt werden können. Grundsätzlich können für die Berechnung des Ladungswechsels folgende nulldimensionalen Methoden eingesetzt werden: • Berechnung auf Basis des gemessenen Zylinderdrucks ohne Druckmessungen im Einund Auslasssystem durch Ansatz der Energiegleichung und der Gasgleichung. Dabei sind Annahmen während der Ventilüberschneidung zu treffen. Brauchbare Ergebnisse sind deshalb nur bei Motoren mit geringer Ventilüberschneidung zu erwarten. • Berechnung auf Basis der Durchflussgleichung mit den gemessenen Ein- und Auslassdruckverläufen und dem gemessenen Zylinderdruckverlauf Die Genauigkeit dieser Verfahren ist allerdings begrenzt. Vor allem bei Motoren mit vollvariablen Ventiltrieben, bei denen zum Teil sehr große Ventilüberschneidungen autreten, ist die Ergebnisqualität nicht ausreichend, siehe z. B. Witt (1999). Aus diesem Grund werden für die Berechnung des Ladungswechsels vermehrt eindimensionale Modelle ein-

676

G.P. Merker und R. Teichmann

gesetzt, die eine detailliertere Berücksichtigung der Geometrie des Ein- und Auslasssystems und der gasdynamischen Vorgänge in den Rohrleitungen erlauben. Dies ist insbesondere bei raschlaufenden Motoren wichtig, da mit zunehmender Drehzahl die Rohrschwingungen stärker in Erscheinung treten. Durch Reflexion werden diese an den verschiedenen Unstetigkeitsstellen der Rohre laufend verändert. Je nach Gestaltung der Rohre beeinflussen sie daher auch die Vorgänge im Zylinder, so dass die richtige Gestaltung der Ein- bzw. Auslassleitungen eine große Rolle zur Erzielung optimaler Werte für Liefergrad, Leistung und Motorwirkungsgrad spielt. Moderne Ladungswechselprogramme mit integrierter Motorprozessrechnung (z. B. AVL Boost, GT-Power, etc.) ermöglichen durch die Vorgabe von Vibe-Brennverläufen oder durch den Einsatz von Modellen zur Verbrennungssimulation auch eine tatsächliche Vorausberechnung des Gesamtsystems Motor, bestehend aus Brennraum und Ein- sowie Auslasssystem mit den Komponenten Abgasturbolader, Katalysator, etc. Ausgangspunkt für die Bestimmung der gasdynamischen Vorgänge in den Rohrleitungen sind dabei die im nachfolgenden Kapitel aus den Erhaltungssätzen hergeleiteten Grundgleichungen der instationären, eindimensionalen, kompressiblen Fadenströmung mit Wandreibung und Wärmeübergang (Pischinger et al. 2009). In den folgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Berechnung des Ladungswechsels, einerseits die vergleichsweise einfache Füll- und Entleermethode, andererseits die komplexere gasdynamische Betrachtung beschrieben.

10.2.1 Füll- und Entleermethode Die Füll- und Entleermethode stellt eine nulldimensionale Berechnungsmethode für Rohrsysteme dar (Pischinger et al. 2009). Die gasführenden Rohrleitungen werden durch Volumina ersetzt, in denen die Zustandsänderungen unter Berücksichtigung instationärer Füllund Entleerungsvorgange berechnet werden. So wird etwa ein Auspuffbehälter durch die angeschlossenen Zylinder entsprechend ihrer Zündfolge gefüllt und über die Turbine entleert. Für die Rechnung wird angenommen, dass die instationären Vorgänge für kleine Zeitintervalle jeweils stationär behandelt werden können und dass sich Druck und Temperatur in den Volumina ohne Verzögerung ausgleichen. Zu jedem Zeitpunkt herrscht somit überall im Behälter derselbe Zustand – zeitliche Druckschwankungen werden berücksichtigt, örtliche Unterschiede und gasdynamische Vorgänge jedoch nicht. Die entscheidende Vereinfachung besteht darin, dass sofortige vollständige Durchmischung des Behälterinhalts angenommen wird und unendlich kurze Wellenlaufzeiten vorausgesetzt werden, d. h. unendlich große Schallgeschwindigkeiten. Die Annahme des sofortigen Druck- und Temperaturausgleichs führt zu Abweichungen gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten, die mit steigenden Drehzahlen und größeren Volumina zunehmen. Mit der Füll- und Entleermethode können gasdynamische Einflüsse wie z. B. Druckpulse bei der Schwingrohr- oder Resonanzaufladung nicht wiedergegeben werden. Für

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

677

Auslegungsrechnungen von Turboladern sowie für Parameterstudien wie Steuerzeitenvariationen und Simulationen von Betriebszuständen reicht die mit diesem relativ einfachen Rechenverfahren erreichbare Genauigkeit abhängig von der Motoranwendung und dem Betriebszustand jedoch ot aus.

10.2.2

Gasdynamische Betrachtung

Für die gasdynamische Betrachtung des Ladungswechsels werden entsprechend Pischinger et al. (2009) die folgenden Gleichungen zu Grunde gelegt. Grundgleichungen Für die Ableitung der Grundgleichungen der eindimensionalen instationären Strömung wird für das betrachtete Volumenelement ABCD in Abb. 10.11 die Kontinuitäts-, die Impuls- und die Energiegleichung aufgestellt: Kontinuitätsgleichung Einströmende Masse durch die Fläche AB: ρwA . Ausströmende Masse durch die Fläche CD: (ρ +

∂w ∂A ∂ρ dx) (w + dx) (A + dx) . ∂x ∂x ∂x

Zunahme der Masse im Element ABCD:

Daraus ergibt sich die Bilanz: (ρ +

∂ (ρAdx) . ∂t

∂w ∂A ∂ ∂ρ dx) (w + dx) (A + dx) − ρwA = − (ρAdx) . ∂x ∂x ∂x ∂t

(10.113)

dQa

Abb. 10.11 Massen- und Energiebilanz der eindimensionalen instationären Strömung (Wimmer 2000)

C B

τw

ρ + ρ dx x w + w dx x p + p dx x

ρ w p A D dx

678

G.P. Merker und R. Teichmann

Diese Gleichung kann vereinfacht werden zu

und ergibt weiter umgeformt

∂ (ρwA) ∂ dx = − (ρAdx) ∂x ∂t

∂ρ ∂w ∂ρ ρw dA +ρ +w + =. ∂t ∂x ∂x A dx

Dabei wurde berücksichtigt, dass sich die Fläche nur mit x ändert, also

(10.114)

(10.115) ∂A ∂x

=

dA dx

ist.

Impulsgleichung (Trägheitsgleichung) Die resultierenden äußeren Kräte (Druck und Wandreibung) bewirken eine Beschleunigung des Masseelementes ABCD: Druckkrat auf die Fläche AB: pA , Druckkrat auf die Fläche CD: pA

∂ (pA) dx , ∂x

x -Komponente der Druckkrat von der Wand: p

∂A dx , ∂x

Wandreibung: fr ρAdx . Darin ist: f r [N/kg] . . . Reibungskrat je Masseeinheit Beschleunigung:

∂w ∂w dw = ρAdx ( +w ) . dt ∂t ∂x Daraus ergibt sich die Gleichung: ρAdx

pA − [pA +

∂w ∂A ∂w ∂ (pA) dx] + p dx − fr ρAdx = ρAdx ( +w ) . ∂x ∂x ∂t ∂x

(10.116)

(10.117)

Diese Gleichung kann vereinfacht werden zu:

∂w  ∂p ∂w +w + + fr =  . ∂t ∂x ρ ∂x

(10.118)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

679

Energiebilanz Nach dem 1. Hauptsatz für ein instationäres offenes System gilt für das betrachtete Volumenelement ABCD, dass die in Form von Wärme, Enthalpie und Geschwindigkeitsenergie ein- und ausfließenden Energien die als innere Energie und Geschwindigkeitsenergie gespeicherten Energien verändern. Wärmefluss: ˙ . (10.119) dQa = qρAdxdt Darin ist:

q˙ [J/kg s] ... Wärmefluss je Massen- und Zeiteinheit, Bilanz der Totalenthalpien (Enthalpie und Geschwindigkeitsenergie): −

w ∂ [ρwA (h + )] dxdt , ∂x 

(10.120)

Bilanz der gespeicherten Energien (Innere Energie und Geschwindigkeitsenergie): ∂ w [ρAdx (u + )] dt . ∂t 

(10.121)

Daraus ergibt sich die Gesamtbilanz: ˙ qρAdxdt −

w ∂ w ∂ [ρwA (h + )] dxdt = [ρAdx (u + )] dt ∂x  ∂t 

(10.122)

oder umgeformt mit h = u + ρ : p

˙ − qρA

p w ∂ w ∂ [ρwA (u + + )] = [ρA (u + )] . ∂x ρ  ∂t 

(10.123)

Wenn man diese Gleichung mit der Kontinuitätsgleichung (10.115) und der Impulsgleichung (10.118) kombiniert, ergibt sich für die Energiegleichung ρ und weiter ρ

du p dρ = + (q˙ + w fr ) ρ dt ρ dt

∂ρ ds du p ∂ρ dp = [( ) +( ) ] + (q˙ + w fr ) ρ . dt ρ ∂p s dt ∂s p dt

(10.124)

(10.125)

Führt man die Schallgeschwindigkeit a mit der Definition   ∂p κ( ) a= ∂ρ s

(10.126)

680

G.P. Merker und R. Teichmann

ein, dann kann für die Energiegleichung geschrieben werden: ρ

du p  dp ∂ρ ds = [  +( ) ] + (q˙ + w fr ) ρ . dt ρ a dt ∂s p dt

(10.127)

Diese Gleichung gilt allgemein für jedes beliebige Medium. Für ein ideales Gas mit konstanten spezifischen Wärmen wird für die Schallgeschwindigkeit √ (10.128) a = κRT und (10.127) kann umgeformt werden zu:

dp dρ = a + (κ − ) (q˙ + w fr ) ρ . dt dt

(10.129)

Durch Zerlegung in partielle Differenziale wird die Energiegleichung für das ideale Gas zu:

∂p ∂ρ ∂ρ ∂p +w − a  ( + w ) − (κ − ) ( q˙ + w fr ) ρ =  . ∂t ∂x ∂t ∂x

(10.130)

Entropieänderung eines Teilchens Die Entropieänderung eines Teilchens beim Durchgang durch das betrachtete Volumenelement gilt (10.131): ds q˙ + w fr = . dt T

(10.131)

Die Grundgleichungen für die instationäre, reibungsbehatete, nicht adiabate Strömung stellen damit inhomogene partielle Differenzialgleichungen dar, die in geschlossener Form nur unter vereinfachten Voraussetzungen lösbar sind. Mit den Annahmen der „Schalltheorie“, wonach die Teilchengeschwindigkeit w gegenüber der Schallgeschwindigkeit a klein sei, eine Querschnittsänderung (dA / dx) nicht vorliegt, die Zustandsänderungen adiabat und reibungsfrei erfolgen und die Dichte sowie die Schallgeschwindigkeit entlang des Stromfadens gleichbleibende Größe besitzen, können einfache Beziehungen angegeben werden, Pischinger et al. (2009). Auf diese Weise gewinnt man rasch einen Überblick über die Vorgänge in den Rohrleitungen von Verbrennungsmotoren. Die der Schalltheorie zugrunde liegenden Voraussetzungen kleiner Schwingungsamplituden und konstanter Dichte bzw. Temperatur des Gases schränken den Anwendungsbereich erheblich ein, so dass ihr Einsatz vorwiegend nur bei Saugleitungen und bei langsam laufenden, teilweise auch noch bei mittelschnell laufenden Dieselmotoren sinnvoll ist. Für kompliziertere Auspuffsysteme und bei höheren Motordrehzahlen ist die Schalltheorie allerdings zu ungenau. In allen diesen Fällen muss zur Erfassung der dynamischen Vorgänge in den Rohrleitungen auf die Ausgangsgleichungen zurückgegriffen werden. Wie schon

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

681

erwähnt, ist eine geschlossene Integration dieser Differenzialgleichungen nicht möglich, und eine Lösung kann nur schrittweise nach einem grafischen oder numerischen Verfahren erfolgen. Als solches werden entweder das sogenannte Charakteristiken-Verfahren oder eines der bekannten Differenzen-Verfahren verwendet (Pischinger et al. 2009). Die beiden Verfahren unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass beim CharakteristikenVerfahren die Integration entlang der Mach-Linien (das sind die Bahnkurven auf denen sich eine rechts- oder linkslaufende Störung ausbreitet), beim Differenzen-Verfahren jedoch entsprechend den punktweise vorgegebenen x,t-Koordinaten erfolgt. Dies erleichtert insbesondere die programmtechnische Umsetzung. Nachteilig dagegen ist beim Differenzen-Verfahren, dass an den einzelnen Gitterpunkten der Strömungsebene nur der resultierende Gaszustand, ausgedrückt durch (p, ρ, w), (p, a, w) oder (p, T, w), errechnet werden kann. Die für die Interpretation der verschiedenen Einflüsse notwendigen Anteile der vor- und rücklaufenden Wellen, welche beim Charakteristiken-Verfahren wegen der Integration entlang der Mach-Linien unmittelbar vorliegen, sind beim Differenzen-Verfahren nicht bekannt. Dies bedeutet, dass für die Feststellung der vor- und rücklaufenden Wellen das Charakteristiken-Verfahren zusätzlich herangezogen werden muss, wobei die mit dem Differenzen-Verfahren in den Gitterpunkten ermittelten Zustandsvektoren die Ausgangsbasis dafür darstellen. Für die praktische Durchführung einer Berechnung nach dem Differenzen- bzw. Charakteristiken-Verfahren zur Bestimmung der Strömungsvorgänge in verzweigten Rohrsystemen von Verbrennungsmotoren genügt es jedoch nicht, nur die Rohrströmung allein zu erfassen. Drosselstellen, Verzweigungen und dgl. stören diese erheblich und haben einen entscheidenden Einfluss. Die Strömungsvorgänge in diesen Systemabschnitten sind kompliziert und einer näheren Analyse schwer zugänglich. Um trotzdem eine Berechnung vornehmen zu können, behilt man sich mit einer Vereinfachung, bei der die Drosselströmung als quasistationär, d. h. stationär für einen kleinen Zeitabschnitt und eindimensional verlaufend betrachtet wird. Die jeweilige Drosselstelle wird durch einen Kontrollraum abgegrenzt, an dessen Rändern zu jedem Zeitpunkt die Erhaltungssätze der eindimensionalen Strömung gültig und an dessen Ein- und Austrittsquerschnitt die Zustandsgrößen p, a und w zu ermitteln sind. Die Drosselstellen selbst werden angenähert durch mathematische Ersatzmodelle mit entsprechenden Übergangsbedingungen, welche die Randbedingungen für die angrenzenden Rohrstücke darstellen. Die an den Drosselstellen autretenden Verluste werden durch experimentell zu bestimmende Durchflussbeiwerte berücksichtigt. Diese sind von der durchströmenden Masse abhängig und verschieden groß, je nachdem, ob es sich um Rohrverzweigungen, Rohrverengungen, Rohrerweiterungen, Blenden am Rohrende und im Rohr oder um Behälter wie Lutfilter, Ausputöpfe, Schalldämpfer und Zylinder mit Ventilen handelt. Auf diese Weise können beliebige Rohrsysteme untersucht werden, wobei neben der durch die Lage der einzelnen Drosselstellen bereits vorgegebenen Unterteilung eine zusätzliche Unterteilung der dazwischenliegenden Rohrstücke erforderlich ist, um möglichst an jeder Rohrstelle und zu jedem Zeitpunkt Auskunt über die aktuellen Zustandsgrößen zu bekommen.

682

G.P. Merker und R. Teichmann

Wärmeübergang Die Berücksichtigung des Wärmeüberganges in der eindimensionalen Ladungswechselrechnung erfolgt über den Newton’schen Ansatz unter Verwendung von Abhängigkeiten der Form Nu = f (Re,Pr) oder auf Basis der Reynolds-Analogie (häufig auch als Reynolds-Colburn-Analogie bezeichnet), die sich aus der Grenzschichttheorie ableitet, Colburn (1933). Beziehung von Zapf Üblicherweise wird in Ladungswechselprogrammen für die Berechnung des Wärmeüberganges in den Ein- und Auslasskanälen die auf der Ähnlichkeitstheorie basierende Beziehung von Zapf (1969) herangezogen. Zapf führte Untersuchungen an Großdieselmotoren durch und kam dabei zu folgender Formulierung: αEK = ,  ( − , 

Darin sind: α EK(AK) [W/m2 K] hV [mm] D i ,EK(AK) [mm] ˙ [kg/s] m T [K] d EK(AK) [mm]

hV −, ˙ , T , dEK )m , D i ,EK

αAK = ,  ( − , 

... ... ... ... ... ...

hV −, ˙ , T , dAK )m . D i ,AK

(10.132)

(10.133)

Wärmeübergangszahl Einlass- bzw. Auslasskanal Ventilhub innerer Ventilsitzdurchmesser Einlasskanal bzw. Auslasskanal Massenstrom Gastemperatur Kanaldurchmesser Einlasskanal bzw. Auslasskanal

Eine Modifikation dieses Gleichungsansatzes, die auf Messungen im Ein- und Auslasssystem an drei modernen Motorkonzepten basiert und in der auch die Kanalgestaltung berücksichtigt wird, findet sich bei Pivec et al. (1998). Reynolds-Colburn Analogie Der Wärmestrom an der Wand ist nach (10.134) dem Temperaturgradienten an der Wand proportional, der seinerseits eine Funktion des Geschwindigkeitsgradienten an der Wand ist. q˙W = −λ

∂T . ∂y

(10.134)

Da der Geschwindigkeitsgradient der Wandschubspannung proportional ist, lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Wärmestromdichte an der Wand und der Wandschubspannung herstellen:  λr α Nu = (10.135) = Pr−  . RePr wa ρcp 

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

683

Mit: α [W/m2 K] wa [m/s] ρ [kg/m3 ] cp [J/kg K] λr [–]

... ... ... ... ...

Wärmeübergangskoeffizient ungestörte Strömungsgeschwindigkeit Dichte des Fluids spezifische Wärmekapazität des Fluids bei konstantem Druck Reibbeiwert

Die Herleitung erfolgt für die stationäre laminare Grenzschicht einer ebenen Platte (siehe etwa Holman 1997) unter Verwendung des aus dem Impulssatz resultierenden Zusammenhangs zwischen Wandschubspannung τ W und Reibbeiwert λr : τW = η

ρw  ∂w = λr ∣ . ∂y y= 

(10.136)

Die Analogie wird auch für die turbulente Strömung auf Platten und in Rohren als Näherung verwendet, wobei in diesem Fall die Prandtl-Zahl in der Größenordnung von 1 sein muss, was für die meisten Gase erfüllt ist. Die Analogie erlaubt den Schluss auf den Wandwärmestrom, wenn der Reibbeiwert (etwa aus Messungen ohne Wärmeübergang) bekannt ist:  (10.137) α = λr ρ ∣wchar ∣ cp .  Da der Reibbeiwert λr als Funktion der Re-Zahl und der Wandbeschaffenheit dargestellt werden kann, erlaubt dieser Ansatz mit zusätzlichen Wahlmöglichkeiten für die charakteristische Geschwindigkeit wchar eine sehr flexible Anbindung des Wärmeübergangs an die lokalen (Strömungs-)Verhältnisse.

10.3 Koppelung von Berechnungsmodellen Im Rahmen der Koppelung einzelner Programmsysteme werden wichtige Randbedingungen direkt ausgetauscht. Diese Integration der Teilprogramme stellt neben der Weiterentwicklung der Programmsysteme selbst den wesentlichen Schritt zur Realisierung der Vision des virtuellen Motors und damit zur realistischen Vorausberechnung des Gesamtsystems dar. Aus der Vielzahl von notwendigen Koppelungen werden hier nur jene angeführt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den in diesem Kapitel gezeigten Berechnungsmodellen zur Simulation des Arbeitsprozesses stehen.

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10.3.1 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung und Motorprozessrechnung Eindimensionale Ladungswechselprogramme gekoppelt mit Motorprozessprogrammen sind Stand der Technik (AVL BOOST, GT-Power, . . . ). Die Verbrennung wird dabei in der Regel durch Vibe-Brennverläufe abgebildet. Zunehmend werden aber auch Modelle zur Verbrennungssimulation, wie etwa die in Abschn. 10.1.8 dargestellten Modelle, eingesetzt. Damit wird eine realistische Vorausberechnung möglich. Die genaue Berechnung des Ladungswechsels ist auch für die detaillierte Analyse des Arbeitsprozesses (Brennverlaufsauswertung, Verlustteilung, . . . ) wesentlich, da damit wichtige Größen wie ein- und ausströmende Massen, Liefergrad, Restgasgehalt und insbesondere auch die Zylindermasse bei Einlassschluss, die eine notwendige Anfangsbedingung für die Hochdruckrechnung darstellen, bestimmt werden können. Da die direkte messtechnische Erfassung dieser Größen schwierig ist, geht man zunehmend dazu über, diese über eine zylindernahe Messung der Druckverläufe im Ein- und Auslasssystem zu bestimmen. Auf Basis dieser gemessenen Druckverläufe wird in weiterer Folge eine Ladungswechselrechnung mit einem stark vereinfachten Modell, bestehend aus dem Zylinder und den Kanälen bis zu den Messpositionen, durchgeführt, vgl. beispielsweise Witt (1999). Derartige Berechnungen können direkt am Prüfstand erfolgen, die daraus resultierenden Daten stehen damit ohne Zeitversatz zur Verfügung. Die Anforderungen an die Genauigkeit der gemessenen Ein- und Auslassdruckverläufe sind dabei sehr hoch. Bei der Messung können Fehler im Druckniveau, in der Amplitude und in der Phasenlage entstehen. Um die Auswirkung der einzelnen Einflüsse abzuschätzen und um Angaben über die erforderliche Messgenauigkeit machen zu können, wurden zahlreiche Variationsrechnungen für mehrere Motoren bei einer Reihe von Betriebspunkten durchgeführt (Wimmer et al. 2000). Die nachfolgenden Abbildungen zeigen charakteristische Ergebnisse dieser Berechnungen für einen Ottomotor und einen DI Dieselmotor. Bei den Sensitivitätsanalysen wurde jeweils so vorgegangen, dass ausgehend von einem auf Basis der durchgeführten Messungen abgestimmten Berechnungsmodell die gemessenen Niederdruckverläufe getrennt für Ein- und Auslass verändert und die Abweichungen in den jeweiligen Kenngrößen ermittelt wurden. Die Abb. 10.12, 10.13 und 10.14 zeigen die Auswirkungen auf die Bestimmung der Ladungsmasse und der Restgasmasse für beide Motoren bei Volllast und 4800 min−1 für den Ottomotor bzw. 3000 min−1 für den Dieselmotor. Dabei zeigt sich, dass das Druckniveau im Einlass auf die Zylindermasse und den Restgasanteil einen großen Einfluss aufweist, vgl. Abb. 10.12. Abgasseitig wird dadurch lediglich der Restgasgehalt stark beeinflusst. Da es sich bei dem untersuchten Dieselmotor um einen abgasturboaufgeladenen Motor handelt, sind dort die Einflüsse im Vergleich zum Ottomotor weniger ausgeprägt. Im Vergleich zu den Auswirkungen von Änderungen im Druckniveau wirken sich Fehler in der Phasenlage und Amplitudenfehler bei den betrachteten Motoren und Betriebspunkten weniger stark aus, siehe Abb. 10.13 und 10.14. Die Einflüsse von Messfehlern in

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

685

Abb. 10.12 Abhängigkeit der berechneten Ladungs- und Restgasmasse von einer Änderung im Druckniveau (Wimmer 2000)

Abb. 10.13 Abhängigkeit der berechneten Ladungs- und Restgasmasse von einer Phasenverschiebung (Wimmer 2000)

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 10.14 Abhängigkeit der berechneten Ladungs- und Restgasmasse von einer Amplitudenänderung (Wimmer 2000)

Phasenlage und/oder Amplitude sind aber stark von der Form des Druckverlaufes selbst abhängig. Abgasseitig ergibt sich wie im Falle eines Fehlers im Druckniveau vor allem eine Beeinflussung des ermittelten Restgasgehaltes. Im Einlasskanal gemessene Druckverläufe, die mit Fehlern in Phasenlage und Amplitude behatet sind, wirken sich wiederum gleichzeitig auf die berechnete Zylindermasse und auf den Restgasgehalt aus. Wählt man als Kriterium 1 % zulässige Abweichung bei der Bestimmung der Ladungsmasse, so ergibt sich eine Genauigkeitsanforderung von ca. 10 mbar im Druckniveau, von etwa 3°KW in der Phasenlage und 10 % in der Amplitude.

10.3.2 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung und 3D-CFD Berechnung Ein Datenaustausch zwischen 1D und 3D-CFD Rechnung wird bereits seit längerem erfolgreich durchgeführt, wobei grundsätzlich folgende Aufgabenstellungen zugrunde liegen: • Ermittlung von Randbedingungen (Druck-, Temperatur- und Massenstromverläufe) für eine instationäre 3D-Strömungsanalyse auf Basis der 1D-Ladungswechselrechnung • Ermittlung von Strömungskennzahlen mit Hilfe der 3D-Strömungssimulation als Vorgabe für die 1D-Simulation

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

687

Zunehmend wird allerdings dazu übergegangen, eine dynamische Koppelung der beiden Programmsysteme zu realisieren. Der Datenaustausch erfolgt dabei als Übergabe von Randwerten zwischen den 1D- und 3D-Berechnungsteilen, die in einem einzigen Berechnungsablauf abgearbeitet werden. Dies wurde beispielsweise bereits für die Beurteilung des Einflusses bestimmter Bauteile auf den Ladungswechsel realisiert (Durst et al. 2000). Da die Bauräume immer beengter werden, nimmt auch die Komplexität der strömungsbestimmenden Bauteile ständig zu. Mit herkömmlichen 1D-Verfahren kann der Einfluss dieser komplexen Bauteile (etwa auf den Liefergrad) aber nicht genau genug abgebildet werden. Hingegen kann mit der 3DStrömungssimulation eine Berücksichtigung der komplexen geometrischen Verhältnisse erfolgen. Der Nachteil, dass Rückwirkungen des 3D-Strömungsgebietes auf das 1D-Modell nicht erfolgen, kann durch die dynamische Koppelung vermieden werden.

10.3.3 Koppelung eindimensionale Ladungswechselrechnung mit DoE-Methode am Beispiel eines Gasmotors Bei der Auslegung von neuen Motoren können durch die Anwendung der 1D-Ladungswechselrechnung sowie der 0D-Motorprozesssimulation beispielsweise das Hub-/Bohrungsverhältnis, das Verdichtungsverhältnis und die Steuerzeiten vorausgelegt werden. Für den Austausch der für die jeweiligen Berechnungen notwendigen Randbedingungen ist eine intensive Kopplung der Berechnungsmodelle notwendig, die über weitgehend standardisierte und automatisierte Prozesse realisiert werden sollte. Aufgrund der hohen Komplexität des Systems und der Vielzahl freier Parameter muss bei diesem Anwendungsfall auf den Einsatz der DoE-Methode (Design of Experiments) für die simulatorische Bestimmung der optimalen Auslegung des Brennverfahrens mit Hilfe der 1D-Ladungswechselrechnung zurückgegriffen werden (Wimmer et al. 2011). Freie Parameter, die auf Basis dieser Vorgehensweise optimiert werden können, sind insbesondere das Verdichtungsverhältnis, die Verbrennungsführung, die Steuerzeiten und die Turboladerauslegung. Als Ziel der Auslegung wird ein möglichst hoher Motorwirkungsgrad angestrebt, wobei die Randbedingungen: • zulässiger NOx -Grenzwert, • maximal erlaubter Zylinder-Spitzendruck und • klopffreier Betrieb einzuhalten sind. In Abb. 10.15 ist die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Anwendung der DoE-Methode dargestellt. Zu Beginn wird der „Messplan“ (in diesem Fall „Simulationsplan“) mit Hilfe der Eingangsparameter und deren Variationsbreiten auf Basis statistischer Ansätze aufgebaut. Die Berechnung der interessierenden Antwortgrößen erfolgt im 1D-Ladungswechselprogramm, wobei die wesentliche Voraussetzung die Verfügbarkeit geeigneter Simulationsmodelle zur Abbildung der Brennrate, der NOx -Bildung und

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 10.15 Vorgehensweise bei der Anwendung der DoE-Methode für die Simulation (Wimmer et al. 2011)

des Klopfens ist. Die notwendige Detailabstimmung der Parameter des Brennratenmodells, die in der Regel auf Basis von Messungen am realen Versuchsträger erfolgen muss, kann auch durch den Abgleich mit den Verbrennungsrechnungen aus der 3D-CFD-Simulation durchgeführt werden. Zwischen den auf diese Weise ermittelten Antwortgrößen und den Eingangsparametern wird ein funktionaler Zusammenhang abgeleitet, mit dem in weiterer Folge die Suche des Optimums erfolgt. In Abb. 10.15 sind beispielhat die Ergebnisse aus einer Untersuchung mit den Parametern Verdichtungsverhältnis, Lutverhältnis, MillerSteuerzeit und Verbrennungslage in vereinfachter Form (zweidimensionale Abhängigkeiten) dargestellt.

10.4 Transiente Simulation Die Herausforderung für den Motorenentwickler, Emissionen und Kratstoffverbrauch sowohl in den transienten Testzyklen als auch im realen Einsatz des Fahrzeugs immer weiter zu reduzieren, führt zur Notwendigkeit, das Motorverhalten auch im transienten Betrieb simulieren zu können. Als Plattform dienen dazu die heute verfügbaren eindimensionalen Simulationswerkzeuge wie GT-Power oder AVL BOOST. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Simulationsmodells für Transientbetrieb ist ein stationäres Modell für den Motor selbst. Dazu kommen eindimensionale Modelle für die Ansaugstrecke und die Abgasstrecke einschließlich des Abgasrückführ-Systems. Speziell für den aufgeladenen Motor ist eine detaillierte Turboladermodellierung erforderlich,

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Grundlagen der Motorprozessrechnung

689

für die transiente Modellierung ist dann auch die Angabe des Massenträgheitsmoments des Turboladerlaufzeugs erforderlich, Six (2011). Die Beschreibung des transienten Motorbetriebs ist naturgemäß komplexer als für den stationären Betrieb erforderlich. Zum Beschleunigen eines Fahrzeugs muss das Motordrehmoment durch Anheben der eingebrachten Kratstoffmenge erhöht werden. Das minimal zulässige Lutverhältnis λmin (Ottomotor: λmin < 1, Dieselmotor λmin > 1) darf dabei nicht unterschritten werden. Bei einem freisaugenden Ottomotor kann durch das Öffnen der Drosselklappe die verfügbare Lutmasse im Zylinder rasch angehoben werden, was einen zügigen Drehmomentaufbau ermöglicht. Während eines Beschleunigungsvorgangs bestimmt die Motordrehzahl, wie viel Lut sich im Zylinder befindet und legt somit fest, wie viel Brennstoff maximal eingebracht werden kann. Konventionell wird auch bei Mehrzylindermotoren nur eine zentrale Drosselklappe vor dem Ansaugverteiler verwendet. Bei einer Volllastanforderung in der Teillast muss das gesamte Volumen der Ansaugstrecke von der Drosselklappe bis zum Einlassventil erst auf Umgebungsdruck gebracht werden. Das hat einen negativen Einfluss auf Liefergrad und Ansprechverhalten des Motors. Vorteilhat wäre eine motornahe Drosselstelle, bei der das Saugrohrvolumen ständig auf Umgebungsdruck gehalten werden kann. Auch eine Abgasrückführung kann dazu beitragen, den Motor zu entdrosseln und den Saugrohrdruck anzuheben. Bei aufgeladenen Motoren hat neben der Motordrehzahl auch die Aufladeeinheit einen wesentlichen Einfluss auf das Ansprechverhalten. Für einen Dieselmotor, der fast ausschließlich aufgeladen betrieben wird, gelten bei transientem Motorbetrieb zum Teil andere Mechanismen als beim Ottomotor. Aufgrund des Betriebs mit Lutüberschuss kann bei einer Lastanforderung die Einspritzmenge innerhalb eines Arbeitszyklus unmittelbar nur bis zum minimal zulässigen Lutverhältnis λmin an der Rauchgrenze erhöht werden. Ein sofortiger (begrenzter) Drehmomentanstieg ist die Folge. Dessen Ausmaß ist jedoch abhängig vom Lutüberschuss im Betriebspunkt vor der Lastanhebung. Danach ist vor allem der Ladedruckaufbau des Laders dafür verantwortlich, wie schnell die erforderliche Lutmasse für die geforderte Last bereitgestellt werden kann. Das entwickelte Stationärmodell muss für den Transientbetrieb um zwei Elemente, ein Fahrzeugelement sowie ein Motorsteuerelement, erweitert werden. Im Fahrzeugelement wird primär der Fahrwiderstand und im Motorsteuerelement das gewünschte Motordrehmoment definiert. Aus dem Fahrwiderstand und dem abgegebenen Drehmoment ergibt sich die Motordrehzahl. In einem Engine Interface werden die Soll-Kennfelder für Lutmasse und Ladedruck und damit die Rauchbegrenzung hinterlegt. Für den Turbolader und die AGR-Drossel werden Regler installiert, die in jedem Betriebspunkt auf die vorgegebenen Soll-Werte für den Ladedruck und die Lutmasse regeln. Die AGR-Rate ergibt sich aus der Kombination dieser beiden Größen. Die Sollwert-Kennfelder können wahlweise direkt aus der ECU des Versuchsträgers exportiert, oder aus den Simulationsergebnissen des Stationärmodells ausgelesen werden.

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G.P. Merker und R. Teichmann

10.5 Hydrauliksimulation Der Ablauf der Verbrennung im direkteinspritzenden Dieselmotor wird primär durch die Gemischbildung, das heißt hauptsächlich durch den Einspritzvorgang bestimmt. Dieser ist im Wesentlichen abhängig von der Einspritzhydraulik, also von den Vorgängen im Einspritzsystem, angefangen von der Druckerzeugung bis zum Austritt des Kratstoffes aus dem Spritzloch der Einspritzdüse. Diese Vorgänge kontrollieren auch letztendlich die Strahlausbildung. Die Optimierung der Verbrennung erfolgt daher neben einer Adaption der Brennraumgeometrie hauptsächlich über eine geeignete Anpassung der Einspritzhydraulik und damit der Strahlcharakteristik. Auch hier ist die Simulation eine wesentliche Voraussetzung bei der Weiterentwicklung (Regner 1998).

10.5.1 Aufbau eines Simulationsprogramms für hydraulische Systeme Simulationsprogramme zur Berechnung hydraulischer Systeme sind modular aufgebaut. Das bedeutet, dass sich ein Berechnungsmodell aus einzelnen Elementen, wie beispielsweise Behältern, Ventilen oder Leitungen erstellen lässt. Die Funktionsweise dieser Simulation kann anhand eines Beispiels einer einfachen Reiheneinspritzpumpe erklärt werden, vgl. Regner (1998). Dabei wird die Einspritzpumpe in einzelne Komponenten zerlegt, die in weiterer Folge modelliert werden. Das Modell beginnt mit einem Behälter, in dem sich ein Kolben bewegt. Man bezeichnet dies als zwangsgesteuerten Behälter. Der Pumpenraum wird über den Ansteuerungsquerschnitt mit Kratstoff aus dem Saugraum versorgt. Dabei handelt es sich um einen zwangsgesteuerten Querschnitt, da er von der Kolbenkante gesteuert wird. Ein weiterer solcher Querschnitt ist der Absteuerquerschnitt, der das Ende des Einspritzvorganges vorgibt. An den Pumpenraum schließt über das Gleichraumentlastungsventil der Ventilfederraum an. Das Entlastungsventil wird über ein sogenanntes druckgesteuertes Ventil simuliert. Ebenso wird die Rückströmdrossel mittels eines druckgesteuerten Ventils nachgebildet. An den Drosselraum schließt die Einspritzleitung an, und danach kommt der Düsenraum, der über das Einspritzventil mit dem Brennraum in Verbindung steht. Im Folgenden werden die mathematisch-physikalischen Beziehungen, die das Verhalten der einzelnen Elemente beschreiben, auszugsweise angegeben. Behälter Das einfachste Element ist der Behälter. Behälter sind Modellelemente, die quer zur Strömung so breit sind, dass die kinetische Energie des Fluids vernachlässigbar ist. Weiters sind sie so kurz, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Druckänderungen keine Rolle spielt. Beispiele für Behälter sind der Pumpenraum, der Ventilfederraum, der Dros-

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

691

selraum und der Düsenraum. Die Zustandsänderungen des Fluids in den Behältern werden durch die Gleichungen ˙i ˙ Vi m (10.138) − Vi , p˙ i = E ρ V˙i = ∑ D i j x˙ j

(10.139)

j

beschrieben. Darin sind Vi p˙ i E ˙i m ρ V˙i Di j x˙ j

... ... ... ... ... ... ... ...

Behältervolumen Druckänderung im Behälter pro Zeiteinheit Elastizitätsmodul des Fluids Massenstrom Dichte des Fluids Volumenänderung pro Zeiteinheit im Behälter wirksame Ventil-Druckflächen Ventilhubgeschwindigkeiten

Zustandsänderungen entstehen durch ein- oder ausströmendes Fluid und durch Volumenänderungen, die durch Ventil- oder Kolbenbewegungen erzeugt werden. Zwangsgesteuerter Behälter Wenn die Kolbenbewegung als unabhängige Variable fest vorgegeben ist, spricht man von einem zwangsgesteuerten Behälter. Beispiel dafür ist der Pumpenraum mit dem Pumpenkolben. Dieser Behälter ist durch die folgende Gleichung

beschrieben. Darin sind c ,i n D ji Di

... ... ... ...

n V˙i = ∑ D ji x˙ j − c ,i Di  j

(10.140)

Kolbengeschwindigkeit bei n =  min− Pumpendrehzahl Druckfläche von Ventil j in Behälter i Kolbenfläche

Druckgesteuerte Ventile Das Element des druckgesteuerten Ventils wird für die Simulation von Gleichraumventil, Drosselventil und Düsennadelventil verwendet. Alle bewegten mechanischen Teile außer dem Antriebskolben werden als druckgesteuerte Ventile modelliert, auch wenn in einzelnen Fällen nicht die Funktion eines Ventils im üblichen Sinne vorliegt. Dann wird den dazugehörigen Ventildruckflächen oder Durchflussquerschnitten der Wert 0 zugewiesen. Die Bewegung von Ventilen, die unter Druck- und Federkräten stehen können, wird durch die Differenzialgleichung 2. Ordnung mv i x¨ i + d i x˙ i + c i x i = −Fi + ∑ p j D i j j

(10.141)

692

G.P. Merker und R. Teichmann

beschrieben. Darin sind mv i di ci Fi p j Di j xi x¨ j

... ... ... ... ... ... ...

Masse des Ventilkörpers Dämpfungskoeffizient Federkonstante Vorspannungskrat der Feder Druckkräte auf die Ventilflächen Ventilhub Ventilbeschleunigung

Durchflussquerschnitte Aus der Bernoulligleichung lässt sich folgende Durchflussgleichung herleiten: √ ˙ jk m  ∣p j − p k ∣sign (p j − p k ) . Q˙ jk = = μA jk (10.142) ρ ρ Darin sind Q˙ jk ˙ jk m ρ μ A jk

... ... ... ... ...

Flussrate zwischen Behälter j und k Massenstrom zwischen Behälter j und k Dichte des Fluids Durchflussbeiwert geometrischer Durchflussquerschnitt

Diese Gleichung gilt für kurze Verbindungen zwischen Behältern, bei denen die Trägheit der bewegten Fluidmasse vernachlässigbar ist, und sie wird im stationären und instationären Fall angewendet. Die Durchflussquerschnitte können konstant oder variabel sein. Konstante Durchflussquerschnitte Ein Beispiel dafür sind die Spritzlöcher bei Einspritzdüsen. Konstante Durchflussquerschnitte werden durch

charakterisiert.

μA jk = konst

(10.143)

Zwangsgesteuerte Durchflussquerschnitte Diese werden für die An- und Absteuerquerschnitte verwendet. Bei zwangsgesteuerten Durchflussquerschnitten folgt die Querschnittsänderung einer fest vorgegebenen Funktion und kann vom Nockenwinkel, vom Kolbenhub eines zwangsgesteuerten Behälters oder von der Zeit abhängen.

μA jk

⎧ ⎪ f (φ) bzw. ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ = ⎨ f (h) bzw. ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ f (t)

(10.144)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

693

Ventilgesteuerte Durchflussquerschnitte Dabei ist der Querschnitt eine Funktion des Ventilhubes. Ein Beispiel dafür ist das Gleichraumventil. μA jk = f (x i ) .

(10.145)

Leitungen Die Laufzeiten in den Leitungen sind wegen deren Länge ähnlich groß wie die Druckaufbau- bzw. Druckabbauzeiten. Deshalb muss im Gegensatz zu den Behältern und den Durchflussquerschnitten die wellenförmige Ausbreitung von Drücken und Strömungsgeschwindigkeiten berücksichtigt werden. Diese werden durch die Euler‘sche Bewegungsgleichung und die Kontinuitätsgleichung beschrieben: ∂u  ∂p λ ∂u u ∣u∣ , +u + =− ∂t ∂x ρ ∂x dL ∂p ∂p ∂u =u +E =, ∂t ∂x ∂x

(10.146)

(10.147)

u . . . Strömungsgeschwindigkeit λ . . . Rohrreibungskoeffizient dL . . . Durchmesser der Leitung Für die Lösung dieser beiden partiellen Differenzialgleichungen wird das Charakteristikenverfahren nach Hartree (Rein 1987) eingesetzt. Abbildung 10.16 zeigt schematisch das Verfahren. Bei einem Charakteristikenverfahren werden die partiellen Differenzialgleichungen in gewöhnliche Differenzialgleichungen transformiert und diese entlang der Charakteristiken gelöst. Die gewöhnlichen Differenzialgleichungen bezeichnet man als Verträglichkeitsbedingungen und die Charakteristiken als Richtungsbedingungen, entlang derer die Verträglichkeitsbedingungen gültig sind. Man bekommt in diesem Fall zwei Gleichungen, die entlang der Charakteristiken η und ξ nach Abb. 10.16 zu lösen sind. Das Verfahren legt in Abb. 10.16 Charakteristikenverfahren nach Hartree (Regner 1998)

694

G.P. Merker und R. Teichmann

die Strömungsebene, das ist jene Ebene, die durch die Koordinaten x und t aufgespannt wird, ein Berechnungsgitter mit konstantem Gitterabstand. Man kennt die Lösung zum Zeitpunkt t − 1 an den Stützstellen der x-Achse. Die Zustandsgrößen an den Punkten A und B, den Ausgangspunkten der Charakteristiken, werden linear zwischen den Stützstellen interpoliert. Somit lassen sich alle Lösungen zum Zeitpunkt t berechnen. Für die Randpunkte werden statt der fehlenden Charakteristik die Gleichungen des anschließenden Behälters hinzugenommen.

10.5.2

Kavitation

Ein für die Beschreibung der Düsenhydraulik wesentliches Phänomen stellt die Kavitation dar. Damit ist lokale Dampfblasenbildung gemeint, die bei starker Krümmung der Stromlinien und gleichzeitig hoher Strömungsgeschwindigkeit zu einer Absenkung des statischen Drucks bis auf den Dampfdruck der Flüssigkeit und damit zur Dampfbildung und teilweisen Versperrung des Strömungsweges führen kann. Dies äußert sich dadurch, dass bei steigendem Druck vor der engsten Stelle und festgehaltenem Gegendruck der Massenstrom ab einem bestimmten Vordruck nicht weiter ansteigt. Es wird im Folgenden an Hand eines Gedankenmodells gezeigt, dass dieser Sachverhalt durch die Geometrie des Strömungsweges erklärt werden kann (Fimml 2010). In Abb. 10.17 ist ein Abschnitt einer gekrümmten Rohrströmung mit dem Krümmungsradius r, der Höhe s und der Breite z dargestellt. Zur Berechnung der Zentrifugalkrat des in dem Rohrabschnitt befindlichen Fluids wird zunächst aus der Strömungsgeschwindigkeit u die Winkelgeschwindigkeit ω berechnet. ω= Abb. 10.17 Gekrümmte Rohrströmung (Fimml 2010)

u . r

(10.148)

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

695

Die radial projizierende Fläche Ap , auf die die Zentrifugalkrat als Druckkrat wirkt, kann mittels (10.149) beschrieben werden. Ap = rφz .

(10.149)

Die Masse eines differenziellen Rohrströmungsvolumens der Höhe dr kann unter Verwendung des Drehwinkels φ gemäß (10.150) formuliert werden. dm = Ap drρLiquid = rφzdrρLiquid .

(10.150)

Die am Fluidteilchen angreifende Zentrifugalkrat dF Z wird mittels (10.151) beschrieben. (10.151) dFz = dmrω  = φzu  drρLiquid . Für den Druck auf die Fläche Ap folgt dann dp =

dr dFz = u  ρLiquid . Ap r

(10.152)

Integration von (10.152) über die Kanalhöhe s führt zu (10.153) bzw. nach Umstellung zu (10.154). r+s dr p  = p  + u  ρLiquid ∫ , (10.153) r r

s p  − p  = u  ρLiquid ln ( + ) . r

(10.154)

Gleichung 10.154 stellt allgemein die Absenkung des statischen Drucks in der gekrümmten Rohrströmung aufgrund der Zentrifugalkrat dar. Im vorliegenden Fall ist unter p2 der vergleichsweise niedrige Gegendruck pd nach dem Düsenaustritt zu verstehen. Wenn das Verhältnis s/r von Spalthöhe zu Krümmungsradius ausreichend groß wird, kann p1 den Wert des Dampfdrucks pv erreichen. Unter Verwendung der Gleichung für die Strömungsgeschwindigkeit in der Düse (pu bedeutet den Druck vor der Düse) ergibt sich für diesen Fall die folgende Gleichung (10.155) pd − pv =

 (pu − pd ) s ρLiquid ln ( + ) ρLiquid r

(10.155)

oder nach Umstellung die Kavitationshauptgleichung (10.156).  pu − pd = . pd − pv  ln ( + rs )

(10.156)

Die vorstehende Gleichung verknüpt die lokale Düsengeometrie mit den Druckrandbedingungen an der Kavitationsgrenze. Wegen der relativen Kleinheit des Dampfdrucks

696

G.P. Merker und R. Teichmann

gegenüber den Betriebsdrücken wird dieser allgemein vernachlässigt. Der Zahlenwert für den Term auf der linken Seite der Gleichung lässt sich für beliebige Druckwerte als Kriterium für das Autreten von Kavitation interpretieren und benutzen. Bei Soteriou et al. (1995) wird dafür die Bezeichnung Kavitationszahl CN „Cavitation Number“ verwendet. CN =

pu − pd pu − pd ∼ . pd − pv pd

(10.157)

Der Wert für CN an der Kavitationsgrenze wird als kritische Kavitationszahl CCN „Critical Cavitation Number“ bezeichnet. Für eine aus Messungen bestimmte kritische Kavitationszahl von zum Beispiel 2 kann durch Umkehrung des rechten Terms in (10.156) mittels  s = e CCN −  r

(10.158)

auf ein Verhältnis von Kanalhöhe zu Krümmungsradius an der kavitationsanfälligsten Stelle in der Einspritzdüse von 0,284 geschlossen werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass in den Spritzlöchern jeder Einspritzdüse wegen der hohen Einspritzdrücke Kavitation autritt. Es ist allerdings möglich, das Autreten der Kavitation durch besondere Formgebung des Querschnittsverlaufs zu beeinflussen. Dazu muss nur der Querschnitt in Strömungsrichtung verringert werden. Vom Düsenhersteller wird die Konizität des Spritzlochs durch den sogenannten K-Faktor nach folgender Definition angegeben: K-Faktor = (

DEintritt [μ] − DAustritt [μ] ) . 

(10.159)

Ein positiver K-Faktor wird demnach das Autreten von Kavitation zu größeren Druckdifferenzen verschieben oder ganz verhindern. Die Folge eines positiven K-Faktors für die Gemischbildung und Verbrennung im Dieselmotor ist im Allgemeinen eine signifikante Absenkung der Rußemission. Als Nachteil ist allerdings festzustellen, dass eine nicht kavitierende Düse eher zur Verkokung neigt.

10.6 Gesamtfahrzeugsimulation Das Verhalten des Verbrennungsmotors in der Phase vom Kaltstart bis zum Erreichen der Betriebstemperatur ist von großer Bedeutung, da in dieser Zeitspanne während der gesetzlich festgelegten Testzyklen ein Großteil der Schadstoffe emittiert wird. Die Ursache dafür ist vor allem das unzureichende Konvertierungsverhalten des Katalysators bei niedrigen Temperaturen. Im ständigen Bemühen um die Reduzierung der Schadstoffemissionen hat daher die Modellierung des Aufwärmverhaltens einen wesentlichen Stellenwert. Die Vorhersage der Emissionen bedingt eine genaue Kenntnis der verschiedenen Bauteiltemperaturen, da diese mitentscheidend für das Ausmaß der Schadstoffbildung sind.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

697

Grundsätzlich bietet sich zur Bewältigung der Gesamtaufgabe die Verbindung eines Gesamtfahrzeugsimulationsprogramms mit einem Ladungswechselprogramm an. Dazu sind zusätzliche Modelle zur Beschreibung des thermischen Verhaltens von Motor und Katalysator sowie der chemischen Reaktionen im Katalysator erforderlich. Für das hier beschriebene gekoppelte Programmsystem wurde der in Abb. 10.18 dargestellte Ablauf entwickelt. In einem ersten Schritt werden aus einem gewählten Fahrzyklus die momentanen Werte für Geschwindigkeit und Beschleunigung des Fahrzeugs bestimmt und daraus die erforderliche Motorleistung über Drehzahl und Drehmoment. Mit einem

Schritt 1

Zyklus

Fahrermodell Fahrzeugsimulationsprogramm

Last Schritt 2

Fahrgeschwindigkeit

Verbrennungsparameter

Ladungswechsel programm

α, Tgas

Iteration

Verbrennungs parametermodul

Fahrgeschwindigkeit

n, M

Schritt 4

Abgasenergie Abgaszusammensetzung

Katalysatormodell

Twand Schritt 3

thermisches Modell "Motor"

Emissionen

Abb. 10.18 Koppelung eines Ladungswechselprogrammes mit der Gesamtfahrzeugsimulation (Wimmer 2000)

698

G.P. Merker und R. Teichmann

Fahrermodell kann auch ein bestimmter Fahrerwunsch vorgeben werden. Damit erfolgt die Ermittlung der Betriebsparameter, die als Vorgabe für das Ladungswechselprogramm dienen. Im Ladungswechselprogramm wird der erzielte Mitteldruck (mit Wandtemperaturen aus dem vorigen Zeitschritt) berechnet und gegebenenfalls eine Iteration durchgeführt, bis der gewünschte Mitteldruck erreicht ist. Das Programm liefert ebenfalls Verbrauch und Abgasenergie (idealerweise müsste auch die Abgaszusammensetzung bestimmt werden). In einem weiteren Schritt berechnet das thermische Modell „Motor“, das auf Basis eines thermischen Netzwerkes realisiert wird, neue Wandtemperaturen für den nächsten Zeitschritt aus Vorgaben des Ladungswechselprogramms, vgl. Samhaber (2002), Beichtbuchner (2008) und Unterguggenberger (2012). Schließlich bestimmt ein Katalysatormodell die Temperatur des Katalysators, die Konvertierungsraten und – falls Rohemissionen bekannt sind – auch die Abgasemissionen.

10.6.1 Thermisches Motormodell Zur Modellierung des thermischen Verhaltens der Motorstruktur wird auf die Methode der konzentrierten Punktmassen (Ersatzmassen) zurückgegriffen. Dabei werden Stoffbereiche zu einer Punktmasse mit einer dem Bereich äquivalenten Wärmekapazität zusammengefasst. Die Temperatur der Punktmasse entspricht der mittleren Temperatur des Bereichs und somit dessen Energieinhalt. Die Schwierigkeit besteht in der geeigneten Wahl der zusammengefassten Stoffbereiche, vgl. Samhaber (2002). So sollten beispielsweise nur Bereiche mit kleinem Temperaturgradienten zusammengefasst werden, was vorab nicht in jedem Fall eindeutig vorhersehbar ist. Erstreckt sich ein solcher Bereich über Gebiete mit verschiedenen Materialien und unterschiedlichen spezifischen Wärmekapazitäten, kann die gesamte Wärmekapazität auf einen Stoff bezogen werden. Geeignete Wärmeleitungsbeziehungen verbinden die Ersatzmassen untereinander und sorgen so für die richtige Wärmeverteilung im thermischen Motormodell (Beichtbuchner 2008). Basierend auf dieser Methode wird die Motorstruktur als thermisches Netzwerk eines repräsentativen Einzylinders abgebildet (Samhaber 2002). Die Anzahl der Ersatzmassen kann grundsätzlich frei gewählt werden, jedoch steigt mit deren Anzahl der zeitliche Aufwand für Modellerstellung und Modellabstimmung. Des Weiteren ist zu beachten, dass die gesteigerte Modellierungstiefe nicht zwangsweise zu einer Verbesserung der Genauigkeit führt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Modellierungstiefe an den jeweiligen Einsatzzweck anzupassen, vgl. Abb. 10.19 (Unterguggenberger 2012). Fluidkreise Die Motorstruktur wird sowohl durch die bei der Verbrennung entstehenden Wandwärmeverluste als auch durch Reibung mit Wärme beaufschlagt. Innerhalb der Motorstruktur verteilen sich die Wärmen nun und werden in weiterer Folge über die Fluidkreise weitergeführt. Diese Fluidkreise beinhalten Schmiermittel- und Kühlmittelkreislauf, welche selbst bei einfachen Ansätzen von thermischen Motormodellen getrennt modelliert

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

699

Abb. 10.19 Beispielhate Diskretisierung der Motorstruktur (Unterguggenberger 2012)

werden. Zusätzlich wird der Wärmeaustausch zwischen diesen beiden Kreisen über den Öl-Wasser-Wärmetauscher berücksichtigt (Unterguggenberger 2012).

10.6.2 Wärmeeintragsmodell Der gasseitige Wärmeeintrag (Wärmeeintragsmodell) wird vor allem durch die darzustellende Last sowie der Applikation des Motorsteuergeräts (ECU) beeinflusst. Innerhalb des Wärmeeintragsmodells wird der gasseitige Wärmeübergang vom Verbrennungsgas an die Brennraumwände und an die Kanalwand des Auslasskanals berechnet. Abbildung 10.20a zeigt die gewählte Diskretisierung der gasbeaufschlagten Komponenten zur Berechnung des Wärmeeintrags. Die Zylinderlaufbuchse wird hierbei in die Abschnitte Buchse oben und Buchse Mitte unterteilt, um die höhere thermische Belastung des oberen Buchsenbereiches berücksichtigen zu können. Nach unten hin wird der Brennraum durch den Kolben, nach oben hin durch das Feuerdeck begrenzt. Weiters wird auch der Wärmeübergang im Auslasskanal des Zylinderkopfes berechnet, welcher einen nicht zu vernachlässigenden Anteil am gesamten gasseitigen Wärmeeintrag darstellt. Abbildung 10.20b zeigt die Koppelung des Wärmeeintragsmodells (symbolisiert durch QWand ) mit der Motorstruktur. Der gasseitige Wärmeeintrag erfolgt gemäß Diskretisierung direkt an den jeweiligen Punktmassen. Unter Berücksichtigung der Wärmeleitung zwischen den Punktmassen erhält man so die Temperaturverteilung in der Motorstruktur (Salbrechter et al. 2011). Erstellung eines Wärmeeintragsmodells Eine Möglichkeit zur Bestimmung des gasseitigen Wärmeübergangs ist die Durchführung von Wärmestrommessungen. Diese sind jedoch aufwendig und werden nur in Ausnahmefällen durchgeführt. Aus diesem Grund bedient man sich in der Regel der nulldimensionalen Motorprozessrechnung, welche durch Analyse des Zylinderdruckverlaufs und unter Verwendung einer geeigneten Wärmeüber-

700

G.P. Merker und R. Teichmann a)

b)

Auslasskanal

Auslasskanal

Buchse oben Feuerdeck

Feuerdeck

Kolben

Buchse oben

QWand

Buchse mitte KG

Kolben Buchse mitte Pleuel

Punktmasse Wärmeleitung

Abb. 10.20 Diskretisierung des Wärmeeintragsmodells (Salbrechter et al. 2011)

gangsbeziehung die übertretende Wärme vom Arbeitsgas an die Zylinderwände berechnet. Für die Simulation werden die angeführten Wärmeeinträge in Form von zyklusgemittelten Werten in Abhängigkeit vom Betriebspunkt im Modell hinterlegt (Salbrechter et al. 2011). Für die Modellierung der Wärmeeinträge werden zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt, einerseits ein kennfeldbasierter, andererseits ein parameterbasierter Ansatz. Kennfeldbasiertes Wärmeeintragsmodell Die Simulation des Wärmeeintrags wird auf Basis von Motorkennfeldern realisiert. Dabei werden Kennfelder bei betriebswarmem Motor für Gastemperatur und Wärmeübergangskoeffizient verwendet. Veränderungen in der Applikation während des Warmlaufs werden mit Hilfe von Korrekturfunktionen berücksichtigt. Parameterbasiertes Wärmeeintragsmodell Um die Modellierungstiefe weiter zu erhöhen, wird der gasseitige Wärmeeintrag als Funktion verschiedener Steuergeräteparameter abgebildet. Dadurch ist es möglich, applikatorische Eingriffe wahrend des Motorwarmlaufs direkt zu berücksichtigen und die Auswirkungen geänderter Datenstände der ECU zu bewerten. Dieses Vorgehen setzt allerdings ein genaues Modell der ECU voraus. Für die Erstellung eines solchen parameterbasierten Wärmeeintragsmodells können sowohl empirisch ermittelte Daten auf Basis von Parametervariationen, als auch Simulationsergebnisse von physikalischen Modellen herangezogen werden. Aus den gewonnenen Daten wird ein Modell abgeleitet, welches den gasseitigen Wärmeeintrag in Abhängigkeit der jeweiligen Variationsparameter darstellt (Salbrechter et al. 2011).

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

701

10.6.3 Reibungsmodell Neben dem gasseitigen Wärmeeintrag ist die Motorreibung die zweite wesentliche Wärmequelle einer Verbrennungskratmaschine und liefert speziell im Kaltstart einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Erwärmung des Motors. Darüber hinaus beeinflusst die Reibung die bereitzustellende indizierte Leistung und ist somit entscheidend für die in das System eingetragene Wärme und den Kratstoffverbrauch. Um die Auswirkungen diverser Fahrzyklen auf das Aufwärmverhalten zu untersuchen, ist die Kenntnis der Motorgesamtreibung in Abhängigkeit einer repräsentativen Temperatur, z. B. der Öltemperatur, ausreichend. Immer häufiger werden Motorwarmlaufmodelle jedoch auch zur Bewertung verschiedenster Wärme- und Energiemanagementmaßnahmen eingesetzt. Da diese Maßnahmen ot die Temperaturverteilung im Motor verändern, ist die Abbildung der einzelnen Reibkomponenten entscheidend. So zielt beispielsweise die Wärmemanagementmaßnahme „Split-Cooling“ in erster Linie darauf ab, durch eine Temperaturerhöhung der KolbenBuchsen-Gruppe die Reibung an dieser Stelle zu verringern. Folglich kann eine solche Maßnahme nur dann exakt bewertet werden, wenn das Reibmodell das veränderte Temperaturprofil auch auflösen kann (Unterguggenberger et al. 2012). Physikalische Reibmodelle Derartige Modelle werden zur konstruktiven Auslegung und Optimierung von Bauteilen und Baugruppen verwendet. Diese Modelle stellen im einfachsten Fall eindimensionale Modelle dar, wobei zahlreichen Annahmen bzw. Untermodelle beispielsweise für Ölfilmdicke und Oberflächenrauigkeit erforderlich sind. Die Ölfilmdicke wird durch Lösen der Reynoldsgleichung für den Schmierspalt berechnet, wozu der zyklusaufgelöste Brennraumdruck benötigt wird. Für die Kolbengruppe sind umfangreiche Konstruktionsdaten wie z. B. das Kolbenringdesign und die Kolbenkontur erforderlich. Bei den Gleitlagern ist über die Kinematik des Kurbeltriebs, die Tragkrat des Lagers, die Verlagerungsbahn und die Schmierfilmtemperatur die Reibleistung zu berechnen. Die aus diesen detaillierten Modellen erhaltenen zusätzlichen Informationen, wie zum Beispiel Mischreibungsanteile um die Totpunkte, sind bei Verwendung für ein Motorwarmlaufmodell nicht unbedingt erforderlich, da sie den Beitrag der Reibungsverluste kaum beeinflussen. Die erforderlichen Untermodelle (z. B. Ölfilmdicke) bzw. Größen oder Annahmen (Oberflächenrauigkeit) stellen einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor dar. Daher scheint der erhöhte Modellierungs- und Berechnungsaufwand nicht gerechtfertigt, vgl. Beichtbuchner (2008). Empirische Reibmodelle Damit das Motorwarmlaufmodell universell einsetzbar ist, müssen im Reibungsmodell alle Einzelreibanteile getrennt modelliert werden. Aus der Summe der Einzelreibanteile ergibt sich so die Gesamtreibung. Sind Informationen über die Reibungsauteilung (z. B. aus Strip-Down-Messungen) nicht bekannt, können Spreizungsmessungen wichtige Informationen für die Modellerstellung liefern. Bei diesen

702

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 10.21 Veränderung der Motorgesamtreibung bei Variation der Kühlmitteltemperatur und konstanter Öltemperatur (Unterguggenberger et al. 2012)

Messungen am Motorenprüfstand wird Kühlmittel und Öl getrennt konditioniert. Die Öltemperatur wird konstant gehalten und die Kühlmitteltemperatur variiert. Die Messungen erfolgen bei verschiedenen Drehzahlen. Durch Variation der Kühlmitteltemperatur ändert sich die Motorreibung. Diese betragsmäßige Veränderung kann direkt der Kolbengruppe zugeschrieben werden, da über das Kühlmittel die Zylinderlaufbuchsentemperatur beeinflusst wird und diese eine der entscheidenden Faktoren für die Reibung der Kolbengruppe darstellt (Unterguggenberger et al. 2012). Abbildung 10.21 zeigt das Messergebnis einer durchgeführten Spreizungsvariation bei einer Drehzahl. Wird etwa die Kühlmitteltemperatur von 90 °C auf 40 °C abgesenkt, erhöht sich die Motorgesamtreibung und damit die der Kolbenreibung um 20 %. Aufgrund der Häufigkeit von Wärmemanagementmaßnahmen, die die Kolbenreibung reduzieren, gilt daher als Minimalanforderung für die Modellierung der Reibung, dass diese Reibgruppe getrennt berücksichtigt wird. Zusätzlich sollten noch die Nebenaggregate modelliert werden, welche weitestgehend temperaturunabhängig sind. Damit sind die restlichen Baugruppen nur noch von der Öltemperatur beeinflusst. Das Modell selbst kann dann über Kennfelder als Funktion von Drehzahl und Temperatur aufgebaut werden, vgl. Unterguggenberger (2012). Erfahrungen haben gezeigt, dass sich empirische und vor allem auch eine Kombination aus physikalisch-empirischen Ansätzen für den Einsatz in Motorwarmlaufmodellen anbieten. Speziell physikalisch-empirische Ansätze sind gut geeignet, wenn im Modell Geometrieinformationen (z. B. Lagerbreiten) berücksichtigt werden sollen. Damit ist eine Übertragbarkeit auf andere Motoren gegeben, vergleiche Beichtbuchner 2008.

10

Grundlagen der Motorprozessrechnung

703

10.6.4 Prognosegenauigkeit Durch die Koppelung der beschriebenen Teilmodelle lassen sich Aussagen über das thermische Verhalten des Gesamtsystems treffen. Weiters lässt sich mittels eines Vergleichs mit Messungen die Prognosefähigkeit der Modelle beurteilen. Die Prognosegenauigkeit des thermischen Verhaltens ist beispielhat für einen der untersuchten Motoren in Abb. 10.22 dargestellt. Dabei handelt es sich um einen Simulations-/ Messungsvergleich im NEFZ bei zwei unterschiedlichen Starttemperaturen. Neben einem Kaltstart bei +20 °C ist ein Warmstart bei Betriebstemperatur dargestellt. b) 110

100

100

90 80 70 60 50 40 30

Simulation Messung

20 10

0

200

400

Öltemperatur [HÖK] [°C]

Kühlmitteltemperatur [°C]

a) 110

90 80 70 60 50 40 30

Simulation Messung

20 10

600 800 1000 1200 Zeit [s]

0

200

400

d)

110

110

100

100

Buchsentemperatur [°C]

Hauptlagertemperatur [°C]

c)

90 80 70 60 50 40 30

Simulation Messung

20 10

0

200

400

600 800 1000 1200 Zeit [s]

600 800 1000 1200 Zeit [s]

90 80 70 60 50 40 30

Simulation Messung

20 10

0

200

400

600 800 1000 1200 Zeit [s]

Abb. 10.22 Prognosegenauigkeit im NEFZ (Unterguggenberger et al. 2012)

704

G.P. Merker und R. Teichmann b) Kühlmittel Öl [HÖK]

4 2.6 2.5

2

0.2

0

-1.2

-2

-2.3 definierter Zielbereich

-4 -6

1.6 1.9

1.4

Diesel-1 Diesel-2 Otto-1 Otto-2

Abweichung Verbrauch ΔMB [%]

Abweichung Aufwärmzeit Δt [%]

a) 6

1.5 1.0 0.5

0.5

0.4

0.0 -0.5

-0.3

definierter Zielbereich

-0.5

-1.0 -1.5

Diesel-1 Diesel-4 Otto-1 Otto-2

Abb. 10.23 Prognosegenauigkeit im NEFZ +20 °C (Unterguggenberger et al. 2012)

Abbildung 10.22a–d zeigt eine Auswahl an Temperaturen, die besonders für die Reibung und damit den Kratstoffverbrauch entscheidend sind. Neben Kühlmittel- und Öltemperatur sind dies die Hauptlagertemperatur und eine repräsentative, gemittelte Buchsentemperatur. In Abb. 10.23 ist zusätzlich die Prognosegenauigkeit des thermischen Verhaltens und des Kratstoffverbrauchs im NEFZ +20 °C für mehrere untersuchte Motoren dargestellt. Abbildung 10.23a zeigt die Abweichung der simulierten Aufwärmzeit von Kühlmittel und Öl. Abbildung 10.23b zeigt den Kratstoffverbrauch, welcher als entscheidendes Kriterium für die Bewertung von Wärmemanagement-Maßnahmen herangezogen wird. Dieser kann für die untersuchten Motoren mit einer maximalen Abweichung von ±0,5 % wiedergegeben werden.

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Grundlagen der Motorprozessrechnung

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Phänomenologische Verbrennungsmodelle Gunnar Stiesch, Friedrich Dinkelacker, Peter Eckert, Sebastian Rakowski, Franz Chmela, Gerhard Pirker und Andreas Wimmer

Für die Berechnung von motorischen Verbrennungsvorgängen kommen heute verschiedene Modellkategorien zum Einsatz, die sich z. T. sehr stark in ihrem Detaillierungsgrad aber auch in ihren Rechenzeiterfordernissen unterscheiden, s. Stiesch (2003). Als phänomenologische Modelle werden dabei üblicherweise die Berechnungsmodelle bezeichnet, die die Verbrennung und Schadstoffbildung in Abhängigkeit übergeordneter physikalischer und chemischer Phänomene wie Strahlausbreitung, Gemischbildung, Zündung, Reaktionskinetik usw. vorausberechnen. Weil hierfür eine räumliche Auteilung des Brennraums in Zonen verschiedener Temperatur und Zusammensetzung erforderlich ist, werden die Modelle auch als quasi-dimensionale Modelle bezeichnet. Die phänomenologischen (bzw. quasi-dimensionalen) Modelle grenzen sich auf der einen Seite von den nulldimensionalen (oder thermodynamischen) Modellen ab, die den Brennraum zu jedem Zeitpunkt vereinfachend als ideal durchmischt annehmen und die auf empirischen Ansätzen für die Brennrate beruhen. Auf der anderen Seite unterscheiden sich die phänomenologischen apl.- Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg, Deutschland Univ.-Prof. Dr. Friedrich Dinkelacker Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland Dr.-Ing. Peter Eckert B Laatzen, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-Ing. Sebastian Rakowski IAV Berlin GmbH, Berlin, Deutschland Dr.-Ing. Franz Chmela ⋅ Dr.-techn. Gerhard Pirker Large Engines Competence Center, Technische Universität Graz, Graz, Österreich Ao. Univ.-Prof. Dr. techn. Andreas Wimmer B Technische Universität Graz, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_11, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

709

11

710

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 11.1 Klassifizierung von Verbrennungsmodellen 105 104

Rechenaufwand [s]

Abb. 11.2 Modelltiefe und Rechenaufwand von Verbrennungsmodellen

103

3D - CRFD

102 101 100

10-1 10-2

phänomenologische Modelle thermodynamische Modelle Modelltiefe

Verbrennungsmodelle von den CFD-Codes (CFD = computational fluid dynamics, vgl. Teil IV, Kap. 14 ff.), indem auf eine explizite Lösung des turbulenten dreidimensionalen Strömungsfeldes bewusst verzichtet wird, siehe Abb. 11.1. Dadurch kann die Rechenzeit erheblich reduziert werden. Für eine Motorumdrehung liegt sie bei phänomenologischen Modellen im Bereich von Sekunden, bei CFD-Codes dagegen im Bereich von Stunden, siehe Abb. 11.2. Im folgenden werden einige der wichtigsten phänomenlogischen Verbrennungsmodelle vorgestellt. Primäres Ziel dieser Modelle ist es jeweils, den Brennverlauf in Abhängigkeit charakteristischer physikalischer und chemischer Größen vorauszuberechnen. Sollen darüber hinaus Aussagen über die Schadstoffbildung getroffen werden, ist es notwendig, eine Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Temperatur und Zusammenset-

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

711

zung vorzunehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Reaktionsraten der für die Schadstoffbildung entscheidenden chemischen Reaktionen im Allgemeinen exponentiell von der Temperatur abhängen, so dass die Kenntnis der arithmetisch gemittelten Zylindertemperatur allein nicht ausreicht, vgl. Kap. 6. Einige der im folgenden beschriebenen phänomenologischen Verbrennungsmodelle nehmen solch eine Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Temperatur und Zusammensetzung implizit vor, so dass die entsprechenden Schadstoffbildungsmodelle direkt daran angekoppelt werden können. Dazu gehören z. B. die in Abschnitt 11.1.3 vorgestellten Paketmodelle. Bei anderen phänomenologischen Ansätzen ist diese Zoneneinteilung noch nicht implizit enthalten, so dass sie nachträglich vorgenommen werden muss, wenn neben der Verbrennungsrate auch Schadstoffemissionen berechnen werden sollen. Dazu können z. B. die in Kap. 10 erläuterten Zwei-Zonen-Zylindermodelle eingesetzt werden.

11.1 Dieselmotorische Verbrennung 11.1.1 Nulldimensionale Brennverlaufsfunktion Ein relativ einfaches und damit rechenzeit-effektives Modell für die Wärmefreisetzung im Dieselmotor haben Chmela et al. (1998, 2006) vorgestellt. Dieses Modell ist auf der Grenze zwischen nulldimensionalen und phänomenologischen Modellen angesiedelt, da es keine quasi-dimensionale Unterteilung des Brennraums in Zonen unterschiedlicher Zusammensetzung und Temperatur vornimmt aber dennoch den Brennverlauf nicht rein empirisch, z. B. mit einer VIBE-Funktion vorgibt, sondern an wenige charakteristische Einflussparameter von übergeordneter Bedeutung koppelt. Diese Parameter sind die zu jedem Zeitpunkt verfügbare Brennstoffmasse, also die Differenz aus eingespritzter und verbrannter Brennstoffmasse, sowie eine charakteristische Dichte der turbulenten kinetischen Energie, die als repräsentativ für die Vermischungsgeschwindigkeit von Lut und Brennstoff angenommen wird √ ⎛ k ⎞ QB dQB ) ⋅ exp √ . = C ⋅ f  (mB ) ⋅ f  (k) = C ⋅ (mB −  dφ Hu ⎝ Vcyl ⎠

(11.1)

Die zeitliche Verlauf der Einspritzrate dmB /dφ ist dabei als Randbedingung vorgegeben, und die Dichte der turbulenten kinetischen Energie k wird allein aus der Einspritzung abgeleitet, da eine Größenabschätzung zeigt, dass die kinetische Energie der Einspritzung um ca. zwei Größenordnungen über der von Einlass- und Quetschströmung liegt. Die Produktionsrate der kinetischen Energie durch die Einspritzung beträgt 

dEkin,prod     ˙ B (vinj ) = [ ˙ B ) , ] (m = m dt   ρB cD Anoz

(11.2)

712

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 11.3 Beschreibung der Brennrate als Funktion von verfügbarer Brennstoffmasse und turbulenter kinetischer Energie nach Chmela et al. (1998)

Brennverlauf Verfügb. Brennstoffmasse Verfügb. turb. kin. Energie

Einspritzverlauf OT

30

60

90

[°KW]

wobei cD Anoz die effektive Querschnittsfläche der Einspritzdüse bezeichnet. Die Dissipationsrate der kinetischen Energie wird vereinfacht als proportional zur absoluten Höhe der kinetischen Energie selbst angenommen. Daraus resultiert die Differenzialgleichung für die Änderung der kinetischen Energie dEkin dEkin,prod = − Cdiss Ekin . dt dt

(11.3)

Für die weiteren Überlegungen wird angenommen, dass für die Vermischung von Kratstoff und Lut nicht die gesamte kinetische Energie im Brennraum zur Verfügung steht, sondern nur ein Anteil davon, der dem Anteil des für die Gemischbildung verfügbaren Kratstoffs entspricht mB − QB /Hu . (11.4) Ekin,mix = Ekin mB

Die spezifische turbulente kinetische Energie k wird schließlich als Verhältnis der für die Mischung verfügbaren kinetischen Energie und der Summe aus Lut- und Kratstoffmasse in der Diffusionsflamme angenähert, wobei das Lutverhältnis in der Flamme als stöchiometrisch angenommen wird k = Cturb

Ekin,mix . mB ( + L min )

(11.5)

Abbildung 11.3 zeigt eine typische zeitliche Entwicklung von verfügbarer Brennstoffmasse und turbulenter kinetischer Energie sowie des aus dem Produkt resultierenden Brennverlaufs. Als Vorteile dieses Modellansatzes sind die extrem kurze Rechenzeit und die einfache Handhabung anzusehen, sowie die Tatsache, dass die Auswirkungen des Einspritzsystems (z. B. Einspritzdruck, Düsenlochquerschnitt und -anzahl) auf den Brennverlauf in der Regel mit guter Näherung abgebildet werden können. Als Einschränkung steht dagegen, dass

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

713

weder der Zündverzug noch der typische Vormischanteil der dieselmotorischen Verbrennung mit diesem Modell beschrieben werden können. Beide Phänomene werden maßgeblich durch die Verdampfungsgeschwindigkeit des Brennstoffs beeinflusst, deren zusätzliche Berücksichtigung im Modell einen erheblich größeren Rechenaufwand bewirken würde.

11.1.2 Stationärer Gasstrahl Umfangreichere Modellansätze, die jeweils auf der Freistrahl-heorie von Abramovich (1963) beruhen, haben z. B. de Neef (1987) und Hohlbaum (1992) gewählt, um die Wärmefreisetzung im DI-Dieselmotor zu berechnen. Unter der Annahme, dass die Verdampfung schnell gegenüber der Gemischbildung abläut, wird die Einspritzung als ein quasi-stationärer Gasstrahl in einer idealisierten Blockdrallströmung beschrieben, vgl. Abb. 11.4. Die Verbrennungsrate wird dann als direkte Funktion der Gemischbildungsrate, also der Durchmischung von Kratstoffdampf und Lut, berechnet. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Strahlfront sowie deren Richtungsänderung durch die Drallströmung ergibt sich analytisch aus den Massen- und Impulsbilanzen des auf seine Mittelachse reduzierten Strahls. Gemäß Abb. 11.4 lauten die Impulsbilanzen in radialer, tangentialer und vertikaler Richtung des zylindrischen Koordinatensystems d (dmjet r˙) = dFr , dt

 d d ˙ = (dmjet r  φ) (dma ) rω + dFt , r dt dt d (dmjet z˙) =  , dt

(11.6) (11.7) (11.8)

wobei dmjet die Masse einer Spray-Scheibe mit der Dicke dx bezeichnet. dF r und dF t sind die radialen und tangentialen Kräte, die auf die Spray-Scheibe wirken, und der Index a

Abb. 11.4 Modell des quasistationären Gasstrahls in einer Blockdrallströmung

714

G.P. Merker und R. Teichmann

kennzeichnet die unverbrannte Lut, die den Strahl umgibt. Die radiale Krat wird durch den radialen Druckgradienten verursacht, der aus der Drallbewegung resultiert dFr = −dV

dmjet dp =− ρa rω  , dr ρ¯

(11.9)

und die tangentiale Krat ist näherungsweise dFt = ,

 vinj ˙ dmf , r (ω − φ) c¯ b

(11.10)

mit b = b(x) als positionsabhängigem Radius der kreisförmigen Sprayscheibe. Der Überstrich kennzeichnet den über dem Sprayquerschnitt massengemittelten Wert. Mit Hilfe der oben genannten Beziehungen erhält man die Bewegungsgleichungen der Sprayfront in den drei Zylinder-Koordinaten r¨ + c¯

d  ( ) r˙ = r [φ˙  − ( − c¯)ω  ] , dt c¯

vinj r˙ d  ˙ , φ¨ +  φ˙ = [¯c ( ) + . ] (ω − φ) r dt c¯ b z¨ + c¯

d  ( ) z˙ =  , dt c¯

(11.11) (11.12) (11.13)

mit der Strahlgeschwindigkeit x˙ und der -eindringtiefe S √ ˙  + z˙ , x˙ = r˙ + (r φ)

t

S = x = ∫ x˙ dt .

(11.14)



Der Strahlwinkel und damit die Änderung des Strahlradius entlang der Strahlachse hat einen erheblichen Einfluss auf die Rate der Lutbeimischung in den Brennstoffstrahl. Für Brennverfahren mit keinem oder nur geringem Lutdrall wird ein Standardwert von (db/dx)ω= = ,

(11.15)

empfohlen. Allerdings muss dieser Wert ggf. angepasst werden, um reale Strahlwinkel abbilden zu können, die z. B. von Einspritzdruck, Düsengeometrie oder den Stoffwerten von Lut und Kratstoff beeinflusst werden. Für Brennverfahren mit ausgeprägter Drallströmung gibt deNeef (1987) die folgende Korrektur für den Strahlwinkel an db  − C ⋅ (rω/vinj ) db , = ⋅( ) dx  + C ⋅ (rω/vinj ) dx ω=

(11.16)

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

mit

und

C= vinj

r φ˙  √ r˙  − x˙ x˙ 

  Δpinj  = cD  . ρf

715

(11.17)

(11.18)

Um die Gemischverteilung innerhalb des Strahls bestimmen zu können, wird zunächst der über den Strahlquerschnitt gemittelte Kratstoffmassenbruch c¯ entlang der Spraykoordinate x mit Hilfe der Massenerhaltung berechnet. Unter der Voraussetzung, dass die in einer Strahlscheibe mit Dicke dx enthaltene Kratstoffmasse konstant ist (dmstrahl ⋅ c¯ = const.) und dass die gemittelte Strahldichte ρ¯ innerhalb dieser Scheibe sehr klein gegenüber der Dichte des flüssigen Kratstoffs ρf ist, kann die zeitliche Änderung der gemittelten Kratstoffkonzentration in Abhängigkeit des Strahlwinkels (db/dx) wie folgt ausgedrückt werden ρa db  d  ( )=  [ ( ) b x˙  + b  x¨ ] . (11.19) dt c¯ dnoz vinj ρf dx Mit der bekannten über den Strahlquerschnitt gemittelten Kratstoffkonzentration c¯(x) kann in einem weiteren Schritt die lokale Kratstoffkonzentration c (x, y) berechnet werden. Dazu wird eine empirische Konzentrationsabhängigkeit von der radialen Position im Strahl angenommen y / (11.20) c = cm [ − ( ) ] , b

wobei cm der Kratstoffkonzentration auf der Mittelachse des Strahls entspricht. Im Modell von deNeef (1987) wird nun angenommen, dass die Verbrennungsrate durch die Masse an Brennstoff begrenzt wird, die pro Zeiteinheit im stöchiometrischen Verhältnis mit Lut aufbereitet wird. Diese Größe wird wie folgt bestimmt. Da die Kratstoffkonzentration an jeder Position im Strahl bekannt ist, können die in Abb. 11.4 dargestellten Iso-Konturen des Lutverhältnisses λ innerhalb des Strahls ermittelt werden. Der von der axialen Position im Strahl abhängige dimensionslose Radius y/b eines bestimmten Lutverhältnisses ist / c(λv) y (λv , x) = [ − ] . (11.21) b cm (x)

Da der Einspritzstrahl als stationär angenommen wird, verändert sich die λ-Verteilung innerhalb des Strahls nicht. In jedem numerischen Zeitschritt Δt wird dem Strahl lediglich eine neue Scheibe der Dicke Δx hinzugefügt, siehe Abb. 11.4. Aufgrund der Massenerhaltung ist die darin enthaltene Kratstoffmasse identisch zu der Einspritzmasse in diesem ˙ inj ⋅ Δt). Deshalb muss die Kratstoffmasse, die innerhalb eines Zeitschritts Zeitschritt (m über eine bestimmte Grenze von λv = const. hinwegtritt (schraffierte Fläche in Abb. 11.4), gleich der Differenz zwischen eingespritzter Kratstoffmasse und dem Kratstoff sein, der

716

G.P. Merker und R. Teichmann

sich innerhalb der λv -Grenze (graue Fläche), also in fetterem Gemisch, befindet Δm f ,λv

⎤ ⎡ ⎢  y(λv ) / ⎥ ⎢ ˙ inj Δt − π y (λv )ρa cm ⎢ − ( =m ) ⎥ ⎥ x˙ Δt . b ⎥ ⎢  ⎦ ⎣ 

(11.22)

Um die Kratstoffmasse zu bestimmen, die im gesamten Strahl im stöchiometrischen Verhältnis mit Lut aufbereitet wird, muss (11.22) zwischen der fetten Zündgrenze λR und λ = 1 integriert werden. Da nur der Anteil dλv des Kratstoffs der von (λ = λv ) zu (λ = λv + dλv ) übertritt neu mit Lut aufbereitet wird (der restliche Anteil wurde bereits in zurückliegenden Zeitschritten aufbereitet), erhält man die Beziehung λv =

˙ f ,λv,R Δt + ∫ m ˙ f ,λv dλv Δt . Δmf,stoic = λv,R m

(11.23)

λv,R

Nach Einspritzende wird vereinfachend angenommen, dass der düsennahe Bereich des Strahls nicht mehr vorhanden ist, während der restliche, weiter stromabwärts gelegene Teil des Sprays immer noch stationär ist und sich nicht verändert. Dieses Verhalten wird dadurch berücksichtigt, dass ein zweiter (virtueller) Strahl berechnet wird, der bei Einspritzende anfängt, sich auszubreiten und der vom ursprünglichen Strahl subtrahiert wird. Die Verbrennungsrate wird mit einem quasi-kinetischen Ansatz beschrieben, der den verbrannten Anteil der stöchiometrisch aufbereiteten Kratstoffmasse X=

mit der Arrhenius-Funktion dX = Aρjet Tjet β

mf,b mf,stoic

a fstoic ( − X) EA ] dt exp [− a fstoic −  Rm Tjet

(11.24)



(11.25)

ausdrückt. Darin sind T jet und ρ jet die über den gesamten Strahl gemittelten Werte für Temperatur und Dichte. Die Arrhenius-Konstanten A, β und EA müssen empirisch für einen bestimmten Motor angepasst werden, um daran experimentell ermittelte Brennverläufe abbilden zu können. Da mit dem Modell des stationären Gasstrahls weder die Kratstoffzerstäubung noch die Tropfenverdampfung explizit beschrieben werden, ist es kaum möglich, den Zündverzug detailliert zu modellieren. Anstatt dessen wird angenommen, dass die Verbrennung zu dem Zeitpunkt einsetzt, an dem das Lutverhältnis cm auf der Strahlachse erstmals die untere Zündgrenze λR überschreitet. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedoch bereits eine gewisse Menge an Kratstoff, die sich in den äußeren Strahlbereichen befindet, stöchiometrisch mit Lut aufbereitet. Diese kann nun sehr schnell umgesetzt werden, so dass der typische Vormisch-Peak (Dieselschlag) im Brennverlauf des Dieselmotors resultiert, siehe Abb. 11.5.

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

Abb. 11.5 Berechneter Brennverlauf eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors bei Nennlast nach Hohlbaum (1992)

717

2.5 dQchem / d / Vd [105 J / °CA / m3]

11

2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 -60

-30

0 30 60 Kurbelwinkel

90

120

Es ist zu beachten, dass der empirisch zu ermittelnde Strahlöffnungswinkel in diesem Verbrennungsmodell ein Parameter von entscheidender Bedeutung ist, da er die Mischungsgeschwindigkeit von Kratstoff und Lut und damit auch die Verbrennungsrate maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus ist es offensichtlich, dass die Annahme eines ungestörten stationären Gasstrahls dann nicht mehr zutrit, wenn der Strahl auf eine Brennraumwand autritt. Aus diesem Grund scheint das Modell am besten zur Beschreibung von Großmotoren mit deutlichem Lutdrall geeignet.

11.1.3 Paket-Modelle Ein häufig eingesetzter Modellansatz zur Beschreibung der dieselmotorischen Verbrennung ist der sog. Paket-Ansatz nach Hiroyasu et al. (1983), der in Abb. 11.6 schematisch dargestellt ist. Hierbei wird ein Einspritzstrahl in viele kleine Zonen, die sog. Pakete, unterteilt, die in ihrer Summe die Kontur des gesamten Einspritzstrahls abbilden. Üblicherweise wird nur ein Einspritzstrahl pro Zylinder berechnet und angenommen, dass sich alle anderen Strahlen identisch verhalten. Jedes der einzelnen Strahlpakete wird nun als separater thermodynamischer Kontrollraum betrachtet, für den jeweils die Massen- und Energiebilanzen aufgestellt werden und innerhalb dessen Grenzen die wichtigsten Teilprozesse wie Tropfenverdampfung, Lutbeimischung, Verbrennung und Schadstoffbildung gelöst werden. Daraus resultiert für jedes Paket eine eigene Historie von Zusammensetzung und Temperatur. Durch Addition der Brennraten in jedem einzelnen Paket erhält man schließlich die Wärmefreisetzung für einen Einspritzstrahl und den Gesamt-Brennverlauf im Zylinder. Das phänomenologische Verbrennungsmodell von Stiesch (1999), das im Folgenden näher erläutert wird, basiert auf diesem grundsätzlichen Paketansatz von Hiroyasu. Während des Verdichtungstaktes existiert nur eine Zone, die sich über den gesamten Brennraum

718

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 11.6 Paketansatz nach Hiroyasu et al. (1983) Frischluft Strahlpakete

erstreckt und als ideal durchmischt betrachtet wird. In dieser Zone befinden sich angesaugte Frischlut und bei Abgasrückführung auch Verbrennungsprodukte. Während der Einspritzzeit werden zusätzlich kontinuierlich sog. Strahlpakete generiert, die die globale Form des Einspritzstrahls nachbilden und ihn sowohl in axialer als auch in radialer Richtung unterteilen. Unabhängig von der Zahl der Düsenbohrungen wir nur ein einziger Brennstoffstrahl betrachtet, eine Interaktion verschiedener Stahlen kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Während der Einspritzdauer wird in jedem Zeitintervall eine neue axiale „Scheibe“ von Paketen generiert, wobei einzelne Pakete aufgrund ihrer radialen Unterteilung eine Ringform aufweisen. Zum Zeitpunkt der Generierung befindet sich ausschließlich flüssiger Brennstoff im Paket. Nach Ablauf einer charakteristischen Zeit wird der Brennstoff in kleine Tropfen zerstäubt, und es beginnt die Beimischung von Gasen aus der umgebenden Frischlutzone in die einzelnen Strahlpakete. Die Brennstotropfen werden durch die in die Pakete eingetragenen heißen Gase aufgeheizt und beginnen zu verdampfen. Nach Ablauf der Zündverzugszeit beginnt das Brennstoff-Lut-Gemisch zu verbrennen, wodurch die Pakettemperatur weiter ansteigt und auch die Schadstoffbildung (NO und Ruß) einsetzt. Sowohl die Zerstäubung und Tropfenverdampfung als auch die Zündung und Verbrennung laufen innerhalb der Paketgrenzen ab und müssen deshalb separat für jedes einzelne Paket berechnet werden. Nach Beginn der Verbrennung können die Pakete deshalb neben flüssigem Brennstoff und Frischlut auch Brennstoffdampf und Verbrennungsprodukte enthalten, siehe Abb. 11.7. Eine Vermischung verschiedener oder ein Energieaustausch zwischen den Strahlpaketen findet nicht statt. Mit Ausnahme der Lutbeimischung in den Strahl (und damit in die Pakete) und der Wärmeübertragung laufen damit alle Transportprozesse innerhalb der Paketgrenzen ab. Mit Hilfe von Massen- und Energiebilanzen sowie einer Zustandsgleichung können für jedes einzelne Paket und auch für die Frischlutzone die Änderungsraten von Zusammensetzung, Temperatur und Volumen berechnet werden. Der Druck wird dagegen als ortsunabhängig und nur als Funktion der Zeit angesehen. Diese Annahme ist aufgrund

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle Luftbeimischung

Einspritzung

Luftbeimischung

Verdampfung & Mischung

719

Expansion & Luftbeimischung

Expansion & Luftbeimischung

Expansion & Luftbeimischung

Zündung & Verbrennung

Verdampfung Mischung & Verbrennung

Mischung & Verbrennung

Abb. 11.7 Zusammensetzung der Strahlpakete

der hohen Schallgeschwindigkeit bei den hohen Drücken während der Verbrennungsphase gerechtfertigt.

Strahlausbreitung und Gemischbildung Unmittelbar nach dem Einspritzbeginn wird ein Strahlpaket als zusammenhängende Flüssigkeit betrachtet, die sich solange mit der konstanten Geschwindigkeit vinj

  Δpinj  = , ρB,fl

(11.26)

in den Brennraum hinein bewegt, bis Zerstäubung einsetzt. Die flüssige Brennstoffmas˙ inj , der Anzahl der se pro Paket mB,fl ergibt sich mit der augenblicklichen Einspritzrate m Pakete in radialer Richtung k max und der Länge des Zeitschritts Δt zu ˙ B,P = m

minj Δt . k max

(11.27)

Nach einer charakteristischen Zeitspanne zerfällt die flüssige Phase in kleine Tropfen. Diese sog. Breakup-Zeit beträgt auf der Strahllachse ρB,fl DD . tbu,c = , √ ρL Δpinj

(11.28)

Weil die Wechselwirkung zwischen Brennstoff und Lut am Strahlrand stärker ausgeprägt ist als auf der Strahlachse, tritt der Strahlaufbruch in den äußeren Paketen entsprechend k− ) (11.29) tbu,k = tbu,c ( − k max früher ein, wenn eine lineare Abnahme der Breakup-Zeit über dem Strahlradius angenommen wird. Durch den Eintrag von Gasen aus der Frischlutzone in das Strahlpaket

720

G.P. Merker und R. Teichmann

verringert sich die Paketgeschwindigkeit. Für Pakete auf der Strahlachse gilt vtip,c

Δpinj DD ) = ,( ρL

/

 √

t

(11.30)

und für weiter außen liegende wird näherungsweise angenommen, dass sich ein zum Strahlrand exponentiell abnehmendes Geschwindigkeitsprofil einstellt vtip,k = vtip,c exp (−Crad (k − ) ) . 

(11.31)

Wenn fünf Strahlpakete in radialer Richtung betrachtet werden (kmax = 5) und weiter angenommen wird, dass die Geschwindigkeit des äußeren Pakets ca. 55 % der Geschwindigkeit auf der Achse beträgt, ergibt sich ein Wert von 0,374 für die Konstante Crad . Auch der Einspritzvorgang selbst verändert die Strömungsverhältnisse im Brennraum entscheidend. Die kinetische Energie der Einspritzstrahlen liegt etwa um zwei Größenordnungen über der kinetischen Energie der Drall- und Quetschströmungen bei Einspritzbeginn. Als Folge davon werden die zuerst generierten Strahlpakete sehr viel stärker von der umgebenden Gasphase abgebremst als die gegen Ende der Einspritzung erzeugten, die sich quasi im „Windschatten“ bewegen. Die Paketausbreitungsgeschwindigkeit nach dem Strahlaufbruch wird deshalb entsprechend vi,k = C  vtip,k [ + (

i −  C  Δtinj ] ) i max −  C

(11.32)

korrigiert, wobei i = 1 die zuerst und i = i max die zuletzt generierten Strahlpakete bezeichnet. Die Konstante C  kann geringfügig kleiner als eins sein, C  hat etwa den Wert 0,5 und C  beschreibt die absolute Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem ersten und letzten Paket. Die Lutbeimischungsrate in ein Paket wird auf Basis der Impulserhaltung der Strahlpakete berechnet. (11.33) vi,k (mB,P + mL,P ) = const.

Tropfenverteilungsspektrum Nach der Breakup-Zeit zerfällt der flüssige Brennstoff des Strahlpakets in viele kleine Tropfen, deren integrales Verhalten mit dem mittleren Sauterdurchmesser beschrieben werden kann. Der Sauterdurchmesser ist dabei der Durchmesser eines repräsentativen Tropfens, dessen Verhältnis von Volumen zu Oberfläche gleich dem Verhältnis von Gesamtvolumen zu Gesamtoberfläche aller Tropfen im Spray ist. Dafür findet man die Beziehung , , , ρB,fl ρL Δp−, SMD =  ⋅ − νB,fl inj

(11.34)

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

721

mit SMD in m, ν in m2 / s, ρ in kg/m3 und der Druckdifferenz Δpinj in kPa. Die Anzahl der in einem Paket vorliegenden Brennstotropfen ergibt sich unter der Annahme, dass alle Tropfen gleich groß sind, zu mB,P . (11.35) NTr,P = π SMD ρB,fl  Für eine genauere Beschreibung der Zerstäubung und damit auch der anschließenden Verdampfung kann die Tropfengrößenverteilungsfunktion

mit dem Radius

g(r) =

−r  r exp ( )  r¯  r¯

r¯ =

SMD 

(11.36)

(11.37)

des am häufigsten autretenden Tropfens verwendet werden.

Tropfenverdampfung Zur Beschreibung der Verdampfung wird häufig das Mischungsmodell verwendet, bei dem das Tropfeninnere stets als isotherm angenommen wird. Als Vergleichsbrennstoff wird im folgenden reines Tetradekan (C14 H30 ) verwendet, das ähnliche physikalische Eigenschaten wie realer Dieselbrennstoff aufweist. Für Untersuchungen mit ZweikomponentenVergleichsbrennstoffen, z. B. einem Gemisch aus 70 Vol.% n-Dekan (C10 H22 ) und 30 Vol.% α-Methylnaphthalin (C11 H20 ), sei auf Stiesch (1999) verwiesen. Damit erhält man für den konvektiven Wärmeübergang von der Gasphase zum Tropfen mit Hilfe der Nußelt-Zahl z dQTr = π SMDλS (TP − TTr ) z Nu , dt e −

(11.38)

wobei z einen dimensionslosen Korrekturfaktor darstellt, der den übertragenen Wärmestrom bei gleichzeitigem Autreten des Stoffübergangs durch Verdampfung aufgrund der Kopplung von Wärme- und Stoffübertragung entsprechend z=

Tr cp,B,g dm dt π SMDλS Nu

(11.39)

verringert. Die Verdampfungsrate eines Tropfens wird mit Hilfe der Beziehung für den Stoffübergang zu pcyl dmTr ) Sh (11.40) = −π SMDρS Cdiff ln ( dt pcyl − pB,g

berechnet.

722

G.P. Merker und R. Teichmann

Für die Nußelt- und Sherwood-Zahlen gilt Nu =  + ,Re / Pr/ , Sh =  + ,Re / Sc/ ,

(11.41) (11.42)

wobei die Reynoldszahl mit einer Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Gasphase berechnet wird, die als 30 % der momentanen Paketgeschwindigkeit vi,k angenommen wird. Die Temperaturänderung des flüssigen Brennstotropfens ergibt sich schließlich aus einer Energiebilanz über den Tropfen, dQTr dmTr  dTTr ( = + Δhv ) , dt mTr cp,Tr dt dt

(11.43)

mit der vom Durchmesser und der Tropfentemperatur abhängigen Tropfenmasse: mTr =

π ρTr SMD . 

(11.44)

Zündverzug Der Zündverzug wird häufig durch den einfachen Arrhenius-Ansatz τzv = C 

C λP exp ( )  pcyl TP

(11.45)

mit C1 = 18 und C2 = 6000 beschrieben.

Wärmefreisetzung Vereinfachend wird angenommen, dass nach Erreichen der Zündverzugszeit der Brennstoff in nur einem Zeitschritt mit stöchiometrischem Lutverhältnis entsprechend der Bruttoreaktionsgleichung vollständig zu CO2 und H2 O umgesetzt wird. Für eine detaillierte Betrachtung sei auf Stiesch (1999) verwiesen. Die maximale Verbrennungsrate im Pakete wird durch das strengste der folgenden drei Kriterien begrenzt. Erstens kann nur der zum jeweiligen Zeitpunkt bereits verdampte Brennstoff umgesetzt werden, mB,g,P ˙ B,Ox,P ≤ . (11.46) m Δt Zweitens limitiert aber auch die im Paket vorhandene Lutmenge die Umsatzrate entsprechend mL,P ˙ B,Ox,P ≤ m . (11.47) L min Δt

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

723

Drittens muss noch eine maximale chemische Umsatzrate für vorgemischte Flammen berücksichtigt werden, die durch die Arrhenius-Funktion ˙ B,Ox,P ≤  ⋅  ρmix xB,g,P x O  ,P exp (− m

. ) VP TP

(11.48)

beschrieben wird und die in der späten Verbrennungsphase, wenn die Temperatur im Zylinder bereits stark abgesunken ist und die Chemie deshalb langsam wird, von Bedeutung ist. Die für die weitere Berechnung notwendigen Bilanzgleichungen der hermodynamik werden in Kap. 2 bzw. ausführlicher in Kap. 10 vorgestellt. Für die Ermittlung der thermodynamischen Zustandsgrößen der einzelnen Komponenten im Brennraum wird wieder auf Stiesch (1999) verwiesen.

Validierung des Modells Die Abbildungen 11.8 und 11.9 zeigen einen Vergleich der gemessenen und berechneten Brenn- und Druckverläufe für zwei Betriebspunkte eines schnelllaufenden Dieselmotors mit 3,96 lit/cyl Hubvolumen, 165 mm Kolbendurchmesser und einer Drehzahl von 1500 min− . Der in Abb. 11.8 dargestellte Betriebspunkt wurde als Referenzpunkt zum Abgleich des Modells gewählt, Abb. 11.9 zeigt einen damit vorausberechneten Betriebspunkt.

pcyl

0.6 4000 0.4 2000

dQB

0.2 0.0

0 -30

0

30 [°KW]

60

90

1.0

15000 12000

Druck [kPa]

Abb. 11.9 Vergleich gemessener und berechneter Druckund Brennverläufe für einen schnelllaufenden Dieselmotor mit 3,96 lit/cyl Hubvolumen bei n = 1500 min−1 und pme = 22,2 bar

0.8

Simulation Experiment

pcyl

0.8 0.6

9000 6000

dQB

0.4 0.2

3000

0 -30

0

30 [°KW]

60

90

0.0

Brennverlauf [kJ/°KW]

6000

Simulation Experiment

Brennverlauf [kJ/°KW]

1.0

8000

Druck [kPa]

Abb. 11.8 Vergleich gemessener und berechneter Druckund Brennverläufe für einen schnelllaufenden Dieselmotor mit 3,96 lit/cyl Hubvolumen bei n = 1500 min−1 und pme = 9,8 bar

724

G.P. Merker und R. Teichmann

Beschreibung einer Voreinspritzung homa et al. (2002) haben den oben beschriebenen Paket-Ansatz erweitert, um damit auch dieselmotorische Brennverfahren mit Voreinspritzung beschreiben zu können. Da die Strahleindringkurve (11.30) jedoch nur für kontinuierlich eingespritzte Sprays gilt und nicht für sehr kleine Kratstoffmengen, siehe Stegemann et al. (2002), schlagen ho√ ma et al. (2002) eine Änderung der Zeitabhängigkeit von / t in 1/t für die Pakete der Voreinspritzung vor. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Haupteinspritzung beginnt, werden die Pakete der Voreinspritzung darüber hinaus zu einer einzigen sog. Voreinspritzzone zusammengefasst., siehe Abb. 11.10. Aufgrund der schnellen Abbremsung der Voreinspritzzone dringen die Pakete der Haupteinspritzung bald in die Voreinspritzzone ein, so dass dann anstelle von Frischlut die Gase der Voreinspritzzone in die Pakete der Haupteinspritzung beigemischt werden. Diese Beimischung von bereits heißen und reaktiven Gasen in die Strahlpakete bewirkt eine Verkürzung des Zündverzugs der Haupteinspritzung. Daraus resultiert die bekannte Wirkung der Voreinspritzung, nämlich die deutliche Reduzierung des Vormisch-Peaks im Brennverlauf. Abbildung 11.11 zeigt, dass dieses Verhalten vom Modell gut abgebildet werden kann.

Überlappung von Haupt- und Voreinspritzung

Zusammengefasste Voreinspritzzone

Abb. 11.10 Vermischung der Vor- und Haupteinspritzpulse nach homa et al. (2002)

Experiment Simulation

pcyl

0.14 0.12 0.10

dQch 4000

0.08 0.06

2000

0.04 0.02

0 -40

dminj/dt -20

0 20 40 60 Kurbelwinkel [°KW n. ZOT]

80

0.00 100

100 80 60 40

Einspritzrate [mg/ms]

6000

120

0.16

Brennverlauf [kJ/°KW]

Zylinderdruck [kPa]

8000

20 0

Abb. 11.11 Berechnete und gemessene Brenn- und Druckverläufe eines Nfz-Dieselmotors mit Voreinspritzung (homa et al. 2002)

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

725

11.1.4 Zeitskalen Modelle Weisser und Boulouchos (1995) haben ein phänomenologisches Modell für den Brennverlauf im Dieselmotor entwickelt, das ähnlich wie die häufig innerhalb von CFD-Codes eingesetzten Eddy-Breakup-Modelle auf charakteristischen Zeitskalen beruht. Dabei werden zwei unterschiedliche Zeitskalen für die Vormisch- und für die Diffusionsverbrennung berücksichtigt, da angenommen wird, dass die Vormischverbrennung im wesentlichen von der Kratstoffverdampfung und der Reaktionskinetik beeinflusst wird, während die anschließende Diffusionsverbrennung in erster Linie von der Geschwindigkeit der turbulenten Vermischung von Kratstoffdampf und Lut abhängt. Die Zerstäubung und Verdampfung des Kratstoffs wird sehr ähnlich wie bei den oben vorgestellten Paketmodellen modelliert. Allerdings wird der Strahl hier nur in axialer Richtung diskretisiert, und die Strahleindringtiefe wird mit der Gleichung von Dent (1971) berechnet / / Δpinj  / ) (Dnoz t) ⋅ ( ) . (11.49) S = ,( ρg Tg

Es wird nun angenommen, das der Brennstoffanteil, der bereits vor der ersten Zündung verdampt, als Vormischverbrennung umgesetzt wird, während der übrige Brennstoff in der durch turbulente Mischung kontrollierten Diffusionsverbrennung umgesetzt wird. Der Zündverzug wird wieder ähnlich wie im Paketmodell auf Basis einer Arrhenius-Gleichung bestimmt, siehe (11.45). Die für die reaktionskinetisch kontrollierte Vormisch- (Premixed-) Verbrennung charakteristische Zeitskala wird als proportional zum Zündverzug τ zv angenommen, so dass die Umsatzrate des Brennstoffs als dmprem  fprep mprem,av = Cprem dt τzv

(11.50)

angegeben werden kann, wobei mprem,av die gesamte, der Vormischverbrennung zugeschlagene Brennstoffmasse ist. Der Faktor f prep trägt dafür Rechnung, dass zum betrachteten Zeitpunkt nur ein Teil dieser Masse den Zündverzug überschritten hat und tatsächlich umgesetzt werden kann. Die Umsatzrate der Diffusionsverbrennung wird in Analogie zu (11.50) formuliert  dmdiff = Cdiff fA,turb mdiff,av . dt τtrb

(11.51)

Hier besteht allerdings die Schwierigkeit, dass die turbulente Zeitskala ttrb innerhalb des phänomenologischen Ansatzes nicht wie bei den CFD-Codes üblich direkt aus der Kenntnis des turbulenten Strömungsfeldes ermittelt werden kann, sondern mit Hilfe eines geeigneten Ansatzes abgeschätzt werden muss. Dafür wird die turbulente Mischungsfrequenz – das ist der Kehrwert der turbulenten Zeitskala – als Verhältnis der turbulenten

726

G.P. Merker und R. Teichmann

Viskosität und des Quadrats einer für das Problem charakteristischen Längenskala angenähert u′ lI  = . (11.52) τtrb (Xchar )

Um die turbulente Viskosität u′ lI im Brennraum abzuschätzen, wird ein vereinfachter Ansatz gewählt, der von zwei Turbulenzquellen ausgeht. Die erste Quelle ist die Einlassströmung der Ladelut, für die die Turbulenzintensität u′ als proportional zur mittleren Kolbengeschwindigkeit und die Längenskala lI als proportional zum Kolbenrückstand gesetzt wird. Die zweite Quelle zur Turbulenzproduktion ist der Einspritzstrahl selbst, für den die Größen u′ and lI mit Hilfe von Erhaltungsgleichungen gelöst werden können, siehe Heywood (1988). Die Anfangswerte ergeben sich dabei aus der Einspritzgeschwindigkeit und dem Düsenlochdurchmesser. Entsprechend gilt für die Summe der turbulenten Viskosität u ′ lI = (u ′ lI )charge + (u ′ lI )inj .

(11.53)

Die charakteristische Längenskala für den Prozess der turbulenten Diffusion zwischen Kratstoffdampf und Lut wird in Abhängigkeit vom augenblicklichen Zylindervolumen, dem globalen Lutverhältnis und der Anzahl der Düsenlöcher bestimmt Xchar = (

Vcyl ) . λNnoz

(11.54)

Der Faktor f A,turb in (11.51) beschreibt die Vergrößerung der effektiven Oberfläche der Flammenfront durch turbulente Faltung fA,turb =

u′ lI , ν

(11.55)

wobei ν die kinematische Viskosität der Verbrennungsgase angibt. Damit kann (11.51) als dmdiff u′ lI u′ lI = Cdiff mdiff,av dt Xchar  ν

(11.56)

geschrieben werden. Schließlich werden die für die beiden Verbrennungstypen verfügbaren Kratstoffmassen mpre,av und mdiff,av durch Integration von Verdampfungsrate und Verbrennungsrate bestimmt t dmi,evap dm i mi,av ∫ ( − ) dt , (11.57) dt dt t i ,

wobei der Index i für die beiden Verbrennungstypen pre und diff steht.

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

727

Beschreibung einer Voreinspritzung Barba et al. (2000) haben den oben beschriebenen Ansatz um ein separates Modell für die Verbrennung einer Voreinspritzung erweitert. Während die Modellierung der Hauptverbrennung weitgehend unverändert zu den in (11.50) bis (11.57) aufgeführten Gleichungen vorgenommen wird, kommt für die Verbrennung der voreingespritzten Kratstoffmasse ein separates Teilmodell zum Einsatz. Dabei formt die Pilot-Kratstoffmenge eine kugelförmige und als homogen mit Lut und Verbrennungsrückständen durchmischt angenommene Zone. Die Lutbeimischung in diese Zone ist zunächst proportional zur Verdampfungsrate des Kratstoffs und wird nach Voreinspritzende über ein stark vereinfachtes Turbulenzmodell in Abhängigkeit der Reynoldszahl angenähert. Die Verbrennungsgeschwindigkeit innerhalb der Voreinspritzzone wird schließlich durch das strengere von zwei Kriterien begrenzt: nach Zündung ist dies zunächst eine sich kugelförmig ausbreitende turbulente Flammenfront (ansteigende Umsatzrate) und schließlich eine Begrenzung durch die innerhalb der Voreinspritzzone verfügbare Kratstoffmasse (abnehmende Umsatzrate). Die Verbrennung des Haupteinspritzpulses wird wie bereits angeführt analog zum Model von Weisser und Boulouchos (1995) berechnet. Lediglich der Zündverzug dieser Hauptverbrennung wird durch die vorhergehende Verbrennung der Voreinspritzung verkürzt, so dass sich als Konsequenz der Vormischanteil der Hauptverbrennung reduziert. Beschreibung von Einspritzverlaufsmodulation und Abgasrückführung Aufbauend auf Barba et al. (2000) und Pirker et al. (2006) haben Rether et al. (2010) ein phänomenologisches Brennverlaufsmodell entwickelt, um ein flexibles Nfz-Brennverfahren mit druckübersetztem Hochdruck-Einspritzsystem, mehrfachen Vor- und Nacheinspritzungen, Einspritzratenmodulation und Abgasrückführung abzubilden. Die verschiedenen Voreinspritzungen werden hier jeweils separat als homogene Gemischwolke betrachtet, die wie bei Barba et al. (2000) nach Einspritzende ausmagern und über eine turbulente Vormischflamme umgesetzt werden. In die turbulente Flammengeschwindigkeit geht nach dem Damköhler-Ansatz neben der Turbulenz auch die laminare Flammengeschwindigkeit ein, die ihrerseits vom Lutverhältnis abhängt und damit ein Flammlöschen bei zu starker Ausmagerung beschreiben kann. Die Vormischverbrennung der Haupteinspritzung läut wie bei Pirker et al. (2006) über einen Arrhenius-Ansatz ab, hier allerdings erweitert um einen Term, der die Abnahme der laminaren Flammengeschwindigkeit bei den für eine Abgasrückführung typischen hohen Restgasanteilen beschreibt. Die Strahlausbreitung und Gemischbildung der Haupteinspritzung wird wie bei phänomenologischen Modellen üblich über eine empirische Eindringtiefen-Korrelation, z. B. (11.49) und die Annahme der Impulserhaltung abgebildet (11.33). Dabei wird der Strahl in axialer Richtung diskretisiert. In radialer Richtung wird eine empirische Verteilungsfunktion für Kratstoffkonzentration und Strahlgeschwindigkeit angenommen. Daraus ergeben sich in radialer Richtung drei Strahlbereiche: ein fetter Strahlkern, in dem aufgrund von Sauerstoffmangel und unzureichender Kratstoffaufbereitung keine Verbrennung stattfin-

728

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 11.12 Zusammensetzung des Brennverlaufs aus drei Einzelbestandteilen (Kozuch et al. 2010)

Abb. 11.13 Berechneter und gemessener Brennverlauf in Abhängigkeit der Einspritzrate (Kozuch et al. 2010)

det; ein annähernd stöchiometrischer Bereich, in dem eine relativ schnelle „Diffusionsverbrennung I“ stattfindet, die mit einem Zeitskalen-Ansatz in Abhängigkeit der Turbulenz berechnet wird; und schließlich ein magerer Randbereich, in dem es u. a. aufgrund der niedrigen Turbulenz zu einer langsamen „Diffusionsverbrennung II“ kommt. Die Wärmefrei-

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

729

setzung der Haupteinspritzung wird schließlich als Summe der drei Anteile Vormischverbrennung, Diffusionsverbrennung I und Diffusionsverbrennung II ermittelt, s. Abb. 11.12. Kozuch et al. (2010) haben dieses Modell zur Berechnung einer schweren Nfz-Motorbaureihe mit EPA07- bzw. EPA10-Ausführung angewendet. Dabei konnten nach einmaliger Kalibrierung der Modellparameter im gesamten Kennfeldbereich sehr gute Übereinstimmungen zwischen berechneten und aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten Brennverläufen erzielt werden. Insbesondere die Einflüsse von Einspritzverlaufsformung, Einspritzdauer (Last), Motordrehzahl und in gewissen Grenzen der Brennraumgeometrie und Düsenkonfiguration konnten sehr gut abgebildet werden. In Abb. 11.13 ist beispielhat der gemessene und berechnete Einfluss der Einspritzrate abgebildet.

11.2 Ottomotorische Verbrennung Der phänomenologischen Modellierung der Verbrennung in homogen betriebenen Ottomotoren werden zumeist die folgenden vereinfachenden Annahmen zugrunde gelegt: • Brennstoff, Lut und Restgas liegen homogen vermischt vor. • Das Volumen, welches von der Reaktionszone eingenommen wird, ist sehr klein im Vergleich zum Brennraumvolumen; die Flamme wird zumeist als infinitesimal dünn betrachtet (Flamelet-Ansatz). • Der Inhalt des Brennraumes besteht aus zwei Zonen, der verbrannten und der unverbrannten Zone. Zu modellieren ist nun primär die Umsatzrate, mit der das unverbrannte Gemisch reagiert. Physikalisch hängt diese mit der Geschwindigkeit zusammen, mit der sich die turbulente Flammenfront von der Zündkerze ausgehend durch das turbulente Gemisch ausbreitet. Die Vorgänge können in drei Phasen unterteilt werden: • Zündung und Entflammung • Freie Flammenausbreitung • Wandnaher Flammenausbrand Im Fokus steht insbesondere die Modellierung der freien Flammenausbreitung. Diese hängt stark von den Gemischeigenschaten (Gemischzusammensetzung, Temperatur, Druck) und den Turbulenzeigenschaten des Strömungsfeldes ab. In der Literatur wird hier von der turbulenten Flammengeschwindigkeit st gesprochen (Abschn. 11.2.1). Mit der Flammenausbreitungsgeschwindigkeit hängen bei Annahme der obigen Bedingungen der Massenumsatz und die Wärmefreisetzung direkt zusammen (Abschn. 11.2.2). Die Entflammungsphase und auch der wandnahe Flammenausbrand werden als Zusatz modelliert (Abschn. 11.2.3).

730

G.P. Merker und R. Teichmann

Die hauptsächliche Schwierigkeit bei der phänomenologischen Modellierung von Ottomotoren liegt in dem Fehlen der wichtigsten Größen des turbulenten Strömungsfeldes, wie beispielsweise einer turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit u′ sowie von relevanten turbulenten Längenskalen. Diese Größen haben aber einen direkten Einfluss auf die Brenngeschwindigkeit und die Wärmefreisetzung. Somit liegt eine der Hauptaufgaben darin, diese Turbulenz- und Längenskalen in Abhängigkeit der makroskopischen Motorparameter zu formulieren. Bei modernen Motorkonzepten beispielsweise mit variablen EinlassStrömungen (Kanalabschaltung, Drall- oder Tumbleklappen, teilgeöffneten Einlassventilen etc.) wird dies aufgrund der sehr unterschiedlichen Turbulenzeigenschaten schwierig, und bei Benzindirekteinspritzung mit Schichtladungskonzepten reichen Vormischflammenansätze ebenfalls nicht aus. Entsprechend hat die Bedeutung von phänomenologischen Modellen bei Ottomotoren abgenommen und es findet kaum noch Forschung dazu statt. Wichtiger Vorteil ist immerhin die Möglichkeit, sehr schnell den Brennverlauf, Verbrennungsschwerpunkt und ähnliche Parameter abzuschätzen, so dass beispielsweise in kurzer Zeit große Kennfeldbereiche durchgerechnet werden können (z. B. Grill 2006). Die Grundbegriffe sind weiterhin auch für detailliertere räumlich aufgelöste CFD-Modelle von Bedeutung.

11.2.1 Laminare und turbulente Flammengeschwindigkeit Für die zeitliche Energiefreisetzungsrate und damit auch für den Druckanstieg im Zylinder, der aus der Verbrennung resultiert, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der vorgemischten Flammenfront – die sogenannte Flammengeschwindigkeit – von entscheidender Bedeutung. Dabei unterscheidet man zwischen der laminaren Flammengeschwindigkeit sl und der turbulenten Flammengeschwindigkeit st . Die laminare Flammengeschwindigkeit bezeichnet die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer dünnen, vorgemischten Flammenfront in einem ruhenden Brennstoff-Lut-Gemisch. Sie ist von der detaillierten Reaktionskinetik in der Flammenfront und von den Wärmeleitungs- und Diffusionsprozessen innerhalb der Flamme abhängig. Sie kann experimentell bestimmt werden oder über eindimensionale detaillierte Berechnungen der Reaktions- und Transportprozesse in der Flammenfront berechnet werden (Programme Chemkin, Cosilab oder Cantera). Wenn empirische Beziehungen benutzt werden sollen, wird für die Flammenausbreitung in KohlenwasserstoffLut-Gemischen ot die von Metghalchi und Keck (1982) angegebene Beziehung β

Tu α p sl = s l , ( ) ( ) ( − cR fR ) T p

(11.58)

verwendet, die die Temperatur- und Druckabhängigkeit abbildet (mit den Referenzbedingungen T = 298 K und p  = 100 kPa). Auch der Einfluss des Restgases wird mit dem stöchiometrischen Restgasgehalt f R modelliert, wobei die Konstante cR zwischen cR = 2,1 (Metghalchi und Keck 1982) und cR = 3 (Wallesten 2003) vorgeschlagen wird. Die Expo-

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

731

Tab. 11.1 Korrelation nach Methghalchi und Keck (1982) für die laminare Flammengeschwindigkeit von Isooktan α

β

Bedingungen ϕ = 1/λ T

p

2,18 − 0,8(1/λ − 1)

−0,16 + 0,22(1/λ − 1)

0,8–1,2

0,4–50 bar

298–700 K

Tab. 11.2 Parameter für (11.59) Brennstoff

λm

Bm [m/s]

B λ [m/s]

Methanol Propan Isooktan Benzin

0,90 0,93 0,88 0,83

0,369 0,342 0,263 0,305

−1,405 −1,387 −0,847 −0,549

nenten α und β sind in Tab. 11.1 für Isooktan dargestellt, einschließlich der Randbedingungen, für die sie gelten. Zur Bestimmung der laminaren Flammengeschwindigkeit s l , gilt näherungsweise die Beziehung    s l , = Bm + B λ ( − ) , (11.59) λ λm

wobei λm das Lutverhältnis ist, bei dem s l , seinen maximalen Wert von Bm erreicht. Die Parameter sind für einige Brennstoffe in Tab. 11.2 zusammengefasst. Eine neuere Arbeit gibt für Isooktan bis zu 10 bar eine noch genauere Relation an, wobei auch höhere Restgasanteile berücksichtigt werden (Galmiche et al. 2012). In realen Motorbrennräumen ist das Strömungsfeld jedoch nicht laminar sondern turbulent. Deshalb muss zusätzlich der Einfluss der Turbulenz auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfront berücksichtigt werden. Durch die Interaktion mit den turbulenten Wirbeln wird die im laminaren Fall glatte Flammenfront „gefaltet“ (Flame-Wrinkling), sodass sich ihre Oberfläche A vergrößert. Unter der Annahme, dass die lokale Reaktionsrate dabei unverändert bleibt, erhöht sich die gesamte Reaktionsrate proportional zur erhöhten Oberfläche der Flammenfront. Die Vergrößerung der Oberfläche durch die turbulente Flammenfaltung trägt somit effektiv zur Erhöhung der Brenngeschwindigkeit bei. Zur Beschreibung führt man eine turbulente Brenngeschwindigkeit (oder Flammengeschwindigkeit) st ein, die sowohl von der laminaren Flammengeschwindigkeit sl als auch vom Ausmaß der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen abhängen. Als einfachster Ansatz wurde von Damköhler (1940) vorgeschlagen: (11.60) st = sl + u ′ .

Die turbulente Geschwindigkeitsschwankung u’ ist hierbei ein Maß für die Turbulenzintensität und wird aus zeitabhängigen Messserien der fluktuierenden Strömungsgeschwin-

732

G.P. Merker und R. Teichmann

digkeit als Root-Mean-Square (rms)-Wert bestimmt u ≡u ′



rms

√  = (u ′ (t)) ,

(11.61)

Etwas genauer passt der Ansatz zur Berechnung der turbulenten Brenngeschwindigkeit mit experimentellen Daten zusammen: u′ st = sl ⋅ ( + C ) . sl n

(11.62)

Die Damköhlerkonstante C hängt vor allem von der turbulenten Längenskala sowie der Flammendicke ab. Der Exponent n bewegt sich in der Literatur zwischen 0,5 und 1. Koch (2002) schlägt nach eigenen Anpassungen für die Konstanten C = 2,05 und n = 0,7 vor. Die Gleichungen (11.60) und (11.62) machen deutlich, dass die turbulente Brenngeschwindigkeit mit steigender Turbulenzintensität ansteigt. Diese wiederum steigt in Verbrennungsmotoren proportional mit der Drehzahl an. Die praktische Folge ist, dass bei Ottomotoren die Brenndauer (die invers zur turbulenten Brenngeschwindigkeit ist) somit bei niedrigen Drehzahlen lang und bei hohen Drehzahlen entsprechend kurz ist, so dass auch bei hohen Drehzahlen das Gemisch trotz der dann kurzen zur Verfügung stehenden Zeit noch vollständig umgesetzt werden. Dies ist der Grund dafür, dass Ottomotoren mit wesentlich höheren Drehzahlen betrieben werden können als z. B. Dieselmotoren.

11.2.2

Wärmefreisetzung

Im Rahmen der phänomenologischen Modellierung der Wärmefreisetzung im Ottomotor wird häufig das von Blizard und Keck (1974) entwickelte und von Tabaczinsky (1980) erweiterte Entrainment-Modell verwendet, das im Folgenden kurz erläutert wird. Bei diesem Modell wird die Wärmefreisetzung bzw. die Flammenausbreitung gedanklich in zwei Teilschritte zerlegt. Der erste Teilschritt beschreibt das Eindringen der Flamme aufgrund des turbulenten Fortpflanzungsmechanismus ohne Wärmefreisetzung in das noch unverbrannte Gemisch. Die Eindringgeschwindigkeit setzt sich im Tabaczinsky-Modell additiv aus der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit u ′ und der laminaren Brenngeschwindigkeit sl zusammen. Alternativ kann die turbulente Flammengeschwindigkeit auch nach (11.62) benützt werden. Dies ergibt unter Beachtung der Kontinuitätsbedingung für die pro Zeitschritt erfasste Ladungsmasse dme = ρ u At st , dt

(11.63)

wobei At die gemittelt ausgerechnete Fläche der Flammenfront und ρu die Dichte des Unverbrannten ist.

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

733

Tab. 11.3 Ansätze für turbulente Schwankungsgröße aus der Literatur u ′ =  c m u′ = u



Wirth (1993)

ρ / , ⋅ u¯i ( ρui )

ZZP

mit u¯i =

= c T c m mit u = u ′



A ηv Aivp c m / ρ

Keck (1982)

ZZP ( ρ M, ZZP )

Tabaczinsky (1980)

M

Tab. 11.4 Ansätze für die integrale Längenskala aus der Literatur lI = , ⋅ hBR lI, ZZP = c L hBR mit cL = 0,35 lI = lI, ZZP ( ρM,ρMZZP )

Wirth (1993) Tabaczinsky (1980)

/

Der zweite Teilschritt beschreibt die Wärmefreisetzung durch die Verbrennung, wobei die von der Flamme erfassten Frischgaswirbelbereiche mit laminarer Brenngeschwindigkeit umgesetzt werden. Als dominierende Wirbelgröße wird dabei die Taylor-Mikrolänge lT angenommen, die mit dem integralen Längenmaß lI durch lT =



lI ν u′

(11.64)

definiert ist (mit der kinematischen Viskosität ν). Damit folgt für die charakteristische Brennzeit lT (11.65) τ= sl und mit dieser für die Umsatzrate der im Flammbereich befindlichen Brennstoffmasse dmb me − mb = . dt τ

(11.66)

Während die laminare Geschwindigkeit sl nach (11.58) bestimmt werden kann, müssen die integrale Längenskala lI sowie die turbulente Schwankungsgeschwindigkeit u ′ aufgrund der fehlenden Auflösung des Strömungsfeldes modelliert werden. Hierzu gibt es für u ′ in der Literatur Ansätze, die auszugsweise in Tab. 11.3 angegeben werden, wobei c m die mittlere Kolbengeschwindigkeit ist, und die Konstante c T = , gewählt werden kann. Das integrale Längenmaß lI des turbulenten Strömungsfeldes und der Flammenstrukturen beschreibt die großräumigen Wirbel im Brennraum und muss ebenfalls aus Messungen herangezogen werden. Die Größenordnung dieser Wirbel liegt im Bereich von 1 mm < lI < 10 mm. Tab. 11.4 stellt einige Korrelationen aus der Literatur dar, mit der Brennraumhöhe h BR . Das Entrainment-Modell setzt eine voll ausgebildete Flammenfront voraus. Deshalb wird als Startwert für die Verbrennung ein entflammtes Volumen vorgegeben, dessen Masse 1 % der gesamten Ladungsmasse entspricht. Zur Bestimmung des Zündzeitpunkts muss

734

G.P. Merker und R. Teichmann

die Zeitspanne zwischen dem Zündzeitpunkt und dem 1 %-Massenumsatzpunkt, die so genannte Entflammungsdauer, berechnet werden. Man setzt dafür ΔtED = cED τ .

