Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften. Teil 19 Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.] 9783112632086


178 72 256MB

German Pages 201 [407] Year 2022

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Gotthold Ephraim Lessings Sämmtliche Schriften. Teil 19 Miss Sara Sampson: Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen [Reprint 2022 ed.]
 9783112632086

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Gotthold Ephraim Lessings

sämmtliche Schriften.

Neunzehnter Theil.

Berlin, 1794.

Zn der Vossischen Buchhandlung.

Mi6 Sara S a mp so n. Ei« Trauerspiel in fünf Aufzügen.

rrauerspiele.

A

Personen: Sir William Sanrpson. rniß Sara.

Dessen Tochter.

iUcUefont.

Marwood.

Mcüefonts alte Geliebte. Ein junges Kind/ der Marwood

Arabella.

Tochter.

Waitwell, Norton.

Bens.

Hannah,

Ein alter Diener des Sampson. Bedienter des Mellefvnt.

Mädchen der Sara. Mädchen der Marwood.

Der Gastwirch und einige Nebenpersonen.

Erster Aufzu g. Erster Auftritt. Der Schauplatz ist ein Saal im Gasthofe. Sir William treten

Samvson und Waitwell in Reisekttidern herein.

Gir Willkm. meine Tochter? Hier in diesem dem ^||| den Wirthehause?

Sv* A

waitwell. Ohne Zweifel hat Mellefont mit Fleiß das etterelendeste im ganzen Städtchen zu seinem Aufenthalte gewählt. Döse Leute suchen immer das Dunkle, weil sie böse Leute sind. Aber was Hilst es ihnen, wenn sie sich auch vor der ganzen Welt verbergen könnten? Das Gewissen A 2 ist

4

Miß Sara Sampson.

ist doch mehr, als eine ganze uns verklagende

Welk. — Ach, Sie weinen schon wieder, schon wieder, Sir! — Sir! Sir William. Laß mich weinen, alter ehr­

licher Diener.

Oder verdient sie etwa meine

Thränen nicht? Waitwell. Ach! sie verdient fle, und wenn

et blutige Thränen wären. Sir William.

Waitwell.

Nun so laß mich.

Das beste, schönste, unschuldig­

ste Kind, das unter der Sonne gelebt hat, das muß so verführt werden! Ach Sarchen! Sarchen! Zch habe dich auswachsen sehen; hundertmal habe ich dich als ein Kind «uf diesen meinen Armen ge­

habt; auf diesen meinen Armen habe ich dein Lä­ cheln , dein Lallen bewundert.

Aus jeder kindi­

schen Miene stralte die Morgenröthe eines Ver­

standes, einer Leutseligkeit, eitler--------

Sir William.

O schweig! Zerfleischt nicht

das Gegenwärtige mein Herz schon genug? Willst du meine Marlern durch die Erinnerung an ver­

gangne Glückseligkeiten noch höllischer machen? Aendtt deine Sprache, wenn du mir einen Dienst

5

Miß Sara Sampson. fo— .

---

-

-fr

thun willst. Tadle mich; mache mir aus meiner Zärtlichkeit ei» Verbrechen; vergrißre das Bergen hen meiner Tochter; erfülle mich, wenn du kannst/ mit Abscheu gegen sie; entflamme aufs neue meine Rache gegen ihren verfluchten Verführer; sage, daß Sara nie tugendhaft gewesen, weil sie so leicht aufgchört hat es zu seyn; sage, daß sie mich nie geliebt, weil sie mich heimlich verlassen hat. Wairwell. Sagteich das, so würde ich eine Lüge sagen; eine unverschämte bist Lüge. Sie könnte mir auf dem Todbette wieder elnfallen, und ich alter Bösewicht müßte in Verzweiflung sterben. — Nein, Sarchen hat ihren Vater ge­ liebt, und gewiß! gewiß! sie liebt ihn noch. Wenn Sie nur davon überzeugt seyn wollen, Sir, so sehe ich sie heute noch wieder In Ihren Armen. Sir William. Za, Waitwell, nur davon verlange ich überzeugt zu seyn. Zch kann sie län­ ger nicht entbehren; sie ist die Stütze meines Al­ ters, und wenn sie nicht den traurigen Rest mei­ nes Lehms versüßen hilft, wer soll es denn thun? Wenn sie mich noch liebt, so ist ihr Fehler ver­ gessen. Es war der Fehler eines zärtlichen MädA 3 chms.

Miß Sara Sampson.

6

.—.

...



chens, und ihre Flucht war die Wirkung ihrer

Reue.

Solche Vergehungen finb besser, als er/

zwungene Tugenden —

Doch ich fühle eö, Wait/

well, ich fühle es; wenn diese Vergehungen auch

wahre Verbrechen, wenn es auch vorsetzltche Laster wären: ach! ich würde ihr doch vergeben.

Zch

würde doch lieber von einer lasterhaften Tochter, als von keiner, geliebt seyn wollen. Waitwell.

lieber Sir!

Trocknen Sie Zhre Thränen ab,

Ich höre jemanden kommen.

ES

wird der Wirth seyn, uns zu empfangen.

Zweyter Allftritt. Der Wirth.

Sir William Sampson. Waitivell.

Der Wirth

So früh, meine Herren, so

früh? Willkommen! willkommen Waitivell! Zhr seyd ohne Zweifel die Nacht gefahren?

Ist da«

der Herr, von dem bu gestern mit mir gcsproe

chen hast? Waitwell.

Za, er ist ei, und ich hoffe, daß

bu abgeredeter Maßen — —

Der

Miß Sara Sampson. .—

&

Gnädiger Herr, ich bin ganz

Der Wirth. zu Ihren Diensten.

Was liegt mir daran, ob ich

.es weiß, oder nicht, was Sie für eine Ursache hierher führt, und warum Sie bey mir im Ver­

borgnen seyn wollen?

(Ein Wirth nimmt sein

Geld, und läßt seine Gaste machen, was ihnen

gut dünkt.

Waitwell hat mir zwar gesagt, daß

Sie dell fremden Herrn, der sich seit etiligen Wo­ chen mit seinem jungen Weibchen bey mir auf­ hält, ein wenig beobachten wollen. Äber ich hoffe,

daß Sie ihm keinen Verdruß verursachen werden. Ste würden mein Haus in einen Übeln Ruff brin­

gen, und gewisse Leute würden sich scheuen, bey mir abzutreten.

Unser einer muß von allen Sor­

ten Menschen leben. — —

Sir William.

Besorget nichts; führt mich

nur in das Zimmer, das Waitwell für mich be­

stellt hat.

Ich komme aus rechtschaffnen Absich­

ten hierher.

Der Wirth. Ich mag Ihre Geheimnisse nicht wisset!, gnädiger Herr! Fehler gar nicht.

Die Neugierde ist mein

Ich hätte eö, zum Exempel,

längst erfahren können, wer der fremde Herr ist, A 4

auf

8

Miß Sara Sampson.

auf bett Sie Acht geben wollen; aber ich mag nicht.

So viel habe ich wohl herausgebracht, daß er mit

dem Frauenzimmer muß durchgegangen sey». Das. gute Weibchen, oder was sie ist! sie bleibt den gärn

zen Tag in ihrer Stube eingeschlossen und weint. Sir William.

Der Wirth.

Und weint? Ja, und weint — — Aber,

gnädiger Herr, warum weinen Sie? Das Frauen,

zimmer muß Zhnm sehr nahe gehen.

Sie sind

doch wohl nicht — — Waitwell.

Halt ihn nicht länger auf.

Der Wirth. Kommen Sie. Nur eine Wand wird Sie von dem Frauenzimmer trennen, das

Ihnen so nahe geht, und die vielleicht — — Waitwell. Du willst es also mit aller Ge* walt wissen, wer-------

Dee Wirth. nichts wissen. Waitwell.

Nein, Waitwell, ich mag

Nun so mache, und bringe un
um Bedienten! Verlaß UN«!

Norton,

(im adzehen) Zch wollte auch nicht

da bleiben, und wenn mir gleich jeder Augeublick mit Golde bezahlt würde.

Sieben-

Miß Sara Sampson.

»6

Siebenter Auftritt, Sara. Mellefont.

Mellefont.

Sie sind schwach/ liebste Miß.

Sie müssen sich sehen.

Sara, (fie feotßd)) Ich beunruhige Sie sehr früh; und werden Sie mir es vergeben, daß ich

meine Klagen wieder mit dem Morgen anfange?

Mellefont.

Theuerste Miß, Sie wollen sa­

gen, daß Sie mir es nicht vergeben können, weil schon wieder ein Morgen erschienen ist, ohne daß

ich Ihren Klagen ein Ende gemacht habe.

Sara.

Was sollte ich Ihnen nicht vergeben?

Sie wissen, was ich Ihnen bereits vergeben habe.

Aber die neunte Woche, Mellefont, die neunte Woche fängt heut an, und dieses elende Haus sieht

mich noch immer auf eben dem Fuße, als den

ersten Tag. Mellefont. So zweifeln Sie an meiner Liebe ? Sara.

Ich, an Ihrer Liebe zweifeln? Nein,

ich fühle mein Unglück zu sehr, zu sehr, als daß ich mir selbst diese letzte einzige Versüßung dessel­

ben rauben sollte. Melle-

Miß Sara Sampson. - .. - .. V!--

_____ —_

4>-

Mellefont.

17 ' .

Wie kann also meine Miß über

die Verschiebung einer Ceremonie unruhig seyn?

Sara.

Ach, Mellefont, warum muß ich

einen andern Begriff von dieser Ceremonie ha« ben? —

Geben Sie doch immer der weiblichen

Denkungsart etwas nach.

Ich stelle mir vor, daß

eine nähere Einwilligung des Himmels dartnn liegt.

Umsonst habe ich es, nur wieder erst den

gestrigen langen Abend, versucht, Ihre Begriffe anzunehmen, und die Zweifel aus meiner Brust zu verbannen, die Sie, itzt nicht das erstemal, für

Früchte

meines Mißtrauens angesehen haben.

Zch stritt mit mir selbst; ich war sinnreich genug­

meinen Verstand zu betäuben; aber mein Herz und ein inneres Gefühl warfen auf einmal das

mühsame Gebäude von Schlüffen übern Haufen. Mitten aus dem Schlafe weckten mich strafende

Stimmen, mit welchen sich meine Phantasie,

mich zu quälen, verband.

Was für Bilder, was

für schreckliche Bilder schwärmten um mich hemm!

Zch wollte sie gern für Träume halten — — Mellefont.

Wie? meine vernünftige Sara

sollte sie für etwas mehr halten?

Trauerspiele.

D

Träume, liebste Miß,

Miß Sara Sampson.

i8

Miß, Träume! — Mensch!

Wie unglücklich ist der

Fand sein Schöpfer in dem Reiche der

Wirklichkeiten nicht Qualen für ihn genug? Mußte «r, sie zu vermehren, auch ein noch weiteres Reich

von Einbildungen in ihm schaffen? Sam.

Klagen Sie den Himmel nicht an!

Er hat die Einbildungen in unserer Gewalt gelaff

sen.

Sie richten sich nach unsern Thaten, und

wenn diese unsern Pflichten und der Tugend ge-

mäß sind, so dienen die sie begleitenden Einbildun­ gen zur Vermehrung unserer Ruhe und unseres Bere gnügens.

Eine einzige Handlung, Mellefont, ein

einziger Segen, der von einem Friedenöbothen im

Namen der ewigen Güte auf uns gelegt wird, kann meine zerrüttete Phantasie wieder heilen.

Stehen Sie noch an, mir zu Liebe dasjenige einige Tage eher zu thun, was Sie doch einmal thun

werden?

Erbarmen Sie sich meiner, und über«

legen Sie, daß wenn Sie mich auch dadurch nur von Qualen der Einbildung befreyen, diese einge« bildere Qualen doch Qualen, und für die, die sie

empfindet, wirkliche Qualen sind. —

Ach, könnte

ich Zhnen nur halb so lebhaft die Schrecken meiner vort«

Miß Sara Sarnpso«. , .. - ggg

19

vorigen Nacht erzählen, als ich sie gefühlt ha­

be! —

Von Weinen und Klagen, meinen einzi­

gen Beschafftigimgen, ermüdet, sank ich mit halb

geschlossenen Augenliedern auf das Bett zurück. Die Nacur wollte sich einen Augenblick erholen, neue Thränen zu sammeln.

Aber noch schlief ich

nicht ganz, als ich mich auf einmal an dem schroff­

sten Theile des schrecklichsten Felsen sahe.

Sie

glengen vor mir her, und ich folgte Ihnen mit

schwankenden ängstlichen Schritten, die dann und wann ein Blick stärkte, welchen Sie auf mich zu-

rückwarfen.

Schnell hörte ich hinter mir ein

freundliches Rusen, welches mir still zu stehen be­

fahl.

Es war der Ton meines Vaters —

Ich

Elende! kann ich denn nichts von ihm vergessen? Ach! wo ihm sein Gedächtniß eben so grausame

Dienste leistet; kann! —

wo er auch mich nicht vergessen

Doch er hat mich vergessen.

grausamer Trost für seine Sara! —

nur, Mellefont;

Trost!

Hören Sie

indem ich mich nach dieser be­

kannten «Stimme umsehen wollte,

gleitete mein

Fuß; ich wankte und sollte eben in den Abgrund

herab stürzen, als ich mich, noch zur rechten Zeit, B a

von

Miß Sara Sampso«.

Lv

von einer mir ähnlichen Person zürückgehalten fühlte.

Schon wollte ich ihr den feurigsten Dank

abstatten, als sie einen Dolch aus dem Busen zog.

Ich rettete dich, schrie sie, um dich zu verderben! Sie holte mit der bewaffneten Hand aus — und

ach!

ich erwachte mit dem Stiche.

fühlte ich noch alles,

Wachend

was ein tödlicher Stich

schmerzhaftes haben kann; ohne das zu empfinden/

was er angenehmes haben muß: das Ende der

Pein in dem Ende des Lebens hoffen zu dürfen. Mellefont.

Ach! liebste Sara, ich verspr«,

che Ihnen das Ende Ihrer Pein, ohne das Ende

Ihres Lebens, welches gewiß auch das Ende des

meinigen seyn würde.

Vergessen Sie das schrecke

liche Gewebe eines sinnlosen Traumes.

Sara.

Die Kraft es vergessen zu können,

erwarte ich von Ihnen.

führung,

Es sey Liebe oder Vere

es sey Glück oder Unglück,

das mich

Ihnen in die Arme geworfen hat; ich bin in mell nem Herzen die Ihrige, und werde er ewig seyn. Aber noch bin ich es nicht vor den Augen jenes

Richters, dep die geringsten Uebertretungen seiner

Ordnung zu strafen gcdrohet hat — — Melle,

Miß

Sara

Sarnpson.

21

H-__ =======BS^=^^^fe ----------Mellefont.

So falle denn alle Strafe auf

mich allein? Sara.

Was kann auf Sie fallen, das mich

nicht treffen sollte? — —

Legen Sie aber mein

dringendes Anhalten nicht falsch aus.

Ein andres

Frauenzimmer, das durch einen gleichen Fehltritt sich ihrer Ehre verlustig gemacht hätte, würdeviel­

leicht durch ein gesetzmäßiges Band nichts als einen

Theil derselben wieder zu erlangen suchen.

Ich,

Mellefont, denke darauf nicht, weil ich in der Welt weiter von keiner Ehre wissen will, als von

der Ehre, Sie zu lieben.

Ich will mit Ihnen,

nicht um der Welt Willen, ich will mit Ihnen um meiner selbst Willen verbunden seyn.

Und

wenn ich es bin, so will ich gern die Schmach auf

mich nehmen, als ob ich es nicht wäre.

Sie sol,

len mich, wenn Sie nicht wollen, für Ihre Gat­

tinn nicht erklären dürfen; Sie sollen mich erklä­

ren können, für was Sie wollen. Ich will Ihren Namen nicht führen; Sie sollen unsere Verbin­

dung so geheim halten, als Sie es für gut befin­ den ; und ich will derselben ewig unwerrh seyn,

wenn ich mir in den Sinn kommen laste, einen Dr

an,

Miß Sara Sampson.

22

andern Vortheil, als die Beruhigung meines Ge­

wissens, daraus zu ziehen. Mellefont.

Halten Sie ein. Miß, oder ich

muß vor Ihren Augen des Todes seyn.

Wie elend

bin ich, daß ich nicht das Herz habe, Sie noch

elender zu machen! —

Bedenken Sie, daß Sie

sich meiner Führung überlassen haben;

bedenken

Sie, daß ich schuldig bin, für uns weiter hinaus» zu sehe», und daß ich itzt gegen Ihre Klagen taub

seyn muß,

wenn ich Sie nicht,

in der ganzen

Folge Ihres Lebens, noch schmerzhaftere Klagen

will führen hören.

Haben Sie es denn vergessen,

was ich Ihnen zu meiner Rechtfertigung schon oft

vorgestcllt? Sara.

font.

Ich habe es nicht vergessen, Melle­

Sie wollen vorher ein gewisses Vermachtniß

retten. —

Sie wollen vorher zeitliche Güter ret­

ten, und mich vielleicht ewige darüber verscher­

zen lassen. Mellefont.

Ach Sara, wenn Ihnen alle

zeitliche Güter so gewiß wären, als Ihrer Tugend die ewigen sind---------

Sara.

Miß Sara Sampson. , Sara.

., „.Mb*

2Z

. -..——

Meiner Tugend?

=O

Nennen Sie mir

Sonst klang es mit süße,

dieses Wort nicht! —

aber itzt schallt mir ein schrecklicher Donner darinn!

Mellefont.

Wie? muß der, welcher tugend­

haft seyn soll,

keinen Fehler begangen haben?

Hat ein einziger so unselige Wirkungen, daß er

eine ganze Reihe unsträflicher Jahre vernichten kann: so ist kein Mensch tugendhaft;

so ist die

Tugend ein Gespenst, das in der Lust zerfließet,

wenn man

es am festesten

umarmr zu haben

glaubt; so har kein weises Wesen unsere Pflichten

«ach unsern Kräften abgemessen;

so ist die Lust,

uns strafen zu können, der erste Zweck unsers Dastyns; so ist —

Ich erschrecke vor allen den gräß­

lichen Folgerungen,

in welche,Sie Ihre Klein-

mulh verwickeln muß!

