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German Pages 256 [264] Year 2007
K A I TRÜMPLER
Grenzen und Abgrenzungen des Küstenmeeres
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Kristian Kühl Hans v. Mangoldt, Wernhard Möschel Martin Nettesheim, Dennis Solomon Wolfg ang Graf Vitzthum, Joachim Vogel sämtlich in Tübingen
Band 85
Grenzen und Abgrenzungen des Küstenmeeres
Von Kai Trümpier
sßi/M
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 978-3-428-12133-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 Θ
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort „Ich bin wohl Herr der Erde, Herr über das Meer aber ist das Gesetz." So leitete Kaiser Antoninus Pius seine Antwort auf die Bittschrift des Eudaimonos ein.* Das Seerecht war damals und ist auch heute ein eigenständiger Teil der Rechtsordnung und eben nicht nur die Verlängerung des an Land geltenden Rechtes. Vorliegende Arbeit, die im Wintersemester 2004/2005 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen wurde, will einen Blick auf eine der völkerrechtlichen Nahtstellen zwischen Erde und Meer werfen: das Küstenmeer, seine räumliche Bestimmung und das Gesetz, dem diese Nahtstelle unterworfen ist. Die Idee zu diesem Thema entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht einschließlich Völkerrecht meines Doktorvaters Professor Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum. Ich danke Professor Graf Vitzthum für seine stete Hilfe und Unterstützung, die mir doch jeden Freiraum ließen. Ich danke Professor Dr. Martin Nettesheim für seine zügige Zweitkorrektur und seine wertvollen Anregungen. Danken möchte ich auch Dr. Alexander Proelß, ohne dessen Rat und Hilfe diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Mein Dank gilt auch Professor Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit in die „Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht." Gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern und meiner Verlobten Jennifer Shelley, ohne deren geduldige Unterstützung, Toleranz und immer rechtzeitige Ermutigung es nicht entstanden wäre. Kai Trümpier
* Wagner, Herbert, Die lex Rhodia de iactu, Revue internationale des droits de l'antiquité 1997 (3e ser., Bd. 44), S. 357-380, 359 . Eudaimonos aus Nicomedia (in Bithynien) bat den Kaiser um Hilfe, nachdem er nach einem Schiffbruch „von Zollpächtern ausgeraubt worden war."
nsverzeichnis Einführung
15
Kapitel 1 Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland, den inneren Gewässern und der Hohen See A. Normale Basislinie und Kreisbogen I. Art. 10 KMÜ - Inseln und Küstenmeer
23 23 37
1. Horizontale Stetigkeit?
41
2. „naturally-formed"
42
3. Art. 121 SRÜ und Küstenmeerabgrenzung
43
II. Art. 11 KMÜ - trockenfallende Erhebungen III. Besonderheit des SRÜ: Riffe als normale Basislinie B. Abweichung von der normalen Basislinie I. Buchten 1. Das historische Konzept der Bucht
43 49 54 54 54
a) North Atlantic Coast Fisheries Arbitration
58
b) Haager Kodifikationskonferenz
62
2. ILC und Genfer Seerechtskonferenz
65
3. Art. 7 KMÜ im Einzelnen
67
a) Art. 7 Absatz 1 KMÜ
67
b) Art. 7 Absatz 2 KMÜ
73
c) Art. 7 Absatz 3 KMÜ
79
aa) „Natural Entrance Points"
80
bb) „Natural Entrance Points" auf dem Festland
83
8
nsverzeichnis d) Art. 7 Absatz 4 KMÜ
92
e) Art. 7 Absatz 5 KMÜ
95
f) Art. 7 Absatz 6 KMÜ
97
II. Häfen
101
III. Reeden
104
IV. Flüsse
106
V. Gerade Basislinien
112
1. Art. 4 KMÜ im Einzelnen
116
a) Art. 4 Absatz 1 KMÜ
117
aa) „deeply indented and cut into"
118
bb) „deeply indented"
120
cc) „cut into"
121
dd) Verhältnis von Basislinienlänge zur Breite der Einbuchtungen
122
ee) „fringe of islands along the coast in its immediate vicinity"
125
ff) „along the coast" gg) „immediate vicinity" b) Art. 4 Absatz 2 KMÜ
126 129 130
aa) „general direction"
131
bb) „sufficiently closely linked"
132
c) Art. 4 Absatz 3 KMÜ
134
Basispunkte im Meer
135
d) Art. 4 Absatz 4 KMÜ
138
„evidenced by long usage"
139
e) Art. 4 Absatz 5 KMÜ
140
f) Art. 4 Absatz 6 KMÜ
141
2. Hinweise auf Volkerrechtskonformität von geraden Basislinien
141
3. Abweichungen SRÜ/KMÜ
145
a) Art. 7 Absatz 2 SRÜ
145
aa) Verhältnis zu Abs. 1
146
bb) „delta and other natural conditions"
147
cc) „highly unstable"
148
dd) Gerade Basislinien von Bangladesch
149
nsverzeichnis b) Art. 7 Absatz 4 SRÜ
150
c) Art. 121 SRÜ
150
C. Besonderheiten des SRÜ
153
I. Teil IV - Archipelstaaten 1. Entwicklung des Archipels im Seerecht
153 154
a) Haager Kodifikationskonferenz
154
b) ILC und Genfer Seerechtskonferenz
156
c) 3. UN-Seerechtskonferenz
158
2. Teil IV im Einzelnen
159
a) Art. 46 SRÜ - Use of terms
159
b) Art. 47 SRÜ - Archipelagic baselines
161
aa) Art. 47 Absatz 1 SRÜ
162
bb) Art. 47 Absatz 2 SRÜ
163
cc) Art. 47 Absatz 3 SRÜ
165
dd) Art. 47 Absatz 4 SRÜ
165
ee) Art. 47 Absatz 5 SRÜ
166
ff) Art. 47 Absatz 6 SRÜ
167
gg) Art. 47 Absatz 7 SRÜ
167
hh) Art. 47 Absatz 8 SRÜ
170
ii) Art. 47 Absatz 9 SRÜ
170
c) Art. 48 SRÜ - Measurement of the breadth of the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf 170 d) Art. 50 SRÜ - Delimitation of internal waters 3. Staatenpraxis II. Art. 16 SRÜ-Publizitätserfordernis
171 173 177
1. Art. 16 Absatz 1 SRÜ
178
2. Art. 16 Absatz 2 SRÜ
178
D. Die Ausdehnung des Küstenmeeres
179
E. Die Abgrenzungshandlung
186
10
nsverzeichnis Kapitel 2 Die Abgrenzung des Küstenmeeres von benachbarten und gegenüberliegenden Staaten
191
A. Der Weg zur Äquidistanzlinie
194
I. Der Grisbardana Fall
195
II. Die Haager Kodifikationskonferenz B. Entwicklung der Äquidistanzlinie I. Vorbereitung der ILC II. Genfer Seerechtskonferenz - Äquidistanz als Grenze einseitigen Handelns C. Art. 12 KMÜ /15 SRÜ im Einzelnen I. Besondere Umstände - special circumstances II. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes zu special circumstances
197 198 202 203 205 207 208
1. Vorlage: Channel Continental Shelf Arbitration
209
2. Grönland/Jan Mayen Fall
211
3. Qatar v. Bahrain
213
III. Äquidistanz in der Rechtsprechung des IGH
215
IV. Definition besonderer Umstände
217
1. Quantifizierbare Hinweise auf besondere Umstände
219
2. Erforderlichkeit einer abweichenden Abgrenzung
221
Zusammenfassung
222
Literaturverzeichnis
230
Sachwortverzeichnis
251
Abbildungsverzeichnis Fig. 1 :
Verschiedene Tidearten an der Küste der Vereinigten Staaten (Beobachtungszeitraum 15.-16. 1. 1961)
25
Fig. 2:
Direkter Vergleich der Parallellinien-und der Kreisbogenmethode
31
Fig. 3:
Veranschaulichung der Zirkelmethode
33
Fig. 4:
Anwendung der Kreisbogenmethode zur Bestimmung der Position in Relation zur Küstenmeergrenze
34
Der amerikanische und der französische Vorschlag von 1930 zur Definition der Bucht im Vergleich
64
Fig. 6:
Monterey Bay
76
Fig. 7:
Vorschlag zur Bestimmung eines natürlichen Öffnungspunktes durch die Ziehung von Tangenten
80
Fig. 8:
Inseln im Buchteingang
85
Fig. 9:
Buzzard's Bay, Cape Cod Bay and Nantucket Sound
87
Fig. 5:
Fig. 10: San Francisco Bay und verbundene Buchten
91
Fig. 11 : Eine kleinere Bucht innerhalb einer größeren Bucht, die das Halbkreiserfordernis nicht erfüllt
96
Fig. 12: Mündung des Rio de la Plata mit Abschlusslinie und Abgrenzung
109
Fig. 13: Veranschaulichung des Kiistenmeergrenzverlaufs an der norwegischen Küste bei verschiedenen Küstenmeerbreiten 123 Fig. 14: Küstenmeergrenzen an einer tief eingebuchteten Küste und an einer „normalen" Küste im Vergleich
124
Fig. 15: Bestimmung der Überdeckung des Festlandes durch Inseln
127
Fig. 16: Anordnung von Inseln „wie Trittsteine vor der Küste"
128
Fig. 17: Beispiel eines vereinfachungsbedürftigen Küstenverlaufs
130
Fig. 18: Gerade Basislinien an der Südküste von Island
144
Fig. 19: Die Verteilung der Seegebiete um Rockall nach der Rücknahme der Ansprüche durch Großbritannien
151
12
Abbildungsverzeichnis
Fig. 20: Ziehung der Archipelbasislinien von Jamaika
160
Fig. 21: Frühere Küstenmeergrenze der Malediven
177
Fig. 22: Äquidistante Grenzziehung am Lake Erie
200
Fig. 23: Möglichkeiten der Grenzziehung zwischen benachbarten Staaten im Vergleich 201
Abungsverzeichnis ABLOS
IHO/IAG/IOC Advisory Board on the Law of the Sea
AJIL
American Journal of International Law
AVR
Archiv des Völkerrechts
Bd.
Band
BFSP
British and Foreign State Papers
BSH
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Bull.
Bulletin
C.Rob.
Christopher Robinson's Admiralty Reports
DOALOS
United Nations Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea
EPIL
Encyclopedia of Public International Law, hrsg. v. Bernhardt , Rudolf
ER
English Reports
IAG
International Association of Geodesy
ICJ
International Court of Justice
IGH
Internationaler Gerichtshof
IHO
International Hydrographie Organisation
1MB
International Maritime Boundaries, hrsg. v. Charney, Jonathan /. / Alexander, Lewis M.
IOC
Intergovernmental Oceanographic Commission
ISNT
Informal Single Negotiating Text
KMÜ
Genfer Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlußzone
Limits
Limits in the Sea
LoN
League of Nations
LoS
Law of the Sea
Mass
Massachusetts Reports
MNRG
Nouveau recueil général de traités et autres actes relatifs aux rapports de droit international: continuation du grand recueil de G. Fr. de Martens
NordT
Nordic Journal of International Law / Nordisk tidsskrift for international ret
NY
New York Reports
Oppenheim
Oppenheim's International Law, hrsg. v. Jennings, Robertl Watts, Arthur
PCA
Permanent Court of Arbitration
QB
Queen's Bench
Rep.
Report[s]
14
Abungsverzeichnis
RGDIP
Revue générale de droit international public
RIAA
Reports of International Arbitral Awards
RSNT
Revised Single Negotiating Text
SBC
Committee on the Peaceful Uses of the Sea-Bed and the Ocean Floor beyond the Limits of National Jurisdiction
SRÜ
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen
Supp.
Supplement
UNCLOS
United Nations Convention on the Law of the Sea
US
United States Supreme Court Cases
Wheat
Wheaton
WVRK
Wiener Vertragsrechtskonvention
YBIL
Yearbook of International Law
YBILC
Yearbook of the International Law Commission
Einführung Das Küstenmeer ist Staatsgebiet.1 Ohne auf den Status des Küstenmeeres näher einzugehen, ist doch ein Unterschied zum übrigen Staatsgebiet eines Landes, der terra firma , augenfällig: Das Küstenmeer ist Staatsgebiet nicht aus sich heraus. „Die Souveränität eines Küstenstaats erstreckt sich jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer [ . . . ] auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet w i r d . " 2 Anders als über das Landgebiet und wohl auch die inneren Gewässer 3 übt der Staat die Souveränität über das Küstenmeer nur deshalb aus, weil dieser Meeresstreifen an sein Landgebiet angrenzt. Die Souveränität des Küstenstaates ist insoweit nicht originär, sondern abgeleitet. Anknüpfungspunkt für diese Ableitung war und ist der Besitz des Landgebietes, 4 genauer: der Küste. „From the moment States were recognized as having rights over areas of sea - that is to say, for as long as there has been such a thing as the territorial sea - these rights have been based on two principles which have acquired almost idiomatic force [ . . . ] : the land dominates the sea and it dominates it by the intermediary of the coastal front [... ]." 5 Unmittelbar damit einher geht, dass der Staat diese Ableitung einseitig für sich selbst vornimmt. Jedenfalls in Richtung des offenen Meeres ist die Grenzziehung in der Regel ihm allein vorbehalten. 6 Hier schafft sich der Staat eigenes Staatsgebiet, in weiten Teilen ohne die Mitwirkung Dritter, kritisch begrenzt durch die 1 Art. 1 Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone, Genf, 29. 4. 1958 (im folgenden: Küstenmeerübereinkommen, KMÜ); Art. 2 United Nations Convention on the Law of the Sea, Montego Bay, 10. 12. 1982, 1833 UNTS 1994 (No. 31363), S. 397-581 (amtliche deutsche Übersetzung: Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen BGBl. 1994 II S. 1799, im folgenden: SRÜ). Vgl. statt vieler Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum, Wolfgang (Hrsg.), Völkerrecht, 3. Auflage Berlin 2004, S. 383 Rdn. 38; ders., Handbuch des Seerechts, Berlin 2006, Kap. 2 Rdn. 1; Petersen, Sönke, Staatsrechtliche Probleme einer Erweiterung des Küstenmeeres der Bundesrepublik Deutschland, DVB1. 1987, S. 78-85, 79. 2 Art. 2 I SRÜ. 3
Vgl. die Ausführungen zur Geschichte der Buchten unter Kap. 1, B.I.l. (S. 54). Versuche, etwa durch Großbritannien im 17. Jhd., sich von diesem Anknüpfungspunkt weitgehend zu lösen, konnten sich nicht durchsetzen. 5 Weil, Prosper, The Law of Maritime Delimitation - Reflections, Cambridge 1989, S. 51. 6 Lucchini, Laurent /Vœlckel, Michel, Droit de la mer, Bd. 2 / 1 Délimitation, Paris 1996, S. 6 para 540; vgl. IGH, Fisheries, ICJ Rep. 1951, S. 106, 132: „The delimitation of sea areas has always an international aspect; it cannot be dependent merely upon the will of the coastal State as expressed by municipal law. Although it is true that the act of delimitation is necessarily a unilataral act, because only the coastal state is competent to undertake it, the validity of the delimitation with regard to other states depends upon international law." 4
16
Einführung
Normen des Völkerrechts. Schon früh wurden für diesen Vorgang rechtsverbindliche Vorgaben diskutiert. Der Bogen spannt sich von der Kanonenschuss- über die Drei-Meilen Regel, den Exzessen der 1970er Jahre bis zu der 12 sm-Grenze des SRÜ.7 Im Brennpunkt der Diskussion stand dabei für die längste Zeit die Breite des Küstenmeeres. Im Schatten dieser Frage entwickelte sich jedoch insbesondere auf der Haager Kodifikationskonferenz von 1930, durch die Kodifikationsbemühungen der ILC in den 50er Jahren sowie auf den Genfer Kodifikationskonferenzen von 1958 ein detaillierter Rahmen, innerhalb dessen der Staat einseitig die Abgrenzung vornehmen kann. Die Bestimmung der äußeren Küstenmeergrenze war und bleibt für den Staat eine existentielle Frage, betrifft sie doch mit dem Staatsgebiet eines seiner Wesensmerkmale. Es überrascht daher nicht, dass während des Kodifikationsprozesses nicht die Experten um die technisch beste, einfachste oder sicherste Lösung rangen, sondern vielmehr die Territorial- (eigentlich: Aquitorial-)interessen das Handeln diktierten. Dabei war über die weniger offensichtlich gebietsbestimmenden Fragen in abseits tagenden Expertenkomitees häufig eher Übereinstimmung zu erzielen als über diejenigen, die sich auf eine Zahl reduzieren ließen und so für jedermann das Gelingen oder Scheitern eines Verhandlungsvorschlages nachvollziehbar machten, allen voran die Frage der Küstenmeerbreite. So ist es kein Zufall, dass die grundlegenden technischen Fragen etwa nach der Niedrigwasserlinie und der Behandlung von trockenfallenden Erhebungen im zuständigen Komitee auf der Haager Konferenz fast konventionsreif zum Abschluss geführt wurden, die Konferenz letztlich aber an den verschiedenen Auffassungen zur Küstenmeerbreite scheiterte. Dennoch wurde nicht nur diese „Jahrhundertfrage" 8 des Küstenmeerrechts, sondern auch die Suche nach Antworten auf viele Detailfragen in der Diskussion maßgeblich durch zwei Strömungen bestimmt. Während die großen, seefahrenden Nationen stets bestrebt waren, die Ausdehnung der Zonen staatlicher Kontrolle über See soweit als möglich zu begrenzen, um die Bewegungsfreiheit ihrer Flotten zu garantieren, .strebten insbesondere die Küstenstaaten unter den Entwicklungsländern nach mehr nationaler Kontrolle über die See. Dieser Drang war zwar auch von Sicherheitsinteressen geprägt, vor allem aber vom Streben nach Ressourcen, die sich verschiedene Nationen aus dem Meer erhofften. 9 7
Vgl. die Darstellung zur Entwicklung der Küstenmeerbreite Kap. 1, D. (S. 179 ff.). Graf Vitzthum, Wolf gang / Platzöder, Renate, Wirtschaftszonen und Archipelstaaten Zwei Probleme der Dritten UN-Seerechtskonferenz, Verfassung und Recht in Übersee 1974 (Bd. 7), S. 289-305, 289. 9 Wie sehr dabei die Hoffnung auf Ressourcen und nicht das sichere Wissen das Handeln diktierte, zeigt eine Anekdote um Manganknollen aus den Verhandlungen der 3. UN-Seerechtskonferenz. Vielen galten sie als die kommende Ressource der Tiefsee, sie sollten einen Großteil des kommerziellen Wertes des Gemeinsamen Erbes der Menschheit ausmachen. Während der Verhandlungen stach 1973 die Glomar Explorer des exzentrischen Milliardärs 8
Einführung
Es ist nicht ohne Ironie, dass die meisten großen Seefahrtnationen zu den Staaten mit den längsten Küsten gehören und daher ebenfalls von einer Ausdehnung nationaler Kontrolle unmittelbar profitieren. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb jedoch der Wunsch nach maximaler Bewegungsfreiheit in ihrem Handeln dominant. Die Herausforderungen, die sich aus der Entdeckung von Öl auf dem Festlandsockel ergaben, wurden mit dem Ansatz umgangen, der sich bereits im Aufkommen von Fischereizonen, dort freilich als Problem für die Fischereinationen, angedeutet hatte. Die Befugnis zur Ausbeutung von Rohstoffen wurde von der allumfassenden Hoheitsgewalt gelöst und für sich auf die „neuen" Gebiete erstreckt. Diese Entwicklung fand mit dem ausdifferenzierten zonalen System des SRÜ ihren vorläufigen Abschluss. Die Vehemenz der Auseinandersetzung über das Küstenmeer verwundert zunächst angesichts der flächenmäßig und wirtschaftlich viel bedeutenderen Einführung von AWZ und Festlandsockel. Sie wird erklärlich aus der Natur des Küstenmeeres als Staatsgebiet. Verhandlungen über die Ausdehnung waren daher stets Verhandlungen über die Souveränität des Staates, und zumindest vor der Entwicklung der Funktionshoheitsräume damit auch über ein „Alles oder Nichts". Zudem liegt - trotz des Rechtes der friedlichen Durchfahrt - in jeder Ausdehnung des Küstenmeeres auch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Meeresnutzer. Schließlich vermittelte in den 1930er bis in die 1970er Jahre allein das Küstenmmeer das Recht zur Ausbeutung der lebenden Ressourcen, so dass seine Ausdehnung zugleich eine Verringerung der Erwerbsmöglichkeiten für die Fischereiflotten anderer Länder bedeutete. Erst mit der Akzeptanz von Fischerei- bzw. Wirtschaftszonen 10 verlor dieser Aspekt der Küstenmeerdebatte allmählich an Bedeutung, bis auf der 3. Seerechtskonferenz der Konflikt zwischen Bewegungsfreiheit und Souveränitätsanspruch in den Vordergrund trat. Ein Beispiel für einen Streit um die Küstenmeergrenze, der vor allem durch die Aufteilung von Fischgründen bestimmt war, ist der anglo-amerikanische Fischereistreit (vgl. Kapitel 1, B.I.l.a), S. 58). Jedoch ist dieser Fall in zweifacher Hinsicht untypisch, da er zum einen nicht die Breite des Küstenmeeres, sondern die technische Frage nach der Definition von Buchten zum Gegenstand hatte. Zum anderen handelt es sich um einen der wenigen das Küstenmeer betreffenden Fälle, die ihren Weg vor ein internationales Gericht fanden. In der Regel fehlt es Drittstaaten am Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Ausdehnung des Küstenmeeres betreffende Völkerrechtsverletzungen kaum im Wege internationaler Streitschlichtung angegriffen werden können. Es bleibt dann nur, die als rechtswidrig eingeschätzte Maßnahme diplomatisch zu rügen. Die USA gehen hier mit dem Freedom ofNavigaHoward Hughes in See, angeblich um Manganknollen zu fördern. Dies bestärkte viele Delegierte in der Überzeugung, es handele sich um einen Rohstoff, der kurz vor seiner wirtschaftlichen Ausbeutbarkeit stehe. Tatsächlich war es die Aufgabe der Glomar Explorer, ein gesunkenes sowjetisches U-Boot zu heben, die Manganknollen nur eine Tarngeschichte. Ihre wirtschaftliche Förderung ist seit nunmehr 30 Jahren etwa 10 Jahre entfernt, io Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Fn. 1), S. 394 Rdn. 52. 2 Trümpier
18
Einführung
tion Program einen Sonderweg, indem ihre Marine Gebiete, auf die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Ansprüche erhoben werden, ostentativ wie Hohe See (bzw. AWZ) behandelt. Anders verhält es sich, wenn zwei Staaten dasselbe Gebiet als Küstenmeer beanspruchen. Hier kommt es häufiger zu einer Lösung durch die internationale Gerichtsbarkeit. Dabei war in jüngerer Zeit der Streit um das Küstenmeer meist nur Teil einer angestrebten Gesamtlösung. So stand in Qatar v. Bahrain 11 und mehr noch in Nigeria v. Cameroon 12 die Grenze des Festlandsockels im Vordergrund. Dies führte oftmals auch dazu, dass im Urteil die Rechtsgrundlagen für die Abgrenzung des Festlandsockels nicht mit der gebotenen Klarheit von den Rechtsgrundlagen für die Abgrenzung des Küstenmeeres unterschieden wurden. Der erste, landwärtige Teil der Grenze wird lediglich als im Küstenmeer liegend betrachtet, seine Festlegung bildet den fast schon nebensächlichen Auftakt für die hinaus auf das Meer weisende Grenze, ohne dass die Änderung in der Rechtsnatur zwischen Küstenmeer als Staatsgebiet und AWZ / Festlandsockel als Räume nur funktionaler Hoheitsrechte genügend beachtet wird. Durch die übereinstimmende Art und Weise der Abgrenzung wird das Küstenmeer nicht nur in seiner Rechtsnatur an die AWZ und den Festlandsockel herangerückt; es wird auch zum Objekt einer „distributive justice", 13 die die Rechtsprechung zum Festlandsockel entgegen anders lautender Beteuerungen bis in die neueste Zeit hinein kennzeichnet. Dabei sind für das Küstenmeer Überlegungen der Verteilungsgerechtigkeit verfehlt. Auch für die AWZ und den Festlandsockel ist es mehr als fraglich, ob Erwägungen in diese Richtung zum Tragen kommen sollten, führte der IGH doch schon im Nordsee-Festlandsockelfall aus: „There can never be any question of completely refashioning nature [ . . . ] . " 1 4 Jedoch stehen Verteilungsüberlegungen der Rechtsnatur von AWZ und Festlandsockel wesentlich näher, ist doch die Neuverteilung von Rechten an den Ressourcen, die sich in ihnen befinden, Grund und Zweck ihrer Existenz. Allerdings betreffen diese Funktionshoheitsräume vor allem die „vertikale" Verteilung zwischen einer weit verstandenen Staatengemeinschaft und dem Einzelstaat, nicht aber die „horizontale" Verteilung zwischen zwei Staaten. Überschattet von der wirtschaftlichen Bedeutung der Abgrenzung der Funktionshoheitsräume ist der Abgrenzung des Küstenmeeres die Eigenständigkeit abhanden gekommen, die ihr aufgrund der besonderen Interessenlage, ihrer Geschichte und der diese Eigenarten reflektierenden Konventionsbestimmungen zukommt. 11
IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain (Qatar v. Bahrain), Urteil v. 16. 3. 2001, ICJ Rep 2001, S. 40. ]2 IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Urteil v. 10. 10. 2002, über . 13
Friedmann, Wolfgang, The North Sea Continental Shelf Cases - A Critique, AJIL 1970 (Bd. 64), S. 229-240, 236. '4 IGH, North Sea Continental Shelf, Urteil v. 20. 2. 1969, ICJ Rep. 1969, S. 49, para 91.
Einführung
19
Schlimmer noch, alle Probleme der unscharfen Begrifflichkeiten, Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe, die die Abgrenzung des Festlandsockels plagen, diffundieren durch die unbedachte Angleichung ohne Not in die Küstenmeerabgrenzung hinein. Dort, wo die größtmögliche Rechtssicherheit erforderlich wäre, wo zwei Staaten sich unmittelbar, gleichsam Auge in Auge und oftmals mit entgegengesetzten Sicherheitsinteressen gegenüberstehen, bieten zumindest die früheren Prinzipien der Festlandsockelabgrenzung nur Allgemeinplätze. Durch die neuere Rechtsprechung des IGH ist im Ansatz Besserung in Sicht. Vorliegende Arbeit zielt darüber hinaus auf eine weniger „distributive", denn an geographischen Fakten orientierte Abgrenzungslösung, die wesentlich die Staatsgebietsqualität des Küstenmeeres im Blick hat. Diesbezüglich ist sowohl eine Präzisierung der Grundlagen der Festlegung der Außengrenze als auch eine der zwischenstaatlichen Grenzen des Küstenmeeres erforderlich. Mögen diese die Grenzen und Abgrenzungen des Küstenmeeres betreffenden Normen auch vereinzelt sehr technisch erscheinen, kommt ihnen doch als Determinanten des Staatsgebiets des Küstenstaates erhebliche Bedeutung zu. Umso größer ist ihre Bedeutung für die seewärtige Abgrenzung, als allein die Übereinstimmung mit ihnen über die Richtigkeit der Grenze entscheidet, denn kein anderer Staat bildet hier ein Korrektiv. Dennoch haben diese Vorschriften, zumal in der deutschen Literatur, im Vergleich zu Statusfragen eher wenig Beachtung gefunden. Die umfassende Arbeit von Münch 15 stammt aus den 1930er Jahren, aus einer Zeit also, da die Entwicklung des heute verbindlichen Rahmens erst ihren Anfang nahm. Die vorliegende Untersuchung setzt sich zum Ziel, diese Lücke zu schließen. Gang der Untersuchung Der Gang der Untersuchung ergibt sich gedanklich aus der Abgrenzungshandlung: Zunächst erfolgt die Festlegung der Basislinie, dann wird von dieser Linie die Küstenmeerbreite abgetragen, um die äußere Küstenmeergrenze zu bestimmen. Schließlich sind mögliche konkurrierende Ansprüche benachbarter Staaten zu berücksichtigen. Vornehmlich gilt es bei der Abgrenzung deren Ausgangspunkt, eigentlich deren Ausgangs//me, die Basislinie zu bestimmen. Regelfall 16 ist hier die normale Basislinie, die Niedrigwasserlinie entlang der Küste. Im Rahmen der Bestimmung dieser Linie stellen sich insbesondere Fragen nach dem Niedrigwasserdatum sowie dem Einfluss von Inseln und trockenfallenden Erhebungen auf diese Linie. Zum Verständnis der weiteren Untersuchung wird bereits hier die Frage nach dem richtigen Weg von dieser Linie zur äußeren Grenze des Küstenmeeres erörtert, d. h. die Kreisbogenmethode und ihre Eigenschaften. 15
Münch, Fritz, Die technischen Fragen des Küstenmeeres, Kiel 1934. 16 Vgl. dazu Kap. 1, B.V.l.a) (S. 117). 2*
20
Einführung
Den größten Raum im ersten Kapitel nimmt die Frage nach zulässigen Abweichungen von der normalen Basislinie ein. Während Häfen, Flüsse und Reeden hier einige Fragen aufwerfen, liegen die wichtigsten Probleme im Bereich der Buchten und vor allem der geraden Basislinien. Hier sind durch Abweichungen von der normalen Basislinie die größten Gebietsgewinne für den Staat zu erwarten. Es folgt eine Betrachtung der besonderen Vorschriften des SRÜ im Bereich der Archipele. Diese neue Gestaltungsmöglichkeit für Inselstaaten ist einmal wegen des besonderen Status der Archipelgewässer für diese Untersuchung relevant, sind diese dem Küstenmeer in ihrer Rechtsnatur doch so nahe, dass ihr Ausschluss aus dieser Untersuchung künstlich wäre. Auch bilden die Archipelbasislinien die Basis für die Abgrenzung des Küstenmeeres der Archipele, so dass allein deshalb ihre nähere Betrachtung erforderlich ist. Den Abschluss des ersten Kapitels bilden ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung der Küstenmeerbreite und einige Überlegungen zur Rechtsnatur der Abgrenzungshandlung. Das zweite Kapitel geht der Frage nach, welche Regelungen im Fall sich überlagernder Küstenmeeransprüche gelten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Art. 12 KMÜ /15 SRÜ, mithin auf der Situation in Abwesenheit eines Übereinkommens der betreffenden Küstenstaaten und vor der eventuellen Anrufung eines Schiedsgerichtes. Die in der Abgrenzung geltenden Normen sind dabei grundsätzlich nach solchen, die das einseitige Handeln eines Staates vor einem Abkommen oder Streitschlichtungsverfahren bestimmen, und nach solchen, die eine endgültige Abgrenzung durch die beteiligten Staaten oder ein Schiedsgericht leiten, zu unterscheiden. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Erwägungen, die in einer endgültigen Abgrenzung zu berücksichtigen sind, wird hier nur das Grundprinzip kurz dargestellt und im Schwerpunkt auf die vor einer endgültigen Abgrenzung zu beachtenden Normen eingegangen. Die Arbeit konzentriert sich auf das kodifizierte Recht. Grund hierfür ist die breite Akzeptanz des SRÜ. Das SRÜ hat heute 152 Vertragsparteien. 17 Lediglich 20 der 153 Küstenstaaten haben es nicht ratifiziert, und von diesen 23 planen einige einen baldigen Beitritt. 18 Die USA, als die verbleibende Nicht-Vertragspartei mit der größten maritimen Bedeutung, hatten bereits frühzeitig die Konvention als in weiten Teilen, darunter auch Teil II, Gewohnheitsrecht reflektierend anerkannt. 19 Darüber hinaus sind sie, wie auch fünf weitere der 20 Staaten,20 Partei 17 Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Status of the United Nations Convention on the Law of the Sea [ . . . ] , über: . 18
A / 5 9 / 6 2 (4. 3. 2004), Oceans and the law of the sea, Report of the Secretary-General, para 6 und A/ 60/63 (4. 3. 2005), Oceans and the law of the sea, Report of the SecretaryGeneral, para 3 (die dort genannte Zahl von 24 berücksichtigt noch nicht den Beitritt Lettlands, Dänemarks, Estlands und von Niue). 19 Statement by the President ν. 10. 3. 1983, LoS Bull. 1, S. 80-82, 81, auch: ILM 1983 (Bd. 22), S. 461 -465. Auch die USA befinden sich im Prozess der Ratifizierung des SRÜ und ein Beitritt erscheint in absehbarer Zeit nicht mehr ausgeschlossen.
Einführung
des KMÜ, so dass dessen Kernvorschriften zur Abgrenzung auch auf sie Anwendung finden. Aus der Dominanz des kodifizierten Rechts und der besonderen Stellung des KMÜ und des SRÜ in der Kodifikation des Rechtes der Küstenmeerabgrenzung ergibt sich die Struktur der Arbeit: Die besonderen Probleme werden anhand der Vorschriften der Konventionen besprochen. Dabei ergibt sich die Reihenfolge aus dem Bemühen, die Ergebnisse eines Problemkreises für die weitere Diskussion zu nutzen. So können grundsätzliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Buchten die Grundlage für bestimmte Schlüsse bei der Interpretation der Vorschriften zu den geraden Basislinien bilden. Daher folgt die Darstellung nicht zwangsläufig der Reihenfolge der Artikel in den Konventionen. Die direkte Anknüpfung an die Artikel des KMÜ und SRÜ garantiert zwar eine möglichst umfassende Darstellung, hat aber auch einen handbuchartigen Aufbau zur Folge. Die leichte Zugänglichkeit der Ergebnisse dieser Form hat an einigen Stellen den Preis der Aufteilung einer Frage in mehrere Teile, so etwa im Bereich der Riffe (Art. 6 SRÜ und Art. 47 VII SRÜ). Es wird versucht, dem mit Verweisungen innerhalb des Textes zu begegnen. Schließlich muss auf eine Besonderheit hingewiesen werden, die sich aus dem relativ engen Thema der Küstenmeerabgrenzung ergibt. Hier erfolgte die maßgebliche Kodifikationsleistung, anders als für fast alle übrigen Bereiche des Seerechts, in der Küstenmeerkonvention. Die einschlägigen Vorschriften des KMÜ finden sich bis auf wenige Ausnahmen unverändert im SRÜ wieder. Zwar hat es in den Verhandlungen zum Seerechtsübereinkommen Ansätze zur Neukodifizierung gegeben, letztlich setzten sich jedoch die überkommenen Formulierungen durch. 21 Die wichtigen historischen Quellen stammen vor allem aus der Entstehungsgeschichte des Küstenmeerübereinkommens. Ist daher der Wortlaut nicht eindeutig, findet sich eine Vorgeschichte, die „vorbereitenden Arbeiten' 4 , 22 die für die Interpretation hilfsweise herangezogen werden können, in der Regel nur für das KMÜ. 2 3 Daher ist zunächst der Text des KMÜ zitiert. Außerdem werden durch diese Darstellungsweise Entwicklungen im Recht der Küstenmeerabgrenzung 20
Kambodscha, Israel, Thailand, Dominikanische Republik und Venezuela (Status of Multilateral Treaties Deposited with the Secretary-General, Chapter XXI, über: ; weder Partei des SRÜ noch des KMÜ sind folgende Küstenstaaten: Republik Kongo, Eritrea, Liberia, Libyen, Marokko, Dem. Volksrepublik Korea, Iran, Syrien, TimorLeste, Vereinigte Arabische Emirate, Kolumbien, Ecuador, El Salvador und Peru). 21 Dies ist nicht unproblematisch, nicht zuletzt im Hinblick auf die Ausweitung des Küstenmeeres; vgl. hier die grundsätzliche Kritik in IGH, Qatar ν. Bahrain, Sep. Op. Oda, ICJ Rep. 2001, S. 40, 124 para 6 - 7 , S. 131 - 132 para 20-21. 22
Art. 32 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRK). Dies ist nicht zuletzt auch Resultat der informellen Arbeitsweise der 3. UN-Seerechtskonferenz, die so gut wie keine Wortprotokolle aus den entscheidenden Beratungen hinterlassen hat. 23
22
Einführung
transparenter, dies gilt etwa für die Unterschiede zwischen Art. 4 KMÜ und Art. 7 SRÜ. Abweichungen zum SRÜ werden daher besprochen, soweit sie relevant sind und natürlich werden eigenständige Neuheiten des SRÜ, wie etwa die Archipele, eingehend erörtert.
Kapitel 1
Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland, den inneren Gewässern und der Hohen See A. Normale Basislinie und Kreisbogen Welche Breite das Küstenmeer auch haben mag, seien es drei oder zweihundert Seemeilen, 24 zur Festlegung der äußeren Grenze wird ein verlässlicher Ausgangspunkt, eine genau festgelegte Basis benötigt. Das K M Ü (und das Seerechtsübereinkommen insoweit wortgleich in Art. 5) scheint in Art. 3 eine einfache Antwort auf die Frage nach dieser Basis zu geben: „Except where otherwise provided in these Articles, the normal baseline for measuring the breadth of the territorial sea is the low-water line along the coast marked on large-scale charts officially recognized by the state."25 Die Niedrigwasserlinie als Ausgangspunkt, als „normale Basislinie" erscheint auf den ersten Blick selbstverständlich, ist aber erst relativ jungen Datums. Als erster völkerrechtlicher Vertrag bezog sich die Fischereikonvention zwischen Frankreich und Großbritannien von 1839 2 6 auf die Niedrigwasserlinie als Basis für die weiteren Messungen. 27 24
Die Länge einer Seemeile beträgt 1.852 Meter. Diese Länge wurde 1929 von der IHO auf der Internationalen Hydrographischen Konferenz verabschiedet und gilt als allgemein akzeptiert (International Hydrographie Organization, A Manual on the Technical Aspects of the United Nations Convention on the Law of the Sea - 1982, Special Publication No. 51, 3. Auflage Monaco 1993, [TALOS-Manual], S. 42 para 1.6; Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Handbook on the Delimitation of Maritime Boundaries, New York 2000, S. 157). Vgl. zur Entwicklung der Ansprüche die Aufstellung in Ipsen, Knut Völkerrecht, 5. Auflage München 2004, S. 833 § 52 Rdn. 5. 25
In der deutschen Übersetzung des SRÜ: „Soweit in diesem Übereinkommen nichts anderes bestimmt wird, ist die normale Basislinie für die Messung der Breite des Küstenmeeres die Niedrigwasserlinie entlang der Küste, wie sie in den vom Küstenstaat amtlich anerkannten Seekarten großen Maßstabs eingetragen ist." BGBl. 1994 II, S. 1799. 26 Convention for Defining and Regulating the Limits of the Exclusive Right of the Oyster and Other Fishery on the Coast of Great Britain and of France, Paris, 2. 8. 1839, BFSP Bd. 27, S. 983. 27
O'Connell, Daniel Patrick/Shearer, Bd. 1, Oxford 1982, S. 172.
Ian (Hrsg.), The International Law of the Sea,
24
Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Das römische Recht definierte die Küste anhand des Hochwasserstandes.28 Andere vorgeschlagene Bezugsgrößen waren der Wasserstand zum Zeitpunkt des relevanten Ereignisses, der Beginn der Schiffbarkeit, sowie die Standpunkte, an denen die Errichtung von Küstenbatterien ohne Gefahr möglich ist. 29 Im Zug der Fischereikonvention für die Nordsee 30 setzte sich die Niedrigwasserlinie als Basislinie in Europa durch. 31 Allerdings wurde auch noch im Vorfeld der Genfer Seerechtskonferenzen von 1958 die Hoch Wasserlinie als mögliche Referenz diskutiert. Die von der ILC im April 1958 in Den Haag einberufenen Expertenkommission entschied sich aber letztlich für die Niedrigwasserlinie; sie wurde vorgezogen, weil sie dem Staat das Recht gebe, sein Küstenmeer von einem weitestmöglichen, oberhalb der Niedrigwasserlinie liegenden Territorium zu messen.32 Die Wahl der Niedrigwasserlinie dehnt so das originäre Staatsgebiet - die terra firma - aus, das Küstenmeer selbst wird nicht vergrößert, sondern nur seewärts verschoben. Die Definition des Art. 5 SRÜ/Art. 3 KMÜ hat sich heute gewohnheitsrechtlich durchgesetzt und ist damit auch für die Nichtvertragsparteien des SRÜ verbindlich. 33 Es bleibt jedoch die Frage, welche Niedrigwasserlinie ausschlaggebend sein soll. Hier ist die Entscheidung durch die komplizierte Natur der Tiden nicht eindeutig. Die Gezeiten entstehen durch ein Wechselspiel der Anziehungskraft des Mondes und der Sonne auf die Wassermassen der Erde auf der einen Seite und, vereinfacht gesagt, zentrifugaler Gegenkräfte auf der anderen Seite. Einfluss auf die Höhe der jeweiligen Tide haben demnach die Umlaufzeit des Mondes um die Erde (29 1/2 Tage) sowie der Erde um die Sonne und die Inklination der Erde als astronomische und die geologischen und geographischen Gegebenheiten als lokale Faktoren. 34 So kommt es an verschiedenen Orten der Erde zu verschiedenen Tidenhüben (vgl. Fig. 1). In weiten Teilen der Weltmeere dominieren halbtägige Gezeiten, d. h. an einem Tag sind etwa zwei gleich stark ausgeprägte Gezeiten zu beobachten. Jedoch gibt es im nördlichen und westlichen Teil des Pazifiks Gebiete mit einem stark ausgeprägten ganztägigen Gezeiteneinfluss, 35 in denen auf eine 28
„Est autem litus maris, quatenus hibernus fluctus maximus excurrit", Institutes II, 1,3 zitiert nach O'Connell/Sherarer (Fn. 27), S. 171 Fn. 10. 2 9 Vgl. O'Connel/ Shearer {Fn. 27), 172. 30 Polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der Küstengewässer [Nordsee-Fischereikonvention], Den Haag, 6. 5. 1882, RGBl. 1884, S. 25. 31 Dahm, Georg/Delbrück, Jost/Wolfrum, Rüdiger, Völkerrecht, Band 1/1, 2. Auflage Berlin 1989, S. 422. 32
Shalowitz, Aaron L., Shore and Sea Boundaries, Bd. 1, Washington 1962, S. 84-85. IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 91 para 167, S. 204 para 189; IGH, Fisheries, ICJ Rep. 1951, S. 116, 128. Vgl. auch PCA, Eritrea v. Yemen II, ILM 2001 (Bd. 40), S. 983, 1006, para 134, 135. 34 Shalowitz I (Fn. 32), S. 213 Fn. 9. 33
35 Martin, Christiane, Stichwort „Gezeiten".
Lexikon der Geowissenschaften (CD-ROM), Heidelberg 2002,
Α. Normale Basislinie und Kreisbogen
25
relativ schwache Ebbe eine relativ starke Ebbe folgt (vgl. den Verlauf der Tide in San Francisco in Fig. 1). Ferner überlagern sich bei halbtägiger Gezeitenform an den meisten Orten ein bis zwei Tage nach Vollmond die mond- und sonnenerzeugten Gezeiten zu besonders starken Gezeiten, den Springtiden, denen 7,4 Tage später besonders schwache Gezeiten, die Nipptiden folgen. 36 Unter bestimmten Voraussetzungen sind Niedrigwasser zu erwarten, die noch tiefer als das „übliche" Springniedrigwasser ausfallen (LAT - lowest astronomical tide , der niedrigste Wasserstand, der aufgrund astronomischer Gegebenheiten zu erwarten ist, ohne meteorologische Einflüsse 37 ). 38
Quelle. Shalowitz I [Fn. 32], S. 83, Fig. 17.
Fig. 1 : Verschiedene Tidearten an der Küste der Vereinigten Staaten (Beobachtungszeitraum 15.-16. 1. 1961) 36
Martin (Fn. 35), „Gezeiten". International Hydrographie Organization, IHO-Dictionary, Special Publication S. 32, Monaco 2004, HR-3330. Es handelt sich dabei um ein rechnerisches Datum, das so nicht beobachtet werden kann. 37
3
« O'Connell I (Fn. 27), S. 173.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Niedrigwasserlinien denkbar. 39 In Gebieten mit starkem ganztägigen Einfluss, so ζ. B. Kalifornien, sind dies die Linien des mittleren niedrigen Niedrigwassers, des mittleren höheren Niedrigwassers, des mittleren niedrigen Springniedrigwassers, des mittleren höheren Springniedrigwassers sowie eben die lowest astronomical tide. Dem Text der Genfer Küstenmeerkonvention, wie auch dem des SRÜ, lässt sich kein Hinweis entnehmen, welche dieser Linien der Staat als Ausgangspunkt nehmen soll. Im Gegensatz dazu wurde auf der Haager Konferenz von 1930 ein Vorschlag gemacht, der zwar ebenfalls die Niedrigwasserlinie auf den offiziellen Karten des Küstenstaates als Basislinie zugrunde legte, jedoch nur insoweit, als diese Linie nicht erheblich von der mittleren Springniedrigwasserlinie abweicht.40 In ihrem Kommentar zum Entwurf von Art. 4 (später Art. 3) des KMÜ führt die ILC aus, dass sie bewusst auf eine ähnliche Einschränkung verzichtet habe, da es kaum wahrscheinlich sei, dass das Fehlen einer solchen Einschränkung die Regierungen dazu bewegen werde, die Niedrigwasserlinien ihrer Seekarten unbegründet („unreasonable") zu verschieben.41 Der UN-Generalsekretär hat 1981 in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Internationale Hydrographische Büro in einer Resolution empfohlen habe, die Niedrigwasserlinie solle auf einer so niedrigen Ebene liegen, dass die Tide nicht häufig („not frequently") darunter fällt. 42 Dies würde auf das Springniedrigwasser oder LAT als Bezugsgröße hinauslaufen. 43 Eine Studie der UN Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea nennt vier Niedrigwasserlinien: die LAT, das mittlere Springniedrigwasser, das mittlere niedrige Springniedrigwasser und den mittleren Wasserstand44 (in der Bundesrepublik etwa Normalnull entsprechend). Hier sind zumindest bei Normalnull Zweifel angebracht, ob es sich überhaupt um eine Niedrigwasserlinie handelt, da es sich aus dem Mittel aller Wasserstände zusammensetzt.
39 Pearcy, Geographical Aspects of the Law of the Sea, Annals of the Association of American Geographers 1959 (Bd. 49), S. 1, 6. 40 Conference for the Codification of International Law, Held at The Hague in MarchApril, 1930 Final Act, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 169, Report of the Second Committee, Sub-Committee No. II, S. 247. 41 Nordquist, Myron H., United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Bd. 2, Dordrecht 1993, S. 89. 42 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 89; nach O'Connell I (Fn. 27), S. 178 Fn. 32 handelt es sich um die Technical Resolution A 2.5 (3) der Internationalen Hydrographischen Organisation aus dem Jahre 1919; A/CONF.62/L.76 (1981), UNCLOS III Official Records XV, S. 153, 169, Study on the future functions of the Secretary-General under the draft convention and on the needs of countries, especially developing countries, for information, advice and assistance under the new legal régime. 43
Dahm/Delbrück /Wolfrum
1/1 (Fn. 31), S. 422 stellen auf die Springniedrigwasserlinie
ab. 44 Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, The Law of the Sea, Baselines: An Examination of the Relevant Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea, New York 1989, S. 3 para 10 i.V. m. Annex 1 S. 43.
Α. Normale Basislinie und Kreisbogen
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Ein weiteres grundsätzliches Problem besteht darin, dass Seekarten zuerst der Navigation dienen. Tiefenangaben beziehen sich zwar auf die der Karte zugrunde liegende Niedrigwasserlinie, jedoch ist es unüblich, neben der Küstenlinie, die in der Regel mit der Hochwasserlinie zusammenfällt, noch eine weitere Linie zu verzeichnen. 45 Im Licht dieser Tatsache sind auch die o. g. Überlegungen der ILC vorsichtiger zu bewerten, denn eine erforderliche Neuverzeichnung der Niedrigwasserlinie lässt dem Staat jede Möglichkeit, ein für ihn besonders vorteilhaftes Niedrigwasserdatum festzulegen. Ferner ist fraglich, welche Linie bei einem Auseinanderfallen von tatsächlicher und kartierter Niedrigwasserlinie maßgeblich im Sinne von Art. 5 SRÜ ist. 46 Sicherlich lässt sich aus Art. 5 SRÜ eine Vermutung zugunsten der offiziellen Karten entnehmen. Die Seekarten müssen jedoch für andere Staaten wenigstens auf grobe Abweichungen hin tatsächlich nachprüfbar bleiben, sonst würde Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Daher muss es etwa im Streitfall den Parteien offen stehen, einen Abgleich von Beobachtung und Kartierung durchzuführen und so die Vermutung zu widerlegen. Dann müsste die beobachtete Linie zugrunde gelegt werden. 47 Die Bundesregierung hat in der Proklamation über die Ausweitung des Deutschen Küstenmeeres48 die Niedrigwasserlinie als normale Basislinie festgelegt, diese jedoch nicht näher spezifiziert. Damit ist die maßgebliche Niedrigwasserlinie den Seekarten des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zu 45 O'Ccwm?//1 (Fn. 27), S. 178. 46
Für die tatsächliche Niedrigwasserlinie: Shalowitz, Aaron L. /Reed, Michael W., Shore and Sea Boundaries, Bd. 3, Washington 2000, S. 179- 180, demnach bezieht die sich Formulierung in Art. 5 SRÜ „wie sie im vom Küstenstaat amtlich anerkannten Seekarten eingetragen ist" nur auf das gewählte Niedrigwasserdatum, mit Hinweis auf die Position der ILC Mitglieder; für die kartierte Linie: Beazley, P. B., Maritime Limits and Baselines: A Guide to their deliniation, The Hydrographie Society - Special Publication No. 2, Dagenham 1978, S. 6 para 4.9. (keine Aussage in der 3. Auflage desselben Werks). 47 Allerdings ist für eine Feststellung des Niedrigwasserdatums eine ausgedehnte Beobachtung mit hydrographischen Geräten vor Ort notwendig. Aus dem SRÜ ergibt sich schwerlich eine Pflicht des Staates, hieran mitzuwirken (vgl. auch Art. 19 II (j), 21 I (g) und Teil XIII, Art. 245 SRÜ). Dabei ist fraglich, ob hydrographische Messungen als „Wissenschaftliche Meeresforschung" zu qualifizieren sind, aber unstreitig, dass für solche Messungen die Einwilligung des Küstenstaates erforderlich ist (Roach, J. Ashley, Research and Surveys in Coastal Waters, in: Nordquist, Myron H./Moore, John N., Implementing the 1982 Law of the Sea Convention, Charlottesville 1996, S. 185-212, 202-203). 48 Bekanntmachung der Proklamation der Bundesregierung über die Ausweitung des deutschen Küstenmeeres v. 11. 11. 1994, BGBl. 1994 I, S. 3428. Insoweit ungenau O'Connell I (Fn. 27), S. 178, Fn. 32, der annimmt, die Bundesrepublik habe sich zur Abgrenzung des Küstenmeeres im „Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt" BGBl. 1965 II, S. 833 auf die Hochwasserlinie festgelegt. Es geht jedoch in diesem Gesetz lediglich um die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen und dgl., also um innerstaatliches Recht. Die Bundesrepublik hat im übrigen erst 1970 ihre Küstenmeergrenzen in der Nordsee zum ersten Mal festgelegt, vgl. Wolf rum, Rüdiger, Die Küstenmeergrenzen der Bundesrepublik Deutschland in Nord- und Ostsee, AVR 1984 (Bd. 24), S. 247-276, 247.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
entnehmen; die Niedrig Wasserlinie entspricht in der Ostsee dem Normalnull und in der Nordsee der lowest astronomical tide. 49 Die Admiralitätskarten des Vereinigten Königreiches werden seit 1965 auf die LAT als Niedrigwasserdatum vereinheitlicht. 50 In den USA hingegen wurde nach außen hin schon immer die „gewöhnliche Niedrigwasserlinie' 4 als Basislinie angewandt.51 In United States v. California wurde für Gebiete mit starken ganztägigen Gezeiteneinfluss die mittlere niedrigere Niedrigwasserlinie als maßgeblich festgelegt. 52 Island und Belgien benutzen die mittlere Springniedrigwasserlinie, Norwegen die „vernal equinox spring low-water line." 53 Nun ist die Niedrigwasserlinie nicht nur als Basislinie zur Messung der Küstenmeerbreite relevant. So kann ζ. B. bei der Frage, ob eine Bucht die Voraussetzungen des Art. 10 SRÜ erfüllt, die Wahl des Niedrigwasserdatums von Bedeutung sein. Ein möglichst niedrig gewähltes Datum könnte durch die seewärtige Verschiebung der Bezugslinie dazu führen, dass sich die Wasserfläche einer Bucht entscheidend verringert, so dass sie dem Halbkreiskriterium nicht mehr genügt.54 Allerdings ist die tatsächliche horizontale Verschiebung durch die Wahl einer anderen Niedrigwasserlinie in vielen Fällen nicht erheblich, bzw. nur bei langsam abfallender Küste relevant. 55 Ein Beispiel für eine solche Ausnahmekonstellation bietet das Wattenmeer an der deutschen Nordseeküste. Eine erheblich größere Relevanz kommt der Bestimmung der Referenzebene im Zusammenhang mit den trockenfallenden Erhebungen und Inseln zu. Würde man hier die LAT als Grundlage nehmen, könnten Formationen, die im Extremfall nur einmal innerhalb von 18,6 Jahren über den Wasserspiegel hinausragen und die knapp 12 sm vom der Küste entfernt sind, gem. Art. 13 SRÜ die Grundlage für die Basislinie des Küstenstaates bilden. Dass sich diese Frage in Zusammenhang mit trockenfallenden Erhebungen stellt, und wie schwierig sie im Einzelfall zu beant49
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Das Seekartennull in Gezeitengebieten, . Die Umstellung von mittlerem Springniedrigwasser auf LAT erfolgte für die Nordsee 2005. so O'Connell I (Fn. 27), S. 178 Fn. 32. 51 Shalowitz/Reed (Fn. 46), S. 177. 52 US Supreme Court, United States v. California, Urteil v. 17. 5. 1965, 381 US S. 139, 175 - 176, zuletzt bestätigt in United States v. Alaska (US Supreme Court Urteil v. 19. 6. 1997, 117 S.Ct. S. 1888); daher legen die USA zwei verschiedene Maßstäbe zugrunde, einen für die Atlantikküste und den Golf von Mexiko Küste, einen weiteren für die Pazifische Küste und Alaska {Alexander, Lewis M., The Identification of Technical Issues of Maritime Boundary Delimitation within the Law of the Sea Convention Context, in: Brown, E. D. / Churchill, Robin R. (Hrsg.), The UN Convention on the Law of the Sea: Impact and Implementation, Proceedings, Annual Conference of the Law of the Sea Institute (19, Cardiff 1985), Honolulu 1987, S. 272-287, 272. 53 Alexander, Identification of technical issues (Fn. 52), S. 272. Shalowitz/Reed (Fn. 46), S. 178; Prescott, John Robert Victor, The Maritime Political Boundaries of the World, London 1985, S. 47. 55 Pearcy, Annals of the Association of American Geographers, 1959 (Fn. 39), S. 1,6. 54
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worten ist, zeigt auch das Judikat des IGH im Falle Qatar ν. Bahrain, wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen. Der Gerichtshof hatte zu entscheiden, ob eine Sandbank (Fasht Al Azm) Teil einer Insel bildet oder nur eine trockenfallende Erhebung ist. Für diese Frage entscheidend ist auch, wie tief das Niedrigwasser fällt. Der Gerichtshof ließ die Frage offen, 56 wählte zwei alternative Äquidistanzlinien und bildete unter Berücksichtigung von besonderen Umständen daraus eine einheitliche Grenzlinie. 57 Die in diesem Zusammenhang auch zitierte Channel Continental Shelf Arbitration 5* betrifft gerade die entgegengesetzte Frage, nämlich welcher Hochwasserstand ausschlaggebend für die Entscheidung Insel oder trockenfallende Erhebung ist. Sie unterstreicht jedoch die Wichtigkeit der juristischen Durchdringung scheinbar rein technischer Probleme gerade im Zusammenhang mit maritimen Grenzfragen. Die Niedrigwasserlinie ist als normale Basislinie auch Ausgangslinie der Bestimmung der übrigen Meereszonen, d. h. der Anschlusszone, der AWZ und des Festlandsockels (vgl. Art. 33, 57, 76 KMÜ). Für die Außengrenzen des Festlandsockels sieht das SRÜ einen Kontrollprozess vor. Sofern der Staat einen über 200 sm hinausgehenden Festlandsockel beansprucht, soll er der Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels Angaben zu dessen Grenzen übermitteln. Die Kommission kann auf dieser Grundlage Empfehlungen an den Staat richten. 59 Die von der Kommission verabschiedeten Richtlinien gehen auch kurz auf die Basislinie ein, insoweit sie für die Abgrenzung des Festlandsockels von Bedeutung ist. Dort heisst es: „The Commission feels that there is a uniform and extended State practice which justifies the acceptance of multiple interpretations of the low water line. All of them are regarded as equally valid in a submission."60
Zwar besteht die Kommission ausschließlich aus technischen Experten, juristischer Sachverstand wird vom SRÜ für Kommissionsmitglieder nicht gefor56 Allerdings hauptsächlich aus faktischen Unsicherheiten heraus, IGH, Qatar ν. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 205 para 190. 57 IGH, Qatar ν. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 204-205 para 188-190, S. 104 para 218; vgl. Oxman, Bernhard H. /Plant, Glen, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain (Qatar v. Bahrain), AJIL 2002 (Bd. 96), S. 198-210, 203. 58 France v. United Kingdom, Schiedsspruch v. 30. 6. 1977 u. 14. 3. 1978, ILM 1979 (Bd. 18), S. 397; etwa bei Dahm/Delbrück/Wolf rum 1/ 1 (Fn. 31), S. 422 (mit kurzer Zusammenfassung). 59 Vgl. Art. 76 VIII SRÜ, nach dem die von „einem Küstenstaat auf der Grundlage dieser Empfehlungen festgelegten Grenzen des Festlandsockels endgültig und verbindlich sind"; das SRÜ regelt zwar nicht explizit, für wen diese Bindungswirkung eintritt, die Absolutheit der Formulierung deutet jedoch daraufhin, dass jedenfalls für alle Vertragsparteien des SRÜ diese Grenzen verbindlich sind. Ähnlich sah es wohl das Schiedsgericht im Fall Kanada v. Frankreich (St. Pierre and Miquelon), Urteil v. 10.6. 1992, ILM 1992 (Bd. 31), S. 11451219, S. 1172 para 79, das eine Entscheidung über den Festlandsockel jenseits der 200 sm mit Hinweis auf die Zuständigkeit der Kommission ausschloss. 60 CLCS/11 (13. 5. 1999), Scientifical and Technical Guidelines of the Commission on the Limits of the Continental Shelf, para 3.3.5.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
dert, 61 dennoch bestätigt die Feststellung, dass es eben nur eine einheitlich uneinheitliche Praxis gibt, im Wesentlichen das oben gefundene Ergebnis. Gänzlich ungeklärt ist die Frage der Messung der Niedrigwasserlinie an eisbedeckten Küsten. Die Genfer Küstenmeerkonvention und das SRÜ enthalten keinerlei Hinweis zu diesem Problem. Hier wurde vorgeschlagen, dass der Gletscherfuß die Niedrigwasserlinie ersetzen sollte, dessen Position anhand der jeweils neuesten Beobachtungen oder als zeitliches Mittel festgestellt werden sollte. 62 Die Größe des Maßstabes der Seekarten nach Art. 3 KMÜ / 5 SRÜ steht bei alledem weitgehend im Belieben des Staates. In der UN-Studie wurde ein Maßstab von 1:50.000 bis 1:200.000 vorgeschlagen.63 Andererseits wird auch vertreten, das SRÜ beziehe sich weniger auf Navigationskarten als vielmehr auf Planungskarten, so dass Karten im Maßstab von etwa 1:1 Millionen oder 1:2 Millionen heranzuziehen wären. 64 Auf Karten dieser Größe allerdings wäre die Niedrigwasserlinie von der Hochwasserlinie kaum zu unterscheiden.65 Auch ist es empfehlenswert, der Abgrenzung des Küstenmeeres Karten eines größeren Maßstabes (zwischen 1:20.000 und 1:40.000) zugrunde zu legen als etwa für die Abgrenzung des Festlandsockels.66 Im Grenzvertrag zwischen den USA und Venezuela 1978 wurde ein Maßstab von 1:1.800.000 benutzt. Bei dieser Größe entspricht die Breite der Grenzlinie selbst 0,7 sm; die Karte diente allerdings nur Illustrationszwecken. 67 In jedem Fall ist eine Festlegung nach Koordinaten wegen der ungleich höheren Genauigkeit vorzuziehen. Die Karten müssen nicht vom Küstenstaat selbst herausgegeben werden; stehen ihm etwa die erforderlichen technischen und finanziellen Mittel nicht zur Verfügung, kann er sich der Vermessungsdaten anderer Nationen bedienen. 61
Nach dem SRÜ, Annex II, Art. 2 I sind lediglich Experten auf den Gebieten der Hydrographie, der Geologie und der Geophysik zu berufen; die Vertragsstaaten gingen offenbar davon aus, dass Art. 76 SRÜ keine weiteren juristischen Probleme aufwirft und bei hinreichender Datenlage eine automatische, unabhängig überprüfbare Abgrenzung getroffen werden könnte (vgl. auch Fn. 249 und Fn. 1024). 62 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 3 - 4 para 13. Für die strikte Beachtung der Niedrigwasserlinie auch an eisbedeckten Küsten: Joyner, Christoph C., Ice covered Regions in International Law, Natural Resources Journal 1991 (Bd. 31), S. 213-242, 224. Hingegen für die Eiskante als Basislinie bei stabilen Eisformationen: Moide, J0rgen, The Status of Ice in International Law, Nordisk tidsskrift for international ret 1982, S. 164- 178, 165. 63 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 2 para 8. 64 O'Connell I (Fn. 27), 646. 65 Einer angenommenen horizontalen Distanz der Hochwasser- von der Niedrigwasserlinie von 1 km würde auf einer Karte im Maßstab 1:2 000 000 einer Strecke von lediglich 0,5 mm entsprechen. Das kann in der Regel nicht zu einer ausreichenden Genauigkeit führen. 66 Hodgson, Robert DJ Cooper, E. John, The Technical Delimitation of a modern equidistant boundary, Ocean Development and International Law 1976 (Bd. 3), S. 361 -388, 377. 67 Smith, Robert W., A Geographical Primer to Maritime Boundary Making, Ocean Development and International Law 1982 (Bd. 9), S. 1 -22, 16; vgl. auch Jagota, S. R, Maritime Boundary, Dordrecht 1985, S. 62.
Α. Normale Basislinie und Kreisbogen
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Entscheidend ist nach Art. 3 K M Ü / 5 SRÜ die offizielle Anerkennung durch den Staat.68
Quelle: Boggs (Fn. 71), AJIL 1930, S. 541, 546 Fig. 1. Mit freundlicher Genehmigung ©The American Society of International Law.
Fig. 2: Direkter Vergleich der Parallellinien- (a) und der Kreisbogenmethode (c)
Die Abgrenzung des Küstenmeeres muss nicht nur im Interesse des Staates mit größtmöglicher Rechtssicherheit durchgeführt werden, auch für die Schifffahrt ist 68 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 2 para 7; zu der Praxis einiger afrikianischer Staaten, insbesondere Nigeria, vgl. Egede, Edwin, The Outer Limits of the Continental Shelf: African States and the 1982 Law of the Sea Convention, ODIL 2004 (Bd. 35), S. 157-178, 171 f.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
wegen der besonderen Eigenschaften des Küstenmeeres als Staatsgebiet und der damit verbundenen Einschränkungen ein schnelles Erkennen der Küstenmeergrenzen erforderlich. Wenn ein Schiff die Niedrigwasserlinie auf der Seekarte identifiziert hat, bleibt ihm noch festzustellen, ob es sich innerhalb des Küstenmeeres befindet; womöglich steht ihm eine elektronische Karte mit den bereits eingezeichneten äußeren Grenzen des Küstenmeeres zur Verfügung. Auf einem weniger modernen Schiff bleibt die Bestimmung der Besatzung selbst überlassen,69 d. h. es ist nicht nur die Position des Schiffes, sondern auch die Position der Küstenmeergrenzen an Bord zu bestimmen. Wie dabei vorzugehen ist, war lange umstritten. Zwei Methoden konkurrierten dabei, die Zirkelmethode einerseits und die Methode der Parallellinien (oder auch tracé parallele) andererseits. 70 Die Parallellinienmethode erstellt ein genaues Abbild der Küste und verschiebt es um die Breite des Küstenmeeres in Richtung offene See.71 Sie ist streng genommen keine Methode der Abgrenzung, sondern gibt lediglich das gewünschte Ergebnis vor. 72 Ihren Ursprung hat der tracé paralle-Ansatz in der Forderung, die Außengrenze des Küstenmeeres müsse den „Windungen der Küste4' („the sinuosities of the coast'4) folgen. 73 Schwachpunkt dieses Ansatzes ist eine äußere Grenzlinie, die im Einzelfall nur sehr schwer nachzuvollziehen ist. 74 Für den Kapitän eines Schiffes ist die sichere Entscheidung der Frage, ob er sich innerhalb oder außerhalb der Hoheitsgewässer eines Staates mit einer so gezogenen Küstenmeergrenze befindet, praktisch unmöglich. Angesichts dieser auf der Haager Konferenz 1930 offen angesprochenen Schwächen entwickelte der technische Berater der US-Delegation, W. Boggs, zusammen mit Beratern aus 38 Ländern die Kreisbogen- oder auch Zirkelmethode („envelopes of arcs of circles", oder „courbe tangente").75 Nach dieser Methode ist das 69
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass stets eine Karte mit bereits eingetragenen äußeren Küstenmeergrenzen zur Verfügung steht; bis 1970 verwies etwa die Bundesrebublik Deutschland hinsichtlich ihrer Küstenmeergrenzen nur auf das Völkerrecht (Wolf rum, AVR 1986 [Fn. 48], S. 247). 70 Dahm/Delbrück/Wolfrum 1/1 (Fn. 31), S. 425; Reisman, W Michael/Westerman, Gayl S., Straight Baselines in International Maritime Boundary Delimitation, London 1992, S. 11-13. 71
Boggs, S. Whittemore, The Method of Delimitation proposed by the delegation of the United States at the Hague Conference for the Codification of International Law, AJIL 1930 (Bd. 24), S. 541-555, 543,546. 72 Gidel, Gilbert, Le droit international public de la mer Bd. 3/II, Paris 1934 (unveränderter Neudruck Vaduz 1981), S. 504. 73
Reisman /Westerman (Fn. 70), S. 12; so auch ein Entwurf der ILA 1926 (The International Law Association, Draft Convention. Laws of maritime jurisdiction in time of peace., in: Report of the 34 th Conference, 5. 8.-11. 8. 1926, London 1927, S. 42-45, Art. 7), vgl. zur Entstehung dieses Entwurfes Cleminson, H. M., Laws of maritime jurisdiction in time of peace with special reference to Territorial Waters, British YBIL 1925 (Bd. 6), S. 144- 158, Ο' Connell/Shearer I (Fn. 27), S. 379. 74 Ο'Connell/Shearer I (Fn. 27), S. 230-231. 7 5 Reisman /Westerman (Fn. 70), S. 12.