(11.67)

Die hier vorgestellten Modellierungsansätze gelten ausschließlich zur Beschreibung von homogen betriebenen Ottomotoren, die durch eine ausschließlich vorgemischte Verbrennung gekennzeichnet sind. Phänomenologische Modelle für Ottomotoren mit Ladungsschichtung lassen sich in der Literatur kaum finden, da eine Modellierung aufgrund der fehlenden geometrischen Auflösung sehr schwierig erscheint. Koch (2002) formuliert einen Ansatz, der den Brennraum in zwei homogene Zonen, Frisch- und Rauchgaszone, unterteilt. Die Zonen können zudem jede für sich ebenfalls Frischgas und Rauchgas enthalten. Im Schichtbetrieb folgt nach erfolgter Einspritzung die Verdampfungsphase und der Kratstoff interagiert mit der Frischgaszone. Die Verdampfung wird mittels einer charakteristischen Totzeit Δtevap beschrieben und führt zu einer Anfettung der Frischgaszone. Die Verbrennung wird in vorgemischte und mischungskontrollierte Verbrennung unterteilt, wobei das Verhältnis einen zu adaptierenden Faktor darstellt. Der Faktor bestimmt welcher Anteil der eingespritzten Kratstoffmasse vorgemischt bzw. diffusiv verbrennt. Die vorgemischte Verbrennung wird mit dQvor = At ⋅ HU ⋅ ρu ⋅ st ⋅ Ex dt

(11.68)

in Erweiterung zum Tabaczinsky-Ansatz beschrieben. Dabei beschreibt der Expansionsfaktor Ex die Superposition der Flammenfrontgeschwindigkeit mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der verbrannten Zone aufgrund des Dichteunterschiedes zum Unverbrannten, gemäß Heywood (1988). Die mischungskontrollierte Wärmefreisetzung wird in Analogie zu bekannten Ansätzen mittels eines Zeitskalenmodells beschrieben  dQdif ⋅ Hu ⋅ mverf . = dt τfluid + τchem

(11.69)

Dabei stellt τ chem die Zeitskala der chemischen Vorgänge dar und τ fluid die fluiddynamische Mischungszeit. Aufgrund der unterschiedlichen Abhängigkeiten der Skalen dominiert zunächst die chemische Zeitskala. Erst mit fortschreitender Verbrennung und höheren Prozesstemperaturen gewinnt die fluiddynamische Zeitskala zunehmend an Bedeutung. Durch eine geeignete Anpassung der Auteilung vorgemischt/mischungskontrolliert kann die strahlgeführte Verbrennung in Ottomotoren im Schichtbetrieb beschrieben werden. Als letzte zu berechnende Größe muss die gemittelte Flammenfrontoberfläche in Abhängigkeit vom Volumen der verbrannten Zone beschrieben werden. Hierbei wird eine hemisphärische Flammenausbreitung, ausgehend von der Zündkerze als Zentrum, angenommen. Tatsächlich deformiert der Kolbenhub die Flammenfront während ihrer Ausbreitung. Dieser Effekt wird jedoch zumeist vernachlässigt. Abhängig von der Geometrie

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

735

des Brennraumes ist die Zuordnung zwischen Volumen der verbrannten Zone und Flammenoberfläche nicht trivial und erfordert, insbesondere wenn der Brennraum in seiner Form von einer Scheibenform abweicht, eine geometrisch unterstützte Vorabberechnung. Sobald die Flamme eine Wand, beispielsweise den Kolbenboden, erreicht, ändert sich die Flammenfrontoberfläche plötzlich. In der Simulation sind hier Fallunterscheidungen notwendig. Wenn die Flammenfront einer Wand näher kommt oder diese erreicht, sind bei realitätsnäherer Simulation zudem die Wandeinflüsse auf die Reaktion zu berücksichtigen, die stark von der Wandtemperatur abhängt (z. B. Kleinschmidt 1999), und die zu einem Abbremsen und schließlich Verlöschen der Reaktion führen. Die Modellierung dieser ortsund zeitabhängigen Prozesse mit phänomenologischen Ansätzen kann sehr umfangreich werden, und wird hier deshalb nicht weiter im Detail beschrieben.

11.2.3 Zündung Beim Ottomotor wird die Verbrennung durch einen Funkenüberschlag an der Zündkerze eingeleitet. Mit der Annahme, dass eine konstante, die Zündgrenze charakterisierende, adiabate und isobare Entflammungstemperatur existiert, kann durch Bilanzierung eines kleinen Volumenelements im Zündkerzenbereich die Bedingung hAG (Tad,ZZP , pZZP ) =

 − κRG Hu + hFG (Tu, ZZP , pZZP ) .  + λL min

(11.70)

abgeleitet werden. Die damit berechneten Zündgrenzen stimmen in einem weiten Temperaturbereich mit Messwerten gut überein, vgl. Scheele (1999). Abbildung 11.14 zeigt einen Vergleich der aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten Massenumsätze mit den mit dem Entrainment-Modell berechneten charakteristischen Umsätzen. Die Konstante zur Berechnung der Turbulenzintensität ist mit cT = 0,6 und die zur Berechnung des integralen Längenmaßes mit cL = 0,35 so festgelegt, dass das Verhältnis der Zeitabschnitte zwischen den Massenumsatzpunkten mit den Werten aus der Druckverlaufsanalyse übereinstimmt. Die Annahme einer über der Last konstanten Turbulenzintensität bei Brennbeginn gibt die Änderung der Brenndauer hinreichend genau wieder.

11.2.4 Klopfen Da die irreguläre Verbrennung bzw. das Klopfen im Ottomotor vor allem ein lokales Phänomen darstellt, ist die phänomenologische Modellierung ohne geometrischer Auflösung entsprechend schwieriger. Livengood und Wu (1955) postulierten, dass ein Klopfereignis

736

G.P. Merker und R. Teichmann

Kurbelwinkel [°KW n. OT]

30

a)

20

95%-Massenumsatzpunkt

10

50%-Massenumsatzpunkt 5%-Massenumsatzpunkt

0 -10 Zündzeitpunkt

-20

aus Druckverlaufsanalyse (DVA) "Entrainment"-Modell (EM)

-30 -40

relative Brenndauer [%]

120

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Drehzahl: n = 2000 min-1 Konstanten des Turbulenzfeldes: cT = 0,6 cL = 0,35

b) 90% BD , EM

110

Brennraumgeometrie: VH = 0,2 dm3 H/B = 1,0 = 9,35

90% BD , DVA

100 90 ZZP 5% MUP, EM

80

ZZP 5% MUP, DVA

70 60 1

2

3 4 5 6 7 indizierter Mitteldruck [bar]

8

9

10

Abb. 11.14 Vergleich der aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten, mit den mit dem EntrainmentModell berechneten Massenumsätzen (aus: Scheele 1999)

stattfindet, wenn

t klopf



t=

 dt =  τ

(11.71)

erfüllt ist. Dabei ist τ die Zündverzugszeit und tKlopf die Zeit zwischen Kompressionsbeginn und Selbstzündung. Die Zündverzugszeit wird mit einem Arrheniusansatz beschrieben τ = X  ⋅ p−X  exp (

X ) . TU

(11.72)

Einsetzen der beiden Gleichungen liefert das Livengood-Wu Integral t klopf



t=

 dt =  . X  ⋅ p−X  ⋅ exp (X  /TU )

(11.73)

Dabei ist p der Brennraumdruck und T U die Temperatur des unverbrannten Gases. Die Parameter X 1 , X 2 und X 3 müssen an experimentelle Daten angepasst werden.

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

737

Elmqvist et al. (2003) optimierten den Ansatz von Livengood und Wu durch eine Anpassung der Parameter an umfangreiche Klopfmessungen für unterschiedliche Motorlasten und Drehzahlen. Eine Minimierung der Fehlerquadrate der Rechnung zu den Messergebnissen ergibt die optimierten Parameter X 1 = 0,021, X 2 = 1,7 und X 3 = 3800 K. Einen vergleichbaren Ansatz zur phänomenologischen Darstellung des Klopfens verfolgt das ursprünglich von Franzke (1981) aufgestellte und im Rahmen eines FVV-Vorhabens von Spicher und Worret (2002) weiterentwickelte Modell. Der interessierte Leser sei auf die genannten Quellen verwiesen. Die oben genannten Ansätze haben den für phänomenologische Modelle „typischen“ Nachteil, dass bereits umfangreiche Messungen (hier: Motorbetrieb an der Klopfgrenze) vorliegen müssen, um eine Kalibrierung des Modells zu ermöglichen. Diesen Nachteil weisen reaktionskinetische Ansätze nicht auf. Innerhalb dieser Modelle wird die Kohlenwasserstoffoxidation in der Frischgaszone mittels reduzierter oder komplexer chemischen Vorgänge beschrieben und erlaubt so allgemeingültige Vorausberechnungen der Klopfereignisse. Ein reduziertes Modell zur Berechnung des Selbstzündprozesses repräsentiert das Shell-Modell von Halstead et al. (1975), welches mit wenigen Elementarreaktionen zwischen „Pseudo-Spezies“ die Selbstzündung abbildet. Ein komplexeres Modell mit 29 Reaktionen wird von Li et al. (1996) vorgeschlagen, welches die CO-Bildung in die Modellierung der Selbstzündung zu integrieren versucht. Eine detaillierte Übersicht über die Zündung von Kohlenwasserstoffen findet sich in Abschn. 6.2.2.

11.3 Groß-Gasmotoren Null- und eindimensionale Simulationsmodelle sind insbesondere für die Prognose der Eigenschaten eines Motors schon während der Auslegungsphase geeignet. Bei OttoGasmotoren besteht die Herausforderung, dass eine Vielzahl von Brennverfahren und Kratstoffen abzubilden ist. Um die Entwicklung von immer neuen Simulationsmodellen für diese Spezialfälle vermeiden zu können, ist es nützlich, eine möglichst allgemeingültige Modellierung zur Verfügung zu haben. Ein hohes Maß an Allgemeingültigkeit kann von Modellen erwartet werden, die weitgehend auf physikalischen Gesetzen beruhen und nur ein geringes Maß an Phänomenologie enthalten. Zu diesem Zweck wurde am LEC eine konsistente Simulationsmethodik entwickelt, die diesen Bedingungen genügt, vgl. Chmela et al. (2006) und Chmela et al. (2008). Eine Übersicht über die am LEC zur Modellierung der Vorgänge im Gasmotor verfügbaren Simulationsmodelle findet sich in Abb. 11.15. Der Zustand der Zylinderladung während des Hochdruck-Teils ist geprägt durch hohe Temperatur aus Verdichtung und Energiefreisetzung und durch hohe Turbulenzdichte, die hauptsächlich durch die Kolbenbewegung erzeugt wird. Die Prozesse der Gemischbildung und Verbrennung werden daher durch diese beiden Gegebenheiten kontrolliert. Jede Umsetzung von Kratstoff mit Lut führt zu einer Änderung der Konzentrationen der beteiligten Komponenten. Die Änderungsrate folgt für die verschiedenen Reaktionsprozesse bei der motorischen Verbrennung unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten mit ebenfalls unter-

738

G.P. Merker und R. Teichmann

Emissionen Brennrate

LEC-NOX

LEC-OCM

Gasmotor mit offenem Brennraum

LEC-PCM

Gasmotor mit Vorkammer

NOx-Bildung

Klopfen LEC-Knock0D

Klopfmodell

Wärmeübergang LEC-HTM

Wärmeübergangsmodell

Simulationsmodelle

Abb. 11.15 Nulldimensionale Simulationsmodelle

schiedlichen treibenden Faktoren. Auf der einen Seite wird die momentane Verfügbarkeit der Reaktionspartner durch Transport- und Mischungsprozesse auf molekularer Ebene gesteuert, die lokale Turbulenzdichte ist dabei das treibende Phänomen für die Mischungsgeschwindigkeit der Reaktanten. Die dadurch kontrollierte Reaktionsrate lässt sich mit Hilfe des Ansatzes nach Magnussen formulieren, siehe Magnussen und Hjertager (1976). Andererseits wird die momentane Reaktionsrate zwischen den bereits gemischten Reaktionspartnern durch die Reaktionskinetik kontrolliert. Die zugrunde liegenden chemischen Reaktionen können näherungsweise als Bruttoreaktion zwischen Kratstoff und Sauerstoff beschrieben werden. Bei nicht turbulenten Oxidationsprozessen im Motor kann die Konzentrationszunahme der Reaktionsprodukte durch ein Arrhenius-Gesetz beschrieben werden.

11.3.1 Zündverzug Als Basis für die Berechnung des Zündverzuges kann die Gleichung nach Arrhenius zur Beschreibung der Zunahme der Radikalkonzentration herangezogen werden vgl. Chmela et al. (2006), Chmela et al. (2008) und Jobst et al. (2005). Die Entflammung wird eingeleitet, wenn die so errechnete Radikalkonzentration einen bestimmten Schwellwert erreicht, was durch (11.74) abgebildet wird: t VB

∫ rArr (t)dt = 

(11.74)

t ZZP

Das Berechnungsverfahren gilt für beliebige Kratstoffe und Verbrennungsverfahren. Die Modellkonstanten müssen jedoch jeweils aus Messwerten bestimmt werden. In Abb. 11.16 sind beispielhat für zwei Gasmotoren mit offenem Brennraum und Funkenzündung an unterschiedlichen Betriebspunkten gemessene Zündverzüge den Ergebnissen der Vorausrechnung gegenübergestellt. Die Unterschiede zwischen Vorhersage und Messung liegen dabei in einem Streuband der Breite ±1,7 °KW.

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

739

Simulierter Zündverzug [°KW]

25.0

1.7°KW 20.0

1.7°KW

15.0

Motor 1 Motor 2 10.0 10.0 Zündverzug

15.0

20.0

25.0

gemessener Zündverzug [°KW]

Abb. 11.16 Vergleich simulierter und gemessener Zündverzug

11.3.2 Brennrate beim Otto-Gasmotor mit ofenem Brennraum Beim Gasmotor mit offenem Brennraum wird das homogene Gemisch im Zylinder mit einer Zündkerze entflammt. Für diesen Fall der vorgemischten turbulenten Verbrennung wird die Magnussen-Gleichung herangezogen. Für die Berechnung des momentan für die Verbrennung verfügbaren Gemischvolumens wird von der Vorstellung ausgegangen, dass sich eine halbkugelförmige Flammenfront einer bestimmten Dicke von der Zündquelle ausgehend mit der turbulenten Flammengeschwindigkeit, die mittels der turbulenten Schwankungsgeschwindigkeit aus der laminaren Flammengeschwindigkeit berechnet wird, durch die Ladung bewegt. Für die Berechnung der laminaren Flammengeschwindigkeit kann unter anderem eine Formulierung von Peters benutzt werden, die ebenso einen temperaturabhängigen Exponentialterm enthält, vgl. Müller et al. (1997). Der Anteil des momentan global vorhandenen noch unverbrannten Kratstoffes nimmt jedoch mit fortschreitender Verbrennung ab, was mit der Differenz zwischen der vor Verbrennungsbeginn vorhandenen Kratstoffmasse und dem Integral der bisher freigesetzten Kratstoffenergie beschrieben werden kann. Mit diesem Term wird im Wesentlichen die Abnahme der Kratstoffverfügbarkeit in der Ausbrandphase berücksichtigt, wenn die Flammenfront bereits die Brennraumwände erreicht hat.

740

G.P. Merker und R. Teichmann

Ausgehend von der Magnussen-Gleichung folgt nach wenigen Umformungen und mit einigen zusätzlichen Vereinfachungen, vgl. etwa Jobst et al. (2005), schließlich die Brennratengleichung (11.75) für Gas-Ottomotoren mit homogener Ladung. dQ G m K, Hu − QG τlam t  = CG  dt  V

(11.75)

Zyl

Der anfängliche Anstieg des Brennratenverlaufs ist durch den quadratischen Term in t geprägt, der die Ausbreitung der Flammenfront abbildet, während das Abklingen gegen Ende durch den Verfügbarkeitsterm im Zähler kontrolliert wird, der das Verschwinden des brennbaren Gemischs, das heißt, der noch verfügbaren Kratstoffenergie wiedergibt. Abbildung 11.17 zeigt Verifikationsbeispiele des Brennratenmodells für Variationen von Ladedruck und Lutverhältnis.

11.3.3 Brennrate beim Otto-Gasmotor mit Vorkammer Für die Simulation der sehr komplexen Verhältnisse der Verbrennung beim Gasmotor mit Vorkammer kann einerseits, wie in Chmela et al. (2007) beschreiben, auf eine physikalische Formulierung zurückgegriffen werden. Andererseits ist aber auch eine rein empirische Modellierung der Brennrate möglich, vgl. etwa Zhu et al. (2009), wobei basierend auf einer einfachen Doppel-Vibe-Funktion ein mathematischer Zusammenhang zwischen den Betriebsparametern des Motors (z. B. Ladedruck, Ladungstemperatur, Zündzeitpunkt, Lutverhältnis) und den Vibe-Parametern über Funktionale abgebildet wird. Die Bestimmung der Funktionale basiert auf der Anwendung der DoE-Methode (Design of Experiments) am Motorenprüfstand. Der Vorteil dieser Methode liegt in den extrem kurzen Rechenzeiten und der sehr einfachen Bedienbarkeit. Allerdings ist die Übertragbarkeit auf andere Motorkonfigurationen nur bedingt möglich. Hier bietet die möglichst physikalische Modellierung Vorteile. Dabei geht man davon aus, dass der Hauptbrennraum und die Vorkammer als zwei über die als Drosselstelle wirkenden Überströmkanäle verbundene Brennräume betrachtet werden, wobei der Massenstrom eine zentrale Größe darstellt. Für die Modellierung wurde die in Abb. 11.18 dargestellte Vorstellung für den Ablauf der Vorgänge vom Zündzeitpunkt bis zum Verbrennungsende im Zylinder entwickelt. Ab dem Beginn des Funkenüberschlags (ZZP) an der in der Vorkammer befindlichen den Überströmkanälen gegenüber liegenden Zündkerze läut der Zündverzug (ZVVK ) bis zum Beginn der Verbrennung in der Vorkammer (BBVK ) ab. Die anfangs halbkugelförmige Flammenfrontfläche wird bald nach Verbrennungsbeginn durch Kontakt mit den Kammerwänden begrenzt und bewegt sich mit der turbulenten Flammengeschwindigkeit von der Zündkerze weg in Richtung der Überströmkanäle. Es wird angenommen, dass zum Zeitpunkt, zu dem die Flammenfront die Überströmkanäle erreicht, erstmals brennendes Gemisch aus der Vorkammer in den Hauptbrennraum übertritt und dort ohne weitere Verzögerung die Entflammung einleitet (BBZyl ). Die Verbrennung in der Vorkammer läut

-30 -20 -10

0.00

0.01

0.02

0.03

0 10 20 30 40 50 Kurbelwinkel [°KW n.OT]

60

70

80

dQ Analyse dQ Simulation

p2 = 2.5 bar

dQ Analyse dQ Simulation

p2 = 1.5 bar

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

spez. Brennrate [1/°KW] spez. Brennrate [1/°KW]

-30 -20 -10

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

0 10 20 30 40 50 Kurbelwinkel [°KW n.OT]

60

70

80

dQ Analyse dQ Simulation

λ = 1.58

dQ Analyse dQ Simulation

λ = 1.66

Abb. 11.17 Analysierter und simulierter Brennratenverlauf bei unterschiedlichen Ladedrücken und Lutverhältnissen

spez. Brennrate [1/°KW]

0.04

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04 spez. Brennrate [1/°KW]

11 Phänomenologische Verbrennungsmodelle 741

742

G.P. Merker und R. Teichmann

Brennrate Zylinder

Brennrate

Stufe 1

ZVZyl ZVVK Stufe 2 Brennrate Vorkammer ZZP

BBVK

BBZyl

BEVK

Kurbelwinkel

Abb. 11.18 Schematische Darstellung der Brennratenverläufe in Vorkammer und Hauptbrennraum

noch weiter, bis auch die bis zu diesem Zeitpunkt von der Flammenfront nicht erfassten Bereiche verbrannt sind (BEVK ). Zündverzug und Brennrate in der Vorkammer werden wie bei den Modellen für den offenen Brennraum berechnet. Das Flammenfrontvolumen wird hier gemäß den geometrischen Verhältnissen in der Kammer bestimmt, die Turbulenzdichte wird wie für die Berechnung des Zündverzugs aus der kinetischen Energie der einströmenden Masse berechnet. Die aus den Überströmkanälen austretenden brennenden Gasstrahlen vermischen sich mit einem Teil der umgebenden Frischladung und brennen mit diesem Ladungsteil zusammen turbulenzgesteuert aus. Für die erste Phase der Verbrennung im Hauptbrennraum enthält die Brennratengleichung somit als Quellterm den im aus der Kammer austretenden Gasstrahl noch unverbrannten Anteil der Kratstoffmasse sowie als weiteren Quellterm den Kratstoffanteil der in den Gasstrahl zugemischten Frischladung. Ähnlich zur Berechnung der Turbulenzdichte in der Vorkammer wird die Turbulenzdichte im Gasstrahl ebenfalls aus der kinetischen Energie der überströmenden Gasmasse berechnet, jedoch wird dafür die aus der Vorkammer austretende Gasmasse herangezogen. Gleichzeitig wirken die Flammenfackeln ähnlich einer Zündkerze beim Motor mit offenem Brennraum und können somit als Ausgangspunkt für die Entwicklung und das Fortschreiten einer Flammenfront für die zweite Stufe der Brennrate im Zylinder herangezogen werden. Das Modell für die zweite Stufe der Brennrate im Zylinder entspricht dem Aufbau nach dem Modell für die Brennrate des Gasmotors mit offenem Brennraum, die Gleichung für die Brennrate muss nur hinsichtlich der verfügbaren Kratstoffmasse und der Turbulenzdichte spezialisiert werden. Die Turbulenzdichte wird aus dem in der Ladung zum Zündzeitpunkt vorhandenen hauptsächlich aus Einlass-Strömung, Drall- und

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

spez. Brennrate [1/°KW]

0.05

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.3 bar λ = 1.81 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

-20

-10

0

Luftverhältnis

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

743 0.05 spez. Brennrate [1/°KW]

11

0.04

n = 1500 min-1 pi = 14.5 bar λ = 1.81 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

60

Analyse Simulation

-20

-10

0

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

60

Abb. 11.19 Variation des Ladedruckes bei konstantem Lutverhältnis Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.3 bar λ = 1.77 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

-20

-10

0

Ladedruck

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

60

0.05 spez. Brennrate [1/°KW]

spez. Brennrate [1/°KW]

0.05

Analyse Simulation

0.04

n = 1500 min-1 pi = 11.7 bar λ = 1.69 ZZP = -20°KW n.OT

0.03 0.02 0.01 0.00

-20

-10

0

10 20 30 40 Kurbelwinkel [°KW]

50

60

Abb. 11.20 Variation des Lutverhältnisses im Zylinder bei konstantem Ladedruck

Quetschströmung erzeugten Anteil sowie dem aus der kinetischen Strahlenergie stammenden und auf die Zylindermasse bezogenen Anteil zusammengesetzt. In Abb. 11.19 sind die Brennratenverläufe aus Druckverlaufsanalyse und Modellvorhersage für die Ladedrücke 2,0 und 2,5 bar wiedergegeben. Die Übereinstimmung zwischen Analyse und Vorhersage ist für beide Ladedrücke als sehr gut zu bezeichnen. Auch die Effekte des für Gasmotoren wichtigen Betriebsparameters Lutverhältnis werden von den Modellen in befriedigender Weise beschrieben, siehe Abb. 3.26.

11.3.4 Klopfen Zur Beschreibung und zur Voraussage der mit der klopfenden Verbrennung in Gasmotoren verbundenen Phänomene wurden Modelle für den Klopfbeginn, die Klopfhärte, die Klopfhäufigkeit und den Klopfabstand sowohl in Abhängigkeit von Zündzeitpunkt als auch Lutverhältnis entwickelt, siehe Dimitrov et al. (2005). Für die Bestimmung des Klopfbeginns wird wie bei der Modellierung des Zündverzugs die Arrhenius-Beziehung verwendet, womit der Anstieg der Radikalkonzentration in der unverbrannten Ladung errechnet wird. Die Reaktionsrate wird zwischen Einlass-Schluss

Häufigkeit pmax [%]

100

02 1 0 20 aktuelle ∆pmax -1 Klopf40 -2 häufigkeit -3 BB* für pmax, kr. und -4 60 10% Klopfhäufigkeit -5 -6 80 pmax, 10% -7 pmax, kr. -8 100 -9 pmax, sim -10 BBsim -11 -12 -13 -14 -15 BBkr. aktueller Klopfabstand BB* -16 -17 -18 94 98 102 106 110 114 118 122 126 130 134 138 142 146 150 154 158 162 166 170

Klopfhäufigkeit 10%

80 60 40 20 0 -20 -40 -60 -80 -100 90

Klopfhäufigkeit [%]

G.P. Merker und R. Teichmann

Brennbeginn [°KW n.OT]

744

Spitzendruck [bar]

Abb. 11.21 Ermittlung der Klopfhäufigkeit und des Klopfabstandes

ES und Klopfbeginn KB aus Zylinderdruck (p), Temperatur der unverbrannten Zone (T u ) und Methanzahl (MZ) bestimmt. Gleichung 11.76 mit den Modell-Konstanten a, b und n stellt den zeitlichen Verlauf der Radikalkonzentration dar. t KB

IK = ∫ p n e −

aMZ+b Tu

dt

(11.76)

t ES

Ein simulierter Verbrennungszyklus wird als klopfend bezeichnet, wenn der Integralwert IK zwischen Brennbeginn und Brennende eine bestimmte Schwelle erreicht. Gleichzeitig müssen noch zwei weitere Bedingungen erfüllt sein: Zum Klopfbeginn muss noch eine bestimmte unverbrannte Kratstoffmasse im Zylinder vorhanden sein, und die Klopfhärte des simulierten Zyklus muss größer als ein bestimmter Schwellwert sein. Da die Klopfentstehung noch nicht vollständig deterministisch beschrieben werden kann, wurde hier für die Klopfvorhersage der Weg beschritten, den stochastischen Anteil durch Bezug auf den als bekannt vorausgesetzten Variationskoeffizienten für den Spitzendruck (COVpmax ) zu berücksichtigen. Die darauf basierende Strategie für die Vorausberechnung der Klopfhäufigkeit wurde in Dimitrov et al. (2005) erläutert. Die einzelnen Schritte der Vorhersagemethode für die Klopfhäufigkeit lassen sich anhand von Abb. 11.21 beschreiben. Mit einer kleinen Erweiterung lässt sich gleichzeitig auch der Klopfabstand bestimmen, das heißt, der Betrag, um den der Brennbeginn zu verschieben wäre, um die Klopfhäufigkeit an der Klopfgrenze zu erreichen. Es ergibt sich folgende Vorgehensweise:

11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

745

1. Simulation des Verbrennungszyklus mit Hilfe der Modelle für Zündverzug und Brennverlauf 2. Berechnung des Spitzendrucks pmax,sim mit Hilfe der Kreisprozessrechnung 3. Bestimmung der Summenkurve der Häufigkeitsverteilung des Spitzendrucks aus pmax,sim und COVpmax . 4. Wiederholung von Punkt 1 unter Variation des Brennbeginns (BB) zur Bestimmung des kritischen Brennbeginns BBkr . sowie des dazugehörigen Spitzendrucks pmax,kr an der Grenze zwischen Klopfen und Nicht-Klopfen mittels Anwendung der Modelle für Klopfbeginn und Klopfhärte 5. Die Ordinatendifferenz des jeweiligen Werts der Summenkurve an der Stelle des kritischen Spitzendrucks (pmax,kr ) auf 100 % liefert dann den jeweiligen Wert für die Klopfhäufigkeit 6. Zur Bestimmung des Klopfabstandes wird die Summenkurve derart verschoben, dass an der Stelle des kritischen Spitzendrucks pmax,kr die Klopfhäufigkeit der Klopfgrenze erreicht wird. 7. Der damit verbundene Betrag der Änderung des Brennbeginns entspricht dem Klopfabstand. 8. Umrechnung des Klopfabstandes in eine entsprechende Änderung des Zündzeitpunkts. Der Zusammenhang zwischen Zündzeitpunkt und Brennbeginn ist dabei über das Zündverzugsmodell zu ermitteln. Der Variationskoeffizient (COVpmax ) für den Spitzendruck ist eine Basisgröße für die Vorausberechnung der Klopfhäufigkeit. Dieser Wert ist nicht vorhersagbar, sondern ein Ergebnis der Motorentwicklung auf dem Prüfstand. Als Simulationsergebnis wird daher die Klopfhäufigkeit nicht als Einzelwert, sondern als Funktion des Variationskoeffizienten angegeben.

11.3.5 NOx -Emissionen und Wärmeübergang Die Berechnung der während der Verbrennung autretenden Stickoxidkonzentration kann mit ausreichender Genauigkeit nach dem bekannten Modell von Pattas und Häfner, siehe Pattas und Häfner (1973), erfolgen, das ausschließlich die Bildung von thermischem NO über den erweiterten Zeldovich-Mechanismus mit insgesamt sechs Reaktionsgleichungen berücksichtigt. Die Temperatur der verbrannten Zone wird auf Basis des jeweiligen Brennratenmodells über ein Zweizonen-Modell errechnet. Die geeignete Formulierung des Wärmeübergangs bei Großgasmotoren ist insofern von großer Bedeutung, da die Höhe des Wärmeübergangs durch die Zusammensetzung des Kratstoffes beeinflusst wird. Dies gilt insbesondere für die Komponenten Wasserstoff und Kohlenmonoxid.

746

G.P. Merker und R. Teichmann

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11

Phänomenologische Verbrennungsmodelle

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748

G.P. Merker und R. Teichmann

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Abgasnachbehandlungssysteme Reinhard Tatschl und Johann Wurzenberger

12

12.1 Methoden der Abgasnachbehandlung Die Herabsetzung von gesetzlich erlaubten Emissionen ist ein seit vielen Jahren weltweit stattfindender kontinuierlicher Prozess. Emissionsvorschriten sind dabei stark diversifiziert und berücksichtigen Unterschiede im Motortyp, Fahrzeug/Motorkategorie, Motorleistung und Land/Region in denen sie zur Anwendung kommen. Beim Motortyp wird zwischen Diesel und Ottomotorischer Verbrennung unterschieden, wobei auch bei neuen direkt einspritzenden Ottomotoren ähnliche Emissionsvorschriten wie bei Dieselmotoren gelten. Bei Fahrzeug/Motorkategorie gibt es unterschiedliche Emissionsvorschriten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, mittlere und schwere Nutzfahrzeuge (Lkw, Bus), Off-Road Anwendungen (Traktoren, Baumaschinen, etc.), stationäre Dieselmotoren (z. B. für Generatoren), sowie Motoren für Lokomotiven und Marine-Anwendungen. Bei den Off-Road Anwendungen werden die Emissionsvorschriten auch durch die Motorleistung bestimmt. Die Länder/Regionsspezifischen Normen unterscheiden sich durch die durchzuführenden Testzyklen (z. B. US FTP, Euro NEDC, Japan JC08, etc.) und die einzuhaltenden Emissionsstandards. In Europa unterteilt man Emissionsvorschriten für den On-Road Bereich nach Euro 2, 3, 4, 5 und 6 bzw. und für den Off-Road Bereich in Stufe II, IIIA, IIIB und IV. In den USA gelten etwa die US-2004 US-2007 und US-2010 Normen für On-Road und die Tier 2, Tier 3, Tier 4 interim und Tier 4-Normen für Off-Road. In Ländern wie China und Indian werden lokale Emissionsvorschriten ot in Anlehnung an europäische und US-amerikanische Standards mit zeitlicher Verzögerung eingeführt. Die derzeit strengsten Normen (Euro 6, Tier 4, Stufe IV) sollen kontinuierlich ab 2013/2014 in Europa und den USA eingeführt werden. Diese Normen legen somit die Richtschnur für alle zuküntigen Motor- und Abgasnachbehandlungstechnologien fest. Dr.-techn. Reinhard Tatschl B ⋅ Dr.-techn. Johann Wurzenberger AVL LIST GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_12, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

749

750

G.P. Merker und R. Teichmann

Mit dem Ziel Mensch und Umwelt zu schützen sind unabhängig vom jeweiligen gesetzlichen Standard die Emissionen von Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (HC), Stickoxiden (NOx ) und Partikeln (PM) limitiert1 . Die angewandten Technologien zur Verringerung dieser Emissionen können grundsätzlich in innermotorische Maßnahmen und Abgasnachbehandlung unterteilt werden. Bei direkteinspritzenden Dieselmotoren umfasst etwa innermotorische Emissionsreduktion den Einsatz von Abgasrückführung (NOx Reduktion) und die Optimierung der Gemischbildung (NOx und PM Reduktion). Letzteres wird mithilfe von Verbesserungen im Bereich des Einspritzsystems, der Kolbenmuldengeometrie, des Einlasssystems, der Verbrennungsführung etc. erreicht. Ein bekannter Kompromiss, der bei innermotorischen Emissionsoptimierungen gemacht werden muss, betrit die Bildung von NOx und PM, die gegenläufige Trends aufweisen (NOx Reduktion geht einher mit PM Erhöhung und umgekehrt). Durch den Einsatz von Abgasnachbehandlung kann hier ein zusätzlicher Freiheitsgrad im Motor-Design generiert werden. Etwa werden NOx Emissionen im Zylinder bewusst zugelassen und dafür im Abgassystem geeignet reduziert. Emissionsreduktion im Wege der Abgasnachbehandlung umfasst eine Reihe von verschiedenen Katalysatoren, Filtertechnologien und Einspritzsystemen. Während man bei Lambda-geregelten Ottomotoren seit vielen Jahren erfolgreich Drei-Wege-Katalysatoren (TWC) verwendet, erfordert moderne Diesel-Abgastechnologie den Einsatz von verschiedenen Komponenten. Zur Reduktion von CO, HC und PM sind Diesel Oxidationskatalysator (DOC), Diesel Partikelfilter (DPF), kombinierter Oxidationskatalysator und offener Partikelfilter (POC) im Einsatz. DPF und POC unterscheiden sich in den FilterWirkungsgraden (DPF über 90 %, POC 30–50 %) und in den angewandten Rußregenerationsmechanismen (DPF passiv und aktiv, POC passiv). NOx Abgasnachbehandlung stützt sich im Wesentlichen auf zwei Technologien. Auf selektive katalytische Reduktion (SCR) unter Zuhilfenahme des Reduktionsmittels NH3 und auf NOx -Speicherkatalysatoren. Letztere finden Verwendung nicht nur bei kleineren Dieselmotoren sondern auch bei mager verbrennenden direkteinspritzenden Ottomotoren. Einspritzsysteme im Abgasstrang dosieren typischerweise wässrige Harnstofflösungen oder Diesel ins Abgas. Ersteres liefert über Verdampfung, hermolyse und Hydrolyse den in SCR Katalysatoren erforderlichen Ammoniak und Diesel unterstützt die erforderliche Temperaturerhöhung bei aktiver DPF Regeneration. Der Einsatz und die Kombination der oben angeführten Abgastechnologien hängen von einer Reihe von Faktoren ab. Das sind die Größe des Motors und die damit verbundenen Abgasmenge, die Emissionen des Motors, die geometrisch mögliche Einbausituation der Abgasanlage und vor allem die anvisierte Emissionsnorm. Bei Euro 5 Nutzfahrzeugen 1

In Anhängigkeit der jeweiligen Norm gibt es etwa verschiedene Auffassungen von HC, das bei manchen Euro Normen für Ottomotoren als gesamtes HC (Euro 4) und als HC ohne Methan (Euro 5) zusätzlich bewertet wird. Ähnlich gibt es unterschiedliche Darstellungen von NOx und HC, die bei Euro-Normen für Ottomotoren getrennt limitiert werden und bei Euro-Normen für Dieselmotoren auch als Summe beider. Partikelemissionen werden bis Euro 4 massenspezifisch dargestellt und darüber hinaus zusätzlich über die Partikelanzahl beschränkt.

12

Abgasnachbehandlungssysteme

751

Abb. 12.1 Beispiel einer Abgasanlage eines Euro 6 Diesel-Pkw bestehend aus DOC, DPF, und SCR

werden z. B. die Ansätze DOC-DPF oder DOC-SCR je nach Emissionsniveau von NOx und PM im Grundmotor verwendet. Bei Euro 6 Normen sind sowohl NOx als auch PM Reduktionsmaßnahmen im Abgasstrang erforderlich. Hierzu stehen die Kombinationen DOC-DPF-SCR (siehe Abb. 12.1) und DOC-SCR-DPF zur Diskussion. Die erste Variante erlaubt im Gegensatz zur Zweiten passive Regeneration im DPF. Die zweite Variante wiederum weist Vorteile auf bei der NOx -Reduktion im Kaltstart durch den motornäheren SCR Katalysator. Anspringverhalten im Kaltstart und Einschränkungen bei der vorliegenden Einbaugeometrie sind zwei wesentliche Gründe um die Emissionsreduktionseffekte einzelner Komponenten stärker zu integrieren. Ansätze dazu sind etwa die Integration von NOx Reduktionsmaßnahmen in DPFs. Durch geeignete Beschichtung können entweder SCR- oder auch NOx -Speicherfunktionen im Filter dargestellt werden. In ähnlicher Form ist es denkbar, Oxidationsaufgaben des DOC in DPFs zu übertragen. Durch die Anwendung von Zonenbeschichtung können beispielsweise SCR basierte NOx Reduktion und Ammoniakoxidation innerhalb eines Katalysators über dessen Länge kombiniert werden. Die Anwendung von Beschichtungszonen ist nicht nur über die Länge von Katalysatoren oder Filtern denkbar sondern auch übereinander gelegte Beschichtungen mit verschieden katalytischen Aufgaben sind vorstellbar. Hierbei kann die Selektivität des gesamten Katalysators zusätzlich noch über Porendiffusionseffekte gesteuert werden. Die Vielfalt an Abgasnachbehandlungstechnologien und deren komplexe Kombinationsvarianten stellen eine große Herausforderung bei Entwicklung und Optimierung moderner Abgasanlagen dar. Die Computersimulation stellt hier ein zusätzliches Werkzeug dar, um verschiedene Varianten virtuell zu vergleichen und damit den Entwicklungsaufwand zu reduzieren.

12.2 Modellbildung und Simulation Bei der Auslegung und Optimierung von Abgasnachbehandlungssystemen gewinnt der Einsatz von Simulationsverfahren zunehmend an Bedeutung. 1D-Simulationsmodelle ermöglichen bereits in der frühen Konzeptphase die Untersuchung und Bewertung unterschiedlicher Gesamtsystemkonfigurationen in ihrer Auswirkung auf das zu erwartende Konvertierungsverhalten der späteren Hardware und liefern damit die Grundlage für Systementscheidungen. Darüber hinaus werden bei der Vorauslegung einzelner Abgasnach-

752

G.P. Merker und R. Teichmann

behandlungskomponenten hinsichtlich Größe, Position, Beschichtung und Einbau detaillierte 3D-Simulation angewandt. Darüber hinaus bilden recheneffiziente Modelle für Abgasnachbehandlung in Verbindung mit Realtime-Motormodellen im Rahmen der Funktionsentwicklung die Basis für die Entwicklung und Bedatung von Steuergerätealgorithmen. Die Bandbreite an Fragestellungen an die Berechnung führt typischerweise zum Einsatz maßgeschneiderter Modelle für die jeweiligen Anwendungen. Bei der Modellbildung von Abgasnachbehandlungssystemen kann zwischen einer Reihe verschiedener Komponenten unterschieden werden. Moderne Systeme bestehen typischerweise aus Katalysatoren, Rußfiltern, Dosierungseinheiten und Rohren. Die grundsätzlichen Modellannahmen und Grundgleichungen sind dazu in den folgenden Kapiteln zusammengefasst. Dazu werden einige ausgewählte Simulationsergebnisse vorgestellt und diskutiert.

12.3 Abgaskatalysatoren Wabenkatalysatoren werden seit vielen Jahren für die Abgasnachbehandlung von Motoremissionen eingesetzt. Die Wabenstruktur besteht aus vielen hundert parallel geführten Einzelkanälen und sorgt dafür, dass eine pro Bau-Raum möglichst große Kontaktfläche zwischen Gas und Katalysatorwand geschaffen wird. An den Wänden sind in einer, oder auch in mehreren, dünnen Beschichtungen (Washcoat) katalytisch aktive Zentren eingelagert (z. B. Platin, Rhodium, Palladium, etc.), um Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, nicht verbrannte Kohlenwasserstoffe und Stickoxide zu konvertieren. Der eigentliche katalytische Reaktionsablauf ist in vielen Fällen äußerst komplex und auch nur teilweise verstanden. Ein wesentlicher Effekt ist, dass katalytisch unterstützte Reaktionen bereits bei deutlich niedrigeren Temperaturen ablaufen als in Abwesenheit von katalytischer Unterstützung. Somit gelingt es, Schadstoffe auch schon bei den für Motorabgase typischen Temperaturen zu reduzieren. Bei welchen Betriebsbedingungen (Temperatur, Massenstrom, Gaszusammensetzung) die Konvertierung in welchem Ausmaß stattfindet, ist eine wesentliche Eigenschat von Katalysatoren und deren Voraussage eine Kernfrage jeder Katalysatorsimulation. Die Entwicklung theoretischer Modelle zur Beschreibung von Abgaskatalysatoren dient nicht nur dazu, das grundsätzliche Verständnis der unterschiedlichen Effekte zu erweitern, sondern soll auch die Auslegung und Optimierung von realen Systemen unterstützen. Abhängig von den untersuchten Fragestellungen und den vorhandenen Rechenkapazitäten haben sich dazu in den letzten Jahrzehnten Katalysatormodelle unterschiedlicher Modellierungstiefe etabliert (Depcik und Assanis 2005).

12.3.1 Grundgleichungen Die physikalischen und chemischen Effekte, die innerhalb eines einzelnen Kanals eines Wabenkatalysators stattfinden, sind in Abb. 12.2 dargestellt. Es kann dabei grundsätzlich

12

Abgasnachbehandlungssysteme

753

Abb. 12.2 Effekte im Einzelkanal und innerhalb der Beschichtung eines Wabenkatalysators und Ablaufschema einer heterogenen katalytischen Reaktion

zwischen einer Reihe von verschiedenen Transportmechanismen unterschieden werden. In der Gasphase der Kanäle findet konvektiver und konduktiver Transport in axialer Richtung statt. In der Feststoffphase des Substrats erfolgt konduktiver Wärmetransport und zwischen den beiden Phasen kommt es zu Übergang von Stoff und Wärme. In der porösen Struktur der Katalysatorbeschichtung finden die Effekte Porendiffusion, Adsorption von Edukten an der Oberfläche, Reaktion an katalytisch aktiven Zentren und Desorption von Produkten in die Gasphase des Porensystems statt. Die Beschichtung kann im Allgemeinen nicht nur aus einer homogenen Schicht bestehen, sondern auch aus einer Reihe von Schichten mit verschiedenen katalytischen und Diffusionseigenschaten. Wird angenommen, dass radiale Gradienten über den Katalysatormonolithen vernachlässigbar sind, ist es möglich, den gesamten Katalysator mit einem 1D-Modell in axialer Richtung z zu beschreiben. Der Einfluss von kanalinternen Gradienten auf Stoff- und Wärmeübergang wird dabei mit Hilfe von empirischen Beziehungen angenähert. Unter der Annahme, dass in der Beschichtung der diffusive Stotransport rechtwinkelig zur Kanalrichtung dominant ist, kann ebenfalls ein 1D-Modell (Richtung y in Abb. 12.2) formuliert werden um Speziestransport und Reaktion in der Beschichtung zu erfassen. Die Kombination der beiden Modelle lässt sich, wie schon von Dieterich (1998) formuliert und vorgestellt, als 1D+1D-Modell zusammenfassen. Im Folgenden werden dazu die erforderlichen Bilanzgleichungen eines transienten 1D+1D-Modells erläutert.

754

G.P. Merker und R. Teichmann

Die Kontinuitätsgleichung in der Gasphase des Kanals wird beschrieben durch: ∂ρg ∂ρg ⋅ vg ageo S ⋅ ∑ β j ⋅ (ρgP ⋅ w Pj,g − ρg ⋅ w j,g ) . = + ∂t ∂z εg j

(12.1)

Der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung beschreibt den summierten Speziestransfer zwischen Gasbulk im Kanal und der Gasphase im Porensystem der Beschichtung. Dieser Term ist null für homogene und stationäre heterogene Konvertierungsreaktionen, ist aber erforderlich zur Bilanzierung von transienten Auf- und Abspeicherreaktionen in der Beschichtung. Der Druckverlust im Katalysator wird durch folgende Impulsbilanz beschrieben ∂ (ρg ⋅ vg + pg ) ρg ⋅ vg ∂ρg ⋅ vg =− + ζ (Re) ⋅ . ∂t ∂z  ⋅ dhyd

(12.2)

Die Energieerhaltung in der Gasphase ergibt sich nach

⎡ ⎡ S S v ⎤ v ⎤ ⎢ ⎥ ⎥ ∂ ⎢ ⎢ρg ⋅ ⎛∑ w j,g ⋅ h j,g + g ⎞⎥ = − ∂ ⎢ ρg ⋅ vg ⋅ ⎛∑ w j,g ⋅ h j + g ⎞⎥ ⎢ ⎢ ⎥ ∂t ⎢  ⎠⎥ ∂t ⎢  ⎠⎥ ⎝ j ⎝ j ⎥ ⎣ ⎣ ⎦ ⎦ S ∂Tg ∂w j,g ∂ ∂ (λg ⋅ )+∑ (ρg ⋅ Deff ⋅ ⋅ h j,g ) + ∂z ∂z ∂z j ∂z ⎡ ⎤ S ⎥ ageo ⎢ + ⋅⎢ α ⋅ (Ts − Tg ) − ∑ β j ⋅ h j,g ⋅ (ρgP ⋅ w Pj,g − ρg ⋅ w j,g )⎥ ⎥. ⎢ εg ⎢ ⎥ j ⎦ ⎣

(12.3)

Der zweite (Wärmeleitung) und dritte (Cross-Diffusion) Term auf der rechten Seite der Gleichung sind üblicherweise klein im Vergleich zum ersten Term (Konvektion) und werden nur bei sehr kleinen Strömungsgeschwindigkeiten signifikant. Der letzte Term der rechten Seite beinhaltet einerseits eine Wärmequelle infolge des Wärmeaustausches mit der Wand. Andererseits trägt darin der zweite Ausdruck ein negatives Vorzeichen, um damit die Enthalpie, die durch die Speziesverschiebung in der Gasphase erfasst ist, explizit der Energieerhaltung der Wand aufzuschlagen und somit nicht doppelt zu bilanzieren. Die Spezieserhaltung in der Gasphase ergibt sich zu ∂w j,g ∂ρg ⋅ w j,g ∂ρg ⋅ w j,g ⋅ vg ∂ = + (ρg ⋅ Deff ⋅ ) ∂t ∂z ∂z ∂z ageo + ⋅ β j ⋅ (ρgP ⋅ w Pj,g − ρg ⋅ w j,g ) . εg

(12.4)

Ähnlich der Energieerhaltungsgleichung ist auch hier der konduktive Transport klein im Vergleich zum konvektiven Transport. Die Änderung des Speziesmassenanteils ergibt

12

Abgasnachbehandlungssysteme

755

sich infolge von Speziesmassentransfer zwischen den Gasphasen im Kanal und im Porensystem der Beschichtung. Dieser Speziesmassentransfer beschreibt indirekt die Auswirkung von Konvertierungsreaktionen in der Beschichtung auf die Gaszusammensetzung im Kanal. Die Energieerhaltung der Feststoffphase ist ⎤ ⎡ y=TP ⎥ R ageo ⎢ ∂Ts ∂ ∂Ts ⎥ ⎢ ′′′ P ⋅ ⎢α ⋅ (Ts − Tg ) − ∫ ∑ Δh i ⋅ r˙i (cg , Ts )dy⎥ . (12.5) = (λs ⋅ )− ρs ⋅ cp,s ⎥ ∂t ∂z ∂z  − εg ⎢ i ⎢ ⎥ y= ⎣ ⎦

Der letzte Ausdruck auf der rechten Seite der Gleichung fasst die Summe aller Reaktionswärmen zusammen, die über die gesamte Tiefe der Beschichtung freigesetzt oder verbraucht wurden. Reaktionswärmen werden somit der Wand zugeordnet und gehen ausschließlich per Wärmeübergang in die Gasphase. Unter der Annahme, dass im Porensystem der Beschichtung diffusiver Stotransport dominant ist, dass dieser nur rechtwinkelig zur Kanalrichtung (siehe Abb. 12.2) stattfindet und dass eine einheitliche Temperatur über der Beschichtungshöhe vorliegt, kann eine transiente 1D Reaktions-Diffusions-Erhaltungsgleichung formuliert werden: ∂ (ρgP ⋅ w Pj,g ) ∂t

∂ (ρgP ⋅ w Pj,g ) ⎞ MG j R ∂ ⎛ P P ⎜D ⎟ + P ⋅ ∑ ν i , j ⋅ r˙′′′ ⋅ = i (c g , Ts ) . ∂y ⎝ j,eff ∂y ε i ⎠

(12.6)

Die zeitliche Änderung der lokalen Spezieskonzentration an einer bestimmten Position in einer Pore ergibt sich aufgrund von diffusivem Speziestransport und aufgrund von katalytisch unterstützten Konvertierungs- und Speicherreaktionen. Der effektive Porendiffusionskoeffizient in der Gleichung berücksichtigt den Einfluss von Porendurchmesser, Porendurchmesserverteilung oder auch Porentortuosität. Die chemische Spezieskonvertierung ist mit Hilfe von volumspezifischen Reaktionsraten formuliert. Zur vollständigen Beschreibung des örtlichen Randwertproblems sind zwei Randbedingungen erforderlich, y=∶

y = TP ∶

β j ⋅ (ρg ⋅ w j,g − ρgP ⋅ w Pj,g ) = D Pj,eff ⋅ d (ρ P ⋅ w Pj,g ) = . dy g

d (ρ P ⋅ w Pj,g ) dy g

(12.7)

wobei an der Grenze von Porensystem und Kanal der Stotransport bekannt ist und an der Grenze von Beschichtung und Substrat eine Symmetrierandbedingung mit NullGradienten festgelegt wird. Die oben zusammengefassten Bilanzgleichungen berücksichtigen die für heterogene Reaktionssysteme relevanten Effekte der Stotransportlimitierung, Porendiffusionslimitierung, und Reaktionslimitierung. Der Einfluss des Porendiffusionstransports wird häufig, anstelle der hier dargestellten rigorosen Formulierung, in vereinfachender Weise modelliert. Ein gängiger Ansatz ist die Verwendung eines Porenwirkungsgrades, der

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G.P. Merker und R. Teichmann

als zusätzlicher Multiplikand der Reaktionsraten formuliert wird. Porenwirkungsgrade oder auch hiele Moduli können unter bestimmten Einschränkungen (isothermes System, Reaktion erster Ordnung) analytisch hergeleitet (Froment und Bishoff 1990) werden. Unter der Annahme von quasistationären Bedingungen und unter Vernachlässigung von Speziesgradienten in den Poren vereinfacht sich das System aus partiellen Differenzialgleichungen von oben in ein System algebraischer Speziesbilanzen für Stoffübergang und Reaktion: R

P − c j,g ) = η ⋅ ∑ ν i , j ⋅ r˙′′i (cgP , Ts ) . β j ⋅ (cj,g

(12.8)

i

Die Reaktionsrate in dieser Gleichung ist hier auf die geometrische Katalysatoroberfläche bezogen. Die Entscheidung welcher Ansatz – detailliertes Porendiffusionsmodell oder vereinfachendes Stoffübergangs-Reaktions-Modell – im konkreten Anwendungsfall erforderlich ist kann mit Hilfe von Porenwirkungsgraden abgeschätzt werden oder auch durch numerische Simulationen untersucht werden. Ein gängiges Simulationswerkzeug, das beide Ansätze anbietet, stellt AVL BOOST (2010) dar. Um neben Konvertierungsreaktionen auch Auf- und Abspeicherreaktionen (z. B. Speicherung von O2 , NH3 oder HC an verschiedenen Katalysatorbeschichtungen) zu modellieren, wird folgende Gleichung verwendet. Dabei wird angenommen, dass die Anzahl der freien Oberflächenplätze konstant bleibt Γ⋅

dZk = ν i ,(S+k) ⋅ r˙′′i (cgP , Ts ) . dt

(12.9)

Die Änderung des Bedeckungsgrads ergibt sich aus der Reaktionsrate und den dazugehörigen stöchiometrischen Koeffizienten. Für den Fall, dass mehrere freie Oberflächen gemeinsam vorliegen, ist diese Gleichung entsprechend zu erweitern. Der Stoff- und Wärmeübergang in 1D-Katalysatormodellen wird mit Hilfe von empirischen Nusselt- und Sherwood-Beziehungen beschrieben. Sieder/Tate (Perry und Green 1997) haben dazu unter anderem folgenden Zusammenhang vorgeschlagen Nu = , ⋅ (Re ⋅ Pr) Sh = , ⋅ (Re ⋅ Pr)

/

/

.

(12.10)

Kirchner und Eigenberger (1997) haben diesen Ansatz analog auch zur Beschreibung des Stoffübergangs verwendet.

12.3.2 Katalysator Typen In der automobilen Anwendung kommt eine Vielzahl an verschiedenen Katalysatoren zur Anwendung. Dabei lassen sich vier Haupttypen identifizieren. Das sind DieselOxidationskatalysator, Dreiwegekatalysator, SCR- und NOx -Speicher-Katalysator, die je

12

Abgasnachbehandlungssysteme

757

Abb. 12.3 Gemessene und berechnete Light-Off Kurven eines DieselOxidationskatalysators

nach Motor und Abgasnachbehandlungssystem einzeln oder kombiniert eingesetzt werden. Die katalytischen Reaktionsmechanismen der einzelnen Typen sind in der Literatur umfangreich untersucht und dokumentiert. Hier sollen für jeden Typ die wesentlichen Eigenschaten kurz zusammengefasst werden.

Diesel-Oxidationskatalysator Der Oxidationskatalysator (DOC) wird für mager betriebene Motoren eingesetzt und hat mehrere Aufgaben. Das sind die Oxidation von Kohlenmonoxid und unverbrannten Kohlenwasserstoffen (HC), die Oxidation von Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid und auch die Einspeicherung von Kohlenwasserstoffen. Dazu lassen sich die folgenden Reaktionen anschreiben:  R1: CO + O → CO  m R2: Cn Hm + (n + ) O → nCO + mH O   R3: NO + O ↔ NO  R4: Cn Hm + S → Cn Hm (S). Abbildung 12.3 zeigt eine typische Charakterisierung eines DOC mittels Light-Off Kurven wobei das Konvertierungsverhalten der Schadstoffe als Funktion der Katalysatortemperatur aufgetragen ist. Aus den Kurven von Messung und Rechnung (1D-Modell) ist zu erkennen, dass die Konvertierungen von CO und HC mit der Temperatur steigen und dann bei höheren Temperaturen auf einem Plateauwert stehen bleiben. In diesem Bereich erreicht der vorliegende Katalysator keinen vollen Umsatz, was durch Transportlimitierungen begründet werden kann. Die deutliche Konvertierung der gemessenen HC Kurve im unteren Temperaturbereich deutet auf Speichereffekte hin, die im Berechnungsmodell nicht berücksichtigt wur-

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G.P. Merker und R. Teichmann

den. Das Absinken der gemessenen HC Kurve bis rund 140 °C deutet darauf hin, dass die Speicherneigung mit steigender Temperatur abnimmt. Der Verlauf der Light-Off Kurve von NO zeigt ein Maximum bei rund 300 °C. Bei dieser Temperatur wechselt die Reaktion von einem kinetisch zu einem thermodynamisch kontrollierten Regime. Diese Reaktion ist insbesondere in Abgasanlagen bestehend aus Dieseloxidationskatalysator und Dieselpartikelfilter oder SCR-Katalysatoren von Bedeutung.

Dreiwegekatalysator Der Dreiwegekatalysator wird bei Lambda-geregelten Motoren eingesetzt und hat die Aufgabe etwa Kohlenmonoxid und unverbrannte Kohlenwasserstoffe zu oxidieren aber auch die Reduktion von Stickoxiden zu unterstützen. Beides wird erst durch eine Abgaszusammensetzung, welche einer stöchiometrischen Verbrennung entspricht, erreicht. Um Sauerstoffschwankungen noch zusätzlich auszugleichen sind Dreiwegekatalysatoren auch mit Ceroxiden beschichtet, in welchen je nach Lastpunkt (fett oder mager) Sauerstoff auf- oder abgespeichert wird. Ein Satz der wesentlichen Reaktionen ist im Folgenden zusammengestellt:  R1: CO + O → CO  m R2: Cn Hm + (n + ) O → nCO + mH O  R3: NO + CO → 2CO + N  R4: H + O → H O   R5: NO + O ↔ NO  R6: CO + H O ↔ CO + H R7: Cn Hm + nH O → nCO + (n + m)H R8: 2Ce O3 + O ↔ 4CeO

R9: 2CeO + CO → Ce O3 + CO  m R10: (n + m) CeO + Cn Hm → (n + ) Ce O3 + nCO + mH O .  

Abbildung 12.4 zeigt den Vergleich von Rechnung und Messung für das Konvertierungsverhalten von CO und NO in einem Dreiwegekatalysator als Funktion von Temperatur (Light-Off) und Abgaszusammensetzung (Lambda-Sweep). Die Berechnung wurde mit einem 1D-Modell wie oben beschrieben durchgeführt. Aus der Abbildung ist zu erkennen, dass CO (aber auch HC) bei mageren Bedingungen nach Erreichen der Light-Off Temperatur vollständig konvertiert, NO jedoch schwach umsetzt. Erst wenn die Abgaszusammensetzung in die Nähe von Lambda gleich eins kommt, beginnt NO deutlich Umsätze zu zeigen weil erst bei dieser Zusammensetzung ausreichend CO als Reaktionspartner zur Verfügung steht (R3). Bei Lambda-Zahlen kleiner eins sinkt

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Abgasnachbehandlungssysteme

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Abb. 12.4 Gemessenes und berechnetes Konvertierungsverhalten von CO (links) und NO (rechts) in einem Dreiwegekatalysator als Funktion von Temperatur und Gaszusammensetzung. Nach Wurzenberger et al. (2006)

der Umsatz von CO aufgrund von Sauerstoffmangel. NO hingegen konvertiert vollständig infolge eines Überangebots an CO. Zusammenfassend erkennt man, dass für das Funktionieren eines Dreiwegekatalysators die Abgaszusammensetzung in einem engen Fenster um die stöchiometrischen Bedingungen liegen muss. Fahrzyklusemissionen werden maßgeblich vom Katalysator Light-Off während der Kaltstartphase beeinflusst. Abbildung 12.5 zeigt dazu Temperatur- und Speziesverteilung unter Berücksichtigung der dreidimensionalen Strömung im Einlauf des Katalysators und im Dreiwegekatalysator selbst. Wie in der Abbildung für einen bestimmten Punkt während der Kaltstartphase dargestellt, können durch 3D-Simulation auch radiale Verteilungen berechnet werden. Daraus können dann nicht nur Zusammenhänge zwischen Einbaukonstruktion und Konvertierung virtuell untersucht werden, sondern auch experimentell nur sehr aufwendig zu messendes Strömungsverhalten dargestellt werden. Will man die 3D-Simulation mit Kinetik-Parametern aus 1D-Kalibrierungsrechnungen durchführen, so ist darauf zu achten, dass in beiden Simulationsansätzen alle Submodelle (von der Stoffdatenbasis über Geometriebeschreibung, Stoff-Wärmeübergang, Konvertierungsraten, Speicherraten und vieles mehr) identisch sind. In diesem Fall lassen sich dann 1D- und 3D-Simulation je nach Bedarf an Detailauflösung und Rechenaufwand ohne systematischen Modellbruch effektiv kombinieren.

SCR-Katalysator Der SCR-Katalysator (Selektive Catalytic Reduction) wird bei mager betriebenen Motoren eingesetzt, um mit Hilfe des Reduktionsmittels Ammoniak Stickoxide zu reduzieren. Das Zuführen von Ammoniak in den Abgasstrang erfolgt typischerweise stromaufwärts des SCR-Katalysators durch Eindüsen einer wässrigen Harnstofflösung. Die Tropfen dieser Lösung verdampfen und Harnstoff konvertiert in den Schritten hermolyse und Hydrolyse zu NH3 , CO2 und H2 O. Ammoniak wird im SCR-Katalysator an dessen Oberfläche je

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 12.5 3D-CFD Simulation eines Dreiwegekatalysators: Verteilung von Gas- und Feststotemperatur, Massenanteile H2 und CO (Missy et al. 2002)

nach Betriebsbedingungen ad- oder desorbiert (R1). Die Reaktionen von Ammoniak mit NOx laufen über die so genannte Standard-, schnelle und langsame SCR-Reaktion (R2–R4) ab, wobei unter Verbrauch des adsorbierten Ammoniaks NO und NO2 reduziert werden. Hier gilt, dass bei NO/NO2 Verhältnissen nahe dem Wert eins die schnelle SCR Reaktion bevorzugt abläut und der beste Umsatz erzielt werden kann. Neben den Reaktionen von NH3 mit NOx kann dieses vor allem bei höheren Temperaturen auch mit Sauerstoff oxidiert werden. R1: NH3 + S ↔ NH3 (S) R2: 4NO + 4NH3 + O → N + 6H O

R3: NO + NO + 2NH3 → 2N + 3H O R4: 6NO + 8NH3 → 7N + 12H O

R5: 4NH3 + 3O → 2N + 6H O.

Zur Untersuchung des transienten Entstickungsverhaltens in gesamten Fahrzyklussimulationen ist es erforderlich, das Reaktionsverhalten des SCR-Katalysators anhand ausgewählter Messpunkte zu kalibrieren. Abbildung 12.6 zeigt dazu den Vergleich gemessener und berechneter NOx -Konvertierungen für 20 verschiedene Motorlastpunkte, die sich

12

Abgasnachbehandlungssysteme

761

Abb. 12.6 Vergleich experimenteller Daten mit Simulationsergebnissen eines SCR-Katalysators

durch unterschiedliche Abgasmassenströme, Abgaszusammensetzungen und Temperaturen auszeichnen. Die Abstimmung des Ad- bzw. Desorptionsverhalten von NH3 im Modell auf gemessene Daten zeigt eine gute Übereinstimmung für alle stationär gemessenen Punkte, wobei die Ammoniakoberflächenbedeckung mit steigender Temperatur abnimmt. Im transienten Betrieb sind neben dieser Bedeckung dann auch die Geschwindigkeit der Aufund Abspeicherreaktionen, sowie die Speicherkapazität des SCR-Katalysators Einflussgrößen auf das Konvertierungsverhalten.

NOx -Speicherkatalysator NOx -Speicherkatalysatoren werden als Variante zu SCR-Katalysatoren bei Motoren mit magerer Verbrennung zur Entstickung eingesetzt. Das grundsätzliche Funktionsprinzip besteht darin, dass NOx auf Bariumkarbonatpartikel in der Katalysatorbeschichtung während magerer Motorbetriebsphasen unter Bildung von Bariumnitrat eingespeichert wird. Wird der Motor mit Kratstoffüberschuss betrieben, so reagieren Reduktionsmittel wie CO mit Bariumnitrat unter Bildung von Bariumkarbonat und Freisetzung von NOx . Die Reduktion der NOx Emissionen an sich kann nun durch zyklisches Schalten von Mager- und

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G.P. Merker und R. Teichmann

Fettperioden erreicht werden.  R1: NO + O ↔ NO   R2: BaCO3 + 2NO + O → Ba(NO3 ) + CO  3 R3: BaCO3 + NO + O → Ba(NO3 ) + CO  R4: Ba(NO3 ) + 3CO → BaCO3 + NO + 2CO  R5: NO + CO → N + CO 

Neben den eigentlichen Barium-Reaktionen laufen in einem NOx -Speicherkatalysator auch alle Konvertierungs- und Sauerstoffspeicherreaktionen ähnlich einem Dreiwegekatalysator ab. Weitere Prozesse, wie beispielsweise der Intrapartikeltransport, wurden von Brinkmeier et al. (2005) modelliert und untersucht. Kern des Modells ist dabei die Berücksichtigung von verschiedenen Porendurchmessern und der Transportwiderstände in Bariumkarbonat und Bariumnitrat.

12.4 Dieselpartikelilter Wanddurchströmte Dieselpartikelfilter (DPF) werden neben anderen Filtertypen seit mehreren Jahren in der automobilen Anwendung zur Reduktion von Partikelemissionen eingesetzt. Der Filtermonolith ähnelt in seiner Grundstruktur einem Wabenkatalysator, wobei die einzelnen Kanäle wechselseitig in einer schachbrettförmigen Anordnung verschlossen sind. In einer vereinfachten Betrachtung kann der Filter durch repräsentative Kanäle (siehe Abb. 12.7) dargestellt werden, wobei der Einlasskanal (in Strömungsrichtung gesehen) am Ende und der Auslasskanal am Anfang verschlossen ist. Die Kanäle sind durch eine poröse Wand getrennt, welche die festen Partikel aus dem hindurchströmenden Abgas filtert. Diese Partikel, bestehend aus Ruß, Asche, löslichen organischen Anteilen und Sulfatverbindungen, werden im folgenden Text der Einfachheit halber als Ruß bezeichnet. Bei der Filtration kann zwischen den Regimen Tiefenfiltration und Kuchenfiltration unterschieden werden, wobei sich erst dann ein Rußkuchen zu bilden beginnt, wenn die poröse Wandstruktur mit Partikeln aufgefüllt ist. Im Fall, dass sich nicht regenerierbare Aschen im Abgas befinden, werden diese zusätzlich (als Langzeiteffekt) je nach Fahrbedingungen in Form eines Aschekuchens, Aschepfropfens oder als Kombination beider akkumuliert.

12.4.1 Grundgleichungen Die physikalischen und chemischen Phänomene, die in Dieselpartikelfilter autreten, können aus Sicht der Modellbildung in zwei Haupteffekte unterteilt werden: Erstens, in die

12

Abgasnachbehandlungssysteme

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Filterströmung innerhalb der Kanäle und der dazwischenliegenden Filterwand und zweitens in die Ablagerung und Regeneration von Partikeln. Der Vergleich der Zeitskalen, die für beide Effekte relevant sind, zeigt, dass zwei getrennte Submodelle für die Filterströmung und die Rußschicht angesetzt werden können. Beide Modelle werden dann in einem übergeordneten Gesamtfiltermodell gekoppelt.

DPF Strömung Zur Berechnung der Strömung und des Druckverlustes kann unter der Annahme, dass radiale Gradienten sowohl in den Kanälen als auch im gesamten Monolithen vernachlässigbar sind, ein stationäres 1D-Modell (Strömungsrichtung z in Abb. 12.7) formuliert werden. Die Kontinuitätsgleichungen für den Ein- und Auslasskanal ergeben sich zu d (ρg,1 ⋅ vg,1 ⋅ AF,1 ) = −ρg,1 ⋅ vw,1 ⋅ PS,1 dz d (ρg,2 ⋅ vg,2 ⋅ AF,2 ) = −ρg,2 ⋅ vw,2 ⋅ PS,2 . dz

(12.11)

Die stationär formulierte Impulserhaltung in den Kanälen lautet d  (ρg,1 ⋅ vg,1 ⋅ AF,1 ) = −AF,1 ⋅ dz d  (ρg,2 ⋅ vg,2 ⋅ AF,2 ) = −AF,2 ⋅ dz

dpg,1 − vg,1 ⋅ (F ⋅ μ + ρg,1 ⋅ vw,1 ⋅ PS,1 ) dz dpg,2 − vg,2 ⋅ F ⋅ μ . dz

(12.12)

Der letzte Ausdruck der ersten Gleichung beschreibt eine Impulssenke infolge einer Massensenke durch die Wandströmung und sorgt dafür, dass der zweite thermodynamische Hauptsatz nicht gebrochen wird.

Abb. 12.7 Schema eines wanddurchströmten Dieselpartikelfilters mit asymmetrischer Kanalgeometrie und Ruß-/Aschebeladung in Tiefen (tf )- und Kuchenfiltrationsschichten (kf )

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 12.8 Aufbau von Asche und Ruß während der Tiefenfiltration (tf ) und Kuchenfiltration (kf )

Die Gleichungen für Kontinuität und Impulserhaltung sind über die Strömung durch die Wand gekoppelt. Der Druckverlust dieser Wandströmung kann durch das Darcy’sche Druckverlustgesetz beschrieben werden. Dazu ist es zuerst erforderlich, einen Zusammenhang zwischen den Kuchenhöhen von Asche und Ruß und der lokalen Geschwindigkeit herzustellen. Für quadratische (siehe Abb. 12.8) Einlasskanäle ergibt sich folgende Gleichung d  −  ⋅ δrk −  ⋅ δak . (12.13) vw (x) = vw, ⋅ d  −  ⋅ δrk −  ⋅ δak +  ⋅ x Für nicht quadratische Kanalquerschnitte (z. B. sechseckig, achteckig, . . . ) kann diese Wandgeschwindigkeitsgleichung analog aus den geometrischen Vorgaben bestimmt werden. Dieser Zusammenhang ist essenziell für eine korrekte Beschreibung des Kuchendruckverlustes. Wendet man die Wandgeschwindigkeitsformulierung gemeinsam mit dem Darcy’schen Druckverlustgesetz über die Abschnitte Wand, Tiefenfiltration, Aschekuchen und Rußkuchen an, so kann folgender Zusammenhang zwischen den Drücken, der Wandgeschwindigkeit und der Rußoberfläche hergestellt werden. pg, − pg, = Δpw + Δprt + Δpak + Δprk ⎡ ρg, δw ρg, δrt ⎤ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ρg, ⋅ kw + ρg, ⋅ krt ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ d  −  ⋅ δrk −  ⋅ δak ⎢ d d   ⎥ ⎢ = vw, ⋅ μ ⋅ ( )⋅⎢ + ⋅ ln ( ) ⎥ d ⎥ ⎢  ⋅ kak d  −  ⋅ δak ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ d  −  ⋅ δak ⎢ + d  ⋅ ln ( )⎥ ⎥ ⎢ ⎣  ⋅ krk d  −  ⋅ δrk −  ⋅ δrk ⎦

(12.14)

Der gesamte Druckverlust setzt sich aus Teildruckverlusten durch die Wand selbst, durch die Schicht der Rußtiefenfiltration des Aschekuchens und des Rußkuchens zusammen. Die Teildruckverluste werden neben geometrischen Größen durch die Permeabilitäten der jeweiligen Schichten bestimmt.

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Abgasnachbehandlungssysteme

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Abb. 12.9 1D-Abschnitt bestehend aus Wand, Rußtiefenfiltrationsschicht, Aschekuchen und Rußkuchen

DPF Beladung und Regeneration Der Rußkuchen und die Rußtiefenfiltrationsschicht können als zweidimensionales gasdurchströmtes Festbett beschrieben werden. Unter der Annahme, dass Druckgradienten innerhalb der Schichten in axialer Richtung klein zur Wandvertikalen sind, kann das zweidimensionale Festbett in eine Serie von eindimensionalen Abschnitten (siehe Abb. 12.9) unterteilt werden. Jeder Abschnitt selbst besteht aus vier Schichten (Wand, Rußtiefenfiltrationsschicht, Aschekuchen und Rußkuchen), in dem verschiedene Reaktionsmechanismen stattfinden können. Dabei handelt es sich um Reaktionen von Ruß mit Sauerstoff oder NO2 , wobei erstere üblicherweise bei Temperaturen über 850 K beginnen und letztere schon bei wesentlich niedrigeren (kleiner 650 K) Temperaturen Umsatz zeigen. Im Fall von katalytisch beschichteten Filtern kann innerhalb der Tiefenfiltrationsschicht auch die Oxidation von NO zu NO2 , stattfinden. Das dabei produzierte NO2 kann dann wieder mit Ruß reagieren. Durch die katalytische Beschichtung können dann innerhalb der Wand selbst auch noch weitere Oxidationsreaktionen etwa von CO und HC, repräsentiert durch C3 H6 und C3 H8 , formuliert werden. Ein stationäres, isothermes und eindimensionales Festbettmodell kann zur Berechnung der Rußregeneration herangezogen werden. Die Kontinuitätsgleichung für das durch die Wand strömende Gas ergibt sich zu vw ⋅

S R dρg = ∑ MG j ∑ ν i , j ⋅ r˙i (cg , Ts ) , dx i j

(12.15)

wobei die örtliche Änderung des Massenstromes über der Rußhöhe gleich der Summe aller Reaktionen an der jeweiligen Koordinate x ist. Die Reaktionen als Funktion der örtlichen Gaszusammensetzung und der Wandtemperatur werden mit dem jeweiligen stöchiometrischen Koeffizienten der Spezies j und der Reaktion i gemeinsam mit der molaren Masse gewichtet und summiert. Um den Umsatz der einzelnen Gasspezies zu bilanzieren, kann folgende Gleichung hergeleitet werden vw ⋅

R d (ρg ⋅ wg, j ) = MG j ⋅ ∑ ν i , j ⋅ r˙i (cg , Ts ) , dx i

(12.16)

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G.P. Merker und R. Teichmann

wobei die Änderung des Speziesmassenstroms gleich der Summe aller Reaktionen ist, an der die Spezies j teilnimmt.

Gesamtiltermodell Die Berechnung von Strömung im Dieselpartikelfilter sowie der Beladung und Regeneration liefert aufgrund der stationären Formulierung aller Gleichungen Lösungen für das Strömungsfeld, Druckverlustauteilung, Rußablagerungsraten sowie Rußregenerationsraten für einen stationären Betriebspunkt des Filters. Um das transiente Verhalten eines Filters während der Beladung oder Regeneration berechnen zu können, müssen die Ergebnisse der Teilmodelle in ein transientes, nicht-isothermes Zweiphasenmodell integriert werden. Diese Kopplung in ein übergeordnetes Gesamtfiltermodell (Peters et al. 2004) hat neben numerischen Vorzügen im Hinblick auf die Berechnungsgeschwindigkeit den Vorteil, dass das Modell auch in CFD basierte Strömungssimulationspakete eingebunden werden kann.

12.4.2

Beladung und Druckverlust

Die Abschätzung und Vorhersage des Filterdruckverlusts war eine der ersten Aufgaben der DPF-Berechnung. Typische Fragestellungen betreffen den Einfluss von Massenstrom, Rußverteilung, Kanalgeometrie, Filterporosität, Asche und vieles mehr auf den Druckverlust. Für die reale Anwendung im Fahrzeug letztendlich gilt es zu wissen, wie ein gemessener Druckverlust mit der aktuellen Beladung korreliert und ob etwa eine thermische Regeneration initiiert werden soll. Dazu sollen im Folgenden einige ausgewählte Beispiele diskutiert werden. Der Druckverlust eines Dieselpartikelfilters setzt sich, wie oben beschrieben, aus einer Reihe von Teildruckverlusten zusammen. Je nachdem welcher Teildruckverlust in einem bestimmten Betriebspunkt signifikant ist, ergeben sich etwa im Vergleich verschiedener Kanaldurchmesserverhältnisse Vorteile für die eine oder andere Kanalgeometrie. Abbildung 12.10 (links) zeigt dazu den gemessenen und berechneten Filterdruckverlust als Funktion der Durchströmungsgeschwindigkeit für leere Filter mit verschiedenen Kanaldurchmesserverhältnissen. Es kann beobachtet werden, dass Filter mit kleineren Durchmessern im Auslasskanal im Vergleich die größten Druckverluste liefern. Das lässt sich durch die Dominanz der Reibung im Auslasskanal erklären, die stark mit der Strömungsgeschwindigkeit steigt. Abbildung 12.10 (rechts) zeigt gemessene und berechnete Druckverluste für die drei Kanaldurchmesserverhältnisse während der Beladung. Hier kann gesehen werden, dass ab Beladungen größer 1,5 g/l der Filter mit dem größten Einlasskanaldurchmesser die kleinsten Druckverluste aufweist. Das erklärt sich dadurch, dass hier der Druckverlust im Rußkuchen dominant ist und dieser direkt mit der Rußhöhe korreliert. Bei größeren Einlasskanaldurchmessern ergeben sich bei gleicher Rußmasse kleinere Rußhöhen und somit kleinere Druckverluste.

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Abb. 12.10 Druckverlust für Dieselpartikelfilter mit unterschiedlichen Kanaldurchmesserverhältnissen (Eintritt/Austritt: A > B > C) gemessen und gerechnet für leere Filter (oben) und für die Filterbeladung (unten). Rechnungen aus Wurzenberger und Kutschi (2007), Messungen nach Ogyu et al. (2004)

12.4.3 Regeneration und Temperaturverteilung Der Rußabbrand in einem Dieselpartikelfilter ist ein äußerst komplexer heterogener chemischer Reaktionsvorgang, der neben der intrinsischen Reaktion sehr stark von der physikalischen Beschaffenheit der Rußpartikel abhängt. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, mit einem einzigen globalen Reaktionsmodell das Verhalten von unterschiedlichsten Filtern abzubilden. In der Praxis wird daher das Regenerationsmodell anhand von experimentellen Daten kalibriert und kann dann in weiterer Folge für die Berechnung von Varianten eingesetzt werden. Abbildung 12.11 zeigt als Ergebnis einer Reaktionsmodellparametrierung den Vergleich von gemessenen und berechneten Temperaturen an drei verschiedenen dimensionslosen axialen Positionen entlang der Symmetrieachse des Filters. Für die drei ausgewählten Positionen ist dabei deutlich eine Aufwärmphase, eine Temperaturspitze und ein Auslaufbereich zu erkennen. Die Temperaturspitzen markieren die aktuelle örtliche und zeitliche Position der Regenerationsfront, die durch den Filter wandert. Es ist zu sehen, dass sich die Temperaturen im Bereich der Spitze von Filtereintritt zum Filteraustritt hin erhöhen und steilere Gradienten bilden. Mit einem in dieser Art kalibrierten Modell ist es dann in weiterer Folge möglich, Abschätzungen für maximale Filtertemperaturen bei verschiedenen Fahrbedingungen und Regenerationskontrollstrategien zu machen. Ist ein 1D-Filterregenerationsmodell wie in Abb. 12.11 auf experimentelle Daten abgestimmt, dann kann dessen Parametrierung unter der Voraussetzung, dass alle Submodelle (von der Stoffdatenbasis über Geometriebeschreibung, Stoff- Wärmeübergang, DPF-

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Abb. 12.11 Dieselpartikelfilter-Temperaturen gemessen und gerechnet (mit geschätzten und optimierten Reaktionsparametern) an drei verschiedenen axialen Positionen entlang der Symmetrieachse des Filters während der Regeneration

Abb. 12.12 DPF Temperaturverteilung während der Regeneration eines segmentierten Silikonkarbid Filters

Druckverlust und Strömung, Reaktionsraten, und vieles mehr) identisch sind, auch auf 3D-Modelle übertragen werden. Als Beispiel einer solchen Parameterübertragung ist in Abb. 12.12 die örtliche Temperaturverteilung in einem segmentierten Silikonkarbid Filter zu einem ausgewählten Zeitpunkt während der Regeneration dargestellt. In der Abbildung sind deutliche radiale Verteilungen zu sehen. Diese ergeben sich aufgrund von ungleichförmiger Anströmung, radialen Wärmeverlusten und aufgrund der Filtersegmentierung. Diese verursacht nicht nur eine teilweise Blockierung der Strömung durch die Segmentwände (Klebezonen) sondern führt auch zu einem modifizierten Verhalten der Filterkanalströmung und Rußablagerung in Kanälen, die direkt an Segmentierungswände treffen. Die daraus resultierende Ungleichverteilung von Ruß sowie die ver-

12

Abgasnachbehandlungssysteme

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schiedenen thermischen Eigenschaten von Segmenten und Klebezonen führen dann zu deutlichen radialen Temperaturverteilungen innerhalb der einzelnen Segmente und des gesamten Filters. Die mit Hilfe der 3D CFD Simulation berechnete räumliche Temperaturund Temperaturgradientenverteilung kann in weiterer Folge auch zur thermische Strukturanalysen herangezogen werden.

12.5 Dosiereinheiten Die Aufgabe von Dosiereinheiten im Rahmen von Abgasnachbehandlungsanlagen ist es, Flüssigkeiten in den Abgasstrang einzudüsen. Zwei Beispiele dazu sind etwa die Eindüsung von Diesel oder wässriger Harnstofflösung (wHL) in Nutzfahrzeugabgassystemen. Diesel wird zum Initiieren der Partikelfilterregeneration eingedüst. Die Tropfen verdampfen im heißen Abgas, konvertieren im Oxidationskatalysator und heben somit die Filtereintrittstemperatur. Eine wässrige Harnstofflösung wird vor dem SCR-Katalysator in den Abgasstrom gedüst um damit ein Reduktionsmittel für die NOx -Konvertierung im Katalysator zur Verfügung zu stellen. Fragestellungen an Simulationsmodelle für Dosiereinheiten betreffen die Tropfenverteilung, Wandinteraktion, Vollständigkeit der Tropfenverdampfung, Einfluss von statischen Mischern, deren Druckverlust, Dosierungsregelung und viele mehr. Die Mehrheit dieser Fragen lässt sich vernüntigerweise nur mehr mit 3DBerechnungsverfahren (Birkhold et al. 2006; Masoudi 2006) und adäquaten Modellen untersuchen. Neben 3D-Modellen können unter vereinfachenden Annahmen (z. B. radial homogene Verteilung und vollständige Verdampfung) 1D-Modelle dazu herangezogen werden, um Dosierungsstrategien und Regelalgorithmen in Systemsimulationen (siehe Abschn. 12.6) zu untersuchen. Die wesentlichen Merkmale bei der Modellbildung von Dosierungseinheiten sollen im Folgenden anhand der wHL Eindüsung diskutiert werden. Die physikalischen und chemischen Phänomene, die im Zusammenhang mit wHL Eindüsung beobachtet werden, können in vier Hauptbereiche unterteilt werden. Das ist erstens die Wechselwirkung von Tropfen und Gasphase und die damit verbundene Bilanzierung von Masse-, Impuls-, Energie- und Speziesaustausch zwischen den beiden Phasen. Neben dem Transport einzelner Tropfen im Gasstrom ist hier vor allem der Stoffund Wärmeaustausch von Bedeutung, um damit das Verdampfen der Tropfen zu beschreiben. Dieser Verdampfungsprozess erfordert zumindest ein Mehrkomponentenmodell, um damit die Verdampfung von Wasser und das thermische Aufbrechen von flüssigem Harnstoff (hermolyse) zu Ammoniak und Isocyansäure zu modellieren. Der zweite Hauptbereich umfasst die Interaktion von Tropfen und festen Wänden. Hier kann je nach Aufprallgeschwindigkeit, Wand- und Tropfentemperatur zwischen Rückprall, Rückprall mit Tropfenverkleinerung oder Anhaten unterschieden werden. Der dritte Hauptbereich umfasst den Fall, dass Tropfen an der Wand haten bleiben und es dort zum Aufbau eines Wandfilms kommt. Für diesen Film müssen analog zum einzelnen Tropfen Bilanzgleichungen für den Austausch von Masse, Impuls, Energie und Spezies

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 12.13 Tropfenverteilung und Tropfengröße einer wässrigen Harnstofflösung zwischen Düse und Eintritt des SCR Katalysators

mit der Gasphase inklusive Mehrkomponentenverdampfung und Energieaustausch mit der Wand aufgestellt werden. Der vierte Bereich betrit die Modellierung von chemischen Reaktionen. Hier ist neben den katalytischen SCR-Reaktionen (siehe Abschn. 12.3.2) die Hydrolyse von Isocyansäure zu Ammoniak zu erwähnen: HNCO + H O → NH3 + CO .

Als Beispiel einer Eindüsungssimulation ist in Abb. 12.13 die Verteilung und Größe von wässrigen Harnstotropfen dargestellt. Ergebnisse dieser Art ermöglichen auf Basis einer Interpretation der Tropfenverteilung, der Wandfilmbildung sowie der Speziesverteilung in der Gasphase die Analyse und Bewertung der Wirkung unterschiedlicher Eindüsungskonzepte und Mischereinbauten auf die Ammoniakgleichverteilung vor Katalysatoreintritt.

12.6 Gesamtsystem Die Simulation gesamter Abgasanlangen hat zum Ziel, Systeme bestehend aus verschiedenen Katalysatoren, Dieselpartikelfiltern, Eindüsungsanlagen und Rohren in einem Gesamtmodell zu berechnen. Typische Fragestellungen betreffen die Größe und Anordnung der Komponenten, die Interaktion von Komponenten, das thermische Verhalten der gesamten Anlage, die Anwendung von Kontrollstrategien und vieles mehr. 1D-Simulationsmodelle haben sich als effektiv herausgestellt, um diese Fragestellungen innerhalb vertretbarer Berechnungsdauern zu untersuchen, vor allem deshalb, weil Gesamtsystembetrachtungen typischerweise für die Dauer von Fahrzyklen gemacht werden. Abbildung 12.14 zeigt dazu die Ergebnisse von Fahrzyklusberechnungen eines Nutzfahrzeugabgassystems bestehend aus DOC, DPF, Harnstoffdosierung, SCR-Katalysator und Ammoniak-Schlupfkatalysator. Die Reaktionsmodelle in den einzelnen Komponenten sind mit Hilfe von experimentellen Daten (z. B. Light-Off Kurven) kalibriert, gemessene Motorrohemissionen dienen als Eingangs-Randbedingung für die Gesamtsystemberechnung des European Steady Cycle (ESC) und des European Transient Cycle (ETC). Als Ergebnis der Berechnung werden in Abb. 12.14 für die untersuchten Fahrzyklen die akkumulierten NOx -Emissionen gegenübergestellt. Berechnungen dieser Art erlauben es,

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Abgasnachbehandlungssysteme

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Abb. 12.14 Berechnete und gemessene Akkumulierte NOx Emissionen einer Nutzfahrzeugabgasanlage für den European Steady Cycle (oben) und den European Transient Cycle (unten)

Aussagen über die zu erwartenden Emissionen im Zyklusbetrieb zu machen, und bilden damit bereits in einer frühen Entwicklungsphase die Basis für die Untersuchung und Optimierung komplexer Abgasnachbehandlungssysteme.

12.7 Nomenklatur AF,n ageo c cjg cp,s DPj,eff Deff d1 dhyd Fn Gzh Gzm hj Δhi kw , krt kak krk LCat TP MGj

frei durchströmbare Fläche des Kanals Geometrische Oberfläche des Monolithen Molare Konzentration Konzentration der Spezies j im Gasbulk Wärmekapazität der Feststoffphase Effektiver Porendiffusionskoeffizient Effektiver Diffusionskoeffizient Durchmesser des Kanals hydraulischer Kanaldurchmesser Reibbeiwert dimensionslose Grätz-Zahl des Wärmeübergangs dimensionslose Grätz-Zahl des Stoffübergangs Enthalpie der Spezies j in der Gasphase Reaktionsenthalpie der i-ten Reaktion Permeabilitäten der jeweiligen Schichten Katalysatorlänge Beschichtungsdicke molare Masse der Spezies j

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mruss,i n PS,n pg pg,n Δpw Δprk Δpak Δprk ri Sc Srk Srt Tg Ts t vg vg,n vw,n vw wg,1 vw,n wj,g x y Zk z α βj δ rk δ ak εg εP η λg λs ζ ρg ρ g,n ρs μ ν i,j Γ

G.P. Merker und R. Teichmann

Einlassrußmassenstrom Kanalumfang Druck der Gasphase Druck im Kanal Teildruckverlust durch die Wand Teildruckverlust durch die Schicht der Rußtiefenfiltration Teildruckverlust durch die Schicht des Aschekuchens Teildruckverlust durch die Schicht des Rußkuchens zusammen. Reaktionsrate der Rate i (flächen-, oder volumenbezogen) dimensionslose Schmidt-Zahl Indikator für Kuchenfiltration Indikator für Tiefenfiltration Gastemperatur Wandtemperatur Zeit Geschwindigkeit der Gasphase Geschwindigkeit im Kanal Strömungsgeschwindigkeit durch die poröse Wand Wandgeschwindigkeit Wandgeschwindigkeit normierte Wandgeschwindigkeit Massenanteil Spezies j in der Gasphase Ortskoordinate Ortskoordinate Bedeckungsgrad der k-ten gespeicherten Spezies Ortskoordinate Wärmeübergangskoeffizienten zwischen Gas- und Feststoffphase Stoffübergangskoeffizient der Spezies j Rußkuchenhöhe Aschekuchenhöhe offene Frontfläche des Monolithen Porosität der Beschichtung Porenwirkungsrad Wärmeleitfähigkeit der Gasphase Wärmeleitfähigkeit der Wand Reibbeiwert Dichte der Gasphase Dichte im Kanal Dichte der Feststoffphase dynamische Viskosität stöchiometrischer Koeffizient der Spezies j in der Reaktion i freie Oberfläche

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Abgasnachbehandlungssysteme

773

Literatur AVL: BOOST Atertreatment User Guide (2010) Birkhold, F., Meingast, U., Wassermann, P., Deutschmann, O.: Analysis of the Injection of UreaWater-Solution for Automotive SCR DeNOx-Systems: Modeling of Two-Phase Flow and Spray/Wall-Interaction. SAE Paper 2006-01-0643 (2006) Brinkmeier, C., Opferkuch, F., Tuttlies, U., Schmeißer, V., Bernnat, J., Eigenberger, G.: Car exhaust fumes purification – a challenge for procedure technology. Chemie Ingenieur Technik 77, 1333– 1355 (2005) Depcik, C., Assanis, D.: One-dimensional automotive catalyst modelling. Progress in Energy and Combustion Science 31(2), 308–369 (2005) Dieterich, E.: Systematische Bilanzierung und modulare Simulation verfahrenstechnischer Apparate. Wissenschatsverlag, Aachen (1998). Doktorat, Universität Stuttgart Froment, G., Bishoff, K.B.: Chemical Reactor Analysis and Design. Wiley & Sons Inc., New York, Chichester, Brisbane, Toronto, Singapore (1990) Kirchner, T., Eigenberger, G.: On the dynamic behaviour of automotive catalysts. Catalysis Today 38, 3–12 (1997) Masoudi, M.: Bosch Urea Dosing Approach for Future Emission Legislature for Light and Heavy Duty SCR Applications. 9th DOE Crosscut Workshop on Lean Emissions Reduction Simulation, University of Michigan (2006) Missy, S., hams, J. Bollig, M., Tatschl, R., Wanker, R., Bachler, G., Ennemoser, A., Grantner, H.: Computergestützte Optimierung des Abgasnachbehandlungssystems für den neuen 1.8-lValvetronic-Motor von BMW. MTZ, 63(2-12):1203-1212 (2002) Ogyu, K., Ohno, K., Sato, H., Hong, S., Komori, T.: Ash Storage Capacity Enhancement of Diesel Particulate Filter. SAE Paper 2004-01-0949 (2004) Perry, R.H., Green, D.W.: Perry’s Chemical Engineers’ Handbook. Chemical Engineering Series, 7. Aufl. McGraw-Hill International, New York, St. Louis, St. Francisco, Auckland, Bogota, Hamburg, London, Madrid, Mexiko, Montreal, New Deli, Panama, Paris, Sau Paulo, Singapore, Sydney, Tokyo, Toronto (1997) Peters, B., Wanker, R., Muenzer, A., Wurzenberger, J.C.: Integrated 1d to 3d Simulation Workflow of Exhaust Atertreatment Devices. SAE Paper 2004-01-1132 (2004) Wurzenberger, J.C., Auzinger, G., Heinzle, R., Wanker, R.: 1D Modelling of Reactive Fluid Dynamics, Cold Start Behavior of Exhaust Systems. SAE Paper 2006-01-1544 (2006) Wurzenberger, J.C., Kutschi, S.: Advanced Simulation Technologies for Diesel Particulate Filters – A Modeling Study on Asymmetric Channel Geometries. SAE Paper 2005-01-1137 (2005)

Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse Christian Beidl und Hans-Michael Koegeler

13

Fasst man die vorangegangenen Kapitel aus Technologiesicht zusammen, so haben verbrennungsmotorische Antriebe gerade in den letzten Jahren signifikante Verbesserungen insbesondere in ihrem Verbrauchs- und Emissionsverhalten erfahren. Ausschlaggebend dafür sind neben dem besseren Verständnis innermotorischer Vorgänge vor allem die intelligenten Steuer- und Regelsysteme, welche neue Technologien ermöglichen und weitere Optimierungspotenziale erschließen. Damit verbunden ist die große Herausforderung einer zunehmenden Komplexität in der Entwicklung, die in besonderem Maß für Fahrzeugmotoren gilt, aber letztlich für alle Antriebssysteme einen Schlüsselaspekt darstellt. Dementsprechend kann eine Entwicklung nur dann erfolgreich durchgeführt werden, wenn eine systematische Vorgangsweise die große Zahl der Freiheitsgrade adressiert und einer gezielten Optimierung unter Berücksichtigung der Eigenschaten des Gesamtsystems zuführt. Dazu sind einige wichtige Randbedingungen zu berücksichtigen. Fahrzeugmotoren werden typischerweise in einem weiten Last- und Drehzahlbereich betrieben, sodass eine punktuelle Optimierung natürlich notwendig, aber in den seltensten Fällen ausreichend ist. Darüber hinaus sind die für den Nutzer wichtigen Eigenschaten ebenso wie das Emissionsverhalten ganz wesentlich von instationären Betriebszuständen bestimmt. Gesamthat betrachtet handelt es sich um einen mechatronischen Entwicklungsprozess, da Mechanik und Elektronik aufeinander abgestimmt entwickelt werden müssen, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Für die Zukunt bestehen noch erhebliche Potenziale, die sich einerseits auf eine weitere Verbesserung der motorischen Prozessführung und innermotorischer Maßnahmen begründen, andererseits aus einer Kombination mit elektrischen Univ.-Prof. Dr. Christian Beidl B Technische Universität Darmstadt, Darmstadt, Deutschland e-mail: [email protected] Dr.-techn. Hans-Michael Koegeler AVL LIST GmbH, Graz, Österreich G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_13, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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G.P. Merker und R. Teichmann

Maschinen und verbesserter Getriebe generiert werden können. Hybridantriebe erweitern die Komplexität aber noch um eine zusätzliche Dimension, da hier die Betriebsstrategie, das heißt die Verteilung der Antriebsmomente auf Verbrennungsmotor und E-Maschinen, in Abhängigkeit von vielen Betriebsparametern festgelegt werden muss. Konventionelle betriebspunktorientierte Optimierungsansätze sind hier nicht mehr anwendbar. Auch von anderer Seite gibt es Herausforderungen, die berücksichtigt werden müssen, wie etwa die zunehmende Vielfalt an verschiedenen Kratstoffqualitäten, insbesondere im Rahmen einer globalen Entwicklung. Ein anderes Beispiel stellen hoch belastete Downsizingmotoren dar, denen auf dem Wege der Applikation sichere Betriebszustände und damit die geforderte Zuverlässigkeit beigebracht werden muss. In diesem Umfeld haben sich verschiedene Methoden und Vorgangsweisen herauskristallisiert, auf die in weiterer Folge eingegangen werden soll. Sie sind geprägt durch einige zugrunde liegende Trends. So wird versucht, mit Frontloading möglichst früh im Entwicklungsprozess die gewünschten Eigenschaten des Antriebssystems abzusichern und in weiterer Folge mittels modellbasierter Optimierung in der Applikation umzusetzen. Neben den Optimierungsmethoden selbst spielt dabei die konsistente Datenhaltung und deren Nachvollziehbarkeit eine besondere Rolle und muss durch leistungsfähige Werkzeuge unterstützt werden (Dobes et al. 2007). Moderne Steuergeräte haben darüber hinaus auch eine Vielzahl zusätzlicher Funktionen, die die Vorhersage nicht messbarer Größen ermöglichen und für die Regelung und Überwachung des Motors von essenzieller Bedeutung sind. Die effiziente Bedatung dieser Funktionen muss daher ebenfalls integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses sein. Die folgenden Beispiele konzentrieren sich auf Aufgabenstellungen in der Applikation und in der Funktionsbedatung.

13.1 Notwendigkeit von Optimierungsstrategien Die allgemeine Vorgehensweise zur Optimierung nämlich Versuchsplanung, Datengenerierung, Modellbildung und Optimierung bildet einen Basisprozess für alle Entwicklungsaufgaben. Dieser Prozess ist dem Ingenieur seit jeher vertraut. Lediglich die Rechnerunterstützung erlaubt mittlerweile im Bereich der Modellbildung und Optimierung die Anwendung von statistisch mathematischem Wissen, das typischerweise nicht den Kern des Lehrstoffes von Maschinenbaustudien bildet. In diesem Kapitel wollen die Autoren daher auf einfache, ergebnisorientierte Art und Weise, den Nutzen der neuen Möglichkeiten nachvollziehbar darstellen. Dazu ist in Abb. 13.1 der modellbasierte Optimierungsablauf skizziert. Motoren haben in ihrem Verhalten „keine Ecken“. Allerdings verhalten sie sich auch nicht „linear“. Bisher war man es daher gewohnt, die Verläufe von Messergebnissen (Verbrauch und/oder Emissionen) bei gezielter Verstellung eines einzelnen Parameters (z. B. Einspritzdruck) zu betrachten und daraus die optimale Einstellung des Einspritzdruckes abzuleiten.

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.1 Die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung und Abbildung im Projektablauf (Kötter 2008)

Bei diesem Prozess sind bereits alle Elemente des modellbasierten Optimierungsablaufes enthalten, wobei der Bereich „Modellbildung bis Optimierung“ durch „visuelles, erfahrungsbasiertes Glätten der Messergebnisse im Verbund mit Vorwissen über die grundsätzlichen physikalischen Zusammenhänge“ im Kopf des Versuchsingenieures stattgefunden hat. Interessanterweise ist ein erfahrener Versuchsingenieur dabei auch in der Lage, in den mehrdimensionalen Raum vorzudringen, sogar Messfehler zu erkennen und auch Randaspekte zu berücksichtigen, die in den Messdaten direkt nicht enthalten sind.

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Es gilt also, diese hohe Qualifikation im vernetzten Denken weiter zu unterstützen, um rückverfolgbar in den heute typischerweise 4- bis 10-dimensionalen Raum vorzudringen, und dabei das Potenzial der neuen mechatronischen Technologien durch optimale Parameterwahl auch wirklich abzuholen.

13.2 Modellstrukturierung Am Beginn jeder Entwicklungsarbeit steht die grundlegende Frage, wie eine dem Entwicklungsziel „optimal entsprechende Lösung“ definiert wird. Diese Fragestellung führt direkt in die Aufgabenplanung, beispielsweise könnte die Aufgabe zur Emissionsoptimierung eines Dieselmotors lauten: „Stellen Sie die 6 verbrennungsrelevanten Kennfelder der Motorsteuerung so ein, dass mit dem Fahrzeug xy im NEDC (New European Driving Cycle) einerseits ein definiertes engineering target bezüglich der Emissionsgrenzen für EURO 6 erreicht wird und anderseits unter diesen Randbedingungen der Kratstoffverbrauch minimal ist.“ Bevor in den folgenden Kapiteln derartige Fragestellungen an Hand konkreter Beispiele erläutert werden, ist es notwendig den Begriff Modell, ein wesentlicher Kern der „modellbasierten Vorgehensweise“, näher zu betrachten: Der Begriff Modell kann im Allgemeinen als „Abbild der Wirklichkeit“ definiert werden. Da dieser Begriff in den verschiedensten Fachgebieten in unterschiedlicher Ausprägung verwendet wird, ist in Abb. 13.2 eine Strukturierung des hier verwendeten Ausschnittes des Modellbegriffes definiert. Im Entwicklungsprozess einer Verbrennungskratmaschine werden alle hier genannten Modelltypen eingesetzt. Simulationsrechnungen unterstützen die Entwicklungsentscheidungen am Anfang der Entwicklung. Die genutzten Simulationsprogramme stützen sich auf mathematische Modelle, die sich weitgehend aus physikalischen Gesetzen ableiten. Gegen Ende des Entwicklungsprozesses dominieren die datengetriebenen Modelle, die beispielsweise in Steuergerätefunktionen genutzt werden. Diese Modelle hinterlegen In-

Empirische Basis

Physikalische Basis

(Daten getrieben)

(Erkenntnis basiert)

Mathematische Modelle

Kennfeldstrukturen

(in Formeln fassbar)

Stationär (Zeit frei, Zeit unabhängig)

Dynamisch (Zeitabhängig)

Zur Beschreibung von Verhalten, das auf Grund physikalischer Gesetze vorhersagbar ist. Bevorzugt, wenn in geeigneter Form möglich.

Zur Abbildung und Vorhersage beobachtbarer Zusammenhänge.

Verwendet für Steuergerätefunktionen

Abb. 13.2 Datengetriebene mathematische Modelle zur Abbildung beobachteter Zusammenhänge im Umfeld des Begriffes „Modell“

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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formationen, die im realen Betrieb des Aggregates nicht messbar sein werden, um sie zur Steuerung zu nutzen. Die wesentliche Entwicklungsaufgabe der „Kalibrierung von Steuergeräten“ umfasst hier auch die Bedatung solcher Kennfeldstrukturen, die das Gesamtverhalten der Antriebseinheit entscheidend mit beeinflusst. Nutzt man die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung – wo auch immer im Entwicklungsprozess – so werden typischerweise datengetriebene, mathematische Modelle verwendet, die • auf gemessenen oder simulierten Ergebnisdaten basieren und • sich als Formel darstellen lassen. Diese Gruppe von Modellen wird im Folgenden genauer betrachtet. Man kann also beispielsweise eine Formel für den Kratstoffverbrauch in einem bestimmten Betriebspunkt einer VKM (Drehzahl/Lastkombination) als Funktion von Stellgrößen (z. B.: Spritzbeginn, Raildruck und Abgasrückführrate) angeben. Sobald das für alle benötigten Motorkenngrößen – typischerweise auch für Temperaturen, Emissionen, Turboladerdrehzahl und ähnliche Größen – der Fall ist, kann ein mathematischer Optimierer eine optimale Einstellung von Spritzbeginn, Raildruck und Abgasrückführrate vorschlagen. Als Vorgabe benötigt der Optimierer eine bestimmte Zielfunktion (beispielsweise: minimaler Verbrauch) sowie optional die Angabe von beliebig vielen Randbedingungen (maximal zulässige Werte für Temperatur, Emissionswerte und/oder Turboladerdrehzahl). Diese modellbasierte Vorgehensweise hat zahlreiche Vorteile: Das Optimum selbst muss nicht unmittelbar im ersten Schritt bei der Vermessung getroffen werden; man kann durch die Modellvorhersage im gesamten untersuchten Bereich, eine statistisch bewertete Aussage treffen und ein Optimierungsalgorithmus kann in vergleichsweise kurzer Zeit den vieldimensionalen Versuchsraum nach geeigneten Lösungen durchsuchen. Das Aufzeigen der nächsten Entwicklungsrichtung – gegebenen Falls auch verbunden mit der Aussage, dass im untersuchten Raum diese Forderung nicht erfüllt werden kann, bringt Transparenz und Effizienz in den Entwicklungsprozess. In der Modellbildung selbst lässt sich jeder empirisch beobachtbare Zusammenhang – in engen Verstellbereichen – durch ein lineares Modell (Ebene, Hyperebene) annähern. Die für VKMs üblichen Verstellbereiche erfordern aber bereits innerhalb eines Betriebspunktes typischerweise Modelle zweiter oder höherer Ordnung mit Wechselwirkungen. Bleiben Modelle auf einen Betriebspunkt beschränkt, so spricht man auch von lokalen Modellen. Globale oder teilglobale Modelle, hingegen, verwenden auch Drehzahl und Last als Eingangsvariablen und beschreiben so den gesamten oder einen definierten Teil des Motorbetriebsbereiches. Gleichung 13.1 zeigt zum Beispiel ein lokales Modell für den Kratstoffverbrauch in der Form eines Polynoms zweiter Ordnung mit Wechselwirkungen: BH = a  + a  ⋅ S + a  ⋅ S  + b  ⋅ R + b  ⋅ R  + c  ⋅ A + c  ⋅ A + d ⋅ S ⋅ R + d ⋅ R ⋅ A + d ⋅ S ⋅ A

(13.1)

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mit: BH S R A a0 bis d3

Kratstoffverbrauch in [kg/h] Spritzbeginn in [Grad Kurbelwinkel vor OT] Raildruck in [bar] Abgasrückführrate in [%] Polynomkoeffizienten

Um so eine Gleichung in eine Ergebnisdatenmenge bestmöglich einzupassen, müssen in diesem Beispiel also 10 Koeffizienten angepasst werden. Üblicherweise erfolgt dies mit der Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Der Polynomansatz eröffnet weiter die Möglichkeit, die Methode der statistischen Versuchsplanung (Englisch: Design of Experiments, DoE) zu nutzen. Für diese Modellstruktur (13.1) wird bei Nutzung von DoE an Positionen im Versuchsraum, die für die Genauigkeit der zu identifizierenden Modellkoeffizienten mathematisch günstig liegen, ein Versuchsplan von etwa 17 bis 20 Messpunkten erstellt. Dabei ist der Startpunkt bereits als Wiederholungsmessung mehrfach enthalten, um die Reproduzierbarkeit der Versuchsergebnisse festzustellen (Kleppmann 2009). Zum Vergleich: Eine Rasterung mit 5 Stufen in jeder Richtung würde bereits 125 Messungen erfordern, ohne dass eine Aussage über die Wiederholbarkeit der Versuche enthalten wäre. Sollen die Modelle das Motorverhalten betriebspunktübergreifend beschreiben, so erfordert das im Fall von Polynommodellen sehr ot auch Modellterme höherer Ordnung. Bei der Modellbildung selbst ist darauf zu achten, nur entsprechend signifikante Terme in der Modellgleichung zuzulassen. Hier benötigt der Versuchsingenieur in jedem Fall eine leistungsfähige Sotware mit geeigneten Algorithmen zur Identifikation der signifikanten Terme. Die Versuchsplanung muss demgegenüber für den aufwendigsten Modelltyp ausgelegt sein, um auch für diesen Fall die ausreichende Messdateninformation bereitzustellen (Bittermann et al. 2004; Castagna et al. 2007). Neben Polynommodellen sind auch neuronale Netze wichtige Vertreter solcher datengetriebener, mathematischer Modelle. Sie basieren meist auf den oben bereits skizzierten Gedanken, dass mehrere relativ einfache Polynommodelle durch geeignete Gewichtungsfunktionen verschliffen werden können, so dass auch starke Nichtlinearitäten abbildbar werden. Gleichung 13.2 zeigt die grundsätzliche Struktur von solchen Neuronalen Netzen am Beispiel des Typs INN (Keuth 2005). In Abb. 13.3 sieht man exemplarisch den Verlauf von Gewichtungsfunktionen, die in Summe stets eins ergeben und sich somit zur Verschleifung von Teilmodellen eignen. m

yˆ (u) = ∑ Φ i (u) ⋅ yˆ i (u, Θ i ) i=

(13.2)

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.3 Gewichtungsfunktionen zum Verschleifen von Teilmodellen

mit: yˆ yˆ i u m Φi Θi

Gesamtmodell, Teilmodell i Eingangsvariablenvektor Anzahl der lokalen Teilmodelle Gewichtungsfunktion für das Teilmodell i Koeffizientenvektor für das Teilmodell i

Zur genaueren Detaillierung des hemas Modellbildung an sich sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Altenstrasser 2007) Abbildung 13.2 zeigt noch eine weitere grundsätzliche Eigenschaten von datengetriebenen, mathematischen Modellen: Sie können a) stationär oder b) dynamisch sein (Isermann 2010; Altenstrasser 2007; Hametner 2006). So wie beispielsweise in (13.1) oder (13.2) dargestellt, folgt für eine bestimmte Kombination der Stellgrößen unmittelbar genau ein bestimmtes Modellergebnis (z. B.: Kratstoffverbrauchswert in [kg/h]). Man spricht auch von einem stationären oder zeitfreien Modell, da das Ergebnis zeitunabhängig ist. Ein dynamisches Modell unterscheidet sich dahingehend, dass als Eingangsvariablen auch Ableitungsterme im weitesten Sinn enthalten sind und somit der Ausgang auch zeitabhängig ist. Dies erfolgt typischerweise durch Einbindung von zeitverzögerten Werten aus

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 13.4 Prinzipvergleich von stationären und dynamischen Modellen

der Vergangenheit, wie (13.3) exemplarisch zeigt. M

yˆ (k) = ∑ Φ i (k) ⋅ yˆ i (k) i=

yˆ i (k) = xT (k)θ i

Φ i (k) = Φ i (x(k))

mit: x(k) m, n M q yˆ

xT (k) = [u  (k − ) . . . u q (k − m) Inputvektor zum Zeitpunkt k, Systemordnung für Ein- und Ausgänge, Anzahl der lokalen Teilmodelle, Anzahl der Eingänge, Gesamtmodell,

(13.3) y(k − ) . . . y(k − n) ]

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.5 Zeitebenen am Beispiel des Zylinderinnendruckes von einem Zylinder eines Lkw Motors bei 800 1/min und Stellgrößenvariation

yˆ i Φi θi

Teilmodell i, Gewichtungsfunktion für das Teilmodell i, Parametervektor für das Teilmodell i,

Abbildung 13.4 zeigt das Wesen von dynamischen Modellen im Vergleich zu stationären: Auch bei gleichen Werten für den Eingangsvariablevektor u erreicht das dynamische Modell den stationären Endwert nicht sofort, sondern nähert sich ihm erst im Lauf der Zeit. Auch für die Vermessung dynamischer Modelle sind Versuchspläne bekannt, die entsprechend um die Zeitkomponente erweitert sind (AFS, APRBS sowie viele andere, Isermann 2010). Die erfolgreiche Handhabung benötigt aber fundiertes Spezialistenwissen und ist derzeit – im Gegensatz zu DoE mit zeitfreier Modellbildung – noch ein Stück von der breiten industriellen Anwendbarkeit entfernt. Abbildung 13.5 zeigt am Beispiel des Zylinderinnendruckes in welchem Bereich der Einsatz von dynamischen Modellen lohnenswert und notwendig sein kann. Dazu bedarf es auch eines kurzen Blickes auf die typischerweise in Verbrennungskratmaschinen ablaufenden Zeitebenen bei der Entstehung der Rohdaten für die Modellbildung. Die drei Teilebenen unterscheiden sich in zeitlicher Hinsicht jeweils etwa um den Faktor 1000 und können bzw. müssen damit entkoppelt betrachtet werden. Man könnte die schnelle Ebene der innermotorischen Vorgänge „MegaHz-Ebene“ nennen; die mittelschnelle, in der die von uns Menschen wahrgenommene Dynamik eines Motors stattfindet, könnte „kHz-Ebene“ genannt werden und jene die stationäre Mittelwertergebnisse betrachtet „Ergebnisebene“.

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Im unteren Teilbild sieht man den Verlauf des indizierten Mitteldruckes aus jeweils stationären Mittelwertmessungen über 30 Sekunden, bei 800 1/min mit einer bestimmten Pedalposition. Der Versuchsplan umfasst 57 Messungen mit verschiedenen Einstellungen für 6 Steuergeräteparameter. Der Startpunkt bei 7,2 bar indizierten Mitteldrucks ist als Wiederholpunkt insgesamt 14 mal vermessen. Unterschiedliche Ergebnisse für den Wiederholpunkt zeigen die Grenzen der Reproduzierbarkeit der Versuche auf. Jeder einzelne Mittelwert repräsentiert eine stationäre, zeitunabhängige Motorantwort, die sich wiederum aus 250 Arbeitsspielresultatwerten über einen Zeitraum von 30 Sekunden errechnet. In dieser mittleren Geschwindigkeitsebene bauen sich wesentliche Randbedingungen für die einzelnen Arbeitsspiele über einige Sekunden – ja bei Temperaturen sogar im Minutenbereich – bis zum stationären Zustand auf. Für die hier dargestellte stationäre Motorvermessung wird mit Stabilitätskriterien sichergestellt, dass der gewünschte Beharrungszustand vor der Mittelwertbildung erreicht wird. Jedes einzelne Arbeitsspielresultat ist wiederum ein Ergebnis aus einem in jedem Fall höchst dynamisch ablaufendem Vorgang – über 720 Grad Kurbelwinkel in diesem Beispiel. Diese Dynamik ist der Verbrennungskratmaschine eigen und auch während des sogenannten stationären Betriebes stets vorhanden. Man sieht an diesem Beispiel, wie man durch geeignete Kenngrößenbildung – hier durch den indizierten Mitteldruck – die Notwendigkeit in die datenbasierte, dynamische Modellbildung tiefer einzusteigen im ersten Schritt elegant vermeiden kann. Will man beispielsweise einen leistungsoptimalen Zylinderdruckverlauf mit maximal zulässigem Spitzendruck erreichen, so wird die entsprechende Einstellung der möglichen Variationsparameter auch einen maximalen indizierten Mitteldruck ergeben, der bei diesem Spitzendruck möglich ist. Es reicht daher für die Optimierung aus, verlässliche, zeitfreie Modelle für die Kenngrößen „indizierter Mitteldruck“ und den „Spitzendruck“ zu haben und man muss nicht den gesamten Zylinderdruck abhängig von den Einstellparametern und der Zeit modellieren können, um diese Aufgabe zu lösen. Die dynamische Modellbildung ist daher in der mittleren bis langsamen Geschwindigkeitsebene am effektivsten. Hier müssen relativ langsame Vorgänge in ihrer Zeitabhängigkeit vorhergesagt und beschrieben werden, da sie als Randbedingung für optimale innermotorische Vorgänge zeitliche Trägheiten aufweisen können. Wenn solche Größen in ihrer Dynamik richtig vorhergesagt werden können, dann kann man auch „Versuche“ zur geeigneten Ansteuerung der VKM vom Prüfstand in die Bürowelt verlagern und in der virtuellen Welt mit Hilfe von Optimierungsalgorithmen zu geeigneten, dynamisch relevanten Einstellungen gelangen, die dann in der realen Welt nur noch zu verifizieren sind. Dies trit insbesondere auf Aufheizvorgänge und auf Kenngrößen des Lut- und Abgaspfades mit der dazugehörigen Gasdynamik – gegebenenfalls beeinflusst durch die Turboladerträgheit – zu.

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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13.3 Modellansätze für die Optimierung Es ergeben sich theoretisch folgende Optimierungsansätze: a) Vollständige Rasterung aller Kennfeldvariationen für die Kennfeldstützstellen im jeweils relevanten Bereich. Anschließend die Messergebnisse pro Betriebspunkt mit entsprechender Gewichtung aufsummieren und schlussendlich aus der Fülle der Ergebnisse das geeignetste auswählen. Zur Veranschaulichung des Aufwandes sei kurz überschlagen: Sollte jeder der Einflussparameter in 5 Stufen variiert werden, so ergäbe das für 6 Kennfelder pro untersuchter Stützstelle 56 = 15.625 Messungen. Legt man weiter eine durchschnittliche Messdauer (inklusive der notwendigen Verstell- und Stabilisierungszeit) von 3 Minuten zu Grunde, würde das etwas mehr als einen Monat ununterbrochenen, fehlerfreien Prüfstandsbetrieb erfordern, um nur die Einflüsse in einem einzigen Betriebspunkt rasterförmig zu vermessen. b) „Intuitiv Iterative Vorgehensweise/online Optimierung – zielfokusiert“: Wesentlich weniger Aufwand ist es, „aus Erfahrung“ die Versuchsanzahl drastisch einzuschränken, und die messpunktorientierte Methode nach (a) nicht vollständig gerastert, sondern „gefühlsmäßig“ und händisch iterativ am Prüfstand direkt durchzuführen. Nur einen kleinen Teil des Variationsraumes wird so ausgetastet – geführt von einem Entwicklungsziel, für dessen Erreichung der Prüfstandsbediener alle relevanten Messergebnisse im Kopf vergleicht und daraus die nächste Einstellung definiert, die dem Optimum vermutlich näher kommen sollte. c) DoE mit modellbasierter Optimierung: Eine ähnliche Aufwandsreduktion ist auch erreichbar, wenn ein modellbasierter Ansatz verwendet wird. Das heißt, es wird zunächst ein Versuchsplan in der Form erstellt, dass anschließend aus den Messergebnissen empirische Modelle für • die Systemausgangsgrößen (z. B.: NOx , HC, Verbrauch, Abgastemperatur, Zylinderspitzendruck, Verbrennungsstabilität) in Abhängigkeit • der Verstellparameter (6 verbrennungsrelevante Stellgrößen für die zu untersuchenden Betriebspunkte, z. B.: Spritzbeginn, Raildruck Voreinspritzzeitpunkt, Voreinspritzmenge, Abgasrückführrate, Ladedruck) in hinreichender Genauigkeit erstellt werden können. Diese Modelle können nun von einem entsprechenden Optimierer genutzt werden, der wiederum die der Aufgabe entsprechende beste Einstellung der Kennfeldparameter vorschlägt (Koegeler et al. 2001). d) Modellbasierte Onlineoptimierung – zielfokusiert: Hier wird die Vorgehensweise nach (b) automatisiert, sodass der Prüfstandsbediener vom Kopfrechnen und der ständigen (fehlerarmen) Beobachtung aller relevanten Messergebnisse entlastet wird und bereits während des Versuchsprogrammes mit den jeweils vorhandenen Daten zunächst Trends später einfache Modelle automatisch gebildet und zur Optimierung zur Laufzeit genutzt werden (Haines et al. 1998).

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e) DoE mit modellbasierter Optimierung – unter Nutzung von online Adaptierungen: Schließlich besteht der Haupt-Nachteil der Methode (d) darin, dass die dort erhaltenen Modelle nur im Bereich des damit gefundenen „online Optimums“ eine hohe Genauigkeit aufweisen. Im großen Rest des Versuchsraumes kann meist keine Aussage getroffen werden. Bei Änderung des Optimierungszieles muss eine neue Messserie durchgeführt werden. Dieser Nachteil wird bei Methode (c) grundsätzlich umgangen – dennoch machen automatisierte online Adaptierungen aus dem fortschreitenden Informationsgewinn während des Vermessungsvorganges Sinn: • Erstens weisen Versuchspläne ot „unfahrbare Einstellkombinationen auf “ die den Motor sogar gefährden könnten. Man benötigt also geeignete, vorsichtige Einstellprozeduren, die sicherstellen, dass der Motor ausschließlich innerhalb definierter Grenzen betrieben wird (z. B.: maximale Klopffrequenz oder maximaler Spitzendruck, maximale Verbrennungsinstabilität oder maximale Abgastemperatur). Durch sogenannte „Screening Prozeduren“ von einem sicher fahrbaren Startpunkt aus wird dabei der fahrbare Verstell-Bereich des Aggregates ausgetastet und alle geplanten Variationspunkte werden in diesen Bereich hineinverschoben. Damit wird die Anwendung von DoE auf Verbrennungsmotorische Aufgaben in kritischen Motorbereichen überhaupt erst praktikabel. Es tritt dann allerdings ot erst bei der nachfolgenden Modellbildung in Erscheinung, dass der ursprünglich – aus mathematisch modelltheoretischen Gesichtspunkten wohl ausgewogene Versuchsplan bei dieser Vorgehensweise so verbogen wurde, dass die Qualität der Modelle schlecht und eine Nachmessung erforderlich wird. • Somit ist die zweite wesentliche online Anpassung, diese Überprüfung der Versuchsplanqualität gleich zur Versuchslaufzeit automatisiert durchzuführen und gegebenenfalls durch zusätzliche Messpunkte eine Ergänzung derart zu erreichen, dass die ursprünglich geforderte Qualität des Versuchsplanes sichergestellt wird (Beidl et al. 2003). • Schließlich kann für vorabdefinierte Motorantwortgrößen auch zur Laufzeit die Modellbildung automatisiert erfolgen, was eine zusätzliche Onlineinteraktion mit Messwiederholungen für den Fall von Ausreißern in einzelnen Kanälen erlaubt. Auch die tatsächliche Optimierung kann dann zur Laufzeit erfolgen – allerdings ohne die Einschränkung in anderen Variationsraumbereichen unzureichende Modellqualität fürchten zu müssen (Kuder et al. 2003). • Ein wesentlicher Aspekt von DoE-Methoden liegt auch im gezielten Einbauen von Wiederholpunkten in den Versuchsplan. Dadurch kann bei der nachfolgenden Modellbildung die Streuung der Messergebnisse in den Wiederholpunkten mit der Abweichungen der Messergebnisse vom Modell in Beziehung gestellt werden. So kann einerseits eine statistisch qualifizierte Modellbewertung vorgenommen werden, anderseits lassen sich auch sinnvolle Messgenauigkeitsanforderungen für eine Aufgabenstellung ableiten (Eiglmeier et al. 2004).

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Während der Ansatz (a) für eine heute typische Optimierungsaufgabenstellung aus Kosten- und Aufwandsgründen praktisch ausscheidet, verbleiben grundsätzlich die Ansätze (b) bis (e). Hier liegt zwar in der Methode (b) der Vorteil für sehr erfahrene Prüfstandsingenieure unter Umständen sogar noch etwas schneller zu sein als mit Methode (c). Allerdings ist damit der gravierende Nachteil verbunden, dass das Ergebnis nicht rückverfolgbar ist. Bei geringer Änderung der Zielsetzung – beispielsweise eine Randbedingung für die Verbrennungsstabilität muss im späteren Entwicklungsprozess aus Komfortgründen verschärt werden – muss die gesamte Messserie wiederholt werden. Ein weiterer Vorteil der modellbasierten Methoden (mit Ausnahme von d) liegt im Potenzial der Varianten Applikation. Also dass aus einer Vermessung des Motors verschiedene Optimierungen für Fahrzeugvarianten erstellt werden können.

13.4 Anwendungsbeispiele für Optimierungsaufgaben In den folgenden Unterkapiteln sind einige Anwendungsbeispiele für die systematische, modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung dargestellt.

