Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften: Teil 23 [Reprint 2021 ed.]
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Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften.

Drei und zwanzigster Theil.

Berlin, 17943« de» Possischen Düchhaodlu«-

Inhalt.

i. Beiträge zur Historie und Auf­ nahme des Theaters. (Fort­ setzung.)

. Kritik über die Gefangnen deSPlautu». (Fortsetzung.) ...... Seite;. Samuel Werensels Rede zu Dmheidi, gung der Schauspiele — II. Auszug aus G. E. kesirngs thea­ tralischer Bibliothek.

Vorrede 1. Bo» dem Weinerlichen oder rühre»/ den Lustspiele a. Leben Jacob Thomson- .... 3. Ueber das Trauerspiel Virginia des Don Augustin» de Montiano y Luyandv.............................. . .

— 43. — ja. — 65.

— -s.

Inhalt.

4. Lebe» des Philipp Nericault Des« touches.................................. Seit« $. Ueber da» Lustspiel, die Juden . — 6. Von den lateinischen Trauerspiele», welche unter dem Namen des Seneca bekannt sind ....... — 7. Nachricht von Ludwig Riccvbvni- — 1. Geschichte der englischen Schaubühne. — 9. Vorrede tu Jacob Thomsons Trauer­ spielen ..................................... — 10. Zwey Vorrede» ruDidecvts Theater—

101. uz. 127. 265. 269, 511. 32».

An häng. l. Einige Recensionen vom Jahre 1751 .................................. — 337. jl. Zwey Erzählungen. 1. Die Theilung.......................... — 401. i. Der über uns — 403.

Beyträge tur

Historie und Aufnahme des Theaters. (Fortsetzung.)

Etfllni» eitelsten, xxin. t».

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II.

Ktitik über die Gefangnen des Plautns. ( Fortsetzung. ) ^ch glaube, in tiefem Briese ist alles gesagt, war man nur immer «um Nachtheil des PlauluS verbringen kann. Und vielleicht meynen auch viele meiner Leier, daß Beschuldigungen darin Vorkom­ men, die man nimmermehr beantwotteu sinnt, und wobey auch d«r eifrigste Vetthridigrr diese» Dich­ ter» seinen Witz nur umsonst anwendeu würde. Doch wir wollen sehen. Alle» wa» mau wider ihn vorgebracht hat, besieht sich auf drey Stücke. Kunst, Witz und Moral sind e», worin sich Plautu» sehr tadelhafr soll bezeigt haben. Zu de« ersten gehören alle Einwürfe, die ma» ihm, brstnber» in diese« Lustspiele, wider die Einheit der Handlung, wider die Dauer, kur» wider die ganze mechanische Ein­ richtung seiner Stücke macht. Jo dem andern gehiken seine seichten und nicht» bedeutenden Scherte; und zu dem dritten einige ustbehutsame und allzusaftige Stellen, welche man bey ihm will gefunden haben. Ich will bey dem letzten zuerst anfangen; und hoffe leicht damit tu Stande zu kommen, weck A 3

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Kritik über die Gefangnen

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ich gar nicht gesinnt bin, unsern Dichter in alle» seinen Lustspielen.deswegen zu entschuldigen, sondern bloß seine Gefangnen von diesem schimpflichen Vorwürfe |u befreyen suche. Ueberhaupk aber von den unkeuschen Stelle» des Plautus zu urtheilen, sollte man wohl überlegen, daß viele-, was jetzt unsre Ohren auf dir ärgerlichste Art beleidiget, iu seiner Zeit von ernsthaften Römern ganz gleichgültig konnte angehiret «erden. ES ist die größte Unge­ rechtigkeit, die man gegen einen alten Schriftsteller ausübe» kann, wenn man ihn nach den jetzigen sei nern Sitten beurtheilen will. Man muß sich durch, gängig an die Stelle seiner Zeitgenossen setzen, wenn man ihm nicht Fehler andichten will, welche bey ihm keine sind. Es war bey den alte» Römer» nichts gewöhnlicher, und nichts weniger anstößig, al» Laster, welche offenbar im Schwange gingen, bey ihren rechten Namen tu nenne». Die Bühne war dazu, sie tu bestrafen. Was sich der Zuschauer nicht schämte tu thun, sollte sich das der Dichter schämen zu nennen 1 Dichter und Zuschauer waren als», wird man mir vorwrrfen, im höchsten Grade unverschämt, «nd folglich im höchsten Grade laster­ haft. Allein, die Wahrheit zu gestehen, mit die­ sem folglich bin ich nicht sehr zufrieden. Ich weiß nicht, mit was für einem Rechte man die oft «rzwungne Fertigkeit, bey Anhörung gewisser Worte,

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bey Erblickung gewisser Gegenstände, roth und um willig |u scheinen, unter die Tugenden setze« kann? Die Schamhaftigkeit in diesem Verstände ist »ft nicht» al» die Schminke de» Laster». UebrigenS berufe ich mich auf alle die anstößigen Stellen, wer» au- man dem Plantu« ein so große» Verbrechen macht, und behaupte, daß keine einzige auf eine Art abgesaßt sey, welche unschuldige Gemüther ver­ führen könne. Sie sind insgesammt allzu rauh, und können nichts als Abscheu erwecken. Ig, ich müßte mich sehr irren, wenn man nicht von dem, was unsre feinern Köpfe das Schalkhafte zu nennen belieben, einen weit grißern Schaden zu besorgen hätte. Da- Gift, welches man uns unvermerkt einstißet, verfehlt seltner seine Wirkung, als da-, welches man uns offenbar aufzudringen sucht. Doch ich will mich jetzt hierüber nicht weiter «inlaffe»; genug, wenn ich nur zeige« kaun, baß. in den Ge, fangnen nicht das Geringste 1« finden ist, dessen sich Plautu-, auch wenn er in unser» Zeiten gelebt, zu schämen hätte. Ich habe in dem zweyten Stücke bey Gelegenheit gesagt: daß je gelehrter die Courmentatore» sind, je weniger Witz ließe» sie dem Schriftsteller, den sie erkläre» wollen •). Jetzt will *) ES scheint, alS ob man meine Veschulbtgung nur -für einen bloßen Einfall angenommen habe; allein,

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Kritik über die Gefangnen

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ich hinlvfch», je qelthrt» di«Comm«ntato»e» über unfern komischen Dichter seyn wollen, je mehr anfiößige Stellen finden sie bey ihm, Zwey Setter wenn e-darauf ankommen sollte, so tooKtt ich mit mehr als hundert Beyspielen die Wahrheit derselben bestärken. (ins davon habe ich allzu -roße Lust hiev anzufühnu, wett es mir -ar zu besonders zu seyn scheint. Im ersten Auftritte de- ersten Aufzuge- deLurcnllo stehet ein Jüngling nebst feinem Knechte,, und einigen andern, die er bey sich hat, neben einem Altare der Venu-. SS ist noch -anz früh, und er spricht also, er möchte -ern der DenuS ein Frühstück zum Opfer bringen. WaS denn? fragt der Knecht. Mich, dich, uid diese alle, antwortet der Herr. SBiel hrichr der Knecht, willst du, daß sich die Den»übergebe» soll 7 Die Stelle selbst heißt so: PH. Pa, PH. Pa.

Me Inferre Vtneri vovi jam jentaculntn. Quid fcntepones Venen a jentaculo ? Me, te, atqne helce omnei. Kam ta Venere^ yornere vii ?

Ker sieht nicht sogleich, daß brr Knecht sagen wtü: wenn du un- ihr willst zum Frühstücke vorsehen, so wird eS ihr gewiß schlecht bekommen. Dir sind so ein niedlicher Bissen, daß sie sich nothwendig wirb yber-ebes müssen. Dey Einfgll ist ffnechtisch, abey

des PlamuS

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aus gegenwLrtigem Glücke, worin sie mir allesamt mehr ru sehen scheinen, alS sie sehe» sollte», mögen «S beweisen. Allein, man wird fragen, was mich so so deutlich, alS er nur immer seyn kann. Gleichwohl will Dan. Faber uns in einem Briefe an Sarravium versichern, baß niemand diese Stelle verstanden habe, noch verstehen könne. Cr habe lange gesonnen, wawohl dahinter stecken möge, und endlich wäre er auf den Einfall gekommen, sie in das Griechische iu über, setzen, woraus sie ohne Zweifel genommen wäre. Er habe es gethan, und endlich diesen sehr richtigen griechischen DerS heraus bekommen:

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w 7twi habe er auSgerufen, iftue ipsum eft tjuaerii. Ec meynt nehmlich^ es sey hier ein bloßeDorrspiel zwischen §^e, o-e und \(wcu (vomere), welches von dem PlautuS nicht sey bemerkt, und dar her so unverständlich übersetzt worden. Der bewunr dert nicht die Geschicklichkeit diese- ManneS, der aueinem noch ganz erträglichen Scherze deS PlauruS mir so vieler Gelehrsamkeit ein verdorbneS Wortspiel LU machen weiß! * ircirti, rief ich aus/ alS ich eS daS erste mal laS, wie kurLsichtig sind die Herren Kunstrichter, wenn sie am weitesten iu sehen glauben!

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Kritik über die Gefangnen .

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verwegen macht, -er Einsicht s» vieler gelehrte» Kunstrichter meine Wenigkeit entgegen in setzen, die man «och au» keinem einrigrn lege meo periculo kennet? Ich muß eS also nur gestehe«, Plautus selbst. Er versichert un« in der Vorrede, daß in dem gantei Stücke keine versus fpurcidici immemorabiles wären; muß also nicht entweder PlautuS selbst eder seine Ausleger lüge» ? Nothwendig r tmd wer kau» es mir verdenke», daß ich lieber da« Letzte glaube, da ohnedies in den streitigen Stelle» ein so guter Verstand liegt, daß man gar nicht ne< thig hat, |U solchen untüchtigen Anspielungen seine Zuflucht zu nehme». Wir wollen sie selbst ansehen. Die erste befindet sich iw zweyten Austritt« des eierten Auszuges. Heg. Erg. Heg. Erg. Heg.

