Grenzüberschreitende Tätigkeit in einem sich ändernden steuerlichen Umfeld 9783504387181

Der Tagungsband informiert über wichtige und aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht durch namhafte Refere

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Grenzüberschreitende Tätigkeit in einem sich ändernden steuerlichen Umfeld
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Gerrit Frotscher/Lars Hummel (Hrsg.) Grenzüberschreitende Tätigkeit in einem sich ändernden steuerlichen Umfeld

Forum der Internationalen Besteuerung

Band 49

Grenzüberschreitende Tätigkeit in einem sich ändernden steuerlichen Umfeld Herausgegeben von

Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt International Tax Institute Universität Hamburg

Prof. Dr. Lars Hummel, LL.M. International Tax Institute Universität Hamburg mit Beiträgen von

VorsRiBFH Prof. Dr. Roland Wacker Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax) RA/StB Jan Uterhark VorsRiFG Dr. Jörg Grune MinDirig. Martin Kreienbaum MRin Silke Bruns Diskussionsteilnehmer

RA/StB Dr. Johannes Baßler Oliver Nußbaum Dr. Monika Wünnemann und die Beitragsverfasser

2021

Zitierempfehlung: Autor in Frotscher/Hummel, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd 49, 2021, S. ...

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-61549-9 ©2021 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: WMTP, Birkenau Druck: Stückle, Ettenheim Printed in Germany

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Vorwort Wie schon in den letzten Jahren bildet der Wandel im Internationalen Steuerrecht eine Konstante. Die mit ihm einhergehenden Herausforderungen, denen sich die Wissenschaft, die Politik und nicht zuletzt die Wirtschaft ausgesetzt sehen, sind – hierin liegt eine weitere Konstante – unverändert vielfältig. Sie betreffen natürliche Personen ebenso wie grenzüberschreitend agierende Großunternehmen und Konzerne. In einem zunehmend auch konfrontative Elemente umfassenden internationalen Umfeld steigen die Anforderungen an die jeweiligen Akteure, wenn sie Rahmenbedingungen verändern, die Veränderung der Rahmenbedingungen begleiten oder sich veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Referate und Diskussionen der unter dem Generalthema „Grenzüberschreitende Tätigkeit in einem sich ändernden steuerlichen Umfeld“ stehenden 36. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung des Interdisziplinären Zentrums für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg am 6. Dezember 2019. Gerrit Frotscher vom IIFS der Universität Hamburg spricht in seinem Grußwort die vielfältigen Herausforderungen an, mit denen Unternehmen im Bereich des Steuerrechts konfrontiert sind. Die zuweilen eher mit sich selbst beschäftigte Politik dürfe die Risiken ihres Handelns, welche die Rechtssicherheit und die Planbarkeit der Besteuerung beträfen, nicht vernachlässigen. Kai Elmendorf, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, betont einerseits das dringende Bedürfnis der Wirtschaft nach gleichen Wettbewerbsbedingungen und sieht diesbezüglich die Politik in der Pflicht, lobt andererseits aber auch die in dieser Hinsicht bereits gemachten Fortschritte. Andreas Dressel, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, bekräftigt den Willen der Politik zum Dialog mit Wirtschaft und Steuerrechtswissenschaft. Roland Wacker behandelt in seinem Vortrag aktuelle Entscheidungen des BFH zum Internationalen Steuerrecht. Andreas Körner befasst sich mit der Konzernfinanzierung und berücksichtigt dabei insbesondere die aktuelle Rechtsprechung des BFH sowie deren Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

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Vorwort Prof. Dr. G. Frotscher, Prof. Dr. L. Hummel

Jan Uterhark beleuchtet das Feld der internationalen Streitbeilegung vor dem Hintergrund von Verrechnungspreisstreitigkeiten. Ebenso beschreibt er das Verhältnis der Streitbeilegungsinstrumente zu nationalen Rechtsbehelfen und stellt heraus, dass Streitvermeidung einer Streitbeilegung immer vorzuziehen sei. Jörg Grune referiert über die Umsetzungen der sogenannten Quick Fixes im Umsatzsteuerrecht und stellt die gesetzlichen Neuerungen für grenzüberschreitende steuerbare Lieferungen vor. Martin Kreienbaum erläutert die aktuellen Entwicklungen rund um den OECD-Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft und geht hierbei auf die Allokationsdebatte und die Frage der Mindestbesteuerung ein Silke Bruns beschäftigt sich schließlich mit der Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG). Sie skizziert Anlass, Ziele und Leitplanken der Neuordnung und bezieht hierbei auch abkommens- und europarechtliche Aspekte in ihre Überlegungen ein. Der vorliegende Tagungsband enthält indes nicht nur die Referate, sondern auch die sich daran anschließenden Podiumsdiskussionen zwischen Johannes Baßler, Oliver Nußbaum, Monika Wünnemann und den Referenten. Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, weiland Herausgeber dieser Schriftenreihe und Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Steuerrecht am IIFS der Universität Hamburg, der über viele Jahre die Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung organisiert und geleitet und ihr deshalb auch die maßgeblichen inhaltlichen Impulse gegeben hat, ist am 27.Januar 2020 nach schwerer Krankheit im Alter von nur 63 Jahren verstorben. Wir werden ihn, der sich um das IIFS und das Internationale Steuerrecht vielfältig und in höchstem Maße verdient gemacht hat, im Rahmen der kommenden Tagung eigens würdigen. Hamburg, im August 2020 Prof. Dr. Gerrit Frotscher Prof. Dr. Lars Hummel

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Grußwort Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, guten Morgen! Ich begrüße Sie zur 36. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung, unserer traditionellen Nikolaustagung. Als universitäre, nicht-kommerzielle Veranstaltung wollen wir ein Forum für alle am Internationalen Steuerrecht Interessierten bieten, bei dem offen und mit fachlicher Tiefe die aktuellen steuerlichen Entwicklungen erörtert werden. Wir begrüßen dazu Praktiker aller Seiten, Unternehmen und Berater, Verwaltung und Rechtsprechung sowie Wissenschaft einschließlich unserer Studierenden. Ich begrüße Sie zugleich auch im Namen aller Mitglieder des International Tax Institute der Universität Hamburg und des Vorstands unseres Fördervereins. Besonders begrüßen möchte ich Herrn Vizepräses Elmendorf als Hausherr der Handelskammer. Die Handelskammer macht diese Tagung erst möglich, indem sie uns ihre Räume zur Verfügung stellt. Dafür, Herr Elmendorf, herzlichen Dank! Leider können wir heute Herrn Dr. Dressel, Finanzsenator unserer Freien und Hansestadt Hamburg, nicht begrüßen, obwohl er gerne die Tradition seines Vorgängers Dr. Tschentscher fortsetzt und ein Grußwort sprechen würde. Der Grund für seine Abwesenheit liegt darin, dass heute die Trauerfeier für den verstorbenen früheren Finanzsenator Prof. Dr. Nölling stattfindet, an der Herr Dr. Dressel als amtierender Finanzsenator teilnimmt. Da die Trauerfeier außerhalb Hamburgs stattfindet, ist es Herrn Dr. Dressel leider nicht möglich, hier und jetzt ein Grußwort zu sprechen. Herrn Dr. Dressel ist aber unsere Tagung so wichtig, dass er uns sein Grußwort als Videobotschaft übermittelt hat. Besonders freut es mich, dass es der gesundheitliche Zustand Herrn Prof. Dr. Lüdicke erlaubt, wenigstens zeitweise an unserer Tagung teilzunehmen. Meine Damen und Herren, wir alle sind Ihnen äußerst dankbar, dass Sie durch Ihre Tagungsteilnahme die Arbeit des gemeinnützigen Fördervereins und damit die universitäre Ausbildung unserer Studierenden unterstützen. Ich möchte Sie nicht mit den finanziellen und sonstigen Zwängen der Hamburger Universität langweilen. Deshalb nur eine Zahl: Der durch Ihre Tagungsgebühren und – hoffentlich – auch Ihre Mitgliedsbeiträge finanzierte Förderverein trägt zum Etat der Steuerbibliothek inzwi-

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Grußwort Prof. Dr. Gerrit Frotscher

schen etwa vier Fünftel bei, von der Universität kommt nur noch ein Fünftel des Bedarfs. Wir hoffen, dass die Universität auch langfristig den Wert einer soliden international ausgerichteten Steuerbibliothek wertschätzt und zumindest auch in Zukunft geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Selbstverständlich ist heute offenbar selbst das nicht mehr. Auch die Lehrstuhlsituation für das Steuerrecht an der Universität Hamburg hat sich noch nicht geklärt. Unsere Gespräche mit der Fakultätsleitung und der Finanzbehörde, um eine dauerhafte Lösung zu finden und eine qualifizierte Ausbildung im Steuerrecht an der Universität Hamburg sicherzustellen, haben interessante Lösungsmöglichkeiten eröffnet, die wir aber noch nicht bis in das Realisierungsstadium fortentwickeln konnten. Unser Finanzsenator, Herr Dr. Dressel, hat dankenswerterweise unser Anliegen zu seinem eigenen gemacht, so dass wir hoffen können, eine dauerhafte Struktur für die universitäre Ausbildung zu schaffen. Das ist umso notwendiger, als sich der Steuerstandort Hamburg mit der universitären Ausbildung im nationalen und Internationalen Steuerrecht, der in Deutschland fast einmaligen Bibliothek, unserer Nikolaustagung, dem Postgraduierten-Programm „Master of International Taxation“ und den Vorträgen der IFA Nord zu einem Schwerpunkt des Internationalen Steuerrechts in Deutschland entwickelt hat. Es wäre für alle von uns und auch für den Standort Hamburg bedauerlich, wenn dieses hohe Niveau nicht aufrechterhalten werden könnte. Meine Damen und Herren, bitte unterstützen Sie uns dabei, wo immer Sie es können. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Steuerrechts – und gerade auch des Internationalen Steuerrechts – dürfte angesichts der öffentlichen Diskussionen über Steuergerechtigkeit kaum zu bestreiten sein. Aber auch die guten Arbeitsmarktperspektiven für junge Steuerexperten lassen ein universitäres Studienangebot mehr als sinnvoll erscheinen. Wir hoffen, dass dies – trotz einer eher naturwissenschaftlich ausgerichteten Exzellenzinitiative – auch von der Leitung der Universität erkannt wird. Meine Damen und Herren, damit Ihre Tagungsgebühren nach Abzug der direkten Kosten vollständig in die dank Ihrer Unterstützung immer noch bedeutende, international ausgerichtete Institutsbibliothek und die Institutsarbeit fließen können, wird die Tagung nicht durch einen mitverdienenden gewerblichen Veranstalter, sondern durch unsere studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere Lehrstuhl-Sekretärin organisiert – Ihnen gilt mein und unser aller Dank!

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Grußwort Prof. Dr. Gerrit Frotscher

Meine Damen und Herren, wie schon in den Vorjahren sind wir mit einer sehr dynamischen Entwicklung im Internationalen Steuerrecht konfrontiert. Es gibt eine Reihe von Gesetzesinitiativen, bei denen die Verabschiedung zum Teil rechtzeitig zum Jahresende erfolgt ist, zum Teil aber noch aussteht. Zu nennen sind das sog. Jahressteuergesetz 2019 mit dem Titel „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“, das am 7.11.2019, und das Gesetz zur Umsetzung der EU-Streitbeilegungsrichtlinie, das am 14.11.2019 vom Bundestag angenommen wurde. Beiden Gesetzen hat der Bundesrat am 29.11.2019 zugestimmt. Im Jahressteuergesetz 2019 sind wichtige Änderungen zur grenzüberschreitenden Umsatzbesteuerung enthalten, was uns veranlasst hat, nach längerer Zeit wieder ein Thema aus der Umsatzsteuer auf die Tagesordnung zu setzen. Das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, mit dem wir uns in der Vorjahrestagung beschäftigt haben, soll in der Sitzung des Bundestags am 12.12.2019 verabschiedet werden. Die Zustimmung des Bundesrates dürfte daher vor Jahresende nicht mehr zu erwarten sein. Nach wie vor in der Schwebe scheint das Unternehmenssteuerreformgesetz mit den Änderungen zum AStG zu sein. Wir hatten gehofft, dass bis zu unserer heutigen Tagung ein Gesetzentwurf veröffentlicht sein würde, und haben deshalb im Tagungsprogramm einen Vortrag von Herrn Ministerialrat Dr. Staats vorgesehen. Das hat sich leider als voreilig erwiesen. Da Herr Dr. Staats uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr berichten dürfte, als er es bei unserer letztjährigen Tagung bereits getan hat, haben wir seinen Vortrag kurzfristig aus dem Programm genommen. Stattdessen hat sich Herr Ministerialdirigent Kreienbaum dankenswerterweise bereit erklärt, über die jüngsten steuerrechtlichen Entwicklungen in der OECD zu berichten, insbesondere die „wesentliche digitale Präsenz“ bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft, also den „Pillar 1“. Neben diesen Gesetzgebungsvorhaben, die schon allein das Thema unserer heutigen Tagung, nämlich das sich ändernde steuerliche Umfeld im Bereich des Internationalen Steuerrechts, rechtfertigen, sind weitere gesetzliche Maßnahmen zu erwähnen, deren Implementierung die Unternehmen und steuerberatenden Berufe immer noch belastet bzw. deren Implementierung noch bevorsteht. Ich erwähne nur die Folgeänderungen aus den BEPS-Projekten, das Country-byCountry-Reporting und die restliche Umsetzung der Richtlinien ATAD

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Grußwort Prof. Dr. Gerrit Frotscher

I und II – von der Implementierung der Änderungen in den DBA durch das Multilaterale Instrument ganz zu schweigen, von dem man schon seit geraumer Zeit nichts mehr hört. Die Planungssicherheit der Unternehmen wird zusätzlich dadurch beeinträchtigt, dass wir nicht wissen, ob nicht das Jahr 2020 das Jahr einer vorgezogenen Bundestagswahl wird – das Schicksal der Großen Koalition ist ja durch die Vorgänge in der SPD wieder unsicher geworden. Wir werden uns auch heute wieder mit den vielfältigen und noch immer in ihrem Zusammenspiel und ihren wirtschaftlichen Folgen keineswegs vollständig ausgeloteten, zum Teil auch unklaren und einander widersprechenden Ergebnissen dieser Aktionspunkte beschäftigen. Geschwindigkeit und Umfang dieser nationalen und internationalen Entwicklungen kann man bewundern, man kann aber auch die Frage aufwerfen, ob weniger nicht mehr gewesen wäre. Insbesondere wird man die Frage aufwerfen müssen, ob bei all dem Aktionismus nicht die Rechtssicherheit und Planbarkeit der Besteuerung auf der Strecke bleiben. Meine Damen und Herren, unsere Tagung zeichnet sich neben den Vorträgen durch die kundigen Podiumsdiskussionen aus, die Sie – wie alljährlich – in dem im Verlag Dr. Otto Schmidt erscheinenden Tagungsband werden nachlesen können. Der Tagungsband der letztjährigen Tagung ist rechtzeitig vor unserer diesjährigen Tagung erschienen und sollte Ihnen bereits zugegangen sein. Wir haben versucht, in den Vorträgen die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Internationalen Steuerrechts zu erfassen und Ihnen damit eine umfassende Sicht der gesetzlichen Neuerungen und wohl auch der alten und neuen Probleme zu verschaffen. Die mit der Finanzverwaltung oft, aber nicht immer übereinstimmende Rechtsprechung wird – wie schon im Vorjahr – durch Herrn Prof. Dr. Wacker, authentisch interpretiert. Über den Bereich der Konzernfinanzierung, bei dem es durch die Rechtsprechung des I. Senats des BFH zu einer deutlichen Änderung gekommen ist, wird Herr Dr. Körner, Leiter Steuern International/Finanzierung/Umwandlungen der Volkswagen AG sprechen. Wir sind gespannt zu hören, wie sich die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf die Praxis der Konzernfinanzierung auswirken wird. Über die Streitbeilegungsrichtlinie und ihre Umsetzung in nationales Recht wird Herr Uterhark referieren. Herr Uterhark kommt aus der Finanzgerichtsbarkeit und ist Partner und Head of Tax Controversy and Tax Litigation der KPMG AG. Nach der Mittagspause wird uns Herr Dr. Grune die Neuerungen im Bereich des Umsatzsteuergesetzes nahebringen. Herr Dr. Grune ist Vorsitzender Richter am Niedersächsischen Finanzgericht und hat bereits im Rahmen der IFA

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Grußwort Prof. Dr. Gerrit Frotscher

Nord über „50 Jahre Umsatzsteuergesetz“ referiert. Schließlich wird uns Frau Ministerialrätin Bruns über die neuen Entwicklungen zu § 50d Abs. 3 EStG informieren, einer Vorschrift, die nach der Rechtsprechung des EuGH ja mehr den Eindruck einer „Ruine“ als einer funktionierenden Vorschrift macht. Frau Bruns ist Leiterin des Referats für Doppelbesteuerungsabkommen mit EU/EWR-Staaten, für EuGH- und Vertragsverletzungsverfahren bei direkten Steuern und, was uns bzgl. des Programmpunkts des § 50d Abs. 3 EStG natürlich besonders interessiert, zuständig auch für Entlastung von Abzugssteuern. Das Podium ist auch in diesem Jahr wieder hochrangig besetzt. Und wie in jedem Jahr gibt es auch diesmal wieder bekannte und neue Gesichter. Herrn Prof. Dr. Wacker und Herrn Ministerialdirigent Kreienbaum habe ich bereits als Referenten vorgestellt. Ich freue mich, dass beide sich bereit erklärt haben, auch dieses Jahr wieder als Diskutanten auf dem Podium zur Verfügung zu stehen. Erstmals auf dem Podium begrüßen dürfen wir Frau Dr. Wünnemann, Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Frau Dr. Wünnemann wird die Sicht der Industrie vertreten und wir sind gespannt, wie die neuen Entwicklungen aus diesem Gesichtswinkel bewertet werden. Begrüßen möchte ich auch Herrn Dr. Baßler, der uns heute ebenfalls erstmals als Diskutant zur Verfügung steht. Herr Dr. Baßler ist Partner bei Flick Gocke Schaumburg in Hamburg und wird uns insbesondere die Sicht der mittelständischen Wirtschaft darstellen. Die Betroffenen, nämlich die steuerzahlenden Unternehmen, werden in diesem Jahr auf dem Podium repräsentiert von Herrn Nußbaum, Global Head of Tax, BASF SE, der uns auch im Vorjahr die Sicht eines Großunternehmens dargestellt hat. Meine Damen und Herren, gesponsert wird auch die Nikolaustagung selbst. Wir sind der Handelskammer Hamburg dankbar für den schönen historischen Rahmen, dankbar aber auch für die darin liegende finanzielle Entlastung zugunsten unserer Steuerbibliothek. Und nun freue ich mich auf das Grußwort des Vizepräses der Handelskammer. Herr Elmendorf, Sie haben das Wort! Prof. Dr. Gerrit Frotscher International Tax Institute, Universität Hamburg

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Grußwort Herzlichen Dank, Herr Professor Frotscher, für Ihre Einführung. Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, im Namen der Handelskammer Hamburg darf ich Sie ganz herzlich zur 36. Hamburger Tagung für Internationale Besteuerung begrüßen. Sie haben es eben gesagt, die Nikolaustagung, die diesmal eine Punktlandung gemacht hat auf den 6. Dezember – da erliegt man der Versuchung, die Vergleiche zum Nikolaus zu ziehen, und ich erliege dieser Versuchung. Man hat manchmal so das Gefühl: Um was geht es an diesem Tag? Es geht darum, dass sich Kinder benehmen, es geht darum, dass es einer kontrolliert – Knecht Ruprecht –, und für die, die artig waren, gibt es Geschenke vom Nikolaus. Ich habe manchmal das Gefühl, die kleinen Kinder, das sind wir Unternehmer. Wir wollen spielen, wir wollen etwas ausprobieren, wir wollen etwas machen, wir wollen am Markt teilnehmen, wir wollen vielleicht auch manchmal über die Stränge schlagen, weil wir nicht wissen, dass wir das machen. Und da gibt es dann Knecht Ruprecht, auch in Form des Staates, der da aufpasst, dass wir keinen Unsinn machen. Der fragt uns dann am Ende des Jahres: „Seid ihr auch artig gewesen?“ Und wenn wir das waren, kriegen wir ein, zwei Geschenke. Die Geschenke kriegen wir zum Großteil auch von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, denn Sie sorgen auch dafür, dass unsere Rahmenbedingungen rund sind. Sie decken auf, wenn’s schlecht läuft, Sie gehen in die steuerberatenden Berufe und helfen uns Unternehmerinnen und Unternehmern, dass wir unseren Job, unsere Spielzeuge richtig behandeln und uns benehmen. Und da haben wir diese drei Personen wieder, im Knecht Ruprecht der Staat, Sie sind der Nikolaus und die Nikoläusin, und wir Unternehmerinnen und Unternehmer sind die kleinen Kinder, die gerne spielen wollen. Aber es läuft natürlich bei uns nicht immer alles so rund und wir haben natürlich hin und wieder ein Problem. Das liegt nicht daran, dass uns die Spielsachen irgendwie nicht passen, sondern wir wollen immer das Gleiche haben, was die anderen auch haben wollen. Wir wollen zumindest gleichbehandelt werden. Und das ist dann der Punkt: Ich gucke nach nebenan und schaue, wie läuft das bei anderen Kindern, wie läuft das in anderen Ländern, wie läuft da die Besteuerung ab.

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Grußwort Kai Elmendorf

Die Diskussion gleitet dann meistens ab, dass man sagt, die anderen haben doch viel weniger Steuersätze, sie müssen viel weniger zahlen. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz oder das richtige Problem. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gar nicht darum geht, was die anderen für Spielsachen haben, sondern wie die anderen spielen dürfen. Und das wollen wir auch. Es geht also nur darum, wie die Anforderungen der Steuerpflichtigen sind, und das ist oft unser größtes Problem, denn damit ist es für uns manchmal schwer einzuschätzen, wie wir uns richtig verhalten sollen, weil diese Anforderungen zusehends kompliziert werden. Wir haben kein Problem damit, uns als Unternehmerinnen und Unternehmer artig zu verhalten. Das wollen wir gerne. Aber wir möchten gerne wissen wie. Und wenn man sich das anguckt, wie das manchmal länderübergreifend ist, dann stellen wir fest, dass wir uns in Deutschland doch oft benachteiligt fühlen. Ein gutes Beispiel ist gleich nebenan. Wir gucken uns unsere niederländischen Nachbarn an und schauen dort einfach mal auf die Verfahren zur Einfuhrumsatzsteuer, wie die das machen. Und wir gucken uns dann an, was bei uns passiert und stellen fest, das ist ja bei uns hundskompliziert und sehr benachteiligt sind wir auch noch. Die Holländer werben dafür, dass sie im Grunde ein absolut einfaches Verfahren haben für die Importeure. Wir sind hier in Hamburg eine Handelskammer, d.h., der Handel ist bei uns extrem wichtig, auch der Hafen ist natürlich für uns deswegen ein wichtiger Punkt, und dieser Passus betrifft uns sehr stark. Die Holländer sagen einfach, dein Schiff kommt an, du zahlst die Steuern nicht, die Ware geht rein, geht raus, und du musst dich um nichts kümmern. In Deutschland ist das: Dein Schiff kommt an, und deine Probleme fangen an. Bis wir dann unsere Umsatzsteuer wiederhaben und ich die Ware dreimal wiederverkauft habe, gehen Monate ins Land. Liquidität, die mir als Unternehmen fehlt. Liquidität, die unsere Kollegen und Spielkameraden in Holland haben. Und das Gemeine ist, es liegt ja nicht daran, dass man das hier nicht könnte. Es ist eher so, dass man das hier nur nicht will. Denn die Grundlagen, die sind EU-weit schon alle da. Es gibt auch ganz viele Länder, die das alle mitmachen. Nur wir in Deutschland gehören zu den wenigen Ländern, die das nicht machen. Und da freut es mich, dass wir in diesem Falle aber auch einen starken Partner auf unserer Seite haben, den Finanzsenator Herrn Dressel, der mit uns dafür kämpft und dieses Thema auch schon auf die Finanzministerkonferenz gebracht hat, damit wir hier zu einer Gleichbehandlung mit unseren europäischen Partnern kommen. Aber das Ganze

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Grußwort Kai Elmendorf

ist noch nicht in trockenen Tüchern, und ich bitte auch Sie, gerade die Damen und Herren, die aus den Finanzverwaltungen hier mit sitzen und auch aus der Behörde von Herrn Dressel, einmal unseren Dank an Herrn Dressel mit weitergeben, dass er sich so stark für die Belange der Hamburger Unternehmerinnen und Unternehmer einsetzt. Aber ich bitte Sie, sich auch weiterhin dafür einzusetzen, dass dieses Thema weitergetrieben wird, dass wir hier eine Gleichberechtigung haben mit unseren anderen, ich sage gerne, Spielkameraden in den anderen Ländern. Meine Damen und Herren, Sie haben heute auf jeden Fall wieder die Gelegenheit, mit renommierten Referenten die verschiedenen Facetten des Internationalen Steuerrechts anzugehen. Ich habe eben nur ein Beispiel genannt, es gibt sicherlich viel mehr. Ich kann Ihnen und Ihren Mitstreitern und Ihnen, sehr geehrter Professor Frotscher, nur dazu gratulieren, dass Sie wieder ein für uns auch aus Hamburger Sicht wichtiges, spannendes Thema herausgesucht haben, und ich freue mich auch, dass Sie, Herr Professor Lüdicke, wieder dabei sind, denn diese Veranstaltung trägt sehr stark Ihre Handschrift, und daher ist es gut, dass Sie wieder unter uns sind. Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf der Tagung, ich wünsche Ihnen viele interessante Vorträge und dann noch einen langen Ausklang bis in den nächsten Tag, der den Nikolaus abschließt, und freue mich, dass Sie hier bei uns in der Handelskammer zu Gast sind. Herzlichen Dank! Kai Elmendorf Vizepräses, Handelskammer Hamburg

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Grußwort Einen wunderschönen guten Morgen, sehr geehrter Professor Frotscher, lieber Kai Elmendorf, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste. Wie Sie sehen, kann ich heute Morgen leider nicht das Grußwort für den Senat sprechen bei der 36. Nikolaustagung zum Steuerrecht. In der Tat habe ich heute einen durchaus traurigen Grund, nicht da sein zu können, weil Finanzsenator a.D. Nölling verstorben ist. Ich vertrete den Senat bei der Trauerfeier, die auch heute Vormittag ist. Aber wir haben uns entschieden, dass ich Ihnen gerne eine Grußbotschaft in die Tagung schicken kann, denn in der Tat liegt mir Ihre Tagung ganz besonders am Herzen. Es ist eine tolle Gelegenheit, dass wir Praktiker, Wissenschaftler, die unterschiedlichen Bereiche, die für das Steuerrecht relevant sind, in einem sehr schönen Rahmen zusammenbringen, und deshalb wünsche ich Ihnen jetzt einen sehr, sehr guten Verlauf dieser Tagung, die ja in der Tat – das 36. Mal der Austragung spricht ja dafür – eine gewisse Tradition hat, und diese Tradition soll man pflegen. Eine wichtige Tradition gibt es auch beim Thema der steuerrechtlichen Ausbildung. Da wissen Sie, dass wir schon letztes Jahr darüber gesprochen haben, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass das steuerrechtliche Lehrangebot in Hamburg auch erhalten bleibt. Das wird nicht einfach, aber wir sind dort, das kann ich Ihnen als Zwischenstand mitteilen, weiter mit allen Beteiligten im Gespräch und wir arbeiten dafür, dass ein Weg gefunden wird, dass auch weiter ein steuerrechtliches Lehrangebot erhalten bleibt, denn das Steuerrecht braucht Nachwuchs. Das gilt heute, aber das gilt auch morgen und übermorgen, und das wird ein Thema sein, das sich die Finanzbehörde weiter auf die Fahnen schreibt, und da setze ich auch weiter auf gute Gespräche mit Ihnen, und ich weiß, dass Sie daran ein großes Interesse haben. Weitere Themen sind natürlich für Sie jetzt auch die Frage der internationalen Steuerrechtsthemen, das steht ja besonders im Fokus. Nachdem wir letztes Mal das Thema „Anzeigepflicht von Steuergestaltungen“ auch mit behandelt haben, haben Sie jetzt einen anderen internationalen Fokus gewählt. Da sind, glaube ich, viele Themen dabei, die uns auch in der steuerpolitischen Thematik weiter befassen werden, insofern bin ich durchaus gespannt auf die Ergebnisse Ihrer Tagung. Wenn ich jetzt da gewesen wäre, hätten wir noch ein bisschen über die Grundsteuer reden können. Wahrhaft kein internationales Thema, son-

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Grußwort Dr. Andreas Dressel

dern ein sehr deutsches Thema, wo der deutsche Gesetzgeber nicht so rechtzeitig tätig geworden ist, wie er hätte sein sollen. Deshalb sind wir ja dabei, das Karlsruher Urteil jetzt auch in deutsches Recht zu überführen. Denn das Gesetz ist beschlossen, das haben Sie mitbekommen. Bundestag und Bundesrat haben es beschlossen. Wir in Hamburg überlegen jetzt, ob und wie wir von der darin enthaltenen Öffnungsklausel Gebrauch machen. Diese Entscheidungsbildung läuft. Da bin ich an vielen Stellen mit einigen von Ihnen auch im Gespräch darüber, was für Gründe uns bewegen könnten, entweder links- oder rechtsherum abzubiegen. Aber Sie sehen, das ist ein weiter auch schwieriges Thema. Ja, insofern gibt es viele Themen, bei denen wir miteinander im Dialog sind. Und auch, wenn ich heute diesen Dialog nicht mit Ihnen persönlich führen kann, würde ich mich sehr freuen, wenn wir uns bei der einen oder anderen Gelegenheit auch in den nächsten Wochen und Monaten sehen. Ich wünsche Ihnen jetzt einen guten Tagungsverlauf, gute Gespräche am Rande, auch jetzt schon einmal eine gute Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr und hoffe, dass wir uns dann wohlbehalten im Jahr 2020 wiedersehen. Vielen Dank! Dr. Andreas Dressel Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg

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Inhaltsverzeichnis Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge. Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Grußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Roland Wacker Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. DBA-Auslegung – Qualifikationsverkettung – New Approach . .

1

B. Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften . . . . . . . . . . .

16

C. Ausfall grenzüberschreitender Konzerndarlehen – Neuorientierung der BFH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internationalen Steuerrecht Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax) Konzernfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

A. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16 (BStBl. II 2019, 394) . . . . . . . . . . . . . .

59

B. Konsequenz: Steuerliche Unwirksamkeit realer Vermögensverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

C. Was bedeutet „grundsätzlich“ in dem BFH-Urteil? . . . . . . . . . . . .

62

D. Ein Blick auf „Hornbach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

E. Das Phänomen der Wahlfeststellung in dem BFH-Urteil sowie die Zurückverweisungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

F. Der Rückhalt ist ökonomisch und rechtlich fundiert . . . . . . . . . .

63

G. Praxisfolgenabschätzung: Maßnahmen gebotener Sorgfalt aus Unternehmenssicht, um eine Besteuerung gemäß der Leistungsfähigkeit zu erreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

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H. Standortpolitische Verfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. In Europa gibt es keine Einbahnstraßen-Lösung . . . . . . . . . . . . . .

68

J. Wirtschaftliche Betrachtung: Konzern als Rating-Gegenstand . .

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K. Quintessenz: Das Urteil ist verfehlt, Zentren der Wertschöpfung müssen entlastet werden, echte Verluste müssen abzugsfähig sein, Finanzierungsneutralität ist geboten . . . . . . . . . . . . . .

70

Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Konzernfinanzierung Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Jan Uterhark Streitbeilegung im internationalen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

A. Das Verrechnungspreisumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

B. Instrumente der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

C. Verhältnis der internationalen Streitbeilegungsverfahren zum nationalen Einspruchs- und Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Verfahren der Streitvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Streitbeilegung im internationalen Kontext Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dr. Jörg Grune Neuerungen bei grenzüberschreitenden steuerbaren Leistungen zum 1.1.2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 A. Umsatzsteuerliche Änderungen zum Jahreswechsel 2019/2020

105

B. Umsetzung der sog. „Quick Fixes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

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Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Neuerungen bei grenzüberschreitenden steuerbaren Leistungen zum 1.1.2020 Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 MinDirig. Martin Kreienbaum Der OECD-Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft . . . . . . 123 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Säule 1: Die Allokationsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 C. Säule 2: Die Mindestbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D. Nächste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Der OECD-Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Silke Bruns Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) . . . . . . . . . . . . 153 A. Anlass, Ziele und Leitplanken für eine Neuordnung . . . . . . . . . . 153 B. Der europäische Missbrauchsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 C. Der DBA-rechtliche Missbrauchsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 D. Ausblick und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Prof. Dr. Gerrit Frotscher (Diskussionsleitung) Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internationalen Steuerrecht Prof. Dr. Roland Wacker Vorsitzender Richter des I. Senats Bundesfinanzhof, München

A. DBA-Auslegung – Qualifikationsverkettung – New Approach . . . . . . . . . . . . I. BFH v. 11.7.2018 (I R 44/16) – Lichtdesigner . . . . . . . . . . . . . 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Aus den Gründen . . . . . . . 3. Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . II. Anmerkungen . . . . . . . . . . . .

1 1 2 13 14

B. Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften . . I. BFH v. 10.4.2019 (I R 15/16) .

16 16

1

1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Aus den Gründen . . . . . . . II. Anmerkungen . . . . . . . . . . . .

16 17 23

C. Ausfall grenzüberschreitender Konzerndarlehen – Neuorientierung der BFH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . I. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16. 1. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidungsgründe . . . . 3. Leitsätze . . . . . . . . . . . . . . II. Anmerkungen . . . . . . . . . . . .

25 25 25 26 35 36

A. DBA-Auslegung – Qualifikationsverkettung – New Approach I. BFH v. 11.7.2018 (I R 44/16) – Lichtdesigner 1. Sachverhalt „1. Der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Kläger war in den Jahren 2002 bis 2005 und 2007 (Streitjahre) als Lichtdesigner an verschiedenen Opernhäusern im Ausland (Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Spanien, Schweden, Schweiz, Japan) tätig. Die Honorare wurden nach Abzug von Quellensteuern ausbezahlt. In Arbeitgeber-Bescheinigungen aus Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und der Schweiz (2007) sind insoweit nichtselbständige Einkünfte ausgewiesen. 2. Das Finanzamt qualifizierte die ausländischen Einnahmen des Klägers insgesamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und unterwarf sie mit den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden der inländischen Besteuerung, ohne die einbehaltenen Quellensteuerbeträge anzurechnen. 3. Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, dass die Einkünfte aus Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht der Schweiz (2007) aufgrund der ausländischen Qualifikation als solche aus nichtselbständiger Arbeit steuerfrei seien und lediglich dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Zudem sei die Einkommensteuer, soweit sie auf ausländische Einkünfte aus selbständiger Arbeit entfallen sei, unter Anrechnung der im Ausland einbehaltenen Quellensteuer festzusetzen. 4. Mit Urteil vom 16. Juli 2015 – 15 K 1093/10 (EFG 2017, 1936) gab das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg der Klage teilweise statt. Das FG vertrat die Auffassung, die Einnahmen des Klägers in Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und Schweiz (2007) seien ausweislich der vorgelegten ausländischen Bescheinigungen als solche aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren. Das FA habe hingegen zu Recht die für die selbständige Tätigkeit des Klägers einbehaltenen Quellensteuern nicht angerechnet.“1

2. Aus den Gründen Revision des FA begründet 8 II. Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den zuständigen Vollsenat des FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob das innerstaatliche Besteuerungsrecht hinsichtlich der vom Kläger für die in Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und der Schweiz (2007) bezogenen Einkünfte nach den einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) ausgeschlossen wird. Unbeschränkte ESt.-Pflicht – Welteinkommensprinzip 9 1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) sind natürliche Personen, die – wie die Kläger in den Streitjahren – im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG grundsätzlich auch auf ausländische Einkünfte aus selbständiger oder aber nichtselbständiger Arbeit. Hierzu gehören die vom Kläger erzielten Einkünfte aus seinen Gastauftritten an ausländischen Bühnen. Auch besteht – ungeachtet der Qualifikationsunterschiede zwischen den Beteiligten – Einvernehmen über deren Höhe. Der Senat teilt diese Ansicht.

1 BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149.

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht

DBA-Ausschluss nicht entscheidungsreif 10 2. Ob das innerstaatliche Besteuerungsrecht hinsichtlich der vom Kläger in Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und der Schweiz (2007) erzielten Einkünfte nach dem jeweils einschlägigen DBA ausgeschlossen wird, lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen. Entscheidungserheblich, ob selbständige – nichtselbständige Arbeit 11 a) Soweit der Kläger nicht ausnahmsweise als Künstler i.S. des Art. 12 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) – DBA-FRA – oder des Art. 17 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei den Erbschaft- und Schenkungsteuern und zur Leistung gegenseitigen Beistands bei den Steuern (Deutschschwedisches Steuerabkommen) vom 14. Juli 1992 (BGBl II 1994, 687, BStBl I 1994, 423) – DBA-SWE – oder des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) – DBA-CHE – tätig geworden ist (dazu 3.), kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob er selbständige oder nichtselbständige Einkünfte erzielt hat. Letzteres ergibt sich daraus, dass das Besteuerungsrecht für selbständige Einkünfte ohne das Vorhandensein einer festen Einrichtung im Inland (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 DBA-FRA, Art. 14 Abs. 1 DBA-SWE, DBA-CHE), hingegen für nichtselbständige Einkünfte (Art. 13 DBA-FRA, Art. 15 DBA-SWE, DBA-CHE) aber nach den vorgelegten Steuerbescheinigungen der ausländischen Arbeitgeber im Ausland läge. Bei Selbständigkeit keine feste Einrichtung im Ausland 12 b) Das FG ist insoweit von nur kurzfristigen und einen Zeitraum von sechs Wochen unterschreitenden Einsätzen des Klägers im Ausland ausgegangen. Es ist aufgrund dieser Feststellungen unter Berufung auf das Senatsurteil vom 2. Dezember 1992 I R 77/91 (BFHE 170, 126) zu der Auffassung gelangt, dass unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht vom

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Vorliegen einer festen Einrichtung des Klägers im jeweiligen Quellenstaat auszugehen sei. Dazu hat das FG die Überlegungen des Senats im vorgenannten Urteil wörtlich wiedergegeben. Danach korrespondiert das Tatbestandsmerkmal der ständigen Einrichtung mit dem Betriebsstättenbegriff und fehlt es an der erforderlichen ‚Verwurzelung‘ des Steuerpflichtigen mit dem Ort der Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit (keine feste örtliche Bindung). Die Kläger haben gegen die vorgenannten Tatsachenfeststellungen des FG keine Einwendungen vorgebracht. Der auf dieser Grundlage vom FG gezogene rechtliche Schluss, dass der Kläger seine Tätigkeiten nicht unter Benutzung einer festen Einrichtung im Ausland ausgeübt hat, entspricht den Vorgaben der Senatsrechtsprechung und weist keine Rechtsfehler auf. Abgrenzung gegenüber nichtselbständiger Arbeit 13 c) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-FRA, Art. 15 Abs. 1 DBA-SWE sowie Art. 15 Abs. 1 DBA-CHE können dabei Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Die Abkommensbestimmungen definieren die Begriffe ‚unselbständige‘, ‚nichtselbständige Arbeit‘ sowie ‚Vergütungen‘ nicht. Deshalb ist der Senat bereits im Urteil vom 18. Juli 1973 I R 52/69 (BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757) unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 26. April 1966 I 216/63 (BFHE 85, 460, BStBl III 1966, 465) und in Übereinstimmung mit der Literatur (vgl. etwa Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Rz 63; Reinhold in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 15 OECD-MA Rz 92 ff.; Bourseaux/Levedag in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 15 Rz 70; alle m.w.N.; a.A. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 15 Rz 27) davon ausgegangen, dass sie nach Art. 3 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECDMusterabkommen – OECD-MustAbk –), dem Art. 2 Abs. 2 DBA-FRA, Art. 3 Abs. 2 Satz 2 DBA-SWE und Art. 3 Abs. 2 DBA-CHE aus der Sicht Deutschlands als Anwenderstaat durch Rückgriff auf § 19 EStG und § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) auszulegen sind. Bereits zuvor hatte der Senat mit Urteil vom 6. Oktober 1971 I R 207/66 (BFHE 103, 421, BStBl II 1972, 88) entschieden, dass die Frage, ob Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit vorlägen, sich (auch) für die Auslegung eines DBA nach deutschem Recht bestimme, da die DBA die Abgrenzung der Einkunftsarten nicht regeln. Nichts anderes gilt für die im anhängigen Verfahren einschlägigen Abkommens-

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bestimmungen (vgl. zum DBA-FRA: Kramer in Wassermeyer, Frankreich Art. 13 Rz 11; Bourseaux/Levedag, a.a.O., Art. 15 Rz 164; zum DBA-SWE: Lüdicke in Wassermeyer, Schweden Art. 15 Rz 15 unter Verweis auf die Kommentierung zum OECD-MA; zum DBA-CHE: Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15 Rz 26; Bourseaux/Levedag in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 15 Rz 259; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 5). Arbeitnehmerkriterien 14 d) Der hiernach maßgebliche § 1 Abs. 1 LStDV sieht solche Personen als ‚Arbeitnehmer‘ an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein ‚Dienstverhältnis‘ in diesem Sinne liegt vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, d.h., wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV). Demgegenüber ist eine (natürliche) Person selbständig tätig, wenn sie auf eigene Rechnung und Gefahr tätig ist, d.h. wenn sie das Erfolgsrisiko der eigenen Betätigung (Unternehmerrisiko) trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann (vgl. Senatsurteile vom 29. November 1978 I R 159/76, BFHE 126, 457, BStBl II 1979, 182; vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303; vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66; vom 20. Dezember 2017 I R 98/15, BFHE 260, 169). Keine Qualifikationsverkettung iSd. geänderten OECD-MK („new approach“) 15 e) Das FG hat zu diesen Abgrenzungskriterien indes keine Feststellungen getroffen, sondern alleine auf die ausländischen Bescheinigungen abgehoben, weil sich nach seiner Ansicht die Einkünftequalifikation i.S. einer Qualifikationsverkettung (siehe dazu die Nachweise im Senatsurteil vom 25.5.2011 I R 95/10, BFHE 234, 63, BStBl II 2014, 760) nach den ausländischen Arbeitgeberbescheinigungen richte. Dem ist indes auch mit Blick auf den im OECD-Musterkommentar (OECD-MK) ab dem Jahr 2000 vertretenen sog. new approach (Nr. 32.2 ff. OECD-MK zu Art. 23A OECD-MustAbk; dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16.4.2010, BStBl I 2010, 354, Tz. 4.1.3.3.1; Prokisch in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 15 Rz. 16a unter Verweis auf Lehner, ebenda, Grundlagen Rz. 158 a ff.; Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, a.a.O.,

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Art. 23A/B Rz. 9) nicht zu folgen (ebenso Brettschneider, EFG 2017, 1939; Bodewaldt, Internationales Steuerrecht -IStR- 2017, 124; SchulzTrieglaff, IStR 2018, 341, 344). DBA-SWE = nicht geändertes „Altabkommen“ 16 aa) Für das DBA-SWE, welches trotz der Neufassung des OECD-Musterkommentars unverändert geblieben ist, ergibt sich dies bereits aus der bestehenden Rechtsprechung. Der Senat hat die Annahme einer Qualifikationsverkettung für sog. Alt-DBA ohne entsprechende abkommensrechtliche Anordnung bereits zurückgewiesen (vgl. Senatsurteil in BFHE 234, 63, BStBl II 2014, 760 zu subjektiven Qualifikationskonflikten; Senatsbeschluss vom 13.11.2013 I R 67/12, BFHE 243, 361, BStBl II 2014, 172). Die Tatsache, dass Art. 23A Abs. 1 OECD-MustAbk im Ansässigkeitsstaat die Freistellung für Einkünfte verlangt, die ‚nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden‘ können, führt danach nicht zur Bindung des Ansässigkeitsstaats an die Qualifikation im Quellenstaat. Vielmehr ist auch im Rahmen dieses Methodenartikels die Frage nach dem ‚Besteuern-Können‘ im Einklang mit Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk und damit nach dem (nationalen) Recht des Ansässigkeitsstaats des Steuerpflichtigen – des sog. Anwenderstaates – zu beurteilen (Senatsurteile in BFHE 234, 63, BStBl II 2014, 760; vom 26.6.2013 I R 48/12, BFHE 242, 195, BStBl II 2014, 367). Ferner widerspricht es der ständigen Spruchpraxis des Senats, im Sinne einer dynamischen Abkommensauslegung der späteren Fortentwicklung oder Änderung von OECD-Verlautbarungen eine streitentscheidende Bedeutung für das Verständnis bereits zuvor verhandelter Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beizumessen (z.B. Senatsurteile vom 23.9.2008 I R 57/07, BFH/NV 2009, 390; vom 9.2.2011 I R 54, 55/10, BFHE 232, 476, BStBl II 2012, 106; in BFHE 234, 63, BStBl II 2014, 760; vom 16.1.2014 I R 30/12, BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721; vom 15.4.2015 I R 73/13, BFH/NV 2015, 1674; vom 10.6.2015 I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326; vom 12.10.2016 I R 92/12, BFHE 256, 32; Senatsbeschlüsse vom 8.12.2010 I R 92/09, BFHE 232, 137, BStBl II 2011, 488; vom 21.8.2015 I R 63/13, BFH/NV 2016, 36; jeweils m.w.N.). DBA-FRA/CHE zwar geändert, aber 17 bb) Darüber hinaus ist eine Qualifikationsverkettung aber auch für das DBA-FRA und das DBA-CHE abzulehnen. Insbesondere kann sich der Senat nicht der Ansicht der Kläger anschließen, diese Abkommen seien bereits deshalb nach Maßgabe der Neufassung des OECD-Musterkommentars auszulegen, weil sie – wenn auch ohne positive Anordnung einer

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Qualifikationsverkettung – zeitnah zur Neufassung des Kommentars durch das Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 20.12.2001 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik zum DBA-FRA (BGBl II 2002, 2370, BStBl I 2002, 891) sowie durch das Gesetz zu dem Revisionsprotokoll vom 12.3.2002 zum DBA-CHE (BGBl II 2003, 67, BStBl I 2003, 165) modifiziert worden sind (vgl. zum DBA-CHE Kempermann, a.a.O.). Auslegungsgrundsätze des Art. 31 WÜRV 18 aaa) Auszugehen ist hierbei von Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 -WÜRV- (BGBl II 1985, 927), nach dessen Absatz 1 ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326). Außer dem in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen ‚Zusammenhang‘ sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (Buchst. a) sowie jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (Buchst. b), zu berücksichtigen. Demgemäß kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame ‚Übung‘ der beteiligten Finanzverwaltungen für die Abkommensauslegung bedeutsam sein (s. z.B. Senatsurteile vom 25.10.2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778, sowie vom 25.10.2006 I R 18/04, BFH/NV 2007, 875), das aber immer nur insofern, als sie nicht dem Wortlaut des Abkommens zuwiderlaufen (vgl. Senatsurteil vom 27.8.2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Nach Art. 31 Abs. 4 WÜRV ist schließlich einem Ausdruck eine besondere Bedeutung i.S. einer Auslegungshilfe beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Danach: Änderung des OECD-MK nur bei 19 bbb) Der Senat hat bislang die Frage, ob ein geänderter OECD-Musterkommentar bei der Abkommensauslegung berücksichtigt werden kann, wenn das konkrete Abkommen später geändert wird, noch nicht entschieden. Er hat lediglich ausgeführt, dass Empfehlungen der OECD, wie sie sich im sog. Partnership Report niedergeschlagen haben, eine Hilfe für die Abkommensauslegung darstellen, aber ‚frühestens‘ ab der entsprechenden Neufassung des OECD-Musterkommentars im Jahre 2000 be-

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achtenswert sein können (Senatsurteil in BFHE 234, 63, BStBl II 2014, 760). Rezeption im Abkommenstext maßgeblich 20 ccc) Der Senat kann es insoweit offenlassen, ob Art. 24 Abs. 1 DBACHE, wonach aus der Schweiz stammende Einkünfte, die ‚nach den vorstehenden Artikeln in der Schweiz besteuert werden können‘, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden, überhaupt auslegungsfähig ist. Gleiches gilt für Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBAFRA (‚Einkünfte, die nach diesem Abkommen in Frankreich besteuert werden können‘). Er braucht auch nicht zu entscheiden, ob Nr. 32.2 ff. OECD-MK zu Art. 23A OECD-MustAbk überhaupt eine bei der Auslegung zu berücksichtigende ‚Übung der Vertragsstaaten‘ zu begründen vermag (verneinend Senatsurteil in BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721: lediglich Meinungsbild der beteiligten Fisci) oder ob es nicht vielmehr auf die konkrete Abkommensanwendung ankommt, die im Streitfall gerade durch das FA zu einer Verneinung der Bindung Deutschlands an die ausländischen Bescheinigungen geführt hat. Schließlich kann auch offen bleiben, ob eine ausländische Arbeitgeberbescheinigung zu einer unter Nr. 32.2 ff. OECD-MK zu Art. 23A OECD-MustAbk fallenden ‚Qualifikation‘ führen kann. Denn für die Judikative kommt es – gerade mit Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip – allein auf den Abkommenstext und den Abkommenszusammenhang an (Senatsurteil in BFHE 244, 354, BStBl II 2014, 721) und kann Abweichendes nur gelten, wenn sich die (vermeintlichen) ‚späteren Übereinkünfte der Vertragsstaaten‘ oder ‚zwischenstaatlichen Übungen‘ in einem geänderten Abkommen sowie einem entsprechenden Transformationsgesetz niedergeschlagen haben (vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 MA Rz. 63). Verfassungsrechtliches Transformationserfordernis … 21 (1) Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15.12.2015 2 BvL 1/12 (BVerfGE 141, 1) betont hat, werden Rang und Einordnung eines völkerrechtlichen Vertrags innerhalb der deutschen Rechtsordnung durch das Grundgesetz (GG) bestimmt. Während die allgemeinen Regeln des Völkerrechts kraft unmittelbar in der Verfassung erteilten Vollzugsbefehls innerstaatlich wirksam sind und im Rang über dem Gesetz stehen (Art. 25 GG), bedürfen völkerrechtliche Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, für ihre innerstaatliche Wirksamkeit gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG eines Zustimmungsgesetzes und haben grundsätzlich nur den Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes.