Α. Normale Basislinie und Kreisbogen
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Quelle: Shallowitz I (Fn. 32), S. 172 Fig. 27.
Fig. 3: Veranschaulichung der Zirkelmethode
Küstenmeer der von denjenigen Kreisbögen eingeschlossene Raum, die mit dem Radius der Kiistenmeerbreite von der Basislinie geschlagen werden. 76 Nachteilig ist bei dieser Methode vor allem die Möglichkeit der Bildung von sog. Taschen, d. h. Bereichen der Hohen See, die komplett vom Küstenmeer eingeschlossen sind; diese Bereiche sollten nach dem amerikanischen Vorschlag im Küstenmeer aufgehen.77 Die Kreisbogenmethode erlaubt nur eine mögliche äußere Grenzlinie. 78 Sie lässt sich anschaulich so beschreiben, dass man einen Kreis (mit dem Radius der Küstenmeerbreite) an der Küste entlang rollt; ein Stift im Zentrum dieses Kreises würde die äußere Grenze des Küstenmeeres aufzeichnen (vgl. Fig. 3). Die Zirkelmethode bildet nicht alle „Windungen der Küste" ab, vielmehr wird die Kontur der Küste vereinfacht, da nur wenige Punkte der gesamten Küstenlinie die Grenzpunkte bestimmen;79 dabei ist der „glättende" Effekt umso stärker, je größer der Radius des Kreises (mithin die Küstenmeerbreite) gewählt wird, da bei einem größeren Radius weniger Punkte bestimmend sind. 80 Wird die Zirkelmethode vom 76
So der Vorschlag der amerikanische Delegation auf der Haager Konferenz 1930: „Except as otherwise provided in this Convention, the seaward limit of the territorial waters is the envelope of all arcs of circles having a radius of three nautical miles drawn from all points of the coast [ . . . ] . " (Rosenne, Shabtai, League of Nations Conference for the Codification of International Law [1930], Bd. 4, New York 1975, S. 1397 [LoN Doc C.351(b).M. 145(b). 1930. V., Acts of the Conference III, Minutes of the Second Committee, Annex II, S. 195]). 77 Boggs, AJIL 1930 (Fn. 71), S. 541, 552-553. 78 Boggs, A J I L 1930 (Fn. 71), S. 541, 544; Shalowitz I (Fn. 18), S. 171.
79 So schon Gidel (Fn. 72), S. 510; Es ist daher eine ungenaue Feststellung, dass bei einer unendlichen Zahl von Kreismittelpunkten die Zirkelmethode zu einer tracé parallèle führen würde (so aber O'Connell/ Shearer I (Fn. 27), S. 234 (vgl. zur Veränderung der Küstenmeergrenze bei unterschiedlichen Radien Fn. 27); der ursprüngliche amerikanische Konferenzvorschlag verlangte ja gerade den Zirkelschlag von „all points along the coast" (vgl. Fn. 76). 80 Boggs, S. Whittemore, Delimitation of Seaward areas under national jurisdiction, AJIL 1951 (Bd. 45), S. 240-266, 249 (Fig. 1), 250, vgl. auch unten Fig. 13. Unrichtig ist, dass eine
3 Trümpier
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Staat zur Abgrenzung gewählt, kann ein Schiff die Frage nach seiner Position im Verhältnis zur Küstenmeergrenze durch einen einfachen Zirkelschlag selbst beantworten: schneidet ein Kreis, den es um seine Position mit dem Radius der Küstenmeerbreite zieht, die Niedrigwasserlinie, befindet es sich im Küstenmeer, andernfalls nicht (vgl. Fig. 4).
Quelle: Boggs (Fn. 71), AJIL 1930, S. 541, 546 Fig. 2. Mit freundlicher Genehmigung ©The American Society of International Law.
Fig. 4: Anwendung der Kreisbogenmethode zur Bestimmung der Position in Relation zur Küstenmeergrenze
Ein ähnlich sicheres Ergebnis bietet die Parallellinienmethode nicht. Sie ist insbesondere an konvexen Küsten nur mit Schwierigkeiten durchzuführen und der Interpretation zugänglich.81 Außerdem führt sie zu einer Grenzlinie, auf der einige Punkte weniger als die Küstenmeerbreite von der Niedrigwasserlinie entfernt sind. 82 Sie wird von Gidel abgelehnt als eine Methode, die von Autoren allgemeiner Völkerrechtswerke bei der Untersuchung der Grenzen staatlicher Rechte in Küstengebieten empfohlen werde. 83 Jedoch wurde die tracé parallèle nicht ausdrücklich auf der Haager Konferenz von 1930 verworfen, sie wurde im Gegenteil augenscheinlich dadurch gestützt, dass im Abschlußbericht des 2. Unterkomitees des 2. Komitees ausdrücklich auf eine Basislinie abgestellt wurde, die „allen Windungen der Küste" folgt. 84 Vergrößerung des Radius zu einer Annäherung an eine tracé parallèle führen würde. Das Gegenteil ist der Fall, je kleiner der Radius gewählt wird, desto genauer wird die Küste abgebildet; insoweit missverständlich O'Connell/Shearer I (Fn. 27), S. 235, der wohl von einer Annäherung an eine Parallellinie nur insoweit ausgeht, als ein vergrößerter Maßstab den Küstenverlauf ohnehin „gerader" erscheinen ließe. O'Connell/ Shearer \ (Fn. 27), S. 231; Shalowìtz I (Fn. 32), S. 169-170. 82 Shalowìtz I (Fn. 32), S. 170. 83 Gidel (Fn. 72), S. 504. 84 Report of the Second Committee, Sub-Committee No. II, AJIL 1930 Supp. (Fn. 40), S. 247.
Α. Normale Basislinie und Kreisbogen
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Im britisch-norwegischen Fischereistreit war die Frage der richtigen Abgrenzung des Küstenmeeres schließlich ein Kernpunkt der Auseinandersetzungen vor dem IGH. Großbritannien hatte die Ziehung von geraden Basislinien durch Norwegen angegriffen und zunächst vorgetragen, Norwegen müsse die Abgrenzung durch eine Parallellinie vornehmen, diesen Standpunkt jedoch später dahingehend revidiert, dass Norwegen eine Begradigung seines Grenzverlaufes nur durch die Zirkelmethode herbeiführen könne.85 Das Urteil erweckt den Eindruck, dass der Gerichtshof die Formulierung im Bericht des 2. Unterkomitees, die Basislinie müsse „all the sinuosities of the coast" folgen, als Votum für die tracé parallèle auslegte. In Wirklichkeit betrifft die „all the sinousities" Formulierung nur die Basis der Abgrenzung und enthält auch keine Forderung nach einem bestimmten Ergebnis der Abgrenzung (etwa, dass sich in der tatsächlichen Grenzlinie des Küstenmeeres die Basis genau widerspiegeln müsse). Die Kodifikation des Seerechtes war Anfang der 50er Jahre auch Teil der Agenda der ILC. 8 6 Sie leistete die maßgebliche Vorarbeit für die Genfer Seerechtskonferenz. Im dritten Report des special rapporteur ( François ) finden sich auch Erwägungen zur richtigen Methode der Abgrenzung des Küstenmeeres.87 Der von François vorgeschlagene Artikel 7 der zukünftigen Küstenmeerkonvention hatte folgenden Wortlaut: „ m T h e outer limit of the territorial sea is the line, every point of which is at a distance of Τ miles from the nearest point of the base line (T being the breadth of the territorial sea). |21 It constitutes a continuous series of intersecting arcs of circles drawn with a radius of Τ miles from all points on the base line. 13 'The limit of the territorial sea is formed by the most seaward arcs." 88
Der Wortlaut beruht auf den Vorarbeiten des Expertenkomitees, das zu technischen Fragen der Küstenmeerabgrenzung gehört wurde. In dessen Abschlussbericht wurde die o. g. Definition vorgeschlagen.89 Das Expertenkomitee ging nach François davon aus, der IGH habe die Zirkelmethode missverstanden („had somewhat misconceived the exact scope of the ,arcs of circles' method4').90 Der 85 IGH, Fisheries, ICJ Rep. 1951, S. 116, 129. 86 Die Vollversammlung empfahl der ILC am 6. 12. 1949 in A/Res/374 (IV) Rechtsfragen des Küstenmeeres mit Vorrang zu untersuchen: . 87 O' Cornell/Shearer I (Fn. 27), S. 232-233; Troisième rapport de J.P.A. François, rapporteur spécial, UN-Doc A/CN.4/77, YBILC 1954 Bd. II, S. 1, 4 (Article 7). 88 UN-Doc A/CN.4/77 (Fn. 87), Article 7 englische Übersetzung nach 258 ,h Meeting of the ILC, Article 7 YBILC 1954 I, S. 85 Fn. 13 [Satzzählung vom Verf. hinzugefügt]. 89 Additif au deuxième rapport de M. J.P.A. François, rapporteur special, UN Doc A/Cn.4/61 / Add.l, Annexe Rapport du Comité d'experts sur certaines questions d'ordre technique concernant la mer territoriale, YBILC 1953 Bd. II, S. 77, 79 V. Die englische Fassung wurde nur vervielfältigt, ist aber in Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 59-63 abgedruckt. Dem Komitee gehörte auch W. Boggs an, vielleicht daher die Nähe zum US Vorschlag auf der Haager Konferenz 1930. 90 258 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, S. 85.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Vorschlag wurde auf der 258. Sitzung der ILC diskutiert, 91 auf verschiedene Einwände erwiderte François , der Hauptzweck des Art. 7 E-KMÜ sei, klarzustellen, dass ein Staat, der die Kreisbogenmethode anwende, nicht beschuldigt werden könne, das Völkerrecht zu verletzen. 92 Auf der folgenden Sitzung93 wurde vorgebracht, dass der erste Satz von Art. 7 E-KMÜ schon den gesamten Regelungsinhalt enthalte („the rule as such was really given in full in the first sentence"),94 und die restlichen zwei Sätze Teil des Kommentars bilden sollten. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen.95 Der so entstandene Art. 7 (später Art. 6 des ILC Entwurfes) findet sich in der Genfer Kiistenmeerkonvention als Art. 6 wieder. Der Text wurde auch auf der 3. UN-Seerechtskonferenz verabschiedet und als Art. 4 mit dem ursprünglich von der ILC vorgesehenen Titel in das SRÜ aufgenommen. 96 Als Ergebnis dieser Entwicklung legen die Genfer Kiistenmeerkonvention und das SRÜ keine Abgrenzungsmethode fest, sondern sie geben das Ergebnis eines Abgrenzungsprozesses vor. Dieses Ergebnis ist, anders als etwa eine tracé paratie , eindeutig bestimmbar. Für eine gegebene Küste gibt es nur eine Linie, auf der jeder Punkt vom nächstgelegenen Punkt der Basislinie um die Breite des Küstenmeeres entfernt ist. 97 Die Kreisbogenmethode liefert diese Linie. 98 Nach dem SRÜ stünde es den Staaten natürlich frei, eine andere Methode anzuwenden, solange sie zu demselben Ergebnis führt. Es verbietet sich jedoch, eine Parallellinie zur Küste zu zeichnen und so die Grenze zu bilden, denn eine solche Linie würde nur dann das Entfernungskriterium des Art. 4 SRÜ erfüllen, wenn die Küste absolut gerade wäre. 99 Damit wurde schließlich ein Ergebnis der Abgrenzung kodifiziert, dessen Eigenschaften die Bedürfnisse der Schifffahrt berücksichtigt und weitestgehende Rechtssicherheit bietet. 100
91 258 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, S. 85 - 86. 92 258 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, S. 86. 93 259 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, S. 86-87. 94 259 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, 87. 95 259 th Meeting of the ILC, Article 7, YBILC 1954 Bd. I, 87. 96 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 83 und 85. 97 Auf diese geometrische Tatsache weißt schon Boggs (Fn. 71), S. 544 hin (er stellt dies für die Zirkelmethode fest, deren Ergebnis eine ebensolche Linie ist, wie sie von Art. 4 SRÜ gefordert wird). 98 Shalowitz I (Fn. 32), S. 170. 99 A.A. (in Verkennung der Eigenschaften der Parallellinienmethode) Dahm/Delbrück/ Wolfrum 1/1 (Fn. 31), S. 425; Sturies, Rainer, Archipelgewässer, Zur Entwicklung eines neuen Rechtsbegriffs im Seerecht, Berlin 1981, S. 22. •oo Boggs, AJIL 1930 (Fn. 71), S. 541, 544; Gidel (Fn. 72), S. 511.
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I. Art. 10 K M Ü - Inseln und Küstenmeer „1. An island is a naturally-formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide. 2. The territorial sea of an island is measured in accordance with the provisions of these Articles."
Inseln steht ein Küstenmeer zu, unabhängig von ihrer Größe und Lage zur Küste. Seit Mitte des 19. Jahrhundert kann auch von kleinen Inseln ein Küstenmeer abgegrenzt werden. 101 Wesentlich für die Einordnung als Insel ist die Feststellung, dass das fragliche Landgebiet auch bei Hochwasser über Wasser liegt. Während das zwischen Niedrig- und Hochwasserlinie gelegene, dem Festland vorgelagerte Gebiet völkerrechtlich ohne weiteres auch dem Festland, der terra firma, zugerechnet wird, ist dies für die gesamte Insel nur dann der Fall, wenn zumindest ein Teil von ihr dauerhaft über Wasser liegt. Fehlt dieser Teil, fehlt dem ganzen Gebilde das rechtsqualitätsgebende feste Land. Es wird bei Hochwasser vollständig überspült und ist nur noch eine trockenfallende Erhebung. Ähnlich wie bei der Niedrigwasserlinie stellt sich hier die Frage, welches Gezeitendatum für die Feststellung, ob eine Insel dauerhaft über Wasser liegt, maßgeblich ist. Welche Bedeutung dieser Wahl zufallen kann, sei noch einmal am Beispiel des Eddystone Rock dargestellt, dessen Eigenschaft als Insel in der Channel Continental Shelf Arbitration von Frankreich in Frage gestellt wurde, da er wohl über mittleren Springhochwasser, jedoch nicht über dem höchsten anzunehmenden Hochwasser (highest astronomical tide-YiPiï) lag. 1 0 2 Noch in der Vorbereitung zur Haager Kodifikationskonferenz hat Schücking in seinem Bericht Inseln und trockenfallende Erhebungen nicht voneinander unterschieden: „Si des îles naturelles non constamment submergées sont préposées à une côte, la zone intérieure de la mer sera mesurée à partir de ces îles, excepté les cas où ces îles seraient éloignées du continent de telle manière qu'elles ne tomberaient plus dans la zone de la mer territoriale, si celle-ci était mesurée à partir du continent. Dans ce cas, l'îles a une mer territoriale propré à elle". 1 0 3
Erst in den Basis of Discussion 104 und schließlich im Abschlußbericht der 2. Unterkommission setzte sich die Unterscheidung zwischen Inseln und trocken101 O' Cornell I (Fn. 27), S. 185, siehe auch dort für eine ausführlichere Geschichte der seerechtlichen Behandlung von Inseln und trockenfallenden Erhebungen. 102 O'Connell I (Fn. 27), S. 184 (vgl. o.). 103
Comité d'experts pour la codification progressive du droit international, Rapport au conseil de la Société des Nations sur les Questions qui paraissent avoir obtenu le degré de maturité suffisant pour un règlement international, League of Nations Document C.196. M.70.1927.V.l. [C.P.D.I. 95 (2).]: Rapport du Sous-Comitée, I. Mémoire présénte par M. Schücking, S. 29, 43. 104
Conference for the Codification of International Law, Bases of Discussion for the Conference drawn up by the preparatory committee, Bd. 2, Territorial Waters, League of Nations
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fallenden Erhebungen durch, und die Definition der Insel bekam ihre heutige Struktur: „Every island has its own territorial sea. An island is an area of land, surrounded by water, which is permanently above high-water mark." 105
Im Licht der Ausführungen über die verschiedenen Gezeitendaten würde das Adverb „permanently" den Schluss zulassen, für die Bestimmung der Insel sei ein besonders hohes Hochwasserdatum zu wählen. 106 Die ILC modifizierte den Artikel auf Vorschlag von Lauterpacht durch das Hinzufügen von „which in normal circumstances is permanently [Hervorhebung ν. Verf.]", 107 so dass der Artikel der Haager Konferenz zwar in seinen Anforderungen entschärft, allerdings ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzugefügt wurde. 108 Es bleibt unklar, ob bereits die 14-täglich wiederkehrende Springflut „unnormal" ist, oder ob lediglich die Überspülung im Rahmen einer Sturmflut oder ähnliche unvorhersehbare Ereignisse gemeint sind. Mit der Begründung, es gebe keine entsprechende Staatenpraxis, die eine Klärung der Begriffe „normal circumstances" und „permanently" ermöglichen würde, schlugen die USA auf der Genfer Konferenz erfolgreich deren Streichung vor. 1 0 9 Damit war jedoch nichts zur Klärung der Frage beigetragen, über genau welches Hochwasserdatum sich die Insel erheben muss. Der bereits in der Haager Konferenz ausgedrückten Überzeugung der „dauerhaften" Erhebung über den Wasserspiegel folgend, bleibt als Maßstab nur die HAT, das höchste anzunehmende Hochwasser. 110 Dazu im Widerspruch stünde der Gebrauch des mittleren Hochwassers, Document C.74.M.39.1929.V.2., S. 54 Basis of Discussion 14, (auch AJIL 1930 [Bd. 24 Supp.J, S. 25, 35). los Report of the Second Committee, Sub-Committee No. II, AJIL 1930 Supp. (Fn. 40), S. 251. 106 Antunes, Nunu Sergio Marques / Bradley, Rachael / Schofield, Clive (Hrsg.), The Importance of the Tidal Datum in the Definition of Maritime Limits and Boundaries, Maritime Briefing Bd. 2 No. 7, Durham 2000, S. 11. >07 YBILC 19541, S. 92. 108 Die Schwierigkeit der Definition von „normal circumstances" zeigt der eigene Kommentar der ILC zu Art. 10 E-KMÜ, die auch nur mit einem Zirkelschluss definiert: „It is an essential condition that an island, to qualify for that name, must be an area of land which apart from abnormal circumstances is permanently above high-water mark." (YBILC 1954 II, S. 156). '09 A/Conf. 13 /C. 1 / L. 112, UNCLOS I Official Records III, S. 242. 110
Fitzmaurice, Gerald, Some Results of the Geneva Conference on the Law of the Sea, ICLQ 1959 (Bd. 8), S. 73-121, 78, 85; Jennings, Robert/Watts, Arthur (Hrsg.), Oppenheim's International Law, 9. Auflage, Bd. 1: Parts 2 to 4, New York 1992, S. 604-605, Fn. 2 hält die HAT für vertretbar, das mittlere Springhochwasser jedoch für „reasonable". 111 Symmons, Clive R./Schofield, Clive /Hockneil, Peter {Hrsg.), Some Problems Relating to the Definition of „Insular Formations" in International Law: Islands and Low-Tide Elevations, Maritime Briefing, Bd. 1 No. 5, Durham 1995, S. 22-23. Zur Definition und Methode der Ermittlung: Shalowitz, Aaron L., Shore and Sea Boundaries, Bd. 2, Washington 1964,
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d. h. die durchschnittliche Höhe aller Hochwasserstände.111 Für eine vermittelnde Lösung, etwa das mittlere Springhochwasser, sprechen vor allem Gründe der Praktikabilität, 112 allerdings scheinen die anderen Daten nicht durch das KMÜ ausgeschlossen. Dem Staat steht daher bei der Festlegung des Hochwasserdatums ein weiter Spielraum zu. Es muss sich allerdings dem klaren Wortlaut nach um ein Hochwasserdatum handeln, der mittlere Wasserstand genügt jedenfalls nicht (außer in Gebieten ohne Tidenhub). Während bei der Wahl des Hochwasserdatums die Referenzhöhe schwankt, kann es auch vorkommen, dass die Insel selbst durch saisonale Einflüsse in der Höhe schwankt. Gegenstand einer innerstaatlichen, allerdings auf Art. 10 KMÜ gestützten Entscheidung in einem solchen Fall war die Formation „Dinkum Sands" vor Alaska, 113 die vor allem durch den Aufbau von Eis und Geröll im Winter und deren Abschmelzen im Sommer 114 um die Höhe des mittleren Hochwassers schwankt. Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Alaska und den USA war ein Streit um die Einnahmen aus möglicher Rohstoffförderung. Vereinfacht gesagt stehen den Bundesstaaten der USA die Einnahmen aus dem Küstenmeer zu, während dem Zentralstaat die Einnahmen aus dem Festlandsockel zukommen. Die US-Bundesstaaten haben daher in einer Reihe von Verfahren die möglichst weite seewärtige Ausdehnung der Küstenmeergrenze vor dem Obersten Gerichtshof der USA gesucht. Da der Supreme Court regelmäßig die Genfer Küstenmeerkonvention für die Abgrenzung heranzog, können auch diese innerstaatlichen Fälle für die Interpretation genutzt werden. Alaska argumentierte hier im Hinblick auf die Streichung von „permanently" in Art. 10 KMÜ, dass eine Insel eben nicht ständig über der Hochwassermarke liegen müsse.115 Dem ist der Supreme Court nicht gefolgt. Dabei bildete die Regelmäßigkeit des Höhenabfalls ein Hauptargument: „Even if Article 10 (l)'s drafting history could support insular status for a feature that slumps below mean high water because of an abnormal change in elevation, it does not support insular status for a feature that exhibits a pattern of slumping below mean high water because of seasonal changes in elevation. [ . . . ] In sum, the Convention's drafting history suggests that, to qualify as an island, a feature must be above high water except in abnormal circumstances. Alaska identifies no basis for according insular status to a feature that is frequently below mean high water." 116 S. 173-174. In den innerstaatlichen Entscheidungen des US Supreme Courts wird Art. 10 KMÜ so, als mittleres Hochwasser, ausgelegt (siehe nur USA v. California, 382 US S. 448, 449-450). 112 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 604-605, Fn. 2; Symmons, Maritime Briefing 1 - 5 (Fn. I l l ) , S. 24. 113 Für eine ausführliche Besprechung siehe Symmons, Clive / Bradley, Richard/ Schofield, Clive (Hrsg.), When is an „Island" Not an „Island" in International Law? The Riddle of Dinkum Sands in the Case of US v. Alaska, Maritime Briefing Bd. 2 No. 6, Durham 1999. 114 USA v. Alaska, 521 US S. 1, 23 (117 SCt S. 1888, 1900). us USA v. Alaska, 521 US S. 1, 24 (117 SCt S. 1888, 1901). 116 USA v.Alaska, 521 US S. 1, 27 (117 SCt S. 1888, 1902-1903).
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Dies ist nicht konsistent mit der sonst in den USA üblichen Anwendung des mittleren Hochwassers als Hochwasserdatum, denn wie der Supreme Court selbst hervorhebt, werden durch die lange Beobachtungszeit saisonale Variationen in der Tidenhöhe herausgemittelt. 117 Bei Formationen, deren Höhe nur knapp über dem mittleren Hochwasser liegt, ist die Überspülung durch bestimmte höhere Tiden auf die Stunde genau und auf Jahre im voraus berechen- und vorhersehbar, in diesem Sinne also durchaus normal, dagegen scheint es eher abnormal, dass die Insel selbst in der Höhe schwankt. Dennoch ist dem Supreme Court im Ergebnis zuzustimmen. Bezeichnend für den Kern des Problems ist die folgende Ausführung Alaskas: „Alaska showed [ . . . ] that Dinkum Sands in any event is an island except when it is below high tide." Wie festgestellt, steht dem Staat bei der Auswahl des Hochwasserdatums durch die Konventionen ein Spielraum zu, so dass eine Insel im Sinne von Art. 10 KMÜ/ 121 SRÜ schon einmal tatsächlich von Hochwasser überspült werden kann, sofern sie nur über dem gewählten Referenzdatum liegt. Allerdings sind die Konventionen insoweit klar, dass das Land „bei Flut über den Wasserspiegel hinausragen" muss. Liegt es also unter dem vom Staat als Referenz gewählten Wasserspiegel, ist es eben keine Insel. Neben der Ablehnung von Dinkum Sands als Insel ist die einzige weitere Möglichkeit, die der Wortlaut der Konvention offen lässt, dass Dinkum Sands jedes Jahr neu als Insel entsteht. Dies widerspräche jedoch dem Ziel der Konventionen, die Rechtssicherheit gerade auch für die Seefahrt zu erhöhen. Das Element der Dauerhaftigkeit des Landes und damit seiner Küstenmeergrenzen ist daher dem KMÜ und dem SRÜ implizit. Die Entstehungsgeschichte ist hier, anders als von Alaska vorgebracht, insoweit nicht relevant, als insbesondere die auf der Genfer Konferenz beschlossene Änderung des ILC Vorschlages nur verschieden hohe Gezeitenstände, nicht jedoch eine Veränderung des Landes selbst im Auge hatte. 118 Der Zeitraum der Veränderung ist nicht unerheblich. So kann eine neu entstandene Vulkaninsel, der baldige Erosion droht, dennoch Basis für die Küstenmeerabgrenzung sein. 119 Sollte eine vormals dauerhaft über dem Wasserspiegel lie117 USA v.Alaska, 521 US S. 1, 26 (117 SCt S. 1888, 1902). us A/Conf.l3/C.l /L.112 Comments (d), UNCLOS I Official Records III, S. 242. ι· 9 So nutzte Island die zwischen 1964 und 1967 entstandene Vulkaninsel Surtsey als Basispunkt No. 29 für seine 1979 eingeführten geraden Basislinien, kritisch Symmons, Maritime Briefing 1 - 5 (Fn. I l l ) , S. 25. Island konnte auch in einem Grenzvertrag über den Festlandsockel mit Dänemark (Grönland) erreichen, dass Kolbeinsey (wohl eher Felsen als Insel), das in absehbarer Zeit versunken sein wird, ein Einfluss in der Abgrenzung (allerdings keine Küstenmeerabgrenzung) zugemessen wurde, siehe Agreement between the Government of the Kingdom of Denmark along with the Local Government of Greenland on the one hand, and the Government of the Republic of Iceland on the other hand on the Delimitation of the Continental Shelf and the Fishery Zone in the Area between Greenland and Iceland, Helsinki, 11.11. 1997, LoS Bull. 39 (1999), S. 35; Anderson, D. H., Denmark (Greenland)-Iceland, Report No. 9 - 2 2 , in: Charney (Hrsg.), 1MB IV, S. 2941-2951, 2947; Jia, Bing Bing, A Preliminary Study of the Problem of the Isle of Kolbeinsey, Nordic Journal of International
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gende Insel durch Erosion oder andere natürliche Umstände darunter sinken, verliert sie den Status als Insel. Ausnahmen sind lediglich nach Art. 7 II SRÜ möglich (vgl. B.V.3.a), S. 145), der aber nur die Basislinie schützt und damit den Status der Insel allenfalls sekundär. Das KMÜ wie auch das SRÜ stellen damit auch den von der Erhöhung des Meeresspiegels betroffenen Staaten keine Sonderregelung zur Verfügung. Die langsame Veränderung des Meeresspiegels fällt nicht unter Art. 7 II SRÜ. 1 2 0 1. Horizontale Stetigkeit? Während das KMÜ und das SRÜ in dieser Weise Minimalanforderungen an die „vertikale' 4 Dauerhaftigkeit stellen, soll dies auch für die „horizontale" Dauerhaftigkeit gelten. Die Insel soll demnach örtlich möglichst stabil sein, d. h. sie soll nicht wandern. 121 Diese Aussage findet jedoch keine Grundlage in KMÜ oder SRÜ. Beiden Abkommen fehlen zwar, von Art. 7 II SRÜ abgesehen, Regelungen, die die Veränderlichkeit der Küste berücksichtigen. Ihnen scheint vielmehr die Vorstellung einer stabilen, sich allenfalls in großen Zeiträumen wandelnden Küstenlinie zugrunde zu liegen. Daraufhin allein jedoch wandernden Inseln die Berechtigung als Insel im juristischen Sinn abzusprechen, ist nicht vertretbar. Selbst wenn hier die für die eine Analogie nötige Regelungslücke angenommen würde, 122 kann hier nicht analog zur „vertikalen" eine „horizontale" Permanenz eingeführt werden. Es mangelt schlicht an der Vergleichbarkeit. Die Erhöhung (also die „vertikale" Veränderung) eines Gebietes kann einen Wechsel in der Rechtsqualität des Law 1997 (Bd. 66), S. 301-318, Fn. 1 und Fn. 2.; vgl. auch DOALOS, The Law of the Sea, Baselines: National Legislation With Illustrative Maps, New York 1989, S. 184-184 für die isländischen Basislinien. Allerdings ist Surtsey in den folgenden Jahren unerwartet langsam gesunken (ca. 1,1 m in 24 Jahren bei einer Höhe von etwa 70 m), vgl. Moore, James GJ Jakobsson, Sveinn/Holmjarn, Josef, Subsidence of Surtsey volcanao, 1967-1991, Bulletin of Volcanology 1992 (Bd. 55), S. 17-24, 17; Ν. N., Surtsey, Iceland, . 120 Ρrescott, Victor /Bird, Eric, The influence of Rising Sea Levels on Baselines from which National Maritime Claims are Measured and an Assessment of the possibility of Applying Article 7 (2) of the 1982 Convention on the Law of the Sea to Offset Any Retreat of the Baseline, in: Grundy-Warr, Carl (Hrsg.), International Boundaries and Boundary Conflict Resolution, Durham 1990, S. 279-300, 291. 121 Symmons, Maritime Briefing 1 - 5 (Fn. 111), S. 25-26, der auf Inseln im Ganges Delta verweist. Dort stellt sich jedoch auch das Problem der Unterscheidung von trockenfallender Erhebung und Insel, auch dort ist der Anwendungsbereich des Art. 7 II SRÜ eröffnet. Zudem ist die Verwendung der Begriffe „vertikal" und „horizontal" bei Symmons nicht unmittelbar nachvollziehbar. Zur Klarstellung sei angemerkt, dass „horizontale Veränderung" hier eine Änderung der Lage der Erhebung im Meer bezeichnet, die sich nach Längen und Breitenangaben beschreiben ließe, und „vertikale Veränderung" hier eine Veränderung der Höhe im Vergleich zum Meeresspiegel meint. 122 Unterstützt wird dies durch die Überlegung, dass wandernde Inseln einen größeren Einfluss auf die maritime Abgrenzung haben könnten als Veränderungen am Festland (Symmons, Maritime Briefing 1 - 5 [Fn. I l l ] , S. 25).
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Gebietes von einer trockenfallenden Erhebung oder einer für die Abgrenzung irrelevanten ständig überspülten Erhebung des Meeresbodens zu Landgebiet, das jedenfalls in der Abgrenzung des Küstenmeeres Festland gleichgestellt ist (vgl. Art. 121 II SRÜ, Art. 10 II KMÜ), bewirken. Diese Veränderung der Rechtsnatur eines Gebietes ist für die „horizontale" Bewegung im KMÜ oder SRÜ nicht angelegt, allenfalls im Vergleich trockenfallender Erhebungen innerhalb und außerhalb der Küstenmeeres angedeutet. „Horizontale" und „vertikale" Dauerhaftigkeit unterscheiden sich demnach erheblich, eine Analogie verbietet sich. Zudem würde ein solches Erfordernis nicht nur vielfache Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen, sondern auch eine neue Kategorie der Insel schaffen, die dem Seerecht fremd ist. Die Definition der Insel ist in Art. 10 I KMÜ und Art. 1211 SRÜ festgelegt. Entscheidendes Kriterium ist allein die Höhe über der, wie auch immer festgelegten, Hochwassermarke.
2. „naturally-formed" Die USA verfolgten auf der Genfer Konferenz ebenfalls eine Klarstellung dahingehend, dass einer Insel hinter einer Basislinie kein eigenes Küstenmeer zugestanden wird und dass es sich um eine in natürlicher Weise entstandene Landfläche handeln muss. 123 Hier heißt es im englischen Text wörtlich „naturally-formed". Dadurch sind künstlich errichtete Inseln ausgeschlossen; dies umfasst nicht etwa nur Bohrinseln und dergleichen, sondern auch künstlich aufgeschüttete Inseln. 124 Probleme könnten sich dann ergeben, wenn ausgebaggertes Material vor der Küste abgeladen wird, und die so entstehende Sandbank durch Wellen, Gezeiten und Wind geformt wird; hier wäre dann zu entscheiden, ab welchem Einfluss durch die Natur oder den Mensch eine Insel noch als „naturally formed" gesehen werden kann. 125 Hier spricht allerdings insbesondere der Wortlaut der französischen Fassung („étendue naturelle de terre") für einen maßgeblichen Anteil der Natur. Es muss, wie die deutsche Übersetzung des SRÜ deutlich macht, zunächst auf die natürliche Entstehung ankommen, nicht so sehr auf die „Formung", schließlich ist es auch nicht plausibel, dass eine natürlich entstandene, aber etwa durch Eindeichung geformte Insel nicht mehr unter Art. 10 KMÜ fallen soll. 1 2 6
123 A/Conf.l3/C.l /L.112, UNCLOS I Official Records III, S. 242; vgl. Diskussion im 1. Komitee, UNCLOS I Official Records III, S. 161 - 162. 124 McDougal, Myres S. /Burke, William T., The Public order of the Oceans, Yale 1962, Nachdruck New Haven 1986, S. 397 „artificially constructed area, however composed". 125 Vgl. Hodgson, Robert D., Islands: Normal and Special Circumstances, Law of the Sea, Proceedings of the 8 t h annual Conference of the Law of the Sea Institute, Hawaii 1974. 126 Anders kann das Ergebnis aussehen, wenn sich die Natur der Insel durch Befestigungsmaßnahmen so grundlegend wandelt, dass sie als künstliche Insel eingeordnet werden muss, s. Jia, NordT 1997 (Fn. 119), S. 301, 312 - 313.
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3. Art. 121 SRÜ und Küstenmeerabgrenzung Es besteht kein Zweifel, dass einem Landgebiet dann, wenn es über die Ebene des Hochwassers hinausreicht, ein Küstenmeer zusteht. 127 Weder Bewohnbarkeit, Form oder Fläche der Insel spielen für diese Frage eine Rolle. 128 Insofern hat Art. 121 SRÜ zu keiner Rechtsänderung geführt. Problematisch ist allerdings die Frage welche Wirkungen Art. 121 SRÜ mit Blick auf die AWZ und den Festlandsockel entfaltet. 129 Weitere Besonderheiten gelten für Inseln im Bereich der Grenzziehung zwischen zwei Staaten und im Rahmen der Archipele.
II. Art. 11 K M Ü - trockenfallende Erhebungen „ l . A low-tide elevation is a naturally-formed area of land which is surrounded by and above water at low-tide but submerged at high tide. Where a low-tide elevation is situated wholly or partly at a distance not exceeding the breadth of the territorial sea from the mainland or an island, the low-water line on that elevation may be used as the baseline for measuring the breadth of the territorial sea. 2. Where a low-tide elevation is wholly situated at a distance exceeding the breadth of the territorial sea from the mainland or an island, it has no territorial sea of its own."
Wie schon angedeutet, waren Insel und trockenfallende Erhebung zunächst nicht sauber getrennt. Der Gedanke, nach der Lage innerhalb oder außerhalb des Küstenmeeres zu differenzieren, findet sich jedoch schon im Report von Schücking (s. u. I., S. 37). Durch die Reaktionen der Staaten auf die vorbereitenden Berichte kam es vor der Haager Konferenz zur Formulierung der Basis of Discussion No. 14, die bereits die heute gültige Regelung im Kern enthält. 130 Im Bericht des 2. Unterkomitees wurden die entsprechenden Bestimmungen auf die Absätze über Basislinien und Inseln aufgeteilt, es gab keine eigene Regel für trockenfallende Erhebungen.131 Die ILC schlug hingegen eine Bestimmung über „Drying rocks and 127 „There is no doubt that an island, however small, and even rocks provided they are indeed islands proud of the water at high-tide, are capable of generating a territorial sea of up to 12 miles [ . . . ]." PCA, Eritrea v. Yemen, Urteil v. 17. 12. 1999, ILM 2001 (Bd. 40), S. 983, 1009, para 155; s.a. ebd., para 156: „ [ . . . ] each island, however small or unimportant of itself, creates a further low-water baseline from which the coastal territorial sea is to be measured". Ferner Dubai v. Sharjah Border Arbitration, Schiedsspruch v. 19. 10. 1981, ILR Bd. 91 (1993), S. 543,673-674. >2« Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 78, 85. 12 9 Zu Aspekten dieser Abgrenzungsfragen s. u. B.V.3.C), S. 150. 130 LoN Doc C.74.M.39.1929.V. (Fn. 104), S. 54, „In order that an island may have its own territorial waters, it is necessary that it should be permanently above the level of the high tide." In order than [sic!] an island lying within the territorial waters of another island or the mainland may be taken into account determining the belt of such territorial waters, it is sufficient for the island to be above water at low tide." 131 AJIL 1930 (Supp), S. 247, 251.
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drying shoals" vor, 1 3 2 die auf der Genfer Konferenz durch Vorschläge Großbritanniens 133 und der U S A 1 3 4 ersetzt wurde. Die neue Bestimmung ist vom Grundgedanken inhaltsgleich zum Vorschlag der ILC, jedoch mit der Legaldefinition in Abs. 1 klarer formuliert. Die ILC hob auf die Lage der Erhebung im Küstenmeer ab, während nach dem jetzigen Art. 11 I KMÜ die Entfernung das zentrale Unterscheidungsmerkmal ist. Absatz 2 hat rein deklaratorischen Charakter, 135 der Inhalt würde sich auch aus Art. 10 i.V.m. Art. 11 I KMÜ ergeben. Die Definition des Art. 11 I KMÜ /13 SRÜ umfasst alle Erhebungen, die bei Niedrigwasser über Wasser liegen, also auch Sandbänke.136 Da nur ein Teil der trockenfallenden Erhebung weniger als die Küstenmeerbreite vom Festland entfernt sein muss, kann sich das Küstenmeer durch die Anwendung von Art. 11 KMÜ um deutlich mehr als die Küstenmeerbreite ausdehnen. Trockenfallende Erhebungen sind zunächst im Rahmen der Festlegung des Niedrigwasserdatums ein Problem (vgl. ο. Α., S. 26). Prominentes Beispiel ist der Disput zwischen Frankreich und Belgien um die Erhebung „Banc Breedt" an der Belgisch-Französischen Grenze. Während diese Erhebung nach dem belgischen Niedrigwasserdatum (mittleres Springniedrigwasser) ständig unter Wasser lag, war sie entsprechend dem französischen Datum (LAT) eine trockenfallende Erhebung. 137 Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden, in dem Banc Breedt nur teilweise berücksichtigt wurde. 138 Allerdings gibt es einige weitere Unsicherheiten. Da trockenfallende Erhebungen eine Ausbuchtung der Küstenmeergrenze verursachen, wurde die Frage aufgeworfen, ob die Gewässer innerhalb der Niedrigwasserlinie der trockenfallenden Erhebung innere Gewässer seien. 139 Der Effekt wäre die Entstehung von kleinen (bzw. im Fall von ausgedehnten Sandbänken auch größeren) Enklaven innerer Gewässer im Küstenmeer. Da für eine solche Interpretation keinerlei Anhaltspunkte 132 YBILC 1956 II, S. 270. 133 A / Conf. 13 / C. 1 / L.62, UNCLOS I Official Records III, S. 227-228, führt den (deklaratorischen) Art. 11 II KMÜ ein. 134 A/Conf.l3/C.l /L.115, UNCLOS I Official Records III, S. 243, führt den Begriff „low-tide" elevation in das KMÜ ein und bildet heute den Art. 11 I KMÜ. Der britische und amerikanische Vorschlag wurden gemeinsam verabschiedet und ihre Zusammenfassung dem „Drafting Committee" überlassen (UNCLOS I Official Records III, S. 186- 187). 135 So auch Fitzmaurice, der den britischen Vorschlag einbrachte, UNCLOS I Official Records III, S. 186. 136 Roach, J. Ashley / Smith, Robert W., United States responses to excessive maritime claims, 2. Auflage Den Haag 1996, S. 67. '37 Carleton, Chris/SchofieId, Clive / Furness, Shelagh (Hrsg.), Developments in the technical determination of maritime space: charts, datums, baselines, maritime zones and limits, Maritime Briefing, Bd. 3 No. 3, Durham 2001, S. 23. 138 Anderson, D.H., Belgium-France, Rep. 9 - 1 6 , in: Charney (Hrsg.), 1MB II, S. 18911900, 1893. 139 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 605 para 192.
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in der Entstehungsgeschichte sprechen, die frühen Vorschläge der Haager Konferenz im Gegenteil auf einen Einfluss der trockenfallenden Erhebungen allein auf das Küstenmeer hindeuten, und diese Interpretation das Recht der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer beschneiden würde, spricht viel für eine enge Auslegung von Art. 5 I KMÜ in Zusammenhang mit Art. 11 I KMÜ. Art. 5 I KMÜ erklärt die landwärts der Basislinie gelegenen Gewässer zu inneren Gewässern. Die Niedrigwasserlinie der trockenfallenden Erhebungen aber bilden per definitionem einen geschlossenen Bereich innerhalb des Küstenmeeres, so dass es bei enger Auslegung auch kein Gebiet landwärts der Basislinien geben kann. 140 Zweifelhaft ist auch die Behandlung von trockenfallenden Erhebungen, die zwar mehr als 12 sm vom Festland und Inseln entfernt sind, jedoch innerhalb der Küstenmeerbreite von Buchtabschlusslinien liegen. Hier sind an die Interpretation von Art. 11 I KMÜ mit Jennings /Watts folgende Fragen zu richten: „[is] the territorial sea [ . . . ] there referred to as a situs or as a measurement of distance; and does ,mainland4 for this purpose include internal waters"? 141 Der erste Teil der Frage scheint mit einem Blick auf Art. 11 I KMÜ beantwortet, es geht nicht um das Küstenmeer selbst wie noch im Vorschlag der Haager Konferenz und der ILC, sondern die Breite des Küstenmeeres ist das Maß für die Entfernungsmessung. 142 Es bleibt die Frage, ob „Festland oder Insel" als „Festland, Insel oder innere Gewässer" auszulegen ist. Eine solche Auslegung würde jedoch wieder zu dem Ergebnis führen, dass es letztlich für die Berücksichtigung einer trockenfallenden Erhebung genügt, wenn sie sich im Küstenmeergürtel befindet. Vielmehr ist es Intention von Art. 11 I KMÜ, eine echte Entfernungsmessung zu einem Landgebiet durchzuführen, das ein Küstenmeer aus eigenem Recht hat, sei es das Festland, sei es eine Insel. 143 Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der einhelligen Meinung, „Bockspringen" („leapfrogging") von trockenfallender Erhebung zu Erhebung sei in jedem Fall ausgeschlossen.144 Allenfalls könnten als Bezug für die Entfernungsmessung noch 140 im Ergebnis so auch McDougal/Burke (Fn. 124), S. 396-397, die auf die den ILC Entwurf verweisen: Dieser habe nur von „points of departure for measuring the extension of the territorial sea" gesprochen und ganz klar nur einen Einfluss der Erhebungen auf die äußere Grenze des Küstenmeeres gewollt. 141 Oppenheim I 2 / 4 ( F n . 110), S. 605-606 Fn. 2. 1 42 Diese Beziehung, Küstenmeer als Maß des Entfernung, findet sich im übrigen ganz deutlich auch in dem ursprünglichen Vorschlag der USA auf der Genfer Konferenz: „ [ . . . ] The low-tide line on a low-tide elevation which is within T-miles of a mainland or an island may be used as a baseline (T being the breadth of the territorial sea)." (A/Conf.13/ C.l / L.115, UNCLOS I Official Records III, 243). Ganz klar kommt es in diesem Vorschlag auf die tatsächliche Entfernung von Land an. 1 43 Im Ergebnis ebenso Bowett, Derek. W., The legal regime of islands in international law, Dobbs Ferry, NY, 1979, S. 13; Beazley , P. Β., Maritime Limits and Baselines - A guide to their delineation - The Hydrographie Society, Special Publication No. 2, 3. Auflage, Dagenham 1987, S. 11-12, para 7.3 vgl. auch para 7.4. 1 44 Churchill, Robin Rolf/Lowe, Alan Vaughan, The Law of the Sea, 3. Auflage, Yonkers N.Y. 1999, S. 48; Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 606, para 192; Bowett, Regime of Islands (Fn. 143), S. 12.
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Abschlusslinien über Flussmündungen herangezogen werden, da sie nicht nur innere Gewässer, sondern auch Binnengewässer abgrenzen können, mithin originäres Staatsgebiet, das jedenfalls nicht dem Regime des KMÜ unterliegt. Zu einem anderen Ergebnis kommt hingegen der US Supreme Court im Louisiana Boundary Case. Dessen Argumentation stützt sich jedoch weitgehend auf die Untersuchung der ILC Bestimmungen und des Vorschlages der Haager Konferenz; die Genfer Konferenz habe diese Ergebnisse übernehmen und nur das „leapfrogging" verhindern wollen. 145 Gegen diese Folgerung des Gerichtshofes spricht, dass zwar die Buchtabschlusslinie schon auf der Haager Konferenz projektiert war, jedoch allgemein die Problematik von Basislinien und der durch sie internalisierten Gewässer nur am Rande diskutiert wurde. Die Vorschläge gerade der Haager Konferenz haben deshalb nur begrenzten Aussagewert für die hier relevanten Detailfragen. Ferner änderte sich der Wortlaut der Bestimmung im Vergleich zu dem Text der Haager Konferenz und des Vorschlages der ILC so entscheidend, dass die Vorgeschichte gerade zu diesen Fragen nicht aussagekräftig erscheint. Daher ist die vom Supreme Court vorgenommene weite Interpretation des Wortlauts von Art. 11 I KMÜ nicht zu rechtfertigen. Allerdings könnten gerade Basislinien tauglicher Ausgangspunkt der Entfernungsmessung sein. Hier gehen der IGH und das KMÜ davon aus, dass es sich bei den Linien selbst um eine Fiktion der Küste handelt (vgl. B.V., S. 113). Sieht man mit dem IGH die Basislinien als künstliche Küstenlinie, dann spräche einiges für die Heranziehung von trockenfallenden Erhebungen, die sich weniger als die Küstenmeerbreite von der geraden Basislinie entfernt befinden, zur Abgrenzung des Küstenmeeres. So eine Lösung würde aber zu einem Wertungswiderspruch mit den Buchtabschlusslinien führen; denn die Hoheitsgewalt des Staates über die inneren Gewässer einer Bucht ist weitgehender als die über die inneren Gewässer landwärts der Basislinien (vgl. nur Art. 8 II SRÜ), so dass zumindest eine Bevorzugung der geraden Basislinien schwer nachzuvollziehen ist. Zum anderen ist die Ratio der geraden Basislinien die Vereinfachung des Küstenverlaufes; mit diesem Ziel ist es nicht vereinbar, eine durch die gerade Basislinie entstehende berichtigte Küstenmeeraußengrenze durch das Küstenmeer einer trockenfallenden Erhebung wieder „auszubeulen". Art. 11 KMÜ ist daher so auszulegen, dass in jedem Fall eine echte Messung der Entfernung zu einem tatsächlichen, über der Wasseroberfläche gelegenen Landgebiet (Festland oder Insel) erforderlich ist. Dieser Messung muss der Niedrigwasserstand zugrunde gelegt werden, denn nur dann ist die trockenfallende Erhebung auch zu sehen. Die Entfernungsmessung anhand der Niedrigwasserlinie entspricht auch dem Vorschlag der I L C 1 4 6 , da für die Bestimmung der Lage im Küstenmeer in jedem Fall die Niedrigwasserlinie der Küste hätte herangezogen werden müssen. •45 So der US-Supreme Court in US v. Louisiana 394 US S. 11, 40-47. 146 Vgl. Text zu Fn. 135.
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Weitergehend scheint es konsequent, Art. 7 I i.V. m. Art. 13 I KMÜ eng so auszulegen, dass trockenfallende Erhebungen seewärts gerader Basislinien auch dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie noch innerhalb der Küstenmeerbreite zum Festland liegen. Denn mit der Anwendung gerader Basislinien hat sich der Staat in einem Küstenabschnitt für eine bestimmte, vereinfachende Konstruktion entschieden. Er verhielte sich widersprüchlich, würde er in diesem Abschnitt über die konstruierte Küstenlinie hinaus natürliche Gegebenheiten weiter zu seinen Gunsten nutzen, zumal die Verwendung von trockenfallenden Erhebungen als Basispunkte für die geraden Basislinien selbst eingeschränkt ist. Trockenfallende Erhebungen beziehen ihre Bedeutung für die Abgrenzung des Küstenmeeres allein aus der Nähe zur Küste. Sie sind selbst, anders als Inseln, kein Landgebiet und haben daher kein eigenes Küstenmeer. 147 Befindet sich die Erhebung mithin in einem Gebiet, in dem sich das Küstenmeer eines Staates mit dem eines anderen Staates überschneidet und ist die Zurechenbarkeit einer trockenfallenden Erhebung zu einem bestimmten Staat fraglich, kann die Niedrigwasserlinie dieser Erhebung nicht zur Abgrenzung des Küstenmeeres herangezogen werden. 148 Dabei ist es unerheblich, ob die Abgrenzung zwischen benachbarten oder gegenüberliegenden Staaten erfolgt. 149 Der Staat kann sich über eine so gelegene trockenfallende Erhebung auch nicht, wie über eine Insel, die Gebietshoheit aneignen. Der unterschiedliche Rechtscharakter von Insel und trockenfallender Erhebung tritt hier deutlich hervor. 150 Hingegen sieht Despeaux den Status der trockenfallenden Erhebung dem Rechtstatus der Insel angenähert. Er hält daher die Aneignung auch einer im Küstenmeer von zwei Staaten gelegenen, von beiden beanspruchten trockenfallenden Erhebung durch einen Staat für möglich und sieht sich dabei durch die Staatenpraxis bestätigt. Auch die Möglichkeit, trockenfallende Erhebungen unter bestimmten Bedingungen als Basispunkte für ein System gerader Basislinien zu nutzen, dient ihm als Indiz für diese Auffassung. 151 Dieser Ansatz berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass außerhalb des Küstenmeeres gelegene trockenfallende Erhebungen nicht von Staaten beansprucht werden. Wenn Despeux darauf verweist, dass zur Ziehung von geraden Basislinien 147
Llanos, Hugo Ignacio, Low-Tide Elevations: Reassessing their Impact on Maritime Delimitation, Pace Int. Law Review 2002 (Bd. 14), S. 255-272, 264. 148 IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 100- 103 para 201-209. 149 IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 101 para 202. •so IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 101 -103 para 204, 207 und 209. Vgl. auch Speech by his Excellency Judge Gilbert Guillaume, President of the International Court of Justice, to the Sixth Committee of the General Assembly of the United Nations, 31. 10. 2001, para 35 (Zählung d. Verf.). 151 Despeux, Gilles, Das Urteil Katar gegen Bahrain vom 16. März 2001, ZaöRV 2001 (Bd. 61), S. 475 -527, 481 -484. Diese Auffassung deckt sich größtenteils mit der von Weil als Vertreter Bahrains mündlich vorgetragenen Argumentation (vgl. CR 2000/15 para 77 ff., über ).
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trockenfallende Erhebungen herangezogen werden können, muss dem entgegnet werden, dass es sich hier um eng begrenzte Ausnahmefälle handelt, die zunächst nur aus verhandlungstaktischen Gründen (vgl. B.V.l.c), S. 134) in das KMÜ aufgenommen wurden und dann im SRÜ verblieben sind. Zudem müssen auch diese trockenfallenden Erhebungen innerhalb des Küstenmeeres liegen. Insbesondere die Annäherung der trockenfallenden Erhebung an die Insel ist dazu geeignet, die strikte Trennung von Land und Meer als eine der Grundfesten des Seerechtes unnötig zu verwischen. So wird argumentiert: „Der juristische Unterschied zwischen einer TE und einer Insel liegt einzig darin, daß letztere im Gegensatz zur ersteren stets über den Wasserspiegel hinausragt." 152 Zwar ist dies der einzige faktische Unterschied, jedoch gerade der entscheidende. So ist schließlich auch der einzige Unterschied zwischen dem „Land" landwärts und seewärts der Niedrigwasserlinie, dass es seewärts der Niedrigwasserlinie stets unter Wasser liegt. Dennoch bildet dieser Unterschied die Grundlage des modernen Seerechts. Um die Wirkung der trockenfallenden Erhebungen zu erklären, bedarf es nicht der Annahme, sie könnten Gebietsqualität erlangen. Geeigneter scheint es, nur von einer Zurechenbarkeit der trockenfallenden Erhebungen zum Küstenstaat für einen bestimmten Zweck auszugehen.153 So sind trockenfallende Erhebungen im Bereich des Küstenmeeres eines Staates diesem Staat allein auf Grund ihrer räumlichen Nähe und zwar nur, wie KMÜ und SRÜ klarstellen, für den Zweck der Küstenmeerabgrenzung zurechenbar. Inwieweit diese Zurechenbarkeit jedoch zugunsten eines Staates verfestigt werden kann, obwohl die trockenfallende Erhebung auch im Bereich des Küstenmeeres eines anderen Staates liegt, und durch welche Faktoren dies geschehen kann, ist unklar. Der IGH scheint dies in seinem Urteil ganz auszuschließen. Allerdings ist der Verweis auf die Staatenpraxis nicht ohne weiteres abzutun. Es steht außer Frage, dass auch solche Erhebungen zu berücksichtigen sind, wenn sich die Staaten sowohl über die Zurechnung der trockenfallenden Erhebungen zu dem jeweiligen Staat, als auch über die prinzipielle Zurechenbarkeit einig sind. 154 152 Despeux, ZaöRV 2001 (Fn. 151), S. 475, 484 Fn. 41. 153 Diese Ansicht liegt auch dem IGH-Urteil zugrunde: „In the view of the Court, the question in the present case is not whether low-tide elevations are or are not part of the geographical configuration and as such may determine the legal coastline. The relevant rules of the law of the sea explicitly attribute to them that function when they are within a State's territorial sea [Hervorhebung v. Verf.]." (IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 101 para 204). 154
So im von Despeux angeführten Fall der Küstenmeergrenze zwischen Belgien und Frankreich, in der neben der bereits erwähnten Erhebung „Banc Breedt" auch die die Erhebung „Banc Smal" Berücksichtigung fand. Da es sich um die Grenzziehung zwischen benachbarten Staaten handelte und die für Frankreich berücksichtigten Erhebungen auch relativ küstennah lagen, befanden sie sich auch im Abstand von weniger als 12 sm zur belgischen Küste. Vgl. Anderson, Belgium-France, 1MB II (Fn. 138), S. 1891, 1893.
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Fraglich bleibt aber, ob die Zurechnung einer trockenfallenden Erhebung zu einem Staat auch dann erfolgen könnte, wenn sie in Küstenmeerentfernung zu beiden Staaten liegt, und keine Einigkeit über die Zurechnung besteht. Jedenfalls in einem Fall würde sich dies aufdrängen: wenn die trockenfallende Erhebung zunächst ausschließlich innerhalb des Küstenmeeres des einen Staates lag und erst im Zuge einer Küstenmeerausdehnung auch in das Küstenmeer des anderen Staates geriet. Dies könnte ζ. B. der Fall sein, wenn beide Staaten ihr Küstenmeer von 3 sm auf 12 sm erweitert haben. Es wäre schwer einzusehen, dass sich die Zurechnung dieser trockenfallenden Erhebung ändert. Zumal dann ein Staat, wenn auch indirekt, durch einseitigen Rechtsakt zuungunsten eines anderen Staates in dessen Rechtspositionen eingreifen könnte. 155
III. Besonderheit des SRÜ: Riffe als normale Basislinie Art. 6 SRÜ - Reefs „In the case of islands situated on atolls or of islands having fringing reefs, the baseline for measuring the breadth of the territorial sea is the seaward low-water line of the reef, as shown by the appropriate symbol on charts officially recognized by the coastal state."
Bereits im Bericht der Expertenkommission von 1953 wurde die Benutzung von Korallenriffen als Basislinie vorgeschlagen und von François in seinen Bericht aufgenommen. 156 Im Zuge einer Revision im nächsten Bericht, in der auch den trockenfallenden Erhebungen ein eigener Artikel zugewiesen wurde, fiel der Hinweis auf die Riffe ohne nähere Erklärung weg. 157 Der Gedanke wurde erst wieder in der Vorbereitung des SRÜ aufgegriffen, möglicherweise auf Grund der gestiegenen Zahl der unabhängigen Inselstaaten.158 Ein Vorschlag Maltas 1973 im Sea 155
Dieses Ergebnis lässt sich auch mit dem IGH Urteil in Qatar ν. Bahrain vereinbaren, ging es doch dort um eine Erhebung, über die noch kein Staat allein Souveränität erlangt hatte: „Nor is there any doubt that a coastal State has sovereignty over low-tide elevations which are situated within its territorial sea, since it has sovereignty over the territorial sea itself, including its sea-bed and subsoil. The decisive question for the present case is whether a State can acquire sovereignty by appropriation over a low-tide elevation situated within the breadth of its territorial sea when that same low-tide elevation lies also within the breadth of the territorial sea of another State [Hervorhebung v. Verf.]" (IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 101 para 204). Wenn also der Staat erst einmal die Souveränität über die Erhebung erlangt hat, weil sie allein in seinem Küstenmeer lag, ist es nicht einzusehen, warum er sie wieder verlieren sollte. 156 A/CN.4/61 / Add.l Art. 5 IV und Annex „En ce qui concerne les bancs de coreaux, on considérera le rebord de ces bancs, indiqué sur ces cartes, comme la laisse de basse mer pour tracer la limite de la mer territoriale." YBILC 1953 II, S. 75, 76-77. Für eine genaue Darstellung der Staatenpraxis vor der Genfer Konvention, O'Connell I (Fn. 27), S. 185 - 193. 157 A/CN.4/77, Troisième Rapport de J.P.A. François, YBILC 1954 II, S. 1, 3. 158 Alexander, Lewis M., Baseline Delimitation and Maritime Boundaries, Virginia Journal of International Law 1983 (Bd. 23), S. 503-536, 510 nennt als „,warmer climate' island 4 Trümpier
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Bed Committee 159 bildete die Grundlage für die weitere Entwicklung, ein gemeinsamer Vorschlag von vier Inselstaaten 1974 enthielt schon beinahe die heute gültige Fassung: „In the case of atolls or islands having fringing reefs, the baseline for measuring the breadth of the territorial sea shall be the seaward edge of the reef, as shown on official charts." 160
Ein wesentlicher Unterschied zum heutigen Text ist die „seaward edge" als Basislinie. Es war nach diesem Vorschlag also nicht erforderlich, dass das Riff zu irgendeinem Zeitpunkt über Wasser liegt. Dies hat wohl seine Ursache in der besonderen Situation eines Atolls. Atolle bestehen in der Regel aus Korallen (schon 1953 war ja von Korallenriffen die Rede, vgl. Fn. 156), die im Laufe der Zeit durch ihr Wachstum einen zum Großteil geschlossenen Ring geformt haben, der eine Lagune und häufig eine Insel einschließt.161 Riff / Lagune / Insel bilden ein geschlossenes System, dessen Einzelteile für das Überleben der Bewohner von entscheidender Bedeutung sind; so ist die Lagune aufgrund des beschränkten Landgebietes unverzichtbarer Nahrungslieferant, das Riff selbst als Erosionsschutz Voraussetzung für das Weiterbestehen der Insel. 162 Artikel 6 SRÜ trägt diesem besonderen Verhältnis Rechnung.163 Unter diesen Umständen wurde ein Verzicht auf die Differenzierung zwischen trockenfallenden und beständig überspülten Riffen gefordert. 164 Dieser Forderung wurde bis zur Vorlage des Revised Single Negotiating Text (RSNT) 1976 entsprochen, hier wurde die Formulierung „seaward edge" durch „seaward low-water line" ersetzt, 165 so dass nur solche Riffe, die tatsächliche eine Niedrigwasserlinie aufweisen, d. h. die bei Niedrigwasser über dem Wasserspiegel liegen, auch zur Abgrenzung herangezogen werden können. 166 states", die bei den Verhandlungen vertreten waren: Madagaskar, West Samoa, Jamaika, die Malediven, Nauru, Mauritius, Fidschi und die Seychellen. 159 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 92 para 6.3.; A/AC.138/SC.II/ L.28, Preliminary draft articles on the delimitation of coastal State jurisdiction in ocean space and on the rights and obligations of coastal States in the area under their jurisdiction, SBC Reports III, S. 35, 38; es handelt sich um einen Entwurf, der nicht notwendigerweise auch die Ansichten der Regierung Maltas wiedergab. 160 A/Conf.62/C.2 /L.30, UNCLOS III Official Records III, S. 211 para 5. 161 Hodgson, Law of the Sea proceedings 8 t h (Fn. 125), S. 137, 164-166, vgl. dort auch für eine detaillierte Darstellung des Entstehungsprozesses. 162 Hodgson, Robert D./Alexander, Lewis M., Towards an objective analysis of special circumstances: bays, rivers, coastal and oceanic archipelagos and atolls, Law of the Sea Institute Occasional Paper No. 13, Kingston 1972, S. 53-54. 163 Alexander, Va. J. of Intl. Law 1983 (Fn. 158), S. 503, 511. '64 Hodgson, Law of the Sea proceedings 8 t h (Fn. 125), S. 137, 166 (2.); Hodgson/Alexander, Towards an Objective Analysis (Fn. 162), S. 54. 165 A/Conf.62 / WP.8/Rev. 1/Part II, Article 5, UNCLOS III Official Records V, S. 151, 154.