Efurire mihi videre. Mihi quidem efurio non tibi. Tue arbitratu facile patior. Credo, confuetus puer. Jupiter te Dique perdant.

Die mittelste Zeile hatte ich in meiner Uebersetzung aus den schon angeführten Ursachen (s. Th- xxn. S 3$o. Anmerk.) weggelaffen; jetzt aber will ich zeigen, daß sie gar nichts Bise« in sich Hilt. Man sieht wohl, baß da« Wort patior den Verdacht einzig und «llein erweckt hat. Doch ich will nur

des Plaurus.

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-re ganze Stelle übersetzen, und ich glaube, man wird dem Plautuö Recht widerfahren lassen. Hey. Du bist mir also hungrig, wie es scheint. Erg. Ich bin mir hungrig und nicht dir. Hey. Meinetwegen, ich kann es zufrieden seyn. Erg. 0, das weiß ich wohl, du bist von Jugend auf ein Mensch gewesen, dem eS eben so nahe nicht gegangen ist, wenn einen ehrli­ chen Kerl hungerte. Hey. jEt), hol dich der — — Ich habe mit Fleiß etwas weitlauftig übersetzt, da­ mit man es desto deutlicher einsehen möge, was ich für einen Sinn darin finde. Aus dem Fluche deS Hegio ist gar nichts zu schließen. Denn dieser ist nur verdrießlich, daß ihn Ergasiluö einer solchen Unempfindlichkeit und Kargheit beschuldigen will. Die andre Stelle, die ich nun zu entschuldigen habe, ist in dem zweyten Auftritte des letzten Aufzuge-. Hegio sagt zu seinem verlaufnen Knechte: Bene morigerus fiiit puer : nunc non decet.

Hier ist eS offenbar das arme Wort morigerus, welches unsre keuschen Kunstrichter aufmerksam ge­ macht hat. Ich laugne gar nicht, daß es dann und wann nicht eine schlimme Bedeutung habe; allem hier nur findet sie nicht Statt, weil Hegio nicht­ weniger al- mit seinem Knechte Possen treiben will. A 5

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Kritik über die Gefangnen

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Ich habe es in meiner Uebersetzung so gegeben, daß mein Gegner selbst gestehet, er zweifle, ob Plaurus so etwa-Schändliche» dabey gedacht habe, al- es ihm seine Ausleger, und der franrisische Uebersetzer Herr Toste, Schuld geben. Sind aber diese beyden angeführten Stellen unschuldig, so tvirv man auch in dem ganten Stücke kein einligeWort finden, welche» nur im geringsten der schärf­ sten Moral entgegen sey. Ich komme iu der andern Art von Fehlern, die man häufig bey dem Plautu» finden will, und deren mein Gegner auch einige in seinen Gefangnen auf­ getrieben hat. Diese sind seine nichtsdedeutenden Scherte, deren Grund meistentheil» ein Wortspiel ist. Ich gebe e» ju, die Lustspiele des Plautu» sind davon voll; nur da- kann ich nicht »ugeden, daß man darau» auf den Übeln Geschmack diese« Dich« ter» schließen will. Ich muß mich geschwind deut« licher erklären; denn ich diu sonst in Gefahr, daß meine Leser mir selbst einen sehr nicht-würdigen Geschmack »uschreibeZ werden. Ich rede gar nicht dem «ugeschränkteu Witze da« Wort, welcher seine Scherte und Einfälle bloß au- dem Gleichlaute »der der Zweydeutigkeit der Worte nimmt Dieser kin­ dische Weg, sinnreich »u scheinen, ist allen Schrift­ stellern eine Schande, besonder« aber dem Dichter, aU be» dem die wahre Scharsflnuizkeit am meisten

des Plauius,

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gesucht und am leichtesten »ermißt wirb. Ich mugleich meine Einschränkung hintusetzen, damit ich mir nicht »u widersprechen scheine: Wortspiele, de» Haupte ich also, beschimpfen den Dichter, al» Dich« ter, nicht aber als Nachahmer geringer Personen. Alle Gedichte, wie bekannt ist, theile» sich in |we» Arten r in Gedichte, wo der Dichter redet, und in Gedichte, wo er Andre reden läßt. Man kann, wenn man will, die dritte Art hi-lnsetze», welche die beyde» vorigen Fälle verbindet. In der erste» Art, wohin bestnder- Oden und Lehrgedichte |tt rechnen find, ist der geringste Schein eine- Wort­ spiel- unerträglich. In der Ode ist «-, w» erbte Sprache der Gitter reden, und da- Erhabne in Gr, danken, Au* auf seinen Steifen starb.

Leben Jacob Thomsons.

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Unter den Gedichten des Hrn. Thomson fhv det sich auch ein- zum Andenken des Isaac New­ ton, von welchem wir nichts mehr sagen wollen, alS dieses, daß er durch dieses Stück allein, wenn er auch sonst nichts mehr geschrieben hatte, eine vorzügliche Stelle unter den Dichtern würde ver­ dient haben. Um des Jahr 1728 schrieb Hr. Thomson ein Gedicht, welche- er Bricanma nannte. Sein Vorsatz war darin, die Nation ru Ergreifung der Waffen aufzumuntern, und in den Gemüthern des Volks eine edle Neigung anzuflammen, das von den Spaniern erlittene Unrecht |u rächen. Dieses Ge­ dicht ist bey weitem nicht eins von feinen besten. Auf den Lod seines großmüthigen Beförderer-, des Lord Talbots, welchen die ganze Nation mit dem Herrn Thomson zugleich aufrichtig bedauerte, schrieb er eine Elegie, welche ihrem Verfasser und dem Andenken des großen Mannes, den er darin gepriesen hatte, Ehre machte. Er genoß, bey Leb­ zeiten des Kanzler Talbots, eine sehr einträgliche Stelle, die ihm dieser würdige Patriot als eine Belohnung für die Mühe, den Geist seines Soh­ nes gebildet zu haben, zugetheilt hatte. Nach sei, nem Tode behielt der Nachfolger desselben diese Stelle dem Hrn. Thomson vor, und wartete nur darauf, bis dieser zu ihm kommen, und durch

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Leben Jacob Thomsons.

Beobachtungen einiger kleinen Kormalitäten, sie in Besitz nehmen würde. Doch dieses versäumte der Dichter durch eine unverantwortliche Nachlässigkeit, so daß zuletzt seine Stelle, die er ohne viele Mühe länger härte behalten sinnen, einem andern zustel. Unter die letzten Werke des Herrn Thomson gehört seine Burg der Trägheit (Castle of Indo* knce), ein allegorisches Gedicht von so außer­ ordentlichen Schönheiten, daß man nicht zu weit geht, wenn man behauptet, dieses einzige Stück zeige mehr Genie und poetische Beurtheilung-kraft, als alle seine andern Merke. ES ist in dem Style de- Spencer aeschrieben, welchen die Engländer in den allegorischen Gedichten eben so nachahmen, al- die Franzosen den Styl des Marors in den Er< zählungett und Srnnschrrften. ES ist nunmehr Zeit, den Hrn. Thomson auf derjenigen Seite zu betrachten, welche mit unserer Absicht eine nähere Verwandtschaft hat: nehmlich auf der Seite eines dramatischen Dichters. Im Jahre 1750, ungefähr in dem sechsten Jahre seines Aufenthalts in London, brachte er'siine erste Tra, gidie, unter dem Titel: Sophonisbe, auf die Bühne, die sich aufbleKarthaginensischeGeschlchtt dieser Prinzessin gründet, welche der bekannte Vlat thanael Lee gleichfalls in ein Trauerspiel gebracht hat. Dieses Stück ward von dem Publico seht wohl

Leben Jacob Thomsons. t .

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wohl ausgenommen. Die Mab. Oldfield that sich in dem Charakter der Sophoniobe ungemein her, vor, welche- Hr. Thomson selbst in seiner Dor, rede gestehet. „Ehe ich schließ«, sagt er, muß „ich noch bekenne», wie sehr ich denjenigen, welche „meinTrauerspiel vorgestellt haben, verbunden bin. „ Sie habe» in der That mir mehr al- Gerechtig, „ keit widerfahren lassen. Wa- ich dem Mafiniffa „nur Liebenswürdige- und Einnehmendes gegeben „hatte, alle- diese- hatHr.Wilk vollkommen au-, „gedrückt. Auch die Mad. Oldfield hat ihre So, „phoniobe unverbesserlich gespielt; schiner al» r„der türtlichstr Eigensinn «ine- Verfasser- verlan« „gen, oder sich einbilden kann. Der Reitz, bi« „Würde und die glückliche Abwechselung aller ihrer „Stellungen und Bewegungen hat den durchgängig, „stell Beyfall erhalten, und ihn auch mehr al- tu „wohl verdient. Bey der ersten Vorstellung diese- Trauerspiel­ siel eine kleine lächerliche Begebenheit vor. Herr Thomson läßt eine von seine» Personen gegen di» Sophoniobe folgende Zeile sagen: O Sophoniobe, Sophoniobe, o! Diese Worte waren kaum au-gesprochen, al- titt Spitt« au- dem Pattene laut schrie: D Jacob Thomson, Jacob Thomson, es Leffilli« Schrillen, xxin. ry.

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Lebe» Jacob Thomsons.

