Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien [6 ed.] 9783428471812, 9783428071814


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Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien [6 ed.]
 9783428471812, 9783428071814

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ALFRED KRUSE

Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien

Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien Von

Alfred Kruse Sechste Auflage

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kruse, Alfred: Geschichte der volkswirtschaftlichen Theorien / von Alfred Kruse. 6. Aufl. - unveränd. Nachdr. der 4. Aufl. von 1959. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 ISBN 3-428-07181-6

1. bis 3. Auflage Pflaum Verlag, München 1. Auflage 1948 2. Auflage als Nachdruck 1952 3. Auflage 1953 ab der 4. Auflage 1959 im Verlag Duncker & Humblot 5. Auflage 1991

Alle Rechte vorbehalten Unveränderter Nachdruck der 1959 erschienenen Auflage © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-07181-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort • Was würden wir dabei gewinnen, absurde Meinungen, überwundene und mit Recht überwundene Doktrinen zu sammeln? Es wäre ebenso unnütz wie langweilig, sie auszugraben... Es kommt nicht darauf an, die Irrtümer zu lernen, sondern sie zu vergessen.' Diese vor 130 Jahren von JEAN BAPTISTE SAY niedergeschriebenen Sätze glaubt der Verfasser mit den folgenden Kapiteln widerlegt zu haben. Natürlich kommt es nicht darauf an, die Irrtümer selbst zu lernen, wohl aber darauf, an ihnen zu lernen. Die erste Auflage dieses Buches erschien im Jahre 1948. Wenn nun heute nach mehr als zehn Jahren die vierte Auflage erweitert und verbessert erscheint. so zeigen sich doch im Aufbau keine allzu großen Veränderungen, auch hat das Buch seinen Charakter als kritische Geschichte beibehalten, wohl aber ist der Text wesentlich neugestaltet und ausgebaut worden. Meinen Mitarbeitern gilt mein Dank. so Herrn Dipl.-Ing. Kurt Lubasch für die Dberprüfung und Ergänzung der bibliographischen Angaben und vor allem meinem Assistenten Dipl.-Volksw. Hans H. Lechner für so manchen wertvollen Rat hinsichtlich der Organisation des Buches (besonders vom Standpunkt des • Konsumenten'). für die Aufstellung der Register und (zusammen mit meiner Sekretärin Frau Gertrud Schewe) für das Mitlesen der Korrekturen. Berlin, Pfingsten 1959

Alfred Kruse

Aus dem Vorwort zur dritten Auflage Es wurden. um dem eiligen Leser und Nachschlagenden den Uberblick zu erleichtern. Marginalien hinzugefügt. Besondere Bemühungen erfolgten in Hinsicht auf die in Deutschland vor sich gehende Rezeption der modemen angelsächsisch-skandinavischen Theorie. Damit ist der Versuch gemacht worden. die in der Gegenwart wirksamen Entwicklungstendenzen in diese Geschichte einzubeziehen. so daß zugleich aus den letzten Kapiteln der gegenwärtige Stand der nationalökonomischen Diskussion sichtbar wird. Während im Text die Originaltitel der ersten Auflagen . als er in seinen • Grundsätzen der Volkswirtschaftslehre· (871) smrieb • • Wenn unsere Zeit den Fortschritten auf dem Gebiete der Naturwissenschaften eine so allgemeine und freudige Anerkennung entgegenbringt, während unsere Wissenschaft eben in jenen Lebenskreisen, welchen sie die Grundlage praktischer Tätigkeit sein sollte, so wenig beachtet und ihr Wert so sehr in Frage gestellt wird, so kann der Grund hiervon keinem Unbefangenen zweifelhaft erscheinen. Nie hat es ein Zeitalter gegeben, welches die wirtschaftlichen Interessen höher stellte, als das unsere, niemals war das Bedürfnis nach einer wissenschaftlichen Grundlage des wirtschaftlichen HandeIns ein allgemeineres und tiefer gefühltes, niemals auch die Fähigkeit der Praktiker auf allen Gebieten menschlichen Schaffens, die Errungenschaften der Wirtschaft sich nutzbar zu machen, größer als in unseren Tagen. Nicht die Folge des Leichtsinnes oder der Unfähigkeit der Praktiker kann es demnach sein, wenn dieselben, unbekümmert um die bisherigen Entwicklungen unserer Wissenschaft, bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit lediglich die eigenen Lebenserfahrungen zu Rate ziehen, nicht die Folge eines hochmütigen Zurückweisens der tieferen Einsicht, welche die wahre Wissenschaft dem Praktiker über die den Erfolg seiner Tätigkeit bestimmenden Tatsachen und Verhältnisse bietet. Der Grund einer so auffälligen Gleimgültigkeit kann vielmehr nirgends anders gesumt werden als in dem gegenwärtigen Zustande unserer Wissenschaft selbst, in der Unfruchtbarkeit der bisherigen Bemühungen, die empirischen Grundlagen derselben zu gewinnen1 :

Methodenstreit

In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es in Deutschland zwischen MENGER und GUSTAV SCHMOLLER, dem Haupt der jüngeren historischen Schule, 1

CARL MENGER, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Wien, Leipzig 21923. S. XIX.

Wiederbelebung der Theorie

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zu heftigen Kontroversen über die in den Wirtschaftswissenschaften anzuwendenden Forschungsverfahren, die als Methodenstreit in die Geschichte eingegangen sind. Die entgegenstehenden Ansichten über die Zweckmäßigkeit der verschiedenen wissensmaftlimen Verfahren in der Nationalökonomie prallten natürlich auch in anderen Ländern, wo die historische Schule Fuß gefaßt hatte, aufeinander: es kam auch dort zu Diskussionen, so z. B. zwischen CUFFE LssUE und STANLEY JEVONS in England: doch ist auf deutsmem Spramgebiet der Streit mit größerem Eifer und Scharfsinn und auch wohl größerer Erbitterung ausgefochten worden. In seinem Aufsatz ,Zur Methodologie der Sozialwissenschaften' (Schmollers Jahrbuch 1883) vertrat SCHMOLLER die Auffassung der Historiker, während ihm gegenüber MENGER den theoretischen Standpunkt in seinen • Untersuchungen über die Methode der Sozialwissensmaften und der politischen Okonomie insbesondere· (1883) und in der Smrift .Die Irrtümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie' (1884) darlegte. Während SCHMOLLER keine wesentlich neuen Gedanken in die Diskussion hineintrug, vielmehr die Auffassung der herrsmenden geschimtlichen Rimtung in der deutschen Nationalökonomie zum Ausdruck brachte, entwickelte MENGER eine Methodenlehre, die zwar auf Friiherem aufbaute, aber erstmals größere Klarheit über die Anwendbarkeit der verschiedenen möglichen Verfahren in den Wirtsmaftswissenschaften verschaffte. MENGER unterschied drei Arten der wissenschaftlimen Forschung, die sowohl in den Geisteswissenschaften als auch in den Naturwissenschaften angebracht seien: die historisch-statistische, die theoretische und die praktische Behandlungsweise. Die letzte umfaßt die Kunstlehren oder Temnologien, wie sie als Arbeitsmethoden in der Volkswirtschaftspolitik und in der Finanzwissensmaft verwendet werden, um Grundsätze zum zweckmäßigen, der Verschiedenheit der Verhältnisse angemessenen Handeln aufstellen zu können. Demgegenüber liegt bei der historism-statistismen und der theoretischen Methode der Unterschied darin, daß man im ersten Falle zu einer Erkenntnis des Individuellen gelangt, im zweiten zur Erkenntnis des Generellen. Man sucht das Individuelle, Konkrete, Einmalige in historischen Untersuchungen der Entwicklung und in statistischen Feststellungen des Zustandes der Gesellschaft festzuhalten. Generelles kann aus der Geschimte nicht gewonnen werden, sie zeigt nur das Einmalige. Diese Verfahrensweise wird angewandt in Wissenschaften, die das Individuelle, Einmalige, erkennen und beschreiben wollen, nämlich in der Wirtschaftsgesmimte und der volkswirtschaftlichen Statistik. Die Erkenntnis des Generellen, des regelmäßig Wiederkehrenden dagegen ist Sache der theoretischen Methode. Die theoretische Art des Erkennens läßt im einzelnen das Allgemeine finden. Das Anwendungsgebiet dieses Verfahrens in der Volkswirtsmaftslehre ist die Theoretische Nationalökonomie. In der Theorie sind wiederum zwei Methoden zu untersmeiden, das realistisch-empirische und das exakte Verfahren. Beim ersten finden sowohl Induktion (es wird vom Besonderen auf das Allgemeine gesmlossen) als auch De-

Mengers Methodenlehre

Realistischempirisches Verfahren

182

Siebentes Kapitel

duktion (es wird vom Allgemeinen auf das Besondere geschlossen) Anwendung. Es werden Typen, also Erscheinungen erforscht, die sich im Wechsel der Dinge mit größerer oder geringerer Genauigkeit wiederholen. Das Ergebnis kann dann in der Aufstellung von Realtypen, von Grundformen der realen Erscheinungen, oder in empirischen Gesetzen bestehen, die uns die faktischen, jedoch keineswegs ausnahmslos verbürgten Regelmäßigkeiten zum Bewußtsein bringen. Es sind dies also keine Gesetze in unbedingt theoretischer Strenge, weil konkrete Phänomene kaum jeweils eine durchgängige Obereinstimmung aufweisen. Solche empirische Gesetze sind beispielsweise das GREsHAMsche Gesetz (,Schlechtes Geld verdrängt gutes Geld') und das nach dem deutschen Statistiker ERNST ENGEL benannte ENGELSche Gesetz: ,Der Arme gibt für das Lebensnotwendige zwar einen geringeren Geldbetrag aus als der Wohlhabende, aber eine größere Quote seines Einkommens, je höher das Einkommen ist. eine um so reichlichere Quote bleibt für minder entbehrliche Ausgaben übrig!.' E%"ltt~s V~rf"bTtn

Beim exakten Verfahren wiederum ist die Induktion von geringerer Bedeutung, sie dient nur vorbereitend zur Gewinnung des Allgemeinen aus den vielen Einzelfällen. Die eigentliche Untersuchung verläuft ausschließlich deduktiv. Auf diese Weise gelangt man zu streng typischen Erscheinungsformen und zu Gesetzen, die unbedingte theoretische Wahrheiten enthalten, die nicht ohne weiteres verifiziert werden können. Da man abstrahierend vorgegangen war und einen Faktor von vielen ausgewählt hatte, kann das Ergebnis sich auch nur auf diesen einen Faktor beziehen. Zur Prüfung des theoretisch-exakt gefundenen Ergebnisses müßte man daher auch alle anderen Faktoren in ihrer Auswirkung mit einbeziehen. Beide Methoden, die historisch-statistische und die theoretische, finden in der Nationalökonomie Anwendung, welche den Vorzug verdient. hängt vom Gegenstand und vom Ziel der Untersuchung ab. 2. Die Lehre vom subjektiven Wert

Vorläuf~r Jer N "tzwertlebT~

Das Wiederaufleben der theoretischen Forschung, die Wiederanwendung der deduktiven Methode setzte im deutschen Sprachgebiet nicht mit einer Neoklassik ein. Man bezog neue Ausgangsstellungen, indem man, statt vom objektiven, nunmehr vom subjektiven Wert ausging. Zu einer Zeit, als die Psychologie als Erfahrungswissenschaft neu begründet wurde, glaubten einige Nationalökonomen psychische Gesetzmäßigkeiten zur Grundlage der Güterbewertung machen zu müssen. Die Verkündung einer subjektivistischen Werttheorie erschien den Zeitgenossen wie eine Offenbarung, als ein Aufdedcen einer bisher unbekannten Wahrheit, es war, als habe eine wissenschaftliche Revolution stattgefunden. In Wirklichkeit hat aber die Lehre vom subjektiven Wert eine lange Geschichte, deren Beginn bei den Scholastikern liegt und die eine deut2 ERNST ENGEL, Die Produktions- und Consumtionsverhältnisse des Königreichs Sachsen. Zuerst abgedruckt in der Zeitschrift des statistischen Büros des Kgl. Sächsischen Ministeriums des Innem, 1857.

Wiederbelebung der Theorie

183

liche Entwicklungslinie über die Italiener BERNARDo DAVANZATI (.Lezione delle Monete·, 1588) und GEMINIANO MONTANARI (.lA Zecca in consultA di stato·, 1683) zu ihrem Höhepunkt im 18. Jahrhundert bei GALIANI zeigt. Man hatte jedoch den vielen Vorläufern nur wenig Beachtung geschenkt. FERDINANDO GALIANI (1728 - 1787) hatte seinem • Della Moneta • (1751) eine in sich geschlossene voll ausgebildete Wertlehre vorangestellt. Der Wert eines Gutes hänge sowohl von seiner Nützlichkeit als auch von seiner Seltenheit ab. Nützlichkeit sei wiederum alles, was dem einzelnen Vergnügen schaffe, d.h. ihm ein Bedürfnis befriedigen könne; Seltenheit eines Gutes sei das Verhältnis zwischen der Menge, die man habe, zu jener Menge, die man brauchen könne. Dieser auf das Individuum bezügliche Relativismus gab ihm auch die Lösung des Wertparadoxons: Nützliche Güter sind wertlos, wenn sie nicht selten sind, seltene Güter mit geringerer Nützlichkeit können anderseits sehr wertvoll sein. Außer dem scharfen Kritiker der Physiokraten bAN GRASLIN ist ferner ETIENNE DE CONDIllAC (1714 - 1780) zu nennen, der als erster den Tausch aus dem verschiedenen Nutzen des Gutes bei den Tauschpartnern erklärt und dem Satz großes Gewicht beigelegt hatte, daß der Wert weniger in der Sache selbst liege als in unserer Einschätzung der Sache, und diese hänge wiederum von unserem Bedürfnis ab. Seine unmittelbare Einflußnahme auf die Fortbildung der Theorie war jedoch äußerst gering, was damit zusammenhängen mag, daß seine Schrift .Le commerce et le gouvernement" (1776) im gleichen Jahre erschien wie SMITHS • Wealth of Nations", dessen großer Erfolg den anderer wissenschaftlicher Schriften seiner Zeit verdunkelte. Während die englischen Klassiker bei der Bestimmung des Wertes der Güter die Kosten herangezogen hatten und der Nutzen nur als eine selbstverständliche Voraussetzung galt, berücksichtigten die im übrigen als Schüler und Fortbilder der Lehre von SMITH geltenden Deutschen JOHANN FRIEDRICH EUSEBIUS LOTz (1771-1838), JULIUS VON SODEN(1754-1831) und GOTTLlEB HUFElAND(17601817) sowie HERMANN und die Historiker HILDEBRAND und KNIES im Wert wieder subjektive Momente. Sie setzten Nutzen und Wert miteinander in Beziehung und zogen den Nutzen mit als Grundlage zur Bewertung der Güter heran; es gelang ihnen jedoch nicht, Wert und Gütennenge kausal miteinander zu verbinden. Das sollte der Grenznutzenlehre vorbehalten bleiben. Die neue Lehre vom rein subjektiven Wert wurde fast zur gleichen Zeit, inhaltlich weitgehend übereinstimmend und doch unabhängig voneinander, von drei Forschern dreier Nationen aufgestellt: von dem Osterreicher CARl MENGER in .Grundsätze der Volkswirtschaftslehre" (1871), von dem Engländer STANlEY JEVONS in seiner. Theory of Political Economy" (1871) und von dem in der Schweiz lebenden Franzosen bON WAlRAS in den • Elements d' economie politique pure" (1874). Alle drei stimmten darin überein, daß dieNutzenschätzungen der Verbraucher Ursache und Höhe des Wertes der Güter sind. Die Größe des Nutzens ist beim einzelnen jeweils nach der Menge der zur Verfügung stehenden Quantitäten verschieden; der Nutzen, den ein Gut stiftet. nimmt bei jeder

Galiani

Condillac

Begründung der subjektivistischen Wertlehre

184 Grenznutzen

Sättigungsgesetz

Genußausgleichsgesetz

Siebentes Kapitel

Vermehrung der Gesamtmenge des Gutes ab. Der Nutzen der letzten Gütereinheit. die der Verbraucher noch besitzt, ist normierend auch für alle früheren. MENGERS Schüler FRIEDRICH VON WIESER nannte ihn später in seiner Schrift • Ober den Ursprung und die Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes· (1884) Grenznutzen. Diesen Sachverhalt hatten bereits der Franzose ARSENE JUVENAL DUPUIT in .De l'influence des peages sur l'utilite de communication· (1849) und der Deutsche HERMANN HEINRICH GOSSEN in einer lange Zeit völlig unbeachteten Schrift .Entwicklung des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln· (1854) gründlich und systematisch dargetan. Man nennt das wichtigste psychologische Gesetz der subjektivistischen Wertlehre daher das Gossensehe Sättigungsgesetz, das GOSSEN so formulierte: .Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit der Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritta .• Ein Glas Wasser z. B. rettet den Verdurstenden vom Tode, ein zweites löscht ihm seinen Durst. ein drittes, viertes und fünftes dient seinem Reittier als Trank, ein sechstes, siebentes, achtes erlaubt ihm, sich zu waschen usw. Hat er acht volle Gläser zur Verfügung, so legt er auch dem ersten nur dieselbe Nutzenschätzung bei wie dem achten. Freie Güter, die im Vergleiche zum Bedarf überreichlich vorhanden sind, haben daher keinen Wert. Auch eine zweite für die subjektive Wertlehre grundlegende Gesetzmäßigkeit findet sich bei GOSSEN: .Der Mensch. dem die Wahl zwischen mehreren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht ausreicht, alle vollaus zu bereiten, muß, wie verschieden auch die absolute Größe der einzelnen Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses zum Größten zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollends bereitet, sie alle teilweise bereiten, und zwar in einem solchen Verhältnis, daß die Größe eines jeden Genusses (Genußgrad) in dem Augenblick, in welchem seine Bereitung abgebrochen wird, bei allen noch die gleiche bleibt·.· IGossensches Genußausgleichsgesetz) Damit ist der subjektive Nutzen für den einzelnen Verbraucher bei einer gegebenen Gütermenge bestimmt und zugleich auch der jeweilige Grad der Befriedigung der verschiedenen Bedürfnisse beim Einzelmenschen. Was aber für den einzelnen richtig ist. so meinte GOSSEN, muß auch für die Volkswirtschaft gelten; der Wert eines Gutes wird bestimmt durch den Grenznutzen des letzten. das Gut noch konsumierenden Verbrauchers. Aus dem Ausgleich sämtlicher Grenznutzen der Güter ergibt sich dann ein Gleichgewichtszustand in der Volkswirtschaft. Damit war auch das Wertparadoxon, das längst von GALIANI gelöst worden war, den Klassikern jedoch unlösbar erschien, gelöst: Wichtige Güter haben einen niedrigen Wert, wenn sie reichlich vorhanden sind. Ihr Gesamtnutzen ist zwar groß, doch der Nutzen der letzten Einheit ist klein. Weniger wichtige 3 HERMANN HEINRICH GOSSEN, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln. BeTlin 21888. S.4-5. 4 a. a. O. S. 12.