Nein, Miß, Sie sind

noch die tugendhafte Sara, die Sie vor meinet unglücklichen Bekanntschaft waren.

Wenn Sie

sich selbst mit so grausamen Augen ansehen, mit was für Augen müssen Sie mich betrachten!

Sara.

Mil den Augen der Liebe, Mellefont,

NIellefont.

So bitte ich Sie denn um dieser

Liebe, um dieser großmüthigen, alle meine Um B 4

würdig-

Miß Sara Sanrpson.

54

Hs—--------------»SS

: g-- — s

Würdigkeit übersehenden Liebe Willen, zu Ihren

Füßen bitte ich Sie: beruhigen Sie fich.

Habe»

Sie nur noch einige Tage Geduld.

Sara.

Einige Tage! Wie ist Ein Tag schon

so lang! Mellefont. Verwünschte« Vermächtniß! Ver­

dammter Unsinn eine« sterbenden Vetters, der mir stin Vermögen nur mit der Bedingung lassen woll­ te, einer Anverwandtinn die Hand zu geben, die

wich eben so sehr haßt, als ich sie!

Euch, un­

menschliche Tyrannen unserer freym Neigungen, euch werde alle das Unglück, alle dle Sünde zuge­

rechnet, zu welchen uns euer Zwang bringet! —>

Und wenn ich ihrer nur entübriget seyn könnte, dieser schimpflichen Erbschaft!

So lange mein

väterliche« Vermögen zu meiner Unterhaltung hin­ reichte, habe ich sie allezeit verschmähet, und sie

nicht einmal gewürdiget, mich darüber zu erklären. Aber itzt, itzt, da ich alle Schätze der Welt nur

darum besitzen möchte, um sie zu den Füßen mei­

ner Sara legen zu können, itzt da ich wenigstens darauf denken muß, sie ihrem Stande gemäß in der

Miß Sara Sampson. . -E». . -..——

25 ■=0

der Welt erscheinen zu lassen, itzt muß ich meine

Zuflucht dahin nehmen.

Sara.

Mit der es Ihnen zuletzt doch wohl

noch fehl schlägt. Mellefont.

schlimmste. —

vermuthen

Sie

Nein;

immer

das

da« Frauenzimmer, die

e« mit betrifft, ist nicht uugeneigt, eine Art von Vergleich emzugehen.

Das Vermögen soll getheilt

werden; und da sie e« nicht ganz mit mir genießen kann, so ist sie e« zufrieden, daß ich mit der Hälfte meine Freyheit von ihr erkaufen darf.

Ich er­

warte alle Stunden die letzten Nachrichten in die­ ser Sache, deren Verzögerung allein unfern hiesi­

gen Aufenthalt so langwierig gemacht hat. bald ich sie bekommen habe,

Augenblick länger hier verweilen.

gleich,

So

wollen wir keinen

Wir wollen so­

liebste Miß, nach Frankreich übergehen,

wo Sie neue Freunde finden sollen, die sich itzt schon auf da« Vergnügen, Sie zu sehen und Sie zu lieben, freuen.

Und diese neuen Freunde sollen

die Zeugen unserer Verbindung seyn — — Sara. Diese sollen die Zeugen unserer Verbin­ dung seyn? —

Grausamer! so soll diese Vec-

B 5

bindung

26

Miß Sara Sampsott. ... ———- --------

btndung nicht in meinem Vaterlande geschehen? So soll ich mein Vaterland als eine Verbrechcrinn

verlassen?

Und als

eine solche,

glauben Sie,

würde ich Muth genug haben, mich der See zu

vertrauen?

Dessen Herz muß ruhiger oder muß

ruchloser seyn, alö meines, welcher nur einen Au­ genblick zwischen sich und dem Verderben

mir

Gleichgültigkeit nichts, als ein schwankendes Brett, schen kann.

In jeder Welle, die an unstr Schiff

schlüge, würde mir der Tod entgegenrauschen; je­ der Wind würde mir von den väterlichen Küsten

Verwünschungen nachbrauscn,

und der kleinste

Srurm würde mich ein Blutgericht über mein

Haupt zu seyn, dünken. —

Nein, Mellefont,

so ein Barbar können Sie gegen mich nicht seyn.

Wenn ich noch das Ende Jhres'Vergleichs erlebe,

so muß es Ihnen auf einen Tag nicht ankommen, den wir hier länger zubrtngen.

Es muß dieses der

Tag seyn, an dem Sie mich die Martern aller

hier verweinten Tage vergessen lehren. dieses der heilige Tag seyn —

Es muß

Ach! welcher wird

es denn endlich seyn?

Melle-

Miß Sara Sarnpson. ;...........

Mellcfonr.

27 -



Aber überlegen Sie denn nicht.

Miß, daß unserer Verbindung hier diejenige Fcyer

fehlen würde, die wir ihr zu geben schuldig sind? Sara.

Eine heilige Handlung wird durch da-

Fcyerliche nicht kräftiger. Mellefont Sara.

Allein---------

Zch erstaune.

Sie wollen doch wohl

nicht auf einem so nichtigen Vorwande bestehen? O Mellefont, Mellefont! wenn ich mir es nicht

zum unverbrüchlichsten Gesetze gemacht hätte, nie# mals an der Ausrichtigkeit Ihrer Liebe zu zweifeln,

so würde mir dieser Umstand--------- Doch schon

zu viel; es möchte scheinen, als hätte ich eben itzt daran gezweifelt.

Mellefont.

Der erste Augenblick Ihres Zwei«

felS müsse der letzte meine« Lebens seyn!

Ach,

Sara, womit habe ich es verdient, daß Sie mir

auch nur die Möglichkeit desselben voraus sehen lassen?

Es ist wahr, die Geständnisse, die ich

Ihnen von meinen ehemaligen Ausschweifungen abzulegen, kein Bedenken getragen habe, können

mir keine Ehre machen: aber Vertrauen sollten sie mir doch erwecken.

Eine buhlerische Marwood

führte

sS

Miß

Sara

Sampson.

H— ----

... ............

;

-Jf,

führte mich in ihren Stricken, weil ich da« für sie empfand, was so oft für Liebe gehalten wird, und

es doch so selten ist.

Ich würde noch ihre schimpft

tlchen Fessln tragen, hätte sich nicht der Himmel meiner erbarmt, der vielleicht mein Herz nicht für ganz unwürdig erkannte, von bessern Flammen zu

brennen.

Sie, liebste Sara, sehen, und alle

Marmoods vergessen, war eins.

Aber wie theuer

kam es Ihnen zu stehen, mich aus solchen Händen

zu erhalten!

Zch war mlt dem Laster zu vertraut

geworden, und Sie kannten es zu wenig---------

Sara.

Lassen Sie uns nicht mehr daran ge«

denken — —

Achter Auftritt. Norton.

Mellefont.

Sara.

Mellefont. Was willst du?

Norton. Zch stand eben vor dem Hause, al« mir ein Bedienter diesen Brief in die Hand gab. Die Aufschrift ist an Sie, mein Herr. Mellefont. An mich? Wer weiß hier meinen

Namen? — (indem cr den Dries betrachtet) Himmel!

Sara.

Miß Sara Sampson.

□9

1 ' -" SS

Sara. Sie erschrecken? Mellefont. Aber ohne Ursache/ Miß; wie Ich nun wohl sehe. Ich irrte mich in der Hand. Sara. Möchte doch der Inhalt Ihnen so an­ genehm seyn / als Sie es wünschen können. Mellefont. Ich vermuthe, daß er sehr gleich, gültig seyn wird. Sara. Man braucht ßch weniger Zwang am zuthun, wenn man allein ist. Erlauben Sie, daß ich mich wieder in mein Zimmer begebe. Mellefsnt. Sie machen sich also wohl Ge­ danken? Sara. Ich mache mir keine, Mellefont. kNellefonr. (indem er sie bis an die Scene begleitet.) Zch werde den Augenblick bey Ihnen seyn, lieb­ ste Miß.

Neunter Auftritt.

Mellefont.

Norton.

Mellcfont. (der den Brief noch ansieht.) Ge­ rechter Golk! Norton. Weh Ihnen, wenn er nichts, als gerecht ist l Melle-

Miß

30

Sara

Sampson.

-=—=.--*_M .rgQga_a^._. —

f,

..j

Mellefont. Kann es möglich seyn? Zch sehe

diese verruchte Hand. wieder, und erstarre nicht vor Schrecken? Ist fies? Ist sie es nicht? Was

zweifle ich noch? Sie ists! Ah, Freund, ein Brief

von der Marwood! Weiche Furie, welcher Satan hat ihr meinen Aufenthalt verrathen? Was will sie noch von mlr? — Geh, mache so gleich An­

stalt, daß wir von hier wegkommen. — Doch ver­ zieh ! Vielleicht ist es nicht nöthig; vielleicht ha­ ben meine verächtlichen Abschiedsbriefe die Mar-

wood nur aufgebracht, mir mit gleicher Verach­

tung zu begegnen. ihn.

Hier! erbrich den Brief; lies

Zch zinere, er selbst zu thun.

Horten, c-r lieft.) „Es wird so gut seyn, als »ob ich ihnen den längsten Brief geschrieben härte, „Mellefont,

wen» Sie den Namen, dm Sie

„ am Ende der Seite finden werden, nur einer Eiet*

„tun Betrachtung würdigen wollen —> — Mellefont. Verflucht sey ihr Name! Daß

ich ihn nie gehört hätte! Daß er aus dem Buche der Lebendigen vertilgt würde!

Horton.

Miß Sara Sampson.

31

Norton, (tieft tvcitcr.) „Die Mühe Sie aus-

»zuforschen, hat mir die Liebe, welche mir sor»

„scheu half, versüßt. Mellefont. Dle Liebe? Frevleriim! Du ent­

heiligest Namen, die nur der Tugend geweiht sind! Norton, (ftwn so«.)

Sie hat noch mehr

„gethan;--------

Mellefont. Ich bebe ---------

Norton.

„ Sie hat mich Ihnen

nachge,

»bracht.-------Mellefont. Verrüther, was liest du? (ft reiße

ihm den Brief aus der Hand und lieft selbst) „ Sie hat „ mich Ihnen — nachgebracht. — Ich bin hier; »und es stehet bey Ihnen, — ob Sie meinen Be
V.

Wenn sein Herz auch gegen di«

Sprache einer alten Liebe taub ist; so wird ihm doch die Sprache

des Bluts vernehmlich seyn.

Er riß das Kind vor einiger Zeit aus meinen Ar­ men, unter dem Vorwande,

Erziehung geben zu lassen, haben könne.

ihm eine Art von

die es bey mir nicht

Zch habe es von der Dame, die es

unter ihrer Aussicht hatte,

itzt nicht anders als

durch List wieder bekommen können; er hatte auf mehr als ein Zahr vcrausbezahlt, und noch den

Tag vor seiner Flucht ausdrücklich befohlen, ein«

gewisse Marwovd, die vielleicht kommen und sich für die Mutter des Kindes ausgebcn würde, durch/ aus nich- vorzulasscn.

Aus diesem Befehle erkenne

ich den Unterschied, den er zwischen uns beyden macht.

Arabellen

sieht er als einen kostbaren

Theil seiner selbst an, und mich als eine Elende, die ihn mit allen ihren Reizen, bis zum Ueber/

drusse, gesättiget hat.

Hannah. Welcher Undank!

rtiMf

Miß Sara Sampfon. H-

35

------------

kNarwood.

Ach Hannah, nicht« zieht bett

Undank so unausbleiblich nach sich, als Gefällig» keilen, für die kein Dank zu groß wäre.

Warum

habe ich sie ihm erzeigt, diese unseligen Gefälligkeit ten? Hätte ich cs nicht voraus sehen sollen, daß sie

ihren Werth nicht immer bey ihm behalten könnte»?

Daß ihr Werth auf der Schwierigkeit des Genusses beruhe,

und daß er mit derjenigen Anmuth ver#

schwinden müsse, welche die Hand der Zeit unmerk»

lich, aber gewiß, aus unsern Gesichtern verlöscht? Hannah.

O, Madam, von dieser gesLhrli»

chen Hand haben Sie noch lange nichts zu be­

fürchten.

Ich finde,

daß Ihre Schönheit den

Punkt ihrer prächtigsten Blüthe so wenig über» schritten har, daß sie vielmehr erst darauf losgeht, und Ihnen alle Tage neue Herzen fesseln würde,

wenn Sie ihr nur Vollmacht dazu geben wollten. Marwoov.

Schweig, Hannah! Du schmei»

chelst mir bey einer Gelegenheit,

Schmei cheley verdächtig macht.

die mir alle Es ist Unsinn

von neuen Eroberungen zu sprechen,

wenn man

nicht einmal Kräfte genug hat, sich im Besitze der

schon geinachten zu erhalten.

C »

3toey»

z6

Miß Sara Sampson. Zweyter Auftritt. Ein Bedienter.

Marwood.

Der Bediente.

Madam, man will die Ehr«

Hannah.

haben, mit Ihnen zu sprechen.

Marwood.

Wer?

Der Bediente.

Ich vermuthe, daß es eben

der Herr ist, an welchen der vorige Brief über­ Wenigstens ist der Bediente bey

schrieben war.

ihm, der mir ihn abgenommen har.

Mcllefonk! —

Marwood.

führe ihn herauf! (»et schiente geht ab.)

Geschwind,

Ach Han­

nah, nun ist er da! Wie soll ich ihn empfangen?

Wa- soll ich sagen?

Welche Miene soll ich anneh­

men? Ist diese ruhig genug? Sieh doch!

Nichts weniger als ruhig.

Hannah.

Marwood.

Hannah.

Marwood. Hannah.

Aber diese?

Geben Sie ihr noch mehr Anmuth.

Etwa so?

Zu traurig!

Marwood. Sollte mir dieses Lächeln lassen?

Hannah.

Vollkommen! Aber nur fteyer —

Er kömmt.

Dritter

Miß

37

Sampsott.

Sara

H-

------------

Dritter Auftritt. Mellefout. Mellefont. tritt.)

Marwood.

Hannah.

(der mit einer wilden Stellung herein

Ha! Marwood —

Marwood. (tue ihm mit offnen Armen lächelnd em«

MellefvNt —

«egen rennt.) Ach

Mellefonk

(bey Seite.)

Die Mörderinn, was

für ein Blick!

Marwood.

Ich muß Sie umarmen, treu,

loser, lieber Flüchtling! — Theilen Sie doch meine

Freude! —

Warum entreißen Sie sich meine«

Liebkosungen?

Marwood, ich vermuthete, daß

Mellefont.

Sie mich anders empfangen würden. Marwood.

Warum anders?

Mit mehr

Liebe vielleicht? mit mehr Entzücken?

Ach ich

Unglückliche, daß ich weniger ausdrücken kann, als

ich fühle! —

Sehen Sie, Mellefout, sehen Sie,

daß auch die Freude ihre Thränen hat?

Hier

rollen sie, diese Kinder der süßesten Wollust! — Aber ach, verlorne Thränen! seine Hand trocknet

euch nicht ab. C 3

Melle«

Miß Sara Sampson.

ZS

Mellefont.

Marwood, dl? Zeit ist vorbey,

da mich solche Reden bezaubert hätten.

Sie müs­

sen itzt in eitlem audern Tone mit mir sprechen. Ich komme her, Ihre letzten Vorwürfe anzuhLren,

und darauf zu antworten. Marwood^

Vorwürfe?

Was hätte ich

Ihnen für Vorwürfe zu machen,

Mcilesont?

Keine. Mellefent.

So hätten Sie, sollt' ich mey­

nen , Zhren Wer, ersparen kinnen. Marrvoov.

Liebste wunderliche Seele, war­

um wollen Sie mich nun mit Gewalt zwingen,

einer Kleinigkeit zu gedenken, die ich Ihnen In

eben dem Augenblicke vergab, in welchem ich sie erfuhr?

Eine kurze Untreue, die mir Ihre Ga­

lanterie, aber nicht Ihr Herz spielet, verdient diese

Borwürfe?

Kommen Sie, lassen Sie uns dar­

über scherzen. Mellefont.

Sie irren sich; mein Herz hat

mehr Antheil daran, als eö jemals an allen unsern Liebeshändeln gehabt har, auf die ich itzt nicht ohne

Abscheu zurück sehen kann.

Marwood.

Miß Sara Sampsott. ,

39

. -

NTarwood.

Ihr Herz, Mellefonr, ist ein

gutes Närrchen,

Cs läßt sich alles bereden, was

Ihrer Einbildung ihm zu bereden e «fällt.

Glam

den Sie mir doch, ich kenne es besser, als Sie.

Wenn es nicht das beste, das getreuste Herz wäre, wurde ich mir wohl so viel Mühe geben, es zu behalten?

Mettefont.

Zu behalten? Sre haben es nie-

mals besessen, sage ich Ihnen.

Marwood.

Und ich sage Ihnen; ich besitze

es Im Grunde noch.

Mellefont.

Marwood, wenn ich wüste daß

Eie auch nur noch einen Faser davon besäßen, so wollte ich es mir selbst,

hier vor Ihren Augen,

«H5 meinem Leibe reißen.

Marwood.

Sie würden sehen, daß Sie

meines zugleich Herausriffen.

Und dann,

dann

würden diese herausgerissenen Herzen endlich zu der Vereinigung gelangen,

die sie so oft auf unsern

Lippen gesucht haben. Mellefont. (bey Seire) Was für eine Schlan­ ge! Hier wird das beste seyn, zu fliehen. — Sa­

gen Sie mir es nur kurz, Marwood, warum Sie C 4

mir

Miß Sara Sampson.

40

mir nachgekommen sind ? Was Sie noch von mir verlangen?

Aber sagen Sie es nur ohne dieses

Lächeln, ohne diesen Blick, aus welchem mich eine ganze Hölle von Verführung schreckt.

Marwood. (vertraulich) Höre nur, mein lie, her Mellefont; ich merke wohl, wie es itzt mit dir steht.

Deine Begierden und dein Geschmack sind

iht deine Tyrannen.

Laß es gut seyn; man muß

sie ausroben lassen.

Sich ihnen widersetzen,

Thorheit.

ist

Sie werden am sichersten eingeschläfert,

und endlich gar überwunden,

wenn man ihnen

freyes Feld läßt. Sie reiben sich selbst auf. Kannst

du mir nachsagen, kleiner Flattergeist, daß ich je­ mals eifersüchtig gewesen wäre,

wenn

stärkere

Reize, als die meinigen, dich mir auf eine Zeit­ lar,g ab-pänstrg machten?