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Dieses Ergebnis wird teilweise mit dem Argument in Frage gestellt, Art. 6 SRÜ verlange anders als Art. 47 VII 2 HS SRÜ keine „drying reefs". 167 Zunächst kann dies indes kaum den insoweit eindeutigen Wortlaut entkräften, der klar von einer Niedrigwasserlinie spricht. Darüber hinaus betrifft Art. 47 VII SRÜ nicht die Ziehung einer Basislinie, sondern enthält vielmehr Messanweisungen zur Bestimmung des Landanteils eines Atolls. Art. 47 VII SRÜ zerfällt dabei in zwei Teile: der erste HS nimmt in seiner Wortwahl direkt auf Art 6 SRÜ Bezug; 168 angenommen „area within the fringing reefs of islands and atolls" sei das Landgebiet innerhalb der Niedrigwasserlinie nach Art. 6 SRÜ (hier kann es auch keine Referenz zur Niedrigwasserlinie als Basisiime geben wie in Art. 6 SRÜ selbst; die ganze Insel liegt ja innerhalb der Archipelgewässer und die Notwendigkeit, eine Basislinie festzulegen, besteht somit nicht, vgl. aber C.I.2.d), S. 171 zur Möglichkeit der Ziehung einer AbschlussYmie), führt dies in Zusammenhang mit HS 2 zu einer die hier vertretene Ansicht bestätigenden Interpretation. Erst der zweite Halbsatz, der den Fall eines steil abfallenden Ozeanplateaus mit Kalkinseln explizit in die in HS 1 beschriebene Situation einbezieht, enthält die Formulierung „drying reefs". In die Landberechnung demnach einzubeziehen wären nach Art. 6 SRÜ abgegrenzte Gebiete und bestimmte Ozeanplateaus, aber eben auch nur insoweit, als sie aus trockenfallenden Riffen bestehen. Art. 47 VII HS 2 SRÜ weist also nicht zwingend darauf hin, dass Art. 6 SRÜ auch ständig überspülten Riffen eine Basislinie zubilligen will. Schließlich kommt Art. 47 VII 2 HS SRÜ auch deshalb nur begrenzte Aussagekraft in der Auslegung anderer Bestimmungen zu, da er auf einen Vorschlag der Bahamas zurückgeht, der besonders auf die Situation dieser Inselgruppe zugeschnitten ist. Dies ändert jedoch andererseits nichts daran, dass Art. 47 VII SRÜ als Ganzes den Gewässern nach Art. 6 SRÜ offenbar einen besonderen Stellenwert beimisst. Atoll und „fringing reef" sind Fachausdrücke der Geomorphologie mit genauer wissenschaftlicher Definition. 169 Allerdings spricht einiges dafür, dass hier nicht 166 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 52; dies sollte nach Hodgson , Robert DJ Smith, Robert W., The Informal Single Negotiating Text (Committee II): A Geographical Perspective, Ocean Development and Internaional Law, 1976 (Bd. 3), S. 225-259, 229-230 auch schon bei den vorherigen Versionen der Fall gewesen und durch die Formulierung „by appropriate symbol" sichergestellt worden sein, es sei aufgrund der verschiedenen Praxis der Staaten aber möglich, dass auch ständig unter Wasser liegende Riffe so gekennzeichnet seien. Nach der Änderung des Wortlautes kann heute jedoch kein Zweifel mehr bestehen, dass nur trockenfallende Riffe unter Art. 6 SRÜ fallen. Womöglich a. A. unter Verweis auf Hodgson /Smith jedoch mit Bezug auf den Entwurfstext von 1980, O'Connell I (Fn. 27), S. 195 Fn. 111. 167
Kawaley, Ian, Delimitation of Islands fringed with Reefs: Article 6 of the 1982 Law of the Sea Convention, ICLQ 1992 (Bd. 41), 152-160, 157. 168 Symmons, Clive Ralph , The Maritime Zones of Islands in International Law, Den Haag 1979, S. 46 Fn. 162. 169 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 5 para 16: „Geomorphologists reserve the term atoll for reefs which surround a lagoon and are surmounted by one or more islands"; und S. 8 para 21: „The term ,fringing reefs' also has a strict meaning in geomorphology. Such reefs are derived from some biological process involving coral, oysters or lime-secreting worms." 4*
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nur die streng wissenschaftliche Definition gemeint ist, sondern Art. 6 SRÜ auch alle dem Atoll äußerlich ähnlichen Formationen umfasst, d. h. alle Inseln, die in der offenen See liegen und von einem Ring aus Riffen umgeben sind. 170 Dafür spricht auch, dass sich die Konvention in der Regel durch das Kartenbild leiten lässt, d. h. was auf der Karte gleich aussieht, wird auch gleich behandelt. Es ist nicht einzusehen, warum gerade in der Frage der Atolle hier eine Ausnahme gelten und geomorphologische Überlegungen den Ausschlage geben sollen. 171 Gleiches gilt für „fringing reefs", die nach der geomorphologischen Definition freilich ohnehin unmittelbar an das Landgebiet der Insel anschließen. Daher wären sie eigentlich von Art. 5 SRÜ bereits erfasst. 172 Soll dem Ausdruck „fringing reefs" eine eigene Bedeutung zukommen, muss er auch sog. „barrier reefs" umfassen, eine Atoll-ähnliche Formation. 173 Im Licht der Entstehungsgeschichte ist jedoch insgesamt eine enge Auslegung angebracht, die den Artikel auf Atoll-ähnliche Formationen beschränkt. So wäre es nach dem Wortlaut wohl auch für relativ große Inseln (ζ. B. Britische Insel, Island, Sumatra etc.) möglich, über Art. 13 SRÜ hinaus Riffe zur Berechnung von Basislinien heranzuziehen. Dies widerspräche jedoch nicht nur Hinweisen aus der Entstehungsgeschichte, sondern auch dem Zweck, den besonderen Abhängigkeiten in einem Atoll Rechnung zu tragen. In Verbindung mit Art. 8 SRÜ ergibt sich, dass die landwärts der Niedrigwasserlinie der Riffe gelegenen Gewässer zu den inneren Gewässern gehören. 174 Hier liegt auch die eigentliche Bedeutung des Art. 6 SRÜ, denn bei einer Küstenmeer'70 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 6 para 17; Carleton/Schofield, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 25-26, Prescott, Maritime Political Boundaries (Fn. 54), S. 48; vgl. auch TALOS-Manual (Fn. 24), S. 22 para 67 „Reef/A mass of rock or coral [ . . . ]." 171 A.A., d. h. Riffe meine nur Korallenriffe, unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte, Beazley, P. B., Reefs and the 1982 Convention on the Law of the Sea, International Journal of Estuarine and Coastal Law 1991 (Bd. 6), S. 281 -312, 298. «72 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 297. 17 3 So DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 8 - 9 , para 21-23; danach ist Rarotonga ein Beispiel für ein „fringing reef im wissenschaftlichen Sinn, allerdings fiele die Niedrigwasserlinie in diesem Fall unter Art. 5 SRÜ, anders bei Wallis Island (Ueva), dass von einem Riff umgeben ist, technisch aber kein Atoll sei (vgl. auch dort Fig. 7). '74 Hodgson! Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 230; Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 94 para 6.7. (c), hier wird allerdings die Wendung „sufficiently closely linked to the land domain to be subject to the regime of internal waters" überbetont, diese Formel stammt aus dem Urteil im british-norwegischen Fischerei streit und ist im Rahmen der Frage der Internalisierung von Gewässern landwärts gerader Basislinien von Bedeutung, sie kann hier allenfalls im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses Berücksichtigung finden; grundfalsch ist es jedoch, aus dem SRÜ abzuleiten, dass die Erfüllung dieser Formel stets eine notwendige oder gar hinreichende Bedingung für die Internalisierung von Küstengewässern ist. Graf Vitzthum, Wolfgang/Talmon, Stefan, Alles fließt: Kulturgüterschutz und innere Gewässer im neuen Seerecht, Baden-Baden 1998, S. 79, Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 298. Für die Internalisierung spricht auch Art. 47 VII SRÜ (vgl. C.I.2.b) gg), S. 167).
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breite von 12 sm liegt eine Mehrzahl der Riffe ohnehin nicht weiter als die Küstenmeerbreite von der Insel entfernt und wäre daher unter Art. 11 KMÜ /13 SRÜ als trockenfallende Erhebung ebenfalls zur Abgrenzung des Küstenmeeres heranzuziehen.175 Wie jedoch oben ausgeführt, fallen die Gewässer landwärts trockenfallender Erhebungen nicht unter Art. 8 I KMÜ. Zwar sind Atolle zum großen Teil geschlossen,176 dennoch bleibt die Frage, wie an den in den meisten Atollen vorhandenen Kanälen und Lücken im Riff zu verfahren ist. 1 7 7 Eine Sondervorschrift für die Ziehung von geraden Abschlusslinien über diese Eingänge gibt es nicht. Art. 4 KMÜ /10 SRÜ ist nicht anwendbar, da es sich bei den Riffen nicht um permanent über dem Wasser liegendes Land handelt, so dass sie keine Einbuchtung der Küste i. S. d. Art. 7 KMÜ /10 SRÜ darstellen (vgl. B.I.3.b), S. 73). Dennoch besteht wohl Einigkeit über die prinzipielle Möglichkeit, Abschlusslinien zu ziehen. 178 Als Grundlage kommt am ehesten die analoge Anwendung der Buchtvorschriften in Betracht. 179 Die Gewässer der Lagune sind in der Regel landlocked , obwohl bei Hochwasser nicht zu erkennen. Eine analoge Anwendung, bei der das Riff als Grenze der Bucht unterstellt wird, würde mit den detaillierten Regeln des Art. 7 KMÜ / 10 SRÜ auch in Zweifelsfällen weiterhelfen können, etwa wenn eine große Lücke im Riff besteht oder das Riff die Insel nur unterbrochen abschirmt. 180 Hier könnten die Gewässer nach den für die Bucht gefundenen Kriterien (Halbkreiserfordernis, maximale Buchtabschlusslinie von 24 sm) internalisiert werden. Art. 6 SRÜ ist lex specialis für die Basislinie von Inseln. Riffe werden durch Art. 6 SRÜ jedoch nicht zu geeigneten Basispunkten für ein System gerader Basislinien nach Art. 4 K M Ü / 7 SRÜ. 181 Sie sind es nur dann, wenn sie ohnehin unter Art. 4 III K M Ü / 7 IV SRÜ subsumiert werden können (natürlich auch dann, wenn sie ständig über Wasser liegen, dann ist jedoch Art. 6 KMÜ nicht anwendbar bzw. •75 Beazley (Fn. 171), Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991, S. 281, 298. 176 So führt Hodgson, Law of the Sea proceedings 8 t h (Fn. 39), S. 137, 165 aus, dass Korallenriffe im Allgemeinen mehr als 75 % des vollen Umfanges, und gewöhnlich sogar mehr als 90 % abdecken. • 7 7 DOALOS, Baselines (Fn. 44), S. 10 para 26.
ι™ Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 52; DOALOS, Baselines (Fn. 44), S. 9 - 1 0 para 25; Kawaley, ICLQ 1992 (Fn. 52), S. 152, 157; US State Department, Commentary - The 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea [ . . . ] , in: U.S. Department of State Dispatch Supplement, Law of the Sea Convention, Feb. 1995, Bd. 6, Supplement No. 1, S. 8 (auch ILM 1999 [Bd. 34], S. 1403 ff.), Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 94, para 6.7 (d). Beispiel für so eine Basislinienziehung ist Tokelau (Neuseeland), siehe Tokelau (Territorial Sea and Exclusive Economic Zone) Act 1977, para 5 {Nordquist, Myron [Hrsg.], New Directions in the Law of the Sea, Bd. 7, London 1980, S. 468 und . •79 Carleton/Schofield, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 26. •so Beispiele für solche Situationen in DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 11-13, para 27-28. •81 Reisman/Westerman
(Fn. 70), S. 94.
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seine Anwendung nicht notwendig). Trotz seiner relativ jungen Geschichte hat Art. 6 SRÜ Eingang in das Völkergewohnheitsrecht gefunden. 182
B. Abweichung von der normalen Basislinie Es ist dem Küstenstaat unter bestimmten Bedingungen erlaubt, eine andere Basis als die Niedrigwasserlinie der Abgrenzung seines Küstenmeeres zugrunde zulegen.
I. Buchten Der für lange Zeit typische und bedeutendste Fall war die Bucht. Zwar hat diese Möglichkeit durch die Einführung der geraden Basislinien an Bedeutung verloren, jedoch ist die Kodifikation im Bereich der Buchten am dichtesten und genauesten. Daher ist zunächst die Untersuchung der Abweichung durch die Bucht zweckmäßig, die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen dann ein besseres Verständnis insbesondere der Problematik der geraden Basislinien. 1. Das historische Konzept der Bucht Die gegensätzlichen Protagonisten im Streit um einen Hoheitsanspruch auf die Hohe See sind bekannt: zum einen die Vertreter eines möglichst weit ausgedehnten Souveränitätsanspruches des Küstenstaates, zum anderen die Verfechter einer möglichst weitgehende Freiheit der Meere. Der Krieg der Bücher zwischen Grotius und Seiden 183 markierte einen frühen Höhepunkt dieser bis heute noch nicht abgeschlossenen Auseinandersetzung. Mit der im SRÜ weit vorangeschrittenen Terraneisierung der Meere hat sich die Waagschale wieder ein Stück zugunsten Seidens geneigt. Schon frühe Staaten haben die Unterscheidung zwischen der offenen See und geschützten Inlandsgewässern getroffen. 184 Den für die (Küsten-)Schifffahrt benutzten Gewässern standen die Buchten gegenüber, die der Seefahrer nur bei Sturm oder um einen dort gelegenen Hafen zu erreichen anlaufen musste. So ergab sich eine natürliche Unterscheidung. 185 Auch Grotius selbst schloss die Buchten von >82 O'Connell I (Fn. 27), S. 195; Kawaley, ICLQ 1992 (Fn. 167), S. 152, 158-159 mit Nachweis der neueren Staatenpraxis. 183 Siehe dazu: Graf Vitzthum, Wolf gang, Seerechtsglobalisierung - von der iberischen Epoche zur Ära der Vereinten Nationen, in: Schorlemer, Sabine von (Hrsg.), Praxishandbuch UNO, Heidelberg 2003, S. 397-418, 404-406. Brown, E. D., Law of the Sea, History of, in: Bernhardt, EPIL III, Amsterdam, 1997, S. 169- 173. im Westerman, Gay ί S., The Juridical Bay, Oxford 1987, S. 35. Gihl , Torsten, The Baseline of the Territorial Sea, Scandinavian Studies in Law 1967 (Bd. 11), S. 119-174, 137. 185
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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der Freiheit der Meere aus. 186 Zwar wurde wohl nie ernsthaft bestritten, dass Buchten infolge ihrer besonderen Lage auch einem besonderen Rechtsstatus unterfallen können, jedoch war und bleibt umstritten, welche Buchten dies betrifft und was überhaupt eine Bucht ausmacht. Intensiv wurde diese Auseinandersetzung vor allem im angloamerikanisehen Rechtsraum geführt, mit nicht unerheblichem Einfluss auf die völkerrechtliche Diskussion. Im Jahre 1604 erging in Großbritannien eine Proklamation durch James I. über die Grenzen des Neutralitätsrechtes, d. h. über die Grenze der Zone, in die ausländischen kriegführenden Parteien die Einfahrt zu Kriegszwecken untersagt war. Diese Grenzen wurden von „12 erfahrenen Seefahrern 4' festgelegt und schlossen die größeren Einbuchtungen der Küste Englands mit geraden Linien ein, die von Landspitze zu Landspitze gezogen wurden („from headland to headland"). Dieses System gerader Linien wurde in der Folgezeit als die „King's Chambers" bezeichnet. 187 Unabhängig von der Frage der Ausdehnung des Herrschaftsbereichs des Souveräns sah sich das Common Law vor der Frage der Abgrenzung der Jurisdiktion zwischen Common Law auf der einen und Admiralitätsrecht auf der anderen Seite. Das Common Law war anwendbar „within the arms of the sea' 4 . 188 Hale definierte die Grenze zwischen den beiden Jurisdiktionen so: „That arm or branch of the sea which lies within the fauces terrae, where a man might reasonably discern between shore and shore is, or at least may be, within the body of a county, and therefore within the jurisdiction of the sheriff or coroner." 189
Hier sind zwei Schlüsselbegriffe der späteren Diskussion schon zu finden, zunächst di e fauces terrae 19°, die auch noch in der Vorbereitung auf das KMÜ in der Diskussion der ILC eine Rolle spielten, sowie das Kriterium der Sichtweite, das in den verschiedensten Spielarten die Diskussion um die maximale Öffnungsweite einer Bucht beeinflusste. Sowohl die King's Chambers-Doktrin als auch der fauces terrae Ansatz hielten sich bis in die Neuzeit. So wurden die King's Chambers von Lord Stowell im Fall der Twee Gebroeders beiläufig erwähnt. 191 Wheaton griff die Rechtsfigur 1836 wieder auf, 192 und von Phillimore wurde sie endgültig für die internationale Ebene 186 Gihl, Scandinavian Studies in Law 1967 (Fn. 185), S. 119, 136. ι«7 O'Connell I (Fn. 27), S. 339-40. 188 O'Connell I (Fn. 27), S. 341. 189 De jure maris, in: Moore, Foreshore (1888), S. 376 (zitiert nach O'Connell I [Fn. 27], S. 342 Fn. 12). 1 90 O'Connell I (Fn. 27), S. 341 gibt an, der Ausdruck „fauces terrae" gehe auf ein Urteil in der Zeit Edward II zurück und zwar in Zusammenhang mit der Jurisdiktion des mittelalterlichen Coroners. 191 The „Twee Gebroeders" (2 n d Phase), Court of Admiralty Urteil ν. 27. 11. 1801, 165 ER S. 485 -492 (3 C. Rob. 336-354), 487 (341).
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
eingeführt. 193 Dit fauces terrae-Doktrin wurde im 18. und 19. Jahrhundert verschiedentlich vor Gericht angeführt, zumeist zu Fragen der innerstaatlichen Abgrenzung der Jurisdiktion. 194 1818 wurde sie vom Obersten Gerichtshof der USA im Fall US v. Bevans herangezogen. 195 Hier ging es um die Auslegung eines Gesetzes aus dem Jahre 1790, das die Grundlage für die Bestrafung von Verbrechen „auf der Hohen See oder in jedem Hafen, Becken oder Bucht, außerhalb der Jurisdiktion eines bestimmten Staates"196 bildete. Die Abgrenzung innerstaatlicher Jurisdiktionen war jedoch nicht mehr das einzige Anwendungsgebiet der fauces terrae-Formel. So entschied das Berufungsgericht in New York, dass die äußeren Grenzen von Long Island als fauces terrae anzusehen seien, dies im Zusammenhang mit einem Zusammenstoß zweier Schiffe, der sich im Long Island Sound an einer Stelle ereignete, an der die Breite mehr als 4 sm betrug. 197 Auch im Fall Manchester v. Massachusetts über Fischereigrenzen in der Buzzard's Bay wurde vor dem Obersten Gerichtshof der USA der fauces terrae-Ansatz angeführt und sogar Beweis erhoben über die Frage, ob man von der einen Seite der Bucht Vorgänge auf der anderen Seite unterscheiden könne. 198 Jedoch folgte der Gerichtshof diesem Argumentationsweg im Urteil nicht, sondern legte seiner Entscheidung eine numerische Grenze zugrunde, nämlich die zweifache Küstenmeerbreite. 199 Die Überführung der fauces terrae-Doktrin auf die Ebene des Völkerrechts war der nächste Schritt dieser Entwicklung. Im 19. Jahrhundert trat die Frage auf, wie denn eigentlich eine Bucht völkerrechtlich zu bestimmen sei; hier bot sich die fauces terrae-Theorie mit dem Abgrenzungskriterium der Sichtweite an. Anlass hierzu bot in Großbritannien der Fall R. v. Cunningham, in dem es vordergründig um eine Frage der innerstaatlichen Zuständigkeit ging. Zur Beantwortung dieser Frage •92 Wheaton, Henry, Elements of International Law, Philadelphia 1836, S. 144 u. 286-287 para 9, der als Grund für die King's Chambers den Schutz des aus den Buchten ein- und auslaufenden Verkehrs vor lauernden Schiffen nennt; O'Connell I (Fn. 27), S. 346. 193 Phillimore, Robert, Commentaries upon International Law, Bd. 1, London 1854, S. 213. Phillimore nimmt nicht explizit auf Wheaton Bezug, scheint aber von ihm inspiriert, beide verweisen auf Life and Works of Sir Leoline Jenkins, Bd. 2, S. 727-728, 780. Vgl. O'Connell I (Fn. 27), S. 346. >94 O'Connell I (Fn. 27), S. 346. >95 US v. Bevans, Urteil v. 21. 2. 1818, 16 US (3 Wheat.) S. 336, 340. >96 An Act for the Punishment of certain Crimes against the United States v. 30. 4. 1790, Sec. 8 US Statutes at Large Bd. 1, S. 112, 113. >97 „The rule is one of universal recognition, that a bay, strait, sound or arm of the sea, lying wholly within the domain of a sovereign, and admitting no ingress from the ocean, except by a channel between contiguous headlands which he can command with his cannon on either side, is the subject of territorial dominion. (Wheaton's International Law, 320; Vattel's Law of Nations, 130; Hautefeuille Droits des Nations, 2d ed., 89; Church v. Hubbard, 2 Cranch, 187.)", Mahler v. Norwich & New York Transportation Co., Urteil v. März 1866, 35 NY S. 352, 355.
>98 Manchester v. Massachusetts, Urteil v. 16. 3. 1891, 139 US S. 240, 243. 199 O'Connell I (Fn. 27), S. 349.
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war es erforderlich zu klären, ob der Tatort in die Zuständigkeit eines Counties oder die der Admiralität fiel. 2 0 0 In der Verhandlung wurde argumentiert, der Tatort, der Bristol Channel, befinde sich deshalb in der Gerichtsbarkeit des Counties, da er innerhalb der fauces terrae liege. 201 Cockburn befand schließlich, der Bristol Channel sei tatsächlich Teil des fraglichen County, ohne dies jedoch auf die fauces terrae zu stützen; vielmehr sei dies Folge der „local situation". 202 Das Ergebnis wurde trotz der innerstaatlichen Rechtsfrage so verstanden, dass der Bristol Channel deshalb innerhalb der Staatsgrenze lag, weil er auch völkerrechtlich eine Bucht war; also konnte die fauces terrae-Doktrin für die völkerrechtliche Argumentation verwendet werden. 203 Auch die King's Chambers gerieten nicht in Vergessenheit, sondern beeinflussten die Diskussion um Buchten insoweit, als sie eben keine maximale Begrenzung der Abschlusslinie über die Bucht vorsahen, sondern nur eine Verbindung von Landspitze zu Landspitze. 204 Dies deckte sich mit völkerrechtlichen Tendenzen im 19. Jahrhundert. So stieß wohl Galiani auf völkerrechtlicher Ebene den Gedanken an, das Territorium eines Staates schließe auch die Gewässer landwärts einer zwischen den äußeren Punkten einer Einbuchtung der Küste gezogenen Abschlusslinie ein; 2 0 5 eine Obergrenze für die Abschlusslinie erwähnte er nicht. In das 19. Jahrhundert fällt ferner der Beginn einer Debatte, die in ähnlicher Form auch in anderen Teilbereichen der Abgrenzung des Küstenmeeres auftaucht. Den Vertretern einer klaren, nach geographisch-technischen Kriterien durchgeführten Abgrenzung der Buchten stand die Gruppe derjenigen gegenüber, die die Abgrenzung anhand einer Einzelfallbetrachtung der Verhältnisse vor Ort treffen wollten. 206 Dabei war das Bestreben der ersten Fraktion auch die Begrenzung von exzessiven Ansprüchen der Küstenstaaten. Denn bis zu dieser Zeit war man bei dem Diskurs um Buchten immer von relativ kleinen Einbuchtungen in der Küste ausgegangen; nunmehr zeichnete sich jedoch die Möglichkeit ab, dass Staaten beträchtliche Gebiete, die noch Teil der Hohen See waren, durch die Ziehung von Abschlusslinien terraneisieren könnten. Verschärft wurde dieses Problem durch eine andere, erst im 19. Jahrhundert aufkommende Entwicklung. Bis zu dieser Zeit 200
R. v. George Cunningham, George Brown and Edward Summers, Urteil v. 15. 1. 1859, 169 ER S. 1171-1177, 1173. 201 R. v. Cunningham, 169 ER S. 1171, 1175 unter Berufung auf Lord Haie. 202 R.v.Cunningham, 169 ER S. 1171, 1177. 203 O'Connell I (Fn. 27), S. 351. 204 O'Connell I (Fn. 27), S. 352 f. 205 Galiani, Ferdinando / Monti, Gennaro Maria (Hrsg.), Dei Doveri dei Principe Neutrali, 2. Aufl. Bologna 1942 (1. Auflg. 1782), S. 422. 206 Westerman (Fn. 184), S. 54-55, Vetreter für die Untersuchung des Verhältnisses Land zu See: Azuni, Domenico Alberto, Droit Maritime de l'Europe, Teil 1, Paris 1805, S. 254; Creasy, Edward S., First Platform of International Law, London 1876, S. 232; Nuger, Α., De l'occupation: droit romain, droit international, des Droits de l'état sur la mère territoriale, Paris 1887, S. 190-195.
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gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Abschlusslinie einer Bucht gleichzeitig auch die Basislinie für das Küstenmeer 207 sein könnte; vielmehr bildete die Abschlusslinie anscheinend gleichzeitig die äußere Grenzlinie der Hoheitsgewalt des Staates.208 Nach den napoleonischen Kriegen wurde in der Vertragspraxis der Staaten der Gedanke verfestigt, man könne die Abschlusslinie als Basis für die Bestimmung der Küstenmeerbreite heranziehen. 209 Erst im Verlaufe dieser Entwicklung wurde aus der Abschlusslinie der Bucht als der seewärtigen Grenze des Küstenmeeres die landwärtige Basislinie des Küstenmeeres und die Gewässer innerhalb der Bucht zu inneren Gewässern. 210
a) North Atlantic Coast Fisheries Arbitration Die North Atlantic Coast Fisheries Arbitration kann in dem die Buchten betreffenden Teil als Ausdruck des Streites zwischen Verfechtern der Abgrenzung nach geographischen Kriterien und denen einer Einzelfallbetrachtung gedeutet werden. Das Schiedsgerichtsverfahren war das Ende eines Streites, dessen Grundstein in den Pariser Verträgen von 1783 gelegt wurde. Vor der Unabhängigkeit der USA durften die Bürger der 13 Kolonien als Untertanen der Krone in deren Gewässern Fischerei betreiben, d. h. insbesondere auch in den Gewässern der kanadischen Territorien vor Neufundland. 211 Diese Rechte konnten sich die USA in den Verhandlungen zu den Pariser Verträgen für die neuenglischen Kolonien erhalten. Durch den Krieg von 1812 verloren die Vereinbarungen über die Fischereirechte jedoch nach Aufkündigung durch das Vereinigten Königreiches ihre Gültigkeit. 212 In den Friedensverhandlungen war die britische Seite nur dann zur erneuten Einräumung der Fischereirechte bereit, wenn auch den britischen Fischern gleichartige Rechte in US-Gewässern eingeräumt würden. Dem stimmten die USA nicht zu. Infolgedessen verzichteten die USA im Vertrag von London 1818 förmlich auf das Recht „[to] take, dry, or cure fish, on or within three marine miles of any of the 207 Zu dieser Zeit hatte sich die Unterscheidung zwischen inneren Gewässern und Küstenmeer noch nicht herausgebildet (Westerman [Fn. 184J, S. 55, Fn. 74), so dass der Begriff Küstenmeer hier nicht nach heutigem Sprachgebrauch verwendet wird. 208 O'Connell I (Fn. 27), S. 352. 209 So im Vertrag von London 1818, United States Statutes at Large, Bd. 8, S. 248, in dem es allerdings noch etwas mehrdeutig heißt „within 3 marine miles of any [ . . . ] bays" (vgl. auch Text zu Fn. 213), in der britisch-französische Fischereikonvention von 1839 (27 BFSP S. 983) Art. 9, in der britisch-französische Fischereikonvention von 1867 Art. I (57 BFSP S. 8), in einem nicht-ratifizierten Vertrag zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von 1888 Art. 3 (79 BFSP S. 267), und in der Nordsee Fischereikonvention von 1882 Art. II (RGBl 1884, S. 25). 210 O'Connell I (Fn. 27), S. 353; aber noch zu Beginn der 1920er Jahre war keineswegs gesichert, welcher Rechtsstatus der Bucht zukommen sollte, vgl. Hurst, Cecil, The Territoriality of Bays, British YBIL 1922-1923 (Bd. 3), S. 42-54, 43.
211 Westerman (Fn. 184), S. 62. 212 O'Connell I (Fn. 27), S. 352.
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coasts, bays, creeks or harbours, of his Britannic Majesty's dominions in America [ . . . ] " . 2 1 3 Jedoch war „Bucht" in dem Vertrag nicht näher definiert, so dass es in der Folge zu erheblichen Streitigkeiten zwischen den USA und insbesondere der Regierung von Nova Scotia kam. So wurden zwischen 1818 und 1838 etwa 300 US-amerikanische Fischkutter aufgebracht. 214 Dieser Streit widerstand beharrlich wiederholten Versuchen, ihn durch Vermittlung oder Verhandlung beizulegen.215 Im wesentlichen bestand die britische Seite darauf, dass das Wort Bucht im Wortsinn zu verstehen sei, mithin alle geographisch als Bucht bezeichneten Einbuchtungen durch eine Abschlusslinie von Landspitze zu Landspitze eingeschlossen werden könnten. 216 Die Vereinigten Staaten vertraten hingegen eine wesentlich engere Definition, nach ihrer Ansicht bezog sich der Verzicht lediglich auf die Territorialgewässer Britanniens; innerhalb dieses Rahmens sei der Begriff der Bucht eng und streng nach präzisen geographischen Kriterien auszulegen.217 Insbesondere bestanden die USA auf einer 6 sm Höchstgrenze für die Länge der Abschlusslinie, denn diese Länge hatte sich zwischen 1870 und 1888 in der Praxis beider Seiten als modus vivendi durchgesetzt. 218 Schließlich legten die USA und das Vereinigte Königreich als Mitglieder des Ständigen Schiedshofes verschiedene Auslegungsfragen des Vertrages von 1818 mit Vereinbarung vom 27. 1. 1909 einem Schiedsgericht vor, darunter auch die Frage, was als Bucht im Sinne des Vertrages gelte. 219 Nach detaillierten Einlassungen der beiden Parteien erteilte das Schiedsgericht in seinem Spruch vom 7. 12. 1910 der Position der USA in der Frage der Buchten eine Absage. Es sah sich, wohl in historischer Auslegung, an den Willen der Parteien des Jahres 1818 gebunden und lehnte daher insbesondere die Anerkennung von spezifischen Längenbegrenzungen für die Abschlusslinien als unter dem Vertrag bindend ab. 2 2 0 Das Schiedsgericht entschied eher vage: „In case of bays three marine miles are to be measured from a straight line drawn across the body of water at the place where it ceases to have the configuration and characteristics of a bay. At all other places the three marine miles are to be measured following the sinuosities of the coast." 221 213 Convention with Great Britain, Article 1, United States Statutes at Large, Bd. 8, S. 248, 249 (auch H. Miller, Treaties and Other International Acts of the United States, Bd. 2 [1930], S. 658 und 6 BFSP S. 3). 214 Strohl, Mitchell P., The International Law of Bays, Den Haag 1963, S. 165. 215
Für eine detailliertere Darstellung vgl. O'Connell I (Fn. 27), S. 355-362 sowie Münch, Fritz, North Atlantic Coast Fisheries Arbitration, in: Bernhardt, EPIL III, S. 643-646. 216 Westerman (Fn. 184), S. 63. 21V Westerman (Fn. 184), S. 63. 218 O'Connell l (Fn. 27), S. 358-359. 219 Münch (Fn. 215), 644. 220 Award of the Tribunal of Arbitration in the Question Relating to the North Atlantic Coast Fisheries, Urteil v. 7.9. 1910, RIAA XI, S. 173-226, 196-197. Strohl (Fn. 214), S. 166; O'Connell I (Fn. 27), S. 360-61. 221 North Atlantic Coast Fisheries Arbitration, RIAA XI (Fn. 220), S. 173, 199.
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Diese Feststellung liegt eher auf der britischen Linie und würde für jede Bucht eine umfangreiche Einzelfallbetrachtung erforderlich machen. Hierzu heißt es weiter: „The negotiators of the treaty of 1818 did probably not trouble themselves with subtle theories concerning the notion of ,bays'; they most probably thought that everybody would know what was a bay. In this popular sense the term must be interpreted in the treaty. The interpretation must take into account all the individual circumstances which for any one of the different bays are to be appreciated, the relation of the width to the length of the penetration inland, the possibility of its being defended by the state in whose territory it is indented; the special value which it has for the industry of the inhabitants of its shores; the distance which it is secluded from the highways of nations on the open sea and other circumstances not possible to enumerate in general." 222
Auch das Schiedsgericht sah klar, dass ein solcher Urteilsspruch nur bedingt geeignet war, den Streitigkeiten endgültig ein Ende zu setzen, und entschied sich daher im Einklang mit der Schiedsvereinbarung, konkrete Empfehlungen an die Parteien zu geben: „In every bay not hereinafter specifically provided for the limits of exclusion shall be drawn three miles seaward from a straight line across the entrance at the first point where the width does not exceed ten miles." 223
Damit folgte der Schiedshof einer Tendenz der damaligen Zeit, 10 sm in Verträgen als Höchstgrenze für Abschlusslinien festzuschreiben. Hieraus ergibt sich jedoch nicht die eigentliche Bedeutung der North Atlantic Coast Fisheries Arbitration. Sie liegt vielmehr darin, dass hier zum einen erstmals auf internationaler Ebene die Schwierigkeiten bei der Bestimmung von Buchten deutlich zutage traten. Zum anderen wurden innerhalb eines Rechtsstreites auf internationaler Ebene, wie oben angedeutet, zwei einander entgegenstehende Ansätze offenbar, die auch allgemein in der maritimen Grenzziehung zu beobachten sind. Großbritannien vertrat eine „natürliche" Einzelfallbetrachtung, einen Ansatz also, der jeweils im Einzelfall anhand einer Reihe von Kriterien bestimmen wollte, ob es sich bei einer Einbuchtung um eine Bucht handelt oder nicht; nach diesem Ansatz gilt es, die Bucht einfach zu erkennen. Hingegen verfochten die USA schon damals einen „geometrisch-abstrahierenden" Ansatz, d. h. die Bucht wird vorher anhand geometrischer Kriterien definiert und die tatsächliche Einbuchtung auf ihre Übereinstimmung mit den vorher gefundenen Kriterien untersucht. Indem es einerseits die natürliche Betrachtungsweise als die nach dem Vertrag verbindliche sah, sich andererseits in den Empfehlungen für ein geometrisch begrenzendes Kriterium von 10 Seemeilen entschied, vermied das Schiedsgericht eine klare Entscheidung. Welche Länge die Abschlusslinie nun tatsächlich haben sollte, war Anfang des 20. Jahrhunderts umstritten. Die 10 Seemeilen-Grenze wurde zu dieser Zeit viel222
North Atlantic Coast Fisheries Arbitration, Scott, James Brown, The Hague Court Reports, Bd. 1, New York 1916, S. 141, 183; RIAA XI, S. 173, 198-199. 223 Hague Court Reports (Fn. 222), S. 141, 183; RIAA XI (Fn. 220), S. 173, 199.
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fältig in Verträgen vereinbart, etwa in der Nordsee Fischereikonvention von 1882 224 den britisch-französischen Fischereikonventionen von 1839 225 und 1867 226 , zwischen Großbritannien und dem Norddeutschen Bund von 1868 227 , in den Fischereikonventionen zwischen Spanien und Portugal von 1885 228 und 1893 229 und in einem Vertrag zwischen Großbritannien und Dänemark von 1901. 230 Ein Schwachpunkt der 10 sm-Grenze ist ihre scheinbar willkürliche Festlegung. Es fehlte indes nicht an Begründungsversuchen; so wurde etwa ausgeführt, dass eine Länge von 10 sm der Sicherheit und Praktikabilität der Fischerei dienen würde: je schmaler der Raum zwischen den Hoheitsgewässern in einer Bucht, in denen das Fischen noch erlaubt sei, desto größer die Gefahr des unerlaubten Fischens mit dem möglichen Risiko, das Boot zu verlieren. Erst ein Manövrierraum von mehr als 4 sm ermögliche eine relative Sicherheit vor der Verletzung fremden Hoheitsgebietes; was bei einer Küstenmeerbreite von 3 sm auf beiden Seiten erst bei einer Bucht gegeben sei, deren Öffnungsbreite 10 sm überschreite. 2 3 1 Weiterhin entsprächen 5 sm der Sichtweite unter normalen Bedingungen in europäischen Gewässern. 232 Neben der 10 sm-Grenze wurde auch noch die 6 smGrenze als doppelte Küstenmeerbreite vorgeschlagen. Auch durch die ausdrückliche Ablehnung im North Atlantic Coast Fisheries Schiedsspruch konnte sich diese vorderhand logische Begrenzung, die noch in den 1890er Jahren auf einige Unterstützung etwa im Institut de Droit Internationale stieß, nicht allgemein durchsetzen. Die Bemühungen des Institut stellten auch einen der ersten Versuche einer umfassenden Kodifikation der Fragen des Küstenmeeres dar. 234 Zunächst in Lausanne 1888, dann in Paris 1894 unternahm das Institut den Versuch, „eine Kodifikation zu formulieren, die die Arbeit von Experten und die Staatenpraxis vereinen würde." 235 224
Nordsee Fischereikonvention (Fn. 209), Art. II. Britisch-französische Fischereikonvention 1839 (Fn. 209), Art. IX. 226 Britisch-französische Fischereikonvention 1867 (Fn. 209), Art. II. 227 Großbritannien-Norddeutscher Bund, Vereinbarung vom November 1868, Art. I, Hertslet. L. (Hrsg.), Treaties and conventions [ . . . ] between Great Britain and Foreign Powers, Bd. 14, S. 1055. 228 Convention regulating the exercise of Fishing Rights on the Coast of the two countries, Madrid, 2. 10. 1885, BFSP Bd. 77, S. 1182. 229 Tratado de comercio y navegacion, Madrid, 27. 3. 1893, Appendix 6, Sec. I, Art. 2, MNRG 2e ser., Bd. 22,, S. 414, 432. 230 Convention for Regulating the Fisheries outside Territorial Waters in the Ocean surrounding the Faroe Islands and Iceland, London, 24. 6. 1901, Hertslet Bd. 23, S. 425. 231 Shalowìtz I (Fn. 32), S. 43; O'Connell I (Fn. 27), S. 382; Moore , letter to Mr. Barclay, zitiert in: Annuaire de L'Institut de Droit International 1894-95 (Bd. 13), S. 146; Jessup, Philip C., The Law of Territorial Waters and Maritime Jurisdiction, New York 1927, S. 356. 2 2 ^ O'Connell I (Fn. 27), S. 382. 2 33 O'Connell I (Fn. 27), S. 382. 2 34 Westerman (Fn. 184), S. 60. 2 35 Westerman (Fn. 184), S. 66. 225
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Die Mitglieder des Institut entschieden sich schließlich für eine 12 sm Begrenzung der Abschlusslinie. 236 Da die äußere Grenze des Küstenmeeres mit 6 sm festgelegt wurde, wählte das Institut also mit 12 sm die doppelte Küstenmeerbreite als Obergrenze der Abschlusslinie. b) Haager Kodifikationskonferenz Den ersten Versuch einer allgemeinverbindlichen Kodifikation unternahm die Haager Kodifikationskonferenz 1930. Im Rahmen einer Kodifikation des Küstenmeerrechts wurde auch die Frage der Buchten behandelt. In seinem Bericht zur Vorbereitung der Konferenz schlug Schücking als Rapporteur des Unterkomitees für das Küstenmeer eine maximal 12 Seemeilen lange Abschlusslinie für Buchten vor, dies jedoch vor dem Hintergrund des von ihm vorgeschlagenen 6 sm breiten Küstenmeers. In Buchten, in denen sich die beiden Küstenmeerzonen überschneiden, sollten die so eingeschlossenen Gewässer in Anerkennung der tatsächlichen Herrschaft des Staates zu inneren Gewässern werden. 237 Mit Blick auf die ebenfalls verringerte Breite des Küstenmeeres von 3 sm und die historische Entwicklung der 10 sm-Regel,238 änderte Schücking jedoch diesen Vorschlag als Resultat der Beratungen im Expertenkomitee auf eine Länge von 10 sm ab. 2 3 9 Die Basis of Discussion der Konferenz sahen dann auch in Übereinstimmung mit diesem Entwurf eine maximale Länge von 10 sm vor, bei einer Breite des Küstenmeeres von 3 sm. 2 4 0 Zwar konnte sich die Konferenz aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen über die Breite des Küstenmeeres nicht auf einen Konventionsentwurf einigen, 241 jedoch wurden in den Unterkomitees einige Ergebnisse erzielt. So einigte sich das 2. Unterkomitee in der Frage der Abschlusslinie auf die 10 sm-Grenze. 242 236
Règles adoptées par l'Institut de droit international, à Paris, le 31 mars 1894, sur la définition et le régime de la mer territoriale. Annuaire de Γ Institute de Droit International 1894-95 (Bd. 13), S. 328-331, 329 Art. 3. 237 „Si on se base sur une zone de 6 milles marins de mer territoriale, il parâit logique d'appliquer la règle en question à toutes les baies dont la ligne d'entrée idéale ne surpasserait pas la largeur de 12 milles marines, car l'Etat riverain domine de deux côtés toute la partie la plus rapprochée de l'ouverture de la mer. S'il en est ainsi, il paraît logique d'attributer toutes les eaux de l'intérieur de la baie à l'Etat riverain, mais pas en qualité de mer territoriale. Il faut reconnaître le droit de domination augmentée que l'Etat exerce dans ses eaux intérieurs.", Rapport (Fn. 103), Schücking Mémoire, S. 29, 40. 238
Rapport (Fn. 103), IV. Projet de convention modifié par M. Schücking, a la suite de discusssions du Comité d'experts, Notes Commentant le Projet de Convention Revisé, S. 75. 239 Rapport (Fn. 103), IV. Projet de convention modifié par M. Schücking, a la suite de discusssions du Comité d'experts, S. 72, Art. 4. 2 40 LoN Doc C.74.M.39.1929.V. (Fn. 104), Basis of Discussion No. 3, S. 33 u. Basis of Discussion No. 7, S. 45. 241 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 237. 242 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, Annex II Report of the Sub-Committee No. II, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 247, 248.
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Auf der Konferenz stand jedoch nicht nur die Frage der höchstzulässigen Länge der Buchtabschlusslinie im Mittelpunkt. Vielmehr wurde auch das grundsätzlichere Problem, wann eine Einbuchtung als Bucht zu qualifizieren ist, zum ersten Mal auf internationaler Ebene eingehend erörtert. War dies in der Vorbereitung noch eher eine Randfrage, 243 so wurden während der Beratungen des 2. Unterkomitees verschiedene geometrische Methoden zur Definition vorgestellt und diskutiert. Der Vorschlag Deutschlands sah ein festes Verhältnis zwischen der Öffnung der Bucht und ihrer Tiefe vor, nämlich dass die Bucht ebenso tief wie breit sein müsse. 244 Frankreich schlug eine etwas kompliziertere Konstruktion vor: „In order that an indentation may be properly termed a bay, the area comprised between the curve of the coast and its chord must be equal to or greater than the area of the segment of the circle the centre of which is situated on the perpendicular to the chord in its middle, at a distance from the chord equal to one half of the length of this chord and of which the radius is equal to the distance which separates this point from one end of the curve." 245 (Vgl. Fig. 5.)
In eine ähnliche Richtung ging der britische Vorschlag. Letztlich entfiel wohl am meisten Unterstützung auf den amerikanischen Entwurf. 246 Dieser vom US Office of Coast Survey unter Federführung des US Geographers S. Whittemore Boggs entwickelte Vorschlag sah zunächst vor, die Bucht durch die Zirkelmethode zu vereinfachen, wobei als Radius des Zirkelschlages nicht etwa pauschal 3 sm, sondern ein Viertel der Buchtabschlusslinie vorgesehen war. Durch die Anwendung der Kreisbogenmethode als ersten Schritt sollten verschiedene Schwierigkeiten vermieden werden, insbesondere die Vermessung von kleineren Einbuchtungen innerhalb der größeren Bucht und die Frage, inwieweit Flussmündungen Teil der Buchtoberfläche sind. 247 Dann war folgender Test vorgesehen: „(3) If the area enclosed within the straight line and the envelope of the arcs of circles exceeds the area of a semi-circle whose diameter is equal to one-half the length of the straight line across the bay or estuary, the waters of the bay or estuary inside of the straight line shall be regarded, for the purposes of this convention, as interior waters; otherwise they shall not be so regarded." 248
243
„ [ . . . ] an indentation presenting the characteristic features of the a bay, showing in particular a well-marked entrance and a certain proportion (which it will be for the Conference to fix)" Observations zu Basis of Discussion No. 7 (Fn. 240). 244 Münch (Fn. 15), S. 95. 245 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 237. 246 Münch (Fn. 12), S. 95; im offiziellen Schlussdokument sind hingegen der französische und der amerikanische Vorschlag gleichwertig nebeneinander aufgeführt, Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 249. 247 Boggs, AJIL 1930 (Fn. 71), S. 541, 550. 248 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 250.
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Dieser Ansatz entsprach dem Grundgedanken, der das ganze System der amerikanischen Vorschläge von 1930 durchdrang: Aus einem gegebenen Küstenverlauf sollte sich die Grenze des Küstenmeeres ohne Zweifel „automatisch" determinieren. 249 Zwei Kartographen, die unabhängig voneinander den Grenzverlauf anhand einer Karte bestimmen, sollten zu demselben Ergebnis kommen.
Quelle: Boggs (Fn. 71) AJIL 1930 S. 541, 546 Fig 4. Mit freundlicher Genehmigung ©The American Society of International Law.
Fig. 5: Der amerikanische (a) und der französische (b) Vorschlag v. 1930 zur Definition der Bucht im Vergleich
Sowohl der französische wie der amerikanische Vorschlag führen als Lösungsansatz für das umstrittene Problem der Buchtdefinition erstmalig eine Formel zur Festsetzung des Verhältnisses der Länge der Buchtöffnung zur Fläche der Bucht ein. 2 5 0 Sie vermieden auf diese Weise Ungereimtheiten, die sich aus einem festen Verhältnis von Tiefe zu Öffnung ergeben können. 251 Jedoch stellen beide Vorschläge unterschiedliche Anforderungen an eine Bucht, da sie unterschiedliche Grenzfälle im Auge haben. So nimmt der amerikanische Vorschlag als Grenzfall, d. h. gerade noch als Bucht, einen Halbkreis mit einem Durchmesser von 10 sm an, während nach dem französischen Vorschlag die Buchtabschlusslinie nur eine Sekante von 10 sm ist, d. h. die Bucht wesentlich kleiner sein kann (vgl. 249 Boggs, AJIL 1930 (Fn. 71) S. 541, 541 „The American proposal was based on the assumption that, since we cannot choose our coasts but must take them as we find them, so the limit of the territorial sea, once the breadth of the belt is agreed upon, must be a line which is derived directly from the coast-line, in an automatic manner [ . . . ] . " 250 Schon 1907 wurde in einem japanisch-russischen Fischerei vertrag eine ebenfalls rein geometrische Lösung vereinbart: „ [ . . . ] les anses (inlets) [ . . . ] seront déterminées conformément à la définition qui suit: baies dont renforcement dans le continent (la longeur de thalweg) excède la largeur d'entrée plus de trois fois." Russland-Japan, Fischereikonvention v. 15./28. 7. 1907 Protocole, Art. 1, MNRG 3e ser. Bd. 1, Leipzig 1909, S. 861-871 No. 117. Hier ist allerdings nur ein Verhältnis zwischen Tiefe und Öffnung der Bucht von drei zu eins vereinbart, nicht jedoch, wie im französischen und amerikanischen Vorschlag ein Verhältnis zwischen Fläche und Öffnung. 251 Zwar ist das Verhältnis zwischen Tiefe und Öffnung einfach zu bestimmen, jedoch werden durch eine solche Definition relativ flache, dabei aber weitgehend umschlossene Einbuchtungen von vornherein ausgeschlossen (vgl. Münch [Fn. 15], S. 95).
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Fig. 5). Muss sie nach dem amerikanischen Vorschlag bei einer Öffnung von 10 sm mindestens eine Fläche von 39,3 sm2 haben, so genügen nach dem französischen 14,3 sm2. Wie schon angedeutet, scheiterte die Annahme dieser Vorschriften jedoch nicht so sehr an den Details der Abgrenzung, sondern vielmehr an den grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen über die Weite des Küstenmeeres; die Abgrenzungsvorschriften wurden als so verflochten mit der Fragen der Küstenmeerbreite betrachtet, dass eine Trennung nicht denkbar schien. 252 Trotz der innovativen Vorschläge trug die Haager Konferenz in direkter Folge wenig zur Herausbildung von Völkerrecht im Bereich der Buchtabgrenzung bei. Gleichwohl ist sie als Kristallisationspunkt für wichtige Grundgedanken in ihren Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Die Staatenpraxis blieb aber zunächst so uneinheitlich, dass der IGH 1951 im Fisheries Fall nicht einmal die 10 sm-Grenze als Gewohnheitsrecht anerkennen mochte. 253
2. ILC und Genfer Seerechtskonferenz Ein Durchbruch auf diesem Gebiet gelang erst auf der Genfer Konferenz 1958. Hier wurde von der ILC die wesentliche Vorarbeit geleistet. Dabei drang der Rapporteur der ILC, François , auf Regelungen, die die Ansprüche der Staaten begrenzten, konnte sich aber häufig nicht gegen den internen Widerstand der Kommission durchsetzen. So schlug François, schon auf der Haager Konferenz Rapporteur des Küstenmeer-Komitees, in seinem ersten Entwurf 1952 trotz des ausdrücklich die 10 sm-Grenze verwerfenden Urteils des IGH diese Grenze noch einmal vor, mit der Rechtfertigung, die Aufgabe der ILC sei auch die Fortentwicklung des Völkerrechtes. 254 Er machte allerdings noch keinen Vorschlag zur Unterscheidung von Einbuchtungen und Buchten, dies sei eine schwierige technische Frage, zu der Experten heranzuziehen seien. 255 Die von ihm einberufene Expertengruppe legte 1953 ihre Antwort auf verschiedene Fragen, die die ILC an sie gerichtet hatte, vor, u. a. auch in Bezug auf die zulässige Länge einer Buchtabschlusslinie und die geometrische Abgrenzung einer Bucht. Dieses Komitee, dem auch Boggs angehörte, legte sich auf eine 10 smGrenze fest, als „zweimal die Sichtweite bis zum Horizont an einem klaren Tag für 252 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 237; Schücking, Walter, Der Kodifikationsversuch betreffend die Rechtsverhältnisse des Küstenmeeres und die Gründe seines Scheiterns, Breslau 1931, S. 24. 2 53 ICJRep. 1951, S. 116, 131. 254
Régime of the Territorial Sea, Rapport par J.P.A. François, rapporteur spécial, A/CN.4/53, YBILC 1952 II, S. 25, 27. 2 55 A/CN.4/53, YBILC 1952 II, S. 25, 35 para 5. 5 Triimpler
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einen Beobachter in 5 m Höhe" 2 5 6 , „die international akzeptierte Höhe für geographische Zwecke". 257 Das Expertenkomitee griff hier anscheinend auf die fauces terrae-Doktrin Haies zurück. 258 In der Frage eines geometrischen Kriteriums nahm das Komitee den amerikanischen Vorschlag von 1930 als Grundlage, jedoch mit einer gewichtigen Änderung: zwar wurde als Grenzfall immer noch die halbkreisförmige Bucht angenommen, jedoch auf die Anwendung der Zirkelmethode vor Durchführung des Flächenvergleiches verzichtet. 259 Diese beiden Kernentscheidungen wurden von François in seinem Zusatz zum zweiten Bericht übernommen. 260 Während die Höchstgrenze für die Abschlusslinie in allen Phasen des Beratungsprozesses Gegenstand heftiger Debatten in der ILC war 2 6 1 , wurde der Vorschlag des Expertenkomitees für das modifizierte Halbkreiserfordernis übernommen und nicht weiter erörtert. In der Frage der Höchstgrenze nahm die ILC in ihren Entwürfen für ein Küstenmeerübereinkommen von dem 10 sm-Erfordernis Abstand, trotz dessen ausdrücklicher Befürwortung durch das Expertenkomitee. Zunächst einigte man sich 1955 auf 25 sm als Höchstgrenze, 262 für den endgültigen Entwurf 1956 dann aber auf 15 sm. 2 6 3 Die Kommission war jedoch immer der Ansicht, dass ein direktes Verhältnis zwischen Küstenmeerbreite und Buchtöffnungslinie vermieden werden sollte. 264 256 A/CN.4/61/Add. 1 Additif au deuxieme rapport de M. J.P.A. François, rapporteur spécial, Annexe-Rapport du Comité d'experts, YBILC 1953 II, S. 75, 78. 257 YBILC 1955 I, S. 206; der Hinweis auf die akzeptierte Höhe findet sich nicht in der im Jahrbuch veröffentlichten französischen Fassung des Berichts, allerding in der vervielfältigten englischen Fassung, die in Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 59-63 abgedruckt ist. 258 Dies zeigt sich auch in der Antwort auf die Frage, zwischen welchen Punkten die Abschlusslinie gezogen werden darf; hier bezieht sich das Komitee wörtlich auf die „ligne inter fauces terrarum", YBILC 1953 II, S. 78. 259 YBILC 1953 II, S. 78. 260 YBILC 1953 II, S. 76 Art. 6. 261 YBILC 1952 I, S. 188-189; YBILC 1955 I, S. 205-206, 213; YBILC 1956 I, S. 196-197. 262 A / 2934 Report of the ILC to the General Assembly, Chapter III, Art. 6, YBILC 1955 II, S. 36. Der Vorschlag stammte von François, offenbar in dem Bestreben, überhaupt eine Grenze festzulegen, und mit Blick auf die zu der Zeit diskutierte 12 sm Küstenmeerbreite, YBILC 1955 I, S. 212-213 para 78. 263 Doc A/3159, Report of the ILC to the General Assembly Chapter II Part I Art. 7, YBILC 1956 II, S. 257. Die 25 sm Grenze hatte nur wenig Unterstützung durch Regierungen erhalten, vgl. die Kommentare von Brasilien, Israel, Großbritannien, USA in A/CN.4/97/ Add. 2, YBILC 1956 II, S. 25. 264 A / 2934 Report of the ILC to the General Assembly, Chapter III, Art. 6, Commentary YBILC 1955 II, S. 37; UN Doc A/3159, Report of the ILC to the General Assembly, Chapter III Art. 7 Commentary para 4, YBILC 1956 II, S. 257, insbesondere sollten durch die Vermeidung einer Festlegung in Art. 7 E-KMÜ auf die doppelte Küstenmeerbreite Nachteile für Küstenstaaten vermieden werden, die ein Küstenmeer von 3 oder 4 sm beanspruchten.
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Auf der Konferenz selbst setzte sich ungeachtet dessen im 1. Komitee die 24 sm-Grenze durch, mit Blick auf das von einigen angestrebte 12 sm-Kiistenmeer. 265 Durch das Scheitern einer Einigung im Bereich des Küstenmeeres 266 gibt es für die 24 sm-Grenze im KMÜ eigentlich keinen Begründungsansatz, sie erscheint so als willkürlicher Solitär in der Konvention.
3. Art. 7 K M Ü im Einzelnen Trotz der klaren Grundvorgaben bietet die Auslegung von Art. 7 KMÜ im Einzelnen erhebliche Schwierigkeiten. Das KMÜ ist in Art. 7 bis auf redaktionelle Änderungen wortgleich mit Art. 10 SRÜ, 2 6 7 die Regelungen beider Abkommen über Buchten sind mittlerweile Völkergewohnheitsrecht. 268 a)Art. 7 Absatz ! KMÜ „This Article relates only to bays the coasts of which belong to a single state."
Art. 7 I KMÜ schließt die Anwendung von Art. 7 KMÜ auf Buchten, die an zwei oder mehr Staaten grenzen, aus. Die Bedeutung von Absatz 1 ist allerdings umstritten. Zwei grundsätzlich verschiedene Auslegungen sind denkbar. Zunächst könnte Absatz 1 in der Folge die Ziehung einer Abschlusslinie über mehrstaatliche Buchten ausschließen, so dass in dem Fall die allgemeinen Regeln des KMÜ greifen, insbesondere die Niedrigwasserlinie in Art. 3 KMÜ. Er hätte dann die Funktion eines Verbotes. 269 Denkbar wäre aber auch, dass Absatz 1 lediglich feststellen 265 UNCLOS I Official Documents III, S. 146, auf Vorschlag Guatemalas (A/Conf.I3/ C.1/L.105), UNCLOS I Official Documents III, S. 145, para 12; sowie eines gemeinsamen Vorschlags von Bulgarien, Polen und der UdSSR (A/Conf.l3/C.l/L.103), UNCLOS I Official Documents III, S. 144 para 9 (mit dem Druckfehler „eighty" statt „twenty-four"); O'Connell I (Fn. 27), S. 407. 266
Vgl. Hoog, Günter, Die Genfer Seerechtskonferenzen von 1958 und 1960, Frankfurt am Main 1961, S. 20-23. 2 67 Art. 12 II SRÜ „Convention" statt Art. 7 II KMÜ „these Articles", in Art. 12 IV und V „24 nautical miles", statt „twenty-four miles", in Art. 12 VI „do not" statt „shall not" sowie in Art. 12 VI der Verweis auf Art. 7 SRÜ anstatt auf Art. 4 KMÜ. 268 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador v. Honduras: Nicaragua intervening), Urteil v. 11.9. 1992, ICJ Rep. 1992, S. 351, 588; Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 42; Graf Vitzthum, Wolfgang, Aquitoriale Souveränität, VB1BW 1991, S. 121 - 123, 122. 269 Colombos, C. John, Internationales Seerecht, München 1963, S. 148 § 194. (Übersetzung v. International Law of the Sea, 5. Auflage, London 1962 durch Moritz, Günther u. a.); Ahnish, Faraj Abdullah, The International Law of Maritime Boundaries and the Practice of States in the Mediterranean Sea, Oxford 1993, S. 16; Ipsen (Fn. 24), S. 829, § 51 Rdn. 7; wohl auch Dahm/Delbrück /Wolf rum 1/ 1 (Fn. 31), S. 416. Beckert, Erwin/Breuer, Gerhard, Öffentliches Seerecht, Berlin 1991, S. 52-54, para 147, 152, ausdrücklich gegen die Möglichkeit einer Abschlusslinie im Bereich Ems/Dollart und Flensburger Förde. Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), unter Verweis auf das IGH Urteil in Golf von Fonseca, das nur den
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will, dass das KMÜ die Regelungen für mehrstaatliche Buchten offen lässt, ähnlich Art. 7 V I KMÜ für historische Buchten. Der Wortlaut lässt beides zu. Für die Auslegung des Art. 7 I KMÜ als Verbot spricht die Sicherung des Zuganges zum Meer für die Anrainerstaaten, 270 und - entscheidender - die Entstehungsgeschichte des Instituts Bucht als integraler Teil des Staatsgebietes inter fauces terrae, 271 nicht zuletzt auch die Gefahr des Einschlusses von Binnenmeeren. 272 Hingegen lässt sich für die Möglichkeit einer Abschlusslinie 273mit der Erwägung argumentieren, dass zwei Staaten, die sich einig sind, in einer geographisch ähnlichen Situation nicht weniger dürfen sollen, als ein einzelner Staat; es sei „anormal", dass mehrere Anrainerstaaten einer Bucht gemeinsam weniger Kontrolle über die Gewässer der Bucht haben als ein Anrainerstaat über seine einzelstaatliche Bucht. 274 Im Gulf of Fonseca-Fall vermied der IGH eine Festlegung, indem er den Golf als historische Bucht behandelte, für die das Regime der Buchten nach KMÜ und SRÜ eindeutig nicht gilt (Art. 7 VI KMÜ / 10VI SRÜ). 275 Da sich aus dem Wortlaut keine eindeutig vorzugswürdige Auslegung ergibt und auch das Ziel der Bestimmung unklar bleibt, können nach Art. 32 WVRK bei der weiteren Auslegung die vorbereitenden Arbeiten und Umstände des Vertragsschlusses herangezogen werden. Dabei genügt es nicht, nur die Arbeiten der ILC selbst heranzuziehen, vielmehr muss eine Untersuchung schon bei der Haager Kodifikationskonferenz beginnen. Zwar führte die Haager Konferenz nicht zu einer angestrebten Kodifikation, gleichwohl erfüllte sich aber die Hoffnung, ihre ArEinschluss von juristischen oder historischen Buchten zulasse, die mehrstaatliche Bucht sei weder das eine noch das andere, S. 89 wohl auch Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 46. 270 Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 82-83, zustimmend Shalowìtz I (Fn. 32), S. 218. 271 Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Oda, Diss. Op., ICJ Rep. 1992, S. 745746, para 24 u. 26. 272 Westerman (Fn. 184), S. 79. 273 Bouchez, Leo J., Bays and Gulfs, in: Bernhardt, EPIL I, S. 357-359, 358; wohl auch Brownlie, Ian, Principles of Public International Law, 6. Auflage Oxford 2003, S. 182- 183, der für diese Frage auf Art. 15 SRÜ /12 KMÜ verweist. Art. 12 legt jedoch die Äquidistanzlinie als äußerste Grenze der einseitigen Ausdehnung des Küstenmeeres fest und zwar „failing agreement to the contrary". Art. 12 KMÜ regelt nur die Abgrenzung bestehender, nicht die Begründung neuer Ansprüche. 274 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 632, § 209; Hyde, International Law, chiefly as interpreted and applied by the United States, Bd. 1, 2. Aufl. Boston 1947, S. 485 § 146A; Bouchez, Leo J., The Regime of Bays in International Law, Leiden 1964, S. 116 ff., 183, der insbesondere bei Staatensukzession keine Probleme sieht; Strohl (Fn. 214), S. 374-75 hält den Einschluss prinzipiell für möglich, plädiert aber für eine Einzelfallprüfung; Bustamante y Sirven, Antonio Sanchez de, Das Territorialmeer, Übersetzung durch Rost, Hellmut, Berlin 1930, S. 148 Rdn. 144. 275 Land, Island and Maritime Frontier Dispute, ICJ Rep. 1992, S. 351, 588; der IGH erwähnt die mehrstaatlichen Buchten nur am Rand: „a kind of bay for which there are notoriously no agreed and codified rules of the kind so well established for single-state bays", ebd., S. 589. Instruktiv auch die abweichende Meinung von Oda (Diss. Op. ICJ Rep. 1992, S. 351, 745, 746 ff.).
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beit möge wenigstens der Vorbereitung zukünftiger Konferenzen dienen. So bezieht sich die ILC ganz wesentlich auf die Ausarbeitungen der Haager Konferenz. François übernahm in seinem ersten Bericht als Rapporteur für die ILC die Basis of Discussion No. 7, den späteren Artikel über Buchten, wortgleich, einschließlich eines Großteils des Kommentars. 276 Die Entstehungsgeschichte kann insbesondere zur Klärung der entscheidenden Frage beitragen, ob das KMÜ im Bereich der mehrstaatlichen Buchten eine Lücke aufweist, oder ob diese Fälle Art. 3 KMÜ bzw. den weiteren allgemeinen Regeln unterfallen. Der Konventionsentwurf von 1927 der Expertenkommission zur Vorbereitung der Haager Konferenz enthält die ausdrückliche Regelung: „Pour le baies qui sont environnées de terres de deux ou plusieurs Etats, la mer territoriale suit les sinuositetés de la côte." 277 Entsprechend heißt es in der Basis of Discussion No. 9: „If two or more States touch the coast of a bay or estuary of which the opening does not exceed ten miles, the territorial waters of each coastal state are measured from the line of low-water mark". 278 Jedoch war diese spezielle Frage weder Gegenstand der Verhandlungen im 2. Unterkomitee noch im Komitee für das Küstenmeer oder im Plenum der Konferenz; sie fand auch keinen Eingang in den Abschlußbericht des 2. Unterkomitees. 279 Der schließlich im Bericht verabschiedete Entwurf für Buchten gibt wortgleich die Basis of Discussion No. 7 wieder: „In the case of bays the coasts of which belong to a single state [ . . . ] " . 2 8 0 In den Basis of Discussion war eigentlich eine umfassende Regelung vorgesehen, zum einen für einstaatliche Buchten (die später übernommene Basis of Discussion No. 7), zum anderen für mehrstaatliche Buchten (Basis of Discussion No. 9, die für diese Buchten Niedrigwasserlinie vorsah). Diese umfassende Regelung wurde im Bericht des 2. Subkomitees nicht aufgegriffen, ein Grund dafür ist nicht ersichtlich. 2 8 1 Daher kann jedenfalls aus der Formulierung „which belong to a single 276
YBILC, 1952 II, S. 34 (verglichen wurden die französischen Versionen). Rapport (Fn. 103), IV. Projet de convention modifié par M. Schücking, a la suite de discusssions du Comité d'experts, S. 72, Art. 4. 278 Bases of Discussion (Fn. 240), No. 9, aus den Antworten der Staaten ergibt sich eine deutliche Ablehnung der Möglichkeit, Mehrstaatenbuchten mit einer Abschlusslinie zu versehen, dafür waren lediglich Dänemark (S. 40) und Schweden (S. 44). 279 Allerding enthielt der amerikanische Vorschlag betreffend Buchten den Passus: „In the case of a bay or estuary the coasts of which belong to a single state, or to two or more States which have agreed upon a division of the waters thereof, [ . . . ]", Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, Appendix A, S. 249 (vgl. aber Fn. 282). 277
280 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 (Bd. 24) Supp., S. 234, 248. 281 Die technischen Fragen des Küstenmeeres wurden im 2. Unterkomitee behandelt, soweit ersichtlich, liegen keine Protokolle der Beratungen dieses Komitees vor. Generell wurde diesen Fragen auch kein sonderlich hoher Stellenwert beigemessen, wie folgender Auszug aus dem Protokoll der 16. Sitzung des 2. Komitees unter Vorsitz von Göppert zeigt: „The Chairman: Translation The remaining Articles 14 to 20 (Annex IV) [eben die Fragen des 2. Unterkomitees, Anm. des Verf], will be dealt with by the Sub-Committee, and will neces-
7 0 K a p . 1: Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
State" nicht geschlossen werden, das Unterkomitee habe dadurch die Möglichkeit der Ziehung einer Abschlusslinie auf diese Situation begrenzen wollen. Vielmehr ist es wohl so, dass einfach keine Aussage über den Fall der mehrstaatlichen Buchten getroffen wurde. Dies warf auch keine Lücke auf, da der Bericht des 2. Unterkomitees explizit nicht als Konventionsentwurf zu verstehen war und auch nicht im 2. Komitee beraten und angenommen, sondern lediglich als Vorbereitung für später stattfindende Konferenzen gesehen wurde; er ist daher offener, wie sich
auch an der alternativen Auflistung des französischen und amerikanischen 282 Vorschlages zur Buchtbestimmung zeigt, als z.B. der Entwurf des 1. Unterkomitees. 283 An seine eher technische Form näherte sich Art. 7 KMÜ erst im Addendum zum Report 1953 an, nach Einarbeitung der Empfehlungen des Expertenkomitees. 284 In dieser grundlegenden Änderung und Erweiterung verlor sich aber auch jeder Hinweis auf ein- oder mehrstaatliche Buchten, die Rede ist nur noch von Buchten. Dieses Problem wurde in den Beratungen der ILC 1955 erkannt. Das Kommissionsmitglied Garcia Amador schlug einen neuen Artikel vor, der in Absatz 6 folgende Regelung vorsah: „6. When the waters of a bay which lies within the closing line thereof are bordered by the territory of two or more States, the bordering States may agree upon a division of such waters as inland waters: in the absence of such agreement, the territorial sea of each state shall follow the siniousities of the shore in the bay." 285
Die Wortbeiträge zu diesem Vorschlag waren überwiegend ablehnend,286 die Kommission entschied sich mit 7:3 Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen „the principle of including a provision along the lines of paragraph 6 of Mr Garcia Amador's proposed text for article 7 " . 2 8 7 Unmittelbar der Abstimmung voraus ging der Wortbeitrag von Amado, der keine Rechtfertigung für eine solche Regel sarily be less important." Nur aufgrund eines Einwandes von Amedeo Giannini wurde überhaupt der Bericht des 2. Unterkomitees in den Abschlußbericht des 2. Komitees aufgenommen (.Rosenne IV IFn. 76], S. 1374 [172]). 282 Hier ist klarzustellen, dass zwar der amerikanische Vorschlag, der als Appendix A im Bericht der Kommission (AJIL 1930, Supp., S. 234) abgedruckt ist, die Möglichkeit der mehrstaatlichen Bucht ins Auge fasst, jedoch der Vorschlag inhaltlich nicht bewertet und offensichtlich wegen der geometrischen Definition aufgenommen wurde. Dies zeigt auch der als Appendix Β abgedruckte französische Vorschlag, der sich nur auf einstaatliche Buchten bezieht. Es ging offenbar um die gegensätzlichen geometrischen Ansätze. 283 Die im ersten Unterkomitee bearbeiteten Fragen über den Status des Küstenmeeres wurden im 2. Komitee beraten und provisorisch angenommen, sie sind daher einem Konventionsentwurf schon von der Form her deutlich näher. Report of the Second Committee, Annex I, The Legal Status of the Territorial Sea, AJIL 1930, Supp., S. 239. 28 4 YBILC 1953 II, A/CN.4/61 / Add 1, S. 76. 28
5 YBILC 1955 I, S. 206, para 52.
286
YBILC 1955 I, S. 216 para 29-44, mit unterschiedlichen Argumenten ablehnend Scelle , Sandström, Fitzmaurice, François, Amado; wohl zustimmend Zourek. w YBILC 1955 1, S. 42.