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Güter können durm ihre Seltenheit einen hohen Wert erlangen. Ihr Gesamtnutzen ist zwar klein, aber der Nutzen der letzten Einheit kann wegen der Seltenheit groß sein. Das Grenznutzenprinzip kann zunämst nur ausreichen, um den Wert der Verbrauchsgüter, die MENGER Güter erster Ordnung nannte, zu ermitteln. Da aber offenbar die Güter höherer Ordnung, Halbfabrikate, Rohstoffe und andere Produktionsmittel einerseits, und Güter letzter Ordnung, die Produktionselemente Arbeit. Kapital und Boden anderseits offensichtlich nicht ohne Wert sind, mußte die Lehre vom subjektiven Wert versuchen, aum hier den Verbraumernutzen, wenigstens mittelbar zur Erklärung heranzuziehen. Das erfolgte in der Weise, daß der Wert der Güter höherer Ordnung hergeleitet wurde von dem gesmätzten Wert der durm sie erzeugten Verbraumsgüter zur Zeit der Konsumreife. Die Lehre, die sich mit der Frage besmäftigt, wie sim aus den Preisen der Güter erster Ordnung, der Konsumgüter, ganz bestimmte Werte für die zur Erzeugung dieser Güter dienenden Güter höherer Ordnung, die Produktionsmittel. bilden können, nennt man Zurechnungslehre. Der dabei besmrittene Weg ist der, daß der Wert der Verbraumsgüter gleimsam den Produktionsgütern zugeremnet wird. Eine Zuremnung hatte man außerhalb der subjektivistischen Wertlehre bisher nur in einem Sonderfall versucht, nämlich beim Boden. Auf Grund des Gesetzes vom abnehmenden Bodenertrag hatte man bei versmiedener Intensivierung beim Boden eine Intensitätsrente festgestellt und Arbeit und Kapital gleimsam den Rest des Gesamtertrages zugerechnet. Der Grenznutzenschule ging es jetzt nimt nur um die Ertragszurechnung für den Boden, sondern ganz allgemein um die Aufteilung des Ertrages, gemessen in Nutzeneinheiten, auf alle ursprünglimen Produktionselemente. Bei der Zurechnung ergeben sich deshalb besondere Schwierigkeiten, weil zur Herstellung eines Verbrauchsgutes nicht nur ein Produktionsmittel. sondern zugleich mehrere Produktionsmittel verwandt werden . •Kein Produktivmittel. auch das wirksamste nicht. bringt für sich allein Ertrag hervor, jedes bedarf stets der Beihilfe anderer ... Der Satz, daß die Produktivgüter ihren Wert vom Werte ihres Ertrages erhalten, reicht nur dazu aus, um die zusammenwirkenden Produktivfaktoren im ganzen, aber nicht um sie auch im einzelnen zu schätzen. Um auch das zu können, bedarf man einer Regel. die es ermöglicht, den gesamten Ertrag im einzelnen aufzuteilen 5 ••

Zurechnungslehre

eARL MENGER glaubte das Problem dadurch zu lösen, daß er gedanklim die einzelnen Produktionsmittel nameinander aus der Produktion zurückzog. Der Wert des einzelnen Produktionsmittel wird dann dadurm gefunden, daß man zunämst die beiden Werte des Verbrauchsgutes ermittelt, die sim mit und ohne Mitwirkung des betreffenden Produktionsmittels bei der Herstellung ergeben. Die Differenz beider sei der Wert des Produktionsmittels.

Verlustgedanke

5

FRIEDRICH

V.

WIESER, Der natürliche Wert. Wien 1889. S.70.

186

Substitutionsgedanke

Wiesers Produktionsgleichungen

Siebentes Kapitel

Kritisch ist diesem sog. Verlustgedanken entgegengehalten worden, daß die Summe der zugerechneten Werte der mitwirkenden Produktionsmittel den Wert des Konsumgutes übersteigen würden. Ein extremer Fall möge dies verdeutlichen: Liegt eine Produktionskombination von zwei unersetzlichen Produktionsmitteln vor, so würde alternativ jedem einzelnen der ganze Wert zuzurechnen sein. Bei Annahme der Simultaneität ergäbe sich der doppelte Wert des Produkts, was offenbar widersinnig ist. Dies bedenkend, versuchte EUGEN v. BÖHM-BAwERK 0851-1914) die Lösung des Problems mit dem sog.Substitutionsgedanken. Keinem Gut könne mehrWert zugeschrieben werden als irgendeinem anderen Gut, durch das es ohne Einbuße an Nutzen ersetzt werden kann. Es erfolgt dann die Aufteilung des Gesamtwertes auf die einzelnen Faktoren unter Berücksichtigung der Möglichkeit anderweitiger Verwendbarkeit oder Substitution. Bei ersetzlichen Produktionsmitteln werden prinzipiell zwei Werte (als Ober- und Untergrenze) entstehen. Das Wertmaximum ist der Substitutionswert, d. h. der Wert, der sich ergäbe, wenn das Produktionsmittel in seiner ursprünglichen andersartigen Verwendung verblieben wäre. Das Wertminimum stellt jenen Wert dar, der sich für eine überschüssige Quantität des Produktionsmittels in anderweitiger Verwendung ergäbe. Bei einem breiten Markt fallen Maximal- und Minimalwert zusammen. Unersetzlichen Produktionsmitteln wird der ganze nach Bewertung der ersetzlichen Produktionsmittel übrig bleibende Wert zugerechnet. Auch FRIEDRICH VON WIESER 0851- 1926) suchte den Fehler zu vermeiden, daß die Summe der durch Zurechnung gefundenen Werte den Gesamtwert des Produkts übersteigt. Er meinte, daß eine solche Zu-viel-Zurechnung auf den Umstand zurückzuführen sei, daß der Entzug eines Produktionsmittels auch die Produktivität der noch verbleibenden mindere. WIESER stellte ein System von simultanen Produktionsgleichungen auf, deren linke Seiten die Mengen der in den Kombinationen verwandten Einheiten der verschiedenen Produktionsmittel und deren rechte Seiten die Werte der dazugehörigen Produktionseinheiten wiedergeben. Hieraus lassen sich die Werte der Produktionsmittel errechnen .

• Wir vermögen die Ausscheidung der Wirkungen nicht bloß annäherungsweise vorzunehmen, sondern auch ziffemmäßig genau zu berechnen, sobald wir alle belangreichen Umstände des Tatbestandes sammeln und messen, als die Menge der Erzeugnisse, ihren Wert und die Menge der jeweils verwendeten Erzeugungsmittel. Nehmen wir diese Umstände genau auf. so erhalten wir eine Anzahl von Gleichungen, durch die wir in den Stand gesetzt sind, die Leistungen der einzelnen Produktivmittel zuverlässig zu berechnen. Wir haben z. B. ... die folgenden Gleichungen: x + Y = 100

2x + 3z

4y

= 290

+ 5z = 590,

wo sich X mit 40, y mit 60, z mit 70 berechnet ... Der so bezifferte Ertragsanteil des einzelnen Produktivfaktors ist es, den man gemeinhin kurzweg den ,Ertrag' des betreffenden Faktors nennt: Ertrag der Arbeit, des Landes und des Kapitales8•• ß

a. a. O. S. 86-7.

Wiederbelebung der Theorie

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Es ist aber doch zu fragen, auf Grund welchen Kalküls die in den Gleichungen wiedergegebenen Kombinationen von Produktionsmitteln ausgewählt worden sind. Tatsächlich erfolgt diese Kombination, wenn die Uberlegungen für eine verkehrslose Wirtschaft (z. B. Robinson-Wirtschaft) angestellt werden, auf Grund einer überschlägigen Einschätzung der relativen Knappheit der Produktionselemente und für eine Marktwirtschaft auf Grund der Preise der Produktionselemente, die ein Spiegelbild der Knappheit sind. Mit Recht wurde gesagt: Es ist klar, .daß man dunn ein solches Verfahren, und mag man die Zahl der Gleichungen noch so sehr vergrößern, überhaupt nichts mehr erfahren wird, als man schon im voraus wußte, nämlich, daß in freier Konkurrenz das Entgelt oder der Ertragsanteil eines und desselben ,Produktionsmittels' in allen Geschäften annäherungsweise derselbe sein muß. Das und nichts anderes besagen, wie man leicht sieht, die obigen Gleichungen7 •• Kritik an der Das führte zu einer grundsätzlichen Stellungnahme zur Zurechnungslehre: Zurechnungs.Eine Wertrechnung im sub;ektiven Sinn ist - zumindesten im strengen Sinn einer lehre Rechnung mit mathematischen Größen - nicht möglich. Man kann deshalb auch nicht die Preise der Produktionsmittel als von einer derartigen Zurechnung bestimmt ansehen. Man kann das Verhältnis von Preisbildung und Zurechnung nicht so betrachten, als ob zuerst die subjektive Wertung eine rein subjektive Zurechnung vonzöge, auf deren Grundlage sich dann eine quantitativ bestimmte Nachfrage aufbaue, durch welche die Preise bestimmt würden. Sondern, Preise müssen auch hier schon gegeben sein, damit die Zurechnung in einer Weise möglich ist - bzw. die rein subjektive Wertzurechnung sich in eine quantitativ bestimmte Nachfrage umsetzt -, daß sie die Preisbildung bestimmen kann8 •• Die mit subjektiven Werten operierende Zurechnungslehre gilt im Grunde nur für die isolierte Einzelwirtschaft. In der Marktwirtschaft geht es um die Preiszurechnung, nicht um die Wertzurechnung. Nach lIEFMANN gehört die ganze Wertlehre und mit ihr die Zurechnungsvorstellung zu den .Scheinproblemen, die sich wie eine ewige Krankheit von einer Generation zur anderen forterben'. Der Unternehmer kalkuliert auf Grund der Preise der Kostengüter und der Produkte. OTTO CONRAD ist zwar zuzustimmen, wenn er sagte: .Die Zurechnung der Praxis ist eine Preisrechnung und keine Wertrechnung" , doch ging es bei der Zurechnungslehre nicht um ein praktisches ökonomisches Problem; vielmehr um die Schließung einer Lücke im Gedankenbau der Grenznutzenlehre. Das ist zweifellos nicht gelungen. Erst WALRAS verstand es, dieses Problem in seinem System statt durch kausale, durch funktionale Beziehungen zu lösen. Weiterhin bereitete es der Nutzwertlehre Schwierigkeiten, den Gesamtwert eines Gutsvorrats zu ermitteln, d. h. die Gesamtrnenge der für einen Verbraucher

in Frage kommenden Güter. Diese praktisch und für die nationalökonomische Theorie wenig bedeutungsvolle Frage wurde von WIESER so beantwortet, daß KNUT WICKSELL, Uber Wert, Kapital und Rente. Jena 1893. S. XII. ALFRED AMONN, Emil Lederers .Grundzüge der ökonomischen Theorie". Kritische Bemerkungen zur Arbeitswerttheorie und Grenznutzentheorie. Weltw. Arch., 23, 2, 7

8

18(H (1926).

Gesamtwert eines Guts'I)orrats

188

Siebentes Kapitel

er den Gesamtwert durm Multiplikation des Grenznutzens mit der Gesamtmenge entstehen ließ. Er begnügte sich statt eines Beweises mit dem Hinweis. daß man dom gleime Stücke aus einem Vorrate nimt ungleim bewerten könne. BÖHM-BAWERK wandte demgegenüber ein. daß der Gesamtwert eines kleinen Gütervorrats wegen des abnehmenden Grenznutzens größer sein könne als der eines großen Gütervorrats. Die Konsequenz wäre. daß. weil der Grenznutzen des letzten Teilchens des freien Gutes atmosphärischer Luft null ist. auch der Gesamtwert deshalb null sei. Das sei aber offenbar widersinnig. weshalb BÖHMBAwERK die Ansimt vertrat. der Gesamtwert des Vorrats sei die Summe der ungleimen Teilwerte der einzelnen Stücke. HANS MAYER suchte eine eigene Lösung. Bei Außeramtlassung des Zeitmoments sei zweifellos die Summenwertbildung richtig. Da jedoch alles Wirtschaften. also auch die Bewertung. in einem Zeitraum erfolge. gelangte HANS MAYER in Wirklichkeit zur WIEsERschen Lösung. Der Grenznutzen werde erst am Smlusse der Gesamtdisposition über die Güter bestimmt. Dann komme jeder Einheit der gleimeGrenznutzen zu. da jede Einheit den gleichen Nutzeffekt bewirke. Die Preis theorie Der Ubergang von der Wertlehre zur Preislehre erfolgte bei den Nutzwertder theoretikern auf folgende Weise: Da sich infolge der Subjektivität des Wertes Subjektivisten

bei den einzelnen verschiedene Wertschätzungen für bestimmte Güter ergeben. werden sie bestrebt sein. zwecks Maximierung des Nutzens. einen Tausch vorzunehmen. Jeder Tausmende schätzt den Wert der Güter. die er erwerben will. höher als den Wert derjenigen. die er abzugeben bereit ist. Es wird somit Wertungleiches getauscht. Bei isoliertem Tausch zweier Personen stehen sich die Wertschätzungen der Tauschenden gegenüber. Ist das eine Tausmgut eine Ware. das andere Geld. so wird es für den sich bildenden Preis der Ware viele Möglichkeiten geben: Die möglimen Preise liegen zwischen einer Obergrenze. die durch die Wertschätzung des Käufers. und einer Untergrenze. die durch die Wertsmätzung des Verkäufers bestimmt ist. liegen. Zu welmem Preis tatsächlich die Ware hingegeben wird. ist das Ergebnis einer mehr oder minder großen Geschicklichkeit der beiden Marktparteien. Bei einer Mehrzahl von Käufern und Verkäufern wird der Marktpreis innerhalb eines Spielraums festgelegt. der nach oben begrenzt ist durch die Wertsmätzung des letzten nom zum Tausch kommenden Käufers und des tauschfähigsten vom Tausm ausgeschlossenen Verkaufwerbers. nach unten durch die Wertschätzungen des mindest tausmfähigen noch zum Tausme gelangenden Verkäufers und des tauschfähigsten vom Tausch ausgesmlossenenKaufwerbers. Diesen Zusammenhang nannte BöHM-BAWERK das Gesetz der Grenzpaare. Bei einem großen entwickelten Markt rücken Preisober- und Preisuntergrenze so dimt aneinander. daß sie nahezu zu einem einheitlichen Punkt werden. Damit vereinfamt sich das Gesetz der Preisbildung. Der Preis wird bestimmt durch die Wertschätzung des Grenzkäufers. des noch zum Kauf kommenden Bewerbers. der die letzte angebotene Menge am höchsten schätzt.

Wiederbelebung der Theorie

189

Rein formal liegt ein großer Vorzug der subjektivistischen Wertlehre für die Preistheorie vor allem darin, daß sie, anders als die Wertlehre RICARDOS, ein einheitliches Prinzip für die Preisbildung der Güter gibt. Dieser hatte unterscheiden müssen zwischen beliebig reproduzierbaren Gütern, deren Preis nach den geringsten Kosten gravitiere, und den nicht beliebig reproduzierbaren Gütern, deren Preis entsprechend den Neigungen und der Zahlungsfähigkeit der Käufer zustande komme. Ähnliches galt für die Arbeitswertlehre, die in der Gestalt, die ihr MARX gegeben hatte, gewissen Waren (z. B. den unbearbeiteten Gaben der Natur) den Gutcharakter absprechen mußte, um eine Einheitlichkeit zu erreichen. Die subjektivistische Wertlehre führte demgegenüber den Preis aller Güter einheitlich auf den Nutzen zurü aufzulösen und sie getrennt zu ermitteln. Keines dieser Einkommen könne nach dem Grenzertragsprinzip in seiner Höhe festgestellt werden. da keines ohne ein anderes denkbar sei. So war er der Meinung. wie früher schon die Klassiker. daß dieses Einkommen in einem gewissen Verhältnis zum Kapital des Unternehmers stehe. daß der Kapitalertrag eine Funktion der Unternehmertätigkeit sei. wenn • vielleicht anderseits der Begriff einer streng proportionalen oder einer mittleren Profitrate. den die früheren Nationalökonomen aufzustellen suchten. eine zu weitgehende Vereinfachung war. so wenn ADAM SMITH etwa meinte. daß der Profit allgemein als doppelter Zins aufgefaßt werden könne· (MAc GREGOR). Zu dieser Erklärung des Unternehmergewinns ist zu sagen. daß auch die anderen volkswirtschaftlichen Elementareinkommen Lohn. Zins. Rente nicht immer in der Praxis scharf voneinander zu trennen sind und wir dennoch zur theoretischen Klärung auf diese Unterscheidungen nicht verzichten können. So erscheint beispielsweise die Bodenrente in der Wirklichkeit nie in reiner Form; das Einkommen aus Boden ist zum Teil immer auch Zins und Lohn. Dennoch hat sich die Fruchtbarkeit der Theorie von der volkswirtschaftlichen Kategorie Bodenrente seit den Tagen ANDERSONs und RICARDOS immer wieder erwiesen.

Totalised-pro/it treatment

6. • Mathematische Nationalökonomie· Eine große Zahl von Vertretern der Nutzwertlehre pflegte bei der Darstellung ihrer Gedanken die mathematische Formulierung. Das gilt in besonderem Maße von der Lausanner Schule. Es ist aber im Grunde nicht richtig. von einer mathematischen Schule oder auch nur von einer mathematischen Methode zu sprechen. Um eine Schule. d. h. um eine Gruppe von Nationalökonomen. die eine gleiche Grundauffassung vertreten. kann es sich schon deshalb nicht 14 Kr.-

Keine »mathematische Schule"

210

Siebentes Kapitel

handeln, weil die Autoren, die ihre Ausführungen in mathematische Form bringen, den verschiedensten Richtungen angehören und nicht einem gemeinsamen Programm folgen. Anhängern des klassischen Systems, wie MANGOLDT, der als erster in Deutschland die Theorie des Angebots und der Nachfrage in mathematischer Form entwickelte, stehen Vertreter der Nutzwertlehre gegenüber wie bON WALRAS, der den statischen Wirtschaftsprozeß als erster umfassend in mathematische Funktionen gefaßt hatte. Auch von einer eigentlich mathematischen Methode kann deshalb keine Rede sein, weil Nationalökonomen, die der abstrakten Methode huldigen, sich nur in der Art der Darstellung des Beweisganges und der Fakten von den übrigen Autoren dieser Richtung unterscheiden. Oberall dort, wo Quantitäten in Frage stehen, ist die mathematisme Schreib- und Darstellungsweise möglim, und es ist nur eine Frage der Zweckmäßigkeit und der persönlichen Neigung, ob man sich der gewöhnlichen Sprame oder der Sprache der Mathematik mit Symbolen, Formeln, Gleimungen, Funktionen und Diagrammen bedienen will. WILLIAM STANLEY JEVONS wandte die Mathematik nicht nur auf die National] evons und die Anwendung ökonomie in weitgehendem Umfang an, sondern er versuchte auch das Maß der Mathematik des mathematismen Charakters unserer Wissensmaft anzugeben. Da die Okonomie durchweg Quantitäten zum Gegenstand habe, müsse sie eine mathematische Wissenschaft sein. Es könne nur zwei Arten von Wissenschaften geben, solche, die rein logisch sind, und solche, die außer logisch zu sein, auch mathematism sind. Wenn eine Wissenschaft bloß feststellt, ob ein Ding ist oder nicht - ob ein Ereignis eintreten wird oder nicht -, so müsse sie eine rein logische sein; aber wenn das Objekt größer oder kleiner sein oder das Ereignis früher oder später eintreten kann, dann greifen mengenmäßige Begriffe Platz, und die Wissenschaft müsse ihrer Natur nach mathematisch sein, wie immer man auch sie benennen möge. Solche quantitativen Begriffe seien aber die Zentralbegriffe der Volkswirtschaftslehre wie Preis, Kapital. Arbeit, Lohn, Zins, Nutzen, Wert usw. Die Gesetze des Tausches zeigten große Ähnlichkeit mit dem Gleichgewichtsgesetz des Hebels. Alle Kausalitäten und Gesetzmäßigkeiten, die Mengen betreffen, seien mathematisch, gleichgültig, ob sie in Formeln ausgedrückt wurden oder nicht. So wie UPLACE die Ergebnisse der physikalischen Astronomie in gewöhnlicher Sprache beschrieben habe, könne man auch in der Okonomie an der Vermeidung der mathematischen Ausdrucksweise festhalten. Die mathematisme Form jedoch erleichtere die Darstellung und das Verständnis der Wirtschaftslehre, soweit sie es mit Mengen und verwickelten Beziehungen von Mengen zu tun habe. Die Algebra vermeiden heiße nur, sich weigern, das vollkommenere Mittel auf Kosten eines unvollkommenen zu benutzen. Die mathematischen Formeln sollen uns bei den verwickelten Gedankengängen führen: .Ich glaube ... , daß hinsichtlich des mathematischen Sdllußverfahrens ... kein wesentlicher Unterschied unter den Theoretikern der Wirtschaftslehre besteht ..• So sind die Volkswirtschaftler die längste Zeit Mathematiker gewesen, ohne sich dessen bewußt zu werden. Das unglückliche Ende ist, daß sie gewöhnlich sdllechte Mathe-

Wiederbelebung der Theorie

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matiker waren und ihre Werke zusammenstürzen müssen. Deshalb war die ausdrückliche Anerkennung des mathematischen Charakters der Wissenschaft eine fast notwendige Bedingung jeder wirklichen Verbesserung der Theorie ... Die gewöhnliche Sprache kann zumeist die ersten Grundwahrheiten einer Wissenschaft ausdrücken und oft auch die gereiften Ergebnisse. aber sie kann uns nur auf sehr lahme. dunkle und weitschweifige Weise durch das Labyrinth der Schlußfolgerungen führen 15 •• }EVONS war jedoch nicht der erste. der mathematische Symbole verwandte. Von den ökonomischen Schriftstellern. die sich der Mathematik bedienten. war einer der frühesten FRANCIS HUTcHEsoN. der Begründer der schottischen Moralphilosophie. einer· der bedeutendsten der Deutsche THÜNEN und einer der originellsten in der Art der Darstellung der Franzose AUGUSTIN COURNOT (1801 - 1877).