Zch gönnte vir ja alle,

zeit diese Veränderung, bey der ich immer mehr

gewann, als verlor.

Du kehrtest mit neuem

Feuer, mit neuer Znnbrunst in meine Arme zu­

rück, in die ich dich nur als in leichte Bande, und

nie als in schwere Fesseln schloß.

Bin ich nicht

oft selbst deine Vertraute gewesen, wenn du mir

auch schon nichts zu vertrauen hattest, als die Gunst"

Miß Sara Sampson. H-

41

------------

Gunstbezeigungen,

die du mir entwandtest, um

sie gegen andre zu verschwenden?

Warum glaubst

du denn, daß ich itzt einen Eigensinn gegen dich zu zeigen anfangen würde,

zu welchem ich nun

eben berechtiget zu seyn aufhLre, oder — vielleicht schon aufgehörk habe?

Wenn deine Hitze gegen

das schöne Landmädchen noch nicht verraucht ist; wenn du noch In dem ersten Fieber deiner Liebe gegen sie bist;

wenn du ihren Genuß noch nicht

entbehren kannst:

wer hindert dich denn, ihr so

lange ergeben zu seyn, als du es für gut befindest?

Mußt du deswegen so unbesonnene Anschläge ma­ chen, und mit Ihr aus dem Reiche fliehe» wollen? Mellefont.

Marwood, Sie reden vollkom­

men Zhrem Charakter gelnäß, dessen Häßlichkeit Ich nie so gekannt habe, als seit dem ich, in dem

Umgänge mit einer tugendhaften Frcundilin, dl« Liebe von der Wollust unterscheiden gelernt, Marwood.

Ey sieh doch! Dein« neue Ge-

bietherlnn ist also wohl gar ein Mädchen von schö­ nen sittlichen Empfindungen?

Ihr Mannsperso­

nen müßt doch selbst nicht wissen, was ihr wollt, Bald sind es die schlüpfrigsten Reden, die buhlre,

C 5

Haftesten

42

Miß Sara Sampson.

Hastesten Scherze, die euch an uns gefallen; und

bald entzücken wir euch, wenn wir nichts als Tu^ gmd reden, und alle sieben Weisen auf unserer Zunge zu haben scheinen..

Das schlimmste aber ist, daß

ihr das eine so wohl als das andre überdrüßig wer-

det.

Wir mögen narrisch oder vernünftig,

welt­

lich oder geistlich gestnnet seyn: wir verlieren unsere Mühe, euch beständig zu macken, einmal wie das

andre.

Du wirst an deine schöne Heilige. die.Reihe

Zeit genug kommen lassen. Reinen Überschlag machen?

Soll ich wohl einen Nun eben bist du

im heftigsten Parexisnro mit ihr: und diesem geb'

ich noch zwey, aufs längste drey Tage.

Hierauf

wird eine ziemlich geruhige Liebe folgen: der geb' ich acht Tage.

Die andern acht Tage wirst du

nur gelegentlich an diese Liebe denken.

Die dritten

wirst du dich daran erinnern lassen: und wann du

dieses Erinnern satt hast, so wirst du dich zu der äußersten Gleichgültigkeit so schnell gebracht sehen, daß ich kaum die vierten acht Tage aus diese letzte

Veränderung rechnen darf — ungefähr ein Monath.

Das wäre nun

Und diesen Monath, Mel­

lefont, will ich dir noch mit dem größten Vergnü­

gen

Miß 4>- >

-------

Sara

Sampsorr.

43

--------- MtAjsgffi-uU*-------------------------- ü--ch

gen nachschm;

nur wirst du erlauben, daß tch

dich nicht aus dem Gesichte verliere» darf. Mellefonk.

Vergebens, Marwood,

suchen

Sie alle Waffen hervor, mit welchen Sie sich er
marwood.

Marwood — —

Oder wenn du noch eine grau»

fernere Mutter weißt, so sieh sie gedoppelt in mir! Gift und Dolch sollen mich rächen.

Doch nein,

Gift und Dolch sind zu barmherzige Werkzeuge! Sie würden dein und mein Kind zu bald tidten. Zch wlll es nicht gestorben sehen; sterben will ich

es sehen!

Durch langsame Martern will ich in

seinem Gesichte jede» ähnlichen Zug, den es von

dir hat, sich verstellen, verzerren und verschwtn«

den sehen.

Zch will mit begterlger Hand Glied

von Glied, Ader von Ader,

Nerve von Nerve

lösen, und das kleinste derselben auch da noch nicht aufhören zu schneiden und zu brennen, wenn eS

schon nichts mehr seyn wird, als ein «mpfindungS»

loses Aas.

Zch — ich roetbe, wenigstens dabey

empfinden , wie süß die Rache sey! Mello»

Miß Sara Sampsou.

Ö5

-------- --jMh

Mellefonr.

Marwoov.

Sie rasen, Marwosd--------Du erinnerst mich, daß ich nicht

gegen den rechten rase.

Der Vater muß voran!

Er muß schm in jener Welt seyn, wenn der Geist seiner Tochter unter tausend Seufzern ihm nach­ geht. — (sie gehr mit einem Dolche, den sie aus dem Dü­

sen reißt, auf ihn los.)

Drum stirb, Verräther!

Mellefont. (der ihr in den Arm fallt, und den Dolch enn-eigt)

Unsinniges Weibsbild! —

Was hin.'

dert mich nun, den Stal wider dich zu kehren?

Dach lebe, und deine Strafe müsse einer ehrlosen

Hand aufgehoben seyn! LNarwovO.

(mit gerungenen Handen)

HiiUlmh

was hab'ich gethan? Mellefont--------tnellefcnt.

Geben Sie mir ihn wieder, den

verirrten Stal! geben Sie mir ihn wieder! und

Sie sollen eö gleich sehen, für wen er geschliffen ward.

Für diese Brust allein, die schon laugst

einem Herzen zu enge ist, das eher dem Leben als Zhrer Liebe entsagen will.

Mellefont. marwood.

Hannah! — — Was wollen Sie thun, Mell

lefont?

Achter

Miß Sara Sampson.

64 fo—...... —-

------- sgMfe... = ■ .............~

Achter Auftritt. Hannah (erschrocken.)

Marwood.

Mellefont. Mellcfont.

Hast du es gehört/ Hannah,

welche Furie deine Gebietherinn ist?

Wisse, daß

ich Arabelle» von deinen Händen federn werde. -Hannah.

Ach

Madam, wie

sind

Sie

außer sich!

Mellefont.

Zch will das unschuldige Kind

bald in völlige Sicherheit bringen.

Die Gerecht

tigkeit wird einer so grausamen Mutter die mördrie schm Hände schon zu binden wissen. (er will -eben.)

Marwood.

Wohin, Mellefont? Ist es zu

verwundern, daß die Heftigkeit meines Schmer,

zes mich des Verstandes nicht mächtig ließ?

Wer

bringt mich zu so unnatürlichen Ausschweifungen?

Sind Sie es nicht selbst? rer seyn, als bey mir?

Wo kann Della sichre

Mein Mund tobet wider

sie, und mein Herz bleibt doch immer da« Herz einer Mutter.

Ach, Meüefont! vergessen Sle

«rin,

Miß Sara Sampson.

6$

meine Raserey , und denken, zu ihrer Entschuldig gung, nur an die Ursache derselben.

Mellefont.

Es ist nur Ein Mittel, welche-

mich bewegen kann, sie zu vergessen. Marwood. Mellefont.

Welches? Wenn Sie den Augenblick nach

London zurückkehren.

Arabellen will ich in einer

andern Begleitung wieder dahin bringen lassen.

Sie müssen durchaus ferner mit ihr nichts zu

thun haben. Marwood.

Gut, ich lasse mir alles gefall

ken; aber eine einzige Bitte gewähren Sie mir noch.

Lassen Sie mich Ihre Sara wenigstens

einmal sehen. Mellefont.

Und wozu?

Marwood.

Um in ihren Blicken mein qan»

zeS künftiges Schicksal zn lesen.

Zch will selbst

urtheilen, ob sie einer Untreue, wie Sie an mir begehen, würdig ist;

uhD

ob ich Hoffnung haben

kann, wenigstens einmal einen Amheil an Ihrer Liebe wieder zu bekommen. Mellefonr.

Nichtige Hoffnung!

Tranerspiele.

E

Miß Sara Sampso«.

66

Marwood.

Wer ist so grausam, daß er einer

Eienden auch nicht einmal die Hoffnung gönnen

wollte?

Ich will mich lhr nicht als Marwood,

sonder» als eine Anverwandte von Ihnen zeigen. Melden Sie mich bey ihr als eine solche; Sie fob

len bey meinem Besuche zugegen seyn, und ich verspreche Ihnen, bey allem was heilig ist, ihr

nicht das geringste anstößige zu sagen.

Schlagen

Sie mir meine Bitte nicht ab; denn sonst möcht«

ich vielleicht alles anwenden, in meiner wahren Gestalt vor ihr zu erscheinen.

Mellefont.

Diese Ditte, Marwood,

ssattete ihm , wegen einer Verbindlichkeit, die ich gegen ihn zu haben glaubte, einen allzufreyen Zu­ tritt in meinem Hause. Es war natürlich, daß ihm die dankbare Aufmerksamkeit, die ich für ihn bezeigte, auch die Achtung meiner Tochter zuziehen mußte. Und es war eben so siatürlich, daß sich ein Mensch von seiner Denkungsart durch diese Achtung verleiten ließ, sie zu etwas höherm zu treiben. Er hatte Geschicklichkeit genug gehabt, sie in Liebe zu verwandeln, ehe ich noch das ge­ ringste merkte, und ehe ich noch Zeit hatte, mich nach seiner übrigen Lebensart zu erkmidtgen. Das Unglück war geschehen, und ich hätte wohl gethan, wenn ich ihnen nur gleich alles vergeben hätte. Ich wollte unerbittlich gegen ihn seyn, und über­ legte nicht, daß ich es gegen ihn nicht allein seyn könnte. Wenn ich meine zu späte Strenge erspart hätte, so würde ich wenigstens ihre Flucht ver­ hindert haben. —- Da bin ich nun, Wattwelll Ich muß sie selbst znrückholen, und mich noch glück­ lich schätzen, wenn ich aus dem Verführer nur mei­ nen Sohn mache«» kann. Denn wer weiß, ob er seine MarwoodS und seine übrigen Kreaturen eines E3 Mäd-

Miß Sara Sampson.

7er

Mädchens wegen wird aufgeben wollen, da« seinen Begierden nicht« mehr zu verlangen übrig gelas­ sen hat, und die fesselnden Künste einer Duhlerinn

sy wenig versteht?

Waitwell. Nun, Sir, das ist wohl nicht möglich, daß ein Mensch so gar böse seyn könnte. —■

Sic William. Der Zweifel, Mer Waitwell, macht deiner Tugend Ehre.

Aber warum ist es

gleichwohl wahr, daß sich die Gränzen der mensch­ lichen Bosheit noch viel weiter erstrecken? — Geh

nur jetzt und thue waö ich dir gesagt habe.

Gieb

auf alle ihre Mienen Acht, wenn sie meinen Brief lest» wird.

In der kurzen Entfernung von der

Tugend, kann sie die Verstellung noch nicht gelernt

haben, zu deren Larven nur das eingewurzelte L

Mellefont.

Lady Solmes.

Es ist

St«

werden den Namen yon mir schon gehört haben. Sara.

Ich kann mich nicht erinnern,

Mellefont.

Darf ich bitten/daß St« ihre«

Besuch annehmen wollen?

Sara. Bitten, Mellefont? Sie können mir «S ja befehlen. Mellefont.

Was für ein Wort! — Nein,

Sie zu

Miß,

sie soll das Glück nicht haben,

sehen.

Sie wird es bedauern; aber sie muß es

sich gefallen laßen.

Miß Sara hat ihre Ursachen,

die ich auch, ohne sie zu wissen, verehre. Sara. Mellefont!

Mein (Sott!

wie schnell sind Sie,

Ich werde die Lady erwarten; und

mich der Ehre ihres Besuchs, so viel möglich, wür­ dig zu erzeigen suchen.

Sind Sie zufrieden ?

Mellefont. Ach, Miß, lassm Sie mich mei­

nen Ehrgeiz gestehen.

Ich möchte gern gegen di«

ganze Welt mit Ihnen pralcn.

Und wenn ich auf

den Besitz einer solchen Person nicht eitel wäre,

si> würde ich mir selbst vorwerfen,

E $

daß ich beit Werth

74

Miß

Sara

Sampson.

H— ----

... ............ ; —H,

Werth derselben nicht zu schätzen wüßte.

Zch gehe,

und bringe die Lady sogleich zu Ahnen.

(gehrt ah.) Sara. >»»> Wenn es nur keine von den

stolzen Weibern ist,

die voll von ihrer Tugend,

über alle Schwachheiten erhaben zu seyn glauben. Sie machen uns mit einem einzigen verächtlichen Blicke den Proceß, und ein zweydeütiges Achstlzucken ist das ganze Mitleiden, das wir ihnen zu verdienen scheinen.

Dritter Auftritt. W a i t w e ll.

Sara.

Betty, (zwischen der Scene.) Nur hier herein,

wenn Er selbst mit ihr sprechen muß. Sara,

(die cito umgeb-)

Wer muß selbst mit

mir sprechen? — Wen seh' lch? Zst es möglich? Waitwell, dich?

Wairwell.

Was für ein glücklicher Mann

bin ich, daß ich endlich unsere Miß Sara wie­ der fthe!

Sara. Gott!

was bringst du? Ich hör' es

schon, ich hör' es schon, du bringst mir die Nach­

richt

Miß

Sara

Sampson.

75

------- - . richt von dem Tode meines Darer«! Er ist hin, der vortrefflichste Mann, der beste Vater! Er ist

hin, und ich, ich bin die Elende, die feinen Tod beschleuniget hat.

Waitwell. Ach! Miß — — Sara. Sage mir, geschwind sage mir,

die letzten Augenblicke

daß

seines Lebens ihm durch

mein Andenken nicht schwerer wurden;

daß er

mich vergessen hatte; daß er eben so ruhig starb

als er sich sonst in meinen Armen zu sterben ver, sprach;

daß er sich meiner auch nicht einmal In

seinem letzten Gebete erinnerte--------Wairwell. Hören Sie doch auf, sich mit so falschen Vorstellungen zu plagen! Er lebt ja noch, ihr Vater; er lebt ja noch, der rechtschaffne Sir

William. Sara. Lebt er noch? Ist es wahr,

lebt er

noch? O! daß er noch lange leben, und glücklich leben möge! O! daß ihm Gott die Hälfte meiner

Jahre zulegen wolle!

Die Halste? — Ich Un­

dankbare, wenn ich ihm nicht mit allen, so viel mir

deren bestimmt sind, auch nur einige Augenblicke zu erkaufen bereit bin! Aber nun sage mir wenig­ stens

Miß Sara Sampfon»

76

Hs—---------------MS

g=— = «e»

stene, Waitwell, daß es ihm nicht hart fällt, ohne mich zu leben; daß es ihm leicht geworden ist, eine Tochter aufzugebe», die ihre Tugend so leicht auf­

geben können;

daß ihn meine Flucht erzürnet^

aber nicht gekränkt hat; daß er mich verwünschet,

aber nicht bedauert. Waitwell. Ach, Sir William ist noch immer der zärtliche Vater, so wie sein Sarchen noch

immer die zärtliche Tochter ist, die sie beide geweftn sind. Sara. Was sagst du 7

Du bist ein Bote des

Unglücks, des schrecklichsten Unglücks unter allen, die mir meine feindselige Einbildung jemals vor-

gcstellet hat! Er ist noch der zärtliche Barer? Widersprich mir doch, Waitwell! Aufs höchste hat er einige leichte Regungen de« Bluts für mich ge#

fühlet; einige von den geschwind überhin gehen­

den Regttngen, welche die kleinste Anstrengung der Vernunft besänftiget.

kommen lassen.

Zu Thränen hat er e« nicht

Nicht wahr, Waitwell, zu Thrä­

nen hak er e< nicht kommen lassen? Waitwell.

Nttdem er sich die Augen wischt)

Sleltt, Miß, dazu hat er es nicht kommen lassen.

Sara. Ach! dein Mund sagt nein; und deine eignen Thränen sagen ja.

Waitwell. Nehmen Sie diesen Brief, Miß;

er

ist von ihm selbst. Sara.

Von wem? von meinem Vater?

an mich? Waitwell. Za, nehmen Sie ihn nur; Sie

werden mehr daraus sehen können, als ich zu sagen

vermag.

Er hätte einem andern, als mir, diese«

Geschäfte auftragen sollen.

Zch versprach mir

Freude davon; aber Sie verwandeln mir diese Freude in Betrübniß.

Sara.

Miß Sara © ampfort.

73

Sara.

Gieb nur,

ehrlicher Wailmell! —

Doch nein, ich will ihn nicht eher nehmen, als bis

du mir sagst, was ungefähr darinn enthalten ist. Waitwell. Was kann darinn enthalten seyn? Liebe und Vergebung.

Sara. Liebe? Vergebung?

waitwell. Und vielleicht ein aufrichtiges Be, dauern, daß er die Rechte der väterlichen Gewalt gegen ein Kind brauchen wollen, für welches nur

die Vorrechte der väterlichen Huld sind.

Sara.

So behalte nur deinen grausamen

Brief!

Waitwell. Grausamen? fürchten Sie nichts; Sie erhalten völlige Freyheit über Zhr Herz und Ihre Hand.

Sara. Und daö ist es eben, was ich fürchte. Einen Vater, wie ihn, zu betrüben:

ich noch den Muth gehabt.

dazu habe

Allein ihn durch eben

diese Betrübniß, ihn durch seine Liebe, der ich ent/

sagt, dahin gebracht zu sehen, daß er sich alles ge, fallen läßt, wozu mich eine unglückliche Leidenschaft verleitet: das Waitwell, das würde ich nicht aus, stehen.

Wenn fein Brief alles enthielte, was ein ai'.fge.

Miß

Sara

Sainpson.

79

H-__ =======BS^=^^^fe ----------aufgebrachter Vater, in solchem Falle heftiges mid

hartes vorbringen kann, so würde ich ihn zwar mit

Schaudern lesen, können.

aber ich würde ihn doch lese»

Zch würde gegen seinen Zorn noch eine»

Schalten von Vertheidigung aufzubringen wissen,

um ihn durch diese Vertheidigung, wo möglich,

noch zorniger zu machen.