So ungesittet eS nun auch war, lie Vorstellung durch einen so lächerlichen Einfall iu unterbrechen, so kann man doch da- falsch Pathetische dieser geta­ delten Zeile nicht läugnen, und ein tragischer Dich­ ter muß es sich zur Warnung dienen lassen, ja wohl aus sich Acht iu haben, daß er nicht schwülstig wird, wenn er erhaben seyn will.------ Herr Thoms»» wußte nsthwendig an dem ersten Tage seines Trauer­ spiel- alle die Bewegungen und Besorgnisse eine­ jungen Schriftsteller- empfinden; er hatte sich daher an einen dunkeln und abgelegenen Ort auf der ober­ sten Gallerie gemacht, wo er die Vorstellung unge­ hindertabwarten konnte, ohne für den Dichter er# sannt iu werden. Doch die Natur war viel zu stark bey ihm, al- daß er sich hätte enthalten können, die Rollen den Schauspielern nachzusagen, und manchmal bey sich zu murmeln: „nun muß die „Scene kommen; nun muß da- geschehen." Und hierdurch ward er -ar bald von einem Manne von Stande, welcher wegen de- großen Gedränge-keinen Platz al-auf der Gallerie hatte finden können, a>der Verfasser entdeckt. Nach einem Zwischenräume von vier Jahren brachte Thomson seine zweyte Tragödie, den Aga­ memnon, zum Vorschein. Hr. Pope gab bey die, ser Gelegenbeit einen sehr merklichen Beweis seiner großen Gewogenheit gegen Herrn Thomson; et

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schrieb seinetwegen twey ®riefe an die Enttepre, neur» der Bühne, und beehrte die erste Vorstellung mit seiner Gegenwart. Weil er feit langer Zeit in fein Schauspiel gekommen war, so wurde dieses für ein Zeichen einer gan; besondern Hochachtung auf, genommen. Ob man nun schon an dem Hm. Thom, fort aussetzte, daß er in diesem Trauerspiele die Handlung alllusehr verkürzt habe; daß verschiedne Theile desselben t» lang, und andre gan, und gar überstüßig wären, «eil nicht die Person, sondern der Dichter darin rede; und obschon die Aufführung selbst erst in dem Monate April vor sich ging: so ward sie doch ,u verschiedne» malen mit Beyfall wiederholt. Einige Kunstrichter habe» angemerkt, daß dir Charaktere in seinen Tragjdieo mehr durch Beschreib düngen al« durch thätige Leidenschaften ausgedrückt werden» daß sie aber alle einen Uederfluß an de» seltenste» Schönheiten, an Feuer, an tiefen Se, danken und an edel» Empfindungen haben, und i» einem neroeureichen Ausdrucke geschrieben sind. Seine Reden sind oft ,u lang, besonders für ei» englische« Auditorium, dem sie manchmal gen» übernatürlich gedehnt vorkomme». E« ist überhaupt angenehmer für da« Ohr, wenn die Unterredung tster gebrochen wird; doch wird die angestrengtere Aufmerksamkeit desselben wohl in keinem Stück« 8 r

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Leben Jacob Thomsons.

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deS Thomson besser belohnt, als in dem Agamem­ non , und besonders in der beweglichen Erzählung, welche Melisander von seiner Aussetzung auf die wüste Insel macht. — — — AIS id> im Schooß der Schatten, Don Furcht und Argwohn frey, in stillem Schlummer las, Brach ein vermummter Schwarm von des Aeg ist huDande Schnell in mein Zimmer ein: vermuthlich weil er mich Für eine Hinderniß der Abflchr angesehen. Die ich errathen kann, und die vielleicht Mycene -ehr besser weiß al6 ich. Man riß mich zu der See. An meinem Sinn war ich schon die bestimmte Speise Der Fische, alt da- Schiff vom User stieß: die Flurh, Die brausend klarschete, entdeckte mir mein Schicksal. Es schien, der Tod war selbst ein allzumilder Lohn Für meine Redlichkeit: ein unbewohnter FelS, An dessen rauhem Fuß die stärkste Brandung zürnte. War mir bestimmt, daß ich von Freund und Feind entfernt Und hülflos, alle Pein deS Todes fühlen möchte. Oft muß daS Unrecht selbst sein eigner Rächer seyn: Stumm klagt stchg an, und schreye um die verdiente Strafe!

Du öffnest ihm den Mund, unwandelbarer Rath

Leben Jacob Thomsons. »

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Der Götter------ Dieser Schwarm setzt mich die nächste Nacht (Oie mir noch schrecklich ist) an das betrübte Ufer Der wildsten Insel: nie hat außer mir ein Mensch Auf sie den Fuß gesetzt. Allein die Menschenliebe (DaS glaube) ist so rief in unsre Brust -epflanrr Und unser menschlich Herr ist so mit ihr durchwachsen. Daß ich im Leben nichrS ErschreckUcherS gehört. Als den betrübten Schall, da mich ihr Boot verließ. Ich seuftte ihnen nach: — — Die fürchterlichste Stille Umschloß mich nun, die bloß daS brausende Geräusch Der nimmer müden Fluth mit einem Laut durchbrach. Bisweilen -lieg ein Wind durch den betrübten Wald, Und seuftte fast wie ich. Hier setzf ich mich in Schatten, Mir einem Kummer hin, den ich noch nicht gefühlt. Und klagte mir den Gram. Die Muse, die die Wälder Bewohnt, und (ich weiß nicht, ob fast auS gleichem Triebe AlS wir?) die Menschen sucht, sang über meinem Haupte Ihr unvergleichlichS Lied; ihr klagend schöner Ton Derrog mich fast, alS ob ste meine Noth besänge; Ich hörr' ihr traurig |tt, und dichtete ein Lied Zu ihrem Ton, biS daß der Schatten sein Geschenk, DaS er dem Aermstengiebt, den angenehmen Schlummer Mir gönnere. Sobald das frühe Morgenroth Der Vögel Dank empfing, so weckte mich ihr Lied;

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Leben Jacob Thomsons. i

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DaS Auge schloß sich auf; vermissend suchte eDen alten Gegenstand, und fand doch nichrS als Wellen, Darauf der Himmel lag, und hinter mir den Fel6 Und einen grausen Wald. In einem Augenblick, Indem ich mich vergaß, entrückte mich daß Schrecken; Ich schien mir nicht mehr Ich- Doch eben so geschwind War dieser Traum vorbey, mein nagendeß Gedächtniß Erneurre meine Noth------

Ich habe mich nicht enthalten sinnen, diese Stelle abruschreiben; und rwar nach der obgedach, ten Ueberseyung. Sie ist in Göttingen im Jahr i7fo auf sieben Bogen in Oktan ans Licht zetteten. Ihren Urheber weiß ich nicht ru nennen. Zwar könnte ich mit einem vielleichr angelegen kommen r doch diese- vielleicht könnte sehr leicht falsch seyn. Wie man wirb gemerkt haben, so ist sie, gleich dem eng­ lischen Originale, in reimlosen Versen abgefaßt. Nur bey der Rolle ber Lassaudra ist eine Aus­ nahme beobachtet worden; al« eine Prophetin redet diese in Reimen, um sich von den übrigen Personen ru unterscheiden. Der Einfall ist sehr glücklich; und er würde gewiß die beste Wirkung von der Welt thun, wenn wir un- nur Hoffnung machen dürsten, diese Uebersetzung auf einer deutschen Bühne aufgesührt r» sehen. Sie ist, überhaupt betrachtet, Mu, fließend und stark. Ihr Verfasser aber grste-

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het, daß er die zweyte Hand oicht daran habe legen ftunen, sondern baß er den ersten Entwurf dem Drucker ohne Abschrift habe au-liefern müssen. Diesem Umstande also müssen wir nothwendig einige kleine Versehen ruschreiben, die ich vielleicht schwer, llch würde gemerkt haben, wenn ich nicht ehemals selbst an einer Verdolmetschung diese- Trauerspiel­ gearbeitet hätte. Ium Exempel: in der ersten Scene de- ersten Aofruge- werden die Worte given io the beafts a prey, or wilder famine übersetzt: dich gab ich den Thieren Preis, ihr wilder hunger hat längst meinen Freund verdauet. Ich will hier oicht erinnern, daß -war Aegisthus, aber nicht Llvremnestra, den Melisander aus die wüste Insel setze» lassen; auch nicht, daß der Au-, druck: der wilde hunger per Thiere har ihn schon längst verdau», der schönste nicht ist; sou, der» nur diese- muß ich aomerkeo, daß wilder fa­ mine gar nicht auf beafts gehet, und daß der Dich, ter die Llyremnestra eigentlich sage» läßt: enr, weder die Thiere haben ihn vmgebrachr, oder er har verhungern müssen. Auch gewisse kleine Zusätze würde der Verfasser hoffentlich au-gestrichen und einige undeutsche, wenigsten« oicht allen ver, stäudliche Seite mit gewöhnlichern vertauscht ha, den, wenn ihm eine Uebersetzimg seiner Arbeit wäre vergönnt gewesen. Zu« Exempel, am Ende de« 84

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-teir Auftritt- imistenAufiuge, giebt er die Worte: end as a Greek rejoic'd me, sehr gut Ulld poetisch, durch: es schwoll mein treu und griechisch Her; > allein per Anhang, den er dazu macht: und dro» Here dem überwundnen Troja, taugt gar nicht-. Der Engländer schildert seine Person al- einen Manu, der sich über die Siege seine- Vaterlandes erfreut; der Urbersetzer aber bilder ihn durch den beygesügten Zug al- einen Pvltron. Denn was kann da- für eine Tapferkeit seyn, einer überwund­ nen Stadt tu drohen? — Jur Probe der undeutli­ chen Worte berufe ich mich auf da« Wort Bran­ dung in der angeführte» Stelle.------ Doch ich bekenne r- nochmal-, alle- diese- find Kleinigkeiten, die ich vielleicht gar nicht einmal hätte anführe» sol­ len. Wo da- meiste glänjt, da ward auch Hora; durch wenige Flecken nicht beleidiget. Wollen wir ekeler seyn al- Horaz? Ich komme wieder »u unserm Dichter selbst. Im Jahr 1736 bot Herr Thomson der Bühne ein Trauerspiel an, unter dem Titel: Edward und Eleonora, dessen Vorstellung aber, au- politischen Ursache», welche nicht bekannt geworden, untersagt wurde. Im Jahr 1744 ward sein Tancred und Si< girmunda aufgeführt, welche« Stück glücklicher »«-fiel, al- alle andere Stücke de- Thomson, und