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sah, da es ohnehin nur wenig Fälle gebe, in denen mehr als ein Staat an eine Bucht grenze. Sehr klar im Hinblick auf die Frage nach den mehrstaatlichen Buchten ist der dem Abstimmungsergebnis folgende Vorschlag von François: „Mr. FRANÇOIS (Special Rapporteur) said that he proposed to re-draft article 7 along the lines of the 1930 report of the The Hague Conference so as to specify that an indentation was a bay when and only when it was bordered by a single coastal state." 288
Nach den vorhergehenden Ausführung ist die von François vorgenommene Bewertung des Abschlußberichtes der Haager Konferenz zwar nicht zu teilen, es wird jedoch deutlich, dass die ILC sich in ihrem Konventionsentwurf gegen die Möglichkeit einer Buchtabschlusslinie für mehrstaatliche Buchten entschied. Der nach François Vorschlag neu gefasste Art. 7 E-KMÜ wurde später mit 6 zu null Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.289 Absatz 2 des neuen Entwurfs begann: „The waters within a bay the coast of which belong to a single state [ . . . ]". Diese Formulierung findet sich schließlich auch im Abschlußbericht der ILC 1956. 290 Diese an sich klare Protokollaussage wird durch die Formulierung im Abschlussbericht 1956, wie auch im Bericht 1955, wiederum relativiert; hier heißt es in den Kommentaren wortgleich: „The commission felt bound to propose only rules applicable to bays the coasts of which belong to a single State. As regards other bays, the Commission has not sufficient data at its disposal concerning the number of cases involved or the regulations at present applicable to them." 291
Dieser Absatz deutet mehr auf das bewusste Offenlassen der Frage der mehrstaatlichen Buchten im KMÜ, so dass die Ziehung einer Abschlusslinie nach dem KMÜ jedenfalls nicht ausgeschlossen wäre. Könnte man den Kommentar mit Verweis auf die Beratungen noch als missverständlich abtun, fällt dies mit einer anderen Aussage während der Beratungen 1956 über die Antworten der Regierungen auf den Konventionsentwurf weitaus schwerer. Hier führte François aus: „44. The Israeli Government inquired, inter alia, what was the position of bays whose coast line was shared by more than one state. That problem was one of the many which the Commission, aware that it was making a first effort to codify the matter, had deliberately refrained from attempting to solve." 292
Man könnte diese Aussage vielleicht vernachlässigen, würde sie nur eine Einzelmeinung wiedergeben; ihr kommt jedoch besonderes Gewicht zu, da François sie in seiner Eigenschaft als Rapporteur äußerte. Sie widerspricht zwar den o. g. Protokollinhalten des Vorjahres, jedoch nicht ausdrücklich dem Abstimmungsergebnis 288 YBILC 1955 I, S. 216 para 44. 289 YBILC 1955 I, S. 251 nach para 64. 290 YBILC 1956 II, S. 268. 291 YBILC 1956 II, Report to the General Assembly, S. 269; YBILC 1955 II, Report to the General Assembly, S. 37. 292 YBILC 1956 I, S. 190.
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der Kommission. In der Abstimmung ging es ja nur um die Aufnahme einer positiven Regelung des Problems der mehrstaatlichen Buchten, der Abstimmung ging - wie gezeigt - ein Wortbeitrag voraus, der implizit die Unkenntnis der Kommission ansprach. Die Ausführungen von François sind daher zumindest nicht gegen ein Abstimmungsergebnis der Kommission gerichtet. Letztlich sind den Beratungen der ILC auch im Lichte der Haager Konferenzen keine eindeutigen Hinweise zu entnehmen. Die Aussagen in den Protokollen und Kommentaren sind widersprüchlich. Allenfalls durch die Tatsache, dass die betreffenden Bemerkungen später gemacht wurden, und dass dem Kommentar ein höheres Gewicht als den Protokollaussagen zukommt, lässt sich ein leichtes Übergewicht zugunsten der offenlassenden Meinung belegen. Dagegen ergibt sich aus den Beratungen in der Konferenz ein klareres Bild. Der Vorschlag, die Worte „the coast of which belong to a single state" in Absatz 2 des ILC-Entwurfes durch den heutigen Art. 7 I KMÜ zu ersetzen, ging von Großbritannien aus. 293 Er wurde von Fitzmaurice wie folgt in das erste Komitee eingeführt: „Apart from drafting changes [ . . . ] the United Kingdom proposal was that a provision limiting the effects of the article to bays the coast of which belonged to a single state should be included as a separate initial paragraph. The purpose of that amendment was to make clear that, according to international law, a closing line could only be drawn across a bay in cases where the whole coastline belonged to a single state. The effect of drawing such a line was to make the waters of the bay in question internal waters, and the concept of internal waters had never been regarded as applicable to a bay belonging to more than one State. In the case of bays the coast of which belonged to several States, those States could agree to treat each other's ships in a particular way, but that agreement would not affect ships of other countries." [Hervorhebung v. Verf.]. 294
Angesichts dieser Bemerkungen ist die Aussage, weder die ILC, noch die Genfer Seerechtskonferenzen hätten sich mit der Frage der mehrstaatlichen Buchten beschäftigt, nicht zu halten. Vielmehr ist zusammenfassend zu sagen, dass sich die Konferenz 1958 gegen ein wohl von der ILC intendiertes Offenlassen der Frage mehrstaatlicher Buchten und für ein Verbot der Einschließung solcher Buchten aussprach. Dies lässt eigentlich nur die Auslegung des Art. 7 I KMÜ im Sinne eines Verbotes zu. 293 A/Conf. 13 /C. 1 / L.62, UNCLOS I Official Records III, S. 227. 294 UNCLOS I Official Records III, S. 144 para 1. 295 So aber Talaie, Farhad, The Issue of the Delimitation of Multi-State Bays in the International Law of the Sea, University of Tasmania Law Review 1999 (Bd. 18), S. 22-64, 38 und jedenfalls implizit McDougal/Burke (Fn. 124), S. 442. 296 Zumal der Konferenz auf Initiative des Sekretariats eine Studie über Mehrstaatenbuchten vorlag, gerade um die von der ILC beklagte mangelnde Datenlage zu verbessern. Die Studie befasste sich freilich im Schwerpunkt mit den hydrographischen und geographischen Gegebenheiten vor Ort, vgl. A/Conf.13 /15 (13. 11. 1957), A Brief Geographical and Hydrographical Study on Bays and Estuaries the Coast of which belong to different States, by Commander R. H. Kennedy (UNCLOS I Official Records I, S. 198-243).
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Mit diesen in der Entstehungsgeschichte gewonnenen Erkenntnissen lassen sich auch in der Systematik des Art. 7 KMÜ deutliche Hinweise für eine solche Interpretation finden. So wäre es mit dem bewussten Schaffen eines regelungsfreien Raumes viel eher vereinbar, die mehrstaatlichen Buchten in Art. 7 V I KMÜ auch formal parallel zu den historischen Buchten zu nennen. Nimmt man Art. 3 KMÜ wörtlich („except where otherwise provided in these Articles 4') müsste sich diese andere Bestimmung ja aus Art. 7 I KMÜ ergeben; Art. 7 I KMÜ hat jedoch einen einschränkenden Charakter und unterscheidet sich so auch von Art. 7 V I KMÜ mit seinem Ausnahme und damit Öffnung suggerierenden Wortlaut. Es ist daher festzuhalten, dass das KMÜ nicht etwa keine Regelung zum Fall der mehrstaatlichen Buchten enthält, sondern vielmehr ein Verbot der Internalisierung von solchen Buchten in die Gewässer der Anrainerstaaten. Diese Überlegungen lassen sich durch die wortgleiche Formulierung auf das SRÜ übertragen, zumal in einem Blue Paper des 2. Komitees der Einschluss von Mehrstaatenbuchten durch die Anrainerstaaten ausdrücklich vorgesehen war, die Konferenz aber letztlich bei der hergebrachten Formulierung blieb. 297 Die Aussagen des KMÜ/SRÜ über Buchten sind ebenfalls Teil des Gewohnheitsrechts. 298 Selbst wenn dieser Argumentation nicht gefolgt würde, so besteht doch Einigkeit insoweit, als dass Art. 7 KMÜ nicht direkt auf mehrstaatliche Buchten anwend-bar ist. Könnten aber die Anrainerstaaten einer mehrstaatlichen Bucht eine Abschlusslinie ziehen, bliebe die Frage: unter welchen Voraussetzungen? In Anbetracht der inzwischen weiten Akzeptanz von Art. 7 KMÜ /10 SRÜ wird der Einschluss einer Bucht, die den dort genannten geometrischen Voraussetzungen nicht entspricht, schwer zu rechtfertigen sein. Es ist nach den vorhergehenden Ausführungen auch nicht einzusehen, warum die Anrainerstaaten einer mehrstaatlichen Bucht diese unter weniger strengen Voraussetzungen internalisieren können als der einzelne Anrainerstaat. Folgte man der offen lassenden Meinung, ergäbe dies in der Konsequenz eine analoge Anwendung des Art. 7 KMÜ/Art. 10 SRÜ und Art. 7 I KMÜ wäre bedeutungslos.
b) Art. 7 Absatz 2 KMÜ ll|laJ F o r the purposes of these Articles, a bay is a well-marked indentation, lbJ whose penetration is in such proportion to the width of its mouth |cl as to contain landlocked waters
297 C.2/Blue Paper No. 2 (24. 3. 1975), Bays, Abs. 5, in: Platzöder, Renate, Third United Nations Conference on the Law of the Sea: Documents, Bd. 4, New York 1983, S. 124. 298 Es gibt auch kaum Beispiele einer solchen Grenzziehung, Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 46 nennen den Golf von Ruvuma (vgl. Adede, Andronico Ο., Mozambique-Tanzania, Report No. 4 - 7 , in: Charney [Hrsg.], 1MB I, S. 893-902). Schwierig ist jedoch die Abgrenzung zu historischen Buchten (Golf von Fonseca) und der Ziehung gemeinsamer gerader Basislinien, die zur einer de facto Internalisierung führt. Letzteren Weg sind eine Reihe von Staaten gegangen, etwa Dänemark und Deutschland in der Flensburger Förde (hier könnten aber auch historische Gesichtspunkte eine Rolle spielen).
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See and constitute more than a mere curvature of the coast. r 2 1 An indentation shall not, however, be regarded as a bay unless its area is as large as, or larger than, that of a semi-circle whose diameter is a line drawn across the mouth of an indentation [Nummerierung v. Verf. hinzugefügt].
Art. 7 II KMÜ wirft in zwei Fragen auf: erstens, hinsichtlich des Inhaltes von Satz 1, insbesondere der Bedeutung von landlocked , und zweitens, über das Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2. Dem Wortlaut nach ist das erste eigenständige Kriterium der Bucht well-marked , in der amtlichen deutschen Übersetzung des SRÜ „deutlich erkennbar", im französischen „bien marquée", im spanischen „bien determinada". Die authentischen Versionen unterscheiden sich in ihrem Wortsinn von der deutschen Übersetzung „deutlich erkennbar" und scheinen einem leicht anderen, weniger subjektivierten Ansatz zu folgen. Im System des KMÜ ist die well-marked- Voraussetzung systematisch erklärbar: Während die geraden Basislinien nach Art. 4 VI KMÜ veröffentlicht werden müssen, ist für Buchtabschlusslinien kein Publizitätserfordernis vorgesehen. Entsprechend muss die Schifffahrt die in Frage kommenden Buchten selbst erkennen, dies kann sie nur, wenn sie sich auf der Karte deutlich abzeichnen.299 Freilich greift dieser Erklärungsansatz für das SRÜ nicht, denn hier ist nach Art. 16 I auch für Buchtabschlusslinien Publizität erforderlich. Fraglich ist in Satz 1 zunächst die Bedeutung von landlocked. Es wird vertreten, die Bucht müsse „usefully sheltered and isolated from the sea" 300 sein, die Länge der Bucht müsse zur Breite mindestens im Verhältnis 1:1 301 oder 1:2 3 0 2 stehen, oder auch, dass politische, ökonomische und soziale Umstände heranzuziehen seien. 303 Satz 1 b. legt jedoch klar das Kriterium fest, anhand dessen landlocked zu definieren ist: das Verhältnis von Länge und Breite. Nach dem Sprachgebrauch der Konvention ist landlocked ein rein geographisches Kriterium, das von nichts weiter als der Form der Bucht und eben dem sich daraus ergebenden Verhältnis von Länge und Breite abhängig ist. Weitere Überlegungen, insbesondere sozialer und ökonomischer Art, stehen dem Wortlaut von Art. 7 II Satz 1 KMÜ entgegen. Auch bieten der französische „les eaux qu'elle renferme sont cernées par la côte" und 299 So auch Westerman (Fn. 184), S. 83. 300 Hodgson /Alexander (Fn. 162), S. 8. 301 Strohl (Fn. 214), S. 56. 302 Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 8, nehmen hier den Halbkreis als Grundlage, dessen Verhältnis übertroffen werden müsse. 303 Westerman (Fn. 184), S. 91. Westerman sieht „landlocked waters" mit Rücksicht auf die historische Entwicklung der Buchten als innere Gewässer als eine „legal conclusion", eine Kurzfassung von: „we have carefully evaluated the interests of the coastal state in this water area as well as the interests of the community as a whole and have concluded on balance that the interests of the coastal state are paramount" (S. 90). Natürlich ist landlocked im KMÜ das Resultat, also eine Schlussfolgerung, das Argument, aus dem sich der Schluss landlocked ergibt, ist jedoch vorgegeben: das ist nur das Verhältnis von Länge zu Breite.
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der spanische Wortlaut „aguas cercadas por la costa" keinerlei Ansatzpunkte für eine Interpretation unter ökonomischen Gesichtspunkten, sondern deuten vielmehr, wie auch die deutsche Übersetzung („von Land umschlossene Gewässer") auf eine rein geographische Beschreibung. Auch die Entstehungsgeschichte rechtfertigt nicht die Einbeziehung von anderen als geographischen Gesichtspunkten. Art. 7 II S. 1 KMÜ basiert auf dem Vorschlag von Garcia Amador in der ILC, der sich auf die abweichende Meinung von McNair im Fisheries Fall stützt. 304 McNair bezieht in sein Konzept von landlocked ebenfalls nur geographische Überlegungen ein. 3 0 5 Wann ist nun aber eine Bucht von Land umschlossen? Umschlossen kann hier nicht eng im Sinne von einer großen Wasserfläche mit nur einem ganz kleinem, kanalartigen Ausgang verstanden werden. Denn dies würde zu einer Einschränkung des Buchtenregimes auf nur einige wenige Fälle führen. 306 Auch die Aussage, „umschlossen" meine an drei Seiten geschlossen und nur an einer Seite offen, 307 ist wenig hilfreich, da auch die flachste Krümmung der Küste, die mit einer geraden Linie begrenzt ist, denknotwendigerweise eben nur an dieser Seite von Wasser begrenzt, also an den anderen „drei Seiten" von Land „eingeschlossen" wird. Es bleibt also die Festlegung eines Verhältnisses von Breite zu Länge. Dies scheint in der Konvention zwar angelegt zu sein, ein bestimmtes Verhältnis ist dort indes nicht kodifiziert. Zwar geht die ILC im Kommentar zum Entwurf 1954 von einem Verhältnis von mindestens 1:2 von Länge zu Breite der Öffnung aus, 308 sieht das jedoch als Resultat des „von ihr verabschiedeten Kriteriums", 309 mit dem nur das Halbkreiserfordernis gemeint sein kann. Aus dem Halbkreiserfordernis lässt sich jedoch kein direktes Verhältnis von Länge zu Breite ableiten; es beschreibt nur ein Verhältnis von Breite zu Fläche. 310 Es ist den Beratungen der ILC zu entnehmen, dass jedenfalls eine genau halbkreisförmige Bucht eine juristische Bucht sein soll. 311 Dies deckt sich auch mit der Entstehungsgeschichte, und eine solche Bucht weist ein Längen / Breitenverhältnis von 1:2 auf. Allerdings sind auch Buchten, die nicht ein Verhältnis von Länge zu Breite von mindestens 1:2 aufweisen unter die Definition von Art. 7 KMÜ subsumierbar. Als Beispiel sei hier Monterey Bay genannt. Mit einer Breite von 19,24 sm und einer Länge von 9,2 sm ist die einem Pilzkopf ähnelnde Bucht nicht einmal halb so 304 YBILC 1955 I, S. 206-207 para 52 u. 55. 305 ICJ Rep. 1951, S. 163-164 „The first category consists of bays whose headlands are so close that they can really be described as landlocked." 306 Strohl (Fn. 214), S. 56, nennt nur acht solche Buchten als Beispiel, u. a. Purvis Bay auf den Salomonen, den Golf von Korinth und den Trondheimfjord. 307 Strohl (Fn. 214), S. 56. 308 YBILC, 1955 II, S. 37.
309 YBILC, 1955 II, S. 37. 310 D. h. bei einer Bucht der Breite d muss die Fläche mindestens (1 / 8)Kd2 betragen. 311 A. A. wohl Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 8.
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lang wie breit. 312 Dennoch fällt sie nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA unter Art. 7 K M Ü . 3 1 3 Soweit bekannt gibt es keinen internationalen Protest gegen diesen Anspruch. Auch zeigt das Beispiel der Monterey Bay, dass wellmarked und landlocked jedenfalls nicht eng auszulegen sind. Bei der Betrachtung der Bucht auf der Karte oder von einem ihrer natürlichen Öffnungspunkte aus ist „von Land umschlossen" jedenfalls nicht der erste, sich aufdrängende Eindruck. Trotzdem gilt die Bucht auch in der Literatur als well-marked und landlocked. 314 Dass Art. 7 I 1 KMÜ nicht anhand eines festgelegten Verhältnisses von Länge und Breite geprüft werden kann, vor allem dann nicht, wenn die Länge der Bucht als Linie senkrecht zur Abschlusslinie definiert wird, 3 1 5 zeigt auch ein Blick auf die Nehrungen der Ostsee. Hier findet sich häufig ein Verhältnis von Breite zu Länge, dass Zweifel an der Einordnung als Bucht wecken würde. Jedoch ist ζ. B. das Kurische Haff unzweifelhaft ein von Land umschlossenes Gewässer. 316
Quelle: Us ν. California, 381 US 139 Appendix Β zu Sondervotum Black, entnommen! aus Westerman (Fn. 184) S. 88 Fig. 2.
Fig. 6: Monterey Bay 312 Westerman (Fn. 184), S. 88. 313
US v. California, 381 US S. 139, 170, spätestens seit diesem Urteil scheint auch die Einordnung der Monterey Bay als historische Bucht überholt. Zum Hintergrund des Streites zwischen Kalifornien und den USA: Schmidt, Markus Georg, United States v. California (Monterey Bay Case), in: Bernhardt, EPIL IV, S. 1230- 1232. 3
14 Westerman (Fn. 184), S. 88.
315 Wie vom ILC Mitglied el-Khouri vorgeschlagen, YBILC 1955 I, S. 210, para 34. 3 6
· Vgl. schon Nys, Ernest, Le droit international, Bd. 1, Brüssel 1904, S. 445, der u. a. bei diesen Konstellationen keinen Zweifel zur Zugehörigkeit zum Küstenstaat hat.
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Jedoch wäre das Problem well-marked und landlocked dann nicht relevant, wenn schon Satz 2 genügte, um eine Bucht zu definieren. Fraglich ist deshalb, ob Satz 2 eine notwendige oder eine hinreichende Bedingung für eine Bucht ist. Der grammatischen Struktur von Art. 7 KMÜ nach muss zunächst die Hürde von Art. 7 II S. 1 KMÜ übersprungen werden, jedoch kann die Bucht dann noch am Halbkreiserfordernis scheitern. Der Wortlaut spricht also für eine Kumulation von Satz 1 und Satz 2, so dass die Erfüllung von Satz 2 allein zwar notwendig, aber nicht hinreichend für die Definition der Bucht ist. Jedoch könnte Art. 7 II KMÜ auch noch eine andere Auslegung zulassen. So wird teilweise über well-marked und landlocked zu Gunsten rein geometrischer Kriterien hinweggegangen,317oder bei Erfüllung des Halbkreiskriteriums die Erfüllung von well-marked und landlocked unterstellt. Träfe dies zu, wäre Satz 1 überflüssig, sein Wortlaut würde nicht berücksichtigt. Diesem Ergebnis ist der US Supreme Court nicht gefolgt: „We cannot accept Louisiana's argument that an indentation which satisfies the semicircle test ipso facto qualifies as a bay under the Convention. Such a construction would fly in the face of Article 7(2), which plainly treats the semicircle test as a minimum requirement. And we have found nothing in the history of the Convention which would support so awkward a construction." 318
Wird dem Hinweis des Supreme Court auf die Geschichte nachgegangen, stellt sich heraus, dass 1953 tatsächlich nur eine dem Art 7 II S. 2 KMÜ entsprechende Definition (ohne well-marked und landlocked Test) für Buchten vorgesehen war. 319 Erst im Verlauf der Diskussion des schon erwähnten Vorschlages von Garcia Amador 1955 kam überhaupt wieder eine geographische Umschreibung in die Entwürfe der ILC. In diesem Vorschlag dienten die Kriterien landlocked und well-marked in Absatz 1 zunächst der Definition der Buchten, die mit einer Abschlusslinie versehen werden konnten; Buchten, die das Halbkreiskriterium erfüllen, sollten zudem nach Absatz 3 dieses Entwurfes innere Gewässer sein. 320 Die Zusammenfassung der beiden Kriterien geht auf einen Vorschlag von Fitzmaurice zurück: „Sir Gerald FITZMAURICE agreed that paragraph 3 in Mr. Garcia Amador's text did not relate to the definition of a bay. Nor did paragraph 1, which contained a good general description possibly helpful to a layman, provide a precise definition of the kind proposed by the Special Rapporteur. He therefore proposed that it be amplified by adding the following sentence at the end: ,An indentation shall not, however, be regarded as a bay unless its area is as large as, or larger than, that of a semi-circle whose diameter is a line drawn across the mouth of an indentation."' 321 317 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 17 para 10.4.-10.6., der die Frage mit Verweis auf den ILC Kommentar mit einem festen Verhältnis von Breite zu Länge lösen will. 318 US Supreme Court, US v. State of Louisiana, 394 US S. 11, 54. 319 YBILC 1953 II, S. 76. 320 YBILC 1955 I, S. 206 para 52. 321 YBILC 1955 1, S. 210 para 39.
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Hier liegt der Schlüssel zum Verhältnis von Satz 1 und Satz 2: Satz 2 ist eigentlich das engere, präzisere Kriterium zur Definition der Bucht; es könnte an sich schon hinreichend sein. Satz 1 liefert aber eine anschauliche, dem Laien verständliche Beschreibung. Danach stellt sich der Regelungsinhalt von Absatz 2 wie folgt dar: Anhand von Satz 1 wird bestimmt, ob die Formation als Bucht in Frage kommt, dann erst wird sie dem präzisen Test des Satzes 2 unterworfen. Die Funktion des Satz 1 ist es daher, die Anwendung der Geometrie auf sinnvolle Fälle zu beschränken, mit anderen Worten, Landformationen, die offensichtlich keine Bucht sind, sollen dem Test des Satz 2 gar nicht erst unterzogen werden. Satz 1 ist daher in einer Gesamtschau weit auszulegen, seine Begriffe sind dabei nicht so entscheidend wie das durch den gesamten Satz 1 vermittelte Bild einer Bucht. Es ist dabei durchaus möglich, dass ein Einschnitt deutlich erkennbar und von Land umschlossen ist, aber dem Halbkreiserfordernis nicht genügt. Dieses Ergebnis ist bereits im Wortlaut von Art. 7 II KMÜ angelegt und steht dem Ansatz der Britischen Regierung in der North Atlantic Coast Fisheries Arbitration nahe, da er für die Bucht eine Einzelfallbetrachtung erforderlich macht. Für die hier vertretene Auslegung spricht die Konstruktion von Art. 7 KMÜ: Während in Absatz 3 detaillierte Regeln zur Ermittlung der Fläche der Bucht aufgestellt werden, finden sich zu well-marked und land-locked keine konkretisierenden Angaben. Demnach ist das entscheidende Kriterium das Verhältnis von Fläche zu Breite der Bucht, festgelegt im Halbkreiserfordernis. Nach dieser Auslegung stellt sich die Frage, ob die Qualifikation einer Einbuchtung als Bucht, die dem Halbkreiserfordernis genügt, an Satz 1 scheitern kann, letztlich nicht. Satz 1 würde etwa Inselformationen ausschließen, die zwar nach Absatz 3 die flächenmäßigen Voraussetzungen erfüllen, aber dem Bild des Laien von einer Bucht nicht entsprechen. Hier wäre die Anwendung der geometrischen Formel eben nicht sinnvoll. Bei der Prüfung, ob es sich bei einer Einbuchtung um eine juristische Bucht handelt, muss demnach nur dann auf Satz 1 eingegangen werden, wenn die Einbuchtung so ungewöhnlich ist, dass sie dem Bild einer Bucht nicht mehr entspricht. Das Halbkreiserfordernis selbst ist nach dem Wortlaut der Konvention absolut notwendig, eine Einbuchtung, die es nicht erfüllt, ist keine juristische Bucht. Dies wurde zum Teil als „Zwangsjacke" kritisiert. 322 Ein Hauptkritikpunkt ist dabei die scheinbare Willkür: 322 So führt O'Connell I (Fn. 27), S. 395 unter Berufung auf Strohl (Fn. 214), S. 38-40 aus, das Halbkreiserfordernis sei nicht als Zwangsjacke gedacht, sondern nur als Hilfsmittel, und sollte nicht angewendet werden im Fall von „genuinely landlocked waters' O'Connell kritisiert die Formulierung des Art. 7 I KMÜ, der diesem Erfordernis nicht gerecht werde, und merkt an, „Shalowitz's discussion of San Diego Bay makes the point" (O'Connell I [Fn. 27], S. 395, Fn. 23). Shalowitz befasst sich jedoch mit der Kritik daran, dass die San Diego Bay unter Anwendung der Halbkreismethode v. 1930 keine juristische Bucht wäre, und stellt klar, dass die Bucht eindeutig dass neuere Halbkreiserfordernis nach Art. 7 KMÜ erfüllt. Shalowitzs Ausführungen stellen insoweit keineswegs das Halbkreiserfordernis des
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„It is possible to have a shallow bay attenuated on either side of the headlands whose area is as large as that of the semi-circle; or a deep V-shaped bay whose depth is greater than that of the diameter, but whose area is less than that of the semi-circle. Why the one should be a bay and the other one not defies scientific enquiry [ . . . ] . " 3 2 3 Das wäre in der Tat schwer nachzuvollziehen. Allerdings ist die Fläche einer Bucht, die tatsächlich V-förmig ist und deren Länge mindestens ihrer Breite entspricht, etwa um ein Drittel größer als die Fläche des Halbkreises über der Abschlusslinie. 3 2 4 O' Cornell kann den Vorwurf der Willkür des Halbkreiserfordernisses daher nicht mit diesem Beispiel belegen. Die Regelung von Art. 7 I I 2 K M Ü ist ein Schritt in Richtung auf die von Boggs postulierte „automatische" Abgrenzung des Küstenmeeres. In Anbetracht der Vielfalt der natürlichen Küstenverläufe ist es nicht auszuschließen, dass es Einbuchtungen gibt, bei denen O'Connells Vorwurf dem Grund nach zutrifft. Dies ist jedoch durch den enormen Gewinn an Rechtssicherheit gerechtfertigt.
c) Art. 7 Absatz 3 KMÜ „For the purpose of measurement, the area of an indentation is that lying between the lowwater mark around the shore of the indentation and a line joining the low-water mark of its natural entrance points. Where, because of the presence of islands, an indentation has more than one mouth, the semi-circle shall be drawn on a line as long as the sum total of the lenghts of the lines across the different mouths. Islands within an indentation shall be included as if they were part of the water area of the indentation." Nachdem Art. 7 I I 2 K M Ü mit der Fläche das tertium comparationis festgelegt hat, bestimmt Art. 7 I I I K M Ü im Detail das primum und secundum comparationis, die zu vergleichenden Flächen. Entscheidende Bedeutung kommt hier den natural entrance points , den natürlichen Öffnungspunkten 3 2 5 zu. Sie bestimmen nicht nur die Fläche des Halbkreises, sondern auch in entscheidendem Maße die Fläche der Einbuchtung. Schließlich, sollte es sich um eine Bucht handeln, determinieren sie die landwärtige Grenze des Küstenmeeres. KMÜ in Frage, vielmehr bestätigen sie es und richten sich lediglich gegen eine unvorsichtige Anwendung der „reduced-area" Methode (d. h. der Halbkreismethode von 1930): „ [ . . . ] or the use of reduced areas may be dispensed with altogether, since in the final analysis the underlying principle of the method is the ratio of the area of the whole bay to the area of the full semicircle across the headlands. The use of reduced areas is but a convenient technique for making the comparison; it is not an integral part of the method." (Shalowitz I [Fn. 32], S. 37, Hervorhebung v. Verf.) O'Connell bleibt so ein überzeugendes Beispiel für seine Kritik schuldig. 323 O'Connell I (Fn. 27), S. 393. 324 Die Fläche einer V-förmigen Bucht deren Länge d ihrer Breite a entspricht beträgt: a χ 1 /2 d = 1 / 2 a 2 , die Fläche des Halbkreises über a beträgt pi/8 a 2 , also ungefähr 3/8 a 2 . Je tiefer die Bucht wird, desto größer wird aber ihre Fläche. 325 Diese Übersetzung scheint nicht ganz glücklich zu sein, es gibt wohl einen Bedeutungsunterschied zwischen „entrance points", bzw. „points d'entrée", und Öjfnungspunkttn.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See aa) „Natural Entrance Points'
Natural entrance point ist nicht bedeutungsgleich mit „headland". 3 2 6 Die neutralere Formulierung natural entrance point ist weitergehend; „natural" ist dabei nicht i m Gegensatz etwa zu „artificial" zu sehen, so dass auch künstliche Gebäude den Endpunkt der Verbindungslinie bilden können. 3 2 7 Vielmehr hat „natural" wohl die Bedeutung von normal, selbstverständlich, offensichtlich. In vielen Fällen werden die natural entrance points einer Formation, die die Hürde des Art. 7 I I K M Ü genommen hat, offensichtlich s e i n . 3 2 8 Mehrere Problemsituationen werden jedoch diskutiert: einem erkennbaren Öffnungspunkt liegt eine relativ glatte, geschwungene Küste gegenüber (vgl. Fig. 7), es bieten sich mehrere Möglichkeiten für eine Abschlusslinie a n 3 2 9 und einem klar definierten Öffnungspunkt liegt eine gerade Küste gegenüber. 330
Quelle: Westerman (Fn. 184), S. 116 Fig. 8. M i t freundlicher Genehmigung von Oxford University Press, Inc.
Fig. 7: Vorschlag zur Bestimmung eines natürlichen Öffnungspunktes durch die Ziehung von Tangenten Zur Lösung dieser Problemfälle werden teils mathematische Lösungen vorgeschlagen, so wird für den Fall, dass einem Öffnungspunkt eine geschwungene 326 Westerman (Fn. 184), S. 113; a. A. wohl Shalowitz I (Fn. 32), S. 63. 327 Westerman (Fn. 184), S. 114; dies ergibt sich auch aus Art. 8 KMÜ, nachdem auch künstliche Hafenanlagen wie Molen Teile der „Harbour works" sind (vgl. II, S. 101); so auch der US Supreme Court in US v. Louisiana 394 US S. 11, 50. 328 So auch Strohl (Fn. 214), S. S. 62, allerdings bei einer engeren Auslegung von Art. 7 II KMÜ als hier vertreten. 32 Hodgson /Alexander (Fn. 161), S. 10. 330 Westerman (Fn. 184), S. 114 ff.; Strohl (Fn. 214), S. 63, gibt als Beispiel den Golf von Cutch in Indien an; Shalowitz I (Fn. 32), S. 63-64; O'Connell I (Fn. 27), S. 406.
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Küste gegenüberliegt, der zweite Punkt dort festgelegt, wo die Winkelhalbierende zweier Tangenten der Rundung, die in etwa dem Verlauf der Küste folgen, auf die Küste trifft. 331 Diese Vorgehens weise findet sich auch in der Rechtsprechung und wurde u. a. vom US Supreme Court angewandt.332 Sie gründet jedoch nicht im Wortlaut der Konvention. Zwar ist es richtig, dass das KMÜ eine Objektivierung des Regimes der Buchten anstrebt, und daher auch eine objektivierte Festlegung des zweiten Öffnungspunktes wünschenswert wäre. 333 Dies rechtfertigt jedoch nicht die Erfindung scheinbar objektiver Methoden am Wortlaut vorbei. Insbesondere scheint dies hier verfehlt, da in der Festlegung der Tangenten ebenfalls ein so stark subjektives Element enthalten ist, dass auch bei der Anwendung dieser „objektiven" Methode eine Vielzahl möglicher Öffnungspunkte in Frage kommt. 334 Im Falle einer glatten, geschwungenen Küste gibt es eben nicht einen selbstverständlichen, offensichtlichen, „natürlichen" Öffnungspunkt 335, vielmehr sind eine Reihe von Punkten auf der Niedrigwasserlinie der Küste gleichberechtigt. Hier muss es dem Staat überlassen sein, einen geeigneten Punkt auszuwählen. Die gewählte Linie darf 24 sm nicht überschreiten, die von ihr gebildete Bucht muss das Halbkreiserfordernis erfüllen. Der Staat ist nur insoweit eingeschränkt, als er keine Punkte wählen darf, die offensichtlich keine Öffnungspunkte sind, etwa deutlich meerseitig des Buchteinganges liegen. Der gleichen Argumentation ist für den Fall von mehreren alternativen Buchtöffnungslinien zu folgen. Hier wird von Hodgson / Alexander der sog. „45°-Test" vertreten, der die Bestimmung der natürlichen Öffnungspunkte nach geometrischen Kriterien vornimmt, und zwar dergestalt, dass ein Punkt dann als natürlicher Öffnungspunkt gilt, wenn der Winkel, der durch die Verbindungslinie zwischen diesem Punkt, einem möglichen Alternativpunkt und dessen Gegenpunkt gebildet wird, 45° überschreitet. 336 Damit soll der Punkt gefunden werden, „where the two dimensional character of a ,bay' or ,river 4 is replaced by that of the ,sea' or ,ocean'." 337 Hodgson/Alexander führen weiter aus: ,,[T]hey are the points where 331 Shalowitz I (Fn. 32), S. 64; Westerman (Fn. 57), S. 115; Hodgson/Alexander (Fn. 51), S. 10, 12. 332 US Supreme Court, US v. California Suppl. Decree, 382 US S. 448, 451. 333 Westerman (Fn. 184), S. 115, Fn. 102. 334 So ist es in dem von Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 13 (vgl. auch Fig. 7) gegebenen Beispiel ohne weiters möglich, den Öffnungspunkt durch die Zeichnung anderer Tangenten zu verschieben; auch ist es nicht ersichtlich, warum Hodgson/ Alexander ihre Tangente gerade so gezeichnet haben. 335 Alternativ wäre an die Bestimmung des Punktes durch die Ziehung der kürzestmöglichen Verbindungslinie zu denken (O'Connell I [Fn. 27], S. 406); dies begegnet zweierlei Bedenken, einerseits sieht die Konvention die Ziehung der Linie zwischen den Öffnungspunkten vor, und nicht die Bestimmung der Öffnungspunkte durch die Länge der Verbindungslinie, andererseits kann dann das Ergebnis durch Landzungen in der Bucht zuungunsten des Staates beeinflusst werden (vgl. Hodgson/ Alexander [Fn. 162], S. 14). 336 Hodgson /Alexander (Fn. 162), S. 10. 337 Hodgson /Alexander (Fn. 162), S. 10. 6 Trümpier
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the direction of the shore changes from one facing on the bay [ . . . ] to one facing on the sea". 338 Das KMÜ bestimmt aber die „entrance points" als entscheidend, eben nicht die Punkte, an denen die Küste die Richtung wechselt; dass diese beiden Punkte identisch wären, können Hodgson/ Alexander nicht überzeugend darlegen, und es lässt sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des Art. 7 KMÜ ein entsprechender Rechtssatz entnehmen. Der 45°-Test ist eine elegante und in vielen Fällen eindeutige Methode zur Festlegung von möglichen Öffnungspunkten. 3 3 9 Die so erlangten Punkte sind jedoch durch das KMÜ anderen Punkten nicht vorgezogen. Sollten mehrere Linien in Frage kommen, bleibt es dem Staat überlassen, eine geeignete Verbindungslinie auszuwählen. Grenzen ergeben sich, wenn willkürlich Punkte innerhalb einer Bucht gewählt werden, die offensichtlich nicht mehr zu den in Frage kommenden natürlichen Öffnungspunkten gehören. Hier steht den Staaten jedoch ein großer Spielraum zu. In diese Richtung weist auch eine britische Entscheidung,340 bei der es um die Frage ging, ob ein Radiosender innerhalb der britischen Hoheitsgewässer operierte oder nicht. Der fragliche Sender befand sich im Mündungsgebiet der Themse. Der Sender argumentierte, die Frage, ob diese Mündung eine Bucht bilde, könne nicht nur anhand des Kartenmaterials entschieden werden, sondern müsse auch auf andere Faktoren, etwa geologische, die Tidenverläufe oder die Geschichte Rücksicht nehmen.341 Außerdem erfülle das Mündungsgebiet mit seinen Öffnungspunkten Orfordness und North Foreland die Voraussetzungen des KMÜ nicht. 342 Das Gericht befand hingegen, dass die Einordnung als Bucht eine rein „kartographische" Frage sei. 343 Zu der Frage, ob das Mündungsgebiet der Themse bei Ziehung einer Verbindungslinie zwischen Orfordness und North Foreland eine Bucht sei, entschied das Gericht: „This may or may not be so, but the relevant problem is not to delineate the estuary of the Thames but to determine whether there is any indentation of the coast leading to the mouth of the Thames which has the defined characteristics of a „bay"; and if there is, it matters not whether the „bay" comprises the whole of the „estuary of the Thames" or only part of i t . " 3 4 4
Es stellte fest, dass es bei Ziehung einer Verbindungslinie weiter landwärts zwischen Naze und Foreness eine solche Einbuchtung gäbe. 345 Sollte eine Einbuch338 Hodgson /Alexander (Fn. 162), S. 10. 339 Jedoch weist Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143) S. 22 para 10.26, auf die Schwierigkeit hin, geeignete Vergleichspunkte zu wählen, insbesondere, wenn die Küstenlinie irregulär verläuft. 340 Court of Appeal, Post Office v. Estuary Radio Ltd, Urteil v. 17. 7. 1968, 2 QB S. 740. 341 342 343 344 345
2 QB 2 QB 2 QB 2 QB 2 QB
S. S. S. S. S.
740, 747. 740, 747. 740, 759. 740, 759. 740, 759.
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tung sich also nicht als Bucht qualifizieren lassen, kann der Staat innerhalb dieser Einbuchtung vorhandene kleinere Buchten mit einer Abschlusslinie versehen, sofern diese für sich die Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ erfüllen. 346 Allerdings hat der US Supreme Court die völlig willkürliche Ziehung einer Grenzlinie innerhalb einer Einbuchtung verworfen. Hier ging es um die East Bay in Louisiana. Die Einbuchtung erfüllte nicht das Halbkreiskriterium, die Ziehung einer Linie innerhalb der East Bay, die sowohl das Halbkreiserfordernis, als auch die 24 sm Längenvoraussetzung erfüllt, war jedoch möglich. Hiergegen wandte sich der US Supreme Court, 347 es gab jedoch auch keine geeigneten, als Öffnungspunkte zu bezeichnenden Endpunkte innerhalb der Bucht, jede vorgeschlagenen Linie wäre willkürlich gewesen. Anders lässt sich jedoch im dritten Fall, in dem eine gerade Küste einem erkennbaren Öffnungspunkt gegenüber liegt, argumentieren. Hier wird einerseits eine 45°-Linie zur Abgrenzung der Bucht vorgeschlagen, 348 andererseits eine maximierende Linie, mit der sich noch das Halbkreiserfordernis erfüllen lässt, 349 schließlich auch die kürzestmögliche Verbindungslinie 350. Jedoch gibt der Wortlaut „natural entrance points" einen Hinweis auf die vorzugswürdige Abgrenzung. So würde mit der 45°-Linie ein Gebiet eingeschlossen, in dem man nach natürlicher Betrachtungsweise noch nicht den Eingang zur Bucht erreicht hat. Ein Schiff, das in die Bucht einführe, hätte nach Überschreiten der 45°-Linie noch querab Sicht auf die Hohe See. Dies wird man nicht erwarten können, wenn das Schiff schon die „Öffnungspunkte' 4 passiert hätte, sich mithin „in" der Bucht befände. Eine solche Konstellation wird durch die Wahl der kürzestmöglichen Verbindungslinie vermieden.
bb) „Natural Entrance Points" auf dem Festland Auch ergibt sich aus dem Wortlaut keineswegs, dass die natural entrance points auf dem Festland liegen müssen. Im Gegenteil, Art. 7 III 2 KMÜ setzt die Lage der Öffnungspunkte auf Inseln geradezu voraus. „Where, because of the presence of islands, an indentation has more than one mouth, the semi-circle shall be drawn on a line as long as the sum total of the lengths of the lines across the different mouths." 346 Diese Konstellation unterscheidet sich von der in Art 7 IV KMÜ angesprochenen. In Absatz 4 erfüllt die Einbuchtung alle Voraussetzungen der Bucht, lediglich die Öffnungslinie ist länger als 24 sm. 347 US v. Louisiana, 394 US S. 11, 54 vgl. Zitat zu Fn. 318. 348 Westerman (Fn. 184), S. 117. 349 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 21 para 10.24, Beazley tritt nicht wie von Westerman (Fn. 348) angeführt für den 45°-Test ein, sondern für eine Maximierung der Öffnungslinie („The actual point will then depend upon the satisfaction of the semicircle rule"). 350 Strohl (Fn. 214), S. 63.
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Aus dem Wortlaut von Art. 7 III 2 KMÜ ergibt sich eine Erleichterung für Einbuchtungen, deren Öffnung zum Teil von Inseln gebildet wird; die Fläche der Bucht kann hier kleiner sein. 351 Diese Lockerung des strengen Halbkreiskriteriums war vor dem Hintergrund, dass durch die Inseln die Bucht stärker eingeschlossen wird, mithin dem Land stärker verbunden ist, gewollt. 352 Begriffliche Verwirrung ist zu konstatieren, wenn es um die Lage der Inseln geht; hier wird häufig darauf abgestellt, die Inseln müssten „im Eingang der Bucht" liegen. 353 Dies führt offenbar zu einer nicht der Konvention entsprechenden Vorstellung über solche Buchtformationen; es ist dann etwa die Rede von einer Abschlusslinie, die die Inseln schneidet (vgl. Fig. 8). 3 5 4 Aber, wie ebenso häufig bemerkt, „nature has not seen fit to arrange islands in a perfect line across the mouth of most indentations".355 Dies führt dann zu weiteren Kategorisierungen, die, ausgehend von der ersten falschen Anwendung des KMÜ, zur willkürlichen Aufstellung weiterer „Regeln" führen, die beim Vorhandensein von Inseln zu beachten seien. Diese Regeln sind zwar zumeist schlüssig, entbehren jedoch einer Grundlage in der Konvention. 356 So stellen Hodgson/ Alexander folgende Kategorien von Inseln in Relation zum Buchteingang auf: „1) those situated within the mouth of a bay; 2) those which screen the mouth of a bay; 3) those which form the headland of a bay." 357 Hier sei noch einmal gesagt, dass „headland" kein Begriff des KMÜ ist, sondern aus der Geschichte der juristischen Bucht stammt. Für den zweiten Fall fahren Hodgson /Alexander fort, „If islands serve to block more than one half of the opening of a bay, they may be judged to ,screen' the mouth of the bay from the sea." Hier ist spätestens die Grenze der Auslegung verlassen, die Beschreibung „screen" (eher dem Kriterium der Überdeckung aus dem Bereich der geraden Basislinien ähnlich, vgl. V.l.a)ee), S. 125) findet sich nicht im Text von Art. 7 KMÜ, eben sowenig auch nur ein Anhaltspunkt, in den man dieses Merkmal hineinlesen könnte. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, warum die Inseln gerade die Hälfte des Buchteinganges überdecken sollen.
351 Wegen der quadratischen Beziehung zwischen Verbindungslinie und Buchtfläche ist die Erleichterung teilweise erheblich. Ist etwa die Verbindungslinie durch eine Insel um die Hälfte verkürzt, muss die Bucht nur ein Viertel der Fläche aufweisen, die ohne Insel erforderlich wäre. 352 So die ILC in ihrem Kommentar: „Here, the Commission's intention was to indicate that the presence of islands at the mouth of the indentation tends to link it more closely to the mainland, and this consideration may justify some alteration in the ratio between the width and the penetration of the indentation." YBILC 1956 II, S. 269 Art. 7 Commentary para 2. 353 Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 12; Shalowitz I (Fn. 32), S. 220 „where islands exist in the entrance".
354 Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 12. 355 Strohl (Fn. 214), S. 60; Westerman (Fn. 184), S. 128; O'Connell I (Fn. 27), S. 403. 356 So schon Westerman (Fn. 184), S. 128-132. 357 Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 12, für eine ausführliche Kritik siehe Westerman (Fn. 184), S. 130-131.
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Quelle: Shalowitz I (Fn. 18), S. 221 Fig. 40.
Fig. 8: Inseln im Buchteingang
Vielmehr ergibt sich aus der Konvention, dass gerade Inseln verschiedene Buchteingänge bilden. 358 Hieraus ergibt sich auch zwanglos, dass sich auf den Inseln selbst die Öffnungspunkte der Bucht befinden können. 359 Fraglich ist beim Vorhandensein von Inseln allein, ob diese zu mehreren Buchteingängen geführt haben. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie seewärts einer Hilfslinie der beiden Festlandöffnungspunkte liegen oder diese schneiden, und die so gebildete Einbuchtung die Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ erfüllt. Angesichts der Vielgestalt der möglichen Formationen 360 ist dem Staat in der Frage, ob eine Insel im Einzelfall mit dem Festland oder einer anderen Insel einen Buchteingang bildet oder nicht, ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen. Dabei wird bei der Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ der erste Anschein für den Staat sprechen. Auch die Mc/zieinbeziehung einer Insel in die Berechnungen wird der Staat nicht rechtfertigen müssen. Ähnlich ist das Problem der landwärts nahe der Hilfslinie, also innerhalb der Einbuchtung, gelegenen Inseln zu lösen. Sollte die Einbuchtung auch 358
Die Vorstellung, die Inseln würden den Buchteingang überdecken, ist schon deshalb nicht richtig. 359 So auch der US Supreme Court in US v. Louisiana, 394 US S. 11, 61. 360 Vgl. Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 22-26 für einige Beispiele.
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ohne diese Inseln die Voraussetzungen einer Bucht erfüllen, ist es nach Art. 7 III S. 3 KMÜ geradezu geboten, diese Inseln als innerhalb der Bucht liegend zu betrachten. 361 Andererseits ist es mit Art. 7 KMÜ auch vereinbar, die Berechnung auf landwärts der Hilfslinie gelegene Inseln zu stützen. Mit Blick auf den Kommentar der ILC zu Art. 7 KMÜ könnten Zweifel aufkommen, ob Schifffahrtslinien, die durch die Inselgruppen in der Mündung der Bucht führen, die Ziehung einer Abschlusslinie verbieten. 362 Allerdings wurde ein Vorschlag des Vereinigten Königreiches, eine entsprechende Passage im Text selbst festzuschreiben, auf der Seerechtskonferenz 1958 abgelehnt.363 Ein entsprechender Anknüpfungspunkt ist im Wortlaut von Art. 7 KMÜ auch nicht vorhanden. Schifffahrtslinien stehen der Internalisierung daher nicht entgegen.364 Fraglich ist jedoch die Behandlung von Formationen, in denen ein Großteil der Einbuchtung selbst von den Inseln gebildet wird. Natürlich ist die Unterscheidung im einzelnen fließend, trotzdem sind Generalisierungen wie diese unvermeidlich und für die Diskussion hilfreich. Im Rückgriff auf die Ausführungen zu Art. 7 I KMÜ ist zu sagen, dass Inseln jedenfalls dann Teil der Einbuchtung sein können, wenn dadurch der Charakter der Formation als Bucht noch zu erkennen ist. Ein Beispiel für eine solche Bucht wäre etwa die Buzzard's Bay (vgl. Fig. 9). Obwohl ein Teil der Bucht durch die Elizabeth Islands gebildet wird, bleibt die Buzzard's Bay doch eine Einbuchtung, die auch dem allgemeinen Bild einer Bucht entspricht. 365 Detaillierte Prüfungen, ob Inseln im jeweiligen Einzelfall noch dem Festland zugerechnet werden und so „headland" der Bucht sein können, sind vom KMÜ nicht vorgesehen und weder von seinem Wortlaut noch von seiner Intention her gefordert. 366 Die beständige Forderung, eine Bucht müsste zwei Festlandlandspitzen haben, und wenn dies nicht der Fall sei und die Bucht zudem teilweise von Inseln gebildet wird, müsse die äußere Insel dem Festland zuzurechnen sein, 367 ist eigentlich eine 361 Ebenso: Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 23 para 10.28; a. A. Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 17, 18. 362 YBILC 1956 II, S. 269 Art. 7 Commentary para 2: „Nevertheless, Islands at the mouth of a bay cannot be considered as ,closing' the bay, if the ordinary sea route passes between them and the coast." 363 Vorschlag A /Con. 13 /C. 1 / L.62, UNCLOS I Official Records III, S. 227 - 228, Art. 7 V; Ablehnung UNCLOS I Official Records III, S. 146. 364 Westerman (Fn. 184), S. 125. 365 So wurde Buzzards Bay in verschiedenen Gerichtsentscheidungen als Teil von Massachusetts angesehen, Supreme Judicial Court of Massachusetts, Commonwealth v. Manchester Urteil v. 18. 9. 1890, 152 Mass S. 230, 248; US Supreme Court, Urteil v. 16. 3. 1891, Manchester v. Massachusetts 139 US S. 240, 264. 366 Zu diesem auch in United States v. Louisiana (394 US S. 11, 61-65) vorhandenen Missverständnis ausführlich: Westerman (Fn. 184), S. 130 ff., 228 ff. 367 Hodgson /Alexander (Fn. 162), S. 17; Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 2 3 24 para 10.28 u. 10.30; Shalowitz/Reed (Fn. 46), S. 63-64; United States v. Louisiana, 394 USS. 11,61-65.
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Frage der Interpretation des Art. 7 I KMÜ. Trotzdem führt der US Supreme Court in US v. Louisiana aus: „We have concluded that Article 7 does not encompass bays formed in part by islands which cannot realistically be considered part of the mainland. Article 7 defines bays as indentations of the ,coast', a term which is used in contrast with islands4 throughout the convention." 368
Quelle: Westerman (Fn. 184), S. 151 Fig. 14. Mit freundlicher Genehmigung von Oxford University Press, Inc.
Fig. 9: Buzzard's Bay, Cape Cod Bay and Nantucket Sound
Dies führt z.T. zu äußerst fraglichen Ergebnissen. So geht der vom Supreme Court beauftragte Experte (Special Master) in seinem Bericht im Fall US v. Louisiana unter Berufung auf die o.g. Aussage des Supreme Court in einer früheren Phase des Falles 369 davon aus, Mississippi Sound könne nur dann eine Bucht nach Art. 7 KMÜ sein, wenn man Dauphin Island als Teil des Festlandes betrachten könne. 370 Es folgt eine detaillierte Analyse, was Dauphin Island von den anderen Barrier Islands unterscheidet, die in der Schlussfolgerung gipfelt: „Dauphin Island is directly in the mouth of Mobile Bay, which is admittedly a juridical bay. [ . . . ] Thus Dauphin Island at least touches upon [ . . . ] inland waters of the state of Alabama. 368 US v. Louisiana, 394 US S. 11, 67. 369 US v. Louisiana, 394 US S. 11, 67-68. 370 United States v. Louisiana, Report of the Special Master Walter P. Armstrong, 9. April 1984 (über Westlaw: 1984 WL 565478), S. 12.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See There seems to be no doubt that under the Geneva Convention internal waters are to be subsumed under the general category of mainland. If this is correct, then Dauphin Island, as it adjoins the mainland, is clearly an extension thereof; in effect, a peninsula extending westwardly therefrom and separating the Gulf of Mexico from Mississippi Sound." 371
Es widerspricht schon der natürlichen Wortbedeutung von Insel und Festland, über die Behandlung der inneren Gewässer als Festland eine an diese inneren Gewässer angrenzende Insel zur Verlängerung des Festlandes, j a gar zur Halbinsel zu erklären. 3 7 2 Diese völlig missglückte Konstruktion offenbart die Künstlichkeit des „Insel als Festland"-Ansatzes. 373 I m übrigen definiert das K M Ü Inseln als „naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high t i d e . " 3 7 4 Eine Bevorzugung von bestimmten Inseln ist dem K M Ü f r e m d 3 7 5 und widerspricht zumal dem Grundgedanken der rein geographischen Abgrenzung der Küste. Auch impliziert die Benutzung des Wortes „coast" nicht, dass die Bucht nicht auch ζ. T. durch Inseln gebildet werden k a n n . 3 7 6 Die Argumentation des Supreme Court krankt an dem doppelten Fehler, anzunehmen, dass eine Bucht vermeintlich über „headlands" verfügen muss und diese nur auf dem Festland liegen dürften. 3 7 7 Schon die erste Forderung entspricht nicht dem K M Ü , das nur natürliche Öffnungspunkte verlangt. Dass diese Öffnungspunkte nicht auf das Festland beschränkt sind, ergibt sich aus Art. 7 I I I K M Ü , der j a gerade das Vorhandensein von Öffnungspunkten auf Inseln voraussetzt. 3 7 8 Offenbar entspringen die Anforderungen des Supreme Court dem Be371
US v. Louisiana, Report of the special master (Fn. 370), S. 14.
372
So ist der Supreme Court hier der Argumentation des Special Master auch nicht gefolgt, sondern hat Mississippi Sound, den zweiten Teil des Berichtes der Special Master aufgreifend, zu einer historischen Bucht erklärt. Die Argumentation hinsichtlich Art. 7 KMÜ wurde dann nicht mehr geprüft. 373 Die Argumentation ist auch deshalb angreifbar, weil durch den Kunstgriff Dauphin Island als Festland zu begreifen, die Strecke Dauphin Island-Festland nicht mehr in die Berechnung der 24 sm Grenze einbezogen wird, diese wäre bei Einbeziehung überschritten (Shalowitz/Reed [Fn. 46], S. 82), was die Internalisierung auch nach der Rechtsprechung des Supreme Court verbieten würde. Dies wird von Westerman übersehen (Westerman [Fn. 184], S. 240, die allerdings vorher gegen eine Addierung der Verbindungslinien argumentiert). 37 4 Art. 101 KMÜ. 37i5
Diese Aussage ist auch auf das SRÜ übertragbar, die Unterscheidung zwischen Felsen und Insel spielt im Bereich des Küstenmeeres keine Rolle (vgl. A.I.3., S. 43 und B.V.3.c), S. 150). 37 6 Westerman (Fn. 184), S. 154- 155. 377
„Of course, the general understanding has been - and under the Convention certainly remains - that bays are indentations in the mainland, and that islands off the shore are not headlands but at the most create multiple mouths to the bay." 394 US S. 11, 62. 378 So aber auch der Supreme Court „There is no suggestion in the Convention that a mouth caused by islands is to be located in a manner any different from a mouth between points on the mainland - that is, by ,a line joining the low-water marks of (the bay's) natural entrance points.' The ,natural entrance points' may, and in some instances in the Lake Pelto-Terrebonne Bay-Timbalier Bay complex do, coincide with the outermost edges of the
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dürfnis, den Anwendungsbereich von Art. 7 KMÜ auf bestimmte Formationen, nämlich „indentations in the mainland44 einzugrenzen. Wie sich allein durch die hier genannten Beispiele zeigt, ist dies mit dem Erfordernis, die „headlands44 müssten auf dem Festland liegen, nicht praktikabel zu erreichen. Allerdings ist zu erwägen, ob die Argumentation des Supreme Court nicht dem Grunde nach eine Reflexion des Wortes „Einbuchtung" ist und so zu einer zumindest im Kern berechtigten Forderung an die Gestalt einer Bucht kommt. So vertritt Westerman am Beispiel des Mississippi Sound die Auffassung, es reiche für die Qualifikation als Bucht unter Art. 7 KMÜ, wenn eine Einbuchtung well-marked und landlocked sei sowie das Halbkreiserfordernis und die 24 sm Begrenzung erfülle. 3 7 9 Westerman sieht dies im Mississippi Sound unproblematisch gegeben;380 ob eine Einbuchtung teils von Inseln und vom Festland gebildet wird, spielt für ihn keine Rolle. 381 Westerman übersieht jedoch die Bedeutung des Wortes „Einbuchtung" in Zusammenhang mit „bloße Krümmung der Küste". Es ergibt sich klar aus dem Wortlaut, dass eine Einbuchtung mehr als eine Krümmung der Küste sein muss, d. h. Formationen, die nicht einmal eine Krümmung der Küste sind, kommen als Bucht nicht in Frage. Aus dem Wort „Einbuchtung" („indentation", „échancrure", „escotadura") in Zusammenhang mit „Krümmung der Küste" ergibt sich, dass die fragliche Formation eben auch dem Bild einer Bucht insoweit entsprechen muss. Dies ist beim Mississippi Sound schon sehr zweifelhaft, eine Krümmung der Küste ist nur mit viel gutem Willen erkennbar. Dies fließt bei Westerman jedoch nicht in die Prüfung ein. Wird seine Prüfung des Mississippi Sound zugrunde gelegt, 382 könnte mit denselben Argumenten auch der Raum zwischen der niedersächsischen Nordseeküste und den ostfriesischen Inseln als Bucht qualifiziert werden. 383 Ein offenbar absurdes Ergebnis. Der zugrundeliegenden Vorstellung des KMÜ entspricht eher eine Untersuchung des Gesamterscheinungsbildes der zu untersuchenden Formation als eine Analyse einzelner Inseln (vgl. b), S. 73). Zwar ist bei dieser Herangehens weise eine subjektive Betrachtung notwendig, dies ist jedoch auch der Fall bei dem Merkmal well-marked oder bei der Entscheidung, ob eine Insel noch als Teil des Festlandes islands. But there is no automatic correlation, and the headlands must be selected according to the same principles that govern the location of entrance points on the mainland." 394 US S. 11,56. 379 Westerman (Fn. 184), S. 233-234. 380 Westerman (Fn. 184), S. 231-232, 240. 381 Westerman (Fn. 184), S. 155. 382 Westerman (Fn. 184), S. 238-239. 383 Diese Argumentation dient nur der Verdeutlichung und legt die Küste bei Hochwasser zugrunde. Durch den starken Gezeitengang an der Nordseeküste und die entsprechend weit von der Hochwasserlinie entfernte Niedrigwasserlinie ist das Gebiet zwischen Inseln und Festlandküste völkerrechtlich in weiten Teilen terra firma; zudem hat die Bundesrepublik gerade Basislinien gezogen.
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zu sehen ist. Im Gegensatz zu letzterem Ansatz sind jedoch schwer vertretbare Hilfskonstruktionen nicht erforderlich. Eine solche Gesamtschau beantwortet auch ohne weiteres, wie in der Konstellation „Insel-Kanal-Festland" zu verfahren ist. 3 8 4 Stellt sich der Zwischenraum zwischen Insel und Festland als Kanal dar, verbietet sich die Anwendung von Art. 7 KMÜ. Als eine weitere Frage im Bereich von Art. 7 III KMÜ bleibt die eigentliche Ermittlung der Grenzlinie der Buchtoberfläche im inneren Bereich der Einbuchtung: Sind Nebenbuchten, Zweit- und Drittbuchten oder Lagunen bei der Ermittlung dieser Fläche zu berücksichtigen? Zunächst bietet es sich an, die scheinbar einfachere Frage nach der Einbeziehung der Wasserflächen von Häfen in die Berechnung zu stellen. Ausschlaggebend ist die Niedrigwasserlinie entlang der Küste. Der englische Text spricht von „shore". Wäre dies bedeutungsgleich mit „coast" aus Art. 8 KMÜ, würde es für einen Ausschluss von diesen Flächen aus der Berechnung sprechen. Dann könnte der noch weitergehende Schluss gezogen werden, der Berechnung der Buchtfläche sei die landwärtige Grenze des Küstenmeeres zugrunde zu legen, die sich ohne Art. 7 KMÜ ergäbe. 385 Da auch der französische Text zwischen „côte" in Art. 8 und „rivage" in Art. 7 III KMÜ unterscheidet, liegt eine zufällige synonyme Verwendung der Begriffe jedoch fern. Vielmehr scheint „coast" konsequent als Ausgangslinie für die Bestimmung der Basislinie angesehen zu werden. 386 „Shore" ist daher als untechnischer, weiterer Begriff zu verstehen. Auch mit der das Küstenmeer ausweitenden Wirkung von Art. 8 KMÜ wäre es nicht vereinbar, würde sich gerade diese Ausweitung zu einem Nachteil für den Staat in der Frage der Buchten verkehren. 387 Die Wasserfläche von Häfen ist also für die Fläche der Bucht zu berücksichtigen. Hingegen spricht nichts gegen eine analoge Anwendung von Art. 13 KMÜ auf Flüsse, die in die Bucht fließen. Mündet also ein Fluss direkt in eine Bucht, kann als Grenzlinie für die Zwecke des Art. 7 KMÜ eine Verbindungslinie zwischen den Punkten gezogen werden, die auf der Niedrigwasserlinie seiner Ufer liegen. 388 Dies gilt nicht für Flüsse, die nicht direkt in die Bucht einmünden, sondern Ästuare bilden. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Eine generalisierende Abgrenzung nach der Süßwassergrenze 389 ist für die Zwecke des Art. 7 KMÜ nicht geeignet. Abgesehen davon, dass Art. 7 KMÜ ein zweidimensionales, rein geographisches 384 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 24 para 10.30, schlägt in solchen Fällen die Internalisierung vor. 385 Hierfür würde einiges in der Entstehungsgeschichte sprechen, nicht zuletzt der Vorschlag der USA auf der Haager Kodifikationskonferenz, der auch von einer vereinfachten Buchtoberfläche ausging und dem Entwurf der ILC zugrundeliegt. 386 Westerman (Fn. 184), S. 102. 387 Strohl (Fn. 214), S. 59-60. 388 Strohl (Fn. 214), S. 59; vgl. auch IV. S. 106. 389 Vgl. Graf Vitzthum./Talmon (Fn. 174), S. 92-93.
