Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 3 [Reprint 2021 ed.] 9783112395547, 9783112395530


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German Pages 275 [295] Year 1784

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Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 3 [Reprint 2021 ed.]
 9783112395547, 9783112395530

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Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften.

Dritter Theil.

Berlin, 1784» Sn der Vofsischen Duchhandlunz.

Vo.rbericht, £?iefer dritte Theil enthält nur Retturv -en, die mein Bruder weder Berufs uoch BeförderungS «egen schrieb. Und was für welche? Theologischen JnnhaltS alle, btS auf die Rettungen des Horaz. „Und Wen glaubt man wohl, daß ich gee rettet habe? fragt er selbst in der Vorrede zum dritten Theile der ersten Auflage dieser Schriften. Lauter verstorbene Männer, die mir eS nicht banken können. Und gegen Wen? Fast gegen lauter Lebendige, die mir vielleicht ein sauer Gesicht dafür machen wett den. Wenn das klug ist, so weis ich nicht, was unbesonnen seyn soll?". Dient dieses Gestandniß seinen Frevm den zum Beweise seiner unbekranzten Aufrichr ttgkett und Wahrheitsliebe, so finden seine * 2 Feinde

4

Vo rbericht.



Feinde schvü Gründe, diese Aeiiungen zum Beweise feiner wenigen Ehrerbietung gegen verdiente Männer, seiner Geringschätzigkeit gegen das Lutherthum, seine- Widerspruch« geists und Gott weiß, was für Untugenden mehr, zu machen. Daß es geschehen ist, liegt am Tage, und daß jetzt viele von ihm noch so denken mögen, wag so gewiß seyn, als ich feH überzeugt bin, daß sein Herz dabey von allen bösen Absichten frey war. Ich bitte auch sehr, zu bedenken, daß vor dreyßig Jahren, als diese Rettangen erschie, mn, viele- wichtig, neu und gar paradox um ter dem lesenden Publicum war, was jetzt für allgemein ausgemacht angenommen wird. Styl, Einkleidung, deutliche Darstellung, und seine Belesenheit, die von seiner Urtheils« kraft nie verlassen ist, werden fie stets schätz, bar machen, wenn die Sachen avch selbst kei, jren Retz mehr für den Leser haben sollten. WaS

Borbericht. ♦=

5

——

Was kümmert den Kunstliebhaber der Block, aus dem ein Künstler eine herrliche Vlldsam le gehauen? Marmor oder Stein! Will man sich von der Vorzüglichkeit der Rettungen recht überzeugen, so lese man nur die Widerlegungen, die zu damaliger Zeit so wohl besonders, als in den kritischen Zeitschriften gegen ihn erschienen. Fast alle ärgern sich an seinem lebhaften Witz und seiner Leichtigkeit, den unbedeutendsten Dingen ein gewisses Interesse zu geben. AuS menschlicher und christlicher Barmherzigkeit wünschen sie ihm etwas von ihrer Schwerfalligkeit und gelehrten Manier, die bekann­ testen und trivialesten Dinge sich und thren Lesern mit so trockner Verworrenheit vorstellig zu machen, alS ihre Gelehrsamkeit unverdaut ist. Sie wahnen immer, ihn wie Riesen einen Zwerg zu übersehen; mir scheint es aber, als wenn Zwerge gegen ei* 3 neu

e

Vorbericht.

♦= nett Riese» zu Felde zöge», und wo fie am wenigsten wissen, flch auf ihrem eignen Leib ein Trtumphliedchm sängen. Mir scheint es, sag ich; denn ich beneide keinen, dem es anders scheint.

Die erste, die Rettung beS Lemnius, steht in der alten Ausgabe im zweiten Theile unter den Briefen, und schlägt mit der zweyten der Rettung des CochlauS, in die lu­ therische Reformationsgeschichte. Sehr jung muß mein Bruder gewahr geworden seyn, daß Religionslehrer und Geschichtschreiber, so kultivirt sie auch sonst find, wie die rohesten Menschenkinder an ihrem Mann alles vortteflich, und an ihrem Gegner alles abscheulich finden. Teu­ fel und Engel, vornehmlich von der morali­ schen Seite, wie Mittelding, wie wir Mem schen doch fast alle find, nur nach Umstan­ den,

Borbericht. I

7 -------- g

---- -

den, die selten von uns abhängea, bald mehr bald weniger von Folgen. Freylich scheint diese Partheylichkeit sehr natürlich zu seyn, wenn man bedenkt, wie man von dm ersten Jahren der Kindheit an, nicht sowohl in Worten, als in der That zur Geringschätzigkeit aller andem ReligtonSpartheyen, woraus natürlich Verachtung entstehen muß, so sehr man auf der andern Seite sie ju verhindern scheinen will, und und zu einer gar j» blinden Verehrung al­ les dessen, was die unsrige angenommen, gehalten, oder vielmehr gezwungen wird. Unser Katechismus lehret zwar, daß Juden, Heiden und Türken unsre Nächsten sind; aber insinuirt er nicht zugleich, daß ihre Moral, so vollkommen wie die unsrige, we­ der ist, noch seyn kann? Laßt er uns nicht alle Tage dem Himmel danken, daß wir in der Christenheit gebohren und getauft sind ? * 4

Kaun

Vtzrbertcht» ti

tQ?

«*> '



Ksmr wohl bey Einpfropfung solcher Maximen der gesunde Menschenverstand ge» bethen? und wenn denn ja ein guter Kopf aus diesem Labyrint fich arbeitet, ist eS sehr zu verwundern, wenn ihn seine NebenMenschen, die daS nicht vermögen, eben so bv handeln, alS die Hinkenden den, welcher al­ lein recht gehen konnte? Und gehört nicht eine gewisse Größe der Seele dazu, wenn man dem ohngeachtet nicht mit Hinken lernt? Ich erinnere mich gar wohl, was diese Schriften bey ihrer ersten Bekanntwerdung unter den Geistlichen unserer Vaterstadt und der umliegenden Gegend für sonderbare Ur/ theile veranlaßten, Wenn der gute ehrliche Schlag von Freunden für ihn ein an­ dächtiges Vater Unser betete, so gab es wiederum christliche Eiferer, die aus Lieb« und Mitleid, den frechen, von seiner Vä­ ter

Borberichk

9

ter Glauben abweichenden Sohn der streng,

Da

sten Kircheazucht übergeben hatten.

sie aber vollends hörten, daß sein Freund

und Landsmann, der Freygeist Mylius, ihn nach Berlin gejogen, so kreutzigten und seeg,

neten sie sich, und wünschten, solches Her,

zeleid an ihren Kindern nicht zu erleben.

Daß ich die Sache nicht übertreibe,

wird mir jeder zugrstehen, der in dieser Lage

sich selbst befunden, der aber in einer glüklt, chem gewesen, lese nur: Vertheidigung

des seligen Lutheri und der Reform«, tionsgeschichte wider den Verfasser der

Kleinigkeiten.

Herausgegeben von tn.

S. V. H r. i.Lrankfurth und Leip,

Zig 1756. Verfasser dex Kleinigkeiten ist mein Bru,

der; seine Gedichte erschienen zuallererst un­ ter diesem Tittel, und schicklicher hatte es ge,

heissen: wider den Retter des kemnius und * 5

Coch,

IO

Vorbericht.

Cochläus. Aber eS soll «in feiner Stich seyn, daß ein Verfasser von Kleinigkeiten sich, wenn ich so sagen darf, mit Großigkciren, «le die lutherische ReformationSgeschichte, jv befassen erdreusiet. Doch dieser M. S. B. H. r. i. z. rügt noch eine viel größere Kühnheit, den unver­ zeihlichen Stolz an meinemBruder, daß er Seine Hochehrwürden den Herrn Friedrich Wilhelm Kraft, Doctorcm Theologie und Scniorcm zu Danzig zu widerlegen gcprahlet, da er nur seinen Schwesterson widerlegt ha­ be. Die Sache ist merkwürdig. Mein Bruder sagt in der Rettung deck Cochläus: „Herr Doktor Kraft vertheidigte im Jahre 1749, als er sich noch in Göt­ tingen befand, eine Streitschrift: „de Luthcro contra indulgentiarum nundinationes haud quaquam per invidiam difputantc.“ Und weil

er in derselben etwas zu finden glaubte, was

Vorbericht.

IX

♦ waS einer Berichtigung bedürfe, so richtet er auch seine Einwendung gegen diesen Ver­ theidiger. Das hätte er aber nicht thu» sollen, sagt Herr M. S. B. H. r. i. z. und versichert, (es sind seine eigne Worte) „feto Herr Detter, Joh. Peter Fischer, ein naher Anverwandter und wohl gar Schwestersohn des Herm D. Schwarz, weil er in dessen Briefe, der besagter Disputation angehängt ist, affinis genennt würde, habe 1749 diese akademische Streitschrift verfertigt und ver, theidigt. Herr D. Kraft sey nur Präses gewesen, und habe ihm das Zeugniß gegeben, daß Detter Fischer die Zeugnisse der Schrift­ steller, die nothwendig angeführt werben müssen, selbst gesammlet, in Ordnung ge­ bracht, und ihm eine Abhandlung überliefert habe, die des Drucks nicht unwürdig 'gewe­ sen, doch aber bey dieser Dissertation et­ was umgeschmolzen werden müssen." Aus

12

t

Dürbericht.

"

-----

AuS diesen triftigen Gründen verlangt M. S. B. H. r. L j. allenthalben, wo mein Brm der Herr D. Kraft gesagt, Herr Fischer ju lesen, weil dieser der wahre Verfasser sey. Folgt bas aber wohl so ganz »»bezweifelt aus dieser seiner Aussage selbst? Nicht toteV mehr das Gegentheil? Mein Bruder, der fich darüber nicht einlassen wollte, «eil er vielleicht die Wahrheit besser wußte, wem bete fich blos an den D. Kraft, der doch al# lezeit mit dem Respondenten in folidum für die Satze der Dissertation steht. In diesem Tone ist ohngefehr die ganze Widerlegung; und wenn M. S. B. H. r. i. z. noch gelebt hätte, als mein Bruder Herr Pastor Götzens theologischen Zorn fühlen mußte, so hätten wir jetzt ein halb Dutzend antilesstnzische Skarteken mehr. Die Rettungen des Cardan, und des mepti religiofi find ein paar schöne Beweise, daß

Borbericht. t___

rz 4

daß wer einmal einen üblen Ruf hat, auf die Schnelligkeit der unpartheyischen Welt eben nicht pochen darf. Glük für ihn, wenn sich endlich ein Nachkommer findet, der recht sicht, und die Wahrheit laut sagt. Mit der Zett sehen so mehrere, obgleich der große Haufen einmal von dem nicht abgeht, «aS so viele Hundert vor chm gesagt und geglaubt haben.

Es ist sonderbar genug, baß mein Bruder an dem Cardan aus eben den Grün, den, woraus er bisher für einen Atheisten erklärt worben, den partheyischen Christen findet. Eben so gehts mit dem Büchlein: ineptus Religiofus, das man für das gottes, lästerlichste, was je wider die Religion er, schienen, verschrie« hatte: und es ist doch weiter nichts, als eine plumpe Satyre auf die Syncrotistischeu Streitigkeiten unter de« Luthe-

14

Dor bericht.

Lutheranern in der Mitte des vorigen Jahr, hundettS. Ausser was in den damaligen kritischen Zeitschriften davon geurtheilt worden, habe ich weder dafür noch dagegen etwas beson­ ders gedrukt gefunden. Ob dieses Still­ schweigen ein Zeichen des Beyfalls oder des Mißfallen- ist, wird der Leser sich wohl am besten beantworten können. Wer da aber sagen kann, die Sache sey es gar nicht werth, und intereffire keinen Menschen, der schließt freylich von sich auf andre; aber zum Glük wird er finden, daß wenige so reel, wie er, denken. Eine Abhandlung in diesem Theile betrist den Charakter deS Horaz, seines Freundes, seines Lehrers und seines Beglei­ ters, wenigstens damals, alS er diese Ret­ tungen schrieb. Voll von Bewuadmng sei­ ner mannigfachen dichtrischen Gaben hörte er

Vorbericht. 1

.

***

15 ■

1

er ihn nicht gern der Feigheit vnd Unzucht rechen. Die Erfahrung lehrt jwar, daß flch dieses alle-ruwetlen zusammen findet, aber man glaubt es nicht gleich aufs erste Wort: man forscht genauer darnach; und findet man denn die Unrichtigkeit, so mäste man eines ru venoerstichen Charakter- seyn, wenn man einen so verehrten und durchstudirten Dichter nicht gegen jedermann verfechtete; desto eifriger, je interessanter und unterrichtender er ist. Die Veranlassung dazu gab Müllers Einleitung zur Rennlniß lateinrscher Schriftsteller, in deren drittem Theile mein Bruder gar diese Beschuldigung mit den harten Worten: einer stinkenden Geilheit und unmässigen Unzucht nachgebetet fand. Vermuthlich hatte er auch einen Brief beS Rektors zu Küstrin, Johann Friedrich Heydenhahns, an den. Professor Nikolai zn Frank-

i6

Vorbericht.

Frankfurth gelesen, der Horazens Feigheit in dessen siebenden Ode des zweyten Buchs

zu finden glaubte.

Ich weis zwar nicht,

ob er vor oder nach Erscheinung dieser Vertheidigung herausgekommen.

Heidenhahn

erwehnt

ner Untersuchung:

ihn

nur

ob Hora;

Rektor

in

feü

von der

schimpflich genommenen Flucht aus der Schlacht bey Philippis frey;u sprechen

sey, welche auf zwey Bogen in Quart 1784, bey Gelegenheit einer dasigen Schulfeyer

erschienen, und Widerlegung meines Brltders seyn soll. Er ist zwar ein sehr höflicher und sich

immer tief beugender Widerleget; aber sein abgedroschner Kunstgriff, das, was histo­ risch bewiesen ist, philosophisch bezweifeln

zu suchen, scheint einen Denker zu verra­ then, verräth aber nur einen Plauderer. Man erlaube mir nur eine Stelle anzufnhren;

Vorbevicht.

i?

-4 tetr, nicht in der Absicht, was man von seiner Höflichkeit, sondern von seiner Gründ­

lichkeit zu urtheilen habe.

Herr Heyden­

hahn sagt auf der fünften Seite seiner an­ geführten Untersuchung, „daß Brutus krie­

gerische Eigenschaften in dem Horaz müsse entdeckt haben, die den Mangel an Ahnen und Vermögen ersetzen konnten, widrigen­ falls er ihn nicht gleich Anfangs zur Würde

eines Tribuns würde erhoben haben, wie Herr Lessing urtheilt, ist vielleicht wahr­ scheinlich, aber nicht gewiß.

Brutus zog

nirch dem Berichte des Plutarchus alle jun­ ge Römer an sich, die sich Studirenshalber

in Athen aufhielten, und gab ihnen Offi-

tierstellen unter seiner Armee.

Werden

diese aber wohl insgesamt einen entschie­ denen Muth und eine vorzügliche Fähigkeit zur Kriegskunst besessen haben? Es kann

seyn, es kann aber auch nicht seyn. **

Nou liquet.