Meine Beruhigung

wäre alsdann diese, daß bey einem gewaltsamen

Zorne kein wehmütiger Gran» Raum habet» könne, und daß sich jener endlich glücklich in eine bittere

Verachtung gegen mich verwandeln werde.

Wen

man aber verachtet, um den bekümmert man sich

nicht mehr.

Mein Vater wäre wieder ruhig, und

ich dürfte mir nicht vorwcrfe», ihn auf immer uik

glücklich gemacht zu haben. Waitwell. Ach! Miß, Sie werden sich die,

sen Vorwurf noch weniger machen dürfen, ivenn Sie jehr seine Liebe wieder ergreifen, die ja alles

vergessen will. Sara.

Du irrst dich, Waitwell. Sein sehw

licheS Verlangen nach mir, verführt ihn vielleicht,

tu allem ja zu sagen.

Kaum aber ivürde dieses

Verlangen ein wenig beruhiget seyn, so würde er sich.

8q

Miß Sara Sampson.

sich, seiner Schwäche wegen, vor sich selbst schä­ men.

Ein finsterer Unwille würde sich seiner be»

meistern, und er würde mich nie ansehen können,

ohne mich heimlich anzuklagen, wie viel ich ihm abzutrvtzen mich unterstanden habe.

Za, wenn

es in meinem Vermögen stünde, ihm bey der äusi

fersten Gewalt, die er sich meinetwegen anthut, das bitterste zu ersparen;

wenn in dem Augem

blicke, da er mir alles erlauben wollte,

ich ihm

alles ausopfern könnte: so wäre es ganz etwa« anders.

Zch wollte den Brief mit Vergnügen

von deinen Händen nehmen, die Stärke der vätere lichen Liebe darinn bewundern,

und ohne sie zu

Mißbrauchen, mich als eine reuende und gehör/ same Tochter zu seinen Füßen werfen.

Aber kann

ich dar? Zch würde cs thun müssen, was er mir erlaubte, ohne mich daran zu kehren, wie theuer

ihm diese Erlaubniß zu stehen komme.

Und wenn

ich dann am vergnügcesteir darüber seyn wollte, würde es mir plötzlich einsallen, daß er mein Der« gnügen äußerlich nur zu theile» scheine,

und in

sich selbst vielleicht seufze; kurz, daß er mich mit

(«Entsagung seimr

eignen Glückseligkeit glücklich

Miß Sara Sampson.

8i

,

=O

., ...Mh*

gemacht habe —

.. -______

Und es auf diese Art zu stylt

wünschen, trauest du mir das wvhl zu, Wastwell? Waicwell. Gewiß ich weiß nicht, was ich hier­

auf antworten soll. Sara.

Dringe

Es ist nichts darauf zu antworten.

deinen Brief also

nur

wieder zurück.

Wenn mein Vater durch mich unglücklich seyn

muß;

so will ich selbst auch unglücklich bleiben.

Ganz allein ohne ihn unglücklich zu seyn, das ist

es, was ich jetzt stündlich von dem Himmel bitte; glücklich aber ohne ihn ganz allein zu seyn, Lavyn

will ich durchaus nichts wissen. Waitwell. (erwas bey Sei») Ich glaube wahr­

haftig, ich werde das gute Kind hintergehen müst feil, damit es den Brief doch nur liefet.

Sara.

Wae sprichst du da für dich?

Waitwell.

Ick) sage mir selbst, daß ich einen

sehr ungeschicktenÄnfall gehabt hätte, Sie, Miß, zur Lesung des Brieses desto geschwinder zu vermögen, Sara.

Wie so?

Waitwell.

Zch konnte so weit nicht denken.

Sie überlegen freylich alles genauer, als es unser einer kann.

Zch wollte Sie nicht erschrecken; der

Trauerspiele.

F

Brief

82

Miß Sara Sampson.

Hs—--------------»SS

: g-- — s

Brief ist vielleicht nur allzu hart; und wenn ich gesagt habe, daß nichts al« Liebe und Vergebung dartnn enthalten sey, so hätte ich sagen sollen, daß ich nichts als dieses darinn enthalten zu seyn wünschte. Sara. Ist das wahr? — Nun so gieb mir ihn her. Ich will ihn lesen. Wenn man den Zom eines Vaters unglücklicher Weise verdient hat, so muß man wenigstens gegen diesen väterli» chen Zom so viel Achtung haben, baß er ihn nach allen Gefallen gegen uns auölaffen kann. Zhn zu vereiteln suchen, heißt Beleidigungm mit Ger ungschähung häufen. Zch werde ihn nach aller seiner Stärke empfinden. Du siehst, ich zittr« schon — Aber ich soll auch zittern: und ich will lieber zittem, al« weinen.— cae erreiche de« Brief) Nun ist er erbrochen! Zch bebe — Aber was seh ich? (fit liek-e) »Einzige, geliebteste Tochter! — Ha! du alter Bettieger, ist das die Anrede eines zornigen Vaters? Geh, weiter werde ich nicht lesen----IVar'trvell. Ach, Miß, verzeihen Sie doch einem alten Knechte. Za gewiß, ich glaube ee ist in

8z

Miß Sara Sampson.

in meinem Leben das erstemal, daß ich mit Vorsatz Wer einmal betriegt, Miß, und

betrogen habe.

aus einer so guten Absicht betriegt, der ist ja des­

wegen noch kein alter Detrieger.

nahe,

Miß.

Das geht mir

Zch weiß wohl, die gute Absicht

entschuldigt nicht immer; aber was konnte ich beim

thun? Eitlem so guten Vater seinen Dries unge­ lesen wieder zu bringen? Das kann ich nimmer­ mehr.

Eher will ich gehen, so weit mich meine

alten Beine tragen, und ihm nie wieder vor die

Augen kommen.

Sara.

Wie? auch du willst ihn verlassen?

XVaitwell.

Werde ich denn »licht muffen,

wenn Sie den Dries nicht lesen? Lesen Sie ihn

doch immer.

Lassen Sie doch immer den ersten

vorsch.lichen Betrug, den ich mir vorzuwekfen habe, nicht ohne gute Wirkung bleiben.

Sie werden

ihn desto eher vergessn, und ich werde mir ihn desto eher vergeben sonnen, einfältiger Mann,

Ich bin ein gemeiner

der Ihnen Ihre Ursachen,

warum Sie den Brief nicht lesen können,

wollen, freylich so muß gelten lassn.

ober

Ob sie wahr

sind, weiß ich nicht; aber so recht natürlich scheiF r

non

Miß Sara Sampson.

84

nen sie mir wenigstens nicht.

Zch dächte nun so.

Miß: ein Vater, dächte ich, ist doch immer ein

Vater; und ein Kind kann wohl einmal fehlen, es bleibt deswegen doch ein gutes Kind. der Vater den Fehler verzeiht,

Wenn

so kann ja dar

Klnd sich wohl wieder so aufführen, daß er auch

gar nldit mehr daran denken darf. nett sich denn gern an etwas,

Und wer etin#

wovon er lieber

es wäre gar nicht geschehen?

wünscht,

Es ist,

Miß, als ob Sie nur immer an Ihren Fehler dächten, und glaubten, es wäre genug, wenn Sie

den in Ihrer Einbildung vergrößerten, und sich selbst mit solchen vergrössrren Vorstellungen mar­

terten.

Aber ich sollte meynen, Sie müßten auch

daran denken, wie Sie das, was geschehen ist,

wieder gut machten.

Und wie wollen Sie es

denn wieder gut machen, wenn Sie sich selbst alle Gelegenheit dazu benehmen?

Kann es Ihnen

denn sauer werden, den andern Schritt zu thun, wenn so ein lieber Vater schon den ersten ge­ than har?

Gar».

Was für Schwerdter gehen aus dei­

nem einfältigen Munde in mein Herz! — Eben

Miß Sara Sampson. H-

85

------------

da« kann ich nichr aushallen, daß er den ersten

Schrill thun muß.

Und was willst du denn?

Thut er denn nur den ersten Schritt? Er muß sie alle thun:

ich kann ihm feinen entgegen thun.

So weit ich mich von ihm entfernet, so weit muß

er sich zu mir herablassen.

Wenn er mir vergiebt,

so muß er mein ganzes Verbrechen vergeben, und sich noch dazu gefallen lassen, die folgen desselben

vor seinen Augen sorrdauern zu sehm.

Ist das

von einem Vater z>« verlangen? waitwell.

Zch weiß nicht. Miß, ob ich die­

ses so recht verstehe. len sagen,

Aber mich deucht, Sie wol­

er müsse Ihnen gar zu viel vergeben,

und weil ihm das nicht anders, als sehr sauer wer­

den könne, so machten Sie sich ein Gewissen, seine

Vergebung anzunehmen.

Wenn Sie das m-ynen,

so sagen Sie mir doch, ist denn nicht das Verge­

ben für ein gutes Herz ein Vergnügen? Zch bin

in meinem Leben so glücklich nicht gewesen, daß ich diese« Vergnügen oft empfunden Hütte.

Aber der

wenigen Male, die ich e« empfunden habe, erin,

nere ich mich noch immer gern.

Zch fühlte so

etwas sanftes, so envaö beruhigendes,

F 3

so etwas

himmlt-

86

Miß Sara Sampson.

himmlisches dabey, daß ich mich nicht entbrechen konnte, an die große unüberschwengliche Seligkeit

Gottes zu denken, dessen ganze Erhaltungen der

elenden Menschen ein immerwährendes Vergeben ist.

Ich wünschte mir, alle Augenblicke verzeihen

zu können, und schämte mich, daß lch nur solche Kleinigkeiten zu verzeihen hatte.

Recht schmerz«

hafte Beleidigungen, recht tödliche Kränkungen z« vergeben, sagt' ich zu mir selbst, muß eine Wollust seyn, in der die ganze Seele zerstießt — Und nun.

Miß, wollen Sie denn so eine große Wollust Ihrem Vater nicht gönnen? Gar«.

Ach! —

Rede weiter, Waitwell,

rede weiter! XV-ütwell.

Ich weiß wohl,

eS giebt eine

Art voir Leuten, die nichts ungerner, als Berge«

bung annehmen, und zwar, weil sie keine zu er« zeigen gelernt haben.

Es sind stolze unbtegsame

Leute, die durchaus nicht gestehen wollen, daß sie

unrecht gethan. Sie nicht.

Aber von der Art, Miß, sind

Sie haben das liebreichste und zärt«

lichste Hcrz, daß die beste Ihres Geschlechts nur

haben kann.

Ihren Fehler bekennen Sie auch.

Woran

Miß

Sara

Sampson.

H-

87

------------

Woran liegt es denn nun also noch? —

Doch

verzeihen Sie mir nur, Miß, ich bin ein alter

Plauderer, und hätte es gleich merken sollen, baß

Ihr Weigern nur eine rühmliche Besorgniß, nur eine tugendhafte Schüchternheit sey.

Leute, die

etrre große Wohlrhat gleich, ohne Bedenken, am

nehmen können, sind der Wohlkhat selten würdig.

Die sie am meisten verdienen, haben auch immer

da« meiste Mißttauen gegen sich selbst. da« Mißtrauen nicht

über sei«

Doch muß

Ziel getrieben

werden.

Sara.

Lieber alter Vater, ich glaube du hast

mich überredet.

waitwell.

Ach Gott! wenn ich so glücklich

gewesen bin, so muß mir ein guter Geist haben

reden Helsen.

Aber nein, Miß, meine Reden

haben dabey nichts gethan, als daß sie Ihnen Zeit

gelassen, selbst nachzudenken, und sich von einer so fröhlichen Bestürzung zu erholen. —

nun werden Sie den Brief lesen?

Nicht wahr, O! lesen Sie

ihn doch gleich!

Sara.

Ich will es thun, Waitwell. — Wel­

che Bisse, welche Schmerzen werde ich fühle»! F 4

waitwell.

Miß Sara Sampsott.

88

Wai'twell.

Schmerzen,

Miß, aber ange­

nehme Schmerzen. Sey still!

---- ....................................

Marwood.

Ich kann es für die, denen an

meiner Gegenwart in London gelegen ist, nicht genug seyn. Sara. Sie werden doch heute nicht Wiede« ausbrechen 1

Marrvootz.

Morgen mit dem frühsten.

Mellefonr. Morgen mit dem frühsten, Lady?

Zch glaubte, noch heute. Sara. Unsere Bekanntschaft, Lady, fängt fich sehr im Vorbeygehn an.

Ich schmeichle mir.

In Zukunft eine« nähern Umgangs mit Ihnen gewürdtget zu werden. Marwoos. Zch bitte um Ihre Freundschaft, MißMellefont.

Ich stehe Ihnen dafür, liebste

Sara, daß diese Bitte der Lady aufrichtig ist: ob ich Ihnen gleich voraussagen muß, daß Sie ein«

ander ohne Zweifel lauge nicht Wiedersehen werden. Lady, wird sich mit uns sehr selten an einem Orte aufhaiten können--Marwoov.

Sara.

(beySeite)

Wieseln!

Mellefont, da« heißt mir eine sehr

angenehme Hoffnung rauben,

Mao

i2ö

Miß

Sara

Sampion

: g-- — s

Hs—---------------MS

r--»

Ich werde am meisten dabey

Marwood.

verlieren, glückliche Miß. Mellefonk.

Abcc in der That, Lady, wollen

Sie erst morgen früh wieder fort? Vielleicht auch eher, coey

marwood.

Es will noch niemand kommen?

Mellefont.

Auch wir wollen »ms nicht lange

mehr hier aufhalten.

Nicht wahr, liebste Miß,

es wird gut seyn, wenn wir unserer Antwort ung«

säumt Nachfolgen? Sir William kann unsere Till ftrtigkeit nicht übel nehmen.

Siebentek Auftritt. Betty. Mellefonk. Sara. Marwood.

Mellefont.

Betty.

Was willst du, Benyi?

Man verlangt Sie unverzüglich 'zu

tzrcchen.

marwood.

cgQffxX'M—.

.....



Aber mit einem freudigem Gesichte, will ich wün­ schen! Sie vermuthen ohne Zweifel eine unange, nehme Nachricht. Lassen Sie sich nicht« anfechr ten; ich bin begieriger, zu sehen, ob Sie allen Fall« auf eine gute Art mich einer Erbschaft vor­ ziehen können, als ich begierig bin, Sie in dem Besitze derselben zu wissen. — — Mellefond. Zch gehorche, cwarnen») Lady, ich bin ganz gewiß den Augenblick wieder hier! tgcbr ad)

ManvvoV. cbe» Seite) Glücklich!

Achter Auftritt. Sara.

Marwood.

Sara. Mein guter Mellefont sagt seine Höft lichkeiten manchmal mit einem ganz falschen Tone. Finden Sie eS nicht auch Lady? —— Marwoov. Ohne Zweifel bin ich seiner Art schon allzugewohnt, als daß ich so etwas bemer­ ken könnte.

Sara. Wollen sich Lady nicht setzen?

Mar,

Miß Sara Sampson. __ -____ L-L.

129

------ - . -U>

Wenn Sie befehlen Miß —

MarwooS.

(bey Seite, indem sie sich »etzen)

Ich muß diesen Au-

genblick nicht ungebraucht vorbeystreichen lassen.

Sara.

Sagen Sie mir, Lady, werde ich

nicht daS glücklichste Frauenzimmer mit Meinem Mellefont werden?

Wenn sich Mellefont in sein

Marwsod.

Glück zu finden weiß, so wird ihn Miß Sara zu der

beneidenswürdigsten

Mannsperson

machen.

Aber--------Sara.

Ein Aber, und eine so tiachdenkltche

Pause, Lady---------

Marwüod. Sara.

Ich bin offenherzig, Miß ——

Und dadurch unendlich schätzbarer —

Marwood.

Offenherzig — nicht selten bis

zur Unbedachtsamkeit. weis davon.

Sara.

Mein Aber ist der Be­

Ein sehr unbedächkiges Aber! Ich glaube nicht,

daß mich Lady

durch diese Ausweichung noch unruhiger machen

wollen.

Es mag wohl eine grausame Barmherzig­

keit seyn, ein Uebel- das man zeigen könnte, nur

argwohnen ju lassen.

Lrauerspiele.

3

War-

130

Miß Sara Sanrpson.

Marwood.

Nicht doch, Miß; Sie denken

bey meinem Aber viel zu viel.

Mellefont ist mein

Knverroanbtev------------Desto wichtiger wird die geringste

Sara.

Einwendung, die Sie wider ihn zu machen haben. Marwood. Aber wenn Mellefonr auch mein

Bruder wäre, so muß ich Ihnen doch sagen, daß ich mich ohne Bedenken einer Person meine- Gr,

schlecht- gegen ihn annehmen würde, wenn ich be, merkte,

daß er nicht rechtschaffen genug an ihr

handle.

Mr Frauenzimmer sollten billig jede De,

letbigung, die einer einzigen von uns erwiesen wird, zu Beleidigungen des ganzen Geschlechts und zu tU

net allgemeinen Sache machen, an der auch die Schwester und Mutter des Schuldigen, Antheil

zu nehmen, sich nicht bedenken müßten. Sara.

Diese Anmerkung---------—

Marwood.

Ist schon dann und wann in

zweifelhaften Fällen meine Richtschnur gewesen. Sara.

Und verspricht mir — Ich zittere —>

Marwood. wollen —

Lassen

Nein, Miß; wenn Sie zittern Sie un- von etwa» anderln

sprechen---------

Säen.

Miß Sara Sampson.

rzr

-----------Sara.

Grausame Lady!

Marwood.

kannt werde.

Es thut mir leid, daß ich ver­

Zch wenigstens, wenn ich mich in

Gedanken an Miß Sampsons Stelle setze, würde

jede nähere Nachricht, die man mir von demjeni­

gen geben wollte, mit dessen Schicksale ich das mei­ nige auf ewig zu verbinden bereit wäre, als «ine

Wohlkhat ansehen. Sara.

Was wollen Sie, Lady? Kenne ich

meinen Mellefont nicht schon? Glauben Sie mir,

ich kenne ihn, wie meine eigne Seele.

Ich weiß,

daß er mich liebt--------Marwoov.

Und andre — —

Geliebt hat.