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Bild der Bucht zugrunde liegt und hydrologische Erwägungen in diesem Rahmen einen Fremdkörper bildeten, unterliegt die Süßwassergrenze insbesondere an Küsten mit starkem Gezeitengang großen täglichen und vor allem jahreszeitlichen Schwankungen.390 Ähnliche Fragen stellen sich für „Nebenbuchten" („secondary bays") und Lagunen, die sich für die Zwecke des Art. 7 KMÜ nicht von Ästuaren unterscheiden. Auf den ersten Blick überzeugend wirkt der Vorschlag, diejenigen Formationen auszuschließen, die selbst das Halbkreiserfordernis erfüllen. 391 Dies ist jedoch zum einen nur eine Verschiebung des Problems auf immer kleinere Formationen, zum anderen ist gerade innerhalb einer größeren Einbuchtung schwer festzustellen, welche Gebiete „Nebenbuchten" sind und welche noch zu der Haupteinbuchtung gezählt werden können. 392 Letztlich wird auch hier im Einzelfall in einer Gesamtbetrachtung ermittelt werden müssen, ob einzelne Wasserbereiche noch der Formation Bucht zugehören oder nicht. So scheint im Beispiel der San Francisco Bay (vgl. Fig. 10) nichts gegen eine Einbeziehung der San Pablo Bay in die Buchtfläche zu sprechen, bei der Suisun Bay spräche das Gesamtbild eher dagegen.393 Sollte es tatsächlich einmal in einem Grenzfall auf die Einordnung der Nebenformationen ankommen, wird im Zweifel die Einbeziehung schwer abzuleh•
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nen sein. d) Art. 7 Absatz 4 KMÜ „If the distance between the low-water marks of the natural entrance points of a bay does not exceed twenty-four miles, a closing line may be drawn between these two low-water marks, and the waters enclosed thereby shall be considered as internal waters."
An Absatz 4 wird der Aufbau von Art. 7 KMÜ deutlich. Zunächst wird nach Absatz 1 und 2 bestimmt, ob eine Bucht vorliegt, dann nach Absatz 4, ob diese Bucht den inneren Gewässern zugerechnet werden kann. Die 24-sm-Grenze hat demnach keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Einbuchtung eine Bucht im Sinne des KMÜ ist; sie ist kein konstitutives Kriterium für das Vorhandensein einer Bucht. Dies bestimmt sich vielmehr nur nach der von Art. 7 I S. 1 KMÜ geforderten Gesamtschau und dem Halbkreiserfordernis aus Art. 7 II S. 2 KMÜ. Eine 390
Westerman (Fn. 184), S. 109, der auch angibt, Gezeitenschwankungen an der San Francisco Bay reichten ζ. T. 70 Meilen in das Landesinnere. 391 Shalowitz I (Fn. 32), S. 220 Fn. 28. 392 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 18- 19 para 10.13. 393 In der San Francisco Bay, wie in vielen anderen Buchten auch, spielt die genaue Buchtoberfläche keine Rolle, „auf den ersten Blick" ist die Erfüllung des Halbkreiserfordernisses zu erkennen. Sie ist hier nur wegen ihrer Bekanntheit und der Komplexität zur Veranschaulichung gewählt. 39 4 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 18-19 para 10.13 Fn. 47, der auf die Palliser Bay in Neuseeland verweist, zu deren Oberfläche der Onoke Lake hinzugerechnet wurde. Ähnlich auch das Urteil des Supreme Court in US v. Louisiana 394 US S. 11, 53, jedoch für den Fall, dass die Nebenbucht durch Inseln abgetrennt ist, dann aber für eine Einbeziehung der Nebenbucht mit dem Wortlautargument aus Art. 7 III KMÜ.
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Bucht nach Art. 7 II KMÜ bleibt auch dann eine Bucht, wenn die Öffnung 24 sm überschreitet. Sie kann dann nur nicht mehr in Gänze den inneren Gewässern zugerechnet werden. Aus der Zusammenschau von Abs. 3 und 4 ergibt sich auch zwanglos die Deckungsgleichheit von Abschlusslinie und Verbindungslinie. Jede andere Interpretation wäre sinnlos. Im Verhältnis zu Abs. 2 ist jedoch fraglich, ob dann, wenn durch Inseln mehrere Öffnungen gebildet werden, die Summe aller Verbindungslinien 24 sm nicht überschreiten darf, oder ob die einzelne Verbindungslinie auf 24 sm begrenzt ist, so dass die Gesamtbuchtöffnung wesentlich größer ausfallen könnte. Der Wortlaut ist hier nicht eindeutig; zwar spricht Art. 7 IV KMÜ von „these two low-water marks", was darauf hindeuten könnte, eine Grenze von 24 sm nur zwischen den einzelnen Punkten anzunehmen.395 Allerdings ist weiter von „the waters enclosed thereby" die Rede; die Gewässer werden nach dem Text also durch die Linie zwischen den beiden Punkten eingeschlossen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die Bucht nur eine Öffnung hat. Die Möglichkeit von mehreren Buchtöffnungen fasst die Formulierung des Abs. 4 nicht ins Auge. Allenfalls ließe sich aus der systematischen Stellung des Abs. 4 nach Abs. 3 auf eine Anwendbarkeit des Abs. 4 auch für Abs. 3 S. 2 schließen.396 In der Abfolge der Buchtbestimmung nach Art. 7 KMÜ - zunächst geometrische Überprüfung ob eine Bucht vorhanden ist, dann Anwendung der 24 sm Regel - findet sich eine überzeugende Erklärung für die Stellung von Abs. 4, ohne notwendigerweise eine Aussage über die Inselfrage zu treffen; schließlich handelt Abs. 3 ganz allgemein von der Messung der Buchtoberfläche. Im übrigen lässt sich durch das systematische Argument nicht die Interpretation entkräften, die einzelnen Öffnungen dürften nicht weiter als 24 sm sein. Für die Anwendung der 24-sm-Grenze auf die Summe der Verbindungslinien könnte auch sprechen, dass für die Überprüfung des Halbkreiserfordernisses bereits die Summe der Verbindungslinien gebildet wird, und für diese Zwecke die Verbindungslinien als eine durchgehende Linie betrachtet werden. 397 Allerdings sind Halbkreiserfordernis und 24 sm Grenze getrennte Prüfungsschritte auf dem Weg zur Internalisierung einer Bucht. Da der Wortlaut mehrere Bedeutungen zulässt, können die traveaux préparatoires entsprechend Art. 32 WVRK ergänzend herangezogen werden. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass die ILC nicht von einer Begrenzung der Summe ausgegangen ist. 3 9 8 Vielmehr wurden Vorschläge in diese Richtung explizit abgelehnt. So enthielt Art. 7 des Reports von François von 1955 noch folgenden Absatz 3: 395 396 397 398
Westerman (Fn. 184), S. 137. Shalowitz I (Fn. 32), S. 222. Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 24-25 para 10.31 - 10.32. Westerman (Fn. 184), S. 136.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See „Si, par suite de la présence d'îles, une baie comporte plusieurs entrées, des lignes de démarcation pourront être tracées fermant ces ouvertures pourvu qu'aucune de ces lignes n'excède une longueur de 5 milles, à la exception d'une d'entre elles qui pourra atteindre 10 milles." 399
Bei einer vorgeschlagenen maximalen Buchtweite von 10 sm geht dieser Vorschlag wie selbstverständlich von der Möglichkeit aus, dass diese Grenze beim Vorhandensein von Inseln überschritten werden kann. Allerdings ist die vorgeschlagene Grenze von 10 sm relativ gering, so dass sich hieraus nicht unbedingt Erkenntnisse für eine Buchtweite von 24 sm ableiten lassen.400 In der Diskussion in der ILC konnte sich dieser Abs. 3 jedoch nicht durchsetzen, ebenso wenig wie ein Vorschlag von Garcia Amador, der keine Begrenzung für die Länge der einzelnen Verbindungslinien vorsah, 401 und ein Vorschlag von Sandström, der als Obergrenze die Summe der Verbindungslinien zum Inhalt hatte. 402 Hingegen wurde die Anregung von Krylov, der den vorgeschlagenen Abs. 3 für zu schwerfällig hielt, angenommen, die Bestimmung ganz zu streichen, „so as to leave possible arbitrators a free hand to decide specific cases." 403 Die historische Betrachtung liefert also keine entscheidenden Hinweise, allenfalls die Erkenntnis, dass in der Anfangsphase der Kodifikation davon ausgegangen wurde, die Begrenzung der Länge gelte nur eingeschränkt, wenn die Bucht mehrere Öffnungen hat. Allerdings ist der Entstehungsgeschichte ein anderer Hinweis zu entnehmen: die Kodifikation des KMÜ war immer auch wesentlich von dem Bestreben getragen, Rechtssicherheit zu schaffen und das Streben nach immer weiterer Internalisierung in einen verlässlichen Rahmen zu stellen. In Artikel 7 KMÜ geschah das wesentlich über das Setzen numerischer Grenzen. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des Art. 7 KMÜ, würde die 24-sm-Obergrenze durch das Vorhandensein von Inseln so weit aufgeweicht werden, dass bei entsprechender Lage eine Bucht mit einer Gesamtabschlusslinie von 100 und mehr Seemeilen eingeschlossen würde 4 0 4 Daher ist Art. 7 IV KMÜ so auszulegen, dass die für den Halbkreistest zugrunde gelegte Länge der Verbindungslinien 24 sm nicht überschreiten darf. 405 Der Inten399
Amendments proposés par M. J.PA. François, rapporteur spécial sur la base des observations des governements au projet d'articles provisoires adopté par la Commission à la sixième session, A/CN.4/93, YBILC 1955 II, S. 5. Eine ähnliche Bestimmung findet sich auch in den Vorschlägen der Expertenkommission 1953, A/CN.4/61 /Add.l, YBILC 1953, S. 76 und in dem Bericht des special rapporteur von 1954, YBILC 1954 II, S. 4. 400 Schließlich sind die Basislinien einer Bucht, die unter die 10-5 Regel fällt, in der Summe wohl nicht länger als 24 sm. 4üi YBILC 1955 1, S. 215, para 18. 402 YBILC 1955 I, S. 215, para 22. 403 YBILC 1955 I, S. 215 para 16, Abstimmung nach para 24. 404
So schon die Befürchtung des Kommissionsmitglieds Fitzmaurice, YBILC 1955 I, S. 215 para 20. 405 Für eine solche Lösung auch US Supreme Court in US v. Louisiana, 394 US S. 11, 55 mit Verweis auf Shalowitz I (Fn. 32), S. 221 und den ILC Kommentar zu Art. 7 von 1956 (YBILC 1956 II, S. 269); der Verweis auf den ILC Kommentar ist jedoch nicht überzeugend,
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tion, die Erlangung des Buchtstatus für Einbuchtungen, die durch Inseln dem Festland näher verbunden sind, zu erleichtern, wird schon dadurch genüge getan, dass das Halbkreiserfordernis für diese Einbuchtungen zum Teil wesentlich erleichtert ist 4 0 6 und dass die Länge der Inseln nicht zu der Summe der Verbindungslinien hinzugerechnet wird. e) Art. 7 Absatz 5 KMÜ „Where the distance between the low-water marks of the natural entrance points of a bay exceeds twenty-four miles, a straight baseline of twenty-four miles shall be drawn within the bay in such a manner as to enclose the maximum area of water that is possible with a line of that length."
Art. 7 V KMÜ bestätigt die Analyse von Art. 7 IV KMÜ. Eine Einbuchtung, die das Halbkreiserfordernis erfüllt (sowie die well-marked und landlocked Kriterien), deren Öffnung jedoch größer als 24 sm ist, verliert ihren Status als Bucht nicht; sie wird lediglich als zu groß erachtet, um ihre Gewässer vollständig zu internalisieren. Jedoch darf eine maximale Fläche durch eine 24 sm lange Basislinie eingeschlossen werden. Hier bleibt das KMÜ bei einer durchgängigen Terminologie, indem es nicht von Abschlusslinie, sondern von gerader Basislinie spricht. Diese Basislinie ist eben nicht die Verbindungslinie der „natürlichen Öffnungspunkte", sondern eine künstliche, der Gebietsmaximierung dienende Linie. Innerhalb von Art. 7 V KMÜ werden - überraschenderweise - zwei Streitpunkte diskutiert. Zum einen ist fraglich, ob die durch die 24 sm Linie eingeschlossene Fläche ebenfalls das Halbkreiserfordernis erfüllen muss. Dies wird mit folgender Argumentation von Shalowitz vertreten: Sollte es ausreichen, dass nur die größere Bucht das Halbkreiserfordernis erfüllt, dann würde im umgekehrten Fall (größere Einbuchtung erfüllt das Halbkreiserfordernis nicht, aber kleinere Einbuchtung innerhalb schon) die Ziehung einer Abschlusslinie über die kleinere Einbuchtung ausgeschlossen; da dies nicht einsehbar sei, müsse diese Interpretation abgelehnt da der Kommentar sich ersichtlich auf die Frage der Länge des Durchmessers für das Halbkreiserfordernis bezieht, dessen Erfüllung aber durch Inseln erleichtert werden soll. Der Supreme Court argumentiert hier also eher wie Beazley (Fn. 397) mit einem Verweis auf die Summenbildung in Abs. 3 (US v. Louisiana 470 US S. 93, 100); Shalowitz I (Fn. 32), S. 221; Bowett (Fn. 44), Regime of Islands, S. 30; United States Department of Defense, Annotated Supplement to the Commander's Handbook on the Law of Naval Operations, Newport 1997, S. 1 - 8 para 1.3.3. und Fig. 1 - 3 . 406 So auch Shalowitz I (Fn. 32), S. 221-222 Text und Fn. 30; allerdings vermag seine Argumentation nur zum Teil zu überzeugen, seiner Ansicht nach führt gerade auch die Intention der Liberalisierung der Regeln beim Vorhandensein von Inseln zur 24 sm Begrenzung der Summe der Basislinien. „For in the case of an indentation with three openings, each 24 miles wide, a semicircle of 72 miles would have to be used [wenn die 24 sm Grenze für jede einzelne Öffnung gelten würde] (a more stringent requirement) as against a diameter of 24 miles under the other interpretation, and would result in the elimination of many areas from the status of inland waters.". Dies ist so nicht nachzuvollziehen, da, wie Shalowitz selbst feststellt, das Halbkreiserfordernis unabhängig von der 24 sm-Grenze angewandt wird.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
werden. 407 Der Argumentation von Shalowitz liegt offenbar die Annahme zugrunde, eine Einbuchtung, deren Fläche bei der Berechnung einer größeren Einbuchtung berücksichtigt wurde, könne nicht selbst auf ihre Eigenschaft als Bucht geprüft werden (vgl. Fig. 11); denn dann würde der Küstenstaat dieselbe Fläche zweimal nutzen, hätte „two bites at the cherry". 408 Diese Annahme findet jedoch keinen Anhaltspunkt im klaren Wortlaut des Abs. 5. Die gerade Basislinie von 24 sm soll die maximale Wasserfläche einschließen, sonst unterliegt sie selbst keinerlei Beschränkungen; Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 5 ist allerdings das Vorliegen einer Bucht i. S. v. Abs. 1 - 3 . 4 0 9
Quelle: Shalowitz I (Fn. 32), S. 223 Fig. 42.
Fig. 11 : Eine kleinere Bucht innerhalb einer größeren Bucht, die das Halbkreiserfordernis nicht erfüllt
Nicht so eindeutig stellt sich die Situation dar, wenn eine innerhalb einer größeren Einbuchtung (mit einer Öffnung von mehr als 24 sm) gelegene kleinere Einbuchtung einerseits zur Berechnung der Gesamtbuchtfläche herangezogen wird, um die Einordnung als Bucht - und damit die Ziehung einer 24 sm Basislinie - zu ermöglichen und gleichzeitig noch seewärts der Basislinie als eigene Bucht ab407 Shalowitz I (Fn. 32), S. 223. 408 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 19, para 10.18. 409 Die von Shalowitz angeführten Belege vermögen sämtlich nicht zu überzeugen. So trägt sein Verweis auf die Definition des Expertenkomitees von 1953 nicht. Shalowitz zitiert aus dem Zusammenhang. Darüber hinaus lässt er den klaren Wortlaut schon dieses frühen Entwurfes für den Fall der Überschreitung der (damals noch vorgeschlagenen) 10 sm Grenze außer acht. Auch der Verweis auf den Vorschlag der USA auf der Haager Konferenz trägt nicht, da dieser Vorschlag von einer vereinfachten Küstenlinie ausgeht (vgl. Α., S. 32) mithin in einem entscheidenden Detail abweicht und so einen Vergleich unmöglich macht. Von dieser vereinfachten Küstenlinie geht auch der von Shalowitz angeführte Artikel von Boggs (Fn. 71) aus, so dass auch dieser Verweis nicht überzeugen kann. Schließlich ist auch der Verweis auf den Report des Special Master im Fall US v. California (Oct. Term 1952) nicht hilfreich, da dem Special Master Art. 7 KMÜ nicht bekannt sein konnte (für eine detaillierte Auseinandersetzung s. a. Westerman [Fn. 184], S. 173- 175).
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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geschlossen wird. So nutzt der Staat tatsächlich dieselbe Fläche zweimal. Das könnte gegen diese Vorgehensweise sprechen, mit der Folge, dass in einer übergroßen Bucht nach Art. 7 V KMÜ nur die 24-sm-Linie gezogen werden und eine kleinere Bucht seewärts dieser Linie nicht mit einer Abschlusslinie versehen werden darf 4 1 0 oder aber die Berücksichtigung der kleineren Bucht bei der Messung der größeren Einbuchtung unterbleibt. 411 Dagegen spricht jedoch die Ratio von Abs. 5, die Internalisierung übergroßer Buchten zu vermeiden. Dem steht nicht entgegen, kleinere Buchten innerhalb einer großen Bucht abzutrennen. Diese kleineren Buchten müssen schließlich alle Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ erfüllen. Zudem steht die Abtrennung der kleineren Buchten im Belieben des Staates, stets wäre er versucht, die Abschlusslinie der kleineren Bucht gerade so zu ziehen, dass die größere Bucht auch ohne die kleinere nach Art. 7 Abs. 2 und 3 KMÜ internalisiert werden kann. Eine trennscharfe Abgrenzung wäre schwer möglich. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es enorm große Einbuchtungen gibt, die alle Voraussetzungen einer Bucht erfüllen (zur Veranschaulichung sei die Biskaya genannt - bei der es sich allerdings auch um eine mehrstaatliche Bucht handelt). Es kann nicht Zweck des Art. 7 KMÜ sein, innerhalb so großer Formationen effektiv die Ziehung von Abschlusslinien, bis auf eine Basislinie von 24 sm, zu verhindern. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses müsste willkürlich eine absolute Grenze der Buchtgröße eingeführt werden, ein Schritt, auf den Art. 7 KMÜ bewusst verzichtet. Im übrigen findet die einschränkende Ansicht auch keinen Anhalt im Wortlaut der Konvention oder ihrer Entstehungsgeschichte.412 Im Licht der Sonderstellung, die den Inseln innerhalb der Bucht durch Abs. 3 eingeräumt wird, spricht im übrigen nichts dagegen, den Gedanken aus Abs. 3 auch auf Abs. 5 anzuwenden, und eine Einbeziehung von Inseln in die 24-smBasislinie zu erlauben, ohne die Länge der Insel den 24 sm hinzuzurechnen. 413 f)Art.
7 Absatz 6 KMÜ
„The foregoing provision shall not apply to so-called ,historic' bays, or in any case where the straight baseline system provided for in Article 4 is applied."
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Konzept der historischen Bucht kann in vorliegender Arbeit, die auf die Frage der allgemeinen Abgrenzung des Küstenmeeres zielt, nicht geleistet werden. Historische Buchten bedürfen immer der Einzelfallprüfung. Gleichwohl bildet auch die Abschlusslinie historischer Buchten die Basis des Küstenmeeres. Daher ist es angebracht, kurz auf die wichtigsten Grundsätze einzugehen. Eine ideale und Rechtssicherheit schaffende 410 So die Argumentation der USA in US v. Louisiana, 394 US S. 11, 50. 4,1
Hier gibt es Überschneidungen mit der Frage, ob Nebenbuchten in die Berechnung der Buchtfläche einzubeziehen sind. 412 u s Supreme Court, US v. Louisiana, 394 US S. 11, 50. 413 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 24-25, para 10.31. 7 Trümpier
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Lösung bestünde ohne Zweifel in dem schon in der Vorbereitung auf die Haager Konferenz von 1930 von Schücking angeregten Internationalen Gewässerbüro („Office International des Eaux"). Alle historischen Ansprüche sollten zentral erfasst werden, die Entstehung neuer „historischer" Ansprüche wäre ausgeschlossen. 414 Diese Überlegungen bezogen sich jedoch nicht nur auf historische Buchten, sondern allgemein auf historische Gewässer. 415 Allerdings wurde die Idee von Schücking in seinem letzten Entwurf fallengelassen, 416 und zwar aufgrund der internen Diskussion im Komitee. 417 Obwohl der Vorschlag auf der Konferenz verschiedentlich aufgegriffen wurde, konnte er sich nicht durchsetzen. 418 1958 schlug Japan auf der Genfer Konferenz eine genauere Definition der historischen Buchten als Teil von Art. 7 KMÜ vor: „4. The foregoing provisions shall not apply to historic bays. The term ,historic bays4 means those bays over which coastal State or States have effectively exercised sovereign rights continuously for a period of long standing, with explicit or implicit recognition of such practice by foreign States." 419
Auch dieser Vorschlag war letztlich nicht erfolgreich, stattdessen wurde von der Konferenz eine Studie über historische Gewässer angeregt. 420 In dieser Studie wurden drei Elemente als Voraussetzung einer historischen Bucht identifiziert: erstens die Ausübung von Hoheitsgewalt durch den beanspruchenden Staat, zweitens dessen kontinuierliche Ausübung und drittens die Einstellung der anderen Staaten zu diesem Anspruch. 421 Aquiscience in der Form der Anerkennung war danach nicht erforderlich, 422 vielmehr genügte das bloße Nichtstun der Staaten über einen genügend langen Zeitraum. 423 Insoweit deckte sich die Studie mit dem japanischen 414 Rapport (Fn. 103), Schücking Mémoire, S. 3 8 - 3 9 . 415 So etwa auch auf Meerengen. 416 Rapport (Fn. 103), IV. Projet de convention modifié par M. Schücking, a la suite de discusssions du Comité d'experts, S. 72.
417 So die Aussage des Komiteemitglieds Magalhäes, Rosenne IV (Fn. 76), S. 1309 [107]. 418 Durch Sir Maurice Gwyer (Großbritannien), Rosenne IV (Fn. 76), S. 1306-1307 [104-105], sowie durch Magalhäes (Portugal), ebd., S. 1309 [107]. 419 A/Conf.l3/C.l /L.104. (UNCLOS I Officiai Records III, S. 241). 420 Vorschlag von Indien und Panama: A/Conf.l3/C.l /L.158/Rev.l, UNCLOS I Officiai Records III, S. 252; Annahme im Ersten Komitee: UNCLOS I Official Records III, S. 198 para 11; Annahme im Plenum: Official Records II, Plenary meetings, S. 125. 421 Judicial Regime of Historic Waters, including historic bays, Study prepared by the Secretariat, A/CN.4/143, YBILC 1962 II, S. 1-26, 13 para 80. 422 Judicial Regime of Historic Waters (Fn. 421), YBILC 1962 II, S. 16, para 107 f.; a. A. die USA, die „an actual showing of aquiscence" fordern {Roach, J. Ashley / Smith, Robert W., United States Responses to excessive Maritime Claims, Limits 112, Washington 1992, S. 8), Bernhardt, Rudolf, Rechtsfragen historischer Buchten, in: Dieter Blumenwitz/ Albrecht Randelzhofer (Hrsg.), Festschrift für Friedrich Berber zum 75. Geburtstag, München 1973, S. 54, postuliert ein abgestuftes Zustimmungserfordernis nach der Bedeutung der Bucht. 423 YBILC 1962, S. 19, para 131.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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Vorschlag, allerdings wurde von einer Beweislastregelung abgeraten. 424 Die identifizierten Elemente haben in der Literatur 425 und Rechtsprechung 426 weitgehend Anerkennung gefunden, mit Zweifeln bezüglich der Ausgestaltung im Einzelnen. Die Frage der historischen Buchten hat mit der allgemeinen Anerkennung einer Buchtabschlusslinie von bis zu 24 sm Länge erheblich an Bedeutung verloren. 427 Zwar ist Art. 7 KMÜ nicht auf historische Buchten anwendbar, jedoch wird der Staat seinen Anspruch auf eine Bucht aus Gründen der Rechtssicherheit eher auf Art. 7 KMÜ als auf den unsichereren historischen Titel stützen.428 Damit bleiben historische Buchten vor allem für die Fälle relevant, in denen eine oder mehrere Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ nicht vorliegen, so dass der Staat seinen Anspruch auf eine Einbuchtung nur auf einen historischen Titel stützen kann. Hauptsächlich sind dies Einbuchtungen, die zwar nach Art. 7 II-III KMÜ als Bucht einzustufen sind, deren Öffnung 24 sm aber (z.T. wesentlich) überschreitet. 429 Fraglich sind die Rechtsfolgen der Einordnung als historische Bucht. Der IGH geht davon aus, historische Buchten gehörten zu den inneren Gewässern, zumindest dann, wenn sie ganz im Bereich eines Staates liegen. Anderes gilt u. U. jedoch bei einer historischen Bucht, an die mehrere Staaten grenzen. 430 Die für die vorliegende Arbeit in erster Linie relevante Frage beantwortet der IGH unzweideutig: die Abschlusslinie der Bucht wird in jedem Fall die Basislinie für das (möglicherweise geteilte oder einem Kondominium unterliegende) Küstenmeer 424 YBILC 1962, S. 23 para 159; zustimmend Bernhardt, FS Berber (Fn. 424), S. 57. 425 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 44; Dahm/Delbrück/Wolf rum 1/1 (Fn. 31), S. 415; McDougal/Burke (Fn. 124), S. 372; Strohl (Fn. 214), S. 404-405; Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Fn. 1), S. 405 Fn. 99; Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 87-88; Bouchez, in: EPIL I (Fn. 273), S. 357, 359; ders. (Fn. 274), S. 281. 426 So hat der IGH im Fall El Salvador v. Honduras beim Golf von Fonseca im wesentlichen diese drei Element geprüft (ICJ Rep. 1992, S. 351, 588-593), obwohl er unter Verweis auf das Urteil in Tunesien v. Libyen (ICJ Rep. 1982, S. 18, 74) deutlich machte, dass jede historische Bucht nur als Einzelfall geprüft werden könne. US Supreme Court in US v. Louisiana 470 US S. 93, 102; US v. Louisiana, 394 US S. 11, 23; US v. Alaska, 422 US S. 184, 189; US v. California 381 US S. 139, 172; US v. Alaska 521 US S. 1, 11. 427 Vgl. McDougal/Burke (Fn. 124), S. 372; nach Dahm/Delbrück/Wolf rum 1/ 1 (Fn. 31), S. 415 ist die Überschreitung dieser Höchstgrenze sogar Definitionsmerkmal einer historischen Bucht (dennoch enthalten die gegebenen Beispiele zahlreiche Buchten von weniger als 24 sm Öffnungsbreite). 428 Ein (innerstaatliches) Beispiel ist die Monterey Bay, die zunächst als historische Bucht galt, später vom Supreme Court als Bucht nach Art. 7 KMÜ eingeordnet wurde (vgl. b), S. 76). Die Santa Monica Bay kann nach dem Urteil des Supreme Court in US v. California 381 US S. 139, 173 ebenfalls nicht mehr als historische Bucht angesehen werden (anders noch Ipsen [Fn. 24], S. 828, § 51 Rdn. 5, Dahm/Delbrück/Wolfrum 1/1 [Fn. 31], S. 415). 429 Bernhardt, FS Berber (Fn. 424), S. 47-60, 51. 430 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, ICJ Rep. 1992, S. 351, 594. Allerdings gibt es derzeit wenige solcher Konstellationen, evt. die Mündung des Rio de la Plata (vgl. IV. S. 107) und den Golf von Mannar. 7*
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sein. 4 3 1 Differenzierter äußert sich hier die UN-Studie, die auch insoweit eine Einzelfallprüfung fordert. 4 3 2 Selbst wenn die eingeschlossenen Gewässer dem Status des Küstenmeeres gleichkämen, ist es dennoch wahrscheinlich, dass die Abschlusslinie der Bucht die Basislinie für eine weitere Abgrenzung des Küstenmeeres b l e i b t . 4 3 3 Zu den anerkannten historischen Buchten, die sich nicht auch unter Art. 7 K M Ü fassen ließen, gehören etwa: in El Salvador/Honduras/Nicaragua der Golf von Fonseca434, in Kenia die Ungwana Bay 4 3 5 , in Australien die Shark Bay 4 3 6 Zu den umstrittenen historischen Buchten gehören: in Russland die Peter-der-Große Bucht 437 , in Kanada die Hudson Bay 4 3 8 , in Italien der Golf von Taranto 439 , in Libyen die Große Sirte 440 , in Indien / Sri Lanka die Palk Bay, Balk Bay, Balk Strait und der Golf von Mannar 441 , für die Mündung des Rio de la Plata vgl. (IV., S. 106). Der Golf von Aquaba nimmt wegen seiner geographischen Lage und politischen Bedeutung eine Sonderstellung ein, kann aber wohl nicht als historische Bucht bezeichnet werden. 442 Neuere Auflistungen von Ansprüchen auf historische Buchten weisen gegenüber ähnlichen Aufstellungen insbesondere aus den 1960er Jahren eine teils deutlich geringere Zahl von Buchten a u f . 4 4 3 Letztlich scheint es so, dass die Ausweitung 431
ICJ Rep. 1992, S. 351, 607, para 417: „There can be no serious doubt that the closing line of an historic bay is the baseline of the territorial sea. To hold otherwise would be incompatible with the legal status of a bay." 432 YBILC 1962 II, S. 23 para 160 ff., hier wird nach der historisch ausgeübten Souveränität unterschieden. 433 Im Ergebnis auch Strohl (Fn. 214), S. 404. 434 ICJ Rep. 1992, S. 351, 588-606. 43 5 Roach/Smith, Limits 112 (Fn. 422), S. 11. Strohl (Fn. 214), S. 255, Graf Vitzthum, in: Graf Vitzthum (Fn. 1), S. 405 Fn. 99. 7 Roach/ Smith, Limits 112 (Fn. 422), S. 11; Ipsen (Fn. 24), S. 829, § 51 Rdn 6. 43 8 Roach/Smith, Limits 112 (Fn. 422), S. 11, Dahm/Delbrück/Wolf rum 1/1 (Fn. 31), S. 415. 43 9 Roach/Smith, Limits 112 (Fn. 422), S. 11. 44 0 Wohl die am meisten umstrittene Bucht, Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 44-45, Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174;), S. 88. 441 Für alle vier Roach/Smith (Fn. 422), Limits 112, S. 11. 442 Less, Steven, Aqaba, Gulf of, in: Bernhardt, EPIL I, S. 197-202. Ohnehin handelt es sich wohl um eine Frage der Durchfahrtsrechte, mithin eher ein Problem aus dem Bereich der Schifffahrtsstraßen, Jia, Bing Bing, The Regime of Straits in International Law, Oxford 1998, S. 20-21, 127. 43
443 Vgl. die 27 Buchten in Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 33-34 mit den 36 von Strohl (Fn. 214), S. 253-268 aufgezählten und den 46 von Bouchez (Fn. 425), Regime of Bays, S. 216-237 aufgeführten Buchten. Selbst Held, Hermann, Baien und Buchten, in: Karl Strupp/ Hans-Jürgen Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 1, Berlin
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des Küstenmeeres auf 12 sm sowie eine vergleichsweise großzügige reguläre Buchtabschlusslinie von 24 sm Länge das bis Mitte des vorigen Jahrhunderts auch quantitativ bedeutende Problem der historischen Buchten auf eine überschaubare Zahl von durch ihre Größe oder ihre Geschichte herausragenden Buchten verengt hat. Hier können Lösungen sinnvollerweise nur noch im Einzelfall gefunden werden. Innerhalb eines Systems von geraden Basislinien finden die Vorschriften des Art. 7 KMÜ dem Wortlaut von Abs. 6 nach ebenso wenig Anwendung. Allerdings kann es nicht Absicht dieser Vorschrift sein, Art. 7 KMÜ durch die bloße Erklärung, gerade Basislinien würden angewandt, zu unterlaufen. Vielmehr muss das System der geraden Basislinien den Voraussetzungen des Art. 4 KMÜ genügen (vgl. V., S. 112).
II. Häfen „Art. 8 KMÜ - For the purpose of delimiting the territorial sea, the outermost permanent harbour works which form an integral part of the harbour system shall be regarded as forming part of the coast. Art. 11 SRÜ - Ports For the purpose of delimiting the territorial sea, the outermost permanent harbour works which form an integral part of the harbour system are regarded as forming part of the coast. Offshore installations and artificial islands shall not be considered as permanent harbour works."
Wie Art. 10 KMÜ modifiziert auch Art. 8 KMÜ die Grundnorm Art. 3 KMÜ, so dass Hafenanlagen, die „Bestandteil" („integral part") des Hafensystems sind, die Basis für die Messung des Küstenmeeres bilden können. Ferner stützt die Formulierung von Art. 8 KMÜ die Ansicht, „coast" sei im technischen Sinne gleichsam als Grundlage der Basislinie nach Art. 3 KMÜ zu verstehen. Nach Art. 11 SRÜ dürfen „Anlagen vor der Küste und künstliche Inseln" nicht zur Bestimmung der Basislinie herangezogen werden. Es besteht hier kein materieller Regelungsunterschied, Art. 11 S. 2 SRÜ hat vielmehr nur klarstellenden Charakter. 444 Zur Zeit der Entstehung des KMÜ waren Offshore-Installationen noch relativ selten, so dass sich die ILC nicht zu einem Regelungsvorschlag genötigt sah. 445 Fraglich ist, ob Art. 11 SRÜ die Ziehung einer Abschlusslinie über der Hafeneinfahrt gestattet, oder ob auch hier die Regelungen über Buchten anwendbar 1960, zählt immerhin 12 Buchten und berücksichtigt dabei nur Nordamerika, Europa und in Südamerika den Golf von Fonseca. 444 So Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 47; Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 122, para 11.5(d). 445 „Where structures are of excessive length (for instance, a jetty extending several kilometres into the sea), it may be asked whether this article could still be applied [ . . . ] . As such cases are very rare, the Commission, while wishing to draw attention to the matter, did not seem it necessary to state an opinion.", YBILC 1956 II, S. 270.
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sind. 446 Die Auswirkungen auf die Abgrenzung des Küstenmeeres sind bei einer normal großen Hafeneinfahrt und einer Küstenmeerbreite von 12 sm praktisch nicht existent. 447 Gleichwohl ist auf diese Frage näher einzugehen, da einige zu dieser Frage vertretenen Ansichten die Vermutung nahe legen, KMÜ und SRÜ seien insoweit nicht regelungsgleich. Nach dem Wortlaut von Art. 11 SRÜ liegt die Ziehung von Abschlusslinien eher fern, es scheint ausschließlich um die genaue Festlegung der Basislinie zu gehen. Erst aus der Zusammenschau mit Art. 50 SRÜ soll sich ergeben, dass Art. 11 SRÜ auch die Ziehung von Abschlusslinien erlaubt, und zwar nicht nur in Archipelgewässern, sondern generell. 448 Diese Auffassung begegnet Bedenken. Zum einen erscheint es fraglich, ob aus dem speziellen Teil IV SRÜ überhaupt erweiternde Rückschlüsse auf den allgemeingültigen Teil II zulässig sind. Viel schwerer wiegt jedoch, dass die Prämisse, Art. 50 SRÜ erlaube die Ziehung von Abschlusslinien über Hafeneinfahrten, nicht haltbar ist. Funktion von Art. 50 SRÜ ist die Klarstellung, dass der Archipelstaat innerhalb seiner Archipelgewässer zusätzlich das Recht hat, innere Gewässer abzugrenzen, und zwar in „Übereinstimmung mit Art. 9, 10 und 11" SRÜ. Insbesondere kann sich der Archipelstaat also nicht auf Art. 7 SRÜ berufen und etwa um einzelne Inseln noch ein System der geraden Basislinien zur Erweiterung seiner inneren Gewässer einrichten. Ziel von Art. 50 SRÜ ist also eine Einschränkung der Befugnisse des Archipelstaates. Hieraus eine allgemeingültige Ausweitung von Art. 11 SRÜ abzuleiten, kann nicht überzeugen. Jedenfalls stellt Art. 50 SRÜ klar, dass auch die Hafenanlagen von Archipelstaaten für die Abgrenzung benutzt werden dürfen, 449 u. a. dann, wenn sie die natürlichen Öffnungspunkte einer Bucht bilden, wie ζ. B. die äußere Spitze eines Wellenbrechers. 450 Dagegen ist fraglich, ob der Archipelstaat Riffe (Art. 6 SRÜ) und trockenfallende Erhebungen zur Abgrenzung seiner inneren Gewässer heranziehen kann (vgl. C.I.2.d), S. 172) 4 5 1 Richtigerweise muss die Antwort schon bei Art. 8 KMÜ gesucht werden. Laut Kommentar der ILC ist Art. 8 KMÜ folgendermaßen auszulegen: „The Waters of a port up to a line drawn between the outermost installations form part of the internal 446 So Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 28 para 12.5, die Hafengewässer seien jedoch in jedem Fall innere Gewässer, mit Verweis auf Art. 50 SRÜ. 44 7 Beazley, Maritime Limits 1978 (Fn. 46), S. 24 para 7.5. 44
» Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 47; Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 85; DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 33, para 77. Für die Ziehung einer Abschlusslinie auch nach Art. 8 KMÜ Shalowitz/Reed (Fn. 46), S. 319 f. 44 ^ Dagegen: Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 445 para 50.6(a) „closing lines [ . . . 1 across bays and using permanent harbor works". 450 So wurde im Fall US v. California bei der San Pedro Bay auf der einen Seite ein Wellenbrecher und auf der anderen Seite eine Pier (, jetty") als Öffnungspunkte bestimmt (382 US S. 448, 449; Fourth Supplemental Decree 449 US S. 408). Vgl. auch Shalowitz/Reed (Fn. 46), S. 51. « ι Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 445 para 50.6(a), wobei diese Formationen sowieso nur in Ausnahmefällen bei der Abgrenzung innerer Gewässer herangezogen werden.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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waters of the coastal state." 452 Art. 8 KMÜ sei Ausdruck des bestehenden Völkerrechts. 453 Er geht auf einen Vorschlag des 2. Unterkomitees auf der Haager Kodifikationskonferenz zurück. 454 In der Tat galten Häfen schon immer als innere Gewässer. 455 Dies wurde von der ILC auch nicht in Frage gestellt. 456 Im Licht dieser Entstehungsgeschichte ist Art. 8 KMÜ dahingehend auszulegen, dass die Ziehung einer Abschlusslinie über die Hafeneinfahrt zulässig ist. Diese Überlegungen müssen auch für Art. 11 SRÜ gelten, so dass sich ein kongruenter Regelungsgehalt ergibt. Die Herleitung aus der Entstehungsgeschichte ist notwendig, um dem Eindruck entgegenzuwirken, die Möglichkeit der Ziehung einer Abschlusslinie beruhe auf Art. 50 SRÜ. Dies würde eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Divergenz zwischen SRÜ und KMÜ nahelegen. Bei der hier vorgeschlagenen Auslegung kann auch unproblematisch davon ausgegangen werden, dass Art. 8 KMÜ und Art. 11 SRÜ Völkergewohnheitsrecht wiedergeben. 457 Auf der praktischen Seite sind die Worte „ständige Hafenanlagen, die Bestandteil des Hafensystems sind" natürlich interpretationsoffen. Zunächst kommen nur solche Hafenanlagen in Betracht, die über Wasser liegen, nicht etwa ausgebaggerte Kanäle. 458 Teile des Hafens und damit der Küste sind auch Molen, Wellenbrecher, Kais, Landungsbrücken und Anleger. 459 Fraglich ist jedoch, wie weit diese Anleger auf das offene Meer hinausreichen dürfen. Es wird nur im Einzelfall zu entscheiden sein, ob eine womöglich kilometerlange Struktur noch integraler Teil des Hafensystems ist, ob sie als Reede oder auch nur als „Bauwerk auf dem Festlandsockel" qualifiziert werden kann. 460 Es wird jedoch schwierig sein, diese Bauwerke als „integral" im Sinn des englischen Konventionstextes zu qualifizieren. 452 YBILC 1956 II, S. 270. 453 YBILC 1954 II, S. 155. 454 AJIL 1930 Supp., S. 250. François merkt zu seinem wortgleichen Vorschlag in seinem ersten Report an: „Le rapport s'est borné à faire observer que les eaux du port, jusqu'à une ligne tracée entre les deux ouvrages fixes les plus avancés, constituent des eaux intérieures de l'Etat riverain . " (YBILC 1952 II, S. 35, Hervorhebung v. Verf.). 455 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 606; O'Connell I (Fn. 27), S. 385; Gidel, Gilbert , Le droit international public de la mer : Le temps de paix, Bd. 2, Paris 1934 (unveränderter Neudruck Vaduz 1981), S. 25. 456 im Gegenteil, der im Text zitierte Kommentar wurde sogar als Artikel 9 E-KMÜ aufgenommen (YBILC 1954 I, S. 89 para 47), dann aber wieder herausgenommen, jedoch nur, um Diskussionen über die Verpflichtungen der Hafenstaaten nicht vorzugreifen. Es bestand Einigkeit über den Status der Häfen als innere Gewässer (YBILC 1954 I, S. 90-91 para 1-7). 457 Vgl. Dubai v. Sharjah Border Arbitration, ILR 1993 (Bd. 91), S. 543, 661 - 2 . 458 US Supreme Court 394 US S. 11, 38, unter Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte. 459 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 27-28 para 12.2- 12.3; DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 54. 460 Vgl. dazu auch den Kommentar der ILC zu Art. 8 KMÜ in YBILC 1956 II, S. 270, der auf die Möglichkeit von Sicherheitszonen gem. Art. 71 Entwurf-Seerechtsübereinkommen 1956 (später Art. 5 II-IV Festlandsockelkonvention) verweist.
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Auch scheint es in der Zusammenschau insbesondere mit Art. 3, 4, 7 und 9 KMÜ systemwidrig auf diese Weise dem Küstenmeer einen „Finger" in die See anzufügen. 461 Durch die Festlegung der Küstenmeerbreite auf bis zu 12 sm im SRÜ ist diese Diskussion (bislang noch) ohne praktische Auswirkung geblieben.
III. Reeden Art. 9 KMÜ: „Roadsteds which are normally used for the loading, unloading and anchoring of ships, and which would otherwise be situated wholly or partly outside the outer limit of the territorial sea, are included in the territorial sea. The coastal state must clearly demarcate such roadsteads and indicate them on charts together with their boundaries, to which due publicity must be given."
Art. 9 KMÜ ist wortgleich mit Art. 12 SRÜ, bis auf das Veröffentlichungserfordernis, das im SRÜ für die Art. 7, 9 und 10 in Art. 16 zusammengefasst wurde. Art. 9 KMÜ enthält eine Legaldefinition von Reeden. Es kommen nur die Gebiete in Frage, „die üblicherweise zum Laden, Entladen und Ankern von Schiffen dienen." Neben den trockenfallenden Erhebungen sind Reeden der einzige Fall innerhalb des Teils II KMÜ, durch den zwar Küstenmeer, aber keine inneren Gewässer entstehen; dies hat seinen Grund in der Befürchtung, Enklaven von inneren Gewässern auf hoher See könnten das Recht auf friedliche Durchfahrt beeinträchtigen, 462 sowie in der Überlegung, dass, wäre die Reede inneres Gewässer, sie ihrerseits von Küstenmeer umgeben sein müsste.463 Auf der Genfer Konferenz wiesen die Niederlande darauf hin, dass Art. 9 KMÜ so ausgelegt werden könne, dass der Raum zwischen den Reeden und dem Küstenmeer ebenfalls Teil des Küstenmeeres sei, oder aber so, dass dieser Zwischenraum Teil der Hohen See bleibe. 464 Sie brachten eine Änderung ein, die klarstellte, das auch der Zwischenraum Teil des Küstenmeeres sei. 465 Dieser Vorschlag erfuhr im 1. Komitee teils scharfe Kritik und wurde knapp abgelehnt.466 Relevant wurde diese Detailfrage erst 27 Jahre später. Die Ausweitung des Küstenmeeres der Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 16. 3. 1985 bezog nicht nur die Tiefwasserreede vor Helgoland, sondern auch die zwischen dem Küstenmeer Helgolands und der Reede sowie die westlich der Reede gelegenen Verkehrstrennungsgebiete in das deutsche Küstenmeer mit ein. 4 6 7 461 Im Ergebnis ebenso McDougal/Burke 462 YBILC 1956 II, S. 270,
(Fn. 124), S. 423.
463 YBILC 1954 I, S. 89 para 34. 464 UNCLOS I Official Records III, S. 142 para 14. 465 A/Conf.l3/C.l /L.67, UNCLOS I Official Records III, S. 230. 466 UNCLOS I Official Records III, S. 143 para 33; mit 24 zu 22 Stimmen, bei 21 Enthaltungen. 467 BGBl. 19841, S. 1366.
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Dieser Schritt wurde unter Berufung auf das in Art. 9 KMÜ und Art. 12 SRÜ kodifizierte Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt. 468 Eine tiefergehende Untersuchung erübrigt sich, 469 da die Bundesrepublik ihr Küstenmeer 1994 so veränderte, dass nunmehr nur noch die Tiefwasserreede Teil des Küstenmeeres ist, die Verkehrstrennungsgebiete jedoch nicht mehr. 470 Trotzdem weckt insbesondere die durch die Entstehungsgeschichte gestützte enge Auslegung des Art. 9 KMÜ Zweifel an der Rechtmäßigkeit des damaligen Vorgehens. 471 Hingegen ist die 1994 beschlossene Regelung gem. Art. 12 SRÜ völkerrechtskonform; sie verwirklicht die schon auf der Genfer Konferenz für Art. 9 KMÜ ins Auge gefasste Möglichkeit einer „Küstenmeerinsel" 472 für weit vorgelagerte Reeden. Die neue Regelung birgt indes praktische Schwierigkeiten, die die alte Küstenmeerbox vermieden hatte. Durch den schmalen Streifen AWZ zwischen dem territorialen Küstenmeer und dem Küstenmeer der Tiefwasserreede kommt es zu einer dichten Drängung der verschiedenen Kompetenzzonen auf engem Raum, die einer effektiven Kontrolle durch die Behörden, insbesondere durch die Bundespolizei, entgegensteht. Die Bundesrepublik Deutschland ist wohl der einzige Staat, der eine umstrittene Erweiterung seines Küstenmeeres auf Art. 9 KMÜ/Art. 12 SRÜ gestützt hat, 473 so dass die Bedeutung von Art. 9 KMÜ insgesamt gering bleibt. Allerdings ist es vorstellbar, weit in das Meer hinausreichende Installationen unter die Legaldefinition des Art. 9 KMÜ/Art. 12 SRÜ zu fassen, und so die Beladegebiete in das Küstenmeer aufzunehmen (vgl. II., S. 103). 474 468 Wolfrum (Fn. 48), AVR 1986, S. 247, 257-258. Deutschland war dem KMÜ nicht beigetreten und das SRÜ zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten. 469 Hierfür siehe Wolfrum (Fn. 22), AVR 1986, S. 247, 257 f.; Kokott, Juliane/Gündling, Lothar, Die Erweiterung der deutschen Küstengewässer in der Nordsee, ZaöRV 1985, S. 647-693, 686 f.; Wolfrum, Rüdiger, Germany and the Law of the Sea, in: Treves, Tullio, The Law of the Sea, Den Haag, 1997, S. 199-224, 203-204; Rudolf, Walter, Deutsche Seegrenzen, in: Ando, Nisuke u. a., Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, Bd. 2, Den Haag 2002, S. 1143-1161, 1151-1152. 470 Bekanntmachung v. 11. 11. 1994 (BGBl. 1994 I, S. 3444). 471 Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 126-128; auch der US Protest gegen die „Küstenmeerbox" ließ eine ähnliche Argumentation erkennen: „ [ . . . ] the waters between an outlying roadstead and the general territorial sea are not territorial in nature, and the high seas freedoms applicable to those intervening waters cannot be prejudiced by the coastal state" Kokott/Gündling, ZaöRV 1985 (Fn. 469), S. 675, 699 sehen die Erweiterung nur bei Berücksichtigung der lokalen Verkehrssituation als rechtmäßig an. US Protestnote vom 15. 3. 1985, z.T. abgedruckt in Roach/ Smith, Limits 112 (Fn. 422), S. 33. Auch kann das zeitliche Zusammentreffen der Neuregelung mit der Ratifikation des SRÜ durch Deutschland als Indiz dafür genommen werden, dass die Bundesrepublik selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens im Rahmen des SRÜ hatte. 472 in einem Redebeitrag des amerikanischen Repräsentanten Yingling UNCLOS I Official Records III, S. 143 para 21. 473 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 48.
im 1. Komitee,
474 im Fall des Louisiana Offshore Oilport (LOOP) haben die USA, traditionell eher zögerlich, wenn es um die Ausdehnung des Küstenmeeres geht, die an dieser Einrichtung
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
IV. Flüsse Artikel 13 KMÜ: „If a river flows directly into the sea, the baseline shall be a straight line across the mouth of the river between points on the low-tide line of its banks." „Si un fleuve se jette dans la mer sans former d'estuaire, la ligne de base est une ligne droite tracée à travers l'embouchure du fleuve entre les points limites de la marée basse sur les rives." 475 A n Flussmündungen stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Verlauf der Basislinie. Verschiedene Ansätze kommen in Betracht: Zum einen könnte sie dort verlaufen, wo das Flusswasser das Land verlässt, 4 7 6 so dass Strömung und Salinität eine Rolle spielen, 4 7 7 zum anderen zwischen den äußersten Punkten der beiden Flussufer, 4 7 8 oder auch an einer Linie, die sich aus vermittelnden Lösungen erg i b t . 4 7 9 Hier hat sich das K M Ü , ebenso wie schon das 2. Unterkomitee auf der Haager Kodifikationskonferenz 4 8 0 , für eine Basislinie von Ufer zu Ufer entschieden. Trotzdem bleiben Zweifel, insbesondere dann, wenn sich der Fluss zu seiner Mündung hin ausweitet. Die Mehrzahl der Flüsse fließt nicht in einem kanalartigen Verlauf ins Meer, sondern verbreitert sich zum Meer h i n . 4 8 1 Legt man nun den Wortlaut „directly" sehr eng aus, bleibt für die Anwendung des Art. 8 K M Ü kaum noch R a u m . 4 8 2 Was also ist unter „directly" zu verstehen? Der französische Text scheint die Antwort zu geben: ein Fluss fließt dann direkt ins Meer, wenn er kein Ästuar bildet 4 8 3 „Ästuare sind die Gezeitenmündung großer Flüsse. Sie sind Meeresarme, die bis zur oberen Grenze der Gezeitenauswirkung in Flusstäler hineinankernden Schiffe durch bilaterale Abkommen ihrer Hoheitsgewalt unterworfen, Churchill/ Lowe (Fn. 144), S. 218-219. 475 Hervorhebung v. Verf.; der Unterschied zwischen der englischen und der französischen Fassung ist für den Regelungsinhalt wesentlich, so dass hier beide Texte angeführt werden. 476 Rivier, Alphonse, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 2. Auflage Stuttgart 1899, S. 132, ordnet das Flussgebiet dem Staatsgebiet zu „bis zum Punkte, wo der Wasserlauf dasselbe verläßt". 477 O'Connell I (Fn. 27), S. 222. 478 Heffter, A.W, Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart, S. 156, § 77; Nys, Ernest, Le droit international Bd. 1, 2. Aufl. Brüssel 1912, S. 484; Engelhardt, E., Du régime conventionnel des fleuves internationaux: études et projet de règlement général précédés d'une introduction historique, Paris 1879, S. 61; Jacobsen, Friedrich Johann, Seerecht des Friedens und des Krieges in Bezug auf die Kauffahrteischiffahrt, Altona 1815, S. 583. 479 Münch (Fn. 15), S. 130, stellt auf den „Parallelismus" der Ufer ab, der jedoch „cum grano salis" zu verstehen sei. „Ein großer Fluss kann sich an der Mündung verbreitern, ohne deswegen schon eine estuaire zu bilden." 480 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 Supp., S. 234, 253. 48 1 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 26 para 62. 48 2 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 111. 48 3 Vgl. die Aussage von Münch in Fn. 479.
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reichen. 4 ' 484 Fraglich ist dann jedoch, welches Regime für einen Fluss gilt, der ein Ästuar bildet. Im Entwurf der ILC zum KMÜ findet sich in Art. 13 II E-KMÜ noch folgende Aussage: „If a river flows into an estuary the coasts of which belong to a single state, article 7 shall apply." 485 Art. 13 II E-KMÜ wurde auch noch im 1. Komitee der Konferenz 1958 gebilligt, 486 erhielt im Plenum jedoch nicht die erforderliche Mehrheit 4 8 7 Außerdem tauchen in der Frage, ob ein Fluss ein Ästuar bildet, die hydrographischen und geologischen Fragen, deren man sich durch die Wahl der geographischen Betrachtungsweise entledigt zu haben schien, durch die Hintertür (in der Definition „Ästuar") wieder auf. Vordergründig ist also einerseits zweifelhaft, wie weit der Anwendungsbereich von Art. 13 KMÜ geht, und andererseits, ob die Regeln für Buchten auf Ästuare Anwendung finden. Tatsächlich lässt sich dies auf die Frage zuspitzen, ob es einen „ K M Ü freien" Raum für bestimmte Flussmündungen gibt, 4 8 8 oder ob das KMÜ hier umfassend regelt. Vor der abstrakten Beantwortung dieser Frage ist ein genauerer Blick auf die wohl prominenteste Konstellation in diesem Zusammenhang hilfreich, da sich hier die einzelnen Argumente in ihrer tatsächlichen Auswirkung darstellen lassen: die Mündung des Rio de la Plata zwischen Argentinien und Uruguay. Der Rio de la Plata wurde von Argentinien und Uruguay zunächst als historische Bucht beansprucht. 489 Seit 1961 wird der Anspruch jedoch in der Hauptsache auf Art. 13 KMÜ gestützt. 490 Der Rückgriff auf Art. 13 KMÜ wurde in einer französischen 484
Goudie, Andrew, Physische Geographie, Eine Einführung, 4. Auflage Heidelberg 2002, S. 281 10.6.; DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 52 para 30: „Estuary/The tidal mouth of a river, where the tide meets the current of fresh water." Da „estuary" und „estuaire" von der ILC in der Vorbereitung des KMÜ synonym verwendet wurden (vgl. ILC Report to the GA in YBILC 1956 II, S. 271 Art. 13 und Troisième rapport de J.P.A. François, rapporteur spécial in YBILC 1954 II, S. 1, 5 Art. 15) ist auch die bedeutungsgleiche Verwendung von Ästuar, estuary und estuaire, sowie die Heranziehung von Definitionen in deutscher Sprache in dieser Arbeit gerechtfertigt. 4 «5 YBILC 1956 II, S. 271. 4 «6 UNCLOS I Official Records III, S. 194, nach para 59. 4
87 UNCLOS I Official Records II, S. 64, para 25.
488
So im Ergebnis LaBorde, Lilian del Castillo , Legal Regime of the Rio de la Plata, Natural Resources Journal 1996 (Bd. 36), S. 251, 266. 489 Historic Bays, Memorandum prepared by the Secretariat of the United Nations, A/Conf . 13/1, UNCLOS I Official Records I, S. 8 para 43; Whiteman, Marjorie M. (Hrsg.), Digest of International Law 1965 (Bd. 4), Chapter IX, Territorial Sea and Contiguous Zone, S. 1-480, 240, 342-343. 490 Joint declaration of Argentina and Uruguay v. 30. 1. 1961 (abgedr. in Limits 44 Straight Baselines: Argentina, S. 19) „Considering the statement contained in Art. 13 of the Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone [ . . . ] it is stated: 1. The external limit of the River Plate, dividing the waters of this river and those of the Atlantic Ocean, is the imaginary straight line that joins Punta del Este in Uruguay and Punta Rosa in Cape San Antonio, Argentina."; diese Aussage wurde bestätigt im Protokoll über den Rio de la Plata v. 14. 1. 1964 (abgedr. in Gros Espiell, Hector, Le Régime juridique du Rio de la Plata, Annuaire français 1964 (Bd. 10), S. 725-737, 736 Annex III) und in der Präambel und Art. 1 des Vertrags zwischen Uruguay und Argentinien betreffend den Rio de la Plata
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Protestnote scharf kritisiert, mit der Begründung, aus dem französischen Text „sans former d'estuaire'4, dessen Bedeutung auch im englischen „directly" und im spanischen „directamente" implizit sei, ergebe sich klar ein Anwendungsverbot von Art. 13 KMÜ auf die Mündung des Rio de la Plata, die nichts anderes sei als ein Ästuar. 491 Darauf erwiderte die Regierung von Uruguay, Art. 13 II E-KMÜ sei auf der Konferenz 1958 bewusst in Frage gestellt worden, da der Ausdruck „estuaire" einigen Delegationen zu unpräzise gewesen sei. 492 Art. 13 II E-KMÜ habe dann auch nicht die erforderliche Mehrheit erhalten, woraus sich schließen lasse, dass sich die Konferenz sowohl explizit als auch implizit gegen jede Erwähnung des Wortes „Ästuar" entschieden hätte. Das Verbleiben des Wortes im französischen Text könne daher nichts anderes als ein schwerer Fehler des Sekretariats sein. 493 Dieser Notenwechsel fasst die wesentlichen Argumente in der Auseinandersetzung um Art. 13 KMÜ zusammen.494 Eine wesentliche Grundlage für die von Argentinien und Uruguay vertretene weite Auslegung von Art. 13 KMÜ auf nahezu alle Flüsse ist die Qualifizierung der Formulierung „sans former d'estuaire" in der französischen Übersetzung als Fehler. Beachtenswert ist jedoch, dass es im französischen Text keine weitere Entsprechung für das englische „directly" gibt, ohne „sans former d'estuaire" wäre der französische Text gänzlich ohne Einschränkung. Ein starkes Indiz gegen die Vermutung, es handele sich um einen bloßen Fehler, ist schließlich auch im französischen Text des SRÜ zu finden. Wie fast alle Bestimmungen über die Abgrenzung des Küstenmeeres findet sich auch Art. 13 KMÜ im SRÜ wieder, und zwar als Art. 9. Einziger Unterschied im englischen Text ist die Verwendung von „lowwater line" statt „low-tide line". Ebenso wurde auch der französische Text wörtlich übernommen, bis auf die Verwendung von „la laisse de basse mer" in Art. 9 SRÜ statt „marée basse" in Art. 13 KMÜ. Die Diskussion über Art. 13 KMÜ war bekannt, wäre der französische Text als Fehler angesehen worden, hätte man ihn hier ohne weiteres berichtigen können, zumal auch die o.g. technische Änderung vorgenommen wurde. 495
und die entsprechende Seegrenze, Montevideo 19. 11. 1973 (1295 UNTS 293, No. 21424); vgl. Limits 64. 491 Französische Note v. 17. 10. 1962 abgedr. in Gros Espiell, Annuaire Francais 1964 (Fn. 490), S. 725,731-732. 49 2 So von den Niederlanden, Official Records IV, S. 108 und den USA A./Conf.l3/C.l / L.125 para (d), Official Records III, 245, „,Estuary' is a term without precise legal or geographic meaning. It is derived from the Latin word for tide or aestus but tidal effects are often present far upstream from the place commonly deemed to be the mouth of the river". 493 Note Uruguays in Antwort auf die französische Note v. 17. 10. 1962, abgedr. in Gros Espiell, Annuaire Francais 1964 (Fn. 490), S. 725, 732. 494 Für eine Kurzzusammenfassung weiterer Argumente insbesondere mit Blick auf den Rio de la Plata, Aréchga, Eduardo Jiminez de, Argentina-Uruguay, Report No. 3 - 2 , in: Charney (Hrsg.), 1MB I, S. 757-776, 758. 49 5 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 110, para 9.4.
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Zwar ist es nicht zwingend, vom Inhalt des einen Abkommens auf den Inhalt des anderen zu schließen. Trotzdem ergibt sich aufgrund der engen Verwandtschaft der beiden Abkommen gerade in Teil I Abschnitt 2 KMÜ und Teil II SRÜ eine nicht zu unterschätzende Interpretationshilfe aus dem Textvergleich der einschlägigen Vorschriften. Die Auffassung Uruguays, wie sie sich aus der Note von 1962 ergibt, ist nach UNCLOS III jedenfalls nicht vertretbar. Gleichwohl gab es nach den nach den ursprünglichen Protesten kaum noch Kritik der Staatengemeinschaft an der Abschlusslinie. 496 Eine andere Auslegung von Art. 13 KMÜ ist jedoch überzeugender. Das KMÜ wollte eine möglichst umfassende Normierung der Basislinie erreichen. Wurde keine Regelung gefunden, fand dies seinen Ausdruck in einer Öffnungsklausel. Dies war etwa der Fall bei den historischen Buchten. So wurde eine ungewollte Ausdehnung der allgemeinen Regeln auf diese besonders gelagerten Fälle vermieden. Eine derartige Öffnungsklausel gibt es im Bereich der Trichtermündungen nicht, im Gegenteil deutet der französische Text auf eine Einbeziehung dieser Sonderform der Flussmündungen hin. Allenfalls genügt der Verweis auf die Geschichte des Wortes „Ästuar" in den Konventionen, um dem Eindruck der ausdrücklichen Einbeziehung dieser Mündungsform zu entkräften. Für einen Ausschluss von Ästuaren aus dem Regelungsbereich auch der allgemeinen Normen des KMÜ kann die Entstehungsgeschichte aber keinen Hinweis bieten. 497 Weiterhin geht das KMÜ für die Bestimmung der Basislinie allein vom zweidimensionalen Kartenbild bei Niedrigwasser aus; 498 diese Herangehensweise hat ihren Ursprung in der Haager Kodifikationskonferenz, namentlich in den dort vorgebrachten Vorschlägen der amerikanischen Regierung. Idealerweise sollten Regeln so geschaffen werden, dass die Bestimmung der Küstenmeergrenze „automatisch" aus dem Küstenverlauf folgt. Dort, wo auch andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen, sind diese ausdrücklich genannt, wie etwa in Art. 4 IV KMÜ. Hieraus ergibt sich, das dem KMÜ in Teil 1 Abschnitt 2 Überlegungen zu Salinität, Strömungsverhalten oder „volume of water fed" 4 9 9 grundsätzlich fremd sind. Aus diesen Überlegungen ist folgende enge, auf die Begrifflichkeit der Konvention beschränkte Auslegung von „directly" abzuleiten. Entweder fließt der 496 Großbritannien hatte ursprünglich auch gegen die Grenzziehung protestiert, erkannte aber im Zuge des Falkland /Malvina-Krieges die Position Uruguays in Bezug auf den Rio de la Plata explizit an (LaBorde, Natural Resources Journal 1996 [Fn. 488], S. 251, 268). Andere Staaten (USA, die Niederlande) ließen es bei dem ursprünglichen Protest bewenden, hierin erkennt LaBorde ein stillschweigendes Anerkenntnis. Jedoch finden sich etwa im United States Department of Defense, Maritime Claims Reference Manual, Washington 2001, noch erhebliche Bedenken gegen die Ziehung der Abschlusslinie. 497
Α. A. für die Anwendbarkeit von Gewohnheitsrecht unter Berücksichtigung von geographischen, geophysiologischen, historischen, politischen, ökonomischen und soziologischen Faktoren O'Connell I (Fn. 27), S. 225. 49 « Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 3. 499 So aber Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 224; a. A. Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 92-94.