COURNOT hatte in seinen .Recherches sur les principes mathematiques de la Cournot theorie de la richesse" (1838) die Denkformen der höheren Analysis auf eine Reihe ökonomischer Sätze angewandt und hier zeigen können. daß man die Forschungen auf diese Weise weiter treiben kann. als es in der gewöhnlichen und wissenschaftlichen Sprache aus Gründen der Schwerfälligkeit möglich ist. Er hatte eine Mechanik der Preise und als erster die Nachfragefunktion eingeführt. Er war bei seinen Untersuchungen über die Preisbildung vom methodisch Einfacheren. wenn auch sachlich Besonderen ausgegangen. und war erst dann zum Komplizierten gelangt. Er hatte mit dem Fall des Monopols begonnen; dann waren monopoloide Gestaltungen und schließlich der vollständige Wettbewerb gefolgt. Besonders in der Monopollehre. bei der die Anwendung von Maxima und Minima der höheren Analysis möglich ist. zeigte sich das mathematische Vorgehen als besonders zweckmäßig. Seine Ausführungen über das Monopol waren bis in die Gegenwart hinein das Eingehendste und Beste. was die Theorie auf diesem Felde zu bieten hatte. Leicht ist allerdings diese Schrift nicht zu lesen; selbst }EVONS mußte bekennen. daß er nicht alle Teile gemeistert habe. da seine mathematischen Kenntnisse nicht hinreichten. der Analyse überall zu folgen. Hier zeigen sich deutlich die Grenzen der mathematischen Darstellung. Ein allzu großes Maß von Algebra wird das Verständnis nicht erleichtern. sondern erschweren. Richtig ist jedenfalls. was der Smithianer GEORG VON BUQUOY (1781- 1851) in seiner. Theorie der Nationalwirtschaft" (1815) gesagt hatte: .Die Algebra soll uns in der Staatswirtschaft nicht auf trockene Rechnungsresultate führen. sie soll uns vielmehr bloß erhabene Gesetze enthüllen. wonach der quantitative Einfluß der wechselseitig einander bedingenden Umstände ersehen werden kann l6 •• Ein Pionier der Verwendung der mathematischen Methode in der Theorie Thünen und zugleich ein Pionier der Okonometrie war THÜNEN gewesen. Im zweiten 15 W. STANLEY JEVONS. Die Theorie der politischen Okonomie. Jena 1924. S. XXXVIII bis XXXIX. 16 GEORG VON BUQuOY. Erläuterung einiger eigener Ansichten aus der Theorie der Nationalwirtschaft. Leipzig 1817. S. 234.

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Siebentes Kapitel

Band seines • Isolierten Staates" (1850) hatte er sich entschuldigt, gleichsam mit algebraischen Ausdrücken operiert zu haben: .Aber die Anwendung der Mathematik muß da erlaubt werden, wo die Wahrheit ohne sie nicht gefunden werden kann. Hätte man in anderen Fämem des Wissens gegen den mathematismen Kalkül eine solche Abneigung gehabt wie in der Landwirtsmaft und der Nationalökonomie, so wären wir jetzt nom in völliger Unwissenheit über die Gesetze des Himmels; und die Schifiahrt, die durm die Erweiterung der Himmelskunde jetzt alle Weltteile miteinander verbindet, würde sim nom auf die bloße Küstensmifiahrt besmränken17,·

Markt und Preis und Mathematik

Wirtschaftstheorie und Statistik

Im romanischen Sprachgebiet fand die Mathematik bald weitgehende Verwendung. Die Lausanner Schule (bON WALRAS, VILFREDO PARETO, MAFFEO PANTALEONI, ENRICO BARONE u. a.) entwickelte eine funktionelle Theorie. In England waren es MARSHALL, EDGEWORTH, WICKSTEED, PIGOU u. a., die die Preistheorie und die Wohlfahrtsökonomie mit mathematischen Mitteln zur Darstellung brachten. Im deutschen Sprachgebiet fand die Mathematik erst spät und zögernd Anwendung. Die • Untersuchungen über die Theorie der Preise" (1889) von RUDoLF AUSPITZ und RICHARD LIEBEN fanden zu ihrer Zeit ebensowenig Beachtung wie MANGOLDTS Pionierleistungen und WILHELM UUNHARDTS .Mathematische Begründung der Volkswirtschaftslehre" (1885). Die mathematische Darstellungsweise hat sich als besonders fruchtbar bei der Untersuchung der Marktprobleme erwiesen. Sie verdeutlichte den Gesamtzusammenhang der Preise, indem sie an die Stelle der einfachen Kausalbeziehung die Funktionsbetrachtung setzte. Hatte beispielsweise der Politische Arithmetiker GREGORY KING im 17. Jahrhundert eine empirische Gesetzmäßigkeit feststellen können, wonach Getreideangebot und Getreidepreis sich nicht genau umgekehrt proportional zueinander verändern (sog. Kingsche Regel), so gelang es erst mit mathematischen Mitteln, dieses statistische Phänomen in einen größeren Zusammenhang zu stellen. MARs HALL verwandte die Begriffe der Elastizität von Angebot und Nachfrage, die exakte Verhältnisse darstellen und die als Mittel zur Messung der Nachfrage und des Angebots in der theoretischen Analyse neue Erkenntnisse vermitteln sollten. Man versteht unter der Preiselastizität der Nachfrage eines Gutes das Verhältnis der relativen Nachfrageänderung zur relativen Preisänderung oder - anders ausgedrückt - die Zahl. die angibt, um wieviel Prozent sich die nachgefragte Menge ändert, wenn der Preis sich um 1% erhöht oder ermäßigt. Die Verbindung von Theorie und Statistik in der Wirtschaftswissenschaft ist verhältnismäßig neueren Datums. Abgesehen von einigen tastenden Versuchen der Politischen Arithmetiker im 17. Jahrhundert, mit allerdings völlig unzureichenden statistischen Hilfsmitteln, liefen Theorie und zahlenmäßige Tatsachenbeschreibung nebeneinander her, ohne sich gegenseitig zu durch17 JOHANN HEINRICH VON THÜNEN, Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie. Jena 1910. S. 569.

Wiederbelebung der Theorie

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dringen. Nur auf dem Gebiete der Konjunkturforschung und Konjunkturstatistik mit ihrer Konjunktursymptomatologie gingen Theorie und Statistik eine engere Verbindung ein. Es liegt im Wesen der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie. von einer Reihe grundlegender Beobachtungen auszugehen. wie etwa der rationalen Verwendung gegebener Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. oder dem Streben des einzelnen nach Gewinn. Außerdem ist für die theoretische Forschung ein institutioneller Rahmen der Wirtschaft nötig. wie Geldverfassung und Wettbewerbsformen. in dem die theoretischen Gesetze Gültigkeit haben. Aus diesem werden dann auf deduktivem Wege Schlüsse gezogen. die unter diesen Voraussetzungen für die Wirtschaft Allgemeingültigkeit haben. Die so durch Deduktion gewonnenen Sätze sind empirisch nur insoweit begründet. als die Grundvoraussetzungen der Erfahrungswelt entnommen sind. Die empirischen Annahmen stehen am Anfang der Kette von Schlußfolgerungen und sind natürlich sehr allgemeiner Natur. Die Verwendung der mathematischen Ausdrucksweise kann dann wiederum nur die quantitativen Annahmen und Schlußfolgerungen in algebraischer. nicht in arithmetischer. d. h. nur in allgemeiner Weise darstellen. die auf spezielle Fälle Anwendung finden sollen. Aber genaue Aussagen sind natürlich dann nicht möglich. und diese allgemeinen Sätze reichen in der Praxis sehr oft für eine eindeutige Schlußfolgerung nicht aus. Hier setzte die Okonometrie ein. um diese .leeren Schachteln· 0. H. CLAP- Ökonometrie HAM). die abstrakten theoretischen Symbole und Lehrsätze mit konkreten statistischen Größen zu füllen. Allerdings können dann die Schlußfolgerungen nicht mehr ganz allgemeiner Natur sein. sondern sie gelten nur bei Ubereinstimmung der in den Deduktionen verwendeten Größen mit den örtlich und zeitlich determinierten empirisch gefundenen Quanten. Die Okonometrie ist keine Analyse völlig abstrakter theoretischer Modelle. auch nicht abstrakter theoretischer Modelle in mathematischer Formulierung allein. sondern eine Analyse. die mit statistisch ermittelten numerischen Größen operiert. Die Okonometrie ist daher keineswegs identisch mit Wirtschaftsstatistik ; auch ist sie nicht gleichbedeutend mit dem. was gemeinhin unter Theorie verstanden wird. wenn auch ein großer Teil der volkswirtschaftlichen Theorie quantativen Charakter trägt. Es ist auch Okonometrie nicht dasselbe wie die Anwendung der Mathematik auf die Volkswirtschaftslehre. Erst die Zusammenfügung von Statistik. Theorie und mathematischer Behandlungsweise maroen das aus. was man heute Okonometrie nennt. Die deutschen Statistiker ERNST ENGEL 0821- 1896) und HERMANN SCHWAll hatten schon im 19. Jahrhundert Gesetze aufgestellt über die Abhängigkeit der Ausgaben für Nahrung bzw. Wohnung von der Größe des Einkommens. Die ersten Beiträge zur modernen ökonometrischen Forschung waren die Arbeiten von IRVING FISHER • The Purchasing Power of Mony· (911) und HENRY MOORE .Laws of Wages· (911). Für MOORE war die statistische Analyse

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Siebentes Kapitel

untrennbarer Teil der theoretischen Forschung. Methodisch müsse man so vorgehen. daß man von der konkreten Tatsachenwelt in ihrer ganzen natürlid1cn Verwickeltheit ausgeht. dann die wichtigsten Faktoren herauslöst. um ihre relative Bcdcutung zu messen und die Gesetze zu ennitteln. auf Grund derer die Gesamtwirkung zustande kommt. HENRY SCIIULTZ (1893 - 1938>. ein Schüler von MOORE. sah in der Statistik ein wichtiges Instrument; man könne jedoch hieraus allein keine Gesetze ableiten: .Genau wie ein Seemann braucht auch der Forscher auf dem Gebiet der Quantitäten einen Kompaß. wenn er seine eigene Arbeit richtig verstehen will. er braucht eine ökonomische Theorie .. , Man mag sie genau zu prüfen haben. aber über eine Theorie muß er verfügen I8 ••

Problematik lind Bedeutung der Okonometrie

Am Anfang der Entwicklung der ökonometrischen Forschung stand der Versuch. empirische Nachfragefunktionen für gewisse landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Vereinigten Staaten zu ennitteln. Gestützt auf die Erkenntnisse der modernen mathematischen Statistik machte die Okonometrie im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts auf vielen Gebieten. nicht zuletzt auf dem Gebiet der Konjunkturforschung und dem der volkswirtschaftlichen Gesamtgrößenforschung (Makroökonomik) große Fortschritte. Die Okonometrie befindet sich ganz allgemein in einer schwierigen Lage. In der Regel ist es sehr kostspielig. das benötigte Zahlenmaterial zu gewinnen. denn viele Tatsachen. die für ein vollständiges Bild nötig sind. werden von amtlichen Organen oder Einzelwirtschaften entweder gar nicht ennittelt oder doch nicht veröffentlicht und geheimgehalten. Durch spezielle Untersuchungen von Forschern und Forschungsinstituten kann zwar manches ennittelt werden, aber die Kosten dafür sind so beträchtlich. daß dieser Weg in vielen Fällen nicht gangbar ist. Nicht zufällig ist die Okonometrie in den reichen Vereinigten Staaten am weitesten fortgeschritten. wo eine Vielzahl von ständigen Forschungsbüros mit großem statistischem Apparat am Werke ist und auch von Seiten der Behörden immer wieder Untersuchungskomitees eingesetzt werden. Bei alledem ist wohl zu beachten. daß mit den oft bei größtem personellen und sachlichen Aufwand ennittelten statistischen Zahlen nur ein Tatsachenbild für einen Zeitpunkt oder eine Zeitstrecke und einen bestimmten Ort aufgestellt ist. Die Wirtschaft unterliegt jedoch zeitlichen Veränderungen und ist von Land zu Land verschieden. Es ist nicht zu venneiden. daß das Material im selben Augenblick schon veraltet ist. in dem es veröffentlicht wird. Das Ziel. das angestrebt wird. die Parameter der theoretischen Deduktionen zu finden. verschiebt sich ständig. Selbst dann. wenn wir in der Lage wären. die Parameter in der Volkswirtschaft für heute zu bestimmen. können wir nicht mit Sicherheit sagen. ob diese Werte auch morgen noch richtig sind. Das aber muß die ökonometrische Forschung entmutigen. wenn sie unter großen Mühen und Kosten 18 HENRY SCHULTZ, Mathematical Economics and the Quantitative Method. The Journal of Political Economy. 1927. S.702.

Wiederbelebung der Theorie

215

einige Parameter determiniert hat, die inzwischen historische Größen geworden sind und die nun wiederum als exakte Quanten nicht eingesetzt werden können. Quellen in deutscher Sprache zum 7. Kapitel.

MENGER, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. Wien und Leipzig !1923; Untersuchungen über die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Okonomie insbesondere. Leipzig 1883; Die Irrtümer des Historismus in der deutschen Nationalökonomie. Wien 1884; Schriften über Geldtheorie und Währungspolitik. London 1936; Kapitalzins und Unternehmergewinn. D. M. VIII.; Kapital und Kapitalzins. D. M. XV.; Das Eigentum. D. M. XVII.; Untersuchungen über das Grundgesetz der wirtschaftlichen \\Tertrechnung (Zeitschrift für Nationalökonomie. Bd. XV). - JEVONS, Die Theorie der politischen Okonomie. Jena 1924. - WALRAS, Mathematische Theorie der Preisbestimmung der wirtschaftlichen Güter. Stuttgart 1881; Theorie des Geldes. Jena 1922. GOSSEN, Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln. Berlin 31927. - WIESER, Ursprung und Hauptgesetze des wirtschaftlichen Wertes. Wien 1884; Der natürliche Wert. Wien 1889; Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. Tübingen 21924; Der Geldwert und seine Veränderungen (Gesammelte Abhandlungen. Tübingen 1929). - BÖHM-BAWERK, Kapital und Kapitalzins. 3 Bde. Jena 41921; Kleine Abhandlungen über Kapital und Zins. Wien 1926; Wert und Preis. 2. Tl. D. M. V.; Kapitalzins und Unternehmergewinn. D. M. VIII.; Kapital und Kapitalzins. D. M. XV. - H. MAYER, Art. Zurechnung. Handwörterb. d. Staatsw. Bd.8. Jena 41928; Der Erkenntniswert der funktionellen Preistheorien. In: Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart. Bd. 2. Wien 1932. - ZWIEDINECK, Einkommen als Geldwertbestimmungsgrund (Schmollers Jahrbuch 1909). - AFTALlON, Die Einkommenstheorie des Geldes und ihre Bestätigung durch die gegenwärtigen Phänomene (Wirtschaftstheorie der Gegenwart. Bd. 2. Wien 1932). - MISES, Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel. München und Leipzig 1924. - FISHER, Die Zinstheorie. Jena 1932. - MARS HALL, Handbuch der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart und Berlin 1905; Von der Grundrente. D. M. III.; Wert und Preis. D. M. V. - lIEFMANN, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. 2 Bde. Stuttgart und Berlin 1917/19; Die Theorie des Monopolpreises. In: Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart. Bd.2. Wien 1932. CLARK, Produktion als Organisation von Nutzen und Kosten. In: Die \Virtschaftstheorie der Gegenwart. Bd.2. Wien 1932; Kapital und Kapitalismus. D. M. XV. COURNOT, Untersuchungen über die mathematischen Grundlagen der Theorie des Reichtums. Jena 1924. - BARONE, Grundzüge der theoretischen Nationalökonomie. Bonn 21935. - MITCHELL, Der Konjunkturzyklus. Leipzig 1931. - I. FISIiER, Die Kaufkraft des Geldes. Berlin 1916. - SCHULTZ, Der Sinn der statistischen Nachfragekurven. Bonn 1930.

Achtes Kapitel

Die Entwicklung der Lehre vom ökonomischen Gleichgewicht 1. Das partielle Gleichgewicht - 2. Das allgemeine Gleichgewicht - 3. Die Theorie der Wahlakte - 4. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen - S. Das räumliche Gleichgewicht - Quellen.