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Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören zwar das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen nehmen aber grundsätzlich nicht an dem in Art. 25 Satz 2 GG vorgesehenen Vorrang teil. Demgemäß können sie nach dem lex-posterior-Grundsatz durch spätere, ihnen widersprechende Bundesgesetze verdrängt werden. … nicht durch Vereinbarung der Fisci „ersetzbar“ 22 (2) Aus diesen Verfassungsgrundsätzen ergibt sich nicht nur, dass die zwischen den Fisci getroffene Vereinbarung, nach der eine spätere Übereinkunft der Vertragspartner für die Abkommensauslegung (hier in Form des OECD-Musterkommentars) maßgebend sei, nicht dazu führen kann, dass ein völkerrechtlicher Vertrag für das innerstaatliche Recht eine andere Bedeutung erhält, als dies dem Zustimmungsgesetz entspricht (Senatsurteil vom 1.2.1989 I R 74/86, BFHE 157, 39, BStBl II 1990, 4). Erforderlich: „Handeln“ des Gesetzgebers 23 (3) Da – wie erläutert – die Änderung eines völkerrechtlichen Vertrags nur aufgrund eines entsprechenden Zustimmungsgesetzes innerstaatliche Wirksamkeit erlangt, und hierzu ausschließlich der deutsche Gesetzgeber befugt ist, bedarf es keiner weiteren Erläuterung, dass den die DBA vollziehenden Verwaltungsbehörden eine solche Kompetenz nicht zukommt (vgl. Lang in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, S. 235, 240). Eine von ihnen getroffene Vereinbarung zur Abkommensauslegung kann, wenn sie keinen Eingang in den geänderten Vertragstext sowie das Zustimmungsgesetz gefunden hat, auch die Gerichte nicht binden. Diese haben vielmehr den Abkommensinhalt nach Maßgabe des Zustimmungsgesetzes zu ermitteln. Demgemäß kann es auch unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung nicht in Betracht kommen, der bloßen Änderung des OECD-Musterkommentars, selbst dann, wenn sie mit Zustimmung der deutschen Verwaltung beschlossen worden sein sollte, eine normative und von den Gerichten zu beachtende Bedeutung beizumessen (gl.A. Lang, a.a.O.). OECD-MK lediglich Rang von Gesetzesmaterialien 24 (4) Der OECD-Musterkommentar mag zwar für die Auslegung später abgeschlossener Abkommen bedeutsam sein, er steht aber keinesfalls auf einer Stufe mit der auszulegenden völkervertraglichen Regelung selbst. Sein Stellenwert ist vielmehr dem der Gesetzesmaterialien bei der Auslegung nationaler Gesetze vergleichbar und es ist deshalb nicht ausge-

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schlossen, dass sich die Intentionen der ‚Kommentatoren‘ nicht im Gesetzestext widerspiegeln oder durch vorrangig einzustufende systematische oder teleologische Erwägungen verdrängt werden. Im Streitfall: Keine Änderung der DBA-Methodenartikel 25 (5) Kommt es danach auf die Auslegung des Abkommens bzw. des Transformationsgesetzes an, so ist für das anhängige Verfahren von ausschlaggebender Bedeutung, dass durch das Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 20.12.2001 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik zum DBAFRA (BGBl II 2002, 2370, BStBl I 2002, 891) und durch das Gesetz zu dem Revisionsprotokoll vom 12.3.2002 zum DBA-CHE (BGBl II 2003, 67, BStBl I 2003, 165) die zuvor bereits existierenden Methodenartikel – in für die vorliegende Streitfrage relevanten Passagen – nicht geändert worden sind. Vielmehr wurden die Abkommen nur anderenorts modifiziert. Hinzu kommt, dass die Schweiz in Nr. 81 OECD-MK zu Art. 23A OECD-MustAbk einen Vorbehalt zur Nr. 32 OECD-MK erklärt hatte, soweit der Qualifikationskonflikt die Änderung des innerstaatlichen Rechts nach dem Abschluss des Abkommens betrifft. Beiden Änderungen lassen sich mithin keine nachprüfbaren Hinweise darauf entnehmen, dass die Vertragsstaaten eine Qualifikationsverkettung gewollt hätten. Folge: tradiertes Abkommensverständnis 26 ddd) Hiernach kann nicht fraglich sein, dass die Änderung des OECDMusterkommentars zu Fragen der Qualifikationsverkettung keinen Eingang in die vorliegend zu beurteilenden Abkommen gefunden hat und damit aus den dargelegten Gründen auch nicht geeignet ist, ein von der bisherigen tradierten Abkommensauslegung abweichendes Verständnis zu tragen. Hierin kann auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie nichts ändern. Der Grundsatz schließt keineswegs aus, dass die Vertragsauslegung der Vertragsstaaten zu Qualifikationskonflikten führt und diese gegebenenfalls im Wege eines Verständigungsverfahrens ausgeräumt oder gemildert werden (Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 23A/B Rz. 9, m.w.N.). Bei Selbständigkeit – Prüfung des Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk 27 3. Hiervon ausgehend wird das FG im zweiten Rechtsgang ferner zu prüfen haben, ob die vom Kläger erzielten Einkünfte insgesamt oder teilweise den – jedenfalls in dem hier verfolgten Zusammenhang – Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk entsprechenden Bestimmungen der Abkommen mit Frankreich, Schweden und der Schweiz unterfallen.

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DBA-Begriff des Künstlers 28 a) Nach Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk können ungeachtet der Art. 7 und 15 Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler aus ihrer im anderen Vertragsstaat ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung (Senatsurteile vom 8.4.1997 I R 51/96, BFHE 183, 110, BStBl II 1997, 679; vom 18.7.2001 I R 26/01, BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410; vom 30.5.2018 I R 62/16, zur Veröffentlichung bestimmt) ist der Künstlerbegriff der Art. 17 OECD-MustAbk nachgebildeten DBA-Bestimmungen, zu denen – vorbehaltlich des Art. 12 Abs. 2 Satz 2 des DBA-FRA, der lediglich die selbständige Tätigkeit von Künstlern erfasst – auch die Abkommen mit den Staaten gehören, in denen der Kläger tätig war (vgl. dazu die Nachweise bei Stockmann in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 17 Rz. 64), eigenständig abkommensrechtlich auszulegen, wenn das betreffende DBA dafür eine Grundlage bietet. Nationalrechtliche Künstlerbegriffe des Anwenderstaats – wie etwa der Begriff der künstlerischen Tätigkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und in § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG – sind demgegenüber nicht maßgeblich. Aus einer Gesamtschau der in Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk beispielhaft aufgeführten Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker sowie der Gleichsetzung mit Sportlern ist insoweit abzuleiten, dass es für die Tatbestandsmäßigkeit nicht auf ein besonderes künstlerisches Niveau oder eine bestimmte eigenschöpferische Gestaltungshöhe ankommt. Maßgeblich ist vielmehr, dass es sich um eine persönlich ausgeübte (z.B.) vortragende Tätigkeit handelt, die vornehmlich dem Kunstgenuss oder auch nur der Unterhaltung des Publikums dient (Senatsurteil vom 30.5.2018 I R 62/16, zur Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Eine künstlerische Tätigkeit setzt dabei voraus, dass der Künstler unmittelbar oder über Medien mittelbar in der Öffentlichkeit auftritt; entscheidend ist danach, dass die vergüteten Tätigkeiten in direktem Zusammenhang mit einem Auftritt vor Publikum stehen (Senatsurteil vom 30.5.2018 I R 62/16). Entsprechend werden Vergütungen für Bühnenmaler (Senatsurteil in BFHE 170, 126) bzw. Regisseure und Bühnenbildner (Senatsurteil in BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410), die werkschaffend tätig sind, nicht von Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk erfasst. Die Abgrenzung gegenüber einer künstlerischen Tätigkeit i.S. des Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk ist danach vorzunehmen, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit des Künstlers auf dem Werk selbst oder aber der Entstehung desselben vor dem Publikum liegt (vgl. Stockmann in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 17 Rz. 26; Schlotter in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 17 Rz. 32, m.w.N.).

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Keine Feststellungen zur konkreten Tätigkeit des Klägers 29 b) Das FG ist zwar – wenn auch bezogen auf die Frage, ob die im Ausland für Vergütungen für eine vermeintlich selbständige Tätigkeit des Klägers einbehaltenen Quellensteuern auf die deutsche Einkommensteuer der Kläger anzurechnen sind – von den Vorgaben der Senatsrechtsprechung ausgegangen. Es hat allerdings ohne weitere Feststellungen zum Inhalt der vom Kläger im Ausland ausgeübten Tätigkeiten als Lichtdesigner angenommen, es handele sich insoweit um ‚Kunstausübung, die nicht in der Darstellung vor einem Publikum‘, sondern in der ‚Herstellung eines Werkes‘ bestanden habe und damit den Tätigkeiten von Malern, Bildhauern, Schriftstellern und Komponisten entspreche. 30 c) Dies hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand, da die rechtlichen Folgerungen des FG nicht von hinreichenden Tatsachenfeststellungen getragen sind. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei den vom Kläger durchgeführten Tätigkeiten an ausländischen Opernhäusern um eine persönlich ausgeübte vortragende oder unterhaltende Tätigkeit gehandelt hat, bei welcher der Kläger unmittelbar oder über Medien mittelbar in der Öffentlichkeit aufgetreten ist. Es hat auch nicht festgestellt, ob die erhaltenen Vergütungen ganz oder zumindest teilweise in direktem Zusammenhang mit derartigen Auftritten gestanden haben. 31 d) Der Kläger wäre zwar werkschaffend tätig gewesen, wenn er das später zur Aufführung gebrachte Lichtdesign vorab – etwa in seinem im Inland befindlichen Büro – entwickelt und sein Werk sodann vor der eigentlichen Aufführung lediglich an die lokalen Verhältnisse angepasst hätte, ohne aber noch im Rahmen der (späteren) Opernaufführungen auf das Werk Einfluss zu nehmen. Der Senat vermag es aber nicht auszuschließen, dass der Kläger sein Werk in Form des Lichtdesigns – nach Art eines Performance-Künstlers – vor dem Publikum geschaffen haben könnte. So läge der Fall etwa, wenn er das Lichtdesign – als Teil der jeweiligen Opernaufführung – ‚live‘ geschaffen und aufgeführt hätte. Keine Entscheidungsreife – weiterführende Hinweise 32 4. Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit das FG die erforderlichen Feststellungen nachholen kann. Der Senat hält angesichts der besonderen Schwierigkeiten der Sache in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine Zurückverweisung an den beim FG zuständigen

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Vollsenat für sachgerecht (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.7.2004 IX R 64/01, BFH/NV 2005, 191). 33 Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang weist der Senat auf Folgendes hin: –

Sollte der Kläger im Rahmen seiner Gasttätigkeiten im Ausland ganz oder teilweise Einkünfte als Künstler i.S. des Art. 17 Abs. 1 OECDMustAbk erzielt haben, so hätte das FG nach Maßgabe des jeweils einschlägigen DBA sowie des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG der Frage nachzugehen, ob Deutschland die Doppelbesteuerung durch Freistellung oder aber Anrechnung vermeidet.



Soweit der Kläger bezogen auf die in Frankreich (2002 und 2003), Schweden (2003) und der Schweiz (2007) ausgeübten Tätigkeiten (auch) nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt haben sollte, wären diese mit dem FG im Inland freizustellen und lediglich beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Insoweit unterliegt es keinen Bedenken, wenn das FG bei der Berechnung des besonderen Einkommensteuersatzes das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen um die nach den jeweiligen DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte vermehrt (§ 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG) und die Einkünfte als Überschuss der Einnahmen über die (pauschalierten) Werbungskosten ermittelt (vgl. Senatsurteil vom 17.12.2003 I R 75/03, BFHE 204, 481, BStBl II 2005, 96).



Soweit die Kläger die Anrechnung der im Ausland einbehaltenen Quellensteuern auf die deutsche Einkommensteuer begehren, wäre das FG im Übrigen für den Fall, dass – wie vom Kläger insoweit erklärt – Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vorliegen sollten, zutreffend davon ausgegangen, dass dies nach § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG i.V.m. den Regelungen der einschlägigen DBA ausscheidet. Alle die vorgenannten Staaten betreffenden DBA weisen dem Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht für eine selbständige Tätigkeit zu, wenn diese nicht unter Benutzung einer festen oder ständigen Einrichtung bzw. einer Betriebsstätte ausgeübt wird.“

3. Leitsätze „1. Zum Einfluss einer Änderung des OECD-Musterkommentars auf die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen. 2. Ein Lichtdesigner ist werkschaffend tätig, wenn er das später zur Aufführung gebrachte Lichtdesign vorab entwickelt und sein Werk sodann vor der eigentli-

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II. Anmerkungen 1. Dem Urteil ist zustimmen.2 Es beschäftigt sich neben der Frage des Künstlerbegriffs iSv. Art. 17 OECD-MA vor allem mit der Frage der Abkommensauslegung. Hierin liegt auch seine grundsätzliche Bedeutung. 2. Auszugehen ist bei Letzterem von der stRspr., nach der DBA nicht dynamisch nach Maßgabe eines geänderten Verständnisses der Vertragsstaaten einschl. etwaiger Änderungen des OECD-MK auszulegen sind. 3. Nicht entschieden war hingegen bisher die Frage, ob sich ein anderes Auslegungsverständnis dann ergibt, wenn das konkrete DBA geändert wird, nachdem der OECD-MK sich ein neues Abkommensverständnis zu eigen gemacht hat (hier: Qualifikationsverkettung aufgrund des sog. new approach). 4. Der BFH fordert in diesem Zusammenhang, dass die geänderte Ansicht des MK im Abkommenstext selbst einen hinreichend bestimmten Niederschlag finden muss. Die Entscheidung konnte aus Gründen der Gewaltenteilung und des Rechtsstaatsprinzips nicht anders ausfallen. Vgl. hierzu Pfirrmann3: „Finden die Auffassungen der ‚Kommentatoren‘ im Gesetzestext keine Stütze oder werden sie durch teleologische Überlegungen verdrängt, dann muss das Gericht Recht abweichend von der Meinung des Kommentars sprechen. Maßgeblich ist für den BFH der Grundsatz der Gewaltenteilung, der allein den Gerichten das Recht und die Pflicht zuweist, den Inhalt des deutschen (Tranformations-)Gesetzes zu bestimmen. Da im Streitfall die punktuellen DBA-Änderungen mit dem sog. new approach nichts zu tun hatten, waren die beiden genannten DBA für Deutschland als Ansässigkeitsstaat nach herkömmlichem Verständnis ohne sog. Qualifikationsverkettung anzuwenden.“

5. Im Schrifttum wird zudem die Frage diskutiert, ob einem Verweis des Abkommens auf die jeweils „überarbeitete“ Fassung des OECD-MK (s. bspw. Nr. 3 des Protokolls DBA-Ungarn und Nr. 16 des Protokolls DBA-Österreich) für die Auslegung eine rechtlich und damit auch in 2 Vgl. insbesondere Pfirrmann, BFH/PR 2019, 60. 3 Pfirrmann, BFH/PR 2019, 60.

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einem Gerichtsverfahren bindende Wirkung zuerkannt werden kann. ME ist dies zu verneinen. Zwar ist eine solche Regelung Teil des materiellen Rechts (hier: Transformationsgesetz zum DBA, Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG); auch ist es dem Gesetzgeber unbenommen, im Wege einer sog. statischen (starren) Verweisung fremde und nicht von ihm formulierte Rechtsregeln inhaltlich in das nationale Recht zu übernehmen. Das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip erfordern aber, dass – wie das BVerfG zu einem gleitenden Verweis des Bundesgesetzgebers auf Landesrecht erläutert hat – „der zuständige Gesetzgeber grundsätzlich selbst für eine ordnungsgemäße Inkraftsetzung und Verkündung seiner Gesetze und deren Änderungen sorgt. Vor allem obliegt ihm die Aufgabe, den Inhalt dieser Gesetze in eigener Verantwortung und im Wege der parlamentarischen Willensbildung selbst zu bestimmen und dabei auch ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen; soweit die Verfassung eine Delegation von Normgebungsbefugnissen an andere erlaubt, darf der zuständige Gesetzgeber sich seiner Verantwortung für den Inhalt der Normierung jedenfalls nicht völlig entäußern.“

Gleiches muss – zur Vermeidung eines „parlamentslosen“ Gesetzes und damit, worauf das vom Handbuch der Rechtförmlichkeit4 (Teil B) ausdrücklich hinweist, zur Wahrung des grundrechtlichen Gesetzvorbehalts (hier: Eingriffsverwaltung5) – erst recht für den Verweis auf einen Konsens der Regierungen (Fisci) gelten. Die genannten Verweisnormen sind daher verfassungskonform6 iS starrer Bezugnahmen zu verstehen mit der Folge, dass spätere Änderungen des OECD-MK – ungeachtet der Rechtsfragen rund um das Verständnis des Art. 31 Abs. 3 WÜRV7 – lediglich den Rang einer fachlichen Äußerung einnehmen, die gleich einem Fachaufsatz das Gesetzverständnis zu erläutern versucht, das dem DBA unter Berücksichtigung des Musterkommentars im Zeitpunkt des DBA-Vertragsabschlusses zukommt.8 Nur dieses 4 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Handbuch der Rechtförmlichkeit3, Teil B, Rz. 246. 5 Zum Bestimmtheitsgebot s. BVerfG v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15, BVerfGE 150, 244 Rz. 58; BFH v. 24.8.2004 – VII R 23/03, BFHE 207, 88 = BFHReport 2004, 1344; ferner BVerwG v. 29.10.2009 – 7 C 21/08 und 7 C 21/08, beide juris. 6 Einschränkend Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, 87: nur bei mehrdeutiger und damit auslegungsfähiger Verweisungsnorm. 7 Vgl. dazu M. Lang, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 1994, 11 (25 f.): weder „spätere Übereinkunft“ noch „spätere Übung“. 8 GlA – zB – M. Lang, IWB 2011, 281 (286 f.); zust. Gosch, SWI 2015, 505; aA Kaminski, Grundstrukturen deutscher DBA, 2014, 15: uU klarstellend iS eines „soft retroactive effect“.

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Verständnis entspricht zudem dem parlamentsgesetzlichen Vorbehalt sowie den Bestimmtheitsanforderungen, unter denen die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen nach Art. 80 GG steht.

B. Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften I. BFH v. 10.4.2019 (I R 15/16) 1. Sachverhalt „1 Die Beteiligten streiten über den Ansatz von nicht abziehbaren Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 5 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2008) geltenden Fassung (KStG) im Zusammenhang mit der Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen durch eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft. 2 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, war im Streitjahr zu 100 % an der in den USA ansässigen B Inc. beteiligt. Bis 2004 leistete die Klägerin Einlagen in Höhe von insgesamt … US-$ in die B Inc. 3 Im Streitjahr erhielt die Klägerin von der B Inc. Leistungen in Höhe von … US-$ (… t). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) nahm diese Bezüge gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG von der Bemessungsgrundlage aus, setzte jedoch im Körperschaftsteuerbescheid 2008 nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG steuererhöhend 5 % – und somit … t – als nicht abziehbare Betriebsausgaben an. 4 Der Änderungsantrag sowie der Einspruch der Klägerin blieben ohne Erfolg. Nach Ansicht des FA können in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaften an ihre inländischen Gesellschafter keine steuerneutralen Leistungen erbringen. 5 Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (Finanzgericht – FG – Münster, Urteil vom 19. November 2015 – 9 K 1900/12 K, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2016, 756). Bei der Leistung der B Inc. in Höhe von … US-$ (… t) habe es sich, so das FG, um die Rückzahlung nicht in das Nennkapital geleisteter Einlagen und nicht um eine Ausschüttung laufender oder thesaurierter Gewinne gehandelt, weil die B Inc. in den Jahren 2007 und 2008 über keine ausschüttungsfähigen Gewinne, Gewinnvorträge oder aus Gewinnen gebildete Kapitalrücklagen verfügt habe. Darüber hinaus hat die Vorinstanz ein von der Klägerin vorgelegtes Gutachten berücksichtigt, wonach im US-amerikanischen Recht nur dann von einer Gewinnausschüttung ausgegangen werde, wenn das Unternehmen über Einkünfte oder Profite verfüge. Schließlich sprächen auch die von der B Inc. in den USA abgegebenen und unbeanstandet gebliebenen Steuererklärungen, in denen die Leistung der B Inc. als ‚Return of capital‘ und zu 100 % ‚Nontaxable‘ bezeichnet wurden, für eine Kapitalrückzahlung. Demgemäß gebiete die Kapitalverkehrsfreiheit eine geltungserhaltende Reduktion des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 27 KStG dahingehend, dass die Kapitalrückzahlungen der B Inc. erfolgsneutral mit dem Buchwert der Beteiligung zu verrechnen seien.

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht … 10 Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Es unterstützt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, das Revisionsbegehren des FA.“9

Die Revision blieb ohne Erfolg.

2. Aus den Gründen „Klage hat in der Sache Erfolg (Bestätigung des FG) 12 Die sonach gegen den Änderungsbescheid vom 3. Februar 2017 gerichtete Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht bei der Klägerin … t gemäß § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG als nicht abziehbare Betriebsausgaben angesetzt. Die Leistung der B Inc. ist als steuerneutrale Einlagenrückgewähr zu qualifizieren, auf die § 8b Abs. 1 und 5 KStG nicht anwendbar sind. Keine Kürzung von Betriebsausgabenkürzung gemäß § 8 Abs. 5 KStG … 13 1. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft außer Ansatz mit der Folge, dass gemäß § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 5 % dieser Bezüge als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können (pauschales Betriebsausgaben-Abzugsverbot) und die deshalb dem Gewinn außerbilanziell hinzuzurechnen sind. … nicht bei Einlagenrückgewähr 14 2. Zu den nach den vorstehenden Maßgaben steuerfreien, aber dem pauschalen Betriebsausgaben-Abzugsverbot unterliegenden Bezügen gehören u.a. Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG), nicht jedoch solche Bezüge, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG vom Begriff der Einnahmen aus Kapitalvermögen ausgenommen sind, weil sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG als verwendet gelten. Folge hiervon ist zugleich, dass die Hinzurechnung fiktiver Betriebsausgaben gemäß § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG unterbleibt. Dabei bedarf es – mangels Entscheidungserheblichkeit – keiner Stellungnahme dazu, ob die Rückgewähr von Einlagen bis zur Grenze des Beteiligungsbuchwerts vom Begriff der Bezüge i.S. von § 8b Abs. 1 KStG auszunehmen ist (Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 – I R 116/08, BFHE 227, 397, BStBl II 2011, 898) oder ob im Umfang der nicht steuerbaren Ver9 BFH v. 10.4.2019 – I R 15/16, FR 2019, 907 mit Anm. Wacker.

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rechnung mit dem Anteilsbuchwert das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG auf der Grundlage einer teleologischen Reduktion nicht zum Tragen kommt. Grundsätze der Einlagenrückgewähr 15 3. Nach § 27 Abs. 1 KStG hat die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen (Satz 1) und ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben (Satz 2). Nach der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr). Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG). Ausdehnung auf EU-Kapitalgesellschaften durch SEStEG 16 4. Die mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, ber. BGBl I 2007, 68, BStBl I 2007, 4) eingefügte Vorschrift des § 27 Abs. 8 KStG bestimmt, dass die Regelungen zur Einlagenrückgewähr auch auf Körperschaften oder Personenvereinigungen anwendbar sind, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn sie Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG gewähren können (Satz 1). Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 und §§ 28 und 29 KStG – mithin auch unter Berücksichtigung der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG – zu ermitteln (Satz 2). Der als Leistung i.S. des Satzes 1 zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt (Satz 3). Soweit Leistungen nach Satz 1 nicht gesondert festgestellt worden sind, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG führen (Satz 9).

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Keine Anwendung bei Drittstaatengesellschaften nach Gesetzeswortlaut, … 17 5. Bei einer am Wortlaut orientierten Anwendung der zuvor beschriebenen Vorschriften würden die im Streitfall in Rede stehenden Leistungen der B Inc. an die Klägerin dem Regime des § 8b Abs. 1 und 5 KStG unterfallen. Die Einschränkung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG wäre nicht anwendbar, weil es sich bei der B Inc. nicht um eine unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaft handelt, die nach Maßgabe von § 27 KStG ein steuerliches Einlagekonto zu führen hat. Und eine Einlagenrückgewähr i.S. von § 27 Abs. 8 KStG liegt nicht vor, weil die B Inc. eine USamerikanische Gesellschaft ist, die in keinem anderen EU-Mitgliedstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. … aber bei unionsrechtskonformer Auslegung 18 6. Jedoch ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dahin auszulegen, dass die (materiellen) Grundsätze zur Einlagenrückgewähr auch für Leistungen einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft, für die kein steuerliches Einlagenkonto i.S. des § 27 KStG geführt wird, zum Tragen kommen. Möglichkeit der Einlagenrückgewähr bereits vor KSt.-Systemwechsel 2001/2002 19 a) Zur Rechtslage vor dem Systemwechsel vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren hat der erkennende Senat entschieden, dass über den Wortlaut des seinerzeitigen § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hinaus bei ausländischen Kapitalgesellschaften auch Kapitalrückzahlungen außerhalb der Herabsetzung von Nennkapital nicht zu besteuern sind, sofern unter Heranziehung des ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts von einer Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage auszugehen ist (Senatsurteil in BFHE 232, 15; ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Juli 2016 – VIII R 73/13, BFHE 254, 404; s.a. Senatsurteil vom 27. April 2000 – I R 58/99, BFHE 192, 428, BStBl II 2001, 168). Übertragung auf Rechtslage nach 2001/2002 20 b) Der VIII. Senat des BFH hat sich mit Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII R 47/13 (BFHE 254, 390) dafür ausgesprochen, dass dieses Normverständnis auch für die Rechtslage nach dem körperschaftsteuerrechtlichen Systemwechsel zu beachten ist und es auch nach Einfügung des § 27 Abs. 8 KStG für Bezüge von Drittstaatengesellschaften weiterhin Anwendung

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findet. Der erkennende Senat schließt sich dem nach Maßgabe der folgenden Erwägungen an. 21 aa) Die Gesetzesmaterialien lassen keinen eindeutigen Schluss darauf zu, ob der Gesetzgeber des SEStEG mit Schaffung des § 27 Abs. 8 KStG eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr durch eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft hat ausschließen wollen. Während die Empfehlungen des Finanz- und des Wirtschaftsausschusses vorsahen, dass ‚für Einlagenrückzahlungen ausländischer Körperschaften vergleichbare Regeln greifen, die überwiegend auf Richterrecht beruhen‘ und ‚bei Einlagenrückzahlungen von Körperschaften aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union die Rechtsprechungsregeln ohnehin weiter angewendet werden sollen‘ (BR-Drucks. 542/1/06, 2 f.), hat die Bundesregierung diese Empfehlungen nicht in ihrer Begründung zum Entwurf des SEStEG aufgegriffen; hiernach soll bei Leistungen nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften (lediglich) ‚für den Bereich der Europäischen Union die Möglichkeit eröffnet (werden), nachzuweisen, dass eine Zahlung an den Anteilseigner nach den Grundsätzen der Differenzrechnung als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist‘ (BT-Drucks. 16/2710, 32; vgl. zum Streitstand: Benecke/Staats, Internationales Steuerrecht – IStR – 2016, 893, 895; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG, Rz. 295, 300; Häberer, Deutsche Steuer-Zeitung 2010, 840, 846; Mayer-Theobald/Süß, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2017, 137, 138; Peschke/Herrmann, IStR 2014, 371, 373; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481, 1490; Schönfeld, Finanz-Rundschau – FR – 2015, 156, 158; Sedemund/Fischenich, Betriebs-Berater 2008, 1656, 1660; Spilker/Peschke, DStR 2011, 385, 390; Stimpel in Rödder/Herlinghaus/ Neumann, KStG, § 27 Rz. 220; Werra/Teiche, Der Betrieb 2006, 1455, 1458). Entsprechende Anwendung aufgrund EU-Kapitalverkehrsfreiheit 22 bb) Indes gebietet die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte – EG – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1), jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – AEUV – (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47) eine Auslegung des § 20 Abs. 1

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Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG dahingehend, dass auch DrittstaatenKörperschaften die Möglichkeit einzuräumen ist, den Nachweis über die Rückgewähr nicht in das Nennkapital geleisteter Einlagen zu erbringen (ebenso BFH-Urteil in BFHE 254, 390). 23 aaa) Der Schutzbereich der auch auf Drittstaaten-Kapitalgesellschaften anzuwendenden Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) ist eröffnet (BFH-Urteil in BFHE 254, 390, Rz. 20). § 8b KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sowie § 27 KStG regeln die Abgrenzung von Gewinnausschüttungen und Einlagenrückgewähr, ohne dass die Normen an eine bestimmte Beteiligungshöhe anknüpfen. 24 bbb) Sollten Drittstaaten-Körperschaften aus dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG ausgeschlossen sein, würde dies die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) beschränken (so auch BFH-Urteil in BFHE 254, 390). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – früher: Europäischer Gerichtshof – (EuGH) gehören zu den beschränkenden Maßnahmen i.S. des Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (EuGH-Urteil EV vom 20. September 2018 – C-685/16, EU:C:2018:743, Rz. 55, BStBl II 2019, 111). Dies wäre vorliegend auf der Grundlage eines wörtlichen Verständnisses des § 27 KStG der Fall. Die Nichtanwendung der Grundsätze über die Einlagenrückgewähr bei Drittstaatengesellschaften würden solche Gesellschaften und deren Gesellschafter im Vergleich zu inländischen oder EU-ausländischen Sachverhalten benachteiligen (BFH-Urteil in BFHE 254, 390, Rz. 25). 25 ccc) Ein Rechtfertigungsgrund dafür, dem inländischen Gesellschafter einer Drittstaatengesellschaft von vornherein jede Möglichkeit des Nachweises einer Einlagenrückgewähr zu verweigern, besteht nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 254, 390, Rz. 26 f.). Das gilt im Hinblick auf in den USA ansässige Kapitalgesellschaften insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass in Art. 26 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 i.d.F. der Neubekanntmachung vom 4. Juni 2008 (BGBl II 2008, 612, BStBl I 2008, 784) die sog. ‚große‘ Auskunftsklausel vereinbart worden ist, die einen umfassenden

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Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten ermöglicht. Keine Stand-Still-Ausnahme 26 ddd) Eine solche Beschränkung wäre auch nicht gemäß Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) zulässig. Danach berührt Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 auf Grund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder auf Grund von Rechtsvorschriften der Union für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestanden. Dabei obliegt es dem nationalen Gericht, den Inhalt einer solchen beschränkenden Regelung zu bestimmen (EuGH-Urteil EV, EU:C:2018:743, Rz. 73, BStBl II 2019, 111). Auf der Grundlage der BFH-Rechtsprechung (Urteile in BFHE 254, 390; und in BFHE 254, 404) hat zum Stichtag 31. Dezember 1993 eine solche Beschränkung bezüglich der Einlagenrückgewähr durch eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft jedoch, wie erläutert, nicht bestanden. Einlagenrückgewähr gemäß Verwendungsreihenfolge nach § 27 KStG 27 7. Hiervon ausgehend ist zwar die Höhe des ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaatengesellschaft auf der Grundlage des jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts zu ermitteln (Senatsurteil in BFHE 232, 15; BFH-Urteile in BFHE 254, 390, und in BFHE 254, 404). Da die rechtliche Herleitung der Möglichkeit der Einlagenrückgewähr für Drittstaatengesellschaften auf der Vermeidung einer ansonsten gegebenen Diskriminierung der Anteilseigner ausländischer Kapitalgesellschaftsanteile beruht, bestimmt sich sodann die Verwendungsreihenfolge der ausgeschütteten Beträge – in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung – nach den Grundsätzen der Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG. Nur dieses Rechtsverständnis stellt sicher, dass die Gesellschafter von Drittstaatengesellschaften nicht schlechter, aber auch nicht besser behandelt werden als die Gesellschafter von inländischen oder von EU-ausländischen Gesellschaften. Kein Feststellungsverfahren 28 8. Nicht auf die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften übertragen werden kann indessen der verfahrensrechtliche Aspekt der vorgeschalteten gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen

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Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG) bzw. der Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 EStG (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG). Da das Gesetz für die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften kein gesondertes Feststellungsverfahren zur Verfügung stellt (vgl. zum Gesetzesvorbehalt Beschluss des Großen Senats des BFH vom 11. April 2005 – GrS-2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679), können die damit zusammenhängenden Fragen nur im Rahmen der jeweiligen Festsetzungsverfahren der Gesellschafter geklärt werden (Blümich/Oellerich, § 27 KStG Rz. 81). Im Streitfall: Steuerneutrale Einlagenrückgewähr 29 9. Aus der bindenden Feststellung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ergibt sich, dass die B Inc. über keine ausschüttungsfähigen Gewinne, keine Gewinnvorträge oder keine aus Gewinnen gebildete Kapitalrücklagen verfügte. Unter Berücksichtigung des Beteiligungsbuchwerts konnte die Ausschüttung im Streitjahr demnach nur zu einer – steuerneutralen – Einlagenrückgewähr führen.“

II. Anmerkungen 1. Das Besprechungsurteil geht zu Recht davon aus, dass auch nach dem körperschaftsteuerrechtlichen Systemwechsel vom Anrechnungszum Teileinkünfteverfahren der Gesetzgeber an seiner Grundentscheidung zur Nichtsteuerbarkeit der Rückgewähr von in das Vermögen von Kapitalgesellschaften geleisteten Einlagen jedenfalls insoweit festgehalten hat, als die Rückgewähr aus dem Vermögen von EU-/ EWR-Gesellschaften zu beurteilen ist. Folge hiervon ist, dass die zurückgewährte Einlage mit dem im Betriebsvermögen ausgewiesenen Anteilsbuchwert zu verrechnen ist und – so jedenfalls im Ergebnis zutreffend die bisherige Rechtsprechung – nach Maßgabe dieses Verrechnungspotentials auch die Gewinnhinzurechnung nach § 8b Abs. 5 KStG ausgeschlossen wird. 2. Entsprechendes sollte mE für private Anleger auch dann gelten, wenn ihre Anteile nicht § 17 EStG unterstehen, sondern „nur“ nach § 20 Abs. 2 EStG steuerverhaftet sind (str.). 3. Offen gelassen hat der Senat, ob die – im Besprechungsurteil befürwortete – Geltung dieser Grundsätze für Leistungen von Drittstaatengesellschaften auf einer steuersystematischen Grundentscheidung des Gesetzgebers zugunsten des vermögensumschichtenden Charakters der Einlagenrückgewähr fußt oder sich gegen einen abschließenden Normzusammenhang stellt (hier: § 27 Abs. 1 iVm. 8 KStG) und des-

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halb – so die tragende Begründungslinie des Urteils – ausschließlich auf den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit gestützt werden kann. 4. Ungeachtet dieser nicht nur systematisch bedeutsamen Frage konnte jedenfalls nicht zweifelhaft sein, dass die Verwendungsvorgaben des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG auch in Drittstaatensachverhalten zu beachten sind. Auch Leistungen der Drittstaatengesellschaften sind hiernach nur dann – mithin unter Ausschluss eines Direktzugriffs nur nachrangig – als steuerrechtliche Einlagenrückgewähr zu qualifizieren, wenn sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen. Obgleich die Beteiligten hierdurch mit nicht unerheblichen Dokumentations- und Nachweisobliegenheiten belastet werden und sie die Feststellungslast für eine sie begünstigende Einlagenrückgewähr tragen, war diese Fortentwicklung der Rspr., dh. die Abkehr von den sog. „Rechtsprechungsregeln“ zum Direktzugriff nach Maßgabe des ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts und damit die Abkehr von der alleinigen Maßgeblichkeit des Gesellschafts- und Handelsrechts im Sitzstaat durch das unmissverständliche Diktum des Gesetzgebers zur Behandlung von Leistungen aus dem Vermögen von inländischen und EU-Kapitalgesellschaften vorgezeichnet. 5. Dies bedeutet indessen nicht, dass es keiner Feststellung mehr zum ausländischen Recht bedürfte. Ebenso wie bei Leistungen von EU-Gesellschaften ist vielmehr nach dem Handels- und Gesellschaftsrecht der Drittstaatengesellschaft zu beurteilen, ob Nennkapital iSv. § 28 KStG zurückgezahlt wird.10 Ferner ist nach dem Besprechungsurteil auch der ausschüttbare Gewinn (Subtrahend der Differenzrechnung) „auf der Grundlage“ des ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts zu bestimmen. 6. Allerdings trifft das Besprechungsurteil – mutmaßlich mangels Entscheidungserheblichkeit und vielleicht auch, um nicht in Widerspruch zur Rspr. des VIII. Senats zu treten11 – keine Aussage dazu, ob – wie von der FinVerw. im Rahmen von § 27 Abs. 8 Satz 2 KStG für EU-Kapitalgesellschaften vertreten – der sich hierbei ergebende Wert einer nachgelagerten Überleitungsrechnung analog § 60 EStDV nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zu unterwerfen und somit an die steuerrechtlichen Vorgaben des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG zur Ermittlung des Eigenkapitals anzupassen ist. Wie auch immer man sich hier10 GlA FG Düss. v. 24.8.2018 – 14 K 564/16 E, BB 2019, 97, rkr. 11 BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, BFHE 254, 390.

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bei entscheidet, es sollte nach dem Besprechungsurteil mE nicht zweifelhaft sein, dass für die Beurteilung von EU-/EWR-Gesellschaften und Drittstaatengesellschaften materiell-rechtlich nur ein einheitliches Verständnis in Betracht kommen kann. 7. Eine ganz andere Frage ist schließlich, ob Drittstaatengesellschaften dem Feststellungsverfahren des § 27 Abs. 8 KStG unterfallen. Dies ist mit Rücksicht darauf, dass ein solches Verfahren unter dem Vorbehalt des Gesetzes steht und das fristgebundene Feststellungsverfahren auch mit Rechtsnachteilen verbunden sein kann, zu verneinen. Soweit die FinVerw. dies für EWR-Gesellschaften – unter Einbeziehung von Nennkapitalrückzahlungen – anders sieht und im Schrifttum die tatbestandliche Begrenzung auf EU-Gesellschaften teilweise als gesetzgeberisches Versehen eingestuft wird, kann dies mE keine andere Einschätzung rechtfertigen. 8. Allerdings sollte der Gesetzgeber das Besprechungsurteil zum Anlass nehmen, das Feststellungsverfahren auch für Drittstaatensachverhalte rechtssicher zu öffnen, und hierbei – wie angesprochen – zugleich auch für EU-Sachverhalte den materiellen Bezugsrahmen der Differenzrechnung bei ausländischen Gesellschaften gesetzlich konkretisieren.

C. Ausfall grenzüberschreitender Konzerndarlehen – Neuorientierung der BFH-Rechtsprechung I. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16 1. Sachverhalt „Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine inländische GmbH, ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der inländischen A GmbH. Letztere war zu 99,98 % an der B N.V., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Belgien, beteiligt. Die restlichen Anteile an der B N.V. hielt die Klägerin. Die A GmbH führte für die B N.V. ein Verrechnungskonto, das ab dem 1. Januar 2004 mit 6 % p.a. verzinst wurde. Am 30. September 2005 vereinbarten die A GmbH und die B N.V. einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein in Höhe von … t. Der Betrag entsprach dem nach Ansicht der Vertragsbeteiligten wertlosen Teil der gegen die B N.V. gerichteten Forderungen aus dem Verrechnungskonto. Er wurde zwar in der Bilanz der A GmbH gewinnmindernd ausgebucht, jedoch hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA –) die Gewinnminderung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung neutralisiert.

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts –FG– Düsseldorf vom 10. November 2015, 6 K 2095/13 K, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 553).“12

2. Entscheidungsgründe „II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Vorinstanz hat zu Unrecht angenommen, dass das Einkommen der A GmbH nicht zu korrigieren ist. KSt.-Bescheid der Organgesellschaft im Streitjahr (noch) kein Grundlagenbescheid 9 1. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bestand im Streitjahr eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zwischen der A GmbH (als Organgesellschaft) und der Klägerin (als Organträgerin). Dies hat gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (KStG) zur Folge, dass das Einkommen der A GmbH der Klägerin zuzurechnen ist und die Einwendungen gegen die Höhe des zugerechneten Einkommens von der Klägerin als Organträgerin im Rechtsbehelfsverfahren gegen den an sie gerichteten Körperschaftsteuerbescheid geltend zu machen sind. Der die Organgesellschaft betreffende Steuerbescheid ist insoweit kein Grundlagenbescheid (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2016 I R 25/14, BFHE 254, 326, BStBl II 2018, 124). Darlehensausbuchung ist außerbilanziell zu korrigieren 10 2. Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, um entscheiden zu können, ob es sich bei dem Verrechnungskonto um ein betrieblich veranlasstes und damit steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehen der A GmbH handelte oder ob dieses Konto durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlagen in das Vermögen der B N.V. und damit in Höhe der Forderung nachträgliche Anschaffungskosten auf den Beteiligungsansatz der A GmbH ausweist (nachfolgend zu 3.). Dies kann jedoch offenbleiben, da in beiden Fällen die Minderung des Aktivums außerbilanziell zu berichtigen ist (nachfolgend zu 4.). Grundsätze zur steuerrechtlichen Anerkennung nicht fremdüblicher Darlehen 11 3. Nach der zu Verträgen zwischen Angehörigen ergangenen Rechtsprechung ist die Abgrenzung zwischen privater und betrieblicher Ver12 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526.

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anlassung im Anschluss an die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 2 BvR 802/90 (BStBl II 1996, 34, unter B.I.2.) und vom 15. August 1996 2 BvR 3027/95 anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten mit der Maßgabe vorzunehmen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen im Sinne eines absolut wirkenden Tatbestandsmerkmals die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu würdigen (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Oktober 2018 X R 44-45/17, BFHE 263, 11 m.w.N.). Nichts anderes kann für Vertragsverhältnisse zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern und damit für die Frage gelten, ob eine Kapitalüberlassung der eigenen betrieblichen Sphäre oder derjenigen des Gesellschaftsverhältnisses (hier: Beteiligung der A GmbH an der B N.V.) zuzuordnen ist. Maßgeblich: Ernstlichkeit der Abrede 12 a) Demgemäß bedarf es auch bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen der Abgrenzung, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war (BFH-Urteil vom 6. November 2003 IV R 10/01, BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416) oder ob die Beteiligten – im Sinne einer ernstlichen Abrede – von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird (dazu Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz. 26). Zwar kann diese Abgrenzung nur auf objektiv überprüfbare Umstände gestützt werden und ist hierbei von den fremdüblichen Voraussetzungen einer Darlehensgewährung auszugehen (sog. Fremdvergleich). Auch insoweit kann jedoch einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beigemessen werden. Diese sind vielmehr – worauf der Senat mit Urteil vom 29. Oktober 1997 I R 24/97 (BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.2.) ausdrücklich hingewiesen hat – indiziell zu würdigen (gl.A. BFH-Urteil vom 16. Oktober 2014 IV R 15/11, BFHE 247, 410, BStBl II 2015, 267, Rz. 24 ff.). Fehlende Darlehensbesicherung auch iVm. Konzernrückhalt nicht fremdüblich 13 b) Hiervon ausgehend ist zwar in der den Streitfall kennzeichnenden Nichtbesicherung des Schuldsaldos aus dem Verrechnungskonto einer-

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seits ein nicht fremdüblicher Umstand zu sehen, da ein mit der B N.V. nicht verbundener Kreditgeber auf einer banküblichen Sicherheit bestanden hätte. Abweichendes kann auch dem Topos des (sog.) Konzernrückhalts nicht entnommen werden, da er – ohne Hinzutreten einer rechtlichen Verpflichtung, für die Rückzahlung des Darlehens einzustehen – lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und die Üblichkeit zum Ausdruck bringt, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (z.B. Greil, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2018/2019, 947, 963 ff.). Soweit den Urteilen des Senats vom 24. Juni 2015 I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) sowie in BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.3.d, Abweichendes zu entnehmen ist, wird hieran nicht festgehalten. Dies schließt es andererseits – wie erläutert – aber nicht aus, auch ertragsteuerrechtlich von einer ernstlichen, d.h. betrieblich veranlassten Darlehensabrede auszugehen (Senatsurteil in BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, zu II.2.). Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung sind hierbei neben der fehlenden Konzernüblichkeit der Anspruchsbesicherung (dazu Senatsurteil vom 21. Dezember 1994 I R 65/94, BFHE 176, 571) vor allem die sonstigen Umstände des Vertragsschlusses (z.B. berechtigte Ertragserwartungen des Kreditnehmers, Einfluss des Kreditgebers auf dessen Geschäftstätigkeit, grundsätzliche Bereitschaft, die kreditnehmende Gesellschaft im Geschäftsverkehr nach außen zu stützen) indiziell mit Rücksicht darauf zu würdigen, ob – trotz des nicht fremdüblichen Verzichts auf die Einräumung einer werthaltigen Sicherung der Darlehensansprüche – die Beteiligten von einer Kapitalüberlassung auf Zeit und damit insbesondere von der Rückzahlung des Kreditkapitals ausgegangen sind und bei objektiver Würdigung ausgehen konnten. Im Streitfall zwar keine Würdigung der Fremdüblichkeit durch FG, … 14 c) Eine solche Gesamtabwägung hat das FG nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden. … Abgrenzung ist aber nicht entscheidungserheblich, da … 15 4. Die Abgrenzung ist im Streitfall indes nicht entscheidungserheblich, da die mit der Forderungsausbuchung verbundene Gewinnminderung ungeachtet dessen außerbilanziell zu korrigieren ist, ob die A GmbH eine durch das Gesellschaftsverhältnis (Beteiligungsverhältnis) veranlasste Kapitaleinlage in das Vermögen der B N.V. geleistet (nachfolgend zu a) oder dieser ein betrieblich veranlasstes Darlehen gewährt hat (nachfolgend zu b und c).

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… bei Einlage Korrektur nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG … 16 a) Im Fall einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der A GmbH auf die Beteiligung an der B N.V. erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ausgeschlossen. und bei Darlehen nach § 1 AStG 17 b) Im Fall der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung wäre hingegen – mit dem nämlichen Ergebnis und wie vom FA vertreten – die Minderung des Steuerbilanzgewinns nach § 1 Abs. 1 AStG zu neutralisieren. Darlehensverzicht: Gewinnminderung und verdeckte Einlage iHv. 0 v … 18 aa) Der gewinnmindernden Ausbuchung der Darlehensforderung steht der sog. Konzernrückhalt und damit auch der Umstand nicht entgegen, dass die A GmbH beherrschende Gesellschafterin der B N.V. war. Soweit der bisherigen Rechtsprechung des Senats entnommen werden konnte, dass allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Darlehensnehmer eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung zu sehen ist, hält er hieran – wie bereits erläutert – nicht fest (insoweit entgegen Senatsurteil in BFHE 176, 571). Demgemäß schließt der sog. Konzernrückhalt weder aus, dass ein Darlehen wertlos und damit auf den geringeren Teilwert abgeschrieben wird, noch hat er bei der im anhängigen Verfahren zu beurteilenden verzichtsbedingten Ausbuchung des Darlehensanspruchs zur Folge, dass diese durch den Ansatz einer verdeckten Einlage in Höhe des Nominalbetrags des Darlehensverzichts ausgeglichen wird (vgl. Senatsurteile in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258; vom 12. April 2017 I R 36/15, BFH/NV 2018, 58, Rz. 22). Der Einlagewert bestimmt sich vielmehr nach dem Teilwert des Forderungsanteils, auf den verzichtet wurde, im Streitfall mithin – nach den Feststellungen der Vorinstanz – auf null t (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307; sowie nachfolgende Senatsurteile vom 15. Oktober 1997 I R 23/93, BFH/NV 1998, 826; I R 58/93, BFHE 184, 432, BStBl II 1998, 305; I R 103/93, BFH/NV 1998, 572; vom 28. November 2001 I R 30/01, BFH/NV 2002, 677).

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… sowie Korrektur der Gewinnminderung durch § 1 Abs. 1 AStG 19 bb) Die hierdurch bedingte Gewinnminderung unterliegt indes in voller Höhe der Korrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG. 20 Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 AStG jede den Einkünften zugrundeliegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. 21 (1) Das Darlehensverhältnis zwischen der A GmbH und der B N.V. ist eine solche Geschäftsbeziehung, zu deren Bedingungen die Nichtbesicherung der Ansprüche gehört (noch offen gelassen im Senatsurteil in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz. 15). Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch – neben Vereinbarungen über die Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie Höhe und Zahlungszeitpunkt der Zinsen – üblicherweise auch Vereinbarungen über die zu stellenden Sicherheiten zu rechnen (vgl. Nr. 13 AGB-Banken, Nr. 22 AGB-Sparkassen). Auch die Rechtsprechung teilt diese Ansicht (z.B. Senatsurteil vom 7. September 2016 I R 11/14, BFH/NV 2017, 165, Rz. 21, im Zusammenhang mit einem ‚weitergeleiteten Konzerndarlehen‘ und § 8a Abs. 1 KStG 2002 n.F.; BFHUrteile vom 16. Dezember 1998 X R 139/95, BFH/NV 1999, 780, und vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327). 22 (2) Die Nichtbesicherung weicht – wie bereits ausgeführt – vom Fremdüblichen ab, weil ein fremder Gläubiger die Darlehensgewährung (hier Verrechnungskonto) von der Einräumung werthaltiger Sicherungsrechte abhängig gemacht hätte. Gegen die Annahme fehlender Fremdüblichkeit kann nicht eingewendet werden, dass die dem Schuldsaldo zugrundeliegende Abrede steuerrechtlich als Darlehen angesehen wird. Letzteres beruht – wie gleichfalls bereits erläutert – auf der Würdigung

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der Gesamtabrede, die trotz fehlender Fremdüblichkeit einzelner Indizien (hier: keine Besicherung) dazu führen kann, nicht von einer durch das Gesellschaftsverhältnis (Beteiligungsverhältnis) veranlassten Einlage, sondern einer darlehensweisen Kapitalausreichung auszugehen. Folge hiervon ist indes nicht, dass der Vertrag in seiner Gesamtheit dem entspräche, was einander Fremde vereinbaren würden. Vielmehr bleibt die Qualifikation der betroffenen und vom Marktüblichen (Banküblichen) abweichenden Vertragsteile als nicht fremdüblich erhalten. Nichts anderes ergibt sich aus § 1 AStG. Im Gegenteil: auch diese Vorschrift unterscheidet nach ihrer Struktur (Tatbestand und Rechtsfolge) die ‚Geschäftsbeziehung‘ zum Ausland – hier das steuerrechtlich anzuerkennende Darlehen – von den einzelnen, nicht fremdüblichen ‚Bedingungen‘ mit der weiteren Folge, dass nur die hierdurch – d.h. die fehlende Fremdüblichkeit einzelner Bedingungen (hier: fehlende Besicherung) – veranlassten Einkunftsminderungen dem Berichtigungsbefehl der Norm unterfallen. Rechtsfolge: Punktuelle Einkünftekorrektur 23 (3) Die Einkünfteminderung ist weiterhin i.S. von § 1 AStG durch (‚dadurch‘) die fehlende Besicherung eingetreten (noch offen gelassen in Senatsurteilen in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, Rz. 16, und in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz. 15). Maßgeblich hierfür ist – im Sinne des Veranlassungsprinzips (dazu Senatsurteil vom 18. April 2018 I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl II 2019, 73, Rz. 23) – das die gewinnmindernde Forderungsausbuchung ‚auslösende Moment‘. Bei der hierfür gebotenen wertenden Betrachtung ist nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der B N.V., sondern deshalb vorrangig auf den Sicherungsverzicht abzustellen, weil die A GmbH durch eben diesen Verzicht ihren Darlehensrückzahlungsanspruch an die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Tochtergesellschaft geknüpft hat und eine solche ‚Vermischung der Vermögensrisiken‘ im Falle der Einräumung werthaltiger Sicherungsrechte nicht eingetreten wäre. Änderung der Rechtsprechung: Keine Sperrwirkung gemäß Art. 9 DBABelgien 24 cc) Die hierdurch bedingte Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG wird nicht durch Art. 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 (BGBl II

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1969, 18, BStBl I 1969, 39) – DBA-Belgien 1967 – ausgeschlossen (Aufgabe der bisherigen Senatsrechtsprechung). 25 (1) Art. 9 DBA-Belgien 1967 sieht u.a. vor, dass dann, wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, Kontrolle oder Finanzierung eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist und zwischen den beiden Unternehmen hinsichtlich ihrer kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen Bedingungen vereinbart oder auferlegt werden, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und besteuert werden dürfen. 26 (2) Geht man bei der Ermittlung des Regelungsgehalts eines völkerrechtlichen Vertrags vom Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 – WÜRV – (BGBl II 1985, 927) aus (Senatsurteil vom 11. Juli 2018 I R 44/16, BFHE 262, 354), so ist ein solches Abkommen nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). 27 (3) Maßgeblich ist mithin der Wortlaut des Vertrags und die ‚gewöhnliche Bedeutung‘ der verwendeten Ausdrücke. Hiernach handelt es sich bei der fehlenden Besicherung um zwischen der A GmbH und der B N.V. ‚vereinbarte Bedingungen‘, die – wie gezeigt – vom Fremdüblichen abweichen. Der Senat hat zwar bisher das Merkmal der Bedingung im Falle der Darlehensgewährung allein auf den vereinbarten Zinssatz – i.S. einer Preiskorrektur – beschränkt (Senatsurteile in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261). An dieser Rechtsprechung wird indes nicht festgehalten. Unberührt hiervon bleiben hingegen die Grundsätze des Senatsurteils vom 11. Oktober 2012 I R 75/11 (BFHE 239, 242, BStBl II 2013, 1046). Die in dieser Entscheidung zu beurteilende sog. Sonderbedingung in Form einer ‚klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung‘, denen beherrschende Unternehmen im Rahmen der Einkommenskorrektur nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG unterworfen sind (sog. formeller Fremdvergleich), ist unverändert nicht zu den Bedingungen i.S. des Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen – OECD-MustAbk –) zu rechnen.