Auch das weiß ich.

Hat er mich lieben sollen,

ehe er von mir etwas

Sara.

wußte?

Kann ich die einzige zu seyn verlangen,

die für ihn Netze genug gehabt hat? Muß ich

mir cs nicht selbst gestehen, daß ich mich, ihm zu gefallen, bestrebt habe? Ist er nicht liebenswür­

dig genug,

baß er bey mehrer» dieses Bestreben

hat erwecken müssen? Und ist es nicht natürlich, wenn mancher dieses Bestreben gelungen ist?

5 a

Map

iz2

Miß Sara Sampfon.

Marwoov.

Sie vertheidigen ihn mit eben

der Hitze und fast mit eben den Gründen, mit welchen ich ihn schon oft vertheidiget habe.

ES

ist kein Verbrechen, geliebet haben; noch viel roex Niger ist es eines, geliebet worden seyn.

Aber dit

Flatterhaftigkeit ist ein Verbrechern

Sara.

Nicht immer; denn oft, glaube ich/

wird sie durch die Gegenstände der Liebe entschuldig

get, die es immer zu bleiben, selten verdienen. Marwood.

Miß Sampsons Sittenlehrt

scheinet nicht die strengste zu seyn. Sara.

Es ist wahr; die, nach der ich dlejex

nigen zu richten pflege, welche es selbst gestehen,

daß sie auf Irrwege gegangen sind, ist die strengste nicht.

Sie muß es auch «richt seyn.

Denn hier

kömmt es nicht darauf an, die Schranken zu bex stimmen, die uns die Tugend bey der Liebe setzt; sondern bloß darauf, die menschliche Schwachheit zu entschuldige«»,

wenn sie in diesen Schranken

nicht geblieben ist, und die daraus entstehenden

Folgen nach den Regeln der Klugheit zu beuttheix len.

Wenn zum Exempel,

ein Mellefont eine

Marwood liebt, und sie endlich verläßt: so ist diex

scS

Miß Sara Sampson. H-

133

------------

seö Verlassen, in Vergleichung mit der Liehe selbst,

etwa« sehr gute«.

Es wäre ein Unglück, wenn er

eine Lasterhafte deßwegen, weil er sie einmal ge
du kennst ihn ja.

philoras.

Ich kenne ihn. Er verspricht alles,

was sein Vater geleistet hat.

parmenio.

Aber wüßte ich, daß sich der

junge Wildfang nicht in allen Augenblicken, die

ihm der Dienst frey läßt, nach seinem Vater sehnte, und sich nicht so nach ihm sehnte, wie sich ein Lamm nach seiner Mutter sehnet: so möchte ich ihn gleich — siehst du! — nicht erzeugt haben.

Itzt

muß er mich noch mehr lieben, als ehren. Mit dem

Ehren werde ich mich so Zeit Zenug müssen begnü­

gen lassen; wenn nehmlich die Natur den Sttom seiner Zärtlichkeit einen andern Weg leitet; wenn

er

Phllotas



H—

21 I

——-

er selbst Vater wird. —

..........

Werde nicht unge­

halten, Prinz. philoräs.

Wer kann auf dich

ungehalten

werden?— Du hast Recht! Sage meinem Va­ ter alles, was du glaubest, das ihm ei» zärtlicher Sohn bey dieser Gelegenheit muß sagen lassen.

Entschuldige meine jugendliche Unbedachtsamkeit,

die ihn und sein Reich fast ins Verderben gestürzt hätte.

Ditte ihn, mir meinen Fehler zu vergeben.

Versichere ihn, daß ich ihn nie durch einen ähnlichen

Fehler wieder daran erinnern will;

daß ich alles

thun will, damit er ihn auch vergessen kann.

Be­

schwöre ihn —

parmenio.

Laß

mich

nur machen!

So

etwas können wir Soldaten recht gut sagen. —

Und besser als ein gelehrter Swaher; denn wir

Laß mich nur ma­

sagen es treuherziger. —

chen ! Zch weiß schon alles. —.

Lebe wohl, Prinz;

ich eile —

philsras.

Verzieh!

O i

parme-

Philotas.

Sir

: g-- — s

H--—---------------MS parmenio.

Nun? —

r--»

Und welch seycrli«

cheS Ansehen giebst du dir auf einmal? pbiloMs.

Der Sohn hat dich abgefertigek,

aber noch nicht der Prinz. — len ; dieser muß überlegen.

Jener mußte füh­ Wie gern wollte der

Sohn gleich itzt, wie gern wollte er noch eher,

als möglich, wieder um seinen Vater, um seinen geliebten Vater seyn; aber der Prinz — der Prinz kann nicht. —

parmenio.

Höre! Der Prinz kann nicht?

philotas. Und will nicht. parmenio. Philoras. Parmemo.

philoras. erstaunen.

Will nicht?

Höre! Zch erstaune — —

Zch sage, du sollst hören, und nicht

Höre!

Parmemo.

Zch erstaune,

weil ich

höre.

Es hat geblitzt, und ich erwarte den Schlag. =Rede! —

Aber, junger Prinz,

keine zweyte

Uedereilung! —

Philo.

Philotas.

2iz

H-

-----------Aber,

philoeas.

telh! —

Soldat,

kein Vernüns-

Höre! 'Ich habe meine Ursachen, nicht

eher ausgelöftt zu seyn, als morgen.

als morgen!

Hörst du? —

Nicht eher

Sage also unserm

Könige, daß er sich an die Eilfertigkeit des fcindli-

chen Herolds nicht kehre.

Eine gewisse Bedenk­

lichkeit , ein gewisser Anschlag nöthige den Philo«

taS zu dieser Verzögerung. —

Hast du mich

verstanden?

parmenio. philotao. parmenio.

Nein!

Nicht?

VerrLther! —

Sachte, Prinz! Eln Papagey

versteht nicht, aber er behält, was man ihm vor­

sagt.

Sey unbesorgt.

Zch will deinem Vater

alles wieder herplappern, was ich von dir höre,

phlloras.

Ha! ich untersagte dir,

nünfteln, und d«S verdreußt dich.

denn du so verwöhnt?

zu ver­

Aber wie bist

Haben dir alle deine Be­

fehlshaber Gründe gesagt? —

O r

Par,

P hilotas.

3i4

•£=?===—== -7^ parmento.

Alle,

Prinz;

ausgenommen

die jungen.

philctcrs.

Vortrefflich!

Parmenio, wenn

ich so empfindlich wäre, als du--------

parmcm'o. Und doch kann nur derjenige mei­ nen blinden Gehorsam heischen,

dem die Erfah­

rung doppelte Augen gegeben.

philc rav.

Bald werde ich dich also um Ver­

zeihung bitten müssen. —

Nun wohl,

dich um Verzeihung, Parmenio.

ich bitte

Murre nicht,

Alter! Sey wieder gut, alter Vater! — Du bist

freylich klüger, als ich.

Aber nicht die Klügsten

allein, haben die besten Einfälle.

Gute Einfälle

sind Geschenks des Glückes; und das Glück, weißt du wohl, beschenkt den Züngling oft lieber, als

den Greis.

Denn das Glück ist blind.

Blind,

Parmenio; stockblind gegen alles Verdienst. Wenn

es das nicht wäre, müßtest du nicht schon lange Feldherr seyn?

p wissen.

Genug, ich weiß, daß du es willst.

ich will alles, was du willst.

0 5

Und

Willst du sonst

Nicht.- ?

Phrlotas.

21 8

__ ................................................... ......au—t.» nicht«? Soll Ich sonst nichts thun? Soll ich für dich durchs Feuer rennen? Mich für dich echt

Felsen herab stürzen? Befiehl nur, mein lieber

kleiner Freund, befiehl! Ztzt thu ich dir alles! So gar — sage ein Wort,

und ich will für dich ein

Verbrechen, ei« Bubenstück begehen! Die Haut

schaudert mir zwar; aber doch Prinz, wenn du

willst, ich will, ich will >— philora».

O du —

O mein bester, feuriger Freund!

wie soll ich dich nennen? — du Schö-

pser meines künftigen Ruhmes:

Dir schwöre ich

bey allem, was mir am heiligsten ist, bey der Ehre

meines Vaters, bey dem Glücke seiner Waffen, bey der Wohlfahrt seines Landes, schwöre ich dir,

nie in meinem Leben diese deine Bereitwilligkeit, deinen Eifer zu vergessen! Möchte ich ihn auch

würdig genug belohnen können! — Höret, ihr

Götter, meine» Schwur! —

Und nun Panne-

nie, schwöre auch du! Schwöremir, dein Wort

treulich zu halten. —> Parme,

Philotas. fo—......

S19 .......■ ■■r»3fr

parmenio.

Ich schwören? Ich bin zu alt

zum schwören. philotas.

Und ich bin zu jung,

Schwur zu trauen.

dir ohne

Schwöre mir i Ich habe dir

bey meinem Vater geschworen, schwöre du mir bey deinem Sohne.

Du liebst ihn doch, deinen

Sohn? Du liebst ihn doch recht herzlich? parmenio.

So herzlich, wie dich! —

willst es, und ich schwire.

Du

Ich schwöre dlr, bey

meinem einzigen Sohne, bey meinem Blute, das in seinen Adern wallet, bey dem Blute, da« ich

gern für deinen Vater geblutet, das auch er gern für

dich einst bluten wird,

bey diesem Blute

schwöre ich dir, mein Wort zu halten! Und wenn ich es nicht halte, so falle mein Sohn in seiner er, (len Schlacht, und erlebe sie nicht, die gloreichen

Tage deiner Negierung! — Höret, ihr Götter,

meinen Schwur —• philoras. ter! —

Höret ihn noch nicht,

ihr Git,

Du hast mich zum besten, Alter.

Zn der

Phrlvias. ft—

■—

,



., es.

der ersten Schlacht fallen; meine Regierung nicht

erleben: ist das ein Unglück? Ist früh sterben ein

Unglück? Pfttmenio.

Das sag ich nicht.

Doch nur

deswegen, um dich auf dem Throne zu sehen, um dir zu dienen, möchte ich — was ich sonst durch,

aus nicht möchte — noch einmal jung werden —Dein Vater ist gut; aber du wirst besser, als er. philota«.

Kein Lob zum Nachtheile meines Aendere deinen Schwur! Komm,

Vaters! —

ändere ihn so: Wenn du dein Wort nicht hältst,

so möge deln Schn ein Feiger, ein Ntchtswür« diger werden,

er möge,

wenn er zwischen Tod

und Schande zu wählen hat, die Schande wäh-

len;

er möge neunzig Jahr ein Spott der Wei­

ber leben,

und noch im neunzigsten Jahre un­

gern sterben. pacmemo. Ich entsetze mich — doch schwöre

ich: da« mög er! —

Höret den gräßlichsten der

Schwüre, ihr Götter!

philo-

phileras.

Philvtas.

221

Höret ihn! —

Nun gut, nun

kannst du gehen, Parmenlo.

Wir haben rinan#

der lange genug aufgehalten, und fast zu viel Um# stände über eine Kleinigkeit gemacht.

Denn ist

es nicht eine wahre Kleinigkeit meinem Vater zu

sagen,' ihn zu überreden, daß er mich nicht eher als morgen auswechcke,

Und wenn er ja die Ur#

fache wissen will; wohl, so erdenke dir unter We« geö eine Ursache.

parmenio.

Das will ich auch!

Zch habe

zwar, so alt ich geworden bin, noch nie auf eine

Unwahrheit gesonnen. Prinz —

Aber doch, dir zu Liebe,

Laß mich nur; das Böse lernt sich auch

noch im Alter. —

philoras.

Lebe wohl!

Umarme mich! —

Geh!

Sechstet Auftritt, Philotas. Es soll so viele Berrieger in der Welt geben,

und das Bekriegen ist hoch so schwer, wenn eS auch

phileras.

Philvtas.

221

Höret ihn! —

Nun gut, nun

kannst du gehen, Parmenlo.

Wir haben rinan#

der lange genug aufgehalten, und fast zu viel Um# stände über eine Kleinigkeit gemacht.

Denn ist

es nicht eine wahre Kleinigkeit meinem Vater zu

sagen,' ihn zu überreden, daß er mich nicht eher als morgen auswechcke,

Und wenn er ja die Ur#

fache wissen will; wohl, so erdenke dir unter We« geö eine Ursache.

parmenio.

Das will ich auch!

Zch habe

zwar, so alt ich geworden bin, noch nie auf eine

Unwahrheit gesonnen. Prinz —

Aber doch, dir zu Liebe,

Laß mich nur; das Böse lernt sich auch

noch im Alter. —

philoras.

Lebe wohl!

Umarme mich! —

Geh!

Sechstet Auftritt, Philotas. Es soll so viele Berrieger in der Welt geben,

und das Bekriegen ist hoch so schwer, wenn eS auch

22 2

Philotas.

«fr-----------------

-------

auch in der besten Absicht geschieht. —

Habe ich

mich nicht wenden und winden müssen! — Mache

nur, guter Parmenio, daß mich mein Vater erst morgen auelöset, und er soll mich gar nicht auszu-

lösen brauchen. —

Nun habe ich Zeit genug ge­

wonnen ! Zett genug, mich In meinem Vorsatze zu

bestärken — Zeit genug, die sichersten Mittel zu wählen. — ke»? —

Mich in meinem Vorsatze zu bestär­

Wehe mir, wenn ich dessen bedarf! —

Standhaftigkeit des Alters, wenn du mein Theil

nicht bist, o so stehe du mir bey, Hartnäckigkeit des Jünglings! Ja, es bleibt dabey!

es bleibt fest dabey! —>

Ich fühl es, ich werde ruhig, — ich bin ruhig! — Der du itzt da stehest, Philotas —

selbst betrachtet) —

(intern er m

Ha! es muß ein trefflicher,

ein großer Anblick seyn: ein Jüngling gestreckt auf den Boden, das Schwerd in der Brust! — Da« Schwerd? Götter! o ich Elender! ich

Aermster! —

Und itzt erst werde ich es gewahr? Zch

Philotas.

22z

H-__ ' T~—==: Ich habe kein Schwerd; ich habe nichts! Es ward

die Beute des Kriegers, jrer mich gefangen nahm.—

Vielleicht hätte er es mir gelassen, aber Gold war den Heft. —

Unseliges Gold, bist du denn im­

mer das Verderben der Tugend! Kein Schwerd? Ich kein Schwerd? — Git­

ter, barmherzige Gitter, dieß einzige schenket mir!

Mächtige Götter, die ihr Erde und Himmel er­ schaffen, ihr könntet mir kein Schwerd schaffen, — wenn ihr wolltet? —

Was ist nun mein großer,

schimmernder Entschluß?

Ich werde mir selbst ein

bittere« Gelächter — Und da kömmt er auch schon wieder, der Kö­

nig. —

Still! Wenn ich das Kind spielte? —

Dieser Gedanke verspricht etwa«. —

Ja! Viel­

leicht bin ich glücklich —

Sieben-

Philotas.

224

^a~===~. -- — ...... -u> Siebenter Auftritt. Aridäus. Aridans.

Prinz.

Philotas.

Nun sind di« Bothen fort, wein

Sie sind auf de» schnellesten Pferden ab#

gegangen, und das Hauptlager deines Vater« ist

so nahe,

daß wir in wenig Strinden Antwort

erhalte» sinnen. philoras.

Du bist also, König, wohl sehe

ungeduldig, deinen Sohn wieder zu umarmen?

Aridäus.

Wird es dein Vater weniger seyn,

dich wieder an seine Brust zu drücken? — Laß mich aber, liebster Prinz, deine Gesellschaft genießen.

Zn ihr wird mir die Zeit schneller verschwinden; und vielleicht, daß es auch sonst glückliche Folgen

hat, wenn wir uns näher kennen.

Liebenswürdi­

ge Kinder sind schon oft die Mittelspersonen zwi­ schen veruneinigten Vätern gewesen.

Folge mir

also in mein Zelt, wo die besten meiner Befehls, Haber

aas

Philvtas.

H-

-----------

Haber deiner warten.

Sie brennen vor Begierde

dich zu sehen und zu bewundern. pbtlotas.

Männer,

Kind bewundern.

König,

müssen kein

Laß mich also nur immer hier.

Scham und Aergerniß würden mich eine sehr ein«

fällige Person spielen lassen.

Und was deine Un­

terredung mit mir anbelangk — da seh' ich vollends

nicht, was daraus kommen könnt«.

Zch weiß

weiter nichts, al» daß du und mein Vater in Krieg verwickelt sind;

und das Recht —

das

Recht, glaub' ich, ist auf Selten meines Vaters.

Da» glaub' ich, König, und will es nun einmal

glauben — wenn du mir auch das Gegentheil um widersprechltch zeigen könntest.

Zch bin Sohn

und Soldat, und habe weiter keine Einsicht, al» die Einsicht meines Vaters und meines Feldherrn.

Aridäus.

Prinz,

es zeiget einen großen

Verstand, feinen Verstand so zu verleugnen.

Doch

thut es mir leid, daß ich mich also auch vor dir nicht

soll rechtfertigen sönnen. — Unseliger Krieg i — Cntutrfrltl«.

P

Philv»

Phiiotas.

22§ A-

——

----------........................................................

Pbtlotas.

Za

wohl, unseliger Krieg! —

Und wehe seinem Urheber! ArtdLu».

Prinz! Prinz! erinnere dich, daß

dein Vater das Sckwerd zuerst gezogen.

tn deine

Zch mag

Verwünschung nicht einstimmen.

Er

hatte sich übereilt, er war zu argwöhatsch — PbtlotM.

Nun ja;

Schwerd zuerst gezogen.

mein Vater hat da«

Aber entsteht die Feu­

ersbrunst erst dann, wenn die lichte Flamme durch das Dach schlägt? Wo ist das geduldige, gaiilsfe,

unempfiimdliche Geschöpf, das durch unauf örliches Necken nicht zu erbittern wäre? —

denke, —

Be­

denn du zwingst mich mit aller Gewalt

von Dingen zu reden, die mir nicht zukommen — bedenke, welch eine stolze,

verächtliche Antwort

du ihm ertheiltest, als er — Doch du sollst mich nicht zwingen; ich will nicht davon sprechen! Um sere Schuld und Unschuld sind unendlicher Mißdeu­

tungen, unendlicher Beschönigungen fähig.

Nur

dem

Philotas.