13.4.1 Emissionsoptimierung Diesel Pkw Besonders bei Dieselmotoren ist die stationäre Grundbedatung im Teillastbereich eine wesentliche Voraussetzung, um die immer strenger werden Abgasnormen zu erfüllen. Hier lautet die Aufgabe kurz zusammengefasst: „Stellen Sie die 6 verbrennungsrelevanten Kennfelder der Motorsteuerung so ein, dass mit dem Fahrzeug xy im NEDC (New European Driving Cycle) einerseits ein definiertes engineering target bezüglich der Emissionsgrenzen für EURO 6 erreicht wird und anderseits unter diesen Randbedingungen der Kratstoffverbrauch minimal ist.“ Daraus leitet sich wiederum ab, dass das Antriebsaggregat in den für den NEDC relevanten Betriebsbereichen vermessen werden muss und zwar unter verschiedensten Kombinationen in den Kennfeldeinstellungen. Jedes Mal müssen zumindest die Schadstoffemissionen und der Verbrauch gemessen werden. Diese Arbeit wird typischerweise an einem Motorenprüfstand durchgeführt, der • mit aktiver Bremse, • offenem Motorsteuergerät samt Applikationssystem zur Verstellung der relevanten Motorsteuerungskennfelder, • mit Indizier Messtechnik zur Überwachung der Verbrennung • mit Abgasemissions- und Verbrauchsmesstechnik

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Abb. 13.6 Lastkollektiv für den NEDC Fahrzyklus und Schnittgrafik für ein lokales NOx -Modell mit 6 Eingangsgrößen

ausgerüstet ist. So eine Entwicklungsumgebung kann beispielsweise durch die am Markt verfügbare Sotware AVL-CAMEO™ angesteuert werden. Diese Sotware unterstützt die gesamte Vorgehensweisen zur systematischen, modellbasierten Optimierung und stellt die notwendige Abfahrstrategie zur adaptiven Anpassung des Versuchsplanes während des Versuches bereit. Am Beispiel des hinterlegten Arbeitsflusses dieser Sotware wird im Folgenden die modellbasierte Vorgehensweise zu Optimierung verdeutlicht: Zur effektiven Anwendung der modellbasierten Vorgehensweise zur Optimierung beginnt man mit der Versuchsplanung. Dazu ist zunächst das Lastkollektives für die betrachtete VKM in der Zielanwendung zu ermitteln. Dies geschieht durch eine Fahrzeugsimulationsrechnung für das Zielfahrzeug im NEDC-Zyklus. Aus der Spur der Drehzahl-Drehmoment-Zustände im Motorkennfeld werden etwa 11 bis 17 Betriebspunkte mit zugehörigen Gewichtungsfaktoren extrahiert. Die Gewichtung ergibt sich dabei aus der Aufenthaltsdauer des Aggregates in der näheren Umgebung des jeweiligen Betriebspunktes. Das so ermittelte Lastkollektiv erlaubt die Hochrechnung der Schadstoffemissionen und des Gesamtverbrauches für das geplante Fahrzeug im NEDC Zyklus durch eine gewichtete Summenbildung über die Ergebnisse in den einzelnen Betriebspunkten. Abbildung 13.6 zeigt dazu die Verteilung von 11 Motorbetriebspunkten. Für jeden dieser Betriebspunkte sollen lokale Modelle für die Schadstoffemissionen, den Verbrauch, das Geräusch, den Zylinderspitzendruck und für die Abgastemperaturen ermittelt werden. Die Darstellung der mehrdimensionalen Abhängigkeit von NOx von den 6 Einstellparametern ist in einer Schnittgrafik veranschaulicht. Alle 6 nebeneinander angeordneten Verläufe stellen Schnitte durch das NOx -Modell dar – und zwar jeweils in die 6 Richtungen der 6 Einstellparameter. Man erkennt hier bei der jeweiligen Cursorposition, die Steilheit und den Verlauf des NOx -Modelles durch Änderung der jeweiligen Einstellparameters. Das Bewegen des Cursors in einem Teilbild bewirkt Änderungen in den anderen 5 Schnittbildern. Mit dieser Visualisierungs-Methode kann unser – grundsätzlich für 3 Dimensionen ausgelegtes – Gehirn auch in die höherdimensionale Welt vordringen und so Zusammenhänge unmittelbar erfassen, die sonst praktisch nur in mathematischen Formeln beschreibbar sind. Bei der Erstellung der Versuchspläne für die lokalen Modelle mit 6 für die Verbrennung signifikanten Motorstellgrößen (Ansteuerbeginn Haupteinspritzung, Raildruck, Lutmasse, Pilotabstand, Pilotmenge, Ladedruck) und deren Verstellbereiche, ergibt sich eine Variationsliste von 55 Messungen pro Betriebspunkt. Dabei wird ein sogenanntes D-optimales

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Abb. 13.7 Versuchspläne und ihre Abfahrmethoden für VKM

DoE-Design eingesetzt, das Vorwissen im Sinne der Ordnung der Polynom-Modelle nutzt (vgl. auch unten Abb. 13.7). Aus Erfahrung weiß man, dass die Abhängigkeit der Motormessgrößen vom Pilotabstand mit Polynomen zweiter Ordnung in manchen Fällen schlecht abgebildet werden kann. Daher wird in diese Variationsrichtung eine höhere Messpunktdichte angesetzt, die den Einfluss des Pilotabstandes bis zur 4ten Ordnung berücksichtigen kann. Dieser Versuchsplan ist zunächst hinsichtlich mathematisch – statistischer Kriterien optimal geeignet, die aus Erfahrung angesetzten Polynomgleichung durch geeignete Koeffizientenwahl, an die Motormessergebnisse anzupassen. Er nimmt allerdings zunächst keine Rücksicht darauf, ob die geforderten Einstellkombinationen überhaupt einen fahrbaren Motorbetrieb erlauben. Der Versuchsingenieur definiert lediglich Startpunkt- und Begrenzungskennfelder, die einerseits eine fahrbare Starteinstellung für jeden Betriebspunkt und anderseits betriebspunktspezifisch sinnvolle Verstellbereiche sicherstellen. Im Prüfstandsbetrieb muss daher beim Abfahren dieser Versuchspläne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass einzelne Einstellkombinationen entweder zu hohe Abgastemperaturen, zu hohen Zylinderspitzendruck oder zu hohen Rauch produzieren. Während in diesem Beispiel der Teillastoptimierung Spitzendruck und Abgastemperatur eher von untergeordneter Bedeutung sind, ist die Überwachung der Rauchentwicklung von ganz entscheidender: Einerseits ist man an Einstellkombinationen die bereits in den Rohemissionen zu hohe Rußemissionen aufweisen, nicht interessiert, anderseits würde das Abgasmesssystem dadurch stärker belastet und ein automatisierter Prüfstandsbetrieb – beispielsweise über Nacht oder das Wochenende dadurch gefährdet. Darum wird in dieses Beispiel ein Opazimeter eingesetzt und der Trübungswert als „Limit“ für die maximal zulässige Verstellung genutzt.

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Zum Abfahren solcher Versuchspläne sind daher in der oben genannten Sotware die folgenden Testvorlagen vorgesehen. Sie bestehen jeweils aus einer Betriebspunkt- und einer Variationsebene („2 Layer-Strategies“) In der Betriebspunktebene werden die äußeren mechanisch relevanten Betriebspunktparameter wie Drehzahl und Drehmoment eingeregelt und vom Prüfstand in weiterer Folge konstant gehalten. In der zweiten Ebene werden hingegen die 6 Einstellparameter variieret, die später auch als Modelleingang für die zu ermittelnden lokalen Modelle dienen sollen. Für DoE wesentlich sind die folgenden 3 Testvorlagen: 1. DoE-Liste 2. Online DoE screening 3. Adaptive online DoE Alle drei Strategien gehen davon aus, dass der Betriebspunkt einregelbar und somit der erste Punkt in der Variationsliste ein fahrbarer ist, das heißt, dass hier keine Limitverletzungen vorliegen. Die Unterschiede ergeben sich daher im Umgang mit der Variationsliste in der zweiten Ebene: Ad1. DoE-Liste: Die erstellten DoE-Pläne werden direkt gesetzt. Im Fall einer Verletzung parametrierter Grenzwerte (Limits) durch eine Einstellparameterkombination wird diese sofort verlassen und nicht vermessen und somit beim Abarbeiten der Liste ausgelassen. Vorteil: Wenn keine Grenzwertverletzungen erwartet werden, sehr schnell und direkt. Ad2. Online DoE Screening: Bei dieser Strategie wird der DoE-Plan auf Grund der beobachteten Grenzwertverletzungen abgeändert: In einem ersten Schritt (Screening) wird der Variationspunkt in kleinen Schritten an den Designpunkt angenähert und der Messpunkt so weit wie möglich an die fahrbare Grenze verschoben und damit gleichzeitig der fahrbare Bereich ermittelt. Vorteil: Man erhält genau die Anzahl der parametrierten Punkte – gegebenenfalls verschoben, herein in den fahrbaren Bereich. Ad3. Adaptive online DoE: Diese Strategie läut im ersten Schritt identisch zum Online DoE Screening. Bevor allerdings der Betriebspunkt wieder verlassen wird, wird das Design in einer zweiten Phase an den ermittelten fahrbaren Raum angepasst. In diesem zweiten Schritt wird im Hyperraum die Verteilung der bisher vermessenen Punkte bezüglich der gewünschten Modellordnung geprüt und nach einem D-optimalen Design mit zusätzlichen Messpunkten ergänzt (D-Optimal adaptiv). Damit wird sichergestellt, dass in der nachfolgenden Modellbildung die Lage der Punkte im Variationsraum derart ist, dass die Modellterme sicher identifiziert werden können. Abbildung 13.7 fasst die hemen „Testvorlage“ bzw. „Versuchspläne“ aus dem Blickwinkel des Bedarfes der VKM-Entwicklung zusammen. Zur detaillierten Beschreibung der

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Abb. 13.8 Screening – Phase zum Austasten des fahrbaren Raumes

aufgelisteten Versuchspläne in der rechten Spalte wird auf die einschlägige Literatur verwiesen (Kleppmann 2009). Es sind hier lediglich die entscheidenden Eigenschaten für die mit diesen Plänen erschlossenen Modellbildungsmöglichkeiten zusammengefasst. Abbildung 13.8 zeigt einen 3-dimensionalen Ausschnitt aus dem 6-dimensionalen Raum der Einstellparameter für einen der 11 Betriebspunkte. Wie am Beispiel des gelb markierten – gerade auszutastenden – Verstellwegs zu sehen ist, konnte ein Messpunkt (schwarze Quadrate) bereits den maximalen Verstellweg von Raildruck (Richtung niedrig), Ladedruck (Richtung niedrig) und Pilotmenge (Richtung niedrig) ausnutzen, wogegen ein anderer Messpunkte – auf Grund einer anderen Einstellung der restliche 3 Parameter bereits eine Limitverletzung (rote Kreuze) zeigt. Der dazugehörige Messpunkt ist daher in den fahrbaren Bereich hereinverschoben worden. Man erkennt auch dass durch diese Prozedur, die Orte der tatsächlich vermessenen Punkte teilweise erheblich von den geplanten abweichen, was ja aus Gründen der Betriebssicherheit auch begründete Priorität hat. Zur Sicherstellung einer für die Modellbildung ausgewogenen Messpunkteverteilung im 6-dimensionalen Raum ist daher die Adaption an den tatsächlich fahrbaren Raum erforderlich. Ganz entscheidend zur erfolgreichen Anwendung von DoE an Verbrennungskratmaschinen tragen minimale Prüflaufzeiten bei, um die bestmögliche Prüflingsstabilität für die Vermessungsphase zu gewährleisten. Dies gelingt durch zusätzliches Eingrenzen des Versuchsraumes mittels permanenter Grenzwertüberwachung zeitkontinuierlicher Abgasgrößen wie NOx und Abgastrübung, sowie durch Überwachung von Regelgrenzen, beispielsweise der AGR-Regelabweichung. Weiteres Potenzial ist durch Ablaufoptimierungen gegeben, etwa Messgeräteinitialisierungen in Stabilisierungsphasen des Motors zu legen. In Summe bewirken diese Maßnahmen eine Reduktion der Prüflaufzeit um bis zu 50 Prozent. Eine Komplettvermessung der elf Betriebspunkte kann dadurch in sieben bis neun Tagen abgewickelt werden. Ebenso erfolgsentscheidend sind eine hochwertige Prüfstands- und Messtechnikausstattung sowie,

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Abb. 13.9 Normalverteilungsgrafik zur Ausreißererkennung

beim Ersteinsatz dieser Methodik, die Schaffung eines optimalen Umfelds im Bereich Medien, Messgeräte und Systemlandschat (Bittermann et al. 2004). Nach erfolgreicher Vermessung der Betriebspunkte werden für die zur Analyse benötigten Ergebnisgrößen Kratstoffverbrauch BE, NOx -, CO-, und HC-Emissionen, Rauchwert und Verbrennungsgeräusch Modelle erzeugt. Die oben genannte Sotware bietet zahlreiche Funktionen, um die Modellbildung zu standardisieren. Vorwiegend grafische Auswertungen ermöglichen zunächst eine grobe Plausibilisierung der Rohdaten. In einem zweiten Schritt erfolgt die Überprüfung der Daten mit Hilfe bereits gebildeter Modelle. Ein adäquates Werkzeug zur statistischen Ausreißererkennung ist die Normalverteilungsgrafik, die unplausible Messwerte in der gesamten Datenmenge identifiziert (s. Abb. 13.9). Von einer Normalverteilung abweichende Differenzen zwischen Modell- und Messwerten (Residuen) werden in dieser Grafik auf der x-Achse aufgetragen und als Ausreißer ersichtlich. Die im Bild markierte Messung wird daher nicht weiter für die Modellbildung genutzt. Weiter zeigt Abb. 13.9, dass der gewählte Modelltyp (Modell 2ter Ordnung) eine gute Wahl darstellt, da alle anderen Residuen einer Normalverteilung gut entsprechen. Sie liegen nämlich alle in unmittelbarer Nähe der idealen Summenhäufigkeitsgerade für den normalverteilten Restfehler. Diese Verzerrung der meist als „S-förmig“ bekannten Summenhäufigkeitskurve in eine Gerade dient der besseren Vergleichbarkeit und wird durch eine beidseitig logarithmisch verzerrte y-Skalierung erreicht. Die derart gewonnenen Regressionsmodelle liefern dem Versuchsingenieur eine Aussage über das Verhalten des Motors im vermessenen Versuchsraum. Zusätzlich hilt ihm der

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.10 Schnittgrafik mit Verifikationspunkt am Optimum

statistisch abgesicherte Vertrauens- und Vorhersagebereich der Modelle, das Messrauschen von den signifikanten Motorreaktionen zu trennen. Kern der Modelldarstellung ist die sogenannte Schnittgrafik, welche die Einflüsse der Motorstellgrößen auf die interessierenden Motormessgrößen in Form mehrerer interaktiver X-Y-Diagramme zeigt. In Abb. 13.10 ist die optimale Parameterkombination für bestmögliche NOx -Emission unter Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für den Kratstoffverbrauch und Rauchwert zu sehen. Zusätzlich ist die Verifikationsmessung am Optimalpunkt eingetragen. Die Schnittgrafik zeigt auch den Vorhersagebereich sowie den vermessenen Versuchsraum. Der hier gezeigte Optimalpunkt wird für jeden Betriebspunkt an Hand seiner individuell vorliegenden lokalen Modelle ermittelt. Man unterscheidet zwischen • der lokalen Optimierung und • der Zyklusoptimierung. Während bei der lokalen Optimierung die Ergebnisse anderer Betriebspunkte nicht betrachtet werden, wird für die eingangs beschriebene Aufgabe dem Optimierer vorgegeben, die gewichteten Summenwerte aus allen 11 Betriebspunkten als Zielwert bzw. Randbedingungen zu betrachten. Als Zielfunktion wird gefordert, den absoluten Kratstoffverbrauch

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in [kg/h] multipliziert mit der Wichtung des Betriebspunktes im Fahrzyklus und aufsummiert über alle 11 Betriebspunkte zu minimieren. Analoges gilt für die Randbedingungen insbesondere für Rauch, NOx und HC, die in der Summe über den Fahrzyklus einen bestimmten Wert nicht überschreiten dürfen. Zusätzlich können betriebspunktspezifische Grenzen – beispielsweise für die Geräuschemission definiert werden. Der Optimierer kann damit in 11 jeweils 6-dimensionalen Verstellräumen das geeignetste Ergebnis suchen. Wichtig ist schlussendlich auch die Verifikationsmessung, da an den 11 Orten der vorgeschlagenen Optima ja bisher mit höchster Wahrscheinlichkeit noch nicht gemessen wurde. Bei guter Arbeit erfolgt hier typischerweise die Bestätigung.

13.4.2 Volllastoptimierung Ottomotor Die modellbasierte Vorgehensweise zur Optimierung ist in analoger Form auch auf Ottomotoren übertragbar und auf Grund der steigenden Variabilität auch hier sehr nutzbringend. Als Beispiel sei daran gedacht, einen bestimmten Volllastverlauf aus dem Lastenhet des Motors mit jeweils minimal möglichem Kratstoffverbrauch darzustellen. Ein wesentlicher weiterer Aspekt, Komplexität aus der Entwicklungsaufgabe herauszunehmen, besteht im Einbringen von Vorwissen. So sind für den Ottomotor zwei Grunderkenntnisse für optimale Einstellungen bekannt: 1. Den höchsten Wirkungsgrad erreicht ein Ottomotor bei einer Verbrennungsschwerpunktslage von ca. 8 Grad Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt. Es ist aber nicht bekannt, wie schnell die Verbrennung abläut, wenn die Abgasrückführrate verändert, der Ladedruck erhöht oder die Ladungsdurchmischung durch Drall- oder Tumbleklappen beeinflusst wird. Demnach ist es zunächst auch nicht bekannt, welchen Zündwinkel man einstellen muss, um die Verbrennungsschwerpunktslage zum Zielwert zu bringen. An der Volllast ist natürlich auch die Klopfneigung zu berücksichtigen, die es erfordern kann, dass mit einer späteren Verbrennungsschwerpunktslage das Auslangen gefunden werden muss. 2. Des Weiteren sind die Abgasentgitungssysteme meistens für „lambda = 1 – Betrieb“ ausgelegt. Daher soll lambda immer = 1 bleiben – es sei denn Hochleistungsbetriebspunkte erfordern aus Bauteilschutzgründen, dass die Abgastemperatur abgesenkt werden muss. In diesem Fall soll dann so sparsam wie möglich angefettet werden und ein Betrieb mit „lambda < 1“ appliziert werden. Man kann mit diesen beiden Regeln die beiden wichtigen Einstellparameter „Zündwinkel“ und „lambda“ aus dem Versuchsplan für ottomotorische Entwicklungsaufgaben herausnehmen, da die jeweilige optimale Einstellung direkt von der Einstellung anderer Größen abhängig ist. Diese Regeln sind automatisierbar und erlauben somit eine onli-

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795

Abb. 13.11 Aufbau Verbrennungsregler

ne Optimierung. Der Optimierungsvorgang muss in der mittelschnellen Geschwindigkeitsebene ablaufen müssen, um eventuelle starke Klopfereignisse hintanzuhalten. Abbildung 13.11 zeigt in vereinfachter Form den Aufbau des sogenannten Verbrennungsreglers, wie er auf der Echtzeitplattform CAMEO Real Time darstellbar ist. Er läut mit einer Taktzeit von 100 Hz in harter Echtzeit ab. Ein PI-Regler appliziert einen Deltazündwinkel in der Art, dass die Verbrennungsschwerpunktlage (MFB 50 % – Mass Fraction Burned 50 %) auf einen vorgebbaren Wert eingeregelt wird. Erkennt die Klopfregelungseinheit eine bestimmte Klopfhärte bzw. Häufigkeit, so übernimmt sie die Kontrolle über den Zündwinkel und regelt diesen so ein, dass eine gewisse Klopfhärte nicht überschritten wird. Das ergibt dann typischerweise spätere Verbrennungsschwerpunktslagen und höhere Abgastemperaturen. Ein zweiter Teil des Verbrennungsreglers – der „Bauteilschutz Regler“ hält lambda auf einem vorgebbarem Wert (grundsätzlich: 1). Falls die Abgastemperatur einen vorgebbaren maximalen Wert überschreitet, wird gerade so weit angefettet, dass diese maximal zulässige Abgastemperatur eingehalten wird (Leithgöb et al. 2003; Yano et al. 2009). Abbildung 13.12 zeigt diese Wirkung des Verbrennungsreglers bei einem Betriebspunktwechsel von 2000 1/min bei 2 bar effektivem Mitteldruck auf den Vollastbetriebspunkt 4500 1/min bei 20 bar effektivem Mitteldruck. Da sogar diese großen Unterschiede im Betriebszustand eines Ottomotors mit dem Verbrennungsregler kontinuierlich im optimalen Bereich gehalten werden können, kann man damit auch innerhalb eines Betriebspunktes die Einstellwerte von Zündwinkel und lambda optimal halten. Abbildung 13.13 zeigt den Volllastverlauf eines Ottomotors, bei dem unter Anwendung von DoE

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25

3000

20

2500

15

2000

10

[bar]

3500

5

Zeit [s]

60

80

1 0

2 [0/1/2]

[0/1]

40

1

[°KW n. ZOT]

50% Massenumsatzpunkt

[-]

Lambda

0

32 [°KW v. ZOT]

Zündwinkel

Bit Klopfregler aktiv

0 20

24

24

16

20

8

16

0

12 8 4 20

40

Zeit [s]

60

Klopfintensität

4000

Effektiver Mitteldruck

4500

[1/min]

Motordrehzahl

796

80

[°C]

Turbineneintrittstemperatur

950 900

1,05

850

1,00

800

0,95

750

0,90

700

0,85

650

0,80

600 550 20

40

Abb. 13.12 Wirkung des Verbrennungsreglers

Zeit [s]

60

80

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Abb. 13.13 Volllastverlauf kalibriert unter Verwendung von DoE kombiniert mit Verbrennungsregler zur online Optimierung

• • • • • •

Die variable Einlass- und Auslassnockenwellenposition, der Beginn der ersten Einspritzung, das Ende der zweiten Einspritzung, der Auteilungsfaktor zwischen den beiden Einspritzmengen und der Raildruck

variiert und abgestimmt wurden. Zündwinkel und lambda wurden dabei mit Hilfe des Verbrennungsreglers stets optimal mitgeführt und somit direkt aus der Messung bestimmt. So-

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mit konnte durch Einbringen von Vorwissen zur Onlineoptimierung der Komplexitätsgrad der Aufgabenstellung von 8 Einstellparameter auf 6 reduziert werden. Zur Modellverbesserung hat es sich bewährt, die bei der Messung tatsächlich anliegenden Verbrennungsschwerpunktlage ebenfalls als Modelleingang zuzulassen, um kleine Abweichungen vom Regelungsziel entsprechend richtig einzuordnen. Abbildung 13.13 zeigt als Ergebnis dieser Optimierung den Volllastverlauf des Aggregates.

13.4.3 Variantenauslegung von Arbeitsmaschinen Zur Variantenauslegung von Motoren zum Einsatz in Verschiedenen Fahrzeugen oder auch nur verschiedenen Getriebeabstufungen ist die Auswirkung einer Lastkollektivverschiebung ein wesentlicher Hebel in der Zielerreichung. Hierzu ist es vorteilhat, mit globalen Modellen zu arbeiten. Der Schritt von lokalen – betriebspunktorientierten – Modellen zu globalen Betriebspunktübergreifenden ist in Abb. 13.14 verdeutlicht. Er ermöglicht aus einer Vermessung

Abb. 13.14 Betriebspunktübergreifende Modelle zur Variantenkalibrierung aus seiner Motorvermessung

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Abb. 13.15 Verschiedene Vollastauslegungen von Arbeitsmaschinen am Beispiel eines 6,7 Liter 6 Zylinder Common Rail Dieselmotors

eines Antriebsaggregates an beliebigen Betriebspunkten und damit für unterschiedliche Lastkollektive Optimierungen vorzunehmen. Dies ist besonders für Nutzfahrzeughersteller aber auch für Pkw-Hersteller von zunehmendem Interesse (Bittermann et al. 2004). In Abb. 13.15 sieht man die spezielle Anforderung von Arbeitsmaschinen. Hier wird die Basis-Emissionsauslegung beispielsweise im 8-Mode Test an Hand von 8 Betriebspunkten (dem Leerlauf und 7 weiteren) vom Gesetzgeber definiert. Bei unterschiedlicher Leistungsauslegung verschieben sich diese Betriebspunkte in einem gewissen Bereich. Zusätzlich hat der Prüfer auch das Recht, in von Ihm frei wählbaren Betriebspunkten dazwischen („not to exeed points“) ebenfalls Emissionsbewertungen vorzunehmen. Noch einmal unterschiedlich davon ist das tatsächliche Nutzungsprofil der Motoren abhängig von der Arbeitsmaschine, die sie antreiben. So ist für den Endkunden der Kratstoffverbrauch beispielsweise bei einem Bagger vorwiegend im Nenndrehzahlbereich zwischen Leerlast und Volllast interessant, wohingegen ein Traktor fast alle Kennfeldbereiche nutzt. Zusätzlich sind auch die Ladelutkühlmöglichkeiten in den einzelnen Fahrzeuganwendungen unterschiedlich. Die Aufgabe in diesem Beispiel bestand darin, mit einer neuen einheitlichen Motorhardware, möglichst viele der Fahrzeugvarianten in einem Leistungsbereich von 90 bis 180 kW und einem Nenndrehzahlbereich von 2000 bis 2200 1/min auszurüsten. Dabei ist der Kundennutzen stark durch den möglichst geringen Kratstoffverbrauch in der jeweiligen Fahrzeuganwendung gekennzeichnet und auch das Verbrennungsgeräusch ist ein wesentliches Kaufkriterium. Die Emissionsgesetze sind als Randbedingung natürlich immer einzuhalten. Wie Castagna et al. (2007) ausführen, konnte dies für die stationäre Basisbedatung mit Hilfe der globalen Modellbildung sehr effizient gelöst werden. Die Vorgehensweise ist hier grundsätzlich analog zu jener in Abschn. 13.4.1. Der wesentliche Erweiterungsschritt besteht in der Einbeziehung von Drehzahl und Last als Modelleingangsgrößen in die Ver-

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Abb. 13.16 Versuchsplanung für die globale Modellbildung

suchsplanung. Abbildung 13.16 zeigt dazu im Teil (a) den Betriebspunktebereich, der mit den globalen Modellen für Kratstoffverbrauch, NOx und Soot aber auch für Geräusch abgedeckt werden muss. Des Weiteren sieht man unten in (b) den dazugehörigen Versuchsplanungswizard, der hier insbesondere auch Kennfeldbegrenzungen in benutzerfreundlicher Form unterstützen muss. Es wird in diesem Beispiel ein D-Optimales Design für Polynommodelle bis zur 5ten Ordnung angesetzt, wobei als Variationsparameter Spritzbeginn, Raildruck, Pilotmenge und Ladeluttemperatur zusätzlich zu Last und Drehzahl eingehen. Da so ein großer Betriebsbereich abgedeckt werden soll und es eine der ersten realen Anwendungen war, wurden hier vorsichtshalber die doppelte Anzahl der minimal erforderlichen Versuchspunkte gefordert. Nach der erfolgreichen Vermessung der 925 Messpunkte – verteilt in 91 Last-Drehzahlkombinationen – innerhalb von 7 Werktagen mit der Abfahrstrategie „Online DoE-Screening“ (vgl. Abb. 13.17), konnten die globalen Modelle gebildet werden. Abbildung 13.17 zeigt dazu die Schnittgrafik für einen nicht optimierten Punkt nur zur Darstellung des Prinzips der globalen Modellbildung. Man sieht die Abhängigkeiten des Verbrauchs-, des Geräusch-, des NOx - und des Sootmodells in der Umgebung der Cursorposition. Der je-

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.17 Globale Motormodelle

weils am unteren Rand grün eingeblendete Balken zeigt den vermessenen Raum und damit den Beginn der Extrapolation der Modelle an. Außerhalb dieses Bereiches sind Modelle grundsätzlich nicht bis nur eingeschränkt aussagekrätig. Beispielsweise sieht man, dass durch Erhöhung des Raildruckes in diesem Betriebspunkt noch deutlich Kratstoff eingespart werden könnte – allerdings auf Kosten der Geräuschemission und der NOx -Emission. Soot würde ebenfalls günstig beeinflusst. Des Weiteren sieht man unmittelbar neben den Modellkurven selbst strichlierte Linien, die den 95 %-Vertrauensbereich der Modelle anzeigen. Das bedeutet, dass der „wahre Modellwert“ mit 95%iger Wahrscheinlichkeit in diesem Intervall zu erwarten ist (Eiglmeier et al. 2004). Die engen Vertrauensbereiche zeigen die Verwendbarkeit dieser Modelle für die anspruchsvolle Aufgabe an. Während die ersten 3 Größen mit polynomialen Modellen bis zur 5ten Ordnung mit automatischer Ordnungsreduktion und Ausgangsgrößentransformation gebildet wurden, zeigte sich für den Soot ein Neuronales Netz mit 15 lokalen Teilmodellen (FNN – Fast Neural Network, Altenstrasser 2007) als am besten geeignet. Mit Hilfe dieser Modelle kann nun wieder die Zyklusoptimierung mit entsprechenden Gewichten für die Betriebspunkte – einerseits für die Zielfunktion und anderseits für die Randbedingungen genutzt werden. Der entscheidende Vorteil gegenüber der in Abschn. 13.4.1 bereits dargestellten, auf unveränderlichen Betriebspunkten beruhenden Zyklusoptimierung besteht darin, dass jetzt für eine beliebige Fahrzeuganwendung diese Vorgehensweise mit beliebigen Betriebspunkten im Büro – ohne zusätzliche Messungen durchgeführt werden kann.

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Abb. 13.18 Baggerspezifische Motoroptimierung mit Verifikation

So kann beispielsweise für die Baggervariante die Optimierung der Basiskennfelder für Raildruck und für die Spritzbeginne für Haupt- sowie Piloteinspritzung durch Eingabe entsprechend geänderter Gewichtungsfaktoren für die Zielfunktion (Verbrauch) dahingehend optimiert werden, dass sich im Nenndrehzahlbereich ein günstigerer Kratstoffverbrauch ergibt. Dies ist auch dann möglich, wenn sich durch eine geänderte Vollastauslegung 7 der 8 Betriebspunkte verschieben sollten. Abbildung 13.18 zeigt das Lastkollektiv und die Verbrauchsveränderung vor und nach der baggerspezifischen Optimierung, wobei in beiden Fällen die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionswerte eingehalten werden. Auch wie der abschließende Schritt der wichtigen transienten Optimierung dieser Arbeitsmaschinen bewerkstelligt wird, ist bei Castagna et al. (2007) beschrieben. Es werden hierzu kritische transiente Betriebszustandsänderungen am Motorenprüfstand reproduziert, wesentliche Einflussparameter vor dem Ereignis systematisch variiert und aus den aufgezeichneten Signalverläufen (mittlere Geschwindigkeitsebene nach Abb. 13.5) Ergebniskenngrößen ermittelt (Ergebnisebene nach Abb. 13.5). Diese eignen sich wieder zur Modellbildung und Optimierung ohne Zeiteinfluss. Auf den Aspekt der transienten Optimierung wird in analoger Art und Weise im folgenden Kapitel am Beispiel der Hybridfahrzeugentwicklung eingegangen.

13.4.4 Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeugen in kritischen Zyklusabschnitten Um die gesteigerte Komplexität, aufgrund der hinzugewonnen Freiheitsgrade und der starken Interaktion der einzelnen Komponenten, bei der Entwicklung hybrider Antriebe zu beherrschen, sind durchgängige Methoden notwendig, die die Effizienz im Entwicklungs-

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.19 Entwicklungsprozess hybrider Antriebe

prozess erhöhen (Kluin et al. 2010). Ein Schlüssel dabei ist die gezielte Anwendung von Simulationen in Verbindung mit einem geeigneten Versuchsumfeld. In Abb. 13.19 ist ein Entwicklungsprozess, der diese Methoden aufgreit, visualisiert. In frühen Phasen der Entwicklung, wie etwa der Konzeptfindungsphase, kommt dabei die Rückwärtssimulation zur Konzeptbewertung und Komponentendimensionierung zum Einsatz. Dabei werden aus vorgegebenen Fahrzyklen die Raddrehzahl und Fahrwiderstände am Rad und über entsprechende Antriebsstrangmodelle die Drehzahlen und Momente im Antriebsstrang berechnet. Somit können Wechselwirkungen und Energieflüsse im gesamten Fahrzeug schnell und effizient untersucht werden. Um die Energieflüsse zwischen den einzelnen Antriebsaggregaten wie E-Motor und VKM sinnvoll aufzuteilen, ist eine Basisbetriebsstrategie notwendig. Diese besteht aus grundlegenden Energiemanagementfunktionen, die zum Betrieb des Fahrzeugs notwendig sind. Der Einsatz von Optimierungsalgorithmen bietet die Möglichkeit optimale Kombinationen aus Antriebsstrangarchitektur, Dimensionierung der Komponenten (z. B. Batteriekapazität, E-Motor- und VKM-Leistung, etc.), Struktur und Parametrierung der Betriebsstrategie unter bestimmten Optimierungszielen wie z. B. Verbrauch, Kosten oder elektrischen Reichweite in verschiedenen Nutzungsszenarien zu finden. Bei der Optimierung wird zwischen Sotwareparametern, wie etwa die Betriebsgrenzen der VKM, und Hardwareparametern, wie etwa die Kapazität der Batterie, unterschieden.

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Aufbauend auf dem optimierten Konzept wird im nächsten Schritt der Antriebsstrang physikalisch detailliert modelliert und in einer Gesamtfahrzeug-Vorwärtssimulation weiter untersucht. Die durch die Rückwärtssimulation erhaltenen Werte für die Parameter dienen dabei als Vorgabe. Die Basisbetriebsstrategie ist außerdem um den dynamischen Teil, in dem die Ansteuerung der einzelnen Antriebsaggregate realisiert wird, sowie um sämtliche Funktionen, die für den Betrieb in einem Prototyp notwendig sind, zu erweitern. Wird die Fahrzeugsimulation zusätzlich um eine Umgebung, bestehend aus Fahrer, Strecke und Verkehr, erweitert, können die Funktionen nicht nur bezüglich gesetzlicher Fahrzyklen, sondern auch in realen Fahrmanövern getestet und appliziert werden (Real World Maneuver based Testing). Um Hardware- und Systemintegrationstests bereits in den frühen Phasen der Entwicklung durchzuführen, eignet sich besonders die X-in-the-Loop-Methode, bei der einzelne Komponenten, wie die VKM, der E-Motor oder Steuergeräte, bis hin zum gesamten Antriebsstrang real am Prüfstand aufgebaut und in die bestehende Fahrzeugsimulation integriert sind. Dadurch kann zum einen die Dynamik und das reale Verbrauchs- und Abgasverhalten der VKM, das nur aufwendig zu simulieren ist, im reproduzierbaren Prüfstandsumfeld analysiert werden. Zum anderen ist es möglich bei Integration aller mechanischen und elektrischen Komponenten des hybriden Antriebsstrangs, die Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten und die Betriebsstrategie im Detail zu optimieren. Für die systematische modellbasierte Optimierung aller Strategieparameter unter Berücksichtigung von Effizienz, Emissionen, Fahrbarkeit und Lebensdauer, vor allem der Batterie, können verschiedene Algorithmen, auch in Verbindung mit DoE-Methoden, verwendet werden, was im folgenden Optimierungsbeispiel verdeutlicht ist. Als Anwendungsbeispiel wird die Optimierung des Energiemanagements eines leistungsverzweigten Hybridfahrzeugs mittels X-in-the-Loop-Simulation betrachtet, als Werkzeug kommt AVL CAMEO zum Einsatz (Limburg 2010). Dabei ist nur die VKM des Fahrzeugs als reale Komponente am Prüfstand aufgebaut. Ziel der Optimierung ist es, eine optimale Einstellung der Motorstart/-stopp- und Batterielade-Parameter des Energiemanagements bezüglich der Kriterien Verbrauch, Emissionen und Batteriebelastung zu finden. Bei dem vorliegenden Optimierungsproblem handelt es sich somit um eine multikriterielle Optimierungsaufgabe. Der am Prüfstand gemessene Verbrauch wird mit einem kratstoffäquivalenten Wert korrigiert, der die SOC-Differenz zwischen Anfang und Ende eines Zyklus berücksichtigt. Die Batteriebelastung wird über ein vereinfachtes Schädigungsmodell, welches die Belastung in Abhängigkeit von Batteriestrom und SOC quantifiziert, dargestellt (hohe Belastung bei niedrigem SOC und hohem entnommenen Strom bzw. bei hohem SOC und hohem zugeführten Strom). Um zu zeigen, dass auch real anfallenden Emissionen in die Optimierung mit einbezogen werden können, wird hier exemplarisch die am Prüfstand gemessenen HC-Emissionen verwendet. Für die Optimierung in diesem Beispiel wird zunächst der Ansatz der gewichteten Summen verwendet, bei dem ein Mehrgrößenproblem auf eine Zielgröße reduziert wird. Dabei werden die einzelnen Kriterien mit einem Gewichtungsfaktor multipliziert und zu einer Zielfunktion aufsummiert. Dadurch kann dieses Mehrgrößenproblem mittels Eingrößen-

13

Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

805

Tab. 13.1 Identifizierte Variationsparameter des Energiemanagements Batterieladeparameter

Motorstart/-stopp-Parameter

Maximale Ladeleistung (P_Lade) SOC-Grenze für Ladeleistungsabsenkung (SoC_u) SOC-Grenze zum Beenden Ladens durch VKM (SoC_o)

Leistungsanforderungsgrenze (des Fahrers) für rein elektrisches Fahren (Px_el) Elektrische Höchstgeschwindigkeit (vx_el) Hysterse-Zielwert für Batterieladen durch VKM (Verhindert ständiges Starten und Stoppen der VKM – SoC_Hyst)

Optimierungsverfahren gelöst werden. Für die Optimierung des leistungsverzweigten Hybrid wird der Verbrauch mit 60 %, sowie Batteriebelastung und HC-Emissionen mit jeweils 20 % gewichtet. Für die Optimierungsaufgabe in diesem Beispiel sind in Tab. 13.1 die ausgewählten Variationsparameter des Energiemanagements dargestellt, die signifikant die Kriterien beeinflussen. Für die Fahrzeugumgebung in der Simulation wird ein Teil aus dem DarmstadtStadtzyklus, ein sog. Real World Driving Cylce, in dem die Stopp-Positionen des Fahrzeugs, Verkehrszeichen und Hindernisse in einem repräsentativen Streckenversuch aufgezeichnet wurden, verwendet. Das Fahrermodell wird mit ±3 m/s maximaler Beschleunigung für die Längsdynamik parametriert, was in etwa einem durchschnittlichen Fahrverhalten entspricht. Wie auch bei der Applikation von VKM kann bei der modellbasierten Optimierung des Energiemanagements von Hybridfahrzeuge auf DoE-Methoden zurückgegriffen werden. Dabei entsprechen die einzelnen Simulationsläufe den Betriebspunkten bei konventioneller Applikation. Mit den sechs identifizierten Variationsparametern werden mittels D-optimalen Versuchsplans 29 Versuchsläufe mit verschiedenen Parameterkonfigurationen ermittelt. Die jeweiligen Ergebnisse eines Versuchslaufs werden entsprechend gewichtet und zu einer Zielfunktion aufsummiert. Für den funktionalen Zusammenhang zwischen den Variationsparametern und der Zielfunktion wird ein Polynom-Modell erstellt. Mit Hilfe dieses Polynommodells kann anschließend ein globales Minimum gefunden werden. Abbildung 13.20 zeigt einen Vergleich der Kriterien mit der so ermittelten optimalen Parameterkonfiguration und einer zufällig gewählten Konfiguration (Basis). Die Ergebnisse sind dabei auf die maximal gemessenen Werte bezogen. Auch wenn die Batteriebelastung steigt, können der Verbrauch und die HC-Emissionen durch die Optimierung deutlich reduziert werden. Da Verbrauch und Batteriebelastung sich widersprechen, führt eine Verringerung des Verbrauchs zu einer erhöhten Batteriebelastung. Durch die höhere Gewichtung des Verbrauchkriteriums wird der Anstieg der Batteriebelastung toleriert.

806 Abb. 13.20 Optimierungsziele bezogen auf gemessene Maximalwerte für die optimierten und Basisparameter (Limburg 2010)

G.P. Merker und R. Teichmann 80% 70%

Basis

60%

Optimiert

50% 40% 30% 20% 10% 0%

Wie in diesem Beispiel gezeigt, ergeben sich durch einen systematischen Ansatz bei der Optimierung komplexer Hybridantriebe deutliche Vorteile hinsichtlich Effektivität und Effizienz gegenüber einer Trial-and-Error-Vorgehensweise. An dieser Stelle sei erwähnt, dass eine multikriterielle Optimierung, beispielsweise mit einem evolutionären Algorithmus, zusätzliche Vorteile bietet. Dabei wird tatsächlich auf mehrere Kriterien optimiert, die nicht zu einer Zielfunktion zusammengefasst werden müssen. Das Ergebnis der multikriteriellen Optimierung ist eine so genannte Pareto-Front oder auch Pareto-Menge, in der die Parameterkombinationen mit optimalen Zielgrößen liegen. Welches Optimum tatsächlich sinnvoll ist, hängt von der Gewichtung der Zielgrößen ab, die im Gegensatz zur Vorgehensweise mit gewichteten Summen erst nach der Optimierung erfolgt. Somit erkennt man am Verlauf der Paretofront, um wie viel sich das Verhalten des Antriebsstrangs bezüglich eines Entwicklungsziels verschlechtert, wenn eine Verbesserung bezüglich eines anderen Ziels umgesetzt werden soll. Wie Abb. 13.21 zeigt, kann die Paretofront genutzt werden, um „das technisch Machbare“ zu erfassen und im vorgestellten Anwendungsfall beispielsweise das Optimum an jenem Punkt zu definieren, bei dem eine starke Verbrauchsreduktion ohne allzu hohe Batteriebelastungssteigerung möglich ist. Zur Vertiefung sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Lassenberger 2011).

13.5 Funktionsbedatung Eine ebenfalls sehr komplexe Entwicklungsaufgabe stellt die Bedatung von Steuergerätefunktionen dar (Joshua et al. 2010): Neben der Regelung von Stellgrößen übernehmen Motorsteuergeräte die Vorhersage von Größen, die im Fahrzeug nicht messbar, jedoch für die Regelung oder Überwachung des Motors notwendig sind. Diese Art von Funktionen nennt man im Allgemeinen „vir-

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

807

Abb. 13.21 Optimierungsziele bezogen auf gemessene Maximalwerte

tuelle“ Sensoren. Sie berechnen aus messbaren Größen und Kennfeldern, welche in der Motorsteuerung abgelegt sind, die nicht messbaren Größen. Es gibt eine Vielzahl von solchen „virtuellen“ Sensoren in einem modernen Motorsteuergerät, z. B. für die Vorhersage der Lutmenge, welche bei einem Hub in den Zylinder gelangt, die Vorhersage des aktuellen Motormoments, die Vorhersage der NOx -Emissionen, etc. Die Aufgabe des Kalibrieringenieurs ist es, die Kennfelder und Kennlinien dieser virtuellen Sensoren so zu bedaten, dass der virtuelle Sensor das wahre Messsignal mit hinreichend guter Genauigkeit wiedergibt. Die Struktur dieser virtuellen Sensoren basiert meist auf physikalischen Zusammenhängen erweitert um empirische Faktoren, welche Zusammenhänge abbilden, die physikalisch sehr schwer oder gar nicht abbildbar sind. Abbildung 13.22 zeigt die die Füllungserfassungsfunktion eines modernen Ottomotors mit variabler Nockenwellensteuerung. Neben einer Vielzahl von Eingängen – insbesondere die Fahrpedalstellung und die bewusst nicht veröffentlichten inneren Verschaltungen von Kennfeldern werden für verschiedene Betriebszustände die zugehörigen Füllungsgrade ausgegeben. Häufig wird die Kalibrierung dieser ECU-Funktionen direkt am Prüfstand oder im Fahrzeug unter hohem Zeitaufwand und schlechter Reproduzierbarkeit der Ergebnisse durchgeführt. Am Beispiel des am Markt verfügbaren Sotwarewerkzeuges AVL fOX™ für die Bedatung von ECU-Funktionen wird hier die Herangehensweise zur automatisierten Bedatung von ECU Funktionen im Büro gezeigt. Die Idee ist Kalibrierprozesse in Workflows abzubilden, die den Kalibrieringenieur durch die Bedatung leiten und die Kalibrierung automatisieren.

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Abb. 13.22 Füllungserfassungsfunktion eines modernen Ottomotors

In diesem Abschnitt wird die Bedatung eines virtuellen Sensors zur Vorhersage der in einen Zylinder angesaugten Lutmasse (Füllungserfassung) für einen Motor mit variabler Einlassnockenwelle beschrieben. Der virtuelle Sensor, dargestellt in Abb. 13.22, bildet im Prinzip folgenden mathematischen Zusammenhang ab: Füllungsgrad = (ps − ps (N)) ⋅ ηFüll (N , Rl, VVT) .

(13.4)

Wobei ps der aktuelle Saugrohrdruck, ps0 in Abhängigkeit von N, der Drehzahl, der Saugrohrdruck bei dem keine Ladung mehr in den Zylinder gelangt, ηFüll der Füllungswirkungsgrad in Abhängigkeit von der Drehzahl (N), der relativen Last (Rl) und der Nockenwellenstellung des variablen Ventiltriebs (VVT). Die Abhängigkeit von ps0 von der Drehzahl ist in der Funktion durch eine Kennlinie abgebildet, der Zusammenhang zwischen dem Füllungswirkungsgrad von N, Rl und VVT ist durch 3 Kennfelder abgebildet. Dabei wird in der Funktion davon ausgegangen, dass bei einem optimaler VVT-Stellung der Füllungsgrad durch die Kennlinie und ein Referenz-Füllwirkungsgradkennfeld bestimmt wird. Bei abweichenden VVT-Stellungen wird das Referenz-Kennfeld durch eine parabolische Korrektur in Abhängigkeit von der VVT-Position verschoben. Für die Kalibrierung dieses virtuellen Sensors ist es also notwendig diese 4 Kennwerte zu bedaten. Dazu wurde in AVL fOX™ ein Workflow zur Verfügung gestellt der zuerst die Referenz-Kennwerte bedaten und anschließend die Korrekturkennfelder. Die Bedatung geschieht an Hand von Prüfstandsdaten, welche in diesem Beispiel auf 18 verschiedenen Drehzahlstufen und pro Drehzahlstufe auf 5 VVT Positionen aufgezeichnet wurden. In jedem dieser 90 Punkte wurde die relative Last quasistationär rampenförmig

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.23 Slow Dynamic Slope Messung

verstellt und kontinuierlich gemessen, was in Abb. 13.23 dargestellt ist. Pro Last Rampe werden im Durchschnitt 1200 Messpunkte aufgenommen. Diese Messmethodik auch bekannt unter SDS (Slow Dynamic Slopes) bringt gegenüber der herkömmlichen Messmethode eine Zeiteinsparung von bis zu 30 % (Büchel et al. 2009). Der Workflow besteht im Wesentlichen aus 3 Hauptschritten: 1. Datenvorbereitung: In diesem Schritt importiert der Kablibrieringenieur die Mess- und Kalibrierdaten. Bei dem Kalibrierdatenstand handelt es sich meist um eine Bedatung aus einem anderen ähnlichen Kalibierprojekt. Danach werden die Messdaten nach Drehzahl und VVT-Position gruppiert, wobei automatisch Gruppen mit VVT = 0 als Referenzgruppen markiert werden. Nur diese Gruppen werden später zur Bedatung der Referenzgruppen herangezogen. Am Ende der Datenvorbereitung wird aus den gemessenen Indizierdaten der relative Füllungsgrad über eine Formel ermittelt. 2. Referenzkalibrierung: Dieser Schritt beinhaltet die Kalibrierung der Kennlinie für den Nulldruck (ps0 ) und für den Füllwirkungsgrad bei Referenz-VVT Stellung. Zur Bestimmung des Nulldrucks (ps0 ) wird pro Drehzahlstufe und Referenz-VVT Stellung ein polynominales Modell gebildet, welches den Zusammenhang zwischen Saugrohrdruck (ps) und Füllungsgrad (eal) abbildet. Der Nulldruck (ps0 ) ist nun jener Punkt an dem das Modell die X-Achse (relative Last) schneidet (s. Abb. 13.24). Dieser Wert wird automatisiert in die Kennlinie geschrieben und diese daran angepasst. Im zweiten Teil wird das Referenzkennfeld bedatet. Dazu wird der Saugrohrdruck (ps) um den Nulldruck (ps0 ) korrigiert und der Füllungsgrad (eal) in Anhängigkeit zu dieser Größe durch ein Polynom 4. Ordnung modelliert (s. Abb. 13.25). Pro Drehzahlstufe werden diese Modelle nun an den Saugrohrdruck Stützstellen des Referenzkennfelds befragt und dieses Kennfeld mit den neuen Werten bedatet. Dadurch ergeben sich folgende zwei Kenngrößen (s. Abb. 13.26). 3. Korrekturbedatung: Im letzten Schritt werden die zwei Kennfelder zu Korrektur des Füllwirkungsgrades bedatet. Dazu wird für alle Gruppen der Restfehler zwischen Referenzbedatung und tatsächlich gemessenen Füllungsgrad berechnet und dieser mit Hilfe eines Polynoms in Abhängigkeit der Nockenwellenstellung und des Saugrohrdrucks pro

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 13.24 Polynom Modell für den Füllungsgrad in Abhängigkeit des Saugrohrdrucks

Relative Last [–]

810

Nulldruck

1

0 0

400 800 Saugrohrdruck [hPa]

1200

Abb. 13.25 Polynom Modell 4. Ordnung für den Füllungsgrad in Abhängigkeit des um den Nullpunkt korrigierten Saugrohrdrucks

Abb. 13.26 Bedatete Labels für die Referenzbedatung

Drehzahlgruppe berechnet. Mit Hilfe dieser Polynome werden die Kennfelder für die parabolische Korrektur bedatet (s. Abb. 13.27). Durch diesen Workflow kann der Kalibieringenieur in kürzester Zeit diese große Anzahl an Messdaten in Kennfelder umrechnen und damit seine Kalibrieraufgabe lösen. Außerdem ist, durch die Tool-gestützte Bedatung, die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse und die Genauigkeit der Ergebnisse verbesserbar und hängt in viel geringerem Masse vom Können und der Erfahrung des Kalibrieringenieurs ab. Ohne spezielle manuelle Anpassungen der Kennfelder ist es in weiten Bereichen des Betriebsbereichs den Modellierungsfehler auf 3 % zu beschränken, wie eine Validierungsrastermessung am Prüfstand zeigt (s. Abb. 13.28).

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.27 Bedatete Korrekturkennfelder

Abb. 13.28 Validierungsergebnisse

Wie dieses Beispiel zeigt, gibt es passend zu den jeweiligen Steuergerätefunktionen, bewährte Methoden, die in der industriellen Arbeitsumgebung den Kalibrieringenieuren zur Verfügung gestellt werden können. Da sich die Steuergerätefunktionen rasch wandeln, ist es für einen OEM vorteilhat, wenn er in einem eigenen Methodikteam die „best-PracticeArbeitsschritte“ definiert, auf einer entsprechenden Sotwareplattform anwenderfreundlich darstellt und hausinternen einem definierten Anwenderkreis webbasiert zur Verfügung stellt. Innovative Methoden zur Erhöhung der Qualität der xCU Kalibration wurden in Keuth et al. (2013a) vorgestellt.

13.6 Kaskadierte modellbasierte Optimierung und Funktionsbedatung Der Einsatz von Optimierungsmethoden ist in einer Vielzahl von Anwendungsfällen denkbar. Die Menge an Problemstellungen die hierbei teilweise parallel bearbeitet werden müssen erfordern Methoden, mit deren Hilfe verteilt in verschiedenen Phasen des Entwicklungszyklus in verschiedenen Domänen übergreifend miteinander gearbeitet werden kann. Eine Möglichkeit dieser Anforderung zu begegnen ist die Optimierung und Funktionsbedatung mit Hilfe von Simulationsmodellen, die auf die jeweiligen Problemstellungen angepasst sind und in einer Plattform zu Gesamtmodellen integriert werden können. Diese Simulation führt hierbei zum einen zur Reduktion von Prüfstandszeiten, ermöglicht Optimierungsschritte bereits in sehr frühen Phasen der Entwicklung und dient gleichzeitig als „Enabler“ für die systematische Betrachtung von Optimierungsproblemen beispielsweise bei der Abstimmung von Systemen in Realfahrszenarien. Außerdem bietet sich so die Mög-

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G.P. Merker und R. Teichmann

lichkeit verschiedenartige Problemstellungen unter verschiedenen Aspekten zu betrachten (Keuth et al. 2013b). Die Durchgängigkeit bei der Verwendung und Validierung/Verifizierung von Modellen im gesamten Entwicklungsprozess führt zur schrittweisen Verbesserung der Abbildungsqualität und sichert so die fortlaufende Optimierung von Komponenten. Der Einsatz dieser Modelle in skalierbaren Echtzeitumgebungen mittels X-in-the-Loop (s. Abschn. 13.4.4) erlaubt die Analyse und Abstimmung des Systemverhaltens mit realen und virtuellen Komponenten verschiedener Domänen.

13.6.1 Beherrschung mehrschichtiger Optimierungsprobleme in Realfahrszenarien Neben einer Zunahme der Freiheitsgrade von Antriebssystemen – Stichwort unterschiedliche Hybridsysteme – sind auch seitens der für den Entwicklungsablauf relevanten Lastprofile signifikante Änderungen zu erwarten – Stichwort neue Zyklen und RDE (Real Driving Emissions). Dabei sind zwei Aspekte zu beachten, die jeweils zusätzliche Anforderungen mit sich bringen. Der erste Aspekt betrit die Robustheit der Applikation im Sinne ihrer Allgemeingültigkeit. Dafür ist es wesentlich, dass die Applikation für unterschiedliche Testzyklen (z. B. WLTP) oder beliebige Realfahrten Gültigkeit behält und dabei nicht nur Grundfunktionalität und verträgliche Belastungen sicherstellt, sondern auch Verbrauch, Emissionen und Fahrbarkeit. So sollte etwa die Einführung eines neuen Testzyklus keine Änderung der Kalibrierung erfordern. Dafür müssen Funktionsstruktur und Optimierung der Bedatung eng ineinandergreifen. Für den modellbasierten Entwicklungsablauf bedeutet dies eine kontinuierliche Weiterentwicklung der (Teil-) Modelle. Beginnt man beispielsweise in der frühen Phase mit weitgehend physikalisch basierten Modellen, so werden diese im Lauf des Entwicklungsprozesses schrittweise in ihrer Abbildungsqualität verbessert und fortlaufend zur Optimierung von Komponenten- und Systemverhalten eingesetzt. Auf Basis dieser Anforderung hat sich mit X-in-the-Loop (Bier 2009, 2012; Albers 2010) eine neue Versuchsmethodik etabliert, die das Zusammenspiel von realen und virtuellen Komponenten in einer skalierbaren Echtzeitumgebung ermöglicht. Im Sinne der Robustheit der Applikation kann damit beispielsweise eine Warmlaufkalibrierung eines Dieselmotors zunächst in einem bestimmten Fahrzyklus durchgeführt werden, daran anschließend jedoch eine Absicherung – z. B. der Emissionswerte – in ausgewählten repräsentativen Fahrmanövern und -szenarien erfolgen. Idealerweise sind diese Fahrszenarien parametrierbar und schließen Strecken-, Verkehrs- und Fahrereinflüsse mit ein. Der zweite Aspekt berücksichtigt daher eine grundlegende Erweiterung des Parameterraums, in dem jetzt das Fahrumfeld direkt als Variabilität in die Optimierung mit eingeht. Dieser ist aus zweierlei Hinsicht von hoher Bedeutung: Zum einen bergen neue Zyklen

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Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Abb. 13.29 Mehrschichtiges mehrdimensionales Optimierungsproblem für vernetzte Steuergerätefunktionen

und insbesondere RDE die Gefahr in nicht applizierte und optimierte Betriebsbereiche des Antriebsstrangs zu gelangen, zum anderen gewinnt die Berücksichtigung von Umfeldinformationen aus Fahrerassistenzsystemen zur Optimierung des Fahrzeugbetriebs immer mehr an Bedeutung. Beides erfordert die umfassende Betrachtung des Umfeldparameterraums parallel zum bisher behandelten Funktionsparameterraum um die Absicherung konventioneller Antriebsfunktionen sicherzustellen, aber auch umweltvernetzte Funktionen systematisch entwickeln und parametrieren zu können (Kluin et al. 2013). Dies ist schematisch in Abb. 13.29 dargestellt. Ziel hier ist eine optimale, umfeldabhängige Betriebsstrategie, die robust in allen Szenarien arbeitet. Die Auswirkungen der Funktionsparameter sind sowohl in der Zielfunktion, als auch im Ablauf eines Szenarios sichtbar. Die Szenarienparameter wiederum schlagen sich ebenfalls sowohl in der Zielfunktion als auch in einer nun u. U. geänderten Funktionsparametrierung nieder. In der Entwicklung ist neben der Robustheit daher vor allem auch die optimierte Parametrierung der Funktionen möglichst unter vollständiger Abdeckung aller Szenarien zu erstreben. Für den Entwicklungsprozess ist es deshalb unabdingbar, dass Umwelteinflüsse durchgängig bereits in sehr frühen Phasen beginnend kausal durch Simulationsmodelle dargestellt werden können. Die Vorgabe von Fahrprofilen im herkömmlichen Sinne bietet die erforderlichen Freiheitsgrade – im Gegensatz zum Real World Maneuver based Testing Ansatz nicht. Diese Vorgehensweise ermöglicht zum einen die Berücksichtigung von Umwelteinflüssen bereits in sehr frühen Phasen der Entwicklung, sichert zum anderen aber auch das reproduzierbare Testen einzelner parametrierbarer Szenarien, was im Fahrversuch nicht

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möglich ist. Aufgrund des stetigen Verlaufs und der hohen Anzahl von sowohl Funktionsals auch Szenarienparametern ist eine vollständige Rasterung des gesamten Versuchsraums sowohl in der Simulation als auch bei Versuchen am Prüfstand nicht sinnvoll. Die Beherrschung dieses mehrschichtigen Parameterraums in der Entwicklung und Kalibrierung der Funktionen ist durch Werkzeuge zur Versuchsplanung zu unterstützen. Der darauf aufbauende modellbasierte Optimierungsansatz kann nun in jeder Phase der Entwicklung unterstützen um die Zusammenhänge zwischen Szenario und Funktion darzustellen und neben einem tief greifenden Systemverständnis die Applikation zu erleichtern.

13.6.2 Antriebsstrang Konzept mit MiL Die kaskadierte modellbasierte Optimierung wird beispielsweise von Palm et al. (2013) bereits auf der obersten Ebene des Antriebsstrangentwurfes in einem Model-in-the-Loop (MiL) Umgebung genutzt. Darin wird anhand einer beispielhaten Aufgabenstellung (Auslegung eines Stadtfahrzeuges) dargestellt, wie ein nach Systems Engineering Prinzipien optimierter Fahrzeugentwicklungsprozess aussehen kann, der in der Lage ist zwei fundamentale Herausforderungen gleichzeitig zu meistern: Die Suche nach der für einen konkreten Anwendungsfall am besten geeigneten Fahrzeugarchitektur und der Nachweis deren Funktionalität weit vor dem Bau des Fahrzeugs. Zur Unterstützung der Methode wird eine neuartige, leistungsfähige Werkzeugkette vorgestellt: Fahrzeugarchitekturen werden systematisch aufgebaut, die damit verbundenen Fahrzeugeigenschaten in Manövern „erfahrbar“ und der zugehörige Zielerreichungsgrad der Kundenanforderungen quantifiziert. Der Dialog zwischen Produktmanager und Systemarchitekt zum „Trade-off “ von Zielindikatoren gegenüber Designvariationen wird dadurch signifikant verbessert. Konkretisiert wird das Beispiel an Hand typischer Anforderungen aus Produktmanagementsicht für den Entwurf eines neuen batteriebetriebenen Stadtfahrzeuges: Das Fahrzeug soll . . . • • • • •

... ... ... ... ...

überwiegend im Stadtbetrieb eingesetzt werden, kürzere Autobahnfahrten ermöglichen, in typischen Stadtszenarien „mithalten“ können, eine Mindestreichweite von 200 km besitzen sowie einen möglichst geringen Energieverbrauch aufweisen.

Der Systemarchitekt (SyA) übersetzt die Anforderungen des Produktmanagers (PM) wie in Tab. 13.2 zusammengefasst in konkret messbare Zielindikatoren. Als „typischen Anwendungsfall“ definiert er die AMS-Runde der Fachzeitschrit „Auto-Motor und Sport“ und definiert auf Basis des PM Anforderungsprofil zu erreichende Zielwerte. Für einen durchgängigen Entwicklungsprozess können daraus wiederum Zielwerte für hierarchisch untergeordnete Modul- oder Komponentenanwendungsfälle sowie Testsze-

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Tab. 13.2 Zielindikatoren und Zielwerte der vom SyA „übersetzten“ PM Anforderungen Zielindikator

Zielwert

Bemerkung

vmax ta50

120 km/h ≤ 5 sec

vaverage

Nahe an AMS-„Bestzeit-Geschwindigkeit“ ≥ 79 km/h ≥ 200 km ≤ 10 kWh/100 km

Bezug: „kurze Autobahnstrecken“ Zeit für Beschleunigung 0. . . 50 km/h/„typische Stadtszenarien“ Durchschnittsgeschwindigkeit in der AMS-Runde/„typische Stadtszenarien“

vuphill Range Econsumption

An definierter Stelle (Steigung) außerhalb der Stadt Vom PM gefordert Bezug: „möglichst geringer Verbrauch“

Tab. 13.3 Designvariablen, die den Raum möglicher Lösungen (Top-level Architektur) beschreiben Designvariablen Variationsbereich mVehicle

500 bis 1000 kg

Pmax

18 bis 100 kW

numbergears

1 oder 2

ratio1

3,88 bzw.: 6 bis 12

shitup shitdown

50 bis 200 rad/sec 350 bis 450 rad/sec

Bemerkung Die Fahrzeugmasse wird u. a. von der Batteriemasse und dem Einsatz von Leichtbauelementen beeinflusst. Es stehen Motoren unterschiedlicher Leistung zur Verfügung. Die Motor-Getriebe-Kopplung kann durch direkten Kratschluss oder über ein Schaltgetriebe erfolgen. Im Falle von zwei Gängen kann die Getriebeübersetzung des ersten Ganges variiert werden. Für das 1-Gang Getriebe und für den 2. Gang im Falle eines 2-Gang Getriebes liege die Übersetzung mit 3,88 für vmax = 120 km/h bereits fest. Die Schaltschwellen im Fall des 2-Ganggetriebes können variiert werden.

narien abgeleitet werden und auch durchgängig in den unterschiedlichsten Prüfstands Umgebungen (z. B. für Batterie-, Motor- oder Rollenprüfstand) abgebildet werden (Voigt et al. 2012). Zunächst muss der SyA aber festlegen, mit welchen Komponenten und in welcher Dimensionierung die Antriebsstrang Architektur zusammengestellt werden soll. In unserem Beispiel stehen ihm dazu Fahrzeugmodule zur Verfügung, deren Alternativen er durch Variation der in Tab. 13.3 gezeigten Design-Variablen adressieren kann. Auf weitere Alternativen soll hier aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet werden. Der Raum möglicher Lösungen ist beschrieben. Doch welche darin ist die beste? Diese Fragestellung wird nun mit der folgenden Werkzeugkette (Abb. 13.30) untersucht, die eine vollständige Simulation vom küntigen Fahrzeug – zusammengestellt aus validierten Simulationskomponenten für die Subsysteme aus den Fachabteilungen ermöglicht. Dabei gibt es einen interessanten, synergetischen Aspekt zwischen Simulationsmodellverwaltung und Motorsteuerungsbedatung: Es bedarf in beiden Fällen einer sorgfältigen und

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 13.30 Werkzeugkette zur Modellbildung, statistischen Versuchsplanung, Simulation und Trade-off Analyse

rückverfolgbaren Verwaltung der Eingabeparameter. So wird eine Simulationssotware für einen generischen Antriebsstrang (Beispielsweise ein Getriebemodell in AVL CRUISE) erst durch die Definition der Eingabe Parameter zum physikalischen Modell eines bestimmten Getriebes. Die Pflege des Datenstandes bis hin zur Validierung der realen Komponente hat mehrere Iterationsstufen und Reifegrade und ist völlig analog zum Bedatungsprozess von Steuergeräten. Daher hat sich auch zur Verwaltung von Simulationsparametern das Datenmanagementsystem AVL-CRETA bereits bestens bewährt. Abbildung 13.30 zeigt das Zusammenspiel der Werkzeugkette: Eine Multi-Domain Autorenwerkzeugumgebung bildet das Antriebsstrangmodell, das in die Integrationsplattform CarMaker der Firma IPG eingebunden wird. Andere Autorenwerkzeuge können über die standardisierte Schnittstelle (Schneider et al. 2012) ebenfalls integriert werden. Die Integrationsumgebung liefert den „virtuellen Fahrversuch“, d. h. ein modular austauschbares 3D-Gesamtfahrzeug, die Fahrumgebung (Fahrbahn, Verkehr, Umwelt, . . . ) sowie eine Fahrmanöversprache, die es erlaubt, komplexe Fahrauträge zeiteffizient zu implementieren, zu simulieren und auszuwerten. Die Fahrauträge werden nach DoE Prinzip von in dem Werkzeug CAMEO der Firma AVL geplant, gesteuert und auf Basis einer modellbasierten Optimierung ausgewertet.

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Abb. 13.31 Reduktion der Datenpunkte entsprechend Tab. 13.2 im Variantenraum durch „Design of Experiments“ (DoE)

Unser SyA, dem eine solche Simulationsumgebung zur Verfügung steht, könnte als nächstes zur Suche nach der „besten“ Lösung nach einer „brute force“ Methode Fahrzeugvarianten modellieren und zugehörige Zielindikatoren auf Basis des AMS Manövers per Simulation bestimmen. Dieser Ansatz ist in der Praxis nicht zielführend. Die Kombinationsmöglichkeiten steigen exponentiell mit der Anzahl der Designvariablen. Im konkreten Beispiel nach Tab. 13.2 würden schnell mehrere hundert Tausend Varianten abgeleitet werden und zu einer Rechenzeit von einigen Wochen führen. Die so erzeugte Datenmenge würde den Entscheidungsprozess zwischen PM und SyA kaum erleichtern. Eine Reduktion der Datenpunkte im Variantenraum, z. B. durch DoE-basierte (DoE = „Design of Experiments“) Optimierungsalgorithmen, ist sinnvoll. Die daraus systematisch abgeleiteten Modelle, die einer mathematischen Analyse zuführbar sind, erlauben das Verständnis der Einflüsse und erfordern signifikant weniger Rechenzeit. Abbildung 13.31 zeigt den aus Tab. 13.3 abgeleiteten Versuchsplan (ein D-optimales Design) in dem sozusagen eine Fahrzeugflotte mit nur 840 unterschiedlichen Varianten auf „virtuelle Versuchsfahrt über die AMS-Runde“ geschickt wird. Diese Varianten sind entsprechend effektiv im Raum möglicher Lösungen verteilt, sodass die nachfolgende Modellbildung ein entsprechend vollständiges Verständnis der Zusammenhänge ermöglicht. Das Simulieren dieser Versuchsfahrten ist vollständig automatisierbar und verteilt auf 5 Rechner innerhalb einer Nacht durchführbar.

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Im nächsten Schritt erfolgt die Modellbildung: Aufgrund der Simulationsergebnisse werden für die Zielindikatoren empirische, mathematische Modelle abhängig von den Designvariablen gebildet (vgl. Abb. 13.2). Eine geeignete Visualisierung führt zu tieferem und doch raschem Verständnis der Zusammenhänge. Die Anzahl von 840 Simulationsrechnungen erlaubt hier eine deutlich verkürzte Rechenzeit gegenüber dem „brute force“-Ansatz. Die „empirische Modellbildung“ ermöglicht in unserem Fall eine abgesicherte Bewertung aller Varianten des 6-dimensionalen Lösungsraums nach Tab. 13.3. Die Güte der Modellbildung wird an Verifikationspunkten geprüt und abgesichert. Der letzte Schritt dient dem Aufsuchen optimaler Parametersätze: Die Modelle werden von einem Mehrgrößenoptimierungsalgorithmus „befragt“. Mathematisch gesehen handelt sich dabei um eine Mehrdimensionale Optimierung unter Nebenbedingungen. Der Anwender erhält die Auswahl optimaler Varianten auf Basis der von ihm formulierten Optimierungsaufgaben. Zusätzlich können die entscheidenden „Stellhebel“ (Designvariablen) in Bezug auf die Zielindikatoren identifiziert, quantifiziert und visualisiert werden. Ein Blick auf die Ergebnisse zeigt dem SyA in unserem Beispiel ein typisches Ergebnis: Die Variante mit minimalem Energieverbrauch ist nicht gleichzeitig die Variante mit bestem Beschleunigungsverhalten, die Variante mit bestem Verkehrsflussverhalten ist nicht die Variante mit maximaler Reichweite und so weiter. Mit anderen Worten: Die Auswahl der „besten“ Variante ist eine Trade-off-Entscheidung. Wie können die Ergebnisse der Testfahrten so aufbereitet werden, dass sie eine zielführende Diskussion zwischen PM und SyA unterstützen? Die Frage beschreibt eine Optimierungsaufgabe mit mehreren (n) Zielen. Nehmen wir als Beispiel den Trade-off zwischen Beschleunigungsverhalten und Energieverbrauch (n = 2). Die sogenannte „Pareto-Front“ bestimmt diejenige n − 1 = 1 dimensionale Hyperfläche, bei der eine Verbesserung eines Zielfunktionswertes nur durch Verschlechterung eines anderen erreicht werden kann. Das Optimierungswerkzeug CAMEO kann diese für die multivariate Optimierung so wichtigen Flächen berechnen, visualisieren und so einer Diskussion zugänglich machen. Abbildung 13.32 zeigt Darstellungen zur Pareto-Front sowie den Trade-off Analysen. • Links ist die Trade-off Darstellung der unabhängigen Ziele illustriert: in gelb die „Wolke“ möglicher Zielwerte für Econsumption über der zugehörigen ta50 . Der ausgegraute Bereich erfüllt nicht alle Randbedingungen gleichzeitig. In blau sieht man die beiden Paretofronten für das 1- und das 2-Gang Getriebe. • Je nach der Position im linken Bild – hier für den Punkt 4 – zeigt die rechte Grafik die Position im Modellschnitt. Das Werkzeug unterstützt die Auswahl der Modellvariante interaktiv. Im Beispiel sind nur Abhängigkeiten von den drei stark beeinflussenden Designvariablen mvehicle , Pmax sowie das Übersetzungsverhältnis ratio1 für den ersten Gang dargestellt. Letzteres ist nur für das 2-Gang Getriebe ein freier Parameter und liegt für die 1-Gang-Varianten fest bei 3.88.

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Abb. 13.32 Vier Pareto-optimale Positionen im Raum der Zielindikatoren und deren Positionen im Variantenraum Tab. 13.4 Die vier Pareto-optimalen Ergebnisse aus Bild 4 in Zahlen Nr.

Designvariablen Pmax [kW] numbergears

mvehicle [kg]

Zielindikatoren ta50 [s] Econsumption [kWh/100 km]

1 2 3 4

40 65 100 40

616 625 640 612

10,06 6,73 5,12 4,89

1 1 1 2

7,97 8,50 9,40 7,86

Der Optimierungsalgorithmus reduziert mit den gewählten Einschränkungen der zu optimierenden Zielwerte den Raum möglicher Lösungen auf vier repräsentative und in Tab. 13.4 gelistete Alternativen und deren Trade-offs. Dem Aufwand einer zwei-Gang Variante stehen die Vorteile einer geringeren benötigten Motorleistung bei signifikant besserem Energieverbrauch und Beschleunigungsverhalten gegenüber. Die gezeigte Methodik erlaubt die Quantifizierung dieser Trade-offs. Eine quantitative Basis zur Designentscheidung „Architektur mit oder ohne Schaltgetriebe“ steht zur Verfügung. Die Parameter der Schaltschwellenfestlegung haben sich als wenig einflussreich erwiesen und müssen entsprechend nicht vertiet betrachtet werden. Das spart Zeit und erlaubt Fokus auf die wesentlichen hemen.

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Somit können Antworten auf die folgenden Fragen gegeben werden: • Wie können schon in der Konzept- und Entwurfsphase Designentscheidungen systematisch gegenüber kundenrelevanten Eigenschaten bewertet werden? • Wie lässt sich der Raum möglicher Architekturvarianten systematisch aufbauen und zielgerichtet die für einen Anwendungsfall beste Lösung finden? • Wie lässt sich der so beschriebene Entwurfsprozess durch geeignete Werkzeuge unterstützen und wo möglich automatisieren? • Wie lassen sich die qualitätsentscheidenden Informationen effizient und quantitativ belastbar für Architekturentscheidungen extrahieren? Die vorgestellten Arbeitsschritte orientieren sich am „Fahrversuch“ als zentraler Instanz in Kombination mit einem aus Designvariablen systematisch aufgebauten Variantenraum. Der Einsatz von DoE erlaubt eine hochgradig effiziente Arbeitsweise. Die Ergebnisse stellen die Zusammenarbeit zwischen Produktmanagern und Systemarchitekten auf eine neue Qualitätsstufe: Die für einen Anwendungsfall am besten geeignete Alternative wird im Trade-off kunden-orientierter Zielindikatoren treffsicher im Raum möglicher Lösungen identifiziert. Ein teilweise gefühlsbasierter Entscheidungsprozess wird durch quantifizierte Zusammenhänge neutraler, zielgerichteter und effektiver.

13.7 Zusammenfassung Die mechatronischen Systeme, wie sie moderne Fahrzeugantriebsstränge und insbesondere Antriebsaggregate darstellen, zeichnen sich neben hoher Flexibilität und Leistungsfähigkeit auch durch zunehmende Komplexität in der Bedatung und Optimierung aus. An Hand von konkreten Aufgaben zur Optimierung von Diesel- und Ottomotoren sowie Hybridaggregaten wurde gezeigt, wie sich theoretische Überlegungen zur Modellbildung sowie eine zunächst abstrakte Beschreibung der Prozessführung – beispielsweise beim Einsatz von DoE-Methoden oder bei der Funktionsbedatung eines virtuellen Sensors – in die Anwendungsumgebung einer Motorenentwicklung überführen lassen und dort eine Voraussetzung für effiziente Abläufe und eine sichere Zielerreichung darstellen. Für die Zukunt ist ein weiterer Entwicklungsschub durch Umweltvernetzung zu erwarten. Daraus resultieren variable Szenarien, die zusätzlich in die Optimierungsfunktionen mit eingebunden werden müssen. Derzeit laufen in allen namhaten Häusern von Automobilherstellern Programme, solche Methoden in der industriellen Praxis auszurollen, um die zunehmende Komplexität der Entwicklungsaufgaben weiterhin zu beherrschen.

13

Beherrschung komplexer Entwicklungsprozesse

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Teil IV: 3D-Simulation des Arbeitsprozesses

Dreidimensionale Strömungsfelder C h ristian Krüger und Frank Otto

14

Eine immer wesentlichere Rolle bei der Simulation motorischer Vorgänge spielt die 3Dströmungsmechanische oder CFD-Simulation (CFD: Computational Fluid Dynamics), da sie prinzipiell die detaillierteste physikalisch-chemische Beschreibung der relevanten Prozesse ermöglicht. Sie ist aus der modernen Motorenentwicklung nicht mehr wegzudenken, und unter dem Aspekt stetig wachsender Rechnerkapazitäten und -leistungen wird ihre Bedeutung auch weiterhin anwachsen. Mit CFD werden heute die verschiedensten Fragestellungen untersucht, vom Gaswechsel bis hin zur Kühlmittelströmung. Im Rahmen des vorliegenden Buches werden wir uns auf die hemenkomplexe Gaswechsel, Gemischbildung, Verbrennung und Aufladung beschränken. CFD steht naturgemäß in Konkurrenz zu den null- und eindimensionalen sowie phänomenologischen Modellen, die bisher diskutiert wurden. Aufgrund des sehr viel höheren Aufwandes, der zur erfolgreichen Durchführung und Auswertung einer CFD-Rechnung erforderlich ist, sollte im Zweifel gelten: den (relativ) weniger aufwendigen 0D- und 1DBerechnungsansätzen gebührt der Vorrang. Erst wenn eine klar definierte, konkrete Fragestellung herausdestilliert ist, bei der man mit gutem Grund (bzw. zumindest mit einiger Hoffnung) davon ausgehen kann, dass sie mit CFD beantwortet werden kann (aber nicht ohne!), ist die Durchführung einer CFD-Rechnung wirklich sinnvoll. Im geeigneten Falle kann natürlich gerade auch die Kombination von 0/1D- und 3D-Simulation eine empfehlenswerte Lösung sein. Die wesentlichen Herausforderungen, die der Anwender zu meistern hat, liegen erstens in der Beherrschung des Rechenprogramms selbst, zweitens in einem Verständnis der verwendeten Modellansätze und drittens natürlich im technischen Verständnis der zugrunde liegenden motorischen Fragestellung. In den letzten Jahren war bei den relevanten CFD-Berechnungscodes ein Konzentrationsprozess auf kommerzielle Programme zu Dr.-Ing. Christian Krüger B ⋅ Dr. rer. nat. Frank Otto Daimler AG, Stuttgart, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_14, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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G.P. Merker und R. Teichmann

verzeichnen. Im Rahmen der hier schwerpunktmäßig betrachteten In-Zylinder-Prozesse (Rechennetze mit bewegten Kolben und Ventilen) kommen meist nur noch zwei Codes zum Einsatz: STAR CD und FIRE. Der CFD-Code KIVA, für lange Zeit als Schrittmacher gerade für die Einspritzsimulation zu betrachten, wird im kommerziellen Rahmen als Tool nicht weitergepflegt und ist daher insbesondere aufgrund von Einschränkungen bei den Rechennetzen und der implementierten Numerik inzwischen als veraltet anzusehen. Dies bedeutet nicht, dass KIVA nicht weiterhin wertvolle Dienste als Trainingscode leisten kann (was z. B. gerade beim universitären Einsatz sinnvoll sein kann). Die Codes, auf die dieser Konzentrationsprozess ausgerichtet ist, erleben hingegen ständige und fortwährende Erweiterungen und Erneuerungen. Dies resultiert aus den vielfältigen, sich teilweise auch widersprechenden Anforderungen der unterschiedlichen Anwender, da diese gegenüber den (diesbezüglich eher unvorbereiteten) Code-Anbietern als separate Kunden mit ihren jeweiligen Eigeninteressen autreten und auf diesem wettbewerbsrelevanten hemenfeld auch keine hinreichend starke wissenschatliche Gemeinschat existent ist, die für die Einigung auf ein allseits akzeptiertes gemeinsames Optimum sorgen könnte. Der Nutzer steht daher vor der Situation sich immer stärker diversifizierender Codes mit den unterschiedlichsten Modellansätzen, die er prinzipiell bezüglich ihrer Stärken und Schwächen zu kennen, zu bewerten und schließlich eine Auswahl zu treffen hat. Insbesondere in den ersten Jahren der Modellbildung in der Motor-CFD hat sich diese vor allem in die „Breite“ (d. h. es war eine starke Zunahme der Modellvarianten zu verzeichnen), aber weniger in die „Höhe“ (d. h. hinsichtlich einer Zunahme der damit erzielbaren Aussagequalität) entwickelt. Erst in den letzten Jahren hat sich dieser Trend erfreulicherweise abgeschwächt, es stehen immer mehr auch qualitativ hochwertige Modellansätze zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für das Teilgebiet Gemischbildung, wir werden im Kap. 16 darauf zurückkommen. Diese weiterentwickelten hochwertigen Modellansätze müssen aber auch genutzt werden, und das impliziert hohe Anforderungen an die User! In den modernen, kommerziellen Codes ist das nicht mehr so einfach wie etwa noch im KIVA-Code, wo ein durchsichtiger, klassisch-schnörkellos programmierter Fortran-Quellcode allgemein verfügbar ist. Anderes gilt für die berechnungstechnische Seite der Numerik, Netzgenerierung und Auswertungswerkzeuge. Da auf diesen hemenfeldern typischerweise die originäre Kompetenz der Code-Hersteller liegt, ist hier eher eine kontinuierliche Weiterentwicklung zum Besseren (d. h. „Fortschritt“) zu beobachten. Allerdings muss auch dieser Fortschritt erst durch den erfahrenen User abgerufen werden, er ist keinesfalls „von selbst“ verfügbar. Beide Seiten jedoch (Berechnungstechnik u. Modellierung) sind unverzichtbar und sollten auf hohem Niveau verfügbar sein, will man belastbare Aussagen über Gemischbildungs- und Verbrennungsprozesse machen. Auch gibt es vielfältige Wechselwirkungen zwischen beiden Aspekten (z. B. eine adaptive Netzverfeinerung als Basis für ein verbessertes Strahlmodell). Wenn auch die letztgenannte Seite (d. h. der Qualitätsfortschritt in der Berechnungstechnik) besser verfügbar ist, so liegt auch sie nicht an der „Oberfläche“ der heutigen CFDCodes. Diese wollen auf den ersten Blick suggerieren, dass eigentlich keine qualifizier-

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

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ten Benutzer mit numerisch-mathematisch-physikalisch-chemischen Kenntnissen erforderlich seien, die Online-Menüführung löse all diese Probleme auf effiziente Weise. Geht eine derartige Marketingaussage nach allgemeiner Erfahrung häufig bereits bei Allerwelttools wie Mailverwaltung, Textverarbeitung etc. schief, so erst recht bei den doch deutlich komplexeren CFD-Tools für motorische Anwendungen. Als noch relativ unkritisch stellt sich ein frühes Scheitern dar, wesentlich unerfreulicher sind letztlich diejenigen Fälle, wo der Anwender bis zur Generierung eines „Ergebnisses“ in Form schöner farbiger Bilder vorgedrungen ist. Bei der Interpretation so mancher bunten Bilder lässt sich im Nachhinein ein neues Verständnis für „Sterndeuterei oder antiker Vogelschau“ gewinnen. Um das zuletzt erwähnte Problem sachlich zu vertiefen: Es handelt sich dabei keinesfalls nur um das Problem eines Einsteigers. Es ist vielmehr ein grundsätzliches Problem, wie die eingangs erwähnte Steigerung der Rechenkapazitäten und die erwähnten Berechnungsfortschritte (sowohl hinsichtlich Berechnungstechnik als auch hinsichtlich Modellierung) zu investieren sind: in Qualität oder in Quantität, d. h. eine Steigerung der durchführbaren Berechnungsvarianten. Nach Ansicht der Autoren muss gerade beim hema „CFD“ die Qualität immer noch den klaren Vorrang vor der Quantität haben, weil ansonsten die Aussagefähigkeit von CFD gegen Null geht. Berechnungsergebnisse, deren Aussage in relevanter Weise durch Simulationsartefakte wie z. B. Netzabhängigkeiten belastet sind (was eigentlich nicht mehr State-of-the-art sein sollte, in der Praxis aber leider noch allzu ot vorkommt), sind wertlos. Und mit den 0D- und 1D-Tools steht eine relativ weitentwickelte Konkurrenz zur Verfügung, die in puncto Geschwindigkeit ohnehin unschlagbar ist. Aber auch bezüglich des Punktes „Qualität“ ist zunächst noch unklar, wohinein zusätzlicher Aufwand sinnvollerweise zu investieren ist. Die Simulation ensemblegemittelter einphasiger, nichtreaktiver Strömung ist relativ gut abgesichert. Für eine fortgeschrittene CFD-Analyse innermotorischer Prozesse stellt die Gemischbildungssimulation (also im Kern die Simulation des Einspritzprozesses) dann den nächsten großen Schritt dar, welcher letztlich auch die Grundlage für die Betrachtung der Wärmefreisetzung bildet. Innerhalb der Einspritzungssimulation ist es aber zunächst absolut zwingend, ein auskonvergiertes, von Netzund Numerikartefakten befreites Modell einzusetzen. Auch ein korrektes Turbulenzmodell für die disperse Phase („Tropfen“) ist unverzichtbar. Daher soll im Folgenden ein Schwerpunkt auf diese hemen gelegt werden. Wenn man alle Qualitätsregeln beachtet und alle heute verfügbaren Tools einsetzt, sollte es möglich sein, in vielen Fällen mittels Berechnung zur Gemischbildung und Wärmefreisetzung belastbare Aussagen zu machen. Darüber hinaus erreicht man aber recht schnell die Grenzen zuverlässiger Berechenbarkeit. Immer wieder wird auch suggeriert, die gestiegenen Rechnerkapazitäten ermöglichten den Einsatz komplexerer Modelle zur Berechnung chemischer Prozesse, welche direkte Aussagen zu den Zielwerten der Brennverfahrensentwicklung machten, wie Klopfen und Entflammbarkeit im Ottomotor und Emissionen im Diesel- oder mageren Ottomotor. Dem kann man nur widersprechen. Die Grenzen der heutigen CFD-Modelle sind nach wie vor weitaus enger zu ziehen. Wir werden in Kap. 17 diese Limitierungen näher erläutern.

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14.1 Strömungsmechanische Grundgleichungen 14.1.1 Massen- und Impulstransport Im Folgenden werden kurz die Basis-Gleichungen der Strömungsmechanik rekapituliert, wobei die Komponentenschreibweise in Summenkonvention verwendet wird, d. h. über doppelt erscheinende Indizes ist zu summieren. Für eine ausführliche Ableitung sei auf Merker und Baumgarten (2000), Cebeci (2002) und White (1991) verwiesen. Die lokale Massenerhaltungsgleichung, Kontinuitätsgleichung genannt, lautet ∂ ∂ ρ(x, t) + (ρ(x, t)v i (x, t)) =  . ∂t ∂x i

(14.1)

Die Abhängigkeit der Feldgrößen von x oder t wird üblicherweise einfach weglassen. Die Impuls-Gleichung (Navier-Stokes-Gleichung) lautet dann

wobei

ρ(

∂ ∂p ∂ ∂v k ∂ ]) = − ) vi − (τ i j [ + fi , + vj ∂t ∂x j ∂x j ∂x l ∂x i τi j = μ (

∂v k ∂v i ∂v j δi j + )+ξ ∂x j ∂x i ∂x k

μ, ξ ∶ . und . Zähigkeitskoeffizient

(14.2)

(14.3)

den Spannungstensor bezeichnet und f i eine äußere Kratdichte (z. B. die Schwerkrat). Häufig wird  (14.4) ξ=− μ 

angenommen, d. h. τ i j ist spurfrei. Bisher wurde der allgemeine kompressible Fall betrachtet, d. h. ρ ist variabel, eine Funktion des Ortes und der Zeit. Für den Fall, dass eine inkompressible Strömung vorliegt (typischerweise für Flüssigkeiten), also ρ konstant ist, vereinfachen sich Kontinuitäts- und Navier-Stokes-Gleichung drastisch und man erhält für das inkompressible Fluid

wobei

ρ(

∂v i = ∂x i

∂ ∂p ∂ + vj ) v i − μΔv i = − + fi , ∂t ∂x j ∂x i Δ=

∂ ∂ ∂ + +   ∂x ∂y ∂z

(14.5)

(14.6)

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

829

den Laplace-Operator bezeichnet. Differenziation des zweiten Terms in der Kontinuitätsgleichung (14.1) nach der Produktregel liefert

Der Operator

(

∂ ∂ ∂ + vi )ρ+ ρ vi =  . ∂t ∂x i ∂x i

(14.7)

∂ ∂ + vi ∂t ∂x i

in (14.7) heißt konvektive oder substanzielle Ableitung. Er tritt ebenfalls in der NavierStokes-Gleichung (14.2) auf und drückt die zeitliche Änderung von lokalen Fluidgrößen in den äußeren, raumfesten Laborkoordinaten aus. Der Übergang von einem lokalen, mitbewegten Koordinatensystem (Lagrangesche Koordinaten) auf ein globales raumfestes Koordinatensystem (Eulersche Koordinaten) entspricht daher der Substitution ∂ ∂ ∂ L→ ( + v i ) . ∂t Lagrange ∂t ∂x i Euler

(14.8)

Nimmt man nun an, dass das Zweite Newtonsche Axiom m

dv i = Fi dt

im lokalen, mitbewegten Koordinatensystem gilt, wobei die Krat F sich aus einer äußeren Komponente und dem Druckgradienten in der Strömung zusammensetzt, dann folgt daraus die Eulersche Gleichung ρ(

∂ ∂p ∂ + vj ) vi = − + fi . ∂t ∂x j ∂x i

(14.9)

Diese gilt für eine ideale, reibungsfreie Strömung und unterscheidet sich von der NavierStokes-Gleichung (14.2) noch um den Viskositätsterm. D. h. in einer realen Strömung wirkt noch eine zusätzliche Krat, die Reibungskrat, für die üblicherweise der Newtonsche Ansatz ∂v k ∂ ]) (14.10) (τ i j [ f i ,Reibung = ∂x j ∂x l

verwendet wird. Dieser zusätzliche Term bedeutet auch, dass die Navier-Stokes-Gleichung nun eine Differenzialgleichung 2. Ordnung in den Raumkoordinaten ist, und folglich benötigt sie zusätzliche Randbedingungen. Das physikalische Äquivalent ist das Phänomen der Wandreibung, aufgrund dessen eine Navier-Stokes-Strömung direkt an der Wand relativ zu dieser ruht und sich somit eine Grenzschicht ausbildet, während eine Euler-Gleichungsbasierte Strömung an einer Wand reibungsfrei, d. h. mit endlicher Geschwindigkeit, entlang strömt.

830

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Partielle Differenzialgleichungen werden nach ihren Eigenschaten typisiert, man unterscheidet elliptische, parabolische und hyperbolische Gleichungen. Die inkompressible EulerGleichung (14.9) ist vom hyperbolischen Typ bezüglich der Variablen v1 . Zu einer solchen Differenzialgleichung existieren Charakteristiken, d. h. Kurvenscharen, entlang derer die Zeitentwicklung über ein System gewöhnlicher Differenzialgleichungen gegeben ist. So reduziert sich entlang einer Raumkurve χ(t) mit dχ i = vi dt

die Euler-Gleichung auf ρ

∂p dv i =− + fi , dt ∂x i

(14.11)

(14.12)

d. h. man kann sich vorstellen, dass das Lösungsfeld sich entlang der durch die Charakteristiken (14.11) und (14.12) bestimmten Kurvenscharen „ausbreitet“2 . Zur Definition der Randbedingungen müssen somit nur die Anfangswerte v(t = t  , x i = x ,i ) und v(t = t  , x i = x ,i ) zur Startzeit t  für verschiedene Startpositionen x ,i vorgegeben werden. Eine typische elliptische Differenzialgleichung ist die Potenzialgleichung oder Poisson-Gleichung Δφ = (

∂ ∂ ∂ +  +  ) φ = πγ .  ∂x ∂y ∂z

(14.13)

Wie man zeigen kann, hängt die Lösung φ(x, y, z) in einem bestimmten Gebiet von allen φ-Werten auf der Berandung dieses Gebietes ab, es gibt keine bevorzugte Ausbreitungsrichtung und auch keine Charakteristiken. Die Wärmeleitungsgleichung oder Helmholtz-Gleichung (zur Beschreibung der Wärmeleitung in einem Festkörper) ∂ (14.14) ρc V T − λΔT =  ∂t sowie auch die Navier-Stokes-Gleichung sind parabolische Gleichungen. Sie besitzen zwar eine ausgezeichnete Ausbreitungsrichtung in der Zeit, aber nicht im Raum. Eine typische Anfangsbedingung besteht daher in der Vorgabe aller Werte auf der Berandung eines bestimmten Gebietes zur Startzeit t  . Das bisher Gesagte legt nahe, dass diese Eigenschaten einer Differenzialgleichung auch für das numerische Lösungsverhalten entscheidend sein sollten. Bezüglich der Navier-Stokes-Gleichung bleibt insbesondere festzuhalten, dass durch die Addition des Viskositätsterms eine Änderung des Differenzialgleichungstyps verursacht wird; die inkompressible Euler-Gleichung ist hyperbolisch, während die Navier-Stokes-Gleichung vom parabolischen Typ ist, mit entsprechenden Konsequenzen für das Lösungsverhalten. Das Ausbreitungsverhalten der kompressiblen Gleichungen ist nochmals verschieden, da 1 2

Dafür ist sie zusammen mit der inkompressiblen Kontinuitätsgleichung elliptisch im Druck! Dies gilt bei Vorgabe eines äußeren Druck- und Kratfeldes.

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

831

nun auch das Phänomen des Schalls autritt. Typische motorische 3-D-Strömungen wie Zylinderinnenströmungen sind zwar notwendigerweise kompressibel, aber diese Kompressibilität ist derart schwach (ein Maß hierfür ist die Machzahl a = v/c), dass faktisch die Eigenschaten der inkompressiblen Gleichungen gültig sind.

14.1.2

Transport von innerer Energie und Spezies

Nun soll noch der Gleichungssatz vervollständigt werden. Im inkompressiblen Fall sind Kontinuitäts-Gleichung (14.5) und Navier-Stokes-Gleichung (14.6) (Vektorgleichung, d. h. drei Komponentengleichungen) zusammen vier Gleichungen, bereits vollständig, um die vier Unbekannten: Geschwindigkeit (Vektor!) und Druck zu bestimmen. Im kompressiblen Fall ist aber zusätzlich noch die Dichte zu bestimmen. Für ein einkomponentiges oder aber homogen gemischtes Gas (das sich wiederum einkomponentig behandeln lässt) ergibt sich die Dichte aus dem Druck über die thermische Zustandsgleichung p=

˜ ρ RT . M

(14.15)

Diese Gleichung enthält nun zusätzlich die Temperatur, die über die kalorische Zustandsgleichung T

u = ∫ c V (ϑ)d ϑ + u 

(14.16)

T

mit der (spezifischen) Inneren Energie verknüpt ist. Die Innere Energie ist eine extensive Größe, wofür sich (ähnlich wie für den Impuls) eine Transportgleichung formulieren lässt ρ(

∂ ∂ ∂T ∂v i ∂v i ∂ + vj )u − (λ ) = −p + τi j +q , ∂t ∂x j ∂x i ∂x i ∂x i ∂x j

(14.17)

siehe Merker und Baumgarten (2000). Der zweite Term auf der linken Seite ist ein Diffusionsterm und entspricht dem Viskositätsterm in der Navier-Stokes-Gleichung (λ bezeichnet die Wärmeleitfähigkeit). Die beiden ersten Terme auf der rechten Seite stellen Energiequellen und -senken dar, der erste Term −p∂v i /∂x i kann beide Vorzeichen annehmen und entspricht der reversiblen mechanischen Kompressionsarbeit, die am Volumenelement geleistet wird. Der zweite Term τ i j ∂v i /∂x j beschreibt die Wärme, die durch die innere Reibung freigesetzt wird; dieser Term ist immer positiv (zweiter Hauptsatz der hermodynamik!). Der dritte Term q beschreibt weitere Wärmequellen, sei es durch Verdampfung oder aber auch durch Verbrennung. Damit ist das Gleichungssystem auch für den inkompressiblen Fall vollständig, für die sieben Unbekannten: Geschwindigkeit (3), Druck, Dichte, Temperatur und Innere Energie existieren die sieben Gleichungen, (14.1), (14.2), (14.14), (14.15), und (14.17). Für den

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Fall, dass das Fluid eine inhomogene Mischung mehrerer Komponenten ist, werden noch weitere Gleichungen zur Bestimmung der Stoffzusammensetzung benötigt, siehe unten. Es sei darauf hingewiesen, dass die hier benötigte Energiegleichung die Gleichung für die Innere Energie ist, keinesfalls diejenige für die kinetische Energie. Denn diese ergibt sich aus der Navier-Stokes-Gleichung, ist also keine unabhängige Größe. Natürlich lässt sich anstelle der Inneren Energie auch die Gesamtenergie (Innere Energie + kinetische Energie) transportieren, oder auch die thermische Enthalpie (w = u + p/ρ). Alles dies ist äquivalent, denn bei Kenntnis der Größen v, p, ρ lassen sich all diese Energieformen ineinander umrechnen. Besonders unter Chemikern ist es sehr beliebt, die totale Enthalpie (thermische Enthalpie + chemische Energie) zu transportieren. Bei bekannter Stoffzusammensetzung ist auch diese in die anderen Energiegrößen umrechenbar, somit ist das Vorgehen äquivalent. Schließlich sei noch der Fall betrachtet, dass das betrachtete Fluid als inhomogene Mischung mehrerer Spezies gegeben ist. Es müssen in diesem Fall Transportgleichungen für die Konzentrationen c(k) der einzelnen Spezies formuliert werden,

mit

ρ(

∂ ∂ ∂ ∂ + vi ) c(k) − (D(k) ρ c(k) ) = Q(k) (c( j) , p, T) ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(14.18)

∑ c(k) =  ,

die ganz analog zur Navier-Stokes- und Energietransport-Gleichung aufgebaut sind. Auf der linken Seite steht eine konvektive Ableitung und die Diffusion und rechts ein Quellterm, der nur dann von Null verschieden ist, wenn chemische Reaktionen ablaufen, was insbesondere bei der Verbrennung der Fall ist. Auch tritt ein zusätzlicher Diffusionsterm in der Energiegleichung (14.17) auf, so dass diese nun lautet ρ(

∂c(k) ⎞ ∂ ∂ ⎛ ∂T ∂v i ∂v i ∂ λ = −p + uj )u − + ρD(k) ∑ h(k) + τi j . ∂t ∂x j ∂x i ⎝ ∂x i ∂x ∂x ∂x ⎠ i i j (k)

(14.19)

Alle gängigen CFD-Codes verwenden die ideale Gasgleichung. Diese Annahme ist allerdings für dieselmotorische Bedingungen (Spitzendrücke von mehr als 200 bar) nicht besonders geeignet, hier sollte man besser reale Gasgleichungen verwenden. Eine Implementation ist derzeit kommerziell nicht verfügbar.

14.1.3 Passive Skalare und Mischungsbruch Häufig werden noch Transportgleichungen für weitere, formale Skalare definiert, wie z. B. Fortschrittsvariable oder Flammenflächendichte. Diese Transportgleichungen folgen im Wesentlichen dem Schema von (14.18) (d. h. Konvektion, Diffusion, Quellterm). Jene Größen liefern aber keinen Beitrag zu den thermodynamischen Gleichungen (14.14)

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

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und (14.15) und heißen daher passive Skalare, im Gegensatz zu den thermodynamisch wirksamen Spezies, die aktive Skalare genannt werden. Ein wichtiger Skalar ist der so genannte Mischungsbruch Z. Das Mischungsbruchfeld beschreibt die lokalen Mischungszustände zweier Gase, wobei jedes dieser beiden Gase als homogene Mischung aus verschiedenen Spezies gegeben sein darf; es nimmt Werte zwischen 0 und 1 an. Solange keine Reaktion autritt, lässt sich dafür schreiben Z=

ρGas I . ρGas I + ρGas II

(14.20)

Man stellt nun fest, dass Z eine lineare Funktion in einem beliebigen Elementmassenbruch ist. Der Elementmassenbruch cX des Elements X (z. B. C, O oder H) ist dabei definiert als ρX . (14.21) cX = ρgesamt

Es sei nun cX,I der X-Massenbruch im Gas I, entsprechend cX,II der X-Massenbruch im Gas II, und cX der X-Massenbruch im lokalen I-II-Gemischzustand. Man findet dann die folgende Abhängigkeit cX − cX,II . (14.22) Z(cX ) = cX,I − cX,II

Der Grundgedanke ist nun, diese Beziehung zur Definition des Mischungsbruchs zu verwenden, denn diese Definition ist nicht durch chemische Reaktionen beeinflusst, da sie auf Elementbasis definiert ist. Auf diese Weise erhält man eine Größe, die geeignet ist, Mischungen unabhängig von Reaktionen (Verbrennung!) zu beschreiben. Der Mischungsbruch ist daher ein ganz wesentliches Konzept zur Beschreibung von Diffusionsflammen! Die Transportgleichung des Mischungsbruchs entspricht der einer Spezies ρ(

∂ ∂ ∂ ∂ + vi )Z − (Dρ Z) =  , ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(14.23)

nur dass kein chemischer Quellterm autritt!3 Bezüglich der Diffusionskonstanten D muss ein „mittlerer“ Wert der Diffusionskonstanten der beteiligten Spezies eingesetzt werden4 . Da der Mischungsbruch zur Berechnung der Mischungszusammensetzung verwendet werden kann, kann er als aktiver Skalar fungieren.

14.1.4 Konservative Formulierung der Transportgleichungen Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass sich mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung Transportgleichungen (für Energie, Impuls und Skalare) auch in der so genannten kon3

Es können allerdings Verdampfungsquellterme autreten. Bei turbulenter Strömung wird sich dieses Problem der unterschiedlichen laminaren Diffusionskonstanten nochmals deutlich entschärfen.

4

834

G.P. Merker und R. Teichmann

servativen Formulierung darstellen lassen. Für den Skalartransport lautet diese ∂ ∂ ∂ ∂ (ρc(k) ) + (ρv i c(k) ) − (D(k) ρ c(k) ) = Q(k) (c( j) , p, T) , ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(14.24)

d. h. auch der Konvektionsterm (zweiter Term links) ist nun als Divergenz eines Stroms formuliert. Diese Formulierungen sind besonders relevant für die numerische Behandlung.

14.2 Turbulenz und Turbulenzmodelle 14.2.1

Phänomenologie der Turbulenz

In der Navier-Stokes-Gleichung hat die relative Größenordnung des viskosen Terms großen Einfluss auf den Charakter der Strömung. Um dies zu verstehen, betrachten wir ein typisches Strömungsproblem wie die Umströmung eines Zylinders5 (zur Vereinfachung betrachten wir den inkompressiblen Fall) und führen charakteristische Skalen für Länge L (z. B. Zylinderdurchmesser) und Geschwindigkeit v (z. B. Anströmgeschwindigkeit) ein. Damit erhält man bezüglich dieser Skalen die normierten Variablen x = x ∗ L,

v = v∗V ,

t = t ∗ L/V ,

p = p∗ ρV  .

(14.25)

Mit den normierten Variablen x ∗ , v ∗ , t ∗ und p∗ kann das Problem skaleninvariant formuliert werden. Man erhält schließlich die Gleichungen

und

wobei

∂v ∗i = ∂x ∗i ⎛ ∂ ∂ ⎞  ∂  v ∗i ∂p∗ + v ∗j ∗ v ∗i − =− ∗ ,  ∗ ∂x j ⎠ Re ∂x i ∂x i ⎝ ∂t Re =

ρV L μ

(14.26)

(14.27)

(14.28)

die Reynolds-Zahl bezeichnet. In der Reynolds-Zahl werden nun sämtliche Skaleneinflüsse erfasst. Strömungen mit gleicher Reynolds-Zahl können durch Variablenumskalierung ineinander überführt werden; man sagt, sie sind einander ähnlich. Die Reynolds-Zahl klassifiziert also Strömungen. Zudem beschreibt die Reynolds-Zahl die relative Größe des viskosen Terms. Ist die Reynolds-Zahl klein, ist der viskose Term groß, wir haben den Fall einer „honigartigen“, „zähen“ Strömung. Im anderen Grenzfall, d. h. im Grenzwert unendlich großer Reynolds-Zahl, könnte man zunächst vermuten, dass der viskose Term 5

Die so genannte Karman’sche Wirbelstraße.

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

Abb. 14.1 Karman’sche Wirbelstraße (Umströmung eines Zylinders) bei verschiedenen Reynoldszahlen

835

a Re = 10 –2

b Re = 20

c Re = 10 2

d Re = 10 4

e Re = 10 6

einfach verschwindet, die Navier-Stokes-Gleichung würde sich auf die Euler-Gleichung reduzieren. Dies trit jedoch nicht zu. Denn nach wie vor existiert im Gegensatz zur EulerGleichung eine (allerdings immer dünner werdende) viskose Wandgrenzschicht (Eigenschat der Navier-Stokes-Gleichung, siehe oben), in der die Geschwindigkeit sich auf Null (relativ zur Wandgeschwindigkeit) reduziert. Dadurch kommt es an der Wand zu hohen Geschwindigkeitsgradienten, die zur Wirbelbildung im Zylindernachlauf führen. Die Umströmung eines Zylinders sieht für Re = 10−2 etwa wie in Abb. 14.1a dargestellt aus, wir haben eine laminare, viskose Umströmung des Zylinders. Mit zunehmender Reynoldszahl bilden sich mehr Wirbel hinter dem Zylinder, die auch ablösen, aber zunächst noch periodische Strukturen aufweisen (Abb. 14.1b und c). Mit weiterem Anwachsen der Reynolds-Zahl fluktuiert die Strömung schließlich chaotisch und dreidimensional, sie ist jetzt turbulent (Abb. 14.1d und e). Große Wirbel zerfallen in kleinere, diese in noch kleinere, es bildet sich ein Wirbelspektrum aus bis hinunter zu einer sehr kleinen Längenskala, der Kolmogorov-Skala, auf der die Strömung wieder viskos (laminar) wird. Ein derartiger Prozess lässt sich nicht mehr deterministisch berechnen, auch mit einem beliebig großen Computer nicht, weil kleinste Ursachen größte Auswirkungen haben können.

836

G.P. Merker und R. Teichmann

14.2.2

Modellierung der Turbulenz

Es lassen sich allerdings statistische Größen zur Beschreibung der turbulenten Erscheinungen angeben; auch das Spektrum der turbulenten Fluktuationen ist theoretischen Betrachtungen zugänglich. Typische Größen sind die turbulente Längenskala l t , die turbulente Zeitskala τ t , die turbulente Geschwindigkeitsskala v t sowie die turbulente Viskosität μ t . Bei der Annahme räumlich homogener Turbulenz gibt es zwei unabhängige Größen, meist wird die (spezifische) turbulente kinetische Energie k als eine und die turbulente Dissipation ε als die zweite verwendet. Damit ergibt sich vt =



k, μ t = c μ ρ



k k lt , , lt = cl , τt = ε ε vt

(14.29)

wobei c μ und c l Proportionalitätskonstanten darstellen. Der mathematische Ansatz zur Einführung dieser Turbulenzgrößen besteht in einer Ensemble-Mittelung der strömungsmechanischen Gleichungen, d. h. es wird nicht eine einzige Realisierung berechnet, sondern der Mittelwert aus allen möglichen Realisierungen mit makroskopisch ununterscheidbaren Randbedingungen.6 Diese Reynolds-Mittelung soll exemplarisch am Fall einer quellenfreien Skalar-Transportgleichung (14.24) durchgeführt werden. Es seien ⟨v i ⟩ und ⟨c⟩ die Ensemble-gemittelten Größen, dann ergeben sich für die momentanen Werte v i und c die folgenden Zerlegungen v i = ⟨v i ⟩ + v i ′ c = ⟨c⟩ + c ′

mit mit

⟨v i ′ ⟩ =  ,

⟨c ′ ⟩ =  ,

(14.30)

wobei v i ′ und c ′ nun die turbulenten Geschwindigkeits- und Skalarfluktuationen beschreiben. Die oben eingeführte (spezifische) turbulente kinetische Energie ergibt sich somit zu k=

 ′  ∑ (v i ) .  i

(14.31)

Für alle in v und c linearen Terme lässt sich die Mittelung von (14.24) einfach durchführen, aber der nichtlineare Konvektionsterm führt zu einem Zusatzterm ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ (ρ⟨v j ⟩⟨c⟩) + (ρ⟨v ′ j c ′⟩) − (ρ⟨c⟩) + (D c ρ ⟨c⟩) =  . ∂t ∂x j ∂x j ∂x j ∂x j

(14.32)

Nimmt man nun an, dass die Turbulenz sich wie ein räumlich isotroper, zu verschiedenen Zeitpunkten unkorrelierter Fluktuationsprozess verhält („weißes Rauschen“), so lässt 6

Bei Motoren wird häufig behauptet, dies entspreche einer Mittelung über mehrere Zyklen. Es kann vor dieser etwas „anschaulicheren“ Interpretation aber nur gewarnt werden. Motorischen Zyklenschwankungen liegen zu einem Großteil Schwankungen der Randbedingungen zu Grunde, z. B. des Einspritzstrahls oder des Restgasgehalts vom vorhergehenden Zyklus.

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

837

sich zeigen, dass dieser zusätzliche Term die Struktur eines zusätzlichen Diffusionsterms mit der Diffusionskonstanten D t = const. ⋅ k  /ε = μ t /(ρSc t )

annimmt; dies impliziert den so genannten Wirbeldiffusionsansatz ⟨v ′i c ′ ⟩ = −

μ t ∂⟨c⟩ . ρSc t ∂x i

(14.33)

Sc t bezeichnet die turbulente Schmidt-Zahl, d. h. das Verhältnis aus turbulenter Viskosität und turbulenter Diffusion. Ein ähnlicher Term, ⟨v ′i v ′j ⟩, tritt in der gemittelten NavierStokes-Gleichung auf. Er übernimmt die Rolle eines zusätzlichen Spannungsterms, der so genannten Reynolds-SpannungτR,i j . In Analogie zum Wirbeldiffusionsansatz wird dafür der Wirbelviskositätsansatz verwendet (wir arbeiten nach wie vor inkompressibel) ⟨v ′i v ′j ⟩ = −

∂⟨v j ⟩ ∂⟨v i ⟩  μt + ) + δi j k . ⋅( ρ ∂x i ∂x j 

(14.34)

Dies bedeutet, dass zu der ursprünglichen, laminaren Diffusion bzw. Viskosität in den gemittelten Gleichungen zusätzlich eine meist wesentlich größere turbulente Diffusion bzw. Viskosität tritt (D t ≫ D c ). Man kann nun leicht den wesentlichen Effekt der turbulenten Mittelung verstehen; der viskose, diffusive Charakter der Differenzialgleichungen tritt stärker in den Vordergrund und erzeugt ein gut gestelltes Problem (Änderungen in der Lösung von einer gegebenen Größenordnung erfordern eine hinreichend große Änderung der Anfangsbedingungen, es herrscht kein Chaos mehr). Die durch die Diskretisierung aufzulösenden Längenskalen werden größer. Häufig werden aufgrund der dominanten turbulenten Größen laminare Viskositäts- und Diffusionskonstanten einfach vernachlässigt (dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen transportierten Größen). Für den kompressiblen Fall erhält man allerdings nur dann formal ein sehr ähnliches Ergebnis, wenn man die Mittelungen dichtegewichtet durchführt, d. h. die so genannte FavreMittelung verwendet (14.35) ⟨Φ⟩F = ⟨ρΦ⟩/⟨ρ⟩ Φ = ⟨Φ⟩F + Φ′′ , die nachfolgend weiter benutzt wird. Zur Berechnung von k und von ε benötigt man noch zusätzliche Gleichungen. Aus der Navier-Stokes-Gleichung lässt sich eine Transportgleichung für die turbulente kinetische Energie, die k-Gleichung ableiten. Dazu ist lediglich die Annahme zu treffen, dass DruckKorrelationen zu vernachlässigen sind. Die k-Gleichung (im Favre-Mittel) lautet ∂ ∂ μ t ∂k ∂ k− ( )= k + ⟨ρ⟩⟨v i ⟩F ∂t ∂x j ∂x i Pr k ∂x i  τR,i j ⟨S i j ⟩F − ⟨ρ⟩ε − ⟨ρ⟩k∇ ⋅ ⟨⃗ v ⟩F 

⟨ρ⟩

(14.36)

838

G.P. Merker und R. Teichmann

mit dem kompressiblen Reynolds-Spannungstensor τR,i j τR,i j = μ t (

∂⟨v j ⟩F ∂x i

und dem Scherungstensor S i j

Si j =

+

∂⟨v i ⟩F  − δ i j (∇ ⋅ ⟨⃗ v ⟩F )) ∂x j 

(14.37)

 ∂v j ∂v i ( + ) .  ∂x i ∂x j

(14.38)

Der Tatsache, dass die turbulente Diffusionskonstante für k von μ t verschieden sein kann, wird durch Einführung einer Proportionalitätskonstanten, der turbulenten PrandtlZahl für k, Pr k , Rechnung getragen. Die turbulente Dissipation ε ergibt sich hierbei zu ε =v⟨

∂v ′′ i ∂v ′′ i ∂v ′′ j ( + )⟩ . ∂x j ∂x j ∂x i F

(14.39)

Eine Transportgleichung für ε kann prinzipiell ebenfalls aus der Navier-Stokes-Gleichung abgeleitet werden, allerdings ist sie an mehreren Stellen gemäß der k-Gleichung zu modellieren. Ihre übliche Form lautet ⟨ρ⟩

∂ ∂ μ t ∂ε ∂ ε− ( )= ε + ⟨ρ⟩⟨v i ⟩F ∂t ∂x j ∂x i Pr ε ∂x i

(14.40)

ε ε  v ⟩F . c ε, τR,i j ⟨S i j ⟩F − c ε,2 ⟨ρ⟩ − ( c ε, − c ε, ) ⟨ρ⟩ε∇ ⋅ ⟨⃗ k k 

Standardmäßig wird im k-ε-Modell der folgende Koeffizientensatz cμ 0,09

c ε ,1 1,44

cε ,2 1,92

c ε ,3 −0,33

Prk 1,0

Prε 1,3

verwendet. Schließlich benötigen wir noch eine turbulente Transportgleichung für die innere Energie. Diese unterscheidet sich von der laminaren Gleichung nur durch turbulente Transportkoeffizienten und ε als zusätzlichem negativen Quellterm. Damit ist ein geschlossenes Gleichungssystem hergeleitet. Mit Hilfe von k und ε lassen sich die Diffusionskonstanten für die zusätzlichen turbulenten Diffusionsterme in den Transportgleichungen berechnen. Da wir im Folgenden eigentlich immer Favregemittelte Gleichungen und Größen betrachten werden, wird meist das Symbol für die Favre-Mittelung ⟨⟩F weggelassen.

14.2.3 Turbulentes Wandgesetz Es existiert allerdings noch eine Problematik bezüglich der Randbedingungen. An den Wänden bildet sich eine Grenzschicht aus, in der die Geschwindigkeit aufgrund der Reibung auf Null abfällt, d. h. die Strömung wird laminar. Daher setzt sich in einer turbulenten

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

839

Strömung die Grenzschicht typischerweise aus einer laminaren Unterschicht und einer turbulenten Zone der Grenzschicht zusammen. Das k-ε-Modell lässt sich nicht über die gesamte Grenzschicht hinweg anwenden. Außerdem sind die Grenzschichten häufig (gerade auch in Motoren) derart dünn, dass sie ohnehin kaum numerisch auflösbar wären. Der übliche Weg zur Überwindung dieser Problematik besteht nun darin, dass man mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen die so genannten Wandgesetze ableitet, denn die Strömungsschubspannung ist über die Grenzschicht hinweg konstant, d. h. beschreibt einen über den Wandabstand konstanten, an die Wand abfließenden Tangentialimpulsstrom (dies ist gewissermaßen die Definition der Grenzschicht). Man benötigt nun ein turbulentes Wandgesetz, d. h. ein analytisches Grenzschichtmodell, um aus den lokalen Geschwindigkeiten in diesen wandnächsten Zellen Schubspannungen zu errechnen. Bei gegebener Wandschubspannung τW ist nur eine Geschwindigkeitsskala im turbulenten Grenzschichtbereich verfügbar, die Schubspannungsgeschwindigkeit v τ , mit τW = ρv τ  . Sie sollte proportional zur turbulenten Geschwindigkeitsskala sein, die turbulente Längenskala proportional zum Wandabstand y. vW bezeichne die wandparallele Geschwindigkeitskomponente. Unter diesen Annahmen ergibt sich für die turbulente Viskosität μ t = κρ yv τ ,

wobei κ eine Proportionalitätskonstante, die von-Karman-Konstante, bezeichnet. Für die Schubspannung τ W ergibt sich nun die folgende Relation τW = ρv τ = ρκ yv τ

∂vW , ∂y

(14.41)

woraus unter der Annahme konstanter Dichte das logarithmische Wandgesetz vW =

vτ ln y + C κ

(14.42)

mit einer Integrationskonstanten C folgt. In den normierten Koordinaten v+ =

und

y+ =

vW vτ ρv τ y μ

(14.43)

nimmt das logarithmische Wandgesetz seine universelle Form an

mit

v+ =

κ = ,

 ln y + + C˜ κ und

C˜ = , .

(14.44)

840

G.P. Merker und R. Teichmann

In dieser Form kann man nun auch ein universeller Gültigkeitsbereich des Wandgesetzes angegeben werden, nämlich (14.45)  < y + <  .

Bei der numerischen Lösung muss der Wand-nächste Knoten innerhalb dieser viskosen Grenzschicht bleiben. Das Wandgesetz wird insoweit in der CFD-Berechnung eingesetzt, als dass aus v + und y + in der wandnächsten Zelle vτ und somit τW berechnet wird. Dieses τW liefert dann einen Impulsquellterm (Senke) als Randbedingung für die Navier-StokesGleichung. Auch für die Temperatur lässt sich ganz analog ein Wandgesetz ableiten. Aus dem Wärmestrom c p ∂T (14.46) qw = ρκ yv τ Pr ∂y folgt

T − TW =

qw Pr (ln y + + const.) . κc p ρv t

μt (



(14.47)

Schließlich benötigt man noch Randbedingungen für die Turbulenzgrößen k und ε. Aufgrund der Konstanz der Schubspannung τW und der Geschwindigkeitsskala v τ in der Grenzschicht ist ein Ansatz kW = const. plausibel. Damit dieser gültig sein kann, müssen aber Produktion und Dissipation von k in der Grenzschicht im Gleichgewicht sein 

∂vW vτ ) = κρ yv τ ( ) = ρεW . ∂y κy

(14.48)

Außerdem muss für die Viskosität gelten (siehe 14.29) μ t = κρ yv τ = c μ ρ

kW  . εW

(14.49)

Aus diesen beiden Gleichungen folgt unschwer vτ  kW = √ cμ

sowie

εW =

vτ  , κy

(14.50)

d. h. εW divergiert zur Wand hin! Für die Gültigkeit dieser Relation müssen allerdings Diffusions- und Quellterme auch der ε-Gleichung im Gleichgewicht sein 

εW ∂ μ t ∂εW ∂vW εW  ( ) + c ε, μt ( ) − c ε, ρ =. ∂y Pr ε ∂y kW ∂y kW

(14.51)

Einsetzen der bereits erhaltenen Resultate liefert eine Beziehung zwischen den Modellkonstanten √√ κ= c μ Prε (c ε, − c ε, ) . (14.52)

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

841

Die Ableitung dieser Gleichungen erfolgte unter der Annahme stationärer, wandparalleler Strömungen und konstanter Dichte. Von daher wird klar, dass diese Wandgesetze nur eine eingeschränkte Gültigkeit haben können. Gerade in Motoren sind die Strömungen transient, es treten Staupunkte auf (z. B. beim Autreffen von Einspritzstrahlen auf die Wand!) und aufgrund hoher Temperaturgradienten zur Wand hin ist die Dichte in der Grenzschicht nicht konstant. Insbesondere der letzte Effekt ist äußerst relevant. Es gibt daher Ansätze, Wandgesetze für variable Dichte abzuleiten, z. B. die Formulierung von Han und Reitz (1995). Bei dieser wird in der Gleichung für den Wärmestrom (14.46) die Dichte ρ als durch die ideale Gas-Gleichung gegeben betrachtet. Die Integration liefert schließlich die Beziehung qw Pr T (ln y + + const.) (14.53) T ln ( ) = Tw κc p ρv t

anstelle von (14.47). Hierbei sind freilich nicht die Einflüsse einer variablen Dichte auf die k- und ε-Verteilung berücksichtigt. Dennoch ist die Verwendung einer derartigen Formulierung insbesondere bei Verbrennungsberechnungen dringend zu empfehlen. Zuletzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass man eine deutliche Verbesserung der Modellierung auch durch Ansätze, die auf einer detaillierten Auflösung der Grenzschicht beruhen, wie etwa dem v2 f-Modell (siehe etwa Manceau und Hanjalic 2000), erzielen könnte. Dies wäre für die Zukunt sicherlich ein sinnvoller Weg.

14.2.4

Modellierung des turbulenten Mischungszustandes

In Abschn. 14.1 wurde der Mischungsbruch als wichtige Referenzgröße zur Beschreibung von Mischungsprozessen eingeführt. Auch dessen Transportgleichung ist einem turbulenten Mittelungsprozess zu unterziehen; das Ergebnis entspricht der Skalartransportgleichung (14.32) inkl. (14.33). Allerdings muss klar sein, dass ein gemittelter Wert von Z nicht mehr die gesamte Information über die lokal vorliegenden Mischungszustände beinhaltet. So kann ein mittlerer Wert von Z = 0,5 auf eine fluktuationsfreie perfekte Mischung aus gleichen Teilen von „Strom 1“ und „Strom 2“ hinweisen, aber auch auf eine statistische Überlagerung zweier völlig ungemischter Zustände, „nur Strom 1“ oder „nur Strom 2“, wobei beide Zustände mit gleicher Häufigkeit autreten. Eine weitere sehr hilfreiche Größe zur Beschreibung der lokalen Mischungszustände stellt daher die Favre-Varianz des Mischungsbruchs dar ⟨Z ′′ ⟩F = ⟨[Z − ⟨Z⟩F ] ⟩F = ⟨Z  ⟩F − ⟨Z⟩F . 





(14.54)

842

G.P. Merker und R. Teichmann

Aus der Mischungsbruchtransportgleichung lässt sich eine Transportgleichung für die Varianz ableiten ⟨ρ⟩

∂ ∂ μt ∂ ∂ ′′    ⟨Z ⟩F + ⟨ρ⟩⟨v j ⟩F ⟨Z ′′ ⟩F − ( ⟨Z ′′ ⟩F ) = ∂t ∂x j ∂x j Sc t ∂x j μt   (∇⟨Z⟩F ) − D⟨ρ⟩⟨(∇Z ′′ ) ⟩F .  Sc t EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FG F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H

(14.55)

χ

Zur Modellierung des letzten Terms χ dieser Gleichung, der so genannten skalaren Dissipationsrate, verwendet man üblicherweise den Ansatz ε  χ = c χ ⟨Z ′′ ⟩F . k

(14.56)

Der Term χ entspricht vom Charakter her der turbulenten Dissipation ε in der kGleichung (k ist auch eine Varianz, nämlich die der Geschwindigkeit!). Man sieht somit, dass Gradienten des Z-Mittelwerts (also Inhomogenitäten) die Z-Varianz-Bildung anfachen, während diese bei Ausschluss von Nachproduktion mit der turbulenten Zeitskala zerfällt. Die Konstante c χ wird üblicherweise zu 2 gesetzt (siehe Peters 2000). Man kann nun versuchen, sich durch strukturelle Kenntnis der Verteilungsfunktion aus  Z und Z ′′ die Information über die lokalen Gemischzustände zu rekonstruieren. Eine solche Verteilungsfunktion f wird häufig pdf (probability density function) genannt. Sie weist jedem Gemischzustand (Z-Werte zwischen 0 und 1) eine Häufigkeit zu. Deshalb muss sie auf 1 normiert sein 

∫ f (Z)dZ =  .

(14.57)



Aufgrund der Definition von Mittelwert und Varianz 

⟨Z⟩ = ∫ Z f (Z)dZ 

und



⟨Z ′′ ⟩ = ∫ (Z − ⟨Z⟩) f (Z)dZ = 







∫ (Z − ⟨Z⟩ ) f (Z)dZ ≤ ∫ (Z − ⟨Z⟩ ) f (Z)dZ 

ergibt sich die Relation

(14.58)











⟨Z ′′ ⟩ ≤ ⟨Z⟩ ( − ⟨Z⟩) . 

(14.59)

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

843

a.

b.

c.

d.

0

1 Z 0

1 Z 0

1 Z 0

1 Z

Abb. 14.2 Verteilungsfunktionen für verschiedene Mischungszustände. (c) beschreibt einen wenig gemischten und (b) einen stark gemischten Zustand, (a) und (d) ergeben sich bei sehr kleinem bzw. sehr großem Mittelwert

Beispielsweise wird die statistische Überlagerung völlig ungemischter Zustände (Z = 0 und Z = 1) durch die Linearkombination zweier Dirac-Distributionen beschrieben f (Z) = aδ(Z) + bδ(Z − ) mit

a+b=,

(14.60)

dafür gilt in (14.59) das Gleichheitszeichen. In Abb. 14.2 sind vier Verteilungsfunktionen für verschiedene Mittelwerte und Varianzen dargestellt. Alle Z-Verteilungsfunktionen sollten mehr oder minder zwischen diesen Grenzfällen zu liegen kommen. In der Literatur hat sich eingebürgert, die so genannte βFunktion7 dafür anzusetzen. Sie ist eine Funktion mit 2 freien Parametern, die unschwer zu Mittelwert und Varianz der Verteilung in Beziehung gesetzt werden können. Es gilt8 : f (Z) =

Γ(a + b) a− b− Z ( − Z) , Γ(a)Γ(b) ⟨Z⟩ =

a a+b



∫ f (Z)dZ = ,

a, b >  ,

(14.61)



und ⟨Z ′ ⟩ = 

⟨Z⟩ ( − ⟨Z⟩) . +a+b

(14.62)

Für a, b <  erhält man die „Badewannenform“ von Abb. 14.2c, für a, b >  ergibt sich eine Form wie in Abb. 14.2b und für a < 1, b > 1 bzw. a > 1, b < 1 die Formen Abb. 14.2a und d).  Mit den Parametern ⟨Z⟩ und⟨Z ′ ⟩, die aus den Transportgleichungen erhalten werden, ist das Gleichungssystem nun geschlossen, a und b lassen sich daraus ermitteln. Obwohl das Gesamtintegral über die β-Funktion auf 1 normiert ist, sind die einzelnen Faktoren von

7

In der mathematischen Literatur wird das Integral dieser Funktion als Funktion der Parameter a  und b als Beta-Funktion bezeichnet: B(a, b) = ∫ ( − Z)a− Z b− dZ = Γ(a)Γ(b) . Γ(a+b) ∞ −t x− 8 Die Gamma-Funktion ist gegeben als Γ(x) = ∫ e t dt.