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»och jetzt gespielet wird. Die Anlage dazu ist von einer Begebenheit in dem bekannten Roman Gil Blas geborgt. Die Fabel ist ungemein anmnthia; der Charaktere sind wenige, aber sie werden alle sehr wirksam vorgestellt. Nur den Charakter des Seffredi hat man mit Recht al- mit sich selbst strei, tend, al- getwunge» und unnatürlich, getadelt. Auf Befehl Er. Kinigl. Hoheit, des Primen von Walli-, verfertigte Herr Thomson, gemein schaftlich mit dem Herrn Maller, die Marke des Alfred, welche tweymal in dem Garte» Sr. Hoheit tu Lliffden aufgeführet ward. Nach dem Lode des Herrn Thomson ward dieses Stück von dem Henn Maller gant neu umgearbeitet, und i?$t wieder aus die Bühne gebracht. Die. letzte Tragödie de- Herrn Thomson ist sein Loriolanuo, welcher erst nach seinem Tobe aufgeführet ward. Die dem Verfasser davon tu, kommenden Einkünfte wurden seinen Schwestern in Schottland gegeben, davon eine mit einem Geist, lichen daselbst, und die andre mit einem Manne von geringem Stande in Edinburgh vcrheyrathet ist. Diese» Traaerspiel, welche- unter allen Trauerspie, len de- Thomson, ohne Zweifel, da- am wenigsten vollkommne ist, ward tuerst dem Herrn Darrik an, geboten, der er aber anzunehmcn nicht für gut be­ fand. Der Prolog «ar von dem Herrn George F s

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ttleron verfertigt worden, und von dem Herrn Quin wurde er gehalten, welche- einen sehr glück­ lichen Eindruck auf oje Zuhirer machte. Hr. OXuirt war ein besondrer Freund de- Hrn. Thomson gewe­ sen ; und als er folgende Zeilen, die an und für sich selbst sehr zärtlich sind, aussprach, stellten sich seiner Einbildungskraft auf einmal alle Annehmlichkeiten de-mit ihm lange gepflogenen Umganges dar, und wahrhafte Thränen flössen über seine Wangen.

He lov’d bis fricnds (forgive this gufhing tcai: Alas! I feel I am no actor here) He lov’d hisfriends with sucha warmth of heart, So clear of int’rest, so devoid of art, Such generous freedom, such unshaken zeal, No words can speak it, but our tears may teil, d i. Er liebte seine Freunde — verzeiht den herabrollenden Thränen: Ach! ich fühle es, hier bin ich kein Schauspieler mehr------- Er liebte seine Freunde mit erner solchen Inbrunst des Herzens, so rein von allem Eigennütze, so fern von aller Runst, mir einer so grofimürhü gen Freiheit, nur einem so standhaften Elfer, daß es mir Worten nicht auszudrücken ist. Unsre Thränen mögen davon sprechen! Die schine Abbrechung in diesen Worten fiel ungemein glücklich aus. Hr. Quin übertraf sich selbst, und

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«r schien niemals «in grißerer Schauspieler, al« in dem Augenblicke, da er von sich gestand, daß er keiner sey. Die Pause, der tiefe Seufter, den er damit verband, die Einlenkung und alles da« Uebrige mar so voller Rührung, baß es unmöglich ein blo­ ßes Werk der Kunst seyn konnte; die Natur mußte dabey da« Beste thun. Auch der Epilog, welcher von dem Hrn. wesfingron mit außerordentlicherLaune gehalten ward, gefiel ungemein. Diese Umstände nun, nebst der Ueberleguag, daß der Verfasser nunmehr dahin sey, verschafften diesem Trauerspiele eine neunmalige Vorstellung, die e« an und für sich selbst schwerlich würde gefimde» habe». Denn, wie. gesagt, e«ist bey weitem nicht irgend einem von den Tbomsonscheo Werken an Gute gleich. Er hatte al« ein dramatischer Dichter den Fehler, daß er niemals wußte, wenn er aufhören müsse; er läßt jeden Cha, rakter reden, so lange noch etwa« ,u sagen ist; die Handlung steht also, während dieser gedehnten Un­ terredungen, still, und die Geschichte wird matt. Nur sein Tancred und Sigismunde muß von die­ sem allgemeinen Tadel ausgenommen werden; dafür aber sinh auch die Charaktere darin nicht genug un­ terschiede», welche sich fast durchgängig aus einer, ley Art ausdrücken. Kurt, Thomson war ein ge, borner malerischer Dichter, welcher die Buhne nur

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fr — aus einem BewehungSgrunde bestieg, der allzu/ bekannt iß, und dem mau allzuschwerlich widersteht. Er ist in der That der Aeltstgeborne des Spencer, und er hat es selbst oft bekannt, daß er da.- Beste, was er gemacht habe, der Begeisterung verdanken müsse, in die er schon in seinen jüngsten Jahren durch die Lesung dieses alten Dichters sey gesetzt worden. Im August 1748 verlor die Welt diese Zierde der poetischen Sphäre durch ein heftiges Fieber, welches ihn im 48sten Jahre seines Alters dahin riß. Vor seinem Tode ward ihm von dem Herrn George Lyrrleron die einträgliche Stelle eines Conrrolleurs von Amerika verschafft, deren wirklichen Genuß er aber kaum erlebte. Hr.Thom, fon ward von allen, die ihn kannten, sehr geliebt. Er war von einer offnen und edlen Gemüthsart; hing aber dann und wann den gesellschaftlichen Er/ Sitzungen allzu sehr nach: ein Fehler, von welchem selten ein Mann von Genie frey zu seyn pfleget. Sein äußerliches Ansehen war nicht sehr einneh­ mend; eS ward aber immer angenehmer und ange­ nehmer, je länger man mit ihm umging. Er hatte ein dankbares Herz, welches für die geringste er­ haltene Gefälligkeit erkenntlich zu seyn bereit war; er vergaß, der langen Abwesenheit, der neuen Be­ kanntschaft und des Zuwachses eigner Derdieuste

Leben Jacob Thomsons.

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ungeachtet, seine alten Wohlthäter niemals, welches er bey verschied»«» Gelegenheiee» gezeigt hat. ES ist eine richtige Anmerkung, daß ein Her», dem die Dankbarkeit mangelt, überhaupt der allergrößte» Niederträchtigkeit fähig ist; wie ihm Gegentheils, wenn diese großmüthige Tugend in der Seele vor­ wirkt, gewiß nicht die ander» liebenswürdigen Eigen­ schaften fehlen werden, welche eine gute Gemüths­ art au-mache». Und so war baS Her» unsers vor­ trefflichen Dichters beschaffen, dessen Leben eben so untadelhaft als lehrreich seine Muse war: denn von allen englischen Dichtern ist er denenige, wel­ cher sich von allem, was unanständig war, am mei­ sten entfernte, welches Zeugniß ihm unter andern auch Herr Ayttltton in dem angeführten Prolog ertheilt hat. — His chafte Muse employ’d her heav’ntaught

lyre None but the noblest pafllons to infpire,

Not one immoral, one corrupted thought, One line, which, dying, he could wifh to

blot.

d. !• Seine keusche Muse brauchte ihre himm-

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Leben Jacob Thomsons.

lische Heyer zu nichts, als zu Einflößung der edelsten Gesinnungen. Kein einziger unsitt­ licher, verderbter Gedanke, keine einzige Li/ nie, die er sterbend ausstreichen zu können, darre wünschen dürfen.

Ul

III.

Ueber

das Trauerspiel Virginia de« Don Augustine de Mvnttano y Luyando.



beuSumständen ich, ohne tecitre Vorrede, einige Nachricht ertheilen will, ehe ich von einem der vorzüglichsten seiner Werke einen umständlichen Auszug vorlege. Don Augustins de Monciano y Luvando ist den ersten März im Jahre 1697 geboren, und also zetzt in einem Alter von $7 Jahren. Sei» Va­ ter und seine Mutter stammten ans adlichen Fami­ lie» in Biscaya, und zwar aus den allervornehm­ sten dieser Provinz. Seine Erziehung war seiner Geburt gemäß. Nachdem er die Humaniora wohl studieret, und die gewihnlichen Wissenschaften eines jungen Menschen von Stande begriffen hatte, that er sich als ein geschickter Weltweifer und Kechtsgelehrter hervor. Er verstehet übrigens die französische und italiänische Sprache, und hat auch einige Kenntniß von der englischen. Er fand schon in seiner zartesten Jugend einen besondern Geschmack an der Dichtkunst und de» schinen Wissenschaften, so, daß er bereit- in seinem zwey und zwanzigsten Jahre, nehmlich im Jahre 1719, eine Oper zu Ma­ drid, ohne seinen Namen, unter dem Titel: die Leyer de» Orpheus (Ja Lira de Orfeo) in Octa» drucken ließ, welche zu verschiednen Zeiten zu Palma oder Majorca, der Hauptstadt dieser Insel, gesun­ gen ward. Im Jahr 17-4 -ab er in eben derselden Stadt eine prosaische und poetische Beschreibung der

Ueber das Trauerspiel Virginia. jl

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ter bey der Krönung Ludwigs de» I. angestellten Feyerlichkeiten, in Quart heraus. Fünf Jahr her« Nach entwandte man ihm ein kleines Werk in Der, fen über die Entführung der Dina, der Tochter des Jacobs, da er e- eben noch auobesserte, und stellte eS ist eben deck 17-ysten Jahre tu Madrid in Quart aNS Licht. Dieses Gedicht ist nachher weit vollkömmner in Barcellona in Octaü, doch ohne Jahrtahl und ohne Erlaubniß, an- Licht getreten. ES führet den Titel: El robo de Dina. Die Verdienste des Don Aügustino bewogen den König Philipp den Vten, ihn im Jahre 1732 tum Stettin« bey den Conferenien der spanischen und engiischeN Eommissake tu ernennen. Im Jahre iz?8 ward er in der Käntley der allgemeinen Staat-, üngelegenheiten gebraucht. Das Jahr darauf trat er in die Kinigl. spanische Akademie; und alS einer von den Stiftern und ältesten Mitgliedern der Kir uigl. Gesellschaft der Geschichte, ward er von der erstern in eben dem Jahre, al» sie unter Kinigl. Schutz genommen warb, tu ihrem Director ernannt, welche Stelle ihm 174? auf Zeitlebens aufgetragen warbi Im Jahre 1746 beehrte ihn Se. Majestät mit bet Stelle eine- SectetairS brh der Begnadi« gung-« und Gericht-kammer und dem Staate von Castilien. Auch war er im Jahre 174t in die ®t< fellfchasten der fchtneu Wissenschaften ,u Bargeld lona und Sevilieu ausgenommen worden. 8effing< Schriften, xxui. r».