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28 (4) Bestätigung findet dieses Verständnis im Zweck des Art. 9 DBA-Belgien 1967. Die Regelung zielt auf die Einkünfteabgrenzung bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen am Maßstab des vom Territorialitäts- und Veranlassungsprinzip getragenen Fremdvergleichs (Schwenke/Greil in Wassermeyer MA Art. 9 Rz. 2). Sie will zudem die gleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen unabhängigen und verbundenen Unternehmen sicherstellen. 29 (5) Aus dem Vorstehenden sowie dem prinzipiellen Einklang mit den Erläuterungen zu § 1 AStG ergibt sich weiterhin, dass der Senat einer abschließenden Entscheidung darüber enthoben ist, ob der Auslegung des Art. 9 DBA-Belgien 1967 die Grundsätze des WÜRV oder gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien 1967 (sog. lex-fori-Klausel) das Recht des Anwenderstaats zugrunde zu legen ist (vgl. zum Verhältnis zwischen Art. 3 Abs. 2 OECD-MustAbk und Art. 31 ff. WÜRV: Erhard in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 3 Rz. 155; Oellerich in Gosch, AO § 2 Rz. 34; Schaumburg/Häck in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Rz. 19.67; Strunk/Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 3 OECD-MA Rz. 5.1; Wassermeyer in Wassermeyer MA Art. 3 Rz. 77). Vereinbarkeit mit EU-Recht 30 c) Schließlich widerstreitet auch das Unionsrecht nicht einer Einkünftekorrektur nach § 1 AStG. EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt 31 aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – früher: Europäischer Gerichtshof – (EuGH) stellt eine Regelung wie diejenige des § 1 Abs. 1 AStG eine zur Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1) dar (jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C 115, 47; EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt vom 31. Mai 2018

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C-382/16, EU:C:2018:366, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2018, 580). Bei Substanzverlusten keine Korrekturschranke 32 bb) Soweit der EuGH mit der zuletzt genannten Entscheidung für die unentgeltliche Übernahme von Garantie- und Patronatszusagen im Rahmen seiner Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit erkannt hat, dass das wirtschaftliche Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft an ihren Beteiligungsgesellschaften sowie die gewisse Verantwortung als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften Geschäftsabschlüsse unter nicht fremdüblichen Bedingungen rechtfertigen (‚erklären‘) und damit einer Berichtigung nach § 1 AStG entgegenstehen können, kommt diese Einschränkung vorliegend nicht zum Tragen. 33 (1) Auszugehen ist hierbei davon, dass die genannten wirtschaftlichen Gründe (hier: ‚gewisse‘ Finanzierungsverantwortung der A GmbH für B N.V.; Partizipation an deren Erfolg z.B. über Gewinnausschüttungen) nach dem EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt (EU:C:2018:366, HFR 2018, 580) nicht im Sinne eines Automatismus dazu führen, dass die Wahrung der territorialen Besteuerungsrechte der Mitgliedstaaten (durchgängig) verdrängt werden. Aus den Formulierungen des Urteils (vgl. dort Rz. 54, 56 f.: ‚können‘) ergibt sich vielmehr zweifelsfrei, dass das nationale Gericht Gründe dieser Art zu berücksichtigen und damit im Rahmen einer Abwägung daran zu messen hat, mit welchem Gewicht die jeweils zu beurteilende Abweichung vom Maßstab des Fremdüblichen in den Territorialitätsgrundsatz und die hierauf gründende Zuordnung der Besteuerungsrechte eingreift (gl.A. zur gebotenen Einzelfallabwägung Graw, Der Betrieb – DB – 2018, 2655, 2657; Rasch/Chwalek/Bühl, Internationale Steuer-Rundschau 2018, 275, 279; Schreiber/Greil, DB 2018, 2527, 2534; a.A. wohl BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2018, BStBl I 2018, 1305). 34 (2) Hiernach kommt im Streitfall eine Einschränkung der Berichtigung nach § 1 AStG nicht in Betracht. 35 Zwar hatte die A GmbH – im Gegensatz zu einander fremden Dritten – die Wahl, die B N.V. entweder mit Fremd- oder mit Eigenkapital auszustatten. Gleicht die Ausreichung von Fremdkapital aber eine unzureichende Eigenkapitalausstattung aus und ist sie damit zugleich Voraussetzung dafür, dass die darlehensempfangende Gesellschaft die ihr zugedachte wirtschaftliche Funktion (weiter) erfüllen kann, so steht dies nicht nur strukturell der Zuführung von Eigenkapital nahe (vgl. jeweils zu § 1 AStG a.F. Senatsurteile vom 23. Juni 2010 I R 37/09, BFHE

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230, 156, BStBl II 2010, 895; vom 27. August 2008 I R 28/07, BFH/NV 2009, 123; vgl. auch § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG n.F.), sondern hat des Weiteren zur Folge, dass eine unterschiedliche Behandlung von Einlage (dazu unter 4.a) und Darlehensverzicht mit Rücksicht auf den auch unionsrechtlich anerkannten Geltungsanspruch der Gewinnabgrenzung nach Maßgabe fremdüblicher Bedingungen ausgeschlossen ist. Folgen für Nutzungsentgelte (etc.) offen 36 Welche Weiterungen sich hieraus für unentgeltliche Garantie- und Patronatserklärungen ergeben, die dem EuGH-Urteil Hornbach-Baumarkt (EU:C:2018:366, HFR 2018, 580) zugrunde lagen, bedarf vorliegend bereits deshalb keiner weiteren Erörterung, weil Verpflichtungen der zuletzt genannten Art mit keiner Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus der betroffenen Gesellschaften einhergehen, wohingegen die im anhängigen Verfahren zu beurteilenden Verzichtserklärungen – gleich der Leistung einer Einlage – bis zum Eintritt des Besserungsfalls auf einen Kapitalverlust, jedenfalls aber auf einen Kapitaltransfer gerichtet waren. Auch dem ist im Rahmen der gebotenen Abwägung – wie aufgezeigt – das ihm zukommende Gewicht zu geben mit der Folge, dass die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit einer Einkunftskorrektur nach § 1 AStG nicht entgegensteht. 37 5. Nach dem Ausgeführten ist das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.“

3. Leitsätze „1. Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.2.) (Rn. 11)(Rn. 12). 2. Der Topos des sog. Konzernrückhalts beschreibt lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringt die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (insoweit entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 29. Oktober 1997 I R 24/97, BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.3.d) (Rn. 13). 3. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen ‚Bedingungen‘ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967) (Rn. 21)(Rn. 23)(Rn. 24).

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht 4. Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 DBA-Belgien 1967) beschränkt den Korrekturbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht auf sog. Preisberichtigungen, sondern ermöglicht auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf (entgegen Senatsurteile vom 24. Juni 2015 I R 29/14, BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und vom 17. Dezember 2014 I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261) (Rn. 27)(Rn. 28). 5. Ob einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers auf der anderen Seite zu berücksichtigen (Rn. 32)(Rn. 33).“

II. Anmerkungen 1. Das zwischenzeitlich im BStBl. Teil II veröffentlichte Leiturteil (Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az: 2 BvR 1161/19) ist im Wesentlichen nur von Angehörigen des I. Senats zustimmend kommentiert worden.13 2. Im Übrigen ist es – wenn auch mit differenzierenden Abstufungen und nicht selten blumigen Ausschmückungen – ganz überwiegend kritisch aufgenommen worden.14 3. Das dürfte einerseits auf die geänderten Ergebnisse und die enttäuschten Erwartungen zurückzuführen sein. Andererseits ist der juristische Kern der Einwände nicht immer greifbar. Positiv gewendet, lässt sich dies durchaus als Bestätigung der geänderten Rspr. verstehen; sie braucht – wie bei Neuerungen nicht selten – eine gewisse Zeit der Eingewöhnung. 4. Soweit im Schrifttum auf die rasche Abkehr von der bisherigen Rspr. hingewiesen wird, ist dies im Ausgangspunkt zutreffend. Allerdings kann keinerlei Zweifel darüber bestehen, dass selbstverständlich auch der I. Senat des BFH seine Judikatur nicht leichtfertig ändert. Vorliegend bleiben jedoch nicht nur die offenkundigen Begründungsbrüche der bisherigen Rspr. zu beachten. Hinzu kommt, dass für die 13 Wacker, FR 2019, 449; Pfirrmann, BFH/PR 2019, 202; Märtens, jurisPR-SteuerR 27/2019 Rz. 1; Maetz, IStR 2019, 481. 14 S. – zB – Gosch/Rautenstrauch, GmbHR 2019, R179; Bünning, BB 2019, 1330; Breuninger, GmbHR 2019, 729; Kahlenberg, DB 2019, 1752, Busch, DB 2019, 1236; Frase, BeSt 2019, 25; Schulz-Trieglaff, IWB 2019, 667; Junkers, ISR 2019, 245; Egert, BB 2019, 2327; Gosch, DStR 2019, 2441.

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Streitjahre der vom I. Senat bisher entschiedenen und noch zu entscheidenden sog. Fälle15 durch die Aufgabe der in den Jahren 2014 und 2015 geäußerten Rechtsauffassung zur Sperrwirkung der Art. 9 OECD-MA entsprechenden DBA-Regelungen das Vertrauen in die Beständigkeit höchstrichterlicher Rspr. bereits aus Gründen der Chronologie nicht beschädigt werden konnte. 5. Offenbleiben soll hier, ob – wie teilweise formuliert – das Urteil I R 73/16 wirklich die Koordinaten des Ertragsteuerrechts der Konzerne grundlegend neu justiert hat. Jedenfalls ergibt sich nunmehr ein klares Bild: Konzerndarlehen können auch bei fehlender Besicherung als steuerrechtliches Fremdkapital Anerkennung finden und damit zum BA-Abzug für angemessene Zinsen führen, wenn die Beteiligten ernstlich von der Rückzahlung des Kredits ausgegangen sind und – aus objektiver Sicht – ausgehen konnten.16 6. Fehlt es hieran, ist die Kapitalausreichung als Einlage zu werten. 7. Liegt hingegen ein steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehensverhältnis vor, stellt sich für den Fall des Darlehensausfalls (Verzicht, Ausbuchung aufgrund Wertminderung) die Frage, ob dieser bilanzielle Verlust im Wege der Hinzurechnung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach § 1 AStG zu korrigieren ist. Dies wiederum hängt davon ab, ob die Nichtbesicherung fremdüblich war. 8. Hierauf haben sich im Kern auch alle bisher vom I. Senat verhandelten Folgeverfahren konzentriert. Bereits aus der Leitentscheidung war insoweit (vgl. Leitsatz 3: „Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen ‚Bedingungen‘ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk …“) zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Senat zwar die Besicherung als (selbstverständlichen) Regelfall fremdüblicher Geschäftsbeziehungen ansieht, hiervon jedoch im Einzelfall Ausnahmen wiederum nach Maßgabe dessen anerkennt, was einander fremde („unabhängige“) Dritte (dh. nicht konzernverbundene Vertragspartner) miteinander vereinbaren würden. Ich darf insoweit aus meiner Besprechung17 zitieren:

15 Vgl. Wacker, FR 2019, 449 (550 Fn. 7). 16 Vgl. zum Darlehen der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter FG Münster v. 15.5.2018 – 13 K 2556/15 K,G, EFG 2019, 1553, rkr. 17 Wacker, FR 2019, 449 (453).

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Wacker – Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internat. Steuerrecht „Hiervon unberührt bleibt selbstverständlich, dass unter besonderen Umständen (z.B. Gewährung kleinerer und kurzfristiger Darlehen an Unternehmen mit zweifelsfreier Bonität) auch Fremde – d.h. innerhalb der Grenzen banküblichen Verhaltens – auf eine Besicherung ihrer Ansprüche verzichten und deshalb bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch konzerninterne Darlehen als fremdüblich anzuerkennen sein können. Ähnliches mag – wiederum grundsätzlich – für Abreden gelten, die ein erhöhtes Kreditrisiko durch Zinsaufschläge abfangen. Allerdings setzt auch hier der Maßstab des Marktüblichen, d.h. die Risikokompensationen durch Zinsaufschläge im Rahmen des Banküblichen, und dessen Würdigung im Einzelfall die Grenze für die Qualifikation als fremdübliche Abrede. Zu denken ist des Weiteren an Lieferungen und Leistungen zwischen Konzernunternehmen. Auch hier ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, ob und gegebenenfalls bis zu welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt Außenstände aus solchen Vertragsverhältnissen zwischen Fremden unbesichert geblieben wären“.

9. Auch die bisher veröffentlichten Folgeentscheidungen bestätigen diese Linie. (a) BFH v. 27.2.201918 (Darlehen [0,419 Mio. t] und Bürgschaft [0,8 Mio. t] an österreichische Tochter-Kapitalgesellschaft, an der Klägerin – inländische GmbH – zu 50 % beteiligt war). Leitsätze „1. Die nicht ausreichende Besicherung eines Darlehens oder eines Regressanspruchs aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft gehören grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG. Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD-MustAbk (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich 2000).“ Aus den Gründen: „13 b) Zu der Frage, ob die Besicherung der Rückzahlungsforderungen aus den Darlehen mit den sicherungsübereigneten Maschinen und die fehlende Besicherung der Bürgen-Regressforderung – auch unter Berücksichtigung des österreichischen Rechts – dem entsprechen, was ein fremder, nicht durch ein Gesellschaftsverhältnis mit der A GmbH verbundener Darlehensgeber bzw. Bürge (ex ante) vereinbart hätte, hat das FG keine Feststellungen getroffen. … 21 Das angefochtene Urteil beruht auf einer anderen rechtlichen Beurteilung. Es ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, um diesem die Nachholung der erforderlichen Feststellungen zum Fremdvergleich zu ermöglichen“.

18 BFH v. 27.2.2019 – I R 81/17, BFHE 264, 297.

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(b) BFH v. 27.2.201919 (KG = Klägerin verzichte auf einen Teil der Forderungen aus Lieferbeziehungen [insgesamt rund 2,56 Mio. t] mit ihrer chinesischen Tochter-Kapitalgesellschaft; iÜ wurden diese ausgebucht). Leitsatz: „1. Die fehlende Besicherung einer Forderung aus Lieferbeziehungen gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen ‚Bedingungen‘ i.S. des § 1 Abs. 1 AStG“.

Aus den Gründen: „13 a) Die Lieferbeziehung zwischen der Klägerin und der A Ltd. ist eine solche Geschäftsbeziehung, zu deren Bedingungen die Nichtbesicherung der Ansprüche gehört (noch offen gelassen im Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 – I R 23/13, BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz. 15). Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch bei Lieferbeziehungen üblicherweise auch Vereinbarungen über ggf. zu stellende Sicherheiten zu rechnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in dem Senatsurteil zum Parallelverfahren (vom 27. Februar 2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394, Rz. 21) Bezug genommen. 14 b) Zu der Frage, ob die fehlende Besicherung der Zahlungsforderungen aus den Lieferverhältnissen dem entspricht, was ein fremder, nicht durch ein Gesellschaftsverhältnis mit der Abnehmerin verbundener Lieferant (ex ante) im konkreten Lieferverhältnis (Kaufpreis von … t, keine Verzinsung) mit der A Ltd. vereinbart hätte, hat das FG keine Feststellungen getroffen. Auch ist dem angefochtenen Urteil nichts dazu zu entnehmen, ob und wann ein fremder Dritter ggf. (zumindest) zu einem späteren Zeitpunkt (nach der Lieferung) auf einer werthaltigen Besicherung der Ausstände bestanden hätte (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Mai 2018 – I B 114/17, BFH/NV 2018, 1092, zu ‚stehengelassenen‘ Forderungen aus Lieferungen und Leistungen)“.

10. Die Quintessenz des Vorstehenden ist denkbar einfach. Ausgehend davon, dass die Wahrheit immer konkret ist (Lenin), hilft es nicht, allgemein Beispiele zu benennen, bei denen unbesicherte Darlehen gewährt wurden oder werden. Erkennbar nicht ausreichend ist ferner der Hinweis auf die Konzernüblichkeit der Einräumung unbesicherter Darlehen. Maßgeblich ist vielmehr der konkrete Einzelfall und damit, ob und in welchem Umfang ein fremder („unabhängiger“) Dritter für das konkrete Darlehen (Höhe, Zeitpunkt etc.) mit Rücksicht auf den konkreten Darlehensnehmer, dessen Bonität, dessen Vermögenssituation und Ertragsaussichten (usw.) von einer Besicherung abgesehen hätte. Übertragen auf das Urteil 19 BFH v. 27.2.2019 – I R 51/17, BFHE 264, 292.

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I R 81/17 (s.o. zu 9.a) heißt dies zB, dass in den Fremdvergleich sicherlich auch die Umstände einzustellen sind, die die österreichische Sparkasse dazu veranlasst haben, auf einer Absicherung ihres Kredits durch eine werthaltige Bankbürgschaft der Obergesellschaft (= Klägerin) zu bestehen. 11. Demgemäß geht auch der Hinweis von Schumann20 auf die Nichtbesicherung von Schuldscheindarlehen fehl. Er lässt schlüssige Erwägungen dazu vermissen, weshalb Darlehen dieser Art, die typischerweise von Banken, Versicherungen und institutionellen Anlegern in einer Größenordnung von mindestens 10 Mio. t gewährt werden, einer Fremdvergleichsbetrachtung für Konzerndarlehen an nachgeordnete Tochtergesellschaften, die sich nicht selten entweder in der Krise und/oder einer Phase der Umstrukturierung oder Marktbehauptung befinden, zugrunde gelegt werden können. Hinzu kommt, dass auch solche Großkredite nur nach Maßgabe der „Bonität des Darlehensnehmers … unbesichert zu Verfügung gestellt werden“ … und es nur bei „ausgezeichneter Bonität durchaus möglich (ist), dass gänzlich auf die Bestellung von Sicherheiten verzichtet wird“21. 12. Da sich eine solche Feststellung aber nur auf der Grundlage einer Bonitätsprüfung treffen lässt, stellt sich ertragsteuerrechtlich des Weiteren die Frage, ob der Nachweis der Fremdüblichkeit allein auf eine fiktive Beurteilung gestützt werden kann („wie hätten sich fremde Dritte verhalten …“) oder ob hierfür – weitergehend – zu fordern ist, dass die Beteiligten selbst, zB bei Hingabe des Kredits, hierüber konkrete Erwägungen angestellt und – erst auf dieser Grundlage – von einer Besicherung abgesehen haben. In den mündlichen Verhandlungen vor dem I. Senat blieben Nachfragen dieser Art unbeantwortet. Im Schrifttum wird empfohlen, die Einschätzung der Beteiligten über die wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers zu dokumentieren. Dem wird man aus Gründen der Vorsorge nur beipflichten können.

20 Schumann, FR 2019, 848. 21 Woesch/Dietrich, Mustervertrag für Schuldscheindarlehen nach LMA (Loan Market Association)-Standard, BKR 2019, 399. Zu den aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Versicherungsunternehmen als typische Investorengruppe s. Freitag in Staudinger, § 488 BGB Rz. 556 mwN: unbesicherte Schuldscheindarlehen nur bei Unternehmen der „ersten Adresse“.

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13. Auch zum Urteil Hornbach-Baumarkt darf ich zunächst auf meine Erläuterungen verweisen.22 Soweit gegen die Abwägung territoriale Zuordnung der Besteuerrechts nach Maßgabe des Fremdvergleichs versus wirtschaftlich Gründe des Gesellschafters/Darlehensnehmers für Abkehr vom Fremdüblichen eingewandt wird, sie erzeuge rechtliche Unsicherheit, ist darauf hinzuweisen, dass diese auf die Rspr. des EuGH zurückgeht und richtigerweise keine Notwendigkeit bestanden hätte, die Rechtfertigung der sachgerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu relativieren. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass mit der Veröffentlichung des Urteils I R 73/16 im BStBl.23 die Verwaltung der EU-rechtlichen Würdigung des BFH zustimmt mit der Folge, dass jedenfalls bei Kapitalverlusten (Substanzverlusten) die wirtschaftlichen Gesellschafterinteressen hinter der Wahrung des Fremdvergleichsgrundsatzes zurücktreten und sie damit – auf solche Konstellationen – auch die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 6.12.201824 nicht (mehr) anwendet. Nicht entschieden hiermit dürfte aber die Handhabung bei der Korrektur nicht fremdüblicher Nutzungsvergütungen (zB unentgeltlicher Patronatserklärungen) sein.

22 Wacker, FR 2019, 449 (455). 23 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394. 24 BMF v. 6.12.2018 – IV B 5 - S 1341/11/10004-09 – DOK 2018/0985275, BStBl. I 2018, 1305.

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Aktuelle Rechtsprechung des I. Senats zum Internationalen Steuerrecht Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Johannes Baßler Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbH, Hamburg

Oliver Nußbaum Global Head of Tax, BASF SE, Ludwigshafen

MinDirig. Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Roland Wacker Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, I. Senat, München

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Berlin

Der Diskussion voran ging der Vortrag von Prof. Dr. Wacker zum Urteil v. 11.7.20181 (sog. Lichtdesigner-Fall). Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank, Herr Professor Wacker. Dieses Urteil hat ja wirklich interessante methodische Fragen aufgeworfen, und ich darf vielleicht Herrn Kreienbaum als erstes fragen, was er davon hält, weil es ja der Ansicht widerspricht, die die Finanzverwaltung vertritt. Herr Kreienbaum, Sie vertreten eine dynamische Auffassung und eine Bindung an die jeweilige Fassung des Kommentars. Deshalb haben Sie das Recht, als Erster darauf zu antworten.

1 BFH v. 11.7.2018 – I R 44/16, BFH/NV 2019, 149.

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Martin Kreienbaum Ich stimme Herrn Professor Wacker in vielem zu, insbesondere darin, dass es sich hier um eine grundsätzliche Frage handelt. Es geht um die Frage, wie Abkommen auszulegen sind und ob das Handeln der Exekutive in der Frage der Auslegung des Abkommenstexts eine Rolle spielen kann. Zunächst bewegen wir uns in den Grenzen der üblichen Auslegungskategorien: dem Wortlaut der Norm, dem Gesetzeszweck und dem Gesetzeszusammenhang. Damit sind die Grenzen der zulässigen Auslegung definiert. Nun kommt es vor, dass der Gesetzgeber einen später entstehenden tatsächlichen Sachverhalt im Detail nicht vollständig vor Augen hat, so dass innerhalb der Auslegung des Normzwecks, des Wortlauts und des Gesetzeszusammenhangs noch ein Spielraum für unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten besteht. Die ausreichende Bestimmtheit der Norm vorausgesetzt stellt sich die Frage, ob dieser Spielraum durch Handeln der Exekutive ausgefüllt werden kann. Auch wenn, und auch in diesem Punkt stimme ich Herrn Prof. Wacker zu, das letzte Wort nur bei der Judikative liegen kann, stellt sich die Frage, ob exekutives Handeln in der Beurteilung durch die Judikative eine Rolle spielen kann. Aus Sicht der Finanzverwaltung ist die ständige Übung der Vertragsparteien eine solche nachrangig zu berücksichtigende Auslegungskategorie. Das hat im Übrigen der Gesetzgeber ausdrücklich in Art. 31 Abs. 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge aufgenommen. Dort bestimmt der Gesetzgeber explizit, dass internationale Verträge nach „den genannten Auslegungskategorien“ auszulegen sind. Unter den explizit genannten Auslegungskriterien findet sich auch die „Staatenpraxis“. Der Gesetzgeber hat das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge 1987 ratifiziert und damit die angesprochene Auslegungskategorie selbst ausdrücklich angeordnet. Damit ist die tatsächliche Übung eine Auslegungskategorie, die auch von der Judikative zu beachten ist. Welche Bedeutung hat diese Auslegungskategorie nun für den OECDMusterkommentar? Der Kommentar selbst spiegelt noch keine „Übung“ der Vertragsparteien wider. Aber wenn zwei Vertragsstaaten sich auf Basis des Kommentars einig werden und über eine gewisse Dauer eine „Übung“ in der tatsächlichen Verwaltungspraxis entsteht, dann ist diese Übung als ergänzendes Auslegungskriterium auch zu beachten. Insoweit kann sich eine gewisse „Dynamik“ in der Auslegung von Abkommensrecht ergeben, selbst wenn der Abkommenstext selbst nicht verändert wird.

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Podiumsdiskussion: Aktuelle Rspr. des I. Senats zum Internat. StR

Prof. Dr. Frotscher Herr Nußbaum, wollen Sie dazu was sagen? Nußbaum Vielleicht eine Frage: Wenn man den BEPS-Prozess nimmt und den Themenkomplex Verrechnungspreise, da gab es ja doch durchaus massive Einschnitte und auch Dogmenwechsel in der Ansicht, wie man mit der Zuordnung von Gewinnen ungeachtet der Zuordnung von rechtlichem Eigentum umzugehen hat. Diese finden auch Eingang in das neue OECDMusterabkommen. Wenn ich das BFH-Urteil richtig verstehe, dann sind die BEPS-Regeln bezüglich der Verrechnungspreise zumindest insoweit noch nicht in ein DBA umgesetzt, als Deutschland bestehende DBA noch nicht bzgl. Art. 9 OECD-MA geändert hat. Vertreten Sie hier die Auffassung, dass trotz der doch substantiellen Änderungen im BEPS-Prozess die neuen BEPS-Regeln und der neue damit verbundene MA-Kommentar, auch ohne explizite Änderung des DBAs, auf bestehende DBAs anzuwenden sind? Kreienbaum Zunächst gehe ich davon aus, dass wir bei vielen der neuen BEPS-Regeln tatsächlich eine Anordnung der Gültigkeit durch Änderung der DBA bewirken müssen. Bei den Änderungen zum Betriebsstättenbegriff beispielsweise steht außer Frage, dass diese nur dann zur Anwendung kommen, wenn die entsprechenden DBA völkervertragsrechtlich geändert und diese Änderungen auch national umgesetzt werden. Anders kann es sich bei den Verrechnungspreisleitlinien verhalten. Der Punkt, den Sie, Herr Nußbaum, ansprechen, steht rechtlich auf der gleichen Ebene wie der OECD-Musterkommentar. Die Änderung der Verrechnungspreisleitlinien hat noch keinen Einfluss auf die vertragsrechtliche Interpretation. Anders ist es nur, wenn sich eine entsprechende Übung zwischen den Vertragsparteien etabliert hat. Nußbaum Aber sie kann sich ja eigentlich nicht durchgesetzt haben, wenn man sie bisher nicht anwendet hat.

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Kreienbaum Ja, völlig richtig. Aber dann ist es auch keine praktische Übung. Ich sagte ja, die Voraussetzung wäre schon die praktische Übung. Die Änderung des Kommentars oder in diesem Fall der Verrechnungspreisleitlinien allein würde nicht ausreichen, aber die dauerhaft praktische Übung in den Vertragsparteien könnte aus meiner Sicht dazu führen. Nußbaum In der Praxis sehen wir häufig, dass die aufgrund von BEPS veränderten Regelungen zur Gewinnaufteilung nicht nur für Zeiträume seit BEPS, sondern auch noch rückwirkend auf die Zeiten davor angewandt werden und man gerade nicht die Auffassung des BFH teilt. In der Praxis wird häufig schlicht deshalb eine rückwirkende Anwendbarkeit postuliert, um – wir kommen vielleicht nachher noch einmal dazu – im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens, eines Schiedsgerichtsverfahrenes, einer Joint Audit, dennoch ein Mehrergebnis zu erzielen. Dynamische Auslegung hin oder her, es wird sich einfach verständigt. Und in der Praxis sehen wir daher sehr häufig, dass sich die Finanzverwaltung schlicht über die Rechtsprechung hinwegsetzt, die Fälle einfach veranlagt. Als Steuerpflichtiger entscheidet man sich im Zweifel eher für ein Verständigungsverfahren statt für ein Gerichtsverfahren. Insoweit nützt die Rechtsprechung in der Praxis am Ende wenig. Prof. Dr. Frotscher Herr Kreienbaum, ich muss Ihren Ausführungen aus systematischen Gründen widersprechen. Wir müssen unterscheiden zwischen dem internationalen Vertrag und der Umsetzung des Vertrags in nationales Recht. Die Staaten sind an den Vertrag gebunden, der Steuerpflichtige nicht. Der Steuerpflichtige ist an das nationale Gesetz gebunden. Das bedeutet, wenn die Staaten eine übereinstimmende Änderung oder eine übereinstimmende Auffassung von einem Vertrag haben, dann ist das nach der Wiener Übereinkunft wirksam, betrifft aber die Staaten, nicht den Steuerpflichtigen. Wenn zwischen den Staaten eine übereinstimmende Interpretation des DBA besteht, dann bedeutet das nach der Wiener Übereinkunft nur, dass Sie vertraglich verpflichtet sind, diese geänderte Interpretation in nationales Recht umzusetzen. Das muss aber auch geschehen, also das Gesetz, etwa das Anwendungsgesetz zum DBA, geändert werden Allein die Übung auf der Grundlage der Wiener Übereinkunft

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verpflichtet nur die Staaten, ihre übereinstimmende Interpretation umzusetzen, ist aber nicht die Umsetzung selbst. Prof. Dr. Wacker Um mit einem Begriff aus der Musiktheorie zu beginnen: In der Prozesssituation herrschte „Querstand“, also gewissermaßen ein Kompositionsfehler. Es war doch das Finanzamt, also die Finanzverwaltung, die die Geltung des new approach in Abrede gestellt hatte. Mit anderen Worten: Wäre das Finanzamt für den Streitfall diesem Ansatz gefolgt, hätte es keine Klage gegeben. Ist das nicht zugleich ein starkes Argument gegen eine gemeinsame „Übung“ im Sinne des Art. 31 WÜRV, wenn Deutschland als Mitglied der OECD nicht bereit war, das umzusetzen, worauf man sich im Jahre 2010 verständigt hatte? Hinzu kommt, dass sich der Musterkommentar gegen eine feststehende Rechtsprechung gestellt hatte, nach der sich die Zuordnung der jeweiligen Tätigkeit zu den Zuteilungsartikeln des einschlägigen Abkommens nach nationalem Recht bestimmt. Die Frage war deshalb auch, ob diese (ständige) Rechtsprechung allein auf der Grundlage eines Kommentars geändert werden kann. Sie ist meines Erachtens eindeutig zu verneinen. Anders könnte es allenfalls dann sein, wenn das juristische Feld von der Rechtsprechung bisher noch nicht „besetzt“ ist. Aber auch dann kann es meines Erachtens nicht in Betracht kommen, dass die Gerichte beispielsweise an eine gegebenenfalls geänderte Sicht des Kommentars gebunden sind. Auch hier muss sich mit anderen Worten das beste Argument durchsetzen. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass es Eingang in den Musterkommentar gefunden hat und deshalb die Zustimmung der Gerichte findet. Prof. Dr. Frotscher Herr Kreienbaum, bevor Sie antworten, ich wollte mal fragen: Frau Wünnemann, Herr Baßler, möchten Sie dazu das Wort ergreifen? Dr. Baßler Ich würde gern was dazu sagen, aber ich wäre jetzt erst einmal auf die Antwort von Herrn Kreienbaum gespannt. Prof. Dr. Frotscher Gut. Herr Kreienbaum!

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Kreienbaum Vielen Dank. Also ich bin da schon anderer Auffassung, auch immer noch, Herr Wacker, und Herr Frotscher, auch bei Ihnen. Schwerer Kompositionsfehler und Querstand … Prof. Dr. Wacker Bezogen auf diesen Fall! Ich habe nicht von der OECD gesprochen, sondern hier von … Kreienbaum Ja, das wollte ich noch einmal ansprechen. Sie hatten in Ihrem Vortrag schon gesagt, dass es hier um sehr grundsätzliche Fragen geht. Herr Frotscher, Ich verstehe vermutlich Ihren Punkt nicht ganz richtig. Der Gesetzgeber verabschiedet eine Vorschrift, die zwar rechtlich ausreichend bestimmt ist, aber einen Auslegungsspielraum erlaubt, und der Gesetzgeber ist sich dieses Umstands bewusst. Jetzt ordnet der Gesetzgeber selbst an, dass innerhalb eines möglichen Auslegungsspielraums die Staatenpraxis, die Verwaltungspraxis, eine entscheidende Rolle spielen soll. Noch einmal: Die Norm selbst – nehmen wir an – ist hinreichend bestimmt. Wir bewegen uns noch immer im Wortlaut der Norm, innerhalb des Normzwecks und im Gesetzeskontext. Es verbleibt ein Auslegungsspielraum, von dem der Gesetzgeber selbst ausdrücklich sagt, dass bei dessen Auslegung eine maßgebliche Auslegungskategorie die Staatenpraxis, die Übung durch die Finanzverwaltung, sein soll. Für diesen Fall steht im Raum, ob diese Auslegungskategorie eine Rolle spielen soll. Ich sehe nicht, warum nun noch ein weiterer gesetzgeberischer Akt hinzukommen sollen muss, um der Staatenpraxis zur Bindungswirkung zu verhelfen. Prof. Dr. Frotscher Nur einen Satz dazu: Ich glaube, der Dissens zwischen uns liegt darin, dass ich streng trenne zwischen dem völkerrechtlichen Vertrag, für den die Übereinkunft gilt, und der Umsetzung durch das Parlament mit Verpflichtung gegenüber dem Steuerpflichtigen, für den die Wiener Übereinkunft nicht gilt. Das ist der Unterschied. Sie machen diesen Unterschied nicht so streng, und insofern, glaube ich, können wir es dahingestellt sein

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lassen, wer Recht hat. Das wird uns der BFH oder das Bundesverfassungsgericht sagen. Herr Baßler, Sie hatten noch einen Punkt! Dr. Baßler Ich möchte an etwas anknüpfen, was bei Herrn Nußbaum schon einmal angeklungen ist. Ich habe mich gefragt, was dieses Urteil jenseits des konkreten Falls der Qualifikationsverkettung für den AOA bei Betriebsstätten bedeutet? Wir haben dort eine nationale Umsetzung in § 1 AStG. Wenn man die Norm näher betrachtet, klingt Abs. 5 aber so, als ob der Gesetzgeber die Zurechnung abkommensunabhängig geregelt hat, also den sogenannten Erwirtschaftungsgrundsatz beseitigt und den AOA der OECD national implementiert hat. Die Abkommensauslegung hat sich aber nicht verändert. Jedenfalls der nationale Gesetzgeber schreibt zur Abkommensauslegung nichts, und wenn ich jetzt dieses Urteil heranziehen soll, würde das für mich bedeuten, dass wir möglicherweise die Betriebsstättengewinnabgrenzung national auf der Basis des AOA durchführen, im Anwendungsbereich von DBA aber alles beim Alten bleibt, weil natürlich die Normen, Art. 7 des jeweiligen Abkommens, sich nicht geändert haben. Für diese These spricht außerdem, dass der Gesetzgeber im letzten Satz von § 1 Abs. 5 AStG angeordnet hat, dass die nationale Auslegung vorgeht, falls das Abkommen etwas anderes vorsieht. Das kann ja nur bedeuten, dass der Gesetzgeber selber glaubte, dass er eine veränderte Auslegung des Abkommens nicht anordnen kann. Mich würde interessieren, ob auf dem Podium sich jemand schon einmal zu dieser Weiterung eine Meinung gebildet hat. Prof. Dr. Frotscher Also, ich würde da eigentlich kein großes Problem sehen. Wenn ich das richtig verstanden habe, bestimmt § 1 Abs. 5 AStG, wie das DBA auszulegen ist. Das ist eine Art Anwendungsnorm des DBA. Wenn der andere Staat ausdrücklich eine andere Auffassung vertritt, bleibt es stattdessen bei der alten Auffassung. Die Vorschrift könnte als gesetzliche Auslegung des DBA oder als ein beschränkter Treaty Override angesehen werden. Beides wäre rechtlich zulässig. Wenn der Gesetzgeber in der Vorschrift sagt, dass es bei der alten Auffassung bleibt, wenn der andere Staat ausdrücklich anderer Auffassung ist, dann kann man daraus schließen, dass der Gesetzgeber einen unbeschränkten Treaty Override ausschließen will, aber einen beschränkten Treaty Override bei einer zwischen den

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Staaten nicht geklärten Auslegung des DBA in Kauf nimmt. Ich sehe dabei jedenfalls kein Problem mit der Qualifikationsverkettung. Dr. Baßler Das ist kein Problem der Qualifikationsverkettung, da gebe ich Ihnen völlig recht. Es ist eigentlich nur eine Frage der methodischen Anwendung dieses Urteils auf die Frage, wie wir Betriebsstättengewinne abgrenzen. Wo uns eben der Musterkommentar doch etwas Anderes vorgibt durch den AOA … Prof. Dr. Frotscher Herr Baßler, entschuldigen Sie! Wir haben ein Gesetz! Der Musterkommentar ist kein Gesetz! Natürlich kann das Gesetz, das deutsche Gesetz, den Musterkommentar überschreiben. Da habe ich gar kein Problem. Dr. Baßler Das ist richtig. Es bleibt die Frage, für welche Normebene überschreibt das deutsche Gesetz. Sind wir also bei der Frage der Betriebsstättengewinnabgrenzung auf der Ebene der nationalen Zurechnung von Einkünften zur Betriebsstätte, oder will uns der Gesetzgeber sagen, dass er auch das Abkommen in Zukunft anders versteht? Und wenn ich das Gesetz genau lese, bin ich mir nicht sicher, ob der Gesetzgeber das Abkommen gemeint hat. Prof. Dr. Frotscher Wie gesagt, ich sehe darin kein Problem, aber wenn es ein Problem gibt, wird der BFH uns das sagen. Herr Kreienbaum! Kreienbaum Vielen Dank, Herr Frotscher. Ich hatte ja jetzt Gelegenheit, über Ihre Bemerkung nachzudenken und erlaube mir, auch eine Frage an Sie zu richten: Wir hatten ja über das ratifizierte Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge gesprochen, und der Gesetzgeber hat, das hatten wir ja ausgeführt, angeordnet, dass internationale Verträge nach dieser zusätzlichen Auslegungskategorie zu bewerten sind. Was veranlasst uns denn zu sagen, dass sich dieser Wille des Gesetzgebers nur auf den internationalen Vertrag und nicht auf das ratifizierte Anwendungsgesetz beziehen soll?

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Prof. Dr. Frotscher Ich würde das schon deshalb so sehen, weil im Normalfall bei nahezu allen internationalen Verträgen keine unmittelbare Auswirkung auf den Bürger entsteht. Ich kenne eigentlich kaum einen internationalen Vertrag, der unmittelbar Rechte und Pflichten für den Bürger begründet. Das ist nur im Steuerrecht mit den DBA der Fall. Die Regelungen der Wiener Übereinkunft über die Auslegung der internationalen Verträge muss man auf den Normalfall beziehen, dass sich aus dem Vertrag nur Rechte und Pflichten der Staaten ergeben, nicht auch unmittelbare Rechte und Pflichten der Bürger. Das ergibt sich schon daraus, dass der Bürger kein Völkerrechtssubjekt ist und deshalb aus einem Vertrag unmittelbar weder berechtigt noch verpflichtet werden kann. Kreienbaum Nun hat das Anwendungsgesetz eine unmittelbare Auswirkung auf den Bürger, und das Wiener Übereinkommen gibt vor, nach welchen Auslegungsmaßstäben der völkerrechtliche Vertrag interpretiert werden soll. Jetzt würden Sie annehmen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung anordnen würde, weil dieser internationale Vertrag in der nationalen Umsetzung eine unmittelbare Auswirkung auf den Bürger hat. Das kann ich nicht nachvollziehen. Der Umstand, dass sich das WÜRV nur auf den internationalen Vertrag beziehen soll und da eine Abstufung sich ergeben soll mit Blick auf die nationale Umsetzung … Prof. Dr. Frotscher Ich sehe da keine Abstufung. Es muss durch Interpretation ermittelt werden, was das Umsetzungsgesetz umsetzt. Das Umsetzungsgesetz kann nur das umsetzen, was zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Gesetzes da war. Es kann nicht etwas umsetzen, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden war. Sie hatten vorhin einige Beispiele genannt, dass ein Beurteilungsspielraum bestehe. Ich glaube, das ist ein anderer Punkt. Wenn eine Interpretationsmöglichkeit besteht, dann würde auch der BFH diese Interpretationsmöglichkeit ausnutzen und entsprechend interpretieren. Mir geht es um den Fall, dass der BFH entscheidet, dass das DBA ist in einer ganz bestimmten Weise auszulegen ist. Das heißt, er hat keinen Zweifel, dass eine bestimmte Auslegung richtig ist. Aber dann ändern die Finanzverwaltungen der beiden beteiligten Staaten ihre Auffassung oder der Kom-

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mentar wird entsprechend geändert, und dann soll das vom BFH gefundene Auslegungsergebnis nicht mehr gelten. Das ist genau der Fall, auf den Herr Prof. Wacker eben hingewiesen hat. Es kann meines Erachtens nicht sein, dass eine Änderung der Meinung der Finanzverwaltung oder eine neue Meinung der Finanzverwaltung den Inhalt des Gesetzes, so wie der BFH es interpretiert hat, ändern kann. Kreienbaum Würde sich nicht doch eher die Frage stellen, ob der Inhalt des Gesetzes, dessen Auslegung natürlich nur der Judikative obliegt, eine gewisse Offenheit in Abhängigkeit von zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes künftiger Verwaltungspraxis erlaubt? Und da sprechen wir doch über Fälle, in denen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten vorhanden sind. Sie haben gesagt, die Verwaltung bewegt sich außerhalb der Interpretationsmöglichkeit – da weiß ich gar nicht, ob Herr Wacker das so sehen würde. Da würde ich Sie vielleicht fragen, Herr Wacker. Sie würden ja vermutlich auch in Ihrer Entscheidung zwischen verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten wählen, so dass auch das, was Sie verwerfen und vielleicht von der Finanzverwaltung vertreten würde, sich innerhalb der Möglichkeit der Interpretation bewegen würde. Prof. Dr. Frotscher Ich würde sagen, rein rechtlich gesehen gibt es nur eine richtige Auslegung des Gesetzes. Es gibt nicht mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Und welches die richtige ist, entscheidet der BFH. Kreienbaum Ja, dann fragen wir doch Herrn Wacker, ob er nicht vielleicht … Prof. Dr. Wacker Als ich Ihnen zuhörte, ist mir durch den Kopf gegangen, ob das wirklich alles nur eine grundlegende Frage in grenzüberschreitenden Sachverhalten ist oder ob wir es nicht auch im rein nationalen Kontext mit exakt derselben Frage zu tun haben? Angenommen, eine solche nationale Norm lässt verschiedene Auslegungen zu und die Verwaltung macht sich daran, diese zu interpretieren und ihre Ansicht in Richtlinien niederzulegen. Kann es in dieser Situation (außerhalb des Bereichs von Ermessungsspielräumen) wirklich in Betracht kommen, hieraus eine Bindungswirkung für die Gerichte abzuleiten? Doch ganz sicher nicht. Hiervon ausgehend

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sehe ich nicht, dass es grenzüberschreitend anders sein könnte. Hinzu kommt, um es noch einmal anzusprechen, die Änderung des Musterkommentars ist im Streitfall auf eine feststehende Rechtsprechung getroffen. Prof. Dr. Frotscher Ich habe das Gefühl, wir könnten den ganzen Vormittag mit dieser interessanten Diskussion füllen, aber ich würde gern Herrn Kreienbaum noch einmal die Gelegenheit geben, darauf zu antworten. Kreienbaum Das ist sehr nett. Ich glaube auch, wir werden uns hier heute auf dem Podium nicht einig zu dieser Frage. Ich möchte nur noch einen Punkt zu Herrn Wackers Vergleich zwischen internationalen und nationalen Sachverhalten bringen. Ich glaube, Herr Wacker, was Sie zu nationalen Sachverhalten gesagt haben, ist völlig richtig. Der Unterschied zu den internationalen Sachverhalten ergibt sich ja gerade durch die explizite Anordnung des Gesetzgebers durch Ratifizierung des Art. 31 Abs. 3 WÜRV. Der gilt natürlich nicht für den rein nationalen Sachverhalt, weil ich da keinen internationalen Vertrag in nationales Recht überführt habe. Und jetzt habe ich diese ausdrücklich angeordnete zusätzliche Auslegungskategorie. Deswegen meine ich, dass das Gleichsetzen zwischen national und international nicht zulässig wäre. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Eine Wortmeldung aus dem Publikum! Prof. Dr. Frotscher Da hinten war noch eine Wortmeldung. Es folgt ein Beitrag aus dem Publikum, demzufolge am Ende ein Qualifizierungskonflikt stünde, der auf keiner nationalen Ebene mehr gelöst werden könne. Prof. Dr. Frotscher Ja, wollen Sie noch was dazu sagen, Herr Kreienbaum? Wir wissen ja auch keine Lösung.

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Kreienbaum Das war ja eine rhetorische Frage. Prof. Dr. Wacker Eine Teilantwort gibt es schon. Eine unterschiedliche Auslegung des DBA durch die Vertragsstaaten entspricht qualitativ unterschiedlichen nationalen Besteuerungsregeln ohne DBA. Vorliegend kommt nicht nur hinzu, dass der Senat keine sichere Erkenntnis zur rechtlichen Einschätzung in den Vertragsstaaten hatte. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass auf der Grundlage der Lex-fori-Klausel keine durchgängige Gewähr für eine Koordination der Besteuerungsrechte besteht. Es folgen die Ausführungen von Prof. Dr. Wacker zum BFH-Urteil v. 10.4.2019.2 Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Ich darf zuerst Herrn Nußbaum um eine Stellungnahme aus der Sicht der Industrie bitten: Sind Sie glücklich über das Urteil? Ist das für Ihre Tochtergesellschaften im Ausland und für Ihre Muttergesellschaft eine große Chance oder eigentlich eher von geringerer Bedeutung? Nußbaum Auf die Vergangenheit bezogen kommt’s darauf an, wie die Finanzverwaltung mit dem Urteil umgehen wird – das werden wir dann gleich erfahren, hoffe ich. Zu dem Punkt Verfahrensrecht: Man könnte da auch den umgekehrten Weg gehen und auf ein vorgelagertes Feststellungsverfahren verzichten, zumal nach unserer Erfahrung ohnehin in der nachgelagerten Betriebsprüfung der Vorgang noch einmal überprüft wird. Man sollte die Anforderungen in Drittstaatenfällen nicht zu kompliziert machen. Letztlich muss man abwägen, ob die Folgen der 5 %-Besteuerung nicht günstiger sind als der mit einem Antrag verbundene Verwaltungsaufwand. In eine solche Abwägung faktisch gedrängt zu werden, hielte ich unter Rechtsstaatlichkeitsgesichtspunkten für problematisch. Also die Nachweispflicht ist der entscheidende Punkt. Welche Nachweise muss man bringen? Eine vergleichbare Regelung wie im Falle Meilicke hielte ich für inakzeptabel.

2 BFH v. 10.4.2019 – I R 15/16, BFHE 265, 56.

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Prof. Dr. Frotscher Herr Kreienbaum, die letzte Frage von Herrn Wacker war „Reaktion des Gesetzgebers“. Sind Sie glücklich mit dem Urteil, oder soll der Gesetzgeber etwas ändern? Kreienbaum Ja, mit Blick auf die Anordnung der Anwendung der Verwendungsregeln ist das Urteil positiv zu bewerten. Der Gesetzgeber hat sich bisher eindeutig positioniert und EU-ansässige Gesellschaften einbezogen, auch später mit dem BMF-Schreiben 2016 zu im EWR-Ausland ansässigen Gesellschaften. Das Urteil ist noch relativ frisch, und wir befinden uns jetzt noch in der Diskussion zwischen Bund und Ländern. Herr Wacker hatte zu Recht darauf hingewiesen, dass eine ganze Reihe rechtlicher und technischer Schwierigkeiten bestehen, auch mit Blick auf die Überleitungsrechnung, auch der Gedanke von Herrn Wacker, dass das Feststellungsverfahren, wenn man es denn für Drittstaaten anwenden würde, für Portfolio-Investoren dann doch vielleicht keine gute Lösung wäre, denn man ist immer noch abhängig davon, dass das ausschüttende Unternehmen den Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern stellt. Ich meine, dass es nach dem Urteil naheliegt, § 27 Abs. 8 KStG auszuweiten auf Drittstaatengesellschaften. Aber wie gesagt, das werden wir jetzt noch mit den Ländern diskutieren müssen. Prof. Dr. Frotscher Frau Wünnemann, wie sieht der BDI das? Dr. Wünnemann Ich würde mich bei dem Thema auf die Praktiker verlassen. Wir haben keine eindeutige Meinung dazu. Prof. Dr. Frotscher Ähnlich also wie das BMF, welches, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das auch noch prüfen muss. Herr Baßler, haben Sie noch eine Bemerkung dazu? Dr. Baßler Aus Sicht der Beratung ist der Kern des Urteils natürlich grundsätzlich zu begrüßen, dazu brauche ich, glaube ich, keine Ausführungen zu ma-

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chen. Die Frage des Feststellungsverfahrens ist aus Sicht der Beratung ein zweischneidiges. Wenn man ein Feststellungsverfahren hat, dann hat der Steuerpflichtige, der sich sozusagen von vornherein an die Regeln des Gesetzes hält, eine klare Guideline und hat natürlich den Verwaltungsaufwand, aber wenn er sich von vornherein daran hält, hat man hinterher auch keinen Streit. Auf der anderen Seite gibt es natürlich immer mal wieder die Fälle, die schiefgelaufen sind, wo ohne Feststellungsverfahren im Nachhinein ein größerer Argumentationsspielraum besteht. Also ohne formales Feststellungsverfahren hat man immer mal wieder Argumentationsmöglichkeiten, um vielleicht einen Fall vom Eis zu bekommen oder jedenfalls betragsmäßig für den Mandanten etwas günstiger zu gestalten. Insofern ist aus der Sicht der Praxis das mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu betrachten. Ich persönlich glaube, dass Rechtssicherheit immer noch ein hohes Gut ist. Der Dokumentationsaufwand – ja, der ist einfach da. Prof. Dr. Frotscher Stellungnahmen aus dem Publikum? Schultze3 Ich habe noch einmal eine Frage zur Situation des Minderheitsgesellschafters und zur Überleitungsrechnung. Wir sind nahe der Schweizer Grenze. Die Schweizer Handelsbilanzen erlauben unglaubliche Differenzen zu unseren Steuerbilanzen. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ein Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit findet, eine deutsche Steuerbilanz aus einer Schweizer Handelsbilanz abzuleiten. Können Sie da, Herr Kreienbaum, noch etwas präziser sagen, wie die Finanzverwaltung sich zur Überleitungsrechnung positionieren möchte? Kreienbaum Vielen Dank. Dieser Punkt gehört zu den Schwierigkeiten, die wir noch zwischen Bund und Ländern diskutieren. Ich stimme Ihnen zu, diese Überleitungsrechnung vollziehen zu können, ist wegen vieler technischer Schwierigkeiten und Unterschiede in den verschiedenen Handelsbilanzen und Steuerbilanzen eine enorme Hürde. Vor der Aufgabe, eine 3 Stephan Karl Schultze, M.I.Tax ist Partner und geschäftsführender Gesellschafter bei der LOEBA Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft in Lörrach.