BvrberichL

tyquet. Hs viel ist gewiß, daß der junge Horaz herzlich wenig von der Kriegskunst Verstanden habe, well er im zweyten Briefe deS zweyten Buchs v. 46. offenherzig ge« steht, daß er damals in derselben rudis ge­ wesen sey. *) Wie kann man es auch von

einem •) Wenn ti aus weiter nicht» gewiß ist, al» au» den Versen: Dura fed amovere loco me tempora grate, Civilisque rudern belli tulit eftus in arm» Cesaris Augufti non refponfura lacertis.

daß Horaz von der Kriegskunst nichts verstau« de» habe» soll, so ist es nur ei» Deweiß, daß Herr Heidenhahu unschicklich eonstruirt hat, nehmlich civilis eftus me rüdem belli in arma tulit; da es doch natürlich heißt eftus civilis belli me rüdem in arma tulit, Nun kann man roh und unerfahren in der Kriegskunst seyn, und doch große Anlage, auch große theoretische Kenntniß darinn besitzen. Wer eigner Voll­ kommenheiten sich bewußt ist, mahlt seine Oe« Vollkommenheit nicht so ängstlich» macht einen stärker»

Vorbericht. l-



19

1

einem jungen Studenten anders vermu­ then?« Und nun höre man Herm Wieland, in feiner Einleitung zum ersten Briefe des zweyten Buchs:

** 2

»Man

starker« Pinselstrich, al» nöthig; «ob kau« man nicht auch rudis in andern Dingi« sey«, und doch rin guter Soldat? Ich dichte, der» gleiche« Beyspiele finde« sich auch in unser« Lagen. Rudis bleibt ja hier unbestimmt, ob in der Kriegskunst oder andern Wissenschaften. Herr Wieland übersetzt es auch — Aber harte Zeiten drängten mich von dem angenehmen Ott tu früh hinweg: die Flut de- Bürgerkrieges riß den rohen Neuling mit sich fort in Waffe«, die Cäsar Augusts stärker« Arme« nicht gewachsen waren. Vielleicht hat auch Horar dieses rudis hier nur angebracht, um auf eine fein« Art entfchul« digt ;u seyn, warum er die Waffen wider de« August ergrlM.

ÄO

Bor-ericht.

«--------

g

„Maa weiß nicht, wie Horaz als eia junger Mensch ohne Geburt und Vermögen, der sich EtudireaSwegen zu Athen aufhielt, and noch keine Proben von militärischen Fi, higketten gegeben hatte, zu der Ehre kam, ante» einem so großen Feldherrn, wie Bru, tus, Obrister einer Legion zu werden. Les, fing schloß aber blos daraus, weil es ge­ schah, sehr richtig, daß Brutus persönliche Eigenschaften an ihm müsse gesehen haben, die ihn eines solchen Postens würdig ge, macht; und ich glaube, mit Schafresburp nicht zu irren, wenn ich den Zug in dem tlw «ern Gedichte an sein Buch me primis Vrbis Belli placuifle domique

sirr eine Ahndung ansehe, baß er dem Bru, tus vorzüglich werth gewesen, und eineS nähern Zutritts und verttauten Umgangs von diesem großen Manne gewürdiget wor, den. Allem Ansehen nach «ar es nicht nur die

.Vürbericht. I i

i

gcrw-fT ■■ T-

t.t ,

die Schönheit und feine Cultur seines Gei­ stes, die ihn für Personen von ähnlicher Art zum angenehmsten Gesellschafter machte; sondern vornehmlich seine edle Art jn den­ ken, sein Haß gegen die Tyranney und Ei­ fer für die gute Sache der Reputlick, waS ihm eine so ansehnliche, und, ohne dies, ganz «»begreifliche Unterscheidung vor tausend andern seines Alters und Standes bey den Häuptern der republikanischen Partey ver­

diente. Denn eS fehlte ihnen damals an nichts weniger, als an jungen Männern von Familie und Vermögen, und eS war ge­ wiß nicht die Noth, die den Brutus zwang, bis zum Sohn eines Freygelassenen und Zollbedienten von DenufluM herab zu stei­ gen, um seine Legionen mit Befehlshaber« zu versehen". Er mag mir es vergeben, daß ich ihn «eben Herrn Heidenhahn gebracht. Die posster.

22

»—

Norbert ch?. -----

t

possierlichen ernsten Gegenfüßler aller gründ,

lichen Untersuchung, die, wenn ste auch nichts Wesentliche- dagegen wissen, doch immer

ein non liquet für ihren eigenen Verstand, und zu ihrem eignen Nachruhms, baS letzte Wort habe», werden endlich von Männern

von ausgemachten Verdiensten unabsichtlich

und stillschweigend widerlegt, so wie Man daS Untweckmäßige und Ungereimte einer Hütte durch Hiubauung eines meisterhaften EebäubeS am besten entdeckt.

Rettung

Erster Brief. An den Herrn P. ^chon feit vierzehn Tagen hätte ich ZhnenZhz

ren Aufsaz von den unglücklichen Dichtern wieder zurück schicken können, weil ich ihn gleich

in den ersten Abenden burchgelesen hatte. Allein ich glaubte diese Eilfertigkeit würde nicht gelehrt

genug lassen; wenigstens nicht freundschaftlich

genug.

Denn nicht wahr, entweder Sie hätten

gedacht: nun wahrhaftig der muß sehr viel müßt, ge Stunden haben, daß er sich s» gleich hat darü,

der machen können! oder: ja, in der kurzen Zeit

mag er auch viel gelesen haben; über alle» läuft

er doch weg, wie der Hahn über die Kohlen! Die eine Vermuthung sowohl al» die andre war

mir ungelegen; mir, der ich so gerne immer be, A i

schäftigt

4

Rettung

schüftigt scheinen will; mir, der ich auf nicht» aufmerksamer bin, ai» auf die Geburten meiner Freunde. Ich würde also ganz gewiß Ihr Werk wenigsten« noch acht Tage auf meinem Tische ha­ ben rasten lassen; doch Sie fordern e« selbst zu­ rück, und hier ist e«. Nun? Aber ohne Beur­ theilung, werdm Sie sagen? Ai» wenn St« e« nicht schon wüßten, daß ich durchaus über nichts urtheilen will. Wollen Sie aber mit so etwas zuftiedrn seyn, da« aufs höchste einer Met, nung ähnlich steht, so bitt ich zu Ihren Diensten. Sie zeigen eine sehr wettliuftig« Belesenheit, die ich sehr hoch schütze, wenn es Ihnen anders nicht viel Mühe gekostet hat, siezuzeigen. Gott «eis, wo Sie alle die unglücklichen Dichter aufgetrieben haben! Was für ttagtscht Scenen ziehen Sie Ihren Lesern aufi Hier sitzt einer In einer ewigen Finsterniß, und sieht das Licht nicht, wel­ ches gleich Ihm alles beleben don schmachtet einer auf einem Lager, da« er seit Jahren nicht ver­ lassen. Jener stirbt fern von seinem Vaterlande, und seinen Freunden unter Barbaren, zu welchen

des temnius,

5 ♦

ihn die Empfindlichkeit eine« Großen vermiesen; dieser in seiner Vaterstadt, mitten unter den Be» mundrern seiner Muse, im Hospitale. Dort sehe ich einen — — welche Erniedrigung für euch, ihr Musen! — — am Galgen ; und hier einen, ge, gen welches der Galgen noch ein Kinderspiel ist, mit einem Teufel vom Weibe verheyrarhet. Dir moralischen Züge, welche Sie mit «nterstreuen, sind gut» ich hätte aber gewünscht, baß sie häu­ figer wären, daß sie aus Ihre« Erzählungen Ungezwungener stissen, und in einem minder

schulmäßigen Tone dahert-nten. Auch da- ge, fällt mir nicht, daß Sie keine Klaffen unter den unglücklichen Dichtern machen. Dieje­ nigen, welche so zu rede» die Natur unglücklich gemacht hat, als die Blinden, gehören eigentlich gar nicht darunter, weil sie unglüklich würden gewesen seyn, wenn sie auch keine Dichter ge­ worden wäre«. Andre haben ihre Übeln Eigew schaften unglücklich gemacht, und auch diese sinh

nicht al« unglückliche Dichter, sondern als Disik' wichter, »der wenigstens als Thoren anzusehen. A; Die

6

Rettung

Die einzigen, die diesen Namen verdienen, sind diejenigen, weiche eine unschuldige Ausübung der Dichtkunst, oder eine allzueifrige Beschäftigung

mit derselben, die uns gemeiniglich zu allen an­

dern Verrichtungen ungeschickt läßt, ihr Glück zu machen verhindert hat.

Und in diesem Ver­

stände ist ihre Anzahl sehr klein.

Ja sie wird

noch kleiner, wenn man ihr vorgebliches Unglück

ln der Nähe mit gesunden Augen, und nicht in einer ungewissen Ferne,

durch da« Vergrösse­

rungsglas ihrer eignen, mit allen Figuren ange­ füllten Klagen betrachtet. Ist es nicht ärgerlich,

wenn man einen Saint Amant, einen Neuktrch, einen Günther so bitter, so ausschweifend, so verzweifelnd über ihre, in Vergleichung andrer,

noch sehr erträgliche Armuth wimmern.hört? Und sie, die Armuth, ist sie denn etwa nur da«

Schicksal der Dichter, und nicht vielmehr auch aller andern Gelehrten? So viel Sie mir arme

Dichter nennen können, eben so viel will ich Ih­

nen arme Weltweise, arme Aerzte, arme Stern­ kundige re. nennen.

Aus diesem Gesichtspunkt« also,

des Lemnius. k> —- -------- j

7

also, mein Herr, betrachten Sie, wann ich Ihnen

rathen soll, Ihre Materie etwas aufmerksamer, und vielleicht finden Sie zuletzt, daß Sie ganz

unrecht gethan haben, ich weis nicht was für ei,

nen gewissen Stern zu erdichten, der sich ein Ver, gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen

zu tyrannisiren.------------- Sind Sie meiner Er, tnnerungen bald satt? Doch, noch eine.

finde,

Zch

daß Sie in Ihrem Verzeichnisse einen

Mann ausgelassen haben, der vor zwanzig an­ dern eine Stelle darinn verdienet;

Simon Lemnius.

Sie kennen

den armen

ihn doch

wohl?

Zweyter Brief. An ebendenselben. Äöahrhaftig, ich bewundre Sie l Ein Beywort, an dessen Nachdruck ich nicht einmal gedacht hat,

te, legen Sie mir in allem Ernste zur Last? Zch A 4

fürchte.

des Lemnius. k> —- -------- j

7

also, mein Herr, betrachten Sie, wann ich Ihnen

rathen soll, Ihre Materie etwas aufmerksamer, und vielleicht finden Sie zuletzt, daß Sie ganz

unrecht gethan haben, ich weis nicht was für ei,

nen gewissen Stern zu erdichten, der sich ein Ver, gnügen daraus macht, die Säuglinge der Musen

zu tyrannisiren.------------- Sind Sie meiner Er, tnnerungen bald satt? Doch, noch eine.

finde,

Zch

daß Sie in Ihrem Verzeichnisse einen

Mann ausgelassen haben, der vor zwanzig an­ dern eine Stelle darinn verdienet;

Simon Lemnius.

Sie kennen

den armen

ihn doch

wohl?

Zweyter Brief. An ebendenselben. Äöahrhaftig, ich bewundre Sie l Ein Beywort, an dessen Nachdruck ich nicht einmal gedacht hat,

te, legen Sie mir in allem Ernste zur Last? Zch A 4

fürchte.

Rettung

8

fürchte, ich fürchte, wir werden über den armen Simon Lemnius in einen kleinen Zank gera­

then.

Und da sehen Sie es, daß ich das Herz

habe, ihn noch einmal so zu nennen, ob Sie ihn gleich den verleumderischen, den boshaften, den meineidigen, den unzüchtigen heissen.

Aber sa­

gen Sie mir doch, geben Sie ihm diese Benen­ nungen , weil Sie seine Aufführung untersucht

haben, werden?

oder weil sie ihm von andern gegeben Ich befürchte das letztere, und muß

also den armen Lemnius doppelt beklagen. War

es nicht genug, daß ihn Luther verfolgte, und muß sein Andenken auch noch von der Nachwelt

befeindet werden? Aber Sie erstaunen; Luther und verfolgen, scheinen Ihnen zwey Begriffe zu

seyn, die sich widersprechen.

Geduld!

Walln

Sie wollen, so will ich Ihnen alles erzählen;

und alsdann urtheilen Sie.

Vorher aber muß

ich Sie um alles was heilig ist bitten, mich nicht

für einen elenden Feind eines der größten Män­ ner, die jemals die Welt gesehen hat, zu halten.

Luther steht hey mir in einer solchen Verehrung,

daß

des Lemniüs.

9

--------------r daß es mir, alles wohl überlegt, recht lieb ist, einige kleine Mängel an ihm entdeckt zu haben, weil ich in der That der Gefahr sonst nahe war, ihn zu vergöttern. Die Spuren der Menschheit, die ich an ihm finde, sind mir so kostbar, als die blendendste seiner Vollkommenheiten. Sie sind so gar für mich lehrreicher, als alle diese zusam­ men genommen; und ich werde mir ein Verdienst daraus machen, sie Ihnen zu zeigen *).-------

A s

Zur

*) So muß der spreche»/ der aus Ueberzeugung und nicht aus Heucheley lobt. Aus dieser letztem Quelle sind, leider ein großer Theil der uneingeschränkten Lobiprücho geflossen, die Luthern von unsern Theologe» beygelegr werden. Denn loben ihn nicht auch diejenigen, deren ganzen, losem Geitze und Ehrgeitze man es nur allzuwohl anmerkt, daß sie im Grunde ihres Herzens, nichts weniger als mit Luthern zufrie­ den sind? die ihn heimlich verwünschen, daß er sich auf Unkosten seiner Amrsbrüder gross ge­ macht, daß er die Gewalt und den Reichthum der Kirche den Regenten in die Hände gespielt, und den geistlichen Stand dem weltlichen Preis gegeben.

Rettung

10

Zur Sache also! Lemnius, oder wie er auf Deutsch heißt, Lemichen, lag den Wissenschaft

ten in Wittenberg ob,

eben als das Werk der

Reformation am feurigsten getrieben ward. Sein Genie trieb ihn zur römischen Dichtkunst, und

mit einer ziemlich beträchtlichen Stärke darinn verband er eine gute Kenntniß der griechischen

Sprache, welches damals noch etwas seltnes war. Sein muntrer Kopf und feine Wissenschaften tt>

warben ihm die Freundschaft desMelanchtons,

welcher ihn mit Wohlthaten überhäufte.

Sabft

nus, der Schwiegersohn des Melanchthons, be


Siehe, diese Aufforderung ergteng an alle! Nun sprich, wrbtetttm die zu leben, welche nicht «in« mal btt Einheit Gottes und btt Zukunst des Ge« richt« bekennen woyten 1 Stoffe dich nicht daran, daß inan von ihnen auch verlangte, den ÄKahomet für einen Gesandten Gone« jü erklären. Diese (lauset Mußte beygesägt werden, um z« ersehen, ob sie auch dlt Einheit Gotte« recht eigentlich annehmen wollten» denn auch ihr be­ hauptet sie anzanehmen, aber wtt kennen tuch i Ach will nicht weiter In dich dringen; aber lache« Muß ich noch zuletzt über dlch. Du glaubst, daß

Wir die sinnlichen Vorstellungen de« Paradtese« nach den Vachstaben verstehen. Sage mit doch, wenn ich euren Koran recht gelesen habt, ver­ sieht ihr die Beschreibung eure« himmlischen Je­ rusalem« auch nach den Buchstaben? -r — ”

Doch ich glaube, da« heißt langt gtnag rineN ander« reden lassen. Ich ergreife da« Wort wieder selbst, und sage, daß es Mlch, bey so gestalten Sachen, nicht wundern würde, wann besonder« die Mahomeraner den guten Lardan, im

der Cardans.