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Ueber daß Trauerspiel Virginia. *** rgfga-tft*---------...

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Außer den angeführten Werken gab er auch im

Jahr 1739 ru Madrid eine Vergleichung der Aufführung de- König- von Spanien mit der Auffüh­ rung de- König- von England, in Quart heraus:

( El cotejQ de la condu&a de S. M. con la del Rey Britannico); desgleichen in eben diesem Jahre eine Rede an die König!. Akademie der Geschichte; und im Jahr 174° eine Rede an den König Phi, tipp den Veen, im Namen gedachter Akademie, über eine Anmerkung, die dieser Monarch gemacht hatte. Beyde Reden sind in Oktav gedruckt, und befinden sich in dem ersten und zweyten Theile der Schriften dieser Akademie. Ferner har man von ihm eine Rede im Namen der spanischen Aka, demie an den König, bey Gelegenheit der Ver­ mählung der Infantin Donna Maria Antoinetta Ferdinand« mit dem Herzoge von Savoyen, in Quart; und eine Lobschrift ans denDocror Don

Blasio Antonio Nassarra y Ferriz, die er auf Verlangen der spanischen Akademie machte, und 17;i zu Madrid in Oktav drucken ließ. Doch das vornehmste von seinen Werken sind unstreitig zwey Lragidien, deren eine 1750, und die andre gegen das Ende des Jahres 1753 gedruckt ward. Die eine führet den Titel Virginia, und die andre heißtArhaulpho. Beyden ist eine Abhand­ lung von den spanischen Tragödien vorgesetzt.

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Ueber das Trauerspiel Virginia. h----- ■

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in welchen er besonders gegen den Hm. du Perron de Laster« beweiset, daß eS seiner Nation gant und gar nicht an rege.mäßigen Trauerspielen fehle. Wir werden ein andermal dieser Abhandlung mit Mehrerem gedenken, oder sie vielmehr gant millheilen; für jetzt aber wollen wir uns an Sas erste der gedachten Trauerspiele machen, und dem Leser das Urtheil überlassen, war für einen Rang unter den tragischen Dichtern er dem Verfasser einräumen will. Dor allen Dingen muß ich noch eine kleine Erklärung vorweg schicken. Ich habe nicht so glücklich seyn können, das spanische Original der Virginia tu bekommen, und bin also genöthigt gewesen, mich der sranlöstschen Uebersetzung des Herrn Hermilly t» bedienen, die in diesem Jahre in zwey kleinen Octavbänden in Paris an das Licht getreten ist. Der eine Band enthalt die erste der angeführten Abhandlungen über die spanischen Tragödien; uqd der andre eine abgekür;te Uebersetzung der Virginia. Beyden ist ein historisches Register der in der Abhandlung erwähnten Verfasser |ur Hälfte bey­ gefügt, welches eine Arbeit deS Herrn Hermilly ist. Eben diesem habe ich auch die angeführten Le­ bensumstände deS spanischen Dichters |u danken, die ihm dieser selbst überschrieben hat. Er hat die Virginia deswegen lieber in einen Auszug bringen, als gant und gar übersetzen wollen, weil die FranLi 1

ioo Ueber das Trauerspiel Virginia. fr ■ ■

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losen keine prosaischen Trauerspiele lesen mögen. Ich kann keine Ähnliche Ursache für mich geltend machen, sondern muß mich lediglich mit der Nothwendigkeit entschuldigen, meinen Lesern «ine so angenehme Neuigkeit entweder gar nicht, oder durch die Der» Mittelung de« franiifischenUebersetzerS mitiutheilen. E< ist kein Zweifel, baß diese« nicht noch immer besser seyn sollte, al« jene«. Die Geschichte der Virginia ist aus dem Li­ viu» und Andern iu bekannt, als daß ich mich hier mit Erzählung ihrer wahren Umstände auf halten bürst«. Man sehr, wie sich der Dichter dieselben |U Nutze gemacht hat. — — — — — — ------------------------------------------------- .) *) Hier folgt in der Theatralischen Bibliothek ein weit« lSttfriger AnSru- de- Trauerspiel- Virginia.

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ter entworfen hat?------ Noch findet man in diefern vierten Theile eine Sammlung von hundert und drey und fiebrig SiNnfchriften, und ei» poetischeSchreiben an den Kinig, über seine Genesung. Nur die Lieder de» Herrn Destouches, deren er verschiedene und gewiß sehr artige gemacht hat, vermisse ich in dieser ganren Sammlung seiner Werke.

V. Ueber

Ueber

das Lustspiel die Juden.

Unter den Beyfall, welchen die zwey Lustspiele in -em vierten Theile meiner Schriften *) gefunden ha­ ben, rechne ich mit Recht die Anmerkungen, deren man das eine, die Juden, werth geschätzt hat. Ich bitte sehr, daß man es keiner Unleidlichkeit des Tadels zuschreibe, wenn ich mich eben jetzt gefaßt mache, etwas darauf zu antworten. Daß ich sie nicht mit Stillschweigen übergehe, ist vielmehr ein Zeichen, daß sie mir nicht zuwider gewesen sind, daß ich sie überlegt habe, und daß ich nichts mehr wün­ sche, als billige Urtheile der Kunstrichter zu erfah­ ren, die ich auch alsdann, wenn sie mich unglück­ licher Weise nicht überzeugen sollten, mit Dank erkennen werde. *) Der ersten Ausgabe von 1753 — 1755-

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Ueber das Lustspiel *** -

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Es sind diese Anmerkungen in dem yosten Stücke der Göttingischen Anieige» von gelehrten Sachen, dieses Jahres, gemacht worden, und in den Ienaischen gelehrten Zeitungen hat man ihnen beygepflich, tet. Ich muß sie nothwendig hersetzen, wenn ich denjenigen von meinen Lesen«, welchen sie nicht m Gesichte gekommen sind, nicht undeutlich seyn will. „Der Endzweck dieses Lustspiels," hat mein Herr Gegner dir Gütigkeit tu sagen, „ist eine sehr «rnst„ hafte Sittenlehre: nehmlich die Thorheit und „Unbilligkeit des Haffes und der Verachtung zu „zeigen, womit wir den Juden meistentheils be„ gegnen. Man kann daher diese« Lustspiel nicht „lesen, ohne daß einem die mit gleichem Endzweck „gedichtete Erzählung von einem ehrlichen Juden, „die in Herrn Gellert« schwedischer Gräfin stehet, „beyfallen muß. Bey Lesung beyder aber ist uns „stets da« Vergnügen, so wir reichlich empfunden „haben, durch etwa« unterbrochen worden, da« wir „ entweder zu Hebung des Zweifels, oder zu künfti, „ ger Verbesserung der Erdichtungen dieser Art, be, „kannt machen wollen. Der unbekannte Reisende „ist in allen Stücken so vollkommen gut, so edel.' „wüthig, so besorgt, ob er auch etwa seinem Näch„sten Unrecht thun und ihn durch ungegründete» „Verdacht beleidigen möchte, gebildet, daß eSzwar „nicht unmöglich, aber doch allzu unwahrscheinlich

die Juden,

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>, ist, daß unter einem Volke von den Grundsätzen, >, Lebensart und Erziehung, das wirklich die üble „ Begegnung der Christen auch tu sehr mit Feind„ schäft, oder wenigstens mit Kaltsinnigkeit gegen „ die Christen erfüllen muß, ein solches edles Ge< „ müih sich gleichsam selbst bilden könne. Diese „ Unwahrscheinlichkeit stört unser Vergnügen desto „mehr, je mehr wir dem edeln und schönen Bilde „Wahrheit und Daseyn wünschten. Aber auch die „mittelmäßige Tugend und Redlichkeit findet sich „ unter diesem Volke so selten, daß die wenigen „Beyspiele davon den Haß gegen dasselbe nicht so „sehr mindern als man wünschen möchte. Bey den Grundsätzen der Sittenlehre, welche zum wenigsten „ der größte Theil derselben angenommen hat, ist „auch eine allgemeine Redlichkeit kaum möglich, „ sonderlich da fast das ganze Volk von der Handlung „ leben muß, die mehr Gelegenheit und Versuchung „zumBetrüge giebt, al- andre Lebensarten." Man sieht leicht, daß es bey diesen Erinnerun­ gen aus zwey Puncte ankömmt. Erstlich darauf, ob ein rechtschaffner und edler Jude an und für sich selbst etwa« Unwahrscheinliches sey; zweytenS, ob die Annehmung eines solchen Juden in meinem Lust­ spiele unwahrscheinlich sey. ES ist offenbar, daß der eine Punct den andern hier nicht nach sich zieht; und H 2

Ueber das Lustspiel

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eS ist eben so offenbar, daß ich mich eigentlich nur de- letzter» wegen in Sicherheit setzen dürfte, wenn ich die Menschenliebe nicht meiner Ehre vonige, und nicht lieber eben bey diesem al- bey dem erstem verlieren wollte. Gleichwohl aber muß ich mich über den letztem »»erst erklären. Habe ich in meinem Lustspiele einen rechtschaffe «en und edeln Juden wider die Wahrscheinlichkeit ««genommen?------ Noch muß ich diese- nur bloß nach den eignen Begriffen meine- Gegner- unter­ suchen. Er giebt r»r Ursache der Unwahrscheinlich­ keit eine- solche» Juden die Verachtung und Un­ terdrückung, in welcher diese- Volk seufret, und die Nothwendigkeit an, in welcher e- sich befindet, bloß und allein von der Handlung ,u leben. E- sey; folgt aber also nicht nothwendig, daß die Unwahr­ scheinlichkeit wegfalle, so bald diese Umstände sie zu verursachen aufi>iren? Wann hiren sie aber auf, diese- iu thun? Ohne Zweifel al-dann, wen» sie von andern Umstände» vernichtet werden; dar ist, wenn sich ein Jude im Stande befindet, die Verach­ tung und Unterdrückung der Christen weniger ;u fühlen, und sich nicht ge,wu»gen sieht, durch die Vortheile eine« kleinen nicht-würdigen Handel- ein elendes Leben »u unterhalten. Wa- aber wird mehr hierru erfordert als Reichthum? Doch ja, auch die

die Juden.