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Fluss direkt in das Meer, und zwar das Küstenmeer i. S. d. Konvention, oder er fließt in eine Bucht i. S. d. Konvention. In Anwendung dieser Definition wird zunächst geprüft, ob eine Flussmündung die Voraussetzungen des Art. 7 KMÜ erfüllt, dann wäre das Regime des Art. 7 KMÜ anwendbar. 500 Erfüllt die Mündung nicht diese Anforderungen, fließt der Fluss direkt ins (Küsten-)Meer, und die Linie wird nach Art. 13 KMÜ gezogen. Hier liegt der Unterschied zu anderen Auffassungen, die Art. 7 KMÜ bei Trichtermündungen generell für anwendbar halten, und bei Nichterfüllung die Möglichkeit eines Rückgriffs auf Art. 13 KMÜ nicht in Betracht ziehen. 501 Anhand dieser Definition ergeben sich keinerlei Regelungslücken. Auch enthält sie keinen Gegensatz von englischer und französischer Fassung, sondern bringt beide in Einklang. Umgekehrt zur französischen Argumentation in der Note v. 17. 10. 1962 werden der englische und spanische Text zur Konkretisierung des französischen herangezogen. Diese Interpretation ist daher auch nach Art. 33 IV WVRK vorzugswürdig. Zudem wird vermieden, über die Definition von „Ästuar" systemfremde Kriterien wie Salinität und Strömungsverhalten einzuführen. Wesentlicher Vorteil einer solchen Auslegung ist die Begrenzung der Abschlusslinie für buchtförmige Flussmündungen. Ästuare werden in der Regel die Anforderungen von Art. 7 KMÜ erfüllen, so dass sie zwar als juristische Bucht zu qualifizieren sind, bei einer übergroßen Mündung die Abschlusslinie aber auf 24 sm begrenzt bleibt. So ist am Rio de la Plata die Ziehung einer Abschlusslinie innerhalb der Mündung von 24 sm zulässig, nicht jedoch die Ziehung einer Linie nach Art. 13 KMÜ über die ganze Breite von ca. 120 sm. 5 0 2 Sollte der Fluss hingegen ohne die Bildung eine Mündungstrichters ins Meer fließen (wie ζ. B. der Tiber), ist die Abschlusslinie nicht auf 24 sm begrenzt. 503 Für diese Lösung spricht weiterhin die Systematik des KMÜ. Es ist nicht einzusehen, warum eine 3 sm breite Einbuchtung nach strengen geometrischen Regeln auf ihre Eigenschaft als Bucht hin untersucht wird, während Ästuare ohne weiteres mit einer über 100 sm breiten Abschlusslinie versehen werden können.
500 In diese Richtung weist bereits das Urteil des Court of Appeal in Post Office v. Estuary [!] Radio Ltd., 2 QB 740 (1968), S. 756 ff., das der Themse-Mündung klar Buchtcharakter zuerkennt, und zwar mit der Ziehung einer Buchtabschlusslinie innerhalb des Mündungsgebietes; so wohl auch Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 603. soi Shalowitz I (Fn. 32), S. 217; Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 27, para 11.4. 502 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 27 para 11.3, gibt die Länge mit etwa 120 sm an; ebenso Limits 44, S. 3. 503 Shalowitz I (Fn. 32), S. 217.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
V. Gerade Basislinien Die geraden Basislinien sind eine relativ neue Erscheinung des Seerechts. Zwar führte Norwegen schon 1869 ein solches System ein, 5 0 4 und auch Frankreich zog 1888 an seiner Mittelmeerküste gerade Basislinien, 505 jedoch fanden diese Vorbilder unter den Staaten keine weite Verbreitung. 506 So wurde die Frage der geraden Basislinie auf der Haager Kodifikationskonferenz 1930 auch wenig beachtet. Alle für die Abgrenzung des Küstenmeeres wesentlichen Rechtsgedanken finden sich im Abschlussbericht des 2. Unterkomitees wieder, mit Ausnahme der geraden Basislinien; dies, obwohl es die norwegische Regierung nicht versäumte, im Vorfeld der Konferenz auf die Besonderheiten ihrer Küste und der von ihr angewandten Abgrenzungsmethoden hinzuweisen.507 Aufgrund der nicht zu überschätzenden Bedeutung des IGH-Urteils im Fisheries Fall für die Entwicklung und Kodifikation der geraden Basislinien ist eine kurze Einführung in den Fall und das Urteil des IGH für das Verständnis von Art. 4 KMÜ notwendig. 508 Die Ausdehnung des norwegischen Küstenmeeres 509 war seit 1906 zwischen Norwegen und Großbritannien umstritten. Zu dieser Zeit begannen britische Trawler auf der Suche nach ergiebigen Fischgründen mit dem Fang vor der norwegischen Küste. Die norwegische Regierung reagierte mit der genaueren Abgrenzung der Fischereigebiete. Verhandlungen zwischen den Regierungen über die zunehmenden Spannungen nach der Aufbringung eines Trawlers im Jahre 1911 wurden durch den 1. Weltkrieg unterbrochen. Zwischen den Weltkriegen zogen sich die Verhandlungen weiter hin, bis die britische Regierung 1933 in einem Memorandum die geraden Basislinien als völkerrechtswidrig bezeichnete. Trotzdem führte Norwegen am 12. 7. 1935 ein System der geraden Basislinien für seine gesamte Nordküste ein, das 504 Königliches Dekret v. 16. 10. 1869, IGH, Fisheries , Pleadings I, S. 259, para 59 und II, S. 56. 505 ο 'Coniteli I (Fn. 27), S. 199 Fn. 125. 506 Andere Staaten, die vor 1951 gerade Basislinien zur Abgrenzung nutzten, waren: Ecuador, Ägypten, Iran, Saudi Arabien und Jugoslawien (Churchill/Lowe [Fn. 144], S. 34 Fn. 8, Ready Benjamin H., Attorney Adviser, Office of the Legal Adviser, Normal and Straight Baselines, U S / C L S / L E G / 4 - 5 , August 1957, S. 31-33, in: Whiteman [Fn. 489] 1965 [Bd. 4], S. 1489). 507 L O N DOC C . 7 4 . M . 3 9 . 1 9 2 9 . V . (Fn. 1 0 4 ) , S. 3 7 ; Rapport (Fn. 1 0 3 ) , Annex I I . Réponses des Governements aux questionnaires, S. 173. 508 Für weitere Darstellungen vgl. auch Waldock, H., The Anglo-Norwegian Fisheries Case, British YBIL 1951 (Bd. 28), S. 114- 171; Evensen, J. The Anglo-Norwegian Fisheries Case and its Legal Consequences, AJIL 1952 (Bd. 46), S. 609-630; Münch, F., Urteil des Internationalen Gerichtshofes vom 18. Dezember 1951 im englisch-norwegischen Fischereistreit, AVR 1955/56 (Bd. 5), S. 214-219; Gündling, Lothar, Fisheries Case (U.K. v. Norway), in: Bernhardt, EPIL II, S. 381-383 m. w. N. 509 Formal war allerdings von einer Fischereizone die Rede, materiell war jedoch das Küstenmeer Inhalt des Streits (ICJ Rep. 1951, S. 116, 125).
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
113
aufgrund laufender Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich gegenüber dessen Schiffen jedoch eher nachsichtig durchgesetzt wurde. Als es 1948 noch nicht zu einer Einigung gekommen war, begann Norwegen mit der strikten Durchsetzung des Dekrets von 1935. 510 Dies führte 1949 zur Klageerhebung von Großbritannien gegen Norwegen vor dem IGH, gestützt auf Art. 36 II des Statuts des IGH. 5 1 1 Gegenstand der Entscheidung des IGH war die zunächst die Frage, welches die völkerrechtlichen Grundlagen für die Grenzziehung an Norwegens Nordküste sind, 512 sowie die Rechtmäßigkeit der konkret von Norwegen festgelegten Basislinien. 513 Die Argumentation des IGH fußt im Kern auf den Besonderheiten der norwegischen Küste, dem der Küste vorgelagerten Felsgürtel, dem skjœrgaard, und den zahlreichen großen und tief einschneidenden Fjorden. 514 Insbesondere der skjœrgaard sei dabei in Wahrheit die Fortsetzung des Festlandes („extension of the Norwegian mainland") 5 1 5 Auf dieser Grundlage geht der Gerichtshof auf die Abgrenzungsmethoden ein, die sich für diese Küste anbieten und verwirft richtigerweise die tracé parallèle Methode: „Where a coast is deeply indented and cut into, as is that of Eastern Finnmark, or where it is bordered by an archipelago such as the ,skjaergaard' along the western sector of the coast here in question, the baseline becomes independent of the low water mark, and can only be determined by means of a geometrical construction." 516
Ebenso verworfen wird die Zirkelmethode, 517 freilich nur als völkerrechtlich nicht verpflichtend. Hingegen sieht der Gerichtshof bei der Anwendung der geraden Basislinien keine Hinderungsgründe. Es handele sich um ein System, das auch andere Staaten herangezogen hätten, „where it was solely a question of giving a simpler form to the belt of territorial waters". 518 Der Gerichtshof erkennt in dem System der geraden Basislinien also ein Mittel zur Vereinfachung eines komplizierten Küstenverlaufs. Keinesfalls seien die Basislinien auf eine Länge von 10 sm beschränkt, diese Länge hätte nicht einmal im Bereich der Buchten gewohnheitsrechtliche Anerkennung erfahren. 519 Auch sei das System der geraden Basislinien keine außergewöhnliche Methode der Abgrenzung: „Consequently, the Court is unable to share the view of the United Kingdom Government, that ,Norway, in the matter of base-lines now claims recognition of an exceptional sys-
510 ICJRep. 1951, S. 116, 125. su ICJRep. 1951, S. 116, 118. 512 ICJRep. 1951, S. 116, 126 und 127-132. 513 514 515 516 517 518 519
ICJRep. ICJRep. ICJRep. ICJRep. ICJRep. ICJRep. ICJRep.
8 Trümpier
1951, S. 1951, S. 1951, S. 1951, S. 1951, S. 1951, S. 1951, S.
116, 126 und 132-143. 116, 127. 116, 127. 116, 128-129. 116, 129. 116, 130. 116, 131.
1 1 4 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Nachdem der Gerichtshof die generelle Zulässigkeit des norwegischen Ansatzes festgestellt hat, geht er näher auf die Anwendung ein und stellt dabei auch einschränkende Kriterien auf. So müssten die durch die geraden Basislinien eingeschlossenen Gewässer genügend eng mit dem Festland verbunden sein, um dem Regime der inneren Gewässer zu unterfallen. 521 Die geraden Basislinien seien von Basispunkten auf Inseln zu ziehen, die vom Festland am weitesten entfernt liegen, und die Basislinien hätten der allgemeinen Richtung der Küste zu folgen. 522 Als ebenso wichtig wie die vom Gerichtshof festgestellten Beschränkungen hat sich die vom Gerichtshof verworfene Beschränkung der Länge der Basislinie erwiesen: „the lack of any maximum length for such lines". 523 Insgesamt hielt der Gerichtshof das von Norwegen angewandte System für völkerrechtskonform. 524 Das Urteil des IGH hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Kodifikation im Rahmen der Genfer Konferenz von 1958. Die Vorarbeiten begannen im Jahr 1952 mit dem ersten Bericht des special rapporteur François ,525 In diesem ersten Bericht werden die geraden Basislinien noch nicht in einem eigenen Artikel abgehandelt, sondern zusammen mit der „normalen Basislinie", also ganz im Sinne des IGH-Urteils nicht als Ausnahme, sondern als ein Fall unter mehreren. 526 Die unscharfen und weitestgehend die Diktion des Gerichtshofes reflektierenden Vorschläge dieses Berichtes erfahren eine drastische Einschränkung durch die Vorschläge der Expertenkommission 195 3 . 5 2 7 Die Expertenkommission suchte die nach dem Urteil des IGH nicht mehr aus der Welt zu schaffende Rechtsfigur der geraden Basislinien durch strenge Entfernungsbeschränkungen zu begrenzen und fassbar zu machen. So sollte die einzelne Basislinie nicht länger als 10 sm sein und Basispunkte sollten entweder auf dem Festland oder auf Inseln liegen, die nicht weiter als 5 sm von der Küste entfernt sind. 528 Der Anforderung, die Basislinien hätten dem Küstenverlauf zu folgen, versuchte das Komitee in Ermangelung einer präzisen Festlegung, wie die „general direction" der Küste zu ermitteln sei, ebenfalls durch die Begrenzung der Basislinie auf 10 sm gerecht zu werden; allenfalls 520 ICJRep. 1951, S. 116, 131. 521 ICJ Rep. 1951, S. 116, 133 „sufficiently closely linked". 522 ICJ Rep. 1951, S. 116, 135 „the baselines must follow the general direction of the coast". 523 ICJ Rep. 1951, S. 116, 135, bei der Aussage handelt es sich um eine Beschreibung des norwegischen Systems, das der Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht sieht. 524 Mit zehn zu zwei Stimmen wurde das System der geraden Basislinien für rechtmäßig erklärt, mit acht zu vier Stimmen auch die einzelnen von Norwegen gezogenen Basislinien (ICJRep 1951, S. 116, 143). 525 YBILC 1952 II, S. 25-43. 526 YBILC 1952 II, S. 32-34. 527 Mit Boggs saß ja einer der Erfinder und vehementesten Verfechter der Kreisbogenmethode in diesem Gremium. Da von der Sitzung der Experten keine Protokolle vorhanden sind, kann nur vermutet werden, dass ihm die geraden Basislinien als zu subjektiv und manipulierbar erschienen und er deshalb auf deren weitestmögliche Einschränkung hinwirkte. 528 Rapport du Comité d'experts, YBILC 1953 II, S. 78, III.l. und 2.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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in Ausnahmefällen könne diese Länge überschritten werden, dann allerdings dürfe kein Punkt der Basislinie mehr als 5 sm von der Küste entfernt sein. 529 Diese Vorschläge übernahm François im wesentlichen in das Addendum zu seinem zweiten Bericht 530 und in Gänze als neuen Artikel 6 in seinen dritten Bericht. 531 Sie wurden so zur Diskussionsgrundlage für die Kommission. Neben der zahlenmäßigen Begrenzung wurde in dem Entwurf die Einleitung „[exceptionnellement" für Art. 6 hinzugefügt, sie findet sich auch im Bericht der Kommission an die Vollversammlung. 532 Die geraden Basislinien werden so entgegen der Auffassung des I G H 5 3 3 klar in ein Regel-Ausnahme Verhältnis zur normalen Basislinie gebracht. Die Ausnahme der geraden Basislinien sollte nach diesem Entwurf, basierend auf den Vorschlägen der Expertenkommission, nur dann zum Tragen kommen, wenn sie durch besondere Umstände, nämlich „profondes échancrures ou indentations de la côte ou en raison des îles situées à proximité immédiate de la côte", notwendig gemacht würde. 534 Diese Formulierung geht direkt auf das Urteil des IGH zurück. Die auf dem Bericht des Expertenkomitees basierenden Vorschläge von François stießen in der Kommission auf teils harsche Kritik. Die ILC sah sich in zwei Lager gespalten, die an der potentiellen Ausweitung der küstenstaatlichen Jurisdiktion interessierten „Expansionisten" und die auf die weitestmögliche Restriktion eben dieser Ansprüche zielenden „Kontraktionisten". 535 Auf die einzelnen Entwicklungen soll hier im Detail nur innerhalb der Diskussion der einzelnen Bestimmungen des Art. 4 KMÜ eingegangen werden, soweit sie für die Auslegung von Bedeutung sind. Anders als in der Frage der Buchten lässt sich die Darstellung nicht auf wenige entscheidende Wendepunkte fokussieren. 536 Garcia Amador, einer der prominentesten „Expansionisten", konnte sich schließlich mit seinen Vorstellungen weitestgehend durchsetzen. Sein Art. 6 Abs. 1 E-KMÜ sah keine numerischen Begrenzungen mehr vor, es wurde nicht mehr auf den Ausnahmecharakter der geraden Basislinien Bezug genommen, und ökonomische Interessen traten gleichwertig neben die geographischen Kriterien „deeply indented and cut into" und „islands in the immediate vicinity". 5 3 7 Er wurde in Teilen zur Grundlage des endgültigen ILC Entwurfes von 1956, allerdings wurde die gleichwertige Nennung 529 Rapport du Comité d'experts, YBILC 1953 II, S. 78-79, IV. 530 Es fehlt allerdings die Regelung einer Entfernungsbegrenzung auf 5 sm für den Fall, dass die Basislinie 10 sm überschreitet (Amendments et Additions au Deuxième Rapport, YBILC 1953 II, S. 76 Article 5a). 531 YBILC 1954 II, S. 3 Art. 6. 532 YBILC 1954 II, S. 154: „As an exception". 533 Der IGH sah die geraden Basislinien eben nicht als Ausnahme zur Niedrigwasserlinie, sondern als Alternative in besonderen Fällen, Fisheries, ICJ Rep. 1951, S. 116, 131 (Text zu Fn. 520). 534 Amendments, YBILC 1953 II, S. 76 Art. 5a. 535 Terminologie von Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 44. 536 Ausführlich zum Gang der Beratungen Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 40-49. 537 YBILC 1955 I, S. 201 para 2. 8=
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
von wirtschaftlichen Interessen neben der geographischen Lage der Küste revidiert, 538 ferner das Recht der friedlichen Durchfahrt auf die durch die geraden Basislinien eingeschlossenen Gewässer erweitert. 539 Auf der Genfer Konferenz 1958 waren die geraden Basislinien Gegenstand heftiger Debatten. Hier war, ähnlich der Entwicklung in der Frage der Buchten, ein Hauptstreitpunkt die Einführung einer Längenbegrenzung. 540 Im ersten Komitee konnten sich die Befürworter einer absoluten Längenbegrenzung durchsetzen, allerdings waren von der maximalen Länge von 15 sm Ausnahmen zugelassen.541 Jedoch wurde jeglicher Hinweis auf eine maximale Länge auf Vorschlag Kanadas im Plenum aus Art. 5 E-KMÜ gestrichen. 542
1. Art. 4 K M Ü im Einzelnen
Trotz der überwiegenden Akzeptanz des SRÜ, das im Bereich der geraden Basislinien zum Regime des KMÜ einige Unterschiede aufweist, wird vorliegend auch insoweit an der Darstellung nach dem KMÜ festgehalten. Dies liegt in der historischen Bedeutung des KMÜ begründet. Hier gleich die Darstellung nach dem SRÜ zu wählen, hieße, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Darüber hinaus ist das KMÜ gerade im Bereich der Basislinien nicht obsolet, war es doch die einzige Kodifikation, die zur Zeit der Festlegung eines Großteils der weltweiten geraden Basislinien in Kraft war. 543 538 Auf Vorschlag Sandströms, YBILC 1956 I, S. 186 para 31, 187 para 50. 539 Auf Vorschlag von Fitzmaurice, YBILC 1956 I, S. 186 para 40, 190 para 34. Der Gedanke der Erweiterung der Durchfahrtsrechte geht auf Lauterpacht zurück, der bereits 1954 die Frage des Regimes der durch die geraden Basislinien eingeschlossenen Gewässer aufgriff (YBILC 1954 I, S. 68 para 2) und einen entsprechenden Entwurf einbrachte (YBILC 1954 I, S. 74 para 27). 540 Für eine Längenbegrenzung u. a. für die Bundesrepublik Deutschland Pfeiffer (UNCLOS I Offical Records III, S. 45 para 28, für das Vereinigte Königreich ManninghamBuller {ebd., S. 9 para 30 und Vorschlag A/Conf.l3/C.l/L.62/Corr.l), Ago für Italien (ebd., S. 148, para 26 und A/Conf.l3/C.l/L.157), Petren für Schweden (ebd., S. 156 para 6), ebenso Japan, Griechenland, Spanien, die Philippinen und die USA (vgl. Vorschläge A/Conf.l3/C.l/L.95, L.63, L.91, L.86), gegen eine Längenbegrenzung: Nikolaev für die UdSSR (ebd., S. 156 para 16). 541 Der im 1. Komitee angenommene Text (A/Conf.l3/C.l/L.168/Add.l, annex, UNCLOS I Official Records III, S. 258 ff.): Art. 5 I 2: „Except where justified on historical grounds or imposed by the peculiar geography of the coast concerned, the length of the straight baseline provided for in paragraph 1 shall not exceed fifteen miles [ . . . ] . " basiert auf einem Vorschlag Großbritanniens (A/Conf.l3/C.l/L.62/Corr.l), die Begrenzung auf 15 sm geht auf einen Vorschlag Schwedens zurück (UNCLOS I Official Records III, S. 157, para 6 und 11). 542 UNCLOS I Official Records II, S. 62. 543 Die überwiegende Mehrzahl der Basisliniensysteme stammt aus den 1970er und 1980er Jahren.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
117
a) Art. 4 Absatz 1 KMÜ „In localities where the coastline is deeply indented and cut into, or if there is a fringe of islands along the coast in its immediate vicinity, the method of straight baselines joining appropriate points may be employed in drawing the baseline from which the breadth of the territorial sea is measured/'
Artikel 4 KMÜ ist Art. 7 KMÜ nicht unähnlich. Er beginnt mit einer Beschreibung der Umstände, unter denen gerade Basislinien gezogen werden dürfen, und entspricht so Art. 7 II KMÜ. In den Absätzen I I - V folgt eine detailliertere Auflistung der weiteren, im weitesten Sinne „technischen" Voraussetzungen für das Ziehen der geraden Basislinien, entsprechend den Art. 7 I I I - I V KMÜ. Aus der Parallelität des Aufbaus und der Formulierung der einzelnen Absätze lässt sich eine wichtige Schlussfolgerung für die Anwendung von Art. 4 KMÜ ziehen: Zunächst muss überhaupt eine Situation, wie sie Art. 4 I KMÜ beschreibt, an der Küste zu finden sein, und dann erst ist auf die Voraussetzungen der Art. 4 I I - V KMÜ näher einzugehen. Aus diesem Aufbau folgt auch, dass die Anwendung von geraden Basislinien immer noch ein Sonderfall ist, auch wenn dies der Wortlaut selbst nicht mehr hervorhebt. Nur dort, wo die Voraussetzungen des Art. 4 I KMÜ gegeben sind, sind gerade Basislinien möglich, sonst muss die „normale Basislinie" verwendet werden. Da aber nach der Konvention auch dort wo die Voraussetzungen des Art. 4 I KMÜ gegeben sind, die Verwendung der normalen Basislinie möglich ist, anders als noch vom IGH postuliert, 544 besteht zwischen geraden Basislinien und der normalen Basislinie keine echte Alternativität, sondern ein Regel-Ausnahme Verhältnis. Die Absätze I I - V haben einschränkenden Charakter, sie sind zusätzlich zu erfüllende Kriterien, nicht etwa Erleichterungen (zu Abs. 4 vgl. d), S. 138). Art. 4 KMÜ unterscheidet sich jedoch in einem kritischen Punkt von Art. 7 KMÜ: Er stellt kein klares und nachprüfbares mathematisches Kriterium zu Verfügung, um seine Voraussetzungen deeply indented and cut into zu unterlegen und interpretatorische Streitigkeiten so zu entschärfen. Die Auslegung von deeply indented and cut into sowie von fringe of islands ist daher von entscheidender Bedeutung für die Reichweite von Art. 4 KMÜ. „In localities where the coastline is deeply indented and cut into" ist hierbei die erste Situation, die die Anwendung der geraden Basislinien rechtfertigt. Der Vergleich mit dem französischen Text ,,[d]ans les régions" könnte darauf hindeuten, dass die amtliche deutsche Übersetzung für das wortgleiche SRÜ mit dem einfachen „wo" etwas ungenau ist und dem Wort „localities" oder „régions" noch eine gesonderte, einschränkende Bedeutung zukommt. In der Formulierung „localities" könnte der Gedanke einer zusätzlichen, örtlichen Beschränkung der Anwendbarkeit von Art. 4 KMÜ liegen: In den Bereichen (und nur in den Bereichen), in 544 Fisheries, ICJ Rep. 1951, S. 116, 129 (siehe Text zu Fn. 516). Vgl. Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 609.
1 1 8 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
denen die Küste tiefe Einbuchtungen und Einschnitte aufweist, ist die Anwendung von Art. 4 KMÜ gestattet, so dass tiefe Einbuchtungen in Teilbereichen nicht ausreichen, die ganze Küste mit einem System der geraden Basislinien zu versehen.545 Gerade in der Zusammenschau mit Art. 3 KMÜ vermag diese Vorstellung einer relativ engen Eingrenzung der Anwendbarkeit von Art. 4 KMÜ zu überzeugen. 546 „Coastline" meint hier den Verlauf der Niedrigwasserlinie, und zwar auf dem Festland; die Festlegung einer Küstenlinie anhand von Inseln ist nicht gestattet,547 wie sich aus „fringe of islands" ergibt. Fringe of islands ist offenbar alternativ zu deeply indented zu sehen. Liest man Art. 3 und Art. 4 KMÜ im Zusammenhang, drängt sich der Eindruck auf, dass „coastline" und „low-water line along the coast" synonym verwendet werden. 548 Dies würde auch dem Zweck von Art. 4 KMÜ, wie er sich aus seiner Entstehungsgeschichte und insbesondere den Urteilsgründen des IGH ergibt, 549 nämlich der Vereinfachung eines komplizierten Küstenverlaufes, entsprechen. Wo die sich aus der Niedrig Wasserlinie ergebende Küstenmeergrenze einen zu komplizierten Verlauf zeigt, kann die Basislinie durch die Ziehung gerader Basislinien vereinfacht werden. 550
aa) „deeply indented and cut into" Es bleibt die Frage, wie deeply indented and cut into auszulegen ist. Hier kann genau besehen nur festgestellt werden, dass Norwegens Küste in der östlichen Finnmark dieser Beschreibung (im juristischen Sinn) entspricht. 551 Es hat nicht an Versuchen gefehlt, dieses Erfordernis (ebenso wie fringe of islands) zu konkretisieren. 552 Zu den detailliertesten gehört dabei der US-amerikanische Versuch von 545
Ebenso, gestützt auf den lateinischen Wortursprung: Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 78/79. 546 Im Ergebnis ebenso Roach/ Smith (Fn. 136), US Responses 1996, S. 62 Fn. 15. 547 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 78. 548 So auch Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 63, die allerdings nicht ganz richtig (vgl. Α., S. 24) allein die mittlere Niedrigwasserlinie als „coastline" heranziehen wollen; hier ist jedoch dasselbe Datum wie in Art. 3 KMÜ zu wählen. 549 „ [ . . . ] , several States have deemed it necessary to follow the straight base-lines method and that they have not encountered objections of principle by other States. This method consists of selecting appropriate points on the low-water mark and drawing straight lines between them. This has been done, not only in the case of well-defined bays, but also in cases of minor curvatures of the coast line where it was solely a question of giving a simpler form to the belt of the territorial waters [Hervorhebung v. Verf.] ICJ Rep. 1951, S. 130-131 (vgl. auch Text zu Fn. 518). 550 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 17-20 para 39-40. 551 ICJ Rep. 1951, S. 128-129. 552 Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 23-44; Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 12-16; Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 71-104; Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 60-69; DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 16-23; Limits 106, 5-32.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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Bernhardt im Rahmen der vom State Department herausgegebenen Reihe Limits in the Sea. Der Kriterienkatalog sei hier kurz vorgestellt: „(1) Within a particular locality being considered, baseline segments accounting for at least 70 % of the total length of the relevant baselines should each have at least a 6:10 ratio of coastal penetration to segment length; (2) A coastline must have at least three significant indentations in any given locality; (3) No individual straight baseline segment should exceed 48 nautical miles 553 in length." 554
Scheint die Rechtfertigung dieses Katalogs anhand der Konvention auch gewagt, hat er doch insofern einen Sinn, als zumindest davon ausgegangen werden kann, dass gerade Basislinien, die dessen Voraussetzungen erfüllen, sehr wahrscheinlich völkerrechtskonform sind; schließlich kommt der Katalog von einem der schärfsten Kritiker der geraden Basislinien. 555 Auch ist die Kategorienbildung sehr hilfreich. Ausgehend von diesen Maximalforderungen ist zu untersuchen, welche Einschränkungen sich tatsächlich rechtfertigen lassen. Ausgangspunkt für die Auslegung von Art. 4 KMÜ kann Art. 7 KMÜ sein. Soll Art. 7 KMÜ nicht völlig leer laufen, ist davon auszugehen, dass ein Küstenbereich mit nur einer Einbuchtung jedenfalls nicht mit einer geraden Basislinie geschlossen werden kann. Auch ist es nicht schlüssig, dass etwa drei Einbuchtungen, von denen keine als Bucht qualifiziert werden kann, mit einer geraden Basislinie abgeschlossen werden. Dies zeigt das folgende Gedankenexperiment: Staat A und Staat Β haben den gleichen Küstenverlauf, bis auf einen Küstenbereich: Dort hat A drei Einbuchtungen, Β nur eine Einbuchtung (bei ansonsten identischem Küstenverlauf). Alle Einbuchtungen sind gem. Art. 7 KMÜ bloße Krümmungen der Küste. Β kann daher über die Einbuchtung keine Abschlusslinie ziehen. Zöge A jetzt eine gerade Basislinie, hätte er einen Vorteil davon, dass ihm Küste „fehlt". Anders gesagt: Es kann nicht sein, dass ein Staat dann schlechter stünde, wenn seinem Küstenverlauf Land hinzugedacht wird. Dies widerspricht dem vom IGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsatz „the land dominates the sea' 4 , 556 der auch schon im britisch-norwegischen Fischereistreit anklang: „It is the land which 553 Insoweit, als die „Limits in the Sea" die offizielle Meinung der USA wiedergeben, ist festzustellen, dass die maximal erlaubte Länge von Basislinien gem. Roach/ Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 64-65, nur 24 sm beträgt. Da es sich bei diesem Buch im wesentlichen um eine Zusammenstellung der US Politik handelt, mag dies auf eine geänderte offizielle Haltung hindeuten. 554 Limits 106, S. 5. 555 Die USA haben bislang, trotz der zumindest in Alaska gegebenen Möglichkeit, noch keine geraden Basislinien ausgewiesen und die Ziehung von geraden Basislinien in mindestens 31 Fällen als völkerrechtswidrig kritisiert (Roach/ Smith, US Responses 1996 [Fn. 136], S. 77-81). 556 North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 51, para 96; Aegean Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1978, S. 3, 36 para. 86; IGH, Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 97 para 185.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
confers upon the coastal State a right to the waters of its coast". 557 Es scheint vertretbar, daraus zu schließen, dass Art. 4 KMÜ so auszulegen ist, dass ein (gedachtes) Mehr an Landmasse möglichst nicht zu einem Weniger an Küstenmeer führt. 558 Unter diesem Gesichtspunkt ist etwa die Ziehung der Basislinien an der Küste des Iran zwischen Punkt 17 und 21 als Negativbeispiel zu nennen, 559 auch die Einbeziehung der Hohenwachter Bucht durch die Bundesrepublik lässt sich anzweifeln, erfüllt die Bucht doch weder das Halbkreiserfordernis, noch ist sie wirklich Teil des Basisliniensystems.560
bb) „deeply indented" Fraglich ist des weiteren die Bedeutung von „,deeply indented". Die UN-Studie geht wohl von einem relativen Begriff aus 561 und stößt damit auf heftige Kritik. 5 6 2 Das KMÜ bietet jedoch erneut in Art. 7 KMÜ wenigstens einen Ansatz zur Auslegung von „indented". Nach der Konzeption von Art. 7 KMÜ ist „indentation" der Oberbegriff für alle konkaven Küstenverläufe. Nach dem klaren Wortlaut der Norm ist selbst eine „mere curvature" - nämlich eine solche Krümmung, deren Länge nicht in einem solchen Verhältnis zur Breite steht, dass sie von Land umschlossene Gewässer enthält - noch als „indentation" zu qualifizieren. 563 Eine genau halbkreisförmige Einbuchtung ist jedoch mehr als eine bloße Krümmung der Küste; sie ist eine Bucht, ein von Land umschlossenes Gewässer. 564 Hieraus wird von Bernhardt abgeleitet, die minimale Länge („minimum depth") einer juristischen Bucht müsse zur Buchtöffnung - wie im Halbkreis - im Verhältnis 1:2 stehen.565 Daraus ergäbe sich, dass tiefe Einbuchtungen, wie sie Art. 4 KMÜ 557 ICJRep. 1951, S. 116, 133. 558 Ganz ist dies bei geraden Basislinien nie zu vermeiden, da auf einen genügend langen Abschnitt immer auch eine flache Krümmung gedacht werden kann; es geht hier jedoch um eine möglichst weitgehende Vermeidung. 559 Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 91 Map 10; Dekret v. 21.7. 1973, DOALOS, Baselines Legislation (Fn. 633), S. 194; Limits 114. 560 Vor und nach der Hohenwachter Bucht folgt die Basislinie der Niedrigwasserlinie. Die Abschlusslinie der Hohenwachter Bucht hat nach Auskunft des BSH Einfluss auf den Grenzverlauf in der Ostsee. 561 „The term ,deeply indented' may be used in either an absolute or a relative sense. For example, in absolute terms a narrow indentation measuring four nautical miles in a relatively large land territory may not merit the description deep, but on an island eight miles wide an indentation of that length cuts across half the island." DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 20 para 40. 562 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 81 direkt dazu: „There is neither textual nor legislative nor historical support for this view." 563 Ungenau insoweit Limits 106, S. 7, das trotz richtigen Ansatzes in der Argumentation nur darauf abstellt, eine Bucht müsse eine „well-marked indentation" sein. 564 Vgl. B.I.3.b) (S. 75). 565 Limits 106, S. 7.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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verlangt, ein höheres Verhältnis von Länge zu Breite (vorgeschlagen wird 6:10) aufzuweisen hätten. 566 Freilich ist bereits die Prämisse dieser Ableitung fehlerhaft. Wie oben dargelegt, ergibt sich aus Art. 7 KMÜ eben kein festes Verhältnis von Länge zu Breite, sondern nur ein Verhältnis von Breite zu Fläche. Dies zeigt auch das oben angeführte Beispiel der Monterey Bay, mit einer Öffnung von 19,24 sm und einer Tiefe von 9,2 sm, mithin einem Verhältnis von Länge zu Breite von 1:2,1. Da sich aus Art. 7 KMÜ kein minimales Verhältnis von Breite zu Länge ergibt, lässt sich auch für die Auslegung des Begriffs „tiefe Einbuchtung" nur wenig im Wege einer konkreten Verhältnisangabe aus Art. 7 KMÜ gewinnen. Zudem stellt Art. 7 KMÜ für die Charakterisierung einer Einbuchtung nur auf Längen Verhältnisse ab. 5 6 7 Nichts in Art. 7 KMÜ verbietet die Ziehung einer Abschlusslinie über einer Bucht von nur 100 m Öffnungsbreite und auch eine 100 sm breite Bucht kann zwar nicht vollständig internalisiert werden, bleibt aber dennoch eine Bucht i. S. d. Art. 7 KMÜ. Es ist daher nicht einzusehen, warum „tiefe Einbuchtungen" in Art. 4 KMÜ absolut, womöglich im Wege einer konkreten Längenangabe zu sehen sein soll. 5 6 8 Allerdings ist die Vereinfachung des Küstenverlaufes die Ratio von Art. 4 K M Ü . 5 6 9 Bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm haben Einbuchtungen, die eine Breite von weniger als einer Seemeile haben, fast keinen Einfluss auf die Ziehung der Küstenmeergrenze. Fällt in dieser Weise der Grund für die Ziehung der geraden Basislinien weg, kann deren Anwendung für diesen Küstenbereich grundsätzlich in Zweifel gezogen werden. Zusammenfassend lässt sich nach alledem sagen, dass in einem bestimmten Küstenbereich nach Art. 4 I KMÜ mehrere Einbuchtungen erforderlich sind, von denen zumindest ein Teil die Voraussetzungen von Art. 7 KMÜ erfüllen muss. 570 Dabei lässt sich aus Art. 7 KMÜ weder ein Hinweis auf ein bestimmtes Verhältnis von Breite zu Länge entnehmen, das für eine „tiefe Einbuchtung" erforderlich ist, noch auf eine absolute Länge oder Breite in Frage kommender Einschnitte.
cc) „cut into" Fraglich ist auch, ob dem kumulativ formulierten „cut into" eine materiell einschränkende Bedeutung zukommt. Da dem französischen Text eine entsprechende 566 Limits 106, S. 7 - 8 . 567 So auch Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 82. 568 So aber wohl Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 81. Ebenfalls stellt Limits 106 nicht auf die absolute Tiefe der Einbuchtung ab. 569 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 17 para 35. 570 Im Ergebnis ebenso Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 13 para 9.7; DOALOS, Baselines (Fn. 283), S. 17 para 36; Roach/Smith , US Responses 1996 (Fn. 136), S. 62-63 Fn. 16, die im übrigen die UN-Studie inkorrekt mit der Behauptung, jede Einbuchtung müsse eine juristische Bucht sein, zitieren.
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Kap. 1: Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Wendung fehlt - hier heißt es lediglich tautologisch „profondes échancrures et indentations"571 - scheint keine separate Bedeutung vorzulegen. Andererseits ist vertretbar, aus der Wiederholung an sich auf die Notwendigkeit mehrerer Einbuchtungen in einem Küstenabschnitt zu schließen.572 Die Schwierigkeit der Anwendung von Art. 4 KMÜ liegt weitgehend in seiner Geschichte begründet: „Deeply indented and cut into" ist keine allgemeine Formel, sondern eine zutreffende Beschreibung der norwegischen Küste, 573 die sich durch alle Schritte im Kodifikationsprozess „geschleppt" hat und nun weltweit Anwendung finden soll. Dies gilt auch für weitere, noch zu diskutierende Merkmale von Art. 4 KMÜ, insbesondere das Richtungserfordernis in Absatz 2 und die ökonomischen Interessen in Absatz 4.
dd) Verhältnis von Basislinienlänge zur Breite der Einbuchtungen Hodgson/ Alexander kommen in ihrer ausführlichen Analyse zu dem Ergebnis, dass an Norwegens arktischer Küste zwischen Basispunkt 1 und 12 einer Basislinienlänge von 160 sm (hypothetische) Abschlusslinien der Fjorde von 94 sm gegenüberstehen.574 Sie leiten daraus folgende generelle Regel ab: „the general nature of a coast may be determined by the character of approximately 60 % of the coast [ . . . ] " . 5 7 5 Bernhardt greift dieses Ergebnis auf, verlangt jedoch ein Verhältnis von 70%, da im Gegenzug (mit dem 6:10 Kriterium) eine weniger tiefe Einbuchtung als in den norwegischen Fjorden vorhanden, als ausreichend betrachtet werde. 576 Mit dieser Argumentation scheint jedoch der Boden der Konvention verlassen und der Fall Norwegen in bester case /aw-Tradition als Schema vorausgesetzt. Der Ansatz verkennt die eigenständige Bedeutung der Kodifikation. 577 Allerdings hat er, wie auch die Kriterien in Limits 106, insoweit seine Berechtigung, als bei einer Übereinstimmung einer fraglichen Basislinienziehung mit diesen Kriterien wohl ohne weiteres von der Völkerrechtskonformität ausgegangen werden kann. Es ist jedoch nicht überzeugend, bei NichtVorliegen einer solchen Übereinstimmung automatisch von einem Völkerrechtsverstoß auszugehen.578 571 Ebenfalls wortgleich der IGH (ICJ Rep. 1951, S. 116, 129). 572 i m Ergebnis ebenso Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 82. Wobei sich dies in der französischen Fassung bereits aus der Verwendung des Plurals ergibt. 573 Scovazzi, Tullio, The Establishment of Straight Baseline Systems: The Rules and the Practice, in: Davor Vidas /Willy 0streng (Hrsg.), Order of the Oceans at the Turn of the Century, Den Haag 1999, S. 445-456, 451-52. 574 Hodgson / Alexander { Fn. 162, S. 24. 575 Hodgson/Alexander (Fn. 162), S. 29. 576 Limits 106, S. 9-11. 577 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 13, para 9.6. 578 So geht etwa DOALOS, Baselines (Fn. 383) auch nicht auf ein ähnliches Kriterium ein.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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Quelle: Boggs (Fn. 135) AJIL 1951 (Bd. 45), S. 240-266, 249 Fig. 1. Mit freundlicher Genehmigung ©The American Society of International Law.
Fig 13: Veranschaulichung des Küstenmeergrenzverlaufs an der norwegischen Küste bei verschiedenen Küstenmeerbreiten Bei einer Kiistenmeerbreite von 12 sm (im B i l d „contigious zone") ist die norwegische Küstenmeergrenze nicht mehr unregelmäßig. Die Abbildung dient nur der Veranschaulichung, die Kiistenmeerbreite Norwegens beträgt auch ζ. Z. noch 4 sm. Die kritiklose Verwendung des norwegischen Beispiels als Blaupause begegnet indes auch anderen Bedenken. Wie schon dargelegt, ist die Vereinfachung des Küstenmeerverlaufes einer der wesentlichen Gründe für das System der geraden Basisl i n i e n . 5 7 9 Zwei Umstände haben sich aber nach dem Urteil des I G H verändert: Zunächst wurde schon i m K M Ü die Kreisbogenmethode im Ergebnis festgeschrieb e n , 5 8 0 d. h. die Methode, die der I G H noch ausdrücklich als zu neu und 579 ICJ Rep. 1951, S. 116, 129: „In such circumstances [deeply indented and cut into, skjaergaard, Anm. d Verf\ the line of low-water mark can no longer be put forward as a rule requiring the coast line to be followed in all its sinuosities; nor can one speak of exceptions when contemplating so rugged a coast in detail. Such a coast viewed a whole, calls for the application of a different method [ . . . ] . " 580 Freilich nicht als Methode, sondern als Ergebnis (vgl. Α., S. 36).
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Quelle: Boggs (Fn. 71), A J I L 1930, S. 541, 546 Fig. 3. M i t freundlicher Genehmigung © T h e American Society of International Law.
Fig. 14: Küstenmeergrenzen an einer tief eingebuchteten Küste und an einer „normalen" Küste im Vergleich
nicht verpflichtend verwarf, 581 ist nunmehr kodifiziertes Völkerrecht; zum anderen hat die 12 sm-Grenze durch das SRÜ und die Staatenpraxis weitgehende Anerkennung erfahren. Im britisch-norwegischen Fischereistreit ging es noch um eine Fischereizone von 4 sm. Die äußere Grenze, d. h. die Küstenmeergrenze, ist jedoch auch nach Art. 6 KMÜ / Art. 4 SRÜ bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm durch den immanenten Vereinfachungseffekt selbst bei einer zerklüfteten Küste schon relativ glatt; auch stark eingeschnittene Teile der norwegischen Küste, die noch bei einer Küstenmeerbreite von 4 sm einen unruhigen Verlauf der Außengrenze auf581 ICJRep. 1951, S. 116, 129.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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weisen, zeigen bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm eine Außengrenze, die von der einer relativ geraden Küste nicht mehr zu unterscheiden ist (Fig. 13). 582 Um diesen Gedanken noch einmal zu betonen: Sähe man nur die gem. Art. 6 KMÜ / Art. 4 SRÜ gezogene Küstenmeergrenze, würde nichts in deren Verlauf auf eine außergewöhnliche Küstenstruktur schließen lassen (vgl. Fig. 14). Eine Vereinfachung der Küstenmeergrenze tritt durch das System der geraden Basislinien hier nur noch marginal ein. Damit entfällt eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Spruch des IGH. Für die Analyse von Art. 4 KMÜ kann das Urteil des IGH daher nur in seinen Grundgedanken herangezogen werden, keinesfalls können aber Längen- und Größenverhältnisse der norwegischen Küste ermittelt und als Schablone an andere Küsten angelegt werden. ee) „fringe of islands along the coast in its immediate vicinity" Dies ist eine der wenigen Formulierungen des Artikels, die sich vom Wortlaut der IGH-Entscheidung im englisch-norwegischen Fischereistreit gelöst hat. Sie geht auf den Vorschlag der Expertenkommission der ILC von 1953 zurück 583 und fand schließlich über einen britischen Vorschlag 584 den Weg in den Konventionstext. Dass man sich für die Wendung „fringe" of islands entschied, nicht etwa „string" of islands - wie noch in der englischen Übersetzung des Expertenberichts von 195 3 5 8 5 - lässt darauf schließen, dass die Bedeutung über die bloße Inselkette hinausgehen soll, und also eher im Sinne von „Inselsaum" auszulegen ist, mithin auch Situationen wie den norwegischen skjœrgaard erfasst. 586 Die UN-Studie unterscheidet zwei grundlegende Situationen, zunächst die Inselkette vor dem Festland, aber auch die dem skjœrgaard vergleichbaren Situationen, in denen die Inseln „auf Karten kleinen Maßstabs als Fortsetzung des Festlandes erscheinen". 587 Diese Unterscheidung wird von Bernhardt abgelehnt, beide Situationen seien an einheitlichen Kriterien zu messen. Dabei gibt er, ähnlich wie auch im Fall der eingeschnittenen Küstenlinie, eine Reihe von strengeren, geographischen Voraussetzungen vor: 582 Boggs, S. Whittemore, Delimitation of Seaward areas under National Jurisdiction, AJIL 1951 (Bd. 45), S. 240-266, 249. 583
YBILC 1953, S. 78 III.5, im französischen Original, ebenso wie später in der Konvention „chapelet d'îles". 584 A/Conf.l3/C.l /L.62/Corr.l., UNCLOS I Official Records III, S. 227. 585 A/CN.4/61/Add.l (englische Vervielfältigung) III.5, abgedruckt in Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 59-63, 61. 586 In der Tat legt DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 20 para 41 die Formulierung als Erweiterung des im Urteil verwendeten „or where it is bordered by an archipelago such as the ,skjaergaard' " aus. 5S7 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 20 para 44-45; ähnliche Unterscheidung auch bei Prescott, J. Victor, Straight Baselines, Theory and Practice, in: Brown, E.D./Churchill, R.R., The UN Convention on the Law of the Sea, Impact and Implementation, Hawaii 1987 (1987 [Bd. 19] Law of the Sea Institute Proceedings), S. 288-318, 295-296.
1 2 6 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See „(1) The directional trend of the outermost islands (i.e., the islands on which the straight baseline turning points will be situated) should not deviate more than 20° from the opposite mainland coastline (including any closing lines that may properly be drawn across bays, river mouths and harbors), or from the general direction of the opposite mainland coastline, whichever more nearly parallels the relevant islands; (2) There must be a consideration of distance between the outermost islands and the mainland coastline. (3) Islands considered part of the fringe should not be further apart from each other than 24 nautical miles.; (4) Such islands should mask 50% of the opposite mainland coastline; (5) No individual straight baseline segment should exceed 48 nautical miles in length." 588
Für die Frage, ob sich ein „fringe of islands" entlang der Küste erstreckt, sind Absatz (3) und (4) interessant. Das 50 %-Kriterium wird aus der Tatsache abgeleitet, dass im Fall Norwegens beinahe 2/3 der Küste durch Inseln abgedeckt sind. Dies könne aber nicht überall verlangt werden. 589 Für die Messung der Überdeckung gibt Bernhardt detaillierte Anweisungen (vgl. Fig. 15). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Kodifikation in Art. 4 KMÜ, bei aller Nähe zum Urteil des IGH, unabhängig vom britisch-norwegischen Fischereistreit einen eigenen Regelungsgehalt hat, die norwegischen Verhältnisse also nicht einfach auf andere Küsten übertragen werden können (vgl. o. dd), S. 125). So verzichten die UN-Studie und andere Autoren ganz auf eine geographisch-numerische Definition von „fringe". 590 Aufgrund der offenen Formulierung im Konventionstext scheint auch hier, wie schon für die Frage des deeply indented , die Ableitung starrer Regeln zweifelhaft, so dass das Kriterium der Überdeckung allenfalls einen Hinweis geben kann. ff) „along the coast" Der Inselsaum muss sich schließlich entlang der Küste erstrecken. Nicht ausreichend ist nur eine bloße Anhäufung („cluster") von Inseln vor der Küste. 591 Ebenfalls nicht genügend sind Inseln, die wie „Trittsteine senkrecht zur Küste angeordnet sind" (vgl. Fig. 16). 592 Diesbezüglich schlägt Bernhardt eine maximale 588 Limits 106, S. 17. 589 Limits 106, S. 28. 590 So spricht die UN-Studie für den Fall von Inselketten von „islands which [ . . . ] form a screen which masks a large proportion of the coast from the sea" (DOALOS, Baselines [Fn 383], S. 20 para 45), Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 13-14 para 9.7 (ii) geht gar nicht auf das Kriterium der Abdeckung ein, sondern spricht nur von „a number of islands". 591 Qatar v. Bahrain, ICJ Rep. 2001, S. 40, 103 para 214 „ [ . . . ] Moreover, in the present case it is only possible to speak of a ,cluster of islands' or an ,island system' if Bahrain's main islands are included in that concept. In such a situation, the method of straight baselines is applicable only if the State has declared itself to be an archipelagic State under Part IV of the 1982 Convention on the Law of the Sea, which is not true of Bahrain in this case."
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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Testing for Island Masking General direction lines: WX= 36 XY= 32 YZ- 42 Part of General Direction Line that is masked: -along WX=21.7 or 60% -along XY=19.7 or 62% - along YZ«5.1 or 13%
Therefore, coastlines defined by general direction lines WX and XY are masked by islands; coastline YZ is not masked.
Quelle: Bernhardt, Limits in the Sea 106, S. 29, Fig. 13.
Fig. 15: Bestimmung der Überdeckung des Festlandes durch Inseln
Abweichung von 20° vor. Er leitet dies aus dem Schluss ab, dass ein 45°-Winkel in jedem Fall eine zu große Abweichung sei, da sich die Inselgruppe für jede Meile, die sie dem Küstenverlauf folge, eine Meile vom Küstenverlauf entfernt, 593 so dass ein „sinnvoller Abweichungswinkel irgendwo zwischen 45° und 10° zu liegen scheint". Daneben sei die Tatsache bedeutsam, dass an der norwegischen Küste nur eine einzige Basislinie mehr als 15° vom Küstenverlauf abgewichen sei. 594 In diesem Fall ist nun der „Präzedenzfall" Norwegen in der Tat nicht allein mit dem Hinweis auf die geänderte Küstenmeerbreite abzulehnen, da der Verlauf der Küste 592 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 20 para 43; Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 88; Limits 106, S. 19. 593 Limits 106, S. 19 und Fig 6. 594 Limits 106, S. 20, unter Berufung auf Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 37-38.
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Kap. 1: Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
und die Abweichungen in Winkelgrad von den absoluten Größen Verhältnissen unabhängig sind. Selbst wenn die Frage bejaht würde, ob „entlang der Küste" wirklich in dieser Weise mit der Frage nach der erheblichen Abweichung von der allgemeinen Richtung verknüpft werden kann, ist die Aussage Bernhardts in ihrer Absolutheit nicht haltbar; dies allein schon, weil eben eine Basislinie selbst an der norwegischen Küste deutlich mehr als 20°, nämlich um 45° vom Küstenverlauf abweicht. 595 Trotzdem fand die Ziehung ebendieser Basislinie explizite Anerkennung durch den I G H 5 9 6 und die Literatur. 597 Hält man also die Kriterien Bernhardts grundsätzlich für tauglich, müssen sie zumindest um einen Ausnahmetatbestand für eine geringe Zahl der verwendeten Basislinien ergänzt werden
Quelle: DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 21 Fig. 13 (UN Map No. 3530.5, Januar 1989). Mit freundlicher Genehmigung der Vereinten Nationen.
Fig. 16: Anordnung von Inseln „wie Trittsteine vor der Küste" 595 Die Basislinie über den Vestfjord zwischen Punkt 45 und 46, Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 37. 596 ICJRep. 1951, 142-143. 597
Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 37, die zwar der Meinung sind, die Linie verstoße gegen das Kriterium der „general direction", aber fortfahren „However, the large-scale chart of the examination of the area shows that, except for a small range of choices, the line has to be drawn approximately as Norway did."
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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gg) „immediate vicinity" Der Inselsaum darf sich nicht im beliebigen Abstand zum Festland befinden: Das schließt allerdings nicht aus, dass eine größere, weit vom Festland entfernte Insel ihrerseits über einen „fringe of islands" verfügt, der mit geraden Basislinien abgegrenzt werden darf. 598 Die UN-Studie führt dazu wenig genau aus: „While a fringe of islands three nautical miles from the coast may be considered as being in its immediate vicinity, a fringe a 100 nautical miles distant would not," nennt dann aber zur Präzisierung noch 24 sm als allgemein anerkannte Entfernung bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm. 5 9 9 Bernhardt schlägt 48 sm maximalen Abstand vor, mit der Begründung, 24 sm seien in keinem Fall zu weit, da sich die Küstenmeerzonen der Inseln und des Festlandes überlappen würden und eine Verdoppelung in jedem Fall eine sichere Obergrenze böte, um zu weit entfernte Inseln auszuschließen. 600 Roach/Smith beschreiben als Position der USA die Forderung, Inseln dürften nur 24 sm vom Festland entfernt sein, denn die andernfalls zwischen Inseln und Festland liegende Hohe See würde dem Erfordernis einer engen Verbindung gem. Art. 4 II KMÜ entgegenstehen.601 Reisman/Westerman gehen noch weiter und wollen lediglich 12 sm als maximalen Abstand gelten lassen. Sie begründen dies mit einer engen Auslegung von „immediate vicinity", insbesondere mit dem verstärkenden Adjektiv „immediate". Weiterhin führen sie die Entwicklung im Völkerrecht an, vorgelagerten Inseln „angemessene [Küstenmeer- Anm. des Verf.] Enklaven" einzuräumen. Zusammen mit der generellen Herabsetzung („depreciation") des Wertes von Inseln im Vergleich zu dem des Festlandes bei maritimen Grenzstreitigkeiten - im Gegensatz zu der 1958 vorherrschenden Meinung - lasse dies eine einschränkende Interpretation zu. 6 0 2 Wenn jedoch Vereinfachung die Ratio der Ziehung von geraden Basislinien ist, dann ist die Wahl eines maximalen Abstandes von 12 sm sachlich nicht zu rechtfertigen. Denn ein in diesem Abstand zur Küste liegender Inselsaum wird kaum zu einem derartig komplizierten Verlauf des Küstenmeeres führen können, dass ein System der geraden Basislinien zur Herstellung einer angemessen einfachen Küstenmeergrenze erforderlich ist. Vielmehr ist eine solche Küstenmeergrenze gerade dann wahrscheinlich, wenn der Abstand des Festlandes zum Inselsaum 24 sm überschreitet (vgl. Fig. 17). Eine absolute Entfernungsgrenze kann also sinnvollerweise 598 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 13-14 para 9.7 (ii) für den Fall eines „detached archipelago". 599 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 20-21 para 46. Die Aussage über die Spanne von 3 bis 100 sm geht auf Prescott, Straight Baselines (Fn. 587), S. 298-299, zurück. 600 Limits 106, S. 22. 601 Roach/ Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 63 und S. 63 Fn. 20. Auch die Studie von Bernhardt kann jedoch als Studie der USA betrachtet werden, und die Vorauflage der Arbeit von Roach/ Smith erschien in der Reihe Limits in the Sea als Nr. 112. Insofern kann von einem Wandel der offiziellen Haltung der USA in dieser speziellen Frage zwischen 1989 (.Bernhardt) und 1996 {Roach /Smith) ausgegangen werden, vgl. auch Fn. 553. 602 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 89-90. 9 Trümpier
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erst ab 24 sm beginnen. Eine Obergrenze von 48 sm scheint dabei noch besser geeignet, der Maxime der Vereinfachung gerecht zu werden. Ein ähnliche Überlegung gilt eebnso für die Frage des Abstandes zwischen den Inseln. Auch hier wird ein maximaler Abstand von 24 sm gefordert. 603 Auch hiergegen könnte eingewandt werden, dass die eigentliche Ausgangssituation, ein gebrochener und komplizierter Küstenmeerverlauf, dann auftritt, wenn der Abstand der Inseln gerade mehr als 24 sm ausmacht, sich also gerade im Grenzbereich der doppelten Küstenmeerbreite bewegt. Zumindest eine strikte Anwendung der 24 sm-Forderung ist daher nicht angezeigt.
Quelle: DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 19 Fig. 12 (UN Map No. 3530.4, Januar 1989). Mit freundlicher Genehmigung der Vereinten Nationen.
Fig. 17: Beispiel eines vereinfachungsbedürftigen Küstenverlaufs
Um einen vereinfachungsbedürftigen Küstenverlauf zu erzeugen, müssen die Inseln vor der Küste ζ. T. weiter als 24 sm von der Küste entfernt sein. b) Art. 4 Absatz 2 KMÜ „The drawing of such baselines must not depart to any appreciable extent from the general direction of the coast, and the sea areas lying within the lines must be sufficiently closely linked to the land domain to be subject to the régime of internal waters." 603 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 14 para 9.7 (iv), der verlangt, die Küstenmeerzonen der Inseln müssten sich überlappen, um von einem Inselsaum sprechen zu können; Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 64; Limits 106, S. 25.
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Art. 4 II KMÜ enthält eines der wichtigsten Kriterien für die Ziehung der geraden Basislinien: „the general direction of the coast", bzw. die allgemeine Richtung der Küste. Zunächst ist jedoch erneut festzuhalten, dass sich die Frage nach der allgemeinen Richtung erst dann stellt, wenn die Voraussetzungen von Abs. 1 gegeben sind. Die Ziehung von geraden Basislinien ist nicht allein deshalb völkerrechtskonform, weil sie der allgemeinen Richtung der Küste folgt; diese Küste muss auch tiefe Einbuchtungen und Einschnitte aufweisen oder einen vorgelagerten Inselsaum besitzen.604 aa) „general direction" Um die Anforderungen des Art. 4 II KMÜ zu erfüllen, ist nicht nur die Abweichung vom Küstenverlauf zu bestimmen. Vielmehr stellt sich als erstes Problem die Bestimmung der „general direction". Durch die Wahl eines geeigneten Maßstabes ist es möglich, nahezu alle Basislinien so aussehen zu lassen, als folgten sie dem Küstenverlauf bzw. als wichen sie stark von ihm ab. 6 0 5 Bernhardt schlägt daher vor, die allgemeine Richtung der Küste mittels Hilfslinien zu bestimmen, die nicht länger als 60 sm sein sollen, und deren Endpunkte auf dem Festland liegen. 606 Beazley begnügt sich mit einer Angabe der Größenordnung, die seiner Meinung nach im Bereich der maximal zulässigen Länge der Basislinien zu liegen habe. 607 Nach der Ermittlung der allgemeinen Richtung der Küste ist zu fragen, inwieweit die Basislinie hiervon abweichen darf. Wie oben ausgeführt, weichen die Basislinien Norwegens bis auf einen Fall nicht mehr als 15° vom allgemeinen Küstenverlauf ab. Dies wird in der Literatur als Anhalt dafür genommen, um die Formulierung „appreciable extent" zu konkretisieren. Danach darf die Basislinie nicht mehr als 15° 6 0 8 bzw. 20° 6 0 9 vom allgemeinen Küstenverlauf abweichen. Nun ist es durchaus gewagt, aus dem Urteil des IGH genaue geometrische Anforderungen an das „general direction requirement" herauslesen zu wollen; führt doch der IGH unmissverständlich in einer Passage bezüglich des Einwandes, die Basislinie zwischen Punkt 20 und 21 über dem Lopphavet Becken folge nicht dem Küstenverlauf, aus: 604
So nennen Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 121-122 das australische Basisliniensystem an der Cape York Halbinsel als Beispiel für den völkerrechtswidrigen Fall einer nicht eingebuchteten Küste, deren Basislinien jedoch dem Küstenverlauf folgen. 605 Für die norwegische Küste bereits der IGH in ICJ Rep. 1951, S. 116, 141 - 142. 606 Limits 106, S. 30-31. 607 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 14 para 9.7 (vi) schlägt 45 sm in Anlehnung an die längste norwegische Basislinie vor. 608
Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 37. 609 Limits 106, S. 30; Roach/ Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 64 Fn. 23 machen sich die Forderung nach Hilfslinien zu eigen, scheinen aber an der strikten Festlegung maximaler Abweichung in Grad nicht festzuhalten. *
1 3 2 K a p . 1: Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See ,,[t]he base line has been challenged on the ground that it does not respect the general direction of the coast. It should be observed that, however justified the rule in question may be, it is devoid of any mathematical precision." 610
Da aber das general direction- Kriterium direkt aus dem Urteil übernommen wurde, ist es zumindest widersprüchlich, gegen den expliziten Inhalt des Urteils mathematische Kriterien einzuführen. Die Lösung von Reisman/Westerman kann demgegenüber im Ansatz überzeugen. Anstatt künstliche Hilfslinien von letztendlich willkürlicher Länge zu ziehen, schlagen sie vor, die Küste direkt zum Vergleich heranzuziehen, allerdings mit der Möglichkeit, durch die Anwendung der Zirkelmethode (mit dem Radius des Küstenmeeres) an stark zerklüfteten Küsten eine vereinfachte Küstenlinie als Vergleichsgrundlage zu konstruieren. 611 Die Frage der Abweichung stelle sich aber ohnehin nicht, würden die Kriterien für den Inselsaum strikt eingehalten; insbesondere dürften weit seewärts gelegene Inseln nicht in das Basisliniensystem einbezogen werden, da dies häufig zu größeren Abweichungen führe. 612 Freilich ist es unbefriedigend, mit einer vereinfachten Küstenlinie die Möglichkeit eines Vergleichs zu schaffen, andererseits aber keinen Vergleich durchzuführen. Zumindest sollte es möglich sein, die Basislinie einem Willkürtest zu unterziehen und evidenten Missbrauch auszuschließen.613 bb) „sufficiently closely linked" Diese Voraussetzung geht ebenfalls auf das IGH-Urteil im britisch-norwegischen Fischereistreit zurück. 614 Ihr genauer Inhalt ist eher vage. Zunächst lässt sich jedoch feststellen, dass es sich nach Wortlaut und Systematik um ein einschränkendes Kriterium handelt. Die Behauptung, diese oder jene Gewässer seien eng mit dem Landgebiet verbunden, kann also nicht zur Ausdehnung einer bestimmten Basislinie führen; vielmehr muss ein System der geraden Basislinien zusätzlich zur Erfüllung der geographischen Voraussetzungen der Küste auch noch Gewässer einschließen, die als eng mit dem Land verbunden anzusehen sind. Der Gerichtshof führte aus, der Gedanke der engen Verbindung habe seinen Ursprung im Recht der Buchten, müsse aber an einer Küste wie der Norwegens nachsichtig („liberally") angewandt werden. 615 Nun verlangt „sufficiently closely linked" vorderhand nicht denselben Grad der Verbindung wie landlocked in Art. 7 II KMÜ. Gleichwohl bietet sich ein Vergleich an: Landlocked i. S. v. Art. 7 II 610 ICJRep. 1951, S. 116, 141-142. 611 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 97. 612 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 97. 613 So kann wohl die Abweichung in den Basislinien Vietnams v. 1982 als solcher Missbrauch beschrieben werden, vgl. Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 136. 614 ICJRep. 1951, 133. 615 ICJRep. 1951, 133.
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KMÜ dient im Verbund mit well-marked nur der Einschränkung des Anwendungsgebietes des Halbkreiserfordernisses auf sinnvolle Anwendungsbereiche. Erst im Zusammenspiel mit dem genau definierten Flächenerfordernis entfalten die unbestimmten Begriffe ihre einschränkende Wirkung. Ein ähnliches Zusammenspiel gibt es im Rahmen des Art. 4 KMÜ jedoch nicht, weshalb dem unbestimmten Rechtsbegriff hier eine ungleich entscheidendere Rolle zukommen muss. Allein, es fehlen objektivierbare Voraussetzungen zu seiner Ausfüllung. Reisman/ Westerman wollen deshalb besonders strenge Maßstäbe anlegen. Wiederum unter Berufung auf das IGH-Urteil im britisch-norwegischen Fischerei streit, in dem Norwegen einen Großteil seiner Argumentation auf den Nachweis enger historischer Verbindungen verwandt hat, 6 1 6 fordern sie, dass „ [ . . . ] the claimant must establish that there is a strong historic interrelationship between the waters and the land [ , . . ] " . 6 1 7 Im Rahmen des Art. 4 II KMÜ ähnliche Maßstäbe wie bei der Frage historischer Gewässer anzulegen, kann allerdings nicht überzeugen. „Sufficiently closely linked" ist vielmehr als rein geographisches Kriterium aufzufassen. Dafür spricht seine vom IGH angenommene Herkunft aus dem Bereich der Buchten und die Parallelität von Art. 4 II zu Art. 7 II KMÜ, in dem - wie gezeigt - mit well-marked und landlocked ähnliche Kriterien rein geographischen Inhalts festgelegt worden sind, 618 sowie die Behandlung als rein geographisches Kriterium durch andere Autoren. 619 Ebenso deutet ein Kommentar der schwedischen Regierung zum ILC Entwurf auf diese Auslegung hin. 6 2 0 Mit der Einordnung als geographisches Kriterium ist dann auch klargestellt, dass die Nutzung durch die Küstenbewohner, das Vorhandensein von „security installations" u. ä. keine Rolle spielen. 621 Das geographische Kriterium selbst mit Inhalt aufzufüllen, wird dadurch aber nicht leichter. 622 Für den Fall von tiefen Einbuchtungen und Einschnitten wird man beim Vorliegen der o. g. weiteren Kriterien in der Regel von einer ausreichen616 Vgl. ζ. B. Pleadings Fisheries 1951, Bd. 1, S. 232-279 und Bd. 3, S. 35-58. 617 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 99; diese Auffassung machen sich Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 65-66 Fn. 25 zu eigen. 618 Hier mag eingewandt werden, das vor 1958 auch durchaus neben der geographischen Lage weitere, auch historische Umstände für den Einschluss einer Bucht berücksichtigt wurden. Im Rahmen der Kodifikation von Art. 7 KMÜ wurden historische Überlegungen explizit ausgeklammert (vgl. Art. 7 VI KMÜ), so dass Art. 7 KMÜ ein rein geographisches Verständnis der Bucht zugrunde liegt. Dieser Wandel muss bei systematischer Betrachtung auch Art. 4 KMÜ erfassen. 619 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 24-25, para 57; Limits 106, S. 25-28; Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 14 para 9.7 (iii). 620 YBILC 1955 II, S. 54: „Since this criterion [sufficiently closely linked to the land domain to be subject to the régime of internal waters, Anm. d. Verf.J is thus purely geographical [ . . . ]". Dies nutzt die schwedische Regierung jedoch, um gegen Höchstlängen von Basislinien zu argumentieren. 621 So aber Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 100. 622 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 25 para 57 bezeichnet die Entwicklung eines mathematischen Kriteriums als „unmöglich" („not proved possible").