844

G.P. Merker und R. Teichmann f(Z)

Kraftstoff

f(Z)

Diffusionsflamme

CFD Code 0

1 Z

0

1 Z

0

1 Z

Mittelung f(Z)

Luft

0

Mischungsbruch Z

f(Z)

1 0

1 Z

Abb. 14.3 Anschauliche Illustration, wie sich die Ensemble-Mittelung bei einer turbulenten Diffusionsflamme auswirkt (Details der Mischung verschwinden) und wie durch die Einführung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion die Statistik der Mischung rekonstruiert werden kann

(14.61) für große Werte von a und b sehr groß bzw. sehr klein. Es ist daher empfehlenswert, zur Berechnung von f (14.61) zunächst zu logarithmieren ln f = ln Γ(a + b) − ln Γ(a) − ln Γ(b) + (a − ) ln Z + (b − ) ln( − Z) ,

(14.63)

um dann durch Exponentiation des Logarithmus f zu erhalten. In Abb. 14.3 werden noch einmal auf anschauliche Weise anhand einer turbulenten Diffusionsflamme die Problematik sowie der Lösungsansatz bei turbulenten Mischungen illustriert. Das angedeutete CFD-Netz ist nicht in der Lage, die turbulente Mischung aufzulösen, durch die Mittelung in den Zellen geht Information verloren. Ähnlich wie bei der Karmanschen Wirbelstraße in Abb. 14.1 besteht das Interesse nicht in der Auflösung der örtlichen und zeitlichen Feinstrukturen, aber in der ensemble-gemittelten Statistik der Mischung. Dies gelingt durch die Einführung der Mischungs-pdf.

14.2.5 Die Gültigkeit von Turbulenzmodellen; Alternativansätze Das bisher dargestellte k-ε-Turbulenzmodell, ein Spezialfall der so genannten Reynoldsgemittelten Turbulenzmodelle (RANS) sowie das turbulente Wandgesetz stellen derzeit den üblichen Standard zur Berechnung turbulenter Strömungsprozesse dar, sie haben sich in den meisten Anwendungen recht gut bewährt. Dies gilt auch für den motorischen Sektor. Trotzdem sollte man sich immer vor Augen halten, dass es sich letztendlich doch um ein recht einfaches Modell handelt, das die vollständigen Navier-Stokes-Gleichungen aufgrund der vereinfachten Schließungsansätze auch im statistischen Mittel nie exakt wiedergeben kann. Diese Problematik drückt sich in der Nichtuniversalität der Modellkonstanten bzw. der Einführung zusätzlicher Terme zur Behandlung spezieller Strömungssituationen aus. In gewissen Fällen können solche Modifikationen auch für motorische Berechnungen von großer Relevanz sein, so etwa die Pope-Korrektur (Pope 1978) zur Berechnung von

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

845

RANS

Energiespektrum

aufgelöst E(k)

=

+

k

k E(k)

E(k)

LES

modelliert

E(k)

E(k)

=

k

k E(k)

+

kc

k

kc

k

Abb. 14.4 Während in Reynolds-gemittelten Turbulenzmodellen wie dem k-ε-Modell nur ein enger Bereich des Energiespektrums aufgelöst wird, löst LES das gesamte Spektrum bis zur Filterweite kc auf (siehe Angelberger 2007)

Freistrahlen, einem Strömungstyp, der bei der direkten Einspritzung autritt. In vielen praktischen Fällen ist aber der Einfluss der Turbulenzmodell-Modifikationen eher gering im Vergleich zum Einfluss der Netzauflösung. Ein weiteres RANS-Modell, das aber konzeptionell wesentlich über k-ε-Modelle hinausgeht, ist das Reynolds-Spannungs-Modell. Hierbei wird die Reynolds-Spannung ⟨v ′i v ′i ⟩ nicht mittels des Ansatzes (14.37) auf die turbulente kinetische Energie k=

 ′ ′ ∑ ⟨v v ⟩  i=,, i i

zurückgeführt, sondern es werden alle sechs unabhängigen Komponenten der ReynoldsSpannung mit eigenen Transportgleichungen beschrieben. So können u. a. Anisotropien in der Turbulenzstruktur abgebildet werden (leider wird jedoch meist nur mit einem einzigen ε gearbeitet). Allerdings erfordern solche Modelle aufwendige Randbedingungen und einen hohen Rechenaufwand. Es ist unsicher, ob derartige Reynolds-Spannungs-Modelle sich jemals für motorische Fragestellungen etablieren werden. Ein ganz anderer Ansatz ist die Large-Eddy-Simulation (LES). Hierbei werden turbulente Strömungsstrukturen, die größer als eine vorgegebene Skala sind, direkt abgebildet, kleinere werden durch so genannte Subgrid-Modelle beschrieben (siehe Abb. 14.4). Eine solche Modellierung hat eine allgemeinere Gültigkeit, insbesondere konvergiert die LESSimulation im Gegensatz zu RANS-Modellen bei Netzverfeinerung zur Direkten Numerischen Simulation (DNS). Allerdings bestehen bei LES gegenüber RANS erheblich höhere Anforderungen an Numerik und Netzqualität. Dies ist leicht zu verstehen, wenn man sich die beteiligten Reynolds-Zahlen und Viskositäten vor Augen führt. RANS-Codes haben eine Strömung aufzulösen mit der effektiven Reynolds-Zahl Reeff , die bei motorischen Strömungen un-

846

G.P. Merker und R. Teichmann Faktor

RANSModellierung

1000 100

RANS geeignete Numerik

Anforderungen an Numerik verschieden! LESModellierung LES geeignete Numerik

10 1

µmol

µT

µnum

µT

µnum

Abb. 14.5 Durch die gegenüber RANS in LES deutlich niedrigere turbulente Viskosität ergeben sich deutlich höhere Anforderungen an die Numerik (siehe Angelberger 2007)

gefähr um den Faktor 1000 kleiner ist als die reale Reynolds-Zahl der Strömung. RANS = Reeff

ρV L . μmol + μTRANS + μnum

(14.64)

Grund dafür ist die gegenüber μmol erheblich höhere turbulente Viskosität μTRANS . Dies entschärt beträchtlich die Anforderungen an den RANS-Strömungslöser, dessen numerische Viskosität μnum lediglich unterhalb μTRANS liegen sollte. Wie in den nächsten Abschnitten diskutiert wird, ist selbst dies für motorische Strömungen kein leichtes Unterfangen. Aufgrund der anderen Turbulenzbehandlung in LES ergibt sich für motorische Strömungen selbst auf den momentan verwendeten Rechennetzen von Kantenlängen im Bereich 0,5 mm (14.65) μTLES ≈ (− bis − ) μTRANS .

Nun fällt die numerische Viskosität des Strömung-Lösers sehr viel stärker ins Gewicht und kann das Ergebnis entscheidend beeinflussen. Die verschiedenen Größenordnungen sind anschaulich noch einmal in Abb. 14.5 dargestellt. Die Anforderungen an die Numerik lassen sich mit heutigen motorischen RANS-Codes nur schwer erfüllen. Einerseits ist eine Verfahrensordnung von mindestens 2 bei der Diskretisierung der Konvektion im Raum erforderlich. Dies ist mit den momentan verwendeten auf Stabilität und Robustheit ausgelegten Codes kaum leistbar, insbesondere da diese üblicherweise so genannte Aufwind-Schemata (siehe Abschn. 14.1.3) verwenden, was gegenüber zentralen Differenzen dissipativer ist. Ebenfalls ist ein Augenmerk auf die Diskretisierung der zeitlichen Änderungen zu legen. Bei LES ist eine implizite Behandlung der Zeit-Integration nicht mehr möglich, es besteht also die Anforderung an die Courant-Zahl Cou ≤  (siehe 14.88). Dies ist mindestens für die Auflösung der Konvektion zu erfüllen, bei akustisch dominierten Strömungen in den Auslasskanälen des Motors müssten eigentlich sogar die Charakteristiken des Schalls aufgelöst werden. Damit ergeben sich Zeitschritte,

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

847

die um den Faktor 100 kleiner sein müssen als momentan bei RANS-Berechnungen üblich. Vieles spricht dafür, dass es sehr schwierig werden dürte, RANS-Codes auf LES „umzurüsten“. Möglicherweise müssen die Solver für LES grundlegend neu entwickelt werden. LES erfordert eigentlich auch die vollständige Auflösung der turbulenten Wandgrenzschicht, also y + ≤ . Dies ist mit den aktuellen Berechnungsnetzen auf keinen Fall machbar und eventuell auch nicht erforderlich. Es wurde nämlich in letzter Zeit eine Art Hybridansatz, die so genannte Detached Eddy Simulation (DES) entwickelt, wobei die Grenzschichtbereiche weiterhin mit einem Reynolds-gemittelten Wandgesetz beschrieben werden, während insbesondere die Bereiche abgelöster (detached) Strömung, in denen große, inhomogene Turbulenzstrukturen vorherrschen, im LES-Ansatz behandelt werden, siehe z. B. Spalart (2000). In Abb. 14.6 sind für einen so genannten Blasversuch (siehe auch Abschn. 14.5.2) sowohl mit LES als auch mit RANS simulierte Geschwindigkeitsfelder im Ventilschnitt und in der Ebene der Zylinderkopfdichtung dargestellt. Im Blasversuch wird der Zylinderkopf mit stationären Randbedingungen durchströmt. Da die sich ausbildende Strömung vom Charakter her turbulent ist, ergeben sich über der Zeit (stochastisch) sich verändernde Strömungsfelder. Während mit RANS das Reynolds-gemittelte Strömungsfeld (stationär) berechnet werden kann, ist eine LES-Berechnung immer zeitlich instationär durchzuführen. Erst nach zeitlicher Mittelung ist ein quantitativer Vergleich mit den RANS-Ergebnissen möglich, in diesem Beispiel sind die Mittelwertbilder zu RANS sehr ähnlich. Die zeitliche Momentaufnahme in LES zeigt deutlich feinere Strömungsstrukturen als das RANS-Ergebnis. Dieses Beispiel offenbart zum einen das Potenzial von LES, es zeigt aber auch die Herausforderungen bei der Anwendung. Übertragen auf den zyklischen Motorprozess bedeutet dies, dass nicht nur ein Arbeitsspiel, sondern eine große Anzahl davon zu berechnen ist, um ein aussagefähiges Mittelwertbild zu erhalten (PIV-Bilder im Transparentmotor lassen auf über 50 Arbeitsspiele schließen). Es wird daher noch einige Zeit benötigen, bis sinnvolle, praktikable LES-Applikationen verfügbar sein werden, wenn diese auch im Sinne einer universellen Turbulenzmodellierung sehr wünschenswert wären. Abschließend wollen wir jedoch noch darauf hinweisen, dass LES die Auflösung motorischer Zyklenschwankungen nicht liefern kann, auch wenn gerade dies immer wieder als Hauptbegründung für LES im motorischen Kontext angeführt wird: Turbulenzmodelle können nur Fluktuationen beschreiben, die durch die turbulente Strömung selbst verursacht sind, die das chaotische, indeterministische Verhalten der Navier-StokesGleichungen widerspiegeln. Variationen oder Fluktuationen, die durch Variationen der Randbedingungen erzeugt werden, können jedoch nicht beschrieben werden. In einem Motor sind diese jedoch die bei weitem dominanten Effekte (Injektor, Zündung, letzter Zyklus, Drosselklappe, . . . ). Somit müssen die stochastischen Fall-zu-Fall-Schwankungen einer LES-Simulation (bei unveränderten, perfekten Randbedingungen) viel geringer ausfallen als die zyklischen Schwankungen im realen Motor! DNS (Direkte Numerierte Simulation) wird aufgrund der kleinen, direkt aufzulösenden Längen- und Zeitskalen auf absehbare Zeit für die Simulation motorischer Strömungen

848

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 14.6 Geschwindigkeitsfelder im Ventilschnitt und in der Ebene der Zylinderkopfdichtung simuliert für einen so genannten Blasversuch, in dem charakteristische Kennzahlen wie Drall- und Tumble-Zahl eines Zylinderkopfs ermittelt werden (siehe Angelberger 2007)

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

849

nicht in Frage kommen. Dennoch kann DNS auch heute schon mit Gewinn im Sinne eines „numerischen Experiments“ genutzt werden, um Submodelle für Reynolds-gemittelte oder LES-Simulationen abzuleiten. Es existieren Beispiele etwa zur Verifikation oder Eichung von Modellen für turbulente Strömungsprozesse, aber auch für MehrphasenFragestellungen. Hierzu muss allerdings in besonders einfachen Geometrien bei niedrigen Reynoldszahlen gearbeitet werden. Im Prinzip werden kleine, exemplarische Ausschnitte größerer Probleme untersucht. Anschauliche Beispiele hierfür sind beispielsweise die Ableitung von pdf-Ansatzfunktionen für turbulente Mischungsprozesse (z. B. Reveillon und Vervisch 2000) oder die Entwicklung von Splashing-Modellen von Tropfen an Wänden (z. B. Maichle et al. 2003).

14.3 Numerik Im Folgenden seien einige Grundbegriffe der numerischen Strömungsmechanik erläutert, um deren wesentlichste Konzepte, die auch für das praktische Arbeiten von Bedeutung sind, kennen zu lernen. Für eine detaillierte Darstellung sei z. B. auf Ferziger und Perić (1996) oder Patankar (1980) verwiesen.

14.3.1 Finites-Volumen-Verfahren Üblicherweise arbeiten CFD-Codes im Finite-Volumen-Verfahren. Dieser Ansatz garantiert für inkompressible Strömungen die numerische Erhaltung konservativer Größen (das ist leider keinesfalls selbstverständlich). Wir gehen aus von einer Transportgleichung in der allgemeinen Form ∂ ∂ Ψi = Ξ , (14.66) Φ+ ∂t ∂x i

d. h. Ψi bezeichnet Konvektions- und Diffusionsströme der Größe Φ, Ξ die entsprechende lokale Quelle (oder Senke). Mit Hilfe des Gauss’schen Satzes folgt ∂ ⃗ S⃗ = ∫ ΞdV , ∫ ΦdV + ∮ Ψd ∂t V

(14.67)

V

∂V

bzw. für einen Hexaeder des Rechennetzes ⃗ (l ) Δ S⃗(l ) Δt + ΞΔV Δt , [Φ (t + Δt) − Φ (t)] ΔV = − ∑ Ψ 

l =

(14.68)

wobei die Summe über die sechs Hexaederseiten läut. ⃗ (l ) bezeichnet den Stromvektor auf der Hexaederseite (l), Ψ ⃗ (l ) Δ S⃗(l ) Δt ist der (gerichΨ tete) Strom, der in der Zeit Δt das betrachtete Hexaedervolumen über die Seite (l) mit

850

G.P. Merker und R. Teichmann

der Fläche Δ S⃗(l ) verlässt. Derselbe Term, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen, tritt in der an der Seite (l) angrenzenden Nachbarzelle auf. Insofern die Quelle Ξ identisch Null ist, werden also nur Ströme zwischen einzelnen Zellen des Rechennetzes ausgetauscht, die Gesamtgröße Φ z ΔVz ∑ z∶ Summe über alle Zellen

bleibt zeitlich erhalten, vorausgesetzt, der Strom über die Begrenzung des Rechengebiets ist Null.

14.3.2 Diskretisierung des Difusionsterms – Zentrale Diferenzen Zur Diskretisierung des Diffusionsterms betrachten wir zunächst eine (rein elliptische) stationäre Diffusionsgleichung in einer Raumdimension ∂ ∂ [D Φ] =  . ∂x ∂x

(14.69)

Der Gauss’sche Satz führt für eine „eindimensionale Zelle“ i auf D i ,+

∂ ∂ Φ (x i ,+ ) − D i ,− Φ (x i ,− ) =  , ∂x ∂x

(14.70)

wobei x i ,+ den Ort der rechten Zellgrenze, x i ,− den Ort der linken Zellgrenze beschreibt (siehe Abb. 14.7); für äquidistante Zellen der Länge Δx gilt x i ,+ = x i +

Δx 

und

x i ,− = x i −

Δx . 

(14.71)

Die Größen Φ sind jedoch nur an den Zellmittelpunkten, d. h. den Orten x i− , x i , x i+ , . . . bekannt, wir müssen den Gradienten auf diese zurückführen. Das naheliegendste ist das so genannte zentrale Differenzenschema, das für äquidistante Zellen ∂ Φ(x i+ ) − Φ(x i ) Φ (x i ,+ ) ≅ ∂x Δx Abb. 14.7 Grafische Darstellung der Zellen und Zellgrenzen

(i-1)-te Zelle

x i –1

i-te Zelle

x i,– ∆x

xi

(14.72)

(i+1)-te Zelle

x i ,+ ∆x

xi +1

x

14

Dreidimensionale Strömungsfelder

851

liefert, was schließlich (für konstantes D) auf die folgende Relation führt   Φ(x i ) = Φ(x i+ ) + Φ(x i− ) .  

(14.73)

Da in dieser Gleichung jeder Φ-Wert als Mittelwert seiner Nachbarwerte gegeben ist, ist dieses Gleichungssystem nicht direkt lösbar. Vielmehr ergeben die Gleichungen, für alle Zellen i = 1, . . . , N formuliert, ein lineares Gleichungssystem, das mit einem geeigneten Lösungsverfahren für lineare Gleichungen zu behandeln ist. Dieses Gleichungssystem entspricht exakt dem Charakter einer elliptischen Gleichung, bei der alle Randwerte zur Problemdefinition vorzugeben sind. Im Allgemeinen lässt sich jede quellenfreie Transportgleichung auf ein solches Schema zurückführen, so dass der Wert eines Feldes Φ sich aus den Werten von Φ in den räumlichzeitlichen Nachbarzellen ergibt Φ(x i , y j , z k ; t l ) =



˜ ˜ j∣+∣ k−k∣+∣ ˜ ∣ i−i∣+∣ j− l˜−l ∣=

α i jkl ; i˜ j˜k˜ l˜Φ(x i˜, y j˜, z k˜ ; t l˜) .

(14.74)

Naheliegenderweise (zur Sicherstellung, dass Φ = const. eine Lösung auch der diskretisierten Transportgleichung ist) muss die Bedingung ∑

˜ ˜ j∣+∣ k−k∣+∣ ˜ ∣ i−i∣+∣ l˜−l ∣= j−

α i jkl ; i˜ j˜k˜ l˜ = 

(14.75)

erfüllt sein. Wesentliches Kriterium in dieser Formulierung ist nun die Positivität der Koeffizienten α i jkl ; i˜ j˜k˜ l˜ ≥  . (14.76)

Nur wenn diese gewährleistet ist, liegt ein stabiles, monotones numerisches Schema vor. Physikalisch entspricht dies der Tatsache, dass nur durch Prozesse der Diffusion und der Konvektion kein lokales Maximum im Wert eines Feldes erzeugt werden kann (das nicht schon vorher vorhanden war).

14.3.3 Diskretisierung des Konvektionsterms – Aufwindschema Erweitert man die Diffusionsgleichung (14.69) um die Konvektion, so erhält man ρ

∂ ∂ ∂ [vΦ] − [ρD Φ] =  . ∂x ∂x ∂x

(14.77)

Für konstantes ρ und D erhält man nach Integration v i ,+ Φ(x i ,+ ) − v i ,− Φ(x i ,− ) − D

∂ ∂ Φ (x i ,+ ) + D Φ (x i ,− ) =  . ∂x ∂x

(14.78)

852

G.P. Merker und R. Teichmann

Die Gradienten

∂ Φ(x i ,± ) ∂x

lassen sich wieder durch zentrale Differenzen abbilden, für Φ(x i ,± ) könnte man naheliegender Weise das Differenzenschema Φ(x i ,± ) =

verwenden. Dies führt insgesamt auf (

 (Φ(x i ) + Φ(x i± ) 

D v i ,+ D v i ,− D v i ,+ v i ,− + − ) Φ(x i ) = ( − ) Φ(x i+ ) + ( + ) Φ(x i− ) . Δx   Δx  Δx 

(14.79)

(14.80)

Aus Gründen der Einfachheit wird von v i ,+ = v i ,− = v i ausgegangen (dies gilt bei Gültigkeit der Kontinuitätsgleichung in einer Dimension exakt, in mehreren immer noch näherungsweise). Damit führt die Positivitätsbedingung (14.76) auf die folgende Ungleichung9 ∣v∣ Δx ≤. (14.81) D Ist diese Ungleichung verletzt, was bei nicht sehr feinen Netzen oder hohen Konvektionsgeschwindigkeiten leicht der Fall sein kann, dann ist das Differenzenschema (14.79) nicht mehr stabil! Es muss daher eine andere Diskretisierung Φ(x i ,± ) eingeführt werden. Das so genannte Aufwind-Verfahren liefert ein stabiles Differenzenschema10 Φ(x i ,+ ) = θ(v)Φ(x i ) + θ(−v)Φ(x i+ ), Φ(x i ,− ) = θ(v)Φ(x i− ) + θ(−v)Φ(x i ) , (14.82)

d. h. der jeweils stromaufwärts liegende Netzpunkt (dort, wo die Strömung herkommt) bestimmt den lokalen Φ-Wert! Das Differenzenschema ergibt sich nun zu (

D D D + ∣v∣) Φ(x i ) = ( + θ(−v) ∣v∣) Φ(x i+ ) + ( + θ(v) ∣v∣) Φ(x i− ) , Δx Δx Δx

(14.83)

d. h. jeder Koeffizient ist positiv! Im Prinzip spiegelt dieses unsymmetrische Schema die Tatsache wieder, dass eine reine Konvektionsgleichung (ohne Diffusion) vom hyperbolischen Typ ist und von daher mit elliptischen Randbedingungen (der Wert in einer Zelle resultiert aus ihren Rand- d. h. allen Nachbarzellwerten) nicht „zurechtkommt“. Sie hätte gerne nur einen Anfangswert (an der „Einströmungsstelle“), von dem aus sie sich mit dem Strom ausbreitet. Diese Eigenschat vererbt sich eben gewissermaßen auf konvektionsdominierte Strömungen. 9

Die Größe Pe = vΔx/D nennt man auch Peclet-Zahl. ⎧ ⎪ ⎪+ θ(x) bezeichnet die Heaviside-Funktion: θ(x) = ⎨ ⎪− ⎪ ⎩

10

x≥ . x  ,

rρfl ∣⃗ vtr − v⃗g ∣

(15.4)

μg

die tropfenbasierte Reynolds-Zahl bezeichnet, d. h. für große Reynoldszahlen hängt der Strömungswiderstand quadratisch von der Geschwindigkeitsdifferenz ab. Es wird im Folgenden von Bedeutung sein, die Strömungswiderstandskrat von (15.1) in einen gemittelten und einen von der turbulenten Fluktuation der Gasgeschwindigkeit abhängigen Anteil zu zerlegen1 : v⃗˙tr ≈ Dtr ⋅ (⟨⃗ vg ⟩ − v⃗tr ) + Dtr ⋅ v⃗g′′ 1

mit

Dtr =

∣⟨⃗ vg ⟩ − v⃗tr ∣  ρg CW  ρfl R

(15.5)

Gleichung 15.5 ist die in der Literatur übliche Formulierung, streng genommen müsste noch die v⃗′′ g -Abhängigkeit von C W ⋅ ∣⃗ vg − v⃗tr ∣ berücksichtigt werden. Für sehr kleine Geschwindigkeitsdifferenzen geht die aber gegen Null (siehe (15.3) und (15.4)), und für große ist sie gering (∣⃗ vg′′ ∣ ≪ ∣⃗ vg − v⃗tr ∣).

15

Simulation von Einspritzprozessen

15.1.2

869

Massen- und Wärmeaustausch (Einkomponentenmodell)

Die Kontinuitätsgleichung und die Damptransportgleichung lauten für den stationären, laminaren Fall ∂ (ρv i ) =  bzw. ∂x i

∂ ∂ ∂ (ρv i c) − (Dρ c) =  . ∂x i ∂x i ∂x i

(15.6)

Aus Gründen der analytischen Lösbarkeit werden die Dichte, der Diffusionskoeffizient und die Temperatur als konstant gesetzt. Gleichung 15.6 wird nun in der Umgebung eines Tropfens bei Rotationssymmetrie betrachtet; der Tropfen sei somit in Ruhe. Ziel ist ˜˙ und den die Beschreibung eines stationären Fließgleichgewichts für den Dampfstrom m Wärmestrom q˜˙ zwischen Tropfenoberfläche und dem Unendlichen. Die Integration dieser Gleichungen mit Hilfe des Gauss’schen Satzes von der Tropfenoberfläche bis zu einer Kugelschale mit Radius r führt auf πρ r v(r) = const.() ,

(15.7)

dc(r) = const.() , (15.8) dr wobei const.() den Gesamtmassenstrom bezeichnet und const.() den Dampfmassen˙ sein. Lösen von strom. Da effektiv nur Dampf strömt, müssen beide identisch gleich m (15.7) nach v, einsetzen in (15.8) und Integration führt unter Vorgabe der Randbedingungen c(R) sowie c(∞) auf ˙ m und (15.9) v(r) = πρ r  πρ r v(r)c(r) − πDρ r 

˙ = πDρR ln ( m

 − c(∞) ) ,  − c(R)

(15.10)

wobei c(R) über die Dampfdruckbeziehung aus der Tropfentemperatur errechnet werden kann. Die äquivalente Behandlung der Wärmeleitungsgleichung unter Annahme konstanter spezifischer Wärme ∂ ∂ ∂ (ρv i c p T) − (λ T) =  (15.11) ∂x i ∂x i ∂x i Abb. 15.1 Prinzipbild zur Darstellung der Dampf- und Wärmeströme in der Tropfenumgebung

870

G.P. Merker und R. Teichmann

führt zunächst nach Integration über den Gauss’schen Satz auf πρ r v(r)c p T(r) − π λr 

dT(r) ˙ = q(R) , dr

(15.12)

und schließlich nach Einsetzen von (15.9) unter Verwendung der Randbedingungen bei T(R) = Ttr (Tropfentemperatur) sowie T∞ auf die folgende Gleichung T(r) = T∞ +

 − exp (− π rλp ) ˙ c m

 − exp (− π Rpλ ) ˙ c m

(Ttr − T∞ ) .

(15.13)

˙ Für die Integrationskonstante q(R) (integraler Wärmestrom) ergibt sich dabei ˙ ˙ c p Ttr + q(R) =m

˙ c p (Ttr − T∞ ) m exp ( π Rpλ ) −  ˙ c m

.

(15.14)

Die (eigentlich nicht konstanten) Stoffwerte für Dichte, Diffusionskonstante, Wärmeleitfähigkeit sowie Wärmekapazität werden üblicherweise nach der 1 / 3–2 / 3-Regel berechnet, als Linearkombinationen der Werte an der Oberfläche und im Unendlichen, wobei X hier stellvertretend für die genannten Größen steht X=

XTr X∞ + .  

(15.15)

Da jedoch die Annahme eines ruhenden Tropfens im Allgemeinen unzutreffend ist, werden Anströmungseffekte meist über die folgenden Korrekturen nach Ranz-Marschall berücksichtigt D→D⋅

 + ,Re / Pr/ 

und

λ→ λ⋅

 + ,Re / Sc / , 

(15.16)

wobei Pr und Sc die (laminare) Prandtl- und Schmidtzahl Pr =

μ CP λ

und Sc =

μ ρD

(15.17)

˙ und q˙ zu den Änderungsraten der Tropfenvariablen bezeichnen. Für den Bezug von m Ttr sowie R lassen sich mit der Wärmekapazität der Flüssigkeit cfl und der spezifischen Verdampfungsenthalpie h V (T) folgende Massen- und Wärmebilanzen formulieren π ˙ [h V (Ttr ) + c p Ttr ] − ρfl R  cfl T˙tr,A , q˙ = m EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FGF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FH EFF F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F H Verdampfung

(15.18)

Aufheizung

˙ . π R  ρfl R˙ V = −m

(15.19)

15

Simulation von Einspritzprozessen

871

a)

b) 30

60 "Gasoline" (StarCD) n-Heptan Iso-Oktan

n-Dodekan 25

40

Dampfdruck [bar]

Dampfdruck [bar]

50

30

20

15

20

10

10

5

0 250

300

350

400

450 500 550 Temperatur [K]

600

650

700

0 250

300

350

400

450 500 550 Temperatur [K]

600

650

700

Abb. 15.2 a Dampfdruckkurve für benzinartige Kratstoffe, b Dampfdruckkurve einer dieseltypischen Komponente

˙ und q˙ lassen sich aus diesen Gleichungen T˙tr,A und R˙ V bestimmen. Bei gegebenem m Man findet in der Literatur viele Modifikationen dieser Modellierung. So existieren Ansätze, die Temperaturgradienten im Tropfen zulassen. Allerdings scheinen diese Effekte in der motorischen Applikation eher weniger bedeutend zu sein. Nach wie vor ist es üblich, einkomponentige Kratstoffmodelle zu verwenden. Es existieren inzwischen aber bereits interessante Mehrkomponentenmodelle, die ein Komponentenspektrum über wenige Formfaktoren zu beschreiben versuchen, auf die wir im nächsten Abschnitt gesondert eingehen. Die meisten CFD-Codes bieten spezielle „synthetische“ Einkomponentenmodelle für Benzin und Dieselkratstoff an. Es kann aber auch n-Heptan für Benzin und Dodekan für Diesel als eine vernüntige Wahl gelten. Man muss sich allerdings immer im Klaren darüber sein, dass mit einem Einkomponentenkratstoff die Eigenschaten eines Stoffgemisches niemals exakt wiedergegeben werden können. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es hier nur um die physikalischen, nicht aber um die chemischen Eigenschaten der Kratstoffe geht (da wäre z. B. n-Heptan ein schlechter Repräsentant für Benzin, man denke nur an die Klopfeigenschaten). Was passiert nun mit dem Kratstoff im Motor? Hierzu betrachte man zunächst einen Benzinmotor mit später Direkteinspritzung, also Schichtladungsmodus. Die Tropfen gelangen noch relativ kalt in den Brennraum mit bereits heißer, komprimierter Lut. Die Oberfläche der Tropfen muss sich auf einem Zustand auf der Dampfdruckkurve befinden (siehe Abb. 15.2a), sie nimmt also den der aktuellen Tropfentemperatur zugeordneten Zustand an, indem sie eine Dampfhülle mit dem durch die Dampfdruckkurve zugeordneten Partialdruck „ausstößt“. Nun heizen sich die Tropfen auf, d. h. sie laufen auf der Dampfdruckkurve nach rechts oben. Dabei verdichtet sich die Dampfhülle zunehmend.

872

G.P. Merker und R. Teichmann

Schließlich wird der Punkt erreicht, an dem der Partialdruck gleich dem Umgebungsdruck2 ist – der Tropfen verharrt nun in diesem Zustand, er siedet. Typischerweise befinden sich die Tropfen im Brennraum sehr dicht beieinander (eben im Strahlbereich), alle verdampfen in eine gemeinsame Dampfwolke hinein, deren Zustände folglich nicht weit von der Dampfdruckkurve entfernt sind. Dies ist eine Bestätigung für die Zulässigkeit des Modells einer gleichförmigen Temperatur im Tropfeninneren; denn die Temperatur der Tropfenoberfläche kann sich nicht weit von der Temperatur im Inneren entfernen, nicht nur weil die Tropfen klein sind, sondern auch, weil die Temperaturen in der Umgebung limitiert sind. Im Dieselmotor passiert im Prinzip ähnliches, die Tropfen laufen auf der Dampfdruckkurve wieder nach rechts oben. Aufgrund der hohen Brennraumdrücke und der anderen Dampfdruckkurvenverläufe dieseltypischer Komponenten wird jetzt aber der kritische Punkt als Ende der Dampfdruckkurve erreicht. Nach Durchlaufen des kritischen Punkts ist keine Phasengrenze mehr existent. Die CFD-Codes lösen das üblicherweise, indem sie den Tropfen einfach eliminieren und der Dampfphase zuschlagen.

15.1.3 Massen- und Wärmeaustausch (Mehrkomponentenmodellierung) Mehrkomponentenmodelle sind insbesondere bei hohen Verweil- bzw. Verdampfungszeiten interessant, etwa bei einer ottomotorischen Saughubeinspritzung oder einem HCCIVerfahren, bei denen es zu einer ausgeprägten sequenziellen Verdampfung und damit Entmischung der verschiedenen Komponenten kommen kann. Der oben dargestellte Ein-Komponentenansatz ließe sich relativ leicht auf 2 oder auch 3 Komponenten erweitern, allerdings würde angesichts der Vielkomponentigkeit technischer Kratstoffe die Modellgenauigkeit dadurch nicht wesentlich gesteigert. Wirklich viele Einzelkomponenten lassen sich aber auch aus Rechenzeitgründen nicht sinnvoll einführen. Wir stellen hier daher einen Ansatz vor (siehe z. B. Lippert et al. 2000; Hallett 2000; Hermann 2008), der eine ganze Komponentenfamilie parametrisiert. Eine derartige Komponentenfamilie kann zumindest gleichartige Kohlenwasserstoffe wie Alkane in Abhängigkeit vom Molekulargewicht gut charakterisieren (siehe Abb. 15.3). Wollte man sehr korrekt vorgehen, wäre ein Realkratstoff wie Benzin über mehrere Komponentenfamilien (z. B. eine für Alkane, eine zweite für Olefine und eine dritte für Aromaten) abzubilden. Da wir nur grundsätzlich den Ansatz skizzieren wollen, werden wir uns hier aber auf die Diskussion einer einzigen Komponentenfamilie beschränken. Eine Familie wird durch eine Molenbruch-Verteilungsfunktion n μ über dem Molgewicht μ charakterisiert. Der folgende Vorschlag einer vierparametrigen Verteilungsfunkti-

2

Genau genommen erreicht die Tropfentemperatur niemals genau den Siedepunkt, sie verharrt etwas niedriger bei der Kühlgrenztemperatur.

15

Simulation von Einspritzprozessen

873

Abb. 15.3 Vergleich von Modell und Messwerten von Siedetemperatur (a) und Dampfdruckkurve (b) für n-Alkane (aus Hermann 2008)

on ist in der Literatur gut ausgearbeitet: n(μ) =

δ μ−γ α− (μ − γ) exp (− ), β α Γ(α) β

wobei

μ>γ .

(15.20)

Der Parameter γ wird dabei fixiert, d. h. auch lokal auf dem vorgegebenen Wert gehalten, während die Parameter α und β lokal wie auch zwischen Flüssig- und Gasphase variieren können. Es lassen sich die folgenden Momente definieren: ∞

nF = ∫ n μ (μ)dμ = δ γ



nF MF = ∫ n μ (μ)μ dμ = δ (γ + αβ)

(15.21)

γ



nF ΨF = ∫ n μ (μ)μ dμ = δ (MF  + αβ  ) . γ

Die Größe nF stellt hierbei den Gesamtkratstoffmolenbruch dar (gleich 1 in der Flüssigphase), und M F das mittlere Kratstoff-Molgewicht. Sind umgekehrt diese drei Momente bekannt, kann aus ihnen die Verteilung rekonstruiert werden (γ wird als fixiert vorausgesetzt). Zur Beschreibung von Benzin (in der Flüssigphase) sei der folgende Parametersatz vorgeschlagen (Hallett 2000): α = , ,

β = , ,

γ=.

(15.22)

Das Grundkonzept besteht nun darin, über eine lokale Variation der Verteilungsparameter bzw. Momente lokale Unterschiede in den Komponentenverteilungen wiedergeben

874

G.P. Merker und R. Teichmann

zu können. Dazu werden die Momente als lokal verteilt angenommen, d. h. wir setzen nF (x,t), M F (x,t) und Ψ(x,t), für die nun Transportgleichungen zu lösen sind. Zu der einen Transportgleichung für den Kratstoffmassenbruch cF in der Gasphase, die bisher bereits gelöst wurde, müssen nun zwei weitere treten. Zudem erhält jeder Tropfen für seine Flüssigphase einen eigenen Parametersatz n, M, Ψ (und damit eine individuelle Komponentenverteilung). Es ist ausgesprochen empfehlenswert, weiterhin mit dem Massenbruch c als BasisTransportparameter zu arbeiten, d. h. nicht auf eine molenbruchbasierte Formulierung (Verwendung der (15.6) für Molenbrüche anstelle von Massenbrüchen) zu wechseln, wie leider in der Literatur an dieser Stelle üblich. Insbesondere würde ansonsten die Konsistenz bezüglich des Einkomponentenverdampfungsmodells des vorhergehenden Abschnitts aufgegeben (dieses sollte ja für eine δ-funktionsartige Verteilung n μ aus dem Mehrkomponentenmodell reproduzierbar sein). Wir verwenden daher einen Massenbruch c μ (μ) mit der folgenden Umrechnung zur Molenbruchverteilung c μ (μ) = n μ (μ)

μ , Mtot

(15.23)

wobei M tot die mittlere lokale Molmasse über alle Spezies (auch Nicht-Kratstoff-Komponenten) bezeichnet. Bzgl. der Momente ergeben sich nun die folgenden Korrelationen: ∞

∫ γ



c μ (μ) cF nF = dμ = μ Mtot MF

MF ∫ c μ (μ) dμ = nF M = cF γ

tot



∫ c μ (μ)μ dM = γ

(15.24)

nF Ψ c F Ψ = . Mtot MF

Die Gasphasenverteilung n μ,vap,S an der Tropfenoberfläche ist aufgrund unterschiedlicher Siedekurven der verschiedenen Kratstoffkomponenten nicht identisch zur Verteilung n μ,fl in der Flüssigphase. Der Dampfdruck mit Molgewicht μ über der Tropfenoberfläche ergibt sich nach dem Raoult’schen Gesetz aus der Dampfdruckkurve der μ-ten Komponente pvap (μ, T) folgendermaßen: n μ,vap,S (μ) pgas = n μ,fl (μ) pvap (μ, T) .

(15.25)

Für die Dampfdruckkurven wird der folgende Ansatz gemacht: aS + bS μ ΔS ( − )] mit ΔS = , kJ/ (kmol ⋅ K) ˜ T R = , bar, aS = , K, bS = , K ⋅ kmol/kg .

pvap (μ, T) = patm exp [ patm

(15.26)

15

Simulation von Einspritzprozessen

875

Eleganterweise ist eine Verteilung des Typs (15.20) forminvariant unter der Transformation (15.25), d. h. der Multiplikation mit einem Faktor pvap (μ, T)/pgas . Wenn die Verteilung n μ,fl von der Form (15.20) mit den Parametern α, β, γ und δ = 1 ist, dann hat n μ,vap,S ebenfalls die Form (15.20) mit den Parametern: α˜ = α β˜ =

β ˜ tr ) +  (bS ΔS/RT

γ˜ = γ

p atm δ˜ = pgas

(15.27)

⎡ ⎤α aS bS ΔS ΔS  ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ exp ( ( − ). )−γ ⎢ (bS ΔS/RT) ⎥ ˜ ˜ tr ˜ Ttr R RT + ⎦ ⎣

Daraus ergeben sich mittels der Formeln (15.24) die Gasphasen-Verteilungsmomente nF,vap,S , MF,vap,S und Ψvap,S an der Oberfläche. Die Identität von γ˜ = γ bestätigt den Ansatz, γ konstant zu halten. In der Tropfenumgebung sind jetzt zusätzlich die Transportgleichungen für die Verteilungsmomente zu lösen. Aus (15.6) folgt durch Multiplikation mit μ bzw. 1 / μ und anschließender Integration (hier wird wieder Unabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten D vom Molgewicht μ angenommen): cF,vap ∂ ∂ cF,vap ∂ (ρv i )− (Dρ )= ∂x i MF,vap ∂x i ∂x i MF,vap

cF,vap Ψvap ∂ ∂ ∂ cF,vap Ψvap (ρv i )− (Dρ )=. ∂x i MF,vap ∂x i ∂x i MF,vap

(15.28)

Gleichungen 15.6 und 15.11 und ihre Lösungen (15.10) und (15.14) gelten freilich weiterhin. Die Lösung der (15.28) erfolgt analog zu (15.11), nach Integration mittels Gauss’schem Satz ergibt sich: cF,vap d cF,vap − πr  Dρ = Θ MF,vap dr MF,vap cF,vap Ψvap d cF,vap Ψvap πρr v(r) − πr  Dρ = Θ . MF,vap dr MF,vap πρr v(r)

(15.29)

Nach Einsetzen von (15.9), Integration und Einsetzen von Randbedingungen ergibt sich für die Integrationskonstanten (die globalen Momentenströme) ganz analog zu (15.14): ˙ Θ = m

˙ Θ = m

c F ,v a p,∞ cF,vap (R) cF,vap (R) ˙ m [ + − ] MF,vap (R) exp ( m˙ ) −  MF,vap (R) M F ,v a p,∞ πDρR

cF,vap (R)Ψvap (R) c F ,v a p,∞ Ψ∞ cF,vap (R)Ψvap (R) ˙ m [ + − ]. ˙ m MF,vap (R) MF,vap (R) M F ,v a p,∞ exp ( πDρR )− (15.30)

876

G.P. Merker und R. Teichmann

Daraus ergibt sich die Zeitentwicklung für die Momente der Flüssigkeitsverteilung MF,fl und Ψfl im Tropfen (analog zu 15.19): ˙ m d  d /πR  ρfl =− + /πR  ρfl = −Θ  , dt MF,fl MF,fl dt MF,fl ˙ Ψfl d Ψfl d /πR  ρfl Ψfl m =− + /πR  ρfl = −Θ  , dt MF,fl MF,fl dt MF,fl XTr X∞ X= + ,  

(15.31)

wobei die Ströme Θ i aus (15.30) einzusetzen sind. Größen wie D oder ρ sind wieder nach der 1 / 3–2 / 3-Regel (15.15) zu berechnen. Die Transportgleichungen in der Gasphase inkl. Quelltermen lauten nun: ρ(

ρ(

ρ(

∂ ∂ ∂ cF cF ∂  + vi ) − (ρD t )= ∂t ∂x i MF ∂x i ∂x i MF ΔV ∂ ∂ ∂ ∂  ) cF − (ρD t cF ) = + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i ΔV



Θ

Tropfen im Volumen ΔV



˙ m

(15.32)

Tropfen im Volumen ΔV

∂ cF Ψ ∂ cF Ψ ∂ ∂  ) − (ρD t )= + vi ∂t ∂x i MF ∂x i ∂x i MF ΔV



Θ .

Tropfen im Volumen ΔV

Zusätzlich sind noch alle benötigten Stoffgrößen (Diffusionskoeffizient der Dampfphase, kritische Temperatur, Flüssigkeitsdichte, Verdampfungsenthalpie, Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität von Flüssig- und Dampfphase, Viskosität der Flüssigphase, Oberflächenspannung) in Abhängigkeit von der Komponentenverteilung (bzw. deren Momenten) zu beschreiben, siehe diesbezüglich die einschlägige Literatur (Tanim und Hallett 1995).

15.1.4

Flashboiling

Ein Sonderfall ist das so genannte „Flashboiling“, das eintritt, wenn warmer Kratstoff in einen Saugrohr- oder Brennraumzustand mit einem Umgebungsdruck eingespritzt wird, der unterhalb des der Tropfentemperatur entsprechenden Dampfdrucks liegt. In diesem Fall kommt es quasi zum sofortigen „Zerplatzen“ des Strahls. Dieses Phänomen kann mit den oben beschriebenen Modellen nicht abgebildet werden. Betrachten wir dazu eine Mischung von Lut und Kratstoff, mit den entsprechenden molaren Dichten nA und nF sowie den mittleren Molgewichten M A und M F . Es sei pF der

15

Simulation von Einspritzprozessen

877

Kratstoff-Partialdruck, p der gesamte Druck. Dann gilt für den Kratstoff-Massenbruch cF : nF MF cF = = nF MF + nA MA

pF p

pF p

pF =  + ( − ) p MA +

MF

MF + ( −

pF ) MA p

MA ≥ pF (MF − MA ) p

¨ f ur

pF ≥ p.

(15.33)

Sobald der Dampfdruck den Umgebungsdruck übersteigt, wird rein rechnerisch cF größer als 1, das Argument des Logarithmus in (15.10) ist nun undefiniert. Die Verdampfungsrate ist auch in der Realität sehr groß, d. h. nicht über einen physikalischen Gleichgewichtsprozess beschreibbar. Allerdings kommt diese „Nichtgleichgewichts“-Verdampfung dann zum Stillstand (d. h. der Prozess geht in den bisher beschriebenen Gleichgewichtsprozess über), wenn durch die hohe Verdampfungsrate soviel Wärme abgeführt worden ist, dass der zugehörige Dampfdruck unterhalb des Umgebungdrucks liegt. Es kommt also im Wesentlichen darauf an, die Undefiniertheit in (15.10) abzufangen und stattdessen eine hohe, aber endliche Verdampfungsrate zu berechnen, solange bis (15.10) wieder definiert ist. Eine Möglichkeit besteht darin, den Massenstrom über eine Relation ˙ = πDρR ln ( m

 − c(∞) ) , max( − c(R), ε)

(15.34)

zu berechnen, wobei ε > 0 eine sehr kleine, aber endliche Zahl sein sollte, die im Wesentlichen über die numerische Stabilität des Codes bestimmt werden sollte.

15.2 Strahlstatistik Ein Einspritzstrahl besteht typischerweise aus vielen hunderten Millionen Tropfen. Ein derartiges Ensemble ist (ähnlich wie die turbulente Gasströmung) nicht mehr deterministisch (d. h. auf Basis jedes Einzeltropfens) berechenbar. Für den Strahl als Tropfenensemble ist es daher angebracht, eine statistische Beschreibung einzuführen, eine Tropfenverteilungsdichte p(⃗ x , v⃗, R, T). Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit, am Ort x⃗ einen Tropfen mit Geschwindigkeit v⃗, Radius R und Temperatur T und zu finden (nach Bedarf sind weitere Parameter einzuführen, wir werden im Folgenden uns aber auf diese 8 Parameter beschränken). Bereits vor über 120 Jahren sah sich Ludwig Boltzmann mit einem ähnlichen Problem konfrontiert, als er die hermodynamik auf Basis der Statistik einer Mechanik atomarer und molekularer Prozesse ableiten wollte. Er entwickelte dafür die nach ihm benannte Boltzmann-Gleichung und konnte mit ihrer Hilfe historisch erstmals den 2. Hauptsatz der hermodynamik atomistisch begründen (siehe z. B. Rieckers und Stumpf 1977; Landau und Lifschitz 1983, Bd. 10). Diese Gleichung bildet heute das Fundament der kinetischen

878

G.P. Merker und R. Teichmann

Gastheorie. Sie wurde von Williams (1958) auf Tropfen mit ihrer speziellen Dynamik übertragen, nennt sich dann auch einfach „Strahlgleichung“ (engl. „spray equation“) und bildet die Basis für alle Strahlmodelle. Allerdings lässt sich diese Gleichung nicht mehr geschlossen integrieren, stattdessen kommen im Standardmodell stochastische Verfahren zum Einsatz, die Lösung wird quasi „ausgewürfelt“ („Monte-Carlo-Simulation“). Dieses Verfahren ist unter Genauigkeitsaspekten als kritisch zu werten, wie wir nachfolgend zeigen werden. Danach wird die Beschreibung von Mehrteilchenprozessen wie Stoß oder Zerfall vorgestellt. Die turbulente Gasströmung induziert auch im Strahl selbst turbulente Strukturen, die Modellierung dieses nur statistisch beschreibbaren Phänomens wird anschließend diskutiert. Ein wichtiger Schritt wird sein, durch sorgfältige Diskussion den komplexen Quellterm der Boltzmann-Gleichung derart zu vereinfachen, dass die Lösbarkeit deutlich gesteigert werden kann. Im Prinzip wird dabei die Boltzmann-Gleichung durch eine FokkerPlanck-Gleichung ersetzt.

15.2.1

Boltzmann-Williams-Gleichung

Für jeden einzelnen Punkt des achtdimensionalen Raums der Variablen x⃗, v⃗, R, T wird die ˙ T˙ beschrieben durch (15.1), (15.2), (15.18) und (15.19). Man kann nun Dynamik x⃗˙ , v⃗˙ , R, die acht Variablen in den 8-tupel α = (⃗ x , v⃗, R, T) zusammenfassen und die Bewegungsgleichungen dafür schreiben als α˙ i = A i (α) mit

i = , . . . ,  .

(15.35)

Ziel ist es nun, eine Bewegungsgleichung für die Verteilungsfunktion p(α), quasi einer Punktwolke in diesem Phasenraum, zu finden. Die Lösung dieses Problems ist die so genannte Liouville-Gleichung 3  ∂ ∂ (A i (α)p(α, t)) p(α, t) = − ∑ ∂t ∂α i i=

 ∂A i (α) ∂ = − ∑ A i (α) p(α, t) − (∑ ) p(α, t) . ∂α i ∂α i i= i= 

(15.36)

Die Liouville-Gleichung ist eine hyperbolische Gleichung. Ihre Charakteristiken sind gerade die Bewegungsgleichungen (15.35), wie man anhand der Formulierung in der unteren Zeile von (15.36) sieht. Die Formulierung in der oberen Zeile von (15.36) hingegen

3

In der klassischen Mechanik wird die Liouville-Gleichung normalerweise für konservative bzw. Hamiltonsche Systeme formuliert. Dann verschwindet der zweite Term der zweiten Zeile von (15.36) aufgrund der kanonischen Hamiltonschen Gleichungen, d. h. das Phasenraumvolumen ist in diesem Falle inkompressibel, es bleibt erhalten.

15

Simulation von Einspritzprozessen

879

zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit erhalten ist, d. h. es gilt ∂ ∂t



Phasenraum

dα p(α, t) =  .

(15.37)

In der Liouville-Gleichung sind sämtliche (diskontinuierliche) Mehr-Tropfenprozesse wie Stoß und Zerfall nicht berücksichtigt. Dies war auch, übertragen auf Atome und Moleküle, das Boltzmann’sche Problem. Er erweiterte die Liouville-Gleichung um einen Quellterm, das so genannte Stoßintegral. Zunächst extrahiert man aus dem 8-tupel α den Ort x⃗ α = (⃗ x , β) und β = (⃗ v , R, T) . (15.38) Für einen allgemeinen Zweiteilchenstoßterm lässt sich

x , β  )p(⃗ x , β  )σ(β  β  → β + . . . ; x⃗)dβ  dβ  IStoß = ∫ p(⃗ − ∫ p(⃗ x , β  )p(⃗ x , β)σ(β  β → . . . ; x⃗)dβ 

(15.39)

formulieren. Der Term σ(β  β  → β + . . .) beschreibt die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass bei Anwesenheit der Tropfen β  und β  am Ort x⃗ durch Stoß ein Tropfen der Eigenschat β entsteht; σ(β  β → . . .) steht für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass der Tropfen β mit dem Tropfen β  einen Stoßprozess durchläut, als dessen Konsequenz der βTropfen verschwindet, daher das Minuszeichen des gesamten Terms. Dreiteilchenstoßprozesse (und Prozesse noch höherer Teilchenordnung) werden üblicherweise vernachlässigt, „Einteilchenstoß-Prozesse“ sind nichts anderes als Zerfälle. Mit obiger Logik lässt sich für sie schreiben x , β  )σ(β  → β + . . . ; x⃗)dβ  − p(⃗ x , β)σ(β → . . . ; x⃗) . IZerfall = ∫ p(⃗

(15.40)

In summa erhält man dann die Boltzmann-Williams-Gleichung  ∂ ∂ (A i (α)p(α, t)) p(α, t) + ∑ ∂t ∂α i i=

= ∫ p(⃗ x , β  )p(⃗ x , β  )σ(β  β  → β + . . . ; x⃗)dβ  dβ  − ∫ p(⃗ x , β  )p(⃗ x , β)σ(β  β → . . . ; x⃗)dβ 

+ ∫ p(⃗ x , β  )σ(β  → β + . . . ; x⃗)dβ  − p(⃗ x , β)σ(β → . . . ; x⃗) .

(15.41)

Diese Gleichung beschreibt die zu berechnende Strahldynamik prinzipiell bereits vollständig. Allerdings ist die turbulente Dispersion, d. h. der Interaktion der Tropfen mit der Strömungsturbulenz in (15.41) nur implizit enthalten, nämlich im zweiten Term der linken

880

G.P. Merker und R. Teichmann

Seite, insofern die Funktion A i (α) die instantane und nicht die gemittelte Gasgeschwindigkeit enthält. Wir benötigen allerdings eine Formulierung mit der gemittelten Gasgeschwindigkeit. Nach Umformulierung ergibt sich auf der rechten Seite ein zusätzlicher Stoßterm, der die Interaktion mit der turbulenten Fluktuation der Gasgeschwindigkeit beinhaltet: ∂ ∂ ∂ ˙ ∂ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) p(α, t)] + [R V p(α, t)] [vtr,i p(α, t)] + p(α, t) + ∂t ∂x i ∂vtr,i ∂R ∂ ˙ [TA p(α, t)] + ∂Ttr = ∫ p(⃗ x , β  , t)p(⃗ x , β  , t)σ(β  β  → β + . . . ; x⃗)dβ  dβ  − ∫ p(⃗ x , β  , t)p(⃗ x , β, t)σ(β  β → . . . ; x⃗)dβ 

+ ∫ p(⃗ x , β  , t)σ(β  → β + . . . ; x⃗)dβ  − p(⃗ x , β, t)σ(β → . . . ; x⃗) ′′ + ∫ σ(⃗ x , v⃗gas )∂/∂vtr,i (DR v ′′ g p(⃗ x , β  , t)) d3 v ′′ gas i

mit

Dtr =

vg ⟩ − v⃗tr ∣  ρg ∣⟨⃗ cw .  ρfl R

(15.42) die Wahrscheinlichkeit für das Autreten der entsprechenden Geschwinwobei digkeitsfluktuation am Ort x bezeichnet und auf der linken Seite bereits die in den vorhergehenden Abschnitten erarbeiteten konkreten Terme eingeführt wurden; lediglich die Stoß- und Zerfallsprozessterme der rechten Seite wurden in der formalen Schreibweise belassen. ′′ ) σ(⃗ x , v⃗gas

15.2.2

Numerische Lösung der Boltzmann-Williams-Gleichung: Das Standardmodell (Lagrange-Formulierung)

Gleichung 15.42 ist eine hochdimensionale, partielle Integro-Differenzialgleichung. Mit direkten Verfahren ist sie im achtdimensionalen Basisraum nicht lösbar. Man denke sich nur jede Dimension in 10 Stufen diskretisiert (das ist sicherlich für viele der acht Dimensionen noch deutlich zu grob, z. B. für die Raumkoordinaten). Dann liegt bereits ein Rechennetz mit  Zellen vor! Zur Lösung der Gleichung muss also ein anderer Weg beschritten werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die zugrunde liegende Liouville-Gleichung hyperbolischen Charakter hat, kann sie entlang ihrer Charakteristiken (die den Tropfentrajektorien entsprechen) gelöst werden, d. h. mittels gewöhnlicher Differenzialgleichungen! Für den Fall, dass das relevante Gebiet, in dem die Tropfendichte deutlich von Null verschieden ist, nur eine „niederdimensionale Fläche“ im achtdimensionalen Raum ausmachte, brauchte man möglicherweise nur „wenige“ Trajektorien. Somit wird die folgende Strategie gewählt: man führt ausreichend viele repräsentative Teilchen, so genannte Partikel (engl. „parcels“), ein, die die Charakteristiken der Liouville-

15

Simulation von Einspritzprozessen

881

Gleichung (15.36) „nachfahren“. Damit sind bereits alle kontinuierlichen Prozesse abgehandelt. Die Behandlung der Stoßprozesse, d. h. der Terme auf der rechten Seite von (15.41) liegt aber auch auf der Hand. Die repräsentativen Partikel erfahren diese als stochastischen Prozess, genau so sind sie in den Stoßintegralen bereits formuliert. Für alle Partikel, die sich zu einem Zeitpunkt in einem Volumenelement (praktisch heißt das „in einer Rechenzelle“) befinden, werden die Stoßwahrscheinlichkeiten gemäß den Formeln (15.39) und (15.40) berechnet und entsprechend dieser Wahrscheinlichkeiten die konkreten Aktionen „ausgewürfelt“ (daher auch der Begriff „Monte-Carlo-Simulation“). Die eigentlich kontinuierliche statistische Beschreibung wird somit in eine diskontinuierliche, äquivalente stochastische Beschreibung abgewandelt, die Dynamik der Tropfenverteilungsfunktion über die Dynamik eines Ensembles repräsentativer stochastischer Partikeln abgebildet. Nun sehen diese Partikel aber den ursprünglichen Tropfen sehr ähnlich, alle kontinuierlichen Prozesse laufen vergleichbar ab (Impulsaustausch mit Strömung, Verdampfung, Aufheizung), lediglich bei den diskontinuierlichen Prozessen (Bildung, Zerfall, Stoß) muss stochastisch gearbeitet werden. Daher stammt auch der Name „Discrete Droplet Model“ (DDM). Dies macht nun gerade den Charme und die intuitive Verständlichkeit des stochastischen Modells aus, man hat das „Gefühl“, direkt mit den einzelnen Tropfen zu arbeiten, obwohl man letztlich nur mit stochastischen Partikeln operiert. Alle Visualisierungen von Einspritzstrahlsimulationen zeigen immer diese stochastischen Partikel, keineswegs Tropfen! Praktisch hat ein Partikel die Eigenschaten eines Tropfens (im vorliegenden Falle also die 8 Variablen x⃗, v⃗, R, T) und zusätzlich ein statistisches Gewicht, was sich z. B. als Anzahl an realen Tropfen, die es repräsentiert, interpretieren lässt. Man kann es auch als Partikelmasse interpretieren, die „Anzahl der repräsentierten Tropfen“ ergibt sich dann als Verhältnis von Partikelmasse zu Tropfenmasse. Die einzelnen Partikel stellen Elemente der Tropfenströmung dar, d. h. eine Beschreibung mittels Partikeln trägt Lagrange’schen Charakter, weil sie die Strömung mittels mitbewegter Bezugspunkte beschreibt. Von daher wird auch vom Lagrange’schen Modell bzw. genauer von der Lagrange’schen Formulierung gesprochen. Die Partikelanzahl ist von der Anzahl der Tropfen völlig unabhängig und sollte allein aus Überlegungen zur statistischen Konvergenz ermittelt werden. Es kann nur immer wieder vor einem zu unbedarten bzw. hemdsärmeligen Umgang mit Strahlsimulationen im Standard-Lagrange-Modell gewarnt werden! Aufgrund des Einsatzes gewöhnlicher Differenzialgleichungen ist das Modell in seiner mathematischen Struktur recht harmlos, und es nicht schwierig, Ergebnisse zu erzeugen, ja selbst eigene Modellierungsansätze sind typischerweise unschwer zu implementieren. Die große Herausforderung besteht darin, korrekte, auskonvergierte Ergebnisse zu generieren! Um die Problematik in ihrer Tragweite zu erahnen, ist es sinnvoll, sich die ursprüngliche gasdynamische Boltzmann-Gleichung für Atome und Moleküle vor Augen zu führen. Es ist möglich, den strömungsmechanischen Gleichungssatz (14.1) bis (14.18), also unter anderem die Navier-Stokes-Gleichungen, aus ihr abzuleiten (mit dem Chapman-EnskogAnsatz, vgl. z. B. Rieckers und Stumpf 1977), dies ist allerdings nichttrivial. Die BoltzmannGleichung beschreibt somit komplexes kollektives Verhalten, deutlich verschieden vom

882

G.P. Merker und R. Teichmann

Einzelteilchenverhalten der Atome und Moleküle! Natürlich enthält die BoltzmannGleichung noch viel mehr, unter anderem auch gasdynamische Effekte, die nicht in den strömungsmechanischen Gleichungen wie der Navier-Stokes-Gleichung enthalten sind. Wenn man sich aber nur für die strömungsmechanische hematik interessiert, ist es nicht empfehlenswert, ein Computerprogramm zur Lösung der Boltzmann-Gleichung einzusetzen; denn es ist unvergleichbar viel schwerer, es erfordert einen wesentlich höheren Einsatz von Rechenleistung, auf diese Weise eine korrekte Lösung zu finden, als über den Navier-Stokes-Gleichungssatz, in dem das kollektive Verhalten des strömungsmechanischen Kontinuums bereits explizit greifbar geworden ist. Für Boltzmann war eine Lösung seiner Gleichung für reale technische Fragestellungen wohl auch nie das Ziel gewesen. Auf Strahlebene stellt sich die Situation nicht einfacher dar, Tropfen haben noch weitere Freiheitsgrade wie Radius und Temperatur; es kommen weitere Prozesse wie Aufheizen, Verdampfen, komplexe Stöße und Zerfälle ins Spiel. Auch ein Einspritzstrahl zeigt im Vergleich zu Einzeltropfen ein deutlich verschiedenes Verhalten, das als kollektives Verhalten wieder über die Boltzmann-Williams-Gleichung nur mit sehr viel Rechenleistung zu rekonstruieren ist. Daher erklärt sich auch die Hoffnung, mit einer alternativen „Euler-Modellierung“ deutliche Fortschritte zu erzielen. Es ist dabei nicht gemeint, dass eine Beschreibung in raumfesten Koordinaten günstiger sei als eine in mitbewegten Koordinaten (was die Gegenüberstellung „Euler-Formulierung“ – „Lagrange-Formulierung“ ja im engeren Sinne bedeutet). Da eine direkte „Eulersche“ Lösung der Boltzmann-Williams-Gleichung hoffnungslos ist, bedeutet „Euler-Modell“ in diesem Zusammenhang zunächst die Extraktion von Momenten-Gleichungen, etwa Transportgleichungen für die Tropfenmasse, den lokal gemittelten Tropfenimpuls, die gemittelte Impulsvarianz etc. aus der Boltzmann-Gleichung. Das heißt, es geht um nichts anderes als einen Navier-Stokes-Gleichungssatz für die Flüssigphase. Dieser Gleichungssatz würde dann naheliegenderweise in einem EulerVerfahren gelöst. Wir werden später auf diesen Punkt zurückkommen. Doch nun zurück zum Standard-Ansatz. Um die Modellierung zu schließen, ist noch eine modelltechnische Beschreibung der Mehrteilchenprozesse abzuleiten. Dies wird im Folgenden, nach einem mathematischen Exkurs über die Bestimmung von Zufallszahlen, geschehen.

15.2.3

Exkurs: Numerische Bestimmung von Zufallszahlen

Diskutieren wir zunächst ein konkretes Problem der programmiertechnischen Umsetzung: In der stochastischen Modellierung zur Lösung der Strahlgleichung ist das Bestimmen von Zufallszahlen nach einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeitsverteilung ein wichtiger Baustein. Computer stellen standardmäßig nur Zufallszahlengeneratoren zur Generation gleichverteilter Zufallszahlen zwischen 0 und 1 zur Verfügung. Die Grundaufgabe lautet

15

Simulation von Einspritzprozessen

883

nun folgendermaßen. Es sei x ∈ X ⊂ Rn ,

f ∶X→R,

f (x) >  ,

∫ f (x)dx =  .

(15.43)

X

Man ziehe zufällig ein Element x ∈ X entsprechend der Verteilungsfunktion f unter Verwendung gleichverteilter Zufallszahlen, d. h. bei vielfacher Wiederholung des Vorgangs sollen die Elemente x  , x  , x  , . . . gemäß der Funktion f verteilt sein. Zur Erfüllung dieser Aufgabe werden zwei unterschiedliche Verfahren diskutiert: Verfahren I „Integrieren und Invertieren“: Dieser Ansatz funktioniert nur für eindimensionale Verteilungen, d. h. X = [a, b] ⊂ R. Wir berechnen zunächst die Verteilungsfunktion F(x) x

F(x) = ∫ f (ξ)dξ a

F ∶ [a, b] → [, ] .

(15.44)

Aufgrund der Positivität von f ist F streng monoton und damit umkehrbar. Als nächstes ermitteln wir die Umkehrfunktion F − ∶ [, ] → [a, b] (notfalls numerisch integrieren und tabellieren) und ziehen eine Zufallszahl z ∈ [, ]. Der Wert x = F − (z) ist dann unsere gewünschte Zufallsvariable. Zur Begründung: Mit der Wahrscheinlichkeit dF landet die Zufallszahl im Intervall [x, x + dx], wobei dx =

dF f (x)

ist. Die Wahrscheinlichkeitsdichte p ist als Verhältnis von Wahrscheinlichkeit zu Intervalllänge gegeben dF =f . p= dx Verfahren II „Ziehen und Evaluieren“: Diese Methode ist auch für mehrdimensionale Räume X geeignet. Erster Schritt: Man bestimmt ein Element x ∈ X auf Gleichverteilungsbasis. Bei komplizierten Mengen (z. B. dem Inneren eines Berechnungsgebiets mit komplizierter Berandung) kann folgendermaßen verfahren werden: man beschreibe X ⊂ Rn in einen „ndimensionalen Quader“ ein X ⊂ X˜ = [a  , b  ] × [a  , b  ] × . . . × [a n , b n ]

(15.45)

und ziehe gleichverteilt ein Element aus x ∈ X˜ mit Hilfe von n Zufallszahlen z  , z  , . . . , z n ∈ [, ] x = (a  + z  (b  − a  ) , a  + z  (b  − a  ) , . . . , a n + z n (b n − a n )) .

884

G.P. Merker und R. Teichmann

Es bestehen zwei Möglichkeiten: x liegt in X, dann ist es unser ausgewähltes Element. Oder aber x liegt nicht in X, dann wird es verworfen, und ein neuer Auswahlvorgang gestartet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Elemente aus X gleichhäufig ausgewählt werden. Zweiter Schritt: Die im ersten Schritt ausgewählte Variable x wird evaluiert. Dazu sei f max = max ( f (ξ), ξ ∈ X). Wir ziehen eine weitere Zufallszahl z˜ ∈ [, ] und vergleichen diese mit dem Verhältnis f (x) . ζ= f max

Falls z˜ ≤ ζ, wird x akzeptiert, im anderen Falle verworfen und der Prozess mit Schritt 1 fortgesetzt, bis ein Element gefunden und akzeptiert ist. Zur Begründung: die Wahrscheinlichkeit, dass z˜ ≤ ζ, ist proportional zu f (x). Auf diese Weise wird jedes Element x mit einer korrekten relativen Wahrscheinlichkeit angewählt. Durch den Vorgang des Verwerfens und Wiederholens bei nichtakzeptiertem Element x ist sichergestellt, dass auch die Normierung der Wahrscheinlichkeitsdichte erfüllt ist, es wird mit Wahrscheinlichkeit 1 schließlich ein Element ausgewählt. Beispiel

Eine typische Aufgabe lautet, gleichverteilt Raumpunkte im Berechnungsgebiet zu bestimmen. Nun ist das Berechnungsvolumen aber in Netzzellen diskretisiert, somit geht es eigentlich um die Bestimmung von Netzzellen, unter der Randbedingung volumenbezogener Gleichverteilung. Man sollte nun keinesfalls auf die Idee kommen, einfach gleichverteilt unter den Zellnummern zu würfeln! Denn die Netzzellen besitzen im Allgemeinen (sehr) verschiedene Volumina, und dem muss bei der Auswahl Rechnung getragen werden. Hier kommt idealerweise Verfahren II zum Einsatz, indem man zunächst gleichverteilt unter den Zellnummern würfelt und dann die ausgewählte Zelle Z ihrem Volumen V Z entsprechend evaluiert, d. h. f (Z) = VZ .

15.2.4

Partikel-Startbedingungen am Düsenaustritt

An der Düse müssen im Standard-Modell Partikel generiert werden. Dies geschieht sinnvollerweise stochastisch. Typischerweise ist pro Partikel in einem vorgegebenen Raumwinkel- oder Strahlkegelbereich die Einspritzrichtung zu ermitteln und eventuell noch gemäß einer Tropfengrößenverteilung eine Anfangstropfengröße. Mit unserer soeben entwickelten Toolbox wären freilich auch komplexere Anfangsbedingungen wie etwa Korrelationen zwischen Einspritzrichtung und Tropfengröße realisierbar. Praktisch fehlen jedoch meist die experimentellen Daten zur Ableitung derart komplexer Randbedingungen. An dieser Stelle können Simulationsergebnisse zur Düseninnenströmung hilfreich sein.

15

Simulation von Einspritzprozessen

885

Es ist empfehlenswert, jedem Partikel an der Düse (unabhängig von der Tropfengröße) die gleiche Masse mitzugeben (d. h. ein Partikel „besteht“ aus vielen kleinen oder wenigen großen Tropfen). Dies entspricht dem Ansatz, dass die Kratstoffmasse die eigentlich interessante und durch Partikel zu diskretisierende Größe ist. Als praktisches Beispiel sei noch ein Vorgehen zur Simulation im Raumwinkel gleichverteilter Einspritzung in einen Strahlkegelbereich des Öffnungswinkels 2φ abgeleitet. Es sind zwei Winkel zufällig auszuwählen, der Azimuthwinkel θ ∈ [, π] und der Polarwinkel γ ∈ [, φ]. Der Azimuthwinkel θ darf gleichverteilt ausgewählt werden, γ aber nicht! Es sei daran erinnert, dass das Raumwinkelmaß bei der Integration die Form sin γ dγdθ hat. Genau diese Verteilung muss gewählt werden. Aufgrund der Gleichverteilung von θ beschränken wir uns auf die Wahl von γ. Dies ist lediglich ein eindimensionales Problem, man kann deshalb Verfahren I anwenden. Die Verteilungsfunktion von γ hat die Form γ

F(γ) =

∫ sin γ˜ dγ˜  φ

∫ sin γ˜ dγ˜ 

=

 − cos γ .  − cos φ

(15.46)

Aus einer Zufallszahl z ∈ [, ] ergibt sich dann der folgende γ-Wert γ = arc cos ( − z + z cos φ) .

15.2.5 Modellierung von Zerfallsprozessen Zerfallsprozesse beeinflussen den Strahl insbesondere in seiner frühen, düsennahen Phase, bilden also praktisch gesehen mit dem Düsenmodell eine Einheit. So kann z. B. ein Zerfallsmodell, das bereits sehr schnell kleine Tropfen liefert, näherungsweise durch ein Düsenmodell mit kleinen Tropfen ersetzt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Wirkmechanismen lassen sich zwei Arten des Strahlzerfalls unterscheiden, Primärzerfall und Sekundärzerfall. Der Primärzerfall resultiert aus Eigenschaten, die dem Strahl bereits aus der Düseninnenströmung mitgegeben werden, wie Turbulenz und Kavitation (die über Kavitationsblasenimplosion wiederum Turbulenz erzeugt). Für den Sekundärzerfall sind aerodynamische Prozesse relevant, die nicht aus der Düseninnenströmung resultieren. Zur Primärzerfallsmodellierung benötigt man Information über die Düseninnenströmung, über deren Turbulenz und Kavitationsverteilung. Dann lassen sich aus den turbulenten Skalen und Kavitationsblasendichten Zerfallszeit und -länge ableiten, siehe z. B. Tatschl et al. (2000). Für die Turbulenzgrößen k und ε der Flüssigkeit im Tropfen- bzw. Ligament-inneren wird dort die folgende Zeitentwicklung angenommen: dkfl = −εfl + SK dt

dεfl εfl = −, (εfl − SK ) dt kfl

(15.47)

886

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 15.4 Messung der Eindringtiefe eines Dieseleinspritzstrahls in einer heißen Kammer bei verschiedenen Kammertemperaturen, aber gleicher Dichte (Krüger 2001)

wobei SK einen Quellterm aus einer Kavitationsblasenimplosion darstellt. Aus diesen Größen lassen sich dann die Parameter für ein Zerfallsmodell, die Zerfallszeit τ prim und der stabile Tropfenradius RS,prim ermitteln: τprim = Bprim

kfl εfl

und

RS,prim = Aprim C μ /

kfl / . εfl

(15.48)

Informationen zur Düseninnenströmung sind allerdings nach wie vor nicht selbstverständlich verfügbar. Gerade bei modernen Dieseleinspritzsystemen tritt ein sehr starker Primärzerfall auf, der Strahl verlässt quasi „schaumförmig“ die Düse. Hier liegt es nahe, bereits mit kleinen Tropfen an der Düse zu starten, d. h. keinen expliziten Primärzerfall mehr zu berücksichtigen. Eine sinnvolle Möglichkeit, messtechnisch Aufschluss über Anfangstropfengrößen beim Dieseleinspritzstrahl zu erhalten ist bei Krüger (2001) beschrieben. Sie besteht darin, den Strahl in eine heiße Kammer bei verschiedenen Kammertemperaturen einzuspritzen und z. B. mit Schlieren- und Mie-Streulichttechnik die Eindringtiefen von Flüssig- und Gasphase in jedem dieser Fälle zu bestimmen (direkte Tropfengrößenmessungen sind bei der Dichte von Dieseleinspritzstrahlen aussichtslos, jedenfalls sehr unzuverlässig). Ein derartiges experimentelles Ergebnis ist in Abb. 15.4 dargestellt. Bei gleichen Kammerdichten dringt die Gasphase jeweils in etwa gleich ein (d. h. dies zeigt auch, dass die Gasphaseneindringtiefe unabhängig von der Tropfengröße ist), aber die Eindringtiefe der Flüssigphase ist sehr verschieden, sie nimmt mit zunehmender Temperatur deutlich ab. Aufgabe ist es nun, Strahlzerfallsparameter und Eingangstropfengröße derart abzustimmen, dass mit einem Parametersatz alle diese Eindringkurven wiedergegeben werden können. Dieser Ansatz führte im vorliegenden Falle zu einem anfänglichen Sauter-

15

Simulation von Einspritzprozessen

887

durchmesser4 von 5 μm bei sehr geringen weiteren Zerfallsraten. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist allerdings ein funktionierendes Strahlmodell! Verkleinert man die Anfangstropfengröße eines Strahls kontinuierlich, dann stellt sich als Grenzfall die lokal homogene Strömung ein. In dieser sind Gas- und Flüssigphase kinematisch und thermodynamisch im Gleichgewicht, weil einerseits sehr kleine Tropfen einen relativ auf ihre Masse bezogenen großen Strömungswiderstand haben, folglich keine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Phasen mehr möglich ist, andererseits aufgrund der hohen Oberflächenrate pro Volumeneinheit die Gasphase sich in einem Dampfdruckkurvenzustand befinden muss. Faktisch liegt jetzt eine einphasige Strömung vor. Experimentelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass zumindest typische Dieseleinspritzungen einigermaßen gut als eine lokal homogene Strömung beschrieben werden können, siehe z. B. Siebers (1998). Der experimentelle Terminus für „lokal homogene Strömung“ ist „mischungskontrolliert“. Für das Strahlmodell folgt daraus die sehr bedeutsame Tatsache, dass die Tropfengröße (und damit der Strahlzerfall) kein entscheidender Einflussfaktor mehr ist, wenn nur die Tropfen hinreichend klein gewählt sind! Sekundärzerfallsprozesse haben aerodynamische Ursachen und zeichnen sich eher durch größere Zerfallslängen aus. Sie laufen in Konkurrenz zum Primärzerfall ab. In dichten Dieseleinspritzstrahlen mit starkem Primärzerfall spielen sie eine geringe Rolle. Bei Benzindirekteinspritzung jedoch liegt aufgrund der geringeren Turbulenz- und Kavitationsraten der Düseninnenströmung (je nach Injektortyp unterschiedlich) nur ein geringer Primärzerfall vor. Hier kann somit der Sekundärzerfall sogar die dominante Rolle spielen. Gerade bei den komplexen Strömungswirbelstrukturen von Kegelstrahlen scheinen Tropfengrößen einen realen Einfluss auf die Strahlstruktur besitzen zu können. Man ist somit weiter vom Grenzfall der lokal homogenen Strömung entfernt. Zur Beschreibung des Sekundärzerfalls verwendet man meist eine Instabilitätenanalyse; Haupteffekt ist die so genannte Kelvin-Helmholtz-Instabilität. Der wohl umfassendste und bekannteste Modellierungsansatz ist das WAVE-Modell, vgl. Reitz (1987). Die am stärksten wachsende Wellenlänge Λ und ihre Wachstumsrate Ω lauten ( + , Oh, )( + , Θ) Λ = , , R ( + , We, )

,

und

(15.49)

,

(15.50)

tr

Ω(

ρTr R  ) σTr

.

=

(, + , Weg, )

( + Oh)( + ,Θ, )

wobei für die Weberzahlen von Flüssig- und Gasphase Wetr und Weg und die Ohnesorgezahl Oh sowie die Taylorzahl Θ gilt Weg/tr 4

 ρ g/tr R vrel = , σfl

√ Wetr Oh = , Retr

√ Θ = Oh Weg ,

(15.51)

Der Sauterdurchmesser dS einer Tropfenverteilung ist definiert als der Mittelwert von d3 dividiert durch den Mittelwert von d  , dS = ⟨d  ⟩/⟨d  ⟩ .

888

G.P. Merker und R. Teichmann

wobei σfl die Oberflächenspannung bezeichnet. Mit diesen Größen lässt sich eine Zerfallszeit τ sec und ein stabiler Radius R s,sec definieren τ sec =

, B  R , ΛΩ

(15.52)

⎧ ⎪ für B  Λ ≤ R ⎪ ⎪ B Λ √ √ R s,sec = ⎨ (15.53)  π R  v rel  R  Λ ⎪ , ) für B  Λ > R , min ( ⎪ Ω  ⎪ ⎩ wobei B0 und B1 Modellkonstanten sind. Zur Modellierung des Strahlzerfalls gibt es verschiedene Optionen: in der „naiven“ Variante bildet man den Tropfenzerfall mittels Partikel weitestgehend nach, indem man in einem Zeitschritt pro Tropfen eine Zerfallswahrscheinlichkeit auswürfelt, um dann für die somit „erwürfelten“ Zerfälle aus einem Partikel mehrere Tochterpartikel gemäß dem angenommenen Zerfallsprozess zu erzeugen. Beträgt die mittlere Tropfenzerfallszeit τ, so ist die Wahrscheinlichkeit W(n) für n Zerfälle in einem Zeitintervall Δt Poisson-verteilt, d. h. über die Beziehung n (Δt/τ) exp (−Δt/τ) (15.54) W(n) = n! gegeben. Problematisch hierbei ist nun, dass durch die Zerfallsprozesse die Anzahl der Partikel stark ansteigt, diese sollte aber wie schon erwähnt aus Gründen der statistischen Konvergenz heraus ermittelt werden, nicht aber aufgrund physikalischer Prozesse. Wenn etwa nach mehreren Zerfällen statistisch ausreichend viele Partikel vorliegen, so müssen es vor diesen, d. h. ausgerechnet in der kritischen düsennahen Zone, zu wenige sein! Es empfiehlt sich daher, einen Weg zu beschreiten, der die Partikelanzahl nicht ändert. Man kann nun dem Partikel nach einem Zerfall zufallsbestimmt einen möglichen TochtertropfenRadius zuweisen; Massenerhaltung ist garantiert, weil sich die Partikelmasse nicht ändert (d. h. aus wenigen großen werden viele kleine Tropfen). Und im statistischen Mittel (wenn man genügend Partikel hat) sollte sich die gewünschte Tochtertropfen-Radiusverteilung ergeben. Man kann dann aber auch noch einen Schritt weitergehen und den Zerfall als kontinuierlichen Mittelwertsprozess abbilden, d. h. beschreiben, wie sich der Radius im Mittel ändert. Dazu kommt typischerweise die Beziehung R − Rs ˙ dR = RZ =− dt τB

(15.55)

zum Einsatz, wobei hier bereits auf die Größen von (15.48) bzw. (15.52) und (15.53) Bezug genommen wurde. Die Korrelation zum Elementarprozess auf Tropfenebene ist schnell hergestellt. Bilden sich beim Zerfall mit Zerfallszeit τ im Mittel m Tochtertropfen, so beträgt die Radiusänderung im Zeitintervall Δt im Mittel R=

R , m Δt/τ

d. h.

dR = −/τ ⋅ ln m ⋅ R dt

und damit

τB =

τ . ln m

(15.56)

15

Simulation von Einspritzprozessen

889

Bei zwei konkurrierenden Zerfallsprozessen (z. B. Primär- und Sekundärzerfall) sind die Zerfallsraten zu addieren: R − RS,prim R − R S,sec R − RS ˙ dR =− − =− = RZ , wobei dt τprim τ sec τB τ sec RS,prim + τprim R S,sec τprim ⋅ τ sec RS = . τB = τprim + τ sec τprim + τ sec

(15.57)

Wurde im ersteren („naiven“) Falle der Zerfallsterm über (15.40) auf der rechten Seite von (15.42) im Stoßintegral berücksichtigt, so kommt die Beschreibung mittels (15.57) als kontinuierlicher Prozess für jedes Partikel auf der linken Seite von (15.42) zu tragen. Es sei hier die zweite Variante empfohlen, wir werden uns im Folgenden auf diese beschränken. Man muss hierbei aber Vorsicht walten lassen, der Term R˙ Z kann in (15.42) nicht einfach zum Verdampfungsterm R˙ V hinzuaddiert werden. Der Grund dafür liegt darin, dass R˙ Z nur ein „Umpacken“ in kleinere Tropfen, aber keinen Massenverlust wie R˙ V wiedergibt. Wenn die Funktion p(⃗ x , v⃗, R, T; t) die Tropfenanzahlverteilung beschreibt, ist die Flüssigmassenverteilung ρ(⃗ x , v⃗, R, T; t) gegeben als ρ(x, v, R, T; t) =

πρfl R  p(ρ(x, v, R, T; t) . 

(15.58)

Damit der Zerfallsterm zu keinem Massendefekt in der Flüssigmasse führt, muss gelten: ∂ρ(x, v, R, T; t) ∂ ˙ [RZ ρ(x, v, R, T; t)] + . . . = ...+ ∂t ∂R

(15.59)

Übertragen auf die Anzahlverteilungsfunktion p(α; t) (mit α = (⃗ x , v⃗, R, T)) bedeutet dies

∂ ∂ ˙ ∂ ∂ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) p(α, t)] + [R V p(α, t)] p(α, t) + [vtr,i p(α, t)] + ∂t ∂x i ∂vtr,i ∂R  ∂ ˙  ∂ ˙ [RZ R p(α, t)] + [TA p(α, t)] = IStoßterme . +  R ∂R ∂Ttr (15.60) Zusätzlich zu den Kelvin-Helmholtz-Instabilitäten kann man auch noch die RayleighTaylor-Instabilitäten berücksichtigen, siehe z. B. Patterson (1997) und Patterson und Reitz (1998), aber bei realistischen Tropfengrößen sollten diese eher keine allzu große Rolle spielen. Es gibt auch ganz andere Modellvorstellungen zum Sekundärzerfall, z. B. die schwingungsbasierten Modelle wie das TAB-(Taylor-Analogy-Breakup)-Modell, die davon ausgehen, dass Tropfenschwingungen zum Zerfall führen. Eigentlich ist aber experimentell bekannt, dass bei höheren Weber-Zahlen diese Zerfallstypen nicht mehr dominant sind. Allerdings führen diese Ansätze aus Gründen der Dimensionsanalyse auf größenordnungsmäßig vergleichbare Zerfallszeitskalen. In Abb. 15.5 ist eine Übersicht über die verschiedenen aerodynamischen Zerfallsmoden gegeben.

890

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 15.5 Aerodynamische Zerfallsmechanismen nach Pilch und Erdmann (1987)

In der Literatur wird häufig dem Strahlzerfall die alles dominierende Rolle selbst bei der Ausbreitung der Gasphase zugewiesen, was aber physikalisch schlichtweg falsch ist. Leider entspricht dies aber der Funktion, die Strahlzerfallsmodelle in den CFD-Simulationen spielen, oder mit anderen Worten, geeignet getunte Strahlzerfallsmodelle werden dazu verwendet, die mathematisch-numerischen Modelldefizite zu „kompensieren“ (was natürlich nicht wirklich gelingt).

15.2.6

Modellierung von Stoßprozessen

Für Stoßprozesse gibt es verschiedene Ausprägungen, von „Kollision mit anschließender Trennung der Tropfen“ (oder „streifende Kollision“) und „Koaleszenz“, siehe auch das KIVA-II-Manual (Amsden et al. 1989). Hier sei vor allem eine Empfehlung ausgesprochen: Stoßprozesse sind in einer Berechnung mit dem Standardmodell wegzulassen! Das gilt vor allem deshalb, weil Stoßprozesse numerisch eine besonders kritische Rolle im Rahmen des Lagrange’schen Standard-Modells spielen. Ihre Berechnung beruht auf der Kenntnis von Zweipunktkorrelationen. Diese sind numerisch aber nur sehr schlecht auflösbar. Wenn man z. B. nur ein Partikel pro Zelle hat, sind Kollisionen unmöglich, da alle Tropfen in dieser Zelle durch dieses eine Partikel repräsentiert werden und somit (auch vektoriell) gleiche Geschwindigkeit haben. Damit ist aber Kollision ausgeschlossen. Bei zwei Partikeln pro Zelle ist nur eine Kollision von Tropfen „aus Partikel 1“ mit Tropfen „aus Partikel 2“ möglich, etc. Um ein konvergentes Ergebnis zu erreichen, müssen die Partikeln in einer Zelle

15

Simulation von Einspritzprozessen

891

das lokal vorliegende und im allgemeinen korrelierte Geschwindigkeits-Größen-Spektrum detailliert auflösen. Das dürte unter praktischen Gesichtspunkten so gut wie unmöglich sein. Das Weglassen von Kollisionsprozessen ist heute weitgehend etabliert. Denn zum einen wirkt Tropfenkoaleszenz als ein dem Tropfenzerfall gegenläufiger Prozess und wird daher durch ein effektives Zerfallsmodell berücksichtigt. Das gleiche gilt für Stoßprozesse, die in einen Zerfall münden. Bei einer Eichung der Zerfallsmodellkonstanten geschieht dies mehr oder weniger automatisch. Impulsdiffusion durch Stöße tritt bei einem nicht allzu dichten Strahl hinter dem Effekt der turbulenten Dispersion zurück, bei dem sich ein lokales Fluktuationsgleichgewicht von Flüssig- und Gasphasenimpuls ausbildet. Elastische Stoßprozesse könnten sich allenfalls dadurch bemerkbar machen, dass sie dieses Gleichgewicht signifikant stören – das ist aber, zumindest in führender Ordnung, höchstens in unmittelbarer Düsennähe zu erwarten und könnte dort wieder in einem effektiven Düsenmodell berücksichtigt werden. Mit der Elimination der Stoßterme im Stoßintegral auf der rechten Seite von (15.42) ist die Strahlgleichung (15.42) linear in der Wahrscheinlichkeitsverteilung p geworden. Damit kann sie als lineare Überlagerung von Lösungen für einzelne, an der Düse entstandene Flüssigkeitspakete (z. B. in Entsprechung zu einzelnen Partikeln) verstanden werden. Es gibt freilich Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Tropfen oder Partikeln über die Gasphase. Eine weitere nicht aus der Rechnung eliminierbare Kategorie von Stoßprozessen sind diejenigen, die beim Tropfen-Wandkontakt stattfinden. Letztlich geht es darum, für den einzelnen Tropfen Reflektions- und Zerstäubungsgesetze zu formulieren. Hierzu existieren einige Ansätze in der Literatur, siehe z. B. Bai und Gosman (1995) oder Stanton und Rutland (1996). Weiterhin kommt es hierbei zur Bildung von Wandfilm. Wandfilmdynamik erfordert einen eigenen Gleichungssatz und Solver. Auch hierzu bieten CFD-Codes bereits Ansätze, z. B. KIVA-3 V, siehe Amsden (1999), oder auch STAR CD.

15.2.7 Modellierung der turbulenten Dispersion im Standard-Modell Mit turbulenter Dispersion bezeichnet man die Interaktion von Tropfen mit der Turbulenz der Gasströmung. Die meisten CFD-Codes verwenden die Formulierung für den Strömungswiderstand, die die wirkende Krat in eine konstante und eine fluktuierende Komponente auteilen (siehe 15.5), wobei die Geschwindigkeitsfluktuationen v⃗g′′ , die ein Partikel „erfährt“, nach der Verteilungsfunktion G(⃗ vg′′)

v⃗g′′  exp (−  ) =√ σ πσ

mit

σ=



 k 

(15.61)

erwürfelt werden. Dabei wird die Lebensdauer einer turbulenten Fluktuation τcorr als Minimum der turbulenten Zeitskala und der Zeit, die ein Tropfen zum Durchqueren eines

892

G.P. Merker und R. Teichmann

turbulenten Wirbels benötigt (turbulente Längenskala dividiert durch Relativgeschwindigkeit von Tropfen zum Gas), berechnet: ⎛ k ⎞ lt τcorr = min c μ , ⎝ ε ∣⟨vg ⟩ − vtr ∣ ⎠

mit

lt = cμ

/

k / . ε

(15.62)

Dies entspricht der Formulierung im letzten Term der Boltzmann-Williams-Gleichung (15.42). Eine derartige Bewegungsgleichung mit stochastischer Krat wird auch als LangevinGleichung bezeichnet (siehe z. B. Rieckers und Stumpf 1977). Bei der Diskussion der Stoßprozesse im letzten Abschnitt kam bereits zur Sprache, dass die turbulente Dispersion ein wesentlicher Prozess ist, der in der Simulation keinesfalls vernachlässigt werden darf. Durch ein lokales kinematisches Gleichgewicht zwischen Tropfenund Gasbewegung bildet sich zwischen beiden ein Gleichgewicht aus, das auch ein Gleichgewicht der Geschwindigkeitsfluktuationen beinhaltet, d. h. es entsteht ein turbulentes Geschwindigkeitsspektrum in der Tropfenphase („Tropfenturbulenz“). Im Grenzfall kleiner Tropfen (Tropfenradius gegen Null) sollte die turbulente Dispersion in eine turbulente Diffusion wie in (14.32)/(14.33) übergehen. Im Unterschied zur Gasphase wird aber im hier diskutierten Standardansatz in der Tropfenphase keine Mittelung über turbulente Geschwindigkeitsfluktuationen durchgeführt, d. h. keine Turbulenz eingeführt, sondern die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion wird über die Partikel direkt simuliert. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass kleine Partikel ein anderes Geschwindigkeitsspektrum zeigen sollten als große, wird schnell klar, dass dies sehr große lokale Partikelanzahlen erforderlich macht. Selbst 50 Partikel pro Zelle können immer noch viel zu wenig sein. Ebenso bewirken lange Interaktionszeiten Konvergenzprobleme, weil dies bedeutet, dass eine einzige stochastische Gasgeschwindigkeitskomponente sehr lange auf ein Partikel einwirkt. Prinzipiell sollte dies durch andere Partikel mit anderen stochastischen Gasgeschwindigkeiten von ebenfalls langer Lebensdauer aber nicht synchronisierten Start- und Endzeiten kompensiert werden. Praktisch wird an derartigen Partikeln immer Mangel herrschen. Bei kurzen Interaktionen ist das weniger kritisch, weil im sukzessiven Einwirken verschiedener kurzlebiger turbulenter Fluktuationen auf ein Partikel bereits eine Mittelung autritt.

15.2.8

Beschreibung der turbulenten Dispersion mittels Fokker-Planck-Gleichung

Aufgrund der bisherigen Diskussion erscheint es sehr sinnvoll, turbulente Dispersion in einem mathematisch griffigeren Kontext zu formulieren. Ein wesentlicher Schritt dazu wurde bereits von O’Rourke (1989) im KIVA-Code gemacht. Dies lässt sich in einem allgemeineren Sinne nachvollziehen, wenn man berücksichtigt, dass eine Formulierung über eine Langevin-Gleichung mit stochastischer Krat in eine so genannte Fokker-Planck-Gleichung überführt werden kann.

15

Simulation von Einspritzprozessen

893

Wir kommen dazu auf (15.42) (bzw. 15.60) zurück, wobei, wie bereits diskutiert, im Stoßintegral auf der rechten Seite nur mehr der turbulente Dispersionsterm zu finden ist: ∂ ∂ p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t) + [vtr,i p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t)] ∂t ∂x i ∂ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) p(⃗ + x , v⃗tr , R, T; t)] ∂vtr,i ∂ ˙  ∂ ˙  [R V p(⃗ [RZ R p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t)] +  x , v⃗tr , R, T; t)] + ∂R R ∂R ∂ ˙ ∂ [Ttr,A p(⃗ [Dtr v ′′ g,i p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t)] = − x , v⃗tr , R, T; t)] . + ∂T ∂vtr,i

(15.63)

T˙tr,A , R˙ V und R˙ Z beschreiben dabei die Aufheizungs-, Verdampfungs- und Zerfallsquellterme nach (15.18), (15.19) und (15.57). Ziel ist, eine turbulente Mittelung in der Gasphase (á la Reynolds) durchzuführen, um den Term vg′′ auf der rechten Seite zu eliminieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Wahrscheinlichkeitsdichte p von vg′′ abhängt. Im Prinzip geht es um die Ausführung des folgenden Mittelungsschrittes: ∂ ∂ ∂ ∂ ˙ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) ⟨p⟩] + [R V ⟨p⟩] ⟨p⟩ + [vtr,i ⟨p⟩] + ∂t ∂x i ∂vtr,i ∂R  ∂ ˙  ∂ ˙ [RZ R ⟨p⟩] + [Ttr,A ⟨p⟩] +  R ∂R ∂T t ⎡ ⎤ δ p(t) ⎥ ∂ ⎢ ′′ ′′ ⎢ =− ⟩⎥ , Dtr ⟨v g,i (t) ∫ dϑ v g,i (ϑ)⟩ ⟨ ′′ ∂vtr,i ⎢ δv g, j (ϑ) ⎥ ⎢ ⎥  ⎣ ⎦

(15.64)

wobei δ p(t)/δvg′′(ϑ) die so genannte Funktional- oder Fréchet-Ableitung bezeichne. Es geht nun im Folgenden darum, der zunächst formalen rechten Seite einen konkreten Sinn zu geben. Eine formale Lösung von (15.64) mit der Anfangsbedingung

lautet:

x  , v⃗tr, , R  , T ) p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t) = P(⃗ x  − x⃗tr (t), v⃗ − v⃗tr (t), R  − R(t), T − T(t))] p(⃗ x , v⃗tr , R, T; t) = P [⃗ ⎡ ⎤ ⎥ ⎢ t ⎥ ⎢  ˙V ∂ (R R˙ Z ) ∂ (T˙tr,A ) ⎥ ⎢ ∂ R  ∂v tr,i ⎥ − − − ⋅ exp ∫ dτ ⎢ D ⎢ tr ∂v ∂R R ∂R ∂T ⎥ ⎥ ⎢ tr,i  ⎥ ⎢ d ⎥ ⎢ = ⎦ ⎣

(15.65)

894

G.P. Merker und R. Teichmann

wobei x(t), v(t), R(t) und T(t) die Trajektorien entsprechend (15.35) bezeichnen. Für x(t) und v(t) folgt aus den Bewegungsgleichungen d⃗ vtr = Dtr (⟨⃗ vg ⟩ + v⃗g′′ − v⃗tr ) dt die vg′′ -Abhängigkeit: v⃗tr (t, v⃗g′′)

x⃗tr (t, v⃗g′′)

=

=

(15.66)

d⃗ x = v⃗tr dt

v⃗tr (t, v⃗g′′

x⃗tr (t, v⃗g′′

t

= ) + Dtr exp(−Dtr t) ∫ dϑ exp(Dtr ϑ) v⃗g′′ (ϑ) 

t

= ) + Dtr ∫ dϑ exp(−Dtr ϑ) ∫ 

ϑ



˜ ˜ v⃗′′ ( ϑ) d ϑ˜ exp(Dtr ϑ) g

(15.67) .

Bei Vernachlässigung der vg′′ -Abhängigkeit von R(t) und T(t) findet man schließlich folgende vg′′ -Abhängigkeit der Funktion p bis zur ersten Ordnung in vg′′ : ⟨⃗ vg′′ (t)p(t, ⃗ vg′′)⟩

t

= − ∫ dϑ 

t

≈−

∂ ⟨p⟩ (ϑ) ⟨vtr (ϑ, v⃗g′′) v⃗g′′ (t)⟩ ∂vtr,i

− ∫ dϑ 

die

∂ ⟨p⟩ (ϑ) ⟨x(ϑ, v⃗g′′) v⃗g′′ (t)⟩ ∂x i t

∂p (t) ⋅ Dtr exp(−Dtr t) ∫ dϑ exp(Dtr ϑ) ⟨vg′′i (ϑ) v⃗g′′(t)⟩ ∂vtr,i 

t

ϑ

∂p ˜ ⟨ v ′′i ( ϑ) ˜ v⃗′′ (t)⟩ , (t) ⋅ Dtr ∫ dϑ exp(−Dtr ϑ) ∫ d ϑ˜ exp(Dtr ϑ) − g g ∂x i   (15.68) wobei davon ausgegangen wurde, dass die Ableitungen ∂p/∂x sowie ∂p/∂v während der − Zeit (Dtr ) zeitlich annähernd konstant sind. Um eine Ensemblemittelung durchzuführen, wird eine Korrelationsfunktion der Geschwindigkeitsfluktuation zu verschiedenen Zeiten benötigt. Wir machen den (an dieser Stelle üblichen) Ansatz: ∣t  − t  ∣  ⟨vg′′i (t  )vg′′ j (t  )⟩ = k δ i j exp (− )  τcorr

(15.69)

Damit ergibt sich aus (15.68): ⟨⃗ vg′′ (t)p(t, ⃗ vg′′)⟩

∂p Dtr τcorr  Dtr τ  corr ∂p  − kδ i j LLL→ kδ i j t≫τcorr  Dtr τcorr +  ∂vtr,i  Dtr τcorr +  ∂x i EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H D v v /Dtr δ i j

D x v /Dtr δ i j

(15.70)

15

Simulation von Einspritzprozessen

895

und schließlich aus (15.63): ∂ ∂ ∂ ∂ ˙ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) ⟨ p⟩] + [R V ⟨p⟩] ⟨p⟩ + [vtr,i ⟨p⟩] + ∂t ∂x i ∂vtr,i ∂R ∂ ∂ ˙ ∂ ⟨p⟩ ∂ ∂ ⟨p⟩  ∂ [R  R˙ Z ⟨p⟩] + [Ttr,A ⟨p⟩] = [D xv ]+ [Dvv ] +  R ∂R ∂T ∂vtr,i ∂x i ∂vtr,i ∂vtr,i (15.71) Es ist somit ein Diffusionsterm im Geschwindigkeits-Ortsraum entstanden. Diese in ⟨p⟩ lineare Gleichung ist eine Variante der so genannten Fokker-Planck-Gleichung (siehe Rieckers und Stumpf 1977). Die originäre Fokker-Planck-Gleichung (in ihr gibt es nur einen reinen Geschwindigkeitsdiffusionsterm, d. h. D xv = ,Dvv ≠ ) wurde abgeleitet, um die Brown’sche Bewegung (d. h. die Bewegung eines Teilchens in einem Fluid unter dem Einfluss thermischer Fluktuationen) zu beschreiben. Gleichung 15.72 aber beschreibt die Bewegung eines Tropfens im Gas unter Einfluss turbulenter Fluktuationen! Aus dieser Gleichung folgen nach Integration über x, v, R, T und Ausnutzung der Regeln für die partielle Integration für die Mittelwerte, Varianzen und Kovarianzen die Korrelationen: dx i = vtr,i dt ∂D xv ∂Dvv dvtr,i + = Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) + dt ∂x i ∂vtr,i d [vtr,i vtr, j − vtr,i ⋅ vtr, j ]

dt d [vtr,i xtr, j − vtr,i ⋅ xtr, j ] dt d [x i x j − x i ⋅ x j ] dt

wobei gesetzt wurde:

=  (Dvv δ i j − Dtr [vtr,i vtr, j − vtr,i ⋅ vtr, j ])

= [vtr,i vtr, j − vtr,i ⋅ vtr, j ] + D xv δ i j − Dtr [vtr,i x j − vtr,i ⋅ x j ]

= δ i j [vtr,i x j − vtr,i ⋅ x j ]

(15.72)

∂D xv ∂Dvv , = const. ∂x ∂v (15.73) Lediglich die Dritterme ∂D xv /∂x und ∂Dvv /∂v in der zweiten Gleichung rechts wurden berücksichtigt, weil sie für die Zeitentwicklung von vtr Terme erster Ordnung in t erzeugen (das ist aber unter Umständen etwas willkürlich, wenn man große Zeitskalen berücksichtigt). Diese Relationen lassen sich auch direkt aus der Lösung der Langevin-Gleichung (15.67) ableiten, d.h. die Langevin-Gleichung ist äquivalent zur Fokker-Planck-Gleichung. Es werden im Folgenden für Varianzen und Kovarianzen die Definitionen getroffen: A(x, v) = ∫ d  x d  v dR dT A(x, v) sowie

D xv , Dvv , Dtr ,

σvv ,i j = vtr,i vtr, j − vtr,i ⋅ vtr, j σxv ,i j = x i vtr, j − x i ⋅ vtr, j σx x ,i j = x i x j − x i ⋅ x j .

(15.74)

896

G.P. Merker und R. Teichmann

Wie ist der Gleichungssatz (15.73) zu interpretieren? Die Geschwindigkeitsvarianz σvv („Tropfenturbulenz“) strebt gegen den Gleichgewichtswert Dvv /Dtr . Die Kovarianz σxv strebt gegen D xv /Dtr + Dvv /Dtr  = k ⋅ τcorr / und die Varianz der Ortsvariablen, σx x , wächst nach einer Einlaufphase schließlich linear im Sinne eines Diffusionsprozesses: D x x → (/)⋅k ⋅τcorr ⋅t. Das heißt, die Fokker-Planck-Gleichung mündet schließlich, nachdem die Geschwindigkeitsverteilung ins Gleichgewicht gekommen ist, in einen räumlichen Diffusionsprozess. Das Verhältnis von Tropfenrelaxationszeit zu strömungsmechanischer Zeitskala wird Stokes-Zahl genannt St = /Dtr τcorr . Über dieses Verhältnis wird wesentlich bestimmt, ob und in welchem Maße Tropfen der turbulenten Strömung folgen. Für kleine Tropfen gilt St →  . Wie ist nun das Phänomen der turbulenten Dispersion entsprechend dieser Gleichung in den Lagrange’schen Lösungsansatz zu integrieren? Dazu betrachten wir die Lösung der (15.73) für ein räumlich konzentriertes Flüssigkeitspaket für einen Zeitschritt Δt; die Anfangsbedingungen seien x i = x ,i , v i = v ,i ; Varianzen und Kovarianzen seien gleich Null. Sie lautet: vtr,i = ⟨vg,i ⟩ + (v ,i − ⟨vg,i ⟩) exp(−Dtr Δt) + ( xtr,i = x ,i + ⟨vg,i ⟩ ⋅ Δt +

σvv ,i j = δ i j

σvx,ij

v ,i

∂D xv ∂D xv + ) Δt ∂x ∂x − ⟨vg,i ⟩  ∂D xv ∂D xv + ) Δt  ( − exp(−Dtr Δt)) + ( Dtr  ∂x ∂x

Dvv ( − exp(−Dtr Δt) DR k Dvv Dvv k = δ i j [ τcorr − ( τcorr +  ) exp(−Dtr Δt) +  exp(−Dtr Δt)]   Dtr Dtr

σx x ,i j = δ i j [ +

k  k Dvv ( τcorr +  ) [ − exp(−Dtr Δt)] τcorr Δt −  Dtr  Dtr

Dvv [ − exp(−Dtr Δt)]] . Dtr

(15.75) Die zugehörige Verteilungsfunktion ⟨p⟩ ist eine korrelierte Gauss-Verteilung der Größen x und v:  ⟨p(⃗ x , v⃗, R, T)⟩ = exp(−q  x⃗ − q  x⃗v⃗ − q  v⃗ ) . (15.76) N Die Bestimmung der Koeffizienten N und q sei dem Leser zur Übung überlassen. Die Tropfendynamik wird nun zunächst in Wechselwirkung nur mit der mittleren Gasgeschwindigkeit berechnet, d. h. es werden für jedes Partikel die ersten beiden Gleichungen von (15.76) gelöst. Die turbulenten Fluktuationen liefern in jedem Zeitschritt stochastisch ermittelte Offsets in Ort und Geschwindigkeit, die in Übereinstimmung mit den letzten drei Gleichungen von (15.75) zu wählen sind. Es gilt: vtr,i (t + Δt) − vtr,i (t) = vtr,i (t + Δt) − vtr,i (t) + δv i

xtr,i (t + Δt) − xtr,i (t) = xtr,i (t + Δt) − xtr,i (t) + δx i

mit vtr,i (t) = vtr,i (t) mit

xtr,i (t) = xtr,i (t) .

(15.77)

15

Simulation von Einspritzprozessen

897

Die Variablen δx i = xtr,i − ⟨xtr,i ⟩ und δv i = vtr,i − ⟨vtr,i ⟩ sind wie oben festgestellt normalverteilt, allerdings ist ihre Verteilung korreliert. Wir benötigen zum „Auswürfeln“ zwei unabhängige Variable. Es sei δx i die eine, so liefert δz i = δv i −

σv x δx i σx x

(15.78)

die andere Variable, denn ihre Kovarianz ⟨δz i δx j ⟩ verschwindet (wir setzen σx x ,i j = σx x δ i j etc.). Für die Varianz dieser Variablen gilt5 : ⟨δx i δx j ⟩ = σx x δ i j

⟨δz i δz j ⟩ = (σvv −

(15.79)

σv x  ) δi j . σx x

In diese Formeln sind auf der rechten Seite die Lösungen aus (15.76) einzusetzen. Nun kann man zur Ermittlung von δx und δz komponentenweise bezüglich einer Normalverteilung würfeln (dazu ist die inverse Errorfunktion als Stammfunktion der Normalverteilung ein einziges Mal zu invertieren und zu tabellieren und das Ergebnis mit der jeweiligen Standardabweichung (Wurzel aus der Varianz) zu multiplizieren). δx und das aus (15.79) gebildete δv können anschließend in (15.78) einfließen. Wie bereits erwähnt, verwendet der CFD-Code KIVA einen ähnlichen Ansatz (siehe Amsden et al. 1989; O’Rourke 1989), allerdings nur für den Fall, dass die Korrelationszeit τcorr kleiner als der Rechenzeitschritt ist. Gerade der andere Fall langer Korrelationszeiten ist aber aus Gründen der statistischen Konvergenz besonders kritisch. Insbesondere dann sollte dem hier vorgestellten Ansatz (besser noch der Weiterentwicklung im nächsten Abschnitt) der Vorrang gebühren. Die in KIVA vorhandene Modellierung ist aber leicht im oben vorgeschlagenen Sinne abänderbar. Von anderen CFD-Codes sind uns vergleichbare Ansätze leider nicht bekannt. Die turbulente Dispersion wirkt auch auf das thermische Verhalten der Tropfen. In der Tropfenaufheizung und -verdampfung sind Geschwindigkeitseinflüsse in den Vorfaktoren nach Ranz-Marschall berücksichtigt, da in der tropfenbezogenen Reynoldszahl der Betrag der Geschwindigkeitsdifferenz von Tropfen und Gas autritt. Diese sollten korrigiert, d. h. gemittelt werden. Es sei hierfür ein einfacher Ansatz diskutiert. Zunächst zerlegt man die Geschwindigkeitsdifferenz und berechnet diese nach (15.68) bis (15.71) vtr − ⟨⃗ vg ⟩) −  ⟨⃗ vtr ⋅ v⃗g′ ⟩ + ⟨(⃗ vg′ ) ⟩ ⟨(⃗ vtr − v⃗g ) ⟩ = (⃗ 



LLL−→ (⃗ vtr − ⟨⃗ vg ⟩) − k

Dtr τcorr + k t≫D Dtr τcorr +   − Dtr τcorr  = (⃗ vtr − ⟨⃗ . vg ⟩) + k Dtr τcorr +  

5



(15.80)

Aufgrund der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung gilt σ xv  ≤ σ x x ⋅ σvv und daher ⟨δz i δz i ⟩ ≥ .

898

G.P. Merker und R. Teichmann

Dies führt schließlich zu einer mittleren Reynoldszahl:     ⎞   − Dtr τcorr ⎛   ⟨Retr (∣⃗ vg ⟩∣) ⋅  + k . vtr − v⃗g ∣)⟩ = Retr (∣⃗ vtr − ⟨⃗  + Dtr τcorr ⎝ ∣⃗ vtr − ⟨⃗ vg ⟩∣ ⎠

(15.81)

Da dieser Ausdruck nicht direkt garantiert, dass der Term unter der Wurzel nicht negativ wird (wie es aufgrund von (15.81) sein sollte), ist dies explizit sicherzustellen. Die Fokker-Planck-Gleichung enthält keine turbulente Gasgeschwindigkeit mehr, die zu erwürfeln ist. Allerdings müssen auch in diesem Ansatz die Partikel nach wie vor die lokalen statistischen Geschwindigkeitsverteilungen der Tropfenphase wiedergeben, und auch dies ist noch ein hoher Anspruch, der typischerweise sehr große Partikelanzahlen erforderlich macht.

15.2.9

Die Difusionsdarstellung der Fokker-Planck-Gleichung

Man kann noch einen Schritt weitergehen, indem man explizit herausarbeitet, dass die Fokker-Planck-Gleichung letztlich auch einen Diffusionsprozess im Raum beschreibt. Zur Ableitung gehen wir von (15.72) aus, die wir uns auf einzelne Tropfenpakete beschränkt vorstellen (siehe die Diskussion im letzten Absatz von Abschn. 15.2.6), so dass die autretenden Varianzen nicht zu groß werden, und integrieren die Basis-Gleichung sowie die mit v multiplizierte Gleichung über v:  ∂ ∂ ˙ ∂ ˙ ∂ ∂ [R V η] +  [R  R˙ Z η] + [Ttr,A η] =  η+ [⟨vtr,i ⟩ η] + ∂t ∂x i ∂R R ∂R ∂T ⎡ ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ∂ ∂ ∂ ⎢ ⎥ [⟨vtr, j ⟩ ⟨vtr,i ⟩ η] + [⟨vtr, j ⟩ η] + ⎢(⟨vtr, j vtr,i ⟩ − ⟨vtr, j ⟩ ⟨vtr,i ⟩) η⎥ ⎥ ∂t ∂x i ∂x i ⎢ ⎢EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H ⎥ ⎥ ⎢ σ v v , i j ⎦ ⎣  ∂ ∂ ˙  ˙ [R V ⟨vtr, j ⟩ η] +  [R RZ ⟨vtr, j ⟩ η] − Dtr (⟨vg,i ⟩ − ⟨vtr,i ⟩) η + ∂R R ∂R ∂η ∂Dvv ∂ ˙ [Ttr,A ⟨vtr, j ⟩ η] + D xv − η=, + ∂T ∂x j ∂vtr, j

wobei

 ∫ d v ⟨p(x, v, R, T; t)⟩ =∶ η(x, R, T; t)

 ∫ d v v i ⟨p(x, v, R, T; t)⟩ =∶ ⟨v i ⟩ η(x, R, T; t)

(15.82)

(15.83)

etc.

gesetzt wurde (d. h. wir verwenden das gleiche Mittelungssymbol wie bei der turbulenzinduzierten Ensemblemittelung, da auch hier über Geschwindigkeitsfluktuationen gemittelt

15

Simulation von Einspritzprozessen

899

wird). Subtrahiert man von der zweiten die mit ⟨vtr, j ⟩ multiplizierte erste (15.83), ergibt sich: ∂ ∂ ∂ ⟨vtr, j ⟩ + [σvv ,i j η] − Dtr (⟨vg,i ⟩ − ⟨vtr,i ⟩) η ⟨vtr, j ⟩ + ⟨vtr,i ⟩ η ∂t ∂x i ∂x i EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F GF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H η

+ D xv

η dtd ⟨v tr, j ⟩

(15.84)

∂η ∂Dvv − η=. ∂x j ∂vtr, j

Nach ⟨vtr, j ⟩ aufgelöst findet man: t

⟨vtr, j ⟩ η = exp(−Dtr t) ∫ dτ exp(Dtr τ) [Dtr ⟨vg, j ⟩ +

∂D xv ∂Dvv + ]η ∂x j ∂vtr, j  EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FG F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H ⟨˜v tr, j ⟩η

t ⎤ ⎡ ⎥ ⎢ ∂ ⎥ [σ η + D η] − δi j ⎢ t) dτ exp(D τ) exp(−D vv xv ⎥ . tr ∫ tr ⎢ ∂x i ⎥ ⎢  ⎦ ⎣

(15.85)

Eingesetzt in die erste der (15.82) ergibt sich damit

⎤ ⎡ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ t ⎥ ⎢ ∂ ⎢ ∂ ∂ ∂ ⎥ ⎢ exp(−Dtr t) ∫ dτ exp(Dtr τ) (σvv + D xv ) η⎥ η+ [⟨vtr,i ⟩ η] − ⎥ ∂t ∂xtr,i ∂xtr,i ∂xtr,i ⎢ ⎥ ⎢  ⎥ ⎢ ⎢ EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FG F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H ⎥ ⎢ ⎥  d ⎣ ⎦  dt σ x x , i j  ∂ ∂ ˙ ∂ ˙ [R V η] +  [R  R˙ Z η] + [Ttr,A η] = . + ∂R R ∂R ∂T (15.86) Das heißt, wir haben eine verallgemeinerte Diffusionsgleichung abgeleitet! So weit wurde noch keine Näherung verwendet. Jetzt gehen wir aber zum Grenzfall kleiner Tropfen (Dtr → ∞) über, dann gilt: ⟨vtr,i ⟩ = ⟨vg,i ⟩ +

∂ k ⋅ τcorr ) ( ∂x i 

∂Dvv ≈ (für ∂vtr,i k σv x = τcorr  k σx x = τcorr t 

Retr ≪ )

(15.87)

900

G.P. Merker und R. Teichmann

und damit wird aus (15.86) ∂η ∂ ∂ k ∂ ˙ ∂ (⟨vg,i ⟩ η) − [R V η] ( τcorr )+ η+ ∂t ∂xtr,i ∂xtr,i  ∂xtr,i ∂R  ∂ ∂ ˙ [R  R˙ Z η] + [Ttr,A η] =  +  R ∂R ∂T

(15.88)

was einer klassischen Diffusionsgleichung (Diffusion im Ort x) entspricht. Wie ist der Ansatz (15.87) rechnerisch abzubilden? Wir führen für jedes Partikel gemäß (15.73) drei neue Variable mit folgender Dynamik ein: dσvv =  (Dvv − Dtr σvv ) dt dσxv = σvv + D xv − Dtr σxv dt dσx x = σxv . dt

(15.89)

Es sind nun im Zeitschritt Δt die Variablen δx i bezüglich einer Normalverteilung mit Varianz σx x (Δt) ≈ σxv Δt zu würfeln und zum Partikelort zu addieren, entsprechend (15.78). Sind die Tropfen hinreichend klein (d. h. es gilt nun die Diffusionsnäherung 15.88), kann man sich das Lösen der (15.90) sparen, man setzt einfach σx x =

k τcorr Δt . 

(15.90)

Die Reynoldszahlkorrektur von (15.81)/(15.82) ist zu modifizieren, da als Basis jetzt die Differenz der mittleren Geschwindigkeiten vorliegt. Eine Neuberechnung liefert: ⟨(⃗ vtr − v⃗g ) ⟩ = (⟨⃗ vtr ⋅ v⃗g′ ⟩ + ⟨(⃗ vtr ⟩ − ⟨⃗ vg ⟩) + ⟨⃗ vtr′ ⟩ −  ⟨⃗ vg′ ) ⟩ 



= (⟨⃗ vtr ⟩ − ⟨⃗ vg ⟩) + σvv + k 





 − Dtr τcorr .  + Dtr τcorr

(15.91)

Dies führt schließlich zu einer mittleren Reynoldszahl:

⟨Retr (∣⃗ vtr − v⃗g ∣)⟩ = Retr (∣⟨⃗ vtr ⟩ − ⟨⃗ vg ⟩∣)    ⎛ ⎞  τ  − D  tr corr  + (k + σvv ) ⋅ .  + Dtr τcorr ⎝ ∣⟨⃗ vtr ⟩ − ⟨⃗ vg ⟩∣ ⎠

(15.92)

Im Grenzfall kleiner Tropfen verschwindet der Korrekturterm, allerdings wird die Reynoldszahl aufgrund der Radiusabhängigkeit ohnehin klein. Diese Modellierungsansätze sind inzwischen in STAR 4 verfügbar, im KIVA-Code sind sie leicht umsetzbar. Eine stochastische Geschwindigkeitskomponente gibt es nicht mehr,

15

Simulation von Einspritzprozessen

901

die Partikel müssen nicht mehr die lokalen Geschwindigkeitsfluktuationen auflösen; stattdessen werden diese Fluktuationen über vom Partikel mitgeführte Korrelationsfunktionen beschrieben. Aus diesen Gründen sind diese Ansätze (15.87)/(15.90) oder (15.89)/(15.91) zur Implementierung der turbulenten Dispersion zu bevorzugen. Im Grenzfall kleiner Tropfen geht die Flüssigphase in eine Spezies der Gasphase über, die turbulente Dispersion wird zur turbulenten Diffusion. Auch die turbulenten Diffusionskonstanten müssen übereinstimmen, aus dieser Kongruenzforderung lässt sich τcorr bestimmen: cμ k c μ k k τcorr = ⇒ τcorr = . (15.93)  Sc t ε Sc t ε

15.2.10

Probleme des Standard-Strahlmodells

Wie schon erwähnt, leidet das Standard-Strahlmodell unter erheblichen numerischen Defiziten. Wenn man die relative Einfachheit des Modellierungsansatzes mit stochastischen Partikeln der hohen Komplexität der Aufgabe, nämlich die Auflösung einer IntegroDifferenzialgleichung im achtdimensionalen Raum, gegenüberstellt, ist das Versagen des Strahlmodells eigentlich gar nicht sehr verblüffend. In der Tat liegen die Probleme auf der Hand. Einerseits besteht die Problematik der kleinen Längenskalen, die am Düsenloch aufzulösen sind, und zum anderen diejenige der fehlenden statistischen Konvergenz. Bei typischen Dieseleinspritzstrahlen mit Einspritzung kurz vor dem oberen Totpunkt ist die Situation nicht allzu kritisch, da es sich um einfache Strahlgeometrien (Lochdüse!) und geringe Flüssigkeitslängen handelt. Die Situation wird sehr viel schwieriger, wenn man Kegelstrahlen, wie sie etwa von modernen Piezo-A-Düsen für Benzindirekteinspritzung erzeugt werden, untersucht. Diese zeigen eine hochkomplexe Wirbeldynamik, die noch dazu extrem von den Randbedingungen wie ambienter Gastemperatur, Düsen- und Brennraumgeometrie und Tropfengröße abhängt. Die korrekte Berechnung dieser Phänomene ist nur mit einem leistungsfähigen Strahlmodell möglich. Generell sind aber alle Anwendungen mit großer Flüssigkeitslebensdauer, wie z. B. Einspritzprozesse im Saug- oder frühen Kompressionshub, als anspruchsvoll zu bewerten.

Problem: räumliche Aulösung des Strahls Ein Problem bei der Strahlsimulation liegt unmittelbar auf der Hand und war auch schnell bekannt: die Größe typischer Düsenlöcher ist sehr klein und wird daher üblicherweise nicht numerisch aufgelöst. Die Konsequenz schlechter Netzauflösung ist eine falsche Berechnung der Austauschprozesse zwischen Gas- und Flüssigphase. Zunächst aber sollte darauf hingewiesen werden, dass eine fehlende Auflösung der Strahldimensionen auch beim mit klassischer Strömungsmechanik berechneten Gasfreistrahl zu inakzeptablen Ergebnissen führt. Beim räumlichen Auflösungsproblem handelt es sich also gerade nicht um ein Spezifikum des Lagrange’schen Strahlmodells.

902

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Ein Düsenloch eines Pkw-Dieselmotors bewegt sich inzwischen in der Größenordnung von 100 μm. Man sollte es idealerweise noch mit 10 Netzzellen auflösen, was auf eine Netzzellenkantenlänge von 10 μm führen würde. Bei gleichmäßiger Netzfeinheit würde das für ein Kompressionsvolumen von 20 Kubikzentimetern hochgerechnet 20 Milliarden Netzzellen liefern! Daher sind adaptiv verfeinerte Netze sicherlich das Mittel der Wahl, auch kommt man wohl mit weniger als 100 Netzzellen pro Düsenöffnung (10 × 10) aus. Aber extrem hohe Anzahlen von Netzzellen und aufwendig konstruierte Netze sind unverzichtbar. Die weit verbreitete Praxis sieht leider anders aus. Um trotz ungenügender Netzauflösung dennoch Ergebnisse ähnlich verfügbaren Messungen zu erzielen, wird eine Vielzahl an Modifikationen der Strahlmodellierung eingeführt, z. B. zur Beschreibung des Strahlzerfalls (ein sehr effizientes Tuning!). Die (unphysikalische) Wirkungsweise der Aufbruchsmechanismen in einer solchen Simulation lässt sich folgendermaßen verstehen: Mit großen Tropfen wird die Zone mit falschem Impulsaustausch übersprungen, bei einigen Ansätzen wird dieser sogar explizit in Düsenlochnähe unterbunden („intact core length“). Anschließend müssen aber schnell kleine Tropfen erzeugt werden, um für die notwendige Gemischbildungsqualität zu sorgen. Wie bereits in Abb. 15.4 dargestellt wurde, ist das Eindringverhalten eines LochdüsenEinspritzstrahls nahezu unabhängig von der Tropfengröße. Mit hinreichend kleinen Tropfen saugt er sehr viel Gas an und verhält sich genau wie ein Gasfreistrahl. Wesentliche Einflussfaktoren sind dabei der Impulsstrom I, sowie der Strahlwinkel α (der wiederum hauptsächlich von der Umgebungsdichte ρ g abhängt). Der Impulsstrom in einem Querschnitt eines stationären Freistrahls mit Öffnungswinkel α im Abstand x von der Düse beträgt α I = ρg v  π x  tan (15.94)  und wird entlang des Strahls erhalten. Ein Massenpunkt im Freistrahl bewegt sich dann nach der Beziehung:   √  I I dx       = t. x α ⇒x = α ⋅ dt ρg πtan  ρg πtan 

(15.95)

Auch das Eindringverhalten der prinzipiell instationären Strahlspitze wird über diese Relation (bei konstantem Impulsstrom) sehr gut abgebildet; selbst bei vollständiger Verdampfung. In letzterem Falle beschreibt die Formel das Eindringverhalten der Dampfphase. Daraus folgt aber sofort, dass das Strahlverhalten in erster Ordnung unabhängig von der Tropfengröße und damit vom Strahlzerfall ist. Voraussetzung dafür sind hinreichend kleine Tropfen, dies ist aber bei modernen Dieseleinspritzstrahlen eigentlich immer gegeben. Wenn ein Eindringtiefen-Tuning mittels Strahlzerfall überhaupt möglich ist, spricht diese für unphysikalisch große Tropfen oder ein Strahlmodell mit fehlender statistischer Konvergenz, siehe nächsten Abschnitt.