I. Das partielle Gleichgewicht Partielles und allgemeines Gleichgewicht

Erkenntnisziel, der Gleichgewichtslehre

Marshalls Analyse des partiellen Gleichgewichts

Die Lehre vom ökonomischen Gleichgewicht tritt uns als Lehre vom partiellen Gleichgewicht am Markte und als Lehre vom allgemeinen Gleichgewicht in der Volkswirtschaft entgegen. Während die Analyse des partiellen Gleichgewichts. die sich um Partialgleichgewichte auf einzelnen Märkten (Preis. Lohn. Zins insbesondere) bemühte. für die Wirtschaftspraxis sehr fruchtbar wurde. kam die Lehre der Lausanner Schule vom allgemeinen Gleichgewicht nicht über das Stadium der Grundlagenforschung hinaus. Mit der Analyse des allgemeinen Gleichgewichts wollte man eine exakte Wirtschaftslehre aufbauen. die weniger der Praxis dienen als vielmehr als Erkenntnistheorie das Wissen um die wirtschaftlichen Beziehungen der Menschen untereinander unter vereinfachenden Modellannahmen erweitern sollte. Der Gleichgewichtslehre ging es darum zu prüfen. 1) ob die Konkurrenz unter statischen Voraussetzungen wirklich zu stabilen Verhältnissen auf dem Markt führe. 'so daß für Haushalte und Erwerbsunternehmungen kein Anlaß besteht. die getroffenen Dispositionen zu ändern. 2) ob jede Abweichung von diesem Gleichgewicht durch das freie Spiel der Kräfte zu einem neuen Gleichgewicht am Markte führe und 3) ob dadurch den Tauschpartnern ein Optimum an Nutzen oder Ertrag gesichert werde. Das waren die Fragen. die die Lehre vom partiellen Gleichgewicht zu beantworten suchte. Daneben und darüber hinaus suchte man 4) Klarheit darüber. ob sich wirklich - was oft behauptet. doch nie bewiesen worden war - bei Konkurrenz im gesamten Wirtschaftssystem ein allgemeines Gleichgewicht der Märkte einstelle. bei dem zugleich das wirtschaftliche Optimum. d. h. eine optimale Versorgung der Konsumenten bei gegebenen Bedürfnissen und gegebener Einkommensverteilung realisiert ist. MARSHALLs besondere Leistung liegt darin. das Wesen und die Gesetzmäßigkeiten des partiellen Gleichgewichts erarbeitet zu haben. Dabei präzisierte er in seinen .Principles of Economics' (1890) die Gesetze der Preisbildung auf den einzelnen Märkten. Er ging über die ältere österreichische Schule hinaus. die

Die Entwicklung der Lehre vom ökonomischen Gleidlgewicht

217

angenommen hatte, daß das Angebot gegeben und daß die Nachfrage der Faktor sei, der Wert und Preis bestimme. Bei der Erklärung der Angebots- und Nachfragebedingungen auf einem Markte handhabte er die geometrische Darstellungsweise mit großem Geschick. Er stellte die auf einem bestimmten Markte zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Nachfragebedingungen durch Nachfragekurven, die Angebotsbedingungen durch Angebotskurven dar. Wie schon bei früheren Autoren (z. B. im .Lehrbuch der politischenOkonomie" von KARL HEINRICH RAu, Bd. 1,51847) erschien die Nachfrage bei freier Konkurrenz in einem rechtwinkligen Koordinatensystem (in dem auf der Ordinatenachse die Preise und auf der Abszissenachse die Mengen gemessen werden) als eine Kurve, die von links oben nach rechts unten verläuft, das Angebot als eine Kurve, die auf kurze Sicht von links unten nach rechts oben verläuft. Die negative Neigung der Nachfragekurve wurde abgeleitet aus dem Sinken des Grenznutzens bei wachsender Menge, die positive Neigung der Angebotskurve aus dem Steigen der Produktionskosten bei wachsender Menge. Der Schnittpunkt beider Kurven ist der Gleichgewichtspunkt M (später MARsHALLscher Punkt genannt), von dem aus der Marktpreis und die zu diesem am Markte umgesetzte Menge abgelesen werden können. Immer wird es zu einem Marktgleichgewicht kommen, das - bei sonst gleichbleibenden Umständen - stabil ist. Sind diese Kurven gegeben, dann gibt es keine weiteren ökonomischen Kräfte, die auf eine Veränderung des Preises hindrängen. Es besteht Gleichgewicht am Markte. Durch Änderung der Bedingungen, beispielsweise durch Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts - was eine größere Kaufwilligkeit der Nachfrage bedeutet -, wird sich alsbald ein neues Gleichgewicht am Markte im Schnittpunkt der Angebotskurve mit der neuen Nachfragekurve einstellen. Die Voraussetzung, die MARS HALL dabei machte, war, daß außer der (in diesem Beispiel) vergrößerten Nachfrage alle anderen Faktoren konstant bleiben. Auf diese Weise behandelte MARSHALL die Wirkungen verschiedener Änderungen von Faktoren auf das Gleichgewicht. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Messung der Eigenschaften der Nachfragekurven der Güter war dabei der aus einem Aufsatz aus dem Jahre 1870 von FLEEMING JENKIN übernommene Begriff der Elastizität der Nachfrage: .Die Elastizität der Nadlfrage auf einem Markte ist groß oder klein, je nadldem der Umfang der Nachfrage bei einem gegebenen PreisfaIle stark oder wenig zunimmt und bei einer gegebenen Preiserhöhung stark oder schwach abnimmt ... Wir können sagen, die Elastizität der Nachfrage ist eins, wenn ein geringer PreisfaIl ein proportional gleiches Ansteigen der nachgefragten Menge verursacht: oder wie wir grob ausgedrückt sagen, wenn ein PreisfaIl von 1 % den Absatz um 1 % vergrößert, daß sie 2 ist oder 1/2• wenn ein PreisfaIl von 1 % ein Ansteigen der nadlgefragten Menge von 2 bzw. 1/2 % mit sich bringt, usw. l " 1 ALFRED MARSHALL, Principles of Economics. London 81922. S. 102. eHR. FLEEMING }ENKIN, The Graphie Representation of the Laws of Supply and Demand. und o:her Essays on Political Economy. The London School of Economics and Political Science. Series of Reprints of Scarce Tracts, no. 9, London 1931.

Angebots- und Nachfragekurven

Preiselastizität der Nachfrage

218 Mängel der Analyse des partiellen Gleichgewichts

Achtes Kapitel

Die Theorie des partiellen Gleichgewichts. des Gleichgewichts auf einzelnen Märkten ist aber nicht ohne Bedenken. Es wird durch die Bedingung .sonst gleichbleibender Umstände· die Inte· dependenz aller Preise nicht berücksichtigt. Die Veränderung des Preises eines Gutes hat aber stets einen (wenn auch noch so geringen) Einfluß auf die Preise aller anderen Güter in der Volkswirtschaft. Das hatte schon MANGOLDT mit aller nötigen Klarheit mit seinen Gesetzen der zusammenhängenden Preise festgestellt. Dieser theoretischen Schwäche des Konzepts vom partiellen Gleichgewicht war sich MARS HALL wohl bewußt. Er vernachlässigte absichtlich die Interdept'n· denzen. Anderseits berücksichtigte er. daß sich der Anpassungsprozeß an das Gleichgewicht in verschiedenen Zeitperioden (kurze Sicht. lange Sicht) vollziehen kann und wandte überdies seine Methode der Partialanalyse nur an. wenn sich die Änderungen am Markte in engen Grenzen hielten. Bei geringen Verschiebungen an einem Markte könnten die Rückwirkungen auf andere Märkte und von diesen zurück auf den zu untersuchenden Markt vernachlässigt werden. MARSHALL war der Meinung. der Volkswirt könne der Praxis besser dienen. wenn er Teile des ökonomischen Systems zunächst isoliert und dann studiert. als wenn er alle theoretisch möglichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen des ökonomischen Gesamtsystems untersucht. Selbst JOHN R. HICKS. der die theoretischen Mängel dieser Analyse des partiellen Gleichgewichts klar demonstrierte. kam zu einem Schluß. der MARS HALLS Methode weitgehend rechtfertigt, .MARSHALL vernachlässigte den Einkommenseffekt. Er tat dies durch Annahme eines konstanten Grenznutzens des Geldes. was hieß. daß er die Wirkung auf die Namfrage vernachlässigte. die von Änderungen des Realeinkommens als Folge von Preisänderungen ausgeht. Für viele Zwecke war dies eine völlig gerechtfertigte Vereinfachung. und es vereinfachte seine Theorie ganz wesentlich. Dies ist wirklich eine jener genialen Vereinfachungen. von denen wir bei MARSHALL manche Beisp",,'le finden 2: MARSHALL war immer bestrebt. die Theorie unmittelbar praktischen Erfordernissen dienstbar zu machen. Die Nationalökonomie müsse eine praktische Wissenschaft sein. in dem Sinne. daß sie Ratschläge geben und die Wirtschaftspolitik beeinflussen könne. An diesem Ziel war auch sein wissenschaftlicher Apparat ausgerichtet.

2. Das allgemeine Gleichgewicht Ziel der Lausanner Schule

Die Lausanner Schule. die ein allgemeines Gleichgewicht entwickelte. wollte eine formale Theorie schaffen. um die Interdependenzen im Wirtschaftssystem und das Gleichgewicht der gesamten Wirtschaft unter Konkurrenzbedingungen nachweisen zu können. Ein Mangel der klassischen Nationalökonomie bestand ganz allgemein darin. daß sie noch an zu viele empirische Voraussetzungen gebunden war und daher noch keine exakte ökonomische Wissenschaft hatte werden können. Die Theo2 J. R. HICKS. Value and Capital. Oxford 1939. S.32.

Die Entwicklung der Lehre vom ökonomischen Gleichgewicht

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rie müsse, wurde jetzt gefordert, von allen empirischen Bindungen gelöst werden und in ein formales ökonomisches Beziehungssystem umgewandelt werden. Es gehe nicht mehr allein darum, das partielle Gleichgewicht jeweils auf den Einzelmärkten nachzuweisen, es sei vielmehr nötig, das Gleichgewicht aller Märkte in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit aufzuzeigen. Ein System der wirtschaftlichen Interdependenzen logisch-mathematischen Charakters war das Ziel, das man anstrebte. Das Erkenntnisziel war das Gleichgewicht aller ökonomischen Kräfte, das als Entsprechungsverhältnis ökonomischer Größen bei gegebenen Daten gefunden und bei exakter Fixierung der Bedingungen beschrieben werden sollte. Dazu wurden alle ökonomischen Größen als unendlich variabel und zeitlos gefaßt. Dann stellten sich eine Reihe entscheidender Fragen, die es zu beantworten galt: 1) Sind alle voneinander abhängigen ökonomischen Größen eindeutig determiniert? 2) Können die Bedingungen des Gleichgewichts zugleich auf allen Märkten erfüllt werden? Hieraus ergaben sich dann zwei weitere Pragen: 3) Können alle Verbraucher zugleich aus ihrem Einkommen ein Maximum an Nutzen ziehen? 4) Kann die Produktion zu den niedrigsten Kosten erfolgen? Es war naheliegend, die Beantwortung mit den Mitteln des mathematischen Verfahrens zu versuchen. Da eine Vielzahl von Bedingungen und Unbekannten besteht. sind so viele algebraische Gleichungen wie möglich aufzustellen. Wenn die Zahl der Gleichungen mit der der Unbekannten übereinstimmt, muß das System als determiniert gelten; wenn mehr Unbekannte als Gleichungen bestehen, so ist es indeterminiert, wenn weniger Unbekannte als Gleichungen vor· liegen, so ist es unlösbar. bON WALRAS (1834 - 1910) war der erste, der in seinen .Elements d'economie politique pure ou theorie de la richesse sodale" (1874) die Interdependenz aller wirtschaftlichen Größen in einem solchen geschlossenen System darzustellen suchte. Die Marktvorgänge wurden in eine Reihe von Gleichungen ge·· faßt, welche die Bedingungen des Gleichgewichtszustandes präzisieren. Diese Bedingungen sollten unabhängig voneinander und widerspruchsfrei sein. Da es WALRAS gelang, ebensoviel Gleichungen aufzustellen als es Unbekannte gibt. ergab sich ein allgemeines, nicht nur ein partielles Gleichgewicht. das sich selbst wieder herstellt, wenn es einmal gestört worden ist. WALRAS ging von einer zeitlos gedachten vollständigen Konkurrenz aus, bei der vier Bedingungen bestehen: 1) Jeder Konsument läßt seinen Nutzen maximal werden, was dadurch geschieht. daß für jedes Gut der gewogene Grenznutzen gleich wird. (WALRAS verwandte allerdings nicht den Begriff Grenznutzen, sondern den der .rarete" , die er als die Intensität des zuletzt befriedigten Bedürfnisses definierte). 2) Jeder Produzent strebt das Maximum seines Gewinnes an. 3) Es gibt nur einen einheitlichen Preis auf dem einheitlichen Markte für jedes wirtschaftliche Gut; dieser Preis läßt das gesamte Angebot der gesamten Nachfrage bei dieser Preishöhe gleich werden, und dieser Preis erlaubt den größtmöglichen Umsatz. 4) Alle Werte

Erkenntnisziel der Lehre 'Vom allgemeinen Gleichgewicht

Uon ~lras

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Achtes Kapitel

hängen nur ab von Gegebenheiten und Werten des gleichen Zeitpunktes (statisme Bedingung). WALRAS eliminierte - wie übrigens aum die anderen Theoretiker des allgemeinen Gleichgewichts - das Geld aus dem System. Er unterstellte, daß alle Tausmvorgänge sich so vollziehen, als wenn es kein Geld gäbe. Diese im Grunde unzulässige Abstraktion - eine arbeitsteilige Marktwirtsmaft ohne Geld als Tausmmittel ist undenkbar - hat nimt wenig zu der Trennung der Geldtheorie von der Gütertheorie beigetragen. Gleichgewicht des Tausches bei W'"lras

Im ersten Teil seiner .Elements d'economie politique pure" ging WALRAS zunächst davon aus, das Gleichgewicht des Tausches am Markte für die Konsumenten nachzuweisen. Als gegebene Größen gelten hierbei 1) die Mengen der Konsumgüter, die auf den Markt kommen (ohne Rücksimtnahme darauf, wie deren Angebot zustande kommt), und 2) die Zahl der einzelnen und ihre Bedürfnisse . Nur unter sehr wirklichkeitsfremden Annahmen könnten

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Achtes Kapitel

auch die Arbeitskostendifferenzen in eine allgemeine Standortlehre auf der Grundlage des Substitutionsprinzips eingebaut werden. Andeutungsweise ist dies durch EDGAR M. HoovER in • The Location of Economic Activity" (1948) geschehen, der jedoch die partielle Gleichgewichtsanalyse verwendet. Insoweit Regelmäßigkeiten in der Lohnhöhe bestehen, die auf Transportkosten beruhen (infolge der Notwendigkeit der Heranschaffung der Konsumgüter), ist eine Anwendung des Substitutionsprinzips in Hinsicht auf die Oberwindung der Entfernungen möglich. Im übrigen ist es keinesfalls so, wie PREDÖHL annahm, daß die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts bei WALRAS, PARETO oder CASSEL das Raumproblem schon enthalten habe; in Wirklichkeit wurde dort vom Wirtschaftsraum abstrahiert. Die Welt der Theorie vom allgemeinen Gleichgewicht ist eine EinPunkt-Welt: Auf dem vollkommenen Markte herrscht ein einheitlicher Preis, und das Wirtschaftsgebiet ist in einem Punkt komprimiert. Transportkosten gibt es dort nicht; Arbeit und Kapital sind vollkommen beweglich. Die räumliche Verteilung der Faktoren und ihre beschränkte Beweglichkeit, die Oberwindung von Entfernungen unter Aufwendungen von Transportkosten sind aber gerade die Bedingungen, die erst ein Standortsproblem stellen. Es ist also nicht die Standortstheorie in der Theorie vom allgemeinen Gleichgewicht enthalten, vielmehr ist diese selbst ein Sonderfall der allgemeinen Standortstheorie unter der verPalanders einfachten Annahme einer Ein-Punkt-\Velt. TORD PALANDER (.Beiträge zur Kritik Standortstheorie" , 1935) wandte sich zugleich gegen jeden Versuch, die Standortstheorie mit der Theorie vom allgemeinen Gleichgewicht in Zusammenhang zu bringen, welche die vollkommene Konkurrenz alsGrundannahme hat. Wenn, was notwendig sei. verschiedene lokale Märkte mit verschiedenen Preisen unterstellt werden, dann bestehe keine vollkommene Konkurrenz, weil die notwendige Bedingung einer großen Zahl von Käufern und Verkäufern für jedes Gut und jedes Produktionsmittel nicht gegeben sei. M. a. W. die räumliche Ausdehnung der Wirtschaft schließe schon von vornherein die vollständige Konkurrenz aus. Es sei also dieStandortstheorie nur bei Annahme beschränkter Konkurrenz sinnvoll, denn an verschiedenen Orten werden für die gleiche Ware verschiedene Preise erzielt. Damit fielen alle mit dem Kostenprinzip aufgebauten Thesen; denn eine Gleichheit von Preisen und Kosten sei dann ebensowenig gegeben wie die Gleichstellung von Grenzertrag und Preis, auf der allein eine allgemeine Standortslehre aufgebaut werden könne. Weiterhin betonte PALANDER, daß auch der Konsumort in einer Standortslehre nicht einfach als gegeben angenommen werden darf, weil dieser im funktionellen Zusammenhang mit dem Produktionsstandort stehe. Zudem könne, wie schon HANS RITSCHL . sei sie im Falle der unvollständigen Konkurrenz kleiner als unendlich (die Nachfragekurve für den Anbieter. die Absatzkurve. sei geneigt und verlaufe von links oben nach rechts unten); während bei vollkommener Konkurrenz eine Einschränkung des Angebots dem Anbieter keinen Vorteil bringen könne. sei dies. wie ROBINSON ausführte. der Fall sowohl beim Monopol als auch zunächst bei unvollkommener Konkurrenz. Durch Verringerung des Angebots erfolgt eine Vergrößerung des Gewinns (geometrisch dargestellt durch die Differenz von Durchschnittserlös und Durchschnittskosten im Schnittpunkt der Grenzerlös- und Grenzkostenkurve multipliziert mit der Menge) für jeden einzelnen Anbieter. Hierbei würden jedoch neue Wettbewerber in den Wirtschaftszweig gezogen. wenn der Zugang zum Markt frei ist. Das werde so lange andauern. bis jeder vielleicht noch vorhandene Monopolgewinn herauskonkurriert ist. Graphisch gesehen heißt das. daß die Kurve des Durchschnittserlöses (also die individuelle Nachfragekurve für den in unvollkommener Konkurrenz stehenden Anbieter) so lange nach links verschoben wird. bis sie die Durchschnittskostenkurve tangiert und Durchschnittserlös (Preis) mit Durchschnittskosten identisch werden. Die Kapazitäten seien nicht voll ausgenutzt. Preise und Kosten lägen höheI als bei freier Konkurrenz. Damit war eine plausible Erklärung gegeben für die in der realen Wirtschaft regelmäßig anzutreffende Dberkapazität der einzelnen 4

JOAN ROBINSON. The Economics of Imperfeet Competition. Repr. London 1950. S. 5.