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Lösung dafür finden zu müssen, stehen wir offensichtlich. Das ist Gegenstand der Beratungen zwischen Bund und Ländern. Schultze Mag meine Frage dem etwas Nachdruck verliehen haben. Es folgen die Ausführungen von Prof. Dr. Wacker zum BFH-Urteil v. 27.2.2019.4 Die sich hieran anschließende Diskussion wurde mit der Diskussion des Vortrags von Dr. Körner zusammengelegt. Siehe hierzu S. 73 ff.

4 BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BFHE 263, 525.

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Konzernfinanzierung Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax) Leiter Steuern, Volkswagen AG, Wolfsburg

A. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16 (BStBl. II 2019, 394) . . . . . . . .

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B. Konsequenz: Steuerliche Unwirksamkeit realer Vermögensverluste . . . . . . . .

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C. Was bedeutet „grundsätzlich“ in dem BFH-Urteil? . . . . . . . . 62 D. Ein Blick auf „Hornbach“ . . .

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E. Das Phänomen der Wahlfeststellung in dem BFH-Urteil sowie die Zurückverweisungsfrage . . . . . . . . . . . . . . .

63

F. Der Rückhalt ist ökonomisch und rechtlich fundiert . . . . . .

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G. Praxisfolgenabschätzung: Maßnahmen gebotener Sorgfalt aus Unternehmenssicht, um eine Besteuerung gemäß der Leistungsfähigkeit zu erreichen. . . . . . . . . . . . . . . . . .

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H. Standortpolitische Verfehlung 66 I. In Europa gibt es keine Einbahnstraßen-Lösung . . . . . . .

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J. Wirtschaftliche Betrachtung: Konzern als Rating-Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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K. Quintessenz: Das Urteil ist verfehlt, Zentren der Wertschöpfung müssen entlastet werden, echte Verluste müssen abzugsfähig sein, Finanzierungsneutralität ist geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16 (BStBl. II 2019, 394) Was Sie nicht überraschen wird: Ich sehe es etwas anders als Herr Wacker. Was Sie überraschen wird, ist, dass ich es gar nicht so dramatisch anders sehe. Für mich ist es einfach die Breitenwirkung der Aussage, dass der Rückhalt entzogen wurde, also, dass die Nichtbesicherung einfach aus der Rückhaltlosigkeit oder Nicht-Existenz des Topos’ Rückhalt stammt, die für mich eben diese Wirkung nicht hat. Ich habe mich ohnehin gewundert. Ich nenne Ihnen jetzt gleich mal zwei Fundstellen, auch von Herrn Wacker, noch nicht in der FinanzRundschau und auch noch nicht im Bundessteuerblatt, aber schon vom Bundesfinanzhof,

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vom selben Tag: I R 51/171 und I R 81/172. Da war der I. Senat in der Lage, die Sache zurück an das Finanzgericht zu verweisen. Ich habe es mal so gelernt, dass die Frage der Fremdüblichkeit äußerst tatsachenlastig ist und durchaus beim Finanzgericht beurteilt werden darf. Ich kenne es auch so, dass man derartiges in der Betriebsprüfung beurteilt. Ich habe eigentlich vorher auch gut mit den Dingen gelebt, speziell mit dem BMF-Schreiben von 2011,3 welches ja auch den Rückhalt ein Stück weit respektiert hat. Und welches genauso wenig die steuerwirksame Abschreibung von Forderungen zugelassen hat. Man wusste wenigstens, woran man war. Ich weiß, das ist nicht so der deutsche Weg. Aber wenn wir jetzt hier im angelsächsischen Bereich wären, dann würde man bei einem Urteil auch ein klein bisschen darauf schauen, was es insgesamt für Folgen bewirkt – im eigenen Land, im System insgesamt, vor dem Hintergrund der gesamten Rechtslage und auch, wenn man den Fall einmal umkehrt und an unsere europäischen Partner denkt. Ich habe den Fall hier einmal visualisiert:

Vereinfachen Sie ihn bitte gedanklich sofort. Die 0,02 % einer belgischen Gesellschaft liegen ja nur daran, dass in Belgien eine Gesellschaft 1 BFH v. 27.2.2019 – I R 51/17, BFHE 264, 292 = GmbHR 2019, 1200. 2 BFH v. 27.2.2019 – I R 81/17, BFHE 264, 297. 3 BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004 – DOK 2011/0203248, BStBl. I 2011, 277.

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zwei Aktionäre haben muss, und das mit der Organschaft ist nun einmal etwas ganz Typisches, gerne tiefer gestaffelt, das ist ja so eine Art Zusammenveranlagung für Kapitalgesellschaften, Ihnen ja hinreichend bekannt. Sie können sich diesen als den Standardfall denken: Ich gebe Fremdkapital in eine hundertprozentige Konzerntochtergesellschaft.

B. Konsequenz: Steuerliche Unwirksamkeit realer Vermögensverluste Und jetzt wandeln wir einmal den Fall so ab, dass man Geld heruntergibt in die belgische Gesellschaft, dieses Geld leider von der belgischen Gesellschaft verbraucht wird, man es nicht zurückbekommt – ich glaube, soweit sind wir uns bei dem Urteilssachverhalt auch noch einig – und wir sehen es nie wieder, weil sie einfach weiterhin richtig gute Verluste erzielt oder einfach erfolglos ist, womöglich bis hin zur Insolvenz. Da muss man sich einmal die Frage stellen: Was hat das eigentlich mit Leistungsfähigkeit zu tun? Das darf hier vielleicht auch reinstrahlen in die Betrachtung, dass effektiv wegen der Nicht-Besicherung die Verlustberücksichtigung in diesem Fall ausgeschlossen sein soll. Das ist für mich die spannende Frage, ist das so kategorisch der Fall? Es scheint kategorisch wegen der Nicht-Besicherung zur Nicht-Verlustberücksichtigung zu kommen – ist jetzt breitbandmäßig die steuerwirksame Wertberichtigung vom Tisch? Ich habe Geld in eine Gesellschaft gegeben, ich bin ein unternehmerisches Risiko eingegangen, und dann verbrennt dieses Geld, und ich kann diesen entsprechenden Verlust nicht absetzen. Wir haben das übrigens real erlebt. Es ging um Milliardenbeträge und betraf Aktivitäten in Ländern wie Brasilien, teilweise aber auch Börsengänge von Gesellschaften, die wir etwas teurer eingekauft hatten als verkauft – was hat das mit Leistungsfähigkeit zu tun? Dies soll ein Denkanstoß zu dem Thema sein. Eine derartige Rechtsprechung kann man rein anhand der Gesetze betrachten, rein akademisch, aber ich schaue sie mir auch ein bisschen wie ein Sozialwissenschaftler oder wie ein Psychologe an und frage: Was macht das mit den Unternehmen? Was macht das mit der Industrie? Das Ganze darf man heutzutage durchaus auch im Standortvergleich sehen, auch wenn wir hier nicht die ganze Zeit Steuerpolitik machen, sondern uns erst einmal an dem Urteil orientieren wollen. Es gibt ja auch schon seit längerem einige Kommentierungen. Zu dem Urteil ist schon eine Menge gesagt worden, zum Beispiel von Professor Dr. Stefan Köhler

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in EY Tax Zoom vom 29.5.2019, da hat er schon eine Menge Punkte artikuliert, insbesondere, dass eben die ökonomische Realität doch eine etwas andere ist. Die bloße Tatsache, dass ein Darlehen keine Besicherung hat, führt nicht dazu, dass es nicht fremdüblich ist. Wenn die Klägerin jetzt Volkswagen AG hieße, dann bekäme die gelegentlich ohne Sicherheiten Geld, zB als Anleihe. Wenn es eine Organgesellschaft ist, die das Darlehen ausreicht, dann ist diese wegen des Beherrschungs-/Gewinnabführungsvertrags in derselben Bonitätslage wie ihre Organträgerin. Ich würde sogar sagen, dass Ratingagenturen Konzerne und nicht Einzelgesellschaften betrachten. Das darf vielleicht auch ein kleines bisschen in die Betrachtung der Rechtsprechung mit hineinstrahlen, so dass man zumindest einen Escape haben sollte.

C. Was bedeutet „grundsätzlich“ in dem BFH-Urteil? Ich habe verstanden, es war ja nur „grundsätzlich“. Das ist ja das Schöne an dem Wort „grundsätzlich“ im deutschen Sprachgebrauch. Was mag das nun wieder bedeuten – wie viele Ausnahmen gibt es, wie breit sind die Ausnahmen, welche Gegenbeweise gibt es? Wichtig ist an der Stelle, dass es auch anderen Urteile gibt, I R 51/17 und I R 81/17, die durch Zurückverweis die Beurteilung der Fremdüblichkeit jeweils ans Finanzgericht delegierten.

D. Ein Blick auf „Hornbach“ Das Urteil I R 73/16 ist schon sehr weitgehend. Aber wir wollen ja nicht die ganze Zeit nur das Urteil und seine Folgen kritisieren. Ich kann das Urteil schließlich auch nicht zurückdrehen. Dafür ist Herr Wacker da. Wir müssen es einfach erst einmal so hinnehmen, dass es jetzt Rechtswirklichkeit ist. Wir müssen es in andere Urteile und Paragraphen einsortieren. Beispielsweise ist auch das Hornbach-Urteil4 des EuGH zu berücksichtigen. Ich bin übrigens nicht der große Anhänger des Hornbach-Urteils. Für mich beschreibt das Hornbach-Urteil einen Ausnahmebereich, einen Randbereich, die insolvenznahe Veranstaltung. Wie Sie vielleicht bis hierhin schon gemerkt haben, bin ich umgekehrt auch nicht so ein ganz großer Anhänger des Urteils I R 73/16. Ich sehe das Urteil I R 73/16 im Kontext der anderen Urteile, die dazukommen. Für die Praxis ist die Beseitigung der DBA-Sperrwirkung nicht von derart dra4 EuGH v. 31.5.2018 – C-382/16, ECLI:EU:C:2018:366, FR 2018, 596 – Hornbach Baumarkt.

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matischer Bedeutung wie der Aspekt, den Rückhalt zu entziehen. Dass jedes Darlehen, das keinen Rückhalt hat, keine Besicherung hat und daher nicht mehr fremdüblich ist, ist zu weitgehend. Deswegen handelt es sich für mich beim Urteil I R 73/16 um eine rückhaltlose Rechtsprechung. Um noch ein bisschen weiter auf die Weiterungen einzugehen: Herr Wacker allein hat natürlich nicht die steuerwirksame Wertberichtigung aus der Welt genommen. Bei allem gebotenen Respekt, das ist bereits durch § 8b Abs. 3 KStG passiert, und die Verwaltungspraxis hat schon den Rückhalt als Sicherheit anerkannt. Darauf hatten wir uns eingestellt, damit konnten wir leben. Was aber dieses Urteil gebracht hat, ist ein ganz erheblicher Beitrag zur Rechtsunsicherheit. Wir müssen uns dabei im internationalen Kontext auch noch überlegen, was das jeweils am anderen Ende bedeutet, wenn wir die Fälle inbound- bzw. outbound-seitig umkehren.

E. Das Phänomen der Wahlfeststellung in dem BFH-Urteil sowie die Zurückverweisungsfrage Was ich ebenfalls phänomenal finde, ist diese Wahlfeststellung – die kannte ich bisher ja nur aus dem Strafrecht: Für den Fall, dass es Eigenkapital sein sollte, wird die steuerwirksame Wertberichtigung versagt. Für den Fall, dass es Fremdkapital sein sollte, folgt aus der simplen Nichtbesicherung die steuerliche Unwirksamkeit der Wertberichtigung. Dabei wird seitens des Bundesfinanzhofs kein Finanzgericht für eine weitere Tatsachenaufklärung benötigt. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, dass das Finanzgericht diese Tatsache nicht vorher geklärt hat, weil es von der Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA ausgegangen ist. Daher hätte angesichts der Aufhebung der Sperrwirkung der Fall mE wieder ans Finanzgericht zurückverwiesen werden müssen, für die Frage: Ist die Darlehensgewährung im konkreten Fall fremdüblich oder nicht?

F. Der Rückhalt ist ökonomisch und rechtlich fundiert Den Rückhalt als solches zu verabschieden, finde ich phänomenal. Denn wenn der Fall eintritt, entlassen Sie die Tochter i.d.R. nicht in die Insolvenz. Denn dies verschlechtert Ihr Rating, weil es eben doch so etwas wie eine Gesamtbetrachtung von Konzernen gibt. Wenn Sie die Tochter in die Insolvenz entlassen, dann nehmen Sie ökonomisch an der Insolvenz teil, denn Sie sehen das Geld nicht wieder – eine Gesellschafterforderung ist im deutschen Insolvenzrecht nachrangig, sobald Sie mindestens zu 10 %

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beteiligt sind (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 5 InsO). In vielen anderen Rechtsordnungen verhält es sich genauso. Was hat die Nichtanerkennung des Rückhalts als Sicherheit also mit Leistungsfähigkeit zu tun? Das darf man fairerweise schon mal fragen. Und: Ist das mit der Fremdüblichkeit nicht eine sehr tatsachenlastige Frage? Eine Frage, die ich übrigens regelmäßig im Rahmen der Betriebsprüfung versuche zu klären, nicht vor Gericht. Vielleicht ist es insgesamt ein Fehler, dass solche Dinge wie Fremdüblichkeit vor ein Gericht kommen.

G. Praxisfolgenabschätzung: Maßnahmen gebotener Sorgfalt aus Unternehmenssicht, um eine Besteuerung gemäß der Leistungsfähigkeit zu erreichen Betrachten wir die erweiterte Opferperspektive, iSd. Soziologenfrage: Was macht die rückhaltlose Rechtsprechung mit den Unternehmen? Was macht sie mit den Betroffenen? Und da ist es eben so, Herr Wacker allein ist es nicht, sondern es ist § 8b Abs. 3 KStG, und vorher war es die Verwaltungspraxis. Wenn Sie in Schwellenländern Risikoinvestments tätigen und der Fall eintritt, dass es ungünstig verläuft, dann tritt dieser Fall ja nicht ein, weil es so schön ist, Verluste zu erzielen, sondern weil die Hoffnung, dass es anders ausgeht, enttäuscht worden ist. Das ist also kein Steuersparmodell. Das ist ein Thema von Leistungsfähigkeit, wo Sie aus einem unternehmerischen Risiko heraus wirklich Geld verbrannt haben. Dann tätigen Sie natürlich – über den § 21 UmwStG funktioniert das, und ich verrate hier auch keine Geheimnisse oder Steuersparmodelle – dann tätigen Sie natürlich derartige Investments über eine Holding an einem Standort im EU-Ausland, an dem Sie Eigen- und Fremdkapital steuerwirksam wertberichtigen können. Und so falsch kann das nicht sein! Wir hatten von 1993 bis 2001 den § 8b KStG in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes. Ich weiß, was an diesem § 8b falsch war, das wissen Sie auch, nämlich, dass man Beteiligungen steuerwirksam berichtigen konnte und dann die steuerpflichtige Wertaufholung konzernintern abschneiden konnte. Es hätte gereicht, dieses Abschneiden gesetzgeberisch zu bekämpfen. Aber die Wertberichtigung nicht mehr zuzulassen, war überschießend. All dies hilft vielleicht einmal, um ein Gefühl dafür zu bekommen, worüber wir hier reden, was die Nichtberücksichtigung von Verlusten für Folgen hat. Die systematische Denkrichtung, die vielleicht steuertechnisch richtig ist, da der § 8b Abs. 3 KStG die Wertberichtigung von Eigenkapital untersage, müsse Fremdkapital in der Wertberichtigung

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nicht zugänglich sein, ist eben eine komplett formalistische Betrachtungsweise. Denn warum gibt es den § 8b KStG? § 8b KStG dient der Vermeidung der Doppelbelastung im Konzern. Dividenden und Anteilsveräußerungsgewinne (die künftige Dividenden repräsentieren) sollen zu diesem Zweck freigestellt werden, und da sagt der Schematiker: Ja, dann müssen natürlich auch die Verluste nicht abzugsfähig sein. Das mag im Grundsatz richtig sein. Aber in dem Fall, wo das Geld verbrennt, wo der endgültige Verlust entsteht, wo Sie also die ausländische Gesellschaft finanziert haben und nichts daraus zurückkommt und Sie niemals eine cash-wirksame Entlastung bekommen, ist diese Betrachtung nicht im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips. Wie gesagt, das Urteil allein hat das nur noch einmal für die Vergangenheit nachgeschärft. Denn seit dem Jahr 2008 trifft § 8b Abs. 3 KStG auch Darlehen. Aber – ich versuche, hier ehrlich mit Ihnen umzugehen, ich könnte das jetzt negieren – was macht das mit den Unternehmen? Das macht mit den Unternehmen, dass man derartige Investments in Rechtsordnungen innerhalb Europas bringt, die ein anderes Verständnis von Leistungsfähigkeit aufweisen, in denen man entsprechende Wertberichtigungen vornehmen darf. Und weiter? Was macht das noch weiter mit den Unternehmen und dem deutschen Fiskus? Man bringt natürlich auch Ertragspotentiale in diese Standorte.

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Es ist also standortpolitisch verfehlt, dass man diese Regelung hat, dass man derartige Kapitalverluste nicht abziehen kann. Und diese ganze Denkrichtung, dieser grundsätzliche Mindset, dass da also vielleicht nichts Böses dabei ist, einen Verlust, den man real erleidet, steuerlich geltend zu machen, den hätte man vielleicht ein kleines bisschen mehr betonen müssen. Ich glaube, das ist das, was der EuGH mit dem Hornbach-Urteil bezweckt. Der EuGH möchte mit dem Hornbach-Urteil bestimmt nicht den Fremdvergleich kategorisch abschaffen. Aber er will, wenn es tatsächlich schiefgegangen ist, wenn das Geld verbrannt ist, einem die Chance geben, diesen Verlust steuerlich geltend zu machen. Das ist für mich ein enger Randbereich. Ich glaube, so versteht man richtigerweise auch das BMF-Schreiben5 zu Hornbach. Dass man jetzt aber durch das Urteil I R 73/16 im Bereich von Darlehen effektiv alles zumacht, was es an Wertberichtigungsmöglichkeiten gibt, ist zu weitgehend. Denn die Wertberichtigung ist ja im Rahmen des § 8b Abs. 3 KStG für Fremdkapital durchaus möglich, wenn ich den Gegenbeweis führe, der allerdings in der Praxis regelmäßig negiert wird. Aber mit dem BFH-Urteil ist es jetzt völlig vom Tisch, dass man eine steuerwirksame Wertberichtigung hinbekommt. Das ist für mich reichlich überbordend.

H. Standortpolitische Verfehlung Deswegen ist die Rechtsfolgenseite des Urteils standortpolitisch nicht klug. Ich soll hier zwar keine Steuerpolitik machen, ich kann es aber nicht lassen. Ich muss in einer gewissen Form immer einmal artikulieren, inwieweit uns das eben wehtut. Mir wird sogar gesagt, Eure Bilanz sieht noch gut aus usw. Da muss man sich schon entscheiden. Entweder, wir argumentieren hier steuerrechtlich bzw. systematisch-technisch anhand des Grundgesetzes, des Leistungsfähigkeitsprinzips etc., oder aber wir argumentieren ökonomisch, dann muss ein realer Verlust abzugsfähig sein. Beides zu vermengen und nach dem Meistbegünstigungsprinzip im Einzelfall das eine oder andere hervorzuziehen, das funktioniert nicht. Deswegen ist es nicht überzeugend, dass bei uns in dieser Form jetzt durch dieses Urteil und durch den § 8b Abs. 3 KStG schon seit Jahren die steuerwirksame Wertberichtigung untersagt wird. Dass es auch um § 8b Abs. 3 KStG geht, das muss man bei aller gebotenen Kritik fairerweise sa5 BMF v. 6.12.2018 – IV B 5 - S 1341/11/10004-09 – DOK 2018/0985275, BStBl. I 2018, 1305.

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gen, Kritik ist also nicht nur an dem Urteil geboten, wenn es so breit zu verstehen sein sollte, sondern eben auch an der Rechtslage bezüglich Darlehen und Eigenkapital insgesamt. Das Kernproblem ist, dass echte Verluste in die Nichtabzugsfähigkeit rutschen können. Und die Resultate sind für den deutschen Fiskus nicht gut. Ich kann hier nur ein Problembewusstsein schaffen, auf Neudeutsch awareness. Ich kann das Urteil nicht zurückdrehen. Ich verdeutliche lediglich die Weiterungen, die solche Urteile produzieren. Gleiches gilt für einen § 8b Abs. 3 KStG, der Darlehen und auch Anteile im Falle der Kapitalvernichtung nicht zur steuerwirksamen Wertberichtigung zulässt. Jetzt schauen Sie sich in Europa um!

Politisch korrekt wäre es wahrscheinlich, Ihnen als Standort Frankreich zu empfehlen. Das ist nicht, was ich tun werde, aber Sie können sich überlegen, was das bedeutet. Das ist nicht gut für den deutschen Fiskus. Wir sind in Europa mit Frankreich Belastungsmeister. Wir sind weltweit schon fast Belastungsmeister, und bei uns kommen eben immer diese Gemeinheiten in der Bemessungsgrundlage dazu, daneben erhebliche Rechtsunsicherheiten. Ich muss leider in der Gesamtschau sehen, was

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so ein Urteil mit uns macht. Da steht der Standort eben in der direkten Konkurrenz. Ich erwarte in dieser Restlegislaturperiode keine großen steuerpolitischen Würfe mehr. Aber man sollte vielleicht mittelfristig einmal darüber nachdenken, ob es klug ist, Zentren der Wertschöpfung durch derartige Urteile, derartige Paragraphen, zu belasten. Es geht ja um zu investierendes Kapital! Es sind ja keine Hobbies, die wir in der Volkswagen AG oder in vergleichbaren Industrieunternehmen betreiben. Das macht dann schon im Gesamtbild eine ganze Menge mit uns. Mit der Thematik, dass man Fremdkapital in Deutschland nicht steuerwirksam wertberichtigen kann, hatten wir uns schon abgefunden. Dafür muss man ins Ausland.

I. In Europa gibt es keine Einbahnstraßen-Lösung Aber was noch viel dramatischer ist, ist etwas anderes: Man kann das Leben nicht als Einbahnstraße sehen. Deswegen die nächste soziologische Frage: Was macht das denn mit den anderen? Was macht das mit unseren europäischen Freunden? Wir haben jetzt gelernt, Geschäftsbeziehungen: Ja, DBA-Sperrwirkung: Nein, und dann stellt sich die Frage, die in der Verwaltung auch gerne gestellt wird: Wenn das jeder machen würde, wo kämen wir da hin? Jetzt müsste an sich der Ausländer, der Belgier, sagen: Zinsabzug – nein, gibt es nicht. In Europa wäre es folgerichtig, dass daraufhin die Darlehenszinsen, die in Deutschland zunächst versteuert wurden (die 6 % in dem Urteilsfall), nachträglich freigestellt werden müssen. Wenn man das Darlehen in die Fremdunüblichkeit hineininterpretiert, kann man das Leben nicht asymmetrisch bestreiten. Das Urteil I R 73/16 kann also einen fiskalisch unerwünschten Bumerangeffekt für Deutschland bewirken.

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J. Wirtschaftliche Betrachtung: Konzern als Rating-Gegenstand Soviel nur zu dem, was so ein Urteil, das erst einmal klein und unauffällig wirkt, mit uns machen kann. Außerdem beschreibt eine Sichtweise, dass die A GmbH in dem Beispiel nicht kreditwürdig sei oder die B NV nicht kreditwürdig sei, einfach nicht die Praxis, wie Banken uns gegenübertreten. Wir werden als Konzerne bewertet. Wir werden nicht als Einzelgesellschaften betrachtet. Da gibt es auch keine Differenzierung in den Konditionen, und es ist völlig üblich, dass ohne Sicherheiten Geld verliehen wird. Auch es ist nicht so, dass wir uns im Bereich von Immobiliarkrediten von Sparkassen bewegen oder dass man ein Konzerndarlehen mit Darlehensvergaben im regulierten Geschäft vergleichen kann. Man sollte das Thema näher an die ökonomische Realität bringen. Ich ginge mit dem Urteil konform, hätte es nicht diesen so grundsätzlichen Charakter. Wir werden ja auch noch lernen, wie grundsätzlich „grundsätzlich“ bedeutet, ob das jetzt heißt, dass es tatsächlich gar keinen Gegenbeweis der Fremdüblichkeit mehr gibt, ob das jetzt pauschal-universell ist. Interessant ist noch der Fall, dass deutsche Rechtsträger Darlehen aufnehmen. Dann müsste eventuell Deutschland den Zinsabzug jetzt neuerdings wegen Nichtbesicherung versagen, die Darlehensgewährung wäre mangels Besicherung auch in der umgekehrten Richtung keine fremdübliche Veranstaltung. Dann würde Deutschland den Zinsabzug ver-

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sagen, das Ausland müsste freistellen und würde sich natürlich bedanken, ansonsten käme es zur Doppelbesteuerung in der EU. Also, es ist schon eine tolle Rechtsprechung, allerdings eher toll im ursprünglichen Wortsinne. Es ist ein erheblicher Beitrag zur Rechtsunsicherheit gewesen.

K. Quintessenz: Das Urteil ist verfehlt, Zentren der Wertschöpfung müssen entlastet werden, echte Verluste müssen abzugsfähig sein, Finanzierungsneutralität ist geboten Eine kurze Einordnung im Hinblick auf das Steueraufkommen ist auch angebracht. Denn ich höre immer, die Unternehmen, die könnten ja ruhig noch mehr zahlen, und das ist wirklich auch der allgemeine Mindset, dass wir eigentlich stabil seien, viel abliefern könnten und so weiter – wir sprechen über Unternehmensbesteuerung, Körperschaftsbesteuerung, Besteuerung von Zentren der Wertschöpfung! Es handelt sich nicht um Privatpersonen, die über Hobbies verfügen. Bei der Besteuerung von Unternehmen geht es um das Kapital, das zu reinvestieren ist, um Kapital, das in Risikoprojekte investiert wird, das teilweise verloren geht, wenn es schiefgeht. Und deswegen ist so ein Urteil nochmals ein gravierender Beitrag zur allgemeinen Verunsicherung. Die Praxis hatte sich, wie gesagt, auf das BMF-Schreiben 2011 und das andere 2016 eingestellt:

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der Rückhalt existierte, eine besondere Besicherung wurde nicht benötigt, Wertberichtigungen waren in Deutschland nicht möglich. Was jetzt entstanden ist, ist eine erhebliche Verunsicherung. Das Thema gebe ich Ihnen lieber als Hausaufgabe mit. Wer mich schon einmal gehört hat, weiß, dass ich das schon ein paar Mal angesprochen habe.6 Wir haben es damit zu tun, dass es im Handelsrecht richtig ist, alle Aufwendungen, alle Schuldzinsen, alles Fremdkapital abzuziehen, weil es darum geht, beim Eigenkapital mit Mehrung das haftende Kapital zu ermitteln. Im Steuerrecht sollte es dagegen nach der Leistungsfähigkeit gehen! Es gibt eben kein kostenloses Kapital. Und deswegen habe ich die ganz andere Perspektive. Für mich ist es nicht so, dass man § 8b Abs. 3 KStG im Hinblick auf Anteile ansehen muss und ihn auf Darlehen übertragen muss, wie man es seit 2008 gemacht hat, und überdies jetzt noch alle Lücken schließt, indem man sagt, es gibt keinen Rückhalt und daher sind Darlehen nicht besichert. Sondern für mich ist es so, dass es wenig mit Leistungsfähigkeit zu tun hat, wenn man endgültige Kapitalverluste nicht abziehen kann. Es ist phänomenal, welche Rechtsfolgenunterschiede wir haben. Sie kennen diese, Dividenden sind nicht abzugsfähig, Zinsen dagegen schon. Das ist nur der eine Teil. Der andere Teil ist, dass wir beim Empfänger ganz unterschiedliche Belastungen haben (§ 8b KStG), oder eben ganz unterschiedliche Steuersätze. Das sucht man durch die Zinsschranke und dergleichen zu bekämpfen. Es gibt aber in Europa durchaus Alternativkonzepte. Es gibt zB Staaten, die sagen: Ich erhebe die Körperschaftsteuer ganz oder teilweise nur bei Ausschüttung. Da wird dem Fiskus nichts weggenommen, sondern es werden Zentren der Wertschöpfung entlastet. Es gibt Staaten, die den Eigenkapitalkostenabzug zulassen. Ich bin mir völlig darüber im Klaren, dass derartiges so schnell hier in Deutschland nicht passiert. Meine Erwartungen, dass jetzt ein Gesetz kommt, das fundamental etwas verändert, sind sehr begrenzt. Aber man sollte sich zumindest bewusst sein, dass das, was hier passiert, den Unternehmensbereich betrifft und deswegen vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips vielleicht nicht unbedingt zielführend ist. Es ist immer das immer gleiche Motiv, auf welches ich zurückkomme: die Absetzbarkeit realer Vermögensverluste. Auch das EuGH-Urteil 6 Vgl. Körner in Köhler/Goebel/Körner, Handbuch der steueroptimalen Unternehmensfinanzierung2, Teil A.2, 4 ff. (Kritik der konzeptionellen Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung).

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Hornbach ist mE durch ein ähnliches Motiv geprägt, dass in einer insolvenzähnlichen oder -nahen Situation ein endgültiger Verlust abzugsfähig sein soll. Ich versuche, ein bisschen Werbung zu machen, dass man von dieser Debatte wegkommt: Wo kann man noch ein Steuerschlupfloch in einem Unternehmensfinanzierungsbereich schließen? Ich komme auch sofort zum Schluss. Wie man das Fundamentalproblem der überschießenden Belastung im Bereich der Konzernfinanzierung gesetzgeberisch beseitigen könnte, habe ich Ihnen auf den letzten Folien dargestellt. Ich erwarte nicht allzu viel in der nächsten Zeit, aber ich muss trotzdem sagen, für mich wäre es klüger, in dieser Weise die Eigenkapitalbildung in Unternehmen zu unterstützen. Ich höre immer, der Steuersatz müsse gesenkt werden. Ich glaube allerdings, dass dieses Plädoyer in der Politik nicht richtig zieht, da es sich anhört wie ein Anliegen in eigener Sache. Das kann jeder behaupten. Für mich wäre es ein bisschen klüger zu sagen: Entlastet Zentren der Wertschöpfung! Belastet diese Zentren der Wertschöpfung nicht stetig durch Rechtsunsicherheiten oder Abzugsverbote oder Ähnliches! Zentren der Wertschöpfung sind namentlich große Kapitalgesellschaften, die nicht über so etwas wie Hobbies verfügen. Werfen wir ganz kurz noch nur den Blick auf das, worüber wir betragsmäßig reden: Wir reden bei der deutschen Körperschaftsteuer über 4 % des gesamten Steuersubstrats, 2 % aller Staatseinnahmen, und wir reden darüber, dass wir im Moment 1,6 Billionen Staatseinnahmen haben und dass wir vor ein paar Jahren 1,2 Billionen hatten. Es werden immer noch Probleme auf der Einnahmenseite gesucht. Es wird immer noch vermutet, dass irgendwer einen Missbrauch begeht oder dass man noch eine Lücke schließen muss. Das Urteil ist für mich nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild. So wollte ich es mal einordnen. Dies erst einmal aus der Opferperspektive. Ich bedanke mich!

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Konzernfinanzierung Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Johannes Baßler Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbH, Hamburg

Oliver Nußbaum Global Head of Tax, BASF SE, Ludwigshafen

Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax) Leiter Steuern, Volkswagen AG, Wolfsburg

MinDirig. Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Roland Wacker Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, I. Senat, München

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Berlin

Dem Vortrag von Dr. Körner geht das Referat von Prof. Dr. Wacker zur aktuellen Rechtsprechung des BFH zur Konzernfinanzierung1 voraus. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank, Herr Körner, für diese Gegenposition. Mich würde jetzt die Sicht von BASF interessieren. Herr Nußbaum, wie sehen Sie das? Nußbaum Ich glaube, die Sicht von BASF ist da nicht viel anders als die Sicht von Volkswagen. Wir haben zwischenzeitlich in dem Bereich Konzernfinanzierungen ohnehin eine sehr große Unsicherheit, und zwar nicht nur aufgrund des BFH-Urteils, welches zu der Frage des Substanzverlusts und zur Frage der Sperrwirkung ergangen ist, sondern auch bzgl. zweier weiterer 1 Siehe BFH v. 27.2.2019 – I R 73/16, BStBl. II 2019, 394 = FR 2019, 526.

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anhängiger Verfahren beim BFH über die Frage der Verpreisung von Darlehen. Das eine ist vom FG Münster vom 7.12.2016.2 Hier geht es darum, ob bei der Verpreisung grundsätzlich die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden ist. Zusätzlich das Urteil FG Köln vom 29.6.2017,3 bzgl. der Frage der Behandlung der Nachrangigkeit von Darlehen und ob man Sicherheiten im Konzern oder die Nicht-Besicherung überhaupt in den Verrechnungspreis mit einbeziehen kann. Das sind Verfahren, bei denen man den Ausgang abwarten muss,4 und ich bin auf den Ausgang gespannt und hoffe, dass wir wieder Sicherheit bekommen können, wie man überhaupt Darlehen im Konzern verpreisen kann. Bezüglich des BFH-Urteils zur Frage des Konzernrückhalts: Den Fremdvergleich brauche ich doch eigentlich nur im Konzern. Das Denkkonstrukt Fremdvergleich würde ich in einer Beziehung mit einem fremden Dritten nie zur Anwendung bringen. Deswegen glaube ich, ist es nicht in Ordnung, den Konzernverbund bei Anwendung des Fremdvergleichs vollständig auszublenden und im Vergleich mit Dritten so zu tun, als ob es ihn nicht geben würde. Denn nur für diesen Zweck und vor diesem Hintergrund braucht man den Fremdvergleich. Wenn man dabei zu strenge Anforderungen an den Fremdvergleich stellte, dann hätte die Gesellschaft im Urteilsfall noch nicht einmal in rechtlicher Hinsicht ein Darlehen vergeben dürfen. Das darf sie in rechtlicher Hinsicht nur im Konzernverbund. Sie darf keine Darlehen an Fremde Dritte ausreichen. Allein aus diesem Grund würde das Darlehen bei enger Auslegung nicht dem Fremdvergleich entsprechen. Die Reichweite des Urteils über die Frage der steuerlichen Behandlung des Substanzverlusts ist mir unklar. Wie eng oder weit legt man den Fremdvergleichsgrundsatz an? Wo sind die Grenzen? Wir können im Konzern viele Geschäftsvorfälle vereinbaren, die Fremde nicht durchführen dürften. Wir unterliegen innerhalb des Konzerns nicht dem Kartellrecht und verhalten uns insoweit ggf. nicht fremdvergleichskonform. Widerspricht allein der Umstand, dass wir im Konzern Preise absprechen, Märkte zuordnen, Produktionsmengen verteilen, dem Fremdvergleich? Das ist Kernbestandteil eines Konzernverbunds. Der Konzernrückhalt ist nur ein Teilaspekt des Konzernverbunds. Und den komplett zu ignorieren würde, aus deutscher Sicht

2 FG Münster v. 7.12.2016 – 13 K 4037/13 K F, EFG 2017, 334. 3 FG Köln v. 29.6.2017 – 10 K 771/16, EFG 2017, 1812. 4 Die Revisionen sind beim BFH anhängig unter den Aktenzeichen I R 4/17 (FG Münster) bzw. I R 62/17 (FG Köln).

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zumindest, die Verrechnungspreislogik international komplett auf den Kopf stellen. Ich lasse es mal bei diesem Punkt. Prof. Dr. Frotscher Ja, vielen Dank, Herr Nußbaum. Ich würde sagen, bevor wir Herrn Kreienbaum zu Wort kommen lassen, würde ich erst einmal die Gegenstimmen alle sammeln. Frau Wünnemann, was meint der BDI dazu? Dr. Wünnemann Ja, mit dem Thema haben wir uns schon intensiv beschäftigt, und ich würde es jetzt mal nicht als Gegenstimme formulieren, sondern eigentlich natürlich die Unternehmensvertreter hier unterstützen, dass hier die steuerliche Anerkennung von Konzerndarlehen natürlich sehr hohe Bedeutung hat für die Unternehmen, und diese neue BFH-Rechtsprechung irgendwo mit den bisherigen Grundsätzen im nationalen und internationalen Steuerrecht bricht. Wir haben hier schon BMF-Schreiben oder BMF-Aussagen im Bundessteuerblatt 19835 und 20116, wonach der Rückhalt im Konzern als fremdübliche Sicherheit anzuerkennen ist, und wir haben hier OECD-Verrechnungspreisrichtlinien. Jetzt haben wir hier die neuen Grundsätze, und da entsteht eine drohende Diskrepanz von Deutschland bei der Verpreisung von Finanzierung zwischen Deutschland und anderen OECD-Staaten. Und letztendlich haben die Unternehmensvertreter hier ja auch schon bestätigt, dass die Aussage, dass die fehlende Besicherung nicht fremdüblich ist, praxisfremd ist und in der Praxis natürlich erhebliche Probleme und vor allen Dingen Rechtsunsicherheit hervorruft. Und deswegen setzen wir uns natürlich dafür ein, dass das BMF hier bald eine Klarstellung herbeiführt. Anders als Herr Körner habe ich hier noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass in dieser Legislaturperiode noch etwas passiert. Wir haben gerade erst die Halbzeitbilanz der Großen Koalition gehabt – also das kann nicht sein, dass jetzt hier Stillstand schon nach gerade einmal der Hälfte einer Bundesregierung erfolgt. Aber das kann ja natürlich auch auf BMFEbene geregelt werden, indem zum Beispiel in einem BMF-Schreiben eine Konkretisierung/Klarstellung erfolgt, dass das BMF hier reagiert und 5 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218. 6 BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 - S 1341/09/10004 – DOK 2011/0203248, BStBl. I 2011, 277.

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sich auch Gedanken macht, ob man die fehlende Besicherung als Grundsatz übernimmt oder, wie Herr Körner auch schon angeregt hat, EscapeMöglichkeiten definiert. Das wäre eine wichtige Entscheidung, auch hier der Praxis zu helfen, mit diesem Urteil in der Praxis klarzukommen und die Folgen, die Herr Körner natürlich steuerpolitisch auf hoher Ebene adressiert hat, die ich hier gar nicht so weit ausführen will, sondern eher bei diesem Thema bleiben möchte, um diese Folgen vielleicht dann auch abzumildern. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Herr Baßler, ich weiß nicht, ob das für den Mittelstand ein Problem ist. Wenn ja … Dr. Baßler Ja, das kommt sehr darauf an, wie Sie Mittelstand definieren, ehrlich gesagt. Das ist kein Konzernthema, das ist ein allgemeines Unternehmensthema, denn heute haben schon relativ überschaubar große Unternehmen natürlich Niederlassungen im Ausland. Das einmal zur Einordnung. Ich habe natürlich eine andere Perspektive, weil wir nach dem Urteil viele Anrufe bekommen haben mit der Frage: Wie gehen wir damit um? Und zwar ganz konkret. Nicht irgendwann in der Zukunft, sondern morgen! Wie gehe ich mit den Finanzierungsstrukturen um, die heute existieren? Und ich könnte mir vorstellen, dass einige Kollegen hier im Raum diese Themen auch diskutiert haben. Ein Stichwort möchte ich mal nennen: cash pool. Dieses Urteil geht nach dem Tatbestand des BFH um ein Verrechnungskonto. Was bedeutet dies für eine typische cash-pool-Forderung, die im Insolvenzfall ausfällt, oder gegebenenfalls wieder zurück gewährt werden muss wegen Insolvenzanfechtung. Heißt das dann, dass wir auch in so einer Situation sagen: Das muss besichert sein, weil jedes Darlehen besichert sein muss? Wenn man sagen würde, in diesem Bereich eher zahlungsverkehrsorientierter, kurzfristiger, jederzeit rückforderbarer Finanzbeziehungen muss man keine Sicherheiten gewähren, dann würde sich natürlich die Frage stellen: Wo ist die Grenze? In dieser Richtung liegen die Punkte, die uns in der Praxis interessieren. Die zweite Frage war natürlich diese schematische und scherenschnittartige Trennung zwischen der Substanz auf der einen und der Zinshöhe auf der anderen Seite. Vielleicht sehe ich es falsch, deswegen eher als

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Frage formuliert: Ist es dann also tatsächlich so, dass man hier die Substanzseite von der Zinshöhenseite wirklich sehr, sehr streng trennen muss? Prof. Dr. Frotscher Herrn Körner hat die Ansicht vertreten, aus der BFH-Rechtsprechung sei abzuleiten, dass im umgekehrten Fall, in dem eine ausländische Gesellschaft ein rückhaltloses Darlehen an eine deutsche Gesellschaft vergibt, die Zinsen möglicherweise nicht abzugsfähig seien. Ich habe das aus dem BFH-Urteil nicht entnommen, sondern gerade das Gegenteil. Und ich habe auch nicht aus dem Urteil entnommen, dass die Zinsen nicht arm’s length sind, wenn die Darlehenssumme nicht gesichert ist. Aber das möchte ich erst einmal dahingestellt sein lassen. Herr Wacker, wir werden gleich das Wort an Sie geben, aber ich wollte erst einmal hören, was das BMF dazu sagt. Herr Kreienbaum! Kreienbaum Wir haben das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht7 und befinden uns in völliger Harmonie mit dem ersten Senat. Vielleicht sogar über das hinaus, was Herr Wacker vermutet. Selbst unser sogenanntes Nikolausschreiben vom 6.12.20188 würde ich als Zustimmung zu Ihren Ausführungen verstehen, dass man jeweils eine Einzelfallbetrachtung vornehmen muss. Das standortpolitische Plädoyer habe ich gehört. Die Fragen der Konzernfinanzierung spielen im Kontext der Verrechnungspreise auch für uns eine große Rolle, auch in den Diskussionen, die wir derzeit mit den Bundesländern zur Reform des AStG führen. Dass das Ergebnis so aussehen wird, wie Herr Körner sich das vorstellt, würde ich eher bezweifeln. Da hätte ich keine zu große Erwartung an den Gesetzgeber. Prof. Dr. Frotscher Gut, vielen Dank. Herr Dr. Wacker, möchten Sie zu diesen vielen Dingen, die hier vorgetragen worden sind, etwas sagen?

7 BStBl. II 2019, 394. 8 BMF v. 6.12.2018 – IV B 5 - S 1341/11/10004-09 – DOK 2018/0985275, BStBl. I 2018, 1305.

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Prof. Dr. Wacker Abgesehen davon, dass der BFH ein Gericht und keine psychotherapeutische Einrichtung ist, zunächst zu den Aussagen rund um die Wahlfeststellung. Da liegt ein Missverständnis vor: Das Gericht erkennt durch, wenn die Sache entscheidungsreif ist. Fehlen hinreichende Feststellungen zu einem Sachverhalt, hier Einlagengewährung oder Darlehen, dann prüft das Gericht beide Varianten durch. Kommt man auf beiden Wegen zum nämlichen Ergebnis, ist der Weg für eine Endentscheidung frei; eine Zurückverweisung erübrigt sich dann. Zum Konzernrückhalt ist zwischen der Frage der Konzernüblichkeit und der Fremdüblichkeit zu trennen. Auf Letzteres stellt § 1 AStG ab, indem er vom unabhängigen Dritten spricht. Der sogenannte Österreich-Fall ist hierfür ein gutes Beispiel. Hiervon ausgehend lässt sich – was der I. Senat aber bisher noch nicht getan hat – darüber nachdenken, ob zum Fremdvergleich nicht nur das objektiv fremdübliche Verhältnis der Leistungspflichten, sondern in subjektiver Hinsicht auch Erwägungen der Beteiligten über die Fremdüblichkeit ihrer Abreden gehören, hier also über die Darlehensabsicherung und einen möglichen Risikoausgleich durch Zinserhöhungen. Unabhängig hiervon gilt jedenfalls: Erkennt man das Darlehen – obgleich unbesichert – auch steuerrechtlich als Darlehen an, führen selbstverständlich auch fremdübliche Zinsen zum Betriebsausgabenabzug. Zum behaupteten „Bruch mit Tradition der OECD“ darf ich anmerken, dass der Musterkommentar zu Art. 9 nicht auf Preiskorrekturen beschränkt ist. Es finden sich dort vielmehr Aussagen sowohl zur Umqualifikation von Darlehen in Eigenkapital als auch zur Höhe des Zinsabzugs nach Maßgabe etwaiger Zinsschranken. Ein weiteres: Die bisherigen Entscheidungen des I. Senats betreffen den Ausfall des Darlehens oder den Verzicht gegen Besserabrede bei fehlender fremdüblicher Darlehensbesicherung. Ein weiteres Thema ist aber, welche Implikationen sich aus den bisherigen Urteilen für die zutreffende Justierung der Zinsen ergeben. Nach meinem Dafürhalten kommt dann, wenn die Nichtbesicherung dem Fremdvergleich widerstreitet, eine Anhebung des Zinssatzes gem. § 1 AStG nicht in Betracht. Mit anderen Worten: Nur im Rahmen des Fremdüblichen kann es einen Risikoausgleich geben. Dazu hat sich der Senat aber bisher so noch nicht geäußert.

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Prof. Dr. Frotscher Ich möchte eigentlich nur auf einen Punkt hinweisen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Wacker, haben Sie eben die Brisanz dieses Falles sehr relativiert. Sie haben gesagt, dass in der mündlichen Verhandlung keine Partei in allen Ihren Prozessen vorgetragen hat, was für fremdübliche Überlegungen sie angestellt hat. Wenn das so ist, dann ist das ein schwerer taktischer Fehler der Prozessführung der Parteien gewesen. Das würde also bedeuten, wenn die Parteien überzeugend darlegen, was sie für fremdübliche Überlegungen angestellt haben, dann wäre das Problem entschärft. Prof. Dr. Wacker Das reicht natürlich nicht. Prof. Dr. Frotscher Gut, das reicht nicht ganz. Prof. Dr. Wacker Der bloße Vortrag ist nicht hinreichend; maßgeblich ist, wie sich ein fremder Kreditgeber verhalten hätte. Prof. Dr. Frotscher Gut, akzeptiert. Nußbaum Ist denn die Frage des Fremdvergleichs eine Motivfrage oder eine Tatsachenfrage? Die Anerkennung eines korrekten Fremdvergleichspreises kann doch nicht von einem Motivtest abhängen, dh. ob ich mich bemüht habe, einen „arm’s length“-Preis zu erzielen, oder ob er zufällig entstanden ist. Selbst wenn er zufällig entstanden sein sollte, auch ohne eine rationale Überlegung, muss ein korrekter Preis doch durch Art. 9 OECDMA geschützt sein! Also ich verstehe die Debatte über „Was war die Motivation für die Preisfindung, welche Überlegungen habe ich dabei angestellt?“ nicht. Was wäre die Konsequenz? „Sind die Motivationsgründe nicht schlüssig, ist der Preis per se falsch?“ – das kann nicht maßgebend sein.

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Prof. Dr. Frotscher Auch wenn Sie den Fremdvergleichspreis zufällig richtig getroffen haben, müssen Sie im Prozess darlegen, dass das der Fall ist. Nußbaum Der Höhe nach, aber nicht die entsprechende Motivation. Prof. Dr. Frotscher Nein, es geht auch nicht um die Motivation, es geht um die Frage der Besicherung. Das heißt, um ein Beispiel zu nennen: Wenn eine 50 000 t-GmbH einen Kredit von 100 Millionen aufnimmt, gehe ich davon aus, dass die Nichtbesicherung nicht fremdüblich ist. Wenn dagegen ein Konzern, der Milliarden Umsätze und Hunderte von Millionen Gewinne macht, einen Kredit von, sagen wir mal, 10 oder 20 Millionen aufnimmt, gehe ich davon aus, dass er keine Sicherung stellen muss. Es hängt also immer vom Einzelfall ab. Von daher ist eigentlich das Einzige, was ich an dem Urteil kritisieren würde, Herr Wacker, diese Aussage in dem Leitsatz, dass eine Nichtbesicherung grundsätzlich nicht arm’s length ist. Da stellt durchaus die Frage: Woher weiß der BFH das? Das ist eine methodische Frage, aber ich glaube, das brauchen wir hier nicht zu vertiefen. Aber jetzt würde ich gerne dem Publikum das Wort geben. Zimmermann9 Ich habe eine Frage zur konsistenten Behandlung von angemessenen Zinserträgen aus einem Darlehen in Abhängigkeit von der Besicherung des Darlehens und dem Abschreibungsaufwand aus einer Wertminderung des Darlehens. Meines Erachtens ist Konsistenz zwingend. Der Umfang der Besicherung wirkt sich immer auf die Zinshöhe aus. Das Finanzgericht muss feststellen, ob ein fremder Dritter im Zeitpunkt der Darlehensvergabe ein Darlehen gewährt hätte, und falls nach den Feststellungen des Finanzgerichts ein Darlehen gewährt wurde, hat es auch Feststellungen zu treffen, welche Zinsspanne im Zeitpunkt der Darlehensgewährung unter Berücksichtigung der vorhandenen Sicherheiten als angemessen anzusehen ist. Da muss gegebenenfalls der BFH genau nachforschen, ob das Finanzgericht keine ausreichenden und beziehungsweise oder keine konsistenten Feststellungen getroffen hat: Stellt das Finanzgericht fest, dass ein fremder Dritter kein Darlehen gewährt 9 Jörg Zimmermann ist Steuerberater in Bad Homburg.