15

Simulation von Einspritzprozessen

903

Abb. 15.6 Adaptiv verfeinertes Netz mit Düsenlochauflösung für einen Ottomotor mit Piezo-aktuierter A-Düse. Der damit berechnete Strahl ist rechts dargestellt. Eine zu grobe Netzstruktur erzeugt viel zu buschige Strahlen (mittleres Bild)

Die aktuell sinnvollste Lösung besteht in der Verwendung von im Strahlbereich adaptiv verfeinerten Netzen (siehe Abb. 15.6), wobei zusätzlich noch der so genannte Längenskalenbegrenzer (Johnson et al. 1995) ausgesprochen nützlich ist. Beim Längenskalenbegrenzer wird die turbulente Längenskala im Strahlbereich auf den Strahlquerschnittsradius lStr begrenzt. Aus dieser Vorgabe heraus ergibt sich im Abstand x von der Düse die folgende Zwangsbedingung für ε / / / k / k ε ≥ cμ = cμ . (15.96) lStr x tan α Bei Verletzung dieser Relation wird ε entsprechend dem Gleichheitszeichen definiert. Man bewegt sich bei einem derartigen Vorgehen sicherlich an der Grenze des im Sinne der Strömungsmechanik zulässigen; andererseits ist der Ansatz sowohl physikalisch sinnvoll als auch mathematisch wohldefiniert. Zusätzlich zur turbulenten Längenskala werden auch turbulente Diffusion und Viskosität (∝ k  /ε) eingeschränkt, daher wird ein falscher Impulsabfluss unterbunden, der zu einem zu geringen Eindringverhalten führt. Ein wesentlicher Aspekt des Längenskalenbegrenzers: er wird auf feinen, strahlauflösenden Netzen unwirksam (dort ist die Relation (15.96) automatisch erfüllt). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass selbst ein mit korrekter Netzauflösung im Standard-k-ε-Modell berechneter runder Gasfreistrahl (aus einer Lochdüse) zu buschig ausfällt und damit nach (15.96) zwangsläufig eine zu geringe Eindringtiefe aufweist. Dieses Problem kann durch Einführung eines zusätzlichen Quellterms in der ε-Gleichung, die sogenannte Pope-Korrektur (siehe Pope 1978), gelöst werden: ΔQ = ,

⇀ ⇀ ⇀  k [S i j (∇ × v) (∇ × v) − (∇ × v) Tr(S i j )] . i j ε

(15.97)

Eine einfache Konstantenmodifikation, die ebenfalls für eine korrekte Freistrahleindringtiefe sorgt, ist eine Wahl von ε1 ≈ 1,55.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Problem: Statistische Konvergenz Auch wenn man nun versucht, mit dem Standard-Strahlmodell Rechnungen mit hoher Netzauflösung durchzuführen, kann man in Schwierigkeiten geraten. Es existiert sogar hartnäckig die (falsche) Behauptung, das Strahlmodell funktioniere nicht auf feinen Netzen! Das eigentliche Problem aber steckt in der fehlenden statistischen Konvergenz pro Rechenzelle. Die Anzahl der Partikel pro Zelle ist hierfür relevant; wenn nun die Anzahl der Netzzellen aufgrund von Netzverfeinerung steigt, wird dieses Verhältnis naturgemäß schlechter (man betrachte dazu die Abb. 15.7). Zum Erreichen der Konvergenz muss man neben dem Limes „Kantenlänge der Netzzellen geht gegen Null“ auch den Limes „Partikelzahl pro Netzzelle geht gegen Unendlich“ anstreben! Im Mindesten muss dieses Verhältnis auf hohem Niveau konstant gehalten werden. Dies impliziert hohe Partikelzahlen! Als Faustregel für Partikelanzahlen könnte man etwa den Ansatz machen, dass 50 Partikel pro Zelle schon einen recht guten Wert darstellen. Befinden sich an der Düsenöffnung N Zellen der Kantenlänge Δl(in Strahlrichtung) und beträgt die Einspritzgeschwindigkeit vE , so sollten etwa 50 N Partikel in der Zeit Δt = Δl/vE eingespritzt werden. Dies gilt freilich nur unter der Voraussetzung, dass entlang der Strahlrichtung die Anzahl der Zellen, die den Strahlquerschnitt auflösen, nicht zunimmt. Es ist zudem zu beachten, dass die Anforderungen an Partikelzahlen aus Gründen der statistischen Konvergenz extrem modellabhängig sind. Wir haben diesen Punkt bei der Diskussion der einzelnen Modelle bereits ausführlich diskutiert. Ganz besonders kritisch ist die Berechnung von Stoßprozessen, wie sie in naiven Formulierungen des Strahlmodells immer noch vorkommt; diese erfordert unrealistisch hohe Partikelzahlen pro Zelle. Gleichfalls extrem kritisch ist die naive Modellierung der turbulenten Dispersion entsprechend Abschn. 15.2.7: Die turbulenten Fluktuationen von Gas- und Flüssigphase werden explizit berechnet! Dies bedeutet höhere Anforderungen unter Auflösungsgesichtspunkten, als man sie an die Gasphase stellt. Dort wird aus guten Gründen ein Turbulenzmodell verAbb. 15.7 Netzverfeinerung (bei gleichbleibender Partikelzahl) führt zu einer sinkenden Partikelanzahl pro Zelle und damit zu schlechterer statistischer Auflösung der lokalen Tropfeneigenschaten

15

Simulation von Einspritzprozessen

905

wendet. Es muss also abschließend nochmals betont werden, dass die Verwendung von Mittelwertsgleichungen, Fokker-Planck-Gleichung und deren Diffusionsnäherung extrem wichtig ist! Im Übrigen ist festzuhalten, dass das Versagen des Strahlmodells nicht auf die Nichtexistenz eines Kontinuumlimes zurückgeführt werden kann. Es wird nämlich gerne behauptet, dass bei Netzverfeinerung irgendwann ein Tropfen größer sei als eine Netzzelle, dieser Fall aber nicht definiert sei. Man muss sich aber vor Augen halten, dass ein Lösungsverfahren zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktionsgleichung appliziert werden soll, die immer eine wohldefinierte (kontinuierliche) Lösung hat. Die Partikel besitzen darin zwar einen Radius, aber der hat den Charakter eines „inneren“ Freiheitsgrads. Allerdings ist das betrachtete „Paradoxon“ typisch: praktisch scheitern viele Netzverfeinerungen an dem Problem „großer Tropfen“, da sie eben nicht mit einer Partikelvermehrung einhergehen. Dies ist aber kein prinzipielles Problem des stochastischen Ansatzes, vielmehr eines seiner falschen Applikation!

15.2.11

Benzindirekteinspritzung für Schichtladung mit nach außen öfnendem Piezo-Injektor

Abschließend soll noch ein Beispiel für eine nach den vorgestellten Prinzipien durchgeführte Einspritzstrahlberechnung vorgestellt werden. Wie schon erwähnt, stellt die Benzindirekteinspritzung mit nach außen öffnendem Piezo-Injektor eine der interessantesten und gleichzeitig anspruchsvollsten Anwendungen der Strahlsimulation dar. Es wurden die folgenden Qualitätsregeln berücksichtigt: • Das Rechennetz ist das Rechennetz aus Abb. 15.6, d. h. es handelt sich um ein adaptives, düsenlochauflösendes Netz. • Es handelt sich um eine rotationssymmetrische Rechnung, d. h. es wird nur eine „Scheibe“ von 0,5° Sektorwinkel berechnet. In diesen Sektorwinkel werden 100.000 Partikeln eingespritzt, d. h. auf 360° hochgerechnet bedeutet dies 1.440.000 Partikeln. • Es wird eine Modellierung der turbulenten Dispersion in der Diffusionsnäherung der Fokker-Planck-Gleichung (wie in Abschn. 15.2.9 beschrieben) verwendet. • Es kamen keine Kollisionsmodelle zum Einsatz. • Die Tropfengrößenverteilung an der Düse wurde dem Spektrum der turbulenten Längenskalen einer entsprechenden Düseninnenströmungsrechnung entnommen. Der verwendete CFD-Code ist KIVA-3 V. In Abb. 15.8 ist ein derartiger Einspritzprozess (späte Einspritzung zur Erzeugung einer Schichtladung) abgebildet. Der Strahlkegelwinkel beträgt knapp 90°. Der Strahlkegel saugt innen wie außen Lut an, es kommt zu einer Lutströmung innerhalb des Strahlkegels, die in diesen hinein gerichtet ist. Ist der Strahlkegel hinreichend dünnwandig und der Öffnungswinkel hinreichend groß, ist diese strahlkegeleinwärts ge-

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Abb. 15.8 Strahlausbreitung bei einer Benzindirekteinspritzung mit A-Düse bei 6 bar Brennraumdruck. Links Darstellung des Geschwindigkeits- und Druckfeldes, rechts der Gasphasenturbulenz

richtete Strömung stabil; es kommt zu keinem Unterdruck und der Strahlkegel kollabiert nicht, unabhängig von den Umgebungsbedingungen. Dies impliziert, dass sich die relative Position Strahl – Zündkerze auch bei verschiedenen Motorbetriebspunkten nicht ändert. Eine nach außen öffnende Düse besitzt daher eine hohe Strahlstabilität bei gleichzeitig höchster Gemischbildungsqualität, eine wesentliche Voraussetzung für eine strahlgeführte Schichtladungsverbrennung. Nur damit lässt sich das volle Potenzial von geschichteten Magerbrennverfahren gegenüber homogenen λ = 1-Brennverfahren realisieren. Bei Dralldüsen bspw. ist das nicht der Fall; der Strahlkegel ist nicht hinreichend hohl und kollabiert daher insbesondere bei höheren Gegendrücken. Auf der rechten Seite von Abb. 15.8 ist das Turbulenzfeld dargestellt; aufgrund der sehr feinen Netzstruktur sind die Scherschichten an der Strahlinnen- und -außenseite aufgelöst. In Abb. 15.9 ist die Simulation einer Einspritzung in einer Kammer zu verschiedenen Zeitpunkten strahldiagnostischen Untersuchungen (Strahl-Fotografie und ParticleImaging-Velocimetry PIV) gegenübergestellt. Man stellt einerseits eine sehr gute Übereinstimmung fest; andererseits können die strömungsmechanischen Strukturen, insbesondere die sich ausbildenden Wirbel, das experimentelle Ergebnis analysieren und erklären. Eine detaillierte Beschreibung dieser hochaufgelösten Einspritzstrahlberechnungen für Benzindirekteinspritzung findet sich bei Hermann (2008). Es ist im Übrigen festzuhalten, dass das in den Abb. 15.8 bzw. Abb. 15.9 gezeigte stabile Verhalten typisch für Flüssigkeiten zu sein scheint. Gasstrahlen aus einer A-Düse scheinen dagegen viel stärker zum Kollabieren zu neigen (siehe Baratta et al. 2008). Neben den Grundlagen der Strahlstabilität ist auch die Interaktion mit der Gasströmung im Zylinder von Interesse. Insbesondere im Hinblick auf stabile Entflammung und optimales Ausbrandverhalten müssen Einspritzung (Positionierung Düse relativ zur Zündkerze, Taktschema) und Strömung (Tumble-Stärke sowie Anströmungsrichtung und Turbulenzintensität) gut aufeinander abgestimmt werden. Diese Aufgabenstellung ist natürlich nicht

15

Simulation von Einspritzprozessen

907

Abb. 15.9 Gegenüberstellung von Particle-Image-Velocimetry (PIV) und Simulation (links: statische Druckverteilung, rechts: Geschwindigkeitsvektorfeld)

in einer 2D-Geometrie zu leisten. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, die Gemischbildung einfach in einem Ladungswechselnetz analog Abb. 14.10 durchzuführen, da man damit ja sofort in die in Abb. 14.6 beschriebenen Netzabhängigkeiten hereinzulaufen würde. Um diesem Dilemma zu entkommen, bietet sich ein Netzwechsel an. Das sog. „Mappen“, also das projizieren des Strömungsfeldes von einem auf ein anderes Netz ist mit den heutigen Algorithmen kein großes Problem mehr. Die Herausforderung ist vielmehr, die Anforderungen an das Spraynetz in einer komplexen Motorgeometrie zu realisieren ohne auf Zellanzahlen ≫ 1 Million zu kommen. In dem nun folgenden Beispiel, bei dem nicht auf KIVA-3 V sondern den CFD-Code STAR-CD v4 zurückgegriffen wurde, war die Basis ein strahlangepasster Block analog dem 2D-Gitter aus den vorigen Strahluntersuchungen. Dieser Block wurde über ein automatisiert erstelltes Polyedernetz an die detailliert abgebildete, mit Wandschichten versehene Brennraumgeometrie angekoppelt. Trotz der dann erforderlichen Partikel-Anzahl von 1 Million kann die Rechenzeit für den Hochdruckteil auf 16 Prozessoren unter einem Tag gehalten werden. In Abb. 15.10 sind Aufnahmen aus dem Transparentaggregat der Strahlausbreitung der CFD-Simulation zu zwei Zeitpunkten gegenübergestellt. Deutlich ist die Ablenkung der Randwirbel durch die angreifende Tumble-Strömung erkennbar. Durch diese Interaktion

908

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 15.10 Gegenüberstellung des Streulichts im Mittelschnitt des Transparentaggregats (oben, Quelle Dr. J. Schorr, Daimler AG) mit den Tropfen und der λ = 1-Konturlinien in der CFD-Simulation (unten, Quelle Dr. U. Michels, Daimler AG) zu zwei Zeitpunkten

wird die verdampte Gemischwolke zur Zündkerze geweht, wo im Anschluss die Zündung eingeleitet werden kann. Dieses Beispiel zeigt schön, wie durch Kombination der erforderlichen Bestandteile Numerik/Diskretisierung (strahlangepasstes Netz, ausreichend viele Partikel, Wandschichten) und geeigneten physikalischen Modellen (in diesem Fall sei speziell das Modell für turbulente Tropfendispersion genannt) auch so komplexe Vorgänge wir die geschichtete strahlgeführte Benzindirekteinspritzung berechnet werden können.

15.3 Euler-Strahlmodelle So genannte „Euler-Strahlmodelle“ bieten die Chance, den Problemen des LagrangeModells hinsichtlich statistischer Konvergenz und turbulenter Mittelung zu entkommen. „Auswürfeln“ ist immer ineffizient, wenn man die Chance hat, die Mittelungsprozesse bereits im Modell zu berücksichtigen. In diesem Sinne wurde im obigen Abschnitt das naive Standard-Modell, d. h. die Boltzmann-Williams-Gleichung mit ihren komplexen, nicht geschlossen formulierten Quelltermen sukzessive modifiziert, durch Einführung von effektiven Mittelwertsprozessen (Zerfall) und der Fokker-Planck-Gleichung, die stochastisches Verhalten statistisch fassbar macht. Die Quellterme wurden auf diese Weise als verallgemeinerte Diffusionsterme geschlossen formulierbar. Die dynamische Gleichung für die Wahrscheinlichkeitsverteilung selbst ist aber nach wie vor im 8-dimensionalen Zustandsraum definiert und daher nicht direkt lösbar, was (nach wie vor) zu der Quasi-„Simulationslösung“ mittels Lagrange’scher Partikeln führt (allerdings auf Basis einer deutlich „gutmütigeren“, effektiven Dynamik als noch im „naiven“ StandardModell).

15

Simulation von Einspritzprozessen

909

Die Euler-Modelle gehen hier noch einen Schritt weiter, indem sie anstelle einer solchen Gleichung für die Wahrscheinlichkeitsverteilung einen Gleichungssatz für Momente, d. h. Mittelwerte spezieller Observablen wie z. B. Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsvarianz (ähnlich z. B. der Navier-Stokes-Gleichung) direkt, d. h. ganz ohne Partikeleinsatz, lösen. Die Gegenüberstellung der Begriffe „Euler-Modell“ und „Lagrange-Modell“ ist in diesem Zusammenhange zwar allgemein üblich, jedoch nicht besonders zutreffend. Denn der Unterschied beider Formulierungen besteht ja nicht ausschließlich in der Verwendung raumfester oder mit der Strömung mitgeführter Koordinaten, worauf sich dieses Begriffspaar im engeren Sinne bezieht. Vielmehr liegt der tiefere Unterschied in der verschiedenen Formulierung der Dynamik begründet, je nachdem ob diese auf einer Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion oder einem Observablensatz definiert ist. Erst als Lösungsverfahren kommen im ersteren Falle die Lagrange’schen Partikel ins Spiel. In der physikalischen Literatur (auch der statistischen Physik) werden in Anlehnung an die Quantenmechanik für diesen Gegensatz in der Formulierung der Dynamik die Termini SchrödingerBild (Wahrscheinlichkeitsverteilung) und Heisenberg-Bild (Observable) gebraucht. Allerdings wird das Lagrange-Modell von vielen Autoren bzw. in den meisten CFDCode-Handbüchern (KIVA ist hier eine rühmliche Ausnahme!) gar nicht mit Hilfe der Dynamik einer Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion definiert, sondern die Lagrange’schen Partikelgleichungen quasi „direkt“ aus den Tropfengleichungen „abgeleitet“. Vor diesem hemdsärmeligen Vorgehen kann aber nur gewarnt werden, da auf diese Weise der Prozess der Modellbildung mit dem der numerischen Lösung und der dafür erforderlichen Diskretisierung vermischt wird; man kann sich gar nicht sicher sein, es mit einem wohldefinierten Modell zu tun zu haben. Zudem können abstrakter motivierte Partikeldynamiken, wie wir sie etwa mit Hilfe der Fokker-Planck-Gleichung gewonnen haben, so nicht erzeugt werden. Kommen wir jetzt zur Ableitung der Dynamik im Observablen-Bild zurück. Dazu gehen wir von der folgenden Wahrscheinlichkeitsverteilungsdynamik aus: ∂ ∂ ∂ (x) (β) [A i (x, β)ψ(x, β, t)] + [A μ (x, β)ψ(x, β, t)] ψ(x, β, t) + ∂t ∂x i ∂β μ

∂ ∂ ∂ ∂ (x ,β) (ββ) [D i μ (x, β) ψ(x, β, t)] − [D μν (x, β) ψ(x, β, t)] =  , − ∂x i ∂β μ ∂β μ ∂β ν

(15.98)

v , R, T). Es sei O(x, β, t) eine Observable, etwa der Impuls oder das Quawobei (β μ ) = (⃗ drat der Geschwindigkeit. In diesen Fällen wäre die Observable O nicht explizit orts- oder zeitabhängig. Betrachtet man aber z. B. das Quadrat der Geschwindigkeitsfluktuation (Geschwindigkeit minus Geschwindigkeitsmittelwert – der Mittelwert des Quadrats ist dann gerade die Varianz), so kann die Observable O (in diesem Falle über den Geschwindigkeitsmittelwert) auch explizit orts- und zeitabhängig sein. Durch Mittelwertbildung (über β) erhält man eine Größe ⟨O⟩ (x, t), die nun orts- und zeitabhängig ist (nun auch über die Mittelung, nicht nur auf die Weise wie O(x, β, t)). Für die Dynamik ergibt sich mittels

910

G.P. Merker und R. Teichmann

partieller Integration die folgende Beziehung: ∂ ⟨O⟩ (x, t) ∂ = ∫ (ψ(x, β, t)O(x, β, t)) dβ ∂t ∂t ∂O(x, β, t) ∂ (x) = ∫ (ψ(x, β, t) ) dβ − ⟨A i (x, β)O(x, β, t)⟩ ∂t ∂x i +⟨

+⟨

∂ ∂ ∂O(x, β, t) (β) (x ,β) A μ (x, β)⟩ − ⟨ (D i μ (x, β)O(x, β, t))⟩ ∂β μ ∂x i ∂β μ

(15.99)

∂O(x, β, t) ∂ (ββ) (D μν (x, β) )⟩ . ∂β μ ∂β ν

Diese Formulierung neigt allerdings zu Schließungsproblemen, da auf der rechten Seite neue Observablenmittelwerte stehen, deren Dynamik entweder über eine eigene Transportgleichung zu beschreiben oder aber anderweitig zu modellieren ist.

15.3.1 Lokal homogene Strömung Im Grenzfall starker Kopplung zwischen Flüssig- und Gasphase, was z. B. bei hinreichend kleinen Tropfen der Fall ist, kommt es zum Spezialfall der lokal homogenen Strömung. Die Flüssigphase kann jetzt als Spezies im Rahmen einer einphasigen Behandlung beschrieben werden, die turbulente Dispersion geht in die turbulente Diffusion einer Spezies über. Dazu ist lediglich die dynamische (15.89), die gerade diesem Spezialfall entsprach, nach dem Verfahren von (15.100) zu transformieren. Wendet man dieses Verfahren auf die Observable R3 (d. h. bis auf eine Konstante die Masse) an, und integriert über R und T (über v wurde ja bereits integriert), so ergibt sich unter Verwendung von ρfl (x; t) = ∫ dRdT η(x, R, T; t)

π  R ρfl 

(15.100)

(ρ fl bezeichne hierbei die Dichte der Flüssigkeit) aus (15.88) die folgende FlüssigdichteTransportgleichung: ∂ ∂ ρfl R˙ V ∂ ∂ (ρfl ⟨vg,i ⟩) − ρfl + (D t ρfl ) = . ∂t ∂x i ∂x i ∂x i R

(15.101)

Die Transportgleichung für die Gasphase besitzt den inversen Verdampfungsquellterm: ∂ ∂ ∂ ρfl R˙ V ∂ (ρg ⟨vg,i ⟩) − ρg + . (D t ρg ) = − ∂t ∂x i ∂x i ∂x i R

(15.102)

15

Simulation von Einspritzprozessen

911

Die Kontinuitätsgleichung des Gesamtsystems hat dann wieder die Standardform: ∂ ∂ (ρges ⟨vges,i ⟩) =  ρges + ∂t ∂x i ρges = ρg + ρfl

ρges ⟨vges,i ⟩ = ρg ⟨vg,i ⟩ + ρfl ⟨vg,i ⟩ − D t

(15.103) ∂ ρges . ∂x i

Mit dem Flüssigkeitsmassenbruch ergibt sich aus (15.102): ρges cfl R˙ V ∂ ∂ ∂ ∂ (ρges cfl ⟨vges,i ⟩) − (ρges D t cfl ) = ρges cfl + , ∂t ∂x i ∂x i ∂x i R

(15.104)

d. h. wir haben eine Speziesdiffusionsgleichung wie (14.32) gefunden. Man kann also in dieser Näherung die Flüssigphase wie eine Spezies einer einphasigen Strömung transportieren. Durch Betrachtung der Observablen R4 und R3 T ergeben sich analog die Transportgleichungen ∂ ∂ ∂ ∂ (ρges cfl R) + (ρges ⟨vges,i ⟩ cfl R) − (ρges D t (cfl R)) ∂t ∂x i ∂x i ∂x i = ρges cfl (R˙ V + R˙ Z )

∂ ∂ ∂ ∂ (ρges ⟨vges,i ⟩ cfl Ttr ) − (ρges cfl Ttr ) + (ρges D t (cfl Ttr )) ∂t ∂x i ∂x i ∂x i ρges cfl R˙ V Ttr . = ρges cfl T˙A + R

(15.105)

(15.106)

Lokal gibt es also genau einen mittleren Tropfenradius und eine mittlere Tropfentemperatur, beide Größen werden aber im Allgemeinen in Raum und Zeit variieren (typischerweise wird der Tropfenradius mit zunehmendem Abstand von der Düse aufgrund der Verdampfung abnehmen). Wenn man davon ausgeht, dass Flüssig- und Gasphase nicht nur kinematisch sondern auch thermodynamisch im Gleichgewicht sind (d. h. wirklich „mischungskontrolliert“), kann man prinzipiell auf die beiden (15.106) und (15.107) verzichten; der lokale Dampfanteil entspricht exakt dem, was die lokale Temperatur (die für Flüssig- und Gasphase gleich ist) über die Dampfdruckkurve fordert. Sollte sich dieses Gleichgewicht etwa durch Transportprozesse verschieben, wird es durch lokale Verdampfung oder Kondensation sofort wiederhergestellt. Dies definiert Quellterme für die Transportgleichungen von Dampf-, Flüssigphase und innerer Energie. Allerdings ist diese Annahme eher unüblich. Es ist durchaus sinnvoll, nur kinematisches Gleichgewicht anzunehmen, das sich eher einstellt als das thermodynamische. Zudem ist letzteres berechnungsseitig einfacher handhabbar, zum einen, weil der Tropfenradius eine Art Relaxationsfaktor für die thermodynamischen

912

G.P. Merker und R. Teichmann

Austauschprozesse zwischen den Phasen darstellt, zum anderen, weil das Phasengleichgewicht in der hier benötigten Form in den CFD-Codes nicht standardmäßig verfügbar ist, sondern erst implementiert werden muss. Eher ist der umgekehrte Schritt angebracht, dass man sich nicht mit einem einzigen Tropfenradius begnügen möchte, sondern vielmehr das Ziel hat, komplexere RadiusVerteilungen (und damit Radius-Temperaturspektren) aufzulösen. Dazu ist die Einführung so genannter „Tropfenklassen“ sinnvoll. Jede dieser Tropfenklassen ist eine eigene Spezies und beschreibt Tropfen, die am jeweiligen Raumpunkt einem eng umschriebenen Radiusund Temperaturintervall (diese Intervalle sind vom Raumpunkt abhängig) zuzuordnen sind. Jede Tropfenklasse wird durch einen eigenen Gleichungssatz (15.105) bis (15.107) vertreten. Bei den (15.105) bis (15.107) (ob für eine oder mehrere Tropfenklassen) handelt es sich um gewöhnliche Transportgleichungen, die sich in einem Standard-CFD-Code leicht umsetzen lassen. Die Flüssigphase soll zur lokalen Dichte des „Gas“-Gemischs beitragen, aber nicht zur spezifischen Wärme oder zum Druck (denn das sind die Größen der Gasphase, die Wärmeenergie der Flüssigphase wird über die Transportgröße „Tropfentemperatur“ abgebildet). Innerhalb eines CFD-Codes lässt sich das bewerkstelligen, indem man für die Spezies „Flüssigkeit“ ein extrem hohes Molekulargewicht wählt (im Prinzip entspricht ja ein Tropfen jetzt einem Molekül). Die Skalare „Tropfenradius“ und „Tropfentemperatur“ sind passiv. In der Transportgleichung für die Spezies „Dampf “ und in derjenigen für die innere Energie der Gasphase müssen natürlich zu den (15.105) bis (15.107) korrespondierende Quellterme eingefügt werden. Die Quellterme auf der rechten Seite hängen von der Relativgeschwindigkeit von Tropfen zu Gas ab. Bereits im vorigen Abschnitt wurde eine gemittelte Reynoldszahl eingeführt, die nur noch die Differenz der mittleren Geschwindigkeiten benötigt. Im Rahmen der hier vorgenommenen Näherung kleiner Tropfen sollte die Reynoldszahl zu Null gesetzt werden. Das hier vorgestellte Modell bietet sich aufgrund der Voraussetzung kleiner Tropfen insbesondere zur Simulation von Dieselstrahlen an. Es kann bei nur geringem Modellierungsaufwand in den meisten CFD-Codes zum Einsatz gebracht werden. Allerdings müssen nach wie vor düsenaufgelöste Netze verwendet werden; der Einsatz der Pope-Korrektur bei Lochdüsenstrahlen ist empfehlenswert. Das sogenannte ELSA- (Eulerian-Lagrangian Spray and Atomization)-Modell (siehe z. B. Lebas et al. 2005), verfügbar z. B. in STAR CD, verwendet im Düsennahbereich einen Eulerschen Ansatz lokal homogener Strömung, wie hier geschildert. An einer definierten Stelle strahlabwärts wird dann auf das Lagrange’sche Standardmodell umgeschaltet, daher der Name. Dies ist ein sehr sinnvolles Vorgehen, da strahlabwärts die Tropfendichte abnimmt, während die Strahldimensionen zunehmen. Dies bedeutet, dass die Annahme lokal homogener Strömung kritischer wird, während die Probleme des Lagrange-Modells abnehmen. Ein derartiger Beschreibungswechsel wird üblicherweise auch im als nächstes geschilderten Ansatz (Abschn. 15.3.2) eingesetzt.

15

Simulation von Einspritzprozessen

15.3.2

913

Einbettungen von 1D-Euler-Verfahren und anderen Ansätzen

Alle bisher beschriebenen Verfahren benötigten die numerische Auflösung des Düsenlochs. So selbstverständlich diese Forderung eigentlich ist, in der Praxis ist sie nicht immer leicht erfüllbar. Daher sollen sogenannte Einbettungsverfahren diskutiert werden, mit deren Hilfe die Anforderung an die Netzauflösung im motorischen CFD-Code minimiert werden kann. Bei einem solchen Verfahren wird der Strahl, d. h. Flüssig- und Gasphase, in einem düsennahen Bereich (idealerweise in der Zone, in der auch die Flüssigkeit autritt) mit einem eigenständigen Strahlcode auf einem speziellen Rechennetz (typischerweise einoder zweidimensional) berechnet. Die Austauschterme beider Phasen (hinsichtlich Impuls, Masse und Energie) werden dann im motorischen CFD-Code an der entsprechenden Stelle eingekoppelt. In diesem motorischen CFD-Code wird nur die Gasphase berechnet. Bezüglich der thermodynamischen Randbedingungen ist auch eine Rückkopplung vom Motor- an den Strahlcode sinnvoll. Der Ansatz sollte möglichst nur in Düsennähe appliziert werden, wo Effekte wie Queranströmung noch keine große Bedeutung haben. Weiter strahlabwärts kann beispielsweise an einer definierten Stelle auf das Lagrange’sche Standardmodell umgeschaltet werden, siehe Abb. 15.11. Die Wirkungsweise der Einbettungsverfahren beruht darauf, dass im Strahlcode eine hinreichend hohe Auflösung dargestellt werden kann, die Strahlausbreitung inklusive aller Austauschprozesse zwischen den Phasen wird dort korrekt berechnet. Im Motorcode sind nun die Anforderungen an die räumliche Auflösung geringer, da eine Rückkopplung der Auflösungsfehler zwischen beiden Phasen vermieden wird. Es werden die korrekten Quellterme in die Motorrechnung eingekoppelt, eine fehlerhate Berechnung der Gasphase induziert keine Folgefehler im Quellterm. Allerdings sind die Auflösungsanforderungen an den motorischen CFD-Code nach wie vor hoch; es ist dringend zu empfehlen, mit strahladaptiven Netzen zu arbeiten. Ein Vergleich der Ausbreitung der Gasphase im Motor- und im Strahlcode (diese wird nämlich in beiden Codes berechnet!) verschat zusätzliche Sicherheit über die Korrektheit der Berechnung. Die bisher diskutierten Modelle (modifizierter Lagrange-Ansatz sowie lokal-homogene 2-Phasenströmung) sind als Strahlcodes geeignet. Der üblichste Ansatz ist aber ein 1D-Euler-Code, das ICAS-Modell (Integrated Cross-Averaged Spray Model). Hier werden echte 2-Phasen-Euler-Gleichungen für Tropfenklassen über den Strahlquerschnitt (d. h. innerhalb des Strahlkegels) gemittelt. Mit dieser Mittelung werden auch Dif-

Abb. 15.11 Strahlsimulation für die Dieseleinspritzung im ICAS-Einbettungsverfahren: im gelben Kegel 1D-Berechnung, danach Standardmodell

914

G.P. Merker und R. Teichmann

fusionsterme weitgehend eliminiert; die verbleibenden werden gegenüber der dominanten Konvektion vernachlässigt. Der wesentliche Einfluss der Diffusion steckt implizit im Strahlkegelwinkel, der einen Eingabeparameter darstellt. Zur Ableitung geht man sinnvollerweise auf (15.72) zurück. Die Gleichungen für die Flüssigphase lauten (wir verzichten auf alle Mittelungssymbole wie , in diesen Gleichungen sind alle Größen gemittelt bzw. effektiv zu verstehen): ρges cfl R˙ V ∂  ∂  (r ρges cfl ) + (r ρges vfl cfl ) = r  , (15.107) ∂t ∂r R ρges cfl R˙ V ∂  ∂  (r ρges cfl vtr ) + (r ρges cfl vtr ) = r  vtr − r  ρges cfl Dtr (vtr − vg ) , (15.108) ∂t ∂r R ∂  ∂  (r ρges cfl R) + (r ρges vtrl cfl R) = r  ρges cfl (R˙ V + R˙ Z ) , (15.109) ∂t ∂r ρges cfl R˙ V ∂  ∂  (r ρges cfl Ttr ) + (r ρges vtr cfl Ttr ) = r  ρges cfl T˙A + r  (15.110) Ttr . ∂t ∂r R Analog sind Gleichungen für die Gasphase formulierbar ρges cfl R˙ V ∂  ∂  (r ρges cg ) + (r ρges vg cg ) = −r  +E , ∂t ∂r R

(15.111)

ρges cfl R˙ V ∂  ∂  (r ρges cg vg ) + (r ρges vg cg ) = −r  vtr − r  ρges cfl DR (vg − vtr ) . (15.112) ∂t ∂r R Hierbei bezeichne E das Entrainment, d. h. das Ansaugen von Lut als Quellterm der Strahl-Gasmasse. Gleichung 15.111 muss nicht mitgelöst werden, da die restlichen (15.107) bis (15.110) und (15.112) ein 5-dimensionales Gleichungssystem für fünf Variable bilden (cfl , vg , vtr , R, Ttr ); vielmehr kann sie dazu benützt werden, den Entrainmentquellterm E zu berechnen. Die r2 -Terme sind Maßfaktoren, die durch die Geometrie des Problems (Kegel) induziert werden. Dieses Modell hat hyperbolischen Charakter, ist gut lösbar und beinhaltet trotz seiner Einfachheit viele Effekte der Strahldynamik. Insbesondere treten aufgrund des hyperbolischen Charakters typischerweise „stoßwellenartige“ Strukturen auf, wenn etwa die Flüssigphase (eines kalten, nichtverdampfenden Strahles) im Strahl der Gasphase vorauseilt, bis sie an der Strahlspitze dann auf eine „Stoßfront“ ruhenden Gases trit und dadurch abgebremst wird. In summa bildet sich an der Strahlspitze eine Flüssigkeitsansammlung, die Strahlspitze bewegt sich nach dem Gesetz des stationären Gasfreistrahls (15.96)! Diese Stoßfront kann durch Hugoniot’sche Stoßbedingungen charakterisiert werden (siehe Abb. 15.12, aus Krüger 2001). Wie im dreidimensionalen Falle lassen sich wieder mehrere Tropfenklassen einführen, wobei jede nun durch einen Gleichungssatz (15.107) bis (15.110) beschrieben wird. Die detaillierte Beschreibung der praktischen Umsetzung eines derartigen Ansatzes (ICAS) in motorischen CFD-Codes findet sich in Otto et al. (1999) oder Krüger (2001). Das Verfahren hat sich gerade auch in der Praxis äußerst gut bewährt (siehe auch

15

Simulation von Einspritzprozessen

915

Geschwindigkeiten t = 0.5ms 1.0

Fluessigkeit r = 30mu Gas r = 30mu Fluessigkeit r = 5mu Gas r = 5mu Freistrahl

0.6 0.4 0.2 0.0 0.0

0.8

u/uinj [-]

u/uinj [-]

0.8

Geschwindigkeiten t = 1.0ms 1.0

Fluessigkeit r = 30mu Gas r = 30mu Fluessigkeit r = 5mu Gas r = 5mu Freistrahl

0.6 0.4 0.2

1.0 2.0 3.0 4.0 Abstand zum Injektor [cm]

5.0

0.0 0.0

1.0 2.0 3.0 4.0 Abstand zum Injektor [cm]

5.0

Abb. 15.12 Strahlsimulation mit ICAS-Ansatz (Krüger 2001): Ausbreitungsverhalten verschiedener (nichtverdampfender) Strahlen bei unterschiedlichen Tropfengrößen. Die Strahlspitze breitet sich immer gleich, wie ein stationärer Gasfreistrahl aus

Abb. 15.13 Strahlsimulation mit ICAS-Ansatz (Krüger 2001): Im Vergleich mit den Schlieren-Aufnahmen können Strahlform und -ausbreitung sehr gut wiedergegeben werden

Abb. 15.13), insbesondere, da es auch das Problem der Düsenauflösung (zumindest etwas) entschärt. Leider ist weder ein 1D-Eulermodell noch die standardmäßige Einbettung eines anderen Strahlcodes in einem motorischen CFD-Code bisher kommerziell verfügbar. Der erforderliche Programmierungsaufwand (1D-Code, Einbettungs-Schnittstelle, Übergang auf Standard-Modell im Motor-Code) ist als sehr hoch einzuschätzen. Von daher ist dieser Ansatz für die meisten Anwender leider nicht wirklich empfehlenswert bzw. zugänglich.

916

G.P. Merker und R. Teichmann

15.3.3 D-Euler-Verfahren Die letzte Option ist eine vollständige, dreidimensionale, echt mehrphasige Beschreibung des Einspritzstrahls. In der Literatur und in den verschiedenen CFD-Codes sind bereits erste Varianten erhältlich. Typischerweise werden hierbei allgemeine Mehrphasenmodelle verwendet und die Modellkonstanten für die Einspritzstrahlapplikation „empirisch“ angepasst. Wenn man sich aber vor Augen hält, wie sehr und wie häufig diese „numerische Empirie“ bereits schiefgegangen ist, kann dies nicht der zielführendste Weg sein. Ziel sollte vielmehr sein, das in mehrerer Hinsicht (insbesondere nach Durchführung der im vorigen Abschnitt empfohlenen Modifikationen) durchaus bewährte und weiterentwickelte Lagrange’sche Standard-Modell auf theoretischem Wege in eine Euler’sche Modellierung zu transferieren, ohne Modifikation des physikalischen Inhalts (siehe dazu auch Michels 2008). Wir haben unsere Begriffbildung und Modellierung bereits derart entwickelt, dass dieser Schritt keine besondere Schwierigkeit mehr darstellt. Lagrange’sche Modelle haben wir als Lösungsansätze für die dynamische Entwicklung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung identifiziert. Und hinter dem Begriff „Euler-Modell“ verbirgt sich eine Observablendynamik. Wir müssen daher lediglich die Strahlgleichung (15.72), die als Gleichung vom Fokker-Planck-Typ formuliert worden war, in eine Observablendynamik transformieren. Und uns dann, zweitens, um eine Schließung der unbekannten Terme bemühen. Der Transformationsalgorithmus ist in (15.100) dargestellt. Wir verwenden wieder Tropfenklassen, die an der Düse zunächst ein Tropfengrößenspektrum auflösen sollen. Aufgrund der unterschiedlichen Dynamik verschieden großer Tropfen entwickelt sich daraus ein v-R-T-Spektrum. Wir arbeiten wieder mit der massen- (bzw. R3 -)gewichteten Observablen O und erzeugen nach Integration über v, R und T pro Klasse (k) eine Transportgleichung für diese Observable in Raum und Zeit. Dabei setzen wir wieder π  R ρfl p(x, vtr , R, Ttr ; t) = ρ(x, t)  π  ∫ dvtr dRdTtr R ρfl p(x, vtr , R, Ttr ; t)O(x, v, R, Ttr) = ⟨O(x; t⟩ ρ(x, t)  ∫ dvtr dRdTtr

(15.113)

sowie für eine beliebige Funktion f der Observablen R und T ⟨ f (R, Ttr)⟩ = f (⟨R⟩ , ⟨Ttr ⟩) ,

(15.114)

was mit (15.72) und der Absenz von Varianz- oder Kovarianztermen in diesen Größen verträglich ist. Wir setzen im Folgenden einfach ⟨Ttr ⟩ = Ttr und ⟨R⟩ = R. Die Transportgleichung für die Masse der k-ten Klasse lautet: ρ(k) R˙ (k),V ∂ ∂ (ρ(k) ⟨v(k),i ⟩) = ρ(k) + . ∂t ∂x i R(k)

(15.115)

15

Simulation von Einspritzprozessen

917

Die Transportgleichungen für Temperatur und Radius der k-ten Klasse lauten ∂ ∂ (ρ(k) R(k) ) + (ρ(k) ⟨ v(k),i ⟩ R(k) ) = ρ(k) (R˙ (k),V + R˙ (k),Z ) , ∂t ∂x i

ρ(k) R˙ (k),V ∂ ∂ (ρ(k) T(k) ) + (ρ(k) ⟨ v(k),i ⟩ T(k) ) = ρ(k) T˙(k),A + T(k) . ∂t ∂x i R(k)

(15.116)

(15.117)

Die Transportgleichung für den Impuls ergibt sich zu:

∂ ∂ (ρ(k) ⟨v(k),i ⟩ ⟨v(k), j ⟩) + Dtr ρ(k) (⟨v(k),i ⟩ − ⟨vg,i ⟩) ρ(k) ⟨v(k),i ⟩ + ∂t ∂x j ρ(k) R˙ (k),V ∂ ∂ ∂ (ρ(k) τ(k)i j ) + D xv ⟨v(k),i ⟩ , + ρ(k) − ( Dvv ) ρ(k) = ∂x j ∂x i ∂x i R(k)

(15.118)

wobei zur Ableitung der Gleichung wieder wie in (15.73) die Koeffizienten Dtr , vg , Dxv und ∂Dvv /∂x als konstant sowie R˙ V als geschwindigkeitsunabhängig angenommen wurden. Ein turbulenter Spannungstensor wurde folgendermaßen definiert: τ(k)i j = ⟨(v(k),i − ⟨v(k),i ⟩) (v(k), j − ⟨v(k), j ⟩)⟩ .

(15.119)

Als nächstes berechnen wir noch eine Transportgleichung für die Tropfenturbulenz, d. h. die Geschwindigkeitsvarianz, die auch als Spur des Spannungstensors gegeben ist:

Diese Gleichung lautet:

mit

 k(k) = τ(k),i i . 

∂ ∂  ∂ [ρ(k) k(k) ] + [ρ(k) ⟨v(k),i ⟩ k(k) ] + [ρ(k) τ(k),i j j ] ∂t ∂x i  ∂x i ∂v(k), j ∂v(k),i − ρ(k) τ(k),i j + Dtr ρ(k) k(k) + D xv ρ(k) − Dvv ρ(k) ∂x i ∂x i ρ(k) R˙ (k),V = R τ(k)i j j = ⟨(v(k),i − ⟨v(k),i ⟩) (v(k), j − ⟨v(k), j ⟩) (v(k), j − ⟨v(k), j ⟩)⟩ .

(15.120)

(15.121)

(15.122)

Wie schon angedeutet stehen wir vor einem Schließungsproblem: Weder kennen wir den Nicht-Diagonalterm der 2-fach-Korrelationsfunktion τ(k),i j noch die 3-fach-Korrelationsfunktion τ(k),i j j .

918

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Abb. 15.14 Vergleich Diagnostik und Simulation für eine Benzindirekteinspritzung mit A-Düse. Links: Diagnostik; Mitte: Simulation im weiterentwickelten Lagrange’schen Konzept (auf Basis Fokker-Planck-Gleichung) (3D-Bild und 0,5°-Sektor); rechts: Simulation im 3D-Euler-Modell (0,5°Sektor)

Wir schließen diese Terme, indem wir die Quellterme von (15.72) ins Gleichgewicht setzen: ∂  ∂ ∂ ˙ [Dtr (⟨vg,i ⟩ − vtr,i ) p] + [R V p] +  [R  R˙ Z p] ∂vtr,i ∂R R ∂R ∂p ∂p ∂ ∂ ∂ ˙ [Ttr,A p] = [D xv ]+ [Dvv ]. + ∂T ∂vtr,i ∂x i ∂vtr,i ∂vtr,i

(15.123)

Multipliziert man diese Gleichung mit R  (τ(k),i j − δ i j τ(k)l l /) und integriert über v, R und T, so ergibt sich: sf τ(k),i j = τ (k),i j − δ i j

τ(k),l l D xv =  Dtr EFF F GFF F H  

k(k)

⎡ ∂ ⟨v(k),i ⟩ ∂ ⟨v(k), j ⟩ ∂ ⟨v(k),l ⟩ ⎤ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ . (15.124) + − δ i j ⎢ ∂x j ∂x i ∂x l ⎥ ⎣ ⎦

Analoges Vorgehen bzgl. τ(k),i j j führt auf: τ(k),i j j = −

D xv ∂k(k) ∂τ(k),i j [ + ] . Dtr ∂x i ∂x j

(15.125)

15

Simulation von Einspritzprozessen

919

Einsetzen in (10.121) ergibt schließlich: ⎤ ⎡ sf ⎢ D xv ⎛ ∂k(k) ∂τ(k), i j ⎞⎥ ⎢ ⎥ ρ  + ⎢ D (k) ⎝ ∂x ∂x j ⎠⎥ ⎢ tr ⎥ i ⎣ ⎦ ∂v(k),i + Dtr ρ(k) k(k) + D xv ρ(k) − Dvv ρ(k) ∂x i

∂ ∂  ∂ [ρ(k) ⟨v(k),i ⟩ k(k) ] − [ρ(k) k(k) ] + ∂t ∂x i  ∂x i ∂v(k), j  + ρ(k) (τ(k),i j + k(k) δ i j )  ∂x i ˙ ρ(k) R(k),V . = R

(15.126) Der Gleichungssatz weist einige Parallelen zu der Reynolds-gemittelten (14.36) auf. Insbesondere sind typische turbulente Diffusionsterme entstanden. Zusätzlich zu diesen Gleichungen sind noch entsprechende Quellterme in den Gasphasengleichungen zu berücksichtigen (Masse, Impuls, turbulente kinetische Energie, Wärme). Dieser Gleichungssatz wurde bereits in den CFD-Code STAR CD (Version 4) implementiert. Ein erstes Ergebnis zu einer A-Düsenberechnung für Benzindirekteinspritzung in Abb. 15.14 dargestellt. Das genauere Vorgehen bezüglich Ableitung und Implementierung dieses 3D-Euler-Modells findet sich bei Michels (2008).

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920

G.P. Merker und R. Teichmann

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Simulation der Verbrennung Christian Krüger und Frank Otto

16

Dieser Abschnitt ist der strömungsmechanischen Simulation der turbulenten Verbrennung für Diesel- wie Ottomotoren gewidmet. Im Kern geht es dabei „nur“ um die turbulente Mittelung des Quellterms der Spezies-Transportgleichungen (14.18); allerdings ist unmittelbar einsichtig, dass dies ein schwieriges Unterfangen darstellt, da Reaktionskinetik typischerweise exponentiell von der Temperatur abhängt. Der notwendige Modellierungsaufwand dafür ist nicht unerheblich. Mit der reinen Applikation kommerziell standardisierter Modellierungen kommt man (leider) immer noch nicht sehr weit. Es sei darauf hingewiesen, dass wir uns hier ausschließlich mit motorischer Verbrennung beschätigen, d. h. mit instationären, turbulenten Verbrennungsprozessen in komplexen, bewegten Geometrien, in Folge oder in Begleitung von komplexen Gemischbildungsvorgängen. Von daher wird schnell klar, dass viele Verbrennungsmodellierungen, die für wesentlich einfachere Randbedingungen entwickelt wurden, nicht auf Motoren übertragbar sind. Ein weiteres großes Problem für die nachhaltige Etablierung allgemein bewährter Modellierungsfortschritte stellt auch nach wie vor das Fehlen eines zuverlässigen Strahlmodells dar, da dadurch eine Bewertung der Qualität eines Verbrennungsmodells schwierig wird.

16.1 Verbrennungsregimes In Verbrennungsmotoren existieren verschiedene Verbrennungsregimes und deren Mischformen. Sie sind in Abb. 16.1 in einem Dreieck exemplarisch dargestellt. Die Linke untere Ecke ist die klassische Diffusionsverbrennung: Kratstoff und Oxidator sind zunächst ungemischt. Sie mischen in einem ersten Schritt (d. h. einem physikalischen Prozess) und reaDr.-Ing. Christian Krüger B ⋅ Dr. rer. nat. Frank Otto Daimler AG, Stuttgart, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_16, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

921

922

G.P. Merker und R. Teichmann

Homogene Selbstzündung / Raumzündung Ottomotor mit Raumzündung

Homogene Dieselverbrennung

Klopfender homogen vorgemischter Ottomotor Konventionelle Dieselverbrennung

Diffusionsverbrennung

Homogen vorgemischter Ottomotor

Ottomotor mit Schichtladung

Flammfrontverbrennung

Abb. 16.1 Darstellung der verschiedenen motorischen Verbrennungsregimes

gieren in einem zweiten (chemischen Schritt), wobei dieser zweite Schritt viel schneller abläut als der erste. Dies lässt sich auf die prägnante Formel bringen: „gemischt = verbrannt“. Ist hingegen der chemische Zeitschritt der dominante, z. B. weil Kratstoff und Oxidator bereits perfekt gemischt im Brennraum vorliegen, befinden wir uns an der oberen Ecke des Dreiecks, der homogenen Selbstzündung. Das ottomotorische Raumzündungsbrennverfahren kommt diesem Ideal sehr nahe. Umgekehrt liegt ein klassischer Dieselverbrennungsprozess mit geringen Vormischanteilen (etwa bei Einbringung von einer oder mehreren Voreinspritzungen, diese reduzieren den Zündverzug der Haupteinspritzung dramatisch, d. h. sie reduzieren die chemische Zeitskala) in der Nähe des idealisierten Diffusionsverbrennungsprozesses an der linken unteren Ecke. Je größer der Vormischanteil, desto weiter oben auf dem linken Schenkel des Dreiecks liegt die Verbrennung. Eine klassische Flammenfrontverbrennung stellt den rechten unteren Punkt des Dreiecks dar, sie ist deutlich von der homogenen Selbstzündung zu trennen. Denn bei ihr liegt lokal trotz idealer Kratstoff-Oxidatormischung kein selbstzündfähiges Gemisch vor (etwa aufgrund zu geringer Temperaturen und dadurch bedingt viel zu langer Zündverzugszeiten). Zur Verbrennung kommt es hier, wenn (ausgehend von einem Zündherd) eine Flammfront räumlich durch das Gemisch fortschreitet; dabei heizen die heißen verbrannten Gase hinter der Flammfront die noch unverbrannten Gase vor der Flammfront auf, in Folge dessen kommt es dann zur Zündung des unverbrannten Gemisches. Kommt es zu einer Flammfrontbildung in einem Gemisch, das sich nahe an der Selbstzündgrenze befindet, kann bereits die Temperaturerhöhung, die durch die Kompression des unverbrannten Gemisches durch die Ausdehnung des brennenden Gemisches erzeugt wird, zur Selbstzündung führen; es kommt zu Flammfortschrittsgeschwindigkeiten in der Größenordnung der Schallgeschwindigkeit und höher, aus der Deflagration ist eine Detonation geworden. Motorisch tritt das Phänomen des Klopfens auf. In einem Dieselmotor liegen ähnliche Verhältnisse vor. Flammfrontausbreitung tritt eher nicht auf, es kommt im Wesentlichen „gleichzeitig“ zu einer mehr oder weniger unabhängigen Selbstzündung des vorgemischten Kratstoffs. Würden Flammfrontphänome

16

Simulation der Verbrennung

923

in größerem Ausmaße eine Rolle spielen (d. h. der bereits brennende vorgemischte Kratstoffanteil induziert eine Zündung des noch nicht brennenden Anteils) würden sofort wieder unerwünschte Klopfphänomene eine wichtige Rolle spielen. Im Ottomotor mit Schichtladung schließlich liegt eine Mischung aus Diffusionsflammen – und Flammfrontvormischverbrennung vor. Eine Flammfront erfasst das inhomogene Gemisch, hinter der Flammfront existiert aber weiterhin Kratstoff (in den lokal fetten Zonen), wenn auch chemisch sicher nicht mehr in der ursprünglichen Form, und Oxidator (in den lokal mageren Zonen), die dann in einer nachgelagerten Diffusionsverbrennung umgesetzt werden. Es sind auch Verbrennungsabläufe innerhalb des Dreiecks (Abb. 16.1) denkbar, etwa wenn in einem Ottomotor mit Schichtladung bei hinreichend hoher Last Selbstzündphänomene autreten. Diese Zustände scheinen technisch aber (derzeit) nicht von allerhöchster Relevanz zu sein. Zusätzlich ist zu beachten, dass in einem Brennraum turbulente Strömungszustände vorliegen. Die Verbrennungsregimes der Abb. 16.1 sind also sämtlich in ihrer turbulenten Variante zu interpretieren. Bei den beiden unteren Eckpunkten – turbulente Diffusionsverbrennung und turbulente Flammfrontverbrennung – ist das auch unkritisch, weil hier im Wesentlichen eine Skalentrennung vorliegt: die chemische Zeitskala ist wesentlich kürzer als die physikalische (in diesen Fällen die turbulente) Zeitskala, weshalb die letztere dominant ist. In beiden Fällen sind turbulenzgetriebene Prozesse ablaufbestimmend, die turbulente Mischung im ersteren und die turbulente Wärmeleitung im zweiten Falle. Man führt hier als kennzeichnende Größe die turbulente Damköhler-Zahl ein, die das Verhältnis aus turbulenter und chemischer Zeitskala beschreibt: Da =

τt τchem

.

(16.1)

Für die bisher beschriebenen Fälle auf der Basis des Dreiecks in Abb. 16.1 gilt somit: Da ≫ 1. Komplizierter ist die Situation für kleinere Damköhler-Zahlen, d. h. sobald die Reaktionskinetik ablaufbestimmend wird, wir im Dreieck in Abb. 16.1 „nach oben“ gehen. Dann ist eine Zeitskalentrennung Turbulenz-Chemie nicht mehr durchführbar, hochkomplexe Ensemblemittelung ist für eine korrekte Berechnung erforderlich. Modellierungstechnisch günstig sollten sich somit der vorgemischte Ottomotor, der Schichtladungsottomotor und der konventionelle, stark diffusionsverbrennungsdominierte Dieselmotor gestalten. Das ist in der Tat auch genau das Ergebnis, was man in praxi findet.

16.2 Allgemeines Vorgehen Gehen wir nun zum eigentlichen Prozess der Verbrennungssimulation über. Zunächst sei das allgemeine Vorgehen dargestellt. Als erstes ist die thermodynamische Korrektheit des

924

G.P. Merker und R. Teichmann

Modells und der Randbedingungen sicherzustellen. Dies geschieht sinnvollerweise unter Verwendung standardisierter 1D- und 0D-Codes. Insbesondere bei dieselmotorischen Applikationen ist zu beachten, dass das Realgasverhalten1 (d. h. das Verhalten, das sich durch ein Abweichen von der idealen Gasgleichung manifestiert) bereits eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Allerdings sind auch Bauteilelastizitäten (Kolben, Zylinderkopfschrauben) von Relevanz, und beide Effekte haben (zumindest in ihrer Auswirkung auf den Druckverlauf) unterschiedliche Vorzeichen, idealerweise können sie sich in etwa kompensieren. Realgasverhalten ist in kommerziellen motorischen CFD-Codes derzeit leider nicht verfügbar. Im zweiten Schritt sollte das Augenmerk auf dem Druckverlauf in der Expansionsphase (d. h. nach Brennende) liegen. Hier existieren wiederum zwei typische Fehlerquellen, zum einen ein zu niedrig berechneter Wandwärmeübergang, der für zu hohe Druckwerte in der Simulation sorgt, andererseits eine zu schlechte Gemischbildung (typisch bei dieselmotorischen Volllastrechnungen), die für zu niedrige Druckwerte verantwortlich ist. Doch selbst wenn die Druckkurve genau „passen“ sollte, deutet dies noch nicht notwendigerweise auf eine korrekte Beschreibung der Verbrennung hin. Es ist durchaus nicht unüblich, dass sich dann beide Fehler gerade kompensieren (aber natürlich nur in der Druckkurve!). Zur korrekten Berechnung des Wandwärmeübergangs sei auf das in Abschn. 14.2.3 Gesagte verwiesen: es müssen Netze mit korrekten (y+ )-Werten verwendet werden, und man sollte die Han-Reitz-Formulierung (16.53) applizieren. Dennoch wird man damit mitunter immer noch zu niedrige Wandwärmeübergänge berechnen. Ein Grund hierfür ist der fehlende Wärmeübergang aufgrund von Rußstrahlung. Solange nichts Besseres verfügbar ist, besteht der einfachste Weg zur „Korrektur“ in einer Skalierung des Wandwärmeübergangs, so dass sich global der gewünschte Wert ergibt. Dieser Zielwert kann aus einer Brennverlaufsanalyse erhalten werden. Kritischer ist der andere Fall, wenn bei Diesel- oder Benzinmotoren mit Schichtladung die Druckkurve nach Brennende zu niedrig (d. h. niedriger als die experimentelle Kurve oder eine mit einem 0D-Programm berechnete Kurve) liegt. Dann liegt vermutlich ein rechnerisches Gemischbildungsdefizit vor. Es muss betont werden, dass an dieser Stelle bei einem Vergleich zwischen 0D- und 3D-Simulation in der Regel der 0D-Simulation mehr zu trauen ist. Ein 0D-Programm mag ein für den konkreten Applikationsfall unpassendes (bzw. schlecht abgestimmtes) Verbrennungsmodell besitzen, aber nach Brennende sollten alle Druckkurven unabhängig vom konkreten Brennverlauf eng beieinander liegen, wenn nur die gleiche Menge Kratstoff umgesetzt worden ist. 0D-Programme arbeiten aber meist mit experimentell gut abgestimmten Umsatzraten. Nicht so die 3D-Simulation. Die globale Umsatzrate ist hier kein Eingabeparameter, sondern ergibt sich aus der CFD-Berechnung von Strömung, Gemischbildung und Verbrennung. Wenn nun als Konsequenz einer fehler1

Gerade im motorischen Kontext wird der Begriff „Realgas“ häufig unkorrekt gebraucht. „Realgasverhalten“ bezieht sich auf den Fall, dass die innere Energie volumen- oder druckabhängig wird (also z. B. auf ein Van-der Waals’sches Gas, siehe auch Stumpf und Rieckers 1976). Ein Gas, bei dem lediglich die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärme berücksichtigt wird, ist nach wie vor ein ideales Gas. Auch ein inertes Gemisch idealer Gase ist selbst ideal.

Abb. 16.2 Vergleich zweier Brennverläufe aus der 3D-Simulation, durch Raumintegration und durch Indizierauswertung erzeugt. Der durch Raumintegration gewonnene Brennverlauf liegt etwas früher

925 250

1250

200

1000

150

DVA Messung DVA Simulation Chemischer BV

100 50 0 -20

750 500 250

Summenbrennverlauf [J]

Simulation der Verbrennung

Brennverlauf [J/ °KW]

16

0 0

20

40 °KW

60

80

100

haten Gemischbildungsberechnung lokal eine fette Gemischzone mit λ <  vorliegt, dann müssen hier unverbrannter Kratstoff bzw. brennbare intermediäre Spezies (wie z. B. H2 , CO, siehe unten) fortexistieren. Und kein 3D-Verbrennungsmodell der Welt (das als solches immer lokal formuliert ist) kann dieses Problem lösen. Es lohnt also nicht, in diesem Falle nach besseren Verbrennungsmodellen Ausschau zu halten, das Strahlmodell ist der Täter. Dessen Problematik haben wir aber im letzten Abschnitt schon zur Genüge diskutiert. Eine Ad-hoc-Maßnahme, die in der Tat auch „hilt“, ist die Erhöhung der Einspritzgeschwindigkeit, etwa auf völlig unphysikalische Werte jenseits der Bernoulli-Geschwindigkeit. Dieses Vorgehen sei ausdrücklich nicht empfohlen. Sind nun hermodynamik und Gemischbildungssimulation weitgehend unter Kontrolle, d. h. der Druckverlauf in Kompression und Expansion ist korrekt bzw. plausibel (je nach Vergleichs- bzw. Validierungsmöglichkeit), können wir uns mit der Analyse der eigentlichen Verbrennung beschätigen. Hierzu wird typischerweise nicht der Druckverlauf, sondern der Brennverlauf verwendet. Experimentell ergibt sich aus dem Druckverlauf durch Indizierauswertung der Heizverlauf; mittels Wärmeübergangsmodell folgt daraus der Brennverlauf. In der 3D-Simulation liegt es nun nahe, den Brennverlauf durch Summation der Wärmefreisetzungsraten über alle Zellen zu gewinnen. Dieses Vorgehen ist jedoch mit dem experimentellen Vorgehen nicht kompatibel! Denn wenn in einem abgeschlossenen Raum mit adiabaten Wänden sich im Druckgleichgewicht befindliche Gase verschiedener Temperatur gemischt werden, kommt es zu einem Druckanstieg (dies ist im Wesentlichen ein Effekt temperaturabhängiger Wärmekapazitäten, die rechnerische Ableitung sei dem Leser zur Übung überlassen). Betrachten wir nun zwei Fälle: Im ersten Fall ereigne sich die Wärmefreisetzung homogen im Raume, im zweiten Falle inhomogen, erst anschließend komme es dann zur Mischung. Das Gesamtsystem sei abgeschlossen, die integrale Wärmefreisetzung gleich. Da Druck und innere Energie Zustandsgrößen sind, müssen die Endzustände in beiden Fällen identisch sein, weil im zweiten Falle aber mit dem Mischungsprozess ein Druckanstieg verbunden ist, muss der Druckanstieg beim vorhergehenden Prozess der inhomogenen Verbrennung geringer ausfallen als beim ho-

926

G.P. Merker und R. Teichmann

mogenen Verbrennungsprozess im ersten Falle. Übertragen auf das motorische Problem bedeutet dies aber, dass der aus der 3D-Simulation gewonnene Brennverlauf als Raumintegral im Vergleich zu dem durch Indizierauswertung gewonnenen nach früh verschoben ist (siehe Abb. 16.2). Für einen Vergleich von Brennverläufen aus Messung und Rechnung sollte man daher am besten beide Druckkurven einer Indizierauswertung unterziehen.

16.3 Diesel-Verbrennung Bei der Hauptphase der Dieselverbrennung handelt es sich um Diffusionsverbrennung, d. h. die turbulente Zeitskala ist dominant (Da ≫ 1). Selbstzündung und Vormischverbrennung (die eben gerade nicht der ottomotorischen Vormischverbrennung entspricht) sind stärker reaktionskinetisch beeinflusst, d. h. die Damköhler-Zahl ist wesentlich kleiner. Das gleiche gilt für die Schadstoffbildung. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob Verbrennungssimulation überhaupt notwendig ist. Ist nicht der entscheidende Prozess beim Dieselmotor die Gemischbildung, reicht von daher nicht eine Simulation der Gemischbildung aus, um das motorische Verhalten zu analysieren? Im Prinzip ist dieser Ansatz je nach Fragestellung nicht ganz falsch, allerdings wird die Gemischbildung durch lokale Expansionseffekte, die durch die Verbrennung verursacht werden (lokal brennende Zonen werden sehr heiß und dehnen sich daher aus), stark beeinflusst. Von daher ist die Verbrennung nicht vernachlässigbar. Im übrigen hilt die Verbrennung, deutliche Fehler in der Gemischbildungssimulation zu finden, etwa wenn größere Mengen an unverbranntem Kratstoff, CO oder H2 am Ende der Berechnung übrig bleiben. Im Folgenden wird zunächst die Simulation der Wärmefreisetzung behandelt und anschließend die komplexeren Phänomene der Zündung und Schadstoffbildung.

16.3.1 Simulation der Wärmefreisetzung Die Hauptphase der Dieselverbrennung kann als turbulente Diffusionsflamme betrachtet werden, d. h. sie läut mischungskontrolliert ab, nach der Formel „gemischt = verbrannt“. Mit Diffusion ist hier die turbulente Diffusion gemeint.

Eddy-Breakup-Modelle Der einfachste Ansatz zur Modellierung einer turbulenten Diffusionsflamme ist das so genannte „Eddy-Breakup-Modell“. In einem solchen Modell werden in die SpeziesTransportgleichungen vom Typ (16.14) Quellterme Q eingefügt, die mit Spezieskonzentrationen und der inversen turbulenten Längenskala skalieren, d. h. sie beschreiben Zerfallsbzw. Bildungsprozesse, die mit der turbulenten Zerfallszeit τt ∝

k ε

16

Simulation der Verbrennung

927

ablaufen, z. B.

Q∝

cA cB . τt

(16.2)

Entsprechend der Umsatzrate wird eine Wärmefreisetzung berechnet. Zur Beschreibung der Dieselverbrennung muss aber noch der Verbrennungsfortschritt modelliert werden. Der bekannteste und am weitesten verbreitete Ansatz hierfür ist das Mixing-Time-Scale-Modell (siehe Patterson und Reitz 1998). Dort wird aus der turbulenten und einer chemischen Zeitskala (τt und τchem ) eine effektive Zeitskala τeff gebildet, mit der die Verbrennungsprozesse ablaufen τeff = τchem + f τt ,

f =

 − exp(−r) ,  − exp(−)

τchem ≪ τt = c μ

k , ε

(16.3)

wobei r den Massenbruch sämtlicher Reaktionsprodukte bezeichnet. Zu Beginn der Reaktion ist f = 0, d. h. die effektive Zeitskala entspricht der (kleinen) chemischen Zeitskala, die Reaktion läut sehr schnell ab, es kommt zum „Vormischpeak“. Mit der Zunahme an Reaktionsprodukten wächst f (bis maximal 1), es gilt nun τeff ≈ f ⋅ τt , d. h. wir haben jetzt eine Diffusionsverbrennung. Das Mixing-Time-Scale-Modell verwendet üblicherweise sieben Spezies, N2 , O2 , Kratstoff, H2 O, CO2 , CO und H2 . Aus einer gegebenen Konzentrationsverteilung (c(k) , k =  . . . ) wird die korrespondierende Gleichgewichtsverteilung (c* (k) , k = 1 . . . 7) berechnet. Dann wird davon ausgegangen, dass jede Spezies mit der Zeitskala τeff ins lokale Gleichgewicht strebt ρ(

∗ c(k) − ck ∂ ∂ ∂ ∂ ) ck − (Dt ρ ck) = ρ . + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i τeff

(16.4)

Der chemische Gleichgewichtscode für das Mixing-Time-Scale-Modell arbeitet üblicherweise mit zwei Lambda-Regimes. Die Grenze zwischen diesen beiden Regimes ist durch das Lut-Kratstoffverhältnis gegeben, an dem der Kratstoff mit dem vorhandenen Sauerstoff komplett zu CO und H2 umgesetzt werden kann. Im „fetten“ Regime, dessen Lambdawerte niedriger sind als dieser Grenzwert, wird das Gleichgewicht so bestimmt, dass der gesamte verfügbare Sauerstoff dazu eingesetzt wird, aus Kratstoff CO und H2 zu erzeugen. Zusätzlich bleibt aber noch unverbrannter Kratstoff übrig. Im „mageren“ Regime, dessen Lambdawerte höher sind als der Grenzwert, wird davon ausgegangen, dass kein Kratstoff übrig bleibt. Neben dem nichtreaktiven N2 verbleiben somit noch fünf reaktive Spezies, H2 O, H2 , O2 , CO und CO2 . Deren Gleichgewichtskonzentration wird berechnet über die drei Elementmassenbrucherhaltungsgleichungen (für C, O und H), sowie zwei Beziehungen, die aus dem Massenwirkungsgesetz folgen [CO ]

[CO] [O ] [H2 O] [H2 ] [O2 ]

,

,

= KC (p, T) ,

= KH (p, T) .

(16.5)

928

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 16.3 Verteilungen der 7 Spezies über dem Kratstoffmassenanteil bzw. dem Mischungsbruch

T=2000K, p=100bar, Z = 0,1

Massenbruch yi [-]

1 0.8 0.6

Kraftstoff O2 N2 CO2

H2O CO H2

0.4

0.6

0.4 0.2 0

0

0.2

0.8

1

Mischungsbruch Z [-]

Aus diesen fünf Gleichungen ergibt sich ein Polynom vierten Grades, das sich mit der entsprechenden Lösungsformel analytisch lösen lässt. Ergebnisse dieses Gleichgewichtssolvers sind in Abb. 16.3 dargestellt. Entsprechend den Reaktionsraten der Spezies wird über deren spezifische Reaktionsenthalpien h(k) ein Quellterm für die Enthalpiegleichung ermittelt (16.6) q = ρ ∑ h(k) c˙(k) . k

Mit diesem Sieben-Spezies-Ansatz können lokale Zustände auch im Fetten recht gut abgebildet werden. Sowohl in der Modellierung der reaktionskinetischen Einflüsse als auch in der Turbulenzinteraktion ist der Ansatz des Mixing-Time-Scale-Modells allerdings noch sehr einfach. Dennoch kann man mit dieser Modellierung bereits prinzipielle Abhängigkeiten und Mechanismen der dieselmotorischen Verbrennung analysieren. Anstatt mit 7 Spezies lässt sich auch mit weniger, minimal mit 3 Spezies arbeiten:

• Oxidator (Lut + rückgeführtes Restgas), • Kratstoff, • Verbrennungsprodukt. Diese drei Spezies sind formaler Natur; typischerweise wird die folgende Reaktionsgleichung aufgestellt (die Summenformel des Kratstoffs laute Cm Hn ): m + n , n [, ⋅ O + , ⋅ N ] + Cm Hn L→ mCO + nH O + (m + ) N . (16.7) , , 

Die rechte Seite vertritt die Spezies „Produkt“. Etwa vorhandenes Restgas ist noch zusätzlich auf beiden Seiten zu addieren.

β-pdf-basierte Modelle Die Modellierung des Diffusionsanteils kann mit dem so genannten pdf-Time-Scale-Modell, vgl. Rao und Rutland (2002), verbessert werden. In diesem Modell werden zusätzlich zu

16

Simulation der Verbrennung

929

den Speziestransportgleichungen Transportgleichungen für Mischungsbruch und Mischungsbruchvarianz gelöst, aus denen unter Einsatz der β-pdf lokale Mittelwerte der (pdf) relevanten Spezies c(k) ermittelt werden (siehe Abschn. 14.2.4). Die Speziestransportgleichungen lauten nun (pdf)

c(k) − c(k) ∂ ∂ ∂ ∂ ) c(k) − (Dt ρ c(k) ) = ρ . ρ ( + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i τchem

(16.8) (pdf)

Der turbulente Mischungsprozess, der mit der Zeitskala τ t abläut, ist in dem Term c(k) beschrieben, da dieser in einer Zeit der Größenordnung τ t gegen den lokalen Gleichge∗ wichtswert bei homogener Mischung, c(k) , strebt (pdf) c˙(k)



(pdf)

∗ c(k) − c(k)

τt

.

(16.9)

Der Vormischanteil ist damit freilich noch immer mit demselben „phänomenologischen“ Ansatz abgebildet, aber die Turbulenzinteraktion ist nun deutlich detaillierter beschrieben. Dies ist hilfreich insbesondere für Volllastverbrennungen, bei denen der Vormischanteil nur eine geringe Bedeutung hat. (pdf) Wie berechnet sich c(k) ? In der Originalformulierung des Modells wird dazu eine Mittelung über den Mischungsbruch Z (mit β-Verteilung) und die skalare Dissipationsrate χ (mit Gauss-Verteilung) durchgeführt (pdf)

c(k) = ∫ dZ ∫ dχ p β (Z)pdfGauss (χ) c(k) (Z, χ) .

(16.10)

Zur Berechnung dieses Integrals ist aber die Kenntnis der Funktionen c(k) (Z, χ) von Nöten! Die Ermittlung dieser Funktionen, der so genannten Flamelets, erfordert aufwendige reaktionskinetische Berechnungen an laminaren Gegenstromflammen. Die skalare Dissipationsrate hat die Bedeutung einer effektiven Diffusion im Mischungsbruchraum und ist für so genannte Flammenstreckungseffekte, d. h. laminare Fließgleichgewichte zwischen Diffusion und Reaktion, verantwortlich. Im Prinzip wird hiermit der Diffusionsflammenansatz „gemischt = verbrannt“ verlassen, die Chemie wird nicht mehr als „unendlich schnell“ betrachtet. Nun ist aber die Reaktionskinetik gerade in der dieselmotorischen Diffusionsflammenphase aufgrund der hohen Temperaturen wirklich sehr schnell, und Effekte einer endlich schnellen Reaktionskinetik sind ja auf eine sehr phänomenologische Art bereits in der chemischen Zeitskala τchem berücksichtigt. Daher ist es empfehlenswert, die Flammenstreckungseffekte zu vernachlässigen und als reaktionskinetische Basis die Sieben-Spezies-Gleichgewichtskinetik wie oben geschildert zu applizieren, siehe Stei(pdf) ner et al. (2004). Der Rechen- und Modellierungsaufwand vereinfacht sich enorm. c(k) berechnet sich nun zu (pdf) c(k)



∗ = ∫ dZ p β (Z; ⟨Z⟩ , ⟨Z ′′ ⟩) c(k) (Z) . 



(16.11)

930

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 16.4 Simulation der Verbrennung eines NFZ-Dieselmotors mit dem pdf-Time-Scale-Modell. (a) Vergleich von experimentellem und berechnetem Druckverlauf, (b) Vergleich TemperaturIsofläche (Simulation) mit Filmaufnahme aus einem Transparentaggregat (links)

Die Verteilungsfunktion p β ist die β-Funktion mit dem Mittelwert ⟨Z⟩ und der Varianz ∗ Z . Die Funktionen c(k) (Z) sind die in Abb. 16.3 dargestellten (idealerweise ist dabei noch zu berücksichtigen, dass die Temperatur über dem Mischungsbruch nicht konstant ist). ∗ (Z) sind stückweise recht linear. Damit bietet sich ein sehr effizienDie Funktionen c(k) tes Integrationsschema für das Integral (16.11) an. Man zerlege die Z-Achse in Intervalle, ∗ (Z) linear (oder auch quadratisch) approximierbar seien. Das in denen die Funktionen c(k) Produkt einer β-Verteilungsfunktion mit einer in Z linearen Funktion ergibt aber gerade die Linearkombination zweier β-Verteilungsfunktionen ′′ 

−

N(a, b) ( − Z) −

a−

AN(a, b) ( − Z)

Z b− ⋅ (A + B ⋅ Z) =

a−

−

Z b− + BN(a, b) ( − Z)

a−

Zb .

(16.12)

Somit müssen nur Integrale der Form

x

−

B(a, b; x) = N(a, b) ∫ dZ Z a− ( − Z)

b−



≤x≤

(16.13)

16

Simulation der Verbrennung

931

gelöst werden, die in der Literatur als unvollständige β-Funktion bezeichnet werden. Zu ihrer Berechnung existieren sehr effiziente Algorithmen. Ein effizientes Verfahren zum Lösen der Integrale (16.11) ist aber entscheidend, denn diese müssen in jedem Zeitschritt in jeder Rechenzelle berechnet werden. Und β-Verteilungsfunktionen können sehr unangenehme Formen annehmen (bei jedem Z-Wert ist ein beliebig scharfer Peak möglich). Mit dem pdf-Time-Scale-Modell lassen sich (zusammen mit einem korrekten Strahlmodell) sehr gute Vollastergebnisse erzielen. In Abb. 16.4 ist ein Beispiel dafür dargestellt.

ECF-(Extended-Coherent-Flame)-Modelle Diese Modellklasse rührt von den ottomotorischen CFM-(Coherent-Flame)-Modellen her, die eine Flammfrontverbrennung beschreiben, siehe auch Abschn. 16.4.3. Sie sind jedoch für die dieselmotorische Applikation modifiziert. Es gibt nun keine Flammfrontausbreitung mehr, im Verbrennungsdreieck (Abb. 16.1) befinden wir uns nicht mehr auf der Basislinie sondern auf dem linken Schenkel; es findet eine Mittelung zwischen Selbstzündung (sehr schnelle Reaktionskinetik) und Diffusionsverbrennung, nicht aber zwischen Flammfrontausbreitung und Diffusionsverbrennung statt. Typischerweise werden lokal mehrere Zonen eingeführt: • Lutseite; ungemischt • Kratstoffseite; ungemischt • Mischzone (Lut + Restgas) + Kratstoff + Verbrennungsprodukt Es werden nun Speziestransportgleichungen für die einzelnen Zonen formuliert; ein Transfer von „Ungemischt“ nach „Gemischt“ ereignet sich als turbulenter Mischungsprozess mit der turbulenten Zeitskala; die Reaktion in der Mischzone läut wie in einem homogenen Reaktor ab. Es bezeichne cK,u die Konzentration an ungemischtem Kratstoff, cOx,u die Konzentration an ungemischtem Oxidator (Lut und Restgas), cK,g die Konzentration gemischten Kratstoffs, cOx,g die Konzentration gemischter Lut und cP die Konzentration an Verbrennungsprodukten. Eine typische Modellierung könnte dann folgendermaßen aussehen: ∂ ∂ ∂ ε ∂ (ρ ⟨v j ⟩ cK,u ) − (ρ cK,u ) + (Dt ρ cK,u ) = −A cK,u + qVerd ∂t ∂x j ∂x j ∂x j k ∂ ∂ ∂ ∂ ε (ρ ⟨v j ⟩ cOx,u ) − (ρ cOx,u ) + (Dt ρ cOx,u ) = −A˜ cOx,u ∂t ∂x j ∂x j ∂x j k

∂ ∂ ε T ∂ ∂ (ρ cK,g ) + (ρ ⟨v j ⟩ cK,g ) − (Dt ρ cK,g ) = A cK,u − BcK,g exp (− ) ∂t ∂x j ∂x j ∂x j k Takt

∂ ∂ ε T ∂ ∂ (ρ ⟨v j ⟩ cOx,g ) − (ρ cOx,g ) + (Dt ρ cOx,g ) = A˜ cOx,u − λBcK,g exp (− ) ∂t ∂x j ∂x j ∂x j k Takt ∂ ∂ ∂ ∂ T (ρ ⟨v j ⟩ cP ) − (Dt ρ cP ) = ( + λ) BcK,g exp (− ), (ρ cP ) + ∂t ∂x j ∂x j ∂x j Takt

(16.14)

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G.P. Merker und R. Teichmann

wobei λ das stöchiometrische Lut-Kratstoffverhältnis, qVerd den Verdampfungsquellterm ˜ B und B˜ Modellkonstanten bezeichnen. und T akt eine Aktivierungstemperatur sowie A, A, Prinzipiell ist die Einteilung in 2 Zonen (unter anderem „Gemischt“ vs. „Ungemischt“) sehr einfach, der β-pdf-Ansatz ist da fortschrittlicher. Deshalb stellt ein ECF-Modell vielleicht eine kleine Verbesserung relativ zum Mixing-Time-Scale-Modell dar, da es eine bessere Behandlung von Vormisch- und Diffusionsverbrennung erlaubt, indem es diese als hintereinandergeschalteten Prozess betrachtet (erst gelangt Kratstoff in die Mischzone, und dann verbrennt er). Aber es beschreibt die Verbrennung weniger detailliert als ein pdfTime-Scale-Modell, das ein Kontinuum von Gemischzuständen modelliert und nicht nur zwei. Hin und wieder werden daher auch in ECF-Modellen β-pdfs eingeführt (etwa zur Beschreibung der Mischzone), aber dadurch wird die Modellierung komplexer, unhandlicher und unnatürlicher als zuvor. Ein Vorteil gegenüber dem pdf-Time-Scale-Modell ist nicht ersichtlich. Da allerdings ECF-Modelle in heutigen CFD-Codes sich größter Beliebtheit erfreuen, ist man unter Umständen nicht ganz frei in der Wahl des Verbrennungsmodells und muss eben mit einem ECF-Ansatz vorlieb nehmen.

Das Problem der Verteilung der Fortschrittsvariablen Bei der Diskussion der Verbrennungsmodelle konnte man sehen, dass es durchaus sinnvolle Ansätze zur Beschreibung einer Diffusionsverbrennung gibt. Schwierigkeiten bereitet der vorgemischte, chemiedominierte Anteil der Verbrennung. Der Grund dafür liegt darin, dass man keine Information darüber hat, wie sich der Reaktionsfortschritt in Anhängigkeit von den lokalen Gemischbedingungen (d. h. in erster Linie vom Mischungsbruch) gestaltet, oder anders ausgedrückt, wie eine Fortschrittsvariable im Flamelet zu verteilen ist. Es gibt dazu eine ganze Reihe von Ansätzen in der Literatur, wobei sich keiner bisher durchsetzen konnte (siehe z. B. Steiner et al. 2004; Lehtiniemi et al. 2005). Auch die instationären Flamelets (Representative Interactive Flamelets, RIF) gehören in diese Reihe (siehe Peters 2000). Die so genannten Conditional-Moment-Closure (CMC)-Modelle könnten sich unter Umständen als der theoretisch am besten motivierte Weg hier langfristig durchsetzen (siehe dazu Bilger 1993; Klimenko und Bilger 1999). Dabei werden Transportgleichungen für mittlere Spezieskonzentrationen ⟨c i ∣ Z⟩, die bei einem bestimmten Mischungsbruchwert Z vorliegen (d. h. konditioniert sind), gelöst: ⟨ρ ∣ Z⟩

∂Q α ∂ Qα ∂Q α + ⟨ρ ∣ Z⟩ v i − ⟨ρ χ ∣ Z⟩ = ⟨ρϖ ∣ Z⟩ , ∂t ∂x i ∂Z 

(16.15)

wobei das Symbol ⟨X ∣ Z⟩ immer die beim Mischungsbruchwert Z konditionierte Größe X bezeichne (dies gilt damit auch für Fortschrittsvariable, da es sich bei diesen typischerweise um ausgewählte Spezieskonzentrationen handelt). Die lokalen Ensemblemittelwerte ergeben sich nach Integration der konditionierten Größen über Z. Der Term auf der rechten Seite von (16.15) stellt die konditionierte Reaktionsrate dar, und ergibt sich üblicherweise unschwierig aus der Reaktionskinetik. Der dritte Term links ist der kritischste; er entsteht

16

Simulation der Verbrennung

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aus dem Diffusionsterm einer Standard-Transportgleichung durch Transformation von der Raumkoordinate x auf den Mischungsbruch Z und stellt somit den Mischungs- oder Diffusionsterm im Z-Raum dar. Er kann z. B. aus der Zeitentwicklung der MischungsbruchVerteilungsfunktion (etwa der β-pdf aus Abschn. 14.2.4) entnommen werden. Dazu wird verwendet, dass diese Verteilungsfunktion eine Kontinuitätsgleichung erfüllen muss: ∂ ∂ ∂ [⟨ρ ∣ Z⟩ ⋅ p β (Z)] + [⟨ρ ∣ Z⟩ v i p β (Z)] + [⟨ρ χ ∣ Z⟩ p β (Z)] =  . ∂t ∂x i ∂Z 

(16.16)

Da die räumlich-zeitliche Entwicklung von p β (Z) bekannt ist (letztlich ist sie über die Zeitentwicklung von Z und der Varianz von Z gegeben, siehe (14.32) und (14.55)), kann aus (16.16) der Term ⟨ρ χ ∣ Z⟩ (die konditionierte skalare Dissipationsrate) berechnet und dann in (16.15) eingesetzt werden. Dieses Verfahren ist allerdings sehr aufwendig, denn zum Transport einer einzigen Konzentration c sind jetzt mehrere Transportgleichungen erforderlich, da ja jede der „Stützstellen“ der c-Verteilung im Mischungsbruchraum Q(Z n ) = ⟨c ∣ Z n ⟩ separat zu transportieren ist. Bisher kamen zum Transport eines Skalars höchstens zwei Gleichungen (für Mittelwert und Varianz) zum Einsatz. Es gibt allerdings bereits erste Ansätze für die motorische Applikation, siehe De Paola et al. (2008).

16.3.2 Zündung Die Simulation der Zündung ist ein besonders schwieriges Problem, da hier die Zeitskalen von Strömung und (gerade in diesem Falle sehr komplexer) Reaktionskinetik ähnlich groß sind. Es existieren zwar schon reaktionskinetische Mechanismen für viele Kohlenwasserstoffe wie z. B. Heptan, das aufgrund vergleichbarer Cetanzahl (ungefähr 50) ganz gut geeignet ist, das Selbstzündverhalten von Dieselkratstoff abzubilden (aber auch für Dodekan und α-Methylnaphtalin). Aber letztlich nutzt diese Information nicht viel, wenn die Turbulenzinteraktion fehlt. Ein Weg besteht nun darin, die Turbulenzinteraktion zu ignorieren und einen Quellterm basierend auf laminarer, detaillierter Reaktionskinetik einzuführen. Allerdings ist dieser Ansatz derart fehlerhat, dass es den hohen Aufwand der Berechnung nicht unbedingt lohnt. Eine häufig beschrittene Alternative, die wenigstens mit geringerem Aufwand verbunden ist, besteht in der Verwendung phänomenologischer, reduzierter Reaktionskinetik; zu nennen wäre etwa die Verwendung des adaptierten Shell-Modells nach Halstead et al. (1977) oder noch einfachere phänomenologische Ansätze auf Basis einer WolferGleichung (Wolfer 1938). Eine typische Modellierung könnte derart aussehen, dass man eine Indikator-Spezies cI definiert; wird an einem bestimmten Raumpunkt ein vorgegebener () Schwellwert cI erreicht, kommt es lokal zur Zündung (d. h. das Wärmefreisetzungsmodell wird aktiviert). Für cI wird eine Transportgleichung gelöst, etwa mit einem Quellterm

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nach Wolfer (1938): ρ(

∂ ∂ ∂ p Eid ∂ ) cI − (Dv t ρ cI ) = Aid ρ f (λ) exp (− ) . + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i p T

(16.17)

Aufwendigere Ansätze mit Turbulenzeinfluss arbeiten nach dem Flamelet-Konzept. Unglücklicherweise ist die Reaktionskinetik aber zu langsam, als dass eine Gleichgewichtsannahme berechtigt ist. Deshalb kann man dazu überzugehen, nur die Quellterme einer Transportgleichung (z. B. für einen Zündindikator) mit einem Flameletmodell (d. h. über Mischungsbruchmittelung) abzubilden. Als Indikator hat sich u. a. CO als sinnvoll erwiesen, da die Zunahme der CO-Konzentrationen relativ monoton den Zündprozess abbildet. Eine Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass nun der CO-Quellterm wieder vom Reaktionsfortschritt (in unserem Falle der CO-Konzentration selbst) abhängt. Die Verteilung von Fortschrittsvariablen über dem Mischungsbruch ist aber nicht bekannt, wie bereits diskutiert. Hier könnte wieder ein CMC-Ansatz hilfreich sein. Es lässt sich somit feststellen, dass für die Simulation der Zündung derzeit noch kein Patentrezept existiert, man ist auf die Verwendung mehr oder weniger unzulänglicher Modelle und entsprechend Modelltuning angewiesen. Bei typischen dieselmotorischen Verbrennungen mit kurzen Zündverzugszeiten ist dies auch nicht sehr kritisch; für HCCIVerbrennungen gilt diese Behauptung allerdings nicht mehr!

16.3.3 NOx -Bildung Die Simulation der NOx -Bildung beschränkt sich meist auf das thermische NO und arbeitet daher mit dem Zeldovich-Mechanismus, d. h. es wird üblicherweise eine Transportgleichung für die NO-Konzentration gelöst ∂ ∂ ∂ ∂ + vi ) cNOx − (Dt ρ cNOx ) = ∂t ∂x i ∂x i ∂x i QZeldovich (cNOx , cO , cOH , cH , λ, p, T) , ρ(

(16.18)

wobei der Quellterm direkt nach dem Zeldovich-Mechanismus aus den Radikalkonzentrationen O, OH und H (d. h. ohne Ensemble-Mittelung) berechnet wird. Die Radikalkonzentration N wird als im partiellen Gleichgewicht befindlich betrachtet. Da die Zeitskala der NOx -Bildung sehr groß ist (größer als die turbulenten Zeitskalen, dies ist gerade der andere Grenzfall der Chemie-Turbulenzinteraktion), bildet sich das meiste NOx im Verbrannten; von daher wird häufig davon ausgegangen, dass turbulente Temperaturfluktuationen weniger relevant sind (diese spielen in der Brennzone die größte Rolle). Aus diesem Grunde wird die NOx -Bildung dann laminar, d. h. rein reaktionskinetisch auf Basis der EnsembleMittelwerte berechnet. Dieser Ansatz scheint allerdings doch nicht ganz berechtigt zu sein, da die Fehler, die durch Nichtausführung der Ensemble-Mittelung gemacht werden, nicht vernachlässigbar

16

Simulation der Verbrennung

935

Abb. 16.5 Temperatur- und NO-Verteilung in einem Pkw-Dieselmotor. Auf der (drallabgewandten) Lee-Seite der Strahlen kommt es zu den höchsten Temperaturen und folglich den höchsten NOKonzentrationen

sind. Man gerät dann allerdings wieder in die bekannte Situation, dass nur die Hinreaktionen (unter gewissen Gleichgewichts- oder partiellen-Gleichgewichts-Annahmen) eindeutig durch das Lut-Kratstoff-Verhältnis bestimmt und damit im Flamelet (d. h. mittels β-pdf über den Massenbruch) integrierbar sind. Eine Flamelet-Mittelung der Rückreaktion stößt wieder einmal auf das Problem der unbekannten Verteilung des NOx im Mischungsbruchraum. Das Mittel der Wahl könnte daher einmal wieder ein CMC-Ansatz sein. Generell ist diese hematik aber derzeit noch nicht abschließend zu bestimmen, da die Temperatur-Abhängigkeit der NO-Bildung äußerst hoch ist und man sich von daher am Rande der Aussagegenauigkeit der 3D-Simulation bewegt. Abbildung 16.5 enthält eine berechnete Darstellung einer NO-Verteilung in einem PkwDieselmotor entlang einer Ringkurve in der Strahlebene.

16.3.4 Rußbildung Zur Simulation der Rußbildung und -oxidation existieren verschiedene Ansätze, siehe hierzu auch Abschn. 7.2.3. Zunächst gibt es die phänomenologischen Modelle wie z. B. Hiroyasu et al. (1983) oder Nagle und Strickland-Constable (1962). Eine typische Variante verwendet vom ersteren das Bildungsmodell und aus der zweiten Quelle das Oxidationsmodell. Übersetzt in die Strömungsmechanik wird eine Transport-Gleichung für den Rußmassenbruch gelöst ∂ ∂ ∂ ∂ ) cRuß − (Dt ρ cRuß ) = + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i QHiroyasu (λ, p, T) − QNagle-Strickland (λ, p, T) . ρ(

(16.19)

Die Aussagekrat dieser Modelle ist allerdings nicht sehr hoch. Typische, sehr hohe intermediäre Rußkonzentrationen vor Einsetzen der Oxidation werden nur unzureichend wiedergegeben. Von Dederichs et al. (1999) wurde ein neuer Ansatz auf Flamelet-Basis vorgeschlagen, der leistungsfähiger erscheint. Dabei werden die Quellterme der Rußtransportgleichung

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Abb. 16.6 3D-Simulation der Rußverteilung im Pkw-Dieselmotor mit dem Flamelet-Konzept in verschiedenen Phasen der Verbrennung

im Flameletansatz über ein Integral vom Typ QRuß (⟨χ⟩ ; p, T) = ∫ dZ p β (Z) QRuß (Z, ⟨χ⟩ ; p, T)

(16.20)

berechnet. Die Ausdrücke QRuß (Z, ⟨χ⟩ ; p, T) als Funktionen von Z werden dabei durch β-Funktionen approximiert. In dieser Form gestaltet sich die Z-Integration (16.20) entsprechend einfach, da das Produkt zweier β-Funktionen wieder eine β-Funktion ist; die Integration ist analytisch ausführbar. In Abb. 16.6 ist ein Berechnungsergebnis, das mit dem Flamelet-Modell erzielt wurde, dargestellt. Absolute Rußemissionswerte sind aber nach wie vor schwierig zu berechnen. Relative Aussagen (etwa Vergleiche zwischen verschiedenen Muldenformen) lassen sich manchmal bereits aus einer Auswertung der Gemischverteilung und ihrer zeitlichen Entwicklung erzielen. Bei der Bewertung der Berechnungsunschärfen darf nicht vergessen werden, dass ein wichtiges Phänomen, das zur realen, gemessenen Rußemission beiträgt, die Rußoxidation ist. Nun gilt aber wieder, dass die Rußverteilung im Mischungsbruchraum nicht bekannt ist. Auch hier könnte daher ein CMC-Ansatz helfen.

16

Simulation der Verbrennung

937

16.3.5 HC- und CO-Emissionen Weitere Emissionen, die bei modernen Dieselbrennverfahren eine immer bedeutendere Rolle spielen, sind unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und CO. Beide sind Komponenten der 7-Spezies-Modellierung (HC nur als Kratstoff), d. h. das Ergebnis einer Verbrennungsrechnung mit 7-Spezies-Modell liefert prinzipiell HC- und CO-Emissionen. Allerdings müsste für eine korrekte Berechnung detaillierte Reaktionskinetik in den Vordergrund treten, denn es kommt zum „Einfrieren“ der Verbrennung (d. h. wir sind wieder mit „großen“ chemischen Zeitskalen konfrontiert), dies natürlich ensemble-gemittelt. All diese Phänomene können aber in den heutigen Verbrennungsmodellen nicht sinnvoll wiedergegeben werden. Des Weiteren ist festzuhalten, dass die in der Rechnung bei Brennende verbliebenen CO und HC typischerweise „Gemischbildungsartefakte“ sind, d. h. Konsequenz unzureichender Einspritz- und Gemischbildungsmodelle. Dies gilt insbesondere bei Verwendung des „klassischen“ Lagrange’schen Strahlmodells. Selbst bei Applikation verbesserter Strahlmodelle, wie in Kap. 15 diskutiert, dürte die Vorhersagequalität der (turbulenten) Gemischzustände zu Brennende nicht sehr hoch sein; die Abweichungen vom realen Verlauf addieren sich auf. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass HC- und CO-Emissionen auch in absehbarer Zeit im Rahmen eines CFD-Codes nicht sinnvoll berechnet werden können.

16.4 Homogener Benzinmotor (Vormischverbrennung) Bereits der Begriff „Homogener Benzinmotor“ ist eine Fiktion. Denn in Realität ist ein homogener Benzinmotor keineswegs vollständig homogen; in welchem Grad die Homogenität der Gemisch- und Temperaturverteilung erfüllt ist, ist in erster Linie eine Frage der Gemischbildungsqualität. Allerdings sind Fiktionen das Lebenselixier des Berechners, es geht letztlich immer darum, die eine oder andere Näherung durchzuführen, um sich auf das im konkreten Falle Wesentliche zu konzentrieren. So genannte TOEs („heory of Everything“) oder „Globalmodelle“ sind Unfug. Im vorliegenden Abschnitt werden wir daher die Annahme eines perfekt homogenen Gemischs treffen. Gerade bei einem Direkteinspritzer darf aber die durch die Direkteinspritzung generierte Ladungsbewegung im Brennraum nicht vernachlässigt werden. Es ist im Falle einer frühen (d. h. „homogenen“) Direkteinspritzung also sinnvoll, die Direkteinspritzung (und damit ihren Einfluss auf Ladungsbewegung und Turbulenz) zunächst zu berechnen, vor Beginn der Verbrennung das Gemisch aber artfiziell zu homogenisieren (d. h. den Gemischwert lokal auf den globalen Wert zu setzen). Ansonsten läut man unnötigerweise in Gefahr, simulatorische Gemischbildungsartefakte in die Verbrennungsberechnung zu übertragen. Das kann natürlich im einen oder anderen Falle nicht sinnvoll sein, etwa wenn gerade die Qualität der Gemischbildung den Untersuchungsgegenstand darstellen soll (z. B. wenn zu hohe HC- und CO-Emissionen vorliegen). Dann kommt man nicht umhin,

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die Gemischbildung zu betrachten. Beim Kanaleinspritzer ist das ein großes Problem, denn es handelt sich hierbei um eine Mehrzyklenthematik – es bedarf mehrerer Zyklen, bis ein Gleichgewicht zwischen Einspritzung und Abdampfung erreicht ist – und komplexe physikalische Mechanismen wie Filmdynamik, Filmverdampfung und Filmabriss sind von Relevanz. Allerdings werden Kanaleinspritzer immer unbedeutender, und ihre Gemischbildung hat man im Wesentlichen im Griff. Die Gemischbildung des homogenen Direkteinspritzers ist ein wesentlich bedeutenderes Problem und glücklicherweise auch der Berechnung besser zugänglich. Allerdings sind dann die Diskussionen des letzten Abschnitts von höchster Relevanz, aufgrund der Langlebigkeit der Flüssigphase und der komplexen Strömungsstrukturen ist die Fragestellung unter numerischstatistisch-physikalischen Gesichtspunkten (Netzstruktur, -auflösung, turbulente Dispersion, Wandfilmbildung, Ölfilmausdampfung, Mehrkomponentenverdampfung) äußerst (!) anspruchsvoll. Doch nun zurück zum Ottomotor mit perfekt homogenem Gemisch. Man könnte glauben, dass die Simulation der Flammenfrontverbrennung eines Benzinmotors mit homogenem Gemisch eher unproblematisch sein sollte, da die zugrunde liegenden physikalischen Prozesse wohlbekannt sind und gut beschreibbar sein sollten. Leider ist genau das Gegenteil der Fall, es existiert kein motorischer CFD-Code, der ein wirklich akzeptables Modell zur Beschreibung der ottomotorischen Verbrennung bereithält. Dies hängt auch – ähnlich wie bei den Strahlmodellen – mit den hohen numerischen Ansprüchen von Flammenfrontverbrennungsmodellen zusammen. Im Folgenden werden verschiedene gängige Ansätze diskutiert. Zunächst aber widmen wir uns dem größten Defizit heutiger Verbrennungsmodelle, der Nichtberücksichtigung der Zweiphasigkeit.

16.4.1 Zweiphasenproblematik Wie bereits in Abschn. 2.3 diskutiert, ist die aufgefaltete laminare Flammenfront sehr dünn, es handelt sich meist nur um wenige Mikrometer. Wir müssen nun ein Ensemble-Mittel durchführen. In diesem „verwischt“ die dünne aufgefaltete laminare Flammenfront (Flammenfläche Al ), eine dickere „turbulente“ Flammenfront entsteht (die Flammendicke ist von der Größenordnung der turbulenten Längenskala), die nicht mehr entsprechend gefaltet ist (Flammenfläche At ). Auch die Ausbreitungsgeschwindigkeiten Al und st ins Unverbrannte hinein sind verschieden. Ihr Verhältnis entspricht dem reziproken Verhältnis der Flammenflächen st Al = , (16.21) sl At

so dass im gemittelten wie im ungemittelten Bild (turbulent und laminar) die gleiche Umsatzrate berechnet wird (Al sl = At st ). Aufgrund der endlichen Dicke der turbulenten Flammenfront ist eine exakte Definition der Flammenfrontposition nicht selbstverständlich, man kann hier beispielsweise die Position des 50 %-Umsatzpunktes heranziehen.

16

Simulation der Verbrennung

939

Abb. 16.7 Zusammenhang zwischen laminarer und turbulenter Flammenfront. a Laminare Flammenfront im Experiment, Position und Lage der turbulenten Flammenfront sind angedeutet, b Turbulente Flammenfront in der gemittelten Simulation

Abb. 16.8 Situation im Bezugssystem a der Flammenfront und b des unverbrannten Gases

In Abb. 16.7 ist der Zusammenhang zwischen laminarer und turbulenter Flammenfront beispielhat dargestellt. Prinzipiell kommt es in der laminaren Flammenfront zu einem Dichtesprung (entsprechend dem Temperatursprung), der einem Sprung in den Geschwindigkeiten entspricht. In Abb. 16.8a ist die Situation im Bezugssystem der Flammenfront dargestellt, d. h. diese ruht. Mit der laminaren Brenngeschwindigkeit sl tritt das unverbrannte Gemisch in die stationäre Flammenfront ein, das verbrannte Gemisch verlässt diese mit einer anderen Geschwindigkeit vv . Es seien ρv und ρu die Dichten im Verbrannten bzw. im Unverbrannten. Dann gilt aufgrund der Massenerhaltung ρv vv = ρu sl .

(16.22)

In Abb. 16.8b ist die Situation im Bezugssystem des unverbrannten Gases wiedergegeben, d. h. es wurde einfach eine Geschwindigkeitstransformation durchgeführt. Man sieht, dass die Geschwindigkeit zwischen Unverbrannt und Verbrannt einen Sprung der Größe Δv = vv − sl =

ρu − ρv sl ρv

(16.23)

macht! Im turbulenten Fall kommt es durch das Ensemblemittel zu einer Überlagerung von verbrannten und unverbrannten Zuständen, mit verschiedenen Geschwindigkeiten, Dichten, Temperaturen und Turbulenzniveaus. Es liegt eine Zweiphasenströmung vor! Leider

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wird in keinem der motorischen CFD-Codes Vormischverbrennung so behandelt; und damit ist das Hauptdefizit bei der Behandlung der Vormischverbrennung bereits aufgezeigt. Wesentliche Modellierungsfortschritte sind nur bei zweiphasiger Behandlung zu erwarten (aufgrund der eindeutigen „Sprungrelationen“ wie (16.23) ist auch eine äquivalente einphasige Behandlung eines gemittelten Zustands denkbar, aus der sich beide Phasen „rückrechnen“ lassen). Die Nichtberücksichtigung der Zweiphasigkeit führt zu mannigfachen Problemen, eine davon ist die Produktion artifizieller Turbulenz in der Flammenzone. Dies ist leicht einzusehen. Der wichtigste Turbulenzproduktionsterm lautet (siehe 14.36) P = τR,i j ⋅ S i j = F (

∂v k ) ∂xl

mit

F() =  .

(16.24)

Im zweiphasigen Ansatz müsste dieser Term korrekterweise als Mittelung des Terms in der verbrannten und der unverbrannten Phase interpretiert werden (vv und vu beschreiben die Geschwindigkeiten der verbrannten und unverbrannten Phase) PPhasen = cF (

∂vv,k ∂vu,k ) + ( − c)F ( ), ∂xl ∂xl

(16.25)

wobei c die Fortschrittsvariable, d. h. das statistische Gewicht des „Verbrannt“-Zustands, bezeichnet. Im Standard-einphasigen Ansatz wird nur mit einer mittleren Geschwindigkeit v gearbeitet, die eine Überlagerung aus den Geschwindigkeiten der verbrannten und der unverbrannten Phase darstellt v k = cvv,k + ( − c)vu,k .

(16.26)

Mit dieser wird der Term P berechnet. Bei Verschwinden der Geschwindigkeitsgradienten ∂vv,k ∂vu,k = = (16.27) ∂xl ∂xl

wird im (korrekten) zweiphasigen Modell keine Turbulenz produziert, im einphasigen Standardansatz produziert aber bereits ein c-Gradient bei einem gleichzeitigen Phasensprung in der Geschwindigkeit (artifizielle) Turbulenz (bei verschwindenden Geschwindigkeitsgradienten) ∂c ∂v k ) = F ((vv,k − vu,k ) ). (16.28) P =F( ∂xl ∂xl

Da F im Wesentlichen eine quadratische Funktion in den Geschwindigkeitsgradienten ist, wird die artifizielle Turbulenzproduktion umso stärker, je dünner die Flammenfront ist. Denn überschlägig gilt (lF bezeichne die turbulente Flammendicke) P ∝ [Δv

−  Δv  ∂c  ] ≈ [Δv ] =[ ] . ∂x lF lF

(16.29)

16

Simulation der Verbrennung

941

Die Turbulenzgesamtproduktion als Integral über die Flammenfront ergibt dann Pges ≈ P lF ∝

(Δv) , lF 

(16.30)

d. h. sie divergiert für lF → . Der Fehler kann dramatische Dimensionen annehmen, wenn kein Modell verwendet wird, das die Flammenfrontdicke stabilisiert. In diesem Fall produziert die Flammenfront Turbulenz, die daher an der Rückseite der Flammenfront die höchsten Werte annimmt. Diese Turbulenz beschleunigt die Flammenfront (siehe z. B. die Damköhler-Relation, Abschn. 2.3), die Rückseite mehr als die Vorderfront. Die Flammenfront wird damit schneller und dünner. Eine dünnere Flammenfront aber erzeugt vermehrt artifizielle Turbulenz, womit der Kreis sich schließt. Zur Lösung dieses Problems bietet es sich z. B. an, den Turbulenzproduktionsterm in der Flammenfront zu unterdrücken. Insbesondere für dünne Flammenfronten ist der dadurch verursachte Fehler tolerierbar. Aber auf Dauer führt kein Weg an einer zweiphasigen Formulierung vorbei. In der Literatur finden sich bisher bereits Ansätze für eine zweiphasige Behandlung der Enthalpie oder der inneren Energie, aber eben nicht für die Geschwindigkeit. Gerade dies ist aber für eine korrekte Berechnung der Turbulenzproduktion entscheidend.

16.4.2 Magnussen-Modell Das einfachste Verbrennungsmodell für Vormischflammen ist das Magnussen-Modell, es besteht aus einer Transport-Gleichung für die Fortschrittsvariable c (c = 0: kein Stoffumsatz, c = 1: Stoffumsatz vollständig abgeschlossen). In Analogie zum Breakup-Modell für Diffusionsflammen ist die Reaktionsrate proportional zur inversen turbulenten Zeitskala ε/k, wodurch deutlich wird, dass es sich um eine turbulente Vormischverbrennung handelt. Zudem muss die Reaktionsrate Null sein für c = 0 und c = 1, im Verbrannten wie im Unverbrannten. Das Magnussen-Modell lautet somit ρ(

∂ ∂ ∂ ε ∂ + vi )c − (Dt ρ c) = αρu c( − c) , ∂t ∂x i ∂x i ∂x i k

(16.31)

wobei α einen Modellparameter beschreibt. Dieses Modell wird heute kaum noch verwendet, da es schwere Defizite aufweist; aufgrund seiner Einfachheit ist es aber dennoch gut geeignet, wesentliche Eigenschaten einer ganzen Klasse von Verbrennungsmodellen zu studieren. Gleichung 16.31 bildet nach einer Anlaufzeit ein stabiles, von den exakten Anfangsbedingungen unabhängiges Flammenfrontprofil aus, das wie eine dispersionsfreie Welle mit einer definierten Ausbreitungsgeschwindigkeit durch den Brennraum läut, siehe Abb. 16.9. Dies ist eine Konsequenz des nichtlinearen Quellterms. Derartige nichtlineare

942

G.P. Merker und R. Teichmann c 1

Abb. 16.9 Stabiles turbulentes Flammenfrontprofil

0 x c 1

Abb. 16.10 Ausbreitung der Flammenfrontvorderseite

0 x

Wellen sind aus den verschiedensten Teilgebieten der Physik bekannt und werden auch solitäre Wellen oder Solitonen genannt. Im Unterschied dazu ist bei linearen Wellen das Profil nicht vorbestimmt, sondern über die Anfangsbedingungen gegeben. Zudem unterliegen lineare Wellen meist der Dispersion. Aus dieser Solitoneigenschat ergeben sich allerdings zugleich Probleme: Die Profilbestimmung erfolgt an allen Flammenfrontorten numerisch, d. h. unter Lösung einer nichtlinearen Differenzialgleichung, bei teils sehr schlechter Netzauflösung! Denn turbulente Flammendicken liegen in der Größenordnung der turbulenten Längenskala, und diese betragen unter motorischen Bedingungen häufig nur 1–2 mm. Bei einer Netzkantenlänge von 0,5 mm bedeutet das vier Netzzellen pro Flammenfront, und dass dies nicht unbedingt für die Diskretisierung einer nichtlinearen Differenzialgleichung ausreicht, dürte klar sein! Die Frage nach der Ausbreitungsgeschwindigkeit wird im so genannten KPP-heorem (Kolmogorov, Pichunov, Petrovski), beantwortet, siehe auch Kolmogorov et al. (1937). Die Grundidee besteht dabei darin, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfront anhand der Ausbreitungsgeschwindigkeit ihrer „Bugwelle“, d. h. ihrer Vorderfront, analysiert werden kann (siehe Abb. 16.10). In diesem Bereich gilt nämlich c ≈ , und daher kann (16.31) in c linear genähert werden. Zudem gilt ρ ≈ ρu . Arbeiten wir in einer Raumdimension und gehen von konstanten Turbulenzwerten aus, dann erhalten wir die Gleichung ρu

∂c ∂ c ε ∂c + ρu v − ρu Dt  = αρu c . ∂t ∂x ∂x k

(16.32)

Eine stationäre Wellenlösung lautet

c(x, t) = γ (x − (v + st )t) = γ(ξ) .

(16.33)

Einsetzen in (16.32) liefert

− st

dγ d γ ε − Dt  = α γ . dξ dξ k

(16.34)

16

Simulation der Verbrennung

943

Diese Gleichung hat Exponentialfunktionen als Lösung. Im Sinne von Abb. 16.10 ist eine Lösung vom Typ γ = exp(−ωξ) ω≥ (16.35)

zu suchen. Damit erhält man

ω=

st ±



st  − α kε Dt Dt

.

(16.36)

Diese Gleichung hat nur dann eine reelle Lösung, wenn st ≥ 



ε α Dt . k

Das KPP-heorem sagt nun aus, dass der minimale Geschwindigkeitswert √ ε st,min =  α Dt k

(16.37)

gerade derjenige ist, der sich einstellt, wenn die Flammenfront sich von einem begrenzten Ort aus in ein Gebiet mit c = 0 hinein ausbreitet. Um dies zu verstehen, betrachtet man wieder die linearisierte Gleichung (diesmal der Einfachheit wegen ohne v-Term)

deren Greensfunktion

∂ c ε ∂c − Dt  = α c , ∂t ∂x k N ε x + α t) cG (x; t) = √ exp (− Dt t k t

(16.38)

(16.39)

lautet. Dieses Ergebnis kann unschwer aus dem Fall α =  der reinen Diffusionsgleichung abgeleitet werden. Die Greensfunktion beschreibt das asymptotische Ausbreitungsverhalten (nur der Flammenfrontvorderseite!), das von einer Punktquelle ausgeht, der konstante Vorfaktor N ist ohne Relevanz. Um die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu finden, müssen wir die Funktion x(t) berechnen, für die cG stationär ist, d. h. −

x ε  + α t − ln (Dt t) = const. Dt t k 

(16.40)

Für große t sind der logarithmische und der konstante Term vernachlässigbar und man erhält näherungsweise ε x   , (16.41) ( ) = α Dt = st,min t k d. h. wir haben wieder unsere Minimalgeschwindigkeit (siehe 16.37) als Geschwindigkeit einer von einer Punktquelle ausgehenden Flamme gefunden! Setzen wir Dt = c μ

k , ε

944

G.P. Merker und R. Teichmann

√ st =  c μ α u ′ .

so ergibt sich

(16.42)

Dies entspricht der Damköhler-Relation (Abschn. 2.3) im Grenzfall st ≫ sl . Anhand der Greensfunktion (16.39) kann man auch einsehen, dass bei geeigneter räumlicher Vorinitialisierung (d. h. keine Punktquelle) auch höhere Brenngeschwindigkeiten erreicht werden können. Man wähle beispielsweise die Initialisierung c(x; t = ) = exp (−β ∣x∣)

Dies führt für t ≥  auf

mit

β
0 kann dieser Ausdruck ersetzt werden durch ∞  (x − y) N ε − β y + α t) c(x; t) ≈ ∫ dy √ exp (− Dt t k t −∞ (16.45) √ ε  =  π Dt N exp (−βx + (Dt β + α ) t) , k denn der Integrand von (16.45) ist eine Gauss-Funktion, deren Maximum bei y max = x − Dt tβ √ liegt. Die Halbwertsbreite skaliert mit t. Es soll nun die Flammenfrontausbreitung bei großen Zeiten beschrieben werden, d. h. x ≅ st t. Daraus folgt für y max (siehe die Einschränkung an β in 16.43) y max = st −  Dt β > st − st,min >  t

(letzteres Ungleichheitszeichen gilt, sofern st > s t,min , was nach (16.46) und (16.47) sicher√ gestellt ist). Zusammen mit der mit t skalierenden Halbwertsbreite ergibt sich, dass der von Null wesentlich verschiedene Bereich des Integranden von (16.45) zumindest für große t bei positiven y-Werten liegt. Gleichungen 16.45 und 16.44 liefern somit ein identisches Ausbreitungsverhalten. Die Forderung eines stationären Exponenten führt für (16.45), untere Zeile, auf die Beziehung x αε . (16.46) st (β) = = Dt β + t βk Das Minimum dieser Funktion (gegeben durch dst /dβ = ) lautet wiederum √ √ ε αε . s t,min =  α Dt für β = k Dt k

(16.47)

16

Simulation der Verbrennung

945

Dies bedeutet aber auch, dass für kleinere β-Werte höhere Flammenausbreitungsgeschwindigkeiten vorliegen! Daraus folgt ein weiteres sehr ernstes Problem des Magnussen-Modells: es ist sehr instabil gegen inkorrekte Initialisierungen, ja überhaupt gegen geringfügig von Null verschiedene c-Werte vor der Flammenfront (eine Initialisierung wie in (16.43) weicht ja in der Tat nur wenig von Null ab). Anschaulich gesprochen rührt dies daher, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit über die Vorderfront der Flamme (d. h. kleine c-Werte) bestimmt wird, während die größeren c-Werte innerhalb der Flammenfront für das richtige Profil „sorgen“. Diese numerische Sensitivität tritt insbesondere in Wandnähe unmittelbar zutage. Prinzipiell sollte die KPP-Analyse für das Magnussen-Modell auch an der Wand Gültigkeit haben, d. h. die Brenngeschwindigkeit (16.42) müsste eher sinken, da an der Wand die Turbulenz abnimmt (die Dissipation nimmt stark zu). Typischerweise liefern 3D-Simulationen das genau gegenteilige Verhalten, es kommt zu extremen, völlig unphysikalischen Beschleunigungen der Flamme in Wandnähe. Zum Verständnis diesen Phänomens analysiert man die Flammengeschwindigkeit nach (16.37). An der Wand gilt ε∝

 LL→ ∞ , y y→

(16.48)

folglich strebt auch der Quellterm von (16.32) gegen Unendlich, während der Diffusionsterm gegen Null streben sollte, bei endlichem Produkt. Aufgrund numerischer Unschärfen fällt die Diffusion aber nicht auf Null ab, es bleibt immer eine gewisse numerische Diffusion Dnum bestehen, die von Netzauflösung und Numerikschema abhängt. Konsequenterweise kann der Term (16.37) in Wandnähe über alle Grenzen wachsen st,Wand = 



ε  α Dnum ∝ √ LL→ ∞ . k y y→

(16.49)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Magnussen-Modell eine solitäre Welle erzeugt, deren Profil und Ausbreitungsgeschwindigkeit über eine komplexe Interaktion von Quellterm und Diffusion generiert wird. Bei dünnen turbulenten Flammenfronten bzw. in Wandnähe leidet es unter ernsten numerischen Problemen.

16.4.3 Flammenlächenmodelle (auch Coherent Flame Models) Eine verbesserte physikalische Beschreibung liefern die Flammenflächenmodelle (engl. Coherent Flame Models). In diesen beschleunigt die Turbulenz nicht direkt die Flamme (wie nach 16.31), sondern faltet diese stärker auf, eine stärker gefaltete Flamme aber brennt schneller. Zu diesem Zwecke wird eine zusätzliche Transportgleichung für die Flammenfrontdichte Σ (Flammenfläche pro Volumeneinheit) bzw. stattdessen für die spezifische Flammen-

946

G.P. Merker und R. Teichmann

front σ = Σ/ρ gelöst. Diese Gleichung existiert in den verschiedensten Versionen, siehe Poinsot und Veynante (2001). Eine typische Variante lautet ρ(

∂ ∂ ∂σ ε sl ∂  + vi )σ − [ρDt ] = αF ρσ − βF (ρσ) , ∂t ∂x i ∂x i ∂x k c( − c)

(16.50)

wobei αF und βF je nach Ansatz neben Modellkonstanten noch funktionale Abhängigkeiten von den turbulenten und chemischen Zeit- und Längenskalen beinhalten (können). Der erste Term auf der rechten Seite beschreibt die Flammenflächenproduktion durch Turbulenz, der zweite Term stellt eine Senke bedingt durch Ausbrand dar. Zusätzlich muss noch eine Transportgleichung für die Fortschrittsvariable gelöst werden ρ(

∂ ∂ ∂ ∂ + vi )c − (ρDt c) = ρu sl ρσ . ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(16.51)

Die laminare Brenngeschwindigkeit wird z. B. gemäß (4.1) berechnet. Besteht in (16.50) ein Gleichgewicht zwischen Flammenflächenquelle und -senke, so gilt (ρσ)eq sl =

αF ε c( − c) . βF k

(16.52)

Damit erhält man aus (16.51) das Magnussen-Modell! Diese Näherung ist allerdings nur für große Werte von αF und βF erfüllt. Auch bei Flammenflächenmodellen wird die Flammenfront wieder durch eine solitäre Welle abgebildet (diesmal im σ- und im c-Feld), mit definierter Ausbreitungsgeschwindigkeit und definierten c-und σ-Profilen. Dabei läut das c-Feld von 0 (vor der Flamme) auf 1 (hinter der Flamme, während σ vor der Flamme bei Null startet, auf einen Maximalwert in der Flamme hochläut, um dann bis zur Flammenrückfront wieder auf Null abzufallen (siehe Abb. 16.11). Zur Berechnung der Ausbreitungsgeschwindigkeit einer ebenen Flammenfront geht man ähnlich vor wie beim Magnussen-Modell und bestimmt die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Flammenfrontvorderseite; dazu müssen (16.50) und (16.51) in σ und c linearisiert werden, es gilt ρ = ρu . Die so erhaltenen Gleichungen lauten ∂ σ ε ∂ ∂  σ + v ) σ − ρu Dt  = αF ρu σ − βF sl (ρu ) ( ) σ , ∂t ∂x ∂x k c ∂ c σ ∂ ∂  ρu ( + v ) c − ρu Dt = (ρu ) sl ( ) c . ∂t ∂x ∂x c ρu (

(16.53)

Man erkennt, dass eine stationäre Lösung mit σ/c = const. existiert c(x, t) = c  exp (−ω (x − (v + st )t)) ,

σ(x, t) = σ exp (−ω (x − (v + st )t)) .

(16.54)

16

Simulation der Verbrennung

947

Abb. 16.11 Flammenfrontprofile in c und σ

Σ

0

x

c 1

0 x

Einsetzen in (16.53) liefert ω st − Dt ω  = αF

was schließlich auf

ε σ − βF sl ρu , k c σ  ω st − Dt ω = sl ρu , c ω=

st ±



F ε st − Dt βαF + k

Dt

(16.55)

(16.56)

führt. Nach dem KPP-heorem folgt die Ausbreitungsgeschwindigkeit st = 



Dt

αF ε . βF +  k

(16.57)

(Je nach konkreter Gestalt der Ausgangsvariante von (16.50) fällt diese Berechnung natürlich etwas anders aus, man sollte das Ergebnis (16.57) nur exemplarisch verstehen!) Damit ist klar, dass die Flammenflächenmodelle ein vergleichbares mathematisches Verhalten wie das Magnussen-Modell aufweisen, Ausbreitungsgeschwindigkeit und Flammenfrontprofil sind wiederum Ergebnis der Wechselwirkung von Diffusion und Quelltermen in den relevanten Transportgleichungen. Und eine gute numerische Auflösung der Flammenfront ist unabdingbar. Somit liegt aber auf der Hand, dass die Flammenfrontmodelle das größte Defizit des Magnussen-Modells, das schlechte numerische Verhalten, gerade nicht beheben! Auch das Verhalten in Wandnähe ist weiterhin kritisch. Allerdings gibt es Modellierungsansätze, in denen die Wandproblematik nicht mehr vorhanden bzw. deutlich entschärt ist. So enthält bei Poinsot und Menevaux die Funktion αF die so genannte ITNFSFunktion Γ (Γ = Intermittent Turbulent Net Flame Stretch, siehe Poinsot und Veynante (2001), √ k lt ε ), (16.58) αF = α  Γ ( , k δ  sl

wobei δ  die laminare Flammendicke bezeichnet.

948

G.P. Merker und R. Teichmann

Die Funktion Γ aber strebt bei abnehmender turbulenter Längenskala gegen Null. Das heißt an der Wand (lt → ) wird auch das Produkt ε/kΓ gleich Null; es tritt keine numerisch bedingte Divergenz mehr auf! Allerdings würde diese Formulierung auch dem MagnussenModell deutlich weiterhelfen.2 Aufgrund der Auflösungsprobleme sind Flammenflächenmodelle für motorische Rechnungen eher schlecht geeignet, die verfügbaren Rechennetze sind typischerweise zu grob, insbesondere bei später Direkteinspritzung (hohe Turbulenz). Eine andere, hin und wieder sogar praktizierte Option ist die flammenfrontadaptive Netzverfeinerung. Dies ist allerdings sehr aufwendig. In jedem Falle ist es aber sinnvoll, für die Verbrennungssimulation ein eigenes (bei Vormischverbrennung möglichst homogen strukturiertes) Netz zur Verfügung zu haben, das nicht mehr die Ventilstrukturen enthält. Häufig wird behauptet, turbulente Flammenfronten seien gar nicht so dünn, sondern wiesen eine beträchtliche Flammendicke auf, was gerade das Experiment zeige, wenn man die Flammen mehrerer Zyklen überlagere. Hierbei werden einmal wieder Ensemble-Mittelung und Zyklenmitteilung verwechselt. Wie bereits dargestellt (siehe Kap. 14), beinhaltet die Ensemble-Mittelung nur die Mittelung über turbulente („kohärente“) Fluktuationen, die bei gleichen Randbedingungen in der Strömung durch das chaotische Verhalten der zugrunde liegenden Strömungsdynamik hervorgerufen werden. Zyklenschwankungen aber enthalten zusätzliche Schwankungen, die durch Fluktuationen der Rand- und Anfangsbedingungen (Drosselklappe, Einspritzung, Restgas, Zündung, . . . ) erzeugt werden. Ein turbulentes Verbrennungsmodell schließt nur die turbulenten, kohärenten Fluktuationen ein (daher auch der Name „Coherent Flame Model“); lediglich diese tragen zur Ausbildung der turbulenten Modell-Flammenfront bei. Dass man nicht frei ist in der Wahl des betrachteten Ensembles, ist leicht einzusehen. Typische inkohärente Fluktuationen sind beispielsweise Schwankungen im (effektiven) Zündzeitpunkt. Es seien ⟨σ⟩φ und ⟨c⟩φ die bezüglich kohärenter Fluktuationen ensemblegemittelten Größen σ und c, bei festem Zündzeitpunkt (-winkel) φ. Dann ergeben sich die Gesamtmittelwerte bezüglich kohärenter und inkohärenter Fluktuationen als ⟨σ⟩ges = ∫ dφ f (φ)⟨σ⟩φ

⟨c⟩ges = ∫ dφ f (φ)⟨c⟩φ

(16.59)

bei einer Zündwinkelverteilungsfunktion f (φ). Aufgrund ihrer Nichtlinearität sind aber die Transportgleichungen (16.50) und (16.51) unter einer solchen Transformation nicht invariant! Das heißt, wenn ⟨σ⟩φ und ⟨c⟩φ (16.50) und (16.51) erfüllen, dann gilt dies nicht für ⟨σ⟩ges und ⟨c⟩ges . 2

Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die ITNFS-Funktion eine physikalische Bedeutung hat. Aber auch im numerischen Sinne wirkt sie eben äußerst vorteilhat.

16

Simulation der Verbrennung

949

Somit steht es uns nicht frei, den Ereignisraum der Mittelung „geeignet“ zu wählen, die Flammenflächenmodelle (wie auch das Magnussen-Modell) korrespondieren bereits mit einer fixen Wahl, nämlich der des „minimalen“ Ensembles, das nur die kohärenten, intrinsischen, strömungsmechanischen Fluktuationen enthält. In der Literatur scheint sich übrigens ein ähnliches Vorgehen etabliert zu haben, um „Coherent Flame Models“ applizierbar zu machen. Dazu wir mit dem Zündprofil an der Zündkerze „gespielt“, d. h. der zeitliche Verlauf der Fortschrittsvariablen am Zündort als Anfangsbedingung der Wellenausbreitung wird derart gestreckt, dass sich nun doch dicke Flammenfronten ergeben, einfach weil nun die Laufstrecke im Motor typischerweise zu kurz ist, als dass sich das quasistationäre Flammenfrontprofil wie oben beschrieben ergäbe. Was das bedeutet, wird jedoch schnell klar. Dieses „Zündprofil“ bekommt nun einen extrem starken, physikalisch völlig unmotivierten Einfluss auf die Flammenausbreitung. Damit spielt es eine ähnlich verhängnisvolle Rolle wie die Strahlzerfallsmodelle bei älteren (aber leider immer noch allzu häufig eingesetzten), nicht auskonvergierten Strahlmodellen, siehe dazu die Ausführungen im entsprechenden Kapitel.

16.4.4 G-Gleichung Um den numerischen Problemen der Flammenfront- und Magnussen-Modelle zu entkommen, wird ein Verbrennungsmodell mit einer Formulierung benötigt, in der die turbulente Brenngeschwindigkeit explizit autaucht. Zudem sollte die Sensitivität bezüglich der Auflösung der turbulenten Flammenfront möglichst gering sein. Ein derartiges Modell ist die G-Gleichung ∂G ∂G = st ∣∇G∣ , (16.60) + vi ∂t ∂x i bzw.

∂G ∂G + (v i + st nˆ i ) = ∂t ∂x i

mit

nˆ = −

∇G . ∣∇G∣

(16.61)

Diese Gleichung beschreibt die Ausbreitung einer Fläche, indem sich jedes Flächenelement mit einer zu ihm normalen Ausbreitungsgeschwindigkeit vom Betrag st relativ zum Fluid ausbreitet. Die Fläche ist durch die Punktmenge charakterisiert, für die G(x) =  gilt. Außerhalb der Flammenfläche ist die Variable G beliebig wählbar, sie sollte nur von Null verschieden sein. Die Flamme wird daher in diesem Bild zunächst als unendlich dünne Fläche beschrieben. Natürlich kann es dabei nicht bleiben, abgesehen von den physikalischen Realitäten dürfen wir in einen CFD-Code keine „Sprungstelle“ in Dichte und Temperatur zulassen. Somit muss eine endliche Flammendicke lF eingeführt werden. Als Bestimmungsgleichung für lF wird für eine stationäre Flamme beispielsweise die Relation lF = b lt

(16.62)

950

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 16.12 Schematische Darstellung der Simulation der Flammenfrontausbreitung mit G-Gleichung mit Reinitialisierung

Flammmitte

G

0

x

c 1

0 x

verwendet, wobei b ≈  gilt. Dies gilt jedoch nicht in Wandnähe, da dort die Strömung laminarisiert. Es existieren auch Modellvarianten mit eigener Transportgleichung für die Flammendicke, siehe Peters (2000). G = 0 beschreibt somit die Mittelposition der Flammenfront (siehe Abb. 16.12). Als Profil für ∇c bietet sich eine Gauß-Funktion an, c ist dann definiert als3 : c(x) = erf (

d(x) ), lF

(16.63)

wenn d(x) den (je nach Position positiven oder negativen) Abstand eines gegebenen Punktes zur Flammenfront beschreibt. Allerdings ist noch festzulegen, wie rein operativ der Abstand eines Raumpunktes von der Flammenfront zu berechnen ist. Bezeichnet st wie üblich die turbulente Brenngeschwindigkeit relativ zum Unverbrannten, dann gilt (16.60) nur für die Flammenvorderfront, entsprechend (16.53), d. h. bei ρ = ρu . Bei einem endlichen Reaktionsfortschritt mit zugeordneter Dichte ρ < ρu muss noch eine zusätzliche Rückströmung (siehe 16.23) überwunden werden, die Differenzgeschwindigkeit zur Flammenfront (deren Geschwindigkeit relativ zum Unverbrannten st beträgt) ist ρu − ρ . (16.64) v ρ = st ρ Insgesamt lässt sich daher allgemeiner schreiben ρ

∂G ∂G + (ρv i + ρu st nˆ i ) =. ∂t ∂x i

(16.65)

Die G-Gleichung ist eine hyperbolische Gleichung mit einer von v⃗ verschiedenen Transportgeschwindigkeit ρu v⃗ + st nˆ ; ρ 3

erf(x) =

√

x

π

 ∫ exp(−x )dx.