Neue Entwicklungen der Theorie vom Markt und Preis

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Unternehmungen. Hiervon teilweise abweichend glaubte SCHUMPETER (.Business Cycles·. 1939) allerdings. daß die Uberkapazitäten in der unvollständigen Konkurrenz viel eher daher rühren. daß der Unternehmer lieber mit Mengenänderungen als mit Preisänderungen reagiere. wodurch bei Nachfragerückgang Uberkapazität entstehen müsse. Auch CHAMBERLIN ging davon aus. daß die vollständige Konkurrenz (er nannte Chamberlim sie .reine Konkurrenz·) nicht der Normalfall sei; das. was in aller Regel die monopolistische Konkurrenz Wirklichkeit kennzeichne. sei die monopolistische Konkurrenz. Jeder Anbieter sei Monopolist und habe doch Konkurrenten. Der monopolistische Wettbewerb sei ein Wettbewerb einer beschränkten Zahl von Anbietern mit nur beschränkt vergleichbaren (differenzierten) Gütern. Durch Kundenwerbung. Reklame und Qualitätsdifferenzierung auf der einen und Standort und Kundenverhältnis (Verkäuferpräferenz) auf der anderen Seite unterschieden sich die heterogenen Güter. Die Anbieter könnten durch ihre Mengengestaltung einen fühlbaren Einfluß auf den Preis der von ihnen angebotenen Erzeugnisse ausüben. Unterstützt durch die gegebenen Standortdifferenzen hätten sich die Anbieter eigene kleinere. gegen die Wettbewerber mehr oder weniger scharf abgegrenzte Märkte geschaffen. Der Preis sei dann für das einzelne Unternehmen nicht mehr eine gegebene feste Größe. sondern eine abhängige Variable. Wenn auch CHAMBERLIN Verhaltensweisen. die von der Gewinnmaximierung abweichen. berücksichtigte. so interessierte ihn doch in erster Linie diese mit ihren drei Aktionsparametern. die den Anbietern zu Gebote ständen: 1) die Preisanpassung. 2) die Produktvariation bei konstantem Preis und 3) die Reklameanpassung. Der monopolistische Wettbewerb CHAMBERLINS unterscheidet sich vom unvollkommenen Wettbewerb ROBINSONS vor allem dadurch. daß kein freier. sondern nur ein beschränkter Zutritt zum Markte besteht. weil die Präferenzen dies erschweren. Die stärkere Betonung der Produktvariation durch CHAMBERLIN ist ein charakteristischer Unterschied der beiden Lehren. Wegen des beschränkten freien Zugangs zum Markte könnten die Monopolgewinne nicht völlig herauskonkurriert werden (die Tangentensituation werde also tatsächlich nicht erreicht). weil sich das Produkt jedes Anbieters von dem der Konkurrenten tatsächlich oder in der Einbildung der Nachfrager unterscheide. Die Nachfragegestaltung bei monopolistischer Konkurrenz sei keine unabhängige Veränderliche. Auf Teilmärkten monopolistischer Konkurrenz könne der Anbieter seinen Absatz nicht nur dadurch vergrößern. daß er seinen Preis senkt. sondern vor allem auch dadurch. daß er seine monopoloide Situation verstärkt durch Werbung. also durch Aufwendung von Absatzkosten. um die Namfrageskala seiner Abnehmer zu seinen Gunsten zu verbessern. STACKELBERG meinte. man müsse die Produktdifferenzierung von der Nachfrageseite her sehen. Technisch-qualitativ verschiedene Güter könnten in den Augen der Verbraucher als homogene Güter erscheinen. wie aum temnism-

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Neuntes Kapitel

Stackelbergs unvollkommener Markt

qualitativ gleime Güter gelegentlich als versmieden angesehen werden. Entscheidend seien sachliche, persönliche, räumliche und zeitliche Präferenzen in den Augen der Konsumenten. Der unvollkommene Markt wurde daher von STACKELBERG in ebenso viele Teilmärkte aufgegliedert, als es Präferenzen gibt. CHAMBERLIN und STACKELBERG stimmten darin überein, daß es daneben auf den nach Person des Verkäufers oder Produktart nicht individualisierbaren Märkten, also bei mehr oder weniger homogenen Massen- und Stapelgütern, die in Großunternehmungen erzeugt werden, auch eine Konkurrenz gäbe, die weder eine vollkommene nom eine heterogene, sondern eine oligopolistische Konkurrenz sei. Die wenigen großen Unternehmen oder Unternehmungszusammenschlüsse müßten als Anbieter damit rechnen, daß ihr Angebot einen fühlbaren Einfluß auf den Preis am Markte ausübt. Vor allem hätten sie die Marktoperationen der Konkurrenten als Reaktion auf ihre eigene Marktpreisforderung und Angebotsmenge mit in Rücksimt zu ziehen. Diese Marktform sei das Oligopol. Mit diesen beiden Ersmeinungen der unvollkommenen Konkurrenz, der heterogenen und der oligopolistischen Konkurrenz, seien die Marktverhältnisse, wie sie uns in der modernen Wirtsmaft in der Regel entgegentreten, gekennzeichnet.

Monopol

Auch das Monopol ist in der Wirklichkeit ebenso selten wie die Marktform der vollkommenen Konkurrenz. Natürliche Monopole sind äußerst selten, rechtliche (Patente, staatliche oder staatlim sanktionierte Monopole) und organisatorische Monopole (durch privatrechtlime Zusammenfassung des Angebots oder der Nachfrage) haben im allgemeinen nur eine kurze Lebensdauer und müssen, bei freiem Zugang zum Gewerbe, ständig mit dem Auftreten neuer Konkurrenten remnen. Der freie Zugang zum Markt ist in der Gegenwart jedoch häufig bei Produktionszweigen mit hohen Entwicklungskosten (z. B. für Laboratoriumsversuche und andere Forsmungen in der memismen Industrie) lediglich fiktiv, weil nur große Unternehmungen die finanzielle Basis hierfür haben. Effektiv besteht dann keine freie Konkurrenz mehr, sondern es hat sim ein Monopol gebildet. Die smon vor 100 lahren durch COURNOT fundierte Theorie des Monopols wurde in der Gegenwart verfeinert und ausgebaut. So wies beispielsweise BURKHARDT RÖPER (. Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen ., 1952) darauf hin, daß man in der Monopoltheorie (und damit auch in der Lehre von der monopolistischen Konkurrenz) nicht die Planungsperiode außer acht lassen dürfe. Es sei zu untersmeiden das Streben nach kurzfristiger und langfristiger Gewinnmaximierung. Nur wenn der Monopolist zukünftige Folgen unberücksichtigt läßt. werde er den CouRNoTschen Punkt (Preis und Menge beim Maximum des Monopolgewinns) anstreben. Bei langfristiger Planung beziehe er aber möglicherweise auftretende Außenseiterkonkurrenz, öffentlime Meinung, staatlime Monopolpolitik usw. mit in die Planung ein.

Neue Entwicklungen der Theorie vom Markt und Preis

255

Die Länge der Planungsperiode hänge insbesondere von folgenden Faktoren ab: 1) Die allgemeine wirtschaftliche und politische Lage: Je größer die Gefahr wirtschaftlichen und politischen Wechsels ist, um so eher wird kurzfristige Planung erfolgen. 2) Der Charakter des Unternehmens: Ein Spekulant neigt mehr zur Ausnützung kurzfristiger Monopolchancen als ein ruhig kalkulierender Unternehmer. 3) Die Unternehmungsgröße: Je höher die fixen Kosten, desto sorgfältiger müssen die Planungen auf lange Sicht vorgenommen werden. 4) Die Eigenart des Absatzmarktes: Güter zur Befriedigung eines wandelbaren Geschmacks legen eine kurze Planungsperiode nahe. 5) Leichtigkeit des Zugangs zum Markte: Je größer die Kapitalforderungen oder sonstigen Schwierigkeiten des Zugangs, um so geringer ist die berechtigte Furcht vor künftigen Außenseitern und vor Substitutionskonkurrrenz. Der Monopolist sei viel weniger auf Restriktion bedacht als auf Expansion, auf Erhaltung, Ausbau und Absperrung des Marktes. Der Monopolpreis werde daher in aller Hegel. wie schon MARSHALL in .Industry and Trade" (1919) betont hatte, unter dem des CouRNoTschen Punktes angesetzt. Dieser Monopolpreis wird auch als Quasimonopolpreis (HANS MÖLLER) bezeichnet. Mit dem Wachsen der optimalen Betriebsgröße im Gewerbe hatten viele Märkte die Marktform des Oligopols angenommen. Bei diesem stehen auf der einen Seite des Marktes einige wenige Anbieter (Angebotsoligopol) oder einige wenige Nachfrager (Nachfrageoligopol) , die bei ihrer Preispolitik die Reaktionen der Marktbewerber in Rücksicht ziehen. Typisch für oligopolistische Märkte war immer eine gewisse Preisstarrheit, die einer theoretischen Erklärung bedurfte. Zwei Erklärungsversuche wurden gemacht: 1) Die Lehre von der Preisführerschaft. die zu erklären sucht, warum sich ein konventioneller Preis ohne Konvention bildet, aus dem die Oligopolisten Vorteile ziehen, und 2) die Lehre von der geknickten Absatzkurve, die aufzeigen will, warum an diesem Preise festgehalten wird. Ist das Oligopol aus einem Teilmonopol (ein • Monopolist " mit einer Vielzahl kleiner Mitbewerber, die kaum direkten Einfluß auf den Preis haben) hervorgegangen, so können sich die ursprünglich kleinen Anbieter an den Preis der Teilmonopolisten angepaßt und später eine Preisänderung unterlassen haben. Auch eine Quasikartellpolitik kann Ursache einer solchenPreisführerschaft sein. ARTHuR R. BURNS stellte in seinem. Decline of Competition" (1936) eine wohlfundierte empirische Untersuchung der Preisstarrheit an. Gleichzeitig wurde das Oligopolproblem auch analytisch zu lösen versucht. So entwickelte PAUL M. SWEEZY (. Demand under Conditions of Oligopoly", JI. of Polit. Econ., 1939) und in ähnlicher Weise unabhängig von ihm R. L. HALL und C. J. HITCH ab, sondern aum von institutionellen Gegebenheiten (Kenntnis der Marktbedingungen, Größe der Unternehmungen, Grad der Leimtigkeit des Zugangs zum Markt>, von der Psychologie der Marktparteien, von der öffentlichen Meinung (Gefahr des wirtsmaftspolitischen Eingriffs) und vom rechtlichen Rahmen (Monopolgesetzgebung). STACKELBERG kam zum Ergebnis, daß auf oligopolistischen Märkten die freie Preisbildung nur in wenigen Fällen zum Gleichgewicht führen könne. Aus dieser Erkenntnis leitete er die wirtschaftspolitische Forderung nach staatlimem Eingriff in die Märkte ab. Er wies allerdings in seinen • Grundlagen der Theoretischen Volkswirtsmaftslehre' (1948) darauf hin, daß ergänzende Preisbildungsfaktoren die Gleichgewichtslosigkeit der Märkte mildern könnten: Trägheitsfaktoren (unvollkommene Marktanalyse, Kalkulationsgewohnheiten, Verzicht auf das Erwerbsprinzip, Vereinbarungen unter Marktpartnern, ungenaue Kostenermittlung) und organisatorische Faktoren (Änderung der Marktform und Preisfestsetzung durch den Staat). 5. Ansätze zu einer neuen lehre von der Marktstrategie Ein anderer Weg zur Erkenntnis der Morphologie des Marktes führte, statt Verhaltensüber die Lehre von den abstrakten Marktformen, über die Lehre von den Ver- weisen haltensweisen. ERICH SCHNEIDER (. Einführung in die Wirtschaftstheorie • , Bd. 2, 1949) entwickelte im Anschluß an RAGNAR FRISCH (.Monopole - polypole la notion de force dans l'economie". In: Festschr. f. WESTERGAARD, 1933) eine Typologie der Verhaltensweisen der Unternehmer: 1) Mengenarzpassung: Produkt~onsmittelpreise und Produktpreise sind Daten. Der Unternehmer paßt seine Absatzmenge an, sie ist Aktionsparameter. 2) Preisjixierullg: Der Anbieter bzw. der Nachfrager kann den Preis beliebig festsetzen. Aktionsparameter ist der Preis, Erwartungsparameter die Absatzmenge. 3) Merzgenfixierung: Die Angebots- bzw. Nachfragemenge kann beliebig festgesetzt werden. Aktionsparameter ist die Menge, Erwartungsparameter der Preis. 4) Optionsfixierurzg: Der Anbieter setzt zugleich Preis und Menge fest. Der Nachfrager kann dann nur annehmen oder ablehnen. 5) Kampf- und Verhandlungsstrategie: An die Stelle der friedlichen Verhaltensweise tritt hier der Kampf oder der Wille zum Verhandeln. Die Preistheorie hätte bei ihrer Verfeinerung die Psychologie der Beteiligten, ihre finanzielle Stellung, die Geschäftstradition und viele andere institutionelle Bedingungen mit in die Betramtung aufnehmen müssen. Das war aber analytism kaum zu meistem. BURNS u. a. hielten es auch für unmöglich, durch Generalisierungen zu braumbaren Ergebnissen zu kommen. Man verlegte sich auf

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Neuntes Kapitel

umfassende empirische Erforschung einzelner Fälle. Diese Art der Behandlung der Marktprobleme ließ sich offenbar nicht vermeiden bei gewissen oligopolistischen Marktformen mit großen und mächtigen Unternehmen oder Arbeiterverbänden - mächtig auch im Sinne von Macht und Einflußnahme auf öffentliche Meinung. Staat und Wirtschaftspolitik. Bei der Untersuchung ganz spezieller Märkte kam man zu Ergebnissen. die nur für diese Märkte Geltung hatten. Sie waren aber nicht allgemeingültig. Theorie der Spiele

Einen analytischen neuen Weg. um ein gemeinsames theoretisches Grundprinzip aufzufinden. das für alle Marktformen. nicht nur für die vollkommene Konkurrenz gelten soll. also auch für die unvollkommene Konkurrenz. beschritt OSKAR MORGENSTERN zusammen mit dem Mathematiker JOHN v. NEUMANN in der Schrift. Theory of Games and Economic Behavior" (1944). Sie bemängelten. daß die Preistheorie das rationale Verhalten der einzelnen nur als Maximum- oder Minimumproblem gesehen habe (Maximum von Nutzen oder Gewinn und als Minimum von Arbeitsleid oder Kosten). Das sei aber nur dann zulässig. wenn vollständiger Wettbewerb unterstellt werden kann und wenn der einzelne alle Variablen beherrscht. Diese Bedingungen seien in der Realität aber nur in ganz selten vorkommenden Grenzfällen gegeben. Vor allem hänge das Ergebnis des wirtschaftlichen Handeins am Markte stets von dem nicht voll vorhersehbaren Verhalten anderer ab (z. B. Mitbewerber und Partner auf der Gegenseite des Marktes). Deswegen suche jeder Wettbewerber die Strategie seines Konkurrenten aufzudecken. diesen aber nicht die eigene erkennen zu lassen. Es sei unwirklich anzunehmen. daß jeder die zukünftige Reaktion des Partners kenne. Mit den Mitteln der Maxima- und Minima-Rechnungen könne man also den monopolistischen Wettbewerb nicht behandeln. MORGENSTERN und NEUMANN glaubten den Problemen des wirtschaftlichen Verhaltens durch die Heranführung der Theorie der Spiele an den ökonomischen Bereich näher zu kommen. Spiele. deren Ergebnis zum Teil vom Zufall abhänge. könnten als Modelle typischer sozialer und wirtschaftlicher Erscheinungen dienen. Dazu gehöre eine Theorie. die das optimale Verhalten der Spieler und damit die Lösungen bestimmt. Wie bei Schach. Skat. Poker usw. gäbe es für die wirtschaftlichen Handlungen der einzelnen - immer unter der Voraussetzung rationalen Verhaltens - gewisse Strategien. also vollständige Pläne. die durch das Verhalten des Gegners nicht umgeworfen werden können. Die Strategie für den speziellen Fall werde unter Berücksichtigung der Tatsache ausgewählt. daß der einzelne nur einen Teil der Variablen beherrscht und daher sein Verhalten schon im vorhinein dem mutmaßlichen Verhalten der anderen anpaßt. Dabei wurden auch die Bündnisse verschiedener Marktparteien (Koalitionen) mit in die Betrachtung einbezogen. Es sei einleuchtend. den Kampf und das Hinters-Licht-Führen. etwa zwischen großen Autofirmen. mit dem Bluffen beim PokerspieL mit dem Bieten und Uberbieten beim Skat oder auch mit der Strategie eines Schachspielers oder eines Feldherrn zu vergleichen. Ebenfalls hätten die Lohnverhandlungen zwischen Unternehmerverbänden und

Neue Entwicklungen der Theorie vom Markt und Preis

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Gewerkschaften (zweiseitiges Monopol> vieles gemeinsam mit dem Verhalten unter Spielern oder auch mit militärischer Strategie. Die Lösungen des Duopol- und Oligopolproblems bei COURNOT, EDGEWORTH, MinimaxProblem beim BOWLEY und STACKELBERG wurden als Grenzfälle der allgemeinen spieltheore- Oligopol tischen Ergebnisse erkannt. Um eine umfassende Theorie vom Oligopol nach dem Vorbild der Spieltheorie aufzubauen, wurde u. a. in einer tabellenartigen Aufstellung, einer Matrix, eine begrenzte Zahl von möglichen Strategien eines Oligopolisten (z. B. Preiserhöhung, Preisbeibehaltung, Preissenkung) mit einer ebenso begrenzten Zahl von möglichen Strategien eines anderen Oligopolisten kombinatorisch miteinander verbunden. Aus dieser Matrix sei die günstigste Strategie eines Oligopolisten abzulesen: Wählt der erste Oligopolist eine bestimmte Strategie zwecks Maximierung seines Gewinns, so hat der zweite Oligopolist die Wahl zwischen mehreren Strategien, um seinen Verlust zu minimieren (bzw. seinen Gewin zu maximieren). Der erste Oligopolist kann bei Kenntnis der Reaktion des zweiten jene Strategie auswählen, bei der er unter Voraussicht der Reaktion des zweiten Oligopolisten, der seinen Verlust minimieren (hzw. seinen Gewinn maximieren) will, seinen Gewinn maximiert. Dieses sog. Minimax-Problem wurde bereits erfolgreich zur Klärung derartig einfach gelagerter Fälle der Marktformenlehre herangezogen. Nähme man die Spiele und die Spieltheorie als Modell für die komplizierten Markt- und Tauschvorgänge, so werde sichtbar, daß die ganze bisherige Preistheorie, insbesondere auch die Monopoltheorie fragwürdig sei. So gäbe es beispielsweise gar keinen theoretisch eindeutigen Monopolpreis, da Koalitionen der Kaufwerber untereinander oder des Monopolisten mit einzelnen Kaufwerbern möglich seien. Ähnliches gelte auch für andere Marktformen. Diese komplizierten Zusammenhänge könnten über eine Spieltheorie nicht nur vollständiger erkannt werden, auch könne man nur so das gemeinsame theoretische Grundprinzip auffinden, das für alle Marktformen gilt. Kritisch ist hierzu allerdings zu sagen, daß bei der Anwendung der Spiel- Kritik an der Anwendung der theorie im Bereich der Volkswirtschaftslehre sowohl formelle als auch materielle Spie/theorie Schwierigkeiten auftreten. Die Spieltheorie steht erst in den Anfängen und müßte noch weiterentwickelt werden; sie ist ausgesprochen mathematisch und bedarf zu ihrer weiteren Ausgestaltung neuer mathematischer Methoden. Noch größer aber scheinen die materiellen Schwierigkeiten zu sein. Es muß mit einer sehr großen Zahl von ,Mitspielern' an den Märkten gerechnet werden. Schon Bridge, Poker, Skat und Schach haben Spielregeln, die eine Fülle von Möglichkeiten für individuelles Handeln ofIenlassen. Um wieviel mehr gilt das für das Wirtschaftsleben ohne solche positiven Regeln und nur mit negativen Verboten! Und wie oft wird ,falsch gespielt', werden also Gesetze übertreten. Schwierigkeiten entstehen auch, weil eine Spieltheorie mit zu vielen Variablen zu rechnen hätte und deshalb für die theoretische Durchleuchtung der wirklichen Wirtschaft praktisch unbrauchbar ist. Das gilt besonders auch, wenn - wie die neuesten theoretischen Erkenntnisse gezeigt haben - man anzunehmen ge-

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Neuntes Kapitel

zwungen ist, daß nicht nur der Preis, sondern auch die Qualität ein Aktionsparameter des Anbieters ist. Zwar lassen sich Preise und Mengen einwandfrei mathematisch fassen und in eine mathematische Theorie der Spiele einordnen, wie aber wird es mit der Qualität sein? Wahrscheinlich wird es die Nationalökonomie nicht erreichen, an die Stelle der überkommenen Preistheorie der vollkommenen Konkurrenz eine neue Markttheorie der unvollkommenen Konkurrenz mit auch nur ähnlicher Auss bereits in einem früheren Zeitpunkt der Konjunkturentwicklung begonnen worden ist. Dieses Mißverhältnis auf dem Markte der Kapitalgüter, verursacht durch KapitalmangeL führe zu Depression in der Kapitalgüterindustrie, die dann auf die Konsumgüterproduktion übertragen werde. Hobsons Unterkonsumtionstheorie