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hätte, und lehnt es daher einen Abschreibungsaufwand auf ein Darlehen ab, dann gibt es nicht nur mangels Darlehen keine Abschreibung auf das Darlehen, sondern auch keine Verzinsung. Dies sollte meines Erachtens zumindest dann gelten, wenn die Höhe der gesamten Zinseinnahmen den Abschreibungsaufwand übersteigt. In dieser ersten Alternative gibt es ohne eine Darlehensgewährung eine Eigenkapitalgewährung und mangels einer Verpflichtung aus einem Darlehen eine verdeckte Gewinnausschüttung auf das – ursprünglich von den Beteiligten als Darlehenskapital angesehene – Eigenkapital. Wird alternativ vom Finanzgericht festgestellt, dass auch ein fremder Darlehensgeber ein Darlehen gewährt hätte, dann gibt es angemessene Zinsspannen für besicherte Darlehen, und es gibt andere angemessene Zinsspannen für schlecht besicherte und eine weitere für unbesicherte Darlehen. Soweit die vereinbarte Verzinsung mangels ausreichender Besicherung außerhalb der angemessenen Zinsspanne für gut besicherte Darlehen liegt, ist auch die Höhe der Verzinsung so anzupassen, wie es für schlecht besicherte oder für nicht besicherte Darlehen angemessen ist. Dann kann der BFH allenfalls sagen: Wenn ich gar nicht mehr besichere, gibt es zwar grundsätzlich immer noch ein Darlehen, aber möglicherweise ist es nicht mehr fremdüblich. Ob diese Würdigung als Darlehen nur bis zu einer höchstmöglichen Verzinsung von schlecht besicherten Darlehen möglich ist oder ab wann ein Darlehen zu Eigenkapital wird, kann dahingestellt bleiben. Es muss jedoch insgesamt eine konsistente und somit fehlerfreie Tatsachenentscheidung des Finanzgerichts für das Darlehen, dessen Besicherung und die sich daraus ergebende angemessene Verzinsung vorliegen. Es kann nicht richtig sein, dass festgestellt wird, dass es nur eine angemessene Zinsspanne gibt und ein angemessener Zins in dieser einen Zinspanne liegen muss. Stattdessen hängt jeder angemessene Zins vom Umfang der Besicherung ab. In den Fällen, in denen dieser Zusammenhang von Darlehen, Umfang der Besicherung und Höhe des sich daraus ergebenden angemessenen Zinssatzes nicht konsistent vom Finanzgericht ermittelt und fehlerfrei entschieden worden ist, müsste der BFH grundsätzlich immer sagen: Zurück zum Finanzgericht! Tatsachenentscheidung! Ist konsistent entschieden worden, ob dieser Zinssatz im Vergleich zu einem sehr schlecht bis gar nicht besicherten Darlehen angemessen ist? Wenn der vereinbarte Zinssatz aus der angemessenen Zinsspanne herausfällt, dann muss eine konsistente Gegenkorrektur vorgenommen worden sein. Sonst wird nur halber Kram gemacht.

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Prof. Dr. Frotscher Also ich stimme Ihnen völlig zu. Prof. Dr. Wacker Lassen Sie mich etwas zu der Fallgruppe sagen, dass ein fremder Dritte auch bei zB Verdreifachung nicht bereit gewesen wäre, das Darlehen zu geben. War dies nicht exakt die Situation im Österreich-Fall, dh. Darlehensgewährung seitens der Bank nur bei Bürgschaft der Muttergesellschaft? Im Übrigen zeigen unsere bisherigen Urteile, dass wir mit der Feststellung, ein fremder Dritter hätte ein unbesichertes Darlehen gewährt, äußerst zurückhaltend sind. Im Zweifel wird die Sache an die Vorinstanz zur weiteren Feststellung zurückverwiesen. Das gilt natürlich auch für den Fall, dass substantiiert vorgetragen wird, ein fremder Dritter hätte sich mit einem (fremdüblichen) Zinsaufschlag begnügt. Prof. Dr. Frotscher Bitte, eine Stellungnahme da hinten! Dr. Haselmann10 Wir sind Prozessbevollmächtigte in einem Verfahren, das bei einem Finanzgericht anhängig ist, wo es um die Korrektur einer Teilwertabschreibung nach § 1 AStG geht. Das Verfahren ruhte lange, es ist seit Jahren anhängig und jetzt, nachdem die Entscheidungen vom 27.2. da sind, wird es fortgesetzt. Da stellt man sich jetzt natürlich die Frage: Wie geht man damit um? Welche Möglichkeiten hat man? Völlig neue Vorzeichen. Das Schöne ist, man hat die Freiheit, da im Tatsächlichen zu argumentieren. Fremdüblichkeit, das ist die eine Schiene. Die Frage, die ich jetzt aber an Herrn Wacker habe, ist: Gibt es denn noch eine Chance, auch wieder zum EuGH zu kommen? Denn, Sie haben selbst gesagt, dieses Hornbach-Urteil soll man genau lesen – das sehe ich auch so –, die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit, dass es, wie Herr Körner auch sagte, eigentlich nur einen Ausnahmefall trifft. Das ist aber alles die Ebene der Verhältnismäßigkeit. Was ich bei Hornbach nachlesen kann, ist erst einmal, der EuGH sagt, § 1 AStG greift ein in die Grundfreiheiten. Zweite Ebene, Rechtfertigung – es geht um die Korrektur einer Teilwertabschreibung bei uns –, Rechtfertigungsebene: Der Mitgliedstaat darf nach § 1 AStG korri10 Dr. Jan Haselmann ist Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Hamburg.

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gieren im Hinblick auf seine Besteuerungsbefugnisse, die Territorialität der Besteuerung, Sicherung der Besteuerungsbefugnisse vor Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland. Das ist der Sinn des § 1 AStG, und insoweit ist § 1 AStG gerechtfertigt. Danach komme ich erst zur Verhältnismäßigkeit, diese Hornbach-Ausnahme. Bei der Teilwertabschreibung frage ich mich: Wie verlagere ich denn dadurch Geld ins Ausland? Wie geht das Steuersubstrat verloren? Ist das nicht so, wie Herr Körner sagt, da wird halt Geld verbrannt, also so fühlt sich das in unserem Fall an, da wird Geld verbrannt, und warum soll ich das jetzt nicht steuerlich geltend machen können? Also, wie gestalte ich durch eine Teilwertabschreibung, wie entziehe ich da dem deutschen Fiskus Steuersubstrat? Prof. Dr. Frotscher Herr Wacker, wollen Sie einen solchen Fall dem EuGH vorlegen? Prof. Dr. Wacker In den Materialien zu § 1 AStG ist die Frage ausdrücklich angesprochen. Danach ist eine nicht-fremdübliche Geschäftsbeziehung ausreichend, um die Einkünftekorrektur auszulösen, und zwar – so die Materialien – tatbestandsmäßig unabhängig davon, wie der andere Vertragsstaat sich verhält. Das war zugleich der normative Befund, den der I. Senat vor Augen hatte. Dr. Haselmann Und die europarechtliche Ebene? Prof. Dr. Wacker Das ist eine andere Frage. Dr. Haselmann Aber teilen Sie denn die Zweifel an der Hornbacher Rechtskonformität, die ich ja geäußert habe? Prof. Dr. Wacker Der EuGH hat die Abwägung in die Hand der nationalen Gerichte gelegt. Danach sind wir verfahren.

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Podiumsdiskussion: Konzernfinanzierung

Prof. Dr. Frotscher Da war noch eine Frage. Bartsch11 Herr Professor Wacker, Sie hatten ja auf den Österreich-Fall verwiesen, wo geschlossen wird, dass die Bank eine Bürgschaft vom Gesellschafter fordert. Wenn jetzt dieser Gesellschafter, der ja auch Kreditgeber beim Gesellschafterdarlehen ist, sich sozusagen eine Bürgschaft selbst ausstellen würde – klingt schon komisch –, wäre ja der Fremdvergleich insofern formal erfüllt. Es stellt sich ja da eher die Frage, ob man dann noch von einem steuerrechtlichen Darlehen sprechen kann. Haben Sie dazu eine Meinung? Prof. Dr. Wacker Die Frage nach der steuerrechtlichen Anerkennung des Darlehens hängt davon ab, ob die Beteiligten von der Rückzahlung ausgegangen sind und objektiv davon ausgehen konnten. Letzteres ist natürlich vor allem von der Vermögens- und Ertragssituation der Darlehensnehmerin abhängig. Ich darf aber noch einmal betonen: Das ist keine Neuerung; der I. Senat hatte bereits früher in diesem Sinne erkannt. Nußbaum Aber was sich doch deutlich verändert hat, ist die Annahme, dass ein gruppeninternes Darlehen eben grundsätzlich gesichert sein muss, und mit dem „grundsätzlich gesichert sein muss“ engen Sie die Bandbreite des Zinssatzes faktisch mit ein. Und wenn ein Unternehmen über den gesicherten Zins hinausgehen will, müsste es nachweisen, dass auch eine Bank noch ein Darlehen gewährt hätte. Nur dann würde sich der Zins ändern. Also dieses Loslösen von den Einnahmen halte ich nicht für zwingend. Prof. Dr. Wacker Ich darf noch einmal betonen, dass sich der Senat bisher zur Korrektur des Zinssatzes nicht geäußert hat und es meines Erachtens von § 1 AStG nicht gedeckt ist, die fehlende fremdübliche Besicherung durch eine

11 Gerrit Bartsch, M.I.Tax ist Partner bei Watson, Farley & Williams LLP in Hamburg.

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gleichfalls nicht fremdvergleichsgerechte Zinssatzerhöhung auszugleichen. Prof. Dr. Frotscher Herr Wacker, ich glaube, das ist der grundlegende Dissens, weshalb wir hier diese Diskussion haben. Wir haben ja nicht gesagt, dass eine nichtfremdübliche Nicht-Besicherung durch einen nicht-fremdüblichen Zins korrigiert werden soll. Das geht natürlich nicht. In dem Punkt sind wir uns, glaube ich, alle einig. Es gibt aber einen fremdüblichen Zins für den Fall einer fremdüblichen Nicht-Besicherung. Wir sind also in einem Bereich, in dem Zins und Nichtbesicherung fremdüblich sind. Es gibt einen Zinssatz für gesicherte Darlehen, und es gibt einen markt-fremdüblichen Zinssatz für nicht gesicherte Darlehen. Dass man ein nicht-fremdübliches Darlehen nicht durch einen nicht-fremdüblichen Zinssatz korrigieren kann – ich glaube, das behauptet keiner. Dr. Körner Ungeachtet dessen, dass der BFH natürlich kein Therapiesaal ist, hat das, was Herr Wacker hier macht, massenpsychologische Wirkung. Es ist so, dass eine ganz erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden ist. Das sehen wir ja an der Diskussion. Es ist ja schön, wenn man hört, das ist nur der Einzelfall, der da gemeint war, und es lässt sich nicht auf den umgekehrten Fall umdrehen – aber was bedeutet das in der Praxis der Betriebsprüfung? Ich sehe schon die ersten Betriebsprüfer eben genau mit den Inbound-Darlehen anfangen, den Zins angreifen, wenn da eben nicht das von Frau Wünnemann auch geforderte klarstellende BMF-Schreiben kommt. Prof. Dr. Frotscher Gut, dann müssen Sie diese Fälle wieder zu Herrn Wacker bringen. Dr. Baßler Eine Breitenwirkung muss man auch sehen: Die Tatsache, dass fremdüblich banküblich heißt, heißt – so verstehe ich die Rechtsprechung –, dass wir letztlich steuerlich bankregulatorische Vorgaben nachvollziehen. Denn die Frage, was banküblich ist, wird ganz massiv durch die Bankregulatorik vorgegeben, und dann hängen wir hier im Steuerrecht einfach mit dran. Das muss man, glaube ich, der Vollständigkeit halber sagen.

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Streitbeilegung im internationalen Kontext Jan Uterhark Rechtsanwalt/Steuerberater KPMG AG, Hamburg

A. Das Verrechnungspreisumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Instrumente der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . I. National . . . . . . . . . . . . . . . . . II. International . . . . . . . . . . . . .

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C. Verhältnis der internationalen Streitbeilegungsverfahren zum nationalen Einspruchsund Klageverfahren. . . . . . . . 93 D. Verfahren der Streitvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Das Verrechnungspreisumfeld Studien zufolge finden ca. 80 % aller weltweiten, grenzüberschreitenden Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen statt. Diese Zahl ist bemerkenswert vor dem Hintergrund des § 1 AStG. Denn wie kann der von § 1 AStG für eine Berichtigung von Einkünften vorausgesetzte Fremdvergleich zu unverbundenen Dritten geführt werden, wenn bereits 4/5 aller Transaktionen verbundene Transaktionen sind? Mit anderen Worten: Kann der sog. „fremde Dritte“ noch bestimmt werden, oder ist er reine Fiktion? Diese Frage ist auch erheblich vor dem Hintergrund, dass die Besteuerung nach dem Ertrag die echte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts zum Gegenstand haben soll und nicht nur eine fiktive. Vollkommen unbeeindruckt von dieser Frage zeigt sich indes die Finanzverwaltung, die nahezu immer zu einer Gewinnanpassung nach § 1 AStG1 gelangt. Erfolgt diese Korrektur aber ohne eine entsprechende Gegenberichtigung bei dem Transaktionspartner, so wird hierdurch eine internationale Doppelbesteuerung ausgelöst. Denn der von der Gewinnanpassung betroffene Wertschöpfungsbeitrag wird infolge der nur einseitigen Korrektur im Ergebnis grenzüberschreitend zweimal belastet.2 Da Gegenberichtigungen iSd. Art. 9 Abs. 2 OECD-MA je1 Bzw. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG. 2 Beispiel: Wird der Warenverkaufspreis in Deutschland um 10 erhöht, so muss auch der Wareneinkaufspreis des Transaktionspartners um 10 erhöht werden,

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doch die Ausnahme darstellen, verwundert es nicht, dass die Zahl internationaler Doppelbesteuerungen auf dem Gebiet der Verrechnungspreise hoch ist.3 Zudem wird allgemein erwartet, dass es im Zuge des BEPSProjekts zur Eindämmung internationaler Steuervermeidung einen weiteren Anstieg geben wird.4 Der grenzüberschreitende Zugriff auf dasselbe Steuerobjekt verstößt indes gegen Abkommensrecht und bedarf einer Korrektur. Diese Korrektur wird aber nicht von den Steuerverwaltungen initiativ angestoßen; es obliegt vielmehr dem Steuerpflichtigen zu entscheiden, ob und wie er den Rechtsverstoß heilen will.

B. Instrumente der Streitbeilegung Als Instrumente der Streitbeilegung und der Beseitigung der Doppelbesteuerung stehen dem Steuerpflichtigen nationale und internationale Verfahren zur Verfügung.

I. National Der Steuerpflichtige kann gegen die die Gewinnanpassung umsetzenden Steuerbescheide nach § 347 Abs. 1 AO Einspruch einlegen und nach § 40 Abs. 1 FGO Klage erheben. Er kann in diesen Verfahren geltend machen, dass die Gewinnanpassung gegen nationales Recht, insbesondere gegen den von § 1 Abs. 1 AStG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG herangezogenen Fremdvergleichsgrundsatz, verstößt. Insofern ist jedoch zu bedenken, dass Streitigkeiten über den „richtigen“ Verrechnungspreis Wertschöpfungsanalysen und damit im Wesentlichen ökonomische Fragen betreffen. Es handelt sich mithin nicht um einen steuerjuristischen Streit im eigentlichen Sinne. Jedenfalls dann nicht, wenn nicht Fragen der Schätzungsbefugnis der Finanzverwaltung und damit einhergehende Fragen ordnungsgemäßer Dokumentation der Geschäftsbeziehungen zu den verbundenen Unternehmen,5 mithin Fragen zur Grundordnung des Besteuerungsverfahrens, im Vordergrund stehen. Es ist deshalb höchst fraglich,

weil andernfalls die Gewinnerhöhung in Deutschland bei Weiterverkauf der Ware durch den Transaktionspartner und einem bei diesem um 10 zu geringen Wareneinsatz nochmals besteuert würde. 3 Zahl der diesbezüglichen Verständigungsverfahren 2017: 4 549 Fälle insgesamt, davon 542 Fälle aus Deutschland; Quelle: http://www.oecd.org/tax/dispute/mu tual-agreement-procedure-statistics.htm. 4 Vgl. Erwägungen zur Richtlinie (EU) 2017/1852. 5 Vgl. dazu § 90 Abs. 3 AO, §§ 1 ff. GAufzV, § 162 Abs. 3 AO.

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ob Finanzgerichte zutreffende Adressaten für die Lösung von Verrechnungspreis-Streitigkeiten sind und ob dem Rechtsfrieden durch ein finanzgerichtliches Urteil zu einer ökonomischen Streitfrage wirklich gedient ist. Die (wenigen) Erfahrungen sprechen eher dagegen.

II. International Die Beseitigung der durch die unilaterale Korrektur von Verrechnungspreisen ausgelösten, internationalen Doppelbesteuerung sollte vorzugsweise im Wege der internationalen Verfahren zur Streitbeilegung angestrengt werden. Bei diesen Verfahren handelt es sich um die sog. herkömmlichen Verfahren der DBA-Verständigungsverfahren (mit6 und ohne7 Schiedsklausel) und der Verfahren nach der EU-Schiedskonvention8 sowie um das neue Verfahren nach der EU-Streitbeilegungsrichtlinie und den entsprechenden, nationalen Umsetzungsgesetzen.9 Hinsichtlich der sog. herkömmlichen Verfahren zur Streitbeilegung haben allerdings sowohl die OECD im Rahmen des BEPS-Projekts10 als auch die EU11 Defizite erkannt, die den Zugang, die Dauer und den wirksamen Abschluss dieser Verfahren betreffen. So regeln weder die DBA noch die EUSchiedskonvention verbindlich und abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Annahme und Durchführung eines solchen Verfahrens versagt werden kann. Zudem betrug die durchschnittliche Dauer von DBA-Verständigungsverfahren zu Verrechnungspreisen bis 2016 noch 40,9 Monate.12 Schließlich sehen die DBA-Regelungen zu den Verständi6 Vgl. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA. 7 Vgl. Art. 25 Abs. 1–4 OECD-MA. 8 Übereinkommen 90/436/EWG v. 23.7.1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, ABl. 1990 Nr. L 225, 10. 9 Richtlinie (EU) 2017/1852 v. 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, ABl. 2017 Nr. L 265, 1; Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union v. 10.12.2019 (EU-DBA-SBG), BGBl. I 2019, 2103. 10 Vgl. OECD Action 14 – Final Report 2015 „Making Dispute Resolution Mechanisms More Effective“. 11 Vgl. Erwägungen zur Richtlinie (EU) 2017/1852: „Das … durchgeführte Monitoring hat gezeigt, dass es einige erhebliche Unzulänglichkeiten gibt, insbesondere in Bezug auf den Zugang zum Verfahren sowie in Bezug auf seine Dauer und seinen wirksamen Abschluss.“ 12 Statistik für 2017; Quelle: http://www.oecd.org/tax/dispute/mutual-agree ment-procedure-statistics.htm.

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gungsverfahren, sofern diese nicht eine Schiedsklausel enthalten,13 keinen Einigungszwang der beteiligten Behörden vor; es besteht nur eine „Bemühenspflicht“14, was der Wirksamkeit dieser Streitbeilegungsverfahren von vornherein, strukturell entgegensteht. Dementsprechend verwundert es auch nicht, dass in der Vergangenheit auch nur 55 % aller Verständigungsverfahren zu einer vollständigen Beseitigung der Doppelbesteuerung geführt haben.15 Abhilfe hinsichtlich der festgestellten Defizite sollen zum einen auf Ebene der OECD das Multilaterale Instrument (MLI),16 das am 7.6.2017 von mehr als 60 Staaten in Paris unterzeichnet wurde, und auf Ebene der EU die Streitbeilegungsrichtlinie17 schaffen. Während die Abschnitte V und VI des MLI Vorgaben zur Verbesserung der in den Doppelbesteuerungsabkommen geregelten Verfahren zur Streitbeilegung enthalten und vor allem Fragen des Zugangs zum Verfahren und die (lediglich mögliche) Einführung eines Schiedsverfahrens betreffen, regelt die Streitbeilegungsrichtlinie ein gänzlich neues und eigenständiges Verfahren zur Streitbeilegung innerhalb der EU. Nach dem dreistufigen Verfahren der Streitbeilegungsrichtlinie und des dazu ergangenen deutschen Umsetzungsgesetzes vom 10.12.201918 können ab dem 1.7.2019 Beschwerden hinsichtlich abkommensrechtlicher Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten der EU über Besteuerungssachverhalte ab dem 1.1.2018 anhängig gemacht werden. Die sog. Streitbeile-

13 Vgl. Abkommensübersicht bei Vogel/Lehner, DBA6, Art. 25 OECD-MA Rz. 250. 14 Vgl. Mammen/Jansen/Rasche, IStR 2019, 372. 15 Statistik für 2017; Quelle: http://www.oecd.org/tax/dispute/mutual-agree ment-procedure-statistics.htm. 16 Vgl. zum MLI die Mitteilung des BMF v. 7.6.2017, www.bundesfinanzministe rium.de: „Das Multilaterale Instrument ist ein wichtiges Element des BEPSProjekts der OECD und der G20. Dadurch sollen zahlreiche Empfehlungen des Projekts unmittelbar in die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen der teilnehmenden Staaten implementiert werden …“ 17 Vgl. Richtlinie (EU) 2017/1852 v. 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, ABl. 2017 Nr. L 265, 1; Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union v. 10.12.2019 (EU-DBA-SBG), BGBl. I 2019, 2103. 18 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10.10.2017 über Verfahren zur Beilegung von Besteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union, BGBl I 2019, 2103.

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gungsbeschwerde ist innerhalb von 3 Jahren19 nach Bekanntgabe der ersten Mitteilung der die Streitfrage auslösenden Maßnahme (insbesondere Steuerbescheid) einzureichen. Die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten20 haben innerhalb von 6 Monaten ab Zugang der Streitbeilegungsbeschwerde über deren Zulässigkeit zu entscheiden. Sowohl die Richtlinie als auch das Gesetz enthalten eine abschließende Aufzählung von Zurückweisungsgründen. Damit ist ein transparenter und verlässlicher Rahmen für den Zugang zum Verfahren geschaffen worden, der im Falle der Zurückweisung der Streitbeilegungsbeschwerde durch alle betroffenen Behörden auch auf dem Finanzrechtsweg21 durchsetzbar ist. Nach Zulassung der Streitbeilegungsbeschwerde wird in der zweiten Phase des Streitbeilegungsverfahrens das Verständigungsverfahren über die Streitfrage eröffnet. Für die beteiligten Behörden besteht eine Einigungsfrist von 2 Jahren, die auf Antrag (einer) der beteiligten Behörden auf 3 Jahre verlängerbar ist. Im Falle einer Einigung der Behörden ist das Verständigungsergebnis analog zu § 175a AO umzusetzen.22 Im Falle einer Beendigung des Verständigungsverfahrens ohne Einigung ergeht an den betroffenen Steuerpflichtigen eine Mitteilung der allgemeinen Gründe für die fehlende Einigung.23 Nach einem Scheitern des Verständigungsverfahrens kann der Steuerpflichtige in einer dritten Phase des Streitbeilegungsverfahrens das Schiedsverfahren einleiten und eine Stellungnahme des sog. Beratenden Ausschusses beantragen. Der Beratende Ausschuss24 ist, wenn nicht die in § 20 EU-DBA-SBG genannten, besonderen Versagungsgründe25 für dessen Einsetzung vorliegen, binnen 120 Tagen26 nach dessen Beantragung

19 § 4 Abs. 3 EU-DBA-SBG. 20 In Deutschland: das Bundeszentralamt für Steuern (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 EU-DBASBG). 21 Sachlich zuständiges deutsches Gericht für Streitigkeiten mit dem Bundeszentralamt für Steuern: FG Köln. 22 § 15 Abs. 3 EU-DBA-SBG. 23 § 16 Abs. 1 EU-DBA-SBG. 24 Dieser ist gemäß § 21 EU-DBA-SBG wie ein Kollegialgericht besetzt und setzt sich aus einem Vorsitzenden, je einem Vertreter der beteiligten Behörden und je einer unabhängigen Person aus den Jurisdiktionen der beteiligten Behörden zusammen. 25 Straf- oder bußgeldbewehrter Verstoß gegen die Steuergesetze durch eine betroffene Person; entgegenstehende Rechtskraftwirkung einer nationalen Gerichtsentscheidung über die Streitfrage. 26 § 22 EU-DBA-SBG.

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einzusetzen und hat binnen weiterer 6 Monate27 einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Die beteiligten Behörden können diesen Lösungsvorschlag annehmen oder dem Steuerpflichtigen einen davon abweichenden, eigenen Lösungsvorschlag unterbreiten.28 Stimmt der Steuerpflichtige dem Lösungsvorschlag zu, so ist das gefundene Ergebnis sowohl für die beteiligten Behörden als auch für den Steuerpflichtigen bindend. Die zweite und dritte Phase des Streitbeilegungsverfahrens enthalten mit dem Verständigungs- und dem Schiedsverfahren sowie mit der Einsetzung eines Beratenden Ausschusses für die Schiedsphase an sich nichts, was nicht schon durch die DBA-Verständigungsverfahren mit Schiedsklausel und die Verfahren nach der EU-Schiedskonvention dem Grunde nach bekannt wäre. Wirklich neu ist aber, dass in der Schiedsphase anstelle des Beratenden Ausschusses ein sog. Ausschuss für Alternative Streitbeilegung29 eingesetzt werden kann, mit neuen, alternativen Wegen zur Streitlösung. Denkbar ist hiernach zum Beispiel, dass der Alternative Ausschuss einen Streit schnell und effizient mittels der sog. Pendelschlichtung30, einem in Großbritannien und den Vereinigten Staaten insbesondere bei Lohnverhandlungen verbreiteten Verfahren zur Schlichtung eines Konflikts, lösen wird. Ebenso neu und begrüßenswert ist schließlich, dass die Ergebnisse der Streitschlichtung publiziert werden31 und damit, wenn nicht eine Präjudiz, so doch eine gewichtige Entscheidungshilfe für künftige Auseinandersetzungen bereits im Vorfeld eines Streitbeilegungsverfahrens schaffen. Gemessen an den drei von der EU selbst genannten Effizienz-Kriterien für ein Streitbeilegungsverfahren – ein verlässlicher Zugang zum Verfahren, eine geringe Verfahrensdauer und ein wirksamer Abschluss32 – scheint das Verfahren nach der EU-Streitbeilegungsrichtlinie das erste und letzte Kriterium zu erfüllen, hinsichtlich der Verfahrensdauer hingegen – wie auch die herkömmlichen Verfahren – durchzufallen. Denn auch nach der EU-Streitbeilegungsrichtlinie sind allein schon durch das nach wie vor für die beteiligten Behörden großzügig geschnittene Zeitfenster für das Verständigungsverfahren Verfahrensdauern von mehreren 27 28 29 30

Gemäß § 17 Abs. 3 EU-DBA-SBG auf 9 Monate verlängerbar. § 18 Abs. 2 EU-DBA-SBG. § 29 EU-DBA-SBG. Oder auch Baseball Arbitration. Bei diesem Verfahren senden beide Streitparteien dem Schlichter einen Lösungsvorschlag, worauf dieser sich verbindlich für einen davon entscheidet. Quelle: http://definitions.uslegal.com. 31 § 19 EU-DBA-SBG. 32 Vgl. Nachweis in Fn. 11.

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Jahren möglich und wahrscheinlich. Da effektiver Rechtsschutz aber immer auch einen zeitgerechten Rechtsschutz gebietet,33 fällt auch das neue Verfahren insoweit durch.

C. Verhältnis der internationalen Streitbeilegungsverfahren zum nationalen Einspruchs- und Klageverfahren Sind Streitigkeiten über Verrechnungspreise mit ihren ökonomischen Fragestellungen eher nicht geeignet für eine finanzgerichtliche Befassung, so kann sich der Steuerpflichtige gleichwohl in seiner Verteidigung nicht ausschließlich auf die internationalen Verfahren zur Streitbeilegung verlassen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige hinsichtlich der streitigen Gewinnanpassung eine Aussetzung der Vollziehung begehrt, weil der vorläufige Rechtsschutz nach § 361 AO, § 69 FGO stets ein sog. Hauptsacheverfahren, also ein Einspruchs- oder Klageverfahren, voraussetzt. In dem Fall muss der Steuerpflichtige also gegen die Steuerfestsetzung (auch) Einspruch einlegen und ggf. Klage erheben, um die gewünschte Aussetzung der Vollziehung beanspruchen zu können; die Einleitung eines DBA-Verständigungsverfahrens, eines Verfahrens nach der EU-Schiedskonvention oder der EU-Streitbeilegungsrichtlinie stellt insoweit kein taugliches Hauptsacheverfahren dar. Das gilt aber auch dann, wenn das betroffene DBA keinen Einigungszwang (Schiedsklausel) für die beteiligten Behörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens vorsieht und Verfahren nach der EU-Schiedskonvention oder der Streitbeilegungsrichtlinie nicht anwendbar sind. Denn dann besteht für den Steuerpflichtigen zunächst keine Gewähr für eine tatsächliche Beseitigung der durch die Gewinnanpassung ausgelösten, internationalen Doppelbesteuerung. Das nationale Rechtsbehelfsverfahren sollte idealerweise parallel zu einem internationalen Streitbeilegungsverfahren geführt werden, um die Verteidigung möglichst „breit“ aufzustellen. Dabei sollte das nationale Rechtsbehelfsverfahren im Hinblick auf den Ausgang des internationalen Verfahrens ruhend gestellt werden, um nicht eine der Herbeiführung und Umsetzung eines möglichen internationalen Verständigungsergebnisses entgegenstehende, rechtskräftige, nationale Entscheidung zu der

33 Vgl. nur BVerfG v. 29.3.2005 – 2 BvR 1610/03, NJW 2005, 3488.

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Streitfrage herbeizuführen,34 und um auch weitere (Gerichts-)Gebührenrisiken zu vermeiden. Führt umgekehrt ein internationales Streitbeilegungsverfahren zu einem Verständigungsergebnis, so setzt dessen Annahme durch den Steuerpflichtigen und dessen Umsetzung in die Steuerbescheide voraus, dass der Steuerpflichtige die die nämliche Streitfrage betreffenden, nationalen Rechtsbehelfe zurücknimmt.35 Der Steuerpflichtige muss sich also entscheiden, ob das internationale Verständigungsergebnis seinen Belangen genügt; es gilt hinsichtlich des Verfahrensabschlusses somit ein Entweder-oder und kein Sowohl-als auch.

D. Verfahren der Streitvermeidung Sämtliche Verfahren der Streitbeilegung sind, so effizient sie auch ausgestaltet sein mögen, stets nur die zweitbesten Lösungen; vorzugswürdig ist immer die Streitvermeidung. OECD, EU, Steuerbehörden und Steuerpflichtige sollten daher gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, einen Steuerstreit von vornherein zu vermeiden. Das Augenmerk gilt hier den Joint Audits36, der zeitgleichen Außenprüfung,37 dem Horizontal Monitoring,38 dem ICAP-Projekt der OECD39 sowie den Vorabverständigungsverfahren40.

34 Vgl. zu dem Problem ua. Ismer/Piotrowski, „Internationale Streitbeilegung in Steuersachen und innerstaatliches Verfassungsrecht: Auf zu gerichtsförmigen Verfahren!“, IStR 2019, 845; zudem §§ 13 Abs. 3, 16 Abs. 3, 20 Abs. 4 EUDBA-SBG. 35 Vgl. hierzu pars pro toto § 15 Abs. 2 EU-DBA-SBG. 36 Koordinierte bi- und multilaterale steuerliche Außenprüfung in einer Jurisdiktion. 37 Simultanprüfung; gleichzeitige Prüfungen in zwei und mehr Jurisdiktionen. 38 Verfahren der freiwilligen, begleitenden Kontrolle von Großbetrieben, verbunden mit erhöhten Offenlegungspflichten und regelmäßigen Kontrollen unternehmensinterner Kontrollprozesse. 39 „International Compliance Assurance Programme“ (ICAP); dieses Pilotprojekt wird vom OECD Forum für Steuerverwaltung (FTA) geleitet und konzentriert sich auf die multilaterale, kooperative steuerliche Risikobeurteilung von großen, grenzüberschreitend tätigen Unternehmen (MNEs). 40 „Advance Pricing Agreement“ (APA); APAs sind in einem Vorabverständigungsverfahren getroffene Vereinbarungen im Bereich der Verrechnungspreise zwischen einem oder mehreren Steuerpflichtigen und einer oder mehreren Steuerverwaltung(en).

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E. Fazit Das BEPS-Projekt zur Eindämmung internationaler Steuervermeidung führt allem Anschein nach auf dem Gebiet der Verrechnungspreise zu einem kollateralen Anstieg internationaler Doppelbesteuerung. Der damit einhergehende Verstoß gegen den Geist der Doppelbesteuerungsabkommen wird von den Steuerverwaltungen billigend in Kauf genommen. Die internationalen Instrumente der Streitbeilegung vermögen die Rechtsbeeinträchtigungen aufseiten der Steuerpflichtigen weder hinreichend effizient zu lösen noch können sie rechtsethisch überzeugen, insofern sie lediglich Heilmittel für eine zuvor initiierte Rechtsbeeinträchtigung darstellen. Vor diesem Hintergrund sollten alle Anstrengungen zur weiteren Implementierung effektiver Verfahren der Streitvermeidung unternommen werden.41

41 „Making Dispute Resolution Mechanisms Needless“.

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Streitbeilegung im internationalen Kontext Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Johannes Baßler Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbH, Hamburg

Oliver Nußbaum Global Head of Tax, BASF SE, Ludwigshafen

Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax) Leiter Steuern, Volkswagen AG, Wolfsburg

MinDirig. Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Jan Uterhark Partner, Head of Tax Controversy and Tax Litigation, KPMG AG, Hamburg

Prof. Dr. Roland Wacker Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, I. Senat, München

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Berlin

Prof. Dr. Frotscher Herr Uterhark, herzlichen Dank für diese interessanten Überlegungen zur Taktik, wie man mit dem neuen Gesetz umgeht. Herr Nußbaum, Sie sind wahrscheinlich am meisten mit Streitbeilegungen beschäftigt, oder täusche ich mich da? Nußbaum Ich würde sagen, die Finanzverwaltungen untereinander sind mit der Streitbeilegung beschäftigt. Ich kann dem eigentlich auch nur zustimmen, der beste Weg der Vermeidung einer Doppelbesteuerung ist natürlich die vorgelagerte Vermeidung eines Verfahrens, aber ich würde auch in dem letzten Punkt zu-

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Podiumsdiskussion: Streitbeilegung im internationalen Kontext

stimmen, dass es zwischenzeitlich zu mehr Streitfällen gekommen ist. All die Befürchtungen, die man aufseiten der Industrie aufgrund des BEPS-Projekts hatte, dass es zu mehr Doppelbesteuerungsfällen und zu mehr Streitbeilegungsverfahren kommen wird, sind eingetreten. Wir nehmen auch wahr, dass vermehrt über ganz grundsätzliche Fragen und losgelöst von der zugrunde liegenden vertraglichen Gestaltung gestritten wird, wer zum Beispiel Strategieträger im Konzern ist, wem der Residualgewinn zusteht, wer Verluste tragen muss. Welche Gesellschaft soll überhaupt für eine Lizenz noch zahlen und wem gehören die Lizenzerträge? Viele ganz grundsätzliche Streitfragen, jenseits der Streitigkeiten über die Preisfindung. Wir haben zwischenzeitlich einige signifikante Fälle von Doppelbesteuerungen erlebt, die nicht gelöst werden konnten. Fälle, die man im Kompromisswege gelöst hat, ohne in ein Streitbeilegungsverfahren gegangen zu sein. Meine Sorge ist, dass sich dieses Problem noch vergrößern wird, wenn man die Diskussion – dazu wird uns ja Herr Kreienbaum noch etwas erzählen – zu Pillar 1, Pillar 2 verfolgt. Vielleicht können wir in diesem Zusammenhang dann auch noch lernen, wie diesbezüglich die Streitbeilegung angedacht ist. Prof. Dr. Frotscher Herr Körner, wie sieht es bei Ihnen aus? Dr. Körner Das Beste ist in der Tat, gar nicht in die Verfahren reinzugehen. Die haben in der Praxis in Europa vor allem eine gewisse Incentivierungswirkung. Das ist wie make needless oder so, also, dass man sich vorher einigt und nicht in ein langwieriges Verfahren geht, das ist das Schöne, weil wir in Europa eben diesen Einigungszwang haben. Wir haben ja gerade auch im Finanzierungsbereich gesehen, so Verrechnungspreisfälle vor Gericht, das geht immer sehr, sehr seltsam aus. Das muss jetzt nicht unbedingt sein. Ich bin aber auch in ganz freudiger Erwartung in Bezug auf Pillar 1 und Pillar 2. Da könnte ich jetzt wieder steuerpolitisch werden und sagen, das ist vielleicht auch nicht ideal fürs deutsche Steuersubstrat, aber lassen wir das. Auf jeden Fall werden sich die Relevanzstrukturen dann massiv verändern. Dann haben wir dauernd das Thema „Vermeidung der Doppelbesteuerung“, und freundlicherweise haben schon einzelne BRICS-Staaten – ich glaube, es waren Indien und China – angekündigt, dass sie das nicht weiter interessiert, dass sie also keinen Zwang zur Beseitigung von Doppelbesteuerung akzeptieren werden.

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Podiumsdiskussion: Streitbeilegung im internationalen Kontext

Jetzt kann man natürlich sagen: „Ist doch nicht schlimm! Ist doch heute auch der Zustand!“ Das wäre aber vielleicht ein bisschen kurz gesprungen. Also Pillar 1 und Pillar 2, vor dem Hintergrund – das Ding würde nur so richtig funktionieren, wenn es weltweit einheitlich gehen würde. Da können wir auch wieder nur alle schmunzeln. Aber es nimmt eben an Bedeutung zu. Es wird schlicht und ergreifend teurer. Prof. Dr. Frotscher Frau Wünnemann, möchten Sie Stellung nehmen? Dr. Wünnemann Ja, wir führen mit den Unternehmen einen intensiven Austausch darüber. Es beklagen natürlich alle die lange Dauer der Verfahren der Streitbeilegung und die unbefriedigende Situation, dass kein Einigungszwang der Staaten besteht und letztendlich häufig trotz der langen Dauer keine Lösung vorliegt. Und deswegen haben wir uns jetzt noch einmal stärker mit dem Thema Joint Audit befasst. Es sind jetzt erste Erfahrungen der Unternehmen damit gemacht worden. Wir hatten gerade letzte Woche den Steuerausschuss hier in Hamburg, haben uns dazu auch mit der Finanzbehörde Hamburg ausgetauscht, und da wurde auch von den Unternehmen erstmalig berichtet, dass diese Verfahren wirklich auch große Vorteile haben, weil man im Vorhinein schon versucht, gleichzeitig Simultanprüfungen durchzuführen. Vor allen Dingen auch, dass eine Sachverhaltsaufklärung erfolgt, bei der der Steuerpflichtige mitwirken kann. Anders als bei den Verständigungsverfahren. Auch wenn sozusagen kein Ergebnis hinsichtlich des Streits erfolgt, man hat zumindest eine verbindliche Sachverhaltsfeststellung, die auch zukünftige Arbeit bei möglichen Weiterverständigungsverfahren erspart. Insofern auch das noch einmal als Werben vonseiten des BDI, dass man sich mehr um die Streitvermeidung kümmert, denn, wie ja alle auch gesagt haben, das werden wir auch gleich von Herrn Kreienbaum hören, das OECD-Projekt wird alle Beteiligten natürlich vor große Herausforderungen stellen, was die internationalen Steuerkonflikte angeht. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Herr Baßler, wie sieht das im Mittelstand aus?

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Dr. Baßler Also, in der Tendenz wird man da auch differenzieren müssen. Mittelstand ist auch da nicht Mittelstand. Der mittlere oder kleinere Mittelstand ist natürlich dieser Art von Verfahren gegenüber eher skeptisch. Diese internationalen Verständigungsverfahren im Großen, ich glaube, da ist man eher unterwegs und sagt: Möglichst vermeiden. Im größeren Mittelstand ist das sicherlich ein Thema, das man dann punktuell mal angeht. Mich hätte eigentlich noch eine Frage an Herrn Uterhark interessiert, wenn ich diese hier stellen darf: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie es ein bisschen bedauert haben, dass der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit ergriffen hat, an dieser Stelle eine Durchbrechung der Rechtskraft der Urteile für einen Fall einer nachlaufenden Verständigung anzuordnen? Denn wir sind uns wahrscheinlich einig, der Gesetzgeber hätte § 134 FGO mit seinem Verweis auf die ZPO sicherlich durchbrechen und sagen können: Na gut, eine nachträgliche Einigung durchbricht ein rechtskräftiges Urteil. Uterhark Da haben Sie mich tatsächlich missverstanden, Herr Baßler. Ich bin als ehemaliger Finanzrichter und nunmehriger Berater zwar ein Konvertit; diese gelten ja bekanntlich als die Schlimmsten. Aber in dieser Frage entspricht es nach wie vor meiner festen Überzeugung, dass die Gerichte stets das letzte Wort dazu haben sollten, was Recht ist und was nicht. Das ist meines Erachtens unserer Verfassungsordnung geschuldet. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Herr Kreienbaum, das BMF hat ja seine Hausaufgaben gemacht und die Richtlinie umgesetzt. Möchten Sie noch etwas dazu sagen? Kreienbaum Ja, unbedingt! Zunächst kann ich der Feststellung zustimmen, dass Streitvermeidung deutlich besser ist als Streitbeilegung Ich möchte auch noch ausführen, welche Aktivitäten wir mit Blick auf Streitvermeidung und auch mit Blick auf Streitbeilegung entfalten. Darüber hinaus möchte ich aber auch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Es findet ja ein gewisses subtiles Framing, würde man

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Neudeutsch sagen, auf dem Podium statt. Herr Uterhark stellt in den Raum, die Doppelbesteuerung werde durch die Verwaltungen verursacht. Herr Nußbaum sagt, BEPS verursache mehr Streitfälle, Frau Wünnemann meint, das OECD-Projekt werde auch alle Beteiligten vor Herausforderungen stellen und zu mehr Streit führen, so habe ich Sie verstanden. Das ist alles grundfalsch. Das ist grundfalsch! (Gelächter) Wenn ich das einmal verdeutlichen darf: Was passiert denn bei der Doppelbesteuerung? Wer löst sie aus, und welche Rolle spielt dabei die Finanzverwaltung? Da haben wir einen Steuerpflichtigen, der ist grenzüberschreitend tätig, und der wird in zwei oder mehr Staaten den dort gültigen Steuerrechtsordnungen unterworfen und stellt plötzlich fest, dass er mit seinem Einkommen und seinen Gewinnen mehrfach besteuert wird. Dafür gibt es Doppelbesteuerungsabkommen, bei denen zunächst einmal der Gesetzgeber und dann auch die Verwaltung dem Steuerpflichtigen helfen, mit dieser Situation zurechtzukommen und die doppelte Besteuerung zu vermeiden. Und selbstverständlich kann der Steuerpflichtige in all diesen Fällen den Rechtsweg beschreiten und das Recht, das er in den beteiligten Staaten hat, bekommen. Darüber hinaus hilft ihm die Finanzverwaltung durch Verständigungsverfahren – wenn dann noch die Doppelbesteuerung verbleibt –, dass einer oder mehrere Staaten auf ihre im Zweifel gerichtlich schon bestätigten Besteuerungsrechte verzichten. Ja, wo sehen Sie denn da die Steuerverwaltung in der Rolle, Probleme zu verursachen? Damit machen Sie doch den Gärtner zum Bock, Herr Uterhark! Zum Thema, Herr Nußbaum und Frau Wünnemann, BEPS verursache mehr Streitverfahren. Wir versuchen, mit BEPS und jetzt auch mit den Diskussionen zur Digitalbesteuerung, Pillar 1 und Pillar 2, eine international abgestimmte Regelung zu vereinbaren. Das bedeutet, dass wir mit dem Ziel, die doppelte Belastung zu vermeiden, über eine Allokation von Besteuerungsrechten reden. Wenn Sie das nicht wollen und Sie sich dann das counter factual ansehen, dann sehen Sie viele einzelne international nicht koordinierte Maßnahmen. Sie sehen die Franzosen mit der Digital Service Tax, Sie sehen die Briten, die eine ähnliche aber doch andere Digital Service Tax diskutieren, Sie sehen andere Staaten, die Maßnahmen ergreifen, und Sie sehen im Verrechnungspreisbereich sich ausdehnende Begehrlichkeiten von Quellenstaaten. Mit dem BEPS-Projekt wollen wir darauf reagieren. Wir haben mit dem BEPS-Projekt durch koordinierte Zinsschrankenregelungen, durch koor-

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dinierte Hybridregelungen, durch koordinierte CFC versucht, ein System zu schaffen, das weltweit abgestimmt ist mit dem Ziel, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Wenn Sie stattdessen im Bereich der Digitalbesteuerung 150 Einzelregime haben, von denen noch völlig unklar ist, wie Sie mit Ihrem Unternehmen betroffen sind, dann frage ich mich, ob Sie das wirklich wünschen. Ich frage mich auch, ob Deutschland dann auf freiwilliger Basis die Doppelbesteuerung zu vermeiden bereit ist. Zu suggerieren, dass die Finanzverwaltung mit diesen Aktivitäten zur Vergrößerung der Probleme beiträgt, ist grundfalsch. Das Gegenteil ist der Fall. Ich hatte versprochen, noch etwas zum Bereich der Streitvermeidung und Streitbeilegung zu sagen. Wir sind, über das politische Bekenntnis, das wir im Rahmen unserer G20-Präsidentschaft auf die Agenda gebracht haben, tax certainty zu gewährleisten, hinaus auch konkret tätig geworden. Sie haben vielleicht schon von unserem ICAP-Programm gehört, vom International Compliance Assurance Programme, bei dem wir jetzt in einer Pilotphase mit konkreten, in Deutschland steuerpflichtigen Unternehmen teilnehmen. Hier klären wir bereits im Vorfeld Sachverhalte mit den beteiligten Unternehmen, was zur Steuersicherheit und zur Vorhersehbarkeit der Steuerbelastung beiträgt. Wir sind weiter im Begriff, Kapazitäten im Bereich Joint Audits aufzubauen. Wir haben das heute von Herrn Uterhark schon gehört. Und wir haben im Bereich der Verständigungsverfahren in der Tat einen hohen Fallaufwuchs gehabt, aber in 2018, erstmalig seit Jahrzehnten, mehr Fälle erledigt als wir Neueingänge hatten. Wir sind jetzt bei rund 1200 Fällen, obwohl wir allein 2018 über 600 Neueingänge hatten. Was die durchschnittliche Bearbeitungsdauer angeht, da muss man vorsichtig sein mit Statistiken. Man muss wahrscheinlich ohnehin immer vorsichtig sein mit Statistiken, aber da eben auch. Wir haben in den letzten Monaten versucht, insbesondere Altfälle abzubauen. Altfälle sind Fälle, die sehr lange zurückliegen. Wenn Sie diese Fälle in der Statistik berücksichtigen und Sie viele dieser Fälle lösen, die sieben oder acht Jahre zurückliegen, dann haben Sie in der Gesamtbetrachtung eine hohe Durchschnittsbearbeitungszeit für den Erledigungszeitraum. Wir liegen jetzt ungefähr bei gut 22 Monaten im Durchschnitt für die Bearbeitung in Deutschland. Wir stecken derzeit viele Ressourcen in Verständigungsfälle und legen einen großen Schwerpunkt auf eine zeitnahe Erledigung.

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Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Herr Wacker, möchten Sie aus Sicht des Gerichts noch etwas dazu sagen? Prof. Dr. Wacker Der BFH ist dann betroffen, wenn es um den Zugang zu den Verfahren geht; aktuell ist hierzu beim I. Senat ein Fall zur EU-Schiedskonvention anhängig. Die Entscheidung steht allerdings noch aus. Prof. Dr. Frotscher Gut, dann sind wir gespannt, was da kommt. Da ist eine Meldung von Herrn Professor Raupach! Raupach1 Ich wollte sagen, dass die Vorabverständigungsverfahren, als das noch nicht einmal ein terminus technicus war, oder ein Rechtsinstitut, ist das verschiedentlich praktiziert worden, und es ging damals aus einem ganz merkwürdigen Grund auch relativ schnell. Nämlich deswegen schnell, weil die Verfahren vom Bundesfinanzhof bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu lang waren, und deswegen gingen diese Verfahren sogar deswegen schneller, als das in späteren Jahren der Fall ist. Und ich wollte dazu sagen, das auch aus einem weiteren Grund. Es gab noch nicht so viele Fälle, die diese internationale Verflechtung und die Verrechnungspreisproblematik hatten. Aber die Fälle, da hatte Hamburg immer eine sehr große Bedeutung, und zwar deswegen, weil hier die übernationale Zusammenarbeit von Unternehmen häufig geschah von international tätigen Unternehmen mit Doppelspitze. Das war eine Zeit, Sie werden das auch noch kennen, Doppelspitze in England und in den Niederlanden. Und dann hatte man, das war naheliegend, das Zentrum hier in Hamburg für die deutschen Belange. Und diese Zusammenhänge, genauso wie mit der Schweiz, führten dazu, dass sehr früh solche Gespräche geführt wurden, um die Probleme zu lösen, weil die Verfahren vom Bundesfinanzhof zu lang und außerdem – es gab ja damals noch nicht Herrn Wacker – auch nicht das Zutrauen da war, dass die Entscheidungen da wohl richtig gefällt werden würden. Und insofern ist das damals eine ganz andere Entwicklung gewesen. Nur eins wollte ich sagen, wenn Sie in alte Finanz1 Prof. Dr. Arndt Raupach ist Counsel bei McDermott Will & Emery LLP in München.

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gerichtsakten in Hamburg gucken, werden Sie Fälle dieser Art tatsächlich finden. Und zu Herrn Kreienbaum wollte ich sagen, diese ersten Verfahren wären ohne die Finanzverwaltung, diese Vorabverständigung, ja gar nicht in Gang gekommen. Also insofern kann ich auch Ihnen sozusagen zustimmen. Diese Rolle, dass daraus überhaupt ein Rechtsinstitut wurde, das war in dieser Zeit entstanden. Und es war relativ schwierig, mit bestimmten Staaten wie der Schweiz, wo Sie dann noch mehrere Kantone zu befriedigen hatten. Es ging aber meistens um mehrere Einigungen, die man haben wollte, und plötzlich, da es noch nicht sehr viele Leute gab, die da tätig waren, fand sich auch jemand, der diese Verantwortung übernehmen musste, und verrückterweise habe ich verschiedentlich solche Verfahren geführt, und zwar beauftragt von den Finanzverwaltungen, doch zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen, weil die ja eigentlich Gegner waren. Also ich wollte nur sagen, das ist eigentlich ein toller Weg, der ohne die Verwaltung nicht in Gang gekommen wäre, denn daraus hätte die OECD nie etwas machen können, wenn es das nicht bereits gegeben hätte. Dankeschön.

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Neuerungen bei grenzüberschreitenden steuerbaren Leistungen zum 1.1.2020 Dr. Jörg Grune Vorsitzender Richter am Niedersächsischen Finanzgericht, Hannover

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2. Neuregelung seit 1.1.2020 3. Zwischenhändler. . . . . . . 4. Stellungnahme . . . . . . . . IV. Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen. . . . 1. Bisherige Rechtslage . . . . 2. Änderung seit 1.1.2020 . . a) Behandlung beim Erwerber . . . . . . . . . . . b) Behandlung beim Lieferanten . . . . . . . . . c) Materiell-rechtliche Tatbestandvoraussetzung der UmsatzsteuerBefreiung . . . . . . . . . . . d) Verschärfung gegenüber bisherigem Recht . . . . V. Änderungen beim Belegnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Anwendung des Art. 45 MwStVO . . . . 2. Gelangensbestätigung wie bisher möglich. . . . . . . . . 3. Beweislastverteilung . . . .