133 =♦

im Fall, daß sie th» einmal kennen lernten, un» ter ihre boshaftesten VerlLumder rechnen sollten; daß re mich aber sehr wundert, wann dir Chri­ sten ihn unter die ihrigen rechnen. Ich habe also noch den letzten Schritt j« thun.------- Ze nun, wird man, ohne Zweifel, sagen, so mag denn dir Stelle selbst so unschul­ dig seyn, wie sie will; genug daß Lardan durch einen gottlosen Schluß sein Zanerstee nur allzu unglücklich verrathen hat. Das igitut Ms arbim»

victoria« relictis, ist so erschrecklich, daß gewiß keine Wendungen ruretchen werden, ti zu etwa« bessern, als zu Siner Geringschätzung alle« Gött­ lichen zu machen. Da sey Gott vor, daß ich Wendungen brau­ chen wollte! Die Stelle muß sich selbst retten, oder ich will derjenige seyn, welcher am meisten wider sie eisen. Man gehe also einen Augen­ blick zurück, und sehe wo ich oben auf der nottn Seite aufhirte. Und sich freywillig iw ein Lloster eingeschlosien hat; waren die letzttn Worte. Auf diese nun folge» unmittelbar fol»

Z 3

gen,

iz4 l

Rettung -----

»

-

i

folgende, die ich, der grissern Glaubwürdigkeit wegen, in ihrer Sprache ««führen will. Sed utinam nm facile esset, anna illorum fuperare, quam haec objecta diluere.

Verum res ad arme

traducta est, quibus plcrumque major pars vincit

Doch wollte Gott, heißt dieses, daß man ihre Waffen eben so leicht überwinden könnte, als man diese ihre Einwürfe zunichte machen kann. Allein die Sache ist zu den Waffen gekommen, wo der stärkere Theil mehrentheil» den bessern überwindet. — — Nunmehr verläßt

meliorem.

Lardari auf einmal diese Materie, und wendet sich zu den Verschiedenheiten, die-man unter den Gegenden der Erde bemerkt. Die Worte aber, die er zu dem Uebergange braucht, find die so oft verdammten Worte: Igitur bis arbitrio victoriae relictis, ad provinciarum difcrimina tranfeamus.

Wenn ich ein Mann von Ausrufungen wäre, so würde ich mich jetzt ganz und gar darinn er« schöpfen. Ich würde mit manchem O und Ach zu verstehen geben, daß auch nicht das aller, deutlichste vor lieblosen Verdrehungen sicher sey

Ich

de- Cardans. r—

135

»1

Zch würde den guten Cardan bejammern; ich würde allen ehrlichen Gelehrten wünschen/ daß sie der liebe Gott ja für Neider behüten möge, die lieber die Regeln der Grammatik nicht kennen, al« nicht verlLumden wollen. Doch ich will alle« diese« nicht thun, sondern bloß die Stelle in ihrem Zusammenhang« noch einmal hersehen: Verutn res ad arma traducta est, quibus plerumque major pars vincit meliorem. Jgitur his arbitrio victoriae relictis, tranfeamus &c.

O sagen Sie mir doch, meine Herren, Scaliger, Mersennu», Morhof, de laMonnoye, Vogt, Salthenius, Freytag, Schwarz, worauf geht dmn *>«? Wamm soll e« denn auf den Inhalt zweyer vorhergehenden Seiten gehen, und warum nicht auf arma? Warum soll es denn heissen: ich will es auf da« gute Glück ankom­ men lassen, welche von den vier Religionen den Vorzug behaupten wird; und warum denn nicht vielmehr: wir müssen e« dem Glücke überlassen,

ob die Waffen der Mahometaner, oder die Waf­ fen der Christen die Oberhand, nicht in ihren

3 4

kehr-

136 » '11 ■

Rettung f

nr,|

Lehrsätzen, sondern In den Schlachten, davon tragen »erden? Ist denn beyder etwa einerley? War haben sie an hem letztem Sinne rn tadeln? Diese« doch wohl nicht, daß sie ihre fromme Galle nicht daran au«lassen können? Wenn ein anderer an meiner Stelle wäre, hex würde die seinige vielleicht an ihnen auolassen. Aller diese« ist so klar, daß ich mich wohl hüten will, noch «in Wort hinzu zu setzen. E« würde scheinen, al« ob ich mir meinen Lesern selber streiten wollte, die mir ohne Zweifel, gleich bey dem ersten Worte, hie ganze Verlemm düng etngeräumt haben. Allein warum hat Cetb«n gleichwohl diese diese Worte hernach geändert? — — Al« wenn man nur alle« änderte, wa« man selbst für um recht erkennet; al« wenn man t« nicht auch oft mit dem allerunschulbigsten thäte, wenn man sieht, daß Gegner Gift daran« saugen wollen. Hier würde e« vielleicht nicht unhtenlich seyn, zu bestimmen, in welcher Ausgabe diese Verändre rung am ersten vorgenommen worden; allein ich muß

de« Cardans. »

,

137

. "»tfc.rfly.-44«,--------- ---- . ,

muß diese Arbeit demjenigen überlassen, welchem die Mittel dazu nicht fehlen. Zch habe ju allem Unglücke keine andre Ausgabe bey der Hand, al» eine von den jüngsten, wo ft nicht gar die «llerjüngstr ist; nehmlich die von 1664 in Basel bey Emanuel König, Und auch von dieser kann ich «richt einmal sagen, nach welcher Litern Au», gäbe sie abgedmckt worden; ich vermuthe aber nach derjenigen, welche Eardan, ohne Zweifel, in dem Zahre if6q zum zweyttnmale übersah; weil ich, sowohl dir zweyte Zuschrift an den Herzog von Suesse, al- auch die Actionen» priinam in Calumniatorem dabey sinde. D?M sey unterdessen, wie ihm wolle, ich will so viel thun, als ich thun kann, und die Aenderungen deiner, ken, die (arhan in dieser ganzen stelle, nach meiner Ausgabe zu urtheilen, gemacht hat. Man irret sich sehr, wenn man glaubt, daß er nicht- als die Worte igitur bis &c. auegestrichen und mit andern, weniger anstößigen, wenn Gott will! erseht habe. Zch bemerke sonderlich drey Stellen, welche sich in der Original > Aurgahe 3 s

vor-

138

Rettung

♦= vorzüglich befinden, und la den verbesserten weg,

geblieben sind. Die erste lst die, welche man ln vorhergehenden auf meiner ivs. Seite findet, wo anstatt der Worte: und wie abgeschmackt, bi« feinen Dienern schrv-re, Lardan folgende ru sehen für gut befunden hat: Absurd* norme sunt, quod fingint Deum ascendere ad coelum e terris, et quod ipfe etiam per Daemonea fervos fuos juret. Man sieht also, daß er aufrichtig genug gewe­ sen ist, die abgeschmackte Beschuldigung wegjUlassen die er daselbst dem Korane macht, al« ob er lehre, Gott und die Engel beteten für den Mahomet. Allein ich wollte, daß er noch aufrich­ tiger gewesen wLre und auch da« übrige wegge­ lassen Hütte. Denn wa« will er damit? Wie kann er dem Korane etwa« jur Last legen, wovon die heilige Schrift selbst nicht frey ist? Wird nicht auch in dieser, von dem Herauf- und Herab­ steigen Gotte« unzLhligemahl geredtt? Und wenn schon nicht darin gesagt wird, baß Gott bey dem Himmel und bey der Erde schwirr; so schwitt er doch bey seiner Seele. Ein Ausdruck der, ohne

des Carbans. [

A ■rgVrv*#a —

ebne Zweifel, auch seine Erklärungen näthig hat. Die zweyte Stelle ist der ganze erste Beweis, gründ der Mahometaner, welcher von der Ein, heir Gottes, deren Verleugnung sie den Christen Schuld geben, hergenommen ist (Siehe oben S. io6. vou: tlun haben aber auch rc. bis S. 107. der zweyte Beweisgrund kömmt.) Alles dieses hat er in wenig Worte folgender Ge» stakt zusammen geschmolzen: At Mahumetani « ipli monutnente habens. Primum quod Christian!

non eam quam ipß in Deo fimplicitatem colant, et quod Christicolae imaginei veherentur, videantur.

que Deorum non Dei unius cultores. Die dritte

Stelle ist endlich die, wo Lardan von den Hei, ligen der Mahometaner redet, und von der ich in meiner Ausgabe nicht die geringste Spur sehe. Sie geht oben S. '109 von: Auch sogar Hei, ligr haben sie bis zu Ende des ganzen Ortes, S. 110 eingeschloffen hat.------- Von diesen drey Veränderungen kann man ohne viel Mühe «inen Grund angeben, allein was ich von der vierten, die ich gleich anführen will, sagen soll, wett

140

Rettung

♦=

r~M‘“

»eich ich nicht. Zch finde nehmlich, daß er auch diejenige Worte, die zur Rettung seiner guten Gesinnung so vortrefltch find, nehmlich: Sed utinam tarn steile esset, arme illorum luperare, quam haec odjeäa diluere, Verum re» ad arma traducta

est, quibus plerumque mtjer pars vinqit meliorem,

gänzlich weggelassen hat.

Er bricht da ab, wo

ich auf der traten Seite abgebrochen habe, und seht anstatt des berüchtigten Ueberganges nicht« als die kahlen Worte; Sed haeq parum philofo. phos attinent, pro quibus institutus ast fetmo: ad

provinciarum miracula tranfeamus.

Ich nenne diese Worte hoffentlich mit Recht kahl, und wer weiß, ob ich ihnen nicht noch ein härter Beywort geben sollte. Dem guten Eardan ist es wie hundett andern Gelehrten ge» gangen, die sich eben so wenig, als er, auf da« Verbessern verstanden haben, Seht er nicht oft fenbar für etwas anst-ßtges, noch etwas anstbßt, gers? Wa- hindert «S, sein hatt parum philofophos attinent zu übersehen: Was hat sich ein

Philosoph um die Religionen z« bekümmern? La«

der Carbans.

In

■! 11

■■

141

D

Wae geht Ihm da« abergläubische Zeug an? Zch rotte wohl, seine Meinung ist so arg nicht, und er will weiter nicht« sagen, als: Diese» geht diejenigen Wettweifeit, für die ich hier

schreibe, die Naturforscher nehmlich, we» Niger an. Er meint also nicht die Weltwtisen überhaupt, für welche die Religionen allerding« «in sehr würdiger Gegenstand sind. Allein nimmt man denn Gründe an, wenn man verdrehen will? Zch will nur noch ein Paar Worte von de» Ordnung, in welcher di« verschiedenen Au-ga»

ben der Bücher de subtil!täte, aus einander folgt sind, beyfügen, und alsdann mit einer An­ merkung schliessen, die vielleicht von einigen Nutzen seyn kann. Die erste Ausgabe ist ohne allen Streit die oben angeführte von tffo in

Nürnberg. Für die zweyte hält Herr Freytag eine Ausgabe von Bafel, ohne Zahrzahi in Fo, lio; für die dritte, die von i?f4 gleichfalls io Bafel bey Ludowico Lucio; und für die viert«, die von iffo welche in gvo an ebendenselben Ort« herausgekommen ist. Ueber diese Folg» wird

i4i

Rettung

t

“x

3

wirb er mir erlauben, einige Anmerkungen zu machen, i. Lardan sagt es ausdrücklich selbst, in seiner Adione prim« auf der 71g. S-, daß bi« zweyte Ausgabe seines Buchs, iff4, und zwar im Anfänge des Jahrs, erschienen sey. De la tHonnoye, welchen Herr Freytag tadelt, kännt« also doch wohl Recht haben, wenn er behauptet, daß die anstößigen Worte in derselben wären ver« bessert worden. Doch ich muß auch diese« zu Herrn Freytag» Entschuldigung sagen, baß Lar« dan wenn er die Ausgabe von 1554 die zweyte nennet, dadurch ohne Zweifel nicht sagen wolle, al« ob die erste niemals nachgedruckt worden sey; er nennt sie die zweyte, weil alle die vorhergehenden, ai« von einer einzigen Originalausgabe abgedruckt, nur für «ine, in Ansehung de« un­ veränderten Znnhalts, anzusehen sind. 11. Weil aber doch auf der Baseischen Ausgabe in Folio ohne Jahrzahl, sehr vieler Derbessemngen ge­ dacht wird, weil man auch sogar die Adio prim« auf den Titel genrnnet findet, so irret sich Herr

Freylag ganz gewaltig, wenn er sie für di« zwey-

des CarbanS,

tweyte halten will.

143

Wie ist das möglich? Hat

dieser Dücherkenner vergessen, baß erst 1557 des

Scaligers Exertitationes herausgekommen sind,

und daß also die Actio prima, welches eine Ant» wort darauf seyn soll, von noch spiterm Dato

seyn muß? III. Warum aber auch nicht, nach de« Herrn Freytag» Art j» rechnen, die Au«,

gäbe von 1554 die dritte seyn kann, ist dieses der Grund, weil Lardan selbst, auf der 791. S der Actio prima von einer prima etfecunda Norim-

bergenfi» desgleichen von einer Lugdunenfi und

Lutetiana redet: Don der Lugdunenfi NUN weis

ich es gewiß, daß diese iffi tn Octa» an« Licht

getreten sey, weil sie der Verfasser, de« in dem

Xten Theile der Obfervationum Hallenfium besind,

lichen Aufsatze« de iibris raris ausdrücklich anführt. Ueberhaupt vermuthe ich, baß man au« diesen und vielen andern dabey vorkommenden Schwierigkeit

ten sich schwerlich jemals werde helfen können, weil

die Buchhändler ohne Zweifel auch hier, rin Stück,

chen nach gelehrter Art gespielt, und um einerley Ausgabe mehr als einen Titel gedruckt haben.

144

Rettung des CarbanS.

Zch komm? endlich auf die Anmerkung, mit

welcher ich schließm will. Diese Deschuldigung deS «Lardan-, welche ich hoffentlich unwtder, sprechlich ju Schanden gemacht, haben unsre

LitterattreS au« den HLnden der Katholiken; be­

sonder« eine« hitzigen Merfennus.

Ich will

ihnen rathe«, daß sie alle«, wa« sie diesen Mau, bea«genossen abborgen, vorher wohl unttrsuchen,

eheste mit ihnen gemeinschaftliche Sache machen. Diese Herren haben oft besondere Ursachen, dem und jenem Verfasser einen Schandfleck anzuhjn-

gm, welche bey un« Wegfällen.

Lardan zum

Exempel, läßt die Vielheit der Gitter in der strri,

tigrn Stellt, auf eben die Art vertheidigen, wie

sie die Heiligen zu vertheidigen pflegen, derglei­

chen er auch den Mahometanern beylegt. Sollt« diese« die Katholiken nicht etwa weit mehr ver­

drossen habe«, al« alle« andre: Allein sie waren

vielleicht zu klug, um nicht einen andern Dor/ wand zn suchen. Zch bitte diese« zu überlegen.