Im Gegensatz zu den Uberakkumulations- und Kapitalmangeltheorien, welche die Ursache der Konjunkturbewegung in dem relativen Rückgang der Nachfrage nach Kapitalgütern sehen, stehen die Unterkonsumtionstheorien. So ging beispielsweise der .economic heretic· JOHN A. HOBsoN (1858 - 1940) (. The Industrial System·, 1909; • Economics of Unemployment" , 1922) davon aus, daß in der Hochkonjunktur ein zu großer Teil des Einkommens gespart und ein zu kleiner Teil konsumiert werde. Der Grund liege in der ungleichen Einkommensverteilung: Die großen Einkommensbezieher verbrauchten zu wenig im Verhältnis zu ihrem Einkommen (und sparten deshalb übermäßig); die kleinen Einkommensbezieher könnten wegen ihres geringen Einkommens zu wenig verbrauchen. Das zu große Sparen könne zwei völlig verschiedene Wirkungen haben: 1) Es führe zu einer übergroßen Investition, die das Angebot von Konsumgütern weiterhin vergrößere und so die Unterkonsumtion (im Verhältnis zum Angebot von Konsumgütern) verstärke. 2) Es komme nicht zu einer entsprechenden Investition, weil der Konsumausfall infolge des Mehrsparens die Rentabilität der Investition verringert. Auch das Sinken des Zinses könne keinen Ausgleich herbeiführen. Es hemme weder die Ersparnisbildung, da die Spartätigkeit zinsunelastisch und eine Funktion des Einkommens sei. noch fördere es die Investition. Der Punkt 1 deckt sich weitgehend mit dem Argument der älteren Uberproduktionstheorien (OWEN, SISMONDI, MALTHUS). Kritisch sagten hierzu namentlich ALVIN H. HANSEN (.Business eyde Theory" , 1927) und FRIEDRICH A. HAYEK (.Profits, Interest and Investment", 1939), daß einmal der Konsumausfall ja gerade die Produktionskräfte freisetze, welche die Erweiterung der Investition ermöglichen, und daß zweitens die zusätzlich produzierten Produktionsgüter später dazu beitragen würden, die Produktionskosten der Konsumgüter zu senken; so werde Kaufkraft freigesetzt, um die zusätzliche Menge von Verbrauchsgütern zu absorbieren. Der Punkt 2 dagegen trifft das Kernproblem des Sparens. Nicht das Sparen als solches wird als schädlich angesehen, sondern die Veränderung des Sparvolumens: Der verringerte Verbrauch verhindere gerade die Investition. Die zusätzlichen Ersparnisse würden in Form von brachgelegtem Bargeld oder De-

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positen gehortet, oder die Beträge würden dazu verwandt, um Bankdarlehen zurückzuzahlen, ohne daß diese wieder ausgeliehen werden. Dem könne zwar die zinssenkende Wirkung der Vermehrung der Spartätigkeit gegenüberstehen. Sinken aber die Zinsen nicht oder nicht genügend, so könne es sein, daß den individuellen Sparakten kein Investieren folgt. Das Sparen als Konsumverzicht führe also über den Ausfall von Nachfrage nach Verbrauchsgütern zur Verminderung des Beschäftigungsgrades in der Verbrauchsgüterindustrie. Es bestehe daher auch keine Neigung zur Investition, so daß die Spartätigkeit selbst die Ursache davon sei, daß die Ersparnisse nicht investiert werden können. Die Erhöhung der Sparquote müsse somit statt zur Förderung der Produktion zur Lahmlegung eines Teils der Produktionsanlagen und damit zu unausgenutzten Kapazitäten führen. Deflation und Konjunkturzusammenbruch müßten die Folge sein. Kritisch ist hierzu zu sagen, daß selbst wenn der Zins nicht so weit sinkt. um die Investition anzuregen, die geschilderten deflatorischen Folgen des Sparens auch dann nur in Ausnahmefällen eintreten können: Nur wenn plötzlich beträchtlich viel mehr gespart wird, könnte es sein, daß sich die schon geplanten Investitionsvorhaben nicht schnell genug anpassen. Bei pessimistischen Erwartungen der Unternehmer, also im Abschwung, könnte eine beträchtliche Vergrößerung der Sparquote zu Deflation führen, während bei optimistischen Erwartungen der Unternehmer, also im Aufschwung, dagegen auch eine beträchtliche Erhöhung der Sparrate kaum Deflation verursachen kann. In der sich entwickelnden Wirtschaft treten überdies stets technische Fortschritte auf, welche Investitionen auch dann rentabel erscheinen lassen, wenn der Zins überhaupt nicht sinkt und die Nachfrage nach Konsumgütern zurückgeht, da die Rentabilitätssteigerung in Gestalt von Kostensenkung den nachfragebedingten Preisfall mehr als aufwiegen kann. Bei gleichzeitiger, durch das Sparen bedingter Zinssenkung gilt das in erhöhtem Maße. Eine andere Unterkonsumtionstheorie entwickelte futIL LEDERER (.Konjunk- Lederer tur und Krisen", Grundriß d. Sozialök., 1925). Die Bewegungen der Preise und der Löhne gingen in ungleichem Tempo vor sich. Im Aufschwung blieben die Löhne hinter den Güterpreisen zurück, so daß schließlich nicht genügend Nachfrage vorhanden sei, um die durch die relativ niedrigen Löhne besonders vergrößerte Produktionsmenge abzunehmen. Dann fielen die Preise schneller als die Löhne. So entstehe AbsatzmangeI. der den Konjunkturumschwung hervorrufe. Hohe Arbeitskosten und sinkende Preise verursachten Produktionseinschränkungen. Die wegen der gesunkenen Preise erhöhte Konsumfähigkeit der Arbeiter schaffe schließlich die Unterlage für einen neuen Aufschwung. Tatsächlich haben aber entgegen LEDERERS Meinung neuere Untersuchungen (PAUL DOUGLAS • Theory of Wages" , 1934) ergeben, daß die Veränderung des Anteils der Löhne am Volkseinkommen und der allgemeine Konjunkturverlauf nicht in der behaupteten Korrelation zueinander stehen.

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Zehntes Kapitel

Eine weitere Unterkonsumtionstheorie wurde in Amerika von HARouj G. MouLToN in ,The Formation of Capital' (1935) vorgetragen. Er meinte unter dem Einfluß der Ereignisse Ende der zwanziger Jahre einen Nachfrageausfall nachweisen zu können. der weder Horten noch schlechthin Inaktivierung von Geld sei: Es gäbe Zeiten. in denen die Ersparnisse wohl in Wertpapieren angelegt werden. ohne daß es zu Investitionen käme. Die Börse schluckte gleichsam diese Beträge durch Kursübersteigerung und damit Wertzuwachs bei der Gesamtsumme der Effekten in der Volkswirtschaft. Der Irrtum dieser Auffassung wird aber deutlich. wenn die Frage gestellt wird. wo denn die der ,Börse' neuzugeflossenen Ersparnisse bleiben. Sie werden. da die Börse nur Durchgangsstation für Werte ist. entweder zu Investitionen führen oder schließÜch gehortet werden. Ein drittes gibt es nicht.

Empirische Im Gegensatz zu den mehr oder weniger auf Hypothesen beruhenden KonKonjunkturjunkturtheorien versuchte eine Reihe von Forschern. das Konjunkturproblem forschung

durch empirische Untersuchungen zU klären. Das Vorgehen WESLEY C. MIT-

Mitchell CHELLS (1874-1948). der den Bewegungsverlauf der Konjunkturen in seinen

,Business Cydes' (1913) auf empirischem Wege zu erfassen suchte. erschien seinen Zeitgenossen geradezu revolutionär. Er glaubte. daß man bei der Erklärung des Konjunkturphänomens mit der Logik allein nicht viel zu erreichen vermöge. Nötig sei ,die Sammlung und Analyse von aufbereiteten Berichten über das Wirtschaftsleben in quantitativer Form· . Die einzigen. einer wissenschaftlichen Behandlung zugänglichen Tatsachen seien statistische Tatsachen:

.Da der Wirtsmaftsforscher. um genaue Messungen vorzunehmen. keine Experimente anstellen kann. muß er das bestmögliche machen mit den rohen Maßstäben. welche die Statistik liefert4.'

MITCHELt war überzeugt. daß die Daten nicht auf Grund einer bereits vorgefaßten theoretischen Meinung gesammelt werden sollten: die theoretischen Meinungen sollten vielmehr das Ergebnis der empirisch-statistischen Untersuchungen sein. In Wirklichkeit aber ersetzte er bei seinen Untersuchungen die Theorie nicht völlig durch Tatsachenforschung. Auch er isolierte aus dem bunten Gemenge der Wirklichkeit gewisse. ihm wichtig erscheinende Tatsachen. Diese Symptomauswahl ist eben mit möglich. wenn man theoretische Vorstellungen mitbringt. selbst dann. wenn es dem Verfasser nicht einmal bewußt geworden ist. Die Theorie muß erst die Fragen stellen. die die Tatsachen beantworten sollen. und sie vermittelt die Grundsätze. nach denen das zu Analysierende aus der unendlichen Vielfalt der Wirklichkeit herausgelöst wird. MITCHELL war keineswegs theoriefeindlich. Tatsächlich enthalten seine .Business Cydes' in nuce viele moderneKonjunkturtheorien: sie wurden allerdings wenig beachtet. Er selbst betonte. I

WESLEY CLAIR MITCHELL. Business Cyde!. Betkeley 1913. S.20.

Altere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

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• Wie leicht ist es, abweichende Krisenerklärungen überzeugend klingen zu lassen, wenn man nur eine beschränkte Anzahl von Erscheinungen beachtet. Nur dadurm, daß eine jede Theorie der praktismen Nachprüfung an Zahlen des Wirtschaftsverlaufs unterzogen wird, kann ihr Wert ermittelt werdens:

WARREN M. PERSONS faßte den Plan zur • Erstellung eines Konjunkturbarometers, aufgebaut auf jährlkhen Daten" (American Economic Review, 1916) und setzte im Harvard-Institut diesen Plan in die Tat um. Ausgehend von ausgedehnten historisch-statistischen Untersuchungen stellte er zur Konjunkturprognose ein Dreikurvenbaronieter auf, das auf insgesamt 12 Zeitreihen basierte. 1) Die Spekulationskurve (Effektenkurse, Dividenden und Clearingumsätze) steigt im Aufschwung an, beginnt im Anfang des Hochschwungs schon wieder abzusinken und zeigt während des Absmwungs bereits Ansätze zu neuem Auftrieb. 2) Die Warenmarktkurve (Preisindex, Roheisenproduktion) erreicht ihren Höhepunkt erst dann, wenn die Effektenkurse schon wieder zu fallen beginnen. 3) Die Geldmarktkurve (Diskontsatz, Bankkredite und Einlagen) steigt noch an, während der Hochschwung bereits in den Abschwung übergeht. Wenn in einem Zeitpunkt die Warenpreise und Zinsen ansteigen, die Effektenkurse absinken, so glaubte PERSONS voraussagen zu können, daß der Höhepunkt der Konjunktur erreicht und mit einem baldigen Absinken der Warenpreise und später auch der Zinsen zu remnen sei. Praktisch hat jedoch dieses Harvard-Barometer versagt. Es war auf Grund von Daten aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg entwickelt worden und sollte nach dem ersten Weltkrieg angewandt werden. Das Barometer war nur unter den Voraussetzungen richtig, daß die Verhältnisse der Zeit vor dem ersten Weltkrieg unverändert fortbestehen. Tatsächlich waren jedoch in der Nachkriegswirtschaft Einflüsse wirksam, die im Konjunkturschema nimt berücksichtigt worden waren und nom nicht hatten berücksichtigt werden können. So trafen die auf dem Harvardbarometer aufgebauten Voraussagen nur in den seltensten Fällen ein. Trotzdem darf nicht übersehen werden, daß die statistischen Methoden des Harvard-Instituts reiche Anregungen zur Weiterentwicklung gaben. ERNST \VAGEMANN (1884 - 1956) suchte in dem von ihm gegründeten Institut für Konjunkturforschung die Einseitigkeit des Harvard-Barometers zu vermeiden. Er stellte eine Vielzahl von Zeitreihen in Kurven zusammen, ohne sie auf ein einziges Gesamtbild zu reduzieren. Durch theoretische Ausdeutung und vergleichende Betrachtung sollte ein Gesamtbild geschaffen werden, das auch zu einer Vorausschau zu verwenden War. Nicht nur der Konjunkturverlauf. auch andere volkswirtschaftliche Erscheillungen wurden statistisch erfaßt. in Zahlenreihen abgebildet und mit Hilfe der Korrelationsrechnung ausgewertet. Aus der Vielzahl der in dieser Richtung wirksamen Forscher seien nur FISHER, HENRY L. MOORE, FREDERICK C. MILLS und CARL SNYDER genannt, von denen viele dem Institutionalismus nahestan5

a. a. O. S. 570.

HarvardBarometer

W&gemann

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den. Manche Anhänger dieser statistischen Methode glaubten, auf diese Weise alle deduktive Analyse ersetzen zu können, während jedoch den meisten klar war, daß die Statistik allein - mag sie noch so fortgeschritten sein - keine Kausalanalyse geben und nur der unumgängliche Ausgangspunkt für die Erforschung der wirtschaftlichen Zusammenhänge sein kann. 2. Das Zeitmoment bei Marshall und Schumpeter Während die älteren Konjunkturtheorien sich damit begnügt hatten, das periodische Auf und Ab im Wirtschaftsleben im wesentlichen auf einen für besonders relevant erachteten Faktor zurückzuführen, erhielt die modeme Konjunkturtheorie entscheidende Anregungen durch die Weiterentwicklung der Preis- und Gleichgewichtstheorie, die in zunehmendem Maße auch den Ubergangsprozeß von einem Gleichgewicht zum anderen im Zeitverlauf in die Betrachtung einbezog. Marktpreis bei Marshall

Auf dem Gebiete der Preistheorie war es MARSHALL, der das Zeitmoment bereits weitgehend berücksichtigte. Bei seinen Untersuchungen des partiellen Gleichgewichts, also des Gleichgewichts auf dem Markte eines Gutes, kam er zwar zunächst zu einer bloßen Erklärung des wMarktpreises' zu einem bestimmten Zeitpunkt (oder in einem Zeitraum, der zu kurz ist, daß irgendwelche Produktion stattfinden könnte). Er nahm hierbei das Angebot als gegeben (am Markte bereits vorhanden oder doch schon .in Sich!"), also völlig preisunelastisch an, so daß allein die Nachfrage der aktive Faktor sei, der den Preis bestimmt. Im weiteren zog MARS HALL auch die Zeit mit in die Betrachtung ein und berücksichtigte, daß sich das Angebot im Zeitverlauf ändern kann. Er unterschied kurze, lange und sehr lange Perioden. Das Hauptgewicht legte er auf die Betrachtung der kurzen und langen Perioden, in denen die Nachfragekurven ihre Lage nicht verändern und sich nur die Angebotskurve verschiebt.

Kurze, lange und sehr lange Perioden

In den kurzen Perioden, in denen sich der wkurzfristige Preis· bilde, sei die Produktionskapazität der Unternehmungen gegeben. Die Anpassung an die Nachfrage erfolge durch Veränderung des Grades der Ausnutzung der Produktionskapazität der Unternehmungen. Die Stückkosten gelten als Funktion der Produktionsmenge. In langen Perioden, in denen sich nicht nur die Ausnützung der Produktionskapazität. sondern auch die Produktionskapazität selbst durch Heranziehung oder Abgabe von Produktionselementen aus oder nach anderen Bereichen der Wirtschaft verändern könne, bilde sich der langfristige wNormalpreis·. In sehr langen Perioden, in denen der säkulare Trend der Preise durch exogene Faktoren - wie Änderungen von Technik und Organisation, der Bedürfnisse, Bevölkerungszahl oder Kapitalmenge - beeinflußt werde, bilde sich der wsäkulare Preis·. Die Problematik der Analyse MARS HALLS, die darin besteht, daß die zugrunde gelegten Kostenfunktionen nur für das Angebot einer einzelnen Unternehmung

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gelten. nicht jedoch für das zusammengefaßte Angebot aller Anbieter an diesem Markte. umging er durch die Konzeption der wrepräsentativen Firma". In langen Perioden könnten auch sinkende Angebotskurven auftreten. Diese leitete er aus internen und externen Ersparungen (internal und external economies) ab. die bei wachsender Produktion auftreten können. Interne Ersparungen erwüchsen einem Unternehmen. wenn es zur Deckung Interne und externe einer gestiegenen Nachfrage eine Vergrößerung der Produktionsanlage vor- Ersparungen nimmt. Diese internen Ersparungen ergäben sich aus Kostensenkungen im Unternehmen. welche die Folge der erweiterten Arbeitsteilung. Organisationsverbesserung usw. bei Ubergang zur Massenproduktion seien. Sie träten in langen Perioden auf und dürften nicht verwechselt werden mit der Erscheinung der sinkenden Kosten in kurzen Perioden infolge der besseren Ausnützung der gegebenen Produktionskapazität (was BÜCHER das Gesetz der Massenproduktion nannte). Externe Ersparungen können in einem Unternehmen entstehen. wenn der ganze Wirtschaftszweig seine Produktion ausdehnt; die Kostensenkung ist dann nicht auf die Veränderung der eigenen Produktionskapazität des Unternehmens. sondern auf die des ganzen Wirtschaftszweiges zurückzuführen. Solche externen Ersparungen erwachsen beispielsweise vielfach aus den günstigen Folgen lokaler Konzentration. Die Produktionskosten der Unternehmung sind in diesem Falle nicht nur eine Funktion der eigenen Produktionsmenge. sondern auch eine Funktion der Produktionsmenge des ganzen Wirtschaftszweiges. Entsprechend den internen und externen Ersparungen kann es auch interne und externe Verteuerungen geben. Interne Verteuerungen werden allerdings vermieden. wenn die Produktionsmenge des Wirtschaftszweiges durch Vermehrung der Zahl der Betriebe statt durch Vergrößerung der Betriebskapazität wächst. Externe Verteuerungen dagegen sind normale Erscheinungen. die sich beispielsweise bei Wachsen des ganzen Wirtschaftszweiges aus der Verknappung und dadurch bedingten Verteuerung der Produktionsfaktoren ergeben. Wenn interne und externe Nettoersparungen auftreten (d. h. Ersparungen > Verteuerungen). so ergibt sich im long run eine sinkende Angebotskurve. Hieraus zog MARS HALL weitreichende Schlüsse für die Fiskalpolitik. FRANK D. GRAHAM (. The Theory of International Values·. 1948) leitete hieraus Schutzzollargumente ab. Die Lehre von den internen und externen Ersparungen und Verteuerungen ist aber. wie VINER und JOAN ROBINSON nachgewiesen haben. nicht vereinbar mit der Voraussetzung des MARsHALLschen partiellen Gleichgewichts. nach welcher der einzelne Markt als völlig isoliert von anderen Märkten anzusehen ist. Die Vergrößerung der Kapazitäten der Betriebe und die Vergrößerung des Wirtschaftszweiges führen zu Erscheinungen. die das ceteris paribus auf anderen Märkten ausschließen. Das Verhältnis der Knappheit der Produktionsfaktoren muß sich ändern. wenn ein Wirtschaftszweig sich ausdehnt und ein anderer eingeschränkt wird (da keine allgemeine Vermehrung der Produktionsfaktoren vorausgesetzt ist).