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richtige Anwendung diese- Reichthums wird da>u erfordert. Man sehe nunmehr, ob ich nicht beyde» bey dem Charakter meines Juden angebracht habe. Er ist reich; er sagt es selbst von sich, daß ihm der Gott seiner Väter mehr gegeben habe, als er brau» che; ich lasse ihn auf Reisen seyn; ja, ich setze ihn so gar aus derjenigen Unwissenheit, in welcher man ihn vermuthen könnte; er liefet, und ist auch nicht einmal auf der Reise ohne Bücher. Man sage mir, ist es also nun noch wahr, daß sich mein Jude hätte selbst bilde» müssen? Besteht man aber darauf, daß Reichthum, bessere Erfahrung, und ein aufgeklärte, rer Verstand nur bey einem Juden keine Wirkung haben könnten: so muß ich sagen, daß diese- eben da- Vorurtheil ist, welches ich durch mein Lustspiel l« schwächen gesucht habe; ein Vorurtheil, da» nur au» Stolt oder Haß fließe» kann, und die Juden nicht bloß ru rohen Menschen macht, sonder» sie in der That weit unter die Menschheit setzt. Ist diese» Vorurtheil bey meinen Glaubensgenossen unüber­ windlich, so darf ich mir nicht schmeicheln, daß man mein Stück jemals mit Vergnügen sehen werde. Will ich fie denn aber bereden, einen jeden Jude» für rechtschaffen und großmüthig t» halten, »der auch nur die meisten dafür gelten tu lassen? Ich sag» es geradeheraus: noch al-dann, wenn mein Reifem H 3

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Ueber das Lustspiel -------- .— -—4.

der ein Christ wäre, würde sein Charakter sehr selten seyn, und wenn das Seltene bloß das Unwahrschein/ liche ausmachr, auch sehr unwahrscheinlich.------ »

Ich bin schon allmählich auf den ersten Punct gekommen. Ist denn ein Jude, wie ich ihn ange, nommen habe, für sich selbst unwahrscheinlich? Und warum ist er es? Man wird sich wieder auf die obi­ gen Ursachen berufen. Allein, sinnen denn diese nicht wirklich im gemeinen Leben eben so wohl weg­ fallen, alS sie in meinem Spiele wegsallen? Frey­ lich muß man, dieses ru glauben, die Juden näher kennen, als aus dem liederlichen Gesindel, welches auf den Jahrmärkten herumschweift.------ Doch ich will lieber hier einen Andern reden taffen, dem dieser Umstand näher an daS Herr gehen muß: einen aus dieser Nation selbst. Ich kenne ihn ru wohl, als daß ich ihm hier das Zeugniß eines eben so witzigen, als gelehrten und rechtschaffnen Mannes versagen könnte. Folgenden Brief hat er bey Ge­ legenheit der Gittingischen Erinnerung, an einen Freund in seinem Volke, der ihm an guten Eigen­ schaften völlig gleich ist, geschrieben. Ich seh'e er voraus, daß man es schwerlich glauben, sondern vielmehr diesen Bries für eine Erdichtung von mir halten wird; allein ich erbiete mich, denjenigen, dem daran gelegen ist, unwidersprechlich von der

Authenticität desselben r» übertrugen. er Mein Herr,

Hier ist

„ Ich überschicke Ihnen hier das 7°ste Stück „ der Gittingischen gelehrten Anreizen. Lesen Sie „den Artikel een Berlin. Die Herren Anreiger „recenflren de» vierten Theil der Leffingischen Schriften, die wir so oft mit Vergnügen gelesen „ haben. Was glauben Sie wohl, daß sie an dem „Lustspiele, die Juden, aussetzen? Den Haupt„charakter, welcher, wie ste sich ausdrücken, viel „zu edel und viel |u großmüthig ist. Das Der»gnügen, sagen sie, das wir über die Schinheit „eines solchen Charakters empfinden, wird durch „dessen Unwahrscheinlichkeit unterbrochen, und end„lich bleibt in unsrer Seele nicht-, als ber bloße „Wunsch für sein Daseyn übrig. Diese Gedanke« „machten mich schamroth. Ich bin nicht im Stande *) Michaelis war der Göttingische Recensent. Der Vries ist von Mo fe 6 Mendelssohn, und an den Doceor Gum per», einen Am in Berlin, der aber nicht prakristrre, sondern von seinen Mitteln lebte, und flch eigentlich mit Mathematik beschäftigte. Gump e rr war um die damalige Zeit Seeretair bey MauperruiS. A. d. !■■

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Megara. Wqs die Elenden gern wollen, da» glauben sie leicht. Amphirry». Oder vielmehr/ was sie allz«, sehr fürchten, dem vermeinen sie auf keine Weift entgehen ru können. Meg. Aber jetzt, da er in die Liefe versenkt und begraben iß, da die ganze Welt auf ihm liegt: selchen Weg kann er in den Lebendigen zurück^ finden? Amph. Eben den, welche» er durch den breit, «enden Erdstrich, und durch das trockne Meer stur, mender Sandwegen sand tf. meg. Nur selten verschonet da» unbillige Glück die größten Lugenden. Niemand kann sich lange so häufigen Gefahren sicher bloß stellen. Wen das Verderben so oft vorbey gegangen ist, den trifft eS endlich einmal. Hier brjeht megara ab, weil sie bey wüthen, de« Lycu» mit drohendem Gesicht, und mit schritten, die seine Gemüthsart verrathen, ein­ hertreten sieht. Er redet die ersten zwanzig Zeilen mit sich selbst, und schildert sich als einen wahren Tyrannen. Er ist stolz darauf, daß er sein Reich qicht durch Erbschaft besitze, daß er keine edeln Vorfahren, kein durch erhabne Litel berühmtes Geschlechtaufweisen könne. Ertrotzt auf seine eigne Eapferkeit, und findet, daß seine fernere Sicher, I S

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Von Pen Trauerspielen

* Herr nur auf dem Schwerte beruhe. „Nur dieses, „sagt er, kann bey dem schützen, was man wider „Willen der Unterthanen besitzt."------ Unterdes­ sen will er doch auch nicht unterlassen, einen Staatsgriff anzuwenden. Er bildet sich nehmlich ein, daß er sein neu erobertet Reich durch nichts mehr befestigen könne, als wenn er sich mit der Meyar- ver­ mahle. Er kann sich nicht vorfiellen, daß sie sei­ nen Antrag verachten werde; sollte sie eS aber thun, so hat er bereits den festen Entschluß gefaßt, -aS ganze Herkulische Haus auszurotten. Er fragt nichts darnach, was das Volk von so einer That urtheilen werde; er hält es für eins von den vor­ nehmsten Stücken der Regierunaskunst, gegen die Nachreden des Pöbels gleichgültig zu seyn. In die, fer Gesinnung will er sogleich den Versuch machen, und geht auf die Meyara loS, die sich schon im Voraus, von seinem Vorhaben nichts Gutes ver­ spricht. Seine Anrede ist nicht schlecht; er macht ihr eine kleine Schmeicheley wegen ihrer edeln Ab/ kunft, und bittet sie, ihn ruhig anzuhörerr. Er -ellr ihr hierauf vor, wie übes eS um die Welt stehen würde, wenn Sterbliche einander ewig Haf­ fen wollten. „Dem Sieger und dem Besiegten liegt „daran, daß der Friede endlich wieder hergestelle't „werde. Komm also und theile das Reich mit „Mr; laß uns in ein enges Bündniß treten, und

des Sen«« t

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„ empfange meine Rechte, als da« Pfand bet „ Treue."----- Megara sieht ihn mit zornigem Blicke an. „Ich, spricht sie, sollte deine Rechte „annehmen, an welcher da» Blut meines Vater» „ und meiner Brüder klebt ? Eher soll man die „ Sonne im Ost untergehen, und im West aufqehen „ sehen; eher sollen Wasser und Feuer ihre alte „ Feindschaft in Frieden verwandeln rc. Du hast „mirVater, Reich, Brüder und Gitter geraubt. „Was blieb mir noch übrig? Ein» blieb mir noch „ übrig, welche» mir lieber als Vater, Reich, Brü< „der und Gitter ist: da» Recht, dich ru hassen. „ Ach! warum muß auch dqs Volk diese« mit mit „gemein haben?----- Doch herrsche nur, Ausge, », blasener; verrathe nur deinen Uebermuth! Gott „ist Racher, und, seine Rache folget hinter dem „Rücken der Stolzen." Sie stellt ihm hierauf vor, was für ein strenges Schicksal fast alle thebanische Regenten betroffen habe. Agave und Ino, Oedipus und feine Eihne, Niobe und Cadmus sind ihre schrecklichen Beyspiele. „Siehe, fährt sie fort, diese „warten deiner! Herrsche wie du willst, wenn ich „dich nur endlich in eben das Elend, bas von «unserm Reiche so unzerttennlich ist, verwickelt „sehe.----- Lpcus wird über diese Reden unwilr lig, und giebt ihr auf eine höhnische Art zu per« Heben, daß er König sey, und sie gehorchen müsse.