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
den Verbindung ausgehen können, da ja ein Großteil der Einbuchtungen auch als Buchten mit einer Abschlusslinie versehen werden könnte. Für Gebiete, die als Inselsaum internalisiert werden sollen, ist in einem ersten Schritt die Lösung von Beazley überzeugend, der die enge Verbindung jedenfalls dann indiziert sieht, wenn sich die die Basislinien bestimmenden Inseln zum großen Teil im Küstenmeergürtel befinden. 623 Wird aber mit der hier vertretenen Auffassung ein Abstand des Inselsaums von bis zu 48 sm als noch nahe genug angesehen, kann diese Indikation nicht alle Fälle erfassen. Hier bliebe dann nur die Einzelfallbetrachtung. c) Art. 4 Absatz 3 KMÜ „Baselines shall not be drawn to and from low-tide elevations, unless lighthouses or similar installations, which are permanently above sea-level have been built on them."
Dies ist die einzige Verschärfung des KMÜ gegenüber dem Urteil des IGH. Während Norwegen mit Billigung des I G H 6 2 4 trockenfallende Erhebungen zur Ziehung seiner Basislinien verwendet hatte, ist dies nach dem KMÜ nicht mehr möglich. 625 Der Absatz geht auf die Beratungen in der ILC zurück; andernfalls sei der Abstand zwischen der Basislinie und der Küste größer als notwendig, und es sei bei Hochwasser nicht mehr möglich, die Ausgangspunkte der Basislinien zu erkennen. 626 Inhaltlich ist die Bestimmung klar; die trockenfallende Erhebung ist in Art. 11 KMÜ definiert, und auch „Leuchtturm" scheint zunächst offensichtlich. Allenfalls können „ähnliche Einrichtungen" in der Einordnung nicht eindeutig sein. Fraglich ist insoweit, worauf sich die „Ähnlichkeit" bezieht: Muss die Einrichtung ähnlich wie ein Leuchtturm aussehen oder eine ähnliche Funktion erfüllen? 627 Dem Sinn und Zweck sowie dem inneren Zusammenhang der Küstenmeerkonvention ent623
Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 14 para 9.7 (iii). Dagegen kann natürlich mit Bernhardt u. a. eingewandt werden, dass diese Argumentation die Gefahr beinhaltet, die Hemmschwelle des Übergangs von Küstenmeergewässern zu inneren Gewässern herabzusetzen (Limits 106, S. 24). 624 ICJ Rep. 1951, S. 116, 140; Fisheries Pleadings IV, S. 613-614. Großbritannien hatte im übrigen Norwegen zugestanden, trockenfallende Erhebungen als Basispunkte zu nutzen (Pleadings I, S. 78 para 112 (2) und Urteil ICJ Rep. 1951, S. 116, 128); aus den Ausführungen des IGH zu Punkt 21, 27 und 39 lässt sich ebenfalls die Unstreitigkeit der norwegischen Praxis ableiten, ICJ Rep. 1951, S. 116, 140. 625 S. a. Eritrea v. Yemen, ILM 2001, S. 983, 1007 para 145. 626 YBILC 1956 II, S. 268 Art. 5 (8). In den Beratungen der ILC über diese Frage führte Fitzmaurice aus: „With regard to the question of baselines drawn to and from drying rocks and shoals, the criticism that the Court had not mentioned that point was irrelevant; for neither, in not mentioning it, had it condemned the principle formulated in the article. The question had not arisen in the Anglo-Norwegian Fisheries dispute, for to the best of his recollection all the baselines had been drawn between terminal points that were visible at all states of the tide." YBILC 1956 I, S. 186 para 41. Das Verbot, Basislinien von und zu trockenfallenden Erhebungen zu ziehen, verdankt also sein Überleben wahrscheinlich einem zeitlich wohl abgepassten Gedächtnisverlust. 627 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23-24 para 53.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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spricht es, anzunehmen, dass es hier um eine Funktionsähnlichkeit geht. Es muss sich also um der Navigation dienende Bauwerke handeln, die ständig deutlich über Wasser liegen, ζ. B. Nebelhörner, Funkfeuer oder Radarreflektoren. 628 Da explizit von Leuchttürmen die Rede ist, reicht nicht jedes sonstige Gebäude aus. Fitzmaurice wirft die Frage auf, ob die Bestimmung nur auf Installationen anwendbar ist, die schon zum Zeitpunkt der Unterzeichnung bzw. des Inkrafttretens der Vorschrift bestanden haben. Wenn dies nicht der Fall wäre, ergebe sich ein erhebliches Missbrauchspotential. 629 Dieser Einwand lässt sich durch den Wortlaut oder die Entstehungsgeschichte nicht untermauern, so dass wohl auch später errichtete Bauwerke die Erhebung als Basispunkt qualifizieren können. Jedoch sind nicht Leuchttürme zulässig, die keinem navigatorischen Zweck dienen oder zumindest einem solchen gedient haben, die vielmehr nur zur Legitimation eines Basispunktes errichtet werden. 630 Abs. 3 steht scheinbar in Widerspruch zu Art. 11 I KMÜ. Während es Art. 11 I KMÜ erlaubt, die Niedrigwasserlinie der trockenfallenden Erhebung für die normale Basislinie zu berücksichtigen (vgl. II., S. 43), schließt Abs. 3 die Verwendung einer trockenfallenden Erhebung zur Festlegung gerader Basislinien aus. Neben der Frage der Erkennbarkeit des Endpunktes bei Hochwasser ist der Ausschluss von trockenfallenden Erhebungen wohl in der Befürchtung begründet, bei der Verwendung als Basispunkt könnte der trockenfallenden Erhebung ein nicht mehr nur örtlich begrenzter Einfluss auf die Küstenmeergrenze zukommen (vgl. hierzu auch die Ausführungen zu Art. 47 IV SRÜ, C.I.2.b)dd), S. 165). 631 Basispunkte im Meer Wenn nicht einmal trockenfallende Erhebungen als Basispunkte in Betracht kommen, so muss dies erst Recht für Punkte gilt, die in der See liegen und nur durch Koordinaten bestimmt sind. Dies entspricht auch der der Regelung zugrunde liegenden Überlegung, dass wenigstens die Basispunkte der geraden Basislinien für die Schifffahrt erkennbar sein müssen. Fraglich ist, ob das KMÜ insoweit für bestimmte Situationen eine Ausnahme zulässt, nämlich dann, wenn sich die Eigenschaften der Küste zwischen zwei benachbarten Staaten nicht ändern, so dass eine gerade Basislinie über die Grenze 628 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23-24 para 53; Prescott, Maritime Political Boundaries (Fn. 54), S. 71-72. 629 Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 73, 86 Fn. 35. Shalowitz I (Fn. 32), S. 215 schlägt die Ratifikation als Stichtag vor. 630 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 93 sprechen von „,Potemkin Village' lighthouses" für andere Leuchttürme; US Commentary (Fn. 178), S. 8. 631
Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 73, 87. Diese Auslegung fügt sich auch in die oben (A.II., S. 47) vertretene Auffassung ein, dass sich der Staat mit seiner Entscheidung für die Verwendung gerader Basislinien zugleich der Möglichkeit begibt, eine andere als die konstruierte Linie zur Abgrenzung des Küstenmeeres zu verwenden.
1 3 6 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See gezogen werden könnte, etwa von einer Insel des Staates A zu einer Insel des Staates B. Es ist nun denkbar, dass Staat A oder Β ihr System der geraden Basislinien bis zu dem Schnittpunkt dieser Basislinie mit der Küstenmeergrenze festlegen. 6 3 2 Für diese Möglichkeit spricht die auch i m britisch-norwegischen Fischereistreit anklingende Annahme, die geraden Basislinien seien die eigentliche Küstenlinie. Wäre dies der Fall, scheint es unmittelbar einsichtig, dass die Grenze zweier Staaten diese fiktive Küstenlinie auch schneiden kann. Dafür spricht ferner, dass Staaten diesen Weg bereits mehrfach beschritten haben, etwa Deutschland und Dänemark in Nord - und Ostsee 6 3 3 sowie Schweden und Finnland i m Bottnischen Meerbusen; 6 3 4 zu den Staaten, die ohne die Mitwirkung ihres Nachbarn einen Basispunkt i m Meer festgelegt haben, gehören C h i l e 6 3 5 und I r a n 6 3 6 . Andererseits spricht gegen die Möglichkeit, einen Basispunkt im Meer zu nutzen, dass es sich 632
Für diese Lösung: Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 83; Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 15-16 para 9.12-9.13, der sogar die einseitige Ziehung einer Basislinie für möglich hält, d. h. auch wenn der Nachbarstaat an der Grenze womöglich gar keine Basislinien gezogen hat, oder andere Basispunkte gewählt hat, kann der Staat eine gerade Basislinie mit einem Basispunkt auf dem Territorium des Nachbarstaates ziehen und bis zum Schnittpunkt der Grenze als Basislinie nutzen; ders., Territorial Sea Baselines, International Hydrographie Review, 1971 (Bd. 48), S. 143-154, 147 spricht sich aber wohl gegen diese Möglichkeit bei nur einem Staat aus. 633 Dänemark, Ordinance No. 437 governing the Delimitation of the Territorial Sea v. 19. 4. 1978; Deutschland, Communiqué No. 1184 des BSH ν. 28. 4. 1970, beide in Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, The Law of the Sea, Baselines: National Legislation with Illustrative Maps, New York 1989, S. 122 ff. und S. 176 ff. Graf Vitzthum/Talmon (Fn. 174), S. 83. 634 Decree on the of the Application on the Act of Delimitation of the territorial Waters of Finland No. 993, v. 31.7. 1995, LoS Bull. 29 (1995), S. 56; und Royal Notice No. 375 containing Regulations on the Measurement of the Territorial Waters of Sweden, DOALOS, Baselines Legislation (Fn. 633), S. 300; Finnlands Punkt 50 und Schwedens Punkt 103 stimmen überein (die geringe Differenz erklärt sich wohl durch Unterschiede im finnischen und schwedischen Koordinatensystem). S. a. Scovazzi, Tullio, Atlas of Straight Baselines, 2. Auflage Mailand 1989, S. 157 und 57, Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 181 und Limits 48, Straight Baselines: Finland, S. 4.; vgl. auch Agreement between Sweden and Finland concerning the Delimitation of the Continental Shelf in the Gulf of Bothnia, the Bothnian Sea, the Aland Sea, and the Northernmost Part of the Baltic Sea v. 29. 9. 1972, 987 UNTS 396 (No. 14443), Art. 2 (Point 1). 635
Hier geht die Festlegung des Punktes allerdings auf einen Schiedsspruch des Court of Arbitration im Grenzstreit mit Argentinien zurück (Argentinien v. Chile, ILM 1978 [Bd. 17], S. 632), Gegenstand war jedoch nur die Abgrenzung des chilenischen vom argentinischen Hoheitsgebiet, nicht die Basislinienziehung Chiles, so dass es zu weitgehend scheint, von einer Anerkennung der chilenischen Basislinie durch den Schiedsgerichtshof zu sprechen (so aber Reisman/Westerman [Fn. 70], S. 181). Im übrigen haben Argentinien und Chile ihre Basislinien 1984 gegenseitig anerkannt, Aréchaga, Eduardo Jimenez de, Argentina-Chile, Report 3 - 1, in: Charney (Hrsg.), 1MB I, S. 719-750, 723; Argentien-Chile, Treaty of Peace and Friendship, Vatikanstadt, 29. 11. 1984, 1399 UNTS 103 (No. 23392), Art. 11. 636 DOALOS, Baselines Legislation (Fn. 633), S. 194- 196, so befindet sich der westliche Terminus (Punkt 1) des iranischen Basisliniensystems auf einer Medianlinie des Shatt-alArab und der östliche Terminus (Punkt 25) in der Mündung der Bucht von Gwatar (vgl. auch Reisman/Westerman [Fn. 70 ], S. 181 - 183).
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auch bei dem auf der Verbindungslinie gelegenen Endpunkt des Systems der geraden Basislinien um einen Basispunkt handelt. 637 Es ist der Punkt, von dem die Linie ausgeht, von der aus der Staat sein Küstenmeer bestimmt (Art. 4 I KMÜ). Es ist für Art. 4 KMÜ nicht relevant, ob die Linie in ihrer Verlängerung noch auf einen anderen geeigneten Basispunkt trifft. Dies zeigt auch der Wortlaut von Art. 4 KMÜ, der davon ausgeht, dass die Abgrenzung durch einen Staat vorgenommen wird („may not be applied by a State" in Abs. 5 und „The coastal State'4 in Abs. 6). Die geraden Basislinien gehören also zu einem Staat, folglich auch der Basispunkt. Für diesen Basispunkt gelten dabei dieselben Überlegungen, wie für die Basispunkte auf trockenfallenden Erhebungen. Der Seefahrer kann die Position des Basispunkts im Meer nicht ausmachen, er kann die Grenze des Küstenmeeres des Staates allenfalls mit technischen Hilfsmitteln bestimmen. Es ist nur schwer einzusehen, warum die Loslösung von einem tatsächlichen Bezugspunkt an Land ausgerechnet für den bedeutsamen ersten / letzten Basispunkt möglich sein soll. Andererseits ist es ebenso wenig gerechtfertigt, für die beiden äußersten Basispunkte des Systems besondere Vorgaben zu machen. 638 Für den Ausgangs- und den Endpunkt kann nach dem KMÜ nichts anderes gelten als für die restlichen Basispunkte auch. 639 Die UN-Studie verlangt darüber hinaus, dass das System der geraden Basislinien so geschlossen sein muss, dass alle inneren Gewässer von geraden Basislinien eingeschlossen sind. 640 Die Praxis der Basispunkte in der See wird in der Studie zwar erkannt, jedoch rechtlich nicht bewertet; es wird lediglich angenommen, dass die Küstenmeergrenze zum anderen Staat statt der Basislinie die inneren Gewässer seitlich begrenzt. 641 Der Forderung nach Geschlossenheit des Basisliniensystems ist zuzustimmen. Allerdings verlangt nicht Art. 4 KMÜ, sondern Art. 5 I KMÜ diese Geschlossenheit; denn bliebe das System der geraden Basislinien offen, wäre eine Bestimmung der inneren Gewässer nicht eindeutig möglich. Mehr als fraglich ist jedoch, inwieweit die Küstenmeergrenze zu einem anderen Staat als Begrenzung des Systems taugt. Der Wortlaut von Art. 5 I KMÜ nennt jedenfalls nur die Basislinien, nicht die Küstenmeergrenze als Begrenzung der inneren Gewässer. In Verbindung mit dem sich aus Art. 4 KMÜ ergebenden Verbot „normaler" Basispunkte im Meer scheinen zumindest Zweifel an der Zuläs637 Diese Prämisse kann man wohl anzweifeln, indem man argumentiert, es handele sich deshalb nicht um einen Basispunkt, da die gerade Basislinie ja über die Grenze hinausgezogen wurde; dann wäre der Schnittpunkt von Grenze und Basislinie als bloßer Hilfspunkt zu definieren. Es ist schwer vorstellbar, dass dies den Vertragsparteien so vor Augen stand. 638 So aber Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 91 „commencing and concluding basepoints are distinguished from the points which depart from the coastline", diese Basispunkte sollen auf der Niedrigwasserlinie liegen, wobei es nicht ganz klar ist, ob hier die Niedrigwasserlinie des Festlands gemeint ist. 659 Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 66 Fn. 29; Limits 106, S. 15-16, 32, DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23 para 51. 640 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23 para 51.
641 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23 para 51 Fn. 11.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
sigkeit der Praxis angezeigt, den Schnittpunkt einer von Staat zu Staat gezogenen Basislinie mit der Kiistenmeergrenze als gemeinsamen Basispunkt im Meer festzulegen. Durch ein solches System wird aus der Kiistenmeergrenze auf der landwärtigen Seite der neugezogenen Basislinien eine Grenze der inneren Gewässer. Während die gegenseitige Abgrenzung des Küstenmeeres durch das KMÜ vorgesehen ist (vgl. Art. 12 KMÜ), wurde für die Notwendigkeit der Abgrenzung innerer Gewässer keine Vorkehrung getroffen. War die Küstenmeergrenze vor der Ziehung der Basislinien nicht bestimmt, spricht vor allem die gleiche Interessenlage sowie die durch die Basislinie unveränderten tatsächlichen geographischen Gegebenheiten, nämlich die einer Küstenmeergrenzsituation, für die analoge Anwendung von Art. 12 KMÜ / 15 SRÜ auch für die Abgrenzung der inneren Gewässer.
d) Art 4 Absatz 4 KMÜ „Where the method of straight baselines is applicable under the provisions of paragraph 1, account may be taken, in determining particular baselines, of economic interests peculiar to the region concerned, the reality and the importance of which are clearly evidenced by a long usage."
Art. 4 IV KMÜ ist ein beinahe wörtliches Zitat aus dem IGH Urteil. 6 4 2 Aus dem Wortlaut ergibt sich ohne weiteres, dass nur dann, wenn auch die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, wirtschaftliche Interessen in die Überlegungen miteinbezogen werden dürfen. In keinem Fall können wirtschaftliche Interessen für sich die Ziehung gerader Basislinien begründen. 643 Dies zeigt sich auch in der Entstehungsgeschichte, waren doch zunächst ökonomische Gründe als eigenständiger Rechtfertigungsgrund für die Ziehung von geraden Basislinien vorgesehen. 644 Dieser Rechtfertigungsgrund wurde unter dem Eindruck der Antworten der Staatengemeinschaft im Abschlussbericht 1956 von der ILC aufgegeben 6 4 5 Die Kommission bewegte sich damit weiter auf das Urteil des IGH zu, denn auch hier wurden andere als geographische Interessen nur hilfsweise angeführt. So bezog sich der IGH auf eine Passage aus dem mündlichen Vortrag Norwegens, in der es hieß: 642
ICJ Rep. 1951, S. 116, 133 „Finally, there is one consideration not to be overlooked, the scope of which extends beyond purely geographical factors: that of certain economic interests peculiar to a region, the reality and importance or which are clearly evidenced by a long usage". Die Formulierung bietet ebenfalls einen Anhalt dafür, dass nur hier, und nicht etwa auch in der Frage des „sufficiently closely linked", andere als geographische Faktoren eine Rolle spielen sollen. 643 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 25 para 58. 644 YBILC 1955 II, S. 36; auf Betreiben von Garcia Amador wurde die restriktive Version von 1953 in diese Richtung ausgeweitet (YBILC 1955 I, S. 201 para 2 und S. 205 para 42). 645 YBILC 1956 II, S. 268 Art. 5 (4) und (5): „The application of the straight baseline system should be justified in principle on other grounds before purely local economic considerations could justify a particular way of drawing the lines."
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„The Norwegian Government does not rely upon history to justify exceptional rights, to claim areas of sea which general law would deny; it invokes history, together with other factors , to justify the way in which it applies the general law." [Hervorhebung v. Verf.]. 646
Art. 4 Abs. 1 KMÜ betrifft danach das Ob der Ziehung gerader Basislinien, Abs. 4 das Wie. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen Abs. 2 und Abs. 4, denn beide regeln die Art und Weise der Ziehung. Insbesondere ist fraglich, ob Abs. 2 auch auf die Ziehung nach Abs. 4 Anwendung findet. 647 Die Antwort findet sich bereits in den Ausführungen der ILC und der norwegischen Regierung. Wenn wirtschaftliche Interessen, die durch lange Übung belegt sind, in bestimmten Gebieten vorhanden sind, kann dort die Ziehung einzelner Basislinien so angepasst werden, dass diese Basislinien über das nach Absatz 2 zulässige Maß vom allgemeinen Küstenverlauf abweichen. Diese Auslegung wird auch durch die Verweisung im Wortlaut der Vorschrift lediglich auf Abs. 1 und nicht auf Abs. 2 gestützt. Schließlich spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt für eine möglichst enge Auslegung von Art. 4 IV K M Ü / 7 V SRÜ: Die Fisheries- Entscheidung war in erster Linie eine Entscheidung zu Fischerei-Rechten, mit Auswirkungen auf die Küstenbewohner. Der IGH hat dies deutlich hervorgehoben: „ [ . . . ] , these grounds were known to Norwegian fishermen and exploited by them from time immemorial. [ . . . ] . In these barren regions the inhabitants of the coastal zone derive their livelihood essentially from fishing. Such are the realities which must be borne in mind in appraising the validity of the United Kingdom contention that the limits of the Norwegian fisheries zone [ . . . ] are contrary to international law." 6 4 8
Solche Überlegungen können mit der Einführung der 200 sm-AWZ bei der Festlegung der äußeren Grenzen des Küstenmeeres indes nicht mehr tragen. Allenfalls könnte erwogen werden, ob eine Regelungsdifferenz zwischen Art. 4 KMÜ und Art. 7 SRÜ besteht. Naheliegender ist freilich, von einer einheitlichen Regelung auszugehen und bei der Auslegung von Art. 4 IV KMÜ die zwischenzeitliche Entwicklung entsprechend zu berücksichtigen.
„evidenced by long usage" Es wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass in dem der Wendung „evidenced by long usage" zugrunde liegenden Fall die Interessen Norwegens seit Jahrhunderten bestanden.649 Es scheint mehr als fraglich, tatsächlich eine so lange 646 ICJRep. 1951, S. 116, 133. 647 Beazley, Maritime Limits 1987 (Fn. 143), S. 14 para 9.9. 648 ICJRep. 1951, S. 116, 127-128. 649 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 25 para 59; Reisman/Westerman
(Fn. 70), S. 101.
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Zeitspanne zur Voraussetzung der Anwendbarkeit von Art. 4 IV KMÜ zu machen. 650 Aufgrund der Vielgestaltigkeit wirtschaftlicher Interessen kann hier die Entscheidung nur im Einzelfall erfolgen, sonst könnten ζ. B. erst Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckte Rohstoffvorkommen niemals in diese Überlegungen miteinbezogen werden. e) Art. 4 Absatz 5 KMÜ „The system of straight baselines may not be applied by a State in such a manner as to cut off from the high seas the territorial sea of another state."
Diese Bestimmung dient der Sicherung des Zugangs zur Hohen See. Ein PositivBeispiel ist Frankreich, das bei der Einrichtung seines Basislinien-Systems den Zugang Monacos zum Mittelmeer unbehindert gelassen hat. 651 Fraglich ist jedoch, ob es genügt, dass noch irgendein Zugang vom Küstenmeer des anderen Staates zur Hohen See verbleibt, ob also nur das vollständige Abschneiden des Zugangs verboten ist, oder ob schon eine Ziehung in der Weise verboten ist, dass Teile des Küstenmeeres des anderen Staates durch die Ziehung der geraden Basislinien vom Aquitorium des basislinienziehenden Staates umschlossen werden, ohne dass ein vollständiges Abschneiden erfolgt. 652 Der Wortlaut legt nahe, dass bereits der Einschluss eines Teils des Küstenmeeres in der Weise, dass von diesem Teil kein Schiff mehr die Hohe See erreichen kann, ohne durch das Küstenmeer oder die inneren Gewässer des basislinienziehenden Staates zu fahren, nicht mehr konventionskonform wäre. Dieser Staat kann sich nicht darauf berufen, dass von einem anderen Teil des Küstenmeeres der Zugang noch möglich ist. Für diese Auslegung spricht der Art. 4 V KMÜ zugrunde liegende Gedanke des Schutzes des Zugangs zur Hohen See. 653 Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses ist „cut o f f mithin weit auszulegen, d. h. auch das faktische Abschneiden ist nicht erlaubt. So verstößt eine wesentliche Erschwerung des Zugangs z. B. in der Weise, dass ein Tiefwasserhafen nur mehr über eine Flachwasserrinne angefahren werden kann, oder die Einschränkung auf einen engen Zufahrtsweg für einen vielbefahrenen Hafen gegen Art 4 V K M Ü . 6 5 4 Auch der Verweis auf das in den neu abgegrenzten Gewässern 650 So aber Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 101. 651 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 25 para 60; allerdings bestehen wohl berechtigte Zweifel, ob große Teile der Mittelmeerküste Frankreichs überhaupt tief eingebuchtet und eingeschnitten sind vgl. Limits 37, S. 6 - 7 und Karte ebd. 652 Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 187 geben als Beispiel die Ziehung einer geraden Basislinie von Venezuala über den Orinoco an, die Teile des Küstenmeeres von Guyana von der Hohen See trenne; dies vermag nicht zu überzeugen, da diese Ziehung nach den Angaben der Autoren auf einem umstrittenen Verlauf der Landgrenze zurückgeht, so dass möglicherweise gar kein guyanisches Territorium mit entsprechendem Küstenmeer landwärtig der kritisierten Basislinie vorhanden ist. Durch den Disput ist die Wahl des in guyanischen Gewässern liegenden Basispunktes durch Venezuela zwar fraglich, jedoch handelt es sich nicht um eine spezifische Verletzung von Art. 4 V KMÜ. 653 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 103 para 7.9 (h).
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bestehende Recht der friedlichen Durchfahrt vermag daran nichts zu ändern, da es schon an den Voraussetzungen für die Abgrenzung mangelt. Von einer extensiven Basislinienziehung sind u. a. folgende Gebiete betroffen: Gambia durch Basislinienziehung von Senegal, Penguin Island (Südafrika) durch Namibia, Meilila und Ceuta (Spanien) durch Marokko, VAE durch Oman, Quemoy und Amoy (Taiwan) durch China, Brunei durch Malaysia. 655
f) Art. 4 Absatz 6 KMÜ „The coastal state must clearly indicate straight baselines on charts, to which due publicity must be given."
Diese Bestimmung ist Ergebnis der Überlegung, dass die geraden Basislinien sich nicht auf die tatsächliche Küste, sondern nur auf ein Konstrukt zurückführen lassen. Die eigentliche Grenzziehung muss daher in angemessener Weise veröffentlicht werden, um der Schifffahrt und dritten Staaten die Möglichkeit zu geben, überhaupt von ihr Kenntnis zu nehmen. Das Publizitätserfordernis wurde im SRÜ genauer bestimmt und in Art. 16 für die Art. 7, 9 und 10 SRÜ zusammengefasst (vgl. C. II., S. 177).
2. Hinweise auf Völkerrechtskonformität von geraden Basislinien Die zu Art. 4 KMÜ insbesondere von US-amerikanischer Seite vorgeschlagenen Kriterien zur Untersuchung gezogener Basislinien können, wie oben gezeigt, in weiten Teilen keine allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen. Es sind jedoch taugliche Hinweise, die bei der Überprüfung der Basislinien wertvolle Anhaltspunkte geben können. Bei dem Vergleich von Art. 4 und Art. 7 KMÜ fällt auf, dass einem Indikator wenig Beachtung geschenkt wurde - dem Flächen vergleich. In der Frage der juristischen Buchten wurde die Diskussion lange Zeit vom eindimensionalen Kriterium der Buchtöffnungsbreite und von der schwammigen intra fauces terrae-ïlbzilegung bestimmt. 656 Der entscheidende Wendepunkt hin zu einem deutlich mehr Rechtssicherheit schaffenden System gelang erst mit der Einführung des Flächenvergleiches, der neben der mathematischen Genauigkeit auch die genügende Flexibilität besaß, um mannigfache Buchtformen zu beschreiben. 654 Nach Alexander, Virginia Journal of Int. Law 1983 (Fn. 158), S. 503, 516, ist die wortgleiche Formulierung für das SRÜ nicht als ein Verbot in diese Richtung, sondern offenlassend zu verstehen. 655 Prescott, in: Brown /Churchill (Fn. 587), S. 288, 312. 656 s. o. I.I., S. 54 ff.
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Der Ansatz des Flächenvergleiches lässt sich ohne weiteres auch auf die Frage der geraden Basislinien als limitierender Faktor übertragen, dies in zweifacher Weise: erstens, als ein Vergleich der Fläche des Küstenmeeres, die sich für den Staat nach der normalen Basislinie ergibt, 657 mit der Fläche des Küstenmeeres und der inneren Gewässer, die sich für den Staat nach der Abgrenzung durch die geraden Basislinien ergibt, und zweitens, als Vergleich der Fläche der Hohen See, die eine nach Art. 3 KMÜ gezogene Küstenmeergrenze und die geraden Basislinien einschließen, mit der Fläche des Küstenmeeres nach Art. 3 KMÜ, das von der Küstenmeergrenze nach Art. 3 KMÜ und den geraden Basislinien eingeschlossen wird. Dem absoluten Flächenvergleich des Küstenmeeres vor und nach der Basislinienziehung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Vereinfachung das Art. 4 KMÜ tragende Prinzip ist. Vergrößert sich durch die Ziehung der geraden Basislinien die Fläche des maritimen Aquitoriums wesentlich, steht nicht mehr die Vereinfachung der Küstenmeergrenze, sondern die einseitige Vergrößerung des Hoheitsbereiches im Vordergrund. Eine wesentliche Vergrößerung des maritimen Aquitoriums darf also durch die zu ziehenden geraden Basislinien nicht eintreten. Jedoch ist „wesentliche Vergrößerung 4' schlecht quantifizierbar, da es von der Größe des ohnehin kontrollierten Küstenmeeres abhängt. Ist es sehr groß, kann eine auch in Teilen völlig abwegige Ziehung von Basislinien nur zu einer unwesentlichen Vergrößerung des Gesamtküstenmeeres führen. 658 Die Schwierigkeit kann zum Teil dadurch umgangen werden, dass der Flächenvergleich nur zusammenhängende Abschnitte von geraden Basislinien, also nicht die gesamte Küstenlinie, erfasst. Dennoch wird eine Küste mit vielen vorgelagerten Inselgruppen ein relativ großes Küstenmeer haben, so dass die Basislinien hier zu einem in absoluten Zahlen größeren Flächengewinn als an einer Küste mit eher wenigen vorgelagerten Inseln führen kann. Die Angabe eines genauen Verhältnisses, etwa in der Form der Feststellung, das maritime Aquitorium nach Ziehung der geraden Basislinien dürfe nicht um eine bestimmte Prozentzahl größer als das Küstenmeer sein, ist daher kaum möglich. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass an tatsächlich tief eingebuchteten Küsten, etwa der norwegischen, die Bestimmung der Größe des Küsten657 Siehe für diesen Flächenvergleich auch Hodgson/ Alexander (Fn. 162), S. 39: „A third possible factor relates to the additional water surface enclosed by the straight baseline system in relation to the ,normal' procedures. The increase should not be unreasonable. At this writing no percentage or ratio has been determined." Ein noch früherer Ansatz in diese Richtung lässt sich dem Vortrag Großbritanniens im britisch-norwegischen Fischereistreit entnehmen: „Further, it will be seen that, as compared even with the red line, the base-lines of the 1935 Decree enclose an area which is larger by 1,200 square miles of water." (Fisheries , Pleadings I,S. 94 para 140). 658 Untauglich ist hier außerdem Art. 7 KMÜ als Anhaltspunkt; Art. 7 KMÜ legt ein minimales Verhältnis von Buchtöffnung zu Fläche fest, m. a. W. je größer die Bucht, desto besser, während der hier vorgeschlagene Flächenvergleich in die entgegengesetzte Richtung zielt (vgl. Limits 106, S. 23-24), nämlich auf die Festlegung eines maximal zulässigen Flächengewinns.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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meeres vor Ziehung der geraden Basislinien auf erhebliche praktische Schwierigkeiten trifft. Eine Abgrenzung auch der kleinsten Bucht und Flussmündung im Hinblick auf ihren Status als inneres Gewässer oder Binnengewässer wäre erforderlich. Die eigentliche Flächenberechnung ist rechnergestützt zwar heute einfacher durchzuführen; gleichwohl kann in jeder juristischen Einordnung einer geographischen Formation ein Unsicherheitsfaktor bestehen. Nichtsdestotrotz kann dieser Indikator insbesondere an Küsten, deren Verlauf die Erfüllung der Kriterien zweifelhaft macht, eine exzessive Basislinienziehung schnell entlarven. 659 Auf Grund der oben angeführten Schwierigkeiten an zerklüfteten und unübersichtlichen Küsten ist ein zweiter Flächenvergleich notwendig, der die Fläche der Hohen See landwärts der geraden Basislinie mit der Fläche des Küstenmeeres seewärts der zu ziehenden geraden Basislinie vergleicht. Dieser Vergleich ist dabei unabhängig von der absoluten Größe des Küstenmeeres, da er nur von der Geographie in der Nähe der Basislinien bestimmt wird. Zudem hat er den Vorteil, dass er, ebenso wie der Halbkreistest, relativ leicht durchzuführen ist, da die beiden bestimmenden Linien ohne größeren Aufwand ermittelt werden können. Aus den beiden Faktoren ergibt sich die Möglichkeit, ein Verhältnis vorzuschlagen, ab dem die Völkerrechtskonformität der geraden Basislinien indiziert ist. Nimmt man hier den britisch-norwegischen Fischereistreit als Ausgangspunkt, stellt man fest, dass hier das Verhältnis der beiden Flächen in etwa eins zu eins beträgt (vgl. Kartent e i l ) 6 6 0 Dies ist für heutige Basislinien wegen des erheblich breiteren Küstenmeeres jedoch untauglich. Bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm lägen beinahe alle Basislinien vollständig im Küstenmeer Norwegens. Wie oben ausgeführt, eignet sich die norwegische Küste denn auch nur bedingt als Modell. Werden die Überlegungen des IGH auf einen Küstenverlauf übertragen, bei dem auch bei einer Küstenmeerbreite von 12 sm Vereinfachungen durch die Ziehung von geraden Basislinien eintreten sollen, und wird gleichzeitig der Verlauf der norwegischen Küste im Blick behalten, scheint eine Völkerrechtskonformität zumindest dann indiziert, wenn sich die Fläche der landseitig durch die Basislinie eingeschlossenen Hohen See zur Fläche des seewärts der Basislinie gelegenen Küstenmeeres wie 1:3 verhalten. Die Verdreifachung des Anteils des Küstenmeeres ist angesichts der Verdreifachung der Küstenmeerbreite von 4 sm auf 12 sm und der in konvexen Küstenteilen damit verbundenen quadratischen Flächenzunahme des Küstenmeeres gerechtfertigt. Ein Grenzfall wäre danach der in Fig. 19 abgebildete Küstenabschnitt Islands. Die hier vertretenen Indikatoren lassen sich indirekt auch aus Art. 4 II KMÜ ableiten. Entfernt sich die gerade Basislinie zu sehr von der allgemeinen Richtung der Küste, nimmt auch die Fläche der landwärts der Basislinie gelegenen Hohen 659 Vgl. die Basislinienziehung Kolumbiens, dargestellt in Prescott, in: Blake (Fn. 751), S. 42. 6 60 Dies ist nur ein grober Überschlag, eine genauere Betrachtung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich.
1 4 4 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
See zu. Der Flächenvergleich ist damit ein weit flexiblerer Indikator der Einhaltung der „general direction" als der Vergleich etwa mit Richtungslinien. Wenn der oben vertretenen Auffassung zugestimmt wird, dass die enge Verbindung zwischen den neu entstehenden inneren Gewässern und dem Landgebiet ein geographisches Kriterium ist, ist der Flächen vergleich auch insoweit ein tauglicher Hinweis. 661 Außerdem ist durch den Flächenvergleich eine weit eigenständigere Abgrenzung einzelner Basislinien als durch andere, starre Indikatoren möglich, so dass auch wirtschaftlichen Interessen gem. Art. 4 I V KMÜ besser Rechnung getragen werden kann.
Quelle: Prescott (Fn. 751), in: Blake, S. 38, 44 Fig. 3.2. Mit freundlicher Genehmigung von Taylor & Francis Books.
Fig. 18: Gerade Basislinien an der Südküste von Island
Insgesamt lassen sich durch den doppelten Flächenvergleich die Vereinfachung als Ratio der geraden Basislinien sowie die Kriterien der „general direction" und „sufficiently closely linked" auf einen einheitlichen Indikator zusammenführen. Dabei entspringt der Gedanke des Flächenvergleiches Art. 7 II KMÜ, wo ebenfalls ein Reihe von „weichen" Beschreibungen in einer einheitlichen Voraussetzung zusammengefasst werden. Freilich mit einer anderen Zielrichtung: Geht es in Art. 7 II KMÜ um die Voraussetzung der Ziehung einer Buchtabschlusslinie, haben die hier vorgeschlagenen Faktoren primär die Art und Weise der Ziehung im Auge.
661 Freilich mit dem schon oben für die Methode von Beazley genannten Nachteil, dass die Einordnung als Küstenmeer die Schwelle zur Einordnung als innere Gewässer schon in Teilen überwindet.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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3. Abweichungen S R Ü / K M Ü Zwar gleicht das SRÜ in seinem Regelungsgehalt weitestgehend dem KMÜ, dennoch sind im Zuge der 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen geringfügige Änderungen im Bereich der geraden Basislinien erfolgt. Diese Änderungen erklären sich in erster Linie durch die Berücksichtigung von Partikularinteressen und sind eher nicht von allgemeiner Bedeutung. a)Art. 7 Absatz 2 SRÜ „Where, because of the presence of a delta and other natural conditions the coastline is highly unstable, the appropriate points may be selected along the furthest seaward extent of the low-water line, and notwithstanding subsequent regression of the low-water line, the straight baselines shall remain effective until changed by the coastal state in accordance with this convention."
Art. 7 II SRÜ ist im Rahmen des Art. 7 SRÜ eigentlich ein Fremdkörper. Während der tragende Gedanke hinter Art. 7 I SRÜ und Art 4 I KMÜ die Vereinfachung eines komplizierten Küstenverlaufs ist, liegt Art. 7 II SRÜ eine andere Ausgangssituation zugrunde. Dort ist Voraussetzung eine sehr wechselhafte, sich in kurzer Zeit rasch verändernde Küstenlinie. Die geraden Basislinien dienen der fiktiven Verstetigung der Küste und damit der Rechtssicherheit. So können sich die geraden Basislinien auch landwärts der normalen Basislinie befinden, der Küstenstaat kann also durch die Ziehung der geraden Basislinien auf die Ausübung von Hoheitsgewalt verzichten. 662 Bereits in der Bestimmung 9, die ihrerseits auf einen Vorschlag von Bangladesch zurückgeht, 663 des Main Trends Working Paper von 1974, das die bisherigen Verhandlungsergebnisse der 3. Seerechtskonferenz zusammenfasste, findet sich der Grundgedanke von Abs. 2: „In localities where no stable low-water line exists along the coast due to continual process of alluvion and sedimentation [ . . . ] , baselines shall be drawn linking appropriate points on the sea adjacent to the coast not exceeding the 10-fathom line." 6 6 4
Allerdings sollten nach diesem Text die Basislinien entlang der 10 Faden-Tiefenlinie (im französischen Text die 20 m-Tiefenlinie) 665 gezogen werden, also im Meer. Dieser Ansatz wurde in Art. 6 IISNT-SRÜ 1974 aufgegeben zugunsten der 662 Dies ist insbesondere deshalb der Fall, weil sich die meisten Deltas in das Meer ausdehnen (und sich eben nicht zurückbewegen), Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 101 para 7.9 (d). 663 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 97 para 7.3. 664 A/Conf.62/L.8/Rev.l Statement of activities of the Conference during its first and second sessions, Annex II, Appendix I (Working paper of the Second Committee: main trends. Part I Provision 9, UNCLOS III Official Documents III, S. 110). 665 A /Conf.62/ L.8 / Rev. 1, UNCLOS III Documents Officiels III, S. 127.
10 Trümpier
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
den Küstenstaat nur unter Umständen begünstigenden zeitweiligen Loslösung von realer Küstenlinie und Basislinie. 666 In seiner jetzigen Form als einzelner Absatz und mit bis auf eine redaktionelle Änderung heute gültigem Wortlaut erschien Art 7. II SRÜ dann als Art. 6 II im RSNT-SRÜ 1976. 667
aa) Verhältnis zu Abs. 1 Nach der UN-Studie ist Art. 7 II SRÜ nur anwendbar, wenn auch die Bedingungen des Art. 7 I SRÜ erfüllt sind. Abs. 1 und 2 wären demnach kumulativ auf eine Delta Situation anzuwenden.668 Begründet wird dies damit, dass Abs. 1 und Abs. 2 im ISNT noch zu einer Einheit zusammengefasst waren. Diese Verbindung sei auch durch die Aufspaltung in zwei Absätze im RSNT nicht unterbrochen worden. 669 Während der Wortlaut diese Interpretation zulässt, findet sich in der Formulierung des ISNT freilich kein Anhalt für ein solches kumulatives Erfordernis, heißt es doch: 1. Là où la côte est profondément échancrée et découpée, [ . . . ] la méthode des lignes de base droites reliant des points appropriés peut être employée [ . . . ] . Là où la côte est extrêmement instable en raison de la présence d'un delta ou d'autres conditions naturelles, les points appropriés peuvent être choisis le long de la limite extrême de la laisse de basse mer [ . . . ] . 6 7 0
Diese Formulierung scheint klar alternativ: „Là où la côte ... / Là où la côte ...". Dieser Eindruck wird durch die Einbettung in je einen eigenen Absatz im RSNT und im SRÜ systematisch unterstrichen. Auch im Main Trends Working Paper war die Delta-Situation klar als ein allein ausreichender Grund für die Ziehung gerader Basislinien vorgesehen. Allerdings wich die englische Fassung leicht vom französischen Text ab, dort hieß es: „1. In localities where the coastline [ . . . ] . Where f . . . ] . " 6 7 1 Auch wird argumentiert, die Wendung „les points appropriés" bzw., in der englischen Fassung, „appropriate points", ordne Abs. 2 dem Abs. 1 unter 672 (wie auch schon S. 2 dem S. 1 im ISNT). Dies ist jedoch nicht zwingend, 666 A / Conf.62 / WP.8 / Part II, Informal Single Negotiating Text, Part II Art. 6 I, UNCLOS III Official Records IV, S. 158. 667 A/Conf.62/WP.8/ Rev. 1/Part II, RSNT, Art. 6 II, UNCLOS III Official Records V, S. 151, 154. 668 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23, para 48, ebenso Reisman/Westerman (Fn. 70), S. 101-102. 669 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23, para 48 Fn. 9. 670 A/Conf.62/WP.8/Part II Texte unique de négociation (officieux), Part II Art. 6 1., UNCLOS III Documents Officiels IV, S. 158. 671 A/Conf.62/WP8/ Rev. 1 / Part II, UNCLOS III Official Records IV, S. 153. 672 ρ re scott/ Bird (Fn. 120), S. 279, 291. Belegt wird dies durch Verweis auf die UN-Studie (die zur wörtlichen Interpretation nichts hergibt) und durch folgende Aussage: „This view was confirmed by an unusually reliable source who prefers to remain anonymous [ . . . ]". Dies kann schwerlich vorbehaltlos überzeugen.
Β. Abweichung von der normalen Basislinie
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denn „appropriate points'4 könnte auch rechtsfolgenverweisenden Charakter haben: Dort wo die Küste unstabil ist, dürfen ebensolche geeigneten Punkte für das System der geraden Basislinien ausgewählt werden. Jedenfalls ist der Wortlaut des SRÜ nicht eindeutig. 673 Für die Ansicht, Abs. 1 und Abs. 2 seien alternativ auszulegen, sprechen neben dem eindeutigen Wortlaut des Main Trends Working Paper noch teleologische und praktische Erwägungen. Zunächst wäre bei kumulativer Auslegung das Vorliegen der Voraussetzungen von Abs. 1 unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 2. Abs. 1 stünde also in der Hierarchie über Abs. 2 und Abs. 2 könnte Abs. 1 nur innerhalb seines Anwendungsgebietes modifizieren. Eine tief eingebuchtete und eingeschnittene Küstenlinie wäre dann die Voraussetzung von Abs. 2. An einer hoch unstabilen Küste ist es jedoch durchaus denkbar, dass diese Bedingung nur zeitweise erfüllt ist. Wenn Sie nicht erfüllt wäre, wären die vorher rechtmäßig gezogenen Basislinien für diesen Zeitraum völkerrechtswidrig, denn die „intertemporäre" Wirkung von Abs. 2 bezieht sich ja nur auf den Rückzug der Küstenlinie, nicht auch auf die Charakteristika des Abs. 1, ja sie könnte sich wegen des Über- Unterordnungsverhältnisses auch gar nicht darauf beziehen - ein offensichtlich nicht vertretbares Ergebnis! Ferner kann der Sinn von Art. 7 II SRÜ nur in dem Rechtssicherheit gewährenden Festschreiben gerader Basislinien in einer sich schnell (für Abgrenzungsfragen zu schnell) wandelnden Meeresumwelt liegen. Dies ist aber an glatten Küsten ebenso notwendig wie an eingebuchteten und eingeschnittenen Küsten.
bb) „delta and other natural conditions" Art. 7 II SRÜ kann nur in einem Deltagebiet angewendet werden. Die UN-Studie definiert ein Delta als „tract of alluvial land enclosed and traversed by the diverging mouths of a river". 6 7 4 Die Grenzziehung nach Art. 7 II SRÜ ist also in jedem Fall auf das Mündungsgebiet eines Flusses beschränkt. 675 Die Präsenz eines Deltas alleine reicht allerdings noch nicht aus, andere natürliche Gegebenheiten müssen hinzukommen („and other natural condition" [Hervorh. v. Verf.]) 676 , die zur Instabilität der Küste führen. Dies können etwa regelmäßige Stürme oder Monsunregenfälle sein (vgl. cc)).
673 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 37-38. 674 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 52, Nr. 26. 675 Zu den verschiedenen Deltatypen, Prescott, in: Brown/Churchill (Fn. 587), S. 288, 302 f. 676 Prescott, in: Brown / Churchill (Fn. 587), S. 288, S. 303. An dieser Stelle ist die amtliche deutsche Übersetzung fehlerhaft, dort heißt es lediglich alternativ „oder anderer natürlicher Gegebenheiten". 10*
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
cc) „highly unstable" Auf der inhaltlichen Seite ist ferner fraglich, wie genau eine sehr veränderliche („highly unstable") Küste beschaffen sein muss. Da Art. 7 II SRÜ stark unter dem Einfluss eines Staates entstand, mit einer bestimmten geographischen Situation vor Augen - ganz ähnlich wie der auf Norwegen fokussierte Art. 7 I SRÜ - ist ein genauerer Blick auf diese Modellsituation angezeigt. Die o. g. Bestimmung 9 des Main Trends Working Paper geht auf einen Vorschlag Bangladeschs zurück; auch begleitete Bangladesch Abs. 2 mit besonderer Aufmerksamkeit. 677 Modell für Art. 7 II SRÜ war das Ganges / Brahmaputra Delta. 678 Die dort vorherrschenden Gezeitenströme erfassen etwa die Hälfte des mit 60.000 qkm größten Deltas der Welt, Monsunregen und Stürme können Inseln und Wasserläufe in sehr kurzer Zeit entstehen, verschwinden und wieder neu entstehen lassen.679 Vor diesem Hintergrund ist „highly unstable" streng auszulegen, so dass eine einfache Veränderlichkeit nicht genügt. Die Küstenlinie muss sich vielmehr innerhalb kurzer Zeiträume stark verändern, und dieser Prozess muss mit einiger Regelmäßigkeit stattfinden, d. h. die Möglichkeit der Veränderung in nur einer Sturmflutnacht etwa reichte nicht aus. Die deutsche Nordsee-Küste würde z.B., trotz ihrer unbestreitbaren Veränderungen, 680 nicht als sehr veränderlich im Sinne von „highly unstable" gelten können. Ägypten hat, möglicherweise mit Blick auf Art. 7 II KMÜ, über das Nildelta gerade Basislinien gezogen. Gegen diese Basislinien haben die USA protestiert, da die Linien nicht an einer tief eingebuchteten und eingeschnittenen Küste gezogen wurden. 681 Da dies jedoch nicht erforderlich ist (vgl. (bb), S. 146), geht die Kritik fehl. Allerdings fehlt es im Nildelta an der Voraussetzung highly unstable, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 7 II SRÜ nicht erfüllt sind 6 8 2 677 Vgl. Prescott /Bird (Fn. 120), S. 279, 288-291 (dort auch eine ausführliche Entstehungsgeschichte), insbesondere S. 288: „This [Art. 7 II SRÜ, Anm. d. Verf.] is one of at least four provisions in the 1982 Convention to meet the needs of one country which made strong representations on the point. In this case the country was Bangladesh, [ . . . ] . " ; Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 9 9 - 101, para 7.6.-7.7. und 7.9. (c). 678 Prescott/Bird (Fn. 120), S. 279, 289. 679 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23 para 50. 680 Der Spiegel 32/2003, S. 132, Die Geburt einer neuen Insel im ostfriesischen Wattenmeer. 681 American Embassy Cairo Note ν. 13. 6. 1991, State Department Telegram 188615, ν. 8. 8. 1991 \ Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 85-86; Limits 116, S. 9. 682 So geben Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 38 an, das Nildelta ziehe sich an manchen Stellen um bis zu 40 m im Jahr zurück, dies ist eine signifikant geringere Änderungsrate als am Ganges; ebenso Prescott, in: Brown/Churchill (Fn. 587), S. 288, 305-306, der darauf hinweist, die Breite einer Linie auf einer Karte im Maßstab 1:100 000 entspreche 100 m in der Wirklichkeit. A.A. Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 101 para 7.9 (c), der Art. 7 II SRÜ in Ägypten, wie auch in Burma, Nigeria und Vietnam für anwendbar hält. Vgl. auch Orlova, G. /Zenkovich, V.P., Erosion of the Shores of the Nile Delta, Geoforum 1974 (Bd. 18), S. 68-72, die von einer jährlichen Regression von 30-40 m im Bereich Ras El-Bar sprechen (S. 69), jedoch von weit geringeren Raten in anderen Regionen (etwa 1 m pro Jahr in der Burullos Region, S. 70).
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und insoweit Zweifel an der Völkerrechtskonformität der ägyptischen Basislinien bestehen.683 Die Ziehung der geraden Basislinien darf sich im übrigen nur auf eine im Moment der Ziehung tatsächlich vorhandene Küste stützen. Eine Rückwirkung von Art. 7 II SRÜ in dem Sinn, dass „the furthest seaward extent" i.V. m. „notwithstanding subsequent regression" auf eine vergangene Küstenlinie angewandt wird, ist nicht vertretbar. 684 Dem Artikel liegt die Erwartung zugrunde, dass der Küstenstaat seine Basislinien ggf. den tatsächlichen Bedingungen anpasst. Diese Anpassung hat dann zu erfolgen, wenn es offenbar wird, dass die Küstenlinie sich wesentlich und andauernd landwärts oder seewärts verschoben hat. 685
dd) Gerade Basislinien von Bangladesch Im Licht der zweifelhaften Begründung der ägyptischen Basislinien und der Tatsache, dass sich bislang kein Staat bei der Ziehung der Basislinien ausdrücklich auf Art. 7 II SRÜ berufen hat, sind die praktischen Auswirkungen der Vorschrift gering geblieben. Es ist umso interessanter, wie sich der Urheber der Vorschrift verhalten hat. Bangladesch hatte bereits 1974 gerade Basislinien gezogen, die grob der 10 Faden-Tiefenlinie folgen; und zwar an 8 Punkten in der See mit einer Gesamtlänge von 221 sm. 6 8 6 Diese geraden Basislinien verstoßen gegen die Konvention, da die Basispunkte in der See liegen, die Linien nicht dem Küstenverlauf folgen, Bangladesch wesentlich an Küstenmeer hinzugewinnt und ein hoher Anteil AWZ bzw. Hohe See im Vergleich zur normalen Basislinie internalisiert wurden. Bangladesch hat dieses System freilich bis heute beibehalten. Anlässlich seines Beitritt zum SRÜ am 27. 7. 2001 hat Bangladesch nunmehr die Überprüfung innerstaatlicher Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Konvention in Aussicht gestellt. 687 Da zumindest die Wahl der Basispunkte unbestreitbar contra legem erfolgte, ist eine Rücknahme des Basisliniensystems und seine neue, konventionskonforme Ausgestaltung möglich. 688
683 So im Ergebnis auch Carleton/Schofield, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 38-39. 684 Prescott, in: Brown / Churchill (Fn. 587), S. 288, 306. 685 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 23 para 50. A.A. wohl Prescott, in: Brown/Churchill (Fn. 587), S. 288, 303 der Art. 7 II SRÜ bei einer seewärtigen Verschiebung gar nicht für anwendbar hält; dies ist durch den Wortlaut aber wohl nicht gedeckt. 686 Notification No. LT - 1/3/74 of the Ministry of Foreign Affairs, Dacca, v. 13. April 1974 DOALOS, Baselines Legislation (Fn. 633), S. 62; Prescott/Bird (Fn. 120), S. 279, 288. 687 Erklärung von Bangladesch v. 27. 6. 2001 anlässlich des Beitritts zum SRÜ, LoS Bull. 46 (2001), S. 14, 15. 688 Zumal die Basislinien auch in der Region kritisiert worden sind: Indien und Burma haben die Ziehung zurückgewiesen (Prescott, Maritime Political Boundaries LFn. 54], S. 163,
166).
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b) Art. 7 Absatz 4 SRÜ „Straight baselines shall not be drawn to and from low-tide elevations, unless lighthouses or similar installations which are permanently above sea level have been built on them or except in instances where the drawing of baselines to and from such elevations has received general international recognition. " [Hervorh. v. Verf.]
Wie oben ausgeführt, benutzte Norwegen bei der Ziehung seiner Basislinien trockenfallende Erhebungen. Die ILC hatte sich jedoch in der Vorbereitung des KMÜ dazu durchgerungen, aus Gründen der Rechtssicherheit keine Basispunkte auf trockenfallenden Erhebungen zuzulassen. Auf der Konferenz wurde dieses strikte Verbot durch die „Leuchtturmklausel" aufgeweicht, in der vergeblichen Hoffnung, dadurch Norwegen für das KMÜ zu gewinnen. 689 Um dieses Hindernis für das SRÜ aus dem Weg zu räumen, wurde auf Vorschlag Norwegens eine entsprechende Klausel in den Text eingefügt. 690 Ein weiterer Hinweis auf die besondere Motivation ist in dem Fehlen einer gleichartigen Vorschrift für die Archipelbasislinien zu sehen (Art. 47 IV SRÜ). 691 Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen eine „allgemeine internationale Anerkennung" angenommen werden kann. Vor dem Hintergrund, dass die Erleichterung in Art. 7 IV SRÜ hauptsächlich der besonderen Situation Norwegens - bedingt durch die Anerkennung seines Systems durch den IGH - Rechnung tragen sollte, 692 sind an die Behauptung der internationalen Anerkennung hohe Anforderungen zu stellen. Hier muss ein positives Tun erfolgen - etwa durch die Anerkennung in Verträgen - eine bloße Hinnahme reicht hingegen nicht aus. 693 Sicher völkerrechtmäßig im Sinne von Art. 7 IV SRÜ ist lediglich die Verwendung der trockenfallenden Erhebungen im norwegischen Basisliniensystem. Andere Staaten, die ebenfalls trockenfallende Erhebungen verwendet haben, sind derzeit nicht bekannt. 694 Aus diesem Grund und wegen der Darlegungslast des Staates hinsichtlich des Erfordernisses der internationalen Anerkennung ist es wahrscheinlich, dass Art. 7 IV Hs. 2 SRÜ auf Dauer eine lex norvegia bleiben wird.
c) Art. 121 SRÜ „I. An island is a naturally formed area of land, surrounded by water, which is above water at high tide.
689 Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 86 Fn. 34. 690 Hodgson I Smith, ODIL 1976 (Fn. 166;), S. 225, 239. 691 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 102 para 7.9 (f). 692 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 24 para 53. 693 Reisman /Westerman (Fn. 70), S. 93-94, schlagen einen hohen Standard vor, der sich an den Regeln zum völkerrechtlichen Gebietserwerb orientieren soll. 694 Prescott, in: Brown/Churchill (Fn. 587), S. 288, 309.
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III. Rocks which cannot sustain human habitation or economic life of their own shall have no exclusive economic zone of continental shelf."
Quelle: Carleton/ Schofìeld, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 59 Fig 27. Mit freundlicher Genehmigung der International Boundaries Research Unit, Durham.
Fig. 19: Die Verteilung der Seegebiete um Rockall nach der Rücknahme der Ansprüche durch Großbritannien
Reisman/Westerman
folgern aus Art. 121 SRÜ in der Zusammenschau mit
Art. 7 I SRÜ, dass Felsen i.S.v. Art. 121 III weder als Basispunkte in Frage kommen, noch in der Lage sind, einen „fringe of islands" entlang der Küste gemäß Art. 7 I SRÜ zu bilden. 695 Diese Ansicht vermag in keiner Weise zu überzeugen. 695 Reisman/Westerman
(Fn. 70), S. 85.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Zunächst ist die zugrunde liegende Prämisse, der Begriff der Insel sei im SRÜ anders als im KMÜ definiert, nicht richtig. Die Definitionen sind vielmehr wortgleich (vgl. Art. 10 I KMÜ und Art. 121 I SRÜ). Art. 121 III SRÜ führt lediglich den Felsen, der für menschliche Besiedlung nicht geeignet ist, als Unterkategorie 696 der Insel ein. Felsen bleiben jedoch weiterhin Inseln im Sinne des Art. 121 I SRÜ, 6 9 7 wie sich aus dem klaren Wortlaut des Art. 121 SRÜ ergibt 6 9 8 In der Präzisierung des Inselbegriffs liegt auch kein Widerspruch zum KMÜ, sondern vielmehr eine unschädliche Erweiterung. Art. 121 III SRÜ möchte den Fall vermeiden, dass durch einen einzelnen Felsen große Gebiete Hoher See terraneisiert werden (vgl. Fig. 19), allerdings ist die Rücknahme der durch diesen Felsen begründeten Ansprüche auf eine Fischereizone durch das Vereinigte Königreich bei seinem Beitritt zum SRÜ der einzige bekannte derartige Schritt. Dies bezieht sich jedoch nur auf die im KMÜ nicht behandelte AWZ und den Festlandsockel, nicht aber auf das Küstenmeer. So liegt in dem Schutz der Lebensgrundlage der Küstenbewohner eine wichtige Funktion der AWZ; dieses Schutzes bedarf es jedoch nicht, wenn die fragliche Insel schon gar nicht die Voraussetzungen für das Entstehen lebensfähiger Gemeinschaften mitbringt. 699 Die Situation für das Küstenmeer ist eine ganz andere. Es ist Teil des Staatsgebietes und eben nicht nur Gegenstand funktionaler Hoheitsrechte. Mithin betrifft Art. 121 III SRÜ nur die neugeregelten Rechtsinstitute AWZ und Festlandsockel,700 nicht aber die überkommenen Regelungen zum Küstenmeer. Insoweit übernimmt das SRÜ die Normen des KMÜ; d. h. alle Inseln haben ein Küstenmeer. 701 Selbst wenn dies außer Acht gelassen wird, ist der Ansatz von Reisman/Westerman nicht überzeugend. SRÜ und KMÜ erlauben den Gebrauch von trockenfallenden Erhebungen als Basispunkt, wenn etwa ein Radarreflektor auf dieser Erhebung errichtet ist (vgl. 1. c), S. 134). Es kann nicht überzeugen, dass im Gegensatz dazu eine natürliche Erhebung über der Wasseroberfläche nicht als Basispunkt geeignet sein soll. Jedenfalls zur Abgrenzung des Küstenmeeres können Felsen als Basispunkte herangezogen werden. Es ist nicht Gegenstand dieser Arbeit, zu klären ob 696 Carleton, Chris/Schofield, Clive/ Furness, Shelagh (Hrsg.), Developments in the Technical Determination of Maritime Space: Delimitation, Dispute Resolution, Geographical Information Systems and the Role of the Technical Expert, Maritime Briefing, Bd. 3 No. 4, Durham 2002, S. 35-36. 697 Oppenheim 12/4 (Fn. 110), S. 604 § 190. 698
Um es mathematisch auszudrücken, Felsen sind eine Teilmenge der Menge der Inseln, daher gilt: jeder Felsen ist eine Insel, aber nicht jede Insel ist ein Felsen. 699 ITLOS, The „Volga" Case (Russian Federation v. Australia), No. 11, Prompt Release, Urteil v. 23. 12. 2002, Declaration of Vice President Vukas, ILM 2003 (Bd. 42), S. 159, 178 para 4 - 5 . 700
Charney, Jonathan /., Rocks that cannot sustain human habitation, AJIL 1999 (Bd. 93), S. 863-878, 864. 701 Dahm/Delbrück /Wolf rum 1/1 (Fn. 31), S. 425; Nordquist, Myron H., United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Bd. 3, Dordrecht 1995, S. 33, para 121.12(c).
C. Besonderheiten des SRÜ
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solche Basislinien auch für die Abgrenzung der AWZ herangezogen werden können. Vieles spricht jedoch dafür, 702 nicht zuletzt die Erwägung, dass auch trockenfallende Erhebungen als Teil des Basisliniensystems zur Abgrenzung der AWZ herangezogen werden können, 703 die Eigenschaft der Basislinie als fiktive vereinfachte Küste und vor allem die Akzessorietät des Art. 57 SRÜ zu Teil II / 2 SRÜ. 7 0 4 Ebenso ist die Frage von Felsen in Küstenmeerentfernung zum Festland zu beantworten. Während kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Niedrigwasserlinie einer trockenfallenden Erhebung, die weniger als 12 sm von der Küste entfernt gelegen sind, als normale Basislinie zur Abgrenzung des Küstenmeeres dient - das ergibt sich unzweideutig aus Art. 13 und Art. 121 SRÜ - , aber auch der AWZ herangezogen werden kann, muss dies genauso für Felsen gelten, die weniger als die Küstenmeerbreite vom Festland entfernt liegen. Andernfalls könnte der Staat durch die Beseitigung des über Wasser liegenden Teils des Felsens seine AWZ vergrößern, ein absurdes Ergebnis. Zu der Frage, ob Felsen einen Inselsaum bilden können, sei auf die norwegische Küste verwiesen. Der skjœrgaard besteht zum größten Teil aus kleinsten Felsen, trotzdem wurde er vom IGH für die Basislinienziehung berücksichtigt. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Überlegung durch Art. 121 III SRÜ, der, wie gesagt, nur Bestimmungen zur AWZ und zum Festlandsockel enthält, modifiziert wird, oder eine solche Modifikation den Vertragsparteien auch nur als Möglichkeit vor Augen stand.
C. Besonderheiten des SRÜ Das SRÜ enthält auf technischer und rechtlicher Ebene einige wirkliche, im KMÜ nicht angelegte Neuerungen im Bereich der Küstenmeerabgrenzung: Dies sind vor allem das neue Institut Archipelstaat und erweiterte Publizitätserfordernisse.
I. Teil IV - Archipelstaaten Das SRÜ übernimmt im Wesentlichen die Normen des KMÜ zur Küstenmeerabgrenzung. Dabei macht der Teil 2 mit diesen Normen nur einen Bruchteil des SRÜ aus. Die Bedeutung des SRÜ als „Verfassung der Weltmeere4' ergibt sich viel702 Bowett, Derek W, Islands, in: Bernhardt, EPIL II, S. 1455-1457, 1456. 703 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 50. 704 im Ergebnis so selbst die sonst eher restriktiven Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 73; a. A. allerdings Kwiatkowska, Barbara/Soons, Alfred H.A., Entitlement to Maritime Areas of Rocks which cannot sustain Human Habitation or Economic Life of their own, Netherlands YBIL, S. 139-181, 146-148, die, in Verkennung der Eigenschaft der Basislinien als Fiktion der Küste, trockenfallende Erhebungen nur als Basispunkte für Basislinien des Küstenmeeres zulassen wollen.
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mehr aus den vielen umfassend geregelten Rechtsfragen, die auf den Genfer Seerechtskonferenzen nicht oder nur am Rand behandelt wurden. Eine unter diesen ungeklärten Rechtsfragen betraf die Inselstaaten, die die Besonderheit ihrer Lage nicht hinreichend im System des KMÜ berücksichtigt sahen. Sie konnten in den Verhandlungen der 3. Seerechtskonferenz Sonderregelungen für sich erreichen, die nicht bloß die vorhandenen Normen zur Küstenmeerabgrenzung modifizierten, sondern mit dem Archipelstaat ein ganz neues Rechtsinstitut schufen.