H-

227

------------

dem untriealichen Auge der Gitter erscheinen wir,

wie wir sind; nur das kann uns richten.

Die

Götter aber, du weißt es, König, sprechen ihr Urtheil durch das Sckwerd de« Tapfersten.

Laß

uns den blutigen Spruch auehören! Warum wol­

len wir uns kleinmüthig von diesem höchsten Ge­ richte wieder zu den niedrigern wenden? Sind un­

sere Fäuste schon so inüde, daß die geschmeidige

Zunge sie ablöset« müsse? Aridäug.

Prinz,

ich höre dich

mit Er­

staunen —

ph'loras.

Auch ein Weib kann

Ach! —

man nut Erstaunen hören! Aridäus.

Mit Erstaunen, Prinz, und nicht

ohne Jammer! —

Dich hat das Schicksal zur

Krone bestimmt, dich! — Dir will es die Glück­ seligkeit eines ganzen,

mächtigen,

anvertrauen; dir! —

Welch eine schreckliche Zu­

kunft enthüllt sich mir!

edeln Volkes

Du wirst dein Volk mit P 8

Lor-

228

Pl) ilotas. ----- —

.

-> H,

Lorbeer» und mit Elend überhäufen. Du wirst Mehr Siege, al» glückliche Unterthanen -LH« len. — Wobl mir, daß meine Tage in die bei/ nigen nicht reichen werden! Aber wehe meinem Sodne, meinem redlichen Sohne! Du wirst e» ihm schwerlich vergönnen, den Harnisch abzu­ legen — philota». Beruhige den Barer, o König! 2ch werde deinem Sohne weil mehr vergönnen! weit mehr!

Arid««». Wett mehr? Erkläre dich *— Philota». Habe ich ein Räthsel gespro­ chen? — O verlange nicht, König, daß ein Züngling, wie ich, alles mit Bedachte und Ab­ sichten sprechen soll. — Zch wollte nur sagen: Die Frucht ist ost ganz anders, als die Blüthe sie verspricht. Lin weibischer Prinz, hat mich die Geschichte gclehret, ward oft ein kriegerischer Kö­ nig. Könnte mit mir sich nicht boi Gegentheil

iw

329

Philotas. H-

------------

zukraqen? — Oder vielleicht war auch dieses meine Meynung, daß ich noch einen weilen und gefährlichen Weg zum Throne habe. Wer weiß, ob die Götter mich ihn vollend'» lassen? — Und laß mich ihn nicht vollenden, Vater der Göt, ter und Menschen, wenn du in der Zukunft mich als einen Verschwender des Kostbarsten, was du Mir anvertrauet, des Dlmes meiner Unterthanen, flehest! — Aridäus. Za, Prinz; was ist ein König, wenn er kein Vater ist! Was ist ein Held ohn« Menschenliebe! Nun erkenne ick auch diese in dir, und bin wieder ganz dein Freund! — Aber komm, komm; wir müssen hier nicht allein bleiben. Wir flnd einer dem andern zu ernsthaft. Folge mir!

philoras. Verzeih, König — Ariväus. Weigere dich nicht!

pb-lotas. Ss wie ich bin, mich vor vielen sthen zu lassen? — — P 3 Arft

Philotas.

2zo

---------Ariväus.

Worum nicht?

Philoms.

Zch kann nicht,

König;

ich

kann nicht. Ariväus.

Und die Ursache?

Philora».

0 die Ursache! —

Sie würde

dich zum Lachen bewegen.

Ariväus.

ren.

Um so viel lieber laß sie mich f)5
----- -------

Der Rammerd.

345 . .

..

-—fr.

Sie ist gestern in die Stadt

gekommen.

Dee Prinz. ich sagen.

Desto schlimmer — besser; wollt'

So braucht der Läufer um so weniger

zu warten. (Bet »«mmetiientt gebt ab) Meine theure

Gräfinn! ( bitter,

indem er den Brief in die Hand nimmt)

So gut, als gelesen! (und ihn wieder wegwirst.) — Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt!

glaubt man nicht alles? auch wirklich geliebt.

Der Lammerd.

Was

Kann seyn, ich habe sie

Aber — ich habe! (Der nochmals herein tritt)

Der Maler Conti will die Gnade haben — — Der Prinz.

Conti? Recht wohl; laßt ihn

herein kommen. •—

Das wird mir andere Ge­

danken in den Kopf bringen. —

c steht auf )

Zweyter Auftritt.

Conti. Der Prinz.

Der Prinz.

Guten Morgen, Conti.

Wie

leben Sie? Was macht die Kunst?

Conti.

Prinz, die Kunst gehl nach Brodt.

Q 3

Der

^4 6

Emilia Galvtti.

Der Prinz.

Das muß sie nicht; das soll sie

Gebiethe gewiß

nicht, —

in meinem kleinen

»licht. —

Aber der Künstler muß auch arbeiten

wollen. Conti.

Arbeiten? Das ist seine Lust.

Nur

zu viel arbeiten müssen, fatui ihn um den Namen

Künstler bringen. Der Prinz.

Ich meyne nicht vieles; sondern

Sie konw

viel: ein Weniges; aber mit Zleiß. — men doch nicht leer, Conti? Conti.

Ich bringe das Porträt, welches Sle

wir befohlen haben, gnädiger Herr.

Und bringe

noch eines, welches Sie mir nicht befohlen: aber weil cö gesehen zu werden verdient — Der Prinz.

Kann ich mich

Zenes ist? —

doch kaum erinnern —

Conti.

Die Gräfinn Ocsina.

Der Prinz.

Wahr!



Der Auftrag ist

nur ein wenig von lange her. Conti.

Unsere schönen Damen sind nicht alle

Tage zum malen.

Die Gräfinn hat,

seit drey Mo
■>■-

Vronathen,

247

Galotti. .....

..........

.—

gerade Einmal sich entschließen kin»

nen, zu sitzen.

Der Prinr. Conti.

Wo sind die Stücke?

Zn dem Vorzimmer: ich hole sie.

Dritter Auftritt. Der Prinz. Zhr Bild! — mag! — doch nicht selber. —

Ihr Bild, ist sie

Und vielleicht sind' ich in

dem Bilde wieder, was ich in der Person nicht

mehr erblicke. —

finden. —

Zch will es aber nicht wieder­

Der beschwerliche Maler! Zch glaube

gar, sie hat ihn bestochen. —

Wär' ee auch!

Wenn ihr ein anderes Bild, das mit andern Farbcn, auf einen andern Grund gemalet ist, —

in

meinem Herzen wieder Platz machen will: —

Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden. Als ich dort liebte, war ich immer so leicht, so frihlich, so ausgelassen —

Gegentheil.— itchcr

Nun bin ich von allem das

Doch nein; nein, nein! BehLg-

oder nicht behäglicher: ich bin so besser.

0.4

Vier-

Emilia Galotti.

248

: g-- — s

Hs—---------------MS

Vierter Auftritt. Conti,

Der Prinz.

mit den Gemälden, wo#

von er das eine verwandt gegen eine» Stuhl lehnet.

Conti, (indem er das andere zurecht stellet.) Ich

bitte, Prinz, daß Sie die Gränzen unserer Kunst erwägen wollen.

Vieles von dem Anzüglichsten

der Schönheit, liegt ganz außer den Gränzen der»

selben. — Treten Sie so! — Der Prinz (nach einer kurzen Betrachtung.) Vor#

trefflich, Conti; —

ganz vortrefflich! —

gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. —

Da»

Aber ge#

schmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt! Conti.

Das Original schien dieser Meynung

nicht zu seyn.

Auch ist es in der That nicht mehr

geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die Kunst muß malen, wie sich die plastische Natur,—

wenn es eine giebt — das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unver«

weidlich macht;

ohne das Verderb, mit welchem

die Zeit dagegen an kämpfet.

Der

Emilia Galotti.

249

■.....

Dcr Prinz.

Der denkende Künstler ist noch

eins so viel werth. —

Aber das Original, sagen

Sie, fand dem ungeachtet — Conti.

Verzeihen Sie, Prinz.

Das Otb

ginal ist eine Person, die meine Ehrerbietung

fodert.

Ich habe nichts nachlhetltges von ihr

Lußem wollen. Der prinx.

So viel als Ihnen beliebt! —

Und was sagte das Original? Conti.

Ich bin zufrieden, sagte die Gräfinn,

wenn ich nicht häßlicher aussehe.

Der Prinz.

Nicht häßlicher? —

O das

wahre Original!

Conti. Und mit einer Mime sagte sie bas, —

von der freylich dieses ihr Bild keine Spur, kei­ nen Verdacht zeiget.

Der Prinz.

Das meyne ich ja; das ist «s

eben, worinn ich die unendliche Schmetcheley

finde. —

O! ich kenne fie, jene stolze höhnische

Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstel­ len würde! — Ich leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, nicht

selten um ß> viel schöner ist.

Aber, wohl gemerkt,

Q 5

ein

-50

Eirntra Galotti. &

ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Gri­ masse gehen, wie bey dieser Gräfinn.

Und Augen

müssen über den wollüstigen Spötter die Aufsicht

führen, —- Augen, wie sie die gute Gräfinn nun gerade gar nicht hak.

Auch nicht einmal hier im

Bilde hat.

Conti.

Gnädiger Herr, ich bin äußerst her

troffen — Der Prinz.

Und worüber? Alles, wandte

Kunst aus den großen, hervorragenden, fiteren,

starren Mcdulenaugen der Gräfinn gutes machen kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus ge» macht. —

Redlich, fass ich? —

Nicht so red­

lich, wäre redlicher. Dm» sagen Sie selbst, Conti,

läßt sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schließen? Und das sollte doch.

Stolz ha­

ben Sie in Würde, Hohn in Lächeln, Ansah zu

trübsinniger Schwärmerei) in sanfte Schwermuch verwandelt. Conti, cenoas ärgerlich) Ah, mein Prinz, —

wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild den Liebhaber noch eben so warm findet, als warm rr es bestellte.

Wir malen mit Augen der Liebe:

und

Emilia efe.—............. -

251

Galvtti. ---- ---------- -

■■■■—

und Augen der Liebe müßten uns auch nur 6e* urtheilen.

Der Prinz.

Za nun, Conti; —>

warum

kamen Sie nicht einen Monath früher damit? — Setzen Sie weg. — Was ist das andere Stück? (Conti (intern er es hott, und noch verkehrt in Oer

Hand hält.) Auch ein weibliches Porträtt.

Der Prinz. gar nicht sehen.

So möcht' ich es bald — lieber Denn dem Ideal hier, cm-' dem

Filiaer aus die Stirne) — oder vielmehr hier, (mit dem

Finqcr auf dar Herr)

kömmt, cö doch Nicht bey. ■—

Ich wünschte, Conti, Ihre Kunst in andern Dorwürfen zu bewundern.

(Conti. Eine bewundernswürdigere Kunst giebt es; aber sicherlich keinen bewundernswürdigem Ger genstand, als diesen.

Der Prinz.

So wett' ich,

Conti,

baß es

des Künstlers eigeneGebicrhcrinn ist. — (indem de» Maler das Dild umwendet,) Was seh' ich? ZhrWerk,

Conti?

oder das Werk meiner Phantasie? —

Emilia Galotti! Conti.

Wie, mein Prinz? Sie kennen die­

sen Engel?

Der

szL

Emilia Galotti, - - - -3 - «e»

Hs—---------------MS

Der Prinz, (indem «sich ,u fassen sucht, aber ohn«

ein Auge von dem Dilde zu verwenden.) 00 halb! — um sie eben wieder zu kennen. —

Es ist einige

Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf. —

Nachher ist sie mir nur an hei«

ligen Stären wieder vorgekommen, — Angaffen sich weniger ziemet. —

ihren Vater.

wo daS

Auch kenn' ich

Er ist mein Freund nicht.

Er war

«s, der sich meinen Ansprüchen auf Sabionett» am meisten widersetzte. —

Ein alter Degen;

stolz und rauh; sonst bieder und gut! —

Conti.

Der Vater!

Aber hier haben wir

seine Tochter. — Der Prinz.

Dey Gott! wie au« dem Spie«

gel gestohlen ! l uoch immer die Augen auf das Bild ger 6eM)

O, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß

man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein Lob vergißt.

Conti.

Gleichwohl hat mich diese« noch sehr

unzufrieden mit mir gelassen. —

Und doch bin

ich wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzusrie« denheit mit mir selbst. —

Ha! daß wir nicht un­

mittelbar mir den Augen malen! Auf dem langen

Wege,

Emilia Galotti. --------------- —

fcfc.fr

Wege, aus dem Auge durch den Arm in den Pim

sei, wie viel geht da verloren! — Aber, wie ich sage,

daß ich eS weiß,

was hier verloren gegan­

gen, und wie es verloren gegangen, und warum

es verlöret» gehen müssen: darauf bin ich eben so stolz, und stolzer, als ich auf alles das bin, was

ich nicht verloren gehen lassen.

Denn aus jenem

erkenne ich, mehr als a»»S diesem, daß ich wirklich ein großer Maler bin; daß es aber meine Hand

nur nicht Immer ist. — Oder meynen Sie, Prinz, daß Raphael i»icht das größte malerische Genie ge­

wesen wäre,

wenn er unglücklicher Wesse ohne

Hände wäre geboren worden?

Meynm Sie,

Prinz? Der Ptj’nj. (intern et mir eben von dem Bilde wer-

blickt) Was sagen Sie, Conti? Was wollen Sie

wissen 1 Conti.

O nichts, nicht«! —

Plauderey!

Ihre Seele, merk' ich, war ganz in Ihren Augen. Zch liebe solche Seelen, und solche Augen.

Der Prinz, (mit einet erzwungenen gälte.) Also, Conti, rechne»» Sie doch wirklich Emilia Galotti mit zu den vvrzl'iglichsten Schönheiten unserer Sradt?

Conti.

254

Conti.

Emilia Galotti, Also?

mit? mit zu den vorzüglich­

stell ? imb den vorzüglichsten unserer Stadt? —

Sie spotten meiner, Prinz,

Oder Sie sahen, die

ganze Zeit, eben so wenig, als Sie hörten. Der prin?.

Lieber Conti, — (die Augen nie­

der auf das Bild gerichl^r) wie darf unser einer seinen Augen trauen?

Eigentlich weiß doch nur allein

ein Maler von der Schönheit zu urtheilen, (LntL Und eines jeden Empfindung sollte erst

auf den Ausspruch eines Malers wartet;? — Ins

Kloster mit dem, der es von uns lernen will, was schön ist!

Aber das muß ich Ihnen doch als Ma­

ler sagen, mein Prinz:

eine von den größten

Glückseligkeiten tneines Lebens ist eö, daß Emilia

Galorri mir gesessen.

Dieser Kopf, dieses Antlitz,

diese Stirn, diese Augen, diese Nase, dieser Mund,

dieses Kinn, dieser Hals, diese Brust, dieserWuchS, dieser ganze Bau, sind, von der Zeit an, mein einziges Studium der weiblichen Schönheit. —* Die Schilderen selbst, wovor sie gesessen, hat ihr

abwesender Vater bekommen.

Aber diese Kopie —

Der s^rin?. (der sich, schnell

gegen ihn kehret,)

Nun, Conti? ist doch nicht schon versagt? Conti.

Emilea

Conti,

Galotli.

155

Ist für Sie, Prinz; wenn Sie Ge­

schmack daran furden.

Der Prinz.

Geschmack! — (lächelnd) Dieses

Zhr Studium der weiblichen Schönheit, Conti,

wie könnt' ich besser thun, als eö auch zu dem meinigen zu machen? —

Dort, jene6 Portratt neh-

men Sie nur wieder mit, — einen Rahmen dar­

um zu bestellet».

Conti.

Wohl!

Der Prinz.

So schön, so reich, als ihr» der

Schnitzer nur machen kann.

lerie aufgestellet werden. — hier.

Es soll in der Gau Aber dieses bleibt

Mit einem Studio macht man so virl Ihm

stände nicht: auch läßt man das nicht aushängen;

sondern hat es gern bey der Hand. —

Ich danke

Ihnen, Conti; ich danke Ihnen recht sehr. — Und wie gesagt; in meinem Gebiethe soll die Kunst

nicht nach Brodt gehen; —

habe.

Schicken

bis ich selbst keines

Sie, Conti, zu meinem.

Schatzmeister, und lassen Sie, auf Ihre O.un

tung, für beide Pererätte sich bezahlet», — was

Sie wollen.

Sv viel Sie wollen, Conti.

Lonu,

Emilia Galottr.

LZ6 —5

«Conti.

------------ —------------------------------------ -----------

,

-if.

Sollte ich doch nun bald fürchten,

Prinz, daß Sie so, noch etwa« anders belohnen wollen, als die Kunst. Der prin).

O des eifersüchtigen Künstler« ?

Nicht doch! — Hören Sie, Conti; so viel Sie ( Conti geht ad.)

wollen.

Fünfter Auftritt. Der Prinz. So viel er will! — (gegen das Dild) Dich hab'

ich für jeden Preis noch zu wohlfeil. —

Ah! schöe

nes Werk der Kunst, ist es wahr, daß ich dich besitze? —

Wer dich auch befaße, fchönreS Meie

sterstück der Natur! —

Was Sie dafür wollen,

ehrliche Mutter! Was du willst, alter Murrkopf! Fodre nur! Fodert nur! — Am liebsten kauft' ich

dich, Zauberinn, von dir selbst! —

voll Liebreiz und Bescheidenheit!

Dieses Auge

Dieser Mund!

und wenn er sich zum reden öffnet! wenn er lächelt! Dieser Mund!—

Ich höre kommen.—

Noch

bin ich mit dir zu Neidisch, (indem er das Bild gegen die Wand drehet.) Es wird Marinelli seyn.

Häre

257

Emilia Galotti. ■fa-

. .................. >*

Tochter/ der Graf und vielleicht ein paar Freunde dahin ab.

Der Prinz,

(der sich voll Deriweiflung in einen

«Mbl wirst,) So bin ich verloren! —

So will

ich nicht leben! Marinelli.

Aber was ist Ihnen, gnädiger

Herr?

Der Prinz,

(der gegen ihn wieder aufsxriM.)

Vercäther! — was mir ist? — Nun ja ich lie­ be sie; ich bete sie an.

Mögt ihr e« doch wissen!

mögt ihr e« doch längst gewußt haben, alle ihr, denen ich der tollen Orsina schimpfliche Fesseln lie­ ber ewig tragen sollte! — Nur daß Sie, Mari­ nelli, der Sie sooft mich Ihrer innigsten Freund­

schaft versicherten.