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Von den Trauerstielen

„Lerne, sagt er, von deinem Gemahl, wie unter, „würfig man Königen seyn müsse." Er rielet hier, m-t aus die Befehie des Euristheus, die sich Her, kuleS «u v»ll»iehen bequemte. „Doch, spricht er „weiter, ob ich schon die Gepalt io meinen Hän„den habe, so will ich mich doch soweit berablasi „feil, meine Sache gegen dich zu rechtfertigen." Er bemüht sich hierauf, den Lod ihres Dakers und ihrer Brüder von sich abjuwälM. „ Sie sind im „Streite umqekommen. Die Waffen wissen von „keiner Mäßigung; und die Wuth des getückten „ Schwerte» kennet kein Schonen. Es ist wahr, „dein Vater stritt für sei« Reich, und mich trieben „sträfliche Begierden. Doch jetzt kömmt es nicht „auf die Ursache, sondern auf den Ausgang de» „Krieges an. Laß uns daher an das Geschehene „nicht länger denken. Wenn der Sieger die Wqf, „fen ablegt, so geiiemt es sich, daß auch der De, „siegte den Haß ablege. Ich verlange nicht, daß „ du mich mit gebogenem Knie verehren sollst. ES „gefällt mir vielmehr, daß du deinen Unfall mit „starkem Muthe »u tragen weißt. Und da du die „Gemahlin eines Königs tu seyn verdienest, so sey „ es denn an meiner Seiki." Megqra geräth über diesen Antrag außer sich. „ Ich deine Gemahlin? „Nun empfinde ich es erst, daß ich eine Gefangene v bin----- Nein, Alcides, keine Gewalt stkl

des Seneea.

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„meine Treue überwinde» ; als die Deinige will „ ich sterben." L?cus. Wie? ein Gemahl, der in der Liefe der Hölle vergraben ist, macht dich so kühn? Megara. Er stieg in die Hille herab, um den Himmel |u ersteigen. Lscuo. Die ganze unendliche Last der Erbe liegt nun aus ihm. Megara. Kann eine Last für den zu schwer seyn, der den Himmel getragen hat? L^cuo. Aber du wirst gezwungen werden. Megara. Wer gezwungen werden kann, weist nicht zu sterben. Lvcus. Kann ich dir ein kiniglicher Geschenk «nbieten, als meine Hand? Megara. Ja; deinen ober meinen Tod. L^cus. Nun wohl; du sollst sterben. Megara. Eo werde ich denn meinem Gemahl entgegen gehen. Lvcus. So liehst du meinem Throne einen Knecht vor? Megara. Wie viel Könige hat dieser Knecht lern Tode geliefert! L?cus. Warum dient er denn aber einem Kinige? Megara. Was wäre Tapferkeit ohne hatte Nienste?

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Von den Trauerspielen

Lvcus. Wilden Thieren und Ungeheuern »et, geworfen werde»/ nennst du Tapferkeit? Megara. Dar eben muß die Tapferkeit übet«indes , wovor sich alle entsetzen. Diese kukzen Gegenrede»/ welche gewiß nicht ohne ihre Schönheiten sind, werde» noch einige Zeilen fortgesetzt, bis Lveus zuletzt auch die Ab, tunst des Herkules äntastet, und den alten 2(m, phicrvo also nöthiget, das Wort zu ergreifen. „Mir, spricht er, kömmt es zu, ihm seinen wahren „Vater nicht streitig machen zu lassen," Er führt hieraus seine erstaunlichen Thaten an, durch die er den Frieren in der ganjen Welt herqestellet, und die Götter selbst vertheidiget habe. „Zeigen die^e nicht „deutlich genug, daß Jupiter sein Vater sey, oder „muß man vielmehr dem Haffe der Juno glauben? „WaS länerst du den Jupiter, erwiedert Lycu» ? „Das sterbliche Geschlecht ist keiner Verbindung „mit dem Himmel fähig."------ Er sucht hierauf alle- hervor, wüS die göttliche Herkunft des Her­ kules verdächtig machen könne. Er nennt ihn einen Knecht, einen Elenden, der rin unstLteS und fluch, tigeS Leben führe, und alle Augenblicke der Wuth der wilden Thiere Preis gegeben werde: Dock Am« phirryo setzt diesen Beschuldigungen das E/empel de- Apollo entgegen, der ein Hirte gewesen sey, der sogar «ns einer hernmirrenden Insel geboren worbt»,

des Seneca »

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unt> mit dem ersten Drachen gekämpft habe. Er fügt hierin noch das Beyspiel des Bacchus, und leigt auch an diesem, wie theuer das Vorrecht als «in Gott geboren werden, tu stehen komm«. Lvcus. Mer elend ist, ist ein Mensch. Amph. Wer tapfer iß, ist nicht elend. Lvcus will ihm auch diesen Ruhm |u Schande» machen, und erwähnt mit einer sehr spöttische» Art seine- Abentheuers mit der Omphale, bey welcher Herkules die Rolle eine- Helden in die Rolle eines Weichlings »erwandelte. Doch auch hier beruft sich Amphirryo auf den Bacchus, welcher sich nicht geschämt habe, das Haar ricrlich stiegen ru lassen, de» leichten Thyrsus mit spielen» der Hand zu schwenke», und im sanfte» Gange de» goltne» Schweif beS herabfallenden Kleide- hinter sich her ru riehen. Nach vielen und schweren Tha» ten, fügt er hinru, ist e- der Tapferkeit ganz wohl erlaubt, sich ru erholen.-----L^cus. Dieses beweiset da- Hau- de- Ehe»» pius, und die nach Art de- Viehes durch ihn be» fruchtete Heerde von Mädchen. Diese- hatte ihm keine Jun», kein Euristheus besohlenr eS wäre» seine eigne Thaten. Auf diese höhnische Anmerknng erwiederte Am» phirrvo, daß Herkules auch noch andre Thäte» »»geheißen »errichtet hab». Er gedenkt des «r?x,

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Von den Trauerspielen

derAutäus, de- Busiris, de-Geryon. „Und „auch du Lvcus, wirft noch unter die Zahl die„fer ermordeten kommen, die doch durch keine „Schändung sein Ehebette tu beflecken gesucht." Lycus. Was dem Jupiter erlaubt ift, ist auch dem Könige verzinnt. Jupiter bekam von dir eine Gemahlin; von dir soll auch der König eine bekvm, men re.------ Hier treibt Lycuo seine Ruchlosig­ keit auf da- höchste. Er wirst dem guten Alten seine gefällige Nachsicht gegen den Jupiter vor, und will, da- sich Megarn nur ein Exempel an der Alkmene nehmen solle. Er droht sogar Gewalt tu brauchen, und sagt, .wa- ich keinem tragischen Dichter jetziger Zeit tu sagen rathen wollte: vei Cx coacta nobilem partum feram. Hierüber geräth Megara in eine Art von Wuth, und erklärt sich, daß sie in diesem Falle die Zahl der -Vanaiden voll wachen wolle. Eie zielet hier aus die Hypermne« sira, welche- die einzige von den sunfrig Schwe­ stern war, die in der blutigen Hochzeitnacht ihrtManueS schonte. Auf diese Erklärung ändert Zycus die Sprache. „Weil du denn also unsre Dcr„bindunz so hartnäckig ausschlägst, so erfahre eS, „wa- ein König vermag. Umfasse nur den Altar; „kein Gott soll dich mir entreißen; und wenn auch „Alcide- selbst triumphirend au- der tiefe zurück« „kehrte."------ Er befiehlt hierauf, baß man de» Altar

des Seneca, 4csa^-.

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Altar und den Tempel mit Holz umlegen solle. Er will da« ganze Geschlecht de- Herkules in seinem Schutzvrte, nu< welchem er es nicht mit Gewalt rei< sten durste, verbrennen. Amphirrf» bittet von ihm weiter nicht- als die Gnade, daß er zuerst sterben dürfe. „Sterben?" spricht Lvcuo. „Wer alle „tum Sterben verdammt, ist kein Tyrann. Die „Strafen müssen verschieden seyn. ES -erbe der „Glückliche; der Elende leb«! " Mit diesen Wor­ ten geht Lvcus ad, um dem Neprunus noch vor­ her ei» Osser zu bringen. Amphirrps weiß weiter nicht« zu thun, al« die Gitter wider diesen Wüth, rich anzurufen. „Doch was flehe ich umsonst die „Gitter an! Hire mich, Sohn, wo du auch bist! — „ Welch plötzliches Erschüttern! Der Tempel wankt; „der Boden brüllet! Welcher Donner schallt au« «der Tiefe hervor?------ Wir sind erhirt!-------„Ich hire, ich hire sie, de- Herkules nahende „Trine." Hier läßt der Dichter den Chorus einfallen. Der Gesang desselben ist eine Apostrophe an da« Glück, welche« seine Wohlthaten so ungleich au-, thlile und den Euristheus in leichter Ruhe herr­ schen lasse, während der Zeit, da Herkules mit Ungeheuern kämpfen müsse- Hierauf wird die Anrede an diesen Helden selbst gerichtet. Er wird ermun, ten, siegend au« der Hille hervor zu gehen, und etffinsi ©(triften, XXIII. ri>, K

146

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Von den Trauerspielen

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nicht« geringere« |u thun, al« die Banden des Schicksal«»« »erreißen. Das Cxewpelbe« Orpheus, welcher durch die Gewalt seiner Saiten, Surydicen non dem unerbittliche« Richter, obschon unter-einer nll»ustre»g«n Bedingung, erhalten, wird »iemlich »ritttnftig berühn, und endlich wird ««schlöffe», daß eia Sieg, brr über da« Reich der Schatte» durch Gesinge erhalte« worden, auch wohl durch Gewalt zu erhalte» sey. Dritter vaftvgDir erwünschte Erscheinung de« Herkules er­ folgt nunmehr. Er «riffnet dm dritten Auf»ug, mb cher von dem »weyten durch nicht« al« durch den vo­ rigen Chor unterschieden wird. Mrgar« und Am, phirrro find nicht een der Bühne gekommen. Herkules redet die-Sonne an, und bittet fle mn Verleihung, baß er den Cerberus an« Licht ge-bracht hab». Er wendet flch-barauf an den Jupi­ ter, au dm Neprun und an alle andere Gitter, di« »on oben auf da« Irdische herabsehen Dem Ju­ piter giebt er den Rath, «mu er diese« Ungeheuer nicht sehen wolle, sich «tttrbeffeu den Blitz vor die Auge» »U halte«: visiis sulniine oppolito tegc; dem Neptun, auf den Grund M Meere« herab»«, fahren; und dm übrige», da« Gesicht wegiuweodm. Der Anblick diese« Scheusal«, fährt er fett, ist „nur für »wrpr für den brr e« hervorgrio-en, und