−∞

16

Simulation der Verbrennung

951

sie benötigt daher prinzipiell einen eigenen Lösungsalgorithmus, der in den StandardCFD-Codes nicht vorgesehen ist. Selbst bei Verfügbarkeit eines Lösungsverfahrens kann sich (16.65) außerhalb der Flammenfront problematisch verhalten, da dort kein spezielles Verhalten vorgeschrieben wird. Ein empfehlenswerter Ansatz ist daher, die Forderung ∣∇G∣ =  ,

(16.66)

zu stellen, d. h. bei dieser Vorgabe („Eichung“ des G-Felds) entsprechen die G-Werte außerhalb der Flammenfront den Abständen zur Flammenfront (negativ vor und positiv hinter der Flammenfront). Mit dieser Wahl ist auch die lokale Definition der Fortschrittsvariablen gegeben, nach (16.63) gilt G(x) ). (16.67) c(x) = erf ( lF

Allerdings ist die Eigenschat (16.66) nicht zeitlich erhalten, (16.65) muss reinitialisiert werden! Dies bedeutet, dass nach jedem Zeitschritt (bzw. nach einer Anzahl von Zeitschritten) die Differenzialgleichung ∂G(x, t, τ) = sign(G(x, t)) ( − ∣∇G(x, t, τ)∣) , ∂τ

G(x, t, ) = G(x, t) ,

(16.68)

für τ → ∞ gelöst werden muss, sie konvergiert dann gegen ∣∇G∣ = . Dies bedeutet freilich einen nicht unerheblichen rechnerischen Zusatzaufwand. Der große Vorteil der G-Gleichung besteht aber darin, dass es sich zumindest beim ebenen Problem um eine lineare Welle handelt, Flammenprofil und Ausbreitungsgeschwindigkeit sind unkorreliert. Eine geringe Auflösung des Profils ist somit eher unkritisch. Verschiedene Formeln für st können verwendet werden, natürlich auch die Brenngeschwindigkeiten der Flammenflächenmodelle (z. B. 16.57). Häufig werden auch phänomenologische Relationen ähnlich der Damköhler-Beziehung (siehe Abschn. 4.3) verwendet, wie z. B. n u′ (16.69) st = sl ( + A ⋅ ( ) ) . sl

Die laminare Brenngeschwindigkeit sl kann z. B. nach (16.22) berechnet werden, über diese Relation ist dann auch die AGR-Abhängigkeit der Brenngeschwindigkeit gegeben. Ein weiteres Problem ist die Wandbehandlung der G-Gleichung. Die Verwendung von (16.62) an der Wand bereitet Probleme, da die Flammenfront sehr dünn würde (laminarisiert). Man kann die Flammenfrontdicke einfach numerisch nach unten begrenzen oder auch eine zusätzliche Transportgleichung für die turbulente Flammendicke lF einführen (denn dann kommt lF normalerweise nicht ins Gleichgewicht). Bisweilen werden neben der lF -Gleichung noch weitere Transportgleichungen für Flammeneigenschaten formuliert, beispielsweise für die Flammenflächendichte Σ (siehe dazu auch Peters 2000). Bei der Formulierung dieser Transportgleichungen ist aber Vorsicht geboten, damit es zu keiner Kausalitätsverletzung kommt, die Ausbreitung von Flammen-

952

G.P. Merker und R. Teichmann

eigenschaten muss zur Flammenausbreitung selbst kompatibel sein. Nur die Flammenvariablen am Flammenort (G = 0) sind physikalisch und dürfen auf spätere (physikalische) Flammenvariable Einfluss nehmen. Eine zulässige Transportgleichung für eine Flammeneigenschat lF lautet beispielsweise4 ρ wobei

∂ ε ∂lF ∂ ∂lF (ρDt lF ) = ρDt − c s ρ lF , − + (ρv i + ρu st nˆ i ) ∂t ∂x i ∂x∣∣ ∂x∣∣ k ∇G , ∣∇G∣ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ (ρDt lF ) ∶= (ρDt lF ) − nˆ i (ρDt nˆ j lF ) . ∂x∣∣ ∂x∣∣ ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i

nˆ = −

(16.70)

(16.71)

Im Übrigen besteht auch die Möglichkeit, G = 0 nicht für die Flammenmitte, sondern für die Flammenforderfront zu wählen. Dies hat den Vorteil, dass die Flamme die Bedingungen im Unverbrannten „sieht“, was die oben diskutierte Zweiphasenproblematik etwas entschärt.

16.4.5 Difusive G-Gleichung In den motorischen CFD-Codes existiert bisher leider keine vollständige korrekte GGleichungs-Implementation mit eigener Konvektion und Reinitialisierung, STAR-CD aber enthält eine diffusive G-Gleichung für die Fortschrittsvariable (unter der Bezeichnung Eingleichungs-Weller-Modell5 ) ρ(

∂G ∂ ∂G ∂c + vi )− (ρDt ) = ρu st ∣∇c∣ . ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(16.72)

Im Unterschied zu (16.65) enthält diese Gleichung einen turbulenten Diffusionsterm, zudem wird sie direkt zur Berechnung der Fortschrittsvariablen c verwendet (d. h. eine Relation wie (16.67) fällt nun weg, könnte aber auch gar nicht appliziert werden, da nun ja eine Abstandsvariable zur Flammenfront fehlt). Der zu st proportionale Term wird als Quellterm behandelt. Die Vorteile der Formulierung (16.72) liegen auf der Hand: es handelt sich um eine „konventionelle“ Skalartransportgleichung, die im Standardverfahren behandelt werden Die physikalische Information einer Konfiguration sollte unter einer Eichtransformation lF (x) → lF (x) + G(x)Φ(x) für beliebige Φ(x) invariant sein. Diese Forderung kann dazu dienen, geeignete Formen der Transportgleichungen (16.70) zu evaluieren. Siehe dazu auch Kraus (2006). 5 Das eigentliche Weller-Modell aber ist ein Zweigleichungsmodell, das die Flammenfront detailliert auflöst und den Flammenflächenmodellen ähnelt (siehe Weller 1993).

4

16

Simulation der Verbrennung

953

Abb. 16.13 Simulation der Vormischverbrennung mit a G-Gleichung bzw. b mit diffusiver GGleichung

kann. Besondere Aufwände für eine spezielle Konvektion bzw. eine Reinitialisierung sind nicht notwendig. Auf der anderen Seite sinkt mit der Quelltermbehandlung des st -Terms die Lösungsqualität deutlich. Und die Reinitialisierung war zur Generierung einer Abstandsvariablen erforderlich, die wiederum der Berechnung der Flammendicke diente. An dieser Stelle weist die diffusive G-Gleichung ihr größtes Defizit auf: sie berechnet deutlich zu dicke √ Flammen (siehe Abb. 16.13), die unter Diffusionseinfluss zerfließen (lF,Diff−G ∝  Dt t). Dies charakterisiert aber ganz und gar nicht das Verhalten einer Flammenfront, die ja eine solitäre Welle mit stationärem Profil ausbildet, wie wir oben gelernt haben. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit bleibt jedoch durch den Diffusionsterm unberührt; gleiches gilt für den globalen Umsatz. Daher sind effektiv gesehen zu dicke Flammenfronten harmloser, als vielleicht zunächst angenommen. Zumindest im ebenen, eindimensionalen Falle ist die G-Gleichung gegenüber der Transformation (16.59) forminvariant, d. h. bei Verwendung einer G-Gleichungsformulierung hat man in der Tat ein gewisses Recht, auch inkohärente, flammenaufdickende Schwankungen zuzulassen. Schließlich soll ein großer praktischer Vorteil zu dicker Flammen nicht unerwähnt bleiben: die artifizielle Turbulenzproduktion gemäß (16.28) bis (16.30) fällt nur sehr gering aus! Solange das Turbulenzproduktionsproblem nicht gelöst ist, kommt man eigentlich gar nicht umhin, mit unphysikalisch dicken Flammen zu rechnen. Allerdings bedeutet dies, dass in der CFD-Rechnung eine räumlich falsche Flammenverteilung vorliegt, insbesondere gegen Ende der Verbrennung. Gerade wenn auch andere, zur Verbrennung parallel ablaufende physikalische Phänomene mit untersucht werden sollen (z. B. Klopfen oder Gemischbildung bei Schichtladungsverbrennung), bereitet eine falsche Flammenverteilung Schwierigkeiten.

16.4.6 Zündung Bei der Beschreibung der Fremdzündung und frühen Flammenkernbildung geht es letztlich darum, die laminare Flammenausbreitung des anfänglichen Flammenkerns und den Übergang zur turbulenten Verbrennung darzustellen. Der eigentliche Zündprozess mit Plasmabildung etc. ist eher nicht sinnvoll simulierbar. Es gibt hierzu eine Reihe recht phänomenologisch orientierter Ansätze, man betrachte z. B. Herweg (1992). Generell ist die Zündung eine Hauptquelle der Zyklenschwankungen, weil die momentanen lokalen

954

G.P. Merker und R. Teichmann

Zustände an der Zündkerze einen dominanten Einfluss auf den Zündverzug haben. In einer ensemblegemittelten Rechnung ist das nicht wirklich auflösbar. Bezüglich der numerischen Umsetzung ist festzuhalten, dass man auf ein numerisch korrektes Vorgehen achten und keine Diskontinuitäten in den Randbedingungen erzeugen sollte. So sollte beispielsweise im Kerzenbereich auf eine adaptive Netzverfeinerung (z. B. 0,1 mm Kantenlänge) geachtet werden, so dass der Zündbereich auf mehrere Zellen verteilt werden kann. Und die Fortschrittsvariable in diesen Zündzellen sollte nicht schlagartig von 0 auf 1 gesetzt, sondern kontinuierlich, aber doch zügig „hochgefahren“ werden. Jedenfalls sollte der zeitliche Verlauf der Fortschrittsvariablen, sofern sich dieser hinreichend schnell von 0 nach 1 entwickelt, keinen wesentlichen Einfluss auf das Berechnungsergebnis haben. Vor dem Einsatz artifiziell langer Zündprofile wie bei CFM-Modellen üblich (zur Behebung von deren numerischen Problemen) kann nur gewarnt werden, siehe die Diskussion in Abschn. 16.4.3.

16.4.7 Klopfen In der Literatur existieren schon erste Ansätze von Klopfberechnungen mit CFD; aufgrund der Limitationen der verfügbaren Verbrennungs- und Wandwärmeübergangsmodelle sind diese Versuche aber noch mit Vorsicht zu genießen. Zur Beschreibung der Selbstzündreaktionen muss eine Klopfkinetik (etwa das ShellModell nach Halstead et al. 1977) im CFD-Code gelöst werden. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass diese Kinetik nur auf die reine, unverbrannte Phase angewendet wird. Jede kleine Temperaturerhöhung aufgrund einer näherkommenden Hauptverbrennung (gerade auch, wenn es sich nur um „numerische Vorboten“ handelt) führt unweigerlich auf viel zu hohe Klopfraten. Dies ist aber bei dicken, diffusiven Flammenfronten ein ernstes Problem. Die Berücksichtigung des Turbulenzeinflusses ist ein weiteres, noch ungelöstes Problem. In einem ersten Ansatz können Fluktuationen in der Temperatur oder in der Gemischzusammensetzung durch Verwendung von Varianztransportgleichungen erfasst werden (siehe z. B. Mayer 2005).

16.4.8 Schadstofbildung Da man für einen stöchiometrisch betriebenen Ottomotor ein ausgesprochen leistungsfähiges Abgasnachbehandlungskonzept in Form des Dreiwegekatalysators besitzt, hat die Berechnung der Schadstoffbildung in diesem Falle keine große Bedeutung. Eine beispielhate Untersuchung zur NOx -Bildung kann man etwa bei Mayer (2005) finden. Für HCoder CO-Emissionen dürte das beim Dieselmotor Gesagte Gültigkeit haben: Feinheiten der Gemischbildung (in diesem Falle Ungleichförmigkeiten) und der Wandinteraktion dominieren die Emissionen derart, dass diese Größen nicht sinnvoll berechenbar sind.

16

Simulation der Verbrennung

955

16.5 Benzinmotor mit Ladungsschichtung (teilweise vorgemischte Flammen) Bei einer Schichtladungsverbrennung liegen zum Zeitpunkt der Flammenfrontausbreitung zugleich fette (λ < ) und magere (λ > ) Gemische im Brennraum vor, hinter der Flammenfront existieren somit weiterhin fette Zonen mit Reduktionsmittel (im Wesentlichen wohl CO) und magere mit Sauerstoff. Daher verbleibt an der (λ = )-Grenze eine Diffusionsflamme. Diese gekoppelte Struktur von Vormisch- und Diffusionsflamme wird auch Tripelflamme genannt (siehe auch Abb. 16.14). Es ist nicht schwer, aus den schon vorhandenen Modellierungselementen von turbulenten Vormisch- und Diffusionsflammen einen geeigneten Ansatz für die Schichtladungssimulation zu entwickeln. Erstaunlicherweise verhalten sich Schichtladungsverbrennungssimulationen in vielen Fällen „gutmütiger“ als reine Vormischverbrennungssimulationen, eben weil keine Flammenfronten mit derart scharfen Temperatur- und Dichtegradienten autreten. Zudem ist – wie in Abschn. 16.1 erwähnt – die Schichtladungsverbrennung trotz „Mischverbrennung“ ein günstiger Fall, da beide Verbrennungsmoden (turbulente Vormisch- und Diffusionsverbrennung) von der turbulenten Zeitskala dominiert sind. Wie beim Dieselmodell sollte man zunächst die zur Beschreibung der lokalen Gaszustände verwendeten Basisspezies festlegen, die sieben Spezies von Abschn. 16.3.1 (Kratstoff, N2 , O2 , H2 O, CO2 , CO, H2 ) sind auch hier sinnvoll; in einem ersten Schritt kann man wie beim Diesel aber auch mit drei Spezies – Lut, Kratstoff und Produkt – arbeiten. Verwendet man zur Beschreibung der Vormischverbrennung eine G-Gleichung, zur Modellierung der Diffusionsverbrennung einen einfachen Flameletansatz, d. h. man transportiert Mischungsbruch (auch aus den Spezies berechenbar) und Mischungsbruchvarianz, dann lassen sich die momentanen Speziesmassenbrüche folgendermaßen bestimmen c(i) = c(i),um + cprogr (c(i),m − c(i),um ) ,

Abb. 16.14 Struktur einer Tripelflamme

(16.73)

956

G.P. Merker und R. Teichmann

wobei



c(i),m = ∫ c(i) (Z)p β (Z; ⟨Z⟩ , Z ′′ ) dZ 

(16.74)



den Gleichgewichtswert beim aktuellen Mischungszustand bezeichnet und 

c(i),um = ∫ c(i) (Z)p β (Z; ⟨Z⟩ , Z ′′ = ⟨Z⟩ ( − ⟨Z⟩)) dZ 

(16.75)



den korrespondierenden ungemischten Zustand mit maximaler Varianz beschreibt. Eine Reaktion wird beschrieben durch dc(i) = (c(i),m − c(i),um ) dcprogr + EFF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F FG F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H Vormischverbrennung

cprogr dc i ,m EFF F F F F F F F F F G F F F F F F F F F F FH

,

(16.76)

Diffusionsverbrennung

d. h. sie zerfällt natürlicherweise in Vormisch- und Diffusionsverbrennung. Entsprechend lautet der Quellterm in der Transportgleichung der inneren Energie qdt = ∑ h(k) ρ dc(k)

(16.77)

k

mit den spezifischen Speziesbildungsenthalpien h(i) . Als Alternativvariante zu (16.76)  kann man aus Z, Z ′′ und c den momentanen Zielgehalt an Spezies berechnen und ihn mit dem nur (mit Konvektion und Diffusion) transportierten vergleichen. Die Differenz beider Größen liefert die Reaktion im aktuellen Zeitschritt. Anschließend werden die nur transportierten Spezies mit den neuen Gesamtzielwerten überschrieben. Eine Berechnung mittels Standard-G-Gleichung ist eher einfacher als bei einer homogen vorgemischten Verbrennung, da selbst eine Implementation als Standard-Transportgleichung eines passiven Skalars ohne Diffusionsterm typischerweise recht gutmütig ist. Eine sinnvolle Verallgemeinerung der diffusiven G-Gleichung lautet: ρ(

∂ (Zc) ∂ (Zc) ∂ ∂ (Zc) )− (ρDt ) = ρu ⟨st (Z)Z⟩ ∣∇c∣ . + vi ∂t ∂x i ∂x i ∂x i

(16.78)

Damit lässt sich auch gut arbeiten (zusätzlich ist auch der Mischungsbruch Z selbst zu transportieren). Die turbulente Brenngeschwindigkeit der Vormischflamme st kann daraus durch flamelet-basierte Mittelung im Mischungsbruchraum gewonnen werden 

⟨st (Z)Z⟩ = st = ⟨Z⟩

′′ ∫ st (sl (Z))p β (Z; ⟨Z⟩ , Z ) Z dZ 





∫ pβ 

(Z; ⟨Z⟩ , Z ′′  ) Z dZ

.

(16.79)

16

Simulation der Verbrennung

957

Wir diskutieren nun eine recheneffiziente Umsetzung (16.79). Formulieren wir dazu nach Herweg (1992) die turbulente Brenngeschwindigkeit als √ n ⎡ v′ v′ ⎤ A n n− ⎢ ⎥ ( ) ⎥ ≈ sl + Asl−n (v ′ ) − sl−n (v ′ ) s t = s l ⎢ + A ′+s ⎢ ⎥ v s  l l ⎣ ⎦  mit n = und A ≈ , . 

(16.80)

Der Parameter A kann an das jeweilige Problem adaptiert werden. Die laminare Brenngeschwindigkeit sei nach Gülder (1984) gegeben als sl = WΦ η exp (−ζ(Φ − Φ∗ ) ) [ 

β

Tu α p ] [ ] ( − , ⋅ fRG ) . Tref pref

(16.81)

wobei T u die Gemischtemperatur im Unverbrannten, Φ = /λ das Kratstoff-LutVerhältnis und f RG den Restgasmassenbruch bezeichne. Es kommen die folgenden Parameter zum Einsatz: W[m/sec]

η

ξ

α

β

T ref [K]

pref [bar]

Φ*

0,47

−0,33

4,48

1,56

−0,22

300

1

1,04

Wenn das stöchiometrische Kratstoff-Lut-Verhältnis gegeben ist als ς=

ρLuft ≈  ρKraftstoff

(16.82)

ergibt sich der Mischungsbruch Z aus Φ folgendermaßen: Z=

Φ . Φ+ς

(16.83)

Setzen wir in (16.79) die β-pdf (Abschn. 14.2.4) ein, so ergibt sich: ⟨st ⟩ =

 Γ(a + b) b− a− ∫ st (sl (Φ)) Z ( − Z) Z dZ ⟨Z⟩ Γ(a)Γ(b) 



b− ς ς Φ a  Γ(a + b) ) ( ) = ∫ st (sl (Φ)) (  dΦ ⟨Z⟩ Γ(a)Γ(b) Φ+ς Φ+ς (Φ + ς) 



b+ ς Φ a  Γ(a + b)  st (sl (Φ)) ( = ) ( ) dΦ . ∫ ⟨Z⟩ Γ(a)Γ(b) ζ Φ+ς Φ+ς 



(16.84)

958

G.P. Merker und R. Teichmann

Wenn man in Betracht zieht, wie st von sl abhängt, ist das folgende Integral für verschiedene Werte von q (für q = 1, q = 1 / 6 und q = 7 / 6) zu lösen: 

I(q) = ∫ Φ η q exp (−qξ(Φ − Φ∗ ) )( 



=ς b+ ∫ 



Φ α+η q

(Φ + ς)

a+b+

b+ ς Φ a ) ( ) dΦ Φ+ς Φ+ς

(16.85)

exp (−qξ(Φ − Φ∗ ) )dΦ . 

Bei einem Integral dieser Art lässt sich ein alter Physiker-Trick, die so genannte Sattelpunktsmethode, zu approximativen Lösung anwenden. Dazu wird benutzt, dass das Integral einer nach unten beschränkten Funktion F ∞

J = ∫ exp(−F(x))dx

(16.86)

−∞

im Wesentlichen durch den Verlauf der Funktion F an ihrem Minimum bestimmt wird. Man approximiert F(x) durch ihre Taylor-Reihe im Minimum x0 bis zur zweiten Ordnung   F(x) ≈ F(x  ) + F ′′ (x  ) ⋅ (x − x  ) 

(16.87)

und erhält nach Einsetzen in (16.86) ein Gauss’sches Integral, nach dessen Ausführung wir J=



π

F ′′ (x

)

Übertragen auf (16.85) ergibt sich

⋅ exp (−F(x  ))

finden .

(16.88)

⎞ ⎛ ⎟ ⎜ ∗  I(q) = ς ∫ exp ⎜−qξ(Φ − Φ ) + (a + ηq) ln Φ − (a + b + ) ln (Φ + ς)⎟dΦ . ⎟ ⎜ EF F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F G F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F F H  ⎠ ⎝ −F(Φ) (16.89) Das Minimum Φq,0 ergibt sich über die Nullstelle von F q (Φ): 

b+

qξ (Φ q, − Φ∗ ) −

a + ηq a + b +  + =. Φ q, Φ q, + ς

F ′′ (Φ q, ) = qξ +

a+b+ a + ηq −  .  Φ q, (Φ q, + ς)

(16.90)

Diese Gleichung ist eine kubische Gleichung in Φ0 und kann über die Cardanischen Formeln gelöst werden. Für die zweite Ableitung gilt: (16.91)

16

Simulation der Verbrennung

959

Abb. 16.15 Oben und unten links: Simulation der Schichtladungsverbrennung bei einem DEOttomotor mit strahlgeführtem Brennverfahren bei 2000 U/min und 2 bar pme ; unten rechts: zugehörige Druckverläufe aus Simulation vs. Versuch (verschiedene Zyklen)

Nach Einsetzen von (16.91) in (16.88) ergibt sich I(q) = ς b+

mit

Φ q, α+η q

(Φ q, + ς)   Δq =   

a+b+

qξ +

exp (−qξ(Φ q, − Φ∗ ) ) ⋅ Δ q 

π −

a+ηq Φ q,

a+b+  (Φ q, +ς)

.

(16.92)

(16.93)

Setzen wir (16.92) und (16.93) in (16.84) ein, so ergibt sich Z /, Z , / / ⋅ p β (Z , ) ⋅ Δ  + A ⋅ sl (Φ /, ) ⋅ ⋅ p β (Z /, ) ⋅ Δ / ⋅ (k) ⟨Z⟩ ⟨Z⟩ Z /, A / −/ ⋅ p β (Z /, ) ⋅ Δ / ⋅ (k) , − ⋅ sl (Φ /, ) ⋅  ⟨Z⟩ (16.94)

⟨st ⟩ ≈ sl (Φ , ) ⋅

960

wobei

G.P. Merker und R. Teichmann

Z q, =

Φ q, Φ q, + ς

(16.95)

gesetzt wurde. Ein Beispiel für eine derartige 3D-Simulation einer Schichtladungsverbrennung ist in Abb. 16.15 dargestellt. Nähere Details finden sich bei Hermann (2008). Schadstoffbildungsmodelle (NOx , Ruß) können von der Modellierung der Dieselverbrennung übernommen werden.

16.6 Strömungsmechanische Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung: Ausblick In den letzten Jahren hat sich die strömungsmechanische Simulation zu einem nicht mehr wegzudenkenden Werkzeug für die Optimierung von Brennverfahren entwickelt. Wesentlich ermöglicht wurde dies durch immer schneller werdende Computer und Rechnercluster. Das zeitlich exponentielle Wachstum der Rechenleistung wird durch das so genannte Moor’sche Gesetz beschrieben, welches postuliert, dass sich die Rechenleistung ungefähr alle zwei Jahre verdoppelt. Über mehrere Jahrzehnte hat es nun seine Gültigkeit bewiesen und nichts deutet darauf hin, dass sich demnächst daran etwas ändert. Zumindest an der Realisierung dieses Zuwachses an Rechenleistung sind aber Änderungen zu beobachten. Der Trend zu immer schnelleren Einzel-Prozessoren mit höherer Taktung hat sich bereits abgeschwächt. Grund ist der drastisch steigende Energie- und damit auch der Kühlungsbedarf der Cluster. Es ist also mit stark zunehmender Prozessoranzahl mit niedrigem Energieverbrauch (ähnlich heutigen Laptop-Prozessoren) zu rechnen, was aber hohe Anforderungen an die eingesetzten Netzwerke stellt. Damit verschärt sich auch die Notwendigkeit deutlich verbesserter Skalierbarkeit der CFD-Codes. Ein linearer Geschwindigkeitsvorteil bei ungefähr 10.000 Knoten pro Prozessor wird obligatorisch werden. Sofort stellt sich nun die Frage, wie die gestiegene Rechenleistung investiert werden sollte: in genauere numerische Diskretisierung (also feinere Gitter bzw. bessere Löser), in erweiterte und genauere physikalische Modelle oder in kürze Durchlaufzeiten bei VariantenBerechnungen? Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt sicherlich von der konkreten Fragestellung ab. Die höchste Priorität muss aber eine konvergierte, vom Rechennetz unabhängige Lösung haben. Wie bisher immer wieder betont wurde, ist dies keinesfalls selbstverständlich und nicht immer gegeben! Sicherlich wird sich in Zukunt die Verzahnung der Strömungsberechnung mit CADProgrammen deutlich verstärken. Einfache Strömungsprobleme sind schon heute als PlugIn direkt in CAD lösbar. Für motorische Fragestellungen ist dies aber eher eine langfristige Zukuntsvision. Durch parametrische Konstruktionen wird sich aber der PreprocessingAufwand erheblich reduzieren, was auch eine notwendige Voraussetzung für automatische Geometrieoptimierung darstellt. Dieser Trend wird unterstützt werden durch zunehmend objektorientierte Codes, die dann durch flexiblere Selektion bestimmter Geometrieberei-

16

Simulation der Verbrennung

961

che für Netzverfeinerung oder Festlegung von Randbedingungen Vorteile im Handling bieten werden. Generell wird sich der Trend von der Berechnung indirekt interpretierbarer Größen wie Tumble- oder Drallziffer, „fetter Zonen“ als Indikator für Ruß hin zu motorisch bekannten Größen wie Vorzündbedarf, Klopfgrenze oder Emissionen wie NOx oder Ruß verstärken. Das erfordert aber natürlich geeignete, vorhersagefähige physikalische Modelle. In einer Art „virtuellen Motors“, der dann einfach Größen von hermodynamik-Motoren reproduziert, darf sich die CFD-Simulation aber nicht erschöpfen. Schlussendlich ist der zentrale Vorteil doch die Abbildung lokaler Strömungsvorgänge, die dann geeignet interpretiert Hinweise zur Optimierung geben können. Entscheidend für den erfolgreichen zuküntigen operativen Einsatz in der Motorentwicklung wird die Vernetzung der verschiedenen Berechnungsdisziplinen sein. Die thermodynamische 1D-3D-Kopplung ist jetzt schon Stand der Technik. Gut kann man sich aber auch vorstellen, dass CFD-Codes Brennverlaufs- und Emissionsvorhersagen treffen, mit denen dann phänomenologische Modelle kalibriert werden können, die dann wiederum für die Gesamtsystem-Optimierung eingesetzt werden. Dies macht dann sicherlich ein ausgeklügeltes Daten-Management erforderlich. Nach diesem generellen Ausblick soll in den folgenden Abschnitten der Fokus auf physikalischen Aspekten liegen.

16.6.1 Netzbewegung Zentraler Punkt bei Strömungsberechnungen sind die Berechnungsnetze. Flächenbasierte Strömungslöser mit beliebigen Zelltypen (Tetraeder, Hexaeder, Prismen, Polyeder, . . . ) werden sich durchsetzen. Bei wanddominierten Strömungen, wie sie im Motor eigentlich immer vorliegen, sind wandadaptierte Netze mit y+ < 100 zwingend erforderlich. Der sich abzeichnende Trend zu Low-Reynolds-Wandmodellen erfordert dann weitere geschachtelte Zellschichten. Wie für die Wandbehandlung wird sich die problemadaptierte Vernetzung auch für andere Prozesse durchsetzen. Hier sind insbesondere die Scherschichten um die Ventile herum, der Bereich des Einspritzstrahls sowie möglicherweise die vorgemischte Flammfront zu nennen. Insgesamt ist dann durch das Rechennetz ein noch weiterer Bereich an Längenskalen aufzulösen (turbulente Längenskala der Düseninnenströmung relativ zur Bohrung). Heutzutage sind diese problemangepassten Netze nur mit großem Aufwand zu realisieren. Sicherlich werden sich in Zukunt intelligente, automatische Algorithmen zur Netzgenerierung etablieren, die zumindest einen Teil dieser Arbeit dem Anwender abnehmen werden. Welche Strategie sich bei der Netzbewegung in Motoren durchsetzen wird, ist aber noch nicht ganz klar. Bisher ergänzen/löschen viele Codes (z. B. STAR-CD, KIVA-3 V) definierte Zellschichten. Dies minimiert Interpolationsfehler, macht die Netzbewegung aber etwas unflexibel. Eine Alternative sind Mapping-Techniken (z. B. FIRE), die im Voraus für bestimmte Phasen Netze erzeugt, zwischen denen dann das Strömungs-

962

G.P. Merker und R. Teichmann

feld projiziert wird. In der Vergangenheit war dies der weniger effiziente und ungenauere Weg. Für verschiedene Kolben und Ventilpositionen mussten mit großem Aufwand Netze erstellt werden und beim Übergang zwischen den Netzen kam es zu Projektionsfehlern. Durch automatische Vernetzungsstrategien und Interpolationsverfahren höherer Ordnung wird dieser Weg aber deutlich attraktiver werden und erlaubt die Benutzung jeweils optimaler Gitter im entsprechenden Kurbelwinkelbereich. Es wird momentan aber auch an innovativen Methoden wie überlappenden Netzen in verschiedenen Bereichen (Kolben, Ventile, . . . ) gearbeitet.

16.6.2 Numerik Zuküntige physikalische Modelle (wie Euler-Strahlmodelle- oder turbulente Verbrennungsmodelle) werden Strömungslöser mit deutlich reduzierter numerischer Diffusion erfordern. Für turbulente Verbrennungsmodelle, die auf Varianzgleichungen des Mischungszustandes oder der Temperatur aufsetzen, sind schon heute ohne Verwendung von Verfahren 2. Ordnung keine sinnvollen Ergebnisse erzielbar. Diese Anforderungen gelten in noch deutlich verschärterer Form für alternative Turbulenzmodelle wie LES. Bisher lag der Fokus ganz klar auf stabilen und robusten Algorithmen, leider häufig zu Lasten der numerischen Diffusion. Es sind aber schon aktuell vielversprechende Strömungslöser in Entwicklung, die einerseits auf komplexen, nicht ganz optimalen Netzen stabile Ergebnisse liefern, aber gleichzeitig konservativ sind und TVD-Eigenschaten besitzen, also keine lokalen Überschwinger hervorrufen (siehe 14.76). Gerade auch im Hinblick auf alternative Strategien der Netzbewegung wird die Interpolationsfähigkeit bei Netzwechsel stärker in den Fokus rücken. Natürlich dürfen sich bei Netzwechsel weder integral noch lokal Sprünge in den Erhaltungsgrößen ergeben, aber auch die Gradienten müssen dabei erhalten bleiben, da diese ja wichtiger Input für viele Quellterme sind.

16.6.3 Turbulenz Entgegen der auf Fachkonferenzen häufig propagierten Ansicht, aktuelle RANS-Modelle könnten nun zügig durch LES abgelöst werden, gehen wir davon aus, dass mindestens in den nächsten 5, eher 10 Jahren RANS-Modelle für motorische Berechnungen Stand der Technik bleiben. Der wesentliche Grund liegt unserer Ansicht darin, dass auf den komplexen, bewegten motorischen Geometrien keine Strömungslöser mit erforderlich niedriger Viskosität zur Verfügung stehen werden. Dies ist aber die absolut notwendige Voraussetzung (siehe Abb. 16.5)! Mittelfristig wird sich auch für motorische Berechnungen ein Übergang zu LES ergeben; sicherlich wird dies aber zunächst für aerodynamische Fragestellungen erfolgen. Erste sinnvolle Mehrzyklenberechnungen werden aktuell mit ForschungsCodes realisiert. Von qualitativ hochwertigen Spray- oder Verbrennungsberechnungen mit

16

Simulation der Verbrennung

963

LES ist man aber noch weit entfernt. Dafür muss nicht zuletzt die Qualität der Randbedingungen (beispielsweise Schwankungen aus dem Einspritzsystem) noch deutlich erhöht werden. Motorische Zyklenschwankungen sind aus unserer Sicht bis auf Weiteres kaum berechenbar (auch nicht mit LES, wie bereits in Kap. 14 diskutiert). Bei dieser Fragestellung ist aber eine gewinnbringende Vernetzung mit Diagnostiktools denkbar. Inzwischen erlauben Hochgeschwindigkeits-Messtechniken in Transparentmotoren wie beispielsweise High-Speed PIV genaueren Einblick in die Strömungsvorgänge im Zylinder und können CFD-Berechnungen ergänzen.

16.6.4 Modellierung der Einspritzprozesse Eine Verbrennungssimulation für direkteinspritzende Motoren ist üblicherweise sehr stark durch die Strahlmodellierung beeinflusst. Wenn letztere nicht korrekt ist, kann man auch vom Ergebnis der Verbrennungssimulation nicht viel erwarten. Deshalb ist es, gerade auch aus Sicht der Verbrennungssimulation, enorm wichtig, zunächst die Strahlmodellierung in Ordnung zu bringen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser Schritt heute prinzipiell machbar sein sollte; die dafür erforderlichen Bausteine liegen auf dem Tisch. Allerdings sind diese Bausteine bislang kaum oder auch noch gar nicht in den üblichen kommerziellen motorischen Codes verfügbar. Da wäre zunächst einmal das LagrangeModell anzusprechen. Wenn man diesen Ansatz modellierungsseitig sinnvoll appliziert, also strahladaptierte, in Düsennähe hochaufgelöste Netze sowie entsprechend hohe Partikelanzahlen verwendet, lassen sich durchaus vernüntige Ergebnisse erzeugen. Bezüglich der Modellierung ist insbesondere die turbulente Dispersion zu nennen. Wie wir diskutiert haben, sollte unbedingt die Turbulenz der Flüssigphase als Partikeleigenschat transportiert werden, d. h. im Prinzip ein „Tropfenturbulenzmodell“ eingeführt werden, ähnlich wie ja auch die Gasströmung ein Turbulenzmodell benötigt. Rechentechnisch ist das nicht oder – je nach Modellansatz – höchstens unwesentlich aufwendiger als das Standardmodell, aber es ist leider dennoch bis heute nicht in den kommerziellen Codes umgesetzt. Es ist also unbedingt darauf zu drängen, dass diese Modellinnovation in die CFD-Codes Einzug hält. Wie in Kap. 16 erwähnt, hat man heute eigentlich nur die Chance, im CFDCode KIVA das dort vorhandene O’Rourke-Modell umzuformulieren; das ist allerdings ausgesprochen unkompliziert. Besonders großes Potenzial wird in der Applikation einer Euler’schen Formulierung der Strahlmodellierung gesehen. Inbesondere bietet sie die Chance, die Berechnung der Düseninnenströmung kontinuierlich in die Strahlberechnung übergehen zu lassen und so die genauesten Startbedingungen für die Einspritzstrahlberechnung zu liefern. Wie wir heute wissen, haben Strömungsprozesse in der Düseninnenströmung großen Einfluss auf das Strahlverhalten. Wie wir in Kap. 16 versucht haben darzustellen, erachten wir es für unbedingt empfehlenswert, hier nicht einen vollständig unabhängigen, im Wesentlichen empirisch motivier-

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G.P. Merker und R. Teichmann

ten Ansatz einzuführen, sondern vielmehr vom wohletablierten Lagrange-Modell auszugehen und dieses in eine äquivalente Euler’sche Formulierung zu transformieren. Genau dies war (unter gewissen Näherungsannahmen) Gegenstand des Abschn. 15.3. Es besteht die Aussicht, dass dieses Modell in naher Zukunt in motorischen CFD-Codes verfügbar sein wird (z. B. in STAR-CD 4). Bezüglich der durchgeführten Näherungen (Zerfälle nur als Mittelwertsprozess, keine Stoßprozesse) ließe sich sicherlich eine Weiterentwicklung durchführen. Diese Näherungen entsprechen denen im Lagrange-Modell, allerdings herrschen dort andere Randbedingungen. Denn im Lagrange-Modell rühren die erwähnten Näherungen im Wesentlichen daher, dass keine statistische Konvergenz bei Berücksichtigung dieser Modelle erzielbar ist. Die Modellimplementation als solche ist aber naheliegend und unkritisch. Im Euler-Modell verhält es sich nun genau umgekehrt; die modelltheoretische Implementation erscheint eher als kritisch, die statistische Konvergenz ist dann automatisch erfüllt. Von beiden Fällen ist letzterer aber als deutlich günstiger zu werten; eine schwierige Modellimplementation sollte einen wesentlich weniger abschrecken als schlechtes Konvergenzverhalten. Für ersteres gibt es durchaus Lösungsansätze, wie wir im Folgenden diskutieren wollen.

Näherung I: Berücksichtigung der Zerfälle nur als Mittelwertsprozess Als Konsequenz davon wurde letztlich das Konzept der Tropfenklassen eingeführt, wobei nun die Radiusvarianz innerhalb einer Klasse relativ klein sein soll, so dass mit einem mittleren Radius gearbeitet werden kann. Eine Berücksichtigung von sich aufgrund von Zerfallsprozessen ausbildenden Tropfengrößenverteilungen könnte etwa dadurch stattfinden, dass man auch für den Radius in der Transportgleichung der Verteilungsfunktion (15.71) verallgemeinerte Diffusionsterme im Sinne einer Fokker-Planck-Gleichung einführt. Im verallgemeinerten Sinne beschreibt eine Fokker-Planck-Gleichung die Verteilungsfunktion einer Größe x, deren Zeitentwicklung durch die additive Einwirkung einer stochastischen Krat F beeinflusst ist: dx = f (x) + Fstochast . dt

(16.96)

(Gleichung 16.96 ist dann gerade die zugehörige Langevin-Gleichung.) Nun ist man zunächst versucht zu argumentieren, dass ein derartiges Verhalten auf Zerfälle nicht anwendbar ist. Denn für den Radius eines Tropfens nach n Zerfallsprozessen (mit mi Tochtertropfen im i-ten Zerfall, i = 1, . . . ,n) gilt gerade:    ⋅√ ⋅...⋅ √ . R n = R ⋅ √    m m mn

(16.97)

Der stochastische Einfluss verhält sich also multiplikativ, nicht additiv. Das ändert sich aber nach Logarithmieren: ln R n = ln R  −

ln m n ln m  ln m  − ...− .   

(16.98)

16

Simulation der Verbrennung

965

Das heißt, es ist möglich, für den Logarithmus des Radius eine Fokker-Planck-Gleichung zur Beschreibung von Zerfallsprozessen zu formulieren: ln R n = ln R  −

ln m n ln m  ln m  − ...− .   

(16.99)

Berücksichtigt man, dass mit den Bezeichnungen von (16.56) für Mittelwert und Varianz von ln R gilt: ⟨ln R⟩ = ln R  −

t

ln m  d ˜t ∫  τ 

(ln m)  ⟨(ln R) ⟩ − ⟨ln R⟩ = ∫ d ˜t ,  τ 

t





(16.100)



so lässt sich für die massenbasierte Verteilungsfunktion ρ (d. h. die Dichte, siehe die Diskussion bzgl. (15.58) und (15.59) die folgende Fokker-Planck-Gleichung formulieren: ∂  ln m ∂  ln m ∂ ∂ ρ(R, t) − ( ρ(R, t)) − [ ⋅ ρ(R, t)] =  . ∂t ∂ ln R  τ ∂ ln R  τ ∂ ln R

(16.101)

Unter Berücksichtigung von (15.58) sowie d ln R = dR/R ergibt sich schließlich, dass in (15.71) der Diffusionsterm −

 ∂  ln m ∂ (R  ⋅ p(R, v, T, t))] [ ⋅R  R ∂R  τ ∂R

(16.102)

zu addieren ist. Es sind auch noch gemischte Diffusionsterme vom Typ ∂/∂R ⋅ ∂/∂v sowie ∂/∂R ⋅ ∂/∂T einzufügen (ähnlich (15.68) bis (15.70)). Diese entsprechen den Phänomenen, dass verschieden große und verschieden schnelle Tropfen verschieden schnell verdampfen, sich verschieden schnell aufheizen und unterschiedlich abgebremst werden. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Zerfällen ist zwar eine Poisson-Verteilung, aber für größere Zerfallsanzahlen konvergiert diese gegen eine Normalverteilung; und dies ist letztlich die Voraussetzung für die Verwendung einer Fokker-Planck-Gleichung. Daraus folgt im übrigen direkt, dass sich bei konstanter (d. h. insbesondere radiusunabhängiger) Zerfallsrate, ohne Einfluss von Abbremsungs- und Verdampfungsprozessen, als Größenverteilung eine Log-Normal-Verteilung einstellt: ⎛ (ln R + ln m t)  R τ exp ⎜ p(R; t) = √ ⎜− α πα ⎝



α=



ln m t. τ

⎞ ⎟ dR ⎟ R ⎠

(16.103)

966

G.P. Merker und R. Teichmann

Näherung II: Vernachlässigung von Stoßprozessen Betrachten wir zunächst die (quasi)-elastischen Stöße. Hier ist es sinnvoll, sich das Vorgehen bei der Ableitung der Navier-Stokes-Gleichungen aus der Boltzmann-Gleichung mittels Chapman-Enskog-Ansatz näher anzusehen (siehe z. B. Rieckers und Stumpf 1977). Dort wird die Verteilungsfunktion als Summe aus einer lokalen Maxwell-Verteilung p0 und einer kleinen Störung p1 geschrieben, wobei die lokale Maxwell-Verteilung das (elastische) ˆ  =  schreiStoßintegral eliminiert. In Übertragung auf (15.71) (die wir kompakt als Lp ben) ließe sich nach Wiedereinführung des elastischen Stoßterms dann formulieren: L(p  ) ≈ L (p  + p  ) = Ielast. Stoßt. [p  + p  ] = Ielast. Stoßt. [p  ] ≈

 p , τStoß

(16.104)

wobei im letzten Schritt bereits die beim klassischen Chapman-Enskog-Ansatz übliche Näherung eingesetzt wurde. Aus dieser Beziehung lässt sich dann der Korrekturterm p1 berechnen. Dieser Ansatz müsste noch mit dem Vorgehen von Abschn. 15.3.3 zur Schließung der Momentengleichungen kombiniert werden. Die Behandlung inelastischer Stöße ist schwieriger, könnte aber eventuell als Überlagerung von elastischen Stößen und Zerfällen interpretiert werden (auch Koaleszenz kann als „inverser Zerfall“ mit wachsendem Tropfenradius interpretiert werden).

Turbulente Gasluktuationen als Quelle der turbulenten Dispersion Zusätzlich ist festzuhalten, dass die Korrelation der turbulenten Fluktuationen der Gasgeschwindigkeit von (15.61) bzw. (15.69) sehr einfach gewählt ist. Es wäre sicherlich korrekter und konsistenter, einen Ansatz entsprechend (14.34) zu veranschlagen, d. h. Nichtdiagonalterme, die zum Scherungstensor proportional sind, zu berücksichtigen.

16.6.5 Modellierung der Verbrennung Auch bezüglich der Verbrennungsmodellierung selbst lässt sich feststellen, dass die in diesem Kapitel geschilderten Ansätze leider noch nicht alle in den üblichen motorischen CFDCodes realisiert sind, dies gilt z. B. für die G-Gleichung oder auch den 2-Phasenansatz bei der Flammfrontverbrennung. (Abschn. 16.4.1). Deren Umsetzung wäre sicherlich ein wesentlicher Fortschritt. Ansonsten sollte es möglich sein, mit den in diesem Kapitel beschriebenen, heute verfügbaren Ansätzen alle Verbrennungsregimes mit sehr schnellen chemischen Prozessen (d. h. großer Damköhler-Zahl), bei denen die turbulente Zeitskala dominant wird, gut zu beschreiben (das sind gerade die Verbrennungsregimes auf der „Dreiecksbasis“ von Abb. 16.1). Für die stärker reaktionskinetisch beeinflussten Prozesse wie z. B. Selbstzündung, dieselmotorische „Vormisch“-Verbrennung oder Schadstoffbildung (insbesondere NOx und Ruß) fehlen nach wie vor leistungsstarke, einfache Ansätze von hinreichender Allgemeingültigkeit. Grundproblem ist das schon diskutierte Verteilungsproblem der für das jeweilige Problem spezifischen Fortschrittsvariablen im Mischungsbruchraum.

16

Simulation der Verbrennung

967

Wenn man sich diesen Fragestellungen nähert, ist zu unterscheiden, ob im Wesentlichen eine diffusionsflammenorientierte Verbrennung mit starken Mischungsbruchgradienten vorliegt, oder ob ein eher vorgemischtes System mit geringeren großskaligen und turbulenten kleinskaligen Inhomogenitäten der Gemisch- oder Temperaturverteilung zu beschreiben ist. Im ersteren Falle geht es somit darum, eine Erweiterung des klassischen Diffusionsflamelet-Ansatzes abzuleiten. Falls sich hier nicht doch noch für das eine oder andere Problem einer der in der Literatur diskutierten Fortschrittsvariablenansätze durchsetzen sollte (siehe z. B. Steiner et al. 2004; Lehtiniemi et al. 2005), muss man vermutlich auf den kurz vorgestellten Conditional-Moment-Closure(CMC)-Ansatz zurückgreifen, der allerdings prinzipbedingt mit extrem hohem Berechnungsaufwand verknüpt ist. Vielleicht lässt sich ja die eine oder andere intelligente Kombination mit einfacheren Ansätzen finden. Sollte das Basisproblem eher dem zweiten Typ entsprechen, also eine relativ homogene Mischung mit nur geringen Inhomogenitäten vorliegen (die dann allerdings dennoch prozessbestimmend sein können), bietet sich eher das Konzept der Berechnung von A-posteriori-Verteilungsfunktionen mittels so genannten transported-pdf-Modellen an, vgl. hierzu auch Pope (1985). Dabei wird ein lokaler Mischungszustand (von Ausgangs- und Endprodukten der Reaktion, also inkl. Fortschrittsvariablen) über ein Ensemble homogener Reaktoren repräsentiert. Jeder homogene Reaktor wird durch ein Partikel dargestellt, das eine mögliche lokale Spezieskomposition verkörpert. Ein solches Partikel bewegt sich mit der Gasgeschwindigkeit im Brennraum, es mischt mit den anderen homogenen Reaktoren in einer Rechenzelle (Diffusion!) und seine Komponenten reagieren untereinander (laminar). Ein Problem besteht in der Modellierung der Diffusionsprozesse. Dieser Ansatz ähnelt dem Partikel-Konzept des Lagrange’schen Strahlmodells und leidet daher auch unter denselben Schwächen: zur Erreichung statistischer Konvergenz sind sehr hohe Rechenaufwände erforderlich, kleine Strukturen wie Flammenfronten sind nicht auflösbar. Geeignete Anwendungsgebiete sollten daher eher Probleme mit nicht zu scharfen räumlichen Gradienten, aber hoher chemischer Komplexität sein (z. B. ottomotorisches Klopfen).

Literatur Bilger, R.W.: Conditional Moment Closure for Turbulent Reacting Flow. Phys Fluids A 5(2), 436–444 (1993) De Paola, G., Mastorakos, E., Wright, Y.M., Boulouchos, K.: Diesel Engine Simulations with MultiDimensional Conditional Moment Closure. Combustion Science and Technology 180(5), 883– 899 (2008) Dederichs, A.S., Balthasar, M., Mauß, F.: Modeling of NOx and Soot Formation in Diesel Combustion. Oil & Science and Technology 54, 246–249 (1999) Gülder, Ö.L.: Correlations of Laminar Combustion Data for Alternative S.I. Engine Fuels. SAE Paper 841000 (1984) Halstead, M.P., Kirsch, L.J., Prothero, A., Quinn, C.P.: A Mathematical Model for Hydrocarbon Autoignition at High Pressures. Proceedings of the Royal Society A346, 515–538 (1975)

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G.P. Merker und R. Teichmann

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Simulation der Auladung Roland Baar

17

17.1 Allgemeines Turbomaschinen werden auf Grund der fehlenden Möglichkeit zu geschlossen analytischen Verfahren auch heute noch in großem Maße basierend auf heuristischen Ansätzen, d. h. basierend auf Erfahrungswerten, ausgelegt. Der ursächliche Grund dafür liegt in der Komplexität der Strömung. Insbesondere in den Laufrädern treten diverse Phänomene auf (Abb. 17.1). Durch die prinzipbedingte Funktionsweise, bei der beispielsweise am Verdichter der Druck durch Beschleunigung und Umlenkung in rotierenden Rädern erfolgt, wird die Strömung durch folgende Effekte dominiert bzw. gestört: • Grenzschichtströmung: Grenzschichten treten an allen Bauteilen auf, an denen Medien vorbeiströmen. Die hohen Strömungsgeschwindigkeiten, die komplexe dreidimensionale Geometrie sowie die verhältnismäßig kleine Baugröße führen zu Grenzschichten, die einerseits an sich zu Verlusten führen, darüber hinaus noch Sekundäreffekte in Form von Ausgleichsströmungen von der Druck- zur Saugseite der Laufradschaufeln auslösen. • Spaltströmung: Die Bauform von Laufrädern ist bedingt durch Anforderungen aus einfacher Fertigung und hoher mechanischer Belastbarkeit offen ausgeführt. Da insbesondere auf Grund von rotordynamischen Effekten ein gewisser Spalt zwischen Rad und Gehäuse vorgehalten werden muss, resultiert ein Druckausgleich an den Schaufelspitzen zwischen Druck- und Saugseite. • Sekundärströmung: Sekundäreffekte sind relative Wirbel innerhalb von Schaufelkanälen. Sie können in verschiedenen Ebenen autreten und haben verschiedene Ursachen.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Roland Baar B Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_17, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

969

970

G.P. Merker und R. Teichmann Radrückenraumströmung

Ausgleichströmung Sekundärströmung

Spaltströmung

Gebiet abgelöster Strömung

Grenzschichtströmung

Austrittsstoß

Abb. 17.1 Verlustanteile an Radialrädern

• Strömungsablösung: Insbesondere durch Fehlanströmungen kann die Strömung ablösen, was wie früher beschrieben zur „Rotating Stall“ oder „Pumpen“ führen kann. Diese Strömungsinstabilität ist im Wesen instabil und analytisch nicht bestimmbar. • Radrückenströmung: Hinter dem Laufrad liegt ein Spalt zum Gehäuse vor, in dem sich ein Strömungsfeld ausbildet. Dieses hat Auswirkungen auf die Axialkrat, den strömungstechnischen Wirkungsgrad sowie Blowby und Ölverlust des Lagergehäuses. Die Entwicklung von Turbinen und Verdichtern hat über viele Jahrzehnte hinweg quasi evolutionär die heute üblichen Laufrad- und Gehäusegeometrien hervorgebracht, die hinsichtlich Funktion, Kennfeldbreite und Wirkungsgrad optimiert sind. Weiterentwicklungen sind auf Grund verschiedener Anforderungen notwendig. Beispielsweise ermöglichen neue Fertigungsverfahren (z. B. Fäsen) und Werkstoffe (z. B. Titan und entsprechende Legierungen) bisher nicht mögliche Geometrien. Außerdem macht die steigende spezifische Motorleistung häufig sehr individuelle Anpassungen notwendig. Die Entwicklung von Turbinen und Verdichtern entsprechend stationärer Stromfadentheorie, die um Verlustmodelle ergänzt wird, gibt hier nach wie vor gute Hinweise. Werden aber Optimierungen in sehr engen Grenzen notwendig, kann auf eine dreidimensionale Strömungssimulation (CFD) bei Turboladern nicht verzichtet werden. Die Geometrie der Turbomaschine wird dabei in verschiedene Teilgebiete aufgeteilt (Abb. 17.2). Im Vergleich zum eigentlichen Turbolader nehmen dabei räumlich die Eintritts- und Austrittsstrecken einen großen Raum ein. Dadurch wird sichergestellt, dass einerseits Randbedingungen ver-

17

Simulation der Auladung

971

Austrittsstrecke

Eintrittsstrecke

Gehäuse Laufrad Volute

Austrittsstrecke

Gehäuse Laufrad

Volute

Eintrittsstrecke

Abb. 17.2 Einteilung der Turbinengeometrie in Teilgebiete am Beispiel eines Verdichters und einer Turbine mit Wastegate-Regelung

gleichbar mit Versuchsergebnissen angesetzt werden können, andererseits helfen sie, eine stabile numerische Lösung zu erzielen. Die Besonderheit bei Turbomaschinen stellen nur die verschiedenen Bezugssysteme zwischen rotierenden und nicht-rotierenden Bauteilen dar. Die Strömung im Laufrad kann nur im rotierenden System realistisch simuliert werden. Während das Gehäuse stationär mit dem Motor verbunden ist und sehr gut in einem absoluten, im Raum feststehenden, kartesischen Koordinatensystem beschrieben werden kann, eignet sich für das rotierende Laufrad ein mitrotierendes, relatives Koordinatensystem. Die Übergabe von Daten zwischen den Systemen kann durch verschiedene Ansätze erfolgen.

17.2 Interaktion von Laufrad und Gehäuse (Durst 2012) Wird jeweils nur Stator (Gehäuse/Leitschaufeln) oder Rotor (Laufrad oder Teile davon z. B. ein einzelner Schaufelkanal) betrachtet, wird entweder das Absolut- oder das Relativsystem für die Simulation verwendet. Betrachtet die numerische Analyse jedoch die Strömung in Rotor und Stator gleichzeitig, ist es notwendig, beide Koordinatensysteme („multiple frames of reference“) zugleich zu verwenden. Hierbei werden der Stator im Absolut- und der Rotor im Relativsystem berechnet. Am Übergang zwischen beiden Teilgebieten ergibt sich in diesem Fall eine interne Grenzfläche für die Simulation (Abb. 17.3), die abhängig von der Art der Simulation auf unterschiedliche Weise behandelt werden kann. Die Definitionen, die die meisten kommerziellen CFD-Programme in dieser Hinsicht zur Verfügung stellen, sind:

972

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 17.3 Grenzflächen an einem Verdichter

• 2 Frozen-Rotor-Schnittstelle, • 2 Mixing-Plane-Schnittstelle, • 2 Rotor-Stator-Verbindung. Bei der Frozen-Rotor-Schnittstelle bleibt die relative Position des Rotors im Bezug zum Stator fixiert und die sich an der Grenzfläche ergebenen Randwerte werden einfach vom einen in das andere Koordinatensystem übergeben. Dies ermöglicht die Bewertung von asymmetrischen Geometrie-Konfigurationen, wie sie in motorischen Turbomaschinen typischerweise autreten. Prinzipbedingt eignet sich diese Definition der Schnittstelle jedoch nur für stationäre Simulationen, da der Rotor als eingefroren betrachtet wird. Die Rotation beeinflusst die Strömung über das mitrotierende Koordinatensystem. Der Vorteil, dass die zwischen den an die Schnittstelle angrenzenden Koordinatensystemen übergebenen Werte die Asymmetrie des Statorbereiches widerspiegeln, bedeutet jedoch gleichzeitig, dass das Ergebnis der Simulation von der relativen Orientierung des Rotors zum Stator abhängig ist. Mehrfache stationäre Frozen-Rotor Berechnungen mit unterschiedlichen RotorPositionen entsprechen zudem nicht dem Ergebnis der instationären Simulation. Auch bei der Mixing-Plane-Schnittstelle (Mischungsebenen-Schnittstelle) bleibt die relative Ausrichtung des Rotors zum Stator während der Berechnung unverändert. Es erfolgt allerdings eine Mittelung der Werte in Umfangsrichtung der Grenzfläche zwischen beiden Koordinatensystemen. Die zwischen Nachbarknoten übergebenen Strömungsgrößen sind daher über den Eintritt in das Relativsystem gleichmäßig verteilt, was dazu führt, dass das Ergebnis unabhängig davon ist, wie der Rotor im Bezug auf den Stator gerade angeordnet wurde. Gerade in motorischen Turbomaschinen ist die Annahme gleichmäßig verteilter Strömungsgrößen jedoch meist nicht sinnvoll und führt dazu, dass die Strömung im Stator durch die Mittelung beeinflusst wird. Anwendungsgebiete für Mischungsebenen-

17

Simulation der Auladung

973

Verbindungen sind daher eher im Bereich axialer Turbomaschinen zu finden, bei denen die Annahme azimutaler Gleichverteilung näherungsweise erfüllt werden kann. Im Gegensatz zu den beiden obigen Schnittstellen ist mit Hilfe der Rotor-StatorVerbindung die instationäre Simulation des Strömungsmaschinenverhaltens möglich. Bei dieser Schnittstelle wird die Winkelposition des Laufrades mit der Zeit verändert, so dass entsprechend der Winkelgeschwindigkeit jeweils die richtige relative Position zwischen Rotor und Stator betrachtet wird. Auf diese Weise kann auch die Interaktion zwischen Rotor und Stator also beispielsweise zwischen Laufrad und asymmetrischen Gehäuseteilen oder zwischen Laufrad und Leischaufeln analysiert werden. Bedingt durch die Rotation des Laufrads stellt die Schnittstelle zwischen den beiden angrenzenden Koordinatensystemen eine interne Grenzfläche des Berechnungsmodelles dar, mit non-konformen Netztopologien auf beiden Seiten. Dies bedeutet, dass die Gitterpunkte des einen Teilnetzes nicht unbedingt identisch sein müssen mit denen, des anderen Teilnetzes. Die Verbindung erfolgt in solchen Fällen mit Hilfe sogenannter Kontrollflächen, die eine geeignete Übergabe der Werte von einem Netz zum anderen sicherstellen. Je nach betrachtetem Programm werden solche Kontrollflächen als „generalized grid interfaces“, „arbitrary interfaces“ oder auch nur „interfaces“ bezeichnet. Im Fall der Rotor-Stator-Verbindung stellt diese Grenzfläche einen Sonderfall der Kontrollfläche dar, indem sich die Gitterpunktanordnung durch die Rotation des Laufrads mit jedem Zeitschritt ändert. In solchen Fällen spricht man von einem „Sliding Interface“. Die beiden ersten Schnittstellen stellen schnelle und robuste Möglichkeiten dar, die Strömung in motorischen Turbomaschinen zu simulieren und sind beispielsweise geeignet, Strömungsmaschinen auch mit Hilfe automatischer Optimierungsverfahren zu verbessern. Beide weisen jedoch die diskutierten Nachteile auf. Die instationäre Analyse mittels RotorStator Verbindung ist die einzige Möglichkeit, transiente Effekte korrekt zu berücksichtigen und auch die Wechselwirkung zwischen Rotor und Stator zu erfassen. Die Methode ist jedoch auch wesentlich aufwendiger hinsichtlich Rechenzeit und Speicherplatzbedarf und stellt auch sonst andere Anforderungen an die Berechnungsdurchführung (beispielsweise hinsichtlich der vorzugebenden Randbedingungen, die gegebenenfalls auch zeitlich variabel sein müssen). Im industriellen Umfeld stellen derartige Analysen daher derzeit noch nicht den Regelfall dar.

17.3 Grundlagen der Gittergenerierung für Turbomaschinen (Durst 2012) Wie bereits erwähnt, gelten für die 3D-CFD-Simulation von Strömungsmaschinen ähnliche Anforderungen wie für andere Gebiete der 3D-CFD- Simulation auch. Da die detaillierte Analyse von Verlusten meist mit der möglichst korrekten Vorhersage von Strömungsablösungen zusammenhängt, ist im Falle von Turbomaschinen-Simulationen besonderer Wert auf die Qualität der Berechnungsgitter zu legen. Dies bezieht sich auf Parameter wie Gitterwinkel, Aufweitungsverhältnis oder auch Seitenverhältnis der Kontrollvolumi-

974

G.P. Merker und R. Teichmann

na, insbesondere aber ist auf die ausreichende Auflösung der Grenzschicht sowie je nach eingesetztem Turbulenz- und Wandfunktionsmodell auch auf den y+ Wert der ersten Zellen innerhalb des Berechnungsgebietes zu achten. Durch den Gitterwinkel wird der numerische Fehler der Lösung beeinflusst. Gute Werte liegen hier zwischen 20° und 160°, akzeptable zwischen 10° und 170°. Außerhalb dieses Bereiches muss mit deutlichen Einflüssen auf die Qualität der Lösung gerechnet werden. Als Aufweitungsverhältnis bezeichnet man bei eindimensionalen Berechnungsnetzen das Verhältnis zwischen den Abständen benachbarter Gitterpunkte. Im dreidimensionalen Fall kann hierfür das Volumenverhältnis zwischen benachbarten Kontrollvolumina herangezogen werden. Auch dieser Parameter beeinflusst direkt den numerischen Fehler der Lösung. Im Idealfall liegen die Werte für das Aufweitungsverhältnis zwischen 1 und 1,5. Werte zwischen 1,5 und 2,5 sind noch akzeptabel. Das Seitenverhältnis eines Kontrollvolumens beeinflusst das Konvergenzverhalten iterativer Lösungsverfahren, mit deren Hilfe die sich aus der Diskretisierung der Transportgleichungen ergebende Matrixgleichung gelöst wird. Teilweise erfordern diese Löser, dass das Seitenverhältnis beschränkt bleibt. Seitenverhältnisse von 10 und kleiner sind hierbei anzustreben. Insbesondere zur Auflösung der Grenzschicht ist es jedoch möglich, dass dieser Wert nicht immer eingehalten werden kann und Seitenverhältnisse von 100 und darüber akzeptiert werden müssen, um die Anzahl der Gitterpunkte in erträglichem Rahmen zu halten. Hier muss die Eignung des jeweiligen Matrixlösers für solche Netze überprüt werden. Ein Ziel, das bei der numerischen Simulation stets beachtet werden sollte, ist, dass konsistente Lösungen gefunden werden. Hiermit ist gemeint, dass der Berechnungsfehler mit zunehmender Netzfeinheit immer kleiner werden sollte. Dies kann dadurch überprüt werden, dass die erhaltene Lösung auf Netzen mit zunehmender Verfeinerung verglichen wird. Tendiert die Lösung nicht asymptotisch gegen einen Grenzwert, kann dies daran liegen, dass das Gitter ganz allgemein noch viel zu grob ist. Ein Problem kann jedoch auch darin liegen, dass die oben aufgeführten Parameter, die die Netzqualität beschreiben, durch eine Netzverfeinerung nicht besser sondern schlechter werden. In solchen Fällen spricht man von nicht skalierbaren Netzen. Grundsätzlich stellen hexaedrische Gitter die beste Möglichkeit dar, gute Netzqualität bei hoher Berechnungseffizienz zu erzeugen. Hexaederelemente eignen sich gut, um die Grenzschicht nahe der Wand und Scherschichten, die durch Strömungsablösung entstehen, aufzulösen. Der Nachteil von Hexaeder-Gittern liegt in der sehr aufwendigen Gittergenerierung, die nur in geringerem Maße automatisierbar ist. Die manuelle Netzgenerierung bietet allerdings auch den Vorteil, dass die Anordnung der Kontrollvolumina bereits so gestaltet werden kann, dass zu erwartende hohe Gradienten in der Strömung gut aufgelöst werden können. Tetraedernetze lassen sich dagegen sehr gut automatisch generieren. Ausgehend von einem Oberflächennetz auf der fluidbenetzten Geometrie, wird das zur Verfügung stehende Volumen mit tetraedrischen Kontrollvolumina aufgefüllt. Nachteilig an Tetraedernetzen ist allerdings, dass sie auf Grund der relativen Anordnung zueinander nur bedingt geeig-

17

Simulation der Auladung

975

net sind, Scherschichten und Grenzschichten an Wänden aufzulösen. Zudem ist es nicht möglich, die Anordnung der Kontrollvolumina am Verlauf der Stromlinien zu orientieren, was dazu führt, dass für eine ähnliche Lösungsqualität bei Hexaedergittern wesentlich mehr Gitterpunkte verwendet werden müssen. Der Berechnungs- und Speicherplatzaufwand für tetraedrische Netze ist allein durch die Art der Kontrollvolumen um ca. 50 % höher als bei Hexaedernetzen. Prismatische Netze sind zwar immer noch weniger effizient als Hexaedernetze, stellen jedoch eine Möglichkeit dar, die Grenzschicht besser als mit Tetraedern aufzulösen. Die Erzeugung ist ausgehend von einem zweidimensionalen Netz beispielsweise durch Extrusion möglich und sehr gut automatisierbar. In Kombination mit Tetraedern im Innenbereich stellen Prismennetze eine sehr schnelle und mit wenigen manuellen Eingriffen verbundene Möglichkeit dar, Netze unbeaufsichtigt zu generieren. Pyramidenelemente stellen im Allgemeinen lediglich Übergangselemente zur Verbindung von Hexaeder- mit Tetraederelementen dar und sollten als Kontrollvolumina weitgehend vermieden werden.

17.4 Netzaufbau, Netzqualität und Randbedingungen Der Aufbau von Netzen nimmt bei der Arbeit im Bereich der Strömungssimulation einen großen zeitlichen Umfang ein. Hier werden die Grundlagen für qualitativ hochwertige Ergebnisse gelegt. Allgemein lässt sich sagen, dass Netze strukturiert oder unstrukturiert aufgebaut werden können (Abb. 17.4). Strukturierte Gitter werden häufig in verhältnismäßig einfach gestalteten Strömungsgebieten verwendet. Diese werden zudem zur weiteren Vereinfachung in Blöcke strukturiert, die dann mit unterschiedlichen Eigenschaten vernetzt werden können. Trotzdem entstehen durch die festgelegte Struktur in vielen Bereichen nicht-optimale Zellen. Die relative Zellanzahl kann in bestimmten Bereichen zu hoch oder zu niedrig sein, was Rechenzeit bzw. die Rechengenauigkeit negativ beeinflussen kann. Zudem kann die Zellgeometrie ungünstig sein (z. B. zu dünn/spitz), was wiederum zu Konvergenzproblemen führen kann. Unstrukturierte Gitter benötigen zwar höheren Aufwand bei der Erstellung, sind aber generell flexibler und lassen sich, sofern ein geeigneter Algorithmus in der Vernetzungssotware umgesetzt wurde, einfacher an komplexe Geometrien anpassen. Die Lösung von Strömungsberechnungen bei unstrukturierten Gittern ist üblicherweise langsamer als bei strukturierten Gittern. Trotz der in den letzten Jahren exponentiell gestiegenen Möglichkeiten der Simulation hinsichtlich Rechnerleistung spielt die Netzgröße nach wie vor eine hohe Rolle. Netze mit hoher Knotenzahl ermöglichen immer genauere Abbildungen der oben beschriebenen Strömungseffekte. Auf der Basis stationärer Strömungen können heute so ganze Kennfelder in akzeptabler Zeit simuliert werden. Die Strömung in Turbomaschinen ist allerdings nur bei grober Vereinfachung als stationär zu betrachten. Daher nimmt die Anwendung instationärer Simulationen zu. Hier können einerseits Effekte innerhalb der Turbomaschine (z. B. Ablösungen) simuliert werden, andererseits ergeben sich Möglichkeiten, die Pulsa-

976

G.P. Merker und R. Teichmann

a) Strukturiertes Netz

b) Unstrukturiertes Netz

Abb. 17.4 Netztypen

tionen aus dem Ladungswechsel des Verbrennungsmotors zu berücksichtigen. Auf Grund der vollkommen unterschiedlichen Zeitskalen der Betriebszustände des Motors und des Turboladers folgen daraus dann Rechenzeiten, die eine Minimierung der Netzgröße notwendig machen, um alle Strömungseffekte erfassen zu können. Zur Kontrolle der Netzgröße werden Netzstudien durchgeführt (Abb. 17.5, Boxberger 2013). Hierbei wird die Netzgröße variiert und beispielhat angewendet. Die Netzgröße wird so lange reduziert, dass die globalen Ergebnisse der Simulation nicht wesentlich abweichen. An den Grenzen der Netze werden Randbedingungen für die Simulation gesetzt, zwischen oder innerhalb der Teilgebiete des Gesamtnetzes können Grenzflächen angesetzt werden, an denen Ergebnisse mittels Messwerten abgeglichen werden (Abb. 17.6). Außerdem kann an solchen Flächen ein detaillierter Einblick in die Strömung erfolgen, entweder zur Prüfung auf Plausibilität oder zur speziellen Untersuchung von Detaileffekten. Häufig werden die Wände der strömungsführenden Bauteile als adiabat angenommen. Dies erfordert besondere Anforderungen an Messungen, die zum Abgleich bzw. Vergleich herangezogen werden. Moderne Berechnungswerkzeuge lassen heute bereits eine Kopplung mit Wärmeübergangsmodellen zu (Fluid-Struktur-Interaktion FSI). Dies kann dazu genutzt werden, um die thermische Belastung von Bauteilen hervorzusagen. In solchen Fällen dient die Strömungssimulation demnach nicht nur zur Vorhersage der Strömungszustände, sondern gibt besondere Informationen über das Temperaturfeld. Dies bedeutet für die Etablierung der Strömungssimulation im Produktentstehungsprozess einen großen Schritt (Baar 2009), die CFD hat sich von einem reinen Forschungstool zu einem festen Bestandteil der Absicherungsprozesses entwickelt.

17

Simulation der Auladung

977

1.80

compressor total pressure ratio p2t/p1t[-] [-] Totales Verdichterdruckverhältnis

1.75

2.2 Mio. Knoten

nTC, corr=120000 min-1

1.70

1.65

3.7 Mio. Knoten

1.60

1.55

1.50

1.45

1.40 0.03

4.5 Mio. Knoten

Exp. cold T3=25°C, TOil=25°C CFD 2.2 Mio. Nodes CFD 3.7 Mio. Nodes CFD 4.5 Mio. Nodes 0.04

0.05

0.06

0.07

0.08

0.09

0.10

0.11

0.12

corrected mass flow ṁ C,0 [kg/s] Reduzierter Massenstrom [kg/s]

Abb. 17.5 Auswirkung der Knotenanzahl – Beispiel einer Netzstudie

Eintrittsrandbedingung Druck und Temperatur

(adiabate Wände)

Drehzahl

Austrittsrandbedingung Massenstrom, ggf. Druck

Abb. 17.6 Grenzflächen und Randbedingungen

0.13

978

G.P. Merker und R. Teichmann

17.5 Auswertung Durch die Notwendigkeit von Netzen hoher Knotenanzahl ergeben sich schon bei einfachen Simulationen enorme Datenmengen, die effektiv nur mit speziellen AuswerteWerkzeugen ausgewertet werden können („Postprocessing“). Der Abgleich der Ergebnisse erfolgt häufig nur anhand globaler Werte, wie sie auch an Prüfständen aufgenommen werden. Dies führt bei der Entwicklung neuer Turbomaschinen zu wichtigen Erkenntnissen. Abbildung 17.7 (Boxberger 2013) zeigt den Vergleich von Experiment und Simulation an einem Beispielverdichter. Es zeigt sich, dass eine sehr gute Übereinstimmung vorliegt, die für viele Zwecke ausreichend ist, insbesondere wenn man bedenkt, dass die experimentellen Ergebnisse verschiedene Fehler beinhalten (statistische Abweichungen, Genauigkeit von Sensoren, Abweichungen in der Geometrie von Bauteilen). Insbesondere die Grenzen des Kennfelds sind in der Simulation schwierig abzubilden. Die Pumpgrenze wurde in dem Beispiel nicht simuliert, sondern entsprechend der Versuchsergebnisse wurden nur bestimmte Kennfeldpunkte berechnet. Es ist heute noch nicht möglich, die Pumpgrenze eines Verdichters sicher zu simulieren. Zwar treten nahe der Pumpgrenze zunehmend Instabilitäten auf und es lassen sich Ablösungserscheinungen finden, die dem Pumpen vorausgehen (Abb. 17.8). Allerdings ist eine genaue Vorhersage der Pumpgrenze noch nicht wirklich reproduzierbar und sicher möglich. An der Stopfgrenze zeigt sich auch eine Auffälligkeit, die auf klassische Schwächen der Numerik hinweist. Die Berechnung dieser gehört zu den schwierigsten Aufgaben der CFD. Sie wird beeinflusst von der Profilspalthöhe, der Schaufelverdrehung, vom Turbulenzmodell, vom Transitionsmodell, von der

2.6

Totales Verdichterdruckverhältnis compressor total pressure ratio p2t/p1t [-] [-]

nTC, corr=160000 min-1 2.4

TRef=298K pRef=1000mbar

2.2

Note: Surge is not detected by CFD.

2.0

1.8

1.6 140000 1.4 120000 100000

1.2

1.0 0.00

40000 0.02

0.04

60000 0.06

Exp. cold T3=25°C, TOil=25°C CFD

80000 0.08

0.10

0.12

0.14

0.16

0.18

corrected mass flow ṁ C,0 [kg/s] Reduzierter Massenstrom [kg/s]

Abb. 17.7 Vergleich von Versuch und CFD-Simulation am Beispiel der Kennlinien eines Verdichters

17

Simulation der Auladung

979

Ma []

a) Zustand nahe Pumpgrenze

b) Zustand nahe Stopfgrenze

Abb. 17.8 Strömungszustände an einem Verdichter

Wandrauigkeit, von Instationarität der Strömung und weiteren Faktoren. Das Stopfen ist wie das Pumpen ein systemabhängiger, instationärer Prozess, der sich in vielen Schaufelpassagen gleichzeitig entwickelt und aufgrund der Grenzschichtablösung vor allem vom Turbulenzmodell abhängt. Wie dargestellt berechnet die CFD vor allem bei hohen Massenströmen ein geringeres Druckverhältnis als der Prüfstand. Es kann beobachtet werden, dass das stationär aufgenommene Verdichterkennfeld eine Sensitivität zum zunehmenden Turbulenzgrad der Strömung aufweist, dies ist vor allem im Bereich der höheren Drehzahlen zu sehen. Hier kommt es zu einem Abknicken der Drehzahllinien. Eine Möglichkeit die Kennfeldqualität der CFD zu verbessern, könnte eine instationäre Berechnung der betroffenen Betriebspunkte sein. Hinsichtlich der Simulation der Wirkungsgrad-Charakteristik zeigen sich die bekannten Probleme der Diabatheit. Bei kleinen Massenströmen weichen die Wirkungsgrade deutlich vom Versuch ab. Dies liegt darin begründet, dass im Experiment der Verdichter durch Wärmeleitung und Wärmestrahlung, die insbesondere von der Turbine ausgehen, erwärmt wird. Dies lässt sich grundsätzlich durch die eine dem Versuch entsprechende Simulation der diabaten Vorgänge oder durch Sicherstellung adiabater Zustände im Versuch realisieren (Abb. 17.9, Boxberger 2013). Grundsätzlich ist die Simulation der Strömung in der Turbine einfacher, da auf Grund der geringeren Ablöseneigung weniger Instabilitäten autreten. Allerdings spielen an der

980

G.P. Merker und R. Teichmann

isentropic efficiency ηC,is[-] [-] Isentropercompressor Verdichterwirkungsgrad

0.75 0.70 0.65 0.60 0.55 0.50

40000 100000

0.45 nTC, corr=160000 min-1

0.40 0.35 0.30 0.25 0.00

TRef=298K pRef=1000mbar 0.02

0.04

0.06

0.08

0.10

Exp. T3=600°C, TOil=90°C Exp. cold T3=25°C, TOil=25°C CFD 0.12

0.14

0.16

0.18

corrected mass flow ṁ C,0 [kg/s] Reduzierter Massenstrom [kg/s]

Abb. 17.9 Korrektur der experimenteller Wirkungsgrad-Daten am Beispiel eines Verdichters

a) Stromliniendarstellung von Ablösungen in Schaufelmitte

b) Stromliniendarstellung eines Wirbels ausgehend vom Verdichtereintritt

Abb. 17.10 Detailbeispiele zur Auswertung

Turbine die Wärmeflüsse eine entscheidende Rolle. Hier hat der klassische Versuch einen Nachteil, weil Wärmeflüsse Ergebnisse verfälschen. Die Strömungssimulation wird aber auf Grund ihrer Detailtiefe nicht nur zur Bestimmung globaler Größen, sondern auch zur gezielten Untersuchung von Strömungsdetails eingesetzt. Dafür gibt es unzählige verschiedene Möglichkeiten. In Abb. 17.10a ist die Existenz von Ablösungen gezeigt, hierbei wurde eine Auswerteebene auf Mitte der Schaufelhö-

17

Simulation der Auladung

90% Schaufelhöhe

981

50% Schaufelhöhe

10% Schaufelhöhe

Ma []

Abb. 17.11 Darstellung der Strömung im Rad – Beispiel Machzahl im Verdichterrad

he verwendet, die Strömung durch die Schaufelkanäle wird mittels Stromlinien visualisiert. In Abb. 17.10b verdeutlichen Stromlinien die Entwicklung von Wirbeln, die sich aus der Störung der Strömung am Schaufeleintritt ergeben. Abbildung 17.11 zeigt klassische Auswertungen von Strömungsgrößen in verschiedenen Ebenen. Aus der oberen Darstellung in Verbindung mit dem Laufrad lassen sich Effekte einfacher verstehen, allerdings behindert die Schaufelgeometrie eine eindeutige „Sicht“ in den Schaufelkanal. Daher findet häufig die Abwicklung der entsprechenden Ebene entsprechend der unteren Darstellung Verwendung bei der Auswertung

17.6 Anwendungsbeispiel Die Strömungssimulation bietet insbesondere dann gegenüber dem Experiment Vorteile, wo ein Einblick ansonsten nicht möglich ist oder wo Varianten verschiedener Zustände nur mit hohem Aufwand realisierbar sind. Im folgenden Beispiel werden Effekte in einem zweistufigen Aufladesystem gezeigt. Abbildung 17.12 (Baar 2011) stellt die Auswirkung der Wastegate-Strömung und der Abströmung aus der Hochdruckstufe auf die Zuströmung der Niederdruckstufe dar. In der Visualisierung der Stromlinien zeigt sich zwar die Vermischung der Wastegate-Strömung in die Hauptströmung, eine Analyse der Helicity als Maß für die Wirbelintensität zeigt dabei deutlicher die entsprechenden Effekte. Eine experimentelle Untersuchung solcher Vorgänge ist mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Die Wirbelstruktur setzt sich im Verlauf fort, vergleichsmäßig sich aber in der Volute der

982

G.P. Merker und R. Teichmann

Stromlinien

Helicity

Abb. 17.12 Auswirkung der Zuströmung des Wastegates einer Hochdruckstufe auf die Zuströmung der Niederdruckstufe

ND-Zuströmung durch Wastegate und HD gestört (Massenstromanteil durch Wastegate 33,4%)

ND-Zuströmung homogen

ND-Zuströmung nur durch HD gestört (WG geschlossen)

Abb. 17.13 Vergleich verschiedener Störungsformen der Zuströmung einer Niederdruckstufe

Niederdruckturbine. In Abb. 17.13 (Baar 2011) werden die Wirbelstrukturen einer Störung durch Wastegate und Hochdruckstufe, einer Störung ausschließlich durch die Hochdruckstufe sowie eine störungsfreie, homogene Zuströmung verglichen. Die Analyse ermöglicht eine Visualisierung, darüber hinaus lassen sich auch Wirkungsgrad-Auswirkungen von bis zu 2 % nachweisen.

17

Simulation der Auladung

983

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Teil V: Systembetrachtungen und Ausblick

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs Günter Fraidl, Paul Kapus, Reinhard Tatschl und Johann Wurzenberger

18.1 Zukünftige Entwicklungsziele der Verbrennungsmotoren 18.1.1 Einführung Die zuküntigen CO- Szenarien (Abb. 18.1) stellen weltweit die wesentlichste Entwicklungsherausforderung für Pkw-Antriebe dar. Die aktuelle und zuküntige Gesetzgebung ist in Abb. 18.1 dargestellt. Die von den verschiedenen Herstellern zur Erfüllung der CO2 -Flottengrenzwerte 2020 noch zu erreichenden Reduzierungen sind in der Relation zu den bereits 2008–2012 erzielten Verbesserungen in Abb. 18.2 dargestellt. Während in den letzten Jahren in Europa die Reduzierung des Flottenmittelwerts stark durch die Erhöhung des Dieselanteils realisiert wurde, erfolgt jetzt durch neue Benzindirekteinspritztechnologien in Verbindung mit verbessertem Energiemanagement und Start/Stopp sowie Hybridantrieben ein echter Stufensprung bei den Ottomotoren. Dabei sind verschiedene Entwicklungsrichtungen zu beobachten: • Saugmotor-Schichtladekonzepte, siehe Langen et al. (2007) und Waltner et al. (2006), als Speerspitze der rein ottomotorischen Verbrauchskonzepte, • die Kombination der Benzin-Direkteinspritzung mit Abgasturboaufladung (Prevedel und Kapus 2006; Fraidl et al. 2007), die wohl im Moment den am stärksten ausgeprägten Technologietrend bei Ottomotoren darstellt, • verstärkter Einsatz variabler Ventiltriebe zur Trennung von Verdichtung und Expansion (Miller- oder Atkinson-Zyklus)

Dr. Günter Fraidl B ⋅ Dr.-techn. Paul Kapus ⋅ Dr.-techn. Reinhard Tatschl B ⋅ Dr.-techn. Johann Wurzenberger AVL LIST GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected], [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_18, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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988

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.1 Derzeitige und zuküntige CO2 -Gesetzgebung

• milde Hybridanwendungen mit vergleichsweise moderaten elektrischen Leistungen, nach Brachmann (2009) • sowie Vollhybride, siehe Weiss et al. (2009). Vergleicht man die 2008–2012 bereits erzielten Reduzierungen der Flottenmittelwerte der einzelnen Hersteller mit den zum Erreichen der für 2020 noch erforderlichen Verbesserungen, so zeigt sich eine stark unterschiedliche Positionierung der einzelnen Hersteller. Es ist in Abb. 18.3 weiter ersichtlich dass die derzeit besten Dieselantriebe die für 2020 anvisierten CO2 Emissionen schon jetzt erreichen können. Die besten Ottomotoren erzielen CO2 Emissionen zwischen den für 2015 und 2020 vorgeschriebenen Werten. Otto Hybridantriebe erzielen Werte ähnlich denen der Dieselantriebe. Dieselhybridantriebe werden bevorzugt bei schweren Fahrzeugen eingesetzt und helfen den Flottenmittelwert

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

989

Annual progress achieved 2008-2012

5,5% 5,0% 4,5% 4,0% 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 3,0%

3,5%

4,0%

4,5%

5,0%

5,5%

Required annual progress 2012-2020 to meet 2020 target

Abb. 18.2 Verbesserung der CO2 -Flottenemission 2008–2012 in Relation zu der 2012–2020 erforderlichen weiteren Verbesserung. Quelle: European Federation for Transport and Environment (2013)

Abb. 18.3 CO2 -Emissionen von Pkw nach Motortechnologie

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G.P. Merker und R. Teichmann

zu senken. Bei allen Antriebsarten wird der CO2 Wert stark von der Fahrwiderstandslinie beeinflusst. Für das Erreichen des Flottenzielwertes 2020 müssen sich Fahrzeuge mit allen Antriebsarten weiter verbessern. Dabei wird die Verbesserung teilweise am Motor, am Getriebe und am Fahrzeug erfolgen. Unter Einbeziehung der konventionellen Schadstoffemissionen stellt sich die Frage, welche Technologiekombination langfristig das größere Entwicklungspotenzial, die bessere Kundenakzeptanz, das geringere Risiko und das beste Kosten/Nutzen Verhältnis hat.

18.1.2 Koniguration des optimalen Antriebssystems So wie in vielen anderen Bereichen der Konsumgüterindustrie können verschiedenartige Kundenwünsche immer besser durch eine breitere Technologiepalette in Verbindung mit Sotwarevarianten erfüllt werden. Dabei wird sich die bereits in den letzten zwanzig Jahren entstandene Vielfalt neuer Fahrzeugvarianten durch die Elektrifizierung des Antriebsstranges noch weiter verstärken. Vereinfacht kann man davon ausgehen, dass sich auf der ganzen Welt der Käufer oder besser eine „Käuferfamilie“ nach ähnlichen Kaufkriterien, wie z. B.: • • • •

Anschaffungskosten Kratstoffverbrauch bzw. Betriebskosten Fahrdynamik und -komfort (d. h. Fahrbarkeit) Technologietrends,

entscheidet. Aber die Gewichtung dieser Kaufkriterien wird einerseits stark vom lokalen Umfeld und den dort aktuellen Randbedingungen beeinflusst, andererseits von individuellen Kaufentscheidungen geprägt, Abb. 18.4. Die ersten drei Parameter können mit entsprechenden Analyse- und Entwicklungswerkzeugen auf objektiver Basis gut quantifiziert werden. Bei der aktuellen Einschätzung und Bewertung von Technologieoptionen hingegen kommt ein sehr subjektives, eher Modetrends unterworfenes Verhalten des Käufers zum Tragen. Bei der Definition von Marktsegmenten kommt man zu einer spezifischen Gewichtung dieser vier voneinander unabhängigen antriebsspezifischen Bewertungsgruppen, zwischen denen sich natürliche Trade-Offs ergeben. So verbessern z. B. moderne AntriebsstrangKonfigurationen mit vielen neuen Elementen sowohl Fahrbarkeit als auch CO2 -Emissionen, bedingen jedoch auch höhere Produktionskosten. Wird die Antriebsstrangauslegung primär an Katalogwerten wie Leistung, Beschleunigung 0–100 km/h, Höchstgeschwindigkeit, etc. und weniger an der tatsächlichen Kundenerwartung bezüglich Fahrbarkeit ausgerichtet, so können die Optimierungspotenziale z. B. hinsichtlich CO2 -Reduzierung nicht vollständig genutzt werden. Daher ist es für die Entwicklung verbrauchs- und kostenoptimaler Antriebssysteme wichtig, die tatsächliche Kundenerwartung bezüglich Fahrbarkeit genau zu erfassen und zu quantifizieren. Diese

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

991

Abb. 18.4 Umfeld für Kundenerwartungen an Pkw-Antriebssysteme

Erwartung kann jedoch vom Kunden selbst naturgemäß gar nicht explizit formuliert werden. Hierzu sind geeignete Analyse-/Entwicklungswerkzeuge hilfreich. Aus den treffsicher erfassten Kundenkriterien und deren Gewichtung zueinander sowie einzelnen äußeren Randbedingungen (z. B. gesetzliche Vorgaben, Kratstoffverfügbarkeit) können die technischen Kriterien für die Auslegungsphase abgeleitet werden. Diese dienen als Input für einen „Konfigurationsprozess“. Das ist der wesentliche Teil der Auslegungsphase und damit das Zusammenwirken unterschiedlicher Bewertungsprozesse, auf die später noch im Detail eingegangen wird. Um diese Bewertungsprozesse durchführen zu können, muss zusätzlich auch ein detaillierter Überblick über aktuell und zuküntig verfügbare Technologieelemente geschaffen werden.

18.1.3 Technologieelemente künftiger Antriebsstrang-Konigurationen Zuküntige Antriebskonzepte erfordern ein höheres Maß an Flexibilitäten im Antriebsstrang zur bestmöglichen Anpassung an die unterschiedlichen vom Kunden gefahrenen Betriebszustände. In der Vergangenheit wurde dies vorzugsweise mittels neuer Technologieelemente der Verbrennungskratmaschine umgesetzt. In Zukunt bringt insbesondere die Elektrifizierung des Antriebsstranges eine enorme Erweiterung des Gestaltungsfreiraumes und damit die Möglichkeit, neue zusätzliche Technologieelemente in verschiedenste Konfigurationen des Antriebssystems einzubringen. Für eine optimale Anpassung des An-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.5 Zuküntige Pkw-Antriebsstrangkonzepte: Qualitative Auteilung der Flexibilitäten auf die einzelnen Antriebsstrangkomponenten

triebes an die jeweilige Fahrsituation können die dafür erforderlichen Flexibilitäten sehr unterschiedlich auf die fünf Grundelemente des Antriebsstrangs: • • • • •

Verbrennungsmotor („VKM“) Getriebe Elektromotor Energiespeicher Steuerung und Regelung

verteilt werden. Dabei entstehen für die einzelnen Antriebsstrangkonfigurationen charakteristische „Flexibilitätsmuster“, Abb. 18.5. Vergleichsweise einfache Getriebe bzw. Getriebestrategien einerseits sowie die geringen Energiedichten und hohen Kosten der Batterie andererseits förderten über Jahrzehnte die Entwicklung hochflexibler Verbrennungsmotoren. Bei den Ottomotoren stellt dabei die Kombination von Aufladung, vollvariablem Ventiltrieb, variabler Verdichtung, Di-

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

993

rekteinspritzung und sowohl fremd- als auch selbstgezündeter Betriebsweise nicht nur das Maximum an verbrennungsmotorischer Flexibilität, sondern auch an Komplexität und Kosten dar. Beim Dieselmotor setzten sich Turboaufladung, Common-Rail Einspritzsysteme, gekühlte Abgasrückführung und der Wandstrompartikelfilter durch, während aktive NOx Abgasnachbehandlung bislang nur einigen Anwendungen vorbehalten blieb, Abb. 18.5 links oben. Mittels Lastpunktverschiebung über entsprechende Getriebestrategien können die zur Darstellung günstiger Verbrauchs- und Emissionswerte erforderlichen verbrennungsmotorischen Flexibilitäten und damit die Kosten deutlich verringert werden. Durch flexible Getriebe (CVT, Doppelkupplungsgetriebe, zuküntige Generationen von Stufenautomaten) werden attraktive Verbrauchs- und Emissionswerte auch mit vergleichbar einfacher Verbrennungsmotor-Technologie erreicht, Abb. 18.5 rechts oben. Die verschiedensten Formen der Hybridisierung nehmen teilweise signifikanten Einfluss auf die einzusetzende Motortechnologie. Bei Powersplit-Hybriden werden die Flexibilitäten primär im Bereich der Elektromotoren und Sotware angeordnet, der Verbrennungsmotor kann bei entsprechender Systemauslegung weiter vereinfacht werden, Abb. 18.5 links unten. Noch stärker wird der erforderliche Betriebsbereich des Verbrennungsmotors beim Elektrofahrzeug mit verbrennungsmotorischem Range-Extender von Fischer (2009), Abb. 18.5 rechts unten, eingeengt. Die zur Erfüllung von Kundenanforderungen notwendigen Flexibilitäten werden hier primär durch die Batterie und den Elektromotor abgedeckt. Abhängig von der Systemauslegung stellt dabei der Verbrennungsmotor de facto nur mehr ein „Notstromaggregat“ mit Ein- oder Zweipunktbetrieb und entsprechend reduziertem Technologieerfordernis dar. Damit ergeben sich für die verschiedenen Antriebsstrangkonfigurationen sowohl äußerst unterschiedliche Anforderungen an Teile des Antriebsstranges als auch aufgrund der unterschiedlichen Flexibilitäten unterschiedliche Verbrauchs-einsparungseffekte. Diese Effekte können additiv oder substitutiv sein. So ist beispielsweise die Kombination eines Verbrennungsmotors mit einem Start/Stopp System additiv. Die Kombination von Downspeeding mit beispielsweise Schichtbetrieb beim Otto Motor wäre vorwiegend substitutiv. Des Weiteren weisen die einzelnen Konzepte jeweils unterschiedliche Vorteile in verschiedenen Fahrzuständen auf. Die einfache Hybridisierung eines Triebstrangs durch Einfügen einer E-Maschine ohne weitere Maßnahmen zeigt z. B. Vorteile vor allem im Stadtverkehr mit häufigem Stop and Go. Hingegen zeigt beispielsweise Dobes et al. (2008) ein Downspeedingkonzept mit gekühlter AGR zur Vermeidung der Volllastanfettung beim Ottomotor auch bei forcierter Fahrweise noch Verbrauchsvorteile. Ganz generell ist ein klarer Trend von der getrennten Auslegung und Optimierung der Verbrennungskratmaschine („hochflexible VKM“) und einfachem Antriebsstrang zur umfassenden Gesamtsystemoptimierung („VKM mit eingeschränktem Betriebsbereich und hochflexiblem Antriebsstrang“) festzustellen. Nur eine solche Gesamtsystemoptimierung ermöglicht die Nutzung von Synergieeffekten, wie z. B. die Elimination von Emissionsspitzen der VKM während Hochlastphasen durch Drehmomentunterstützungen von einem E-Motor. Gerade im Hinblick auf das rasch veränderliche Marktumfeld

994

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.6 Integrative Antriebsstrangkonzeption und -entwicklung

ist es jedoch erforderlich, solch hochflexible Antriebsstränge aus einer Palette modularer Komponenten – einem Baukastensystem – aufzubauen, die je nach Einsatzfall unterschiedlich kombiniert und möglichst weitgehend alleine durch Kalibrierungsprozesse funktional integriert werden. Ganz entscheidend für die Auslegung und Entwicklung solcher Antriebsstränge ist dabei eine umfassende Betrachtung des Gesamtsystems, sowohl in der Konfigurations- als auch in der Entwicklungsphase, Abb. 18.6.

18.1.4 Vorauslegung Vor allem unter Beibehaltung konventioneller Entwicklungsphilosophien ergibt sich durch diese erweiterten Flexibilitäten des Antriebsstrangs eine Situation, in der „mehr Klaviere als Partituren“ zur Verfügung stehen. Der Technologiefortschritt bietet zwar zunehmend mehr Vielfalt, mehr Flexibilitäten, jedoch wie kann man den dadurch theoretisch möglichen Nutzwert in der Konzeptphase auch tatsächlichen abholen? Die Kernfrage einer integrativen Antriebsstrangentwicklung stellt dabei insbesondere die Festlegung dar, in welchem Antriebsstrangelement welches Ausmaß an Flexibilität und mit welchem Inhalt am sinnvollsten angeordnet wird. Um eine fundierte Konzeptentscheidung und in weiterer Folge Optimierung herbeizuführen, ist eine umfassende Systembewertung erforderlich, die unter dem Überbegriff „Konfigurationsprozess“ mit den folgenden Schritten

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

995

Abb. 18.7 Konzeptphase mit Antriebssystem-Konfigurationsprozess

• • • • • • •

Beschreibung der Kunden-Kaufkriterien und deren Gewichtung Beschreibung der äußeren Randbedingungen (z. B.: Kratstoffverfügbarkeit) Überführung dieser Anforderungen in technische Zielgrößen Definition der technischen Module Systematische Erfassung der technischen Lösungsansätze bzw. Modulkombinationen Virtuelle Systemoptimierung Festlegung der optimalen Antriebsstrang-Konfiguration

zusammenfasst werden kann, Abb. 18.7. Im letzten Schritt der Konzeptphase werden die gesammelten Informationen systematisch vernetzt und mittels CAx-Werkzeugen für die Bewertung hinsichtlich technologi-

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G.P. Merker und R. Teichmann CONFIGURATION PROCESS Customer expectation: Attractive dynamics and comfort Low price and operational costs Advanced and reliable technology

Analysis of driveability expectation with „AVL-DRIVE“

Customer expectation ANALYSIS: Based on drive train of existing vehicles Dynamics and comfort ಱDriveability

Technical Targets: Dynamics and Comfort, Fuel Consumption, Emissions (Legislation), Cost DYNAMICS and COMFORT Drivability assessment of different virtual powertrain configurations e.g.„AVL-DRIVE“

IC engine variant 1…i Transmission var. 1…j E-motor var. 1…k Battery var. 1…l Controller architecture 1…m

TECHNOLOGY Performance evaluation of different virtual powertrain configurations with e.g. ಱAVL-CRUISE

RELIABILITY and COST Evaluation of production technology, reliability (e.g.ಱAVL-Load Matrix ), durability and production costs (LCA)

„Configuration Module Box“

Output: Powertrain Configuration best suitable for Customer Expectation:

Abb. 18.8 Konfigurationsprozess zur Identifikation der bestgeeigneten Antriebsstrangkonfiguration

schem Potenzial und Funktionalität des Antriebssystems, Zuverlässigkeit, Produktionstauglichkeit und Kosten sowie Fahrdynamik und Fahrkomfort entsprechend den individuellen Kundenerwartungen bewertet. Auf Basis der Ergebnisse dieser drei weitgehend parallelen Analysevorgänge, d. h. der Fahrbarkeit (Dynamik und Komfort), dem technologischen Potenzial sowie der Zuverlässigkeit und Wirtschatlichkeit eines Antriebssystems, kann die den Kundenerwartungen am besten entsprechende Antriebsstrang-Konfiguration identifiziert und aus Elementen eines Baukasten-Systems (Configuration Module Box) zusammengestellt sowie abschließend optimiert werden, Abb. 18.8.

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

997

Die Verfügbarkeit effektiver Simulations-Werkzeuge für alle drei genannten Bewertungsgebiete ist sowohl für den Konfigurationsprozess als auch die nachfolgende Antriebsstrangentwicklung entscheidend. Fürs Erste dienen sie zur gezielten Analyse der eingesetzten Technologien und der damit erreichbaren Funktionalität des Antriebes (z. B. mit AVL CRUISE). Der zweite entscheidende Aspekt ist die Betrachtung der Systemkosten, die speziell bei der Einführung neuer Technologien ot auch durch den Einsatz neuer Werkstoffe und neuer Fertigungsverfahren beeinflusst werden. Dabei müssen Dauerhaltbarkeit und Zuverlässigkeit sichergestellt und jene Kosten berücksichtigt werden, die für den Zuverlässigkeitsnachweis aufzuwenden sind. Gemessen am Produktlebenszyklus beinhalten diese Aufwände neben den Validierungsumfängen auch die direkten Garantie- und Kulanzkosten. Gerade in Hinblick auf die in Zukunt deutlich erhöhte Flexibilität eines Antriebsstranges müssen diese Aspekte bereits in frühen Entwicklungsphasen berücksichtigt werden, um entsprechende Risiken ehest möglich zu quantifizieren und wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten. Seitens AVL wurde hierzu die sehr effiziente Methodik „Load Matrix“ entwickelt, die durch Kombination aus technischen und statistischen Methoden die schadensartspezifische Bewertung eines Validierungsprogramms ermöglicht. Durch die generische Anwendbarkeit kann produkt- und marktspezifisch das optimale Maß an Validierungsaufwand über den gesamten Entwicklungszeitraum ermittelt werden. So kann bereits in der Konzeptphase auf Zuverlässigkeit und damit Garantiekosten Einfluss genommen werden, wodurch letztlich der Erfolg eines Produktes – im Sinn einer Break-Even-Betrachtung – entscheidend abhängt. Die Objektivierung, Analyse und Simulation der vom Kunden empfundenen Fahrdynamik- und Fahrkomfortaspekte, insbesondere eine treffsichere Definition einer „mindest erforderlichen Fahrbarkeit“ stellt für eine systematische Konzeption und Entwicklung kostenoptimierter Niedrig-CO2 -Konzepte eine Grundvoraussetzung dar. Hier stehen die Werkzeuge AVL-DRIVE und AVL-VSM zur Verfügung. Da sich ein subjektiver Fahreindruck aus bis zu 500 Einzel-Bewertungskriterien zusammensetzt, ist eine quantifizierte Beschreibung von Mindestanforderungen durchaus anspruchsvoll. Ein vereinfachter, überblicksartiger Eindruck von einer für Kundenakzeptanz erforderlichen Fahrbarkeit kann aus dem Streuband der Gesamtbewertung für Fahrbarkeitsqualität von rund 100 Serien-Pkw (mittels AVL-Drive Quality Index) gewonnen werden. Beschränkt man sich auf typische Personenkratwagen (Small, Compact, Medium und Large Vehicles), Abb. 18.9, so ergibt sich eine nichtlineare Abhängigkeit der Fahrbarkeit vom Kaufpreis. Berücksichtigt man die unterschiedliche Marktakzeptanz der einzelnen Fahrzeuge, so lässt sich eine untere Grenzkurve einer minimal erforderlichen Fahrbarkeit ableiten. Mittels solcher Vergleichsdaten können die Kundenerwartungen nun direkt in objektiv bewertbare Zielwerte übergeführt werden. Auch hinsichtlich des Trade-Offs zwischen Fahrdynamik und CO2 -Emission bzw. dem Fahrzeugpreis ergibt eine fahrzeugklassen- und motorspezifische Betrachtungsweise wei-

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G.P. Merker und R. Teichmann 8

Medium

AVL-DRIVE - Quality [-]

Driveabilty – Total Qualty

Compact 7,5

Large Small

7

Recommended Driveability Limit

6,5

Small

Compact Medium

Large

6

5,5 0

10

20

30

40

50

Vehicle Base Price Germany [k€]

Abb. 18.9 Integrale Fahrbarkeitsbewertung von Serien-Pkw

tere Erkenntnisse zur genauen Festlegung von Fahrbarkeits-Zielbereichen. Insbesondere bei kleinen und kompakten Fahrzeugen mit Ottomotor zeigt sich ein relativ klarer Trend, dass ohne spezifische Maßnahmen eine verbesserte Fahrzeugdynamik (integral mit dem AVL-DRIVE Dynamik Index beschrieben) durch höhere CO2 -Emissionen mit sich bringt, Abb. 18.10. Bei Fahrzeugen mit Dieselmotor hingegen kann eine Dynamiksteigerung mit vergleichsweise geringem Mehrverbrauch erzielt werden. Dies ist zu einem auf den thermodynamischen Vorteil des Dieselverfahrens, vor allem aber auf den höheren Technologieeinsatz des modernen Dieselmotors mit Turboaufladung und Direkteinspritzung zurückzuführen. Durch den Übergang zu aufgeladenen Direkteinspritzkonzepten können auch bei Ottomotoren hohe Fahrerlebniswerte bei niedrigeren CO2 -Emissionen dargestellt werden. Hinsichtlich der Korrelation zwischen Fahrdynamik und Fahrzeugpreis überlappen sich die Streubänder von Otto und Dieselmotor, letzterer ist allerdings durch den größeren Technologieaufwand bei höheren Mindestpreisen platziert. Bei Lastpunktverschiebung von insbesondere Ottomotorkonzepten – beispielsweise durch Downsizing, Downspeeding, Automatisierung des Getriebes oder Elektrifizierung – ist allerdings zu beachten, dass Technologiekombinationen nicht immer einen additiven Effekt auf die Verbrauchsverbesserung aufweisen. Wohl aber addieren sich die Summenkosten der Technologien, Abb. 18.11. Eine durchschnittliche Lastpunktverschiebung von 70 % im Neuen Europäischen Fahrzyklus durch beispielsweise Verringerung des Hubvolumens des Motors und Aufladung führt in Abb. 18.11 beispielsweise zu einer Verringerung des Verbrauches von rund 20 %.

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs 8,5

8,5

Small & Compact Passenger Cars

Driving Dynamics

Gasoline

AVL-DRIVE – Dynamic Index [-]

999

8

8

7,5

7,5

7

7

6,5

6,5

6

6

Diesel

5,5 80

Gasoline

Diesel

5,5 100

120

140

160

180

200

0

5

NEDC – CO2 – g/km

10

15

20

25

30

Sales Price Germany - k€

Fuel Economy Improvement in NEDC -%

Abb. 18.10 Trade-Off zwischen Fahrdynamik, CO2 -Emission und Verkaufspreis, Small und Compact Pkw 25

20

15

10

Base: 2.0 NA, MT6 Load shift by: • Electrification, • Downsizing / Downspeeding, or • Double Clutch Transmission

5

0 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Mean Shift of Engine Load in NEDC -%

Abb. 18.11 Verbrauchsverbesserung in Abhängigkeit der Lastpunktverschiebung

Wird nun diesem Technologiepaket (Downsizing und/oder Downspeeding – z. B.: lange Getriebeübersetzung in Kombination mit einem aufgeladenen Motor wie beispielsweise am Turbohybrid) noch die strahlgeführte geschichtete Direkteinspritzung – das ottomo-

1000

G.P. Merker und R. Teichmann 2.0 NA MPFI

Additional FE- Potential in NEDC by Spray Guided Lean Operation - %

16

2.0 NA MPFI +15 kW ISG

2.0 NA MPFI + electr. Boost

12

Turbohybrid 1.6 Turbo 8 Powersplit - hybrid

Base: 2.0 MPFI NA, MT6 Load shift by Electrification, Downsizing / Downspeeding, or Double Clutch Transmission

4

0 0

4

8

12

16

20

24

28

FE- Potential in NEDC by Shifting of Operation Points - %

Abb. 18.12 Zusätzliche Verbrauchsverbesserung von Schichtbetrieb beim Ottomotor in Abhängigkeit der Verbrauchsverbesserung durch Lastpunktverschiebung

torische Brennverfahren mit dem größten Verbrauchsverbesserungspotenzial als Einzelmaßnahme – hinzugefügt, steigt die Verbrauchsverbesserung nur mehr geringfügig an – um rund 6 %, Abb. 18.12. Bei einem Konzept ohne Lastpunktverschiebung (z. B.: 2,0 l NA MPFI in Abb. 18.12) würde dieselbe Technologie (geschichtete Direkteinspritzung) zu einer Verbrauchsverbesserung von rund 15 % führen. Dazwischen liegende Technologien (2,0 l NA MPFI mit elektrischer Aufladung und verlängertem Getriebe, Startergenerator ISG mit verlängertem Getriebe, Turboaufladung mit Verkleinerung des Hubvolumens) erzielen bei Hinzunahme von geschichteter Direkteinspritzung Verbrauchsverbesserungen zwischen 10 und 14 %. Technologien die praktisch ohne Betrieb im Teillastgebiet auskommen (Powersplit Hybrid) erzielen bei Hinzunahme von geschichteter Direkteinspritzung praktisch keine Verbrauchsverbesserungen mehr. Der Grund liegt darin, dass geschichtete Direkteinspritzung auf das gleiche Verbrauchverbesserungspotenzial abzielt wie Downsizing oder Downspeeding – die Vermeidung von Ladungswechselverlusten an der Teillast. Die beiden Technologien sind also in ihrer Wirkung nicht additiv. Demgegenüber würde sich eine Verbesserung der Motorreibung, eine Verringerung der Fahrzeugreibung, eine Verbesserung des Wirkungsgrades von Nebenaggregaten oder ein Start/Stopp System fast durchweg als additiv herausstellen.

18.1.5 Entwicklungsphase Betrachten wir nun die der Konzeptionsphase nachfolgende Entwicklung zuküntiger Antriebssysteme, die im Regelfall alle 5 relevanten Antriebselemente (Verbrennungsmotor,

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1001

Getriebe, Batterie bzw. Energiespeicher, Elektromotor und Regelungssystem) umfassen. Durch diese Vielzahl der Teilsysteme ergeben sich speziell für die Entwicklung der dafür notwendigen Regelungen neue Herausforderungen, so steigt der Umfang des Regelsystems beim Übergang von einem herkömmlichen Antrieb mit Motor und Handschaltgetriebe (= 100 %) auf einen Voll-Hybrid-Antrieb auf 270 % des Ausgangswertes! Da aber auch die Interaktion der Systeme und deren Kommunikation untereinander deutlich stärker in den Vordergrund treten, werden neue Netzwerktechnologien wie LIN, CAN, FlexRay, etc. integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Hierdurch ergibt sich ein Paradigmenwechsel, da eine definierte Entwicklungsaufgabe nicht mehr starr an eine Entwicklungsumgebung (z. B. Motorenprüfstand) gebunden sein muss. Vielmehr muss dem Ingenieur die Flexibilität gegeben werden die „richtige“ Entwicklungsumgebung zu wählen. Um die optimale Entwicklungsumgebung auszuwählen sind neben den Kosten und der Ergebnisreife unter anderem auch Verfügbarkeit, Reproduzierbarkeit und Automatisierbarkeit entscheidende Kriterien. Um dieses Vorgehen ermöglichen zu können wird es in Zukunt von größter Bedeutung sein, auf noch stärker ausgeweitete Entwicklungs-Plattformen zurückgreifen zu können. Gleichzeitig muss der Entwicklungsprozess und damit die dafür verwendeten Werkzeuge in der Lage sein, Entwicklungsergebnisse aus einer Entwicklungsphase auf andere Phasen übertragen zu können (z. B. ist es entscheidend wichtig die Informationsgewinnung und -auswertung in der Simulationsphase zu definieren und in einer späteren Versuchsphase gleichermaßen anzuwenden). Dies erlaubt es auch den jeweils erreichten Entwicklungsstand an den Zielen hinsichtlich Kosten, Funktionalität, Zuverlässigkeit, und – gleichwertig – Fahrbarkeit im Sinne der individuellen Kundenwünsche zu bewerten, Abb. 18.13. In einem solchen Entwicklungsprozess müssen durchgängig einsetzbare aber dennoch modulare Werkzeuge („tool box“) zur Verfügung stehen. Die gleichen Simulationsmodelle für Antriebselemente, Fahrzeug, Fahrer und Umgebung wie auch die entsprechenden Off/On-line Bewertungsmethoden für die Fahrbarkeit müssen in der Konfigurations- und Entwicklungsphase verwendet werden können. So ist ein hochflexibler Entwicklungsprozess vom vollständig virtuellen Konzept über Sotware-in-the-Loop, Hardware-inthe-Loop über Komponenten- und Rollenprüfstände bis hin zum Straßenversuch möglich. Wobei die Entwicklungsumgebungen nicht zwingend aufeinanderfolgend zu sehen sind. Durch die gegebene Flexibilität werden Parallelisierungen und Vor- bzw. Rücksprünge auf andere Entwicklungsumgebungen in verschiedenen Phasen der Entwicklung unterstützt. Ein Beispiel für das Zusammenspiel eines solchen Konfigurations- und Entwicklungsprozesses ist in Abb. 18.14 gezeigt. Aus der Konzeptphase heraus erfolgt die Identifikation der bestgeeigneten Konfiguration und gleichzeitig stehen bereits alle relevanten Simulationsmodelle zur Verfügung, die auch im Entwicklungsprozess eingesetzt werden müssen. Schrittweise kann nun die Entwicklung der Regelung (ECU) am SiL- bzw. HiL-Prüfstand, die Entwicklung und der Test der Hardware-Teilsysteme wie Motor, Getriebe, E-Maschinen und Batterien auf Komponentenprüfständen bis hin zu Gesamtsystem- und Fahrzeugtests in beliebiger Reihenfolge auf System- und Rollenprüfständen erfolgen. Die hohe Bedeu-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.13 Simulations-„Tool-Box“ für gemeinsame Nutzung während der Konfigurations- und Entwicklungsphase

tung solcher durchgängiger Werkzeuge und Methoden in allen Projektphasen ist gerade bei Neuentwicklungen gegeben, denn so können Arbeiten flexibel in beliebige Entwicklungsphasen übertragen werden – es wird somit ein durchgängiges Simulations- und Versuchskonzept aufgebaut, die wie in Abb. 18.14 dargestellt vom HiL- bis zum Fahrzeugrollenprüfstand zur Verfügung steht. Implizit sind dadurch auch eine unmittelbare Validierung der Simulationsergebnisse und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Modelle und der Versuchsmethoden möglich. Ein solcher voll flexibler Entwicklungsprozess erlaubt es, bestimmte Antriebs-Konfigurationen festzulegen und effizient zu entwickeln, welche die antriebsspezifischen Kundenerwartungen für bestimmte Marktsegmente treffsicher abdecken.

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1003

Abb. 18.14 Gemeinsame Simulationsmodelle und Bewertungsmethoden während der Konfigurations- und Entwicklungsphase

18.1.6 Antriebsstrangkonigurationen – Beispiele Das Feld für zuküntige Pkw-Antriebsstränge wird sich sowohl in Richtung deutlich komplexerer Lösungen – z. B. Hybridisierung – aber auch in Richtung einfacherer Antriebe erweitern. Einen Eckpunkt bilden hier extrem kostengünstige Lösungen, bei denen die Beschränkung auf das mindest Erforderliche den Kernpunkt der Auslegung darstellt. Kleinvolumige Zweizylinder-Ottomotoren werden im untersten Fahrzeugsegment nicht nur in den asiatischen, sondern auch in den europäischen Markt eingeführt werden. Steht bei solchen Konzepten nicht nur der Anschaffungspreis, sondern auch der Kratstoffverbrauch stark im Vordergrund, so ist ein Low-Cost Dieselmotor ein höchst effektiver Lösungsansatz. Ein Beispiel für ein solches extrem kosten- und verbrauchsoptimiertes Aggregat stellt der bei AVL in Indien entwickelte 2-Zylinder Low Cost Dieselmotor dar. Sowohl Produktionserfordernisse als auch Leistungsbereich sind dabei für Low-Cost Märkte ausgelegt. In solchen Märkten ergibt sich trotz des eingeschränkten Leistungsbereiches ein breites

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G.P. Merker und R. Teichmann

Emerging markets ( India China, .)

Small commercial vehicles minibusses

Worldwide

Low cost passenger cars up to ~1200 kg (direct drive)

Europe and others

Hybrid passenger cars (up to 1500 kg) Range Extender for electrical (vehicles

Abb. 18.15 2-Zylinder Low Cost Dieselmotor

Anwendungsfeld, Abb. 18.15. Zusätzlich ist für sehr kleine Fahrzeuge durchaus auch ein weltweiter Einsatz möglich. In Verbindung mit Elektrifizierung können mit solchen Triebwerken extrem niedrige CO2 -Emissionen auch mit etwas größeren Fahrzeugen dargestellt werden. Auf der Ottomotorenseite lässt sich durch geschickte Kombination von Technologien und eventuell Elektrifizierung ein extrem kostengünstiges Konzept darstellen. Basierend auf einem 2 Ventil Vierzylinder- Saugmotor, wie von Fiorenza et al. (2004) ausgeführt, der bereits eine Kombination von variabler Ladungsbewegung und Restgaststeuerung mit nur einer Komponente aufweist wurde ein Niedrigverbrauchskonzept entwickelt, mit dem ein CO2 -Potenzial für ein Fahrzeug mit ca. 1000 kg Testgewicht von < 100 g/km darstellbar ist, Abb. 18.16. Trotz der extrem verbrauchsorientierten Konzeption (reibungsoptimierter 2 V Motor, elektrische Aufladung mit moderaten Spitzendrücken, lange Getriebeübersetzung, Start/Stopp, intelligente Generatorsteuerung, elektronische Zylinderabschaltung (ohne Deaktivieren der Ventile), automatisiertes Getriebe und verringerter Fahrzeugwiderstand) kann eine durchaus akzeptable Fahrbarkeitsqualität erreicht werden. Die Zusatzkosten können vor allem durch die Verwendung einer konventionellen Batterietechnologie vergleichsweise gering gehalten werden. Auch im Bereich der europäischen Massenmotorisierung werden die zuküntigen Kundenanforderungen sehr stark durch den Fahrzeugpreis und die Betriebskosten, insbesondere den Kratstoffverbrauch geprägt. Als höchst kosteneffiziente Verbrauchsmaßnahme werden Start/Stopp-Systeme und Rekuperation zunehmend zum breiten Standard. Viel-

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1005

Abb. 18.16 Low CO2 ST Niedrigverbrauchs-Ottomotorenkonzept

fach sind sie jedoch nur Add-On zu einem bestehenden Antriebsstrang und damit nicht ausreichend bei der Gesamtsystemauslegung berücksichtigt. Dabei wird z. B. mittels intelligenten Batteriemanagement die zur elektrischen Versorgung des Fahrzeuges erforderliche Energie primär rekuperativ generiert, jedoch keine zusätzlichen Synergiepotenziale erschlossen. In Zukunt wird die durch Rekuperation gewinnbare Energie nicht nur direkt als Antriebsenergie eingesetzt, sondern gezielt zur Erweiterung des Downsizing-/Downspeedingbereiches verwendet, um dadurch zusätzliche Synergiepotenziale zu erschließen. Den einfachsten und kostengünstigsten Weg zur effizienten Nutzung rekuperierter elektrischer Energie stellt dabei die Anwendung zur elektrischen Aufladung über einen elektrischen Zusatzlader dar. Um das dadurch mögliche Potenzial sowohl im Testzyklus, aber insbesondere auch im realen Kundenbetrieb umzusetzen, ist eine umfassende Systemoptimierung mit präziser Abstimmung der Drehmomentcharakteristik des Verbrennungsmotors, der Getriebeauslegung sowie der elektrischen Boost- und Rekuperationsstrategien erforderlich. Durch die thermodynamische Verstärkung können selbst mit kleinen elektrischen Energien deutliche Verbesserungen der Fahrdynamik dargestellt werden. Damit können selbst unter Beschränkung auf eine einfach und kostengünstig umsetzbare 12 V Lösung mit dem „AVL-ELC-Hybrid System“ (Electric boost Low Cost Hybrid) bestehend aus:

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• • • •

G.P. Merker und R. Teichmann

Start/Stopp konventioneller E-Starter oder Riemen-Starter-Generator Rekuperation über „Standard“-Lichtmaschine Elektrische Zusatzaufladung (Valeo VES), mit Standard-Turbolader in Serie geschaltet

Verbrauchsverbesserungen von rund 16 % (NEDC) bzw. 18 % im Real-World-Verbrauch bei gleichzeitig erhöhtem Fahrspaß gegenüber einem äußerst attraktiven Technologiestand (Benzin-Direkteinspritzung mit Abgas-Turboaufladung) dargestellt werden, Abb. 18.17. Den nächsten Schritt in Funktionalität, aber auch in Komplexität und Kosten stellt das direkte elektromechanische Einspeisen der rekuperierten Energie an der Kurbelwelle dar. Eine Lösung in dieser Richtung stellt der AVL Turbohybrid dar, Abb. 18.18. Dadurch ist eine signifikante Reduktion der CO2 -Emission bei gleichzeitiger Steigerung des Fahrspaßes darstellbar (Stufe 1). Durch den höheren Leistungsbereich der E-Maschine ist ein stärkeres Ausnützen der Bremsenergierückgewinnung möglich, erfordert jedoch einen ebenfalls deutlich größeren Energiespeicher. Damit wird ein solches Konzept wirtschatlich vor allem dann interessant, wenn zusätzlich die Funktionalität des rein elektrischen Fahrens zu einem Plug-In Hybrid erweitert wird und damit die entsprechenden Vorteile in der CO2 Bewertung umgesetzt werden können (Stufe 2 – Simulation). Auch ohne Ausnützen der Plug-In Funktionalität können in der Mittelklasse CO2 -Werte < 100 g/km durch milde Hybridisierung eines dieselmotorischen Antriebes dargestellt werden. Ein Umsetzungsbeispiel ist das Konzeptfahrzeug AVL-ECO-TargetTM , mit dem ein CO2 -Reduktionspotenzial für ein Fahrzeug mit ca. 1400 kg Testgewicht in der Größenordnung von 90-98 g/km demonstriert wurde, Abb. 18.19. Trotz der extrem verbrauchsorientierten Konzeption (Ersatz eines 2.0 l-4-Zyl. Motors mit 74 kW durch eine 1,2 l 3-Zyl. Motor mit 60 kW) konnte durch eine spezifisch angepasste Hybridisierung mit einer in das Getriebe integrierten 10 kW Elektromaschine eine durchaus akzeptable Fahrbarkeitsqualität erreicht werden. In Summe ist ein solcher Antrieb bei geringen Zugeständnissen an die Spitzenleistung in gleichem Bauraum machbar wie ein konventioneller Antrieb. Die Zusatzkosten können durch den kleinen Energiespeicher (20 kW bzw. ca. 1 kWh) vergleichsweise gering gehalten werden. Werden vom Kunden (oder Gesetzgeber) Fahrzeugantriebe verlangt, die in bestimmten Situationen (Innenstadtverkehr) lokal vollkommen emissionsfrei zu betreiben sind, so führt der vorgestellte Konfigurationsprozess zu Lösungen wie reinen E-Motor-Batterieantrieben oder Konzepten mit Range Extender. Langfristig könnte hier der Einsatz von Brennstoffzellen auf Grund deren deutlich höherer elektrischer Wirkungsgrade interessant werden. Mittelfristig jedoch sind attraktive Lösungen (im Sinne von Leistung bzw. Dynamik, Package, Kosten und Zuverlässigkeit) wohl nur in Kombination mit Verbrennungskratmaschinen darstellbar. Der Begriff „Range Extender“ wird dabei für sehr unterschiedliche Lösungen verwendet und reicht vom reinen Notstromaggregat bis hin zu einfachen seriellen oder parallelen Hybriden. Bei einer Auslegung als Notstromaggregat stehen NVH, Package und Gewicht sowie Systemkosten sehr stark im Vordergrund, der Range Extender stellt hier praktisch

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1007

Fuel consumption (NEDC): 154 g/km CO2 / 6.6 L/100km (1590 kg) Emission level: EU5

Features:

Boost pressure sensor Throttle body

Non return valve

2L 4-cylinder turbo GDI engine, 200HP, 400Nm 60 – 100 (4. gear) 6 s Standard turbocharger (single scroll, wastegate) Diesel-like transmission settings (long gear ratios) Electric boosting device for improved transient load response External cooled EGR at high engine load operation:

Air mass flow meter

High Pressure EGR El. Supercharger M Turbocharger

Lambda-1 operation up to 4000 rpm full load (210 km/h in 6th gear) Load Step @ 1500 rpm – Benchmark

Lambda sond

24

EGR Rail

BMEP - bar

1,5 s

Compressor and TC

22

Variable valve timing: volumetric efficiency, internal EGR

20

AVL 2.0 tc GDI demo engine

18

AVL 2.0 tc demo VTES

0,6 s

16 Benchmark Scatterband

14 12 10 8 6 4 2 0

0

Abb. 18.17 ELC-Hybrid

Abb. 18.18 Turbohybrid

0,5

1

1,5

2 2,5 Time - sec

3

3,5

4

Intelligent Alternator control Engine Start/Stop Management Friction Reduction (Sealings)

1008

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.19 ECO Target Electric Mega City Vehicle Range Extender with Rotary Engine < 60 g/km CO2 in NEDC

75kW traction motor in vehicle front: -acceleration 0 – 60km/h: 6sec -top speed 130km/h

Range Extender integrated behind rear axle

Permanent calculationof all potential routes and the respective energy consumption incl. topography, estimated velocity profiles, ambient temperature, drivingstyle etc. Pure battery operation w/o Range Extender

Li-Ion Battery system in front of rear axle and in middle tunnel 25 km

50 km

Patents applied

Abb. 18.20 Pure Range Extender

einen hybriden Energiespeicher dar. Für eine solche Anwendung ergibt sich aus einem systematischen Konfigurationsprozess eine von bekannten Ansätzen doch deutlich differenzierte Lösung, der AVL Pure Range Extender, Abb. 18.20.

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1009

Fraidl et al. verweisen auf eine in dieser Anwendung stark eingeschränkten Betriebsbereich des Verbrennungsmotors. Die auf einem Wankelmotor basierende hochintegrierte Lösung, die Verbrennungsmotor und E-Maschine auf einer Welle und in einem Gehäuse vereinigt, erfüllt aber die Anforderungen optimal. Durch den Einsatz eines solchen RangeExtenders kann das Batteriepaket eines E-Fahrzeuges auf die Größenordnung von 10 kWh und ein Gewicht im Bereich von 150 kg reduziert werden wobei gleichzeitig die Reichweite auf > 200 km steigt. Überdies ist durch die Verfügbarkeit von Flüssigkratstoff an Bord des Fahrzeuges ein längerfristiges hermomanagement des Passagierraumes und der Batterie problemlos möglich (Winterbetrieb!). Solche Elektrofahrzeuge mit Range Extender können aufgrund ihrer großen elektrischen Reichweite sehr niedrige CO2 -Emissionen erzielen, was auch in Gesetzestexten berücksichtigt wird oder schon ist.

18.2 Ansätze zur simulationsgestützten Motorauslegung Der Einsatz von Berechnungswerkzeugen in der Motorenentwicklung mit dem Ziel bei verbesserten Produkteigenschaten Entwicklungszeiten zu verkürzen und damit Kosten zu sparen ist heute eine etablierte Vorgangsweise. Die stetig weiter steigende Anzahl an freien Systemparametern bei Verbrennungsmotoren, sowie auch die zunehmende Komplexität hinsichtlich ihrer Einbindung in zuküntige, hybridisierte Antriebsstrangkonfigurationen, wird auch weiterhin zu einem starken Anstieg des Bedarfs an Modellierung und Simulation im Entwicklungsprozess führen. Der Beitrag, den die Anwendung von Modellierung und Simulation zur Produktentwicklung leisten kann hängt stark mit der Vorhersagekrat der zugrunde liegenden Modellansätze, der Handhabbarkeit der Werkzeuge und vor allem auch von deren Integrationstiefe in den Entwicklungsprozess ab. Der vorliegende Abschnitt stellt für die einzelnen Phasen im Motorentwicklungsprozess die Anwendungsgebiete unterschiedlicher Simulationsansätze aus den Bereichen Gesamtsystemauslegung, hermodynamik, Verbrennungs- und Emissionsentwicklung vor und gibt eine Übersicht über die Anforderungen an die entsprechenden Berechnungswerkzeuge, die sich aus den aktuellen und zuküntigen Technologietrends ergeben. Im Weiteren werden die einzelnen Berechnungsansätze kurz vorgestellt und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf unterschiedliche Fragestellungen in den relevanten Bereichen diskutiert. Anschließend werden anhand ausgewählter Fallbeispiele aus verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses die Einsatzmöglichkeiten heute verfügbarer Berechnungswerkzeuge sowie der erzielbare Erkenntnisgewinn dargestellt. Abschließend wird im Ausblick kurz auf die Anforderungen an die Simulation, welche sich aus der zunehmenden Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebsstrangs von Kratfahrzeugen ergeben, eingegangen.