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Zehntes Kapitel

Kritisch ist ferner zu sagen, daß nicht nur die Konzeption der long-run-Angebotskurven bedenklich ist, auch die MARsHALLsche Art der Verwendung von konstanten Nachfragekurven ist nicht einmal für die komparative Statik in jedem Fall vertretbar. Die Nachfrage, insbesondere die Nachfrage der Produzenten, wird sich bei einer Preisänderung nicht sofort derart verändern, daß ein langfristiges Gleichgewicht zustande kommt: die Anpassung der Produktion an neue Marktverhältnisse verändert auch die Nachfragestruktur. Statik und Dynamik bei Schumpeter

Auch JOSEPH SCHUMPETER (1883 - 1950) berücksichtigte die Bedeutung des Zeitrnoments für den Ablauf des Wirtschaftsprozesses. Er unterschied die statische von der dynamischen Betrachtungsweise. Den Problemen der Statik war sein" Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie· (1908) gewidmet, während die Dynamik in der "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" (1912) behandelt wurde. In der Darstellung und Erklärung der Statik folgte SCHUMPETER seinen Vorbildern und Vorläufern, insbesondere WALRAS und PARETO. In seinem Modell der statischen Wirtschaft herrscht völlig freie Konkurrenz, und es bestehen keinerlei Monopole. Veränderungen und Entwicklungen aus diesem statischen Prozeß heraus können nicht vorkommen. Alles ist in Bewegung, aber alle Bewegung ist gleichförmig. Die Mengen der Produktionsfaktoren, die Technik sowie die Bedürfnisse und ihre Schichtung sind unveränderlich. Die Produktion und die Konsumtion verlaufen stets in den gleichen Bahnen. Es gibt weder neue produktionskombinationen, noch Bedürfnisänderungen, noch andere Verschiebungen, Erweiterungen oder Verengungen im Gange des Wirtschaftslebens. Die Erzeugnisse der letzten Produktionsperiode werden in der laufenden voll und ganz aufgenommen und reproduziert. Auf jedes Angebot wartet schon die Nachfrage. Es herrscht im Hinblick auf die im Besitz der einzelnen Marktteilnehmer befindlichen Güterquantitaten ein Gleichgewichtszustand. Die Kosten werden im Preise gerade ersetzt, so daß die Produzenten weder Gewinne machen, noch Verluste erleiden. Den Unternehmergewinn als Einkommenskategorie gibt es in der statischen Wirtschaft nicht. Das Geld verhält sich in der Statik völlig neutral. es ermöglicht lediglich den Austausch. Da für Kredit kein Platz in dieser Wirtschaft ist, gibt es bei SCHUMPETER in der Statik auch keinen Zins. Dieses statische Wirtschaftsmodell beschreibt ein wirtschaftliches Gleichgewicht. in dem jede Tendenz zur Änderung fehlt. Es hat nUr formale Bedeutung und soll durchaus kein Ideal einer Wirtschaft darstellen. Es ist eine methodische Fiktion, die jedoch dann verwirklicht und von Dauer sein könnte, wenn sich die gemachten Voraussetzungen tatsächlich im Zeitverlauf nicht verändern. Der Zweck der Beschreibung des wirtschaftlichen Gleichgewichts ist, an ihm zu erkennen, wie auf die Veränderung irgendeiner Größe alle übrigen reagieren, und die Funktionalbeziehungen zwischen den Bewegungen der Größen auf·

Altere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

283

zudecken (sog. VariationsmethodeJ. Da alle Mengen und Preise voneinander aBhängig sind, müssen beispielsweise bei Variation einer Güterquantität oder eines Preises auf alle übrigen, die als konstant angenommen werden; Wirkungen hervorgerufen werden. Die Veränderungen erfolgen nicht in gleichem Maße; bei einigen Gütern sin~ sie beträchtlim, bei den meisten nur unmerklich. So können, indem immer andere Elemerite als veränderlim, die übrigen als konstant angenommen werden, durch Beobachtung dieser Wirkungen die Bewegungsgesetze aufgezeigt werden, welche die eigentliche Frucht der statischen Betrachtungsweise. sind. Es kann z. B. gezeigt werden, welche Wirkungen eine Steuer, ein Zoll oder eine tarifpolitische Maßnahme auf eine Wirtschaft ausübt, die den gemachten Voraussetzungen entspricht. Diese Variationsmethode wurde später allgemein komparative Statik genannt. Noch zur Statik gehören nach SCHUMPETER auch die Anpassungen der Volkswirtschaft an von außen an sie herantretende Änderungen, wie Bevölkerungswachstum oder -schrumpfung, Neukapitalbildung oder Kapitalverzehr, temnische Fortschritte und Bedarfsumschichtungen. Die Wirtschaft reagiert auf solche Datenänderungen mit sofortiger .Anpassung·, d. h. sie bildet einen neuen Gleichgewichtszustancl. Die Dynamik dagegen betrifft nach SCHUMPETER Anpassungen an Änderun- Schumpeters .Unternehmer" gen, die von der inneren ökonomischen Entwicklung selbst herrühren. Während es in der Statik lediglich traditionell eingestellte Produzenten gibt, treten in der Dynamik • Unternehmer· auf, die bei ihrem Streben nach möglichst großem Ertrag aus den .ausgefahrenen Bahnen der statischen Wirtschaft" hinausstreben, um Neues zu suchert. Damit hatte SCHUMPETER eine Verengung des Begriffs Unternehmer vorgenommen; er rechnete hierzu nur jene Produzenten, die neue Kombinationen durchsetzen. Diese Unternehmer sind das Agens der wirtschaftlichen Entwicklung. Sie streben nach Extragewinnen, die sich aus dynamischen Veränderungen ergeben. Dynamisme Veränderungen durch neue Kombina" tionen kommen zustande, wenn 1) ein neues Gut hergestellt, 2) ein neues Produktionsverfahren angewandt wird, 3) neue Absatzmärkte gefunden, 4) neue Bezugsquellen für Roh- und Halbmaterialien erschlossen werden oder 5) eine Neuorganisation erreicht wird, vor allem bei Schaffung oder Brechung von MonopolsteIlungen. Zur Verwirklichung ihrer Ziele brauchen die Unternehmer Kaufkraft. Diese wird ihnen nicht, wie den statischen Produzenten, automatisch im Erlös der Produkte aus der vorhergehenden Wirtschaftsperiode dargeboten, sondern sie müssen sie sich ausleihen. Da aber keine freie Kaufkraft vorhanden ist, werden die erforderlichen Mittel durch zusätzlimen Kredit bereitgestellt. Damit gelingt es den Unternehmern, durch Preisüberbietungen den .statischen Produzenten· Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu entziehen. Wegen ihrer Produktivitätsüberlegenheit können die Unternehmer erfolgreich mit den bisherigen Produzenten in Konkurrenz treten. Sie machen Gewinne und sind in der Lage. auch Zinsen für die geborgten Mittel zu zahlen, denen allein

284 Dynamische Theorie d~s Zinses

Zehntes Kapitel

der Name Kapital beigelegt wird. Kapital gibt es für SCHUMPETER nur in der Dynamik. Es sei jener Fonds von Kaufkraft .• jene Summe von Geld und anderen Zahlungsmitteln. welche zur Dberlassung an Unternehmer in jedem Zeitpunkte verfügbar ist". Die Sonderprofite der bahnbrechenden Unternehmer sind somit hiernach die alleinige Quelle des Zinses. da in der Statik ein solcher nicht bestehen könne (dynamische Theorie des Zinses). Der dynamischen Theorie des Zinses ist aus verschiedenen Gründen zu widersprechen: I) Auch in der Statik schätzen die Einkommensbezieher gegenwärtige Güter höher ein als zukünftige. andernfalls würden sie nicht nach dem Rationalprinzip handeln. 2) Auch ohne technischen Fortschritt. den es in der statischen Wirtschaft nicht gibt. bestehen praktism unbegrenzt Investitionsmöglimkeiten. die bei einem Zinssatz von null ausgeschöpft werden könnten. 3) Sofern nicht für die Statik eine ganz bestimmte Vermögensverteilung angenommen wird. bei welcher Sparen nicht möglich ist. und der statische Produzent zugleim Eigentümer des von ihm im Erzeugungsprozeß verwandten Kapitals ist. muß er sim Produktionsmittel oder Kapital im Kreditwege beschaffen. Damit die Eigentümer zeitweilig auf die Verfügungsgewalt verzimten. muß auch im statismen Prozeß ein Leihzins und damit ein Zinseinkommen bestehen. 4) Auch würde sich bei fehlendem Leihzins der Bedarf an Kapital für die Besmaffung von dauerhaften Gebrauchsgütern unerhört erhöhen. dem kein freiwilliger Konsumverzicht in entsprechender Höhe entgegensteht. 5) Selbst wenn keine Kreditbeziehungen bestehen. also aum kein Leihzins zur Entstehung kommt. müßte dom mit dem Kapitalertrag. dem ursprünglichen Zins. geremnet werden. Jeder statisme Produzent muß eine Wirtsmaftsremnung haben. in der er für sein Eigenkapital eine Verzinsung einsetzt. die er als Kostenbestandteil im Preise der Produkte vergütet erhält. Andernfalls würde es der Produzent vorziehen. sein Kapital zu verbrauchen bzw. nicht stets wieder zu ersetzen.

Schumpeters Krisenlehre

Die Wirtschaftskrisen ergeben sich für SCHUMPETER aus dem Wesen der Dynamik. Neue technische Verfahren werden zunächst von den dynamismen . •energetischen Unternehmern' durchgesetzt. Später folgen die anderen Produzenten • smarenweise·. um gleichfalls die Produktions- und Absatzvorteile wahrzunehmen. Diese Expansion werde nur durch Kreditschöpfung möglim. die Preissteigerungen zur Folge habe. Wenn die neuen Kombinationen Allgemeingut geworden sind. werden die Preise auf die Höhe der Kosten zurückgehen. und der Unternehmergewinn muß wieder fortfallen. Die Depression muß eintreten. weil viele alte Betriebe deklassiert und bei den neuen Unternehmungen die Gewinne herauskonkurriert wurden. Ein neuer Aufschwung setzt dann ein. wenn energetisme dynamisme Unternehmer wieder auftreten. um neue Kombinationen durmzusetzen. Einschränkend zu dieser Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung ist zu sagen. daß in ihr folgende Voraussetzungen erfüllt sein müßten: Entweder waren nom nimt alle möglichen Produktions- oder Absatzvorteile ausgenützt.

Altere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

28&

oder es haben sich von außen her die Daten geändert (Technik, Menge der Produktionselemente, Bedürfnisskala oder Geldversorgung) . SCHUMPETER konnte die eigenartige These, daß die Durchsetzung neuartiger Kombinationen ausschließlich durch zusätzlichen Kredit möglich sei, nur deshalb aufstellen, weil er annahm, daß es in seiner Statik gar keinen Kredit und keinen Kreditmarkt gäbe. Andernfalls wären die dynamischen Unternehmer in der Lage und willens, zur Durchsetzung der neuen Kombinationen einen Teil der von ihnen benötigten Produktionsmittel durch höhere Preisangebote den bisherigen Verwendungen zu entziehen. SCHUMPETERS Grundgedanken finden sich in seinen späteren Werken wie .Business Cycles· (1939) wieder, breit und im Detail ausgearbeitet, unter Aufnahme mancher neuerer Erkenntnisse der Theorie, zur Verifizierung reich mit Beispielen illustriert. Immer wieder aber sind es die technischen und organisatorischen Neuerungen, die unternehmerische Aktivität und der Kreditmechanismus, die als dynamisch wirksam aufgezeigt werden. In • Capitalism, Socialism and Democracy" (1942) kam er zu dem Ergebnis, daß das kapitalistische Wirtschaftssystem die Produktionsmengen und den Lebensstandard zwar ungeheuer erhöht habe, dennoch aber dem Untergang geweiht sei. SCHUMPETER sah eine gewisse Notwendigkeit des lJbergangs zum Sozialismus, den er selbst nicht wünschte; er hielt ihn jedoch für lebensfähig und mit der Demokratie vereinbar. 3. Die Neufassung der dynamischen Theorie Eine exakte, von der modernen Theorie allgemein übernommene Abgrenzung der Begriffe Statik und Dynamik nahm der Norweger RAGNAR FRISCH (.Statikk og Dynamikk iden 0konomiske Teori". National0konomisk Tidsskrift, 1929) vor. Nach ihm ist ein statisches System dadurch gekennzeichnet. daß alle Werte eines Zeitpunktes bestimmt sind durch Variable des Systems im gleichen Zeitpunkt. Die Auswirkungen wirtschaftlicher Veränderungen können mit Hilfe der komparativen Statik erfaßt werden als eine Aufeinanderfolge verschiedener statischer Zustände. Dabei wird angenommen, daß der lJbergang von einem Gleichgewicht zu einem anderen in einem zeitlosen Sprung ohne Friktionen erfolgt. Der dynamische lJbergangsprozeß im Zeitverlauf nUt seinen oft in verschiedene' Richtung wirkenden Kräften wird nicht berücksichtigt. Ein dynamisches System dagegen ist ein solches, in dem die Werte in jedem Zeitpunkt bestimmt sind außer durch Werte der gleichen auch durch solche von früheren Zeiteinheiten. Hier ist der Ablaufsvorgang, der lJbergangsprozeß, von einem Zeitpunkt zum anderen das entscheidende. Ein Beispiel für die statische Betrachtungsweise ist die Gleichgewichtstheorie bei WALRAS und PARETO. Die Tatsache, daß das Spiel der Variablen in der wirklichen Wirtschaft im Zeitablauf steht, daß Wirkung und Gegenwirkung im zeitlichen Nacheinander liegen, wurde im Modell nicht berücksichtigt, m. a. W. alle Variablen bezogen sich auf den gleichen Zeitpunkt.

Statisches System Komparative Statik

Dynamisches System

286 7inbergens Pfei/$chema

Zehntes Kapitel

Die dynamische Analyse ist eine Analyse von zeitlichen Abläufen, wie sie als BeispieI JAN TINBERGEN in • Econometrics· (1951) durch ein Pfeilschema anschaulich machte. Investition

(V)

Einkommen

(Y)

Konsumgüter, na(hfrage Preise

(P)

Lohnniveau

(L )

(U)