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C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

A. Umsatzsteuerliche Änderungen zum Jahreswechsel 2019/2020. . . . . . . . . . . . . . . . 105 B. Umsetzung der sog. „Quick Fixes“ . . . . . . . . . . . . I. Hintergrund für die Änderung 1. Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz von 1993 2. Steuerausfälle in Milliardenhöhe . . . . . . . . . . . . . . 3. Sofortmaßnahmen ab 1.1.2020 . . . . . . . . . . . . . . II. Konsignationslager . . . . . . . . 1. Rechtslage bis 31.12.2019 a) Regelungsvielfalt . . . . . b) Begriff Konsignationslager . . . . . . . . . . . . . . . c) Auffassung der deutschen Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage seit 1.1.2020 3. Stellungnahme . . . . . . . . . III. Reihengeschäfte. . . . . . . . . . . 1. Bisherige Regelung (§ 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG)

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A. Umsatzsteuerliche Änderungen zum Jahreswechsel 2019/2020 Das Umsatzsteuerrecht ist zum Jahreswechsel 2019/2020 in vielen Bereichen geändert worden.1 Die gravierendsten Änderungen finden sich dabei im „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobi1 Dazu ausführlich Trejo, MwStR 2020, 8 ff.; Widmann, MwStR 2019, 976 ff.

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lität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“.2 Im Mittelpunkt der umsatzsteuerlichen Änderungen in diesem Gesetz stehen die sog. „Quick Fixes“, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

B. Umsetzung der sog. „Quick Fixes“ I. Hintergrund für die Änderung 1. Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz von 1993 Jahrzehnte nach der Verabschiedung des Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes3 hat die EU-Kommission jetzt die große Reform des Mehrwertsteuerrechts mit dem Ziel der Einführung eines generellen Bestimmungslandprinzips (dh. die Besteuerung erfolgt dort, wo der Verbrauch stattfindet) in Gang gesetzt. Konsequenz ist dann, dass die bisher geltende Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen abgeschafft wird und der leistende Unternehmer im EU-Bestimmungsland seine innergemeinschaftlichen Umsätze zu erklären hat. Im Ansässigkeitsstaat soll dann die Umsatzsteuer über eine zentrale Anlaufstelle gemeldet und abgeführt werden.4

2. Steuerausfälle in Milliardenhöhe Hintergrund dieser Änderung ist ua. auch weiterhin die Bekämpfung des Betrugs im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer. Nach einer aktuellen Studie der EU-Kommission beliefen sich die betrugsbedingten Umsatzsteuerausfälle 2018 immer noch auf mehr als 130 Mrd. t.5 Deutschlandweit lagen die Umsatzsteuer-Ausfälle im Übrigen 2018 bei 25 Mrd. t. Damit nimmt Deutschland den „2. Platz“ hinter Italien (33 Mrd. t) ein. Um diese sog. „Mehrwertsteuerlücke“ – dh. die Differenz zwischen dem erwarteten und dem vereinnahmten Mehrwertsteueraufkommen – zu schließen, hatten die nationalen Gesetzgeber und auch die EU-Mitgliedstaaten immer wieder Einzelmaßnahmen getroffen, die jeweils punktuell 2 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 3 Gesetz zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes und anderer Rechtsvorschriften an den EG-Binnenmarkt (Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz) v. 25.8.1992, BGBl. I 1992, 1548. 4 Huschens, UVR 2018, 364 ff.; Langer in Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, Einführung Rz. 294. 5 2016 = 147 Mrd. t, 2017 = 137 Mrd. t.

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auch geeignet waren, den sog. Umsatzsteuerbetrug zu bekämpfen. Hierbei handelte es sich zB um den sog. Schnellreaktionsmechanismus, also die kurzfristige Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens für den besonders betrugsanfälligen Produkthandel,6 das MOSS-Verfahren bei elektronischen Dienstleistungen7 oder schließlich auch die Verschärfung der Erklärungsplichten für Vorratsgesellschaften.8 Eine umfassende Eindämmung der Straftaten rund um die Mehrwertsteuer kann und konnte damit nicht erreicht werden.9 Aus diesem Grund hatte die EU-Kommission bereits 2017 einen Plan zur umfassenden Änderung des Mehrwertsteuersystems auf den Weg gebracht, den die Mitgliedstaaten bis zum 1.1.2019 umsetzen und zum 1.1.2022 in Kraft setzen sollten. Dieses Vorhaben erwies sich aber als zu ehrgeizig und zeitlich nicht durchführbar. Der ECO-FIN (Rat der EU für Wirtschaft und Finanzen) beschloss deshalb am 2.10.2018 zunächst die Einführung von Sofortmaßnahmen – sog. „Quick Fixes“. Diese waren unionsweit zum 1.1.2020 umzusetzen. Voraussichtlich wird die gesamte Reform nicht vor 2027 abgeschlossen sein.

3. Sofortmaßnahmen ab 1.1.2020 Folgende Änderungen des Umsatzsteuergesetzes sind in den Sofortmaßnahmen („Quick Fixes“) enthalten: –

Regelungen zum Konsignationslager,



Regelungen über Reihengeschäfte,



materiell-rechtliche Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen;



außerdem erfolgte eine Änderung beim Belegnachweis durch eine klarstellende Regelung in § 17a UStDV.

Ursprünglich wollte die EU-Kommission die „Quick Fixes“ nur in einer Kombination mit einem „Zertifizierten Steuerpflichtigen“ einführen. Dieser sollte sich seine Zuverlässigkeit von den Steuerbehörden bescheinigen lassen können, um auf diese Weise in den Genuss von Vereinfachungsregeln zu gelangen, die einem „gewöhnlichen“ Steuerpflichtigen nicht offenstehen. Von diesem Konzept ist man zu Recht abgerückt, weil 6 7 8 9

§ 13b Abs. 10 UStG. § 18h UStG. § 18 Abs. 2 Satz 5 UStG. Jacobs/Carlson, Umsatzsteuer direkt digital Nr 6/2019, 13.

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die geplanten Regelungen zu bürokratisch waren und insbesondere wohl auch nicht klar war, ob und wie der „zertifizierte Steuerpflichtige“ regelmäßig auf seine besondere Zuverlässigkeit hin überprüft werden sollte. Ob diese Rechtsfigur im Verlauf des weiteren Verfahrens bis zum Abschluss der Reform noch einmal in dieser oder in einer abgewandelten Form aufgegriffen wird, ist derzeit ungewiss. Im Folgenden werden die einzelnen Änderungen durch die „Quick Fixes“ dargestellt und wird jeweils ein Vergleich mit der vorherigen Regelung vorgenommen.

II. Konsignationslager 1. Rechtslage bis 31.12.2019 a) Regelungsvielfalt Die umsatzsteuerliche Behandlung von Konsignationslagern erfolgte bisher in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich.

b) Begriff Konsignationslager Bei einem Konsignationslager handelt es sich um ein Warenlager mit Warenbeständen, die sich beim Kunden (Abnehmer) befinden. Bei Bedarf kann der Abnehmer die Waren entnehmen. Wichtig ist, dass der Lieferer solange zivilrechtlicher Eigentümer der Waren bleibt, bis der Abnehmer die Waren aus dem Konsignationslager entnimmt.

c) Auffassung der deutschen Finanzverwaltung Die deutsche Finanzverwaltung stellte bei der grenzüberschreitenden Bestückung von Konsignationslagern bisher darauf ab, ob bei Beginn des Warentransports bereits eine verbindliche Bestellung iS eines unbedingten Kaufvertrags vorliegt. War dies der Fall, so handelte es sich um eine Beförderungs- oder Versendungslieferung, die mit Beginn der Beförderung/Versendung im übrigen Gemeinschaftsgebiet als ausgeführt galt.10 Im umgekehrten Fall – wenn also der Abnehmer noch nicht feststand – stellte die Einlagerung ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den liefernden Unternehmer gem. § 1a Abs. 2 UStG dar, so dass die Lie10 Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 4 UStAE unter Hinweis auf BFH v. 16.11.2016 – V R 1/16, BStBl. II 2017, 1079.

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ferung erst mit der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager erfolgte. Die Lieferung war mithin im Inland steuerbar.11

2. Rechtslage seit 1.1.2020 Die am 1.1.2020 in Kraft getretene Neuregelung in § 6b Abs. 2 UStG12 definiert nunmehr, unter welchen Voraussetzungen die Lieferungen in ein Konsignationslager als innergemeinschaftliche Lieferung im Ausgangsmitgliedstaat und innergemeinschaftlicher Erwerb in dem Mitgliedstaat, in dem sich das Konsignationslager befindet, zu behandeln sind. Dafür müssen folgende Voraussetzungen13 erfüllt sein: –

Verbringen der Ware in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat mit dem Ziel, die Ware anschließend an einen anderen Unternehmer zu liefern (§ 6b Abs. 1 Nr. 1 UStG).



Der Lieferant hat im Bestimmungsland weder einen Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung (§ 6b Abs. 1 Nr. 2 UStG).



Der Abnehmer verwendet gegenüber dem Lieferanten seine UStIdNr. aus dem Bestimmungsland (§ 6b Abs. 1 Nr. 3 UStG).



Der Lieferant muss das Verbringen in seine zusammenfassende Meldung (ZM) aufnehmen. Eine entsprechende Änderung mit dem Hinweis auf § 6b Abs. 1 UStG findet sich nunmehr in § 18a Abs. 6 Nr. 3 UStG.



Die Ware muss spätestens nach Ablauf von 12 Monaten nach der Bestückung des Lagers wieder entnommen worden sein (§ 6b Abs. 3 UStG).14 Gelangt die Ware innerhalb der 12-Monats-Frist wieder in den Ausgangsmitgliedstaat zurück, hat dies keinerlei umsatzsteuerliche Konsequenzen.

Die Gleichstellung mit einer im Abgangsmitgliedstaat bewirkten innergemeinschaftlichen Lieferung bedeutet, dass diese Lieferung ohne weitere Nachweisvoraussetzungen steuerfrei ist. 11 Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 7 UStAE unter Hinweis auf BFH v. 20.10.2016 – V R 31/15, BStBl. II 2017, 1076. 12 Umsetzung von Art. 17a MwStSystRL. 13 § 6bAbs. 1 UStG führt in seinen Nr. 1–4 abschließend und kumulativ die Voraussetzungen auf, die zur Anwendung der (neuen) Konsignationslagerregelung führen. 14 Umsetzung von Art. 17a Abs. 4 MwStSystRL.

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Neben den Aufzeichnungen gem. § 6b Abs. 1 Nr. 4 iVm. § 22 Abs. 4f UStG bzw. der Angabe der USt-IdNr. des Erwerbers muss der Unternehmer keine weiteren Nachweise für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung führen.15 Nach der Neuregelung kommt es also nicht mehr auf das Vorliegen verbindlicher Bestellungen bei Beginn des Warentransports an. Darüber hinaus gelten jetzt Lieferung und Erwerb zum Zeitpunkt der Entnahme aus dem Konsignationslager16 als ausgeführt.

3. Stellungnahme Positiv ist an der Neuregelung hervorzuheben, dass gegenüber der bisherigen Regelung keine Abnahmeverpflichtung bestehen muss. Gut ist außerdem, dass der Zeitraum zwischen Einlagerung und Entnahme mit 12 Monaten konkretisiert wurde. Dadurch wurde im Übrigen die Auslegung der deutschen Finanzverwaltung im UStAE, die von „einigen Tagen oder Wochen“ sprach, deutlich verlängert. Allerdings erscheint die Neuregelung für den Anwender in der Praxis einmal mehr zu kompliziert. Im Schrifttum wird deshalb zutreffend darauf verwiesen, dass die Neuregelung keine echte Vereinfachung darstellt.17 Viel wird deshalb davon abhängen, wie die Finanzverwaltung mit der Neuregelung umgeht. Ein BMF-Schreiben, dass sich der Zweifelsfragen annimmt, scheint unvermeidbar, um aufkeimenden Streitigkeiten im Rahmen von Betriebsprüfungen von vorherein die Spitze zu nehmen und für Rechtssicherheit zu sorgen.

III. Reihengeschäfte 1. Bisherige Regelung (§ 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG) Ein Reihengeschäft lag nach der bis zum 31.12.2019 geltenden Rechtslage gem. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG vor, wenn –

mehrere Unternehmer



über denselben Gegenstand



Umsatzgeschäfte abschließen,

15 Huschens, Umsatzsteuer direkt digital Nr. 24/2019, 17. 16 Und nicht mehr bereits bei Transportbeginn. 17 Trejo, MwStR 2020, 8 ff., 20.

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der Gegenstand bei der Beförderung/Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Unternehmer (Abnehmer) gelangt und



die Warenbewegung im Gebiet eines Mitgliedstaats beginnt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats endet.18

Rechtsfolge eines Reihengeschäfts war, dass es zwischen den Beteiligten zu einer Vielzahl von Lieferumsätzen (§ 3 Abs. 1 UStG) kam. Es handelte sich mithin um nichts anderes als um eine Aneinanderreihung mehrerer Liefergeschäfte.19 Der Ort der jeweiligen Einzellieferung lag entweder dort, wo die Beförderung/Versendung beginnt oder dort wo diese endet. Letztlich war bei einem Reihengeschäft jede einzelne Lieferung gesondert zu beurteilen. Allerdings konnte nach der Rechtsprechung des EuGH in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft immer nur eine Lieferung die bewegte umsatzsteuerfreie Lieferung sein.20

2. Neuregelung seit 1.1.2020 Die jetzt zum 1.1.2020 erfolgte Ergänzung des § 3 UStG durch einen Abs. 6a21 geht auf die Vorgaben in Art. 36a MwStSystRL zurück, mit dem erstmals eine einheitliche Handhabung innerhalb der Mitgliedstaaten der EU herbeigeführt wird. Letztlich wurde das, was bisher nur seitens der Finanzverwaltung in Abschn. 3.14 UStAE geregelt war, in § 3 Abs. 6a UStG übertragen. Das Reihengeschäft wird jetzt in § 3 Abs. 6a Satz 1 UStG wie folgt definiert: Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Dabei gelten folgende weitere Voraussetzungen:

18 Abschn. 3.14 Abs. 1 Satz 1 UStAE. 19 Abschn. 3.14 Abs. 2 UStAE. 20 EuGH v. 21.2.2018 – C-628/16, ECLI:EU:C:2018:84, UR 2018, 28 – Kreuzmayr; EuGH v. 6.4.2006 – C-245/04, ECLI:EU:C:2006:232, UR 2006, 342 – EMAG Handel Eder. 21 Unter gleichzeitiger Aufhebung des § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG.

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Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.



Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen.



Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat.



Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaats in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-IdNr., die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.



Bei der Ausfuhr gilt folgendes: Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn der Zwischenhändler nachweist, dass er im Mitgliedstaat des Beginns der Versendung/Beförderung umsatzsteuerlich erfasst ist (§ 3 Abs. 6a Satz 6 UStG).



Bei der Einfuhr gilt: Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn der Zwischenhändler den Liefergegenstand in seinem Namen und auf seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet hat.

3. Zwischenhändler Die Neuregelung stellt die (gesetzliche) Vermutung auf, dass die erste Lieferung immer die bewegte Lieferung ist. Diese gesetzliche Vermutung (Lieferung an den Zwischenhändler ist die umsatzsteuerfreie Lieferung) ist widerlegt, wenn der transportverantwortliche Zwischenhändler eine ihm durch den Abgangsmitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet (§ 3 Abs. 6a Satz 5 UStG). Rechtsfolge ist dann, dass die Lieferung dem Zwischenhändler zuzuordnen ist. Ziel der Neuregelung ist es, die Regelungen

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über die Reihengeschäfte einfacher und vor allem transparenter zu machen.22 Die EU-Kommission beabsichtigt, zum Reihengeschäft noch erläuternde Informationen in Form sog. Explanatory Notes zu veröffentlichen, die allerdings für die EU-Mitgliedstaaten keinen verbindlichen Charakter haben. Nach dem Entwurf dieser Richtlinien soll es vor allem für Zwischenhändler noch Erleichterungen geben. Sowohl die neuen Regelungen zum Konsignationslager als auch zu den Reihengeschäften sind verbindlich. Es handelt sich nicht um Wahlrechte.23

4. Stellungnahme Die bisherigen Regelungen in § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG sind Geschichte. Die Bestimmungen waren in höchstem Maße streitanfällig und somit nicht geeignet, für Rechtssicherheit zu sorgen. Das zeigen vor allem die Fälle, die mit dem Streitgegenstand „Reihengeschäft“ den EuGH und BFH erreichten. Der Verfasser selbst hat es in seiner gerichtlichen Praxis mehrfach erlebt, dass kaum rechtssicher nachvollziehbar war, wem von den an einem Reihengeschäft beteiligten mindestens drei Personen die jeweilige Warenbewegung zuzurechnen war. Demgemäß bestand in diesen Fällen immer wieder Unsicherheit über die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Neufassung der Regelungen zum Reihengeschäft dürften jetzt geeignet sein, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.24 Auf dem Weg hin zum Bestimmungslandprinzip nach Abschluss der großen Mehrwertsteuerreform ist der EU durch Art. 36a MwStSystRL erstmals eine unionsrechtliche Definition des Reihengeschäfts gelungen, die mit dem neuen § 3 Abs. 6a UStG in Deutschland nachvollzogen wird. Viel hat und wird sich allerdings im nationalen Umsatzsteuerrecht nicht ändern, denn das, was bisher schon durch die Finanzverwaltung im UStAE geregelt war, wird nunmehr im Gesetz nachvollzogen.

22 Die deutsche Finanzverwaltung wird in ihre Regelung in Abschn. 3.14 Abs. 9–10a UStAE ändern und anpassen müssen. 23 Radeisen, www.haufe.de/steuern, Umsatzsteuer 2020. 24 Widmann, MwStR 2019, 976 (978).

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IV. Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen 1. Bisherige Rechtslage Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)25 und inzwischen auch des BFH kann eine Umsatzsteuer-Befreiung nicht allein aufgrund des Fehlens formeller Voraussetzungen versagt werden. Das bedeutet, dass zB Mängel im Buch- und Belegnachweis nicht ohne weiteres zur Versagung der Befreiung führen, sofern die materiellen Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift objektiv zweifelsfrei nachgewiesen werden.

2. Änderung seit 1.1.2020 a) Behandlung beim Erwerber Seit 1.1.2020 muss der Erwerber (Abnehmer) in einem anderen Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registriert sein und dem Lieferer seine von diesem Staat zugeteilte USt-IdNr. verwenden (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 4 UStG).

b) Behandlung beim Lieferanten Der Lieferant muss eine ordnungsgemäße zusammenfassende Meldung mit allen erforderlichen Informationen zur jeweiligen Lieferung abgegeben haben (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG).

c) Materiell-rechtliche Tatbestandvoraussetzung der Umsatzsteuer-Befreiung Insgesamt wird durch die Neuregelung die USt-IdNr. und die Zusammenfassende Meldung in den Bereich einer materiellen Tatbestandsvoraussetzung einer innergemeinschaftlichen Lieferung angehoben. Das bedeutet, dass der Erwerber im Zeitpunkt der an ihn bewirkten Lieferung eine ihm von dem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. besitzen muss. Die Verwendung einer ihm erteilten gültigen USt-IdNr. ist mithin eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung. Der Stpfl. kann sich seit 1.1.2020 25 ZB EuGH v. 9.2.2017 – C-21/16, ECLI:EU:C:2017:106, UR 2017, 271 – Euro Tyre BV; EuGH v. 20.10.2016 – C-24/15, ECLI:EU:C:2016:791, UR 2016, 882 – Plöckl; EuGH v. 27.9.2012 – C-587/10, ECLI:EU:C:2012:592, UR 2012, 832 – VSTR.

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nicht mehr auf die anders lautende Rechtsprechung von EuGH und BFH berufen. Werden Mängel in der Nachweisführung festgestellt, entfällt die Umsatzsteuer-Befreiung. Die rückwirkende Erteilung einer USt-IdNr. führt nicht zu einer rückwirkenden Umsatzsteuer-Befreiung. Die Berichtigung einer unvollständigen oder unrichtigen ZM wirkt demgegenüber für Zwecke der UmsatzsteuerBefreiung auf den Zeitpunkt des Umsatzes zurück. Entsprechendes gilt für die verspätete Abgabe einer richtigen und vollständigen zusammenfassenden Meldung.

d) Verschärfung gegenüber bisherigem Recht Da die Zusammenfassende Meldung und die Angabe der USt-IdNr. jetzt materiell-rechtliche Voraussetzungen zur Geltendmachung der Umsatzsteuer-Befreiung sind, führen Mängel unmittelbar zur Versagung der Befreiung. Die Neuregelung hebelt damit die anders lautende Rechtsprechung des EuGH aus.26 Der EuGH sah Mängel bei der Zusammenfassenden Meldung und der USt-IdNr. lediglich als formelle Voraussetzungen für die Umsatzsteuer-Befreiung an. Diese formellen Mängel durften für sich genommen nicht zur Versagung der Befreiung führen. Ausnahmen galten nur dann, wenn der Unternehmer betrügerisch handelte oder aber nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgeschlossen hatte, dass er in einen Betrug verwickelt war. Aufgrund der nunmehr gesetzlich geregelten materiellen Voraussetzung für die Steuerbefreiung ergibt sich eine deutliche Verschärfung27 gegenüber der bis zum 31.12.2019 geltenden Rechtslage.

V. Änderungen beim Belegnachweis 1. Unmittelbare Anwendung des Art. 45 MwStVO Durch Umsetzung einer Neuregelung in Art. 45a MwStVO sind seit 1.1.2020 auch Änderungen bei den Vorschriften zum Belegnachweis eingetreten. Die Regelungen finden sich in der MwStVO, die unmittelbar wirkt, so dass es einer Umsetzung in nationales Recht an sich nicht be26 EuGH v. 9.2.2017 – C-21/16, ECLI:EU:C:2017:106, UR 2017, 271 – Euro Tyre BV. 27 Becker, SteuerStud. 2018, 1 (11).

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durft hätte. Gleichwohl wurden die Grundsätze in § 17a UStDV zur Klarstellung übernommen. Neu ist dabei vor allem eine Regelung, nach der der Lieferer mindestens zwei einander nicht widersprechende Dokumente, ausgestellt von zwei verschiedenen Parteien – dh. von Verkäufer und Erwerber unabhängig – vorhalten muss. Bei diesen Nachweisen kann es sich um einen (unterzeichneten) CMRFrachtbrief, ein Konnossement, eine Luftfracht-Rechnung oder eine Rechnung des Beförderers der Gegenstände handeln. Besitzt der Verkäufer (Lieferer) nur einen Nachweis, kann das zweite Dokument ersetzt werden etwa durch –

eine Versicherungspolice für die Beförderung,



Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung/des Versands belegen,



Bestätigung einer öffentlichen Stelle (zB Notar), die die Ankunft der Gegenstände belegt, oder



eine im Bestimmungsmitgliedstaat von einem Lagerinhaber ausgestellte Quittung, mit der die Lagerung der Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat bestätigt wird.

2. Gelangensbestätigung wie bisher möglich Die Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat wird im Übrigen vermutet, wenn der Lieferer im Besitz einer schriftlichen Erklärung des Abnehmers (Erwerbers) ist, aus der sich ergibt, dass die Gegenstände vom Abnehmer befördert oder versandt wurden, und in der der Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände angegeben ist. Die bisherige Regelung zur Gelangensbestätigung findet sich jetzt in § 17b Abs. 1 Satz 1 UStDV und ist weiterhin alternativ anzuwenden, dh. die Gelangensbestätigung kann auch weiterhin anstelle der Neuregelung verwendet werden.

3. Beweislastverteilung Der Unterschied zur Neuregelung in § 17a UStDV besteht darin, dass dort durch die Aufzählung der Belegnachweise eine Gelangensvermutung besteht (§ 17a Abs. 2 UStDV). Das bedeutet, dass bei Vorliegen der formalen Beleganforderungen die Finanzverwaltung die Vermutung widerlegen muss.

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In den Fällen des Gelangensnachweises nach § 17b Abs. 1 Satz 1 UStDV handelt es sich um Belege, die geeignet sind, das Gelangen in den anderen Mitgliedstaat nachzuweisen. Die Nachweispflicht trifft hier (wie schon bisher) den liefernden Unternehmer.

C. Fazit Ein erster Schritt hin zur großen Mehrwertsteuerreform ist getan. Ob der Weg zum Bestimmungslandprinzip von Erfolg gekrönt ist, bleibt abzuwarten. Immerhin: Die immer noch bestehenden Umsatzsteuerausfälle von 130 Mrd. t und mehr innerhalb der EU waren es wert, die Reform nunmehr in Gang zu setzen. Die EU und die nationalen (Umsatzsteuer-)Gesetzgeber sind jetzt gefordert, nach dem ersten Schritt auch die nächsten Schritte zu tun, damit das ehrgeizige Ziel eines Abschlusses der großen Reform bis 2027 gelingt. Klar ist aber auch, dass in den kommenden Jahren umsatzsteuerrechtlich auf die Unternehmen gravierende Veränderungen zukommen werden.

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Neuerungen bei grenzüberschreitenden steuerbaren Leistungen zum 1.1.2020 Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Oliver Nußbaum Global Head of Tax, BASF SE, Ludwigshafen

Dr. Jörg Grune Vorsitzender Richter am Niedersächsischen Finanzgericht, Hannover

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Berlin

Prof. Dr. Frotscher Wir wollen gleich in die Diskussion einsteigen. Frau Wünnemann, was meint der BDI dazu? Ist das nun quick, ist es fix, oder ist es eine Erleichterung? Dr. Wünnemann Also für die Unternehmen sind das natürlich wichtige Änderungen, denn es ist ja ein umsatzsteuerliches Massengeschäft. Ich habe mir einmal Zahlen angeguckt, Fakten zum Außenhandel. Europa ist der größte Markt für die deutsche Industrie und den Warenhandel. 68 % aller Warenlieferungen gehen nach Europa. Das sind die Dimensionen. Und natürlich beschäftigt die Anwendung ab 1.1.2020 die Unternehmen sehr. Sie haben das alles eher positiv dargestellt, aber bei den Unternehmen wird das natürlich extrem kritisch gesehen mit Blick auch auf die digitale Umsetzung, IT-technische Umsetzung. Wir haben jetzt hier ein Beispiel, Konsignationslager, die Voraussetzungen ab 1.1.2020, hier die Umsatzsteuer-

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identifikationsnummer des Abnehmers in der Zusammenfassenden Meldung anzugeben, aber bisher wissen die Unternehmen nach wie vor nicht, ob die Meldefelder in der Zusammenfassenden Meldung jetzt IT-technisch umgesetzt werden von der Finanzverwaltung. Und das kann ja nicht sein. Wir sind drei, vier Wochen vorm Jahresende und haben das Massenverfahren hier, und die Unternehmen wissen das noch nicht. Herr Kreienbaum ist gar nicht zuständig, ich weiß, es ist eine andere Abteilung, aber letztendlich ist es natürlich ein Anliegen der Unternehmen, hier zu sagen, wenn wir hier Mehrwertsteuersystemrichtlinienänderungen haben, muss sich die deutsche Finanzverwaltung eigentlich frühzeitig dafür einsetzen, schon bei der Änderung der Richtlinie, wie kann man das IT-technisch eigentlich umsetzen. Dr. Grune Also ich stimme Ihnen vollständig zu. Ich habe versucht, das Positive bei diesen Neuregelungen ein wenig herauszustellen, aber die digitale Umsetzung wird, glaube ich, in der Tat das ganz große Problem sein. Ich hatte ja schon an dem Punkt Konsignationslager gesagt, dass die digitale Umsetzung der Zusammenfassenden Meldung nicht zum 1.1.2020 erfolgen wird. Das ist aus heutiger Sicht absolut unmöglich. Es gibt auch Stellungnahmen dazu, dass es vor Oktober 2021 nicht möglich sein wird. Da muss man einfach abwarten. Es wird auf jeden Fall seitens der Finanzverwaltung eine Übergangsregelung geben müssen. Prof. Dr. Frotscher Herr Nußbaum, auch BASF hat ein umfangreiches Exportgeschäft. Uns interessiert, wie Sie das sehen. Nußbaum Im Grunde sollen die Neuregelungen eine Vereinfachung darstellen, damit eine Registrierung für Zwecke der Umsatzsteuer im Ausland vermieden werden kann. Es gibt aber hierzu bereits heute schon in 19 Ländern Vereinfachungsregeln, um eine Registrierung zu vermeiden, und wir machen in diesen Ländern von den bestehenden Vereinfachungsregeln Gebrauch. Das heißt, wir sind in diesen Ländern nicht registriert. Das Problem ist, dass diese bisher bestehenden Übergangsregeln ab 1. Januar mit der Neuregelung wegfallen werden. Das heißt, wenn wir die, nach den Neuregelungen erforderlichen, Meldepflichten ab diesem Zeitpunkt aufgrund fehlender technischer Voraussetzungen nicht erfüllen können,

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führt das dazu, dass wir auf die Vereinfachungsregeln nicht mehr zurückgreifen können und uns in all diesen Ländern jetzt erstmals registrieren lassen müssen. Entsprechend verschlechtert sich die Situation für uns deutlich. Es wird nicht zu einer Vereinfachung führen, vielmehr wird sich eine zusätzliche Komplexität für uns ergeben. Was weiterhin zu berücksichtigen ist – und erhebliche praktische Bedeutung hat –, dass alle Unternehmen bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung erfasst werden müssen, an die letztlich geliefert wird. Wenn aber nur ein Fall dabei ist, den Sie nicht erfasst haben, zB den Sie im Vorfeld vergessen haben oder in diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennen konnten, dann muss man sich als Unternehmen registrieren lassen. Das heißt, der vermeintlich vermiedene Aufwand einer Registrierung fällt dann dennoch an. Gleiches gilt für den Fall eines Diebstahls, also für Güter, die ggf. vor Ort gestohlen und dann auch nicht geliefert werden können. Wie geht man mit diesen Fällen um? Soll das ebenfalls zu einer Registrierung führen? Also, im Ergebnis hören sich die Neuregelungen einfach an, klingen auch überzeugend, aber für uns, gerade weil wir in den meisten Ländern von den lokalen Vereinfachungsregeln Gebrauch gemacht haben, ergibt sich durch die Neuregelung keine Vereinfachung. Dr. Grune Was mich dabei mal interessieren würde: Sind Sie denn eigentlich am Gesetzgebungsverfahren beteiligt worden? Also, sind die Unternehmen seinerzeit beteiligt worden? Dr. Wünnemann Ja, wir hatten schon Gelegenheit zur Stellungnahme, natürlich. Da haben alle Spitzenverbände der Wirtschaft mitgearbeitet, ja. Aber zum Punkt „innergemeinschaftliche Lieferungen“ auch noch einmal: Da ist ja das gleiche Problem wie bei den Konsignationslagern, dass da sozusagen die IT-Lösungen nicht da sind. Und jetzt arbeitet die Industrie halt selbst an Lösungen, wie man auf verteiltem Datenmanagement mit einer eigenen Notarisierungsfunktion diese Originalität der Dokumente sicherstellen kann. Bisher ist da eine Vielzahl von ERP-Systemen zu erwarten, die nicht vereinheitlicht sind, und da wäre auch natürlich der Appell an die deutsche Finanzverwaltung, hier für einen einheitlichen Industriestandard zu sorgen, damit das europaweit einheitlich von den Unternehmen gehandhabt werden kann. Das ist auch best practice, die

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bisherige Nachweisführung, die deutsche innergemeinschaftliche Nachweisführung, aber die wird ja nicht angewandt, sondern es sind neue Nachweise zu machen. Die neuen Beweislastregeln gelten hier ja. Dr. Grune Wobei ich dazu sagen muss, ich habe natürlich auch mit Vertretern der Finanzverwaltungen in den letzten Wochen gesprochen, auch die Umsatzsteuer betreffend, und die sagen schon, sie arbeiten mit Hochdruck daran. Also ich hatte mal nach anderen Dingen gefragt, zum Bereich Vorsteuerabzug, Rechnungen und so weiter, warum da nie etwas von der Finanzverwaltung kommt, und sie haben mir gesagt, es liegt einfach daran, dass diese Neuerungen zum 1.1.2020 umgesetzt werden müssen und dass man mit Hochdruck daran arbeitet, diese neuen Gesetze umzusetzen. Also ich denke, da müssen wir abwarten, und es muss in den nächsten Wochen, eigentlich spätestens Anfang des Jahres, von dort irgendetwas kommen. Prof. Dr. Frotscher Es gibt keine Fragen oder Stellungnahmen aus dem Publikum. Herr Grune, dann gebe ich Ihnen das Schlusswort. Dr. Grune Ich danke noch einmal für die Einladung und hoffe, dass ich einen kleinen Überblick über die Neuerungen geben konnte. Man kann natürlich jetzt auch noch nicht im Einzelnen sagen, wie sich diese Neuerungen in der Praxis bewähren werden. Ich denke, es wird bis Ende 2021 dauern, bis diese Neuregelungen für die Praxis vernünftig umgesetzt werden können und umgesetzt werden. Und aus meiner Sicht – ich hab’s ja jetzt eben schon ein paar Mal gesagt – ist da die Finanzverwaltung gefordert, um zunächst einmal Übergangsregelungen und Erleichterungen im Übergang zu schaffen. Und ich glaube, dann ist das Ganze auch auf einem guten Weg. Ob man dann dieses endgültige Mehrwertsteuersystem bis 2027 tatsächlich auch verabschieden kann, glaube ich persönlich nicht, aber ich lasse mich da natürlich gern eines Besseren belehren. Vielen Dank!

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Der OECD-Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft MinDirig. Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Säule 1: Die Allokationsdebatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . II. Unified Approach . . . . . . . . . 1. Grundlagen. . . . . . . . . . . . 2. Umsatzschwellen . . . . . . 3. Consumer-Facing Business . . . . . . . . . . . . . . 4. Automated Digital Services. . . . . . . . . . . . . . . 5. Profitabilitätsschwellen . 6. Differenzierung nach Geschäftsbereichen . . . . . 7. Nexus im Marktstaat. . . .

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8. Ermittlung der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . 130 C. Säule 2: Die Mindestbesteuerung. . . . . . . . . . . . . . I. Steuerpolitische Zielsetzung II. Regelungstechnik . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . 2. Inbound- und OutboundSituationen . . . . . . . . . . . 3. Top-Up-Rate . . . . . . . . . . 4. Bemessungsgrundlage . . . 5. Blending . . . . . . . . . . . . . . III. Grandfathering US-GILTI. . . IV. Bürokratieaufwand . . . . . . . .

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D. Nächste Schritte . . . . . . . . . . 135

A. Einleitung Vielen Dank, Herr Professor Frotscher. Ich habe mich ans Pult begeben, weil ich einen Vortrag mit Power-PointUntermalung vorbereitet habe. Dieser Vortrag führt uns weg von der Perfektion des prinzipiengeleiteten und in sich schlüssigen Umsatzsteuerrechts hin zur internationalen Steuerpolitik, die sich, jedenfalls mit Blick auf die Vorstellungen zur Besteuerung der Digitalwirtschaft, derzeit noch etwas vage und unfertig gestaltet. Sie haben wahrscheinlich der Presse entnommen, dass die Diskussionen auf OECD-Ebene und auf Ebene des Inclusive Frameworks mit seinen derzeit 135 Mitgliedstaaten an Fahrt aufgenommen haben und dass der Ton in dieser Woche etwas rauer geworden ist. Der französische Finanzminister Le Maire hat am Dienstag erklärt, dass die USA seiner Einschätzung nach im Begriff seien, den internationalen Diskussionsprozess zu verlassen. Vorgestern haben wir dazu ein Dementi der USA gesehen, einen veröffentlichten Brief, den US-Fi-

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nanzminister Mnuchin an den Generalsekretär der OECD geschickt hat. Er drückt darin die vollständige und fortdauernde Unterstützung der USA zu den laufenden OECD-Abstimmungen aus. Die Hoffnung, im kommenden Jahr einen internationalen Konsens zur Besteuerung der Digitalwirtschaft zu erzielen, erscheint deshalb aus heutiger Sicht nicht unbegründet. Im letzten Jahr hatte ich Ihnen an gleicher Stelle vom sogenannten ZweiSäulen-Ansatz berichtet. Bis dahin hatte sich die Diskussion auf Ebene der OECD und des Inclusive Framework so entwickelt, dass wir zum einen eine Allokationsdebatte führen, innerhalb derer wir die Frage um die internationale Zuordnung von Besteuerungsrechten an Gewinnen im Kontext der digitalen Wirtschaft erörtern. Zum anderen diskutieren wir die Idee einer Mindestbesteuerung, die von Deutschland und Frankreich entwickelt und auf internationaler Ebene vorangetrieben wird. Diese beiden Diskussionsstränge haben inzwischen Eingang gefunden in eine Paketlösung. Diese sehen Sie hier dargestellt als Säule 1 und Säule 2. Die Säule 1 betrifft die schon genannte Allokation von Besteuerungsrechten und die Säule 2 die Sicherstellung der effektiven Mindestbesteuerung. Zu beiden Säulen hat die OECD ein Arbeitsprogramm entwickelt, das im Mai dieses Jahres vom Inclusive Framework angenommen wurde. Politischer Rückhalt wurde auf Ebene der G7 und der G20 erreicht, die jeweils das Arbeitsprogramm begrüßt haben. Die G20 erwarten nun konkrete Handlungsempfehlungen auf Basis des Arbeitsprogramms bis Ende des Jahres 2020. Politisch sind die beiden Säulen mittlerweile so eng verknüpft, dass erwartet werden kann, dass jegliche internationale Einigung mit Blick auf die Besteuerung der Digitalwirtschaft eine Paketlösung bedeuten wird, die sowohl eine (teilweise) Neuallokation von Gewinnbesteuerungsrechten an den Markstaat beinhalten wird als auch den Gedanken der Mindestbesteuerung.

B. Säule 1: Die Allokationsdebatte I. Ausgangslage Das Arbeitsprogramm beinhaltet drei unterschiedliche Handlungsvorschläge zur Säule 1. Der erste Vorschlag, der so genannte „user participation approach“, besteht aus einem eng zugeschnittenen Konzept, nach dem nur definierte digitale Aktivitäten erfasst werden. Im steuerpolitischen Narrativ dieses Ansatzes steckt die Idee, dass man dem Staat, in dem ein Nutzer ansässig ist, der in ein digitales Geschäftsmodell ein-

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gebunden ist, verstärkt Besteuerungsrechte an den Gewinnen des Digitalunternehmens zuweist. Begründet wird die Zuordnung von Besteuerungsrechten an den Nutzerstaat damit, dass der Nutzer substantiell zum Gelingen des Geschäftsmodells und damit auch zur Gewinngenerierung beiträgt. Anders ausgedrückt: Der Wertschöpfungsbeitrag, den der in das Geschäftsmodell eines Unternehmers integrierte Nutzer über den bloßen Konsum einer Dienstleistung hinausgehend leistet, soll durch ein Besteuerungsrecht des „Nutzerstaats“ an den Gewinnen des dort nicht ansässigen Unternehmens abgebildet werden. Der zweite Ansatz, der als alternatives Modell vorgeschlagen war, ist breiter ausgestaltet und orientiert sich stark an der Ausbeutung von immateriellen Wirtschaftsgütern (insbesondere marketing intangibles) im Marktstaat. Die Rechtfertigung für eine Zuordnung von Besteuerungsrechten zum Marktstaat über die schon heute stattfindende Zuordnung hinaus soll darin bestehen, dass das dort marketing intangibles ausgebeutet werden. Ähnlich wie beim user participation approach berufen sich die Befürworter dieses Ansatzes auf eine im Marktstaat stattfindende Wertschöpfung, die hier in der Nutzung oder Ausbeutung von markt- und marketing-bezogenen immateriellen Wirtschaftsgütern bestehen soll. Offen bleibt dabei die Frage, warum beispielsweise die Wertschöpfung aus einer im Marktstaat aufgebauten Marke im Marktstaat gesehen und diesem zugeordnet wird, und nicht beispielsweise dem Staat, aus dem heraus die Aufwendungen für den Aufbau der Marke geleistet wurden. Das Markenbewusstsein ist zwar unbestreitbar in den Köpfen der Kunden entstanden, aber womöglich durch Aktivitäten (Wertschöpfungsbeiträge), die andernorts stattfanden. Der dritte Ansatz, der relativ spät in die Diskussion gekommen war, wurde von den Entwicklungs- und Schwellenländern vorgeschlagen. Danach genügt schon der Umstand, dass Umsätze im Marktstaat in signifikanter Höhe erzielt werden, um eine Zuweisung von Besteuerungsrechten an diesen Marktstaat zu rechtfertigen. Allein eine solche unternehmerische Aktivität soll eine significant economic presence darstellen, die ein Besteuerungsrecht begründen können soll. Alle drei Vorschläge beschäftigen sich mit für die Begründung des Besteuerungsrechts zentralen Fragen: Zunächst muss mit Blick auf den Anwendungsbereich der neuen Regelungen die Frage beantwortet werden, für welche Unternehmen das neue Besteuerungsregime, über das zusätzliche Besteuerungsrechte in die Marktstaaten verlagert werden, gelten soll. Zweitens muss die Frage, unter welchen Umständen ein konkreter

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Marktstaat ein Besteuerungsrecht erhalten soll, beantwortet werden. Und schließlich geht es um die Frage des Umfangs des Besteuerungsrechts im Marktstaat: Welcher Anteil an den Unternehmensgewinnen soll dem konkreten Marktstaat zugeordnet werden, wenn ein Unternehmen unter den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fällt und ein Marktstaat grundsätzlich an den Gewinnen dieses Unternehmens partizipieren soll?

II. Unified Approach 1. Grundlagen Aus den drei genannten Vorschlägen hat das OECD-Sekretariat den sogenannten „unified approach“ entworfen, eine Kompromisslösung, die die verschiedenen Gestaltungselemente der drei Einzelvorschläge miteinander in Einklang bringen soll. Auf der Folgefolie sehen Sie drei verschiedene Bereiche, den so genannten „Amount A“, den „Amount B“ und den „Amount C“. Das diskutierte, den Marktstaaten neu zuzuweisende Besteuerungsrecht, steckt ausschließlich hinter Amount A. Amount A steht bewusst außerhalb der bestehenden Verrechnungspreissystematik und dient als Grundlage für ein Besteuerungsrecht, dass den Marktstaaten über etwaige schon heute zustehende Besteuerungsrechte hinaus zugewiesen werden soll. Über Amount A werden Marktstaaten auch dann Besteuerungsrechte zugewiesen, wenn dort weder eine Tochtergesellschaft noch eine Betriebsstätte vorhanden ist. Der steuerliche Anknüpfungspunkt im Marktstaat (Nexus, s. weiter unten) wird allein über eine (nachhaltige) Interaktion mit dem Marktstaat hergestellt. Die steuerpolitische Rechtfertigung für die Zuweisung von Besteuerungsrechten an den Marktstaat besteht in den Besonderheiten marktbezogener wirtschaftlicher Aktivitäten, die in dem Konzept zwar nicht näher spezifiziert werden, die sich aber in dem neuen konzeptionellen Ansatz des „consumer facing business“ sowie in „automated digital services“ wiederfinden sollen. Amount A berührt die nach den gegenwärtigen internationalen Zuordnungsregeln Tochtergesellschaften und Betriebsstätten zugeordneten Gewinne nicht und steht isoliert daneben. Dies bedeutet, dass selbst im Falle vorhandener Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten im Markt-

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staat diesem Staat zusätzliche Besteuerungsrechte über Amount A zugeordnet werden können. Bei Amount B befinden wir uns wieder im herkömmlichen Verrechnungspreissystem und im Bereich des Fremdvergleichs. Amount B hat entsprechend keine Bedeutung für die Schaffung neuer Besteuerungsrechte für Marktstaaten. Vielmehr soll für schon nach geltendem Verrechnungspreisverständnis zu vergütende Routinefunktionen im Bereich von Marketing und Vertrieb eine feste (pauschale) Vergütung bestimmt werden. Die festgelegten Preise sollen nicht mehr verhandelbar sein, es sei denn, die beteiligten Staaten haben sich effektiven Streitbeilegungsverfahren unterworfen. Die vorgeschlagenen Regelungen zu Amount B dienen damit sowohl einem Vereinfachungszweck als auch der Erreichung zusätzlicher Rechtssicherheit. Da Amount A und Amount B nebeneinander stehen und jeweils ihre eigene (unterschiedliche) steuerpolitische Rechtfertigung erfahren, sind beide Beträge unabhängig voneinander festzustellen. Amount C korrespondiert sowohl mit Amount A als auch mit Amount B und stellt eine politische Verknüpfung her zwischen der Vereinbarung von Streitbeilegungsverfahren und der Zuweisung von Besteuerungsrechten an Marktstaaten. Danach sollen Marktstaaten Besteuerungsrechte mit Blick auf Amount A nur dann zugeordnet werden, wenn sie sich effektiven Streitbeilegungsmechanismen unterwerfen. Über Amount B hinausgehende Besteuerungsrechte sollen ebenfalls nur unter der Bedingung der Vereinbarung effektiver Streitbeilegungsverfahren anerkannt werden. Im Einzelnen ist die Reichweite von Amount C und damit die Bindung an Streitbeilegungsverfahren für die klassischen Verrechnungspreise aber noch weitgehend streitig.

2. Umsatzschwellen Das neue Besteuerungsrecht unter Amount A soll nicht für alle Unternehmen gleichermaßen und auch nicht für jegliche unternehmerische Aktivität gelten. Zunächst fallen solche Unternehmen heraus, die allein oder gemeinsam mit verbundenen Unternehmen bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten. Als Umsatzschwelle wird die zum Countryby-Country-Reporting verpflichtende Schwelle von 750 Mio. t im Jahr diskutiert. Konzerne, die diese Umsatzschwelle nicht erreichen, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen.

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3. Consumer-Facing Business Weiter eingeschränkt wird der Anwendungsbereich der neuen Regelungen durch eine dem internationalen Steuerrecht bisher nicht bekannte Umschreibung, das sogenannte consumer-facing business. Dieses neue Konzept beinhaltet eine kundenorientierte Perspektive. Es soll geschäftliche Aktivitäten umfassen, für die ein selbständiger Konsumentenmarkt existiert. Es werden auch Geschäfte miterfasst, die sich im reinen B2B-Bereich abspielen. Dabei wird eine produktbezogene Betrachtung vorgenommen und geprüft, ob es einen spezifischen Verbrauchermarkt für dieses Produkt gibt. Ein deutscher Autohersteller beispielsweise, der ein Fahrzeug ins Ausland verkauft, würde von diesem neuen Regime mit seinen Gewinnen erfasst, weil es für PKW einen eigenständigen Verbrauchermarkt gibt. Ebenfalls erfasst wären aber im Prinzip und unter Umständen auch Zulieferer, unabhängig davon, ob deren zugelieferte Bauteile im Fahrzeug verbaut wurden. Soweit ein separater Verbrauchermarkt für zugelieferte Teile existiert, fallen auch Unternehmen, die solche Produkte herstellen, mit in den Anwendungsbereich.

4. Automated Digital Services Recht neu aufgekommen ist in der internationalen Diskussion, automatisierte digitale Dienstleistungen ausdrücklich und unabhängig davon, ob sie als consumer-facing gelten, in den Anwendungsbereich der neuen Regelungen zu Amount A mit aufzunehmen. Dabei wird insbesondere auch an Anbieter von B2B-Cloud-Dienstleistungen gedacht.

5. Profitabilitätsschwellen Da das Erzielen hoher Gewinnmargen sowohl als Indiz hoher Digitalisierungsgrade als auch als Indiz besonderer Interaktion mit dem Marktstaat anerkannt wird, soll das Überschreiten bestimmter Profitabilitätsschwellen als Maßstab für die (Neu-)Allokation von Besteuerungsrechten an Marktstaaten dienen. Deshalb soll dem neuen Verteilungsmechanismus nur ein „Übergewinn“ (excess profit/above normal profit) zugrunde gelegt werden. Konzerne, die diese Schwelle nicht erreichen, befinden sich außerhalb des Anwendungsbereichs der neuen Regelung. Der Übergewinn ist eine reine Fiktion. Ausgangsbasis für seine Ermittlung ist der nach internationalen Rechnungslegungsregeln ermittelte konsolidierte Konzerngewinn (group profit). Wenn dieser einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, dann gilt der den Schwellenwert übersteigende Ge-

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winn als Übergewinn. Von der unter dem Schwellenwert liegenden Profitabilität wird angenommen, dass das bestehende internationale Zuordnungssystem zu „richtigen“ Ergebnissen kommt. Obwohl wir uns hier außerhalb des herkömmlichen Verrechnungspreissystems bewegen, wird angenommen, dass der unterhalb der definierten Schwelle liegende Konzerngewinn „Routinefunktionen“ reflektiert und deshalb kein Anlass besteht, Marktstaaten an diesem „Normalgewinn“ zu beteiligen. Von dem so berechneten Übergewinn in Konzern soll wiederum ein Teil den Marktstaaten in ihrer Gesamtheit zur Verfügung stehen. Diskutiert wird eine sogenannte „ten-over-ten“-Regelung, nach der zehn Prozent des zehn Prozentpunkte übersteigenden Gewinns (Übergewinn) an die Marktstaaten gehen sollen. Erzielt ein Konzern beispielsweise eine Gesamtumsatzrendite von 15 %, so würden 10 % von 5 Prozentpunkten, also 0,5 % des Gewinns, an die Marktstaaten allokiert. Diese Zahlen sind allerdings bisher gegriffene Werte aus Beispielrechnungen. Am Ende werden diese Größen – soweit der skizzierte Weg konzeptionell auch tatsächlich beschritten werden wird – politisch entschieden. Nach der ten-over-ten-Regelung werden die den Marktstaaten zuzuordnenden Gewinnbesteuerungsrechte bescheiden ausfallen. Es würde daher nicht überraschen, wenn es um diese Größen noch erhebliches Tauziehen gäbe. Festhalten lässt sich in diesem Zusammenhang auch, dass jegliche ökonomische und fiskalische Folgenabschätzung maßgeblich von diesen noch nicht vereinbarten Werten abhängt.

6. Differenzierung nach Geschäftsbereichen Es wird die Frage diskutiert, ob nach einzelnen Geschäftsbereichen segmentiert werden soll und ob die Zuweisung von Besteuerungsrechten dem Grunde und der Höhe nach Geschäftsbereichen differenziert erfolgen soll. Diese Diskussion ist noch nicht zu Ende geführt worden. Eine solche Differenzierung führt meines Erachtens zu sachgerechten Ergebnissen. Wir würden sonst Unternehmen, die einerseits hochprofitable Geschäftsbereiche betreiben, andererseits aber auch sehr wenig profitable Sparten, schon deswegen nicht erfassen, weil sie in der Gesamtbetrachtung möglicherweise unter der maßgeblichen Profitabilitätsschwelle blieben.

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7. Nexus im Marktstaat Soweit nun ein Unternehmen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fällt, stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein konkreter Marktstaat an den Gewinnen dieses Unternehmens partizipieren soll. In Ermangelung einer Betriebsstätte nach Art. 5 OECDMA wird ein neuer Anknüpfungspunkt für das Entstehen eines Besteuerungsrechts im Marktstaat diskutiert, ein neuer Nexus, der ebenfalls abkommensrechtlich abgebildet und im OECD-MA als neuer Art. 6a untergebracht werden soll. Als materielle Voraussetzung für diesen neuen Nexus wird im Ausgangspunkt eine Umsatzschwelle diskutiert, die etwa bei 50 Millionen Euro Umsatz im Marktstaat liegen könnte. Diskutiert werden auch flexible Grenzen, etwa in Anlehnung an das Bruttosozialprodukt von Staaten. Damit wäre gewährleitstet, dass auch kleinere Staaten profitieren können. Weitere Größen, durch die die Marktdurchdringung bemessen werden kann und durch die die Partizipation des Marktstaats an den Besteuerungsrechten am Gewinn eines dort nicht ansässigen Unternehmens gerechtfertigt werden kann, werden ebenfalls erörtert. So könnte beispielsweise die Anzahl digitaler Transaktionen relevant sein, die Anzahl der Geschäftsbeziehungen in einem Staat oder die Häufigkeit des Aufrufens von Websites. Im Gespräch sind zudem weitere Faktoren, wie etwa die Dauerhaftigkeit eines Engagements im Marktstaat über eine gewisse Mindestdauer.