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G.P. Merker und R. Teichmann

18.2.1 Simulation im Motorentwicklungsprozess Der Entwicklungsprozess von Verbrennungsmotoren lässt sich schematisch im Wesentlichen in die Phasen 1) Spezifikation/Vorkonzepterstellung, 2) Konzeptentwicklung sowie 3) Entwicklung und Absicherung (Validierung) einteilen, Abb. 18.21. Eines der vordringlichen Ziele im Entwicklungsprozess ist es, bereits so frühzeitig wie möglich wichtige Konzeptentscheidungen zu treffen, um spätere Änderungen in der Grundkonfiguration, welche in der Regel mit hohen Kosten verbunden sind, zu vermeiden.

Speziikation/Vorkonzepterstellung Zur Unterstützung der Spezifikation und Vorkonzepterstellung, mit dem Ziel später die Anforderungen hinsichtlich der geforderten Leistungs- und Verbrauchsdaten des Verbrennungsmotors unter Einhaltung der vorgegebenen Rahmenbedingungen (Aufladekonzept, Brennverfahren, Abgasnachbehandlungssystem, Kosten, etc.) zu erfüllen, sind Simulationsansätze auf Systemebene notwendig. Diese liefern über eine Beschreibung der Subsysteme Motor, Antriebsstrang, Fahrzeug, etc. Aussagen über das zu erwartende Gesamtsystem-

PreConcept Concept Study

Prototype Development (Engine Generation 1) Pre-Production Development (Engine Generation 2) Production Validation

Pre-Concept Simulations

ECU Calibration

Concept & Layout Simulation Project Kick Off

Concept Definition

Thermodynamic Analysis of Measurement Data st

1 Engine Start

Development Support (optionally) Start of Production

Abb. 18.21 Motorentwicklungsprozess (schematisch) und spezifische Berechnungsaufgaben

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

1011

verhalten unter realen Betriebsbedingungen (Fahrzyklen) und ermöglichen so auf einfache Art und Weise die Analyse und Bewertung unterschiedlicher Motorkonfigurationen in ihrem Verhalten im Gesamtfahrzeugkontext. Für die Entwicklung moderner Ottomotorenkonzepte mit Hochaufladung, Direkteinspritzung und umfangreichen Ventiltriebsvariabilitäten sind in diesem Zusammenhang Ansätze gefordert, welche bereits in dieser frühen Phase eine Bewertung des transienten, dynamischen Motorverhaltens im Verbund mit unterschiedlichen Antriebsstrang- und Fahrzeugkonfigurationen ermöglichen. Im Bereich der Dieselmotoren stehen abhängig vom jeweiligen Einsatzbereich (Pkw, Nfz, Non-Road, Stationärmotoren, etc.), beispielsweise Fragestellungen hinsichtlich unterschiedlicher Brennverfahren, Auflade- und AGR-Strategien, etc. im Fokus aktueller Entwicklungen. Weitere Anwendungen betreffen die Auswahl und Abstimmung unterschiedlicher Abgasnachbehandlungsstrategien für die Anforderungen einzelner Zielmärkte. Damit eng verknüpt sind hemen das thermische Management des Gesamtsystems Motor/Abgasnachbehandlungssystem betreffend, welche ebenfalls bereits im Rahmen der frühen Konzeptphase betrachtet werden müssen. Neben einfacher, intuitiver Bedienbarkeit sowie geringem Aufwand zur Modellerstellung stehen in dieser Phase insbesondere einfache Parametrierbarkeit, ausreichende Genauigkeit und Sensitivität der Ergebnisse hinsichtlich der untersuchten Parametervariationen, sowie kurze Rechenzeiten an oberster Stelle der Anforderungen an die eingesetzten Berechnungswerkzeuge. Aufgrund der geforderten kurzen Rechenzeiten und dem Fokus auf eine Gesamtsystembetrachtung verfolgen die in der frühen Konzeptphase verwendeten Werkzeuge in der Regel Ansätze, die sich durch hohe Rechenzeiteffizienz bis hin zur Echtzeitfähigkeit auszeichnen.

Konzeptentwicklung In der Konzeptentwicklungsphase werden in einem ersten Schritt die Basisabmessungen der für den Ladungswechsel relevanten Bauteile des Verbrennungsmotors festgelegt. Dazu werden die zunächst vereinfachten Motormodelle aus der Vorkonzeptphase als Basis herangezogen und hinsichtlich der wesentlichen Komponenten (Ansaug-/Abgasstrecke, Zylinder, Aufladeorgane, etc.) verfeinert und weiter detailliert. In dieser Phase stehen die Festlegung von Rohrlängen/-querschnitten und Volumina im Einlass- und Auslasssystem, der erforderlichen Ventilquerschnitte und Ventilsteuerzeiten sowie gegebenenfalls auch die Auslegung der Aufladeorgane im Zentrum der Simulationsaktivitäten. Der für diese Berechnungsaufgaben benötigte Input, wie beispielsweise Durchflussbeiwerte für Ein-/Auslasskanäle, Druckverlustbeiwerte für Lutfilter, AGR-Kühler, Turboladerkennfelder, etc. werden auf Basis von Messungen oder mittels detaillierter 3D-CFD Simulation abgeschätzt. In Verbindung mit geeigneten Modellen des Abgasnachbehandlungssystems sowie des Kühlmittel- und Schmierölkreislaufs, wird darüber hinaus bereits in der Konzeptphase eine Untersuchung und Bewertung des Motorwarmlaufs oder des Light-Off Verhaltens der Abgasreinigungsanlage möglich. Darüber hinaus können die entsprechend aktualisierten

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G.P. Merker und R. Teichmann

Motor- und Fahrzeugmodelle in weiterer Folge auch als Basis für die Vorentwicklung der Motorsteuerungssotware herangezogen werden. Zur Erzielung einer möglichst tiefen Integration der Simulation in den Entwicklungsprozess, und damit hinsichtlich einer sicheren Beherrschung des Prozesses, ist es notwendig, dass die in der Konzeptphase verwendeten Berechnungsmodelle in einfacher Art und Weise aus den in der Spezifikations-/Vorkonzeptphase erstellten Modellen abgeleitet und weiter verfeinert werden können. Dies gilt in analoger Weise auch für den umgekehrten Weg, nämlich den Transfer von Modelldaten und der zugehörigen Modellparametrierung von der detaillierten Ladungswechselberechnung zurück zu den Systemmodellen aus der Spezifikations-/Vorkonzeptphase. Damit wird es möglich, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Ladungswechselsimulation dazu genutzt werden können, um die Motormodelle aus der Spezifikations-/Vorkonzeptphase und deren Parametrierung zu aktualisieren. Auf diese Art und Weise ist es möglich, dass bereits vor Ende der Konzeptphase auf Basis der festgelegten Motorkonfiguration und der aktualisierten Parametrierung transiente Berechnungen zum dynamischen Motorverhalten im Fahrzeug vorgenommen werden können. Damit gelingt frühzeitig im Prozess eine erste Absicherung der thermodynamischen Motorgrundauslegung im Gesamtkontext der in der Vorkonzeptphase festgelegten Anforderungen.

Entwicklung und Absicherung Sobald auf Basis der unter Verwendung der Ladungswechselsimulation festgelegten Grundabmessungen die CAD Daten der Bauteilgeometrien, des Ein-/Auslasssystems sowie des Brennraums vorliegen, kann mittels Einsatz der 3D-CFD Berechnung in Verbindung mit Ansätzen zur Motorprozessrechnung eine Optimierung von innermotorischer Strömung, Gemischbildung und Verbrennung vorgenommen werden. Die Randbedingungen an den Systemgrenzen der 3D-CFD Berechnung, wie beispielsweise Druck, Temperatur und Massenstrom im Bereich der Einlass-/Auslasskanäle oder die Wandtemperaturen von Kolben, Buchse und Zylinderkopf werden dabei direkt von den Ladungswechselberechnungen übernommen. Darüber hinaus wird die 3D-CFD Simulation in der Entwicklungsphase neben der Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung zur Optimierung der Kühlwasserströmung, der Vorgänge in Abgasnachbehandlungssystemen, etc. intensiv genutzt. Des Weiteren liefern die 3D-CFD Berechnungen wertvolle Informationen zum zeitlich- und räumlich aufgelösten Wandwärmeeintrag in die Motorstruktur, welche dann in weiterer Folge als Randbedingungen für die Festigkeits- und Dauerhaltbarkeitsuntersuchungen mit FE-Verfahren herangezogen werden. Neben den bereits angesprochenen Werkzeugen zur CFD-, Ladungswechsel- und Motorprozessrechnung kommen in dieser Phase der Entwicklung eine Vielzahl weiterer Simulationsprogramme zur Auslegung und Optimierung der Motorgrundfunktionen zur Anwendung. In diesem Zusammenhang kommt im Sinne eines effizienten Entwicklungsprozesses insbesondere dem einfachen Datenaustausch zwischen den einzelnen Berechnungswerkzeugen eine besondere Bedeutung zu.

18

Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

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Die Begleitung der Motorversuche in der Vorserienentwicklung durch die Berechnung zielt darauf ab, die Erstellung und Durchführung der Versuchsprogramme zu unterstützen, bzw. Daten, die im Zuge der Prüfstandsentwicklung anfallen zur Aktualisierung der Motormodelle aus der Vorkonzept- und Konzeptphase bzw. deren Parametrierung heranzuziehen. Dadurch wird gewährleistet, dass der virtuelle Motor bei Abschluss der Entwicklungsaktivitäten dem Entwicklungsstand des realen Motors entspricht. Damit steht bereits frühzeitig ein abgesichertes schnelles, echtzeitfähiges Motormodell für Hardware-in-the-Loop (HiL) Anwendungen zur Verfügung. Mit Hilfe dieses Motormodells ist es beispielsweise möglich, ein bereits in Hardware zur Verfügung stehendes Abgasnachbehandlungssystem oder diverse Antriebsstrangkomponenten in ihrem Zusammenwirken mit dem aktuellen Motorverhalten auf dem HiL-Prüfstand zu testen und in ihrer Funktionalität für den späteren Einsatz im realen Fahrzeug abzusichern.

18.2.2

Skalierbare Motor- und Gesamtsystemmodellierung

Systemmodellierung Berechnungsmodelle auf Systemebene für den Einsatz in der frühen Konzeptphase bestehen je nach Anwendung aus einer Reihe von individuellen Komponentenmodellen, welche in flexibler Art und Weise beliebig miteinander kombiniert werden können, um effizient das Verhalten unterschiedlicher Systemkonfigurationen zu beschreiben. Das Gesamtsystem wird auf physikalischer Basis in unterschiedliche Bereiche bzw. Netzwerke unterteilt. Im erweiterten Motor- bzw. Antriebsstrangkontext sind dies der Bereich für den Motor selbst, bestehend aus Gaspfad, Zylinder, Aufladeorganen und Abgasnachbehandlungssystem, das thermische Netzwerk, bestehend aus den thermischen Massen der Motorstruktur, sowie dem Kühlwasser- und Ölkreislauf, das mechanische und gegebenenfalls das elektrische Netzwerk sowie das Netzwerk für die elektronische Steuerung, Abb. 18.22. Systemmodelle für den Motor und dessen Peripherie umfassen alle relevanten Elemente, wie beispielsweise Einlasssammler, Einlass- und Auslassröhrenwerk, Zylinder, Ventile, AGR-Kühler, Lutfilter, Aufladeorgane (Kompressor, Turbine, Druckwellenlader), etc. Das thermische Netzwerk beschreibt Komponenten wie Wärmetauscher, Öl-/Wasserpumpen, Rohrleitungen, hermostate, Ventile, Ventilatoren, Komponenten des Klimakreislaufs, etc. Das mechanische Netzwerk umfasst Komponenten des Antriebsstrangs, wie Wellen, Kupplungen, Getriebe, Räder, etc. Das elektrische Netzwerk beinhaltet die elektrischen Maschinen (Motor, Generator), Batterien, Leistungselektronik, etc. Das Netzwerk der elektronischen Steuerung beinhaltet Kennfelder, PID Kontroller, Formel-Interpreter und SurrogatModelle (e.g. neuronale Netzwerke), um die Funktionalität der Elemente der ersten vier Gruppen zu steuern und zu regeln. Ein essentieller Teil in einem solchen Gesamtsystemmodell ist die Verfügbarkeit effizienter und zuverlässiger Motormodelle. In den vergangenen Jahren wurden dazu eine Reihe von Ansätzen vorgestellt, welche entweder auf reinen Mittelwertmodellen oder auf null-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 18.22 Schematische Darstellung eines Gesamtsystemmodells bestehend aus Verbrennungsmotor mit Abgasnachbehandlungssystem, Kühlmittel- und Ölkreislauf sowie Fahrzeugkomponenten und zugehörigen Sensor und ECU Elementen (Wurzenberger et al. 2011)

dimensionalen, kurbelwinkelaufgelösten Ansätzen beruhen. Die kurbelwinkelaufgelösten Modelle basieren in diesen Fällen auf denselben physikalischen Grundansätzen wie sie in der klassischen Arbeitsprozessrechnung Anwendung finden. Dies stellt einen konsistenten und effizienten Transfer von Geometrieinformation, Wärmeübergangs-, Verbrennungsund Turboladerkenndaten, etc. zwischen der Modellierung auf Fahrzeug-Systemebene in der Spezifikations-/Vorkonzeptphase und der Berechnung im Rahmen der Konzept- und Entwicklungsphase sicher und ermöglicht dadurch eine durchgängige und skalierbare Betrachtung der relevanten motorischen Prozesse. Anwendungen dazu sind beispielsweise in Wurzenberger et al. (2010) für die Berechnung des Kratstoffverbrauchs im NEDC Fahrzyklus unter Verwendung eines gekoppelten Pkw-Motor/Fahrzeugmodells sowie in Katrasnik et al. (2003) für die Modellierung des Einflusses unterschiedlicher Aufladekonzepte auf das Beschleunigungsverhalten einer Nfz Motor/Fahrzeugkonfiguration beschrieben. Für eine Darstellung weiterer Anwendungen zur Gesamtprozessanalyse sei an dieser Stelle auch auf Kap. 11 verwiesen.

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

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Gaspfadmodellierung Um im Rahmen der Konzept- und Entwicklungsphase ein komplexes Motormodell aufbauen zu können, welches auch den Einfluss von Gasdynamikeffekten auf das Füllungsverhalten der Zylinder wiederzugeben vermag, benötigt man neben dem Zylinderelement noch Modellansätze für weitere Bauteile, wie beispielsweise Behälter, Blenden sowie für gegebenenfalls vorhandene Aufladeorgane. Die Modellierung des Gaspfades erfolgt unter Anwendung geeigneter Modellansätze für diese Elemente entweder über eine Mittelwertbetrachtung, unter Verwendung einer Füll- und Entleermethode, für welche die Massenund Energiebilanzen gelöst werden, oder unter Berücksichtigung der eindimensionalen Gasdynamik, welche neben der Massen- und Energiebilanz, auch die Impulserhaltung in der mathematischen Beschreibung beinhaltet. Zur numerischen Lösung des Gleichungssatzes der Füll- und Entleermethode kommen in der Regel Runge-Kutta Verfahren höherer Ordnung zur Anwendung, für die Berechnung der Gasdynamik hat sich die Anwendung von Finite-Differenzen Verfahren ein- und zweistufiger Natur als erfolgreich erwiesen. Für eine weiter detaillierte Beschreibung der Modellierung aller relevanten Komponenten im Gaspfad sowie zu den numerischen Algorithmen zur Lösung der gewöhnlichen Differenzialgleichungen im Fall der Füll- und Entleermethode bzw. des partiellen Differenzialgleichungssystems im Fall des 1D-Gasdynamik Ansatzes sei auf die Ausführungen in Kap. 10 verwiesen.

Abb. 18.23 Vergleich der kurbelwinkelaufgelösten Druckverläufe eines aufgeladenen 4-Zylinder Dieselmotors für unterschiedliche Ansätze der Gaspfadmodellierung (Hrauda et al. 2010)

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G.P. Merker und R. Teichmann

Die Verläufe der kurbelwinkelaufgelösten Druckspuren im Einlasssystem, die sich aus den unterschiedlichen Ansätzen zur Gaspfadmodellierung ergeben, sind beispielhat in Abb. 18.23 dargestellt. Die vollständige Berücksichtigung der Gasdynamik liefert naturgemäß die beste Abbildung der Druckschwankungen im System, aber auch die Anwendung der Füll- und Entleermethode kann die Druckvariationen qualitativ ansprechend wiedergeben. Bei hohen Genauigkeitsanforderungen an die Ergebnisqualität muss bei der Wahl des Modellierungsansatzes abgewogen werden, in welchem Ausmaß Druckschwankungen im Ein- und Auslasssystem für die jeweilige Entwicklungsfragestellung von Bedeutung sind. Bei der Berechnung des Mitteldruckverlaufs, Kratstoffverbrauchs, etc. aufgeladener Motoren ist die Annahme konstanten Drucks in den Ansaug- und Auslassorganen in vielen Fällen durchaus berechtigt (Mittelwertansatz). Bei Fragestellungen, bei denen Druckpulsationen eine Rolle spielen können, wie beispielsweise beim Füllungsverhalten von nichtaufgeladenen Ottomotoren oder bei der Auslegung der AGR-Rückführung bei Dieselmotoren ist einer detaillierten 1D-Gasdynamikbetrachtung bzw. einer Füll- und Entleermethode der Vorzug zu geben.

Zylindermodellierung Bei der Modellierung der Vorgänge im Zylinder von Verbrennungsmotoren kommen entsprechend der Anforderungen in den einzelnen Entwicklungsphasen Modelle mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad zur Beschreibung von Wärmeübergang, Verbrennung und Emissionsentstehung zur Anwendung. Mittelwertbasierte Zylindermodelle, sogenannte Surrogat-Modelle bauen dabei entweder auf Messergebnissen stationärer Prüfstandsuntersuchungen auf oder werden direkt aus den Ergebnissen kurbelwinkelaufgelöster Berechnungen abgeleitet. Mittelwertmodelle werden seit vielen Jahren erfolgreich in der Motorenentwicklung für unterschiedliche Aufgabenstellungen eingesetzt (He und Lin 2007; Pischinger et al. 2004; Hendricks et al. 1996). Im Wesentlichen beschreiben Modelle dieses Typs über geeignete mathematische Formulierungen die Abhängigkeit von Motordrehmoment, Abgasmassenstrom, Abgastemperatur, etc. als Funktion von Motoreingangsgrößen, wie beispielsweise Drehzahl, Druckverhältnisse im Einlasssystem, Kratstoffmasse, etc. Die Verknüpfung zwischen den Eingangsund Ausgangsgrößen wird beispielsweise über trainierte neuronale Netzwerke oder sogenannte Support Vector Machines (SVM) abgebildet (Heinzle 2009). Die Anwendung der mittelwertbasierten Motormodelle, basierend auf Kennfeldern und trainierten neuronalen Netzwerken bzw. Support Vector Machines, stößt jedoch an ihre Grenzen sobald kurbelwinkelbasierte Ereignisse über die elektronische Steuereinheit geregelt werden sollen, wie dies beispielsweise bei der zylinderdruckgeführten Verbrennungsregelung der Fall ist. Die kurbelwinkelaufgelöste Modellierung der Vorgänge im Zylinder von Verbrennungsmotoren ist die klassische Domäne der Arbeitsprozessrechnung (Pötsch et al. 2011). Die Grundlagen der Ein-Zonen- und Zwei-Zonen-Modellierung inkl. der relevanten Wärmeübergangsansätze und Brennverlaufsmodelle sind in Kap. 10 ausführlich dargelegt und sollen daher im aktuellen Abschnitt nicht weiter behandelt werden. Für Details betreffend

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

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die phänomenologischen Ansätze zur Berechnung der dieselmotorischen und ottomotorischen Verbrennung sei in diesem Zusammenhang auch auf Kap. 11 verwiesen. Kurbelwinkelaufgelöste Zylindermodelle stellen mittlerweile auch im Rahmen der Gesamtsystemsimulation einen vielversprechenden Weg dar, eine Simulation der Vorgänge in Verbrennungsmotoren zu ermöglichen (Wurzenberger et al. 2009, 2010; Zahn und Isermann 2007; Katrasnik et al. 2003), und gleichzeitig eine höhere Detailgenauigkeit als die Mittelwertmodelle zu bieten. Die Modellerstellung kann dabei entweder eigenständig durchgeführt werden, oder es werden die Modelle aus bereits bestehenden 1D Ladungswechsel-/0D-Zylindermodellen abgeleitet. Letztere Vorgangsweise stellt einen überaus effizienten Weg dar, da die Mehrzahl der benötigten Modellparameter, wie beispielsweise Strömungskoeffizienten, Verbrennungsmodellparameter, Turboladerkennfelder, etc. direkt übernommen werden können. Die Anwendbarkeit der unterschiedlichen Ansätze zur Zylinder- und Gaspfadberechnung werden in Abb. 18.24 anhand der Berechnungsergebnisse von Mitteldruck, Leistung und spezifischem Kratstoffverbrauch über den gesamten Drehzahlbereich bei Volllast für einen aufgeladenen 1.4 l Pkw Dieselmotor dargestellt. Zu diesem Zweck werden Volllastkennlinien welche unter Verwendung unterschiedlicher Ansätze zur Gaspfad-/Zylindermodellierung errechnet wurden, den entsprechenden Messdaten gegenübergestellt. Die Ergebnisse belegen, dass für die vorliegende Motorkonfiguration mit allen untersuchten Modellierungsansätzen für den Gaspfad in Verbindung mit einem kurbelwinkelaufgelösten Zylindermodell eine sehr gute Übereinstimmung mit den am Prüfstand gemessenen Ergebnissen erzielt werden kann. Zur Darstellung des Einflusses der Gaspfad-/Zylindermodellierung auf das transiente Motorverhalten sei auf Abschn. 18.2.3 verwiesen. Stehen im Rahmen der Komponentenentwicklung Fragestellungen zur Auslegung und Optimierung des Brennverfahrens im Vordergrund, so sind heute 3D-CFD Berechnungsverfahren die Methode der Wahl. Auswirkungen von Details der durch die Ladungswechselorgane sowie Brennraum- und Kolbenform geprägten Zylinderinnenströmung auf die für Gemischbildung, Verbrennung und Emissionsentstehung maßgeblichen Größen können damit zeitlich und räumlich hochaufgelöst untersucht werden. Die Interpretation der dreidimensionalen Berechnungsergebnisse bzw. der davon abgeleiteten Kenngrößen ermöglicht dem Entwicklungsingenieur durch zielgerichtete Modifikationen von Geometriedetails bzw. anderer geeigneter Systemparameter eine Voroptimierung von Verbrennungswirkungsgrad und zu erwartenden Emissionen durchzuführen. Die Grundlagen der 3DCFD Modellierung von Strömung, Einspritzstrahlausbreitung/Gemischbildung und Verbrennung sind ausführlich in Kap. 14, 15 und 16 beschrieben und werden daher an dieser Stelle nicht weiter behandelt. Bei dieselmotorischen Brennverfahren steht im Rahmen der 3D-CFD Simulation innermotorischer Vorgänge die Auswahl und Voroptimierung der Kolbenmuldenform für das vorgesehene Brennverfahren (Einspritzsystem, Drall) hinsichtlich Verbrauch und Emissionscharakteristik im Vordergrund, Abb. 18.25. Mit steigender Zuverlässigkeit der Modelle für die Berechnung von NO und Rußbildung gewinnt in zunehmendem Maße auch der Einsatz von 3D-CFD im Rahmen der Analyse und Optimierung konventioneller und al-

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Gas Dynamic Filling & Emptying Mean Value Measurement

BMEP [bar]

20 18 16 14

10

80

280

70

270

60

260

50

250

40

240

30

230

20

220

10

210 500

1000

1500 2000 2500 3000 Engine Speed [rpm]

3500

Power [kW]

BSFC [g/kWh]

12

0 4000

Abb. 18.24 Messung/Rechnung Vergleich von Mitteldruck, Leistung und spezifischem Kratstoffverbrauch eines aufgeladenen 4-Zylinder Dieselmotors für unterschiedliche Ansätze der Zylinderund Gaspfadmodellierung (Hrauda et al. 2010)

ternativer Brennverfahren hinsichtlich minimaler Emissionen an Bedeutung (Priesching et al. 2007). Bei ottomotorischen Anwendungen der 3D-CFD Berechnungen liegt der Schwerpunkt bei modernen Brennverfahren mit Direkteinspritzung auf der Untersuchung und Optimierung der Einspritzstrahlausbreitung hinsichtlich minimaler Wandbenetzung und Wandfilmbildung sowie betreffend hinreichender Verdampfung und Homogenisierung des Lut/Kratstoffdampfgemisches für eine wirkungsgradoptimale Flammenausbreitung, Abb. 18.26. Numerische Untersuchungen zur Entzündung und Flammenausbreitung in Ottomotoren liefern dabei wertvolle Informationen über die zeitlich- und räumliche Ausbreitungscharakteristik der Flammenfront und ermöglichen die Erkennung von Vorzugsrichtungen in der Flammenausbreitung sowie die Identifizierung von Zonen mit verzögerter Entflammung (Tatschl et al. 2005). Neben der Unterstützung der Brennverfahrensentwicklung von Dieselmotoren (Cipolla et al. 2007; Dahlen et al. 2000), und Ottomotoren (Bianchi et al. 2006; Amer et al. 2002), wird die 3D-CFD Berechnung heute aber auch zur Untersuchung einer Reihe weiterer

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

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Abb. 18.25 Ergebnisse der 3D-CFD Berechnung der dieselmotorischen Verbrennung in einem Pkw-Motor (Segmentmodell). a Kratstoffdampf, b Temperatur, c Ruß, d Stickoxide in einem Schnitt durch die Einspritzstrahlachse bei 20° KW nach OT

Abb. 18.26 Ergebnisse der 3D-CFD Berechnung der ottomotorischen Flammenausbreitung in einem Pkw-Motor. a 10° KW vor OT, b 5° KW vor OT, c OT, d 10° KW nach OT in einem Schnitt durch die Zylinderachse

innermotorischer Detailprozesse, wie beispielsweise die Analyse der kavitierenden Injektorinnenströmung (Chiatti et al. 2007), sowie deren Auswirkung auf die Strahlausbreitung (Nagaoka et al. 2008; Masuda et al. 2005), oder auf die bereits erwähnte Ermittlung des zeitlich und räumlich aufgelösten Wärmeübergangs vom Brennraum in die Motorstruktur (Brohmer et al. 2006; Tatschl et al. 2006), angewendet. Darüber hinaus können aus der 3D-CFD Berechnung auch kurbelwinkelaufgelöste, zylindergemittelte Größen ermittelt werden, die in weiterer Folge im Rahmen von gekoppelten Ansätzen zur Berechnung von Einspritzsystemen (Caika et al. 2009), oder als Input für die Parametrierung von Verbrennungsmodellen in der Arbeitsprozessrechnung zur Anwendung gelangen.

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18.2.3 Ausgewählte Anwendungen Fahrzyklussimulation Bei modernen Motorkonzepten, aber insbesondere auch im Zusammenhang mit hybridisierten Antriebsstrangkonfigurationen, spielt das transiente Verhalten des Gesamtsystems Motor und Fahrzeug eine entscheidende Rolle bei der Einhaltung gesetzlicher Verbrauchsund Emissionslimits sowie bei der Erreichung der geforderten Zielvorgaben hinsichtlich Beschleunigungsvermögen und Fahrbarkeit. Nachfolgend soll exemplarisch die Anwendung eines gesamtheitlichen Simulationsansatzes, den Motor inkl. Ansaug- und Abgasstrecke sowie Antriebsstrang und Fahrzeug umfassend, auf ausgewählte Fragestellungen des Gesamtsystemverhaltens von Fahrzeugen im Zyklusbetrieb vorgestellt werden. Bei der im gegenständlichen Fall betrachteten Fahrzeugkonfiguration handelt es sich um einen Pkw mit turbo-aufgeladenem 4-Zylinder Dieselmotor. Der Motor ist mit einem System zur Rückführung externen, gekühlten AGR’s ausgerüstet, der verwendete Turbolader besitzt eine variable Turbinengeometrie (VTG). Das integrierte Motor- und Fahrzeugmodell umfasst alle wesentlichen Bestandteile der Motortopologie (Lutfilter, Kompressor, Ladelutkühler, Behälter, Rohre, Zylinder, Turbine, etc.) und der Gesamtfahrzeug- und Antriebsstrangkonfiguration (Kabine, Räder, Bremsen, Differenzial, Getriebe, Kupplung, etc.), sowie generische Regelungselemente für die relevanten ECU Funktionalitäten (VTG und AGR Regelung, Rauchbegrenzer, Leerlaufregler, etc.). Zusätzlich beinhaltet das Gesamtsystem ein Fahrermodell, das entsprechend dem vorgegebenen Fahrzyklus die Beschleunigung sowie Kupplungs- und Bremsenbetätigung steuert Abb. 18.27 zeigt das entsprechende Modell für das untersuchte Gesamtsystem. Für weitere Details zu Teilmodellen, der zugehörigen Numerik sowie für die Beschreibung des Workflows zur Modellparametrierung sei an dieser Stelle auf Wurzenberger et al. (2010) verwiesen. Auf Basis des voll gekoppelten Motor- und Fahrzeugmodells erfolgt eine Untersuchung des dynamischen Verhaltens des Gesamtfahrzeugs für einen transienten Fahrzyklus. Abbildung 18.28 zeigt die entsprechenden Berechnungsergebnisse im Vergleich mit den Messdaten für den NEDC Zyklus. Die Ergebnisse zeigen gute Übereinstimmung von berechneter und gemessener Motordrehzahl und belegen damit das Zutreffen der Modellierung des Motor- und Fahrzeugmodells hinsichtlich der Wiedergabe dynamischer Fahrzustände. Die Abweichung von gerechnetem und gemessenem Kratstoffverbrauch liegt im Bereich von weniger als 3 % und bestätigt damit die Qualität der Modellierung aller Energieströme über die unterschiedlichen Quellen und Senken im Motor und Fahrzeug hinweg. Der Einfluss der Modellierungstiefe von Motor und Turbolader auf die Genauigkeit der Wiedergabe des transienten Systemverhaltens wird für die Volllastbeschleunigung aus dem Stillstand in Abb. 18.29 gezeigt. Darin werden Berechnungsergebnisse eines detaillierten Motormodells, bestehend aus einem kurbelwinkelaufgelösten Zylindermodell, kombiniert mit einem Mittelwertansatz für die Gaspfadmodellierung sowie einem kennfeldbasierten Turboladermodell, den Ergebnissen eines rein kennfeldbasierten Motormodells gegenübergestellt.

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Abb. 18.27 Gesamtsystemmodell für Fahrzyklussimulation

Abb. 18.28 Fahrzyklussimulation. a Verlauf Motordrehzahl, b kumulierter Kratstoffverbrauch, c Fahrzeuggeschwindigkeit NEDC Zyklus; (Wurzenberger et al. 2010)

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Abb. 18.29 Gegenüberstellung von Kennfeldmotormodell und kurbelwinkelaufgelöstem Zylindermodell während einer Volllastbeschleunigung. a Fahrzeuggeschwindigkeit, b Motordrehzahl, c effektiver Mitteldruck (Wurzenberger et al. 2010)

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Drehmomentaufbau bei Verwendung des kennfeldbasierten Motormodells nahezu verzögerungsfrei dem Anstieg der Motordrehzahl folgt. Im Gegensatz dazu zeigt das detaillierte Motormodell einen deutlich verzögerten Anstieg des Mitteldrucks, bedingt durch die vollständige Berücksichtigung des transienten Turboladerhochlaufs. Damit wird deutlich, dass eine korrekte Abbildung des transienten Motorverhaltens insbesondere bei aufgeladenen Motoren mit kennfeldbasierten Modellen nicht gelingt, sondern der Einsatz detaillierter Ansätze erforderlich ist.

Thermisches Management Mit der weiteren Steigerung der spezifischen Motorleistungen sowie im Zusammenhang mit der zunehmenden Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebsstrangs gewinnt die zuverlässige Beherrschung des thermischen Managements von Motor und Fahrzeug weiter an Bedeutung. Die Optimierung des Warmlaufverhaltens des Motors und der damit verbundenen Öl- und Kühlmittelströme, gegebenenfalls auch unter Einbeziehung des Klimakreislaufs, sowie des Light-Off Verhaltens des Abgasnachbehandlungssystems und eine Reihe weiterer Fragestellungen stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Die schematische Darstellung eines Modellausschnitts für die Koppelung der Motorprozessrechnung im Verbund mit einer Gesamtbetrachtung des thermischen Motorverhaltens unter Miteinbeziehung der Öl- und Kühlmittelströmung im Gesamtfahrzeug zeigt Abb. 18.30 für die Untersuchung des Warmlaufverhaltens im Fahrzyklus. Die Modellierung des thermischen Verhaltens des Motors in der Simulation beschreibt den Wärmeeintrag aus der Verbrennung in die Motorstruktur und weiter in das Kühlmittel bzw. die Wärmeentwicklung in den Lagern und den entsprechenden Wärmeeintrag in den

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Der Verbrennungsmotor als Teil des gesamten Antriebstrangs

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Abb. 18.30 Kombiniertes Motor- und Kühlkreislaufmodell als Subsystem eines Gesamtfahrzeugmodells

Ölkreislauf. Neben den Öl- und Kühlwasserkreisläufen mit den entsprechenden Komponenten, wie Pumpen, hermostaten, Wärmetauschern, etc. werden im Modell die thermische Trägheit der Motorstruktur entsprechend den an Wärmeübergang und Wärmeleitung beteiligten Komponenten und Bauteilen vollständig in der Simulation berücksichtigt. Als Ergebnis der Simulation liefert das Modell die zeitliche Entwicklung der Öltemperatur, die wiederum als Randbedingung für das Reibungsmodell dient, die Kühlmitteltemperatur sowie die einzelnen Bauteiltemperaturen, die ihrerseits wieder in die Berechnung des Wärmeübergangs eingehen. Ein Ergebnis einer solchen Gesamtsystemsimulation des Motorwarmlaufs zeigt Abb. 18.31 im Vergleich mit Messdaten. Die Ergebnisse zeigen, dass das Aufwärmverhalten des Kühlmittels und damit der gesamten Motorstruktur, welches für weiterführende Aufgabenstellungen, wie beispielsweise die Simulation des Light-Off Verhaltens des Abgasnachbehandlungssystems (siehe Kap. 12), von der Berechnung sehr gut wiedergegeben wird. Der Öffnungszeitpunkt des hermostats wird sehr gut in der Simulation vorhergesagt, wie auch die Termperaturschwankungen des Kühlmittels bei betriebswarmem Motor in der Simulation im Vergleich mit den Messergebnissen gut abgebildet werden.

HiL Anwendung In jenen Phasen des Entwicklungsprozesses, in denen einzelne Komponenten bzw. Subsysteme bereits in Hardware vorliegen, ist es im Sinne eines effizienten Entwicklungsprozesses und im Sinne des Frontloadinggedankens, d. h. der Vorverlagerung von Entwicklungsaktivitäten in möglichst frühe Phasen des Entwicklungsprozesses, sinnvoll und notwendig, das Verhalten von Hardwarekomponenten und der zugehörigen Kontrollfunktionalitäten in ihrem Wirken innerhalb des Gesamtsystems zu validieren. Solche Hardware-in-the-Loop Anwendungen erfordern die Verfügbarkeit von ausreichend genauen und vor allem auch echtzeitfähigen Modellen für jene Komponenten, die für diese Validierungsaufgabe nicht in Hardware zur Verfügung stehen.

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Abb. 18.31 Berechnungsergebnisse eines Motorwarmlaufs im Fahrzyklus im Vergleich mit Messdaten. a Kühlmitteltemperatur vor hermostat, b Kühlmitteltemperatur nach hermostat (Hrauda et al. 2010) a)

b)

Existiert beispielsweise der Antriebsstrang eines Fahrzeuges bereits in Hardware, so kann die Wirkung des Motors sowie das Verhalten des Fahrzeuges in seiner Longitudinal- und Lateraldynamik auf den realen Antriebsstrang am HiL Prüfstand unter Verwendung echtzeitfähiger Modelle für Motor und Fahrzeug untersucht und bewertet werden, Abb. 18.32. Auf Basis dieser Vorgangsweise gelingt es, bei Vorliegen einzelner fertig entwickelter Komponenten und Subsysteme als Hardware, diese bereits frühzeitig im Entwicklungsprozess in ihrem Verhalten im Gesamtkontext zu validieren und freizugeben. Die für diesen Validierungsprozess notwendigen Motor- und Fahrzeugmodelle können dabei direkt aus früheren Phasen des Entwicklungsprozesses übernommen werden. Basis dafür ist die Abbildung der Funktionalitäten in den jeweiligen Modellen in durchgängiger und skalierbarer Art und Weise über den Entwicklungsprozess hinweg, d. h. je nach Anwendung ist der Detaillierungsgrad der Modelle flexibel definierbar, um beispielsweise spezifischen Genauigkeitsanforderungen oder – wie im vorliegenden Fall – den Anforderungen bezüglich Echtzeitfähigkeit zu genügen.

Fahrbarkeitsbewertung Im Kontext der Gesamtfahrzeugabstimmung kommt dem hema Fahrbarkeit eine besondere Bedeutung zu. In der Vergangenheit war die Bewertung von Fahrbarkeit immer mit dem Vorhandensein des realen Fahrzeugs und seiner Teilkomponenten Motor, Antriebsstrang, etc. verknüpt. Mit der Verfügbarkeit entsprechender echtzeitfähiger Modelle für die relevanten Einzelkomponenten und deren Integration zu einem Gesamtsystem in der

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Abb. 18.32 HiL Anwendung – virtuelle Testfahrt am Antriebsstrangprüfstand unter Verwendung echtzeitfähiger Motor- und Fahrzeugmodelle

Modellierung gelingt es das hema Fahrbarkeitsbewertung im Entwicklungsprozess zeitlich vorzuziehen und damit das hema Fahrbarkeit bereits zu einem frühen Zeitpunkt, bevor das Gesamtfahrzeug in Hardware zur Verfügung steht, einer Beurteilung zu unterziehen, Abb. 18.33. Von Seiten der Fahrbarkeitsbewertung geht es um die zutreffende Abbildung transienter Vorgänge bei Fahrmanövern wie beispielsweise Fahrzeugbeschleunigung, Übergang in den Schubbetrieb, Schaltvorgängen, etc., und deren Korrelation mit Parametern, welche als Maßzahl für die Beurteilung der Fahrbarkeit herangezogen werden können. Das Wissen um das Fahrbarkeitsverhalten des Gesamtsystems zu einem möglichst frühen Zeitpunkt im Entwicklungsprozess bietet die Möglichkeit, notwendige Optimierungsschritte auf Subsystem- bzw. Komponentenebene frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen vor Fertigung erster Hardwareprototypen einzuleiten. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Entwicklung der Kontrollalgorithmen für die einzelnen Subsysteme sowie deren Integration in die ECU des Gesamtsystems. Ziel ist es, bereits auf virtueller Ebene ein Höchstmaß an Produktreife in Bezug auf Fahrbarkeit darzustellen, so dass auf Basis des realen Gesamtfahrzeugs inkl. aller Hard- und Sotwarekomponenten lediglich eine Feinabstimmung und Validierung notwendig ist.

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Abb. 18.33 Virtuelle Fahrbarkeitsbeurteilung auf Basis eines integrierten Modellierungsansatzes zur Simulation transienter Vorgänge des Gesamtsystems Motor-Antriebsstrang-Fahrzeug

18.2.4 Ausblick Die geforderte weitere Reduktion des Kratstoffverbrauchs und damit der CO2 Emissionen zur Erfüllung der zuküntigen Flottenverbrauchsziele ist mit innermotorischen Maßnahmen alleine nicht mehr erreichbar. Dies führt in zunehmendem Maße zur Markteinführung hybrider Antriebsstrangkonzepte, die eine Kombination aus konventionellem Verbrennungsmotor und elektrischen Antriebskomponenten darstellen. Bedingt durch die aufgrund der Hybridisierung mögliche teilweise oder in bestimmten Fahrzuständen auch gänzliche Abschaltung der Verbrennungskratmaschine ergeben sich zwangsläufig eine Reihe neuer Anforderungen und Herausforderungen bezüglich der Auslegung und Funktionsentwicklung einzelner Subsysteme aber auch des Gesamtsystems. In diesem Zusammenhang seien beispielhat das Light-Off Verhalten des Abgasnachbehandlungssystems genannt, oder auch das thermische Management des Gesamtsystems Verbrennungskratmaschine, E-Motor und Batterie. Darüber hinaus gewinnen in Verbindung mit Hybridkonzepten in besonderem Maße hemen die Fahrbarkeit, ESP Abstimmung, etc. betreffend an Bedeutung, die nicht unwesentlich über das Zusammenspiel der Verbrennungskratmaschine und des E-Motors bzw. Generators bestimmt werden. Die stark steigende Anzahl möglicher Antriebsstrangkonfigurationen, welche sich aus der Hybridisierung/Elektrifizierung ergibt, bleibt auch für den Antriebsstrang-Entwick-

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lungsprozess nicht ohne Folgen. Der klassische Entwicklungsprozess erfährt dadurch eine signifikante Erweiterung der Vorkonzeptphase, in welcher die unterschiedlichen, grundsätzlich möglichen Hybridvarianten einer Bewertung hinsichtlich ihres Potenzials betreffend Kratstoffverbrauch, Fahrbarkeit und Life-Cylce-Costs unterzogen werden. Erst nach dieser Phase startet der klassische Antriebsstrang-Entwicklungsprozess, mit all seinen Optimierungs-Tasks sowie der Integration des Antriebsstrangs in das Fahrzeug mit den entsprechenden Kalibrierungsaufgaben. Für die virtuelle Vorauslegung und Funktionsentwicklung des Gesamtsystems und damit auch der Subsysteme und Komponenten ergibt sich daraus eine Reihe von neuen Anforderungen an die eingesetzten Simulationswerkzeuge. Insbesondere besteht in diesem Zusammenhang ein hoher Bedarf an skalierbaren Modellen für die zusätzlichen Komponenten von Hybridfahrzeugen, wie beispielsweise E-Motor, Generator, Umrichter, Batterie, Brennstoffzelle, etc., die den Entwicklungsprozess in der jeweils benötigten Detailtiefe auf System-, Sub-System- und Komponentenentwicklungsebene bis hin zur Integration in die HiL-Umgebung unterstützen (Gschweitl et al. 2007).

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Zukunft des Verbrennungsmotors Ulrich Spicher und Helmut Eichlseder

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19.1 Einleitung Der Verbrennungsmotor ist die am weitesten verbreitete Energiewandlungsmaschine und hat zum Beispiel als Antrieb für Fahrzeuge, Schiffe und Generatoren größte Bedeutung. Weit über eine Milliarde Verbrennungsmotoren sind heute als Antrieb für Fahrzeuge (Pkws, Nutzfahrzeuge, Schiffe usw.), zur Energieversorgung (Block-Heizkratwerke, Notstromaggregate usw.) oder für andere Zwecke wie zum Beispiel als handgehaltene Arbeitsgeräte (Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifer usw.) im Einsatz. Als Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung ist er zudem die effizienteste Wärmekratmaschine überhaupt. Bei alleiniger Nutzung der abgegebenen mechanischen Energie werden in bestimmten Antrieben bereits Wirkungsgrade von über 50 % erreicht. Wird die bei der Verbrennung des Kratstoffes freigesetzte Wärme über den aufgrund der Gesetze der hermodynamik limitierten, in mechanische Arbeit umwandelbaren Anteil hinaus genutzt, können sogar deutlich höhere Systemwirkungsgrade erreicht werden. Vor dem Hintergrund dieses außerordentlichen Erfolges sind die weitere Entwicklung und die dazu bestehenden Möglichkeiten von großem Interesse. Der Bedarf an mechanischer, elektrischer und insbesondere auch thermischer Energie hat durch die Industrialisierung kontinuierlich zugenommen und wird auch in Zukunt weltweit weiter steigen. Aufgrund seiner hohen Flexibilität und seiner einfachen Bauform wird der Hubkolbenmotor in Zukunt weiterhin eine wichtige Rolle bei der Energieumwandlung spielen und in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen eingesetzt werden. Die Entwicklung moderner Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Ulrich Spicher B Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland e-mail: [email protected] Univ.-Prof. Dr. Helmut Eichlseder B Technische Universität Graz, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4_19, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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Verbrennungsmotoren befindet sich dabei im Spannungsfeld unterschiedlicher Faktoren. Höchste Ansprüche werden vor allem bei der Reduzierung des Schadstoffausstoßes und des Kratstoffverbrauchs bzw. der CO2 -Emission gestellt. Darüber hinaus ist das Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors noch lange nicht ausgeschöpt. Die vom Menschen verursachte Zunahme der Kohlendioxidkonzentration durch die Verbrennung fossiler Energieträger ist aufgrund des Treibhauseffekts mitverantwortlich für die Klimaerwärmung. Die Emissionen im Straßenverkehr tragen zum Klimaproblem bei, wenn auch nur in beschränktem Ausmaß. Die öffentliche Wahrnehmung der Emissionsproblematik im Verkehr ist allerdings ungleich größer. Besonders als Kratfahrzeugantrieb steht der Verbrennungsmotor deshalb immer wieder in der öffentlichen Diskussion. Alle heute als Alternativen angepriesenen Antriebsarten (Elektromotor, Brennstoffzelle, Vollhybrid, Plug-In Hybrid usw.) mit den dazugehörigen Energiespeichern haben zwar in Einzelbereichen Vorteile, in der Gesamtheit aber vor allem für den mobilen Einsatz und auch in der stationären Anwendung in Wärme-Krat-Anlagen (Blockheizkratwerk – BHKW) gegenüber dem Verbrennungsmotor erhebliche Nachteile. Befasst man sich unvoreingenommen mit der Zukunt des Verbrennungsmotors und dessen Einsatz in den verschiedenen Anwendungen, so kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass es in vielen der heutigen Anwendungsbereiche von Verbrennungsmotoren keine vernüntige Alternative gibt, was auf die vielfältigen Vorteile des Verbrennungsmotors zurückzuführen ist. Ohne politische Einflussnahme werden diese Konkurrenten deshalb in nächster Zukunt keine Chance haben, den Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung vom Markt zu verdrängen.

19.2 Die Rolle der Verbrennungsmotoren für die Mobilität der Zukunft Bei der öffentlichen und vor allem auch bei der politischen Diskussion zum Antrieb der Zukunt wird der Eindruck vermittelt, dass der Verbrennungsmotor in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten als Antrieb in der mobilen Anwendung durch den Elektroantrieb ersetzt wird. Mit diesem Wechsel beginne das Zeitalter der emissionsfreien Mobilität, wird bereits heute von vielen Politikern, großen Energieversorgern und einigen Automobilmanagern, aber auch von Analysten aus Unternehmensberatungen und Forschungsinstituten proklamiert. Hat der Verbrennungsmotor eine Zukunt als Antrieb im Kratfahrzeug? Die Frage nach der Zukunt des Verbrennungsmotors ist otmals eher eine Frage nach der Zukunt der Mobilität. Die eigentlichen Fragestellungen müssten lauten: Was können wir tun zum Klimaschutz? Welche Energieträger werden wir zuküntig zum Einsatz bringen können und müssen? Die Frage ist deshalb nicht nur, welcher Antrieb für die Zukunt, sondern auch welche Energieform für Mobilität die richtige ist. Dazu wäre jedoch eine Bewertung des Gesamtsystems Fahrzeug vorzunehmen, in der der Verbrennungsmotor als Energieversorgungseinheit dient. Bei dieser Betrachtung würde kein unvoreingenommen und ideologie-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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frei analysierender Forscher, Entwickler oder Unternehmensberater individuelle Elektromobilität als Lösung vorschlagen. Mobilität ist ein Grundbedürfnis und lässt sich nicht ohne weiteres einschränken. In vielen Diskussionen gewinnt man jedoch den Eindruck, dass Individualmobilität ein unnötiges Luxusgut unserer Gesellschat ist, auf das man besser verzichten sollte. Unser Wirtschatssystem funktioniert jedoch ohne Individualmobilität nicht (hom 2011). Es fallen Tagesfahrleistungen an, die elektrisch nicht ohne weiteres zurückgelegt werden können. Durch diese Fehlbetrachtung besteht die Gefahr, dass die aktuellen politischen und öffentlichen Diskussionen über die Zukunt der Mobilität in eine falsche Richtung gelenkt werden (Spicher 2011). Trotz vielfältiger Forschung, besonders im Bereich mobiler Anwendungen, wurden für die Energieumwandlung bislang keine konkurrenzfähigen Alternativen zum Verbrennungsmotor entwickelt. Ungelöst ist vor allem das Problem der eingeschränkten Reichweite elektrischer Antriebssysteme aufgrund des eingesetzten Energieträgers. Dieser Mangel begleitet elektrisch angetriebene Fahrzeuge seit dem Beginn der Automobilentwicklung. Die hohe Energiedichte des eingesetzten Energieträgers und die damit erreichbaren Reichweiten sind ein Pfeiler des Erfolges des Verbrennungsmotors in der Geschichte des Automobils. Größere Marktanteile konnten elektrisch betriebene Fahrzeuge (und andere Konkurrenzantriebe) nur solange erzielen, bis für den mobilen Einsatz konzipierte Verbrennungsmotoren mit geringem Leistungsgewicht entwickelt waren. Danach begann der Siegeszug des Verbrennungsmotors und der elektrische Antrieb blieb daraufhin auf Nischenanwendungen und Kleinserien beschränkt. Bis heute schreitet diese Entwicklung des Verbrennungsmotors stetig voran. Moderne Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Direkteinspritzung erreichen bereits beachtliche Wirkungsgrade, im realen Fahrzeugeinsatz und in den Testzyklen. Aktuell setzen sich die Direkteinspritzung und die Nutzung der Abgasenthalpie mittels Turboaufladung auch immer mehr bei Ottomotoren durch. Dies führt zu immer kompakteren und sehr effizienten Aggregaten hoher Leistungsdichte (Downsizing), siehe Golloch (2005). Ottomotoren mit strahlgeführter Direkteinspritzung besitzen zudem enorme Möglichkeiten, wenn es gelingt, die Gemischbildung unter allen Randbedingungen, in denen ein Schichtladungsbetrieb wünschenswert ist, zuverlässig zu realisieren (Buri et al. 2009; Spicher und Sarikoc 2010). Für das elektrische Fahren größerer Distanzen wurde bislang nur der Hybridantrieb, bestehend aus einem Elektromotor und einem Verbrennungsmotor als Alternative vorgestellt. Gerade auf langen Strecken büßt der Hybridantrieb jedoch seine Vorteile gegenüber dem rein verbrennungsmotorischen Antrieb ein. Neben den kaufmännischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen beim Einsatz der als alternativen angepriesenen Technologien im Fahrzeug bleibt auch hier die Emissionsproblematik, die ja eigentlich durch sie gelöst sein sollte. Bei Betrachtung des Gesamtwirkungsgrades ist auch bei vermeintlich emissionsfreien Antriebskonzepten der erzeugte CO2 -Ausstoß zum Teil sogar höher als beim Einsatz heutiger Verbrennungsmotoren, wenn auch zum Teil nicht direkt vom Fahrzeug emittiert. Als Beispiel seien hier der batterieelektrische Antrieb und die vielfach propagierte Brennstoffzelle genannt. Sowohl die Wasserstoff-Erzeugung als auch der jeweilige Energiespeicherungsprozess sind energieaufwendig und verlustbehatet. Die

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dabei entstehenden CO2 -Emissionen können nur durch einen deutlichen Überfluss an elektrischer Energie aus emissionsfreier Energieumwandlung kompensiert werden.

19.2.1 Gesetzgebung und Emissionsvorschriften Emissionsvorschriten sind im automobilen Bereich schon lange in Krat und werden dort sowohl für Otto- als auch Dieselmotoren ständig verschärt. Unter dem Stichwort Emissionen wurden in der Vergangenheit in der Regel nur die klassischen Schadstoffe zusammengefasst. Durch umfangreiche Weiterentwicklungen konnten diese sowohl innermotorisch als auch durch Abgasnachbehandlung schon deutlich reduziert werden. Die Vorschriten zur Limitierung der CO2 -Emissionen und damit des Kratstoffverbrauchs sind jüngeren Datums. Die in der EU 2009 verabschiedeten Vorgaben werden stufenweise in Krat treten und eine besondere Herausforderung für die Fahrzeughersteller darstellen. Für die Marktzulassung neuer Modelle sind zur Überwachung standardisierte Testzyklen nachzufahren, die im Wesentlichen auf statistischen Betrachtungen der Pkw-Nutzung basieren. In der EU gilt zum Beispiel der in Abb. 19.1 gezeigte Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ). Statistische Betrachtungen sind für individuelle Mobilität jedoch nur begrenzt aussagekrätig, da die tatsächlichen Anforderungen meist nicht vorhersehbar sind. Wie Abb. 19.2 zeigt, werden das reale Fahrverhalten und demnach die realen Emissionen sowie der tatsächliche Kratstoffverbrauch durch die im NEFZ ermittelten Werte nicht wiedergegeben. Die Daten greifen dabei auf den getesteten Verbrauch (u. a. durch „auto motor und sport“) von Neufahrzeugen im Zeitraum 2008 bis März 2012 zurück. Der Realverbrauch liegt sowohl bei Benzin- als auch bei Dieselmotoren ca. 10–20 % über dem NEFZ-Verbrauch. Bei Dieselmotoren ergibt sich dabei ein Trend mit einem Abstand von ca. 1 l/100 km. Für Ottomotoren zeigt der Trend eine abnehmende Tendenz zu hohen Verbrauchszahlen hin.

Geschwindigkeit [km/h]

Teil 1 (ECE)

Teil 2 (EUDC)

120

Testlänge: 11,007 km Testdauer: 1180 s mittl. Geschw.: 33,6 km/h max. Geschw.: 120 km/h

100 80 60

Beginn der Probenahme mit Motorstart

40 20 0 195

195

195

Zeit [s]

Abb. 19.1 Europa-Testzyklus NEFZ

195

1180

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.2 Kratstoffverbrauch im NEFZ und bei realem Fahrverhalten für Benzin- (links) und Dieselmotoren (rechts) (Spicher ZfAW 2012b)

Die zweifelhaten Verbrauchsaussagen aus dem NEFZ verstärkt sich bei einem Hybridfahrzeug mit dem zur Verfügungen stehenden Energiespeicher aus dem Akkumulator. So ergibt sich z. B. beim Opel Ampera ein NEFZ-Verbrauch von 1,2 l/100 km, der Realverbrauch liegt dagegen für eine Fahrstrecke von 100 km aus einem Mix aus Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn (max. 130 km/h) bei voller Batterie bei 3,4 l/100 km, mit leerer Batterie bei 6,3 l/100 km (Lidl 2011). Die elektrisch erzielbare Reichweite ohne zusätzliche Verbraucher ergab sich zu 48 km, mit Einschaltung zusätzlicher Verbraucher und Heizung zu 36 km. Die planbare Alternative zur individuellen Mobilität wäre eine starke Begrenzung der Mobilität bzw. Planmobilität und entspricht nicht den Interessen unserer Gesellschat. Die Bewertung eines Fahrzeugs erfolgt im Testzyklus anhand der zum Vortrieb genutzten abgegebenen mechanischen Arbeit. Das Fahrzeug wird dabei wie der erste Patent-Motorwagen von Carl Benz betrachtet – dessen Antrieb diente dem Nutzer ausschließlich zur Fortbewegung (siehe Abb. 19.3 links). Die Entwicklung des Automobils ist seither deutlich vorangeschrittenen und mit ihr die Ansprüche der Nutzer an ihr Fahrzeug (siehe Abb. 19.3 rechts) (Spicher 2012b). Aufgrund dessen sollte eine Bewertung des Gesamtsystems Fahrzeug vorgenommen werden, in der der Verbrennungsmotor neben dem Antrieb auch als Energieversorgungseinheit ähnlich dient, wie dieses bei einem Blockheizkratwerk (BHKW) der Fall ist.

19.2.2 Objektive Beurteilung von Antriebskonzepten Die Sensibilität in unserer Gesellschat, kratstoffsparende Fahrzeuge zu erwerben, ist berechtigterweise stetig am Wachsen. Dabei dürfen Faktoren wie Umweltfreundlichkeit, Sicherheit, Wirtschatlichkeit und auch Fahrspaß nicht außer Acht gelassen werden. Bekanntermaßen leisten umweltfreundliche Antriebe keinen Beitrag zur Reduzierung der CO2 -

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Abb. 19.3 Automobile früher und heute – Kundenanforderungen an Komfort und Sicherheit (Daimler AG 2012)

Emissionen und Lutreinhaltung, solange sie nur in den Schaufenstern der Fahrzeughändler stehen. Sie müssen erst Käufer finden und den Markt durchdringen. Zudem wird des Öfteren propagiert, dass Elektroantriebe schadstofffrei seien und einen sehr hohen Wirkungsgrad hätten. Dagegen würden Antriebskonzepte mit einem Verbrennungsmotor maßgeblich zur Lutverunreinigung beitragen und die CO2 -Bilanz fiele aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades des Verbrennungsmotors schlechter aus. Der heutige Personenkratwagen, das Sinnbild für die individuelle Mobilität in fast allen Gesellschaten unserer Erde, muss jedoch neben der Hauptfunktion, nämlich der Fortbewegung, weitere vielfältige Aufgaben erfüllen. Dazu zählen nicht nur sicherheitsrelevante Anforderungen wie z. B. die Sicherstellung einwandfreier Sichtverhältnisse (Entfrosten und Wischen der Scheiben, Ausleuchten der Fahrbahn), die Bereitstellung aktiver und passiver Sicherheitsausstattungen und Fahrerassistenzsysteme, sondern auch Komfortaspekte wie z. B. die Beheizung oder Kühlung des Innenraums. Bei einer Betrachtung des Wirkungsgrades werden diese Punkte nicht in die Energiebilanzierung mit einbezogen, sondern alleine die mechanische Arbeit zur Fortbewegung gilt als Nutzen. Diese Betrachtungsweise ist eindeutig unvollständig und falsch. Eine richtige Wirkungsgradbetrachtung erfordert daher eine Erweiterung der Systemgrenzen um das gesamte Fahrzeug (siehe Abb. 19.4) (Spicher 2012a). Damit wird sichergestellt, dass alle Arten von Nutzen in die Bilanzierung mit einbezogen werden, und sämtliche Energieumwandlungen im Fahrzeug in der Wirkungsgradbetrachtung berücksichtigt werden. Abbildungen 19.5 und 19.6 zeigen diese Art der Betrachtungsweise für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor als Antriebsquelle und für den Fall eines reinen Elektroautos. In der oberen Hälte dieser Abbildungen ist jeweils die alleinige Bilanzierung der Antriebseinheit dargestellt. Beim Verbrennungsmotor wird die in dem Kratstoff gespeicherte chemische Energie in mechanische Energie umgewandelt. Diese mechanische Energie wird sowohl für die Fortbewegung (Antriebsenergie) als auch zum Antrieb der Nebenaggregate wie z. B. des Klimakompressors, der Ölpumpe, der Lenkhilfepumpe oder des Generators genutzt. Aktuelle Otto- oder Dieselmotoren erreichen je nach Fahrzeug und Motorgröße Wirkungsgrade zwischen 20 % und 35 %. Der Wirkungsgrad von Dieselmotoren liegt

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.4 Notwendige Erweiterung der Systemgrenzen (Spicher 2012a)

Abb. 19.5 Energiebilanzierung für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor (Spicher 2012b)

dabei ca. 5 % bis 10 % über dem von Ottomotoren. Der innermotorischen Wirkungsgradsteigerung sind thermodynamisch Grenzen gesetzt, da nach dem 2. Hauptsatz der hermodynamik eine vollständige Umwandlung von Wärme in Arbeit nicht möglich ist. Bei Verbrennungsmotoren werden ein Anteil der im Kratstoff gespeicherten Energie in Nutzarbeit und ein Anteil in thermische Energie umgewandelt. Diese thermische Energie wird an die Umgebung in Form von Abgasenthalpie oder mittels Konvektion und Strahlung ab-

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.6 Energiebilanzierung für ein Fahrzeug mit Elektroantrieb (Spicher 2012b)

gegeben und findet als Verlust Betrachtung in der Energiebilanzierung. Beim Antrieb mit Elektromotor wird die in den Akkumulatoren gespeicherte elektrische Energie in mechanische Energie zur Fortbewegung umgewandelt. Die bei dieser Energiewandlung freigesetzte Wärme ist sehr viel geringer. Für den Elektroantrieb ergibt sich bei dieser „Tankto-Wheel“-Betrachtung ein Wirkungsgrad von ca. 95 %. Vergleicht man mit dieser Betrachtung konventionelle Verbrennungsmotoren und neue Elektroantriebe miteinander, ist es verständlich, dass das Elektrofahrzeug deutlich besser abschneidet. Wird die Systemgrenze aber auf das gesamte Fahrzeug erweitert, muss beim Elektrofahrzeug die Energie zum Antrieb der Nebenaggregate mit berücksichtigt werden. Da die freigesetzte Wärme des Antriebs gering ist, muss die benötigte Energie zur Innenraumheizung oder Innenraumkühlung zusätzlich von den Akkumulatoren bereitgestellt werden. Beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor wird z. B. ein Teil der freigesetzten Wärme zur Innenraumbeheizung genutzt, bei der herkömmlichen Wirkungsgradberechnung wird sie jedoch weiter als Verlust betrachtet. Ähnlich einem Blockheizkratwerk muss diese Energie als Nutzen in die Energiebilanzierung eingehen. Daraus folgt, dass je nach Außentemperatur der Wirkungsgrad eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor mehr als 70 % betragen kann. Gerade im Teillastbetrieb (Stadtfahrt) steigt der Anteil der Klimatisierungsleistung bezogen auf die Antriebsleistung an. Neben der Motorlast bzw. der Fahrgeschwindigkeit besteht eine weitere Abhängigkeit von der Außentemperatur. Bei niedrigeren Temperaturen steigt die anteilige Heizleistung. Daraus ergibt sich die in Abb. 19.7 gezeigte Abhängigkeit. Selbst bei milden Außentemperaturen von ca. 10 °C zeigt sich, dass ein Heizleistungsbedarf von knapp 50 % der Radantriebsleistung vorliegt. Diese Energie geht fälschlicherweise bei einer konventionellen Effizienzbetrachtung wie im NEFZ nicht als Nutzarbeit in die Rechnung ein.

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.7 Energiebilanzierung für ein Fahrzeug mit Elektroantrieb (Spicher 2012b)

Neuere Methoden des hermomanagements nutzen die im Kühlmittel oder im Abgas gespeicherte Energie zur schnellen Aufheizung verschiedener Bauteile im Antriebsstrang wie z. B. die Aufheizung des Getriebe- oder Hinterachsöls zur Verringerung der Reibungsverluste, die insbesondere im kalten Zustand erheblich zum Gesamtverlust beitragen. Neueste Anstrengungen zur thermischen Rekuperation (Abwärmenutzung) wie z. B. ein nachgeschalteter Dampfkreisprozess oder der thermoelektrische Generator werden zusätzlich zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrades beim Fahrzeug mit Verbrennungsmotor beitragen. Die Bereitstellung der Energie beim Elektrofahrzeug für zusätzliche Nebenverbraucher führt zudem zu einer signifikanten und im praktischen Betrieb inakzeptablen Reduzierung der Reichweite des Fahrzeugs (Abb. 19.8). Bei Betrachtung der Wirkungsgradkette wird zwischen der Betrachtung vom Energiespeicher des Fahrzeugs zum angetriebenen Rad (Tank-to-Wheel) und der Betrachtung von der Herstellung bzw. Bereitstellung des Energieträgers über den Transport zum Fahrzeug und anschließend zum angetriebenen Rad (Well-to-Wheel) unterschieden. Zur grundsätzlichen Beurteilung verschiedener Antriebskonzepte muss die gesamte Kette der Energieumwandlung berücksichtigt werden. Nur diese Betrachtungsweise gibt Aufschluss über die Umweltrelevanz verschiedener Antriebkonzepte. In Abb. 19.9 ist die „Well-to-Wheel“Betrachtung für den Verbrennungsmotor dargestellt. Die Energiebilanz wird bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h und einer Außentemperatur von 10 °C aufgestellt. Die realen Antriebswirkungsgrade beim Verbrennungsmotor liegen unter Berücksichtigung des Aufwands von 10 % für die Kratstoffproduktion zwischen 18 % und 32 %. Für die Klimatisierung und die Versorgung mit Strom im Fahrzeug bei der angenommenen Mitteltemperatur von 10 °C ergibt sich ein Wirkungsgradanteil zwischen 12 % und 16 %. An der weiteren Nutzung von Abwärme wird zwar geforscht, diese wird aber bisher nicht genutzt. Lediglich durch Abgasturboaufladung wird Abgasenergie genutzt, was im Antriebswirkungsgrad

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.8 Energiebilanzierung für ein Fahrzeug mit Elektroantrieb (Bulander 2010)

Chemische Energie (Kraftstofftank) 90%

Otto Diesel

Mechanische Energie (Antrieb)

18 - 32%

Klimatisierung, Strom

12 - 16%

Abwärmenutzung

Verlustwärme

0% 42 - 60%

Abb. 19.9 Wirkungsgrade einer „Well-to-Wheel“-Betrachtung für einen Verbrennungsmotor (Spicher 2012b)

enthalten ist. Der Anteil der verbleibenden Verlustwärme ergibt sich dann insgesamt zu 42 % bis 60 % (Summe der Wirkungsgradanteile im Fahrzeug = 90 %). Je nach Umgebungstemperatur und Fahrprofil können die Werte nach oben oder unten abweichen. Verbrennungsmotoren mit Otto- oder Dieselkratstoff werden sich auch in Zukunt weiter entwickeln. Prognosen zeigen, dass der Antriebswirkungsgrad innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre beim Ottomotor auf über 35 % und beim Dieselmotor auf über 40 % steigen wird. So haben bereits experimentelle Untersuchungen am Karlsruher Institut für Technologie einen Wirkungsgrad von über 33 % bei einem Ottomotor mit HochdruckBenzindirekteinspritzung mit Magergemisch und Aufladung im Schichtladebetrieb an einem Forschungsaggregat erzielt. In Altenschmidt (2011) wurden erstmals der gleiche Wirkungsgrad (η = 30 %) eines otto- und dieselbetriebenen Fahrzeugs realisiert, was einer CO2 -Emission von 153 g CO2 /km entspricht. In der Forschung und Entwicklung befinden

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Zukunft des Verbrennungsmotors

Chemische Energie (Kraftstofftank) 90%

Otto Diesel

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Mechanische Energie (Antrieb)

36 - 42%

Klimatisierung, Strom

12 - 18%

Abwärmenutzung

Verlustwärme

5% 25 - 35%

Abb. 19.10 Wirkungsgrade im Gesamtsystem „Kratstoffproduktion, Antrieb und Fahrzeug“ durch Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors im Jahr 2025 (Spicher 2012b)

sich derzeit viele hemen zum hermomanagement, welche in der Zukunt Anwendung finden werden. Hierzu zählen Technologien, welche die Wärme im Kühlmittel oder Abgasstrang nutzen, um verschiedene Teile des Antriebsstrangs aufzuheizen, um so die Reibung zu reduzieren, welche insbesondere im kalten Zustand erheblich zum Gesamtverlust beiträgt. Es werden hiermit Steigerungen im Gesamtsystemwirkungsgrad von 5 % erwartet (Span 2011). Damit ergeben sich für zuküntige Fahrzeuge in 10 bis 15 Jahren mit Verbrennungsmotorantrieb Wirkungsgrade im Bereich von 53 % bis 65 % (Abb. 19.10). Die Wirkungsgradanalyse in Form einer Well-to-Wheel-Betrachtung ist besonders bei der E-Mobilität wichtig. In vielen Fällen wird nur eine Tank-to-Wheel-Betrachtung zum Vergleich mit einem Verbrennungsmotorantrieb herangezogen. Neben dieser falschen Darstellung kommt in den meisten Betrachtungen hinzu, dass bei einem Elektromobil von dem gleichen Gewicht wie bei einem Automobil mit Verbrennungsmotor ausgegangen wird. Allerdings fordert die Energiebereitstellung bei der Elektromobilität eine deutliche Gewichtszunahme des Fahrzeugs durch den Akkumulator. Dieses zusätzliche Gewicht benötigt wiederum mehr Energie, um die gleiche Strecke zurücklegen zu können. Der Hintergrund dieser Betrachtungsweise ist, dass sich nach verschiedenen Untersuchungen 80 % der Fahrzeugnutzer in Deutschland den Kauf und die Nutzung eines Fahrzeugs mit Elektroantrieb vorstellen können, solange eine Reichweite von 400 km gegeben ist und Mehrkosten von maximal EUR 2000,– nicht überschritten werden. Abbildung 19.11 zeigt die Energiebilanz für das oben betrachtete Fahrzeug mit Verbrennungsmotor für den Fall, dass ein Elektroantrieb in diesem Fahrzeug verbaut wird. Auch hier wird die gesamte Energiekette von der Stromerzeugung bis zur Fahrzeugnutzung berücksichtigt. Anders als beim Verbrennungsmotor sinkt der Gesamtwirkungsgrad eines batterieelektrischen Antriebs, wenn realer Fahrbetrieb und tiefere Umgebungstemperaturen angenommen werden. Weiterhin sind die nutzbare Energiedichte und die tatsächlich nutzbare Energiemenge im Akkumulator zu berücksichtigen, welche nach heutigem Forschungsstand 100 Wh/kg beträgt. Für eine angenommene Mindestreichweite von 300 km beträgt die Energiemenge 63 kWh für ein Fahrzeug mit 1700 kg. Für die Klimatisierung des Fahrzeugs und die elektrische Versorgung des Fahrzeugs werden 30 kWh angesetzt.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Primärenergie: 100% (Kraftwerk, Transport, Speicherung: - 60%)

Elektrische Energie (Akkumulator) 40%

E-Drive

Mechanische Energie (Antrieb)

18%; (24%)

Klimatisierung/Strom

9%; (11%)

Batteriemasse/ Thermomanagement

12%; (4,5%)

Verlustwärme

1%; (0,5%)

Abb. 19.11 Energiebilanzierung mit Elektroantrieb für 300 km Reichweite heute und im Jahr 2025 in Klammern (Spicher 2012b)

Die Verluste im Antrieb werden hier mit 3 kWh beziffert. Für die gesamte Energiemenge ist mit der aktuellen Leistungsdichte eine zusätzliche Masse für Akkumulator und Batteriemanagement-System von 1300 kg erforderlich. Es ist klar, dass diese zusätzliche Masse wiederum mehr Energie für den Antrieb und auch den Verlust bedeutet. Durch iterative Rechnung ergibt sich eine insgesamt erforderliche Masse von 1800 kg. Dafür werden zusätzlich 39 kWh benötigt, so dass insgesamt eine Energiemenge von 135 kWh erforderlich ist, um eine Reichweite von 300 km zu gewährleisten. Die zusätzlich erforderliche Energiemenge für den Transport der zusätzlichen Masse durch den elektrischen Antrieb geht korrekterweise als Verlust in die Energiebilanzierung ein. Um den Vergleich zur Betrachtung des Verbrennungsmotors in 10–15 Jahren machen zu können, muss die Weiterentwicklung der Batterietechnologie ebenfalls mit in eine entsprechende Bilanz einfließen. Es wird erwartet, dass sich die Energiedichte von LithiumIonen-Akkumulatoren bis zum Jahr 2025 auf 225 kWh/kg erhöht. Damit reduziert sich die notwendige zusätzliche Masse auf 800 kg mit einer notwendigen Gesamtenergiemenge von 105 kWh. Diese Ausführungen zeigen, dass eine objektive und physikalisch richtige Beurteilung verschiedener Antriebskonzepte Grundlage für die Gestaltung der zuküntigen individuellen Mobilität sein muss, um sowohl Ressourcen als auch unsere Umwelt zu schonen. Auch langfristig wird der Verbrennungsmotor deshalb die primäre Antriebsquelle der Mobilität bleiben. Bei Betrachtung der gesamten Energiebilanz wird ersichtlich, dass der Verbrennungsmotor im Fahrzeug mit Systemwirkungsgraden > 70 % betrieben werden kann. Downsizing, zuküntige Brennverfahren, die Entwicklung moderner Motorkomponenten und die konsequente Abwärmenutzung werden zur weiteren Steigerung des Wirkungsgrades beitragen. Somit besteht bei Betrachtung der gesamten Energiebilanz in absehbarer Zeit keine Alternative zum Verbrennungsmotor.

19.2.3 CO2 -Eizienz bei Lebenszyklusbetrachtungen Die Analyse der CO2 -Emissionen eines Fahrzeugs darf ganzheitlich betrachtet nicht nur auf den Angaben des Fahrzeugbetriebs erfolgen, sondern muss zusätzlich den Aufwand

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Tab. 19.1 Referenzfahrzeug aus dem C-Klasse-Segment (Mittelklasse) Fahrzeugmasse Rollwiderstandsbeiwert Lutwiderstandsbeiwert Stirnfläche Verbrauch im NEFZ Verbrauch im Realbetrieb

1700 kg 0,012 0,29 2,23 m2 Benzin: 7,2 l/100 km Benzin: 8,5 l/100 km

Diesel: 5,1 l/100 km Diesel: 6,2 l/100 km

80000 2012

Lebensdauer-Nutzung

70000

2025

Produktion Batterie / Kraftstoff Produktion Referenzfahrzeug

CO2-Emissionen [kg] CO2-Emissionen [kg]

60000 50000 40000 30000 20000 10000 0 Benzin

Diesel

Strom

Abb. 19.12 CO2 -Emissionen für Fahrzeug-Lebenszyklus (jeweils 15 Jahre; 250.000 km) (Spicher 2012b)

der Produktion und Kratstoff- bzw. Energiebereitstellung berücksichtigen. Zwischen Verbrennungs- und Elektromotor bedeutet dies konkret den Aufwand für Raffinerie und Transport des Kratstoffs sowie Produktion des Stroms und der zusätzlichen Batterie. Für den Vergleich in Abb. 19.12 wurde hier ein Referenzfahrzeug aus der Mittelklasse gewählt (siehe Tab. 19.1). Der Elektroantrieb wurde dabei mit einer Reichweite von 300 km berücksichtigt. Die CO2 -Emissionen mit einem Verbrennungsmotor betragen bei 1 l Benzin 2,25 kg CO2 und bei 1 l Diesel 2,55 kg CO2 . Bei einer Laufleistung von 250.000 km ergeben sich damit mit einem Realverbrauch von 8,5 l/100 km Benzin CO2 -Emissionen in Höhe von 47.800 kg CO2 und mit einem Realverbrauch von 6,2 l/100 km Diesel 39.500 kg CO2 . Für eine korrekte Bilanzierung einer Well-to-Wheel-Analyse muss der Energieverlust von 10 % bei der Kratstoffherstellung mit betrachtet werden, was die CO2 -Emissionen entsprechend erhöht.

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Ein VW Golf aus dem B-Klasse-Segment benötigt zur Produktion 4400 kg CO2 . Die Produktion des Referenzfahrzeugs wird daher mit 5000 kg CO2 sowohl für das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor als auch mit Elektroantrieb angesetzt. Der Betrieb des Fahrzeugs mit Elektroantrieb emittiert für die 250.000 km 58.000 kg CO2 nach dem heutigen EnergieMix gerechnet. Zusätzlich wird die Energie für die Bereitstellung des Akkumulators benötigt. Nach Pander (2011) fällt für die Produktion eines Akkumulators die gleiche Energiemenge wie für die Produktion des Fahrzeugs an, also 5000 kg CO2 . Der Akkumulator muss während der angesetzten Laufleistung mindestens einmal ersetzt werden. Dies bedeutet eine dreimal so hohe Energiemenge für die Produktion des Referenzfahrzeugs mit Elektroantrieb im Vergleich zum Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Insgesamt zeigen sich so deutlich erhöhte CO2 -Emissionen mit 73.000 kg CO2 für den Elektroantrieb im Vergleich zum Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, welche 58.100 kg CO2 beim Benzinantrieb und 48.900 kg CO2 beim Dieselantrieb benötigen. Der Dieselantrieb hat aufgrund seines geringeren Kratstoffverbrauchs die niedrigsten CO2 -Emissionen. In den nächsten 10 bis 15 Jahren ist von einer Weiterentwicklung der Technologien auszugehen. Der Verbrennungsmotor wird aller Voraussicht nach einen geringeren Kratstoffverbrauch aufweisen. Für den Elektroantrieb ist der prognostizierte Strommix relevant. Die Aussagen tendieren zu einem höheren Ausbau erneuerbarer Energien und effizienteren Kratwerken. Insgesamt stellt sich der Elektroantrieb aber immer noch mit höheren CO2 -Emissionen als ein Verbrennungsmotor mit Benzin oder Diesel dar. Es ist also davon auszugehen, dass der Verbrennungsmotor noch auf sehr lange Sicht das Antriebsaggregat der individuellen Mobilität bleiben wird und der Elektroantrieb maximal in Nischenanwendungen zum Einsatz kommen wird.

19.3 Verbrennungsmotoren – Gestern, Heute, Morgen Wird die Frage nach der zuküntigen Form des Verbrennungsmotors diskutiert, so können zunächst die grundsätzlichen Merkmale der heute verwendeten Formen der Zweiund Viertaktmotoren zur Diskussion gestellt werden. Alternativ zu den fast ausschließlich mit innerer Verbrennung ausgeführten Verbrennungskratmaschinen wären Wärmekratmaschinen mit äußerer Verbrennung zumindest in einzelnen Punkten vorteilhat, weshalb es – insbesondere bei Sonderanwendungen – nicht an derartigen Konzeptvorschlägen mangelt.

19.3.1 Alternative Konzepte Stirling Motor So stellt der Stirling Motor mit der Möglichkeit der externen, damit vom Arbeitsspiel unabhängigen Verbrennung sowie der Nutzung auch einer nicht durch Verbrennung bereitgestellten Wärme ein interessantes Konzept dar. Die entkoppelte und kontinuierliche Ver-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.13 Fahrzeug-Stirlingmotor MOD II (Ernst und Shaltens 1997)

brennung erlaubt auch den Einsatz von für innere Umsetzung nicht geeigneten Brennstoffen und lässt eine extrem schadstoffarme Verbrennung zu. Insbesondere mit der Einführung damals strenger Abgaswerte Ende der 1970er- und in den 1980er Jahren, also zu einer Zeit, als keine hochwirksame Abgasnachbehandlung verfügbar war, wurden Stirlingmotoren intensiv als Fahrzeugantrieb untersucht. Mit der kontinuierlichen Verbrennung und den damit permanent temperaturbeaufschlagten Komponenten gehen jedoch Nachteile, wie träges Instationärverhalten sowie die begrenzte Temperatur der Wärmezufuhr mit dem damit verbundenen mäßigen Wirkungsgrad, einher. Die beachtlichen Entwicklungstätigkeiten für Fahrzeugantriebe u. a. bei Philips (in Zusammenarbeit mit Ford, GM, NASA und MIT) führte zu Prototypen (Abb. 19.13 und 19.14), mit denen Wirkungsgrade bis 38 % im Bestpunkt und bis zu 28 % im Testzyklus erreichbar schienen. Allerdings stellten die Regelbarkeit, Kaltstartzeit und Leistungsdichte offene Probleme für die Anwendung als konventioneller Fahrzeugantrieb dar. Aus heutiger Perspektive naheliegender, für die damalige Sicht doch bemerkenswerter und überraschend fortschrittlicher Konzeptvorschlag ist ein serieller Hybrid mit Stirlingmotor aus dem Jahr 1969 (Abb. 19.15). Heute werden Stirlingmotoren nur als Nischenlösungen in stationären Anlagen beispielsweise in Blockheizkratwerks-Anlagen (Abb. 19.16) und als geräuscharmer Antrieb von U-Booten (Abb. 19.17) eingesetzt.

1046 Abb. 19.14 Wirkungsgradkennfeld MOD II (Ernst und Shaltens 1997)

Abb. 19.15 Stir-Lec 1/Studie von GM (Car Crat Magazine 1969)

G.P. Merker und R. Teichmann

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.16 Stirlingmotor als BHKW Anlage, cleanergyindustries.com

Abb. 19.17 Stirlingmotor als Antrieb von U-Booten, cleanergyindustries.com

Dampfmotor Vor dem Hintergrund der amerikanischen SULEV-Gesetzgebung wurde äußere Verbrennung auch in Form von sogenannten Dampfmotoren – die ja in der Frühzeit der Motorisierung mit dem Elektroantrieb und der Verbrennungskratmaschine hetig konkurrierten – wiederum konzipiert und als Prototyp ausgeführt (Abb. 19.18). Die mit der kontinuierlichen Verbrennung mögliche Darstellung von Niedrigstemissionskonzepten ohne Abgasnachbehandlung ist heute, da verbrennungsmotorische SULEV Antriebe ihre Serientauglichkeit in großer Stückzahl nachgewiesenen haben, kein großer Anreiz mehr. In Verbindung mit den bereits beim Stirlingmotor genannten Nachteilen bei äußerer Verbrennung wie begrenzter Wirkungsgrad, problematisches Instationärverhalten, Kaltstartzeit etc. ist auf absehbare Zeit keine Anwendung als konventioneller Fahrzeugantrieb zu erwarten.

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Abb. 19.18 Dampfmotor zum Antrieb von Fahrzeugen (Buschmann et al. 2000)

Gasturbinen Aus ähnlichen Überlegungen wie bei obigen Konzepten und dem Wunsch nach einer höheren Leistungsdichte wurden bereits früher der Einsatz von Fahrzeug-Gasturbinen untersucht und Prototypen bis zur Seriennähe entwickelt. Das Anforderungsprofil von Nutzfahrzeugen schien den Eigenschaten entgegen zu kommen. Trotz wesentlicher Vorteile wie etwa 50 % geringeres Gewicht, Vielstofffähigkeit für beinahe jeden Kohlenwasserstoff (Diesel, Kerosin, LPG, LNG, . . . ) verhinderte jedoch vor allem der schlechte Wirkungsgrad der relativ kleinen Gasturbinen (beispielsweise 260 kW LKW-Zweiwellentriebwerk mit Keramik-Wärmetauscher (Abb. 19.19), Entwicklungsstand 1969: be min 280 g/kWh) einen Serieneinsatz sowohl bei Pkw als auch Lkw. Von Interesse und als mögliche zuküntige Verbrennungskratmaschinen in Diskussion gekommen sind Stirlingmotoren und Gasturbinen in Verbindung mit batterieelektrischen Fahrzeugen als so genannte „Range Extender“ zur Reichweitenverlängerung. Abbildung 19.20 zeigt eine von Jaguar 2010 vorgestellte Gasturbine (sae.org/mags/aei/POWER/ 7698 2010). In Verbindung mit dem nur selten benötigten Antrieb kommt dem geringen Wirkungsgrad keine prioritäre Bedeutung zu, das hervorragende NVH-Verhalten, gerin-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

Abb. 19.19 Zweiwellen – Fahrzeuggasturbine (Leyland)

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Abb. 19.20 Gasturbine als Range Extender, bladonjets. com (2010)

ger Bauraumbedarf und möglicherweise die Vielstofffähigkeit könnten jedoch interessante Attribute sein.

Wankelmotor Bei den Verbrennungsmotoren mit innerer Verbrennung stellt aus den oben angeführten Gründen auch der Wankelmotor eine interessante Alternative für Range Extender und besonders kompakte Flugtriebwerke dar. Ein Beispiel für einen Wankelmotor als Range Extender zeigt Abb. 19.21 (Firma AVL). Offensichtliche Vorteile bei einer derartigen Anwendung sind hervorragendes Schwingungsverhalten und kompakte, mit dem Generator harmonierende Bauweise sowie geAbb. 19.21 Wankelmotor als Range Extender Modul (Sorger et al. 2009)

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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ringes Gewicht. Ob die konzeptbedingten Schwachstellen – eingeschränktes Wirkungsgradpotenzial, ungünstige Brennraumform und daraus resultierendes Emissionsverhalten, Herausforderungen durch Motormechanik und (Verlust)Schmiersystem – durch weitere Entwicklung überzeugend gelöst werden können, sodass die oben genannten Vorteile überwiegen und damit eine Renaissance des Wankelmotors möglich ist, soll in Flottenversuchen geklärt werden (www.audi.de, 2014).

Zweitaktmotor Schon in der Zeit vor dem Patent von Nikolaus August Otto war das Zweitaktprinzip in Verwendung und wurde im Laufe der Entwicklung bis heute in unzähligen Konzepten modifiziert und verbessert (Eichlseder et al. 2008). Weit verbreitet wird der Zweitaktmotor heute an der oberen und unteren Grenze der Baugröße von Verbrennungsmotoren eingesetzt: Bei den in Schiffen eingesetzten Langsamläufern mit Einzelhubräumen über 1 m3 und Nenndrehzahlen von etwa 100 min−1 ist und bleibt das Zweitaktprinzip ein Standardverfahren. Bei handgehaltenen Arbeitsgeräten sowie Hochleistungs- und Motorsportanwendungen sind die Tugenden Leistungsgewicht, geringer Bauraumbedarf, Drehmomentverhalten und lageunabhängige Funktion die Gründe für umfangreiche Anwendung. Ein Grundproblem des einfachen schlitzgesteuerten Zweitaktmotors besteht in den symmetrischen Steuerzeiten, die zumindest bei äußerer Gemischbildung zu sehr hohen Spülverlusten mit heute nicht mehr akzeptablen Verbrauchs- und Emissionswerten führen. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits früh Konzepte zur Vermeidung der Spülverluste entwickelt wurden. Daraus resultiert auch der überhaupt erste Serieneinsatz der Direkteinspritzung in einem Pkw im Jahr 1952, der in Verbindung mit einem Zweitaktmotor erfolgte. Um den aus der kurzen verfügbaren Zeit zur Gemischbildung resultierenden Schwierigkeiten bei hochdrehenden Fahrzeugmotoren zu begegnen, wurden in der jüngeren Zeit sowohl lutunterstützte Systeme, siehe Schlunke (1989), als auch Hochdruckeinspritzungen, die auf der Nutzung von Druckstößen beruhen, entwickelt. Diese werden bei Zweiradantrieben, Außenbordmotoren, Jet-Ski-Antrieben und Schneeschlitten (Abb. 19.22) in Serienprodukten eingesetzt. Eine intensive Entwicklung des Zweitaktmotors in Hinblick auf einen Pkw-Serieneinsatz (Abb. 19.23) erfolgte bei mehreren Herstellern und führte bis zu umfangreichen Flottenversuchen. Aus mehreren Gründen – dazu gehören unter anderem die Schwierigkeiten, die mit der unterbrochenen Zylinderwand mechanisch und thermisch verbunden sind, die mit den hohen (Lut)spülverlusten schwer präzise darstellbare λ = 1 Regelung, mangelnde Aufladefähigkeit – ist ein Serieneinsatz bei Pkw noch nicht erfolgt und auch nicht absehbar. Auch durch Einsatz eines ventilgesteuerten Auslasskanals, der diese Nachteile wesentlich verringern bzw. vermeiden kann, allerdings die Komplexität, Bauraum und Kosten deutlich erhöht, konnte weder in Verbindung mit Otto- noch Dieselverfahren ein Pkw-Serienanlauf erfolgen.

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Abb. 19.22 Rotax 797 DI, Zweitakt, Zweizylinder, Vh = 0,799 dm3 , 108 kW/8000 min−1 , flüssigkeitsgekühlt, Einlass membranventilgesteuert, Hochdruck-Direkteinspritzung

Abb. 19.23 Orbital Dreizylinder Pkw-Motor (Schlunke 1989; Meining 2001); Vh = 0,8 dm3 , (s/D 72/84 mm), Peff = 58 kW/4500 min−1 und zugehörige Orbital Einspritzeinheit (Houston 1998)

Anders stellen sich die Aussichten des Zweitakt-Ottomotors bei Klein- und Hochleistungs-Sportmotoren dar. Die angesprochenen Vorteile der spezifischen Leistungsfähigkeit, des Gewichtes und Bauraumbedarfes sind Motivation für intensive Weiterentwicklungsaktivitäten auf der Basis von Hochdruck-Direkteinspritzung, lutunterstützten Einspritzsystemen sowie Niederdruck-Direkteinspritzung (van Basshuysen 2008; Winkler 2009; Schmidt et al. 2004). Ein Beispiel für eine kostengünstige, da auf automotiven Großserienkomponenten aufbauende Lösung zeigt Abb. 19.24.

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.24 Einzylinder-Zweitaktmotor mit Niederdruck-Direkteinspritzung; Vh = 0,05 dm3 , (s/D 39,2/40 mm), Peff = 3,7 kW/7200 min−1 (Winkler et al. 2008)

Von einer sowohl funktionell als auch kostenseitig überzeugenden Lösung hängt hier die Zukuntssicherheit des Zweitakt-Ottomotors ab. Anhand der jüngsten Ergebnisse ist hier eine durchaus positive Perspektive erkennbar.

Brennstofzelle Eine besondere Form der Energiewandlung, nämlich eine direkte Umwandlung von chemisch gebundener Energie in elektrische Energie, ist mit der Brennstoffzelle möglich. Da diese sozusagen mit „kalter Verbrennung“ ohne den Umweg der Wandlung in Wärme und dann in mechanische Energie arbeitet, ist sie nicht an den Carnot-Prozess gebunden und hat damit das Potenzial eines höheren Wirkungsgrades, siehe Abb. 19.25. Bemerkenswert ist auch, dass – im Gegensatz zum Verbrennungsmotor – der Wirkungsgrad bei niedriger Last hoch ist und mit steigender Last abfällt. Zusätzliche Vorteile sind Emissionsfreiheit von Schadstoffen und Lärm, bei Betrieb mit Wasserstoff treten bei der Umwandlung auch keine CO2 -Emissionen auf. Nachteile der Brennstoffzelle sind zum heutigen Zeitpunkt extrem hohe Herstellkosten sowie der fehlende Nachweis des Langzeitverhaltens bei instationärem Betrieb. Zusätzliche Schwierigkeiten bestehen in der energieintensiven Erzeugung von Wasserstoff sowie dessen Verteilung und Speicherung. Das hohe theoretisch mögliche Wirkungsgradpotenzial konnte in den ersten Fahrzeuganwendungen noch nicht ausreichend dargestellt werden, erst jüngste Veröffentlichungen weisen mit Wirkungsgraden bis 60 % in Stadtzyklen ein Niveau deutlich über dem von Verbrennungsmotoren aus (Bono et al. 2009; Matsunaga et al. 2009). Es werden verschiedene Arten von Brennstoffzellen angewendet, die entweder nach der Art des verwendeten Elektrolyten oder nach der Art ihrer Betriebstemperatur unterschieden werden; hier sei auf die Literatur verwiesen (Kordesch und Simader 1996; Kurzweil 2003).

1054

G.P. Merker und R. Teichmann 100

Wirkungsgrad in %

80

60

ηc (Tu = 323.15 K)

40

ηth der Brennstoffzelle

20

0 273

523

773

1023

1273

1523

1773

2023

Temperatur To in Kelvin

Abb. 19.25 Gegenüberstellung der temperaturabhängigen idealen thermodynamischen Wirkungsgrade einer Brennstoffzelle (rot) und eines Carnot-Prozesses (blau) (Eichlseder und Klell 2010)

19.3.2 Entwicklungspotenzial des Verbrennungsmotors Da trotz der interessanten Alternativen der Hubkolbenmotor mit innerer Verbrennung wegen der in Summe vorteilhaten Eigenschaten heute und in absehbarer Zukunt das bevorzugte Konzept für die allermeisten Anwendungen bleibt, soll im Folgenden auf dessen weitere Entwicklung eingegangen werden. Die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors ist vorwiegend durch die treibenden Kräte Wirkungsgradsteigerung und Emissionsminderung geprägt, die von einer Steigerung der spezifischen Leistung begleitet werden. Die Ansätze zur Steigerung des im Betrieb erzielten Wirkungsgrades, der entsprechend Abb. 19.26 in beträchtlichem Maße vom Lastkollektiv und der Motorgröße abhängt, können sehr gut von einer thermodynamischen Verlustanalyse abgeleitet werden (Pischinger et al. 2002). Bei den weiteren Betrachtungen werden die Ansätze entsprechend der Wirkungsgradkette gegliedert: • hermodynamische Ausgangsbedingungen eines Idealprozesses (vollkommener Motor) • Verbrennung und Prozessführung der Hochdruckphase • Ladungswechsel • Mechanische Verluste

19

Zukunft des Verbrennungsmotors

1055

50

effektiver Wirkungsgrad [%]

Bestpunkt

repräsentatives Lastkollektiv (Testzyklus)

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

MOPED 50 cm³

MOTORRAD 800 cm³

PKW BENZIN

PKW DIESEL

LKW

GROSSMOTOR STATIONÄR

Abb. 19.26 Wirkungsgrad ausgeführter Motoren im Bestpunkt und im repräsentativen Betrieb

Diese Verlustanalyse geht von einer Betrachtung des Idealprozesses (vollkommener Motor) aus und wird in weiterer Folge noch genauer betrachtet. Bereits bei dem unterstellten Idealprozess stellt sich allerdings die Frage, ob und wie dieser verändert werden könnte, um den Wirkungsgrad weiter zu erhöhen. Eine naheliegende theoretische Möglichkeit dazu besteht mit der Nutzung einer über das Ansaugvolumen hinausgehenden Expansion, wie sie prinzipiell in Abb. 19.27 dargestellt ist und deren theoretisches Potenzial unter ottomotorischen Rahmenbedingungen aus Abb. 19.28 hervorgeht. Dieses theoretische Potenzial hängt wesentlich vom Volumenverhältnis Expansion/ Kompression sowie vom Verdichtungsverhältnis ab und ist beträchtlich. Zu berücksichtigen ist naturgemäß die Grenze durch die Expansion auf Umgebungsdruck. Der Gewinn an Wirkungsgrad ist bei niedrigeren Verdichtungsverhältnissen größer, womit eine besondere Eignung für Ottomotoren gegeben scheint; zu beachten ist allerdings, dass im Teillastbereich quantitätsgeregelter Motoren naturgemäß nicht nur die Möglichkeit zur erweiterten Expansion wegen des geringen Druckniveaus und der Begrenzung durch den Umgebungsdruck eingeschränkt ist, sondern dass die lange Expansion durch hohe Ladungswechselverluste wirkungsgradmindernd sein kann. Jedenfalls stellte das hohe theoretische Potenzial bereits in der Frühzeit des Verbrennungsmotors einen Anreiz zur Entwicklung konstruktiver Lösungen dar. Zur praktischen Realisierung der erweiterten Expansion bestanden unterschiedliche Ansätze:

1056

G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.27 pv- und Ts-Diagramm des idealisierten Gleichraum-Prozesses mit erweiterter Expansion

Abb. 19.28 heoretisches Potenzial des vollkommenen Motors mit erweiterter Expansion

Bereits mehrmals in der Geschichte des Verbrennungsmotors hat man – angelehnt an das Vorbild Dampfmaschine – versucht, die Verbrennungsgase in hintereinander geschalteten Zylindern einer Kolbenmaschine zu nutzen (Sass 1962). Der erste Versuch, zu dem die Anregung von Otto und Daimler gegeben wurde, war der „Deutzer Verbundmotor“, ein 1879 in Deutz gebauter Gasmotor. Dieser kombinierte zwei Hochdruck-Viertaktzylinder mit einem Niederdruck-Zweitaktzylinder, die auf einer gemeinsamen Kurbelwelle arbeiten (siehe Abb. 19.29). Diese Maschine soll einige Jahre in Betrieb gewesen sein, als problematisch wurde der Übergang vom Hochdruck- zum Niederdruckzylinder hinsichtlich Temperaturbeständigkeit und wirkungsgradminderndem Wärmeübergang erkannt. Ein weiterer Versuch ist von Rudolf Diesel dokumentiert, der bereits in seinem ersten Patent die zweifache Expansion – bei ihm „Nachexpansion“ genannt – schützen lässt. Die Leistung des Motors und der Brennstoffverbrauch blieben weit hinter den Erwartungen zurück, wofür auch Diesel die

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Zukunft des Verbrennungsmotors

1057

Abb. 19.29 Deutzer Verbundmotor, 1879

großen Wärmeverluste beim Überströmen verantwortlich machte. „Ich musste daher meine großen Hoffnungen, die Wärmeausnutzung des Einzylindermotors noch wesentlich zu übertreffen, schmerzerfüllt zu Grabe tragen“, sagte Diesel später (Sass 1962). Eine weitere Möglichkeit, zu der auch zahlreiche Patente existieren, besteht in der Ausführung von Kurbeltrieben mit einem größeren Expansionshub als Ansaughub. Als Begründer und otmals auch Namensgeber dieses Arbeitsprinzips gilt James Atkinson mit seinem Patent aus dem Jahr 1887 (Atkinson 1887). Die unterschiedlichen Hübe werden mittels einer Zusatzmechanik zum einfachen Kurbeltrieb realisiert (Abb. 19.30). Weitere bekannte Ansätze beruhen auf der Überlagerung zweier Hubverläufe mit unterschiedlicher Amplitude, Frequenz und Phasenlage. Aus der Überlagerung der beiden Bewegungen resultiert eine periodische Summenbewegung, mit größerem Expansionshub als Ansaughub, über 720 °KW. Erreicht werden kann dies beispielsweise mittels Koppelgetriebe, Planetengetriebe oder durch (Viertakt)Gegenkolbenanordnung mit gemeinsamem Brennraum. Dieser Grundgedanke der erweiterten Expansion wurde in der jüngsten Zeit mit mehreren unterschiedlichen und innovativen Motorkonzepten wieder aufgegriffen. Die vielfältigen konzeptionellen Ansätze für die Umsetzung können in folgende Gruppen aufgeteilt werden: • Kurbeltriebe mit größerem Expansionshub: Dem durchaus vorhandenen Vorteil der geometrischen Expansion stehen Drehzahleinschränkungen (aufgrund der mittleren

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.30 Atkinson-Kurbeltrieb (Atkinson 1887)

Kolbengeschwindigkeit), spezifische Leistung und Baugröße, Herausforderungen bezüglich Brennraumform, Massenausgleich und Triebwerksmechanik gegenüber. Ein Beispiel für eine Serienlösung ist der von Honda für eine Sonderanwendung produzierte Einzylindermotor entsprechend Abb. 19.31 (Takita 2011) • Erweiterte Expansion durch Kombination mehrerer hintereinandergeschalteter Arbeitsräume; hier besteht eine Vielzahl vorgestellter Konzepte, aktuelle Beispiele dafür sind ein von Audi vorgestellter Forschungsmotor mit zwei gefeuerten Zylindern und einer weiteren Expansion in zusätzlichen Expansionszylindern, Abb. 19.32, sowie ein von Schmitz/ILMOR vorgestellter „5-Stroke“ Motor, Abb. 19.33. Beide Lösungen lassen eine prinzipielle Ähnlichkeit mit dem in Abb. 19.29 gezeigten Verbundmotor erkennen, allerdings auch die sowohl von Otto als auch Diesel gemachten Erfahrungen (zumindest für Fahrzeugmotoren leider negativen, siehe oben) erwarten. • Auteilung des Arbeitsspieles auf zwei Arbeitsräume (Split Cycle), womit eine gekühlte Verdichtung und ebenfalls eine erweiterte Expansion ermöglicht wird. Als Beispiel hierfür kann die Scuderi Engine genannt werden, Abb. 19.34. Auch hier stehen erhöhte Wandwärme- und Reibungsverluste, die komplexe Gemischbildung und geringere Leistungsdichte als wesentliche Nachteile den theoretischen Vorteilen gegenüber. • Darstellung eines unterschiedlichen effektiven Kompressions- zu Expansionsvolumen durch Steuerzeiten (Miller- bzw. Atkinson). Dieses Prinzip wird bereits insbesondere bei Großgasmotoren, in einzelnen Fällen auch bei PKW Ottomotoren in Serie angewen-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.31 KoppelgetriebeKurbeltrieb (Takita et al. 2011)

Abb. 19.32 Forschungsmotor Audi (Bauer et al. 2012)

det und wird, da mit Variabilitäten im Ventiltrieb betriebspunktspezifisch darstellbar, in Verbindung mit erweiterten Aufladekonzepten vermehrt Anwendung finden. • Grundsätzlich stellt auch die Ausführung eines Turbocompound-Konzeptes eine erweiterte Expansion mit einer nachgeschalteten Strömungsmaschine dar, die in einigen Serienanwendungen im LKW und Industriedieselsegment auch realisiert werden.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.33 5-Takt-Motor von Gerhard Schmitz, http:// www.youtube.com/watch? v=rpw0SfBcSRM; http://www. 5-takt-motor.com

Bei allen Konzepten sind auf dem Weg zur realen Umsetzung wegen der erhöhten Reibungs- und Wandwärmeverluste und der geringeren Leistungsdichte deutliche Abstriche an den theoretischen Potenzialen zu erwarten. Zur qualifizierten Abklärung und wegen der beträchtlichen Höhe des Potenzials ist aber eine weitere Forschungstätigkeit insbesondere für Sonderanwendungen mit eingeschränktem Betriebsbereich erforderlich und zielführend. Für die weiteren Betrachtungen des Entwicklungspotenzials des Verbrennungsmotors werden nun, ausgehend vom Idealprozess des vollkommenen Motors, die Ansätze entsprechend der Wirkungsgradkette gegliedert. Die aus obiger Gliederung resultierende und auch aus Abb. 19.54 ersichtliche Bedeutung der Lastpunktverschiebung wird anschließend betrachtet. Da die meisten Ansätze und Maßnahmen nicht nur einen einzelnen Teil der Wirkungsgradkette beeinflussen, kann diese Betrachtung naturgemäß nur im Hinblick auf den primär betroffenen Umfang erfolgen. Entsprechend den Ausführungen in Kap. 2 ist für die thermodynamischen Ausgangsbedingungen das Verdichtungsverhältnis von großer Bedeutung. Die bestehenden Grenzen durch Klopfen bzw. Kratstoffeigenschaten (Ottomotor) und Triebwerksbelastung sowie Stickoxidemission (Dieselmotoren) lassen nur ein eingeschränktes Potenzial zu. Ein naheliegender Ausweg wäre ein variables Verdichtungsverhältnis, um bei Teillast ein höheres Verdichtungsverhältnis darstellen zu können. Die potenziellen Vorteile haben seit jeher zu Vorschlägen für Konzepte und konstruktive Ausführungen in einer systematischen Vielfalt entsprechend Abb. 19.35 geführt. Ein aktuelles Konzept zeigt Abb. 19.36 (Kemper et al. 2003).

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.34 Schnitt durch die Scuderi Engine (Scuderi Engine 2011)

Abb. 19.35 Systematik zur Darstellung einer variablen Verdichtung

Aus der Vielzahl an Lösungsvorschlägen konnte bisher noch keiner bis zum Großserieneinsatz qualifiziert werden, was an den Schwierigkeiten und dem beträchtlichen Aufwand bei der Umsetzung liegt. Das bemerkenswerte Potenzial lässt diesen Ansatz weiterhin als interessantes und verfolgenswertes Konzept erscheinen. Der auch wegen der Stoffwerte (Isentropenexponent) thermodynamisch günstige Magerbetrieb ist nicht nur durch die Zündgrenzen eingeschränkt, er erfährt seine Grenzen durch den erreichbaren Mitteldruck, steigenden Aufwand für Abgasnachbehandlung (Ottomotor) sowie Leistungsdichte und benötigte emissionsreduzierende Wirkung durch

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.36 Konzept mit exzentrisch gelagerter Kurbelwelle (FEV) (Kemper et al. 2003)

Abgasrückführung (Dieselmotor). Was mit konsequentem Magerbetrieb bei Ottomotoren möglich ist, wird eindrucksvoll bei Stationär-Gasmotoren mit effektiven Wirkungsgraden über 48 % demonstriert. Auch bei Pkw-Ottomotoren konnten im Magerbetrieb hervorragende und über vergleichbaren Dieselmotoren liegende Wirkungsgrade im stationären Teillastbetrieb gezeigt werden. Hier wird bei Pkw-Antrieben mit Ottomotoren die Magertechnik dann vermehrt Anwendung finden, wenn es gelingt, eine hocheffiziente Abgasnachbehandlung kostengünstiger darzustellen. Ein neben der NOx -Emission wesentliches und neues Kriterium wird dabei auch die limitierte Partikelanzahl sein. Der aus thermodynamischer Sicht wünschenswerte Ablauf der Verbrennung mit Annäherung an den Gleichraumprozess erfährt seine Begrenzung nicht nur durch die zulässige Zylinderdruckbelastung, sondern auch wegen der damit im Allgemeinen steigenden Geräusch- und NOx -Emission. Diese Einschränkungen führen insbesondere bei Dieselmotoren dazu, dass sowohl bei Volllast als auch Teillast die Verbrennungsdauer und -lage deutlich vom Wirkungsgradoptimum abweichen (Eichlseder und Schaffer 2009). Eine erweiterte Leistungsfähigkeit zuküntiger Einspritzsysteme hinsichtlich Einspritzdruck und Variabilität sowie effiziente und kostenverträgliche (NOx -)Abgasnachbehandlung sind Schlüsselkomponenten, um zuküntig weiter verschärte Emissionsgrenzen sogar mit Wirkungsgradverbesserungen zu erfüllen. Um das Wirkungsgradpotenzial einer verkürzten Brenndauer und einiger weiterer wesentlicher Parameter bewerten zu können, wird – zunächst ohne Berücksichtigung der

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Zukunft des Verbrennungsmotors

1063 Verdichtungsverhältnis Wandwärme Brenndauer

4

GDI 2.Gen 2000min-1 pi=3bar ε=11.3 λ=2.41

Wirkungsgradänderung [%]

3 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -20%

-15%

-10%

-5%

0%

5%

10%

15%

20%

Parameteränderung

Abb. 19.37 Wirkungsgradeinfluss wesentlicher Verbrennungsparameter

Realisierbarkeit – deren Einfluss auf den Wirkungsgrad am Beispiel eines bereits sehr effizienten Pkw-Ottomotors mit Schichtladung in Abb. 19.37 dargestellt. Bereits aus dieser Betrachtung ist das angesichts der begrenzenden Faktoren limitierte Potenzial alleine durch die Verbrennungsführung ersichtlich. Es fehlte und fehlt jedoch nicht an Versuchen, durch veränderte Kinematik den Zusammenhang zwischen Kurbelwinkel und Kolbenweg in Richtung Gleichraumverbrennung zu beeinflussen (Abb. 19.38). Da dem minimalen thermodynamischen Potenzial deutlich höhere mechanische Verluste gegenüber stehen und überdies mit einer beträchtlichen Aufwands- und Komplexitätserhöhung einher gehen, ist eine Verbreitung derartiger konstruktiver Lösungen nicht zu erwarten. Anders ist schon die Schränkung des Kurbeltriebes zu bewerten, der mancherorts auch in diesem Zusammenhang beträchtliches Potenzial zugemessen wird. Untersuchungen an einem Pkw-Dieselmotor zeigen allerdings, dass die aus der veränderten Kinematik resultierenden thermodynamischen Einflüsse zumindest beim Dieselmotor sehr gering sind, die Vorteile eher durch veränderte Reibungsverhältnisse zustande kommen können (Schaffer et al. 2007). Abbildung 19.39 zeigt für einen Teillastpunkt und den Nennleistungspunkt eines 2,0 dm3 Pkw-Dieselmotors die vernachlässigbaren Auswirkungen einer geringen und einer ausgeprägten Schränkung, welche durch Simulation ermittelt und auch durch experimentelle Untersuchungen bestätigt wurden.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.38 Knickpleuelmotor (Blumenberg et al. 1988)

Ein wesentlicher und darüber hinausgehender Vorteil einer Schränkung oder Desaxierung kann allerdings im NVH Verhalten realisiert werden Eine grundsätzliche Alternative zur konventionellen ottomotorischen und dieselmotorischen Verbrennung sind die heute unter dem Sammelbegriff der homogenen Selbstzündung (HCCI Homogeneous Charge Compression Ignition) oder vielleicht besser „Kontrollierten Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung eingeordneten alternativen Brennverfahren. Die grundlegenden Überlegungen sind nicht neu, wie der Lohmann Selbstzündmotor aus dem Jahr 1950, Abb. 19.40, sowie ausgeführte Motoren für Modellflugzeuge (Hubraum 0,5 bis 10 cm3 ) zeigen. Bei dem Lohmann-Selbstzündmotor von 1950 war darüber hinaus ein verstellbares Verdichtungsverhältnis mittels verschiebbarer Zylinderlaufbuchse realisiert. Nach diesem Hilfsantrieb für Fahrräder wurde nach längerer Unterbrechung die homogene Selbstzündung bei Zweitaktmotoren 1995 von Honda wieder aufgegriffen und unter dem Begriff „Active Radical Combustion“ erfolgreich im Motorsport (Rally Paris-Dakar) eingesetzt. Heute ist das hema „Kontrollierte Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung (HCCI, Active Radical Combustion ARC, Controlled Auto Ignition CAI, Diesotto) sowohl auf der Basis von Benzin- als auch Dieselmotoren ein interessantes Forschungsthema, dessen Aussichten für eine Serienumsetzung von einigen Herstellern als sehr wahrscheinlich bewertet wurden (Pritze et al. 2010; Grebe 2009). Die Vorteile dieser Konzepte liegen aber weniger in einem höheren Wirkungsgrad, denn die mit der kürzeren Brenndauer verbundene Annäherung an die Gleichraumverbrennung ist mit einigen anderen wirkungsgradmindernden Nachteilen kombiniert. Die Vorteile lie-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.39 Auswirkungen der Schränkung auf die thermodynamischen Verluste (Schaffer et al. 2007) Abb. 19.40 Lohmann Selbstzündmotor 18 cm3 mit verstellbarem Verdichtungsverhältnis

gen vor allem in der mit den extrem niedrigen Stickoxid-Rohemissionen verbundenen Möglichkeit, hohe Wirkungsgrade ohne Stickoxid-Abgasnachbehandlung zu realisieren. Aus diesem Grund ist dieses Konzept für den Teillastbereich von Benzin(Otto)- und Dieselmotoren auch zuküntig von Interesse. Die noch zu überwindenden Hindernisse stellen der prinzipbedingt eingeschränkte Lastbereich, der beträchtliche Bauaufwand und die Regelung im Instationärbetrieb dar. Von deren Lösung und der wirtschatlichen Darstellbarkeit wird es abhängen, ob die Konzepte in eine Serienfertigung übergeführt werden können.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.41 Elemente eines HCCI Konzeptes (GM) (Grebe 2009)

Die essenzielle Bedeutung des Wärmeüberganges auf den Hochdruckprozess ist bereits aus den vorangegangenen Kapiteln bekannt. Einige Versuche, den Wärmeübergang über hohe Wandtemperaturen nahezu zu unterdrücken („wärmedichter Motor“), waren nicht von Erfolg gekrönt und wurden aus mehreren Gründen als nicht aussichtsreicher Weg bewertet (Woschni et al. 1986). Der Ansatz, den Wärmeübergang bei gleicher Oberflächentemperatur durch Verringerung der Oberfläche zu vermindern, besteht in der Ausführung eines Gegenkolbenmotors, bei dem die wärmeübertragende Zylinderkopffläche „entfällt“. Die Grundidee, die bereits in Diesel-Flugmotoren im II. Weltkrieg (Gersdorff et al. 1995), erfolgreich realisiert wurde, wird heute wieder an einigen Stellen in USA aufgegriffen, www.ecomotors.com (siehe Abb. 19.42) und www.achatespower.com. Auch hier wird erst zuküntig die Frage beantwortet werden können, ob die potenziellen thermodynamischen Vorteile die Herausforderungen und Nachteile der Brennraumgestaltung, des Ladungswechsels, der mechanischen Aufwände etc. rechtfertigen. Der Ladungswechsel ist nicht nur für das Volllastverhalten maßgeblich, sondern hat vor allem beim Ottomotor für den Wirkungsgrad im Teillastbetrieb entscheidende Bedeutung. Darüber hinaus wird durch die Ladungsbewegung der gesamte Verbrennungsablauf beeinflusst, was bereits in den Kap. 11 (Simulation von Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung) und Kap. 5 (Aufladung) zum Ausdruck gekommen ist. Da die Anforderungen und Rahmenbedingungen betriebspunktabhängig variieren, ist beinahe seit Beginn der Verbrennungsmotorentwicklung die variable Gestaltung des Ladungswechsels ein Wunsch der Entwickler. Die erste Großserienumsetzung einer Variabilität im Ladungswechsel mit Beeinflussung der Verbrennung erfolgte 1983 bei Motorradmotoren, die wegen der großen Drehzahlspreizung und der hohen spezifischen Leistung mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind.

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.42 Gegenkolbenmotor 2-Takt, www.ecomotors. com

Abb. 19.43 Variable Ventilbetätigung für 2/4 Ventilbetrieb aus 1983 (Honda 2011)

Abbildung 19.43 zeigt die damals gewählte Ausführung, die in Abhängigkeit von der Motordrehzahl wechselnde zwei- und vierventilige Betriebsweise ermöglicht. Dass Motorradmotoren hier von Variabilitäten besonderen Nutzen hinsichtlich Volllast ziehen können, zeigt eine in Abb. 19.44 dargestellte weitere Anwendungen für einen SerienSaugmotor mit einer spezifischen Leistung von 142 kW/dm3 Variabilitäten werden aber auch in Sauganlagen von Pkw-Ottomotoren (vollvariable Ausführung siehe Beispiel Abb. 19.45) sowohl zur Füllungserhöhung als auch Beeinflussung der Ladungsbewegung häufig eingesetzt, bei Dieselmotoren zur Steuerung des Dralles.

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G.P. Merker und R. Teichmann

Abb. 19.44 Variabilitäten im Abgassystem (BMW) (Landerl et al. 2009)

Abb. 19.45 Sauganlage eines 8-Zylindermotors mit stufenlos verstellbaren Schwingrohrlängen (BMW) (Hirschfelder et al. 2001)

Die ebenfalls der Füllungserhöhung dienende stufenlose Phasenverstellung der Nockenwellen, die zudem eine Steuerung der Restgasmenge ermöglicht, ist bei Ottomotoren heute weit verbreitet. Derzeit noch weniger verbreitet ist eine vollvariable Ventilsteuerung, die durch Änderung der Ventilöffnungsdauer zusätzlich zu den vorher genannten Vorteilen eine signifikante Verringerung der Ladungswechselarbeit bis hin zur drosselfreien Laststeuerung und damit eine wesentliche Steigerung des Teillastwirkungsgrades bei Ottomotoren ermöglicht. Von der Vielzahl der Lösungsansätze haben sich zunächst nur die mechanisch vollvariable „Valvetronic“ von BMW (Abb. 19.46 und 19.47) (Klüting und Landerl 2004), die mittlerweile seit mehr als 10 Jahren in einer breiten Palette von Motoren produziert wird, und in weiterer Folge Systeme von zwei japanischen Herstellern (Harada et al. 2008; Ando und Chujo 2010), in Großserie durchgesetzt. Die Valvetronic wird heute in weiter-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.46 Valvetronic der BMW-6-Zylindermotoren (Klüting und Landerl 2004)

entwickelter Form mit ungleichen Ventilhubverläufen („Phasing“) und Teilabdeckung der Ventilsitze („Masking“) und in Kombination mit Direkteinspritzung und Turboaufladung (Klauer et al. 2009; Kiesgen et al. 2010), in hohen Stückzahlen produziert, was nicht nur aus technischer Sicht und bezüglich der Funktionswerte bemerkenswert ist, sondern für wirtschatliche Umsetzbarkeit spricht. Seit kurzem wird auch eine elektrohydraulische Lösung „Multi Air“ von FIAT in Großserie produziert, Abb. 19.48. Weiter verbreitet und deutlich weniger komplex sind konstruktive Ausführungen mit zwei oder drei diskreten Ventilhubverläufen (Knirsch et al. 2007), die ein Funktionsprinzip entsprechend Abb. 19.47 verfolgen, welche aber nur einen Teil des Potenziales erschließen können. Mit einer ähnlichen konstruktiven Lösung ist auch der erste Pkw Dieselmotor mit variablem Ventiltrieb ausgeführt (Abb. 19.49). Während bei Dieselmotoren ein für Ottomotoren wesentlicher, wenn nicht ausschlaggebender Grund für die Ventiltriebsvariabilität, die Entdrosselung für einen variablen Ventiltrieb nicht relevant sind, können andere Gründe wie Steuerung der Ladungsbewegung und Beeinflussung des Ladungszustandes durchaus zu Funktionsvorteilen führen (Schaffer et al. 2010; Tomoda et al. 2009), die zuküntig vermehrt auch bei Dieselmotoren den Aufwand für Variabilitäten rechtfertigen. Die größten Funktionsfortschritte in Bezug auf spezifische Leistung sowie stationäres und instationäres Volllastverhalten sind zuküntig von der Weiterentwicklung der Aufladung zu erwarten. Von den ersten Grundgedanken bis zu heutigen Aufladesystemen, die

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Abb. 19.47 Funktionsprinzip der „drosselfreien Laststeuerung“ durch frühes Einlassschließen mit dem mechanisch vollvariablen Ventiltrieb (Valvetronic) (Klüting und Landerl 2004) Abb. 19.48 FIAT Multi Air (Mastrangelo 2011)

bei Fahrzeugantrieben – neben dem Maximalwert von Mitteldruck und Leistung – vor allem einen günstigen Drehmomentverlauf zum Ziel haben (Abb. 19.51), konnten bereits mit einfacher Aufladung, weiterführend mit kombinierter mechanischer und Abgasturboaufladung und mehrstufiger Aufladung in unterschiedlichen Ausführungen sehr große Fort-

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.49 Variabler Ventiltrieb (Mitsubishi) (Murata et al. 2003)

schritte erzielt werden. Über die Steigerung der spezifischen Leistungen und ein „Downsizing“ der Motoren können auch wesentlichen Wirkungsgradsteigerungen erzielt werden. Trotz dieser bereits erzielten gewaltigen Verbesserungen ist eine thermodynamische Grenze auf dem Gebiet der Aufladung noch nicht absehbar, vielmehr ist es eine Frage des Aufwandes und der mechanischen und thermischen Beherrschbarkeit. Ein Beispiel für das thermodynamische Grenzpotenzial kann in den früher (und auch zuküntig wieder) in der Formel 1 eingesetzten Turbomotoren gesehen werden, die mit Ladedrücken über 5 bar spezifische Leistungen von über 700 kW/dm3 – allerdings mit einer auf einzelne Runden beschränkten Haltbarkeit – erzielen konnten, Abb. 19.50. Vor allem in Kombination mit Direkteinspritzung können mit Turboaufladung auch bei Serien-Ottomotoren weitere Potenziale erschlossen werden: Ein sprunghater Fortschritt der Aufladung bei Ottomotoren ist vorhersehbar, wenn die Entwicklung einer kostengünstigen variablen Turbinengeometrie für die Großserie gelingt und diese nicht auf exklusive Anwendungen beschränkt bleibt. Bei Dieselmotoren ermöglichen bereits heute komplexe und mehrstufige Aufladesysteme bemerkenswerte Funktionseigenschaten in Pkw und Lkw. Besonders aufwendige Systeme werden bei Schiffsantrieben und Spezialanwendungen eingesetzt und zeigen beträchtliches weiteres Potenzial auf (vgl. Kap. 4). Es ist davon auszugehen, dass die heute erst in einigen Anwendungen genutzten Potenziale der Aufladung deutlich weiter ausgeschöpt und in großer Breite bei zuküntigen Otto- und Dieselmotoren eingesetzt werden. Die mechanischen Verluste spielen in erster Linie für den Wirkungsgrad, naturgemäß in besonderem Maße im Teillastbetrieb, eine wesentliche Rolle. Ein erheblicher Teil der mechanischen Verluste wird vom Kurbeltrieb verursacht.

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Abb. 19.50 1,5-Liter-Vierzylinder-Reihenmotor BMW Formel 1 (1983) mit 700 kW/dm3 (Lange 1999)

Abb. 19.51 Turbolader mit variabler Turbinengeometrie für Ottomotoren (Kerkau et al. 2006)

Die Ansätze, um mit dem Hubkolben-Verbrennungsmotor die (scheinbaren) Nachteile des Schubkurbeltriebes zu vermeiden, haben die Kreativität von Erfindern seit Beginn der Motorentwicklung angeregt und sind ebenso zahlreich wie vielfältig. Neben Freikolbenmotoren und anderen Triebwerken, bei denen die Arbeit elektrisch oder hydraulisch ausgekoppelt werden kann (Abb. 19.52 und 19.53), wurde eine Unzahl von Gegenkolben-, Axialkolben-, Ringkolbentriebwerken entwickelt und teilweise in Serie gebracht.

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.52 Freikolbenmotor nach Stelzer, http://erfinder-entdecker.de/fsabb2.htm (2010)

Abb. 19.53 Schema Verbrennungsmotor mit hydrostatischem Triebwerk, Bauart Battelle (Zima 2005)

Von diesen Konzepten konnte sich jedoch keines durchsetzen, und es ist auch nicht absehbar, dass dies zuküntig stattfindet. Der einfache Schubkurbeltrieb bzw. die Kreuzkopfbauart für Großmotoren sind in der Summe ihrer Eigenschaten ausgereit. Allenfalls werden die Möglichkeiten der Schränkung und Desaxierung sowie eine Wälzlagerung des Kurbeltriebes küntig verstärkt genutzt (Schaffer et al. 2007). Jedenfalls ist die Minderung der Grundmotorreibung seit Beginn der Motorentwicklung ein kontinuierliches Entwicklungsziel und wird es auch bleiben. Zur mechanischen Verlustleistung zählen neben den „echten“ Reibungsverlusten des Grundmotors auch der Aufwand zum Antrieb der Nebenaggregate des Motors wie bei-

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Abb. 19.54 Pkw-Ottomotor, Analyse über der Last bei 3000 min−1 (Pischinger et al. 2002)

spielsweise Öl- und Wasserpumpe, Einspritzanlage, Generator etc. sowie des Fahrzeuges wie Lenkhilfe, Klimaanlage u. a. Der Energiebedarf hängt aber in vielen Betriebszuständen nicht nur von der Drehzahl ab, weshalb die Nebenaggregate zunehmend mit Variabilitäten zur bedarfsgerechten Regelung versehen werden. Mengengeregelte Öl- und Kratstoffpumpen, schaltbare Wasserpumpen und geregelte elektrische Aggregate sind nur einige Beispiele, die zuküntig vermehrt Anwendung finden werden. Eine weiter steigende Bedeutung kommt der Reibung bei niedrigen Motorlasten sowie beim Motorwarmlauf zu. Dem Motorwarmlauf, für den bei Pkw-Antrieben umfangreiche Optimierung durch konstruktive Maßnahmen und Wärmemanagement realisiert werden konnte, wird zuküntig auch bei anderen Anwendungen noch mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden: Da der Warmlauf das Emissionsverhalten wesentlich beeinflusst, wird er auch bei Nicht-Pkw Anwendungen verstärkt Eingang in die Abgasvorschriten finden, um den realen Betrieb besser zu erfassen. Die Reibungsverluste sind neben anderen Gründen auch eine wesentliche Ursache für die Lastabhängigkeit des Wirkungsgrades, siehe Abb. 19.54. Bei Ottomotoren führt die verlustbehatete Lastregelung durch Drosselung im Teillastbetrieb zu einem weiteren Abfall des Wirkungsgrades, sodass Überlegungen zur Anpassung des Hubraumes an den Leistungsbedarf und damit einer Verschiebung zu höheren spezifischen Lasten naheliegend und keinesfalls neu sind. Abbildung 19.55 zeigt einen frühen Ansatz zur bedarfsgerechten Hubraumvariation, mittlerweile wird diese durch automatische Abschaltung einzelner Zylinder mittels Deaktivierung der Ladungswechselventile und der Benzineinspritzung erreicht. Zylinderabschaltung wird heute bei Motoren ab einer Zylinderzahl von vier eingesetzt. Abbildung 19.56 zeigt einen V8 Motor von General Motors, der mittels hydraulisch-mechanischer Schaltelemente im Stoßstangen-Ventiltrieb jeweils zwei Zylinder der rechten und der linken Bank deaktiviert, was bei der Ausführung mit zentraler Nockenwelle vergleichsweise einfach möglich ist.