O ein Fürst hat keinen

Freund! kann keinen Freund habm! — baß Sie,

Sie, so treulos,

so hämisch mir bis auf diesen

Augenblick die Gefahr vcrhLlen dürfen, die mei­ ner Liebe drohte: wenn ich Ihnen jemals das ver­

gebe, — so werde mir meiner Sünden keine ver­ geben !

Marinelli.

Ich weiß kaum Worte zu fin­

den, Prinz, — wenn Sie mich auch dazu kom­

men

Emilia Galotti. ■

men ließen —

gen. —



265

=ti>

Ihnen mein Erstaunen zu bezei­

Sie lieben Emilia Galokti? — Schwur

bann gegen Schwur: Wenn ich von dieser Liebe

das geringste gewußt, das geringste vermuthet habe; so möge weder Engel noch Heiliger von mir wis­

sen ! — Eben bas woll«' ich in die Seele der Oc-

sina schwören.

Ihr Verdacht schweift auf einer

ganz andern Fährte. So verzeihen Sie mir, Mari­

Dee Prinz. nelli; —

(indem er sich ihm in die Arme wirst) und

bedauren Sie mich.

Marinelli.

Nun da, Prlnzl Erkennen Sie

da die Frucht ihrer Zurückhaltung! — „ Fürsten

haben keinen Freund! können keinen Freund ha­ ben! „ — Und die Ursache, wenn dem so ist? —

Weil Sie keinen haben wollen. — Heute beehren sie un« mit ihrem Vertrauen,

theilen uns ihre

geheimsten Wünsche mit, schließen uns ihre ganze

Seele auf:

und morgen sind wir Ihnen wieder so

fremd, als hätten Sie nie ein Wort gewechselt. Dec Prinz.

Ach! Marinelli, wie konnt'ich

Ihnen vertrauen,

was ich mir selbst kaum ge­

stehen wollte?

R 5

Mari-

266

Emilia Galotti.

Marinelli.

Und also wohl noch weniger der

Urheberinn Ihrer Qual gestanden haben? Der Prinz.

Ihr? — Alle meine Mühe

ist vergebens gewesen,

fle ein zweytesmal yi

sprechen. — Marinelli.

Und das erstemal —

Der Prinz.

Sprach ich sie — O, ich komme

von Sinnen! Und ich soll Ihnen noch lange er, zählen? — Sie sehen mich einen Raub der Wel­

len: was fragen Sie viel, wie ich e« geworden? Reiten Sie mich, wenn Sie können: und ftagen

Sie dann.

Marinelli. Netten ? da ist viel zu retten ? — Was Sie versäumt haben, gnädiger Herr, der

Emilia Galotti zu bekcmren, das bekenne» Sie nun der Gräfinn Appiani.

Waaren, die man

all» der ersten Hand nicht haben kann, kauft man

aus der zweyten: — und solche Waaren nicht selten aus der zweyten um so viel wohlfeiler.

Der Prinz.

Ernsthaft, Marinelli, ernsthaft,

oder — Marinelli.

Freylich, auch um so viel schlech­

ter —

Der

Emilia

267

Galotti.

H-

------------

Der ptiny.

Marinelli.

Sie werden unverschämt!

Und dazu will der Graf damit

aus dem Lande. —

Za, so müßte man aus et­

was anders denken. —

Der Prinz. Und auf was? — Liebster, bester Marinelli, denke» Sie für mich.

Was

würden Sie thu», wenn Sie an meiner Stelle

wären? Marinelli.

Vor allen Dingen, eine Kleinig­

keit als «ine Kleinigkeit ansehen; — und mir sa­ gen, daß ich nicht vergebens seyn wolle, was ich bin — Herr!

Der Prinz. Schmeichele» Sie mir nicht mit einer Gewalt, von der ich hier keinen Gebrauch

absehe. —

Heute sagen Sie? schon heute?

Marinelli.

Erst heule — soll es geschehen.

Und nur geschehenen Dingen ist nicht zu rachen. — (nach einer kur,en Ueberlegung)

Wollen Sie mir freye

Hand lassen, Prinz? Wollen Sie alles genehmi­

gen, was ich thue? Dee Prinz.

Alles, Marinelli, alles, was

diesen Stretch abwenden kann.

Man',

Emilia Galotti.

-68 ■

Marinelli.

So lassen Sie «ns keine Zeit

verlieren. — Aber bleiben Sie nicht in der Stadt. Fahren Sie sogleich nach Ihrem Lustschlvsse, nach

Dvsala. bey.

Der Weg nach Sabionetta geht da vor-

Wenn e« mir nicht gelingt,

den Grasen

augenblicklich zu entfernen: so denck' ich — Doch,

dock; ich glaube,

er geht in diese Falle gewiß.

Sie wollen ja, Prinz, wegen Ihrer Vermäh­ lung einen Gesandten nach Massa schicken? Lassen

Sie den Grafen diesen Gesandten seyn; mit dem

Bedinge,

daß er noch heute abreiset. —

Ver­

stehen Sie? Dee Prins.

ihn zu mir heraus.

Vortrefflich! — Dringen Sie Gehen Sie, eilen Sie.

Ich

werfe mich sogleich in den Wagen.

(Marinelli geht ab.)

Siebenter Auftritt. Der Prinz. Sogleich! sogleich! — Wo blieb «? — (in

nach dem Porträtte umsehend) Auf der Erde? das

war zu arg! c indem er «s aufhebr) Doch betrachten? bclrach-

Emilia Galotti. . —-

269

betrachten mag ich dich für« erste nicht mehr. — Warum sollt' ich mir den Pfeil noch tiefer in die Wunde drücken? (fchaft hatt' ich mir

nie träumen lassen. — Marinelli

Ich erkenne mein Unrecht, Herr

Graf, mein unverzeihliches Unrecht, daß lch, ohne

Ihre Erlaubniß, Ihr Freund seyn wollen. — Dey dem allen: was thut das? Die Gnade des Prim zen, die Ihnen angetragene Ehre, bleiben, was

sie imd: und ich zweifle nicht, Sie werden sie mit Degterd' ergreifen.

Appiani. (nach einiger Ueverlequng) Allerdings.

Marinelli.

Appiani.

Nun so kommen Lie. Wohin?

Marinelli. Nach Dosalo, zu dem Prinzen. —

Es liegt schon alles saug; und Sie müssen noch

heut' abreisen.

Appiani.

Was sagen Sie? — Noch heute? Mart,

Emilia

Galotti.

301 -S-G

—.....

Lieber noch in dieser nehmlichen

Marinelli.

Stunde, afc tn der folgenden. Die Sache ist von der äußersten Eil. Appiam.

Zn Wahrheit? —

So thut eS

mir leid, daß ich die Ehre, welche mir der Prinz zugedacht, verbitten muß.

Marinelli. Appiam.

Wie?

Ich kann heute nicht abreisen; •—

auch morgen nicht; —

auch übermorgen noch

nicht. —

Marinelli. Appiani.

Sie scherzen, Herr Graf. Mit Ihnen?

Marinelli. Unvergleichlich! Wenn der Scherz den Prinzen gilt, so ist er um so viel lustiger. —
.—



■ ■■■**>

........... -

Dritter Aufzug. (Die Scene, ein Vorsaal auf dem Lustschlosse drt Priiiren.)

Erster Auftritt. Der Prinz. Marinelli.

Marinelli.

Umsonst; er schlug die angetta»

geue Ehre mit bet größten-Verachtung au». Der Prinz.

Und so bleibt es dabey? S»

geht er vor sich? So wird Emilia noch heute die

seinige?

Marinelli. Dee Prinz.

Allem Ansehen nach.

Zch versprach mir von Ihrem

Einfalle so viel! — Wer weiß, wie albem Sie sich

dabey genommen. —

Wenn der Rath einer Tho­

ren einmal gut ist, so muß ihn ein gescheuter Mann ausführen.

Das hätt' ich bedmken sollen.

Marinelli.

Da find' ich mich schön belohnt!

Der Prinz.

Und wofür belohnt?

Marinelli.

Daß ich noch mein Leben darü­

ber in die Schanze schlagen wollte. —

Al« ich

sahe.

Emilia Galotti. . —sahe, daß weder Ernst noch Spott den Grafen

bewegen konnte, seine Liebe der Ehre nachzusehen:

versucht' ich es, ihn in Harnisch zu jagen. jagte ihm Dinge, über die er sich vergaß.

Zch

Er stieß

Beleidigungen gegen mich au«: und ich köderte

Genugthuung, — und federte sie gleich auf der

Stelle. — Ich dachte so: entweder er mich; oder Zch ihn: so ist da« Feld gan» unser.

ich ihn.

Oder er mich: nun, wenn auch; so muß er fliehen,

und der Prinz gewinnt wenigsten« Zeit. Der Prinz.

Da« hätten Sie gethan, Mn

rinellt?

Marinelli.

Hal man sollt' es voran«wissen,

wenn man so thöricht bereit ist, sich für die Große«

aufzuopfern — man sollt' e« voran« wissen, wie erkenntlich sie seyn würden —

Der Prinz.

Und der Graf? — Er stehet

t« dem Rufe, sich so etwa« nicht zweymal sagen

zu lassen. Marinelli.

fei. —

Nachdem e« fällt, ohne Zwei«

Wer kann e« ihm verdenken? — Er ver­

setzte, daß er auf heute doch noch erq>a« wichtigere U1

zu

Emilia

3°ß



Galorti.

. . ;fcfe.fr

------- -------

zu thun habe, als sich mit mir den Hal« zu

Und so beschled er mich auf die ersten

brechen.

acht Tage nach der Hochzeit.

Der Dein?.

Mit Emilia Galonl! Der ®«

danke macht mich rasend! —

Darauf ließen Sie

e« gut seyn, und giengen: — und kommen und

pralen,

daß Sie Ihr Leben für mich in die

Schanze geschlagen; sich mir aufgeopfert — Marinelli.

Was wollen Sie aber, gnädiger

Herr, da« ich weiter hätte thun sollen?

Der Prinz.

Weiter thun? — Al« ob er et«

was gethan hätte!

Marknelle.

Und lassen

Sie

doch

hkren,

gnädiger Herr, was Sie für sich selbst gethan

haben. —

Sie waren so glücklich,

der Kirche zu sprechen.

sie noch in

Was haben Sie mit ihr

abgeredet?

Der prinx. (ww) Neugierde zur Gnüge!— Die ich nur befriedigen muß. — alles nach Wunsch. —

weiter

zu

bemühen,

O, es gieng

Sie brauchen sich nicht

mein

allzudiensifertiger

Freund!

Emilia Galotti. . jhjkjt

Freund! —

3.09

.. ——

Sie kam meinem Verlangen, mehr

als halbes Weges, entgegen.

Zch hätte sie nur

gleich mitnehmen dürfen, c kalt «nd befehlend)

Nun

wissen Sie, was Sie wissen wollen; — und

können gehn! Marinelli.

Und können gehn! —

Za, ja;

das fst da« Ende vom Liede! und würd' es seyn, gesetzt auch, ich wollte noch das Unmögliche ver­

suchen. — DaS Unmögliche sag' ich? — So un­ möglich reit’ es nun wohl nicht: aber kühn. —

Wenn wir die Draut In unserer Gewalt Hitteil: so stünd' ich dafür, daß aus der Hochzeit nichts

werden sollte.

Der prknx. Ey! wofür der Mann nicht alle«

sichen will!

Nun dürst' ich ihm nur noch ein

Kommando von meiner Leibwache geben, und er

legte sich an der Landstraße damit in Hinterhalt, und fiele selbst fünfziger einen Wagen an, und riß

ein Midchen heraus,

da« er im Triumphe mir

zubrichte.

Marinelli. ES ist eher ein Midchen mit Ge­ walt entführt reorben, ohne daß e« einer gewalt­

samen Entführung ähnlich gesehen. U 3

Der

Emilia Galotti.

3io

—-—

. — . fcfe.fr

Der Pein».

wüßten:

Wenn Sie das zu machen

so würden Sie nicht erst lange da,

non fervatzen. Marinelli.

Aber für den Ausgang müßt«

man nicht stehen sollen. —

Es tonnten sich Um

glückefälle dabey eräugnen — Der Prinz.

Und cs ist meine Art, daß ich

Leut« Dinge verantworten lasst, wofür sie nicht

tonnen? Marinelli.

Also, gnädiger Herr — < «mit höre

»en weitem einen Schuß) Ha! WaS War daS? —

Hirr' ich recht? — Hörten Sie nicht auch, gnä» diger Herr, einen Schuß fallen? —

Und da

noch einen!

Der Prinz.

Was ist das? was giebtS?

Marinelli. Was meynen Sie wohl? — Wie wann ich thätiger wäre, als Sie glauben ? Der Prinz.

Thätiger? —

So sagen Sie

doch —

Marinelli.

Kurz:

wovon ich gesprochen,

geschieht.

Der Prinz.

Ist Ls möglich ?

Mark,

zu

Emilia Gakottr. -----------Marinelli.

Nur vergessen Sie nicht, Prinz,

wessen Sie mich eben versichert. —

Ich habe

nochmals Ihr Wort — — Der prinx. Aber die Anstalten find doch si> —

Marinelli. Als sie nur immer seyn können! —

Die Ausführung ist Leuten ««vertrauet, auf dir ich mich verlassen kann.

Der Weg geht hart an

der Planke des Thiergartens vorbey.

Da wird ein

Theil den Wagen angefallen haben, gleichsam, um

ihn zu plündern.

Und ein andrer Theil, wobey

einer von meinen Bedienten ist,

wird aus dem

Thiergarten gestürzt seyn; den Angefallenen gleich,

sam zur Hülfe.

Während des Handgemenges, in

das beide Theile zum Schein gerathet», soll mein Bedienter Emilien ergreifen, als ob er sie retten

wolle, und durch den Thiergarten in das Schloß bringen. —

So ist die Abrede. —

Was sagen

Sie nun, Prinz?

D«r prinx.

Sie überraschen mich auf eine

sonderbare Art. —

Und eine Bangigkeit üben

fällt mich — (Marinelli lütt an da- Fenster) Wornach sehen Sie?

u 4

Mari,

Galotti.

Emilia

zir

H— ----

... ............

Marinelli

;

-Jf,

Dahinaus muß es seyn! —

Recht! — und eine Maske kömmt bereits um die

Planke gesprengt; — ohne Zweifel, mir den Erfolg zu berichten. —

Entferne» Sie sich, gnädt»

ger Herr.

Der pefaj.

Ah, Marinelli —

Marinelli.

Nun? Nicht wahr, mm hab'

ich zu viel gethan; und vorhin zu wenig?

Das nicht.

Der Prinz.

Aber ich sehr bey

alle dem nicht ab--------Marinelli.

Absehn? —

Lieber alles mit

eins!— Geschwind entfernen Sie sich. — Die

Maske muß Sie nicht sehen. (der Prinz geht ab.)

Zweyter Auftritt. und bald darauf Angelo.

Marinelli,

Marinelli.

(der wieder nach dem Fenster geht)

Darr fährt der Wagen langsam nach der Stadt

zurück. — So langsam? Und in jedem Schlage ein Bedienter? —

Dw find Anzeigen, die mir

nicht gefillen: — daß der Stretch wohl nur halb gelungen ist; — daß man einen Verwunderen ge» mäch«

Emilia Galotti. ■

3’3

=»O

—.

mächlich zurückführet, — und keinen Todten. —

Die Maske steigt ab. — Der Tolldreiste! —

Es Ist Angelo selbst.

Endlich, hier weiß er di«

Er winkt mtr zu.

Schlicht. —

Sache gewiß seyn- —

Er muß seiner

Ha, Herr Graf, der Sie

nicht nach Massa wollten, und nun noch einen weitern Weg müssen! —

Wer hatte Sie die Ast

ftN so kennen gelehrt? (indem er nach derTbiire ,ugeht) Za wohl sind sie hämisch. — Nun Angelo?

Angelo, (der die Maske abgeiwmme») Passen Sie auf, Herr Kammerherr l

Man muß sie gleich

bringen. Marinelli.

Angelo.

Marinelli. Angelo.

Und wie lief es sonst ab?

Zch denke ja, recht gut.

Wie steht es mit den Grafen?

Zu dienen! So, so! —

muß Wind gehabt haben.

Aber er

Denn er war nicht so

ganz unbereitet. Marinelli.

Geschwind sage mir, was Du

mir zu sagen hast! —

Ist er todt?

Angelo. Es thut mir leid um den guten Herrn. Marinelli.

Nun da, für Dein mitleidiges

Herz! (giebt ihm einen Deutel mit Sold.) U5

Angelo.

Z!4

Emilia Galottk. ....... -■.......... .,

-----



Angelo.

Vollends mein braver Nicolo! der

das Bad mit bezahlen müssen. Marinelli. So? Verlust auf beiden Seiten?

Angelo.

Zch könnte wein««! am den ehclie

ltchen Zungen!

Ob mir sein Tod schon das (indem

et de» Deutel in der Hand wieget) UM ein Viertheil verbessert.

Denn ich bin sein Erbe; weil ich ihn Das ist so unser Gesetz: ein so gtv

gerächet habe.

tes, meyn' ich, al« für Treu und Freundschaft je

gemacht worben.

Dieser Nicolo, Herr Kammer«

Herr — Marinelli. Mit deinem Nicolo! — Aber der

Graf, der Graf — Angelo. faßt.

Blitz! der Graf hatte ihn gut ge
■-

Vrsina.

.....

351 ..........

.—

Also die? Die sind bey dem Prin»

zm? die Braut? und die Mutter der Braut? —

Ist die Braut schön? Marinelli.

Dem Prinzen geht ihr Unfall

ungemein nahe.

Drsina.

lich wäre.

Ich will hoffen; auch wenn sie häß­

Denn ihr Schicksal ist schrecklich. —

Arme«, gutes'Mädchen, eben da er dein auf im­ mer werden sollte, wird er dir auf immer entris, sen! — Wer ist sie denn, diese Braut?

Kenn'

Zch bin so lange aus der Stadt,

ich sie gar? —

daß ich von Nichts weiß.

Marinelli.

Es ist Emilia Galotti.

lvrsina.

Wer? — Emilia Galotti? Emilia

Galotti? —

Marinelli! daß ich diese Lüge nicht

für Wahrheit nehme!