Rettung

Rettung des Inepti Religiosi, und seines ungenannten Verfassers,

ganze Rettung wird wider den Herrn

Pastor Vogt gerichtet seyn; oder vielmehr sie wird diesen Gelehrten Gelegenheit geben, sich eines Umstandes wegen zu erklären, welcher, wenn er ihm erst nach seinem Tode sollte zur Last

gelegt werden, seiner Aufrichtigkeit einen ziem,

llchen Stoß geben könnte.

Zch habe für seine

Verdienste alle Hochachtung; ja eben diese Hoch­

achtung ist es, welche mich, diese» Schritt zu thun, bewegt.

Zur Sache! Der Herr Vogt gedenkt in sei­

nem Verzeichnisse rarer Bücher, in dem Buch,

staben Z. einer Scharteke, welche, zu Anfänge K i

der

»48

Rettung

der zweyten Helste de« vorigen Zahrhundert«, in Lateinischer Sprache, unter folgendem Titel ans Licht gekommen ist: Ineptus Religiofus ad mores horum temporum defcriptus M. I. S. Anno

16p. Zn Duodez, auf zwey Dogen. Das Ur, theil, welches er davon fällt, ist folgendes: ,, ein höchst seltnes aber böses und gottloses Bü, „ chelchen. Dem Exemplare, welches mir der „ Herr Girin: Superintendent in Minden, aus „ seiner zahlreichen Bibliothek mitgttheilet hat, „war folgende« am Rande beygeschrteben: „ Mente cares, si res tibi agitur feria: rurfus fronte ,, careS, si sic ludis amice Faber. Hsc funtErafmi „ verba, alia occasione prolata, in hunc libellum „ optime quadrantia.

Sh. die vermischte Ham,

„ burgische Dibl. Band III. S. 58l. Zch will dasjenige daraus hersetzen, was man in dem „ 45. Paragraph» liefet, und was den Sinn „ de« Verfassers verräth: Omnes quxftiones & „ controversias ab ovo, quod dicitur, femper inci„ pito. Nihil fuppone; femper queres: an Chri­ st ftus fuerit in rtrum natura. „

Zch

des Inepti Religiöse 149 Ich habe an diesem Rlchterspruche zweyerley von Wichtigkeit auszusehen: erstlich, daß Herr Vogt seinem Leser von dieser seltnen Schrift ei­ nen durchaus falschen Degrif macht; Zwey, tens, daß er die daraus angeführte Stelle offen, bar verfälscht. Der erste Punkt. Herr Vogt macht seinen Lesern «inen ganz falschen Begriff davon. Er sagt, «S sey «in höchst böses und gottlose« Dü, chelchen. Ich aber sage, es sey ein sehr gute« und rechtgläubiges Büchelchen. Wie werde ich diesen Gegensatz am besten beweisen? Nicht bes, ser, glaub« ich, als wenn ich es den unpartheyl, schen Leser selbst versuchen lasse, was es für Wirkungen bey ihm haben werde, wenn er e« von einem Ende »um andern lesen sollte. Dieses also will ich thun; doch um ihn den Verdruß zu ersparen, sich mit dem ziemlich barbarischen La, teine, in welchem e- geschrieben ist, zu plagen, lege ich ihm nicht« als einen deutschen Auszug davon vor. Einen Auszug, sage ich, und nicht «ine Uebersetzung; damit ich in jenem bas Gift, wenn K 3

i5o

t,

Rettung

I

wenn ander» welche» darinnen ist, so nahe zu­ sammen bringen kann, al» möglich: und damit diese» auf einem Haufen, seine Kräfte gewiß äußere, wann e» andere welche äußern kann. Zch sage also, daß der inepcus Religiosu« eine kleine Schrift ist, die au» einer Zueignungs­ schrift, au» $3 Paragraphen, au» einem kleinen Gedichte, und endlich aus eiltet Stelle des Au­ gustinus bestehet. Man betrachte eines nach dem andern. Zuerst die Zueignungsschrift. Hier ist das vornehmste davon. — — — „ Mein lieber Freund, du befindest dich jetzo außer „ deinem Vaterlande, in den am Meere liegenden Ländern Europens; deine größte Begierde » geht dahin, daß du, in allen Stücken, einen ,, recht galanten Weltmann, und einen recht „ grossen Geist aus dir machen mögest. Das >. ist löblich, und ich halte es für eine Schuldig„ feit, dir noch mehr dazu aufzumuntern. Ich » will dir so gar mH meinem guten Rathe an die >. Hand gehen, und dir dasjenige mittheilen, was -> ich-

bt»

Inepti Religiöse

151

.

ti

j

.. ich, nach einer neulichen Untersuchung, für das beste zu seyn fand, um ein nicht unwürdiger Gottesgelehrter------- (so will ich unter.. dessen das^Dort Religiosus übersetzm.) diese« ,, Jahrhundert« zu werden. Zch weiß gewiß, es wird die sehr nützlich seyn, und du wirst ,> in kurzen sehr diel daraus lernen sinnen, wenn .. du nur folgsam seyn willst. Lebe wohi. Da„ tum & coneeptum in otio febrili.

Nach dieser Zueignungsschrift, die nicht viel besser, al« eine------- doch der Leser mag ee

selbst entscheiden, wa« sie zu versprechen schei­ net? ------- Hier folgt die Abhandlung selbst, deren Hauptfltze ich folgender Maaßen zusam­ men ziehe.

§. 1. „ Höre mir zu, der du dich von dem Pöbel absondern, zu einer gröffern Theologischen Weisheit gelangen, und viel in kurzer Zeit ler­ nen willst. Du wirst sehen, daß der Weg zu dem Erhabensten heut zu Tage sehr leicht ist, so baß du dich über die Glückserligkeit deiner K 4

Zei-

rzr

Rettung

l'TT i.

.

..... -'--W,»

Zeiten, und über deine eigne Fähigkeit routu dern wirst.

Ohne viel Sprachen zu lernen,

ohne die Nächte schlaflos hinzubringen,

ohne

Viel Oel und Fleiß zu verlieren, will ich dir

das Innerste der Weisheit eröfnen. Laß andre sich quälen, so viel wie sie wollen; sie wollen

das gute nicht erkennen rc,

§•

2,

„ Du also der du dich berühmt zu machen gedenkest, überrede dich vor allen Dingen, daß

du ein ganzer Mann bist, und daß dir nichts fehlt, um von allen, was dir in den Weg

kömmt, urtheilen zu können.

thörigten Behutsamkeit.

Weg mit der

Wer wird seine Mei-

nung andern unterwerfen wollen? Weg mit

solcher Sklaverey! Keine Sklaverey ist schimpfe sicher als die freywillige rc.

§.

3.

„ Halte die Gottesgelahrheit für das allere leichteste Studium-------- Glaube, daß nichts weniger Mühe kostet, als das Wahre von dem

Falschen, und das Licht von der Finsterniß zn unter«

des Inepti Religiosi,

153

.»»»-------g

■ Unterscheiden.

Ich verstchre dir,

daß alle

Schwierigkeiten in der Einbildung bestehen; und daß nicht? schwer ist, ale was einem schwer

scheinet.

Der Löwe entsetzt sich über

das

Quacken dee Frosches und wann er näher

kömmt, zertritt er ihn re.

§.

4.

„ Ferner verachte das Ansehen der Alten und der Verstorbenen.

Wir sind zwar überall um

fern Vorfahren viel schuldig; nur in der Reih

gion sind wir ihnen nichts schuldig re,

„ An die Hirten und Lehrer, unter welchen du lebest, kehre dich nicht.

Zn einer so wich­

tigen Sache, als das Heil deiner Seelen ist, mußt du dich auf niemanden verlassen.

Der

beste Christ ist der, welcher sein eigner Hirt ist,

Die Sorge für deine Seeligkeit ist niemanden

aufgetragen, und niemand wird für dich zum Teufel fahren.

Du kaust dich ja selbst au?

Büchern genugsam unterrichten,

deren heut

zu Tage oft ein Schuster und Schneider meh
Zweifelhafte

folgen einem Führer; und die den Weg nicht wissen, treten in andrer Fußtapfen. Die Feig­ heit verräth ein unedle« Gemüth. Ein Wei­ ser wei«, da« er etwa« rod«; er verehrt sich, und läßt sich von andern verehren. Wa« fragt

er darnach, ob ihn andre frech, verwogen, oder, wie sie sonst wollen, nennen? §. 10. „ Mit dieser Tugend ist die Großmuth ver­ wandt, die du auch lernen mußt. Sie ist e«, welche dich die Kleinigkeiten der Sprachlehrer, und die Kindereyen der Dialektiker verachten lehrt:e.

§. ii. »Mit diesen Eigenschaften ausgerüstet, mußt du dich itt keiner gewissen Sekte beken­

nen.

1J8

Rettung >

■1 -i

nm, und auf keines Worte schwören.

Auch

die Namen der Lutheraner, Papisten und Cal, vinisten mußt du nicht einmal vertragen. Remonstranten oder Contraremoastranten; was will das sagen? Die Christen müssen unter sich alle Brüder seyn. Luther «ar so gut rin Mensch als andre, und wir fehlen alle man­ nigfaltig re. §. ii. „ Wann du aber ja in einer von den Sekten bist auferzogen worden, so verachte doch die andern nicht dabey. Jede hat etwas gutes; suche dir "das beste aus; lerne aus allen etwas, und nicht au« einer alles. Hast du aber Schreiben gelerner, so mache dir selbst ein theo­ logischer System ic. §. i;. „ Hasse also keine Sekte, und glaube, daß, wie der Deutsche sagt, hinter dem Berge auch noch Leute wohnen. Gedenke an

das, was DarlLus in seinem schönen Epigrammate sagt: non

des Inepti Religiöse 159 1

t-i —

— — non unius evi,

Non populi unius credimus esse pium, Si fapimus diverse, Deo vivamus amici Doctaque mens pretio cenftet ubique fuo &c.

§.

14.

„ Wann bu ja hassen willst, so hasse die

Katholiken vor alle« andern, weil sie die Ge> wissen binden, uns alle Freyheit im Denken rauben, und nach Art der Alten eine gar zu

strenge Kirchenzucht habm; «eil sie die Kirche zu einem Gefängnisse, und den Glauben i« einer Marterbank machen :c. §-

if.

Nach diesen verachte die Lutheraner oder Ubiquetisten.

Diese Heerde ist sehr zanksüch-

tig, sie dünkt sich alleine kiug, und hat noch

viel von den äusserlichen päbstischen Ceremonien beybehalten.

Alle Ceremonien aber, befehl

ich dir, zu fliehen.

Wozu soll da« Kniebeu­

gen, da« Kreujmachen, die'Entbltsung de« Haupte«? Dergleichen Grimassen gehören für

die Klopffechter und Tänzer.

Rettung

16o

♦«= §.

16.

», Honst aber halte alle Sekten in gleichent

Werthe, es mögen nun Arminianer, oder

David - ZoriteN,

oder

Drownisten

seyn.

Tros Tyriusve fuit nullo discrimine habeto.

Laß dir e< auch niemals in den Sinn kommen,

al« wenn die pibstliche Religion weniger zu Haffen wirt, als die Phvtinianische oder Mahometanische. Den Sektirer mußt du fliehen,

sofern er ein Sektirer ist, nicht aber, insosernt er irret. 17.

„ An allen Glaubenslehren und Lebens­ pflichten zweifle in deinem Leben wenigsten« einmal.

Und wann du es thust; so entziehe

dich allem Umgänge der Menschen.

Begicb

dich in die Einsamkeit, welche dich manches

lehren wird! Ziehe keine Bücher dabey zu Rar the; sondern bloß und allein dich. Wenn der

Geist vom allzu vielen Lesen abgematlet ist,

so kann er von nichts gehörig urtheilen rc.

H.

bes

Inepti RelIgIösL

I.............................. ■

16t

■■....................... t

§. 18. „ Die Bibel rathe ich dir, ohne alle Hülfe

}u lesen. Doch brauchst du nicht immer darüber )U liegen; auf« hichste bey garstigem und trau­ rigem Wetter, »der wann du von der Arbeit müde und zu andern Verrichtungen ungeschickt bist. Fliehe alle Ausleger; denn glaube mir, kein einziger ist von Voruriheilen frey. §» 'S.. Alle andre Gebetbücher, oder Gesangbü­

cher kannst du bey der Bibel entbehren. Zch rathe dir überhaupt nicht, dich gewisser For­ meln bey dem Deren zu bedienen» nicht ein­ mal des Vater Unsers. Das ist eine elende Andacht, die ihr Feuer aus den Büchern hoh­ len will! rc. §. ad. „ Die Bibel selbst aber lies mit Sorgfalt und Ueberlegung; nicht mit jener sinnlosen Ehrfurcht, die man Andacht zu nennen psiegr. Es sind Orte wo selbst Paulus anstLßt, und wo Petrus stolpert. Homer schläft ja selbst Verm.Schr. 111. rh. 8 manch»

Rettung

16-1 |

........................ ......

manchmal ein.

kies die Bibel, nicht anders

als du den Livius, Froschmäusler, oder der Gräfin Demdrok Arkadtm liesest.

Einiges

davon lobst du; einiges übergehst du; von ei­

nigem wolltest du, baß es lieber anders,.als

so heissen möge.

Es steckt auch noch vieles in

der Bibel, da« noch niemand bemerkt oder an

den Tag gebracht hat; und das entweder auf deine oder auf eines andern Hand wartet. Diele

Stellen sollten ganz anders ausgelegt werben. Dey vielen folgt ein Schips dem andern, und «in Ausleger dem andern rc.

§.

ii.

,, Hieraus kannst du leicht schliessen, was ich von dem akademischen Disputiren halte.

Damit diese Leutchen doch etwa« thun mögen, so zanken sie sich über Worte, die weder bey ihnen noch bey andern einen Sinn haben. Zch

möchte doch wissen, welcher von den Aposteln ihre Sophistereyen de causa efflciente, formali, informante, affiftente &c.

verstehen würde?

Don ihren Hecceitatibus GUjdditatibus und dergieb

bes InEPTI REtlGIOSl.

163

gleichen Dingern, die sie dem Thomas und Hoicoth abborgtn, will ich nichts sagen. Die sehr hak man eS vergessen, was der heil. 2fav brosius fagtr Pircatoribus crediturnen Dialeili* cis &c.

„ Wenn du aber ja mit mir nicht durchgLm glg einig bist, und ohne Bücher nicht gelehrt 1» werden glaubst, so will ich dir wenigstens sagen, was für welche du loben und billi, gen mußt.

„Erst siehe, ob der Verfasser eine!gute Schreibart hak. Sie muß Cieeronianisch sehn.

Dieses Lob haben besonders die Bücher der Ar« minianer, desgleichen Calvinus und verschie, bene im vorigen Jahrhunderte verstorbene Schweijersche Theologen rc.

§.

»4.

Die andre Tugend eines Schriftstellers Ist die Bescheidenheit. Er muß mit seinen Geg» nern fein ftiuberlich verfahren. Er muß den

8 ,

Aus,

1Ö4 I

Kettung

1

--

« »'■

,

Äusspruch de« Heiland« beständig in Gedan-

ken gehabt haben: richtet nicht ! §- if. „ Die dritte Tugend ist die Dersthnlichkeit, welche di» Griechen nennen. Sie

Müssen immer bereit seyn, sich mit ihren Fein­ den zu vereinigen und beständig im Munde führen: so viel an euch ist, haltet mit allen Menschen Friedt-! Dergleichen Bücher kom­ men heut zu Tage sehr viele an« Licht, und er­ halten hier und da Beyfall.