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„für bi«, die er hervmnriehrn befohlen." Dieser, derJuno nehmlich, spricht er hieraufförmlich Hohn. Lr rühmt sich, das Chaos der ewigen Nacht und, was noch ärger als Nacht sey, der Finsterniß schreckliche G-tler, und das Schicksal überwunden gu haben. Er fodert sie, wo möglich, iu noch härtern Befehle» auf, und wundert sich, daß sie seine Hände so lange müßig lasse.------ Doch in dem Augenblicke wird er die Anstalten gewahr, die in dem vorigen Aufjuge machen lassen. Er sieht den Tempel mit bewaffneter Mannschaft um« setzt; und da er noch darüber erstaunt, wird er von dem Amphirryo angeredet. Dieser rweifelt noch vor Freuden, ob es auch der wahre Herkules, oder nur der Schatten dessel­ ben sey. Doch endlich erkennt er ihn. Herkules fragt sogleich, was diese traurige Tracht seine- Va­ ter- und seiner Gemahlin, und der schmutzige Auf»ug seiner Kinder bedeute. „ Welch Unglück drückt „da- Haus?" Amphjrry» antwortet auf diese Frage in wenig Wosteg, daß Creon ermordet sey, daß Lycus herrsche, und daß dieser Tyrann Kin­ der, Vater und Gemahlin hinrichten wolle. Herkules. Undankbare Erde! So ist nie« nund dem Herkulischen Hause iu Hülfe gekommen? 6» konnte die von mir vertheidigte Welt solches K 2

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Unrecht mit ausehen? Doch was »erstere ich die Zeit mit Klagen? Es sterbe der Feind l Hier fällt ihm These»», den er aus der Hölle mit zurück gebracht, und der mit ihm rugleich auf der Bühne erschienen, ins Wert- „Diesen Fleck „sollte deine Tapferkeit tragen? Lycus sollte ei» «würdiger Feind Alcidrno sey»? Nein; ich muß „ sein verhaßte» Blut vergießen." DochHerkules hält den These»» zurück, ent­ reißt sich den Umarmungen seines Vaters und sei» »er Gemahlin, und eilet $ur Rache. „Es bringe „Lycu» dem Pluto die Nachricht, daß ichairge„ kommen sey — So sagt er, und geht ab. These»» wendet sich hierauf gegen den Amphirryo, und ermuntert ihn, sein Gesicht auszuheitcrn, und die herabfallenden Thränen rurück zu halten. „Wenn „ich, sagt er, den Herkules kenne', so wird er ge„wiß an dem L?cu», deS ermordete» Lrcons we„gen, Rache üben. Er wird? Nein, er übt sie „schon. Doch auch dieses ist für ihn tu langsam! „er hat sie bereit- geübt."------ Hierauf wünscht der alte Amphirryo, daß es Gott als» gefalle» möge, und wendet auf einmal die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf eine andere Seite. Er verlangt nehmlich von dem Gefährte» feines unüberwindli­ chen Sohnes nähere Umstände von dem unterirdlschen Reicht und dem gebändigten Cerberizs zu irisi

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ftn. Theseusiweigert sich Anfangs; endlich aber, nachdem er die vornehmsten Gottheiten um Erlaub­ niß gebeten, singt er eine lange und prächtige Be­ schreibung an, welche an einem jeden andern Orte Bewunderung verdienen wurde. Dar letzte Stück derselben besonders, welches den Kampf des Her­ kules mit dem Mischen Ungeheuer schildert, ist von einer außerordentlichen Stärke. Die gante deutsche Sprache, — wenigstens so wie ich drrsel, Pen mächtig bin, — ist iu schwach und tu arm, di« meisterhaften Züge des Rimers mit eben der kühnen und glücklichen Kür;e au-rndrücken. Da« starrende Wasser des Styr, der darüber Hangende fürchterliche Fels, der alte scheußliche Fährmann schrecken in den traurigsten Farben. — Charon war eben an dem diesseitigen User mit dem Nachen an­ gelangt, als sich Herkules durch die Schaar war, tender Schatten drängte, und »uerst hinüber gesetzt »u werden begehrte. „Wohin Verwegener? schrie „der gräßliche Charon. Hemme die eilenden „Schritte!" — Doch nicht- konnte denAlcidet aafhalten; er händigte den alten Schiffer mit dem ihm entrissene» Ruder, und stieg ein. Der Nachen, der Völkern nicht tu enge, sank unter der Last bet euijige» tiefer herab, und schöpfte, überladen, mit schwankendem Rande, lethrische Fluth. — Endlich näherte» sie sich de» Wohnungen de- geitzigen Pluto,

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gara: „ Wohin, Unsinniger? Du vergießest dein ,. eigenes Blut." Mit diesen Worten eilt sie beyden nach, da-sie also bereit- hinter der Scene ist, wenn Amphitryo folgende Erzählung macht: da- zit, ..ternde Kind stirbt vor dem feurigen Blicke de« ..Barer-, noch ehe e- verwundet w-rden. Die „Furcht hat ihm da- Leben genommen. Und nun, „nun schwenkt er btt tätliche Keule auf seine Ge, „mahlin. Sie ist zermalmt, und nirgend« sieht „man den Kopf de- zerstümmelteN Körper«."-----Amphirryo geräth hierüber außer sich; er ver­ wünscht fein Alter, da- ihn r« diesem Unglücke ge­ spart; er will nicht länger leben, sondern eilt den Pfeilen and der Keule de- unsinnigen Mörder- ent­ gegen. Doch These»» hält ihn lvrück, und bt< schwitt ihn, dem «Zerkule» da- letzte und größte Verbrechen zu ersparen. Dieser kömmt unterdessen allmählich wieder iu sich, und Amphirrp» erstaunt, ihn In einen tiefen Schlaf fallen m sehen. Er it»ei< feit »war Anfang-, ob e- nicht ein tödtlicherSchlas sey, und ob ihn nicht eben die Wuth, welche die Seknigen umgebracht, hingerafft habe; doch da­ starke Athemholen übertrugt ihn von dem Gegen, theile. Er findet e- also für gut, ihn ruhen iu las­ sen ; nur läßt er vorher von den Dienern die Pfeile «egnehmen, damit er sie nicht in einer neuen Ra, serey brauche» könne.

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Der nunmehr einhertretende Chor, rote mair leicht errathen kann, beklaget die dem Herkules zugestsßcne Unsinnigkeit. Er flehet die Götter an, ihn davon zu besteyen, und wendet sich besonder« an den Schlaf, den er zur Unzeit allzu poetisch apostrophirt. >, Besänftige die rasenden Austvallun/ »gen seines Gemüth», und gieb dem Helden Frim„migkeit und Tugend wieder. Wo nicht, so laß „ihn sorlrasen, und in sieter Unsinnigkeit dahin „leben. In ihr allein beruhet seine Unschuld. „Reinen Händen kommen diejenigen am nächsten, die ihr Verbrechen nicht kennen."------ Er be­ schreibt nunmehr, wie verzweifelnd sich Herkules anstellen werte, wenn er wieder zu sich selbst fönt/ men und sein Unglück erfahren sollte. Und zuletzt beweinet er noch den zu stühzeitigen Tod der Kinder. Fünfter Aufzug. Herkules erwacht, und Amphirrro und The­ sen» stehen schweigend von ferne. „Wo bin ichs „in welchem Lande? unter welchem HimmelSstriche? re. Welche Luft schöpfe ich? Ich bin „doch wenigsten- aus der Hölle wieder zurück? „ Aber, welche blutige Leichname sehe ich hier ge„streckt? Welche höllischen Schattenbilder schwe„den mir noch vor den Augen? Ich schäme mich, „es zu sagen: ich zittere. Ich weiß nicht, welcher

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«schreckliche Unfall mit ahndet. Wo ist mein Da, «ter? Wo meine Gemahlin, die auf die kleine » Heerde ihrer muthigen Kinder so (toll ist? War, »um vermisse ich an meiner Linken die Bente des „überwundenen Löwen?------ Wo sind meine „Pfeile? wo der Bogen? Ich lebe, und man »hat mir meine Waffen abnehmen können? Wer „hat diesen Raub davon getragen? Wer hat auch „den schlafenden Herkules nicht-gefcheuet? Ich „muß ihn doch sehen, meinen Sieger; ich muß ihn „doch sehen. Stelle dich, Sieger, den zu zeuge« „der Vater den Himmel nochmals verlassen, und „dem zu gefallen die Nacht Unger, als mir, stille „gestanden!------ Was sehe ich? Meine Kinder „ermordet? Meilie Gemahlin todt? Welcher „zweyte Lvcu» hat sich des Keichs bemächtiget? „Herkules ist wieder gekommen, und doch erkühnt „man sich zu Theben solcher Verbrechen? Herbey „Boeotier, Phryger re., zeiget mir den Urheber »«dieser gräßlichen Morde l------ So bkeche denn „mein Zorn auf meine Feinde loS l Alle sind meine „Feinde, die mir meinen Feind nicht zeigen- -----„Du verbirgest dich, Alcidens Sieger? Erfchei, „ne re. Laß uns ohne Anstand kämpfen. Hier „stehe ich frey und bloß. Aufl greife mich mit „meinen eigenen Waffen an.------ Doch warum „entliehet sich Theftus, warum entzieht sich der

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