8. Ermittlung der Bemessungsgrundlage Mit Blick auf die Ermittlung der Profitabilität eines internationalen Konzerns stellt sich die Frage, nach welchen Rechnungslegungsstandards der Gewinn einer internationalen Unternehmensgruppe ermittelt werden soll. Weltweit einheitliche steuerliche Gewinnermittlungsvorschriften existieren nicht. Ausgangspunkt sollen hier international übliche Rechnungslegungsstandards sein, etwa US-GAAP oder IFRS. Durch die Anknüpfung an international gebräuchliche Standards soll der bürokratische Mehraufwand für Unternehmen möglichst in Grenzen gehalten und gleichzeitig Vertrauen der Steuerverwaltungen in eine realistische Gewinnabbildung geschaffen werden.

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C. Säule 2: Die Mindestbesteuerung I. Steuerpolitische Zielsetzung Kurz und der Vollständigkeit halber, und auch, weil es ein besonderes Anliegen Deutschlands ist, möchte ich mich der Säule 2 zuwenden. Ich möchte mit dem steuerpolitischen Narrativ beginnen und die Frage beantworten, warum die Mindestbesteuerung die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Besteuerung der Digitalwirtschaft ist. Wenn wir zurückblicken auf die Anfänge der Diskussionen zum BEPS-Aktionsplan, wo wir die Besteuerung der Digitalwirtschaft als Aktionspunkt 1 behandelt haben, können wir feststellen, dass wir uns diesem Thema schon von Beginn an ausschließlich aus dem Blickwinkel der „Gewinnverschiebungen“ genähert haben. Ausgangspunkt war damals die Überlegung, dass insbesondere in der Digitalwirtschaft immaterielle Wirtschaftsgüter eine besonders große Rolle spielen und dass diese Wirtschaftsgüter aufgrund ihrer Mobilität sehr leicht – um den Begriff „willkürlich“ zu vermeiden – in Niedrigsteuerjurisdiktionen verlagert werden können. Das Bekenntnis zu den Segnungen des internationalen Steuerwettbewerbs galt schon seit den Anfängen der BEPS-Diskussionen nicht uneingeschränkt und hat seine Grenzen innerhalb des BEPS-Aktionsprogramms in vielfältiger Art gefunden; beispielsweise in den Empfehlungen zur Hinzurechnungsbesteuerung, zur Zinsschranke und auch im Bereich der schädlichen Steuerpraktiken. Völlig unabhängig vom steuerlichen Missbrauchsgedanken wurden der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwand Grenzen eingezogen oder die Effekte hybrider Strukturen mit dem Ziel, einen Betriebsausgabenabzug und Nichtbesteuerung der betreffenden Einnahmen oder einen Doppelabzug der nämlichen Aufwendungen zu verhindern, neutralisiert. Ähnlich verhält es sich bei der Mindestbesteuerung. Sie ist keine Abkehr vom Steuerwettbewerb und sie negiert auch nicht die positiven Wirkungen des Steuerwettbewerbs, sondern zieht iS eines ordnungspolitischen Rahmens eine klare Trennlinie zwischen akzeptiertem Steuerwettbewerb und einem die öffentlichen Haushalte auszehrenden Steuerwettbewerb, dem sprichwörtlichen race to the bottom. Die Mindestbesteuerung ist also die richtige Antwort auf die steuerlichen Herausforderungen der Digitalwirtschaft, weil sie wegen der Bedeutung höchst mobiler immaterieller Wirtschaftsgüter besonders anfällig für auszehrenden Steuerwettbewerb ist.

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II. Regelungstechnik 1. Ausgangspunkt Das derzeit im Inclusive Framework diskutierte Modell der Mindestbesteuerung (GLOBE steht für Global Anti-Base Erosion) stellt in umfassender Weise ein bestimmtes Mindestbesteuerungsniveau sicher und unabhängig davon, ob ausländische Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten niedrig besteuert werden oder Zahlungen an ausländische niedrig besteuerte verbundene Personen oder Betriebsstätten geleistet werden. Entsprechend erfassen wir mit Blick auf die Regelungstechnik bei Säule 2 zwei Situationen.

2. Inbound- und Outbound-Situationen Zum einen das deutsche Unternehmen, das eine ausländische Tochtergesellschaft oder eine ausländische Betriebsstätte unterhält, die niedrig oder gar nicht besteuert werden (top-down-Szenario). Im Fall der Tochtergesellschaft wird hier die Income Inclusion Rule ausgelöst, wonach das Einkommen der niedrig besteuerten ausländischen Tochtergesellschaft der inländischen Muttergesellschaft unter Anrechnung der im Ausland gezahlten Steuer hinzugerechnet wird. Im Fall der niedrig besteuerten ausländischen Betriebsstätte greift die switch-over-Regelung, wonach von der Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte abgesehen würde und diese somit der Besteuerung im Inland unterworfen würden. Im umgekehrten Fall (bottom-up-Szenario), dem inbound-Investment, greift die Undertax Payment Rule (UTP), die eine zahlungsbezogene Betrachtung vornimmt und auf das effektive Besteuerungsniveau des ausländischen Zahlungsempfängers abstellt. Bei Niedrigbesteuerung des Zahlungsempfängers kann der Betriebsausgabenabzug bei der leistenden Gesellschaft ganz oder teilweise versagt werden. Ergänzt wird diese Technik durch die Subject-To-Tax Rule, die in bestimmten Fällen eine Quellenbesteuerung ausgehender Zahlungen vorsieht. Vorfahrtsanwendungsregelungen, die derzeit entwickelt werden, regeln, wie die Regelungsmechanismen zusammenwirken und unter welchen Umständen die eine oder die andere Regelung Vorrang genießen soll.

3. Top-Up-Rate Zu den weitgehend einvernehmlich diskutierten technischen Ausgestaltungsmerkmalen der Mindestbesteuerung gehört die Frage, ob der vom

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Regelungsmechanismus erfasste (niedrig besteuerte) Gewinn im Inland dem regulären Körperschaftsteuersatz unterliegen soll oder ob dieser Gewinn lediglich mit dem global vereinbarten Mindeststeuersatz besteuert werden soll. Im Einklang mit dem verfolgten steuerpolitischen Ziel der Mindestbesteuerung läuft es hier auf ein Hochschleusen auf den Mindeststeuersatz hinaus. Läge das vereinbarte effektive Mindeststeuerniveau beispielweise bei 15 %, die tatsächliche Effektivbesteuerung einer verbundenen ausländischen Gesellschaft darunter und der gewöhnliche nationale Körperschaftssteuersatz bei 20 %, so würde das Besteuerungsniveau im Rahmen der Mindestbesteuerung lediglich auf 15 % hochgeschleust und nicht etwa auf 20 %. Im umgekehrten Fall, dem inbound-Investment, übersetzt sich dieser Gedanke in ein teilweises Betriebsausgabenabzugsverbot.

4. Bemessungsgrundlage Zu den großen Herausforderungen, die noch weiterer technischer Ausarbeitung bedürfen, zählt die zur Bestimmung des effektiven Besteuerungsniveaus notwendige Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Hierzu wird aktuell ein einheitliches Verständnis – ua. über zulässige Rechnungslegungsstandards, erforderliche Anpassungen der handelsrechtlichen Ausgangsgrundlage etc. – entwickelt. Hier sind wohl nicht die gleichen Maßstäbe wie bei Säule 1 erforderlich, wo das neu dem Marktstaat zugewiesene Besteuerungsrecht mit der Besteuerungssituation im Ansässigkeitsstaat korrespondieren sollte und ein einheitlich festgestellter Gewinn so aufgeteilt werden muss, dass es nicht zu einer doppelten oder mehrfachen Besteuerung kommt. Da die Säule 2 andere Ziele und auf Basis einer alternativen, weltweit akzeptierten Steuerbemessungsgrundlage verfolgt, können wir anders vorgehen als im nationalen Recht und hier auch fiktive Abzüge (beispielsweise 150 % abzugsfähigen Aufwand für Forschung und Entwicklung), welche in unserem nationalen Recht nicht vorgesehen sind, akzeptieren. Wir könnten generell Pensionsrückstellungen entsprechend den handelsrechtlichen Rechnungslegungsgrundsätzen akzeptieren, ohne Staaten gleichzeitig vorzuschreiben, diese auch nach nationalem Steuerrecht allgemein anerkennen zu müssen.

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5. Blending Eine weitere wichtige und bislang noch offene Frage betrifft das so genannte „blending“. Hier werden mit Blick auf die Frage der Ermittlung des effektiven Besteuerungsniveaus nur noch zwei verschiedene Alternativen diskutiert. Eine Option, das so genannte „world wide blending“, ist den US-amerikanischen GILTI-Regelungen nachempfunden und rechnet die Einkünfte aller verbundenen Unternehmen weltweit zusammen und setzt sie ins Verhältnis zur weltweit getragenen Steuerlast. Eine andere Möglichkeit ist das jurisdictional blending, wonach das effektive Besteuerungsniveau für jede einzelne Jurisdiktion gesondert bestimmt wird. Diese Lösung wird von Deutschland aus mehreren Gründen bevorzugt. Insbesondere ist sie besser mit der steuerpolitischen Zielsetzung hinter Säule 2 in Einklang zu bringen, weil sie eine Mindestbesteuerung bezogen auf jeden einzelnen Staat gewährleistet. Das world wide blending würde eine Verrechnung niedrig besteuerter Gesellschaften mit höher besteuerten Gesellschaften erlauben. Dem schädlichen Steuerwettbewerb einzelner Jurisdiktionen könnte hierdurch nicht zielgerichtet und effektiv begegnet werden. Die endgültige Höhe des Mindeststeuersatzes unterliegt noch einer ausstehenden politischen Entscheidung. Der französische Finanzminister hat vergangene Woche 12,5 % genannt, der deutsche Bundesfinanzminister hat im letzten Jahr von einer zweistelligen Zahl gesprochen, also einer Untergrenze von mindestens 10 %. Im politischen Raum ist hin und wieder auch von 15 % die Rede. Der Steuersatz ist eng mit der Blending-Frage verbunden und wird am Ende politisch entschieden werden.

III. Grandfathering US-GILTI Zu den politischen Besonderheiten der Diskussion um die Mindestbesteuerung zählt das Petitum der USA, die in den USA jüngst eingeführten Regelungen zu GILTI und BEAT als gleichwertig anzuerkennen. Die Herausforderung besteht nun darin, trotz technischer und struktureller Unterschiede eine level playing field entstehen zu lassen, bei dem in den USA ansässigen Unternehmen mit Blick auf die GLOBE-Regelungen keine kompetitiven Vorteile gegenüber den nicht in den USA ansässigen Unternehmen entstehen.

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IV. Bürokratieaufwand Das Konzept der Mindestbesteuerung wird sich ohne bürokratischen Aufwand nicht implementieren lassen können. Allerdings gilt es auch das Verhältnis zu bestehenden Regelungen zu überprüfen. Die Mindestbesteuerung birgt auch das Potential, Verwaltungsaufwand mit Blick auf schon bestehende Defensivmaßnahmen zu reduzieren. Wenn wir beispielsweise eine Mindestbesteuerung bei 15 % sicherstellen könnten, könnte sich vielleicht eine unilaterale deutsche Hinzurechnungsbesteuerung mit einer Niedrigsteuerschwelle von 15 % erübrigen.

D. Nächste Schritte Wir diskutieren beide Säulen in den Arbeitsgruppen der OECD. Der Abschlussbericht soll im kommenden Jahr vorliegen. Deutschland richtet dazu im Zusammenhang mit der Konferenz des Inclusive Framework on BEPS Ende Juni/Anfang Juli nächsten Jahres eine Ministerkonferenz aus. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte 2020 bestünde dann Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie wir mit den Ergebnissen des OECD Inclusive Framework zu den beiden Säulen in Europa umzugehen gedenken.

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Der OECD-Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Oliver Nußbaum Global Head of Tax, BASF SE, Ludwigshafen

Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax), Leiter Steuern, Volkswagen AG, Wolfsburg

MinDirig. Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Berlin

Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. (Gelächter) Also, ich glaube, ich habe heute Nacht Albträume. Aber möchte jemand dazu Stellung nehmen? Nußbaum Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben, aber … Ich will daher gar nicht auf alle Details eingehen. Was mir aufgefallen ist, wenn Sie sich die Folien von Herrn Kreienbaum zu Pillar I ansehen und auch die ganzen Papiere der OECD lesen, dann geht es der OECD ausschließlich darum, einen Übergewinn, wie auch immer er letztlich definiert werden mag, zu verteilen. Man gibt dabei leichtfertig viele im Steuerrecht bewährte Grundsätze auf wie zum Beispiel, dass man im Steuerrecht in Legaleinheiten denkt oder auch den Fremdvergleichsgrundsatz. Wenn Sie mich fragen, ist das meines Erachtens ein echter „Querstand“. Was mir in der Diskussion fehlt, ist eine hinreichende Auseinandersetzung über die Folgen bei der Freistellung. Hier soll es nämlich wieder sehr harmonisch werden, dh.

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man möchte den bewährten Grundsätzen folgen und den Übergewinn für Zwecke der korrespondierenden Freistellung einer spezifischen Legaleinheit zuordnen. Eine hinreichende inhaltliche Auseinandersetzung hierzu fehlt. Es wird etwas kryptisch angedeutet, ob eine Freistellung „vielleicht beim IP-Owner, vielleicht aber auch grundsätzlich bei der Muttergesellschaft“ erfolgen könnte. Die Grundsätze der Besteuerung der Legaleinheit und des Fremdvergleichs sollen also bei der Freistellung wieder gelten. Im Grunde versucht man, einen Spagat hinzubekommen: Man verteilt einen Gewinn, den man auf Konzerneben ermittelt und keiner konkreten Legaleinheit zuordnen kann, auf verschiedene Länder. Zur leichteren Administrierbarkeit kann man ihn per Fiktion der Muttergesellschaft zuordnen. Dieser Gewinn wird zwingend zu einer Steuerzahlung in den jeweiligen Ländern führen. Bei der korrespondierenden Freistellung soll dann der anteilige steuerfrei zu belassende Übergewinn wieder auf Legaleinheiten auf Basis des Fremdvergleichs heruntergebrochen werden und in die entsprechende Steuererklärung dieser Gesellschaften mit all den Folgen integriert werden. Mir fehlt ein bisschen die Fantasie, wie das rechtssicher erfolgen kann. Zudem ist offensichtlich nicht vorgesehen, eine zwingende Schiedsgerichtsklausel einzuführen. Das heißt, dem Steuerpflichtigen ist es dann überlassen, für die Freistellung selbst zu sorgen. Aus meiner Sicht ist es kein akzeptables Vorgehen, die Verteilung eines Gewinns pragmatisch und abseits von jedem traditionellen Grundsatz zu regeln, aber bei der Freistellung wieder sehr dogmatisch zu werden und keine Lösung für Doppelbesteuerungskonflikte zu bieten. Prof. Dr. Frotscher Herr Kreienbaum, möchten Sie darauf antworten? Kreienbaum Ja, das mache ich gern. Die Frage, welche Einheit im Konzern die Einheit sein soll, aus der der Gewinn herausgebrochen wird, ist ein intensiv diskutiertes Thema auf Ebene des Inclusive Framework. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass es eine vollständige Korrespondenz schon deshalb nicht geben kann, weil wir auf Basis unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards arbeiten müssen. Wir ermitteln den nun neu den Marktstaaten zuzuordnenden Gewinn auf Basis von international anerkannten handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften. Mit dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung muss dieser Gewinn an an-

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derer Stelle in der Gruppe entweder freigestellt werden oder die darauf bereits gezahlte Steuer muss angerechnet werden. Der Staat, der freistellt oder anrechnet, ermittelt den Gewinn der bei ihm ansässigen Gesellschaft, bei der die Doppelbesteuerung vermieden werden soll, nach seinen nationalen Gewinnermittlungsvorschriften. Insofern kann es schon – ähnlich wie bei anderen Quellenbesteuerungsrechten auch – zu Situationen kommen, in denen ich Marktstaaten Gewinne zuweise, ohne dass sie mit entsprechenden Gewinnen im Ansässigkeitsstaat korrespondieren. Nußbaum Sie könnten natürlich auch bei der Freistellung querdenken. Ich muss auch den Freistellungsbetrag nicht zwingend einer Legaleinheit zuordnen. Ich kann ihn ebenso formelmäßig ermitteln und einem Land zuordnen und abseits vom bestehenden nationalen Steuerrecht den Freistellungsbetrag als cash credit erstatten. Man muss nicht zwingend wieder in das bestehende System zurück gezwängt werden, um die Freistellung zu bekommen. Also, wenn man die große Lösung sucht, dann, glaube ich, kann man es den Steuerpflichtigen auch bei der Freistellung einfach machen. Einer formelmäßigen Ermittlung des Gewinns stünde eine formelmäßige Freistellung gegenüber, abseits von den jeweiligen lokalen Verhältnissen der Landesgesellschaften und abseits des jeweiligen Steuerrechts. Eine Berücksichtigung des Freistellungsbetrags auf Ebene einer Legaleinheit kann das ganze Gefüge verwerfen, zum Beispiel im Hinblick auf die Zinsschranke oder die Anrechnung ausländischer Steuern usw. Eine neue Steuerweltordnung, wie sie der BDI nennt, braucht Zeit, und die macht man nicht mal so in ein paar Monaten. Ich glaube, das muss deutlich länger durchdacht werden. Kreienbaum Den Punkt gestehe ich gern zu. Das sind Themen, Herr Nußbaum, die wir auch international noch nicht zu Ende diskutiert haben und bei denen auch noch keine Festlegung erfolgt ist. Nußbaum Nur, der Zeitplan ist sehr ambitioniert. Kreienbaum Auch das stimmt.

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Prof. Dr. Frotscher Gibt es weitere Stellungnahmen? Dr. Wünnemann Ich äußere mich gerne noch einmal für den BDI zu dem Thema. Wir befassen uns schon sehr lange damit und ich würde gern einfach noch einmal die Dimension zum Ausdruck bringen, auch für alle deutschen Unternehmen, die, glaube ich, hier in Deutschland noch unterschätzt wird. Wir haben 2017 angefangen mit der Digitalsteuer aus Gründen der Unterbesteuerung von einigen US-Konzernen, und da haben wir als BDI, als Verbände, dagegengehalten und gesagt, wir wollen keine nationalen Einzellösungen für bestimmte Branchen haben. Und dann hat sich das in einer Schnelligkeit zu einem weltweiten Projekt entwickelt bei der OECD, wo plötzlich alle Unternehmen, unabhängig von der Branche, weltweit neue Regeln anwenden sollen und eine, man kann schon sagen, eine Art Weltsteuerordnung jetzt neu geschaffen werden soll, wo bisherige anerkannte Prinzipien des internationalen Steuerrechts, wo wir vorhin über ein BFH-Urteil gesprochen haben und es da schon gestreift, diskutiert haben. Jetzt haben wir ja hier ein umfassendes Infragestellen des gesamten Systems, und die Komplexität ist wirklich enorm für die Unternehmen; auf der anderen Seite aber auch für den deutschen Fiskus sehen wir hier Risiken, dass natürlich auch ein Industriestandort Deutschland hier Steuersubstrat verlieren wird. Wenn wir hier sozusagen den Marktstaaten mehr Rechte zuordnen, wird ein Industriestandort auch Substrat abgeben müssen. Und aus Sicht der Unternehmen kann das auch nicht so leicht wieder hereingeholt werden über die Säule 2, über die Mindestbesteuerung. Das haben wir auch einmal abgefragt, weil die deutschen Unternehmen natürlich nicht im großen Umfang in Niedrigsteueroasen investieren. Also wo soll das Geld über die HZB, sozusagen über eine erweiterte GILTI-Anwendung, in Deutschland wieder hereingeholt werden? Da stellt sich halt auch die Frage, was das Steuersubstrat angeht. Und dann nochmal vielleicht ein, zwei grundsätzliche Dinge zu den Säulen 1 und 2. Wir haben jetzt auch umfangreiche Stellungnahmen dazu erarbeitet, an die OECD versendet, es waren sehr kurze Fristen, wo sich Unternehmen wirklich innerhalb von kurzer Zeit mit ganz komplexen neuen Regelungen und Verrechnungspreissystemen Gedanken machen mussten, Gewinnverteilungsgrundsätze, die hier gelten sollen – also, das sind ganz viele komplexe Fragen. Vor allen Dingen der Anwendungsbereich, hier ein neuer Begriff wie das consumer facing. Wie soll der de-

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finiert werden? Wie grenzt man das ab zu den einzelnen Branchen? Das sind ganz viele offene Fragen, die bisher noch nicht beantwortet sind, wo wir natürlich schon auch im Detail dann Forderungen stellen, dass man den ganzen B2B-Bereich eigentlich herausnehmen müsste, abgrenzen sollte von diesen Regelungen, und dann die Frage: Welches Rechnungslegungssystem gilt da? Greift man zurück auf IRFS oder US-GAAP oder kann man nicht das nationale Rechnungslegungssystem anwenden, was ja das einfachste ist für die deutschen Unternehmen? Also viele Fragen, die noch offen sind, wo wir versucht haben, uns im Detail zu äußern, und hoffen, dass das auch Eingang findet in diese OECD-Diskussionen. Dann bei der Säule 2, grundlegende Fragen: Auf welches Mindeststeuerniveau soll hochgeschleust werden? Das muss natürlich das allgemeine Mindeststeuerniveau sein und nicht ein deutsches Steuerniveau, auf das hochgeschleust wird. Das ist wirklich die Grundvoraussetzung, dass wir nicht hier im Endeffekt auf das 30 %-Steuerniveau in Deutschland kommen. Dann die Frage der Bemessungsgrundlage. Ich habe keine Hoffnung mehr, dass es gelingen wird, eine GKKB in Europa oder sogar weltweit die GKKB zu etablieren. Da stellt sich schon die Frage: Auf welche Bemessungsgrundlage greift man hier bei diesen neuen Regelungen zurück, wenn ich über eine Mindestbesteuerung rede? Ist da die Bemessungsgrundlage ein entscheidender Faktor? Dann, weltweites Blending – aus Sicht der Unternehmen natürlich: Ja! Das müssen wir hier haben! Denn das war auch der Ansatz, der bei GILTI verfolgt wurde. Das ist auch der einfachste Ansatz. Wenn wir hier per country sozusagen blending machen, dann ist das erheblich komplexer und auch aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll. Die Frage der Kollisionsregelungen haben Sie auch angesprochen. Wenn in den einzelnen Staaten Präferenzregime geschaffen wurden, um F&ETätigkeiten begünstigt zu besteuern oder Patentboxen zu schaffen, das kann ja über ein solches System dann nicht im Nachhinein ausgehebelt werden. Da müssen auf jeden Fall Kollisionsregelungen geschaffen werden. Das sind so einzelne Beispiele – man könnte länger diskutieren –, aber wo wirklich viele hochkomplexe Fragen entstehen, und wir hoffen, dass sich da ein bisschen mehr Zeit genommen wird, das dann im nächsten Jahr in Ruhe zu diskutieren. Ganz weg kommen wir jetzt nicht mehr von dem Thema. Es wird weitergehen bei der Diskussion, und wir werden es

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natürlich auch versuchen, konstruktiv zu begleiten, aber weisen wirklich mit Nachdruck auf die ganzen Folgen hin für die Unternehmen, und gleichzeitig natürlich auch die Forderung, die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer eigenen HZB-Reform. Wenn dann kurz danach wieder hier diese Income Inclusion Rule kommt, müssen wir doch eigentlich jetzt abwarten oder das irgendwie in Einklang bringen. Also, wir können ja nicht bei einer HZB-Niedrigbesteuerungsgrenze von 25 % bleiben, wenn wir dann hier auf ein Mindestbesteuerungsniveau von 12 % oder 15 % kommen. Also das wäre auch einfach die Frage, wie bringt man das in Einklang, andere Formen, die wir hier ja noch leisten müssen in Deutschland und wo wir jetzt ja eigentlich heute einiges diskutieren wollten, aber leider keinen Gesetzentwurf haben. Das war sozusagen erst einmal nur ein Eingang von mir … Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Herr Kreienbaum, möchten Sie dazu etwas sagen? Kreienbaum Ja, zu einzelnen Punkten muss ich etwas sagen. Vieles ist sicher richtig. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, das ist alles Work in Progress, wir haben noch nicht zu allen Fragen Antworten. Ich möchte nur zu dem Punkt zu Säule 2, ob wir in Rechnung stellen müssen, dass manche Länder Präferenzregelungen haben, die im Einklang stehen mit den internationalen Standards, insbesondere Patentboxregeln, sagen, dass das natürlich nicht geht, Frau Wünnemann. Wenn man das täte, wäre das eine Einladung an jeden Staat, neben einem „Normalsystem“ Präferenzregelungen mit 1 %-Besteuerung einzuführen, die wir dann akzeptieren müssen, soweit sie im Einklang mit den international anerkannten Standards sind. Diese Ausnahmen können wir nicht zulassen, ohne die Legitimation des Ansatzes auszuhöhlen. Mit Blick auf Ausnahmen bei Pillar 2, auch mit Blick auf Ausnahmen und über Substanz- und Aktivitätstests, müssen wir sehr vorsichtig sein. Das scheint mir auch international akzeptiert zu sein. Wir wollen ja gerade die faktische Betrachtung vornehmen, wie das Effektivbesteuerungsniveau im anderen Staat aussieht, und dabei diese Präferenzregelungen nicht positiv berücksichtigen müssen. Das wäre tatsächlich ein ganz anderer Ansatz und würde die Sinnhaftigkeit von Säule 2 insgesamt in Frage stellen.

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Nußbaum Aus meiner Sicht muss es am Ende ein global blending geben. Sie werden die Doppelbesteuerungsproblematik nicht mit anderen Mitteln lösen können. Nehmen Sie einen Konzern mit einer US-Tochtergesellschaft, die wiederum unter Holland hängt mit einer Vielzahl von Leistungsbeziehungen untereinander. Die Vielzahl von einzelnen unterschiedlichen nationalen Abzugsbeschränkungen, wie Regeln der einzelnen Länder zu undertaxed payments sowie Regeln der Hinzurechnungsbesteuerung brauchen Vorfahrtsregeln zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Darüber hinaus noch eine globale Mindestbesteuerung auf Länderebene einzuführen, vervielfacht die Komplexität. Wie sollen denn die Vorfahrtsregeln festgelegt werden? Welches Land hat das Recht zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs und welches Land das Recht zur Besteuerung? Theoretisch kann man es sich als Fiskus natürlich leichtmachen und Nachweisregeln für Steuerpflichtige einführen. Die Frage ist, wie können wir als Unternehmen nachweisen, dass in dem anderen Land ein undertaxed payment schon einmal im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung besteuert worden ist? Diesen Aufwand können Sie bei hunderten von Gesellschaften im Konzern nicht mehr leisten! Letztlich müsste die Finanzverwaltung dies auch prüfen. Ich meine, wie viele Heerscharen von Prüfern wollen Sie beschäftigen, um das Thema abzuarbeiten? Wie viel Budget haben Sie? Kreienbaum Das hängt von Ihnen ab, Herr Nußbaum. Nußbaum Da müssten Sie an Pillar 1 nochmal arbeiten! Kreienbaum Die Frage des blending ist eine noch offene Frage, und als Optionen sind in der Tat das globale blending und das jurisdiction-wide blending in der Diskussion. Ich meine, dass man hier abwägen muss zwischen der technischen Komplexität auf der einen Seite und dem politischen Narrativ auf der anderen. Wenn wir tatsächlich erreichen wollen, dass ein bestimmtes Besteuerungsniveau auch bei internationalen Verflechtungen nicht mehr unterschritten werden soll, wenn das das Ziel und das Narrativ ist, dann, meine ich, kann man nicht zulassen, dass die niedrig besteuerte Karibikgesellschaft mit der höher besteuerten italienischen Ge-

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sellschaft verrechnet wird. Das gilt es abzuwägen. Ich glaube, die Argumente sind allen Beteiligten bewusst. Wir sehen auch die technische Komplexität. Und es sind selbst die Amerikaner, die, obwohl sie bei GILTI das worldwide blending zulassen, zum worldwide blending skeptisch sind. Nußbaum Aber die USA haben nicht nur das worldwide blending, sie haben auch noch einen mit Pillar 1 vergleichbaren Mindestgewinn, der ohnehin nicht angefasst wird. Nur ein Übergewinn unterliegt der Mindestbesteuerung. Also die USA ist mit GILTI von den Pillar 2-Vorschlägen noch ein Stück weiter weg. Körner Sie hatten ja auch mal das Auto erwähnt, deswegen kann ich jetzt auch nicht schweigen. Also ich habe eine ganz fundamentale Verständnisfrage. Es ist ja nichts Unbekanntes, dass das Ding maßgeblich aus Deutschland vorangetrieben wird. Das, was Frau Wünnemann gesagt hat, teile ich, aber ich sage mal, wir sind ein exportorientiertes Land! Das geht da irgendwie völlig unter. Und jetzt beglücken wir die Welt, dass an dem Auto, auch an dem Reifen, das andere Land, das Marktland, etwas stärker partizipieren soll? Gut, so sind wir nun mal. Und das Substrat sammeln wir dann wieder ein über Pillar 2. Abgesehen von den ganzen technischen Themen, also die grundsätzliche Ausrichtung – ich verstehe nicht, wieso das … Also, ich würde Frankreich verstehen, wenn die sowas machen. Und das Ganze ist ja mal aus einer Ecke gekommen, da ging es darum, digitalisierte Unternehmen, die hier ohne Betriebsstätte Gewinne machen, ein wenig mehr zur Kasse zu bitten. Und jetzt geht, ähnlich wie bei BEPS, die ganze Zeit der Schuss nach hinten los. Dass das zu Lasten der exportorientierten IP-Staaten, Entrepreneur-Staaten, Jurisdiktion Deutschland geht, das ist doch schon absehbar, wenn wir nicht weltweit Einigkeit darüber kriegen, wie wir die Doppelbesteuerung beseitigen. Also ich verstehe die ganze … Dass man das aus deutscher Sicht so fördert oder will, das verstehe ich nicht ganz. Das ist doch nicht gut für unser Aufkommen, für unser Substrat. Kreienbaum Herr Körner, ich glaube, ich muss da mal wieder ein bisschen am Framing arbeiten. (Gelächter)

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Sie hatten behauptet, dass der Pillar 1 von Deutschland vorangetrieben werde. So ist das ja nun nicht. Wir haben den Pillar 2 in die internationale Debatte als Reaktion auf eine Allokationsdiskussion eingeführt. Unsere Idee war dabei von Beginn an, die Änderungen, die in der Allokationsdebatte erfolgen sollen, möglichst gering zu halten. Mit einem Vorschlag als Alternative zu einem reinen Nein-Sagen zu Pillar 1 haben wir den Pillar 2 eingebracht. Und seitdem sind die beiden Säulen miteinander verbunden, weil 134 Staaten, oder jetzt insgesamt 135 Staaten, gesagt haben, wir machen das nur als Paket. Es gibt viele Staaten, die sagen, wir wollen weder Säule 1 noch Säule 2. Es gibt eine Reihe von Staaten, die wollen Säule 2, aber nicht Säule 1, und es gibt Staaten, die wollen Säule 1 und nicht Säule 2, und es gibt Staaten, die wollen beide. In diesem Umfeld bewegen wir uns. Jetzt darf man das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das übergeordnete Ziel ist das Erschaffen oder das Aufrechterhalten eines internationalen Konsenses über die internationale Zuordnung von Besteuerungsrechten. Und wenn man dieses Ziel nur erreichen kann, indem man – ausgehend vom Status quo – Konzessionen macht mit Blick auf die Abgabe von Besteuerungsrechten, die man jetzt zu haben glaubt, dann kann das der richtige Weg sein. Und wir haben sowohl auf Ebene der OECD als auch auf Ebene der Kommission eine ökonomische Folgenabschätzung vorgenommen. An die kann man glauben oder nicht. Man muss zunächst einmal die Parameter kennen, die zugrunde gelegt wurden. Ich bin bei solchen Folgenabschätzungen persönlich auch immer skeptisch, aber sowohl die Kommission als auch die OECD kommen in ihren Folgenabschätzungen auch zu Säule 1 zu positiven Ergebnissen für Deutschland. Das mag intuitiv nicht eingängig erscheinen, aber die Kommission und die OECD kommen – abhängig von vielen Variablen und Annahmen – zu diesem Ergebnis Aber nochmal, man darf das übergeordnete Ziel nicht aus dem Auge verlieren. Es ist nicht so, als würden wir uns ohne Not an der Diskussion zu Säule 1 beteiligen. Prof. Dr. Frotscher Gibt es weitere Stellungnahmen?

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Dr. Heidecke1 Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Eine kurze Ergänzung und zwei präzise Fragen: Ich kann nur unterstreichen, was Herr Nußbaum ausgeführt hat. Die Frage, wie die verschiedenen Aspekte in Säule 1 zusammenhängen, ist noch nicht klar. Ich will das illustrieren: Ich habe versucht ein Excel-Modell zur Modellierung der Steuereffekte aus Säule 1 aufzusetzen. Ich habe versucht, Wertschöpfungsketten etwa von Handelskonzernen, aber auch von Konzernen mit Lizenzfertigern zu modellieren. Es zeigt sich schnell, dass man momentan noch viele Annahmen benötigt, um das Modell durchzurechnen. Diese Übung hat schnell gezeigt, dass aktuell noch keine Beurteilung der Effekte möglich ist. Säule 1 ist noch nicht hinreichend definiert. Zwei präzise Fragen: Erste Frage: Ist angedacht, dass unter den Betrag A auch Gesellschaften erfasst werden, die bereits eine steuerliche Präsenz in dem jeweiligen Land haben; also eine Betriebsstätte oder eine Legaleinheit? Mein Verständnis wäre: Ja. So habe ich auch das Schaubild der OECD verstanden, das Sie angeworfen haben. Wenn dem nicht so wäre, käme es zu einer unsystematischen Behandlung von Konzernen ohne steuerliche Präsenz – Betrag A greift – und Konzernen mit einer steuerlichen Präsenz in dem jeweiligen Staat – Betrag A greift nicht. Erste Frage: Ist dem so? Zweite Frage: Wo in Betrag A, B beziehungsweise C finde ich die Produktionsroutinevergütung, erstens, und zweitens die Intangible-Vergütung für Marken, für Kundenbeziehungen, für Technologie etc.? Ich hätte vermutet in Betrag C, um dann wieder die Wechselwirkung, gerade bei den Intangibles, mit Betrag A zu diskutieren. Dies waren meine Fragen. Danke. Kreienbaum Ja, vielen Dank. Ihre Fragen kann ich relativ schnell beantworten. Die Antwort zur Frage eins ist: Ja, der Betrag A steht neben den Beträgen B und C. mit anderen Worten, ein Unternehmen, das eine physische Präsenz hat in Form einer Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im anderen Staat, kann zusätzlich mit dem Amount A bei Vorliegen der Voraussetzungen erfasst werden.

1 Dr. Björn Heidecke ist Director bei Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Hamburg.

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Zur zweiten Frage: Die bisherigen Verrechnungspreisregelungen spiegeln sich in den Beträgen B und C vollständig wider, ohne jede Änderung, bis auf den Punkt, dass wir baseline-Routinefunktionen unter Betrag B mit einem festen Betrag versehen wollen. Prof. Dr. Frotscher Herr Gosch? Prof. Dr. Gosch2 Ich habe eine eher philosophische Frage, Herr Kreienbaum – abgesehen davon, dass ich ohnehin nicht alles nicht glaube, was denn so zu Pillar 1 und Pillar 2 erzählt wird: Mir erscheint hier so manches doch sehr am Reißbrett entworfen, und die vielen Zweifel, die Monika Wünnemann soeben aufgeführt hat, ich teile diese samt und sonders. Wenn die Staaten es seit so vielen Jahren nicht schaffen, sich wenigstens auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage zu verständigen, nach so vielen Anläufen, die dazu genommen worden sind, wie sollte dann eine solch schöne Weltsteuerordnung funktionieren, wie Sie sie skizziert haben? Da stirbt meine Hoffnung, und diese nicht, wie ja allgemein üblich, „zuletzt“, sondern sofort. Aber jetzt wurde ja Pillar 2 nun einmal „erfunden“, und das von den Deutschen, wie wir soeben von Ihnen vernehmen durften, aber das ja sicher nicht alleine. Nun vermute ich jedoch, Sie lesen zum Thema nicht nur OECD-Texte, vielmehr rundherum auch die eine oder andere Verlautbarung, zum Beispiel jene von Saez und Zucman, den beiden berühmten Berkeley-Professoren – so berühmt sind sie, glaube ich, gar nicht –, die kürzlich über die Gerechtigkeitslücke geschrieben3 und gesagt haben: Ja, bei einer Mindeststeuer, dann müsst ihr aber auch den Steuersatz hochsetzen auf wenigstens 25 % – nicht nur, wie Sie soeben aus politischer Sicht gemutmaßt haben, auf rare 10 % oder 12,5 % oder was auch immer –, also auf 25 %, und jeder Staat, der darunter bleibt, muss dann dem höher besteuernden Staat das Geld rausrücken, diesen sozusagen querfinanzieren. Das ist, wie war noch der Begriff von Herrn Wacker? Querstand! Das wäre dann auch ein Querstand. Vielleicht ein „unechter“, aber das weiß ich nicht, dazu müsste ich genau verstehen, 2 Prof. Dr. Dietmar Gosch ist Partner of Counsel bei WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH in München und Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a.D. 3 Emmanuel Saez/Gabriel Zucman, The Triumph of Injustice: How the Rich Dodge Taxes and How to Make Them Pay, 2019; deutsch: Der Triumph der Ungerechtigkeit – Steuern und Ungleichheit im 21. Jahrhundert, 2020.

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was denn Herr Wacker meint, und das tue ich nicht. Es würde mich jedenfalls interessieren, Herr Kreienbaum, wie Sie dazu stehen. Kreienbaum Herr Gosch, ich weiß gar nicht, ob ich die Frage vollständig verstanden habe. Prof. Dr. Gosch Also das glaube ich bei Ihnen nicht! (Gelächter) Kreienbaum Also, Fragen der Steuergerechtigkeit. Dass wir Regelungen, die wir entwerfen, als fair und gerecht bezeichnen, ist im Grunde ja immer ein Label, das man draufklebt. Man wird sich international einig, genau wie bei Fragen zum fairen Steuerwettbewerb bisher auch. Man lässt bestimmte Vorgehensweisen zu und andere nicht und wird sich international einig, dass man zum Beispiel Ring Fencing oder andere Kategorien, die wir bisher als schädlich erkannt haben, nicht sehen möchte, und dann sagt man, Staaten, die diese Praktiken einsetzen, verhalten sich unfair. Und ähnlich ist es hier auch. Ich kann Ihnen keinen festen Satz sagen, ab dem wir sagen würden, Steuerwettbewerb ist fair, und bis dahin akzeptieren wir Steuerwettbewerb, und darunter ist er nicht mehr fair und wir akzeptieren ihn nicht. Dies ist am Ende eine politische Festlegung. Man kann sie vielleicht makroökonomisch untermauern, indem man ermittelt, bis zu welchem Grad und bis zu welchem effektiven Besteuerungsniveau Steuerwettbewerb tatsächlich förderlich ist für alle gemeinsam. Man könnte zum Beispiel für den europäischen Binnenmarkt genau diese Frage stellen. Man kann sich fragen, ob ein Race to the Bottom für den Binnenmarkt positiv ist. Wenn plötzlich alle Mitgliedstaaten im Wettbewerb stünden in der Frage, ob sie mit 0,5 % oder 0,7 % besteuern würden – wenn sich der Steuerwettbewerb auf dieser Ebene abspielen würde, dann könnte man sich fragen, ob das noch ein gesunder Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten wäre oder ob der nicht zu einer Auszehrung der Haushalte führt. Insoweit kann man sich makroökonomisch schon dieser Frage nähern – ich sage bewusst, man kann das vielleicht, ich kann das nicht. Makroökonomisch könnte man prüfen, ob es einen Punkt gibt, ein effektives Besteuerungsniveau, ab dem die Segnungen des Steuerwettbewerbs umschlagen in überwiegend negative Effekte. Auf dieser Basis könnte man auch eine Gerechtigkeitsdebatte führen.

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Prof. Dr. Frotscher Weitere Stellungnahmen? Dr. Ottenwälder4 Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Zu Ihren Ausführungen hätte ich noch eine Frage, nachdem ich eben noch einmal über die von Ihnen dargestellte Folgenabschätzung nachgedacht habe. Sind bei dieser Folgenabschätzung denn auch die Transaktionskosten der Unternehmen berücksichtigt? In dem von Ihnen dargestellten OECD-Schaubild zur Ermittlung des Amount A kommt es im Ergebnis nur dann tatsächlich zu einem solchen Amount A, wenn die mehrfachen absoluten und relativen Schwellen, dh. Umsätze, Routinegewinne, Profitabilität etc. überschritten sind. Um diese aber zu ermitteln, bedarf es großer Anstrengungen im Rahmen der Compliance, um anschließend festzustellen, dass das Unternehmen keinen Amount A deklarieren muss. Sind daher die Kosten für Abgrenzung und Datenerfassung, die dieses komplexe Ermittlungssystem erforderlich macht, überhaupt berücksichtigt? Falls nein, würde man im Zweifel vielleicht sogar darauf kommen, dass die Unternehmen maximal belastet werden, aber nicht wirklich viel dabei herumkommt. Kreienbaum Es sind eine ganze Reihe von Faktoren bei der ökonomischen Folgeabschätzung bisher nicht berücksichtigt, insbesondere sind nicht unternehmerische Verhaltensanpassungen mit eingepreist. Das würde zu einer zusätzlichen Komplexitätsstufe führen, die offensichtlich bisher nicht leistbar ist. Mich würde wundern, wenn der administrative Aufwand bei Unternehmen mit eingepreist wäre. Ich weiß es aber nicht positiv. Prof. Dr. Frotscher Vielen Dank. Gibt es weitere Stellungnahmen? Dr. Gebhardt5 Ich habe eine Frage zu Pillar 1 versus deutsche Gewerbesteuer. Die Frage geht dahin, wie man eigentlich im Inbound-Fall die Vorgaben von Pillar 1 4 Dr. Marco Ottenwälder ist Steuerberater bei P+P Pöllath + Partners, Rechtsanwälte und Steuerberater mbB in Frankfurt/Main. 5 Dr. Ronald Gebhardt ist Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG, Hamburg.

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in die deutsche Gewerbesteuer integrieren kann, wenn praktisch betriebsstättenlose Einkünfte, also ohne stehenden Gewerbebetrieb im Inland, vorhanden sind? Und die zweite Frage: Im Outbound-Fall, wenn ich jetzt mal zum Beispiel an BASF oder Volkswagen denke, ob die Gemeinden, die da für sie zuständig sind, Willens und in der Lage sind, auf die Gewerbesteuer zu verzichten. Die Frage ist, mal so ein bisschen überspitzt: Scheitert Pillar 1 in Deutschland vielleicht an der Gewerbesteuer? Kreienbaum Pillar 1 wird nicht an der deutschen Gewerbesteuer scheitern. Wir haben diese Frage bei uns bereits intensiv erörtert. Wir sehen das Problem, wir wissen, dass das bisherige Gewerbesteuerrecht und auch die dahinter stehende Legitimation der Gewerbesteuer diese Fälle nicht erfassen kann. Grundsätzlich gehen wir aber davon aus, dass, wenn uns international Besteuerungsrechte zugewiesen werden, wir auch bemüht sind, diese Besteuerungsrechte umfassend auszuüben. Dr. Gebhardt Und auch zu verzichten? Kreienbaum Ja, Sie haben’s ja gesagt, das wäre die Kehrseite der Medaille. Nußbaum Es würde ja auch eine Steuer anfallen, ohne dass eine physische Präsenz hier wäre. Man wüsste ja gar nicht, welcher Gemeinde man den Gewinn zuordnen sollte. Prof. Dr. Gosch Die haben doch auch einen Mindeststeuersatz! Nußbaum Ja genau, man müsste dann in allen Gemeinden anteilig verteilen. Das sind ja Minibeträge.

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Prof. Dr. Frotscher Soweit ich sehe, gibt es keine weiteren Stellungnahmen. Dann darf ich Ihnen herzlich danken, Herr Kreienbaum. Wie gesagt, das war eine sehr interessante Darlegung. Diese Probleme werden uns ja wahrscheinlich auf Jahre hinaus verfolgen, wenn es denn zu einer Implementierung kommt. Meine Frage: Wie schätzen Sie die Chancen oder die Gefahr einer Implementierung ein? Kreienbaum Ich muss jetzt erst einmal Ihre Frage wiederholen. Eine Gefahr einer Implementierung? Sehe ich überhaupt eine Gefahr einer Implementierung? Säule 1 und Säule 2 sind politisch so miteinander verbunden, dass es entweder eine Lösung für beide geben wird oder keine Lösung. Wenn wir zu keiner Lösung kommen und damit auch nichts implementieren, dann würde ich schon voraussehen, dass wir eine ganze Reihe unilateraler Maßnahmen sehen werden. Wir müssten uns dann auch überlegen, wie wir in Europa mit der Situation umgehen. Sie wissen, dass wir Ende 2018 unter der österreichischen Ratspräsidentschaft die Richtlinie zur Digital Services Tax verhandelt haben. Dazu gab es eine Stellungnahme der europäischen Finanzminister, nach der die Diskussion um den Richtlinienvorschlag dann wiederauflebt, wenn bis 2020 keine international koordinierte Lösung implementiert ist. Deshalb teile ich die Ihrer Frage zugrunde liegende Einschätzung, dass die Implementierung eine Gefahr bedeuten würde, nicht. Prof. Dr. Frotscher Herr Kreienbaum, herzlichen Dank. Sie müssen leider Ihren Zug erreichen, Frau Wünnemann auch, so dass ich mich jetzt schon einmal ganz herzlich für Ihre Beiträge bedanke. Das war sehr interessant (Applaus) und ich darf Ihnen beiden eine gute Rückfahrt nach Berlin wünschen. Vielen Dank. Dann kommen wir zur nächsten Baustelle, § 50d Abs. 3 EStG. Frau Bruns, Sie haben das Wort!

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Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) Silke Bruns Ministerialrätin, Bundesministerium der Finanzen, Berlin1

A. Anlass, Ziele und Leitplanken für eine Neuordnung . . . . . . . I. Anlass. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil des EuGH v. 20.12.2017 (Deister Holding ua.) . . . . . . . . . . . 2. BMF-Schreiben v. 4.4.2018 3. Gesetzgeberisches Handeln erforderlich. . . . . . . . II. Ziele und Leitplanken . . . . . . 1. Verhinderung von Treaty Shopping und RichtlinienShopping . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte . . 3. Rechtmäßigkeit . . . . . . . . 4. Rechtssicherheit . . . . . . .

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B. Der europäische Missbrauchsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

I. Stellung des Missbrauchsbegriffs im europäischen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäisches Primärrecht 2. Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt des Missbrauchsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Der DBA-rechtliche Missbrauchsbegriff . . . . . . . . . . . . 164 I. Stellung des Missbrauchsbegriffs in DBA . . . . . . . . . . . 164 II. Inhalt des Missbrauchsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 D. Ausblick und Fazit . . . . . . . . I. Fragestellungen im Rahmen einer Neuordnung. . . . . . . . . II. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Anlass, Ziele und Leitplanken für eine Neuordnung I. Anlass 1. Urteil des EuGH v. 20.12.2017 (Deister Holding ua.) Der Wortlaut des § 50d Abs. 3 EStG idF des JStG 2007, die bis 2011 Geltung hatte, lautet wie folgt: „(3) 1Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach Absatz 1 oder Absatz 2, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und

1 Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

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Bruns – Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) 1. für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder 2. die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder 3. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. 2Maßgebend

sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft; organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale der Unternehmen, die der ausländischen Gesellschaft nahestehen (§ 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes), bleiben außer Betracht. 3An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt. 4Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn mit der Hauptgattung der Aktien der ausländischen Gesellschaft ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet oder für die ausländische Gesellschaft die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes gelten.“

Der EuGH hat in der Rs. Deister Holding ua.2 für den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter-Tochter-Richtlinie)3 folgende Kernaussagen in Bezug auf diese Regelung getroffen: –

§ 50d Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG (2007) ist eine allgemeine Missbrauchsvermutung. Es muss daher die Möglichkeit bestehen, einen entlastenden Gegenbeweis zu führen, also wirtschaftliche Gründe zu beweisen. Diese Aussage betrifft die Fallvariante des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG (2007).



Eine Beteiligungsverwaltung ist eine wirtschaftliche Tätigkeit iSd. Mutter-Tochter-Richtlinie und stellt für sich allein keinen Missbrauch dar. Diese Aussage ist relevant für § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG (2007), da diese beiden Fallvarianten regelmäßig für Gesellschaften, die ausschließlich oder im Wesentlichen Beteiligungen verwalten, einschlägig waren.

2 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 und C-613/16, ECLI:EU:C:2017:1009 – Deister Holding und Juhler Holding. 3 Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/13/EU des Rates v. 13.5.2013.

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Konzerngründe sind relevant und dürfen nicht von vorneherein außer Acht gelassen werden. Diese Aussage betrifft § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG (2007), in dem das Verbot der Konzernbetrachtung niedergelegt war.

2. BMF-Schreiben v. 4.4.2018 Mit BMF-Schreiben v. 4.4.20184 hat die Finanzverwaltung zeitnah auf das Urteil des EuGH in der Rs. Deister Holding ua. reagiert. Es stellt eine zielgenaue Umsetzung der unabdingbaren Folgerungen aus dem Urteil dar.5 Der Inhalt des BMF-Schreibens hat den im Folgenden skizzierten Inhalt. Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG (2007) ist bei Ansprüchen nach § 43b EStG nicht mehr anzuwenden. Im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie ist kein unangetasteter Kerngehalt der Regelung verblieben. Für § 50d Abs. 3 EStG (2011) ordnet das BMF-Scheiben eine modifizierte Anwendung bei Ansprüchen nach § 43b EStG an. Es werden die Schlussfolgerungen gezogen, die denknotwendigerweise und aufgrund gleich lautender Bestimmungen auch für die aktuell geltende Fassung des § 50d Abs. 3 EStG erforderlich sind: –

Eine weite Auslegung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG (2011) bei der Frage, ob im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie bei passiver Beteiligungsverwaltung die ausländische Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt;



Keine Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG Satz 2 EStG (2011), dh. im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie können Konzerngründe ausreichend sein.

Im Ergebnis bedeutet dies für die aktuell geltende Fassung des § 50d Abs. 3 EStG, dass diese sich im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-

4 BMF v. 4.4.2018 – IV B 3 - S 2411/07/100016-14 – DOK 2018/0148776, BStBl. I 2018, 589. 5 A.A. Teile der Literatur, die die Auffassung vertreten, dass die Reaktion des BMF inhaltlich nicht hinreichend sei; so Schönfeld, IStR 2018, 325 und Oellerich in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 48.