§. 16. „ Die vierte Tugend ist die Frostigkeit, welche die Griechen nennen. Sie müssen nicht dtm Leser an« Herz reden, noch Seiten mit Ausrufuttgm und Fragen anfül­ len. Sie müssen keine Leidenschaften regt Machen, ob man diese» gleich sonst für einen

Fehler zu halten pflegt rt.

Fünften« wollte ich wohl rathen, daß man auf einen guten Druck, auf weisse« Papier und sau-

des Inepti Religiöse 165 t

9 saubere Lettern sehen möge; allein da« weiß

jeder schon von sich selbst. Zch will also eine andre Regel geben, die wichtiger ist; diese nehmlich, man fliehe sorgfältig alle methodi, sche Bücher. Die besten sind diejenigen, welche frey und ohne Zwang geschrieben sind rc.

§. rz. Endlich, welche« ich gleich »«erst hätte erinnern sollen, halte besonder« diejenigen für giwerlesene Bücher, welche ohne Rahmende« Verfasser« herau-kommm, und auch keinen Ort de« Druck- angeben, e« müßte denn etwa eine Stadt in Uwpten seyn. Zn solchen Vü< chern wirst du Schätze antteffen, weil sie mei,

stentheil« von witzigen und wahrheitliebenben Männern kommen. Die Welt ist sehr um dankbar, daß sie dergleichen Schriften verbie­ ten, oder sie nicht frey verkaufen lassen will.

§. 39. Solche Bücher, wie ich sie dir jetzt be­ schrieben habe, liebe und lie«; alle die übrigen t 3 aber,

166

Rettung r- ...

.»tngQgMM

.-

, .1.11»

aber/ Ausleger, Streitschriften, Compendia rc. brauche Ad piper & quicquid durtis »rniq.tur incpti». §. >0. „ Ausdrücklich dir aber dtejmigen Dächer zu neunen, welche du lesen mußt, will sich nicht thun lassen; weil ich dazu den Ort, wo du dich aufhältst, und sonst deine Umstünde wissen müßte. Unterdessen aber kanst du mit folgen­ den anfangen; mit Huzoni» Grotii Bü­ chern von der Wahrheit der christlichen Reli­ gion , und seiner Auslegungen über das a'te und neue Testament; mit Thomas Drowns Religion des Arztes, (welches Buch Hugo besonders wegen seiner reinen Schreibart vie­ len anzupretsen pflegte) mit deeUtareu» Antonius de Domini» Republica Ecckfuftice, mitdesparäu» ircnico; mit Gottfried Hot­ ton» Concordia Ecclesiastica, UNd waS div etwa sonst für welche In den holländischen Buchläben vorkommen.

§. li.

betlNEPTi Religiöse

167

........................ ■■' a §.

31.

Nun will ich noch einige gute Hegeln bey,

fügen, die dir durch dein ganzes Leben nützlich

seyn k-nnen re.

§.

31.

1. „ Verachte deinen Catechisen,

und wa«

du sonst in deiner Jugend gelernet hast. Allen

diesen Bettel mußt du mit den Kinderschuhen

ablegen rc.

$• n.

33*

„ Wage dich gleich an etwa« grosses;

und da« geringste, worüber du streitest,

laß

die Vorherbestimmung von Ewigkeit, die

cUgememe Gnade, die Nothwendigkeit der guten Werke zur Seeligkeit, die Art und weise, wie Ehristu» im Abendmahl

zugegen ist, und andere solche Fragen seyn. Wann du gleich nicht« davon verstehest, das schadet alle« nicht«.

Z*

34.

HL „ Von denen, die wichtig« Aemter bey der Kirche oder im Staate bekleiden, glaube L 4

durch-

Rettung

xsig t

fr

,

durchgängig, daß sie unwissend und dumm sind; denn es wäre ein Wunder, wenn Anse» hen und Verstand beysammen seyn sollten.

Wann du findest, daß sie auch nur in einer Kleinigkeit gefehlt haben, so schließe weiter.

$• 74

RettunK

♦= §. fö. XIX. „ Endlich, wann du dich in deinen Glaubensartikeln fest gesetzt hast, so fange auch an, dich um den Zustand deiner politb schen Obrigkeit zu bekümmern. Lebst du üi einer Monarchie, so untersuche, was dein Monarch für Recht habe, über freye Leute t» herrschen; Ob cs erlaubt sey, daß einer über alle gebiethe? Kannst du auch andre mit dazu aufmuntern, daß sie gleiche Untersuchun­

gen mit dir anstelle», so ist es desto besser rc. §. PXX. „ Um aber von deiner Obrigkeit «in richtiges Urtheil füllen zu können, wirst du sehr wohl thun, wann du von allen ihren Män­ geln und Fehlern Nachricht einzuziehen suchst, welche du am besten durch ihre Migde, oder andre Dothschaftträgerinnen bekommen kannst«. §. p. „ Mit diesen und dergleichen Untersu­ chungen bringe deine Zugend hin; und sey nicht

des Inepti Religiöse

l

17$

.

f

I

nicht so unsinnig sie bis auf das Alter zu ver­

späten re. §.

M.

Hier will ich aufhören, und eia mehrere« deiner eignen Klugheit überlassen.

Vielleicht

erkläre ich mich |u einer andern Zeit weitläuf» tiger, besonder« wann ich erfahren sollte, daß dirses nicht übel ausgenommen worden. •



*

Noch ist e« einige Augenblicke zu zeitig, meine Leser zu fragen, war sie wohl gelesen haben? E« ist vorher noch ein kleiner Anhang übrig, den ich ihnen gleichfalls mttthetlen muß. Er bestehet, wie schon gesagt aus einem kmzen Gedichte und au« einer Stelle de« Augustinus. Da- erstre ist Manuductio ad Epicureifmum über«

schrieben und lautet von Wort zu Wort so: Vitam qua faciunt suis beatam Porcis, hac Epicurus ille tradit;

Ne spectes hominum Deive mentem!

Non est qui regit & cur« orbem; Sp«m

»76

Rettung

Spem vitx .bene rideas futurx. Quam vis mens ratioque fana monstrenL

Te foli tibi finge procreatum,

Certus cuncta tuo esse nata ventri; Silenus pl’acüat nihilque malis.

Vivas ut tut fus tuusqtie porcus; Et tandem moriare porcus L fus»

Sic* ficiturad infulas beätas.

Aeterno quibus igne Carcer ardet Et tales coquit uftulatque porcoS,

Tune malles, Epicure, hon fuisse*

Sed fero venient ex querelx ; Et difees aliud fuisse quiddäm, Quam quod riferis hic inane humeh.

Diese Verse sind die besten nicht; und sie würden schwerlich Hier stehen, wann ich sie ge­ macht hätte.----- Endlich folgt auch dte Stelle de- Kirchenvaters r Utile est libros a pluribus fieri divers» ftylo, non diverse fide, etiatn de quzttio« nibus iisdem, ut ad plurimos res ipfa,

qux or­

thodoxe tractatur, pervenire poflit. — —

Ho! ho! wird man mir nunmehr entgegen rufen, diese Stelle war wohl noch nöthig, un­ recht

des Inepti Religiöse (

*** —

177

l

recht mit brr Nase darauf zu stossen, daß der ganze Bettel eine Satyre sey? Die Wendung darinne ist gleichwohl weder neu noch selten! Der Verfasser sagt überall da» Gegentheil von dem, war er sagen will; und sagt es oft mit so dür« ren Worten, daß man sehr dumm seyn muß, wenn man seine Meinung nicht fassen will. Und da« urtheile ich auch. Ich will denje, tilgen sehen, der mir das geringste Anstößige ober Gottlose darinne zeigt; sobald er dasjenige ver» «einet, was unser Spötter bejahet, und das« jenige bejahet, was er verneinet. Doch auch dieses ist nicht einmal nöthig; man nehme alles nach den Worten an; man gehe von dem eigene« lichen Verstände derselben, nirgends ab: was ist es nun mehr? Hat nicht ein Religiofus ineptu* sollen geschildert werden? Was hat man dazu für andre Züge wählen können? Um die Ironie überall noch besser einzuse« hen, darf man sich nur an die Streitigkeiken erinnern, welche besonders um die Mitte de«

»origen Jahrhunderts die lutherische Kirche zerr Verw.Schr. Ul. Eh. M rütt

178 t

Rettung ufr"

i

rütteten. Eine der vornehmsten war die Syn« creltsttsche, oder diejenige, welche die HrlmstLdirr Gotte-gelehrten, und besondere der ältere Lalixtu« erregten. Um da« Jahr i6$i. war sie eben sehr heftlg geworden, und sie ist es, ge gen dle unser Verfasser die meisten und schärf, sten Pfeile loedrückt. Man sehe besonders auf den zwey und vierzigsten und drey und vierzig« sten Paragraghum, und überhaupt auf alle zu, rück, wo er von den verschtednen Sekten, von der Bescheidenheit, die man gegen sie brauchen müsse, und von Ihrem Unterscheide, der nicht« weniger als wesentlich sey, redet. Auch auf die damaligen Union-bemühun« gen, welche mit jener Streitigkeit, «ine Art von Verwandschaft haben, zielt er. Ich berufe mich deswegen besonder« auf den fünf und zwan, zigsten Paragraphum, wo er von der Verträg» ichkeit spricht, und auf den dreyßigsten, wo er ast lauter Bücher anpreiset, die auf die Wie, drrvereinigung der christlichen Religion dringen. Was er aber daselbst von des Thoma« Brown« Reli-

des Inepti Religiöse t

.t.

»MfpU*

II

179 ■

1

Religion des Arztes sagt, ist mir beynahe ein wenig verdächtig. QUiem Hugo ex puritate dictier* nis multis folitus commendare, stnd feine Worte» Gleichwohl ist da« Werk eigentlich englisch ge, schrieben; und die lateinische Uebrrsehung, wenn ich mich recht erinnere, ist erst herausgekommen, als Grotins schon todt war» Ferner scheint mir der ganze ein und zwan» gigste Paragraph, und wo er sonst noch de» Scholastischen Philosophie gedenkt, aufdie ©tret' tigkeiten zu gehen, welche der Helmstädtsche Sw perintendent D. Hoffmann anspann, der sich durch seinen Haß gegen die Weltweisheit unge, mein lächerlich macht». Desgleichen sticht er die Anwendung der Car, testschen Philosophie in der Gottesgelahrhelt oft senbar, in dem siebzehnten Paragraph, an. De omnibus articulis Kdei, deque omnibus doctrt* nis morum fac ferne! in vita dubites.

Endlich besinne man sich noch auf die Schwär, mereyen de« erleuchteten Schuster« von Girlitz, welcher ohne Wissenschaft und Gelehrsamkeit, M a durch

Rettung

durch seinen blossen Unsinn, das Haupt einer

Sekte und der Theosoph Deutschland« zu wer­

den, da« Glück hatte.

Auch auf diesen und seine

Anhänger wird sich viele« nicht übel deuten lassen, so daß man, wenn man noch wenig andre An­

wendungen auf die Wiedertäufer,

und auf die

starken Geister damaliger Zeit, macht, wenig

in den Wind gesagtes finden wird. Zch will die Auswicklung aller dieser kleinen

Umstände dem Leser selbst überlassen, und mich

begnügen, ihn nur mit dem Finger darauf ge­ wiesen zu haben.

Er wird durchgängig, nach et,

ner kleinen Ueberlegung finden, daß wenn eine

Satyre in der Welt, orthodox abgefaßt worden;

so sey es gewiß diese, welche der Herr Pastor

Pogt als böse und gottlos ausschreyt. Doch ein jeder hat seine eigene Art zu denken;

und eö könnte wohl seyn, daß dieser Gelehrte voll, kommen nach seiner Empfindung geschrieben habe. E« ist nicht allen gegeben, Scherz zu verstehen;

besonders wenn er auf etwas fällt, woran unsere Eigenliebe The.il nimmt.

Zch würde ihm daher sein

des Inepti Religiöse

igi

fi—

I

fein blosses Urtheil nicht verdenkm, wann er es dabei hatte wollen bewenden lassen.

Allein, daß

er unsre Bestimmung durch Verfälschungen w zwingen will, das verdenke ich ihm sehr.

Und dieses ist der zweite Punkt, den ich weisen muß.

Man sehe also in dem Vorherge­

henden die Worte nach, die er aus dem fünf und vierzigsten Paragraph des Religiofi inepti will

genommen haben.

Es waren folgende: Omnes

quaestiones & controvcrfias ab ovo, quoll dicitur, fernper incipito. Nihil fuppone: femper quasras:

an Christus fuerit in rerum natura.

Gesetzt einen

Augenblick, diese Anführung hätte ihre vollkom­ mene Richtigkeit; was nun? Die ganze Schrift, wie wir gesehen habeir, ist eine Ironie, und also

auch diese Zeilen? Ale eine solche aber, sind sie hie unschuldigsten von der Welt,

und ich kann

auf keine Weise einsehen, wie sie den bösen Sinn des Verfassers verrathen können.

Herr Hogt

wird ihm doch nicht Schuld geben wollen, als

habe er gezweifelt, ob jemals ein Christus in M 3

der

181

Rettung

♦—

-95

=»♦ der Vergleichung, enb sage, baß auch ich einige grosse Geister so verehre, baß mit meinem Wil» (en nicht bte allergeringste Verleumdung auf th, neu hasten soll. Horaz ist einer von diesen. Und «ie sollte er es nicht seyn? Er, der philosophische Dichter, der Witz und Vernunft in ein mehr als schwer strrliches Band brachte, «nd mit der Feinheit eine« Hofmann« den ernstlichstrn Lehren der Weisheit da« geschmeidige Wesen steundschastli, cher Erinnerungen zu gebm wußte, und sie ent» zückenden Harmonien anvertraute, «m Ihne«

den Eingang in M Herz desto unfehlbarer zu machen.

Diese Lobsprüch« zwar hat ihm niemand ab« gestritten, und sie sind e« auch nicht, die ich hier wider irgend einen erhärten will. Der Neid würde sich lächerlich machen, wann er ent« schtednr Verdienste verkleinern wollte; er wem bet seine Anfälle, gleich einem schlauen Sekt» gerer, gegen diejenigen Seiten, die et ohne Vertheidigung sieht; er giebt dem, dem -er den 91 » grosse«

10

Rettungen

grossen Geist nicht abstreiten kann, lasterhafte Sitten, und dem, dem er die Tugend lassen muß, läßt er sie, und wacht thu dafür ju einem DItksinnigen. Schon längst habe ich es mit dem bittersten Verdruss« bemerkt, daß eben diesm Rinken auch der Nachruhm des Hora» nicht entgangen ist. So viel er auf der Seite des Dichters gewonnen hat, so viel hat er auf trt Seite des ehr­ lichen Manne« verlören. Za, spricht man, er sang die zärtlichsten und artigsten Lieder, nie#

wand ader war wollüstiger als er; er lobte die Tapferkeit bis zuni Entzücken, und war selbst der feigherzigste Flüchtling; er hatte die erha­ bensten Begriffe von der Gottheit, aber er selbst, war ihr schläfrigster Verehrer. E« haben sich Gelehrte genug gefunden, die sein« Geschichte sorgfältig untersucht, und tau­ send Kleinigkeiten beygebracht haben, die zum Verständnisse seiner Schriften dienen sollen. Sie haben uns ganze Chronologien davon ge­ liefert; sie haben alle zweifelhaft» Lesarten un­ ter-

des Horaz. ♦—

>97 =♦

tersucht; nur jene Vorwürfe haben sie «nunter« jucht gelassen. Und warum denn? Habe» sie etwa einen Heiden nicht gar zu verehrungswür« big machen wollen? Mich wenigsten« soll nichts abhalken, den Ungrund dieser Vorwürfe zu zeigen, und einige Anmerkungen darüber zu machen, dies» natür« lich sind, daß ich mich wundern muß, warum man sie nicht längst gemacht hat. Zch will bey seiner Wollust anfangen; oder wie sich ein neuer Schriftsteller auodrückc, der aber der feinste nicht ist; bey seiner stinkenden Geilheit und unmäßigen Unzucht. * Die Be­ weise zu dieser Beschuldigung nimmt man, theils aus seinen eignen Schriften, theil« aus den Zeugnissen andrer. Ich will bey den letzter« anfangen. Alle Zeugnisse, die man wegen der wollüstigen AusN 3 fchwei-

• Der Herr Müller in seiner Einleitung ,ur Kenntniß der lateinische» Schriftsteller, Theil ll. Seite 40;.