Marinelli. ivrsina.

Wie so?

Emilia Galotti?

Marinelli.

Die Sie schwerlich kennen wer­

den —

Drsina. Doch! doch! Wenn eS auch nur vvn heute wäre. —

Zm Ernst, Marinelli? Emilia

Galot»

Emilia

353

Galotti.

i■



Emilia Galotti wäre die Unglück»

Galotti? —

ltche Braut, die der Prinz ti6(bt? Marinelli, (vor sich) Sollte ich ihr schon zu viel gesagt haben?

(Dfstti i.

Und Graf Appiani war der Bräu­

tigam dieser Braut? der eben eischoss.ne Appiani? Marinelli.

Vrsina.

Nicht anders.

Bravo!

o bravo!

bravo I

c in die

Hände schlagend.) Marinelli. Orsina.

Wie das?

Küssen möcht' ich den Teufel, der

ihn dazu verleitet hat! Marinelli.

Wen? verleitet? wozu?

Vrsina. Za, küssen, küssen möcht' ich ihn — Und wenn Sie selbst dieser Teufel wären, Ma»

rtnelli. Marinelli.

Gräfinn!

Vrsina. Kommen Sie Herl Sehen Sie mich an! steif an! Aug' in Auge!

Marinelli. Vrsina.

Nun?

Wissen Sie nicht, was ich denke?

Marinelli.

Wie kann ich das?

Vrsina. Haben Sie keinen Antheil daran?

Mari»

EmiUa Galotri.

Marinelli.

begehen—

Woran?

Schwören Sie!

Drsina.

ren Sie nicht.

353

Nein, schwe­

Sre rnKchrel, eine Sünde mehr

Oder ja; schwülen Sie nur.

Eine

Sünde mehr oder weniger für einen, der doch verdanum ist! — Haben Sie keinen Antheil daran?

Marinelli.

Drsina.

Sie erschrecken mich, Grästnn.

Gewiß? — Nun, Marinelli arg-

wohnet Ihr gutes Hecz auch nichts? Marinelli.

Was? worüber?

Wohl,

Grstna.

so will ich Ihnen etwas

vertrauen; — etwas, das Ihnen jedes Haar auf dem Kopfe zu Berge sträuben soll. —

Aber hier,

so nahe an der Thüre, möchte uns jemand hören. Kommen Sie hierher. — Und! (indem sie den Fin­ ger auf den Mund Legt) Hören Sie! ganz in geheim!

ganz in geheim! (und ihren Mund seinem Ohre nühert,

als ov sie ihm lufüistecn wollte, was sie aber sehr lam ihm

zuschrryet) Der Prinz ist ein Mörder! Marinelli.

Gräfinn, — Gräfinn — find

Sie ganz von Sinnen? (Dcsina.

Bor; Sinnen? Hq! ha! ha! (aus

vollem Halse lachend) Ich bin selten, oder nie, mit Trauerspiele.

3

meinem

Emilia Galvtti.

354 ft-



...................

.,

H.

meinem Verstände sowohl zufrieden gewesen, al-

eben itzt. —

Zuverläßig, Marines r — aber es

bleibt unter uns — (!-> der Prinz ist ein Mör­ der! Des Grafen Appiani Mörder! — Den ha­ ben nicht Räuber,

den haben Helfershelfer der

Prinzen, den har der Prinz umgebrachr! Marinelli. Wie kann Ihnen so eine Abscheu,

lichkeit in den Mund, in die Gedanken kommen? Drsina. Wie? — Ganz natürlich. — Mit

dieser Emilia Galottl, die hier bey ihm ist, —

deren Bräutigam f» über Hals über Kopf sich aus der Welt trollen müssen, — mit dieser Emilia Ga, lvcri hat der Prinz heute Morgen, In der Halle

bey den Dominikanern, ein Lange« und Brette«

gesprochen. Das weiß ich; das haben meine Kund­ schafter gesehen.

Sie haben auch gehört, was er

mit ihr gesprochen. — Nun, guter Herr? Din

ich von Sinnen? Ich reime, dächt'ich, doch »och so ziemlich zusammen, was zusammen gehört. —

Ober trifft auch das nur so von ungefähr zu?

Ihnen auch das Zufall?

Ist

O, Marinelli, so ver­

stehet» Sie auf die Bosheit der Menschen sich eben

so schlecht, als auf die Vorsicht.

Mari-

Emilia ■h- .

--------

Galotti.

355

--------------------------------------------------------------------------

Marinelli.

Gräfinn, Sie würden sich um

den Hals reden —

Wenn ich das mehrern sagte? —

Drsina.

Morgen will ich

Desto besser, desto bester! —

es auf dem Markte ausrufen. — Und wer mir wi» Verspricht — wer mir widerspricht, der war des

Mörders Spießgeselle. — Leben Sie wohl. (indem fit fvrrgehen will, begegnet sie an der Thüre den alten Ga­ lotti, der eiligst hereintritt.-

Sechster Auftritt. Die Gräfin».

Odoardo Galotti.

Marinelli. Gdoaedo Gal.

Verzeihe»

Sie,

gnädige

Frau —

Grsma.

Ich habe hier nichts zu verzeihen.

Denn ich habe hier nichts übel zu nehmen —

An diesen Herrn ivrnden Sie sich. (ihn nach remMa> rinelli weisend.)

Marinelli. (indem er ihn erblicket, vor sich) Nun vollends! der Alte! —

3-

Ddoardo.

Emilia Galotti. —-—

. — . fcfe.fr (vvoardo.

Vergeben Sie, mein Herr, tU

nem Vater, der in der äußersten Bestürzung ist, — daß er so unangeineldet hereintritt.

(Drfi'M.

Vater? (Mn-twm) Der Emi»

lia, ohne Zweifel. —

ivdoarvo.

Ha, willkommen!

Ein Bedienter kam mir entgegen

gesprengt, mit der'Nachricht, daß hierherum die Meinigen in Gefahr wären.

Ich fliege herzu,

und höre, daß der Graf Applant verwundet wor­ den; daß er nach der Stadt zurückgekehrct;

daß

meine Frau und Tochter sich In das Schloß geret­

tet. — Wo sind sie, mein Herr? wo sind sie?

Marinelli. ster.

Seyn Sie ruhig,

Herr Ober­

Ihrer Gemahlinn und Ihrer Tochter ist

nichts Uebels wiederfahren; den Schreck ausge­ nommen. Sie befinden sich beide wohl. Der Prinz

ist bey ihnen. Ich gehe sogleich, Sie zu melden. Dsoarvo.

Marinelli.

Warum melden? erst melden?

Aus Ursachen — von wegen —

Von wegen des Prinzen.

Sie wissen,

Herr

Oberster, wie Sie mit dem Prinzen stehen. Nicht

auf dem freundschaftlichsten Fusse.

So gnädig er

sich gegen Ihre Gemahlinn und Tochter bezei­ get:

Emilia Galotti. ■

357

—.

get: — es sind Domen — Wird dämm auch Ihr unvermutheter Anblick ihm gelegen seyn? Gsoardo. Sie habm Recht, mein Herr; Sie haben Recht. Marinelli. Aber, gnädig« Gräfinn, — kann ich vorher die Ehre haben, Sie nach Ihren Wa, gen zu begleiten? Drsina. Nicht doch, nicht doch. Marinelli. ((t< bey d,r Hand Hiebt unsanft ftgrei; send) Erlauben Sie, daß ich meine Schuldigkeit beobachte. — Vrftna. Nur gemach! — Ich erlasse Sie deren, mein Herr. — Daß doch immer Ihre« gleichen Höflichkeit zur Schuldigkeit machen; um wa« eigentlich ihre Schuldigkeit wäre, al« die Nebensache beweiben zu dürfen! — Diesen wür­ digen Mann je eher je lieber zu melden, da« ist Ihre Schuldigkeit. Marinelli. Vergessen Die, wa« Ihnen der Prinz selbst beföhlet» ? Dtsina. Er komme, und befehle e« mir noch einmal. Ich erwarte ihn.

8 1

Mari

358

Emilia

H---

.

Galotti.

tHätt stell f. (leist ril dem Obersten, den er bey Seite Met) Mei« Herr, ich muß Sie hier mir einer Dame lassen, die — der — mit deren Berstande — Sie verstehen Mich. Ich sage Ihnen di« sei, damit Sie wissen, wai Sie auf ihre Reden zu geben haben, — deren sie oft sehr seltsame füh­ ret. Am besten, Sie lassen sich mit ihr nicht ins Wort. Odoardo. Recht wohl. — Ellen Sie nur, mein Herr.

Siebenter Auftritt. Die Gräfinn Orsina. Odoardo Galotti. Vrslna. (nach einigem Stillschweigen, unter welchem sie bett Obersten htit Mitleid betrachtet; so wie er sie, mit einer flüchtigen Neugierde) Was er Ihnen auch da ge­ sägt hat, unglücklicher Mann! —

Gdoarda. (halb vor v«v>. halb gegen fle) Unglück­ licher? (DtftnO. Eine Wahrheit war ei gewiß nicht; — am wenigsten eine von dmen, die auf Sie warten.

Ddoar-

Emilia Galotti. ■h- .

--------

359

--------------------------------------------------------------------------

Gdoarvo. Auf mich warten ? — Weiß ich nicht schon genug? — Madame! — Aber, re» den Sie nur, reden Sie nur. Grsina. Sie wissen nicht». Gdoarvs. Nicht«? Grsina. Gmer, lieber Vater? —> Da­ gäbe ich darum, wann Sie auch mein Vater wL» ren? — Verzeihen Sie! Die Unglücklichen tet» ten sich so gern an einander. — Ich wollte treu» lieh Schmerz und Wuth mit Ihnen theilen. Gvoarvo. Schmerz und Wuth? 9Dl«b«» me!— Aber ich vergesse — Neben Sie nur. Grsina. Wenn er gar Ihre eiliztge Toch» ter — Ihr einzige« Kind wäre! — Zwar ein« zig, oder nicht. Da« unglückliche Kind, ist Im» mer da« einzige. Dvoardo. Da«unglückliche?- Madame!— Da« will ich von ihr? — Doch, bey Golt, so spricht keine Wahnwitzige! Grsina. Wahnwitzige? Das war «S also, wa« er Ihnen von mir vertraut«? — Nun, nun; es mag leicht keine von seinen gribsten Lü» gen seyn. — Ich fühle so-evas! — Und glau» Z 4 ben

360

Emilia Gasotti.

^e=... -—■■——-- - ---------Bett Sie, glauben Die mir: wer über gewisse Dinge den Verstand nicht verlieret, der hat tefc nen zu ver lieren. — Odoardo. Was soll ich denken? Drsina. Daß Die mich also ja nicht verach­ ten? — Denn auch Sie haben Verstand, guter Alter; auch Sie. —- Zch seh' e6 an dieser ent? schlossmeti, ehrwürdigen Miene. Auch Sie ha­ ben Verstand; und es kostet mich ein Wort, — so haben Sie keinen. Gdoardo. Madame?— Madame! — Zch habe schon keinen mehr, noch ehe Sie mir dieses Wort sagen, wenn Die mir es nicht bald sagen. — Sagen Sie eö! sagen Sie es! — Oder es ist nicht wahr, — es ist nicht wahr, daß Sie von jener guten, unsers Mitleids, unserer Hochachtung so würdigen Gattung der Wahnwitzigen sind — Sie sind eine gemeine Thörinn. Sie haben nicht, was Sie nie hatten. (D-sma. So merken Sie aus! — Was wtffen Sie, der Sie schon genug wissen wollen? Daß Appiani verwundet worden? Nur verwun­ det? — Applant iste odt! Ddoar?

Emilta

Galotti.

zSr

--- ----------------- ---- --Todt? tobt ? — Ha, Fra», das

OsoarVo.

ist wider die Abrede.

Sie wollen mich um den

Verstand bringen: und Sie brechen mir das Herz. (Drfm».

Das beyher! —

Nur weiter. —

Der Bräutigam ist todt : und die Braut — Ihre Tochter — schlimmer als todt.

Vsoardo. Schlimmer? sthlimmeralstodt?—

Aber doch zugleich, auch todt? —

Denn ich

kenne nur Ein Schlimmeres *—

Grsina.

Nicht zugleich auch todt.

Nein,

Sie lebt, sie lebt.

Sie

wird nun erst recht anfangen zu leben. —

Ein

guter Vater, nein! —

Leben voll Wonne! Das schönste, lustigste Schlar­

affenleben, — so lang' es dauert. dtooarDo.

Das Wort, Madame; das ein­

zige Wort, das mich um den Verstand bringen

fäll! heraus damit! — Schütten Sie nicht Ihren Tropfen Gift in einen Eimer. —

Das einzige

Wort! geschwind. Pcssna. sammen! —

Nu» da; buchstabircn Sie es zu­

Dee Morgens, sprach der Prinz

Ihre Tochter in der Messe; des Nachmittags, hat

er sie auf seinem Lust — Lustrchiosse.

S>'

Ddc-ar-

z6r fr-

Emilia Galotti. -

,,

- — »l>

Odoardo.

Der

Sprach sie in der Messe?

Prinz meine Tochter?

Drsina. Mit einer Vettraultchkett! mft einer Jnnbmnst! — Sie hatten nicht« Kleine« abzure-

den.

Und recht gut, wenn es abgeredet worden;

recht gut, wenn Ihre Tochter frcywilltg sich hier«

Sehen Sie: so ist e« doch keine ge>

her gerettet!

waltsame Entführung; sondem blo« ein kleiner — kleiner Meuchelmord.

Odoardo. leumdung!

Verleumdung! verdammte Ver­

Ich kenn« meine Tochter.

Zst e«

Meuchelinord: so ist e« auch Entführung. — ibUcke wild um sich, lind stampft und schäumet) Nun, Claudia?

Nun, Mütterchen? — erlebt!

Haben wir nicht Freude

O de« gnädigen Prinzen! O der ganz be-

sondern Ehre!

Orsina.

Wirkte«, Alter! wirkt e«?

Odoardo.

Da steh' ich nun vor der Höhle

de« Räuber« — (intern cc den Rock von beiden Seiten «ui einander schlügt, und stch ohne Gewehr steht)

Wun­

der, daß ich au« Eilfertigkeit nicht auch die Hande

zurück gelassen! — (an alle Schubsäcke fühlend, alb «was suchend) Nichte! gar nicht«! nirgend«!

Orsura.

Emilia

Galotti.



Z6Z

=»O

(Dtfiibi. Ha, ich verstehe! — Damit kann ich auehelfen! — Lich hab' einen mitgebracht, («inen Dolch bcrvoiriiktmd) Da nehmen Sie! Rehe men Sie geschwind, eh uns jemand fleht. — Auch hätte ich noch etwa«, — Gift. Aber Gift ist nur für uns Weiber; nicht für Männer. — Nehmen Sie ihn! (ihm den Dolch «nfdrinaend) Nehmen Sie! Gdoardo. Ich danke, ich danke. — Liebe« Kind, wer wieder sagt, daß du eirre Närrinn bist, der hat es mit mir zu thun. Grsina. Stecken Sie bey Seite! geschwind bey Seite! — Mir wird die Gelegenheit ver­ sagt, Gebrauch davon zu machen. Ihnen wird sie nicht fehlen, diese Gelegenheit: und Sir wer­ den sie ergreifen, die erste, die beste, — wenn Sie ein Mann sind. — Ich, ich bin nur ein Weib: aber so kam ich her! Fest entschlossen! — Wir, Alter, wir können uns alles vertrauen. Denn wir sind beide beleidiget; von dem nehmli­ chen Verführer beleidiget. — Ah, wenn Sie wüßten, — wenn Sie wüßten, wie überschwäng­ lich, wie unaussprechlich, wie unbegreiflich ich von ihm beleidiget worden, und noch werde: —- Sie könn-

364

Galotti.

Emilia ■■■........ - —

k-nnren,

"

-----------------------

,

„fr

Sie mitten Ihre eigene Beleidigung

darüber vergess». —

Ämncn Sie mich?

Ich

binOrsina; die betrogene, verlassene Orftna. — Zwar vielleicht nur um Ihre Tochter verlassen. —

Doch was kann Ihre Tochter dafür? — wird auch sie verlassen seyn. —

eine! —

Und wieder eine! —

Bald

Und dann wieder Ha! (wie in »er

eninicknng) welch eine himmlischePhantasie! Wann

wir einmal alle, — wir, das ganze Heer der Ver­

lassenen, — wir alle in Bacchantinnen, in Furien verwandelt, wenn wir alle ihn unter uns hätten,

ihn unter un« zerrissen, zerfleischten, sein Einge­ weide durchwühlten, — nm das Herz zu finden,

das der Derräther einer jeden versprach, keiner gab!

Ha!

und

das sollte «in Tanz werden!

da« sollte!

Achter Auftritt. Claudia Galotti.

Die Vorigen.

ClatlDfot (die im Hereimreten sich umsiehet, und sor

kald sie ihren Gemahl erblickt, ans ihn suftiefut)

tfjen! —

(£ira*

Ah, unser Beschützer, unser Retter!

Bist du da, Odoardo?

Bifl du da? —

Au« ihren

Emilia

Galotl».

. ■— ■ fc 1>.. .....

35 =»o

ihren Wispern, aus ihren Mienen schloß ich es. — wenn du noch nichts

Was soll ich dir sagen,

weißt? — WaS soll ich dir sagen, wenn du schon

alle- weißt? —

Aber wir sind unschuldig.

Zch

bin unschuldig. Deine Tochter ist unschuldig. Un­

schuldig, in allem unschuldig! (DOOtitDO. (der fiel) bey Erblickung seiner Gemahlin»

Gur, gut.

ru saffcu gesucht)

Sey nur ruhig, nur

ruhig, — und antworte mir. (gegen die Orfina)

Nicht, Madame,

als ob ich noch -weiselte —

Zst der Graf todt ?

LlaudLa.

Todt.

Gsoardo.

Ist es wahr, daß der Prinz heute

Morgen Emilien in der Messe gesprochen?

Wahr.

Claudia,

Aber wenn du wüßtest,

welchen Schreck es ihr verursacht; in welcher Be­

stürzung sie nach Hause kam — Nun hab' ich gelogen?

Grsrna.

(DDOtirÖO.

( mir einem bittern Lachen) Zch wollt'

sluch nicht, StehLccen! Um wie vieles nicht!