t-3

t-2

t-1

~

ttl

~~~~t

::====

::::= .-.-- .• .--.--

t- 3, t- 2, t-l, t und t + 1 stellen aufeinanderfolgende Zeiteinheiten dar, während V, Y, U, P und L Variable des Systems , sondern mehrerer Zeitperioden (dynamisches Gleichgewicht>. So werden die Einkommen, d.h. der Wert der Produktion einer Zeitperiode, nicht in derselben, sondern in der nächsten Zeitperiode ausgegeben. Die Verbraucherausgaben einer Zeitperiode sind bestimmt durm 1) die Einkommen in der vorhergehenden Zeitperiode und 2) die Konsumneigung der vorhergehenden Zeitperiode. Bis eine ökonomische Variable auf eine Änderung einer sie beeinflussenden Variablen reagiert, vergeht Zeit; es liegt ein .Lag· vor. Die Verzögerung zwischen der Einnahme und der Ausgabe wird

Altere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

299

als Robertson-Lag bezeichnet. Seine Prozeßanalyse ist im Grunde eine exaktere Fassung des MANGOLDT-ZWIEDlNEcKschen Gesetzes der zeidichen Einkommensfolge. Das Gleichgewicht ist nach ROBERTsON gegeben, wenn die Einkommen der vorhergehenden Periode gleich werden mit den Ausgaben der Konsumenten (Verbrauch + Ersparnisse) in der gegenwärtigen Periode. Die sog. Stockholmer Schule (OHLIN, MYRDAL, LINDAHL, LUNDBERG), die stark von WICKSELL beeinflußt ist, versuchte ebenfalls durch Zeitperiodenanalyse zu einer realistischeren Erklärung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge bei Berücksichtigung mehrerer Faktoren zu kommen. MYRDAL (.Prisbildingsproblemet och föränderligheten', 1927) und LINDAHL (. The Means of Monetary Policy', 1930; ,Studies in the Theory of Money andCapital' ,1939) verfolgten, vom Modell des statischen Gleichgewichts ausgehend, den Einfluß der Unternehmererwartungen auf Preise und Investitionen. Dabei verwandten sie die Ausdrücke ex ante (vorausschauend) und ex post (rückblickend) zur Kennzeidlnung der Haltung der Unternehmer bezüglich der Erfahrungen aus der Vergangenheit und der Erwartungen für die Zukunft. Den von mehreren Faktoren beeinflußten Erwartungen wird großes Gewicht beigelegt; wenn die Erwartungen auch nicht die Handlungen bestimmen, so üben sie doch einen nimt zu untersmätzenden Einfluß aus. Die geplanten Größen von Einkommen und Verausgabung werden kaum in irgendeiner Zeitperiode mit den wirklichen Größen des Einkommens und der Verausgabung übereinstimmen. Die Erfahrung ex post wird von der Erwartung ex ante abweidlen. Nur dann, wenn sie wirklim übereinstimmen, besteht Gleichgewicht. LINDAHL nahm, beeinflußt von ROBERTsoN, folgende Prozeßanalyse vor: Die Veränderungen von Preisen und Umsatzmengen fallen nimt in den gleimen Zeitraum, sie sind nicht. wie in der Statik, synchronisiert. Die Unternehmer setzen die Preise erst gemäß ihren Erwartungen fest, die auf den Erfahrungen in der Vergangenheit beruhen. Nach einiger Zeit. wenn sidl zeigt, daß sich die Umsatzerwartungen des individuellen Planes nicht erfüllen, werden die Preise geändert. In der Regel weichen die tatsädllichen Umsätze von den Erwartungen ab, weil 1) die Pläne der Konsumenten und Produzenten nicht übereinstimmen (Fehlsmätzungen der Namfrage durch die Produzenten), 2) die Pläne der Produzenten verschiedener Produktionsstufen sich nicht entsprechen, denn Preisändenmgen des einen sind Kostenänderungen des anderen Produzenten, oder 3) weil die Pläne der Produzenten gleicher oder substitutiv eng verbundener Güter nicht übereinstimmen, weil sie die Marktlage verschieden einschätzen. Zu Beginn der ersten Zeitperiode liegen bestimmte Pläne der Produzenten und Konsumenten vor. Daraus ergeben sich bestimmte Handlungen, die aber nicht den tatsädllidlen Marktgegebenheiten entsprechen. Das wird im allgemeinen zur Revision der Pläne am Ende dieser Periode führen. Damit ergibt sich in der darauffolgenden Periode ein Nichtübereinstimmen der Pläne anderer Unternehmer mit den tatsächlidlen Handlungen. Es werden nun wiederum Änderungen vorgenommen usw. Wenn man nun wüßte, wie die Pläne die Gescheh-

Stockholmer Schule

Prozepanalyse bei Lindahl

300

psychologische Konjunkturfaktoren

Zehntes Kapitel

nisse und diese wiederum die Pläne beeinflussen. dann könnte man von einer Ausgangslage aus den ganzen Verlauf vorausberedmen. Da die Revision der Pläne im Modell einheitlich an den Periodengrenzen vorgenommen wird. solche Revisionen in der Wirklichkeit aber beinahe ununterbrochen vorkommen. müßte man im Modell mit sehr kurzen Perioden rechnen. beispielsweise mit Tagen. Das macht aber die Verlaufsanalyse für die Praxis nahezu unanwendbar. Schon für die Analyse eines Jahres wären 365 Perioden für jeden einzelnen Unternehmer zu untersuchen I Abgesehen von diesen Schwierigkeiten. muß die Zeitperiodenanalyse schon deshalb unrealistisch sein. weil weder die Erfahrungen aus der Vergangenheit sich nur auf die gerade vorhergehende Periode beziehen. noch die Erwartungen hier nur auf die nächstfolgende Periode beschränkt sind. Eine ganze Anzahl ähnlicher gesamtwirtschaftlicher Oszillationsmodelle ist in neuerer Zeit entwickelt worden. Sie unterscheiden sich dadurch. daß verschiedene Faktoren des Modells (wie Lagerbewegung. Absatzerwartung. Änderung der Profitraten) in ihrer zeitlichen Abhängigkeit in die Modelle eingebaut sind. In einem Modell von ERICH LUNDBERG (.Studies in the Theory of Economic Expansion·. 1937) orientieren die Unternehmer ihre Produktion einerseits nach der Höhe der augenblicklichen Nachfrage. die ihrerseits abhängig ist von der Nachfrage der vorhergehenden Periode; anderseits wird ihre Produktion be· einflußt durch das Streben. die Lagerhaltung auf einem dem Absatzvolumen entsprechenden Soll zu halten. Die verzögerte Anpassung der Konsumgüterproduktion an die veränderte Nachfrage der Vorproduktion wird allgemein LUNDBERG-Lag genannt. Bei TIN BERGEN und MICHAEL KALECKI (. Essay in the Theory of Economic Fluctuations·. 1939) ist die entscheidende Beziehung die Abhängigkeit der Investition von der Profitrate. Im Modell von HANS BÖHI (.Die Konkurrenz im Modell der dynamischen Wirtschaft". In .Konkurrenz und Planwirtschaft". Bern 1946) schließlich kommen die Schwankungen dadurch zustande. daß das Preisniveau die Produktion bestimmt und die bei der Produktion entstehenden Einkommen früher an den Markt gelangen als die produzierten Güter. Die Periodenanalysen der modernen dynamischen Theorie finden ihre praktische Anwendung auf dem Gebiete der Konjunkturtheorie und Konjunkturpolitik. wo sich die neuesten Forschungen. abgesehen von der Aufdeckung der Rolle des Geldes. insbesondere den verstärkenden Momenten im Konjunkturverlauf zugewendet haben. Eine Vereinigung der bisher aufgestellten oszillatorischen und kumulativen Prozesse zu einem einzigen Modell ist aber noch nicht geglückt. Ob mit der Berücksichtigung von mehr und mehr Faktoren in den Modellen der Wirtschaftspolitik viel gedient wäre. ist fraglich. Nicht nur die Kompliziertheit der Modelle spricht dagegen. auch können hier die sozialpsychologisch bedingten Reaktionen fast gar nicht eingebaut werden. WALTER ADOLP JÖHR hat in seinen .Konjunkturschwankungen" (952) eindringlich auf die sozial psychologisch bedingten kumulativen Prozesse hingewiesen. So spricht

Ältere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

301

er beispielsweise von .epidemischer Ausbreitung des Aufschwungs- und De- Erwartungm pressionsbazillus· . Andere sprechen vom Gesetz der sich selbst erfüllenden Erwartungen (KENNETH E. BOULDlNG): Wenn alle glauben, daß die Preise steigen werden, wird jeder noch schnell zum noch nicht gestiegenen Preise zu kaufen versuchen. Die Vermehrung und Häufung der Einkäufe, oder Vergrößerung der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, bringt die Preise dann wirklich zum Steigen. J. R. HICKS (. Value and Capital·, 1939) führte den Begriff • Elastizität der Erwartungen' ein: .Ich definiere die Elastizität der Preiserwartungen einer Person für eine Ware als das Verhältnis des proportionalen Ansteigens in erwarteten künftigen Preisen zum proportionalen Ansteigen laufender Preisei! .• Auch ARTHUR C. PIGOU (. Industrial Fluctuations', 1927; • Employment and Equilibrium', 1941) schenkte den psychologischen Faktoren erhöhte Aufmerksamkeit. Er unterschied einen mechanischen und einen psychologisch durch die Erwartungen bedingten Typ des kumulativen Prozesses . • 50 hat alles, was die Lage der Geschäftsleute verbessert, optimistische und alles, was sie verschlechtert, pessimistische Irrtümer zur Folge. Bei einer Änderung zu ihren Gunsten neigen sie verstärkt zu aktiver Tätigkeit: dies hat preiserhöhende Wirkungen zur Folge und damit indirekt eine weitere Verbesserung ihrer Lage, die sich kumulativ fortsetzt. Das Umgekehrte tritt bei einer Verschlechterung ihrer Lage ein1S :

Ein Ergebnis der theoretisch überaus fruchtbaren modernen Versuche, die Erscheinung der Konjunkturen im Wirtschaftsleben zu erklären, war, daß die Erkenntnis reifte, daß es nicht möglich ist, diese zyklischen Bewegungserscheinungen auf eine Ursachenreihe zurüdzuführen. Auch wurde der zyklische Charakter der Konjunkturbewegung nicht zuletzt auf Grund empirischer Untersuchungen in Frage gestellt. Man ist nur noch davon überzeugt, daß ähnliche Abläufe nach eingetretenen Stönmgen auftreten. RAGNAR FRISCH (.Propagation Problems and Impulse Problems in Dynamic Economics', 1933) glaubte, daß unregelmäßige äußere Anstöße (erratic shods) zu Schwankungen mit ständig kleiner werdender Amplitude führen und so das Bild eines mehr oder weniger regelmäßigen Zyklus vortäuschen. Während bis zum Beginn der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts die Konjunkturtheorie im allgemeinen einen rhythmisch-gebundenen Zyklus zu erklären suchte und ein großer Teil der Forschung sich auch gerade um die Erfassung der durchschnittlichen Phasenlänge bemühte, ist es seitdem auf diesem Gebiete merklich still geworden. Das hat seinen guten Grund: Der rhythmisch-gebundene Konjunkturzyklus konnte sich im besten Fall mit einer gewissen Regelmäßigkeit in einer weitgehend sich selbst überlassenenKonkurrenzwirtschaftverwirklichen. Seitdem aber die Wirtschaftspolitik größeres Ausmaß angenommen hat und zudem die Wirtschaftspolitik unmittelbar auf Vermeidung konjunktureller Bewe12 13

J. R. HICKS, Value and Capital. London 1939. S. 205. A. C. PIGOU, Industrial F1uctuations. London 1927. S. 165-6.

302

Zehntes Kapitel

gungen gerichtet ist (insbesondere Vollbeschäftigungspolitik) , ist auch die Konjunkturtheorie nicht mehr das letzte Kapitel der Theorie, sondern sie ist allgemein zur Theorie der Bewegungsvorgänge in der Volkswirtschaft geworden. Fast völlige Einmütigkeit besteht heute auch darin, daß sich bei unserer modernen Geldverfassung der Aufschwung inflatorisch, der Abschwung deflatorisch zeigt. Kreislau/theorien und Regdtedmik

Eine neuartige Darstellung volkswirtschafdicher dynamischer Kreislaufvorgänge erfolgte unter Zuhilfenahme der Regeltechnik. Schon Anfang der dreißiger Jahre verdeudichten FRISCH (Propagation Problems and Impulse Problems in Dynamic Economics·. In: • Essays in Honour of CASSEL', 1933> und KALECKI (.A Macrodynamic Theory of Business Cycles', Econometrica 1935) verzögerte Reaktionen der Dynamik in Regelkreisen. Die Aufstellung derartiger Schemata setzt voraus, daß das zu lösende Problem mathematisch formuliert ist, macht also die Konstruktion eines Gedankenmodells nicht überflüssig. Die Entwicklung der modernen Regeltechnik und der Rechenanlagen ermöglichte den Schritt vom Gedankenmodell zum Effektivrnodell. Neuerdings wird der dynamisdle Ablauf unter veränderlichen Bedingungen an hydrodynamischen Demonstrationsmodellen aufgezeigt. Es handelt sich dabei um auf hydraulischer Grundlage arbeitende Maschinen, welche das Modell eines Wirtschaftskreislaufs sein sollen, und an denen die wichtigsten Kreislaufgrößen in jedem Zeitpunkt aufgezeigt werden können. Bei dem Anfang der fünfziger Jahre von W. A. PHILLIPS in England gebauten .Moniac· handelte es sich um ein Gerät mit durchsichtigen Röhren und elektrischen Pumpen. Der Geldfluß wird mit gefärbtem Wasser sichtbar gemacht, er ist auch meßbar und regulierbar. So läßt sich das indirekte und direkte Zusammenwirken von Volkseinkommen, Besteuerung, Staatsausgaben, Konsum, Investition sowie Import und Export aufzeigen. Man kann die Folgen der veränderten Geldversorgung oder des veränderten Geldbedarfs ablesen, wobei auch Zinsfuß. Auslandskredite und Wechselkurse mit in die Betrachtung einbezogen sind. Die neueste Schöpfung auf diesem Gebiet ist der von WILHELM KR ELLE entwickelte und 1958 auf der Weltausstellung gezeigte .Kreislauf-Simulator· der Handels-Hochschule St. Gallen. In diesem Kreislaufmodell kann beispielsweise eine Reihe von Relationen eingestellt werden. die einer ökonometrisch erfaßten. konkreten Situation einer Volkswirtschaft entsprechen. so die Importneigung, der indirekte Steuersatz, der Abschreibungssatz. die Verteilung des Volkseinkommens auf Lohn- und Nicht-Lohneinkommen und der direkte Besteuerungssatz. Wenn beispielsweise die Wirkung einer durch das Banksystem mit zusätzlichem Geld finanzierten Lohnerhöhung ermittelt werden soll. wird die Einkommensverteilung als unverändert angenommen (die Selbständigen erreichen durch Rationalisierung und durch Preissteigerung eine entsprechende Erhöhung ihres Realeinkommens>; dann können nach Einstellung der Lohnerhöhung am Apparat mittels eines entsprechenden Hahnes quantitativ meßbar die Folgen festgestellt werden: u. a. Steigerung der Importneigung und Rückgang der Ausfuhr.

Altere Konjunkturlehren und Entstehung der dynamischen Theorie

303

weil sich das Preisniveau erhöht hatte. Die geplante private Investition und alle anderen exogenen Größen werden nicht merklich beinflußt. Quellen in deutscher Sprache zum 10. Kapitel.

LÖSCH, Bevölkerungswellen und Wechsellagen. Jena 1936. - SCHUMPETER, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin 51952, Aufsätze zur ökonomischen Theorie. Tübingen 1952. - KONDRATIEFF, N. D., Die langen Wellen der Konjunktur (Arch. f. Sozialw. und Sozialp. 1926). - TUGAN-BARANOWSKY, Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England. Jena 1901. - SPIBTHOFF, Die wirtschaftlichen Wechsellagen. 2 Bde. Tübingen-Zürich 1955, Art. Krisen. Handw. d. Staatsw. Jena 41925. - CASSBL, Theoretische Sozialökonomie. Leipzig 51932. - HOBSON, Arbeiter und Maschine. D. M. XX. - HAYBK, Preise und Produktion. Wien 1931, Geldtheorie und Konjunkturtheorie. Wien 1929, Gibt es einen Widersinn des Sparens? Wien 1931, Der Weg zur Knechtschaft. Erlenbach-Zürich o. J. ~ LEDBRBR, Konjunktur und Krisen. Tübingen 1925, Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit. Genf 1938, Zur Morphologie der Krisen. In: Wirtschaftstheorie der Gegenwart. Bd. 4. Wien 1928. - MITCHELL, Der Konjunkturzyklus. Leipzig 1931. - WAGBMANN, Konjunkturlehre. Berlin 1928, Einführung in die Konjunkturlehre. Leipzig 1929, Struktur und Rhythmus der Weltwirtschaft. Berlin 1931. - SCHUMPETIlR, Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie. Leipzig 1908, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern u. München 21950. - ZWIEDINECK, Von der älteren zur neueren Theorie der politischen Okonomie. München 1952. - HANAU, Die Prognose der Schweinepreise. Berlin 31930. - J. M. CLARK, Sicherheit in Freiheit. Frankfurt-Wien 1954. - HABERI.ER, Prosperität und Depression. Tübingen 31955. - HAWTREY, Währung und Kredit. Jena 1929. - WICKSELL, Geldzins und Güterpreise. Jena 1898, Vorlesungen über Nationalökonomie. Bd. 2. Geld und Kredit. Jena 1928. - A. MAHR, Untersuchungen zur Zinstheorie. Jena 1929, Einige Grundprobleme der Theorie der wachsenden Wirtschaft. (Z. f. Natök. 1956). - W. MAHR, Die konjunkturpolitische Bedeutung des Gesetzes der zeitlichen Einkommensfolge (Jahrb. f. Natök. u. Stat. 1939). - J. 1. O. LAHN, Depressionsperioden und ihre einheitliche Ursame. Brooklyn 1903. - KBYNBs, Vom Gelde. München und Leipzig 1932, Allgemeine Theorie der Besmäftigung, des Zinses und des Geldes. München und Leipzig 21952. - MACHLUP, Führer durch die Krisenpolitik. Wien 1934. - SAMUELSON, Volkswirtschaftslehre. Köln-Deutz 21955. E. SCHNEIDER, Einführung in die Wirtschaftstheorie. Bd.2. Tübingen 51958. - TINBERGEN, Zur Theorie der langfristigen Konjunkturentwicklung (Weltw. Arch. 1942). BÖHI, Volkswirtschaftliche Voraussetzungen erfolgreimer Arbeitsbeschaffung. Bern 1945, Die Konkurrenz im Modell der dynamischen Wirtschaft. In: Konkurrenz und Planwirtschaft. Bern 1945. - JÖHR, Die Konjunkturschwankungen. Tübingen 1952. ,. R. HICKS, Gleichgewicht und Konjunktur (Z. f. Natök. 1933). - W. KRBLLB U. P.-U. WEBER, Der Kreislauf-Simulator (Jh. f. Natök. u. Stat. 1958).

Elftes Kapitel

Die Keynessche Revolution und ihr wissenschaftliches Milieu I. Monetäre Konjunkturtheorien - 2. Die Diskussion um das Saysche Theorem 3. Die Keynessche Revolution - 4. Liquiditätstheorie und Kreditmarkttheorie des Zinses - 5. Kritik an Keynes - 6. Theorien langdauemder Depression - 7. Vollbeschäftigung und antizyklische Fiskalpolitik - Quellen.

I. Monetäre Konjunkturtheorien Eine Gruppe von Konjunkturlehren ging aus von Geldmengenänderungen, die der wirtschaftlichen Entwicklung die Gestalt von konjunkturellen Zyklen geben. Danach entstehen die Konjunkturschwankungen deshalb, weil das Geld sich nicht neutral im Wirtschaftsablauf verhält. Nach diesen monetären Theorien ist die Konjunkturbewegung ein ständiger Wechsel von Inflation und Deflation. Fisher

IRvlNG FIsHER führte in •The Purchasing Power of Money· (1911) ähnlich wie WICKSELL die Konjunkturschwankungen auf periodisch sich wiederholende Irrtümer der kreditschöpfenden Banken zurück. Wenn er auch schlechte Ernten, Erfindungen und Erschütterungen des geschäftlichen Vertrauens nicht unbeachtet ließ, so lag für ihn die wichtigste Ursache des Zyklus auf der Geldseite der Quantitätsformel. der er die Fassung gab: P X H = (Gl X Ul) + (G2 X U2), wobei P der Preisindex, H das Handelsvolumen, Gl die Bargeldmenge, G2 die Giralgeldmenge und Ul und U2 die jeweilige Umlaufsgeschwindigkeit bedeuten. Wenn eine allgemeine Preissteigerung, z. B. durch Geldvermehrung einsetzt, erzielten die Kreditnehmer Extragewinne, weil sie die Kreditsumme später in entwerteter Währung zurückzahlen könnten. Solange dies nicht voll im Zins berücksichtigt sei. solange also der • Realzins· , der effektive Zins unter Berücksichtigung der Geldwertveränderung, niedriger sei als der • Geldzins· , könnten die Banken eine größere Kreditnachfrage befriedigen. Das könnte entweder seitens der Notenbank durch Neuausgabe von Bargeld oder seitens der Kreditbanken durch Schaffung von Buchgeld geschehen; auch die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes erhöhte sich. Die Preise würden weiterhin steigen. Aber die Geldschöpfungskraft der Kreditbanken gerate einmal an eine Grenze, an der sie ihr Liquiditätsstatus zwingt, die Kreditgewährung einzuschränken. Nunmehr werde der Geldzins höher als der Realzins. Die Depression sei da. Die Vermin-

Die Keynessche Revolution und ihr wissenschaftliches Milieu

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derung der Buchgeldmenge und der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes führe zu weiter sinkenden Preisen. Der Geldzins folge der Preissenkung ebenso zögernd, wie er der Preissteigerung im Aufschwung gefolgt war. Die Schuldner erlitten Verluste. Sie müßten bei fallenden Preisen eine immer größere reale Kaufkraft zurückzahlen. Erst wenn der Geldzins unter den Realzins gesunken sei, würde eine Umkehr des Zyklus, ein Wiederanstieg der wirtschaftlichen Aktivität einsetzen. Zu dieser monetären Konjunkturtheorie FISHERS ist jedoch zu sagen, daß der Zins nicht notwendigerweise übermäßig erhöht werden muß; um der Illiquidität zu entgehen, genügt es, daß die Banken den Zinssatz an die Preisentwiddung anpassen. Es fehlt somit die ausreichende Begründung für das angebliche Uberschlagen des Zinssatzes am Ende der Hausse oder der Baisse. FISHER suchte dieser Schwierigkeit zu entgehen, indem er einfach annahm, daß die Bankunternehmer aus Irrtum oder mangelnder Einsicht handeln. Gleichfalls eine rein monetäre Konjunkturtheorie entwickelte RALPH G. HAw- Hawtrt!'Y TREY in oGood and Bad Trade o (1913). Ist in der Depression der Diskontsatz unter die Profitrate gesunken, so werde die Kreditnachfrage steigen. Dementsprechend gewährten Geschäftsbanken Kredite mit neugeschöpftem Giralgeld. Die Kreditausdehnung gehe mit einer allgemeinen Zinssenkung einher. Diese verbillige zwar das Anlagekapital nur wenig, um so spürbarer aber das Umlaufskapital. Daher werde Kreditschöpfung und Zinssenkung zunächst nur den Handel. der seine Vorräte üblicherweise mit Kredit finanziert, veranlassen, den Lagerbestand zu verändern. Lagervorräte wüchsen, und Aufträge an die Produzenten würden größer. Produktion und Einkommen stiegen. Dieser Prozeß werde spätestens nach Erreichung der Kapazitätsgrenzen der Produktionsbetriebe Kosten und Preise steigern. Die Preissteigerung beschleunige den Prozeß; sie rege zu weiteren Bankkrediten an, so daß sich die Liquidität der Banken zusehends verschlechtere und die Barabzüge nicht zuletzt auch wegen der steigenden Löhne einen größeren Umfang annehmen. Der Expansionsprozeß sei zu Ende, wenn die Geschäftsbanken bei der Notenbank kein zusätzliches Bargeld mehr bekämen, das sie benötigten, weil Ausdehnung des Sozialprodukts und der Umsätze einen größeren Bargeldumlauf der Wirtschaft (vor allem wegen der schnell anwachsenden Arbeitseinkommen) verlangt. Die Notenbank könne aber entweder aus Gründen der Goldwährung oder ganz allgemein zur Stabilhaltung des Wechselkurses eine Bargeldvermehrung nicht mehr vornehmen. Die Geschäftsbanken würden von Bargeld entblößt und seien gezwungen, das Giralgeldvolumen zu verringern. Die Kontraktion der Geldvolumen setze ein. Die Zinsen stiegen, die Preise sänken, und entsprechend schrumpften die Einkommen. Die Depression sei da. Die jetzt zurückfließenden Darlehen verbesserten die Liquidität der Banken und führten zur Senkung des Zinsfußes. In der Regel. so glaubte HAWTREY, gäbe es selbst bei noch sinkenden Preisen und sinkenden Zinssätzen immer Kreditnehmer, die dem Bestreben der Banken, das Kreditvolumen auszudehnen, nachgeben und bei ihnen borgen, notfalls könne die Noten20 Krase

306

Elftes Kapitel

bank durch Ankauf von Wertpapieren