«9$

Rettungen

schweifimg te« Horaz austreibe» sann, fliesse» aus einer einzigen Quelle, deren Aufrichtigkeit nichts weniger als ausser allem Zweifel gefetzt ist. Man hat nehmlich auf einer alten Hand» fchrift der Dodlejanifchev Bibliothek eine Lebens» befchreibung des Horaz gefunden,- die fast alle Kunstlichter dem Suetsn, wie bekannt, zu, schreiben. Sßaan sie kein» andre Dewegungs» gründe dazu hätten, als die Gleichheit de» Schreibart, f» würde ich mir die Freyheit neh­ men, an ihrem Vorgeben zu zweifeln. Zch weis, daß man Schreibarten «achmachen kann; ich weis, daß es eine wahre Unmiglichkeit ist, alle kleine Eigenthümlichkeiten eines Schriftstel, ler» so genau zu kennen, daß man den gering­ sten Abgang derselben in seinem Nachahmer entdecken sollte; ich weis endlich, daß man, um in solchen Vermuthungen recht leicht zu fehlen, nichts als wenig Gesthmak und recht viel Stolz besitzen darf, welches, wie man sagt, gleich der Fall der meisten Kunstrichter ist. Doch der Sch oliast Porphyrion führt eine Stelle aus dieser Lebens-

des Hora-»

-"»-sc*»»"'

199 =♦

Lebensbeschreibung des Horaz an, und legt fie mit ausdrücklichen Worten dem Sueton bey. Dieses nun ist schon etwas mehr, ob gleich auch nicht alles. Di« Paar Worte, btt er daraus anführt, sind gar wohl von der Art, daß sie in »wey verschiedenen Lebensbeschreibungen binnen gestanden haben. Doch ich will meine Zwei, felsucht nicht zu weit treiben; Sueton mag

der Verfasser seyn. Sueton also, der in dieser Lebensbeschrei» bung hunderterley beybringt, welches dem Ho, ra; zum Lobe gereichet, läßt, gleichsam als von der Wahrheitsliebe darzu gezwungen, eine Stelle mit einfliessen, die man tausendmahl nachgeschrie,

bcn, und ost genug mit einer kleinen Kützelung nachgeschrieben hat. Hier ist sie: Ad res vene. reas intern perantior traditur. Nam fpeculato cubiculo fcorta dicitur habuifle dlfpofita, ut quo-

cunque refpexifTet, ibi ei imago coitus referretur.

Was will man nun mehr? Sueton ist doch wohl ein glaubwürdiger Schriftsteller; und Horaz war doch wohl Dichter« genug, 814

ant

10O

Rettungeir

um so etwa« von ihm für ganz wahrscheinlich zu halten? Man übereile sich nicht, und sey anfangs we­ nigsten« nur so vorsichtig, al« e« Sueton selbst hat seyn wollen. Er sagt treditur, dicitur. Zwey schöne Wirrer, welchen schon mancher ehr­ liche Mann den Verlust seine« guten Namen« zu danken hat! Also ist nur di« Rede so gegangen? Also hat mane« nur gesagt? Wahrhaftig, mein lieber Sutton, so bin ich sehr übel auf dich zu sprechen, daß du solche Nichtswürdigkeiten nach­ plauderst. Zn den hundert und mehr Zähren, die du nach ihm gelebt, hat viele« sinnen er, dacht werden, welche« ein Geschichtschreiber wie du, hätte untersuchen, nicht aber ununtersucht fortpflanzen sollen.------E« würde ein wenig ekel klingen, wenn ich diese Apostrophe weiter treiben wollte. Zch will also gelassener fortfahren------- Zn eben die­ ser Lebensbeschreibung sagt Sutton: e« gehen unter dem Namen de« Horaz Elegien und ein

prosaischer Brief herum; allein beyde halte ich für

des Horaz«

=*♦ für falsch.

Die Elegien sind gemein, und der

Drlef ist dunkel, welche« doch sein Fehler ganz und garnichtwar.------- Da« ist artigi Warum widerspricht denn Sueton der Tradition hier,

und oben bey dem Spiegelzimmer nicht? Hat rt mehr auf sich, den Geist eine« Schriftsteller«

zu retten, al« seine Sitten? Welche« schimpft denn mehr? Nach einer Menge der vollkommen,

sten Gedichte, einige kalte Elegien und einen dunkeln Drlef schrelben; oder bey aller Feinheit de« Geschmack« ein unmäßiger Wollüstling seyn? ------- Unmöglich kann ich mir einbiiden, daß ein vernünftiger Geschichtschreiber,

auf eben

derselben Selte, in eben derselben Sache, nehm, sich in Meldung der Nachreden,

welchm sein

Held ausgesetzt worden, gleich unvorsichtig, ete hehutsam seyn könne. Nicht genug I Zch muß weiter gehen, und

den Leser bitten, die angeführte Stelle noch ein» mal zu bewachten; ad res venereas intemperantior traditur.

Nam speculato cubiculo scorta di-

N $

citur

40»

Rettungen

citur habuifle dispofita, ut quocunque respexiflet,

ibi ei imago coitus reserretur.

Ze mehr ich diese Werte ansehe, je -mehr verlieren sie in meinen Augen von ihrer Glaub» Würdigkeit. Zch finde sie abgeschmackt; ich finde sie unrbmtsch; ich finde, daß sie andern Stellen in dieser Lebensbeschreibung offenbar wider» sprechen. Zch finde sie abgeschmackt. Man höre doch nur, ob der Geschichtschreiber kann gewußt ha­ ben, was er will? Horaz fall in den vene, rischen Ergötzungen unmäßig gewesen seyn; denn man sagt------ Auf die Ursache wohl Ach­ tung gegeben! Man sagt — Hhne Zweifel, daß er als ein wahrer Gartengott, ohne Wahl, ohn« Geschmack auf alles, war weiblichen Geschlecht« gewesen, losgestürmet sey? Nein! ~ Man sagt, er habe seine Buhlerinnen in einem Spiegelzimmer genossen, um auf allen Seiten, wo er hingefehen, die wollüstige Abbildung seines Glücks anzutreffen. — Weiler nicht«? Wo steckt denn die UnmLßigkeit? 34

des Horaz.

103

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♦«

Zch sehe, die Wahrheit diese« Umstande« vor­

ausgesetzt, nicht« darinn, al« ein Bestreben, sich die Wollust so retrend zu machen, al« mög­

lich.

Der Dichter war also keiner von den gro­

ben Leute», denen Brunst und Galanterie eine#

ist, und die im Finstern mit der Befriedigung eine« einzige» Sinne« vorlieb nehmen.

Er

wollte, so viel möglich, alle sättigen; und ohne einen Wehrmann zu nennen, kann man be­

haupten, er werbe auch nicht den Geruch davon ausgeschlossen haben.

Wenigsten« hat er dies«

Reitzung gekannt: te puer in rosa

Persusus liquidis urget odoribus.

Und da« Ohr? Zch traue ihm Zärtlichkeit genug

zu, daß er auch dieses nicht werbe haben leer «usgehen lassen.

Sollte die Musik auch nur Gratus puelix rifu&

gewesen seyn. Und der Geschmack? ofcida, quae Venus Quinta parre fui ncctaris imbuit.

Nektar

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Rettungen ............. "

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Nektar aber soll der Zange keine gemeine Kühe, lang »erschüft haben; wenigsten« sagt Ibyku« -ey dem Atheniu«, e« sey noch neunmal süsser «tt Honig —• — Himmel! wa« für eine empfindliche Seele war die Seele he« Ho, raz l Sie »og die Wollust durch alle Eta, ginge in fich. — — Und gleichwohl ist mir da« Spiegel-imDer eine Unwahrscheinlichkeit. Sollte denn dem Dichter nie eine Anspielung darauf entwlscht seyn? Vergeben« wird man fich nach dieser bey ihm umsehen. Nein, nein; in den süssen Umarmungen einer Chloe hat man die Sättigung her Augen näher/ al« daß man fie erst setrwert« indem Spiegel suchen müßte. Wen da« Urbild nicht rühret, wird den der Schatten rühren?------- Zch verstehe eigentlich hievon nicht«; gan» und gar nicht«. Aber e« muß doch auch hier alle« feinen Grund haben; und e« wäre ein sehr wunderbare« Gesetze, nach welchem die Einbildungskraft wirkte, wenn der Schein

mehr Eindruck auf fie machen könnte, al« da« Wesen.------Ferner

des Horaz ♦

2.05 ==♦

Ferner finde ich die angefühttm Worte «n»

rtmifih.

Wer wird mich zum Exempel beredm,

baß die Römer fpacutatum cubiculum, für cubiculum fpeculis ornatum gefilzt haben? Ä!anmag

dem Mittelworts fp-culamm eine active oder Pas»

five Bedeutung geben, so wird e« in dem ersten Fall gar nicht«, und in dem andern etwa« ganz ander«

»««drücken.

Schon fpeculari für in dem Spie»

gel besehen. Ist da« gewöhnlichste nicht, und niemand ander« al« eia Barbar oder ein Schul»

knabe kann darauf fallen, dm Begriff mit

Spiegeln ausgezieret, durch fpecuhtu» zu ge»

den.

Doch wmn da« auch nicht wäre, so sage

Man mir doch, wa« die ganze Redensart heißt: (peculato cubiculo fcorta dicitur habuifle difpofit«?

Ich weis wohl, wa« in einem gewissen Stuben»

tenliede fcorta deponcre bedeutet, aber wa« tii einem klassischen Schriftsteller fcorta difponere

sagen könne, gesteh ich ganz gerne, nicht zu wls» seu.

Die Worte sind so dunkel, daß man dm

Sinn nicht ander« al« errathen kann; welche«

aber den meisten nicht sauer werden wird, well tick

ao6

Rettungen

" 1^"-

t

«in wenig Bosheit mit unterläuft.

i Wann man

Ihn nun aber errathen hat, so »ersuche man doch, ob er sich wohl mit dem, was Sueton sonst von

dem Horaz erzählt, vergleichen lasse? Nach dem Bericht dieses Geschichtschreibers,

«ar August mit dem Dichter so vertraulich, daß er Ihn ost Im Scherze poriffimum penem und

homiincionem lepidiflimum nannte.

Der ver­

schämte Herr Pastor Lange giebt das erste Bey­

wort durch einen artigen Bruder Liederlich ; «der vielmehr nach seiner Rechtschreibung Lie­

derlich.

Zch Nstll hoffm, baß man keine ge­

treuere Uebersehung von mir verlangen wirb.

Genug für mich, daß puriflinuis, oder wenn man die

Lesart ein

wenig

antiquer

haben

will,

putisliinus, der Allerreinste heißt, und daß der, welcher ad res venereas intemperantior Ist, Un­ möglich der Allerreinste seyn kann.

beyden muß also nur wahr seyn;

Eines von entweder das

dicitur 6« Pöbels, oder das ausdrückliche . Ur­ theil de« Augusts.

Mit welchem will man es

halten?

Die

««

ves Horaz, “‘"tfr**“

=♦

Die Wahl kann nicht schwer fallen; sondern feder Unpartheyischer wird mir vielmehr zngeste» hen, baß Soeton schwerlich etwa« so abge, schmackle«, so unrömische« und mit seinen am berweitigm Nachrichten so streitende«, könne ge, schrieben haben, und daß man vielmehr vollkonn mm berechtiget sey, dir angeführt» Stelle für untergeschoben zu halten. Wa« da« Unrtmtsche darin« zwar anbelangt, so-könnte man vtrllelcht dm Vorwand der vere stümmeltep! Lesart wider «ich brauchen, und alle Schuld auf die unwlssrnbm Abschreiber schieben. E« ist wahr; und tch selbst kann ein« Verbesserung angeben, öle so ungezwungen ist, baß man sie ohne Widerrede annehmm wird. Anstatt nehmlich: fpeculato cubiculo scorta dicitut habuifle disposita rathe ich zu lesen fpecula in cubicuio scortans itadicicur habuifle disposita, ut&c.

Man sieht, daß ich wenigsten« sehr aufrichtig bin, und mir kein Bedenken mache, meinen Grund selbst zu entkräften. Doch wer weiß ob ich er thun würde, wenn ich nicht den übrigen Grün,

Rettungei»

10t

Gründen desto mehr zutraute.

Zch glaube aber;

fit sind von der Beschaffenheit, baß bas, was ich noch htnzusetzen will, sie fast unwldersprech,

sich machen wird. Zch hatte nicht lange über diese verdächtige

Beschuldigung nachgedacht, als ich mich erinnere te, etwa« ähnliches bey dem Seneca gelesen »u

haben.

Dieser ehrliche Philosoph hat nicht gern

rlae Gelegenheit verstimm- wo er mit guter Art seine ernsthaften Lehre», mit einem Zuge aus der Geschichte lebhafter machen konnte.

Zn

dem ersten Buche seiner natürlichen Fragen Han« drlt er unter andern von den Spiegeln, und

nachdem er alle« beygebracht, was er als ein Physiker davon zu sagen gewußt, so schließt er

endlich mit einer Erzehlung, die ziemlich schmutzig ist.

Vielleicht sollte ich mehr sagen, als $itm
1

äs.» .ii

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Ueberseher, die lieber ihre Urschrift hier verstümmein, al- durch allzugrvsse Treue ihren Lesern die Nöthe in« Gesicht treiben wollen. Zch würd» eben so behutsam seyn, wenn nicht unglücklicher Welse beynahe die ganze Rettung meiner Dich­ tere davon abhiuge. Der Unschuld zum Nutzen kaun man schon den Mund ein wenig weiter aufthun. Ich werde bey dein allen noch weit bescheidener als Seneca seyn, den diejenigen, «eiche gründlicher unterrichtet seyn wollen in dein sechzehnten Hauptstücke de« angeführten Buchs Nachlesen können.

Dey dieser Gelegenheit, sagt er zu seinem Lucil, »> muß ich dir doch ein Histörchen erzehlen, „ woraus du erkeiinen wirst, wie die Geilheit „ sogar kein Werkzeug zur Anreitzung der Wolinst verachtet, und wie sinnreich sie ist, ihrem „ unzüchtigen Feuer Nahrung zu schaffen. Ein „ gewisser Hostiua übertraf an Unkeuschhrit „ alles, was man jemals auf der Bühne gese„ hen und verabscheuet hat. Er war dabey eilt ,, reicher Geizhals, rin Sklave von mehr al« Verm.Schr.uirh. O tau-

HO

Rettungen

♦ .. tausend Sesterzien.