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Zukunft des Verbrennungsmotors

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Abb. 19.55 Motor mit verstellbarem Hub zur Leistungsregelung (Conrad 1905) Abb. 19.56 Zylinderabschaltung und Ölkreislauf eines V8-Pkw-Motor (GM V8) (Albertson et al. 2005)

Sowohl die motorgrößenabhängigen Reibungsverluste als auch schnelleres Aufwärmverhalten, geringeres Fahrzeuggewicht sowie bei Ottomotoren die verminderten Ladungswechselverluste sind wesentliche Argumente für eine Verkleinerung der Motoren bzw. deren Hubraumes. Unter dem Begriff „Downsizing“ werden allgemein Konzepte verstanden, bei denen durch Verkleinerung des Motors in Verbindung mit Maßnahmen zur Erhöhung der spezifischen Leistung näherungsweise gleiches Volllastverhalten mit gerin-

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Water Cooled Condenser

Regenerator Vapor Generator

To Radiator Compound Radiator

174 °F From 17 PSIA Radiator

300 °F 18 PSIA Feedpump Gearbox

Turbine 600 °F 820 PSIA

220 °F

Turbo Charged Diesel Engine

318 NET Horsepower

Abb. 19.57 Rankine Cycle zur Abwärmenutzung (Doyle et al. 1979)

gerem Hubvolumen erzielt wird. Durch die Möglichkeiten innovativer Aufladekonzepte kann und wird dieses Downsizing eine sehr effektive und ökonomisch effiziente Möglichkeit zur Verbrauchsminderung bilden. Die erzielbare Wirkungsgradsteigerung ist besonders ausgeprägt, wenn die Hubraumverkleinerung mit einer verminderten Zylinderzahl einhergehen kann. Ein Beispiel für die konsequente Umsetzung ist ein zweistufig aufgeladener Vierzylinder-Dieselmotor zum Antrieb für ein Fahrzeug der Oberklasse, das bisher nur von Sechs-, Acht- und Zwölfzylindermotoren angetrieben wurde. Diese bis vor kurzem undenkbare Kombination führt zu Verbrauchswerten von unter 6 l/100 km bzw. 150 g/km im Europäischen Testzyklus (www.mercedes-benz.de), ein für ein OberklasseFahrzeug überzeugender Wert. Eine besonders interessante Möglichkeit zur Erschließung weiterer und bisher nur in Sonderfällen genutzter Potenziale stellt die Abwärmenutzung dar. Da ein großer Teil der über den Kratstoff eingebrachten Energie bei Wärmekratmaschinen prinzipbedingt in Abwärme in Abgas und Kühlmittel umgewandelt wird, ist die Nutzung dieser Energie naheliegend. So fehlte es auch in der Vergangenheit nicht an Vorschlägen zu deren Nutzung (Abb. 19.57), eine Umsetzung erfolgte aber nur in Verbindung mit großen Schiffsantrieben und Stationäranlagen. Bei mobilen Anwendungen in Pkw und Lkw konnte – abgesehen von der durchaus energieintensiven Nutzung für die Kabinenheizung – noch keine Serienlösung etabliert werden. In Anbetracht des Potenzials, das als Einzelmaßnahme herausragend ist, ist zumindest bei Fernverkehrs-Nutzfahrzeugantrieben von einer Serienumsetzung auszugehen. In welcher Form dies erfolgen wird, wird von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängen. Sowohl

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Verbrauch [%]

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88

Abb. 19.58 Potenziale der Abwärmenutzung im Nutzfahrzeug (Gstrein 2008)

die Potenziale als auch der Aufwand steigen vom Peltier-Element zum Rankine-Prozess deutlich an, wie aus Abb. 19.58 hervorgeht.

19.4 Zusammenfassung/Ausblick Der Verbrennungsmotor wird heute in einer Vielfalt an Größen und für verschiedenste Anwendungen eingesetzt, die von handgehaltenen Arbeitsgeräten und Fahrzeugantrieben bis zu Generatoren und großen Schiffen reichen. Er ist nicht nur die am weitesten verbreitete Energiewandlungsmaschine, sondern die effizienteste Wärmekratmaschine überhaupt. Vor dem Hintergrund des außerordentlichen Erfolges und der langen Entwicklungsgeschichte stellt sich naturgemäß die Frage nach weiteren Potenzialen und der Zukunt des Verbrennungsmotors. Beim Otto- und Dieselmotor selbst bestehen noch erhebliche Potenziale zur Verbesserung: Eine umfangreiche und im Grad gesteigerte Nutzung der Aufladung, auch bei Ottomotoren in Verbindung mit Direkteinspritzung, kann zunehmend für Downsizing eingesetzt werden. Zur Verminderung der Reibung, die seit dem Beginn der Motorentwicklung ein wesentliches Ziel darstellt, ist mit der Verfügbarkeit neuer Werkstoffe weiteres Potenzial vorhanden. Durch umfangreiche Variabilitäten beispielsweise am Ventiltrieb, bei Aufladeaggregaten und dem Wärme/Energiemanagement kann, ebenso wie durch bedarfsgeregelte Nebenaggregate, eine wesentlich bessere Anpassung an den Betriebspunkt erfolgen. Mit diesen Maßnahmen, für deren Umsetzung neben den variablen Komponenten selbst leistungsfähige elektronische Regelsysteme – bis hin zur zylinderdruckgeführten Verbrennungsregelung und selbst adaptierenden Algorithmen – Voraussetzung sind, können so-

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wohl die Effizienz als auch das Emissions- und Dynamikverhalten wesentlich verbessert werden. Inwieweit neue Verbrennungskonzepte wie die „Kontrollierte Selbstzündung“ bei homogener Gemischbildung, die bereits ausgezeichnete Funktionseigenschaten im Laborversuch demonstrieren kann, auch in der Großserie umgesetzt werden können, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig absehbar. Dass mit verbrennungsmotorischen Antrieben auch unter Serienbedingungen ein Emissionsniveau erreicht werden kann, welches ohne relevanten Einfluss auf die lokale Lutqualität ist (zero impact), konnte mit Ottomotoren entsprechend der SULEV-Emissionsvorschrit eindrucksvoll unter Beweis gestellt werden. Mittlerweile wird sogar für Dieselmotoren diskutiert und in Projekten untersucht, ob diese SULEV-Grenzwerte, die selbst für Ottomotoren von Experten bis vor wenigen Jahren als nicht machbar eingeschätzt wurden, erreichbar sind. Erste Ergebnisse lassen diese Frage vorsichtig optimistisch beurteilen. Gelingt dies grundsätzlich und ist auch eine wirtschatliche Darstellung möglich, was noch wesentliche Fortschritte in der Brennverfahrensentwicklung und vor allem der Abgasnachbehandlung voraussetzt, wäre das hema Schadstoffemission und deren Einfluss auf die lokale Lutqualität kein grundsätzliches und unlösbares Problem mehr. Zumindest im Nutzfahrzeug deutlich bessere Chancen auf Serienumsetzung haben hermomanagement-Konzepte zur Nutzung der Abwärme. Diese zielen auf die Nutzung der Abgas- und Kühlwasserwärme, die mit ihrem Verlustanteil ein einzigartig hohes Einzelpotenzial bilden, ab und werden bei Großmotoren bereits angewendet. Untersucht werden sowohl Konzepte auf der Basis des Rankine-Prozesses als auch thermoelektrische Prozesse. Mit ersteren lassen sich deutlich höhere Wirkungsgradpotenziale von 5 bis zu annähernd 10 % erschließen, allerdings mit höherem Aufwand als bei thermoelektrischer Nutzung, für die auch noch einige Werkstofffragen zu lösen sind. Eine objektive und physikalisch richtige Beurteilung verschiedener Antriebskonzepte muss die Grundlage für die Gestaltung der zuküntigen individuellen Mobilität sein, um sowohl Ressourcen als auch unsere Umwelt zu schonen. Bei Berücksichtigung des Gesamtsystems „Energiebereitstellung und Fahrzeug“ ist der Verbrennungsmotor einem Elektroantrieb sowohl energetisch aus auch in den klimarelevanten Emissionen überlegen. Darüber hinaus sind auch der individuelle Nutzen, der Komfort und die Kosten beim Verbrennungsmotor vorteilhater. Dies wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten nicht ändern, da eine Umstellung auf vollständig erneuerbare und emissionsfreie Stromerzeugung für den bisherigen Verbrauch und einen zuküntigen Verbrauch für die Elektromobilität nicht so schnell zu bewältigen ist wie gerne von Politik, Medien und Interessenverbänden propagiert. Selbst bei weiter steigender regenerativer Stromerzeugung wird die CO2 -Bilanz beim Strom noch mehrere Jahrzehnte höher sein als die CO2 -Emissionen beim Pkw mit weiter verbesserten Verbrennungsmotoren. Dies muss auch eine intelligente Elektrifizierung des Antriebsstrangs beim Verbrennungsmotor beinhalten, z. B. durch besser an den Verbrennungsmotor angepasste und kostengünstige Hybridtechnik.

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Zur eigentlichen Kernfrage, ob der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell mit einem Verfallsdatum ist oder ob er eine Zukunt hat, müssen folgende Fragen vom Kratfahrzeugnutzer beantwortet werden: • • • •

Sind wir bereit, längere Fahrzeiten in Kauf zu nehmen? Wollen wir auf Komfort und Flexibilität verzichten? Akzeptieren wir deutlich geringere Reichweiten als heute? Wollen wir nicht mehr problemlos zu nahezu jeder Zeit und ohne Einbuße von A nach B fahren können? • Wollen wir für die durch batterieelektrische Fahrzeugantriebe insgesamt sich ergebenden Mobilitätseinschränkungen mehr bezahlen? Wenn diese Fragen klar und eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden, dann kann der Verbrennungsmotor als ein Auslaufmodell mit einem absehbaren Verfallsdatum bezeichnet werden. Lautet die Antwort auf diese Fragen jedoch „Nein“, dann hat der Verbrennungsmotor noch lange eine große Zukunt. Zusätzlich besteht beim Verbrennungsmotor ein erhebliches Potenzial durch den Einsatz von neuen Kratstoffen auf Basis von Biogas und/oder Erdgas aus erneuerbarer Stromerzeugung (wenn Wind als Überschuss vorhanden ist, Speicherung als Methangas). Auch Biokratstoffe aus Reststoffen von Biomasse sowie Erzeugung synthetischer Kratstoffe aus speziellen Pflanzen kommen in Betracht, ohne auf die Nahrungsmittelproduktion einzuwirken. Auch langfristig wird der Verbrennungsmotor deshalb die primäre Antriebsquelle in der individuellen Mobilität bleiben.

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A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Reinhard Tatschl

A1.1 Einführung Wirkungsgrad und Schadstoffemissionen von Verbrennungsmotoren werden in hohem Maße durch die dreidimensionale turbulente Zylinderinnenströmung, die Kratstoffeinspritzung sowie durch den eigentlichen Verbrennungsprozess bestimmt. Aufgrund der starken räumlichen und zeitlichen Variabilität der Temperatur und Ladungszusammensetzung im Brennraum während eines Motorzyklus liefern die klassische Zylinderdruckanalyse und Abgasmessungen nur in begrenztem Umfang Informationen über den Einfluss von Brennraumgeometrie, von Parametern des Einspritzsystems und des Brennverfahrens auf die Motorcharakteristik und das Emissionsverhalten. Vor dem Hintergrund zunehmend strenger werdender gesetzlicher Auflagen und Umweltvorgaben ist ein vertietes Verständnis der Interaktion von Strömung, Kratstoffeinspritzung und Verbrennung von wachsender Bedeutung. Angesichts innovativer Brennverfahren und der zunehmenden Vielfalt alternativer Kratstoffe, gewinnt die computergestützte dreidimensionale Strömungssimulation (hree-dimensional Computational Fluid Dynamics, 3D-CFD) der innermotorischen Ladungsbewegung, Gemischbildung, Verbrennung und Schadstoffentstehung bei der Entwicklung von Verbrennungsmotoren weiter an Bedeutung. Schon seit mittlerweile einigen Jahren ergänzt die 3D-CFD Simulation innermotorischer Prozesse erfolgreich die bewährten Messtechnik-basierten Werkzeuge der Motorenentwicklung, wie beispielsweise die Zylinderdruckanalyse und die optische Gemischbildungs- und Verbrennungsdiagnostik (siehe Abschn. 9.2 bzw. 9.4). Die erzielbare Genauigkeit der Berechnungsergebnisse und damit der mögliche Beitrag, den die 3D-CFD Simulation für die Entwicklung von Brennverfahren liefern kann, hängt in hohem Maße von der Verlässlichkeit der Modelle ab, die für die Abbildung der im Brennraum stattfindenden physikalischen und chemischen Prozesse, wie beispielsweise Düseninnenströmung, Einspritzstrahlausbreitung, Zündung und Verbrennung sowie die Schadstoffentstehung, herangezogen werden. Als Ergebnis intensiver weltweiter Forschungs- und EntwicklungsDr.-techn. Reinhard Tatschl B AVL LIST GmbH, Graz, Österreich e-mail: [email protected] G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

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A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE®

arbeit in den vergangenen Jahrzehnten steht heute zu diesem Zweck eine Vielzahl von Ansätzen zur Verfügung, die sich durch unterschiedliche Modellierungstiefe und Vorhersagegenauigkeit auszeichnen. Einen Überblick über den theoretischen Hintergrund der verschiedenen Modelle und Modellierungsansätze für die 3D-CFD Simulation von Verbrennungsmotoren findet der Leser in den Kap. 14, 15 und 16. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die heute in der ingenieurwissenschatlichen Praxis gebräuchliche 3D-CFD Methodik zur Simulation der Vorgänge in Verbrennungsmotoren. Die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte bei der 3D-CFD Modellierung von Motoren, sowie die Angaben zum Strömungslöser und den einzelnen zur Anwendung gelangenden Teilmodellen, und die in diesem Kapitel gezeigten Berechnungsergebnisse basieren auf dem kommerziellen 3D-CFD Code AVL FIRE®. Zunächst wird in grundlegenden Zügen die allgemeine 3D-CFD Berechnungsmethodik dargelegt, die aus den entsprechenden Pre- und Post-Processing Werkzeugen und dem Strömungslöser besteht. Anschließend werden die Modelle beschrieben, die zur Simulation der Düseninnenströmung, der Kratstoffeinspritzung, der Zündung und Verbrennung sowie der Schadstoffbildung verwendet werden. Zur Veranschaulichung der Anwendbarkeit der Modelle auf unterschiedliche Fragestellungen der Brennverfahrensentwicklung und den damit verbundenen Teilaufgaben werden ausgewählte, repräsentative Berechnungsergebnisse aus den Bereichen Gemischbildung, Verbrennung und Schadstoffentstehung gezeigt. Beispielhat werden Berechnungsergebnisse fallweise auch experimentell gewonnenen Daten gegenübergestellt, um den Genauigkeitsgrad darzustellen, der mit den heute verfügbaren Modellansätzen erzielt werden kann.

A1.2 3D-CFD Simulationsmethodik Der Arbeitsablauf bei der 3D-CFD Simulation der in Verbrennungsmotoren ablaufenden Prozesse lässt sich in drei grundlegende Schritte unterteilen: die Generierung der Gitternetze, die zur Abbildung des Strömungsbereichs über das relevante Kurbelwinkelintervall benötigt werden; die Festlegung der Anfangs- und Randbedingungen sowie der Einstellungen des Strömungslösers und der physikalischen und chemischen Modelle, die bei der Simulation der maßgeblichen Prozesse im Motor verwendet werden; und schließlich die Nachbearbeitung und Interpretation der Simulationsergebnisse. Für die Abbildung der Geometrie der Ladungswechselorgane und des Brennraums inklusive der bewegten Ventile und Kolben in Form von flexibel adaptierbaren Gitternetzen stehen in AVL FIRE® Werkzeuge und Verfahren zur Verfügung, die für alle Arten von fremdgezündeten und kompressionsgezündeten Motoren anwendbar sind. Die Technologie des verwendeten Gleichungslösers ermöglicht die effiziente Berechnung reaktiver, turbulenter Mehrphasenströmungen auf diesen die Kolben- und Ventilbewegung abbildenden Gitternetzen. Geeignete Post-Processing Werkzeuge erlauben das Monitoring des Berechnungsvorgangs sowie die Auswertung und Analyse der Ergebnisse. Die Werkzeuge, die für die Bearbeitung der oben erwähnten Arbeitsschritte verwendet werden, um eine 3D-CFD-Berechnung für Verbrennungsmotoren

A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE®

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auszuführen, sind im vorliegenden Fall über eine vollständig interaktive grafische Benutzeroberfläche zugänglich.

A1.2.1 Pre- und Post-Processing Das Pre-Processing Modul von AVL FIRE® bietet verschiedene Werkzeuge zur Generierung von Berechnungsnetzen, um die komplexen Geometrien von Verbrennungsmotoren mit ihren beweglichen Teilen, wie Kolben sowie Ein- und Auslassventilen, darzustellen. Die flexible, automatisierte Arbeitsumgebung ermöglicht die zuverlässige und präzise Gittergenerierung für die komplexen dreidimensionalen Berechnungsgebiete. Um den Satz an Berechnungsnetzen zu generieren, der für die Erfassung des gesamten Arbeitsspiels notwendig ist, wird ein Ausgangsgitter, das in der Regel für die Kolben- und Ventilstellung am oberen Totpunkt generiert wird, automatisch entsprechend der Kolben- und Ventilbewegung adaptiert, so dass die geometrischen Verhältnisse für das betrachtete Kurbelwinkelintervall abgebildet werden. Um die Erfordernisse hinsichtlich Genauigkeit und damit Verlässlichkeit der Berechnungsergebnisse zu erfüllen, muss die Qualität der Gitternetze bestimmten Anforderungen genügen. Neben einer sinnvollen räumlichen Gesamtauflösung zur Darstellung des Zylinderinnenraums, einschließlich der ausreichend genauen Auflösung der wandnahen Schichten, bedarf es insbesondere einer präzisen Modellierung der Ventil- und Kolbenbewegung für die korrekte Abbildung der Motorkonfiguration in der 3D-CFD Simulation. Dabei können vom Benutzer verschiedene Herangehensweisen gewählt werden, die sich hinsichtlich ihres Automatisierungsgrades und der Beeinflussbarkeit der Charakteristik der Gitternetze durch den Nutzer voneinander unterscheiden. Die Möglichkeit, mit benutzerdefinierten geometrischen Teilbereichen arbeiten zu können, erlaubt die effiziente Gittervernetzung komplexer Geometrien bei gleichzeitiger Beibehaltung einer hohen Gitterqualität, Abb. A.1. Topologie, Zellausrichtung und GitteraufAbb. A.1 Gitternetz einer Ottomotorkonfiguration, bestehend aus Teilnetzen für Einlasskanal, Ventilsitzbereich und Brennraum

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lösung in kritischen Bereichen, wie zum Beispiel kleinen Spalten, lassen sich durch den Anwender mühelos steuern. Mit Hilfe nicht-konformer und/oder konformer Schnittstellen kann die jeweilige Geometrie leicht in verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel Einlasskanal, Ventilsitzbereich und Brennraum, aufgeteilt werden, wodurch die wechselseitige Interaktion verschiedener Teile in Bezug auf Gittertopologie und -verzerrung infolge der Bauteilbewegung vermieden wird. Dadurch wird die Komplexität der Netzgenerierung für das Gesamtberechnungsgebiet auf die Generierung einfacher Teilnetze reduziert, die sich problemlos kombinieren und austauschen lassen, um in einfacher Art und Weise Geometrievariationen oder Änderungen von Ventilhubcharakteristik und Ventilsteuerzeiten vorzunehmen. Für die Gitternetzgenerierung der einzelnen Bauteile stehen wiederum hochspezialisierte Verfahren zur Verfügung. Für den Ventilspaltbereich kann beispielsweise in einfacher Art und Weise ein polar-strukturiertes Gitter generiert werden, das durch optimale Gitterqualität und Gitterbewegungseigenschaten gekennzeichnet ist. Für minimale Durchlaufzeiten bei der Erstellung von Berechnungsnetzen bei maximaler Anwenderfreundlichkeit steht darüber hinaus ein Verfahren zur automatisierten Generierung von einteiligen Gitternetzen für die Gesamtgeometrie zur Verfügung, Abb. A.2. Die automatisch generierten Gitternetze bestehen dabei überwiegend aus Hexaeder-Elementen mit einer kleinen Anzahl von Tetraedern, Prismen und Pyramiden in den Übergangsbereichen von Gebieten mit unterschiedlicher räumlicher Auflösung. Die Wandbereiche bestehen ausschließlich aus Hexaeder-Elementen und Prismen, wobei die Anzahl der wandnahen Schichten bzw. deren Dicke durch den Benutzer vorgegeben werden kann. Intelligente Technologien zur lokalen Gitterverfeinerung und Algorithmen für eine automatische Auflösung geometrischer Details bieten ein Maximum an Flexibilität für alle relevanten Gittergenerierungsaufgaben. Die dynamische Gitteranpassung zur Abbildung von Kolben- und Ventilbewegung basiert auf einer Interpolation zwischen Gittern identischer Topologie und Elementanzahl, die für zwei unterschiedliche Kolben- und Ventilpositionen erstellt werden. Damit können Gitter für praktisch jede Stellung der bewegten Bauteilkomponenten, die zwischen den Positionen der beiden Ausgangsgitter liegen, dargestellt werden. Relevante Extrempositionen der bewegten Bauteile, wie beispielsweise obere und untere Totpunktstellung des Kolbens oder maximaler Ventilhub, werden automatisch detektiert und die jeweiligen Gitter ohne weiteres Zutun des Anwenders generiert. Da die Gitternetze für ein einziges repräsentatives Oberflächenmodell erstellt werden, sind auch vom Benutzer frei definierbare Ventilund Kolbenstellungen als Ausgangspositionen für die Interpolation möglich. Kommt es während der Expansion oder Kontraktion des Gitters infolge der Kolben- und Ventilbewegung zu einer Überschreitung zulässiger Werte für die Gitterqualität, wie beispielsweise für das Seitenverhältnis der Zellen oder des minimal/maximal erlaubten Öffnungswinkels zweier Zellflächen, etc., so werden sogenannte Rezones, d. h. Wechsel der Netztopologie und -auflösung durchgeführt. Damit wird sichergestellt, dass eine optimale Verteilung und Qualität der Zellen über das gesamte betrachtete Kurbelwinkelintervall gewährleistet sind. Das Rezoning-Verfahren kann auf Geometrien beliebiger Komplexität und frei definierbarer Anzahl bewegter Bauteile angewendet werden.

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Abb. A.2 Automatisch generiertes Berechnungsnetz für Brennraum und Ein-/Auslasskanäle eines Ottomotors

Infolge der ot symmetrischen Anordnung von Einspritzdüse und Kolbenmulde, wie es in der Regel bei modernen Dieselmotoren der Fall ist, werden Analyse und Optimierung des Einspritz- und Verbrennungsprozesses üblicherweise mittels Simulation eines Brennraumteilbereichs ausgeführt. Der untersuchte Strömungsbereich ist dann auf den Brennraumabschnitt um einen einzelnen Kratstoffstrahl herum beschränkt. Unter Verwendung geeigneter Anfangs- und Randbedingungen wird dabei das Kurbelwinkelintervall vom Schließen des Einlassventils bis zum Öffnen des Auslassventils simuliert. In diesem Fall kann die Generierung des Gitternetzes auf parametrisierte, zweidimensionale Kurven gestützt werden, welche die Geometrie des Brennraums und optional der Einspritzdüse beschreiben. Anhand dieser Ausgangsdaten wird die Generierung der Gitter, die für den Simulationsintervall zwischen dem Schließen des Einlassventils und dem Öffnen des Auslassventils benötigt werden, automatisch ausgeführt, Abb. A.3. Das Gittergenerierungsverfahren erstellt dabei eine von der Kolbenstellung unabhängige Gitternetztopologie für den Einspritzstrahlbereich mit einer festgelegten Anzahl und Orientierung der Berechnungszellen entsprechend der Lage der Einspritzstrahlachse. Dies stellt später in der Berechnung ein Höchstmaß an erzielbarer Genauigkeit bei der Berechnung der Einspritzstrahlausbreitung und Strahlverbrennung sicher. Die Benutzerschnittstelle von AVL FIRE® ESE Diesel bietet darüber hinaus alle Funktionen zum Einrichten und Ausführen der gesamten Berechnung des Einspritz- und Verbrennungsprozesses von Dieselmotoren sowie zur Durchführung aller relevanten anwendungsspezifischen Aufgaben betreffend dem Post-Processing der Berechnungs ergebnisse.

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Abb. A.3 AVL FIRE® Engine Simulation Environment (ESE) Diesel – Benutzerumgebung für Gitternetzerstellung und Simulation von Dieselmotoren Abb. A.4 Visualisierung von Simulationsergebnissen für den Einspritzstrahl in einem DI-Ottomotor

Die Online-Monitoring und Post-Processing Funktionalitäten von AVL FIRE® bieten zahlreiche Funktionen, die unter anderem eine detaillierte Überwachung des Berechnungslaufes sowie der Ergebnisvisualisierung bereits zur Laufzeit gestatten. Während der Simulation ist damit eine Kontrolle des Konvergenzverhaltens und der Ergebnisent-

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wicklung möglich, indem der Verlauf von Indikatoren der numerischen Lösung sowie ausgewählte Berechnungsergebnisse in übersichtlicher Form zugänglich gemacht werden. Das Post-Processing Modul ermöglicht darüber hinaus die Generierung von zweiund dreidimensionalen Schnitten zur Visualisierung von skalaren und Vektorgrößen als Iso-Linien, Iso-Werte und Iso-Flächen. Darüber hinaus ist die Anzeige von Tropfen, Partikelstromlinien und Partikelspuren möglich, Abb. A.4. Für die Analyse der Ergebnisse bietet das Post-Processing darüber hinaus die Möglichkeit der Weiterverarbeitung dreidimensionaler Ergebnisdaten, Makro- und Formelfähigkeiten sowie den Import ausgewählter Prüfstanddaten. Für die Präsentation der Ergebnisse verfügt das Post-Processing auch über Schattierungs-, Misch- und Texturierungsoptionen und ermöglicht das Variieren der Objektbeleuchtung, das Zuordnen von Farben, das Einfügen von Text und vorgefertigten Textvariablen, die Generierung farbiger Plots in verschiedenen Formaten sowie die Generierung von Animationen der Berechnungsergebnisse.

A1.2.2 Strömungslöser und Lösungsalgorithmus Der Rechenkern des 3D-CFD Codes AVL FIRE® löst die allgemeinen Erhaltungsgleichungen von Masse, Impuls und Energie sowie weitere Transportgleichungen für Turbulenzgrößen, für die Erhaltung chemischer Spezies und – je nach Art der verwendeten physikalischen und chemischen Teilmodelle – zusätzliche skalare Größen, wie zum Beispiel den Reaktionsfortschritt, die Flammoberflächendichte, etc. Das Lösungsverfahren basiert auf einer vollständig konservativen Finite-VolumenMethode. Alle abhängigen Variablen für Impuls, Druck, Dichte, turbulente kinetische Energie, Dissipationsrate und skalare Größen, wie zum Beispiel chemische Spezies, werden an den Mittelpunkten der Rechenzellen berechnet (Demirdzic et al. 1993). Aufgrund der Verwendung unstrukturierter Gitter kommt der numerischen Genauigkeit des verwendeten Algorithmus besondere Aufmerksamkeit zu. Für die integrale Approximation wird die Mittelpunktregel zweiter Ordnung, für alle Werte an der Zellfläche eine lineare Approximation zweiter Ordnung verwendet. Für die Diskretisierung des Konvektionsterms stehen zahlreiche Verfahren zweiter und höherer Ordnung zur Verfügung. Um im Hinblick auf Struktur und Topologie der verwendeten Gitternetze ein Maximum an Flexibilität zu gewährleisten, kann jede Rechenzelle aus einer beliebigen Anzahl von Zellflächen zusammengesetzt sein. Zur Behandlung dieser polyhedralen Berechnungsvolumina stehen entsprechende Konnektivitäts- und Interpolationsverfahren für Gradienten und Zellflächenwerte zur Verfügung. Die zeitliche Änderungsrate wird unter Verwendung eines impliziten Euler-Ansatzes höherer Ordnung diskretisiert. Das Lösungsverfahren selbst ist iterativ und basiert auf der Semi-Implicit Method for Pressure-Linked Equations (SIMPLE), das auf turbulente Strömungen bei beliebigen Geschwindigkeiten bis hin zu Überschallströmungen anwendbar ist, Abb. A.5. Zum Lösen der großen linearen Gleichungssysteme, die sich aus der Diskretisierung der zugrunde liegenden Gleichungen ergeben, kommen effiziente Konjugierte-GradientenVerfahren mit Präkonditionierung zur Anwendung. Das symmetrische Gradienten-

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Abb. A.5 Strömungsgeschwindigkeiten und Turbulenzverteilung während des Ansaugtaktes in einem DI-Dieselmotor

Verfahren dient dem Lösen von Gleichungen mit symmetrischer Matrix, das bi-konjugierte Verfahren wird für Gleichungen mit asymmetrischer Matrix verwendet. Beide Verfahren werden entweder mit der Unvollständigen Cholesky-Zerlegung oder der Präkonditionierungstechnik nach Jacobi angewendet. Als ein überaus effizientes Verfahren zum Lösen großer dünnbesetzter linearer Systeme bietet AVL FIRE® auch das Algebraische MultigridVerfahren (AMG) an. Für die Durchführung der Berechnung stehen verschiedene Arten von Anfangs- und Randbedingungen zur Verfügung, die entsprechend der Zielsetzung des jeweiligen Strömungsproblems ausgewählt werden können. Der Gleichungslöser ist speziell abgestimmt auf verbrennungsmotorische Anwendungen und ist in der Lage, Rechenmodelle komplexester Geometrie mit bewegten Grenzen zu bearbeiten. Entsprechend den Erfordernissen unterschiedlicher Anwendungen können transiente Simulationen auf Kurbelwinkeloder Zeitschrittbasis durchgeführt werden. Für die Ausführung auf einer MehrprozessorHardware wird die Methode der Parallelisierung durch Gebietszerlegung verwendet, welche eine zeiteffiziente Lösung von Problemstellungen, die eine große Anzahl von Rechenzellen umfassen, ermöglicht.

A1.3 Turbulente Strömung und Wärmeübergang Bei der überwiegenden Anzahl von Strömungsvorgängen im Bereich der Verbrennungsmotoren handelt es sich um turbulente Strömungen. Für eine genaue Berechnung der realen Strömungsverhältnisse ist es daher notwendig, das Phänomen der Turbulenz

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möglichst zutreffend modellieren zu können. Das ist deshalb wichtig, weil turbulente Verwirbelungen nicht nur die Details der Fluidströmung selbst bestimmen, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die während der Gemischbildung und der Verbrennung stattfindenden Mischungs- und Reaktionsprozesse ausüben. So ist zum Beispiel in Verbrennungsmotoren die turbulente kinetische Energie ein entscheidender Einflussfaktor für die Ausbreitung und Verdampfung der Tröpfchen eines eingespritzten Flüssigkratstoffs und die anschließende Verbrennung des Kratstoff-Lut Gemisches. Neben den üblichen bekannten Turbulenzmodellen, wie zum Beispiel k-ε, Spalart-Allmaras, Reynolds Stress etc., bietet AVL FIRE® auch das k-ζ-f Turbulenzmodell an, das speziell für die Strömungs-, Wärmeübertragungs- und Verbrennungsprozesse in Verbrennungsmotoren entwickelt und validiert wurde (Basara 2006). Im Zusammenhang mit der Strömungsmechanik von Verbrennungsmotoren liefert das k-ζ-f-Modell genauere Ergebnisse als die einfacheren Modelle vom k-ε Typ und bietet zugleich einen hohen Grad an numerischer Stabilität bei komplexen Strömungen. In Kombination mit einer hybriden Wandbehandlung, wie sie von Popovac und Hanjalic (2005) vorgeschlagen wurde, wobei die Integration bis zur Wand mit gängigen Wandfunktionen kombiniert wird, ist das k-ζ-f Turbulenzmodell universell auf allgemeine Gitternetze und Strömungssituationen mit beliebigen, sinnvollen Werten von y+ in Wandnähe anwendbar. Heute ist der k-ζ-f Ansatz das Standardmodell für die Modellierung von turbulenter Strömung und des turbulenten Wandwärmeübergangs in verbrennungsmotorischen Anwendungen von AVL FIRE®. Von besonderem Vorteil ist dabei die Verlässlichkeit des Modells bei der Berechnung von Problemstellungen mit bewegten Bauteilen und bei hochverdichteten Strömungen, wie man sie in Verbrennungsmotoren findet. In Verbindung mit der hybriden Wandbehandlung garantiert das k-ζ-f Modell die optimale Lösung für alle Gitternetze im Hinblick auf Verlässlichkeit, Rechenzeit und Genauigkeit, Abb. A.6.

Abb. A.6 Berechnete Stromlinien und Turbulenzverteilung während der Einlassströmung in einem Ottomotor unter Verwendung des k-ζf-Turbulenzmodells (Tatschl et al. 2006)

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A1.4 Mehrphasenströmung in der Einspritzdüse Die größte Herausforderung bei der Simulation von Düseninnenströmungen sind die auftretenden Mehrphasenprozesse, die in AVL FIRE® auf der Grundlage eines MultifluidAnsatzes und anhand von Teilmodellen für die Berechnung verschiedener Phänomene, wie zum Beispiel Kavitation, Flash-Boiling, etc., modelliert werden. In diesen Simulationen werden die Eigenschaten des Einspritzsystems durch Offline- oder Direkteinbindung der CFD-Methodik in eindimensionale Hydrauliksimulationen berücksichtigt (Chiavola und Palmieri 2006; Caika et al. 2009). Die Berechnung der Düseninnenströmung in AVL FIRE® stützt sich auf den allgemeinsten Ansatz zur Simulation mehrphasiger Strömungen, das Eulersche Multifluid-Verfahren. Die einzelnen Fluide werden dabei als kontinuierliche Phasen angesehen, wobei auf jedes Fluid die entsprechenden Erhaltungsgesetze angewendet werden. Die mikroskopischen Grenzflächen werden mittels einer Ensemblemittelungstechnik approximiert. Dies führt zu makroskopischen Erhaltungsgleichungen, die ihren einphasigen Gegenstücken analog sind, sich aber dadurch unterscheiden, dass die neue Variable Volumenfraktion sowie weitere Austauschterme zwischen den Phasen eingeführt werden (Drew und Passmann 1998). In seiner gegenwärtigen Umsetzung ist der verwendete Mehrphasen-Ansatz in der Lage, jede beliebige Anzahl von Phasen zu verarbeiten. Aufgrund der zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten des Multifluid-Verfahrens werden die Phasenaustauschterme entsprechend den verschiedenen Arten von Simulationsproblemen, wie zum Beispiel Kavitation, Flash-Boiling, etc., flexibel modelliert. Der Massenaustausch aufgrund von Kavitation wird mittels der Rayleigh-Gleichung approximiert, wobei ein gleichförmiges Druckfeld für alle Phasen und – je nach Art des gewählten Kavitations-Teilmodell – eine monodisperse oder polydisperse Größenverteilung der Kratstoffdampfblasen angenommen wird (Wang et al. 2005). Optional werden die bekannten, um Mehrphasenanteile erweiterten k-ε oder k-ζ-f Turbulenzmodelle verwendet, wobei für jede Phase separate Erhaltungsgleichungen gelöst werden. Mit Hilfe des Multifluid-Ansatzes ist es möglich, Strömungen in Diesel- und Benzineinspritzdüsen numerisch zu simulieren, wobei Kavitationsphänomene sowohl im Düsenloch- als auch im Nadelsitzbereich berücksichtigt werden können. Anhand der Simulationsergebnisse kann festgestellt werden, in welchen Bereichen Kavitation autritt, bzw. kann die Form und Ausdehnung von kavitationsinduzierten kratstoffdampfhaltigen Regionen untersucht werden, Abb. A.7. Darüber hinaus können die Auswirkungen verschiedener Düsengeometrien und Düsenkonfigurationen, wie zum Beispiel des Düsentyps (VCO, SAC, etc.), oder Variationen des Düsenlochdurchmessers, des Durchmesser-Längen Verhältnisses sowie der Einspritzstrategien auf einfache Weise analysiert werden (Chiatti et al. 2007). Die errechneten Ergebnisse geben auch detaillierte Informationen zur Geschwindigkeit, Turbulenzintensität und zur Volumenfraktion des dampfförmigen Kratstoffs am Austritt der Einspritzdüse. Diese Informationen können entweder für eine direkte Beurteilung der Primärzerfallseigenschaten des die Düse verlassenden Kratstoffstrahls (Tatschl

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Abb. A.7 Berechnete Kavitationscharakteristik in einer Dieseleinspritzdüse

et al. 2000a), oder als Eingangsbedingung für eine anschließende Simulation des Kratstoffstrahls im Brennraum von Verbrennungsmotoren für Dieseleinspritzvorgänge (Chiavola und Palmieri 2006), und Benzineinspritzung (Greif et al. 2005), verwendet werden. Darüber hinaus kann die Vorhersage von Kavitationsphänomenen im Kontext der Analyse und Optimierung von Einspritzdüsen und Komponenten von Einspritzanlagen in Bezug auf das Autreten von kavitationsinduzierter Erosion (Greif et al. 2005), und für die numerische Untersuchung der thermischen Bedingungen in Dieseleinspritzdüsen (Leuthel et al. 2008), verwendet werden.

A1.5 Kraftstof-Spray und Wandilm In Verbrennungsmotoren mit direkter oder indirekter Kratstoffeinspritzung hängt die Genauigkeit der Berechnungsergebnisse in Bezug auf die zeitliche und räumliche Verteilung des Kratstoff-Lut Gemisches und damit die Genauigkeit der anschließenden Verbrennungssimulation in hohem Maße von der Vorhersagefähigkeit der eingesetzten Modelle ab, die für die Ausbreitung des Kratstoffstrahls, sowie die Bildung und den Transport des Wandfilms verwendet werden (Bianchi et al. 2006; Bianchi et al. 2007; Musu et al. 2006). AVL FIRE® enthält ein umfassendes Modellpaket für die Berechnung der Flüssigkratstoffeinspritzung, der Kratstoffzerstäubung, des sekundären Aufbrechens der Tröpfchen, der Verdampfung, der Tröpfchen-Wand Interaktion, etc. Der vorliegende Abschnitt gibt eine Übersicht zu den Modellen, die für die Simulation der bei Diesel- und Benzineinspritzstrahlausbreitung stattfindenden Prozesse zur Verfügung stehen.

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Abb. A.8 Tröpfchenverteilung und Dampfkonzentration während der Kratstoffeinspritzung im Brennraum eines DI-Dieselmotors

A1.5.1 Diskrete Tröpfchen-Spray Methode Das Spraymodell, das derzeit vorzugsweise für die Simulation der Einspritzstrahlausbreitung und Gemischbildung in Verbrennungsmotoren genutzt wird, basiert auf der Lagrangschen „Discrete Droplet Method“ (DDM) (Dukowicz 1980). Während die kontinuierliche Gasphase durch die Eulerschen Erhaltungsgleichungen beschrieben wird, wird der Transport der dispersen Phase durch Nachverfolgung der Trajektorien repräsentativer Tröpfchenpakete berechnet. Ein solches Paket besteht dabei aus einer Anzahl von Tröpfchen, welche alle die gleichen physikalischen Eigenschaten besitzen und sich in der gleichen Weise verhalten, wenn sie sich bewegen, aufbrechen, auf eine Wand treffen oder verdampfen. Die Berechnung der Paketbewegung erfolgt mittels eines Teilzyklusverfahrens innerhalb der einzelnen Zeitschritte des Gasphasenlösers unter Berücksichtigung der Kräte, die durch die Gasphase auf die Pakete ausgeübt werden, sowie des damit verbundenen Wärmeund Massenübergangs, Abb. A.8. Die Kopplung zwischen der Flüssig- und der Gasphase erfolgt mittels Quelltermaustausch für Masse, Impuls, Energie und Turbulenzinteraktionsvorgänge. Wenn Tröpfchenpakete in den Strömungsbereich eingebracht werden, so werden als Anfangsbedingung Informationen zur Startposition und -richtung, Größe, Geschwindigkeit und Temperatur benötigt. AVL FIRE® unterstützt die Einbringung von Tröpfchen, welche die Düse in Form eines Sprühstrahls (Spray) verlassen, unter vom Anwender festgelegten Bedingungen oder alternativ unter Bedingungen, die als Ergebnisdaten einer vorausgegangenen Düseninnenströmungssimulation bereitgestellt werden. Der zweite Ansatz ermöglicht es, die Auswirkungen der Düseninnenströmung auf das Primärzerstäubungsverhalten des aus der Einspritzdüse austretenden flüssigen Kratstoffs zu erfassen und damit auf die anschließende Sprayform und die Entwicklung der Tröpfchengrößenverteilung in vollem Umfang zu berücksichtigen (Tatschl et al. 2000b; Chiavola und Palmieri 2006).

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Für die Modellierung der Primärzerstäubung bietet AVL FIRE® zwei grundlegende Optionen innerhalb des DDM. Der erste Ansatz basiert auf der Einbringung einer Reihe großer Tröpfchen von der Größe des Düsenlochdurchmessers, die den kohärenten Flüssigkeitsstrahl repräsentieren, wobei ihr Durchmesser sich anschließend gemäß der aus dem Primärzerfallsmodell errechneten Massenablösungsrate verringert (Fink et al. 2009). Der zweite Ansatz basiert auf der Berechnung der Erosion der aus dem Spritzloch austretenden kohärenten flüssigen Kratstoffsäule auf Basis eines separaten Teilmodells sowie der daran anschließenden Freisetzung von Tröpfchenpaketen stromabwärts der Düse, wobei dabei die freigesetzten Tröpfchen bereits deutlich kleiner als der Düsendurchmesser sind (v. Berg et al. 2005). Beide Modelle nutzen detaillierte Informationen aus vorangegangenen Simulationen der kavitierenden Düseninnenströmung zum Berechnen der Rate des Primärzerfalls und der daraus resultierenden Ligament- oder Tröpfchengröße. Diese Vorgangsweise erlaubt eine direkte Verknüpfung der Einspritzstrahlsimulation mit den Düseninnenströmungsbedingungen, was sich für eine präzise Sprayinitialisierung und die anschließende Simulation der Gemischbildung in Dieselmotoren als entscheidend erwiesen hat (Masuda et al. 2005; Nagaoka et al. 2008). Die Schnittstelle von Düseninnenströmungs- und Einspritzstrahlsimulation erfolgt dabei über den Austausch von geometrischen sowie detaillierten zeitlich aufgelösten Strömungsdaten im Querschnitt des Düsenaustritts. Der Sekundärzerfall der Kratstotröpfchen ist ein an den primären Strahlzerfall anschließender Prozess innerhalb des Sprühkonus, der infolge Interaktion mit der Gasströmung auf die einzelnen Tröpfchen wirkt, bis eine stabile Tröpfchengröße erreicht ist. Die Zerfallsregime, die durch entsprechende Modelle erfasst werden, sind Deformationszerfall, Blasenzerfall, Grenzschichtablösung, Kapillarwellenablösung und Totalzerfall durch Raleigh-Taylor-Instabilität (v. Künsberg Sarre und Tatschl 1998). Das turbulente Dispersionsmodell behandelt die Interaktion der einzelnen Tröpfchen mit den lokalen turbulenten Wirbeln des Strömungsfeldes. Jede Interaktion wirkt auf die Tröpfchen entsprechend der Momentangeschwindigkeit der Wirbel und der Trägheit des Teilchens. Kollisions- und Koaleszenzmodelle beschreiben die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen des Aufeinanderprallens von Tröpfchen anhand einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, welche die Häufigkeit und die Art von Kollisionsereignissen bestimmt. Eine Entwicklung jüngeren Datums berücksichtigt auch Randkollisionen und SplashingEffekte (Stralin 2006). Verzerrungs- und Lutwiderstandsmodelle berücksichtigen schließlich die Verformung der Tröpfchen aufgrund aerodynamischer Bedingungen und den daraus resultierenden Einfluss auf den Lutwiderstandskoeffizienten des Tröpfchens. Für die korrekte Berechnung von Verdampfungsprozessen existieren verschiedene Ansätze zum Modellieren der Tröpfchenerwärmung und des Stoffübergangs von der Flüssigkeit ins Gas, Abb. A.9. In der ursprünglichen Form der Modellansätze werden sphärische Tröpfchen, quasi-stationäre Bedingungen an der Tröpfchenoberfläche, eine homogene Tröpfchentemperatur und Zirkulation im Inneren angenommen. Wärme- und Stoffübertragungskoeffizienten werden entsprechend den physikalischen Gesetzen für jedes Modell

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Abb. A.9 Kratstoffstrahlausbreitung und Verteilung des Kratstoff-Lut Verhältnisses in Wandnähe während des Kaltstarts eines DI-Dieselmotors 20° Kurbelwinkel (links) und 30° Kurbelwinkel (rechts) nach dem oberen Totpunkt

Abb. A.10 Kratstotröpfchenverteilung und Wandfilmbildung in einem DI-Ottomotor

individuell angesetzt. Zusätzlich stehen Korrekturfunktionen zur Verfügung, um die oben genannten Simplifikationen für Wärmeübergang, Tröpfchenverformung oder Zirkulation im Inneren zu kompensieren. Darüber hinaus ist ein Mehrkomponenten-Verdampfungsansatz verfügbar, der die Berechnung des Verdampfungsprozess von Tröpfchen ermöglicht, die aus einer beliebigen Anzahl einzelner Komponenten bestehen (Brenn 2007). In der Praxis hat es sich als zielführend erwiesen, in Verbrennungsmotoren eingesetzte Kratstoffe

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durch etwa vier bis sechs Spezies darzustellen, um ihr durch die Flüchtigkeit der einzelnen Komponenten bestimmtes Verdampfungsverhalten ausreichend genau zu approximieren. Wandinteraktionsmodelle beschreiben das Verhalten eines auf eine Wand autreffenden Kratstotröpfchens in Abhängigkeit von Parametern wie Tröpfchengeschwindigkeit, Durchmesser, physikalische Eigenschaten, Rauigkeit der Wandoberfläche und Temperatur. Bei sehr geringen Aufprallgeschwindigkeiten haten die Tröpfchen an der Wand oder gehen in den Wandfilm über, Abb. A.10. Mit zunehmender Aufprallgeschwindigkeit wird eine Dampf- oder Gasgrenzschicht unter den Tröpfchen gebildet und verursacht ein Abprallen der Flüssigkeit bei Annäherung an eine Wand. Während des Abprallens werden Teile der kinetischen Energie dissipiert, und die Geschwindigkeit des abprallenden Tröpfchens ist gewöhnlich niedriger als seine Annäherungsgeschwindigkeit. Eine weitere Zunahme der Geschwindigkeit hat entweder das Ausbreitungs- oder das Splashing-Regime zur Folge. Tröpfchen-Splashingmodelle sind erst vor kurzem dahingehend erweitert worden, dass die Wandtemperatur zur Bestimmung des anzuwendenden Splashing-Regimes berücksichtigt wird (Birkhold et al. 2007).

A1.5.2 Euler Spray Modell Das oben beschriebene Diskrete-Tröpfchen-Modell eignet sich besonders für verdünnte Sprays, hat aber Limitierungen in Bezug auf die Modellierung dichter Sprays nahe dem Düsenaustritt (wo Gas- und Tröpfchenphase eng miteinander gekoppelt sind) und die statistische Konvergenz im Zusammenhang mit lokaler Gitterverfeinerung. Ein alternativer Ansatz zum DDM basiert auf der Verwendung eines Eulerschen Verfahrens, das verschiedene Größenklassen der Spraytröpfchen als separate, einander durchdringende Phasen betrachtet. Das aktuell verfügbare Modell basiert auf dem Eulerschen Mehrphasen-Ansatz, der durch Ensemblemittelung der maßgebenden Erhaltungsgleichungen abgeleitet ist (Alajbegovic et al. 1999). Für jede Phase werden Impuls- und Energieerhaltungsgleichungen sowie entsprechende Gleichungen für die turbulente kinetische Energie und deren Dissipationsrate berechnet. Innerhalb jeder Rechenzelle sind die Tröpfchenphasen durch eine bestimmte Volumenfraktion und einen bestimmten Durchmesser sowie optional durch die Tröpfchenanzahl beschrieben (v. Berg et al. 2001). Alle Austauschprozesse im Zusammenhang mit der Tröpfchengröße oder der spezifischen Oberfläche der Tröpfchenphasen werden entsprechend modelliert, d. h. die physikalischen Eigenheiten der relevanten Prozesse werden durch grenzflächenbezogene Austauschterme zwischen den Phasen berechnet. Dazu werden spezifische Modelle für die Berechnung von Zerfalls- und Verdampfungsprozessen angewendet. Bei den Zerfallsprozessen wird wieder unterschieden zwischen primärem Strahlzerfall, bei dem das Aufbrechen des zunächst kohärenten Strahlkerns in großskalige Ligamente und weiter in individuelle Tröpfchen betrachtet wird, und dem Sekundärzerfall, bei dem das Aufbrechen großer, instabiler Tröpfchen infolge aerodynamischer Wechselwirkungskräte in kleine, stabile Tröpfchen erfolgt. Des Weiteren beeinflussen Lutwiderstandskräte und turbulente Dispersionskräte die Impulswechselwirkung zwischen der gasförmigen und der flüssigen Tröpfchenphase, welche entsprechend modelliert werden. Schließlich be-

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Abb. A.11 Chimera-Gitter (links) und Berechnungsergebnis der ACCI-gekoppelten Euler/Lagrangschen Berechnung der Einspritzstrahlausbreitung (rechts) (Edelbauer et al. 2006)

schreibt ein Verdampfungsmodell den Stoff- und Wärmeaustausch zwischen Flüssig- und Gasphase (v. Berg et al. 2003; Vujanovic et al. 2008). Der Spritzlochaustritt wird vollständig durch das Eulersche Spraygitter aufgelöst, weshalb es zweckmäßig ist, die Einlassrandbedingungen aus einer separaten Düsenströmungsberechnung abzuleiten, welche die Strömungsfelddaten an der Düsenöffnung bereitstellt. Der entsprechende Datensatz enthält Information zur Geometrie des Düsenauslasses und die Strömungsdaten in ausreichender zeitlicher Abfolge, die das Eulersche Spraymodell als Randbedingung für die Flüssig- sowie im Fall von Kavitation für die Dampfphase verwendet. Die Turbulenzinformation aus der Düseninnenströmungssimulation wird im Primärzerfallsmodell für die Berechnung der Zerfallsrate und des sich einstellenden stabilen Tröpfchendurchmessers herangezogen. Die Verbindung des Eulerschen Spraymodells mit der Berechnung des dispersen Kratstoffstrahls und der Verbrennung im Brennraum wird über ein Chimera-Gitterverfahren realisiert, Abb. A.11, das mit dem AVL Code Coupling Interface (ACCI) arbeitet (Edelbauer et al. 2006; Suzzi et al. 2007).

A1.5.3 Wandilmtransport Das in AVL FIRE® verfügbare Wandfilmmodell ermöglicht die Simulation der Filmbildung, des Filmtransports und seiner Verdampfung, Abb. A.10. Es berücksichtigt die WandfilmInteraktion mit der Gasströmung und dem Flüssigkratstoffstrahl sowie die Auswirkungen der Oberflächenrauigkeit auf den Filmtransport. Der verwendete Modellierungsansatz basiert auf der Annahme, dass die Gas- und die Wandfilmströmung als separate einzelne Phasen betrachtet werden können. Die numerische Realisierung des Wandfilmmodells verwendet ein zweidimensionales Finite-Volume-Verfahren zur Diskretisierung der Wandfilmgleichungen an den Wänden der betrachteten Brennraum- und Kanalgeometrien (Stanton und Rutland 1998).

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Die Kopplung der Gasphase und des flüssigen Wandfilms erfolgt über einen Massenund Impulsaustausch zwischen dem Film und der Gasphase an der Filmoberfläche unter Verwendung semi-empirischer Beziehungen. Dabei wird angenommen, dass die Filmoberfläche parallel zur Wand verläut und dass die Filmdicke im Verhältnis zu den Abmessungen der Gasströmungsregion klein ist. Unter der Annahme eines dünnen Films dominieren Wandreibung und Scherkräte an der Grenzfläche zwischen Film und Gasströmung das Filmverhalten stärker als Trägheitskräte und seitliche Scherung. Die relevanten physikalischen Effekte, die Einfluss auf die Filmbildung und die Filmströmung haben, wie zum Beispiel das Mitreißen des Films (Reißen oder Abscheren an der Oberfläche aufgrund der hohen Scherkräte), die Interaktion mit dem autreffenden Kratstoffstrahl, der Wärmeübertragung zwischen Film, Wand und Gasphase, die Filmverdampfung (einschließlich des Verdampfens von aus mehreren Komponenten bestehenden Kratstofffilmen) sowie Scherkräte zwischen den Phasen und Schwerkrat werden über entsprechende Teilmodelle approximiert (Ishii und Mishima 1989; Birkhold et al. 2006, 2007).

A1.6 Verbrennung Die Modellierung der Verbrennungschemie und der Interaktion von Turbulenz und Chemie während der Oxidation von Kohlenwasserstoffen ist die entscheidende Herausforderung bei der Simulation von turbulenten, reaktiven Strömungsprozessen. Die reaktionskinetischen Vorgänge typischer Kohlenwasserstoff-Kratstoffe beinhalten Hunderte von Zwischenspezies, und ihre Reaktionspfade umfassen gewöhnlich mehrere hundert bis mehrere tausend Reaktionsschritte. Weder sind die Reaktionsdetails und die zugehörigen Ratenkoeffizienten relevanter Kohlenwasserstoff-Kratstoffe ausreichend bekannt, noch wäre es aufgrund des zu bewältigenden Rechenaufwandes möglich, sämtliche Reaktionen in einer 3D-CFD Berechnung zu berücksichtigen. Die enge Koppelung zwischen der Reaktionschemie und den Strömungsfeldgrößen ergibt sich aus der ausgeprägten Nichtlinearität der chemischen Reaktionsraten in Verbindung mit den lokalen stochastischen Fluktuationen der Temperatur- und Konzentrationsfelder. In der Praxis wird üblicherweise ein Mittelungsverfahren verwendet, das die momentanen Strömungsfeldgrößen durch seine mittleren und fluktuierenden Komponenten ersetzt. Mathematisch führt dies zum Autreten von Termen in den Erhaltungsgleichungen, welche statistische Korrelationen von fluktuierenden Komponenten enthalten, die auf der Grundlage bekannter mittlerer Strömungsgrößen ausgedrückt werden müssen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine große Vielfalt von Modellen unterschiedlicher Komplexität entwickelt, um die Selbstzündungs- und Verbrennungschemie von Kohlenwasserstoffen und darauf aufbauend die mittlere Reaktionsrate in den relevanten Erhaltungsgleichungen quantitativ zutreffend zu modellieren. Abhängig vom spezifischen Brennverfahren und damit den zugrunde liegenden Verbrennungsregimes werden spezifische Modelle benötigt, um die bestimmenden physikalischen und chemischen Prozesse in ausreichender Genauigkeit zu erfassen.

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Im Folgenden werden die Modelle, die in AVL FIRE® für die Berechnung von Zündund Verbrennungsprozessen in kompressions- und fremdgezündeten Motorkonfigurationen zur Verfügung stehen, im Überblick kurz vorgestellt.

A1.6.1 Dieselverbrennung Für die Berechnung des Verbrennungsprozesses in Dieselmotoren unterscheidet das heute gebräuchlichste Verbrennungsmodell zwischen den drei Hauptregimen, die während der kompressionsgezündeten Verbrennung eine Rolle spielen: Selbstzündung, Verbrennung mit vorgemischter Flamme und nicht-vorgemischte Diffusionsverbrennung, Abb. A.12. Die Vorreaktionen der Selbstzündung werden innerhalb der vorgemischten Zylinderladung, bestehend aus Kratstoff, Lut und Restgas berechnet, wobei der Zündverzug durch die lokale Temperatur, den Druck, das Kratstoff-Lut Verhältnis und die Menge an Restgas bestimmt wird. Auf die lokale Selbstzündung folgt die vorgemischte Verbrennung des Gemisches aus Kratstoff, Lut und Restgas, das im Zeitraum zwischen Einspritzbeginn und Einsetzen der Selbstzündung gebildet wird. Das dritte Regime ist das der Diffusionsverbrennung, bei der die chemischen Reaktionen in einer dünnen Zone, die Kratstoff und Sauerstoff trennt, ablaufen. In dem aktuellen Modell wird angenommen, dass die chemischen Zeitskalen in der Reaktionszone kleiner sind als die Zeit, die für den Diffusionsprozess benötigt wird. Infolgedessen wird die Reaktionsrate während der Diffusionsverbrennung durch die turbulente Mischung von Kratstoff und Verbrennungslut bestimmt, Abb. A.13. Die Mischungsintensität wird dabei auf Basis einer charakteristischen Zeitskala berechnet (Colin und Benkenida 2004). Dank dieser klaren Trennung der verschiedenen Zünd- und Verbrennungsregime ist das vorliegende Modell besonders für die konventionelle aber auch für die alternative Dieselverbrennung geeignet (Tatschl et al. 2007; Priesching et al. 2007). Im Fall konventioneller Dieselverbrennung kann davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der Verbrennung vom Diffusionstyp ist, Abb. A.14. Im Fall alternativer Verbrennung wird der Kratstoff im vorgemischten Selbstzündungs- und Verbrennungsregime verbraucht, Abb. A.15. AufAbb. A.12 Kratstofftröpfchen, TemperaturIso-Oberfläche und Temperaturverteilung in einer Schnittebene entlang der Einspritzstrahlachse während der DI-Dieselverbrennung

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Abb. A.13 Kratstoffdampfkonzentration (links) und Temperaturverteilung (rechts) in einem DIDieselmotor in einem Schnitt durch den Brennraum 10° Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt

Pressure [bar]

100

100

Pressure Measurement Pressure Calculation Rate of Heat Release Measurement Rate of Heat Release Calculation

80

80 60 60 40 40 20

20 0 640

680

720

760

Rate of Heat Release [J/deg]

120

0 800

Crank Angle [deg]

Abb. A.14 Vergleich des errechneten und gemessenen Zylinderdruckverlaufs und Wärmefreisetzungsrate für konventionelle Dieselverbrennung (Tatschl et al. 2007)

grund seiner generischen Natur kann das Modell für alle Arten von Kratstoffen verwendet werden, die für heutige und zuküntige Verbrennungskonzepte von Verbrennungsmotoren von Bedeutung sind. Für die Vorhersage der Selbstzündung werden vorberechnete Zündverzugsdaten verwendet, die in so genannten Look-Up Tabellen gespeichert sind und die in AVL FIRE® für die heute gebräuchlichen Kratstoffe abgerufen werden können. Die Erstellung dieser Tabellen basiert auf der Grundlage reaktionskinetischer Berechnungen unter Verwendung komplexer Reaktionsmechanismen (Curran et al. 1998). Die tabellierten Werte werden als Funktionen der Parameter Druck, Temperatur, Kratstoff-Lut Verhältnis und Restgasgehalt gespeichert. Die Bandbreite dieser Parameter ist so gewählt, dass die relevanten Bedingungen für Druck, Temperatur und Zusammensetzung des Ladungsgemisches im

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450

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20

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Rate of Heat Release [J/deg]

Pressure [Pa]

80

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0 800

Crank Angle [deg]

 Abb. A.15 Vergleich des errechneten und gemessenen Zylinderdruckverlaufs und Wärmefreisetzungsrate für die HCCI-Dieselverbrennung (Priesching et al. 2007)

Zylinder vor der Verbrennung erfasst werden können. Für die eigentliche Bestimmung des Selbstzündverzuges in der CFD-Simulation wird eine Transportgleichung für eine Indikatorspezies gelöst, wobei deren Bildungsrate aus den tabellierten Werten abgeleitet wird. Sobald der lokale Wert der Indikatorspezies einen bestimmten Schwellwert erreicht, wird die Selbstzündung eingeleitet. Die Kratstoffabbrandrate wird dann durch eine charakteristische chemische Zeitskala gesteuert, die eine schnelle Verbrennung nach der Selbstzündung gewährleistet (Colin et al. 2005). Der Prozess der Kohlenwasserstoffoxidation während der Hochtemperaturverbrennung wird in der Berechnung in drei Hauptreaktionsschritte unterteilt. Kratstoff wird zunächst teilweise zu CO und zu CO2 oxidiert, in der Folge reagiert CO in Verbindung mit weiteren Reaktionen unter der Teilnahme von O, H und OH Radikalen, erfasst über einen chemischen Gleichgewichtsansatz, und führt schließlich zur finalen Spezieszusammensetzung, vornehmlich dominiert von den stabilen Produkten der Verbrennung, CO2 und H2 O. Die oben beschriebenen Verbrennungsreaktionen erfassen den für innermotorische Verbrennungsvorgänge relevanten Bereich der Gemischzusammensetzung von mager bis fett sowie die in der Praxis autretenden Restgasgehalte. Neben der Wärmefreisetzung in der Flamme und den stabilen Endprodukten der Verbrennung, stellt der verwendete Ansatz alle relevanten Informationen über CO und Radikalspezies bereit, die für die anschließende Berechnung der Schadstoffe wichtig sind. Neben der oben beschriebenen Verbrennungsmodellierung bietet AVL FIRE® eine breite Vielfalt weiterer Modelle für spezielle Anwendungen im Bereich der Analyse kompressionsgezündeter Verbrennungsabläufe, wie zum Beispiel ein Modell der turbulenten Verbrennung, das in Kombination mit einem geeigneten Selbstzündungsmodell auf die

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herkömmliche Dieselverbrennung (Tatschl et al. 1998; Dahlen und Larsson 2000; Cipolla et al. 2007) sowie auf HCCI-Verbrennungskonzepte (Priesching et al. 2003), anwendbar ist. Das Modell der charakteristischen Zeitskala kann im Kontext des ursprünglichen Ansatzes nach Kong et al. (1995) oder in Kombination mit detaillierten Mechanismen der chemischen Kinetik, wie für die HCCI-Verbrennung in Priesching et al. (2003) gezeigt, verwendet werden. Zur direkten Berechnung detaillierter Reaktionskinetik gelangt ein Ordinary-Differential-Equations (ODE) Löser zur Anwendung, der direkt in den Basisalgorithmus des Strömungslösers integriert ist, wodurch eine stabile und schnelle Lösung der gekoppelten Gleichungssysteme gewährleistet wird. Zur Erfassung der lokalen reaktionskinetischen Prozesse werden die chemischen Reaktionen in jeder Rechenzelle berechnet, wobei turbulente Mischungsvorgänge über den Ansatz der charakteristischen Zeitskalen berücksichtigt werden. Die detaillierten Mechanismen der chemischen Kinetik können über das übliche CHEMKIN-Datenformat eingelesen werden. Der Anwender kann darüber hinaus über offene Sotware-Schnittstellen in vollem Umfang auf die Berechnung der Quellterme und des Turbulenzinteraktionsmodells zugreifen, um beispielsweise eigene Teilmodelle zu implementieren (Wang et al. 2006).

A1.6.2 Benzinverbrennung Die Charakteristik der vorgemischten Flammausbreitung während der Verbrennung in einem Ottomotor wird überwiegend durch die turbulente Strömung im Zylinder, die lokale Verteilung der Gemischzusammensetzung und die im Zylinder herrschenden Druckund Temperaturbedingungen in der unverbrannten Ladung vor der Flamme geprägt. Die lokale Geschwindigkeit der turbulenten Flammenausbreitung wird bestimmt durch die kratstoffspezifische laminare Flammengeschwindigkeit und durch die lokale Turbulenzintensität des Strömungsfeldes. In Ottomotoren findet die turbulente Verbrennung in der Regel unter vorgemischten Bedingungen statt. Die turbulente ottomotorische Verbrennung wird heute üblicherweise mit einem Modell erfasst, welches die turbulente Reaktionsfront als gefaltete laminare Flammenfront betrachtet. Das Modell basiert auf dem Lösen einer Transportgleichung für die Flammoberflächendichte, wobei Quellterme die Zunahme der Flammenoberfläche aufgrund der Faltung der Flamme durch Turbulenzeffekte sowie die Abnahme der Flammoberfläche aufgrund der chemischen Reaktionen berücksichtigen, Abb. A.16. Die Version des Modells der kohärenten Flamme, das in AVL FIRE® realisiert ist, berücksichtigt in vollem Umfang Inhomogenitäten des Kratstoff-Lut Verhältnisses und des Restgases auf die Flammausbreitungseigenschaten, wodurch auch die Berechnung einer Schichtladungsverbrennung ermöglicht wird (Duclos et al. 2000; Georjon et al. 2003; Patel et al. 2003). Die Informationen zur laminaren Flammgeschwindigkeit, die im Modell der kohärenten Flamme benötigt werden, erhält man entweder aus empirischen Korrelationen, wie zum Beispiel Metghalchi und Keck (1982), oder aus detaillierten reaktionskinetischen Berechnungen und Tabellierung der Daten der laminaren Flammgeschwindigkeit als Funktion von Temperatur, Druck, Lut/Kratstoff Verhältnis und Restgasgehalt (Bogensperger

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Abb. A.16 Form und Lage der Flammfront in einem 4-Ventil Ottomotor 15° Kurbelwinkel (links) und 25° Kurbelwinkel (rechts) nach dem oberen Totpunkt

et al. 2008). Die detaillierten Berechnungen der Reaktionskinetik und die Tabellierung der Daten der laminaren Flammgeschwindigkeit werden getrennt vor der eigentlichen CFDBerechnung ausgeführt. Sobald die tabellierten Daten einmal für eine spezielle Kratstoffart generiert wurden, stehen sie für alle weiteren Berechnungen innerhalb von AVL FIRE® zur Verfügung. Ein schneller Interpolationsalgorithmus zum Abrufen der tabellierten Flammgeschwindigkeitsdaten gewährleistet eine CPU-effiziente Verwendung der detaillierten Informationen zur chemischen Kinetik innerhalb der Verbrennungsberechnung. Zur Beschreibung der Kratstoffoxidation in der Flamme können beliebig komplexe Mechanismen der chemischen Kinetik im Verbrennungsmodell verwendet werden. In der Praxis ist aber die Anzahl der Spezies, die in einer mehrdimensionalen Simulation berücksichtigt werden, durch die verfügbaren CPU-Ressourcen bestimmt. Demzufolge werden in der Praxis reduzierte Reaktionsmechanismen in Verbindung mit chemischen Gleichgewichtsansätzen verwendet, um den Hochtemperaturoxidationsprozess im Flammenbereich und in der Nachoxidationszone zu erfassen, Abb. A.17. Zur Modellierung der Funkenzündung und des frühen Flammkernwachstums stehen sowohl semi-empirische als auch komplexe Modelle zur Verfügung, die in vollem Umfang die Charakteristik des Zündsystems, die Wärmeverluste an die Zündkerze und den Einfluss von Ladungsinhomogenitäten und Strömungseinflüsse auf das frühe Flammkernwachstum berücksichtigen (Duclos und Colin 2001). Das Arc and Flame Kernel Tracking (AKTIM) Zündmodell, Abb. A.18, besteht aus vier Teilmodellen. Eines beschreibt die sekundäre Seite des elektrisch-induktiven Systems, woraus die für die Zündung verfügbare elektrische Energie und die Dauer des Zündfunkens errechnet werden. Der Funke selbst wird durch einen Satz Partikel modelliert, die entlang der Funkenstrecke angeordnet werden. Der Flammenkern wird durch Lagrangsche Markerpartikel beschrieben, die durch die turbulente Strömung transportiert werden und die Energie aus dem Stromkreis erhalten und Energie aufgrund von Wärmeleitung an die Elek-

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Abb. A.17 Vergleich der errechneten Flammenfrontposition in der Ebene der Zylinderkopfdichtung eines 2-Ventil Ottomotors (oben) mit gemessenen Flammkonturen (unten)

Abb. A.18 AKTIMBerechnungsergebnis der Interaktion des funkeninduzierten Plasmakanals mit dem turbulenten Strömungsfeld

troden verlieren. Somit erlaubt AKTIM eine im Wesentlichen vollständige Beschreibung der Prozesse der Funkenzündung und des frühen Flammkernwachstums und eignet sich hervorragend für die detaillierte Analyse der Flammeneinleitung und ihrer Auswirkungen auf die Eigenschaten der anschließenden Flammenausbreitung. Neben dem klassischen AKTIM Ansatz bietet AVL FIRE® auch eine verschlankte AKTIM Version, das sogenannte Imposed Stretch Spark Ignition Model (ISSIM). Zur Modellierung der Vorreaktionen im Endgas, die schließlich zum Klopfen in Ottomotoren führen, sind Modelle unterschiedlicher Komplexität verfügbar. Das sogenannte AnB-Klopfmodell basiert auf der Berechnung der Produktionsrate eines Klopfvorläuferradikals, welches das Voranschreiten der Selbstzündungs-Vorreaktionen beschreibt. Die Bildungsrate des Klopfvorläufers basiert auf einem Arrhenius Ansatz, wobei die Reaktions-

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Abb. A.19 Errechnete Klopforte (links) im Vergleich zu einer experimentell erhaltenen Verteilung der Klopfwahrscheinlichkeit (rechts) in der Ebene der Zylinderkopfdichtung eines 4-Ventil Ottomotors (Tatschl et al. 2005)

parameter eine Funktion der jeweils untersuchten Kratstoffart sowie der lokalen thermochemischen Verhältnisse im Brennraum sind. Alternativ sind tabellierte Selbstzündungsdaten, die auf detaillierten reaktionskinetischen Berechnungen basieren, für eine Anzahl repräsentativer Kohlenwasserstoff-Kratstoffe verfügbar, um die Bildungsrate des Klopfvorläufers zu berechnen. In dem ebenfalls verfügbaren reaktionskinetischen Klopfmodell werden die Vorreaktionen im Endgas gemäß einem reduzierten kinetischen Regime unter Verwendung sogenannter generischer chemischer Spezies modelliert, Abb. A.19. Das kinetische Klopfmodell kann die komplexen Charakteristika der Selbstzündung von Kohlenwasserstoffen widerspiegeln, wie zum Beispiel das Autreten kalter Flammen oder die negative Temperaturabhängigkeit des Zündverzugs in bestimmten Temperaturbereichen. Optimierte Sätze von Reaktionsratenparametern stehen für eine Reihe von Kratstoffen mit unterschiedlicher Oktanzahl zur Verfügung. Neben dem Modell der Verbrennung basierend auf dem Ansatz der kohärenten Flamme bietet AVL FIRE® auch eine Reihe weiterer Modelle für die Simulation der Flammausbreitung in vorgemischter Ladung. Das turbulenzkontrollierte Modell basiert auf der Annahme, dass die mittlere Reaktionsrate von der Reaktionskinetik unabhängig ist und damit der Reaktionsverlauf durch das Vermischen kalter Reaktionsteilnehmer mit heißen Verbrennungsprodukten bestimmt wird. Dieses Modell kann für eine schnelle und einfache Beurteilung der Eigenschaten der Interaktion von Strömung und Flamme in Ottomotoren verwendet werden (Ahmadi-Befrui und Kratochwill 1990). Für die Simulation homogen und inhomogen vorgemischter Verbrennungsprozesse in Ottomotoren steht des Weiteren ein generischer Turbulent-Flame-Speed-Closure (TFSC) Ansatz zur Verfügung, der es dem Anwender auch ermöglicht, auf einfache Art und Weise seine eigenen Flammgeschwindigkeitskorrelationen für die relevanten Kratstoff- und Turbulenzbedingungen vorzugeben. Der Turbulent-Flame-Speed-Closure Ansatz basiert auf der Bestimmung der Reaktionsrate als Funktion der lokalen laminaren Flammgeschwindigkeit in Kombination mit Informationen über Turbulenzintensität und turbulente Längenskalen (Wallesten et al. 1998). Die Einflüsse von Ladungstemperatur, Druck und lokalem Kratstoff-Lut Verhältnis werden ebenso berücksichtigt wie der Einfluss von Auswirkungen lokaler Turbulenzbedingungen und Restgasgehalte.

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Für detaillierte, grundlegende Untersuchungen von Flammausbreitungsprozessen bietet AVL FIRE® auch einen sogenannten Transported Joint-Scalar PDF (TJS-PDF) Ansatz zur Modellierung der Verbrennung in Ottomotoren (Cartellieri et al. 1994; Tatschl und Riediger 1998; Amer und Reddy 2002). Das TJS-PDF Modell stützt sich nicht auf die gewöhnlich getroffenen Annahmen einer unendlich schnellen chemischen Reaktion oder des Vorhandenseins dünner Reaktionsschichten. Es berücksichtigt in vollem Umfang die simultanen Effekte sowohl einer endlich schnellen Chemie (Finite-Rate-Chemistry) als auch von turbulenten Mischungsvorgängen, so dass keine Annahmen getroffen werden müssen, ob der eine oder der andere der beiden Prozesse die mittlere Reaktionsrate bestimmt. Die verwendete Modellvariante löst die TJS-PDF Transportgleichung für den Wärmeinhalt, die thermochemischen Größen, die Gemischzusammensetzung und die Reaktionsfortschrittsvariable, die das reaktive System darstellen. Die TJS-PDF Transportgleichung wird mittels einer Monte-Carlo-Simulation gelöst, wobei die mittlere Geschwindigkeit, der Druck und die skalaren Felder iterativ entsprechend dem Finite-Volumen Strömungslöser aktualisiert werden, bis eine vollständige Konvergenz des Satzes von Gleichungssystemen erreicht ist.

A1.7 Schadstofbildung Das vorliegende Kapitel gibt eine kurze Übersicht zu den Modellen, die in AVL FIRE® für die Berechnung der NO- und Rußbildung in Verbrennungsmotoren verfügbar sind. Die vorgestellten Modelle gelten sowohl für kompressionsgezündete als auch für fremdgezündete Motoren und können in Verbindung mit den im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Zünd- und Verbrennungsmodellen verwendet werden. Dank der NO- und Rußbildungsmodelle lassen sich Details zur lokalen Interaktion von Gemischbildung, Verbrennung und Schadstoffbildung gewinnen. Anhand der Verteilungen der Temperatur und der Spezies-Zusammensetzung in verschiedenen Bereichen des Brennraums können die vorherrschenden Prozesse auf einfache Weise interpretiert werden. Die Auswirkung von Variationen der Parameter des Brennverfahrens auf die Details der Ruß- und NO-Bildungsmechanismen können auf einer räumlich und zeitlich aufgelösten Grundlage eingeschätzt werden. Die Gewinnung globaler Schadstoffbildungsdaten dient dann als Basis für eine weitere Beurteilung des Verhaltens des Brennverfahrens unter den unterschiedlichen Betriebsparametern. Dies ermöglicht beispielsweise die individuelle Untersuchung des Einflusses von Einspritzbeginn, Einspritzdruck, Ladedruck, Restgasanteil oder Aufladegrad auf die NO- und Rußbildungstrends.

A1.7.1 NO-Bildung Die Stickoxide, die unter typischen Verbrennungsbedingungen entstehen, entstammen drei wesentlichen Quellen: thermisches NO, das durch die Dissoziation des molekularen Lut-Stickstoffs entsteht, prompt-NO, das durch den Angriff von Kohlenwasserstofffragmenten auf den Lut-Stickstoff gebildet wird, und Kratstoff-NO, das aus stickstoffhaltigen Komponenten im Kratstoff entsteht. Gewöhnlich kann in Verbrennungsmotoren der

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Abb. A.20 Temperatur (links) und NO-Konzentration (rechts) in einem DI-Dieselmotor 20° Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt

letztgenannte Bildungsmechanismus vernachlässigt werden, weil keine nennenswerten Mengen an Stickstoff in Benzin- oder Dieselkratstoff enthalten sind. Die beiden anderen Mechanismen tragen zur NO-Bildung in Motoren bei, wobei je nach Brennverfahren hauptsächlich thermisches NO gebildet wird, aber auch eine gewisse Menge an prompt-NO autreten kann. Gemäß den Mechanismen der Entstehung von thermischem und prompt-NO, kann NO in der Reaktionszone selbst sowie in der Nachoxidationszone entstehen. In Verbrennungsmotoren steigt während des Verbrennungsprozesses der Zylinderdruck, wodurch zuvor verbrannte Gase auf höhere Temperaturwerte verdichtet werden, als sie unmittelbar nach ihrer Verbrennung haben. Infolge der hohen Temperaturen in der Nachoxidationszone und der gleichzeitig langen Verweilzeiten übersteigt die thermische NO-Bildung in den verbrannten Gasen gewöhnlich das in der Flammfront gebildete prompt-NO und stellt damit die Hauptquelle von Stickoxiden in Verbrennungsmotoren dar, Abb. A.20. In AVL FIRE® wird die thermische NO-Bildung gemäß dem Zeldovich-Mechanismus modelliert, Zeldovich et al. (1947), der auf der Annahme chemischen Gleichgewichts basiert, d. h. nur der atomare Stickstoff wird als eine zusätzliche Zwischenspezies berücksichtigt. Da seine Konzentration nicht von der Kinetik der Kohlenwasserstoffoxidation abhängig ist, kann die Entstehung von thermischem NO durch die folgenden Reaktionsschritte beschrieben werden, die als der erweiterte Zeldovich-Mechanismus bekannt sind: N + O↔NO + N k f

k b

N + O ↔NO + O k f

k b

N + OH↔NO + H . k f

k b

Die erste Reaktion stellt den ratenbegrenzenden Schritt des Entstehungsmechanismus von thermischem NO dar. Es bedarf einer sehr hohen Aktivierungsenergie (Tempe-

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300% Measurement

Calculation

NOx Emission Trend

250% 200% 150% 100% 50% 0% 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12 13 14 15 16 17 18

Case Number

Abb. A.21 Vergleich von errechneten und gemessenen NO-Emissionstrends in einem DI-Dieselmotor für Parametervariationen des Brennverfahrens (Priesching et al. 2007)

ratur), um die stabile Dreifachbindung des molekularen Lut-Stickstoffs zu zersetzen. Dementsprechend verläut diese Reaktion erst bei hohen Temperaturen mit signifikanter Geschwindigkeit. Die Stickstoffatome in der zweiten Reaktion werden unter nahestöchiometrischen oder geringfügig mageren Gemischbedingungen durch Sauerstoff zu Stickoxid oxidiert. Die dritte Reaktion ist – außer bei Flammen von fetten Gemischen – gewöhnlich vernachlässigbar. Aus der Reihe der Reaktionen ist zu erkennen, dass die Bildung von thermischem Stickoxid aus N2 überwiegend durch die fünf chemischen Spezies O, H, OH, N und O2 , aber nicht durch den verwendeten Kratstoff bestimmt wird. Auf der Grundlage des oben beschriebenen Reaktionsmechanismus lässt sich die NO-Bildung insgesamt folgendermaßen ausdrücken, Bowman (1992): ( − dcNO = k  f cO cN dt +

 k b k b cNO k  f cN  k  f cO 

)

k b cNO k  f cO  +k  f cOH

.

Um die obige Gleichung aufzulösen, benötigt man die Konzentrationen der O-Atome und des freien OH-Radikals; diese können in AVL FIRE® je nach verwendetem Verbrennungsmodell entweder anhand einer detaillierten oder reduzierten chemischen Kinetik, Abb. A.21, oder auf der Grundlage empirischer Korrelationen erhalten werden. Unter bestimmten Betriebsbedingungen, wie zum Beispiel bei der alternativen Dieselverbrennung, kann die Rate des während der Verbrennung von KohlenwasserstoffKratstoffen generierten NO höher sein als die, die durch den Zeldovich-Mechanismus bestimmt wird. Diese verstärkte NO-Bildung wird dem Vorhandensein von Kohlenwasserstoff-Spezies zugeschrieben, die aus der Kratstofffragmentierung während des

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Verbrennungsprozesses entstehen. Prompt-NO wird durch die Reaktion von atmosphärischem Stickstoff mit diesen Kohlenwasserstofffragmenten gebildet. Der Mechanismus des prompt-NO bildet, wie schon sein Name sagt, NO aus Stickstoff viel schneller in der Flamme als der Mechanismus des thermischen NO. Das Modell, das in AVL FIRE® zur Berechnung von prompt-NO verfügbar ist, verwendet einen Globalansatz nach De Soete (1975). Die Auswirkung turbulenter Temperaturfluktuationen auf die NO-Bildungsraten kann in AVL FIRE® durch Auswertung der kinetischen Reaktionsraten unter Berücksichtigung der lokal fluktuierenden Temperaturen unter Verwendung einer angenommenen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (PDF), Vujanovic et al. (2006), berücksichtigt werden.

A1.7.2 Rußbildung Die Bildung von Ruß ist die Umwandlung von kohlenwasserstoffreichen, aliphatischen Verbindungen in ein Agglomerat aus großen aromatischen Kohlenwasserstoffen, ihre anschließende Umwandlung in Partikel, die Koagulation primärer Partikel und das Wachstum fester Rußpartikel aufgrund der Akkumulation gasförmiger Komponenten. Die Partikeloxidation findet im Ergebnis des Angriffs von atomarem Sauerstoff auf die Kohlenstoffpartikel unter Hochtemperaturbedingungen statt (Frenklach und Wang 1990). Die Ruß-Modellierung in AVL FIRE® basiert auf Kombinationen von zweckmäßig erweiterten und angepassten chemisch-physikalischen Ratenausdrücken für die Darstellung der Prozesse der Partikelkeimbildung, des Oberflächenwachstums sowie der Partikelkoagulation und -oxidation. Neben den semi-empirischen Korrelationen stehen Ruß-Modelle auf der Grundlage des Laminar-Flamelet Ansatzes oder der Anwendung reduzierter chemischer Reaktionsregime für die Beschreibung der Rußbildungs- und Oxidationsprozesse zur Verfügung. Die in AVL FIRE® verwendete Formulierung des Laminar-Flamelet Rußmodells basiert auf einer Bibliothek für die Rußquellterme (Mauss 1998). Die Realisierung des RußModells innerhalb der CFD Simulation wird durch die Berechnung von Transportgleichungen für den Gemischanteil und seine Varianz und durch die Integration der momentanen Rußbildungsraten über eine angenommene β-PDF Verteilung zur Bestimmung der mittleren Bildungsraten, erreicht (Priesching et al. 2005). Da die Quellterme für die Rußbildung und Oxidation vor der CFD-Simulation evaluiert und in einer Bibliothek gespeichert werden, funktioniert dieses Modell trotz der Komplexität der zugrunde liegenden chemischen Kinetik bei ansprechender Ergebnisqualität sehr zeiteffizient, Abb. A.22 und A.23. Die Basis des kinetischen Ruß-Modells in AVL FIRE® ist ein detailliertes chemisches Reaktionsregime für die Berechnung von Rußbildung und Oxidation. Es kombiniert die Mechanismen der Bildung von polyaromatischen Kohlenwasserstoffen, der Entstehung von Ruß-Vorläufern aufgrund der Kondensation von Kohlenwasserstoffmolekülen, des Wachstums der Rußpartikel durch die HACA-Reaktionen und das Hinzukommen von Polyinmolekülen, den Mechanismus der Acetylenpyrolyse und der Entstehung von Clustern aus reinem Kohlenstoff sowie die Reaktionen der Kohlenwasserstoffoxidation, Krestinin (2000) (Agafonov et al. 2002). Das realisierte Modell arbeitet mit einer reduzierten Anzahl von

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Abb. A.22 Kratstoffdampf (links) und Rußkonzentration (rechts) in einem DI-Dieselmotor 20° Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt 300% Measurement

Calculation

Soot Emission Trend

250% 200% 150% 100% 50% 0% 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12 13 14 15 16 17 18

Case Number

Abb. A.23 Vergleich von errechneten und gemessenen Rußemissionstrends in einem DIDieselmotor für Parametervariationen des Brennverfahrens (Priesching et al. 2007)

Spezies und Reaktionen des oben beschriebenen Mechanismus mit zweckmäßig optimierten Ratenkoeffizienten für eine Anzahl von motorrelevanten Kratstoffen und bildet somit einen effizienten Ansatz für die Berechnung der Rußbildung im Kontext der 3D-CFD Methodik.

Literatur Agafonov, G.L., Nullmeier, M., Vlasov, P.A., Warnatz, J. and Zaslonko, I.S.: Kinetic Modeling of Solid Carbon Particle Formation and hermal Decomposition During Carbon Suboxide Pyrolysis Behind Shock Waves. Combust. Sci. and Techn. 174, 1–29 (2002)

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Sachverzeichnis

(Taylor-Analogy-Breakup)-Modell, 889 2. Hauptsatz der hermodynamik, 877 2-Takt-Verfahren, 16 3-D-Euler-Verfahren, 916 3-fach-Korrelationsfunktion, 917 4-Takt-Verfahren, 16 k-ε-Modell, 838, 839 k-ε-Turbulenzmodell, 844 n-Heptan, 468 n-Oktan, 462 =1-Brennverfahren, 906 β-Funktion, 843, 931 A Abbruchreaktion, 457, 458, 465 Abgas unverdünntes, 530 verdünntes, 530 Abgasanalyse, 600 Abgaskrümmer integrierter, 209 Abgas-Messanlage, 526, 530 Abgasrückführung, 169, 727 Abgastemperatur, 209, 214 Abgaszusammensetzung, 472 Ableitung, konvektive, 829, 832 Ableitung, substantielle, 829 Abstandsvariable, 953 Abstraktion, 455 Abtasttheorem, 566 Acetylen, 59, 488 Acetylen-Pfad, 488 Adiabat, 25 Adiabatenbeziehung, 20 Agglomeration, 490 Aktivierungsenergie, 460, 496

Aldehyd, 60, 455, 482 Aldehydgruppe, 60 Algorithmen, 856 Alkane, 59, 60, 872 Alkanole, 60 Alken, 59, 455 Alkine, 59 Alkohole, 60 Alkylgruppe, 59, 60 Alkylradikal, 455 Ammoniak, 501, 506 Anfettungsbedarf, 203, 209 Arbeitsspiele, 33 Arbeitszyklus, 627 Aromate, 59, 872 Asphaltene, 59 Atombilanz, 457 Aufheizung, 871 Aufladung Titan-Aluminid- Laufräder, 209 variable Turbinengeometrie, 209 zweistufig geregelt, 203, 211 Auflösung, 566, 568 Aufwindschema, 846, 851 Aufwind-Verfahren, 852 Ausdrehverhalten, 203 Ausflussfunktion, 21 Ausflussgleichung, 20 Auslassventil, 152 Ausströmgeschwindigkeit isentrope, 22 Austrittswinkel, effektiver, 862 Autogas, 64 B Benzindirekteinspritzung, 901, 905, 908, 919 1119

1120 Benzinmotor, 602 Benzolring, 59 Berechnungsnetz, 961 Bernoulli-Geschwindigkeit, 864 Beta-Funktion, 843 Betrieb transienter, 174 Betriebspunkt, 604 Biodiesel, 58 Blasenströmungswiderstand, 863 Blasenwachstum, 863 Blasversuch, 847, 848, 861 Boltzmann, 877 Boltzmann-Gleichung, 877, 966 Boltzmann-Williams-Gleichung, 878, 879, 892, 908 Boot-Einspritzung, 166 Brennbeginn, 552 Brenndauer, 598, 604 Brenngeschwindigkeit, 859, 939, 957 Brennraumendoskopie, 608 Brennstoff-NO, 495 Brennstoff-Stickstoff, 501 Brennstoffverbrauch spezifischer, 34 Brennverfahren, 602 Brennverfahren, strahlgeführt, 959 Brennverfahrensentwicklung, 613 Brennverlauf, 156, 159, 163, 597, 602, 925 Brennverlaufsanalyse, 924 Brown’sche Bewegung, 895 Bruttoreaktionsgleichung, 454 C CAD-Programm, 960 Carbonsäure, 60, 61 Carbonsäureester, 60, 61 Carbonylgruppe, 60 Carboxylgruppe, 61 Carnot-Prozess, 22 Cetanzahl, 64, 469, 933 CFD-Code, 857 CFD-Code KIVA, 856 CFD-Netz, 844 CFD-Simulation, 825 Chapman-Enskog-Ansatz, 881, 966 Charakter, hyperbolischer, 880, 914 Charakteristik, 830, 878, 880 Chemiequellterm, 855

Sachverzeichnis Chemisches Gleichgewicht, 284 Chemolumineszenz, 535 Chemolumineszenz Detektor (CLD), 534 CH-Radikal, 499 Coherent-Flame-Modell, 931, 945 Conditional-Moment-Closure, 967 Conditional-Moment-Closure(CMC)-Modelle, 932 CO-Oxidation, 477 Courant-Zahl, 846, 853 CRFD-Modell (Computational Reactive Fluid Dynamics), 5 Cyanwasserstoff, 501 D Damköhler-Beziehung, 951 Damköhler-Relation, 944 Damköhler-Zahl, 923, 926, 966 Dampfdruck, 863 Dampfdruckkurve, 871, 874 Dampfstrom, 869 Damptransportgleichung, 869 Dampfwolke, 607 Deflagration, 922 Dehnmessstreifen, 562 Dehydrierung, 455, 487 Detached Eddy Simulation, 847 Detonation, 922 Diagnosesystem, 626 Dialkene, 455 Dichte, 66, 831 Dieselbrennstoff, 64 Dieseleinspritzsystem, 886 Dieselflamme, 607, 609 Diesel-Injektoren, 862 Dieselkratstoff, 58 Dieselmotor, 151, 472, 607 Dieselsprays, 608 Dieselstrahl, 912 Dieselverbrennung, 926 Dieselzündung, 464 Differenz, zentrale, 852 Differenzenschema, 852 Differenzenschema, zentrale, 850, 853 Diffusion, 832, 903, 945 Diffusion, numerische, 962 Diffusion, turbulente, 901 Diffusionsdarstellung der Fokker-Planck-Gleichung, 898

S a chverzeichnis Diffusionsflamelet, 967 Diffusionsflamme, 609, 615, 616, 833 Diffusionsgleichung, 899 Diffusionsgleichung, klassische, 900 Diffusionskonstante, 833 Diffusionsladungssensor, 546 Diffusionsprozess, 867, 898 Diffusionsterm, 831, 837, 850 Diffusionsverbrennung, 615, 921, 923, 926, 956 Diffusive G-Gleichung, 952 Dioxin, 483 Dioxinverbindung, 485 Dirac-Distribution, 843 Directed Relation Graph Methode, 466 Direkte Numerierte Simulation (DNS), 847 Direkteinspritzer, homogene, 938 Direkteinspritzung, späte, 871 Direkten Numerischen Simulation, 845 Discrete Droplet Model, 881 Diskretisierung, 850 disperse Phase, 863 Dispersion, turbulente, 879, 891, 901, 966 Dispersionsterm, 893 Dissipation, 838, 840 Dissipation, turbulente, 836 Dissipationsrate, 929 Dissipationsrate, konditionierte skalare, 933 Dissipationsrate, skalare, 842 DNS (Direkte Numerierte Simulation), 847 Downsizing, 196 Downsizinggrad, 198 dynamisches, 198 Downspeeding, 197, 212 Drallkanal, 861 Drallströmung, 152 Drallwert, 860 Drallzahl, 153, 860, 861 Drallziffer, 861 Drehmoment, 36 Dreiteilchenstoßprozess, 879 Drit elektrische, 591 Druck, 159, 831 Druckanstiegsgeschwindigkeit, 157 Druckaufnehmer, 560 fiberoptischer, 564 piezoelektrischer, 551, 554, 571, 592 piezoresistiver, 562, 593 Druckaufnehmermembrane, 590

1121 Drücken, 459 Druckindizierung, 550, 598, 626 Drucksignal, 595 Druckverhältnis, 28 Druckverhältnis, kritisches, 21 Druckverlaufsanalyse, 595 Durchflussbeiwert, 864 Durchflussgleichung, 20 Düse, 862 Düseninnenströmung, 862, 865, 884 Düseninnenströmungsberechnung, 863 Düsenloch, 902 Düsenmodell, 885 E Echtzeit, 552 Eddy-Breakup-Modell, 926 Effekt piezoelektrischer, 554 Effekte, gasdynamische, 882 Eichung des G-Felds, 951 Eigenschaten, chemische, 871 Eigenschaten, physikalische, 871 Eigenschwingung, 622 Einbettungsverfahren, 913 Einkomponentenkratstoff, 871 Einlasskanal-Geometrie, 860 Einlassschlitz, 152 Einlassventil, 152, 859 Einlaufkantenverrundung, 865 Einpassung, 596 Einschrittmechanismus, 463 Einspritzbeginn, 165 Einspritzbeginnvariation, 163 Einspritzdruck, 162, 163, 165, 214 Einspritzdruckvariation, 163 Einspritzgesetz, 166 Einspritzparameter, 160 Einspritzrate, 165 Einspritzratenformen, 166 Einspritzratenmodulation, 727 Einspritzstrahl, schlankeren, 865 Einspritzung, 152 Einspritzverlauf, 156 Einspritzverlaufsformung, 729 Einzeltropfenprozess, 867 Elektrische Drit, 591 Elementarreaktion, 455 Elementmassenbruch, 833

1122 Emission, 160, 613 Emissionsmesstechnik, 525 Empfindlichkeit, 580 Endoskopaufnahme, 607 Energie innere, 18 Energie, innere, 831, 832 Energie, turbulente kinetische, 836 Energiebilanz, 17, 19, 597 Energieumsatzpunkte, 552 Energiewandlung, 11 Ensemble-Mittelung, 836, 844, 894 Ensemble-Mittelwert, 934 Enthalpie, 18 Enthalpie, thermische, 832 Enthalpie, totale, 832 Enthalpiegleichung, 928 Entrainment, 914 Entwicklung historische, 1 Erdgas, 64 Erdöl, 61 Ersatzbrennstoff, 468 Ersatzgemisch, 468 Ersatzkomponente, 468 Ersatzspezies, 468 Ethanal, 455 Ethanol, 60 Ether, 60 Ethin, 488 Euler-Modell, 882, 909, 916, 964 Euler-Modellierung, 882 Eulersche Gleichung, 829 Eulersche Koordinaten, 829 Euler-Strahlmodell, 908 Euler’sche Formulierung, 867 Explosion, thermische, 457 Explosionsdiagramm, 459 Explosionsgrenze, 459 Extended-Coherent-Flame-Modell, 931 F Fahrwiderstände, 199 Favre-Mittelung, 837, 838 Favre-Varianz, 841 Fenimore-Mechanismus, 495 Fenimore-NO, 499 Filmdynamik, 938 Filmverdampfung, 938

Sachverzeichnis Finite-Volumen-Verfahren, 849 FIRE, 826, 961 Fire8, 858 Flame Ionisation Detektor (FID), 534 Flamelet-Konzept, 934 Flamelet-Modell, 936 Flamelets, 929 Flammen, teilweise vorgemischte, 955 Flammenbild, 609 Flammendicke, 938, 947 Flammendicke, turbulente, 940 Flammenfläche, 938 Flammenflächenmodell, 945 Flammenfront, 456, 939, 940, 946 Flammenfrontdichte, 945 Flammenfrontverbrennung, 922 Flammenkern, 953 Flammenkernbildung, 953 Flammenkernentwicklung, 619 Flammenleuchten, 614, 616 Flammenlöschen, 479 Flammenstrahlung, 611, 615, 616 Flammenstreckungseffekt, 929 Flammfortschrittsgeschwindigkeit, 922 Flammfront, 922, 923 Flammfrontausbreitung, 922 Flammfrontverbrennung, 923 Flammtemperatur, 609 Flashboiling, 876 Fluid, inkompressible, 828 Fluktuation, 847, 896 Fluktuation, kohärente, 948 Fokker-Planck-Gleichung, 878, 892, 895, 898, 905, 908, 918, 964, 965 Formaldehyd, 483 Formulierung, konservative, 834 Fortpflanzungsreaktion, 457, 458, 465 Fortschrittsvariable, 932, 940, 966 Fourier Transform Infrarot Spektroskopie (FTIR), 536 Freistrahl, 902 Fremdzündung, 63 Furan, 483 Fusco-Rußmodell, 493 G Galliumorthophosphat (GaPO4), 558 Gamma-Funktion, 843 Gas

Sachverzeichnis perfektes, 19 Gase, ideale, 18 Gasfederprinzip, 204 Gasfreistrahl, 902 Gasgleichung, ideale, 832 Gasgleichung, reale, 832 Gastheorie, kinetische, 878 Gauss’scher Satz, 849, 869 Gegenstromflamme, laminare, 929 Gemischbildung, 152, 154, 924, 938 Gemischbildung, äußere, 63 Gemischbildung, heterogene, 151 Gemischbildung, innere, 63 Gemischbildungssimulation, 925 Gemischheizwert, siehe Siehe Gemischwolke, 908 Geometrieoptimierung, 960 Gesamtkratstoffmolenbruch, 873 Gesamtleistung effektive, 33 indizierte, 33 Gesamtumsetzungsgrad, 31 Geschwindigkeit, 831 Geschwindigkeitsbeiwert, 864 Geschwindigkeitsfluktuation, 836, 891, 892 Geschwindigkeitskoeffizient, 496 Geschwindigkeitsskala, 840 Geschwindigkeitsskala, turbulente, 836 G-Gleichung, 949, 956, 966 G-Gleichung, diffusive, 952 Glaszustand, 59 Gleichdruckprozess, 26 Gleichgewicht chemisches, 284, 471, 600 partielle, 467 Gleichgewicht, kinematische, 911 Gleichgewichtskonzentration, 467 Gleichraumprozess, 25 Gleichstromspülung, 152 -Gleichung, 840 Gleichung, elliptische, 830, 851 Gleichung, hyperbolische, 830, 878 Gleichung, parabolische, 830 Gleichungssystem, lineares, 851 Glühemission Laserinduzierte, 545 Glühkerze, 586 Glühkerzenadapter, 587 Gravimetrische Bestimmung, 538

1123 Grenzschicht, 829, 838, 841 Grenzschichtmodell, 839 GRI-MECH 3.0 Mechanismus, 500 Größe, konservative, 849 H H2-O2-System, 458 H2-Oxidation, 477 HACA-Mechanismus, 489, 490 Halbleiter-DMS, 562 Halbmotorbetrieb, 204 Halbnetz, 859 Hall-Sensor, 568 Hamiltonschen Gleichung, kanonische, 878 Han-Reitz-Formulierung, 924 Haupteinspritzung, 157 Hauptverbrennung, 157, 954 HC Analysator, 530 HCCI, 171 HCCI-Brennverfahren, 478, 480 HCCI-Verfahren, 171, 872 HC-Emission, 478, 480 HC-Entstehung, 479 HC-SCR, 511 Heisenberg-Bild, 909 Heißbenzinverhalten, 337 Heizverlauf, 925 Heizwert, 34, 66 Helmholtz-Gleichung, 830 Hexaeder, 849, 856, 858 Hinreaktion, 496, 935 Hiroyasu-Rußmodell, 492 Hochdruckindizierung, 550, 551 Hochdruckprozess, 17, 29 Hochtemperaturoxidation, 461, 465 Hochtemperaturoxidationsmechanismus, 461 Homogenisierung, 171 Hub-/Bohrungsverhältnis, 35, 197 Hubraum, 196 Hubvolumen, 35 Hugoniot’sche Stoßbedingung, 914 Hybridverfahren, 853 Hydroperoxydradikal, 477 Hydroperoxyradikal, 457 Hydroxylgruppe, 60 Hydroxylradikal, 457, 477 hyperbolisch, 914 I ICAS-Einbettungsverfahren, 913

1124 ICAS-Modell, 913 IDEA-Fuel, 468 Impulsaustausch, 867 Impulstransport, 828 Indikator-Spezies, 933 Indizierauswertung, 926 Indiziergerät, 566 Indizierkanal, 589 Indiziermesstechnik, 627 Indiziersystem, 553 Induktiver Sensor, 569 Infrarot Detektor nichtdispersiver, 533 Infrarotdetektor, 538 Innere Energie, 831, 832 Instabilitätenanalyse, 887 Interferogramm, 538 Intermittent Turbulent Net Flame Stretch, 947 Ionen-Pfad, 488 Isentrope, 19, 25 Isentropenexponent, 21 Iso-Alkane, 59 Isobaren, 19 Isochoren, 19, 25 Isomere, 468 Isomerisierungsreaktion, 461 Iso-Oktan, 462, 468 Isotherme, 19 K Karman’sche Wirbelstraße, 835 Kaviationsschlauch, 866 Kavitation, 154, 862, 865, 885 Kavitationsblase, 863 Kavitationsgebiet, 862 Kavitationsmodellierung, 863 Kavitationsneigung, 865 Kegelstrahl, 887, 901 Kelvin-Helmholtz-Instabilität, 887, 889 Kenngröße, 32 Kennwert, 32 Keton, 60, 455, 482 Kettenabbruch, 458 Kettenexplosion, 457 Kettenverzweigungsreaktion, 458, 465 Ketyl, 455 k-Gleichung, 837 KIVA, 826, 856, 890–892, 897, 900, 905, 909, 963

Sachverzeichnis KIVA-3V, 961 Klopfeigenschat, 871 Klopfen, 464, 922, 954, 967 Klopfkinetik, 954 Klopfneigung, 203 Klopfortbestimmung, 620, 622 Knoten, hängende, 858 Koagulation, 488, 490 Koaleszenz, 890 Kohlendioxid, 471 Kohlenmonoxid, 30, 471 Kohlenwasserstoff, 454 aromatisch, 59 heterozyklischer aromatischer, 484 polyzyklischer aromatischer, 478, 484 Polyzyklischer aromatischer (PAK), 488 sauerstoffhaltig, 60 unverbrannt, 30 unverbrannter, 471, 479, 937 unverbrannter (HC), 478 Kohlenwasserstoffe, 58 aliphatische, 59 Kohlenwasserstoff-Oxidationsschema, 482 Kohlenwasserstoffperoxid, 455 Kolbengeschwindigkeit, 15 maximale, 35 mittlere, 35 Kolbenmaschine, 12 Kolbenweg, 14 Kollision, 890 Kollisionsprozess, 891 Kolmogorov-Skala, 835 Komponentenfamilie, 872 Komponentenspektrum, 871 Kompressionsarbeit, 831 Kompressionsphase, 859 Kondensation, 490, 529 Kondensationskernzähler, 540 Konstruktion, parametische, 960 Kontinuitätsgleichung, 828, 831, 869 Kontinuumlimes, 905 Kontraktionsbeiwert, 864 Konvektionsprozess, 867 Konvektionsterms, 851 Konvergenz, statistische, 881, 897, 901, 904, 964 Konzentration, 609, 832 Korrekturen nach Ranz-Marschall, 870 Korrelationsfunktion, 894 Korrelationszeit, 897

Sachverzeichnis KPP-heorem, 942 Krat, stochastische, 892 Kratstoffmodell, einkomponentiges, 871 Kratstoff-Molgewicht, 873 Kreisprozess geschlossen, 22 Kreisprozesse, 17 Krümmerzusammenführung, 210 Kühlgrenztemperatur, 872 Kundenverbrauch, 199 Kurbeltrieb Kinematik, 12 L Lachgas, 500 Ladedruck, 170 Ladelutzwischenkühlung, 203 Ladungsverstärker, 564, 591 Ladungswechsel, 16, 29, 553, 857 spülender, 206 Ladungswechselberechnung, 597 Ladungswechsel-OT, 575 Ladungswechselrechnung, 596 Ladungswechselverlust, 201, 602, 604 Lagrange-Formulierung, 880 Lagrange-Modell, 908, 909, 963, 964 Lagrangesche Koordinaten, 829 Lagrange’sche Formulierung, 867, 881 Lagrange’sches Modell, 916 Lagrange’sches Strahlmodell, 937 Längenskala, 892, 903, 926, 961 Längenskala, turbulente, 836 Längenskalenbegrenzer, 903 Langevin-Gleichung, 892, 895, 964 Laplace-Operator, 829 Large-Eddy-Simulation, 845 Laser Dioden Spektroskopie (LDS), 538 Lasermesstechnik, 625 Lastaufschaltung, 174 Lastpunktverschiebung, 198 Lastwechseldrit, 584 Leistung, 36 innere, 33 spezifische, 196 LES, 962 Liefergrad, 35 Ligamente, 154 Liouville-Gleichung, 878, 880 Log-Normal-Verteilung, 965

1125 Lokal homogene Strömung, 910 Longitudinaleffekt, 555 Low-End-Torque, 202 Low-Reynolds-Wandmodell, 961 Lutaufwand, 34 Lut-Brennstoff-Verhältnis, 487 Lutmangel, 477 Lutverhältnis, 471 Lumping, 467 M Machzahl, 831 Magerbrennverfahren, 906 Magnussen-Modell, 941 Mapping-Technik, 961 Marinediesel, 65 Markenscheibe, 570 Maskierung, 859 Masking, 152 Massenaustausch, 867 Massenbilanz, 17 Massenbruch, 874 Massenstrom, 21 Massentransport, 828 Mehrkomponentenmodell, 871, 872 Mehrkomponentenmodellierung, 872 Mehrkomponentenverdampfungsmodell, 868 Mehrlochdüse, 152 Mehrlochscheiben, 337 Mehrphasenströmung, 152 Mehrschrittmodell, 464 Mehrteilchenprozess, 878 Mehrzyklenberechnung, 962 Mehrzyklenthematik, 938 Messgasaufbereitung, 526 Messgenauigkeit, 571 Messtechnik optische, 550, 626 Messverfahren kapazitives, 575 optisches, 604 Messzelle, 533 Messzündkerze, 585 Methanal, 455 Methanol, 60, 66 Method of Moments, 494 Methylradikal, 457 Michelson Interferometer, 536 Micro Soot Sensor, 618

1126 Mie-Streulichttechnik, 886 Mikropartikel, 540 Miniaturdruckaufnehmer, 561 Mischung, inhomogene, 832 Mischungsbruch, 832, 833, 841, 929, 934, 955 Mischungsbruch Z, 957 Mischungsbruchtransportgleichung, 842 Mischungsbruchvarianz, 929 mischungskontrolliert, 887 Mischungsprozess, 929 Mischungszustand, 841 Mischungszustand, turbulenter, 841 Mischzone, 931 Mitteldruck, 24, 32 effektiver, 33 indizierter, 33 Mittelung, dichtegewichtet, 837 Mixing-Time-Scale-Modell, 927 Modell nulldimensionales, 5 phänomenologisches, 493, 961 semi-empirisches, 465 Modellbildung, 3 Modellgemisch, 468 Molenbruch, 872 Molenbruch-Verteilungsfunktion, 872 Moment, 873 Momentenneutralität, 204 Monte-Carlo-Simulation, 878, 881 Moor’sche Gesetz, 960 Motor, vollkommen, 599, 600, 604 Motorenkennfeld, 36 Motorkonstruktion, 2 Motor-Oktanzahl (MOZ), 64 Motorprozess realer, 31 Motorprozess, realer, 599 Motorstart, 616 MOZ, 64 Mulde, 861 Multizonen phänomenologische, 5 Muschelkurve, 36 N N2 O-Mechanismus, 495 Nacheinspritzung, 165 Nachverbrennung, 158 Nadelhub, 866

Sachverzeichnis Nagle und Strickland-Constable, Rußoxidationsmodell, 492 n-Alkane, 59 Nanopartikel, 540 Nanopartikel-Anteil, 540 Naphtene, 59 Navier-Stokes-Gleichung, 828, 831, 832, 834, 844, 881, 966 NCN-Pfad, 500 Netz, kartesisches, 858 Netz, strahladaptive, 913 Netzbewegung, 857, 961 Netzgenerator, 857 Netzgenerierung, 856, 858 Netzqualität, 857 Netzstruktur, wandadaptierte, 858 Netzverfeinerung, adaptive, 954 Netzwechsel, 962 Netzwerk, 960 Newtonsche Ansatz, 829 NFZ-Sacklochdüse, 862 Nichtdispersiver Infrarot Detektor, 533 Nicht-selektive katalytische Reduktion, 511 Niederdruckindizierung, 550, 552, 598 Niedertemperaturbereich, 460 Niedertemperaturoxidation, 461 Niedertemperaturzündung, 465 NO, thermisch, 934 NO/NO2-Verteilung, 501 NO2/NO Konverter, 536 NOx -Bildung, 152, 934 NO-Bildung, 498 NO-Bildungsrate, 495 Normalverteilung, 897, 965 NTC-Regime, 460 Nukleation, 487 Nulllinienfindung thermodynamische, 578 Nullpunktsfehler, 577 Numerik, 962 numerischen Experiment, 849 O Oberflächenspannung, 888 Observable, 909 Observablensatz, 909 OHC-Gleichgewicht, 477 OHC-System, 456, 498 Ohnesorgezahl, 887

Sachverzeichnis Oktanzahl, 63 Olefine, 59, 872 Omega-Mulden, 153 Opazimeter, 542, 611 Opazität, 611 Operator-Split-Verfahren, 855 Optische Messverfahren, 604 Optischer Sensor, 569 OT-Sensor kapazitiver, 575, 576 Ottobrennstoff, 63 Ottokratstoff, 58 Ottomotor, 35, 472, 612 OT-Zuordnung, 573 Oxidation, 491 Oxidationsrate, 492 P Paramagnetischer Detektor (PMD), 536 Parametrierung, 567 Particle-Imaging-Velocimetry, 906 Partikel, 881, 888 Partikel, stochastische, 881 Partikelanzahl, 163, 539, 540 Partikelanzahldichte, 175 Partikelbildung, 487 Partikelemission, 170, 486, 492, 615 Partikelgröße, 490 Partikelgrößenverteilung, 164, 494 Partikelmasse, 163 Partikelstrahlung, 609 Partikelzahl, 904 PCCI, 171 PCCI-Verfahren, 171 pdf-Time-Scale-Modell, 928, 931, 932 Peclet-Zahl, 852 Pfeifenschwingung, 586, 589, 592, 594 Pflanzenöl, 79 Phasing, 152 Piezo-A-Düse, 901 Piezo-Injektor, 905 Piezo-Injektor, nach außen öffnend, 905 Piezomaterial, 556 Pirouetteneffekt, 861 PISO, 856 Poisson-Gleichung, 830, 856 Poisson-Verteilung, 888, 965 Polyeder-Netze, 858 Polyeder-Zellen, 858

1127 Polymerisation, 487 Polytropenexponent, 578, 597 Pope-Korrektur, 844, 903, 912 Positivitätsbedingung, 852 Potenzialgleichung, 830 Prandtlzahl, 870 Prandtl-Zahl, turbulente, 838 Preprocessing-Aufwand, 960 Primärzerfall, 865, 885, 887 Prismen, 858 probability density function, 842 Problem, gut gestelltes, 837 Problemsymmetrie, 862 Produktion, 840 Prompt-NO, 495, 499 Prozess des vollkommenen Motors, 29 Prozess, aerodynamischer, 885 Prüfzyklus, 525 Pyridin, 484 Pyrolyse, 491 Q Qualitätsregelung, 37 Quantitätsregelung, 36 Quarz (SiO2), 557 quasi-stationär, 497 Quasistationarität, 467 Querschnittsfläche, effektive, 864 Quetschspalt, 590 Quetschströmung, 152 R Radikale, 457 Randbedingung, 830, 840 Randbedingung, zyklische, 862 Raoult’schen Gesetz, 874 Rapsöl, 80 Rauchstoß, 616 Raumzündungsbrennverfahren, 922 Rayleigh-Taylor-Instabilität, 889 Reaktionsenthalpie ΔHR, 455 Reaktionsgleichung, 928 Reaktionskinetik, 454, 929 detaillierte, 493 Reaktionsmechanismus, 463, 465, 466, 468 detaillierter, 465, 469 Reaktionsrate, 462 Reaktionswärme, 455 Realgasverhalten, 924

1128 Realisierung, 836 Rechenleistung, 960 Reduktion, 466 Reduktion kinetischer Mechanismen, 466 Referenzdruckaufnehmer, 583 Referenzzelle, 533 Reflektionsgesetz, 891 Regime fette, 927 magere, 927 Registeraufladung, 212 Reibmitteldruck, 33 Reinitialisierung, 953 Rekombinationsstrahlung, 609 Representative Interactive Flamelets, RIF, 932 Research-Oktanzahl (ROZ), 64 Responsefaktor, 534 Restgas, 479 Restgasanteil, 597 Restgasmasse, 596 Reynolds-gemitteltes Turbulenzmodell, 844 Reynolds-Mittelung, 836 Reynolds-Spannung, 837, 845 Reynolds-Spannungs-Modell, 845 Reynolds-Spannungstensor, 838 Reynolds-Zahl, 834, 868, 900 Rezirkulationsgebiet, 866 Rightsizing, 197, 210, 214, 215 Rohemission, 160, 472 ROZ, 64 Rückreaktion, 496, 935 Ruß, 486 Rußabbrand, 611 Rußbildung, 152, 487, 488, 490, 492, 493, 610, 611, 616, 935 Rußkern, 490 Rußkonzentration, 610 Rußmassenbruch, 491, 935 Rußmessung Photoakustische, 544 Rußoxidation, 490, 611, 936 Rußpartikel, 30, 490, 609 Rußpartikel-Anzahldichte, 493 Rußpartikel-Größenverteilung, 493 Rußprimärteilchen, 488, 490 Rußsensor Photoelektrischer, 545 Rußstrahlung, 924 Rußtransportgleichung im Flameletansatz, 936

Sachverzeichnis Rußvolumen, 490 S Sacklochvolumen, 481 Sattelpunktsmethode, 958 Sauerstoff, 471 Sauerstoffkonzentration, 170 Saughubeinspritzung, 872 Sauterdurchmesser, 887 Scavenging, 206, 210 Schallgeschwindigkeit, 22 Schattenriss-Bild, 862 Schema, explizites, 853 Schema, implizites, 853, 854 Schema, stabiles, monotones numerisches, 851 Scherschicht, 961 Scherungstensor, 838 Schichtladung, 871, 924 Schichtladungsverbrennung, 955 Schleppbetrieb, 575 Schlieren-Streulichttechnik, 886 Schließungsansatz, 844 Schließungsproblem, 917 Schmidtzahl, 870 Schmidt-Zahl, turbulente, 837 Schrödinger-Bild, 909 Schubspannung, 840 Schubspannungsgeschwindigkeit, 839 Schweröl, 65, 66 SCR, 506 Seiligerprozess, 27 Sekundärströmung, 863, 864 Sekundärwirbel, 861 Sekundärzerfall, 885, 887 Selbstzündgrenze, 922 Selbstzündreaktion, 954 Selbstzündung, 37, 64, 155, 156, 459, 620 homogene, 922 kontrollierte, 604 Sensitivität, 945 Sensitivitätsanalyse, 467 Sensor Hall-, 568 induktiver, 569 optischer, 569 Sensorkopf, 570 Shell-Modell, 464, 933, 954 Sieben-Spezies-Gleichgewichtskinetik, 929 Siedelinie, 63

Sachverzeichnis Siedepunkt, 872 Siedetemperatur, 66 Siedeverhalten, 62 SIMPISO, 856 SIMPLE, 856 Simulation, 7 numerische, 3 Simulation, strömungsmechanische, 960 Simulationsprogramm, 7 Sitzdrall, 860 Sitzlochdüse, 481 Skalare, aktive, 833 Skalare, passive, 832, 833 Skalarfluktuation, 836 Skalierbarkeit, 960 Smog fotochemischer, 482 Smokemeter, 542 Smoluchowski-Modell, 493 Solitonen, 942 Spannungstensor, 828, 917 Speziesgruppe, 468 Speziesreduktion, 466 Speziestransportgleichung, 931 Spiegelsymmetrie, 859 Splashing-Modell, 849 Spray, 152 spray equation, 878 Spritzloch, 862, 865 Spritzloch, konisches, 865 Spritzloch, zylindrisches, 865 Spritzlocheintritt, 863 Spülgefälle, 209 Stabilitätsbedingung, 854 Stabilitätskriterium, 855 Standard-k-ε-Modell, 903 Standardmodell, 878, 880, 884, 890 Standard-Strahlmodell, 867, 901 STAR CD, 826, 919 StarCD, 961, 964 StarCD4, 858 Startreaktion, 457, 458, 465 Startzeit, 830 Statistische Konvergenz, 904 Stickoxid, 471, 495 Stickoxidemission, 170 Stickstoff, 471 Stickstoffdioxid, 495 Stickstoffmonoxid, 495

1129 thermisches, 495 Stickstoffverbindung, 30 Stokes-Zahl, 896 Stoß, 878 Stöße, elastische, 966 Stöße, inelastische, 966 Stoßfront, 914 Stoßintegral, 879, 881, 891 Stoßprozess, 890, 891, 964 Stoßwahrscheinlichkeit, 881 Strahldynamik, 879 Strahlentwicklung, 152 Strahlgleichung, 878, 882, 891 Strahlkegel, 905 Strahlmodell, 887, 905, 921, 925 Strahlmodellierung, 963 Strahlstabilität, 906 Strahlstatistik, 877 Strahlzerfall, 888, 902 primärer, 154 sekundärer, 155 Strömung, inkompressible, 828 Strömung, lokal homogene, 887 Strömung, reibungsfreie, 829 Strömung, turbulente, 835 Strömungslöser, 962 flächenbasierte, 858 zellbasierte, 858 Strömungsmechanik, 828 Strömungsmechanik, numerische, 849 Strömungsstrukturen, 859 Strömungswiderstand, 867, 891 Strömungswiderstandskrat, 868 Struktur, stoßwellenartige, 914 Strukturlinearität, 534 Subgrid-Modell, 845 Submodell, 849 Sulfat, 487 Summenbrennverlauf, 597 System geschlossene, 17 offene, 17 T Tangentialkanal, 860 Taylorzahl, 887 Teilstromverdünnung, 540 Teilstrom-Verdünnungssystem, 530 Temperatur, 459

1130 Temperaturdrit Zyklische, 581 zyklische, 583, 590, 593 zyklischer, 573 Temperaturkoeffizient, negativer, 460, 464 Temperaturmessung berührungslose, 625 Tetraeder, 858 Tetraedernetze, 858 hermische Drit, 581 hermisches NO, 495 hermodynamik 1. Hauptsatz, 597 2. Hauptsatz der, 19 Hauptsätze der, 11 Tochterpartikel, 888 Total Sediment Potential, 66 Totpunktbestimmung, 574 Transparentmotor, 614, 847 transported-pdf-Modell, 967 Transportgleichung, 831, 833, 837, 849 Transversaleffekt, 555 Triebwerk, 14 Tripelflamme, 955 Tropfen, 154 Tropfendichte, 912 Tropfenensemble, 877 Tropfen-Kinematik, 868 Tropfenklasse, 912, 964 Tropfenradius, 886 Tropfenrelaxationszeit, 896 Tropfenschwingungszustände, 868 Tropfenturbulenz, 868, 892, 896, 917 Tropfenturbulenzmodell, 963 Tropfenverteilungsdichte, 877 Tropfenverteilungsfunktion, 881 Tropfen-Wandkontakt, 891 Tumble, 860 Tumble-Strömung, 153, 859, 907 Tumble-Zahl, 848 Turbinenumschaltventil, 212 turbulent, 835 Turbulenz, 834, 836, 859, 885, 962 Turbulenzgröße, 836 Turbulenzinteraktion, 933 Turbulenzmodell, 834, 963 Turbulenzmodellierung, 847 Turbulenzproduktion, 940 Turbulenzproduktionsterm, 940

Sachverzeichnis Turbulenz-„Plateau“, 859 Twin-Scroll-Turbine, 207 U Umsetzungsgrad, 30 Unterschicht, laminare, 839 Unverbrannter Kohlenwasserstoff (HC), 478 V v2f-Modell, 841 Van-der Waals’sches Gas, 924 Variable, normierte, 834 Varianz, 842 Varianz des Mischungsbruchs, 841 Varianztransportgleichung, 954 Ventilhubumschaltung, 207 Ventilüberschneidung, 16 Verbindung, aromatische, 59 Verbrauchszyklus, 206 Verbrennung, 152 irreguläre, 623 ottomotorische, 938 reale, 471 unvollkommene, 30, 471, 600 unvollständige, 30, 471, 600 vollkommene, 30, 471 vollständige, 30, 471 vorgemischte, 156 Verbrennung, harte, 157 Verbrennung, mischungskontrollierte, 157 Verbrennung, turbulente, 921 Verbrennung, weiche, 157 Verbrennungsbeginn, 598 Verbrennungsdiagnostik, 6, 549 Verbrennungsende, 598 Verbrennungsgeräusch, 157 Verbrennungsmodellierung, 966 Verbrennungsregime, 921, 923 Verbrennungsschwerpunkt, 163 Verbrennungssimulation, 923 Verbrennungsstabilität, 619 Verbrennungsverlust, 604 Verdampfung, 871 Verdampfungsenthalpie, spezifische, 870 Verdichtergehäusekühlung, 213 Verdichtungsverhältnis, 25, 28, 35 Verdünnungseffekt, 474 Verfahren 2-Takt-, 16

Sachverzeichnis 4-Takt-, 16 Verformungsspannung, 572 Vergleichsprozess offener, 29 Verifikation, 7 Verlustkoeffizient, 864 Verlustteilung, 32, 599, 603 Verlustwinkel thermodynamischer, 574 Verteilungsfunktion, 842, 843, 965 Verzweigungsreaktion, 457 Viertakt-Dieselmotor, 152 VisioPressure Zündkerze, 618 Viskosität, 903 Viskosität, turbulente, 836, 837, 839, 846 Viskositätsterm, 829–831 Vollstromverdünnung, 539 Volumenarbeit, 17 von-Karman-Konstante, 839 Voreinspritzung, 157, 727 Vorentflammungen, 203 Vormischflamme, 615 Vormischverbrennung, 955 W Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, 490, 494 Wahrscheinlichkeitsverteilung, 882, 891, 908 Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion, 909 Walzendralls, 862 Wandfilm, 607, 615, 891 Wandfilmdynamik, 891 Wandgesetz, 839 Wandgesetz, logarithmisches, 839 Wandgrenzschicht, turbulente, 847 Wandgrenzschicht, viskose, 835 Wandschubspannung, 839 Wandwärmeübergang, 924 Wandwärmeverlust, 604 Wärme, 831 Wärmeaustausch, 867 Wärmefreisetzung, 30, 159, 614, 615, 926 Wärmeleitungsgleichung, 830 Wärmequelle, 831 Wärmestrom, 869 Wärmeübergangsmodell, 925 Wasserdampf, 471 Wassergasreaktion, 477 Wasserstoffabstraktion, 455 Wasserstoffatom

1131 primäres, 462 sekundäres, 462 tertiäres, 462 Wasserstoffmotor, 602 Wasserstoffperoxid, 455, 461 Wasserstoffverbrennung, 463 WAVE-Modell, 887 Weberzahl, 887 weißes Rauschen, 836 Welle, solitäre, 942, 953 Weller-Modell, 952 Wheatstone’sche Brücke, 563 Winkelauflösung, 569 Winkelaufnehmer, 568 Wirbel, 835 Wirbeldiffusionsansatz, 837 Wirbelpaar, 863 Wirbelschläuche, 864 Wirbelstruktur, 859 Wirbelviskositätsansatz, 837 Wirkungsgrad, 33 effektive, 31 indizierter, 602, 604 mechanischer, 34 thermischer, 22, 25 WLTP, 206 Wolfer-Gleichung, 933 Z Zeitskala, 891, 927, 931, 955 Zeitskala, chemische, 923 Zeitskala, turbulente, 836, 923 Zeitskalenanalyse, 467 Zeldovich-Mechanismus, 495, 934 Zellschicht, wandadaptierte, 857 Zerfall, 878 Zerfallsmode, 889 Zerfallsprozess, 885, 964 Zerfallszeit, 886, 926 Zerstäubung, 152 Zerstäubungsgesetz, 891 Zufallszahlen, 882 Zündabstand, 205 Zündaussetzer, 616, 617 Zündfähigkeit, 64 Zündfolgetrennung, 207 Zündkerzensensor, 621 Zündortbestimmung, 625 Zünd-OT, 575

1132 Zündtemperatur, 66 Zündung, 152, 457, 464, 465, 933, 953 Zündverzug, 457, 460, 552 Zündverzugszeit, 155, 156, 462 Zündvorgang, 457 Zündzeitpunkt, 480 Zustandsänderung, 19 polytrope, 29 Zustandsgleichung kalorische, 18, 831 thermische, 18, 831 Zweifarbenmethode, 609 Zweiphasenproblematik, 938 Zweiphasenströmung, 863, 939

Sachverzeichnis Zweischrittmechanismus, 464 Zweistufen-Zündung, 460, 462 Zweitakt-Dieselmotor, 152 Zweite Newtonsche Axiom, 829 Zweiteilchenstoßterm, 879 zweiter Hauptsatz der hermodynamik, 831 Zyklenschwankung, 595, 847, 948, 963 Zyklo-Alkane, 59 Zylinderabschaltung, 198, 203 Zylinderinnenströmung, 152 Zylindermasse, 597 Zylinderspitzendrücke, 213 Zylindervolumen, 15 Zylinderzahl, 197