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Richtlinie auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen wirtschaftlicher Gründe konzentriert. Dem inhaltlich begrenzten Inhalt des Schreibens liegt das Gewaltenteilungsprinzip zugrunde. Hat der EuGH festgestellt, dass eine innerstaatliche gesetzliche Regelung teilweise gegen das Unionsrecht verstößt, kann die Exekutive diese Regelung nur in dem erforderlichen Umfang für nicht anwendbar erklären, um dem Urteil des EuGH Genüge zu tun. Auch die Abwägung zwischen verschiedenen Handlungsoptionen im Hinblick auf eine Neuordnung der betroffenen Norm ist dem Gesetzgeber vorbehalten. Auch hat die Exekutive keine Kompetenz, Regelungen in EU-Richtlinien zu verwerfen. Art. 1 Abs. 3 der Mutter-Tochter-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, eine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift vorzuhalten. Auch unter Berücksichtigung der Aussagen in dem Urteil in der Rs. Deister Holding ua. können passive Beteiligungen missbräuchlich sein. Denn wenn im Rahmen einer Einzelfallprüfung zB keine wirtschaftlich beachtlichen Gründe für die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft vorliegen, dann liegt auch nach unionsrechtlichen Grundsätzen ein Missbrauch vor, und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Vorteile der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht zu gewähren. Die Finanzverwaltung hat die Regelung somit im größtmöglichen Umfang, den das Europarecht zulässt, weiterhin anzuwenden. Eine Ausweitung der Aussagen des Urteils in der Rs. Deister Holding ua. auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie)6 war auch nicht angezeigt. Denn dies würde zunächst eine Feststellung eines Verstoßes gegen die Richtlinie erfordern. Dies steht nicht in der Kompetenz der Exekutive. Auch inhaltlich ist das Urteil in der Rs. Deister Holding ua. nicht eins zu eins auf den Anwendungsbereich der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie übertragbar. Diese enthält in ihrem Erwägungsgrund 3 und abweichend von der Mutter-Tochter-Richtlinie ein Besteuerungsgebot. Die Vorteile aus der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie sind zudem ausdrücklich dem Nutzungsberechtigten vorbehalten. Zum Konzept des Nutzungsberech6 Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten.

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tigten waren im Zeitpunkt des Erlasses des BMF-Schreibens die nunmehr vom EuGH entschiedenen sogenannten dänischen Verfahren7 anhängig. Ein vorgreifendes exekutives Handeln wäre nicht sachgerecht gewesen. Ebenso müsste vor einer Ausdehnung auf (sonstige) DBA-Fälle durch den EuGH ein Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten festgestellt werden. In den Urteilsgründen der Rs. Deister Holding ua. hat der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte unter ausdrücklichem Bezug auf die Mutter-Tochter-Richtlinie (aF) als nicht einschlägig erachtet. Es wird ausgeführt, dass die MutterTochter-Richtlinie selbst die Aufteilung der Besteuerungsrechte regelt: „Ferner ist zur ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten darauf hinzuweisen, dass in der Mutter-Tochter-Richtlinie die Frage dieser Aufteilung dahin geregelt ist, dass den Mitgliedstaaten untersagt wird, auf von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft an ihre gebietsfremde Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne eine Quellensteuer zu erheben.“8

Jenseits des Anwendungsbereichs der Mutter-Tochter-Richtlinie kann diese Wertung mE anders ausfallen. Konsequenterweise schweigt dazu das Urteil. Ebenso ist zu bedenken, dass die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten jedenfalls im Hinblick auf die DBA-Vorteile für Schachteldividenden nicht eröffnet ist. Auch wäre in Fällen des Streubesitzes im Privatvermögen näher zu untersuchen, ob überhaupt eine beschränkend wirkende Ungleichbehandlung vorliegt, da in den inländischen Vergleichsfällen § 8b KStG Anwendung findet.

3. Gesetzgeberisches Handeln erforderlich Unionsrechtlich erforderlicher Änderungsbedarf eines formellen Gesetzes können nicht durch eine bloß norminterpretierende Verwaltungsvorschrift beseitigt werden.9 Bei einer Neuordnung des § 50d Abs. 3 EStG ist aus europarechtlichem Blickwinkel nicht nur der Anlass, dh. das Urteil in der Rechtssache Deister Holding ua. zu berücksichtigen. Vielmehr sind die unionsrechtlichen Vorgaben insgesamt einschließlich weiterer Urtei-

7 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 – N Luxembourg 1 u.a. 8 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 und C-613/16, ECLI:EU:C:2017:1009 Rz. 98 – Deister Holding und Juhler Holding. 9 So zutreffend auch Oellerich in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 48.

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le des EuGH, insbesondere die sogenannten dänischen Verfahren,10 in die Betrachtung mit einzubeziehen.

II. Ziele und Leitplanken 1. Verhinderung von Treaty Shopping und Richtlinien-Shopping Motivation hinter der Regelung des § 50d Abs. 3 EStG ist die Verhinderung von Treaty Shopping und Richtlinien-Shopping. Treaty Shopping und Richtlinien-Shopping – das sich Einschleichen in begünstigende Regelungen – bedeutet, dass ein Ansässiger eines Drittstaats versucht, Zugang zu Abkommens- oder Richtlinienvorteilen zu bekommen, die in einem DBA für die Ansässigen zweier Vertragsstaaten vereinbart sind beziehungsweise in Richtlinien für EU-Angehörige beziehungsweise Gesellschaften der Mitgliedstaaten. Treaty Shopping ist eine Form der Steuerumgehung mittels DBA, Richtlinien-Shopping eine solche mittels EU-Richtlinien. Eingebunden ist dieses Ziel in die steuerpolitischen Ziele des BEPS-Projekts der G20/OECD.

2. Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte DBA-Vertragsstaaten haben auch das Ziel sicherzustellen, dass die Aufteilung der Besteuerungsrechte gewahrt wird. Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte bedeutet ua., dass den in den DBA vereinbarten Besteuerungsrechten der Vertragsstaaten, insbesondere den Quellenbesteuerungsrechten, abkommensgemäße Geltung verschafft wird. Dazu muss zunächst hinreichend sichergestellt und überprüft werden können, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung von DBA-Vorteilen beziehungsweise Richtlinienvorteilen gegeben sind, so zB die Ansässigkeit und die Nutzungsberechtigung für die Begrenzung von Quellenbesteuerungsrechten, die in DBA gewährt werden. Aber auch die Bekämpfung von Abkommensmissbrauch, wie exemplarisch durch § 50d EStG, befördert die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte.

10 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 – N Luxembourg 1 u.a.

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3. Rechtmäßigkeit Eine gesetzliche Regelung hat sich auf dem Grat zwischen einem rechtlichen Gebot, Missbrauch zu verhindern, und den rechtlichen Grenzen zu bewegen. Insbesondere sind die Grenzen des europäischen Primär- und Sekundärrechts und der DBA11 maßgeblich. Es gilt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts in den Grenzen der verfassungsrechtlichen Vorbehalte.

4. Rechtssicherheit Eine Zielsetzung gesetzgeberischen Handelns entspringt dem Gebot der Rechtssicherheit. Einschlägig ist hier der Wunsch, den Missbrauchsbegriff, beziehungsweise den europarechtlichen Grundsatz des Missbrauchsverbots, gesetzlich zu konkretisieren. Dabei stellt sich die Frage, welcher Grad der Konkretisierung möglich und sachgerecht ist.

B. Der europäische Missbrauchsbegriff I. Stellung des Missbrauchsbegriffs im europäischen Steuerrecht 1. Europäisches Primärrecht In Bereichen, in denen Unionsrecht durchgeführt wird, müssen EU-Mitgliedstaaten einen Mindeststandard von Missbrauchsvermeidungsnormen in ihrem Recht haben, ob geschrieben oder ungeschrieben Dies ergibt sich aus dem primärrechtlichen Rechtsgrundsatz des Missbrauchsverbots. Dieses Gebot, Missbrauch zu bekämpfen, gilt nach den Ausführungen in den sogenannten dänischen Verfahren12 in allen Fällen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Damit ist der Grundsatz insbesondere in steuerlichen Teilrechtsgebieten zu beachten, die durch EU-Sekundärrecht geregelt sind, zum Beispiel im Rahmen der Bestimmungen der ATAD I und II, der Mutter-Tochter-Richtlinie, der Zin-

11 Lässt man die verfassungsrechtlich mögliche, aber aus Gründen des Gebots der Völkerrechtsfreundlichkeit möglichst zu vermeidende Option einer Abkommensüberschreibung außen vor. 12 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 77 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 104 – N Luxembourg 1 u.a.

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sen-Lizenzgebühren-Richtlinie13 oder der Fusionsrichtlinie. Der Grundsatz hat unmittelbare Wirkung. Er gilt unabhängig davon, ob im nationalen Recht Vorschriften existieren, die gegen Rechtsmissbrauch gerichtet sind.14 Der Anwendungsbereich des § 42 AO ist folglich unerheblich. Zudem ist das Ziel, Missbrauch zu verhindern, im europäischen Steuerrecht ein Rechtfertigungsgrund unter anderen, falls eine nationale Norm eine Beschränkung einer der europäischen Grundfreiheiten darstellt. Insofern besteht eine Erlaubnis, Missbrauch zu bekämpfen. Die Relevanz des Missbrauchsbegriffs zeigt sich somit aus zwei Perspektiven. Zum einen gebietet das europäische Primärrecht, Missbrauch zu verhindern. Zum anderen haben die EU-Mitgliedstaaten die europäischen Grundfreiheiten zu respektieren und können eine potentielle Beschränkung mit dem Hinweis auf die Verhinderung der Steuerumgehung nur in dem vom EuGH gesetzten Rahmen rechtfertigen. Daraus ergibt sich die Anforderung an den deutschen Gesetzgeber, einerseits dem Gebot, also dem Grundsatz des Missbrauchsverbots, vollumfänglich nachzukommen, und andererseits die Grenzen der Erlaubnis zu respektieren. Was unionsrechtlich ausdrücklich geboten ist, kann jedoch nicht zugleich gegen das Unionsrecht verstoßen. Der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung von Missbrauch kann folglich nicht enger sein als das, was das Gebot, Missbrauch zu verhindern, verlangt. Soweit mitgliedstaatliches Handeln auf einem unionsrechtlichen Gebot der Missbrauchsbekämpfung beruht, erübrigt sich eine Überprüfung der Kompatibilität mit den Grundfreiheiten. Dies hat der EuGH exemplarisch im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie in den sogenannten dänischen Verfahren dargelegt: „Diese Fragen beruhen auf der Annahme, dass die Unanwendbarkeit der Regelung über die Befreiung von der Quellensteuer auf der Feststellung einer Steuerhinterziehung oder eines Missbrauchs im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 90/435 beruht. Nach der oben in Rn. 70 dargestellten Rechtsprechung kann sich eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft dann aber nicht auf die im AEU-Vertrag verankerten Freiheiten berufen, um die nationale Regelung über die Besteuerung

13 Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten. 14 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 83 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 111 – N Luxembourg 1 u.a.

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Bruns – Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) der an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft gezahlten Dividenden anzugreifen“.15

Die Grundsätze der sogenannten dänischen Verfahren stellen somit die Leitplanken „nach oben“ und „nach unten“ dar. Daran sind die Regelungen und Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten aus beiden Perspektiven, der Gebots- und der Verbotsperspektive, zu messen. Der europäische Grundsatz des Missbrauchsverbots gilt im Anwendungsbereich von Vorschriften, die einen Vorteil vorsehen. Da der europäische Missbrauchsbegriff jedoch nur ein einheitlicher sein kann, ist auch außerhalb dieses Anwendungsbereichs davon auszugehen, dass der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung von Missbrauch auch dort nicht enger ist und inhaltlich von den sogenannten dänischen Verfahren geprägt werden muss.

2. Europäisches Sekundärrecht Auch das europäische Sekundärrecht rezipiert das Ziel, Missbrauch zu verhindern. So exemplarisch in der Mutter-Tochter-Richtlinie16 und der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie17. Art. 1 Abs. 2 Mutter-Tochter-Richtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten Vorteile dieser Richtlinie nicht gewähren, wenn – unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände – eine unangemessene Gestaltung oder eine unangemessene Abfolge von Gestaltungen vorliegt, bei der der wesentliche Zweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck dieser Richtlinie zuwiderläuft. Eine Gestaltung kann mehr als einen Schritt oder Teil umfassen. Gemäß Art. 1 Abs. 3 Mutter-Tochter-Richtlinie gilt für die Zwecke von Abs. 2 eine Gestaltung oder Abfolge von Gestaltungen in dem Umfang als unangemessen, wie sie nicht auf triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln. Die Richtlinie steht laut Art. 1 Abs. 4 MutterTochter-Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher 15 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 122 – T Danmark. 16 Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, zuletzt geändert durch Richtlinie 2013/13/EU des Rates v. 13.5.2013. 17 Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten.

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Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerbetrug oder Missbrauch nicht entgegen. Bei der Befreiung von konzerninternen Gewinnausschüttungen hat der EuGH entschieden, dass auf die Person des Nutzungsberechtigten der Gewinnausschüttungen abzustellen ist, obwohl der Wortlaut der Richtlinie diesen Begriff nicht enthält.18 Die Prüfung der Voraussetzung der Nutzungsberechtigung ist dabei eine tatbestandliche Voraussetzung und keine den Missbrauch abschließend bestimmende Regelung.19 Auch bei Bejahen der Nutzungsberechtigung können die Richtlinienvorteile verweigert werden, wenn ein Missbrauch vorliegt. Die Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie regelt in Art. 5 Abs. 1, dass diese Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch nicht entgegensteht. Laut Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten im Fall von Transaktionen, bei denen der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung, die Steuerumgehung oder der Missbrauch ist, den Rechtsvorteil dieser Richtlinie entziehen, beziehungsweise die Anwendung dieser Richtlinie verweigern. Im Erwägungsgrund 3 ist zudem ein Besteuerungsgebot niedergelegt; einmal soll die Vergütung besteuert werden. Die Befreiung der Einkünfte aus Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb eines Konzerns ist gemäß Art. 1 Abs. 1 der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie zudem davon abhängig, dass der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig ist. Auch hier verdrängt mE die Prüfung der Voraussetzung der Nutzungsberechtigung als eine tatbestandliche Voraussetzung nicht die Prüfung, ob Missbrauch vorliegt.

II. Inhalt des Missbrauchsbegriffs Der europäische Missbrauchsbegriff, war vor den sogenannten dänischen Verfahren von der Entscheidung in der Rechtssache Cadbury Schweppes20 geprägt. Hauptaugenmerk war auf die Frage gerichtet, ob eine Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr vorlag. Davon war jedenfalls bei rein künstlichen Gestaltungen nicht auszugehen. In den sogenannten dä-

18 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 111–113 – T Danmark. 19 So im Ergebnis auch das Urteil des EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 – T Danmark. 20 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04, ECLI:EU:C:2006:544 – Cadbury Schweppes.

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nischen Verfahren21 hat der EuGH seine Rechtsprechung jedoch im Sinne eines Hauptzweck-Tests fortentwickelt.22 Der in diesen Verfahren dargelegte europäischen Missbrauchsbegriff ist der Missbrauchsbegriff, der im EU-Mehrwertsteuerrecht gilt und der ein Verfehlen des objektiven Ziels einer Regelung nebst entsprechender Absicht voraussetzt.23 Dabei reicht es für die Erfüllung des subjektiven Elements im Steuerrecht aus, dass nur einer der Hauptzwecke der Gestaltung die Erreichung eines Steuervorteils ist.24 Im Ergebnis bedeutet dies in der steuerlichen Praxis, dass zunächst die Finanzverwaltung hinreichende Indizien für einen Rechtsmissbrauch feststellen muss, woraufhin der Steuerpflichtige grundsätzlich die Gelegenheit hat, den entstandenen Anschein eines Missbrauchs zu widerlegen.25 Als taugliche Indizien für eine missbräuchliche, „künstliche“ Gestaltung erkennt der EuGH im Kontext der Quellensteuerbefreiung von Dividenden- und Zinszahlungen im Konzern nach der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Folgendes: –

Die unmittelbare Weiterleitung von Dividenden oder Zinsen an eine Person, die nicht die Voraussetzungen der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie erfüllt;26

21 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 – N Luxembourg 1 u.a. 22 Inhaltlich liegt eine Weiterentwicklung vor, auch wenn der EuGH formal Bezug auf den Begriff der – üblicherweise mit dem EuGH-Urteil Cadbury Schweppes verbundenen – „künstlichen Gestaltung“ (vgl. nur EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 81, 98 und 100 f. – T Danmark) nimmt. 23 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 124 f. – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 97 f. – N Luxembourg 1 u.a. 24 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 107 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 79 – N Luxembourg 1 u.a. 25 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 126 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 99 – N Luxembourg 1 u.a. 26 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 128 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 101 – N Luxembourg 1 u.a.

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die Beschränkung der Tätigkeit einer zwischengeschalteten Gesellschaft auf den Bezug und die Weiterleitung von Dividenden oder Zinseinkünften;27



die fehlende Verfügungsberechtigung einer zwischengeschalteten Gesellschaft über die Dividenden- oder Zinseinkünfte;28



einen strukturell unerheblichen Gewinn einer zwischengeschalteten Gesellschaft;29



den zeitlichen Zusammenhang einer Umstrukturierung mit einer Änderung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen sowie30



(Zins-)Vereinbarungen zwischen Konzerngesellschaften, die der Gewinnverlagerung dienen.31

Stets muss der Steuerpflichtige grundsätzlich die Gelegenheit haben, den entstandenen Anschein eines Missbrauchs zu widerlegen. Insoweit liegen die sogenannten dänischen Verfahren auf einer Linie mit der entsprechenden Aussage in der Rs. Deister Holding ua.32, dass bei der allgemeinen Missbrauchsvermutung in § 50d Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EStG (2007) die Möglichkeit bestehen muss, einen entlastenden Gegenbeweis zu führen.

C. Der DBA-rechtliche Missbrauchsbegriff I. Stellung des Missbrauchsbegriffs in DBA Auch in DBA finden sich Regelungen, deren Zielsetzung die Verhinderung von Missbrauch ist. 27 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 131 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 104 – N Luxembourg 1 u.a. 28 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 132 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 105 – N Luxembourg 1 u.a. 29 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 130 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 103 – N Luxembourg 1 u.a. 30 EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 106 – N Luxembourg 1 u.a. 31 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 132 – T Danmark. 32 EuGH v. 20.12.2017 – C-504/16 und C-613/16, ECLI:EU:C:2017:1009 – Deister Holding und Juhler Holding.

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Entsprechend der Präambel laut OECD-MA 2017 sollen die DBA, die insbesondere der Beseitigung von Doppelbesteuerungen verpflichtet sind, keine Gelegenheiten zur Nicht-Besteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerflucht oder Steuervermeidung eröffnen. DBA sollen also nicht dazu genutzt werden können, Steuern missbräuchlich zu vermeiden. Diese Maxime kann bei der Auslegung bestimmter Abkommensvorschriften Bedeutung erlangen. Darüber hinaus enthalten DBA aber auch spezifische Voraussetzungen in Aufteilungsnormen und spezifische eigenständige DBA-Regelungen, um Abkommensmissbrauch zu verhindern. Mit dieser Motivation wurde zB im OECD-MA 1977 das Konzept des Nutzungsberechtigten eingeführt. 2014 wurde dieses Konzept näher betrachtet und der OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA entsprechend erweitert. Eine spezifische eigenständige Regelung findet sich zum Beispiel seit dem Update 2017 in Art. 29 Abs. 8 OECD-MA. Sie greift bei Fällen, in denen ansonsten der Quellenstaat Abkommensvorteile auf Einkünfte gewährt, die einer nicht oder niedrig besteuerten Betriebsstätte in einem Drittstaat zuzurechnen sind. Im weitesten Sinne können auch Regelungen, die Qualifikationskonflikte vermeiden oder auflösen, als Regelungen zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch eingestuft werden, wie zB Art. 1 Abs. 2 OECD-MA. Denn Qualifikationskonflikte können nicht nur zu unerwünschter Doppelbesteuerung führen, sondern auch für missbräuchliche Gestaltungen genutzt werden. Des Weiteren enthalten mache DBA Regelungen, die bestimmte Rechtsträger generell von der Abkommensberechtigung ausnehmen, wenn mit diesen Rechtsträgern typischerweise unangemessene Gestaltungen verbunden sind.33 In einigen DBA wird der Kreis der durch DBA begünstige Personen mit Hilfe von Limitation-of-Benefits-Klauseln eingegrenzt. Eine derartige Klausel enthält seit dem Update 2017 der Art. 29 Abs. 1–7 OECD-MA. Auch in dem Methodenartikel von DBA sind Regelungen verankert, die das Ziel verfolgen, seitens der Vertragsstaaten unerwünschte Abkommensvorteile zu verhindern. Zum Beispiel Aktivitätsvorbehalte, die die Freistellung davon abhängig machen, dass die freigestellten Einkünfte aus einer bestimmten aktiven Tätigkeit stammen. Damit wird insbesondere einer Verlagerung bestimmter mobiler betrieblicher Teilfunktionen

33 ZB Protokoll Nr. 2c zum DBA Deutschland-Liechtenstein.

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in eine Freistellungsbetriebsstätte entgegengewirkt.34 Im Methodenartikel verfolgen auch Subject-to-Tax-Klauseln das Ziel, Abkommensmissbrauch zu verhindern. Sie machen die Anwendung der Freistellungsmetode davon abhängig, dass die freigestellten Einkünfte im Quellenstaat tatsächlich einer Besteuerung unterliegen.35 Des Weiteren enthalten DBA auch Öffnungsklauseln, die die Anwendung nationaler Vorschriften, die das Ziel verfolgen, Missbrauch zu verhindern, ausdrücklich erlauben. Der Vorbehalt innerstaatlicher Missbrauchsregelungen in Art. 28 Abs. 1 der deutschen Verhandlungsgrundlage 2013 lautet zB wie folgt: „Dieses Abkommen ist nicht so auszulegen, als hindere es 1. einen Vertragsstaat, seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung anzuwenden; 2. die Bundesrepublik Deutschland, die Beträge zu besteuern, die nach dem Vierten, Fünften und Siebten Teil des deutschen Außensteuergesetztes in die Einkünfte einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person einzubeziehen sind.“

Zudem wurde mit Update des OECD-MA zum November 2017 in Art. 29 Abs. 9 OECD-MA ein Principal-Purpose-Test (PPT) als allgemeiner Missbrauchsvorbehalt eingefügt. Regelungszweck ist die Verhinderung jeglichen Abkommensmissbrauchs eines konkreten DBA. Die Maßnahme ist Ausfluss des Abschlussberichts zu Aktionspunkt 6 des OECD/G20 BEPSProjekts.36 Die Abgrenzung und Konkurrenz dieser Regelungen untereinander und zu nationalen und europarechtlichen Missbrauchsvermeidungsregelungen ist jeweils im Einzelnen zu betrachten.37 Zum Teil ist im DBA selbst das Verhältnis ausdrücklich oder konkludent geregelt. In Art. 29 Rz. 58 OECD-MK ist zusammenfassend festgehalten, dass grundsätzlich kein Konflikt zwischen den DBA und den innerstaatlichen Missbrauchsvermeidungsregelungen besteht. Entspricht die Anwendung einer nationalen Vorschrift wie zB § 50d Abs. 3 EStG (im Ergebnis) dem abkommensrechtlichen Missbrauchsbegriff, liegt in dieser Regelung kei-

34 ZB Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA Deutschland-Schweiz. 35 ZB Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 2 DBA Deutschland-USA. 36 OECD (2015), „Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances“, Action 6 – 2015 Final Report, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project. 37 Hierzu näher Bruns in Schönfeld/Ditz, DBA2, Art. 29, Rz. 11–27 mwN.

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ne Abkommensüberschreibung.38 Hervorzuheben als eines der grundlegenden Prinzipien ist zudem, dass eine spezifische Norm die Anwendung einer allgemeinen (Missbrauchsvermeidungs-)Norm nur dann sperren kann, wenn und soweit erstere eine abschließende Regelung enthält, dh. zugleich die Aussage enthält, dass im betreffenden Regelungsbereich nur dann ein Missbrauch vorliegt, wenn die dort stipulierten Voraussetzungen erfüllt sind.

II. Inhalt des Missbrauchsbegriffs Als allgemeine Missbrauchsregelung beschreibt der PPT zugleich einen DBA-rechtlichen Missbrauchsbegriff, auf den sich die OECD-Mitgliedstaaten und Staaten des Inclusive Frameworks verständigt haben. Nach Art. 29 Abs. 9 OECD-MA werden ungeachtet der anderen Bestimmungen dieses Abkommens Vorteile dieses Abkommens für bestimmte Einkünfte und bestimmtes Vermögen nicht gewährt, wenn unter Berücksichtigung aller Fakten und Umstände davon ausgegangen werden kann, dass einer der Hauptgründe für eine Vereinbarung oder eine Transaktion, die direkt oder indirekt diesen Vorteil bewirkt hat, das Erzielen dieses Vorteils war, und wenn nicht belegt werden kann, dass unter den gegebenen Umständen die Gewährung dieses Vorteils dem Sinn und Zweck der jeweiligen Abkommensbestimmung entsprochen hat. Seitens der Finanzverwaltung muss das Bestehen einer begründeten Annahme dargelegt werden. Die Beweislast für den möglichen Gegenbeweis liegt beim Steuerpflichtigen. Bei Eingreifen der Regelung ist der festgestellte DBAVorteil nicht zu gewähren.

D. Ausblick und Fazit I. Fragestellungen im Rahmen einer Neuordnung Vor diesem Hintergrund der Zielsetzungen (Verhinderung von Treaty Shopping und Richtlinien Shopping, Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsrechte), dem Gebot der Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit, dem europarechtlichen Gebot, Missbrauch zu verhindern, der zugleich bestehenden europarechtlichen Grenzen für derartige Regelungen und unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Regelungen stellen sich im 38 Enthält ein DBA einen Vorbehalt der Anwendung nationaler Missbrauchsvermeidungsregelungen, steht schon aufgrund dieser Regelung das DBA einer Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG nicht entgegen.

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Rahmen der Überlegungen zu einer möglichen Neuordnung des § 50d Abs. 3 EStG neben den europa- und DBA-rechtlichen Fragen insbesondere die folgenden: –

Welche Fallgruppen sind vom Gesetzgeber unerwünscht und sollen von einer Missbrauchsregelung erfasst werden?



Welche unerwünschten Gestaltungen sind bereits aufgrund anderer Regelungen und Voraussetzungen erfasst, zB mittels der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung (Ansässigkeit, Nutzungsberechtigung)?



Wie soll die Rechtsfolge bei Eingreifen der Missbrauchsregelung gestaltet sein? Rechtsfolge von § 50d Abs. 3 EStG wie auch des PPT ist, dass der festgestellte DBA- oder Richtlinienvorteil nicht zu gewähren ist. Auch laut Urteil des EuGH in den sogenannten dänischen Verfahren sind die Vorteile aus der Mutter-Tochter-Richtlinie beziehungsweise der Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie zu versagen, wenn der Empfänger nicht Nutzungsberechtigter ist. Die Finanzverwaltung muss nicht ermitteln, wer der Nutzungsberechtigte ist.39 Hierin unterschieden sich die Regelungen wesentlich von § 42 AO, der als Rechtsfolge die steuerlichen Normen auf die „angemessene rechtliche Gestaltung“ anwendet.



Welchen Konkretisierungsgrad soll § 50d Abs. 3 EStG erhalten? Denkbar ist die Formulierung einer Generalklausel oder das Bilden von Fallgruppen oder die Formulierung einer Generalklausel mit einem oder mehreren Regelbeispielen.

II. Fallgruppen Bei der Fragestellung, welche Fallgruppen von einer Missbrauchsregelung erfasst werden sollen, werden insbesondere die folgenden zu untersuchen und zu bewerten sein: –

Das Treaty Shopping und Richtlinien Shopping als Kernbereich der Regelung des § 50d Abs. 3 EStG. Hierbei geht es um Umgehungstatbestände im engeren Sinne.



Bei Mäanderstrukturen innerhalb der EU und Beteiligungsketten ohne deutschen Kapitalertragsteuerschuldner liegen Gestaltungsfälle

39 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16 und C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135 Rz. 118 – T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C 115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134 Rz. 143 – N Luxembourg 1 u.a.

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Bruns – Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG)

ohne Steuervorteil im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer vor. Es ist zu untersuchen und zu bewerten, inwieweit diese missbräuchlich sein können. –

Die Fallgruppe der Briefkasten- und Scheinfirmen betrifft im Kern die Frage nach Ansässigkeit und Substanz. Es sind Fälle, bei denen die Voraussetzungen für eine Entlastungsberechtigung nach DBA oder (ins nationale Recht umgesetzter) Richtlinie bereits fehlen.



Bei Geldkofferfällen ist bereits der Steuerabzug nicht erfolgt. Hier geht es im Kern um Steuerhinterziehungsfälle und die erforderliche Ermittlung von Tatsachen.

III. Fazit Anlass für den unionsrechtlich erforderlichen Änderungsbedarf des § 50d Abs. 3 EStG ist das Urteil in der Rechtssache Deister Holding ua. Es kann aber sicherlich davon ausgegangen werden, dass die zu erwartende Neuordnung des Treaty und Richtlinien Shopping sich stark an den Leitlinien der sogenannten dänischen Verfahren orientierten wird. Durch diese Urteile wurde nicht nur der europäische Missbrauchsbegriff – jedenfalls in einem gewissen Grad – konkretisiert. Durch diese Urteile ist auch das Gebot, Missbrauch zu bekämpfen, stärker in den Fokus gerückt. Eine nationale Regelung zur Verhinderung von Treaty und Richtlinien Shopping, die diesen Missbrauchsbegriff rezipiert, fügt sich zudem auch unabhängig von einem Vorbehalt innerstaatlicher Missbrauchsregelungen im DBA in den abkommensrechtlichen Missbrauchsbegriff ein.

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Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG) Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Gerrit Frotscher Rechtsanwalt, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Johannes Baßler Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner, Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft GmbH, Hamburg

MRin Silke Bruns Bundesministerium der Finanzen, Berlin

Prof. Dr. Frotscher Frau Bruns, herzlichen Dank für diese Übersicht. Sie sehen, das Podium hat sich etwas geleert. Herr Baßler, wollen Sie dazu kurz etwas sagen? Dr. Baßler Dieser Vortrag ist ein bisschen ein Auf und Ab der Gefühle für den geneigten Leser gewesen. Dass im Ausgangspunkt der § 50d Abs. 3 EStG in der aktuellen Fassung keine Missbrauchsvermeidungsvorschrift war und ist – ich glaube, da besteht weitestgehend Konsens, weil er einfach zu weit ist, um nur Missbräuche zu erfassen. Ich glaube, jeder in der Beratungspraxis kennt Fälle, wo man sagt: Der fällt zwar subsumtorisch darunter, aber es ist eigentlich kein Missbrauchsfall. Die klassischen Fälle waren, die kennen Sie wahrscheinlich auch, historisch bedingt gewachsene Strukturen, die aber trotzdem dann tatbestandsmäßig hineinfielen. Missbrauch im engeren Sinne war das natürlich nie. Dann hat man bei Deister gejubelt und hat gesagt, okay, jetzt ist er endgültig ruiniert. Der Gesetzgeber hat eigentlich lange genug die Augen verschlossen vor diesem Missstand, jetzt hat der EuGH dankenswerterweise mal die rote Kelle ausgepackt und gesagt: So geht’s nicht! Dann kamen die Danmark-Fälle. Die Finanzverwaltung hat darauf gewartet, auch zu Recht. Sie haben das dankenswerterweise nachgezeichnet.

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Wenn man jetzt im Rahmen einer Neufassung wieder mit Indizien arbeiten will, dann kann einen natürlich das Gefühl beschleichen, dass man seitens des Bundesfinanzministeriums vielleicht doch wieder in die alte Richtung denkt. Ich bin kein großer Fan davon, weil man im Rahmen der Planung dasteht und sich fragt: Passt das oder passt das nicht? Ich würde hier an dieser Stelle einmal eine ganz steile These wagen: Wenn der § 50d Abs. 3 EStG abgeschafft würde, würde sich nach der Rechtsprechung des EuGH – ich rede jetzt selbstverständlich nur für die europäischen Fälle –, tatsächlich ein substantielles Minderergebnis ergeben? Sie haben die Vorschriften genannt, die wir aus dem europäischen Recht haben, und wenn man den § 42 AO noch dazu nimmt, der vielleicht nicht zu 100 % in die Konzeption der Subjektiv-objektiv-Relation passt, die in den Danmark-Fällen aufgeführt wurde, wäre man im Grundsatz in einer Situation, wo man sagt: Vielleicht brauchen wir § 50d Abs. 3 EStG gar nicht. Prof. Dr. Frotscher Darf ich dazu vielleicht gleich etwas sagen? Denn das war auch die Frage, die ich stellen wollte. Brauchen Sie den § 50d Abs. 3 EStG eigentlich? Dazu möchte ich auf die Dänemark-Fälle des EuGH verweisen, in denen er seine Rechtsprechung zu Missbrauch deutlich verschärft hat.1 Dr. Baßler War nicht abgesprochen! Prof. Dr. Frotscher Wobei ich, anders als Herr Baßler, der Ansicht bin, dass die DänemarkFälle für den Steuerpflichtigen viel gefährlicher sind als der § 50d Abs. 3 EStG. Der EuGH hat in diesen Urteilen ganz präzise, und zwar unüblich präzise, Indizien angegeben, die nach seiner Ansicht die Annahme eines Missbrauchs rechtfertigen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es soll ein Kennzeichen für Missbrauch sein, wenn bei der zwischengeschalteten Gesellschaft kein wesentlicher Gewinn verbleibt. Das ist objektiv feststellbar, und das geht weit über das hinaus, was § 50d Abs. 3 EStG sagt. 1 EuGH v. 26.2.2019 – C-116/16, C-117/16, ECLI:EU:C:2019:135, IStR 2019, 266 – Y Denmark, T Danmark; EuGH v. 26.2.2019 – C-115/16, C-118/16, C-119/16, C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134, IStR 2019, 308– N Luxemburg 1, X Denmark, C Danmark I, Z Denmark ApS.

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Der EuGH hat auch zwei Aussagen gemacht, die mich sehr überrascht haben: Es ist nicht erforderlich, dass im nationalen Recht Missbrauchsvermeidungsvorschriften enthalten sind. Es gibt das europarechtliche Gebot, dass Missbrauch zu vermeiden ist, und das haben die Staaten zu beachten, unabhängig davon, ob eine entsprechende nationale Vorschrift besteht oder nicht. Und dann ein weiterer Punkt: Frau Bruns, Sie haben in Ihrem Vortrag die Rechtfertigungsebene herangezogen, um die Vereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem europäischen Recht zu begründen. Der EuGH sagt aber, es sei gar keine Frage der Rechtfertigung. Wenn Missbrauch vorliege, sei der Regelungsbereich der Grundfreiheiten gar nicht eröffnet, die Grundfreiheiten schon im Tatbestand überhaupt nicht anwendbar. Gleiches gelte für die Richtlinien. Der Steuerpflichtige kann sich dann überhaupt nicht auf die Grundfreiheiten oder die Richtlinien berufen. Somit stellt sich die Frage der Rechtfertigung überhaupt nicht. Wenn die vom EuGH genannten Indizien für den Missbrauch erfüllt sind, also die zwischengeschaltete Gesellschaft non-beneficial owner ist, dann entfällt die Erstattungsberechtigung für die Abzugsteuer schon dem Grunde nach. Es stellt sich jetzt natürlich die Frage: Wie steht das im Verhältnis zu den DBA? Der EuGH hat an gleicher Stelle dazu eine Aussage gemacht, bei der mir allerdings ganz unklar ist, wie er das begründen will: Wenn die Muttergesellschaft, die diese andere Gesellschaft zwischengeschaltet hat, nach dem DBA die gleiche Berechtigung zur Reduzierung der Abzugsteuer hat wie die zwischengeschaltete Gesellschaft, dann schließe das Missbrauch nicht aus. Es könne immer noch Missbrauch vorliegen. Auch das wäre eine Regelung, die weit über § 50d Abs. 3 EStG in der gegenwärtigen Form hinausginge. Bruns Zum Verhältnis von Rechtfertigungsebene und Missbrauchsverbot gilt meiner Auffassung nach Folgendes: Soweit mitgliedstaatliches Handeln auf einem unionsrechtlichen Gebot der Missbrauchsbekämpfung beruht, erübrigt sich eine Überprüfung der Kompatibilität mit den Grundfreiheiten. Das hat der EuGH in der Rechtssache T Danmark ua. auch sehr klar zum Ausdruck gebracht. Wenn eine steuerliche Gestaltung gegen den Grundsatz des Missbrauchsverbots verstößt, erübrigt sich eine Überprüfung der Kompatibilität mit den Grundfreiheiten, kommt es somit auch nicht mehr auf die Rechtfertigungsebene an. Das gilt innerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts, also soweit Unionsrecht durch-

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geführt wird, dh. insbesondere im Richtlinienbereich. In Bereichen, in denen kein Unionsrecht durchgeführt wird, gibt es aber noch keine klare Aussage des EuGH, dass bei Missbrauch eine Berufung auf die europäischen Grundfreiheiten verwehrt ist. Daher ist die Rechtfertigungsebene weiterhin relevant und ist näher zu betrachten. Im Ergebnis ergibt sich aber kein Unterschied zwischen Fällen innerhalb und außerhalb der Bereiche, in denen Unionsrecht durchgeführt wird. Denn es gibt einen einheitlichen europäischen Missbrauchsbegriff. Er ist derselbe unabhängig davon, ob die EU-Mitgliedstaaten ihn als Gebot, Missbrauch zu vermeiden, zu erfüllen haben, oder ob er eine Rechtfertigung für ein staatliches Handeln darstellt. Die Leitplanken von Gebot und Erlaubnis müssen sich treffen, weil, wie gesagt, das, was geboten ist, nicht verboten sein kann. Darauf beruht auch das Bestreben, diesen europäischen Missbrauchsbegriff in einer nationalen Regelung niederzulegen. Zur Frage, ob wir § 50d Abs. 3 EStG eigentlich noch brauchen, folgende Antwort: Zunächst gilt das europarechtliche Gebot, Missbrauch zu bekämpfen, unmittelbar nur in Bereichen, in denen Unionsrecht durchgeführt wird. Des Weiteren können die beiden Urteile in den dänischen Verfahren nicht umfassend die Funktion einer gesetzlichen Regelung ersetzen. Ich gehe davon aus, dass es allgemein wünschenswert ist, in einer gesetzlichen Regelung klarzustellen, was gilt. Und das sowohl für die Bereiche, in denen Unionsrecht durchgeführt wird, als auch für die Bereiche, in denen kein Unionsrecht durchgeführt wird. Soll im Ergebnis das Gleiche gelten, also aus europarechtlicher Sicht einmal aufgrund eines Gebots und einmal aufgrund einer Erlaubnis, nationale bzw. abkommensrechtliche Missbrauchsvermeidungsvorschriften anzuwenden, sollte dies gesetzlich deutlich gemacht werden. Zudem zielt eine gesetzliche Regelung auch darauf ab, den europäischen Missbrauchsbegriff zu konkretisieren. Denn wie auch Sie zu Recht sagen, sollten die Aussagen in den dänischen Verfahren in ein Konzept eingebunden werden. Und das ist dem Grunde nach das, was Aufgabe und Herausforderung einer Neuordnung des Treaty- und Richtlinien-Shoppings ist. Dieser Aufgabe nimmt sich das BMF derzeit an. Eine der zu beantwortenden Fragen in dem Zusammenhang ist, inwieweit eine allgemeine Formulierung des Missbrauchsverbots genügt oder inwieweit es hilfreich und sachgerecht ist, entweder Regelbeispiele oder Indizien auszuformulieren. Diesbezüglich sind wir, wie gesagt, auch noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung gekommen. Damit werden wir uns in den nächsten Wochen intensiver befassen.

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Podiumsdiskussion: Neuordnung des Treaty Shopping (§ 50d Abs. 3 EStG)

Prof. Dr. Frotscher Frau Bruns, ich bin Jurist und habe natürlich gar nichts gegen eine gesetzliche Regelung. Ich wollte auch nur ein bisschen provozieren. Herr Baßler, Sie wollten noch etwas sagen. Dr. Baßler Vielleicht eine Frage: Habe ich das gerade richtig verstanden, dass Sie sich durchaus vorstellen können, den Missbrauchsbegriff abkommensrechtlich zu Drittstaaten anders zu verstehen als den Missbrauchsbegriff innerhalb der europäischen Union auf Basis der Richtlinien? Bruns Nein. Ich würde sagen, dass die Gefahr einer Unklarheit besteht und daher eine gesetzliche Regelung sachgerecht ist. Prof. Dr. Frotscher So, dann darf ich das Publikum fragen, ob da Stellungnahmen sind. Das ist nicht der Fall. Doch, da hinten! Dr. von Schweinitz2 Frau Bruns, ich wollte Sie noch fragen: Wir haben jetzt eine sehr schwierige Gemengelage. Es gibt ja, zumindest in der amerikanischen Abkommenspolitik, sehr konkrete Vorschriften gegen den Missbrauch der Abkommensberechtigung. Wäre es nicht alternativ denkbar, dass man subsumtionsfähige Normen schafft, die sich an so einer Typologie orientieren? Denn sonst landen wir letztlich in der Unschärfe einer § 42 AOähnlichen Dogmatik und schwimmen wieder. Bruns Im Grunde sprechen Sie die Frage an, wie der BEPS-Mindeststandard, Abkommensmissbrauch zu verhindern, am besten umgesetzt werden sollte. Im Rahmen des Multilateralen Instruments gibt es zwei mögliche Wege. Entweder durch Vereinbarung einer „simplified limitation of benefits“Klausel, die sehr konkrete Vorschriften gegen den Missbrauch von DBA formuliert und die zB in unserem DBA mit den USA und auch im DBA 2 Dr. Oliver von Schweinitz, LL.M. (Duke NC) ist Partner bei LPA-GGV in Hamburg.

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mit Japan in einer abgespeckten Version enthalten ist, oder eben durch Vereinbarung einer allgemeinen Missbrauchsregelung, den Principal-Purpose-Test. Deutschland hat sich im Rahmen des Multilateralen Instruments bewusst für den Principal-Purpose-Test und nicht für eine „simplified limitation of benefits“-Klausel entschieden. Zum einen ist eine „simplified limitation of benefits“-Klausel meiner Auffassung nach zu scharf, weil sie schon bei der Abkommensberechtigung ansetzt. Sie verweigert schon von vornherein den Einstieg in einen potentiellen Abkommensschutz. Zum anderen ist eine „simplified limitation of benefits“Klausel eine sehr komplexe und in der Praxis schwer administrierbare Vorschrift. In den USA mag dies aufgrund langjähriger Erfahrung funktionieren. Auch, weil diese Regelung im Kern das US-amerikanische nationale Recht abbildet. Treffen in einem bilateralen oder multilateralen Kontext unterschiedliche Rechtssysteme aufeinander, gibt es eine Grenze der Kompatibilität und Praktikabilität, wie detailliert Missbrauchsregelungen ausgestaltet werden können. Vor diesem Hintergrund hat sich Deutschland bei der Abwägung, wie der Mindeststandard zu erfüllen ist, für den Principal-Purpose-Test, also für eine allgemeine Missbrauchsvermeidungsregelung entschieden. Ich gebe Ihnen recht, dass dadurch die Herausforderung entsteht, eine sehr abstrakte Vorschrift mit Leben zu füllen. Überträgt man diese Gedanken auf den § 50d Abs. 3 EStG, haben Sie genau die Fragen formuliert, auf die wir in näherer Zukunft eine Antwort finden müssen: Wie konkret können wir werden, wie konkret müssen wir werden und wie konkret sollen wir werden? Prof. Dr. Frotscher Frau Bruns, herzlichen Dank für Ihre interessanten Ausführungen.

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Stichwortverzeichnis § 42 AO 160, 168, 172, 175 § 1 AStG 29 ff., 49, 78, 82 ff., 87 f., 154 – unionsrechtliche Verhältnismäßigkeit 36 § 50d Abs. 3 EStG 153 ff., 171 ff.

– Principal-Purpose-Test 166, 176 – Verständigungsverfahren 89 ff. – Schiedsklausel 93 Drittstaatengesellschaft – Einlagenrückgewähr 16 ff., 23 ff., 36 ff., 54 ff., 73 ff.

Aktivitätsvorbehalt 165 Allokation s. auch Pillar 1 – Debatte 124 ff., 137 ff., 145 – Besteuerungsrechte 54, 158 Arbeitnehmerkriterien 5

Einkünftekorrektur 29 ff., 83 Einkünftequalifikation 5 ff. Einlagenrückgewähr s. auch Drittstaatengesellschaft – § 27 KStG 22, 24 f. – Grundsätze 18 f. – Steuerneutralität 23 EU-Schiedskonvention 89 ff., 93, 103 EU-Streitbeilegungsrichtlinie – Beratender Ausschuss 92 – Effizienz-Kriterien 92 f. – Verfahren 89 ff.

BEPS-Projekt 45 f., 88 f., 94 f., 131, 144, 158, 166, 175 – Doppelbesteuerung 87 f., 94 ff., 101 Betriebsausgabe – fiktive Hinzurechnung 17 ff. – Kürzung bei Einlagenrückgewähr 17 ff. Buch- und Belegnachweis 114 ff. – Beweislastverteilung 116 f. Cash Pool 76 Country-by-Country-Reporting 127 f. Darlehensverzicht 29 ff. DBA s. Doppelbesteuerungsabkommen DBA-Belgien 31 ff. DBA-Frankreich 2 ff. DBA-Österreich 14 f. DBA-Schweden 2 ff. DBA-Schweiz 2 ff., 8 DBA-Ungarn 14 f. Digital Service Tax 101 f. Doppelbesteuerungsabkommen – Aktivitätsvorbehalt 165 f. – Auslegung 5 ff., 43 ff. – BEPS 45 f. – Methodenartikel 10, 165 f. – Missbrauchsbegriff 164 ff. – Öffnungsklausel 166

Fremdvergleich 26 ff., 31 ff., 37 ff., 59 ff., 78 ff., 88 Fusionsrichtlinie 160 ff. Grundfreiheit 82, 157, 160, 173 f., 182; s. auch Kapitalverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit Horizontal Monitoring 94 Inclusive Framework 123 f., 132, 135, 138, 167 International Compliance Assurance Programme (ICAP) 94, 102 Joint Audit 46, 94, 99, 102 Kapitalverkehrsfreiheit 16, 20 ff., 157 Konsignationslager 107 ff., 119 f. Konzerndarlehen 25 ff., 59 ff., 72 ff., 77 – Fremdüblichkeit 26 f., 36 ff., 59 ff., 72 ff., 78 ff.

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Stichwortverzeichnis – Verrechnungspreis 74 – Zinsertrag 80 ff. Konzernfinanzierung s. Konzerndarlehen Konzernrückhalt 27 f., 59 ff., 63 f., 72 ff., 78 Künstlerbegriff 1 ff., 11 ff. Leistung – grenzüberschreitende steuerbare 105 ff. Leistungsfähigkeitsprinzip 61 ff., 71, 87 Lex-fori-Klausel 54 Lichtdesigner 1 ff., 43 ff. Lieferung, innergemeinschaftliche – Steuerbefreiung 114 ff., 121 f. Limitation-of-Benefits-Klausel 165, 175 f. Meldung, zusammenfassende 115, 119 ff. Mindestbesteuerung 131 ff.; s. auch Pillar 2 Missbrauchsbegriff – ATAD I/ATAD II 159 f. – DBA 164 ff. – Europäisches Primärrecht 159 ff. – Europäisches Sekundärrecht 161 ff. – Relevanz 159 – Inhalt 162 ff. MOSS-Verfahren 107 Multilaterales Instrument (MLI) 90, 175 f. Mutter-Tochter-Richtlinie 155 ff., 159 ff. New Approach 5 ff., 47 ff. Niederlassungsfreiheit 33 ff. Nutzungsentgelt 35 OECD – Ansatz zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft 123 ff. – Verrechnungspreisrichtlinien 75

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OECD-Musterkommentar 5 ff., 44 ff. – Normenhierarchie 9 f. Patronatserklärung 35 Pillar 1 98 ff., 124 ff., 137 ff., 146 f. – Amount A 126 ff., 146, 149 – Amount B 126 f. – Amount C 126 f. – Automated Digital Services 128 – Bemessungsgrundlagenermittlung 130 – Consumer-Facing Business 128, 140 f. – Gewerbesteuer 149 f. – marketing intangibles 125 – Nexus Marktstaat 130 – Profitabilitätsschwelle 128 f. – significant economic presence 125 – Umsatzschwelle 127, 130 – Unified Approach 126 ff. – user participation approach 124 f. – ten-over-ten-Regelung 129 Pillar 2 98 ff., 124, 131 ff., 137 ff., 141 ff. – Bemessungsgrundlage 133 – Blending 134, 141 ff. – Bürokratieaufwand 135 – Global Anti-Base Erosion 132 – Grandfathering US-GILTI 134, 141 ff. – Inbound/Outbound 132, 149 f. – Income-Inclusion-Regelung 132, 142 – Mindeststeuerniveau 141 – steuerpolitische Zielsetzung 131 – Subject-to-Tax-Regelung 132, 166 – Switch-over-Regelung 132 – Top-Up-Rate 132 f. – Undertax-Payment-Regelung 132 Principal-Purpose-Test 166, 176 Qualifikationsverkettung 1, 5 ff., 14, 47 ff. Quick Fixes 106 ff., 119 ff.

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Stichwortverzeichnis Race to the Bottom 148 Rating – Konzern 62 f., 69 f. Reihengeschäft 110 ff. – Beförderung 110 ff. – Explanatory Notes 113 – Zwischenhändler 112 f. Richtlinien-Shopping 158 Ring Fencing 148 Rechtssache Deister Holding 153 ff., 164, 169, 171 f. Rechtssache Hornbach 33 ff., 41, 62 f., 65 f., 71 f., 82 f. Rechtssache Y Denmark, T Danmark 172 ff. Säule 1 s. Pillar 1 Säule 2 s. Pillar 2 Schnellreaktionsmechanismus 107 Stand-Still-Klausel 22 Steueraufkommen 70 ff., 106 f. Steuerpflichtiger – zertifizierter 107 f. Streitbeilegung – Bemühenspflicht 90 – Instrumente 88 ff. – internationaler Kontext 87 ff. – Schiedsklausel 93 – Verfahren 89 ff. – Verfahrensdauer 89, 99, 102 – Verhältnis nationaler und internationaler Verfahrensarten 93 f. Streitvermeidung 94, 97 f. Transformationsgesetz 8 f., 14 f., 46 ff., 51 ff.

Treaty Override 49 f. Treaty Shopping – Fallgruppen 168 f. – Fragestellungen 167 f. – Neuordnung 153 ff. – Ziele der Neuordnung 158 f. Umsatzsteuer – Befreiung 114 f. – Änderungen ab 1.1.2020 105 ff. Verbringen 108 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – unionsrechtlicher 36 Verlust – Abzug 59 ff. – endgültiger 59 ff. Verrechnungspreis 87 f. – Gewinnanpassung 88 – unilaterale Korrektur 89 Verständigungsverfahren 91 ff. Vorabverständigungsverfahren 103 f. Vorratsgesellschaft – Erklärungspflicht 107 Wahlfeststellung – BFH-Rechtsprechung 63, 78 Welteinkommensprinzip 2 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) 33 – Auslegungsgrundsätze 7, 44 ff. Wirtschaftsstandort Deutschland 66 ff., 77 Zinsen-Lizenzgebühren-Richtlinie 156, 159 f.

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