Al« Ihn seine Sklaven

» «mgebrachr hatten, achtele der sittliche August ihn nicht für wetth, seinen Tod zu rächen,

„ ob er ihn gleich nicht billigte.

Er verunrei,

„ nigte sich nicht allein mit Einem Geschlechte; ,, sondern er war auf da« männliche eben so tcu

„ send al« aus da« weibliche.

Er ließ sich Spie«

,, gel verfenigen, die, wie ich sie in dem vor»

„ hergehenden beschrieben habe, die Bilder um ,, viele« vergriffenen, und den Finger an Dicke ,» und Länge einem Arme gleich machten. Diese

Spiegel stellte er so, daß wenn er sich selbst

von einem seine« Geschlecht« mißbrauchen ließ, „ er alle Bewegungen seine« Schänder« darlnne » sehen, und sich an der falschen Grösse de« Elie«

de«, gleichsam al« einer wahren, vergnügen .. konnte.

Er suchte -war schon in allen Dadstu,

,, ben die Muster nach dem vergrössertenMaaßstabe

„ au«; gleichwohl aber mußte er seine unersättliche „ Brunst auch noch mit Lügen stillen.

Nun sage

man mir, ob e« wahr ist, baß der Spiegel nur

der Reinigkeit wegen erfunden sey?" — Wei,

des Horaz»

in

tu- -.................................... -......... t Weiter braucht ich mtlttert Stoiker nicht zu verdolmetschen. Er moralisirt noch eine ziemliche Ecke in« Feld hinein, und giebt sich alle Müht, dit Augen seiner Leser auf diesen Gegenstand recht zu heften. Man sollte schweren, er rede von dem freywilligen Todt de« Cato, so feurig wird er dabey i Ich will mich vielmehr sogleich zu den Fod gerungen «enden, die daraus fliessen. Der gilt/ licha Augustus, welcher hier einen unzüchtigen Mann so verabscheuet, daß er auch seinen Tod, an den nicht-würdigsten Kreaturen in den Augen eines Römers, an meulchelmirdertfchen Skla< vtn, nicht ahnden will, ist eben der August, dessen Liebling Horaz war. Nun mahlt man uns den Horaz zwar nicht völlig als einen Hostius; allein das was daran fehlt, ist auch so groß nicht, al« daß es in dem Betragen de« Am gustus einen so merklichen Unterscheid hätte machen können. Unter den fconis, die der Dich» ter vor dem Spiegel soll genossen haben, will Man nicht bloß weibliche verstehen, deren Ge, 0 i brauch

Rettungen

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brauch die Entbehrlichkeit übernatürlicher An» spornung tiemllch voraueseht. Man maß da« männliche Geschlecht mit darunter begreifen, wenn daS intemperantior ad res venereas traditur,

nicht, wie ich schon gezeigt habe, tiiu Unge­ reimtheit seyn soll. Begreift man es aber darum ter, so ist Hostius dem Horaz nur noch in klei­ nen Umständen überlegen; und ihr Haupkvrrbrechen ist eins. Er ist ein«, sage ich; «nb Augustus muß von sehr wankenden Grundsätzen gewesen seyn. War konnte ihn anrretben, eben dasselbe Laster in dem einen zu verfolgen, und bey dem andern in einen Scherz oder vielmehr gar in eine Art von Lobspruch zu verwandeln? Jenen für indignum vindicta, und diesen für puriflimum penem zu erklären; Man sag» nicht, die Vorzüge, die Horaz sonst, als ein schiner Geist besessen, kinnten den August über diese Abscheulichkeit wegzusehen bewogen haben. Au­ gust war der Mann nicht, der in Ansehung des Witzes die allzugroben Ausschweifungen zu »ergeben gewohnt war. Wenigstens hat er es an

des Hora;.

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I .i

en einer ähnlichen Person, an dem Ovid nicht gewiesen.

Was soll ich von einer so klaren Sache viel Worte machen? Ich glaube die critische Dermnthung vorbereitet genug zu haben, die ich nunmehr vorbringen will. Man betrachte, daß Hostiu« unter dem August gelebt; man betrach» te, daß der Name Hoftim Gleichheit genug mit dem Namen Horatius hat, um von einem Un­ wissenden dafür angesehn zu werden; man überlege endlich, daß die Worte des Seneca, die ich schon überseht angeführt habe: fpecula ita difponebat, tit cum virum ipfe pateretur, tversus omnes admissarii fui motus in fpeculo vidcret; daß,

sage

ich, diese Worte von den oben angeführten: fpecula in cubiculo, fcortatus ita dicitur habuifle

difpofita, ut quocunque rcfpexiffet, ibi ei imago

beynahe da« Vorbild zu sey» scheinen; und wenn man alles dieses genau über­ legt hat, so sage man mir, ob ich nicht mit ei, nem ziemlichen Grade von Wahrscheinlichkeit behaupten könnte, daß die streitige Stelle de« 0 3 Surtono, coitus referretur

Mettungen

♦-=



Öueton», da« Einschiebsel eine« Abschreiber« sey ? Eine« Abschreibers, der vielleicht bey einem andern, als bey dem Seneca gelesen l>akte: ju den Zeiten de« Augustus habe ein gewisser H-stiur — welcher Name ihm ohne Zweifel unbekann'er war, al« Horarius----- vor den Spiegeln seine unr züchtigen Lüste gestillt: eine« Abschreiber«, der ein verdienstliche« Werk zu thun glaubte, wenn er mir dieser Anekdote die Nachrichten de« Suer ton« vermehrte, Zch bin hoffentlich der erste, der diese Der, MUthnng verträgt, yb ich gleich nicht der erste hin, der die Stelle, die sie brtrift, fürunterge« schoben Hilt, Dacier Hal sie in seiner Ueber« setzung stillschweigend an«gelassen, und stillschwei­ gend also verdammt, Baxter läßt sie in seiner Ausgabe gleichfalls weg, und fügt in einer Am merkung hinzu: qu$ hic omittuntur, a nefciq quo nebulone infarcta sunt, neque enim folunt inhonefta, verum etiam deridicula & Videntur, Es sollte Mw lieh styN, w«NN ich d«S, IV«

des Horaz.

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wat Baxter hier mit ganz trocknen Dorten sagtrichtig erwiesen hätte. Und twar sollte e« mir schon deswegm lieh seyn, wpil die zweyte Art von Beweisen, die man von der Unkenschheit M Horaz aus seinen eignen Schriften nimmt, ein grosse« verlie­ ret, wann sie von der erstem nicht mehr unter, stützt wird. Giebt man es zu, oder glett man «nicht zu, daß der Dichter die Natur schildert; daß die sinn­ lichen Gegenstände ihn nicht bloß und allein, ja nicht einmal vorzüglich beschäftigen müssen; baß die Empfindungen, so wie sie die Natur selbst beleben, auch sein Gemählde beleben müssen? Man giebt es zu. Räumt man es ein, oder räumt man es nicht ein, baß die Empfindungen der Wollust unter allen diejenigen sind, welche sich der meisten Herzen bemächtigen, und sich ihrer am leichtesten bemächtigen; baß sie unter sich brr mehresten Abänderungen fähig sind, welche alle Wollust, aber alle eine andre Wollust sind; baß der Dichter,

so wie er hier seine meiste

O 4

Stärke

em menschlichen Her­ ze, so wie e« ist, und nicht wie ee seyn sollte; sowie e« ewig bleiben wird, und nicht wie es die strengsten Sittenlehrer gern umbilden wollten. Zch habe für den Horaz schon viel gewon­ nen, wenn der Dichtervon der Liebe singen darf. Allein die Liebe, hat sie nicht jede« Jahrhundert eine andere Gestalt? Man hat angemerkt, daß sie in den barbarischen Zeiten ungemein beschei, den, ehrerbietig, und bi« zur Schwärmerey züch,

tig und beständig gewesen ist? eö waren dir Jet, ten

des H-raz.

2'7

ngQp ^|M,

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ttn der irrenden Ritter. Zn den Zeiten hinge» gen, in welchen sich Witz und Geschmack aus dem Bezirke der Künste und Wissenschaften bi» in den Bezirk der Sitten ausgebreitet hatten, war sie immer kühn, flatterhaft, schlüpftigt, und schweifte wohl gar aus dem Gleise der Na» tur ein wenig aus. Zst es aber nicht die Pflicht eines Dichters, den Ton seines ZahrhundertS anzunehmen? Sie ist er, und Horaz konnte un, möglich anders von der Liebe reden, als nach der Denkungsart seiner Zeitgenossen. — — Noch mehr also für ihn gewonnen. Hierzu füge man die Anmerkung, daß alle», woraus ein Dichter seine eigne Angelegenheit macht, weit mehr rührt, als das, was er nur «rzehlt. Er muß die Empfindungen, die er er» regen will, in sich selbst zu haben scheinen; er muß scheinen aus der Erfahrung und nicht aus der blossen Einbildungskraft zu sprechen. Diese, durch welche er seinem geschmeidigen Geiste alle mögliche Formen auf kurze Zeit zu geben, und ihn in alle Leidenschaften zu setzen weiß, ist eben O f

das.

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Rettungeä ♦

da«, wa« seinen Vorzug vor andem Sterblichen ausmachl; allein e« ist gleich auch da«, wovon sich diejenigen, denen er versagt ist, ganz und gar keinen Degrtf machen sinnen. Sie sinnen flch nicht vorstellen, wie ein Dichter zornig seyn sinne, ohne zu zürnen; wie er von Liebe seufzen kinne, ohne sie zu fühlen. Sie, die alle Lei» henschaften nur durch Wirklichkeiten in sich er, wecken lassen, wissen von dem Geheimnisse nicht«, sie durch willkührltche Vorstellungen rege

zu machen. Sie gleichen den gemeinen Schis» fern, die ihren Lauf nach dem Winde einrichten müssen, wenn der Dichter einem Aenea« gleicht, der die Winde in verschlossenen Schläuchen bey sich führt, und sie nach seinem Laufe einrichren kann. Gleichwohl muß er, ihren Beyfall zu haben, sich ihm gleich stellen. Weil sie nicht ehr feurig von der Liebe reden können, al« bi« sie verliebt sind; so muß er selbst ihnen zu ge, fallen verliebt seyn, wenn er feurig davon reden will. Weil sie Nichtwissen, wie sich der Schmerz über den Verlust einer Geliebten ausdrücken würbe.

des Horaz. ( i

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würde, ohne ihn gefühlt ju haben; fe muß Ihm selbst eine Neära untreu geworden seyn, wann

er die Natur und ihre Ausbrüche bey einer sol» chen Gelegenheit, schildern will. Da man aber dieses weis, oder wenigstens wissen könnte, schämt man sich denn nicht, alles im Ernste auf die Rechnung de« Dichters zu schreiben; was er selbst, des künstlichen Blende werk« wegen, darauf geschrieben hat? Muß er denn alle Gläser geleert und alle Mädgen« ge» küßt haben, die er geleert und geküßt zu haben Vvrgiebt? Die Bosheit herrscht hier wie überall. Man lasse ihn die herrlichsten Sittensprüche, die erhabensten Gedanken, von Gott und Tugend

vortragen; man wird sich wohl hüten, sein Herr zur Quelle derselben zu machen; alle« das Schö­ ne, spricht man, sagt er al« Dichter. Aber es entfahre ihm da» geringste Anstößige, schnell soll der Mund von dem übergeflossen seyn, dessen da« Herz voll ist. Weg also mit allen den unwürdigen Anwen­ dungen, die man von den Gedichten de- Horaz auf

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{Rettungen i

auf den moralischen Charakter desselben ost genug gemacht hat! Sie sind bk größten Ungerechtig­ keiten , die man ihm erweisen kann, und allzu ost wiederholt, werden sie endlich alle sein« Nach, ahmer bewegen, un« die Natur nur auf ihrer störrischen Sette zu weisen, und alle Trazlen aus ihren Liedern zu verbannen. Niemand hat diese verhaßten Anwendungen weiter getrieben, al« einige Franzosen. Und in welcher Thorheit tragen nicht immer die Franzo,

senden Preis davon? De la Lhapelle fand mit seinen Liebsgeschtchten des Catulls und Ttbulls Nachahmer, so ein elender Schriftsteller er auch war. Doch habe ich es schon vergessen, daß es eben bk elendesten Schriftsteller sind, welche dle die meisten Nachahmer finden? Nicht einer, son­ dern zwey wahrhafte Beauxespritö, da« ist, wahre haste seichte Köpfe, haben uns les Amours d’Horice geliefert. Der eine hat in fünf Briefen an et» nen Marquis------- denn ein Marquis muß e« wenigstens seyn, mit dem ein französischer Autor in Briefwechsel steht — — alle weibliche Namen, die

des Horaz.

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die in den Gedichten de« Hora; vorkommen, in ein Ganze« zu bringen gewußt. Sie sind ihm eine Reihe von willigen Schwestern, die alle der flatterhafte Horaz durchgeschw-rmt ist. Schm die Menge derselben bitte ihm da« Abgeschmackt« seine« Unternehmen« sichtbar machen kinnen;

allein eben dieselbe Menge macht er zu einem De» weise, baß Horaz in der Galanterie ein Held ohn gleichen müsse gewesen seyn. Er erzwingt überall au« den Motten de« Dichter«, welch« oft die unschuldigsten von der Melk sind, kleine scandaleuse Umstände, um seinen Erdichtungen eine An von Zusammenhang zu schaffen. Horaz, zum Exempel, begleitet die zur See gehende Ga» lather mit aufrichtigen Wünschen der Freunde schast; der Freundschaft, sag ich, die ihr alle Gefährlichkeiten de« tobenden Ocean« vorstellt, und sie durch da« Exempel der Europa, keine um gewisse Reise anzutteten, ermahnet. Diese« ist der Inhalt der izttn Ode de« dritten Buch«. Da« Zittlichste, wa« Horaz der Galakhee darinn«

sagt, sind die Zeilen; Sie

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Sis licet felix ubicunque mtvis, Et memor noftri, Galatea, vivas,

SBa< tann unschuldiger seyn, als diese Zeilen?

St« scheinen aus dem Munde einer Bruder« geflössen zu seyn, der sich einer geliebten Schwe­ ster, die ihn verlassen will, empfiehlt. Doch was nicht dartnn liegt, hat der Franzose hineinge» legt; er überseht die Worte memor noftri» viv«i durch daigneZ toujourr conferver le fouvenir de ml

tendrefle, und nunmehr ist er klar, daß Galathee eine Buhlerin des Horaz gewesen ist. Noch nicht genug; zum Trohe aller Ausleger, die zu dieser Ode sehen, », man weis nicht, wer diese Gala„ the gewesen ist, noch »telwenigcr ob fie Horaz h geliebt hat — ihnen zum Trohe, sage Ich, weis er beyde«. Galathee, sagt er, war ein gute« Weibchen, so wie sie Horaz, der nun bald aus­ gedient hatte, brauchte. Sie wollte lieber gleich Anfang« die Waffen niederlegen, als sich mir Vertheidigung eines Platze« aufhaiten, von dem

sie vorher sahe, daß er sich doch würde ergeben Müssen. Zhre Leidenschaften waren sehr feurig, und

des Horaz.