1. Entwicklung des Archipels im Seerecht Während erst in Teil IV SRÜ die Archipelstaaten eine formale Regelung erfahren haben, sind die Ansprüche dieser Staaten auf Anerkennung ihrer besonderen Lage älteren Datums. So hatte bereits der König von Hawaii am 16. 5. 1854 seine Gewässer zwischen den Inseln „from headland to headland" für neutral erklärt. 705 Im 19. Jahrhundert wurde ein einziger, am Ende nicht erfolgreicher Versuch, einen Archipel mit einer über die anerkannte Küstenmeerbreite hinausgehenden Jurisdiktion auszustatten, von der Regierung in Burma 1891 für das Mergui Archipel unternommen. 706 Allerdings wurden verschiedentlich Ansprüche in der verwandten Frage der Einbeziehung von Riffen erhoben, hier sind insbesondere Florida, Kuba, die Bahamas und die Bermudas zu nennen.707
a) Haager Kodifikationskonferenz Die Frage der Archipele wurde ebenfalls im Vorfeld der Haager Konferenz in der vorbereitenden Expertengruppe diskutiert. Zunächst von Schücking nicht in seinem Bericht vorgesehen, 708 wurde dann ein entsprechender Vorschlag des Kommissionsmitgliedes Barbosa de Magalhäes 709 als Art. 5 Abs. 2 in den Entwurf aufgenommen: 705 Jayewardene, Hiran W., The Regime of Islands in International Law, Dordrecht 1990, S. 113; A/Conf.13/18, Evensen, Jens, Certain Legal Aspects Concerning the Delimitation of the Territorial Waters of Archipelagos, UNCLOS I Official Records I, S. 289-302, 299; O'Connell, D.P., Mid-Ocean Archipelagos in International Law, British YBIL 1971 (Bd. 45), S. 1-77,43. 706 Die Hoheitsgewalt erstreckte sich nach Ansicht der Regierung Burmas „to a distance of three miles beyond the water edge of the Archipelago, and includes all waters lying between that line and the mainland", dieser Anspruch wurde 1893 durch die Law Officers der Krone zurückgewiesen {O'Connell, BYIL 1971 [Fn. 705], S. 1,3); Sturies (Fn. 99), S. 32 m. w. N. ™7 O'Connell I (Fn. 27), S. 237-238. 7 08 Rapport (Fn. 103), Schücking Mémoire, S. 42. 709 Rapport (Fn. 103), Observations de M. Barbosa de Magalhäes, S. 60, 67; zustimmend (den Artikel als Vorschlag, nicht als geltendes Recht aufnehmend): Jessup, Philip C., The law of territorial waters and maritime jurisdiction, New York 1927 (Nachdruck New York 1970), S. 457.
C. Besonderheiten des SRÜ
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„S'il s'agit d'un archipel, les îles qui les constituent seront considérées comme formant un ensemble et l'étendue de la mer territoriale sera comptée à partir des îles les plus éloignées du centre de l'archipel." 710
Eine Mehrheit der Regierungen führte in ihren Kommentaren zu dieser Vorschrift aus, dass einer Insel ein Küstenmeer zukomme, jedoch nicht mehr; nur einige wenige unterstützten den Gedanken der „Einheit von Inseln". 711 Das Vorbereitungskomitee gab das Konzept trotzdem nicht auf, sondern entwickelte in der Basis of Discussion No. 13 folgenden Vorschlag: „In the case of a group of islands which belong to a single State and at the circumference of the group are not separated from one another by more than twice the breadth of the territorial waters, the belt of territorial waters shall be measured from the outermost islands of the group. Waters included in the group shall also be territorial waters. The same rule shall apply as regards islands which lie at a distance from the mainland not greater than twice the breadth of the territorial waters." 712
Die wesentlichen, auch für die kommende Diskussion bestimmenden Elemente sind die Festsetzung eines maximalen Abstandes zwischen den Inseln sowie die Aussage zum Status der eingeschlossenen Gewässer. In Übereinstimmung mit einem von Japan formulierten Vorschlag 713 setzte sich im 2. Unterkomitee auf der Konferenz der 10 sm-Abstand durch, womöglich parallel zu der Entwicklung bei der Buchtabschlusslinie. Das Komitee konnte sich aber weder auf technische Einzelheiten noch auf den Status der eingeschlossenen Gewässer • ·
714
einigen. Nach der Haager Konferenz war es Münch, der zum ersten Mal eine genaue technische Definition von Archipelen vornahm. Ausgehend von einer idealtypischen Anordnung von Inseln in einem gleichseitigen Dreieck lässt er eine „Abrundung" zu, wenn von den Verbindungslinien der Inseln weniger als ein Viertel außerhalb des Küstenmeeres liegt. 715 Allerdings gibt Münch selbst vor, dass diese Vorgehensweise auf Gruppen von drei bis vier Inseln begrenzt bleiben müsse, „denn es könnten dann durch Ausgleich Flächen mit zur Gruppe genommen wer7,0 Rapport (Fn. 103), IV. Projet de convention modifié par M. Schücking, a la suite de discusssions du Comité d'experts, S. 72, Art. 5 Abs. 2. 711 Gegen die Idee einer Einheit oder des Archipels sprachen sich aus Südafrika, Deutschland, Australien, Bulgarien, die USA, Großbritannien, Indien, Italien, Neuseeland, Rumänien, nicht gänzlich abgeneigt oder dafür waren Dänemark, Estland, Finnland, Japan, Lettland, die Niederlande und Schweden. Dabei wies explizit nur Deutschland auf die Gefahr hin, die sich aus einer solchen Bestimmung für die Freiheit der Meere ergeben könnte (LoN Doc C.74.M.39.1929.V. [Fn. 104], S. 48-50). 7 '2 LoN Doc C.74.M.39.1929.V. (Fn. 104), S. 51 No.13. 7 '3 Rosenne IV (Fn. 76), LoN Conference Records, S. 1391 [189]. - Japan hatte auch schon 1929 in den Antworten zum Fragebogen für einen 10 sm Abstand argumentiert. 714 Conference for the Codification of International Law, Report of the Second Committee, AJIL 1930 Supp., S. 234, 251. Münch (Fn. 15), S. 111.
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den, die an sich zu groß wären". 716 Die Verbindungslinien der Inseln bilden nach Münch jedoch nicht die Basis für ein weiteres Küstenmeer, sondern die äußere Grenze. Entsprechend kommt den Gewässern innerhalb der Verbindungslinie auch nur der Status von Küstengewässern zu. 7 1 7 Gidel äußerte sich positiv über den Vorschlag Münchs? 18 im übrigen hat er aber wenig Widerhall gefunden. Das Urteil des IGH im britisch-norwegischen Fischereistreit gab der Idee des Archipels allerdings zusätzliches Gewicht. Teil der durch die geraden Basislinien eingegrenzten Gebiete war ein küstennahes Archipel. Eine Übertragung auf ozeanische, küstenferne Archipele lag nahe. 719 b) ILC und Genfer Seerechtskonferenz Im Rahmen der Vorbereitungen der ILC ist wiederum der Expertenbericht von 1953 hervorzuheben, der auf die Frage der Archipele einging und die Ziehung von geraden Basislinien zwischen Inseln dann für möglich hielt, wenn sie weniger als 5 sm, im Einzelfall 10 sm (dann handele es sich um eine fiktive Bucht) voneinander entfernt seien. Die so eingeschlossenen Gewässer seien innere Gewässer. 720 Diese Vorschläge bildeten die Grundlage für den von François vorgeschlagenen Artikel über Inselgruppen. 721 Die erste Diskussion über den damaligen Art. 11 E-KMÜ 1954 erfolgte 1955 in der ILC. Hier wurde nach kurzer Debatte entschieden, Art. 11 ganz zu streichen, teils wohl aus der Befürchtung, in einem Artikel den mannigfachen möglichen Fallgestaltungen nicht gerecht zu werden, teils aus der Überzeugung, dass küstennahe Archipele bereits durch gerade Basislinien innerhalb des späteren Art. 4 KMÜ erfasst seien. 722 Nach erneuter Diskussion 1956, ausgelöst durch die Kommentare der Philippinen und Jugoslawiens, entschied man sich schließlich, die Ausarbeitung eines entsprechenden Artikels der 716 Münch (Fn. 15), S. 114. 717 Münch (Fn. 15), S. 115; Münch lässt jedoch die Möglichkeit offen, den Gruppen den Status von Eigengewässern zu geben, dann müsste „wie bei der Bucht verfahren werden", d. h. die Verbindungslinien wären die Basis für weitere Küstengewässer. 718 Gidel (Fn. 72), S. 717 „On ne peut que rendre hommage à l'ingéniosité de cette suggestion de Munch." Gidel hält den Vorschlag aber nicht für einen Ausdruck geltenden Rechts. 7 19 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 645. 7 20 A/CN.4/61 / Add.l, YBILC 1953 II, S. 77. 7 21 Zunächst 1953 Art. 10, YBILC 1953 II, S. 77; dann 1954 im Bericht von François Art. 12, YBILC 1954 II, S. 5, schließlich im Entwurfstext der Kommission Art. 11, YBILC 1954 II, S. 156. 7 22 YBILC 1955 I, S. 217-218 para 57-66. Später wurde beschlossen, Art. 11 E-KMÜ 1954 als vorläufig gestrichen zu führen, so dass den Regierungen nicht die Möglichkeit eines Kommentars genommen würde (YBILC 1955 I, 252 para 67-73). Trotzdem wurde Art. 11 E1954-KMÜ nicht mehr unter eigener Überschrift erwähnt, sondern lediglich als Hinweis im Kommentar zu Art. 10 E-KMÜ 1955 (YBILC 1955 I, S. 280 para 10; YBILC 1955 II, S. 37).
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Konferenz zu überlassen, mit dem Hinweis, der Kommission fehle für eine genaue Erörterung die Zeit und das Fachwissen.723 In Vorbereitung zu der Genfer Konferenz gab das Sekretariat eine Studie über Archipele in Auftrag. Nach einer ausführlichen Darstellung der verschiedenen Kodifikationsversuche und der Meinungen der Literatur geht sie auch auf die Staatenpraxis ein, und zwar unterteilt nach küstennahen Archipelen („coastal archipelagos") und küstenfernen Archipelen („outlying [mid-ocean] archipelagos"), eine Unterscheidung, die auch schon in Beratungen der ILC anklang, 724 ja schon in der Basis of Discussion No. 13 (vgl. a), S. 154) und in der Begründung des Vorschlages von Magalhäes 725 angelegt ist. Von den untersuchten küstenfernen Archipelen waren lediglich Island und die Philippinen unabhängige Staaten, insbesondere Fidschi und die Salomonen (unter britischer Verwaltung; Großbritannien zeigte sich in seinen Kommentaren an die ILC als ein Gegner des Archipelgedankens), 726 wurden als Beispiele gegen die einheitliche Abgrenzung von Archipelen angeführt. 727 Die Studie kam zu dem Schluss, dass die küstennahen Archipele mit Art. 4 KMÜ (Art. 5 E-KMÜ 1956) angemessen erfasst seien und schlug für die küstenfernen Archipele eine besondere Regelung vor: danach könnten Archipele, die zu einem einzelnen Staat gehören, und „which may reasonably be considered as a whole", mit geraden Basislinien eingeschlossen werden. Die entstehenden Gewässer seien innere Gewässer, allerdings gebe es eine gewichtige Einschränkung: „Where the waters between and inside the islands and islets of an archipelago form a strait, such waters cannot be closed for the innocent passage of foreign ships." 728
Die Genfer Konferenz selbst befasste sich nur kursorisch mit Archipelstaaten. 729 Lediglich die Philippinen 730 und Jugoslawien731 brachten entsprechende Vorschläge 723 YBILC 1956 I, S. 193-194 para 80; ein entsprechender Hinweis wurde in den Kommentar zu Art. 10 E-KMÜ eingefügt (YBILC 1956 II, 271 Art. 10 para 3 und 4). 724 YBILC 1955 I, 218 para 62-66. 725
Rapport (Fn. 103), Schücking Mémoire, Observations de M. Barbosa de Magalhäes, S. 60, 67 „je remarque que ny [im Art. 5 des Entwurfs von Schücking] pas réglé le cas des archipels quand toutes leurs îles sont éloignées du continent de plus de deux fois la largeur de la mer territorial [ . . . ] " . 726 YBILC 1956 II, S. 85 Art. 10. 727 Evensen, UNCLOS I Officiai Records I (Fn. 705), S. 289, 299. 728 Evensen, UNCLOS I Officiai Records I (Fn. 705), UNCLOS I Officiai Records I, S. 289, 302. 729 Vgl. Amerasinghe, C.F., The Problem of Archipelagoes in the International Law of the Sea, ICLQ 1974 (Bd. 23), S. 539-575, 540. 730 A / Conf. 13 / C. 1 / L.98, UNCLOS I Official Records III, S. 239; dieser Vorschlag wurde allerdings vor seiner Beratung zurückgezogen UNCLOS I Official Records III, S. 148 para 26. 731 A/Conf. 13 /C. 1 / L.59, UNCLOS I Officiai Records III, S. 227, auch dieser Vorschlag wurde vom Vertreter Jugoslawiens zurückgezogen, jedoch von Dänemark aufgenommen und wieder zurückgezogen, Diskussion in UNCLOS I Official Records III, S. 161-163 para 23-41.
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ein, nach welchen es möglich sein sollte, küstenferne Archipele mit geraden Basislinien zu umgeben und die so entstandenen Gewässer zu internalisieren; besondere geographische Kriterien waren nicht vorgesehen. Auf der Konferenz selbst setzte sich ein Gegensatz fort, der auch schon in der Arbeit der Kommission und der Studie zu Tage getreten war: Die Befürworter der Archipellösung trafen auf die vehementen Vertreter der Schifffahrtsfreiheit. 732 Die in der Studie angedeutete Kompromissformel fand nur wenig Beachtung.733 Ein greifbares Ergebnis wurde nicht erreicht. 734 c) 3. UN-Seerechtskonferenz Die Zahl der unabhängigen Staaten, die für eine Regelung als Archipelstaat in Betracht kamen, stieg in den 1960er Jahren sprunghaft an. Dies erhöhte den Druck, in den Verhandlungen von UNCLOS III eine sowohl für die Befürworter der Schifffahrtsfreiheit als auch für die Archipelstaaten akzeptable Lösung zu finden. Schon vor der Aufnahme der Verhandlungen hatten einige Staaten die Gewässer zwischen ihren Inseln eingeschlossen, bzw. besondere Rechte beansprucht, insbesondere die Philippinen 735 und Indonesien736. Die widerstreitenden Interessen der großen seefahrenden Nationen und der Archipelstaaten wurden durch einen Kompromiss gelöst, der auf folgenden Kernpunkten beruhte: der Einführung eines eigenen Status der Archipelgewässer mit besonderen Durchfahrtsrechten, die Einführung von nachprüfbaren „harten" geographischen Kriterien und die Beschränkung auf Inselstaaten, d. h. den Ausschluss von Archipelen, die zu einem Festlandstaat gehören. 737 Diese Entwicklung nahm 732
Vgl. die Ausführungen des US-amerikanischen Vertreters Dean (UNCLOS I Official Records III, S. 25 para 3) mit denen des indonesischen Vertreters Subardjo (UNCLOS I Official Records III, S. 43-44 para 1-10). 733 So bezog sich der indonesische Vertreter Subardjo darauf in seiner Antwort auf den Vorwurf der USA, die Abgrenzung von Archipelen sei ein Angriff auf die Schifffahrtsfreiheit (UNCLOS I Official Records III, S. 43) - Indonesien hatte zu dieser Zeit schon Archipelbasislinien eingeführt, siehe dazu O'Connell, BYIL 1971 (Fn. 705), S. 1, 38-42, auch äußerte sich der dänische Vertreter Sörensen sehr positiv über die Studie und nahm sie zum Anlass, den Vorschlag Jugoslawiens wieder aufzunehmen, UNCLOS I Official Records III, S. 162 para 29. 734 Schon zu Beginn der Verhandlungen hatte der indonesische Gesandte appelliert „The fact that the nations most directly interested in the question were few and comparatively weak was no reason for leaving the problem unresolved." UNCLOS I Official Records III, S. 44 para 10. Tatsächlich konnte aber erst mit steigender Zahl potentieller Archipelstaaten eine Lösung erzielt werden. 73 5 Vgl. Note verbale als Antwort auf den ILC Fragebogen A/CN.4/99, YBILC 1956 II, S. 69-70; ST/Leg/Ser.B/6 UN Legislative Series, Laws and Regulations on the Regime of the Territorial Sea, New York 1957, S. 39; Republic Act 3064 (1961), in Limits 33 (1971). 73 Act No. 4, v. 18. 2. 1960, Limits 35 (1971); vgl. auch Announcement on the Territorial Waters of the Republic of Indonesia v. 14. 12. 1957, in Auszügen in: Whiteman (Fn. 489), 1965 (Bd. 4), S. 284. 737 Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 646; O'Connell I (Fn. 27), S. 256-257.
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ihren Ausgang 1971, als der Repräsentant Fidschis im Meeresbodenkomitee vehement für die allgemeine Anerkennung des Archipelprinzips eintrat. 738 1973 brachten Fidschi, Indonesien, Mauritius und die Philippinen zwei Vorschläge über Archipelstaaten ein, 7 3 9 ohne bereits klare Definitionsmerkmale für Archipelstaaten vorzusehen. Auf der Seerechtskonferenz selbst bestand in der frühen Phase noch keine Einigkeit, ob auch küstenferne Archipele, die Teil eines Staates sind, Archipelgewässer haben könnten. 740 Die folgenden Verhandlungen wurden hauptsächlich zwischen den seefahrenden Nationen („maritime states4') und den vier Verfechtern des Archipelprinzips (Fidschi et al.) geführt. 741 Der Durchbruch gelang durch ein Kompromisspapier der Bahamas.742 Das Papier enthält bereits alle wesentlichen Gedanken des späteren Teils IV, insbesondere die Kriterien der Basislinienlänge und des Verhältnisses von Wasser zu Land, sowie das Recht der friedlichen Durchfahrt durch Archipelgewässer und die Idee der Archipelschifffahrtswege. Die meisten dieser Bestimmungen wurden in den ISNT 1975 übernommen. Neben detaillierten Bestimmungen über Archipelstaaten ließ Art. 131 ISNT noch die Möglichkeit für Festlandstaaten offen, ihre küstenfernen Archipele ebenfalls mit Basislinien zu versehen. 743 Diese Möglichkeit entfiel im RSNT 1976. 744 Mit diesem Text waren daher die Kernpunkte des angesprochenen Übereinkommens zwischen den Archipelstaaten und den seefahrenden Staaten abgeschlossen.
2. Teil IV im Einzelnen a) Art. 46 SRÜ - Use ofterms „For the purposes of this Convention (a) archipelagic State' means a State constituted wholly by one or more archipelagos and may include other islands;"
Art. 46 (a) SRÜ stellt klar, dass sich Teil IV ausschließlich auf Inselstaaten bezieht („constituted wholly"). Auch kann der Archipelstaat aus mehreren Archivs O'Connell, BYIL 1971 (Fn. 705), S. 1, 49. 739 A / A C . 138/SC.II/L. 15, SBC Report 1973 Bd. 3, S. 1 und A / A C . 138/SC.II/L.48, SBC Report 1973 Bd. 3, S. 102. Dazu näher Sturies (Fn. 99), S. 105 - 107. 740 Vgl. A / Conf.62 / L.8 / Rev. 1, Annex II, Appendix I, Provision 202, UNCLOS III Official Records III, S. 136. 741 Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 402 para IV.9. 742 18 Principles for Inclusion in Archipelagic Articles, abgedr. in Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 405-406. 743 A /Conf.62/WP.8/Part II, Part VII Art. 131, UNCLOS III Official Records IV, S. 170: „The provisions of section 1 are without prejudice to the status of oceanic archipelagos forming an integral part of the territory of a continental state." 744 A/Conf.62/WP.8/Rev. 1 / Part II, UNCLOS III Official Records V, S. 170-172.
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pelen und überdies noch einzelnen Inseln bestehen; dies lässt dem Archipelstaat die größtmögliche Freiheit in der Auswahl seiner Basislinien (vgl. Art. 47 III SRÜ, cc), S. 165). „(b) ,archipelago' means a group of islands, including parts of islands, interconnecting waters and other natural features which are so closely interrelated that such islands, waters and other natural features form an intrinsic geographical, economic and political entity, or which historically have been regarded as such."
Art. 46 (b) SRÜ verdeutlicht die Unterscheidung Archipelstaat - Archipel. Auch Teile von Inseln können zu einem Archipel gehören; dies hat besondere Bedeutung für potentielle Archipelstaaten, die über bedeutende Inseln nicht allein Souveränität haben, etwa Indonesien (Borneo, Neu Guinea) und Papua Neu Guinea (Neu Guinea). 745 Insbesondere die „dazwischenliegenden Gewässer" sind nach der Legaldefinition Teil des Archipels. Sie bilden eine Einheit mit den Inseln, eine Entwicklung, wie sie die Formulierung von Magalhäes vorweggenommen zu haben scheint.
C
a
r
i
b
b
e
a
n
S e a
Quelle: Carleton/Schofield, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 51 Fig. 24. Mit freundlicher Genehmigung der International Boundaries Research Unit, Durham.
Fig. 20: Ziehung der Archipelbasislinien von Jamaika
Bei der Ziehung der Archipelbasislinien kann Jamaika die Kriterien des Art. 47 SRÜ einhalten. Parallel zu den Artikeln über Buchten (Art. 7 II S. 1 KMÜ/10 II S. 1 SRÜ) und geraden Basislinien (Art. 4 I K M Ü / 7 I SRÜ) gibt auch Teil IV 745 Vgl. hierzu Francalanci, G./Scovazzi, T. Lines in the Sea, S. 102- 103, Karte Nr. 48 (Indonesien) und Declarations of the Baselines by Method of coordinates of basepoints for purposes of the location of archipelagic baselines, LoS Bulletin 50 (2002), S. 31, Karte S. 34.
C. Besonderheiten des SRÜ
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SRÜ in Art. 46 (b) SRÜ zunächst eine allgemeine Beschreibung des Archipels. Statt es jedoch wie Art. 7 I SRÜ bei einer „weichen" Beschreibung zu lassen, beschreitet Teil IV den Weg von Art. 10 SRÜ und lässt der allgemeinen Beschreibung in Art. 47 SRÜ nachprüfbare geographische Kriterien folgen. Es ist sehr fraglich, ob Art. 46 (b) darüber hinaus noch ein einschränkender Charakter zukommt, es fehlt an jeder Objektivierbarkeit von „eng miteinander in Beziehung stehen" („closely interrelated"). Die sich am ehesten anbietende Untersuchung etwa gewachsener Gemeinsamkeiten, also einer historischen Beziehung, ist nach Art. 46 (b) 2. Alt. SRÜ ausgeschlossen.746 Auch „geographische Einheit" ist objektivierbar, allerdings durch Art. 47 SRÜ bereits hinreichend konkretisiert. Es scheint nicht vorstellbar, bei der Erfüllung von Art. 47 III SRÜ einen Archipelanspruch gerade am Kriterium „geographische Einheit" scheitern zu lassen. Als ein Beispiel hierfür sei Jamaika genannt. Obwohl kein Archipel im klassischen Sinn, erfüllt es doch die Voraussetzungen nach Art. 47 SRÜ (vgl. Fig. 20). 7 4 7 Bislang sind gegen den Archipelanspruch denn auch keine Proteste erhoben worden. 748 Parallel zu der oben entwickelten Lösung für Art. 7 KMÜ/ 10 SRÜ ist festzustellen, dass Art. 46 (b) SRÜ nicht jeglicher juristischer Gehalt fehlt. Die Norm hat wenigstens die Funktion, offensichtlich ungeeignete Inseln von einer weiteren Untersuchung auszuschließen. Allerdings fällt es angesichts der geringen Greifbarkeit der Kriterien schwer, einen Beispielsfall für eine solche offensichtliche Ungeeignetheit zu bilden. Insbesondere dann, wenn die Kriterien Staatsvolk und Staatsgewalt für die jeweiligen Inseln erfüllt sind, kann wohl immer von einer hinreichenden politischen Einheit ausgegangen werden. In allen Fällen, in denen ernsthafte Zweifel an der Erfüllung von Art. 46 (b) SRÜ bestehen, sind ebensolche Zweifel an der eigentlichen Staatsqualität des beanspruchenden Staates angebracht.
b) Art. 47 SRÜ - Archipelagic baselines Art. 47 SRÜ enthält die eigentlichen Kernvoraussetzungen, die letztlich die Ziehung der Archipelbasislinien und damit die Ausdehnung der Archipelgewässer innerhalb und des Küstenmeeres außerhalb des Archipels bestimmen. Dabei greift Art. 47 SRÜ ζ. T. auf bereits aus Teil I I / 2 bekannte Instrumente zurück, etwa auf die einfache Längenbegrenzung in Abs. 2. 746
A.A. Herman, L.L., The modern Concept of the off-lying archipelago in international law, Canadian YBIL 1985 (Bd. 23), S. 172-200, 179-180, der in Art. 46 SRÜ einen weitergehenden überprüfbaren Charakter zubilligt und einen „entity test" durchführen will, und Munavvar, Mohamed, Ocean States, Archipelagic Regimes in the Law of the Sea, Dordrecht 1995, S. 128. 747 Carleton/Schofield, Maritime Briefing 3 - 3 (Fn. 137), S. 51 (vgl. unten Fn. 798). 748 Als Hinweis hierfür mag auch die Billigung des Anspruchs durch die sonst eher restriktiven USA gelten (US Commentary [Fn. 178], S. 14; vgl. auch Roach/Smith, US Responses 1996 [Fn. 136], S. 213-215). 11 Trümpier
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
aa) Art. 47 Absatz 1 SRÜ „An archipelagic State may draw straight archipelagic baselines joining the outermost points of the outermost islands and drying reefs of the archipelago provided that within such baselines are included the main islands and an area in which the ration of the area of water to the area of the land, including atolls is between 1 to 1 and 9 to 1
Art. 47 I SRÜ enthält eine der Kernvoraussetzungen des Archipelstaates: das Verhältnis von Land zu Wasser. Indem dieses Verhältnis zwischen 1:1 und 1:9 festgelegt wird, ist der Kreis der möglichen Archipelstaaten erheblich eingeschränkt, und zwar auf Inselstaaten, die in etwa der Konfiguration der vier Hauptbefürworter der geraden Basislinien entsprechen. 749 Durch das - zunächst überraschende - Minimalverhältnis von 1:1 sind Staaten ausgeschlossen, die im wesentlichen aus einer oder mehreren großen Inseln bestehen, etwa Japan, Irland, Island, Kuba, Madagaskar, Neuseeland und Großbritannien. 750 Auch Trinidad und Tobago gehörten nach einer früheren Ansicht zu diesen Staaten,751 gleichwohl hat dieser Inselstaat Archipelbasislinien gezogen und ausreichend Wasser zur Erreichung des Minimal Verhältnisses von 1:1 einbezogen.752 Durch das maximale Verhältnis von 9:1 ist der Archipelstatus sehr weitverstreuten Staaten versperrt, u. a. Mikronesien. 753 Hingegen kann etwa Kiribati trotz der weiten Streuung seiner Inseln sehr wohl Archipelbasislinien (zumindest bei der Aufteilung in mehrere Archipele) ziehen. 754 Die eigentliche Berechnung des Wasser/Land Verhältnisses ist unproblematisch, soweit bekannt ist, was als Land zu berück749 O'Connell I (Fn. 27), S. 257. 750 Hodgson! Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243; Churchill/Lowe
(Fn. 144), S. 123.
751 Prescott, Maritime Political Boundaries (Fn. 54), S. 338; ders., Straight and Archipelagic Baselines, in: Blake, Gerald, Maritime Boundaries and Ocean Resources, Totowa, NJ 1987, S. 38-51, 47. 752 Vgl. Archipelagic Waters and Exclusive Economic Zone Act, 1986, Act No. 24 v. 11.11. 1986, LoS Bull. 9 (1987), S. 6, Archipelagic Baselines of Trinidad and Tobago Order, 1988 Notice n° 206 v. 31. 10. 1988 (1), Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, The law of the sea: Practice of archipelagic states, New York 1992, S. 109; State Department Telegram 075631 v. 14. 3. 1987 an die Botschaft in Port of Spain, Roach/Smith, US Responses 1996 (Fn. 136), S. 403-404; US Commentary (Fn. 178), S. 14. 753 Andrew ; Dale, Archipelagos and the law of the sea - Island straits states or islandstudded sea space?, Marine Policy 1978, S. 46-78, 59 Fn. 68. Mikronesien hat das SRÜ am 39. 4. 1991 ratifiziert und erhebt ζ. Ζ. keine Ansprüche auf Archipelstatus. 754 US Commentary (Fn. 178), S. 14; vgl. Kwiatkowska, Barbara/Agoes, Etty R., Archipelagic Waters: An Assessment of National Legislation, in: Wolfrum, Rüdiger, Law of the Sea at the Crossroads, Berlin 1991, S. 108-163, 137; a. A. Prescott, in: Blake (Fn. 751), S. 47. Kiribati hat, mit anderen Staaten, dieses Verhältnis (und auch die Basislinienlänge) als willkürlich kritisiert und als nicht bindend für die Staaten bezeichnet, die zu arm gewesen seien, um sich an den Verhandlungen zu beteiligen (ebd., S. 48). Kiribati hat das SRÜ am 24. 2. 2003 ratifiziert und mit dem Marine Zones (Declaration) Act, 1983 No. 7 v. 16. 5. 983 (DOALOS, Practice of Archipelagic States [Fn. 752], S. 56) Archipelstatus beansprucht, aber noch keine Basislinien auf dieser Grundlage gezogen (Roach/Smith, US Responses 1996 [Fn. 136], S. 213).
C. Besonderheiten des SRÜ
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sichtigen ist. Insoweit kommt Art. 47 VII SRÜ (vgl. (gg), S. 167) entscheidende Bedeutung zu. In den Basislinien müssen die „Hauptinseln" eingeschlossen werden. Diese Vorschrift läuft schon deshalb größtenteils ins Leere, weil der Begriff der Hauptinsel nicht definiert ist und sich keine Definitionsbasis anbietet; es könnte sich um die flächenmäßig größten Inseln, die ökonomisch bedeutendsten Inseln oder den Sitz der Verwaltung handeln. 755 Fast völlig ohne Wert scheint die Bestimmung aber deshalb, weil dem Staat eben die Möglichkeit offen steht, mehrere Archipele abzugrenzen, die natürlich auch nahe beieinander liegen können. Schließlich können die Basislinien von den äußersten Inseln und trockenfallenden Riffen aus gezogen werden. Hier ist fraglich, ob die Nennung von trockenfallenden Riffen lediglich ein Vorgriff auf Absatz 4 ist, oder ob Abs. 1 mit trockenfallenden Riffen eine eigene Kategorie von tauglichen Basispunkten einführt. Mit Blick auf Teil II SRÜ drängt sich die Antwort auf, dass Riffe und trockenfallende Erhebungen zu unterscheiden sind. Wird in systematischer Auslegung auf Art. 6 SRÜ rekurriert (vgl. A. III., S. 49), ist „drying reefs" auf Riffe nach Artikel 6 beschränkt. „Drying reefs" ist dann synonym zu „low water line of the reef. Trockenfallende Riffe, die nicht gem. Art. 6 SRÜ einer Insel zurechenbar sind, können daher keine Archipelbasispunkte sein. Es würde der Systematik von Teil II widersprechen, Erhebungen im Meer, die nicht mit Festland oder Insel in Verbindung stehen (sei es auch nur durch räumliche Nähe), die also nach Teil II in keiner Weise auf die Abgrenzung einer maritimen Zone einwirken, in Teil IV eine solche Rechtsqualität zuzubilligen, dass sie taugliche (Archipel-)Basispunkte bilden.
bb) Art. 47 Absatz 2 SRÜ „The length of such baselines shall not exceed 100 nautical miles, except that up to 3 per cent of the total number of baselines enclosing any archipelago may exceed that length, up to a maximum length of 125 nautical miles."
Abs. 2 ist neben dem Wasser/Land-Verhältnis aus Abs. 1 der einzige weitere „harte", determinierende Faktor in Art. 47 SRÜ. Dabei betrifft Abs. 1 das Ob und Abs. 2 das Wie der Basislinienziehung. In der Regel wird dem Archipelstaat die Wahl einer kürzeren Basislinie möglich sein, 756 so dass die Einordnung als Archipel nicht an der Längenbegrenzung scheitern wird. Deutliche Ähnlichkeiten zu 755 Prescott, in: Blake (Fn. 751), S. 46; Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 124 para 3; DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 35 para 82. A.A. Jayewardene (Fn. 705), S. 144- 145, der durch die Vorschrift bestimmte Inseln ohne Bedeutung und Inseln, die zu einem Kontinentalstaat gehören, ausgeschlossen sieht. 756
So haben die Philippinen zwar eine Basislinie von 140,05 sm gezogen, die aber leicht revidiert werden könnte (Basislinie No. 26 zu Tonquil Island, An Act to Define the Baselines of the Territorial Sea of the Philippines v. 18. 5. 1961, Limits 33, S. 2, 9; Kwiatkowska/ Agoes, in: Wolfrum [Fn. 754J, S. 108, 137, vgl. auch unten Fn. 821). II*
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Art. 7 KMÜ / 10 SRÜ sind auch hier zu erkennen, so ähnelt das Land / Wasser Verhältnis dem Halbkreiserfordernis, die Basislinienlänge der Buchtabschlusslänge. Während die Maximallänge von 100/125 sm nicht über die Existenz oder Nichtexistenz eines Archipels entscheiden dürfte, hat sie zumindest Einfluss auf seine Gestalt, indem sie die Einbeziehung weit außerhalb gelegener Inseln verbietet. 757 Weiter enthält Abs. 2 die Vorgabe, dass lediglich 3 % der Gesamtzahl der Basislinien über 100 sm und bis zu 125 sm lang sein dürfen. Die Verhandlungsführer haben die Gefahr, die mit der Verknüpfung der Länge der Basislinien und ihrer Zahl verbunden ist, wohl gesehen. Der tragende Gedanke war folgender: Sollte ein Staat eine größere Zahl an längeren Basislinien benötigen, so würde er die bestehenden (vorläufigen) Basislinien verkürzen, um dafür die absolute Zahl zu erhöhen. Als Folge würden sich Gebietsgewinn durch die überlangen Basislinien und Gebietsverlust durch die Kürzung ausgleichen.758 Nun mag diese Gleichung durchaus etwas für sich haben; sie lässt jedoch außer Acht, dass der Archipelstaat etwa bei der Führung der Basislinien um eine Insel beinahe beliebig viele Basislinien verwenden kann, ohne einen nennenswerten Gebietsverlust hinnehmen zu müssen.759 Im Regelfall sollte es daher dem Staat gelingen, die gewünschte Zahl überlanger Basislinien zu erreichen. 760 Die erlaubte Höchstlänge hat selbst für Verhältnisse des im letzten Jahrhundert so dynamischen Seerechts eine rasante Entwicklung genommen: von der doppelten Küstenmeerbreite (damals 6 sm) im Vorfeld der Haager Konferenz, über 10-25 sm in den Beratungen der ILC (Länge der Buchtabschlusslinie), 48 sm im Vorschlag von Großbritannien im Meeresbodenkomitee, 761 80 sm bei 2% der Basislinie mit einer Länge von bis zu 125 sm im Vorschlag der Bahamas,762 bis zu den heutigen 100/125 sm im ISNT. 763 Neben dieser Verzwanzigfachung der ursprünglichen Länge nimmt sich die Verdoppelung der Buchtabschlusslinie bescheiden aus. 757 Kwiatkowska/Agoes, in: Wolfrum (Fn. 754), S. 108, 137. 758 Hodgson /Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243. 759 Vgl. DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 35 para 83; Prescott, S. 46-47.
in: Blake (Fn. 751),
760 Nicht ausreichend bedacht wurde diese Vorschrift anscheinend von den Malediven, die bei der Ersetzung ihres Küstenmeerrechtecks durch Archipelbasislinien bei 37 Archipelbasislinien insgesamt 3 Linien (zwischen Punkten 14-15, 28-29 und 36-37) von mehr als 100 sm Länge gezogen haben. (Maritime Zones of Maldives Act No. 6/96 LoS Bull 41 [1999], S. 16; 81. U.S. telegram concerning certain provisions of Maldives law not in conformity with international law as reflected in the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea, v. 21. 6. 2001 an die US Botschaft in Colombo ). 761 A / AC. 138/ SC.Il/L.44, SBC Report 1973, S. 99, der freilich ohne viel Unterstützung blieb, Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 423 para 47.4. 762 18 Principles, abgedr. in Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 405-406, para 3. (b). 763 A / Conf.62 / WP. 10, Art. 47, UNCLOS III Official Records VIII, S. 1, 11 - 12.
C. Besonderheiten des SRÜ
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cc) Art. 47 Absatz 3 SRÜ „The drawing of such baselines shall not depart to any appreciable extent from the general configuration of the archipelago."
Absatz 3 ist offensichtlich durch Art. 4 II K M Ü / 7 III SRÜ inspiriert. 764 Bereits dort ist eine Analyse dieser Voraussetzung schwierig und die Staatenpraxis uneinheitlich, jedoch bietet sich mit dem oben vorgeschlagenen doppelten Flächenvergleich jedenfalls ein objektivierbarer Indikator an; dass dieser Indikator, wie auch andere vorgeschlagene Tests, etwa die auf Richtungslinien basierenden, überhaupt im Rahmen von Art. 7 SRÜ anwendbar ist, gründet darauf, dass mit der Küste wenigstens der Ausgangspunkt feststeht. Dies ist in Art. 47 III SRÜ jedoch nicht der Fall; während zumindest die Gestalt der Küste an einem Ort feststeht und davon ausgehend über die richtige Definition der „allgemeinen" Richtung der Küste gestritten werden kann, ist die Feststellung des „Umrisses" des Archipels höchst subjektiv. Insbesondere durch die Formulierung in Art. 46 (b) SRÜ steht es dem Staat offen, einzelne Inseln, ja sogar Teile von Inseln 765 nicht in das Archipel aufzunehmen bzw. Gruppen von Inseln als eigene Archipele zu bezeichnen. Durch die Adjektive „general" und „appreciable" wird Art. 47 III SRÜ vollends zur Worthülse. Abs. 3 könnte wegfallen, ohne eine Lücke zu hinterlassen. 766 Insbesondere hat Abs. 3 auch keinen erkennbaren Einfluss auf bestehende Archipelbasislinien gehabt, die sämtlich auf Maximierung der Archipelgewässer und die Erfüllung des Land/Wasser Verhältnisses ausgerichtet sind; als Beispiel seien hier die Fidschi Inseln genannt, mit der weit ausgreifenden Grenzziehung nach Ono Lau. 7 6 7
dd) Art. 47 Absatz 4 SRÜ „Such baselines shall not be drawn to and from low-tide elevations, unless lighthouses or similar installations which are permanently above sea level have been built on them or where a low-tide elevation is situated wholly or partly at a distance not exceeding the breadth of the territorial sea from the nearest island."
Abs. 4 geht ebenfalls auf eine Bestimmung aus dem Bereich der geraden Basislinien zurück, nämlich auf Art. 4 III K M Ü / 7 IV SRÜ. Anders als in Art. 7 IV SRÜ fehlt freilich der Hinweis auf trockenfallende Erhebungen, die internationale Anerkennung erlangt haben. Vor dem Hintergrund, dass bereits in den 1960er Jahren einige Staaten Archipelbasislinien gezogen haben (also historische Anerkennung durchaus möglich gewesen wäre), ist dies ein weiterer Hinweis auf die 764 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 36 para 84. 765
Vgl. hierzu die Basislinienziehung von Indonesien um Neu Guinea, Limits 35. 66 Hodgson!Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243-244; a. A. wohl Munavvar (Fn. 746), S. 123, der jedoch die Problematik ohne Beachtung der Besonderheiten der Inselstaaten mit Art. 7 SRÜ gleichsetzt. 767 Vgl. Francalanci/Scovazzi (Fn. 745), Karte 51, S. 109. 7
1 6 6 K a p . 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
Berücksichtigung des Sonderfalles Norwegen in Art. 7 IV SRÜ. Dafür weist Abs. 4 eine andere Besonderheit auf: Trockenfallende Erhebungen, die im Bereich der Küstenmeerbreite liegen, dürfen als Basispunkte für Archipelbasislinien herangezogen werden. Dies ist ein Rückgriff auf Art. 13 I S. 2 SRÜ und eine Modifikation von Art. 7 IV SRÜ. Bereits in der Vorbereitung der Genfer Konferenz diskutierte die ILC die Frage, warum zwar die Niedrigwasserlinie einer trockenfallenden Erhebung Basislinie für das Küstenmeer sein konnte, nicht aber Basispunkt für die Ziehung gerader Basislinien. Dies wurde mit zwei Argumenten gerechtfertigt: Zum einen könnte die gerade Basislinie weiter von der Küste entfernt als zur Erreichung ihres Zweckes notwendig gezogen werden, zum anderen könnte man bei Hochwasser nicht einmal die Endpunkte der Basislinie sehen.768 Beide Überlegungen greifen im Bereich der Archipele nicht. Wird als Zweck der geraden Basislinien die Vereinfachung des Küstenmeeres unterstellt, gilt dies keineswegs für Archipelbasislinien. Diese sollen vielmehr der besonderen geographischen Situation des Archipels und den Interessen der Archipelstaaten Rechnung tragen; sie sind also nicht auf die Vereinfachung maritimer Zonen ausgerichtet. Daher ist die Ziehung von Archipelbasislinien zu Punkten, die ohnehin schon Basislinie für das Küstenmeer sein können, unschädlich. Auch die Sichtbarkeit der Endpunkte spielt bei Basislinien, die bis zu 125 sm lang sein können, eine untergeordnete Rolle. Daher ist Abs. 4 HS 2 kein Widerspruch zu Art. 7 IV SRÜ, sondern beseitigt vielmehr einen sonst entstehenden Wertungswiderspruch zu Art. 13 SRÜ und Art. 47 II SRÜ. ee) Art. 47 Absatz 5 SRÜ „The system of such baselines shall not be applied by an archipelagic State in such a manner as to cut off from the high seas or the exclusive economic zone the territorial sea of another state."
Diese Vorgabe findet sich auch in Art. 4 V K M Ü / 7 VI SRÜ. Die Schlussfolgerungen aus diesen Artikeln lassen sich daher übertragen. Im Kontext der Archipelbasislinien ist dabei hervorzuheben, dass jeder Teil eines Staates einen freien Zugang zur Hohen See/AWZ haben muss. Die Gefahr, das Küstenmeer eines anderen Staates von der Hohen See /der AWZ abzuschneiden ist bei isoliert liegenden Inselstaaten wie z. B. Fidschi nicht allzu groß. Anders verhält es sich jedoch in Süd-Ost Asien, insbesondere Indonesien. Hier lässt zwar schon das alte Basisliniensystem von Indonesien an der Küste Ost-Timors eine Lücke, 769 allerdings wird Indonesien im Zuge der Neu-Festlegung seines Basisliniensystems auf einen angemessenen Zugang auch der Nordseite Ost768 YBILC 1956 II, S. 268 Art. 4 para 8 und S. 270 Art. 11 para 2; vgl. auch Fitzmaurice, ICLQ 1959 (Fn. 110), S. 73, 87; Oppenheim I 2 / 4 (Fn. 110), S. 605-606 para 192 Fn. 2. 769 Die Situation ist durch die „Timor-Gap" Problematik verschärft. Die nicht fixierte Seegrenze zwischen Australien und Ost-Timor als Resultat des portugiesischen Rückzuges aus Ost-Timor und der folgenden Besetzung durch Indonesien, führt so nicht nur in der Rohstoffverteilung zwischen Timor-Leste und Australien zu Unklarheiten. Seit der Unabhängigkeit
C. Besonderheiten des SRÜ
167
Timors, mit allen wichtigen Häfen, insbesondere D i l i , zur Hohen See achten müssen. Vor allem darf die timoresische Enklave Ambeno (Okussi) nicht durch die Basislinien von der Hohen S e e / A W Z abgeschnitten werden; dasselbe gilt für die Insel Atauro. Insoweit werden die 1960 gezogenen Basislinien völkerrechtlich fragwürdig, da sie mit Punkt 114 und 115 die damals portugiesische Enklave ganz umschließen. 7 7 0 Churchill/Lowe sehen für Singapur eine ähnliche Gefahr. 7 7 1
ff) Art. 47 Absatz 6 SRÜ „If a part of the archipelagic waters of an archipelagic State lies between two parts of an immediately adjacent neighbouring State, existing rights and all other legitimate interests which the latter State has traditionally exercised in such waters and all rights stipulated by agreement between those States shall continue and be respected." Abs. 6 ist eigentlich in Art. 47 SRÜ nicht richtig platziert, betrifft er doch weder die Art und Weise noch die Voraussetzungen der Grenzziehung. Eine Lage, wie sie der Artikel beschreibt, bestand zwischen Malaysia und Indonesien unter den alten Archipelbasislinien Indonesiens. 7 7 2 Da der Artikel jedoch nicht die eigentliche Abgrenzung, sondern vielmehr den Status des abgegrenzten Gebietes betrifft, soll auf ihn nicht näher eingegangen werden.
gg) Art. 47 Absatz 7 SRÜ „ i n F o r the purpose of computing the ratio of water to land under paragraph one, land areas may include waters lying within the fringing reefs of islands and atolls, f2 1 including that part of a steep sided oceanic plateau which is enclosed or nearly enclosed by a chain of limestone islands and drying reefs on the perimeter of the plateau." [Zählung vom Verf. hinzugefügt]. Art. 47 V I I SRÜ greift die in Art. 7 I I I K M Ü / 1 0 I I I SRÜ bewährte Technik der Rechenvorschrift auf, um eine nicht unwesentliche Modifikation an Art. 47 I SRÜ vorzunehmen. Diese Vorschrift führt in vielen Fällen zu einer substantiellen Vervon Timor-Leste ist wegen der in diesem Gebiet vermuteten Erdölvorkommen zwar hauptsächlich die Grenze zu Australien diskutiert worden, aber auch die lateralen Grenzen zu Indonesien sind nicht festgelegt. Die Lücke im Basisliniensystem rührt von dessen Festlegung im Jahre 1960, also noch zu portugiesischen Kolonialzeiten, her (vgl. DOALOS, Baselines Legislation [Fn. 633], Karte S. 193). 770 Andererseits liegt die nächste indonesische Insel teilweise in einem Abstand von weniger als 24 sm, so dass Ambeno womöglich auch ohne die Ziehung von Archipelbasislinien keinen freien Zugang zur Hohen See hat. Dies ändert jedoch nichts an der Geltung von Art. 47 V SRÜ. 77 1 Churchill/Lowe (Fn. 144), S. 124 para 6, allerdings tendieren sie wohl zu der Auffassung, dass gerade Archipelbasislinien zumindest dann gezogen werden dürfen, wenn auch ohne sie kein Zugang zur AWZ bestünde. 77 2 Vgl. DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 36 para 89.
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Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
änderung des Wasser/Land-Verhältnisses. So würden einige Archipel Staaten ohne diese Fiktion das Land / Wasser-Verhältnis nicht erfüllen. 773 Anders als Art. 10 III SRÜ ist die Vorschrift jedoch nicht zwingend, der Staat kann („may") diese Flächen heranziehen; sollte sich dadurch aber das Land/Wasser-Verhältnis auf über 1:1 erhöhen, können diese Flächen auch außer Betracht bleiben. Abs. 7 nennt zwei Wasserflächen, die der Archipelstaat seinem Landgebiet hinzurechnen kann. Zum einen sind dies die Gewässer, die von Saumriffen von Inseln und von Atollen eingeschlossen werden. Diese Definition schließt in jedem Fall die Gewässer landwärts der nach Art. 6 SRÜ gezogenen Basislinie ein (vgl. d), S. 171 und A.III., S. 49). Auf Grund der enormen Bedeutung dieser Gewässer für die Bevölkerung der Inseln und der damit einhergehenden engen Verflechtung von Land und Wasser ist dies auch sachlich gerechtfertigt. Teils wird vertreten, Art. 47 VII HS. 1 SRÜ gehe über Art. 6 SRÜ hinaus, da es sich bei den Saumriffen nicht um trockenfallende Riffe handeln müsse. Daraus folge, dass der Archipelstaat auch die Flächen landwärts von ständig unter Wasser liegenden Riffen zu seinem Landgebiet zählen darf. 774 Hier kann die Basislinienziehung von Fidschi als Beispiel angeführt werden, folgt doch die Linie zur Abgrenzung der inneren Gewässer am westlichen Ende von Vanua Levu z.T. einem ständig unter Wasser liegenden Riff. 7 7 5 Aus dem Vergleich mit Art. 6 SRÜ, in dem es heißt „Inseln, die sich auf Atollen befinden", nicht lediglich „Atolle", ergebe sich außerdem, dass Atolle auch dann der Landfläche hinzugerechnet werden können, wenn keine Insel auf ihnen liegt, d. h. sie nur aus trockenfallenden Riffen bestehen.776 Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden. Wie unter Art. 6 SRÜ (vgl. A.III., S. 49) ausgeführt, lässt sich vielmehr gerade von „drying reefs" in HS 2 auf eine Parallelität von HS 1 und Art. 6 SRÜ schließen; in HS 1 war eine Erwähnung von „drying" oder ähnlichem gerade wegen dieser Parallelität nicht nötig, für HS 2 hingegen schon. Abs. 7 HS 2 stellt klar, dass eine bestimmte geologische Formation, nämlich „steil abfallende Ozeanplateaus", die „von einer Kette am Rand des Plateaus liegender Kalksteininseln und trockenfallender Riffe ganz oder fast umschlossen" werden, ebenfalls dem Landgebiet hinzugerechnet werden kann - eine Beschreibung, die detaillierte geologische Studien voraussetzt. 777 HS 2 ist im übrigen eine der wenigen Stellen, an denen das SRÜ das seit den frühesten Kodifikationsversuchen verwendete zweidimensionale Bild des Meeres verlässt und sich auf eine Betrachtung des Meeresbodens einlässt. 778 Diese Formulierung geht auf das 773 Hodgson! Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243. 774 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 308. 775 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 308. 776 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 308- 10, der die Malediven als Beispiel anführt. 777 Prescott, Maritime Political Boundaries (Fn. 54), S. 71. 778 Eine Einstimmung vielleicht auf Art. 76 SRÜ?
C. Besonderheiten des SRÜ
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18 Punkte Papier der Bahamas zurück und bezieht sich speziell auf die Situation auf den Bahamas.779 Unklar ist das Verhältnis von HS 2 zu Art. 6 SRÜ. Dem Wortlaut nach („including", frz. „ainsi que", span, „incluida") enthält HS 2 eine Konkretisierung von HS 1, beschreibt also entweder einen Unterfall von Art. 6 SRÜ und ließe dementsprechend auch die Möglichkeit zu, diese Gewässer gem. Art. 6 SRÜ i.V.m. Art. 8 SRÜ als innere Gewässer abzugrenzen, wobei dieser Rückschluss auch für Nicht-Archipelstaaten gelten würde; oder er bezieht sich auf eine Konkretisierung des über den Gehalt von Art. 6 SRÜ hinausgehenden Teils von HS 1. In der Literatur wird überwiegend von einem zusätzlichen, nicht von Art. 6 SRÜ bereits erfassten Tatbestand ausgegangen,780 der daher lediglich im Rahmen der Berechnung der Landfläche Bedeutung hat, insbesondere auch durch die Einbeziehung bestimmter Gewässer, die nicht innere Gewässer sind. 781 HS 2 ist jedoch beinahe deckungsgleich mit der für Art. 6 SRÜ anerkannten und oben dargestellten Definition von Atollen und Saumriffen, 782 die insoweit enger ist als die Definition von HS 1. Vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte deutet einiges darauf hin, dass HS 2 mit Bezug auf eine bestimmte Konstellation der Bahamas in den Text eingefügt wurde, nämlich Grand Bahama und Grand Abaco. 783 HS 2 hat daher keine allgemeine Aussagekraft. Die einzige Funktion liegt in der Sicherstellung des Anspruches der Bahamas, eines Anspruches, der wahrscheinlich auch unter die Definition des HS 1 subsumiert werden könnte. Nach dem klaren Wortlaut ist die Einrechnung anderer innerer Gewässer ausgeschlossen. Insbesondere Buchten und Häfen können nicht der Landfläche hinzugerechnet werden. Auch Flussmündungen nach Art. 9 SRÜ können allenfalls dann zur Berechnung verwendet werden, wenn die Abschlusslinie nicht innere Gewässer, sondern Binnengewässer abgrenzt. Dies wird zumindest bei Trichterflussmündungen, die nach der unter B.IV. (S. 106) vertretenen Lösung mit einer Buchtabschlusslinie eingefasst werden, nicht der Fall sein.
779 Nordquist, UNCLOS III Commentary II, S. 432, para 47.9(1) (Fn. 41); Prescott, in: Blake (Fn. 751), S. 47. 780 DOALOS, Baselines (Fn. 383), S. 36 para 85; Nordquist, UNCLOS III Commentary II (Fn. 41), S. 432 para 47.9 (I); Prescott, in: Blake (Fn. 751), S. 47. 781 Hodgson /Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243. 782 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 308-309: „It does in fact describe an atoll [ . . . ] " . Nach Hodgson/Smith, ODIL 1976 (Fn. 166), S. 225, 243 war HS 2 sogar als Atolldefinition intendiert, dies ist jedoch bei einem Vergleich mit Punkt 3 c) des 18 Punkte Papiers {Nordquist, UNCLOS III Commentary II [Fn. 41], S. 405), Ursprung des HS 2, nicht unmittelbar nachzuvollziehen. Sie führen zu Abs. 7 weiter aus: „The language should be/.. .land areas may include waters lying within the drying fringing reefs of islands and atolls. An atoll is a steep-sided oceanic plateau [ . . . ] . " 783 Beazley, Int. J. of Estuarine and Coastal Law 1991 (Fn. 171), S. 281, 308.
170
Kap. 1 : Abgrenzung des Küstenmeeres zum Festland und zu der Hohen See
hh) Art. 47 Absatz 8 SRÜ „The baselines drawn in accordance with this article shall be shown on charts of a scale or scales adequate for ascertaining their position. Alternative lists of geographical co-ordinates of points, specifying the geodetic datum, may be substituted."
Art. 47 VIII SRÜ entspricht Art. 16 I SRÜ. Aufgrund der Länge und der Notwendigkeit, die Archipelbasislinien auf Hoher See ohne jeglichen Anhalt durch Punkte auf dem Festland zu bestimmen, kommt der genauen, nachvollziehbaren Festlegung der Basislinien eine nochmals verstärkte Bedeutung zu. Alle Archipelstaaten haben ihre Archipelbasislinien durch Koordinatenangabe festgelegt. Dies mag sowohl mit der oben angesprochenen größeren Genauigkeit dieser Methode, als auch mit der Festlegung vieler Ansprüche in den 1980er und 90er Jahren, als geographische Informationssysteme bereits weite Verbreitung gefunden hatten, zusammenhängen. ii) Art. 47 Absatz 9 SRÜ „The archipelagic State shall give due publicity to such charts or lists of geographical coordinates and shall deposit a copy of each such chart or list with the Secretary-General of the United Nations."
Die Archipelstaaten sind dem Hinterlegungserfordernis ähnlich zögerlich wie auch die übrigen Staaten nachgekommen. Von den zwölf Staaten, die bislang Archipelbasislinien gezogen haben, haben lediglich Jamaika, Papua Neu-Guinea, Säo Tomé und Principe und Trinidad und Tobago Koordinaten beim Generalsekretär/DOALOS hinterlegt. 784
c) Art. 48 SRÜ - Measurement of the breadth of the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf „The breadth of the territorial sea, the contiguous zone, the exclusive economic zone and the continental shelf shall be measured in accordance with article 47."
Die Archipelbasislinien bilden nach Art. 48 SRÜ ebenso wie die geraden Basislinien nach Art. 4 I K M Ü / 7 I SRÜ die Ausgangslinie für die Messung des Küstenmeeres. Ähnlich wie bei den geraden Basislinien ergibt die (durch Nachbarstaaten 784 Jamaika: M.Z.N.l 1.1996.LOS v. 16. 10. 1996, LoS Information Circular No. 5 und 9, LoS Bull 34, S. 44. Papua Neu-Guinea: M.Z.N.41.2001.LOS v. 8. 10. 2002 LoS Information Circular No. 16, LoS Bull 50, S. 31. Säo Tomé und Principe: M.Z.N.l7.1998.LOS v. 7. 5. 1998 LoS Information Circular No. 8 und 9, LoS Bull 37, S. 74. Trinidad und Tobago: M.Z.N.49.2004.LOS v. 14. 5. 2004, LoS Information Circular No. 20, LoS Bull 55; vgl. A / 59/62, Oceans and the Law of the Sea, Report of the Secretary General, para 46-54, insbes. para. 48; sowie: DOALOS, Deposit & publicity: . - Belgium-France, Rep. 9 - 1 6 , in: 1MB II, S. 1891 - 1900. Andrew, Dale: Archipelagos and the law of the sea - Island straits states or island-studded sea space?, Marine Policy 1978, S. 46-78 Antunes, Nunu Sergio Marques / Bradley, Rachael / Schofield, Clive (Hrsg.): The Importance of the Tidal Datum in the Definition of Maritime Limits and Boundaries, Maritime Briefing Bd. 2 No. 7, Durham 2000.
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H. Zeitschriftenartikel Spiegel 32/2003, S. 132, Die Geburt einer neuen Insel im ostfriesischen Wattenmeer.
Sachwortverzeichnis 3-Seemeilen-Grenze 180 Admiralitätsrecht 55 Akzessorietät, AWZ z. Küstenmeer 153 Archipel - Definition 160 - Genfer Seerechtskonferenz 156 - Geschichte 154 - Haager Kodifikationskonferenz 154 - UNCLOS III 158 Archipelbasislinien 161 - Hinterlegung 170 - Koordinaten 170 - Länge 163 - trockenfallende Erhebungen 165 - Zweck 166 Archipelgewässer 102 - Atoll 172 - Häfen 172 - Status 158 Archipelstaat 102, 225 - Atolle 167 - Definition 159 - general configuration 165 - Hauptinsel 163 - innere Gewässer 171 - Riffe 167 - Staatenpraxis 173 - Umriss 165 - Verhältnis von Land zu Wasser 162 Archipelstaaten 153 Ästuar 106 Atoll 172 Atolle 50, 53 Äquidistanzlinie 192, 194, 200, 225 - Entwicklung 198 - Genfer Seerechtskonferenz 203 - ILC 202 - Inseln 199,219 - non-encroachment 218
- Rechtsprechung 215 - Zugang zum Meer 217 Äquidominanzlinie 219 AWZ 152 Bahamas 51, 159, 169 Banc Breedt 44 Bangladesch 145, 148 f. Basislinien 23 - gerade 112 - Hinterlegung 178 - Koordinaten 178 - normale 23 - Abweichung 54 Begrenzung 205 besondere Umstände 204, 207, 217 Bjinkershoek 180 Boggs, S. Whittemore 63, 198 Buchten 54, 224 - 45°-Test 81 - Abschlusslinie - 10 sm 60, 65 - 12 sm 62 - 15 sm 66 - 24 sm 67, 92, 95 - 25 sm 66 - Definition 73 - Einbuchtung 89 - Flussmündungen 63 - Genfer Seerechtskonferenz 65 - Gesamterscheinungsbild 89 - Geschichte 54 - Haager Kodifikationskonferenz 62 - historische 97 - Anerkennung 98 - Rechtsfolgen 99 - Inseln 84, 86 - mehrere Staaten 67 - Natural entrance point 80 - Nebenbuchten 90
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Sachortverzeichnis
- Sichtweite als Öffnungsweite 55 - Twee Gebroeders 55 - übergroße 97 - Verhältnis Art. 7 II S. 1 zu S. 2 78 - Verhältnis von Breite zu Länge 75 Buchtoberfläche 93 Channel Continental Shelf Arbitration 37, 209 Common Law 55 courbe tangente 32 cut into 121 deeply indented 120 Delta 145, 147 Dinkum Sands 39 drying reefs 51 East Bay 83 Eddystone Rock 37 einseitiger Rechtsakt 187 envelopes of arcs of circles 32 equidistance-special circumstances rule 216 (siehe auch Äquidistanz) fauces terrae 55 Felsen, AWZ 152 Festlandsockel 152, 228 Festlandsockelkonvention 208 Fisheries Case 75, 112, 136, 139 Flüsse 106 Flussmündungen 106 François, J. P. A. 35, 49, 65, 114, 156 Freedom of Navigation Program 17 Galapagos Inseln 176 Ganges / Brahmaputra Delta 148 general direction 114 gerade Basislinien 224 - 10 sm 113-114 - 15 sm 116 - Ausnahme 115, 117 - Basispunkte im Meer 135 - cut into 118, 121 - deeply indented 118, 120 - Delta 147 - Felsen 151 - Flächen vergleich 141
- general direction of the coast 130 - Genfer Seerechtskonferenz 116 - Inseln 125, 151 - Entfernungsgrenze 129 - Kreisbogenmethode 123 - Küstenverlauf 126 - Längenbegrenzung 116 - Längenverhältnisse 121 f. - Rechtmäßigkeit 141 - trockenfallende Erhebungen 134, 166 - Verbindung zum Land 132 - Vereinfachung der Küste 113, 142 - wirtschaftliche Interessen 138 - Zugang zur Hohen See 140 Gezeiten 24 Grisbardana Fall 195 Grönland/Jan Mayen Fall 211,216 Grotius, Hugo 54 Guillaume, Gilbert 216 Gulf of Fonseca 68 Gulf of Maine Fall 212 Häfen 101 - Abschlusslinie 101 Hafenanlagen 101, 103 Halbkreiserfordernis 28, 77, 92 - Kritik 78 Hawaii 154 Helgoland 104 highest astronomical tide 37 Hohenwachter Bucht 120 innere Gewässer 171 Insel - Art. 121 SRÜ 43 - Basis für Küstenmeerabgrenzung 40 - Dauerhaftigkeit des Landes 40 - Definition 37 - Erosion 40 - Hochwasserdatum 38 - „horizontale" Dauerhaftigkeit 41 - Küstenmeerabgrenzung 40 - natürliche Entstehung 42 - Tide 39 - „vertikale" Dauerhaftigkeit 41 Insel als Festland 88
Sachortverzeichnis Inselsaum 125, 153 Institut de Droit Internationale 61 Jamaika 161 japanisch-russischer Fischerei vertrag 1907 64 Kanäle 103 Kanonenschussweite 180, 183 Kap Verde 175 Kartenbild 52 King's Chambers 55, 57 Kolbeinsey 40 Korallenriffe 49 Kreisbogenmethode 33, 63, 113, 191, 223 f. Küstenmeer 18 - Abgrenzung 18 - Abgrenzung konkurrierender Ansprüche 191 - Abgrenzung zu terra firma 15 - Abgrenzungshandlung 186 - Ausdehnung 179 - Breite 179 - Souveränität 15 Küstenmeerbox 105 Küstenmeerbreite - 3-Seemeilen-Grenze 182 - Genfer Seerechtskonferenz 183 - Kanonenschussweite 180 - UNCLOS III 185 Küstenmeergrenzen - Haager Kodifikationskonferenz 197 - laterale 195 - Median 197 Küstenmeertaschen 33 Lagune 50 landlocked 74 Leuchtturm 134 Louisiana Boundary Case 46 Louisiana Offshore Oilport 105 lowest astronomical tide 25 Magalhäes, Barbosa de 157 Malediven 175 Median 194 Mehrstaatenbuchten 67, 69, 193 - Genfer Seerechtskonferenz 72
- Haager Kodifikationskonferenz 69 - Verbot 73 Mississippi Sound 89 Monterey Bay 75, 121 Natural Entrance Points 80 - Festland 83 Niedrigwasserlinie 23, 224 - an eisbedeckten Küsten 30 - Ausgangslinie 29 - Definition 24 - Seekarten 27, 30 Nigeria v. Cameroon 18, 216 Nildelta 148 Normalnull 28 North Atlantic Coast Fisheries Arbitration 58 Offshore-Installationen 101 Ost-Timor 166 Ozeanplateau 51, 168 Parallellinien 32 pluri-state bays 67 Post Office v. Estuary Radio Ltd 82 Proliferation Security Inititative 228 Pufendorf, Samuel 192 Qatar ν. Bahrain 18, 29, 179, 192, 208, 213 R. v. Cunningham 56 Reeden 104 Riffe 49, 163 - Niedrigwasserlinie 52 Rio de la Plata 107 Salinität 106 Sandbänke 44 Schücking, Walter 37, 43, 98, 181 Seekarten 170 - Hinterlegung 170 Seemeile, Länge 23 Seiden, John 54 skjaergaard 113, 125, 153 special circumstances 207 - Rechtsprechung 208
254 Springniedrigwasser 26 Surtsey 40 Talweg 194, 202 The Twee Gebroeders 180 Themse 82 Tide 24 Tiefwasserreede 104 Timor-Leste 167 Tobler, Waldo 219 tracé parallèle 32, 113 Trichtermündungen 106 trockenfallende Erhebungen 43, 163 - Abschlusslinien 45 - Aneignung 47 - Bockspringen 45
S ach Wortverzeichnis - Entfernung v. d. Küste 44 f. - friedliche Durchfahrt 45 - Gebietshoheit 47 - gerade Basislinien 46, 134, 150 - innere Gewässer 44 - konkurrierende Ansprüche 47 - leapfrogging 45 - Zurechenbarkeit 48 Tunesien v. Libyen 211 unilateral legal act 187 US v. Louisiana 87 well-marked 74 Zirkelmethode 32, 63
Anhang Im Anhang abgedruckt sind die von Großbritannien im Fisheries Fall eingereichten Karten. Die blaue durchgezogene Linie bezeichnet die von Norwegen gezogenen geraden Basislinien. Die blaue gestrichelte Linie bezeichnet die sich daraus ergebende äußere Fischereizonen- / Küstenmeergrenze. Die grüne gestrichelte Linie bezeichnet die sich aus der Anwendung der Kreisbogenmethode ergebende äußere Fischereizonen-/ Küstenmeergrenze auf der Grundlage britischer Berechnungen. Die grünen Flächen bezeichen die Buchten, die nach Ansicht Großbritanniens internalisiert werden können.