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und die Heftigkeit derselben «ar Io allen ihren

Minen ju lesen. Ihr Mund war von den hLm figen Küssen, die sie zu empfangen gtwohnt war, wie verwelkt. Aller da« machte sie für den Ho, raz recht bequem; für ihn, der gleichfalls gern so geschwind al« möglich zu entern suchte; nur Schade, daß sie sich etwa« mehr von ihm ver, sprach, alr kalte Versicherungen seiner Treue. Sie ließ er ihm daher auch gar bald merken, daß nicht» als Liebe, selten ein Frauenzimmer zur Liebe bewege. Den Verfolgungen diese« abge, lebten Liebhaber« zu entgehen, und wa« da« vor# nehmste war, sich für seine Lieder, für bi« gewöhnlichen Werkzeuge seiner Rache, in Si# cherheit zu setzen, beschloß sie, Rom zu ver# lassen. Sie machte sich fertig zur See zu ge, hm, um vielleicht auf gut Glück ihren Mann aufzusucheii. — Ist e« erlaubt, solche Nichtswürdigkeiten zu erdenken, die auch nicht den allermtndrsten Grund haben? doch ich will mich bey diesem Schriftsteller nicht aufhalten. Gegen da« An#

den#

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Rettungen ♦

denken eines grossen Dichters so wenig Ehrerbie­ tigkeit Haden, daß man sich nicht scheuet, es durch einen unsinnigen Roman zu verdunkeln, ist ein Beweis der allerpSbeihaftesten Art zu den­ ken, und des aller elendesten Geschmacks, G.nuz, daß jedem, der die Oden gegen einander halten will, die Horaz an einerley Frauenzimmer dem Namen nach, geschrieben zu haben scheinet, Widersprüche in die Augen fallen werden, dle sogleich das Erdichtete der Gegenstände verra­ then. Mehr braucht es nicht, aus allen feinen Lydien, Neiren, Chloe», Leuconoen, Glyce­ rin, und wie sie alle heissen, Wesen der Einbil­ dung zu machen. Wesen der Einbildung, wo­ für ich beyläufig auch meine Phyllts und Laura und Corinna erklären will. — — Wird man nicht lachen, daß man mich um meinen Nach­ ruhm so besorgt sieht? Aber ich will wohl also gar, den Horaz zu

einen Priester der Keuschheit machen? Nicht» weniger als das. Er mag immer geliebt haben; wenn ich nur so viel für ihn erlange, daß man seine

HJ

b«s H-raz»

=*♦ feine Oben nicht wider ibn brauchen darf, und die Spiele seines Witzes nicht ju Bekenntnissen seines Herzens macht. Zch bringe hierauf 6e# sonders deswegen, um ihn von dem «idematür, lichen Verbrechen der Wollüstlinge feiner Zelt los zu sprechen, und wenigsten« die weichlichen Knaben, den Ligurin unb L^ciscu«, aus der Rolle seiner Buhlerinnen zu streichen» Um e« wahrscheinlich zu machen, daß Horaz nur da« erlaubtre Vergnügen genossen habe, er,

Innre man flch de« Elfer«, mit welchem er den Ehebmch bestraft. Man lese seine sechste Ode des dritten Buch«, Was für eine Strophe! Fecunda culpe fecula nuptias Fritnum inquinavere, & genus & domus; Hoc fönte derivata clades In patriam populumque fltixit.

Konnte er die Verletzung des ehelichen Bande« mit schrecklichern Farben abschtldern, als daß er sie zur Quelle machte, woraus alles Unglück über die Rimer daher geflossen sey? Nicht genug, daß er diese« Laster als Laster verfolgte, er 6e# Verm.Schr. in. Cb. P strebte

Ottffungin

416

—4 (tetite sich sogar rt lLcherlich zu macht«,

am

seine Römer durch dar Ungereimte davon abzm halten,

wovon sie dte Furcht der Strafe nicht

Ich berufe mich deswegen auf

adhailen konnte.

feine zweyte Satyre der ersten Luch«.

Auf wa«

bringt er mehr, al« auf dte Verschonung der Ma« tränen?

Er beschreibt ihren Genuß unsicher,

mit weniger Reiz verbunden al« den Genuß tob

ger Buhlerinnen, umgeben,

und mit hundert Gefahren

dte man in den Arme» einer Freyge,

laffenen nicht zu befürchten habe. — — als» wohl der,

Solte

welcher für die gesellschaftlichen

Gesetz« so viel Ehrerbietung hatte, dle wett heb tigern Gesetze der Natur übertreten haben? Er

kannte sie, diese Natur, und wußte,

daß sie

unsern Begierden gewisse Grenzen gesetzt habe, welche zu kennen «tue der ersten Pflichten sey.

Nonne cupidinibus statuit natura tnodum? quem ftuid latura fibi, quid fit dolitttre negetum, Auerete plus prodett, & inane abscindere foldo.

des H-v-z,

Ich kann e« »war nicht verbergen, daß er in tben dieser Satyre von dem Gebrauche der Kna­ ben »iemlich gleichgültig spricht: aber wie? Sv, daß er zugleich deutlich zeigt, nach seinem Ge­ schmacke sey ihm der gewihnlichste Weg der liebste. Leist wahr: er sagt: himeht tibi quum inguina, hüm> 6 Ancilli aut vema est presto puer, Impetus da quem Continüo fiat, toalis tehdgint rumpi?

L« ist wahr, er setzt sogleich hinzu: höh ege, Allein er schließt auch In den nachfolgenden Ver­ sen feine Begierde offenbar nur Auf die erste ein, so daß er durch dieses Bekenntniß weiter nichts sagen will, als baß er parabilem venerem £td> lemque liebe» Er fährt fort: Hec ubi fuppofuit dextro Corpus tnihi levum, llii & Egeria est; do notnen quodlibet Illi.

Zch dringe auf das hxc, und bemerke noch dabey, daß Horaz die Natur so geliebt habe, daß et auch en dieser Hec nicht einmal die Schmünke und die hohen Absätze leiden wollen. Pa

ttt

Rettungen ♦==

*♦ ut neque longa

Nea migis ilba velit, quam det natura, v>deri.

Ntmm«rmehr wird man mich überreden kinnen, baß einer, welcher der Natur in solchen Kletuig, feiten nachgrhet, sie in dem allerwichtigstrn sollte

verkannt haben.

Der, welcher von einem Lasier,

das di« Mode gebilligt hat, so wie von einer

Mode redet, die man mitmachen kann oder nicht, muß deswegen nicht dieses Lasier selbst eywgeübet haben.

Er kann es im Herren »er«

dämmen, ohne deswegen wider den Strohm

schwimmen zu wollen. Damit ich mich aber nicht bloß bey allgemei­

nen Entschuldigungen aufzuhalten scheine, so will Ich mich zu einer von den Oden selbst wenden, di« seine Knabenliebe, wie man sagt, beweisen. Ich wähle die erste 6« vierten Ducht.

Sie ist

an die Venus gerichtet, und von dem Dichter in tlntm Alter von fast fünfzig Zähren gesungen

Worden. Er btttxt darin» die Göttinn, ihn Nicht auf« neue zu bekriegen, sondern sich viel­ mehr

des Horaz. ♦

219

=♦

mehr mit allen ihren Reitzungen ;u den Maxi­ mus zu verfügen, welcher nicht unterlassen werde, ihr einen marmomen Altar zu errichten, und den lieblichsten Weihrauch bey fästlichen Tänzen zu ihr aufstelgen zu lassen. Für ihn selbst schicke es sich nun nicht mehr, bey dem freundlichen Kampfe der Bücher, die Haare mit Blumen zu durch-

fl chren, und allzuleichtglLubig auf Gegenliebe zu hoffen — Hier bricht der Dichter ab, und fügt durch eine ihm eigne Wendung hinzu: Sed cur heu, Ligurine, cur Manat rara meas lacryma per genas; Cur fa^unda parum decoro

Inter verba cadit lingua filentio?

Nocturnit te ego fomniis

Jam captum teneo, jam velucrem fequor Te per gramina Martii

Campi, te peY aquas» dure, volubiles.

Was läßt sich zärtlicher» gedenken, als diese Stelle? Wenn sie doch nur keinen Ligurin be­ träfe! Doch wir, wenn Ligurin nichts al« «in Gedankt des Dichters wäre? Wie, wanfl e« P 3 nichts,

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Rettungen

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nicht-, als eine Nachbildung des anakreonttschru Dathyll« seyn sollte? Ich will es entdecken, was Mich auf diese Vermuthungen bringt, Horaz sagt in der vierzehnten Hde de« fünften Buchs; Non eliter Samio dieunt trfifle Bathyllo Anacreonta Teium, Gui persaepe cava testudine flevit arnorem Non ehboratum ad pudern.

Unter den Liedern de« Anakreons, wie wir sie jetzt haben, werden etwa drey an den Dathyll seyn, welche aber alle von einem ganz ander« Charakter sind, aiö daß ihnen da« Flevit zukom« men könnte. Diejenigen müssen also verlohren gegangen seyn, welche Horaz hier in Gedanken hatte. Fragt man mich aber, was man sich für eine Vorstellung von denselben zu machen habe, so muß ich sagen, daß ich mir sie vollkommen. Wie die angeführte Stelle de« Horaz von seinem kigurtn, etnbilde. Unmöglich kann der Grieche seine klebe glücklicher daher gewelnet haben i Oder vielmehr, unmöglich hätte der Römer sie so glückllch daher geweint, wenn er dar Muster seines

des Hora).

»31

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feto« Lehre« in der Zärtlichkeit nicht vor fich gehabt hätte. Mit einem Wotte also; Horaz, welcher allen grlechischen Liederdichtern die schäm sten Blumen abborgte, und sie mit glücklicher Hand auf den römischen Boden zu verpflanzen^ wußte; Hora), sage ich, ward von den verlieb­ ten Thränen bet Anakreons so gerührt, baß^r sie zu den seinigen zu machm beschloß. Man kann zwar, wie gesagt, da« Lied des Griechen nicht dagegen aufstellek, allein ich frage jten# ner, welche die eigenthümlichen Bilder des einen und des andern Dichters zu unterscheiden vermigen, ob sie nicht lauter anakreontische in der Stelle des Horaz finden? Za gewiß; und die­ se« noch um so viel deutlicher, da man schon in den übrig gebliebenen Liedern des Anakreons ähnliche Züge »ufwetsen kann. Man erinnere sich unter andern de« achten, wo sich der Tejer im Traume sowohl mit schinen Mädchen al« Kna­ ben herumlagt. Man erinnere sich ferner des siebenden, wo Amor mit einem hyacinthnen Stabe den Anakreon durch Felder und Gesträuche, P4 durch

»3*

Rettungen

durch Thäler und Flüsse vor sich her treibt. Sau, ter gleichende Dichtungen! Und wann Horaz di» hepden Zeilen: Cur secunda penim decore Inter verba cedit lingua filentio ?

nicht auch dem Anakreon zu danken hat; so hat er sie wenigstens der Sappho abgesehen, die schon längst vor ihm das finstre Stillschweigen zu einem verrLtherischen Merkmale der Liebe gemacht hatte. Man vergleiche sie nur mit der Ueber« Ktzung de« LatullS: — — — niliil eft super mi ftuod loquer amen». Lingua fed torpet — — —

Wann nun also diese Nachahmung seine Rich, tigkeit hat, so hab« ich mich weiter auf nichts, al« auf «ine gan» bekannte Anmerkung zu berv« fen. Auf dies« nehmlich, daß eine wahre Lei« denschast viel »u unruhig ist, als baß sie uns Zelt lassen sollte, fremde Empfindungen nachju« bilden. Wenn man das, was man fühlt, singt, f» fingt man es allezeit mit ursprünglichen Gr«

dan«

bt< Horaz.

«33

♦ bansen und Wendungen. Sind aber diese an» genommen, so ist auch gewiß ihr ganzer Grund angenommen. Der Dichter hat afctenn ruhig in seiner Stube gesessen, er hat die Züge der schinen Statur an« verschtednen Bildern müh« fam zusammen gesucht, und ein Ganze« daraus gemacht, wovon er sich selbst, au« einem fteü nen Ehrgethe, zum Subjecte annimmt. Zch verrathe hier vielleicht ein Geheimniß, wovon die galante Ehre so mancher witzigen Köpfe ab« hängt» doch ich Wille« lieber verrathen, al«zu«

geben, daß e« «»verrathen schimpfliche Vermu­ thungen veranlasse. Aber, wird man vielleicht einwenden, hat denn Horaz nicht etwa« edler« nachbllden käii, nen, al« die Symptomata eine« so häßlichen La­ ster«? Und verräth denn nicht schon die Nach, bildung desselben einen Wohlgefallen daran? Da« erste gebe ich zu, da« andre aber leugne ich. Er würde etwa« edler« in der Liebe nachgebildet ha, den, wann zu seiner Zeit etwa« edler« darin Mode gewesen »Ire. Wäre diese« aber gewe«

Pf

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«34

Rettungen

*= sm, und hätte er es nachgebildet, zum Exerm pel alle Täuschereyen der platonischen Liebe, so (Innre man doch daran» eben so wenig auf sein« Keuschheit schliessen, al» man jetzt aus dem Ge, genthelle auf feine Uakeuschheit' zu schliessen de« fugt «st. Wen aber alles dieses noch nicht genug ist, den Horaz von der Knabenliebe loezusprechen, den bitte ich, stch au« ter Geschichre de« Lugru (tue noch folgender Umstände zu erinnern. Zch bitte ihn, an,das Gesetz de adulteriis & pudicitia, und an das Gesetz de maritandis ordinibus zudem ken. Wie angelegen lies er sich dieser Kayser seyn, ihre alte Kraft wieder herzustellen, um allen Ausschweifungen der Unzucht, die in den gesetzlosen Zeiten des bürgerlichen Kriege« ringe, rissen waren, vonukommen. Da« erstre Gesetz, tyelchrs kx Julia genennet ward, bestrafte di« KnabenschLnderey weit härter, al« sie ein älteres Gesetz, lex Scantina. bestraft wissen wollte. Das zweyte verboth eben diese« Laster, in so ferne tf schnurstracks mit der Vermehrung des menschllchen

des Horaz. ♦

»35 **♦

chen Geschlecht- streitet, auf welche niemals ein Staat aufmerksamer war, al-drrr-mtsche. Mau kann e< bey dem Suetoa (Hauptstück 34.) nach» lesen, wle viel Mühe e- dem August gekostet hat, mit Erneuerung besonder- de- letztem Gesetzedurchjubrtngm, und wie sorgfältig er alle Schlupflöcher, wodurch man sich der Verbind« ltchkelt desselben |o entziehen suchte, verstopft hat. Nun muß man, entweder in da- Wesen eine« Hofmann«, welcher auch seine liebsten Lei« denschasten unterdrückt, sobald er dem dadurch zu gefallen Host, von welchem er all sein Glück erwartet, nicht tief eingedmngen seyn, oder man muß glauben, daß Horaz ein schlechter Hofmann gewesen ist, wenn man ihn für fähig hal« ten will, durch sein eigen Exempel die Ver« achtung der liebsten Gesetze seine« Kaiser- be­ fördert zu haben. Seine« Kayser«, den er selbst, an mehr «1« einem Orte, dieser heilt« gen Anstalten wegen lobt; Nullis polluitur cafta dogius (hipris: •Mol * lex «aculofum edomuic neses, Uudan