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German Pages [320] Year 2010
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525367360 — ISBN E-Book: 9783647367361
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Transnationale Geschichte Themen, Tendenzen und Theorien Herausgegeben von
Gunilla Budde Sebastian Conrad Oliver Janz
2. Auflage
Vandenhoeck & Ruprecht
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-36736-0
Umschlagabbildung: Wassily Kandinsky, Die Brücke, 1931 akg images / Erich Lessing, © VG Bild-Kunst, Bonn 2010
© 2010, 2006 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Beate Sutterlüty, Bad Homburg Druck und Bindung: DD AG, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Jürgen Kocka zum 65. Geburtstag
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Inhalt
Vorwort ..................................................................................................
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Ansätze Natalie Zemon Davis What is Universal about History? ..........................................................
15
Michael Mann Globalization, Macro-Regions and Nation-States .................................
21
Charles S. Maier Transformations of Territoriality. 1600–2000 .......................................
32
Jürgen Osterhammel Imperien .................................................................................................
56
Patrick Karl O’Brien The Divergence Debate. Europe and China 1368–1846 ........................
68
Georg G. Iggers Modern Historiography from an Intercultural Global Perspective .................................................................................
83
Partha Chatterjee A Brief History of Subaltern Studies .....................................................
94
Hartmut Kaelble Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht? ........................... 105 Manfred Hildermeier Osteuropa als Gegenstand vergleichender Geschichte . ......................... 117
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Inhalt
Heinz-Gerhard Haupt Historische Komparatistik in der internationalen Geschichtsschreibung ............................................................................. 137 James J. Sheehan Paradigm Lost? The “Sonderweg” Revisited ......................................... 150 Hans-Ulrich Wehler Transnationale Geschichte – der neue Königsweg historischer Forschung? ......................................................................... 161
Felder Dieter Langewiesche Nationalismus – ein generalisierender Vergleich . ................................. 175 Shulamit Volkov Jewish History. The Nationalism of Transnationalism .......................... 190 Moshe Zimmermann Die transnationale Holocaust-Erinnerung .............................................. 202 Emma Rothschild Arcs of Ideas. International History and Intellectual History . ............... 217 Peter Jelavich Cultural History ...................................................................................... 227 Victoria de Grazia Globalizing Commercial Revolutions .................................................... 238 Gerald D. Feldman Business History, Comparative History, and Transnational History ............................................................................. 254 Marcel van der Linden Transnationale Arbeitergeschichte ......................................................... 265
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Inhalt
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David Warren Sabean Reflections on Microhistory ................................................................... 275 Etienne François Europäische lieux de mémoire ............................................................... 290 John Keane Global Publics? Civil Society, Journalism and Democracy across Borders ..................................................................... 304 Autorinnen und Autoren ........................................................................ 318
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Vorwort
„Alle Historiker“, so hat der britische Südasienhistoriker C.A. Bayly kürzlich formuliert, „sind heutzutage Welthistoriker, auch wenn vielen von ihnen das noch nicht bewusst ist.“ Diese Formulierung schießt sicher über das Ziel hinaus. An der Tendenz jedoch gibt es wenig Zweifel: Die Internationalisierung der Geschichtswissenschaft und die Ausweitung ihres Gegenstands über die Grenzen des Nationalstaats hinweg stehen auf der Agenda. Die Nachfrage nach weltgeschichtlichen Überblickswerken nimmt zu, aber auch enger begrenzte Untersuchungen orientieren sich zunehmend an transnationalen Fragestellungen und globalen Zusammenhängen. Die aktuelle Konjunktur transnationaler und welthistorischer Perspektiven ist eng mit fundamentalen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Prozessen der Gegenwart verknüpft. Sie schließt aber auch an wissenschaftliche Ansätze an, die keineswegs neu sind, vor allem an die lange Tradition des historischen Vergleichs, die auf Otto Hintze und Marc Bloch zurückgeht. Der Siegeszug der Modernisierungstheorie hat dem historischen Vergleich zum Durchbruch verholfen und entsprechende Institutionen und Foren geschaffen. Auch in der Bundesrepublik sind vor allem seit den späten 1980er Jahren zahlreiche komparative Untersuchungen entstanden. Ein zweiter Strang der Internationalisierung der Geschichtsschreibung geht auf beziehungsgeschichtliche Ansätze zurück, die zunächst als Gegenentwurf zum systematischen Vergleich diskutiert wurden. Inzwischen haben sich diese Fronten jedoch aufgelöst, und es ist deutlich geworden, dass Vergleiche nicht ohne den Blick auf Transfers auskommen und umgekehrt. Während diese Ansätze von nationalen Geschichten ausgehen, zielt das Projekt einer Europäischen Geschichte darüber hinaus. Die EuropaGeschichtsschreibung, die seit den 1980er Jahren eine größere Rolle zu spielen begann, hing eng mit politischen Entwicklungen zusammen, reagierte aber auch auf eine steigende Nachfrage des deutschen und europäischen Buchmarktes. Vor diesem Hintergrund sind zahlreiche Synthesen und Gesamtdarstellungen zur europäischen Geschichte entstanden, nach 1990 noch mit erhöhter politischer und öffentlicher Dringlichkeit. Aber auch für empirische Einzeluntersuchungen hat die europäische Perspektive an Bedeutung gewonnen. Seit den 1990er Jahren, dem Ende des Kalten Krieges und der Durchsetzung des neuen Metanarrativs der Globalisierung, ist die geographische Reichweite historischer und sozialwissenschaftlicher Fragestellungen erneut
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Vorwort
gewachsen. Eine Reihe wissenschaftlicher Ansätze hat dazu beigetragen, den Fokus historischer Untersuchungen über die europäische Geschichte hinaus zu erweitern. Dazu gehört ein neues Interesse an den internationalen Beziehungen, die sich längst nicht mehr auf Diplomatiegeschichte reduzieren lassen. Stattdessen sind nichtstaatliche Akteure oder internationale NGOs in den Blick der Forschung geraten. Auch die Postcolonial Studies, die seit dem Erscheinen von Edward Saids Orientalism vor allem in der englischsprachigen Forschung (das heißt auch in Indien und Australien) eine intensive Diskussion ausgelöst haben, sind in den letzten Jahren in Deutschland rezipiert worden. Seitdem gehört auch die Frage nach den kolonialen Verflechtungen und ihren Rückwirkungen auf die deutsche und europäische Geschichte zu den Forschungsfeldern, die neue Aufschlüsse versprechen. Hinzu kommt, ebenfalls seit den 1990er Jahren, ein starkes Interesse an globalgeschichtlichen Problemstellungen. Damit ist weniger eine Wiederaufnahme der älteren, häufig stark eurozentrischen Weltgeschichte gemeint, obwohl auch hier Anknüpfungspunkte und Kontinuitäten bestehen. Unter dem Begriff der global history werden seit einigen Jahren Ansätze diskutiert, die nach globalen Strukturen, konkreten Interaktionen und der Herausbildung eines globalen Bewusstseins fragen, aber nicht mehr von einer Diffusion westlicher Errungenschaften ausgehen. Diese vielfältige Entgrenzung des historischen Gegenstands, die mit der Intensivierung internationaler Netzwerke von Forschern und Wissenschaftsorganisationen einhergeht, ist eine der dynamischsten Entwicklungen der gegenwärtigen Geschichtsschreibung. Sie könnte die historiographische Landschaft nachhaltig verändern. Nicht nur die Forschung, sondern auch die universitäre Lehre und der Unterricht an den Schulen stehen vor der Ausweitung von Fragestellungen und Perspektiven über den nationalen Rahmen hinaus. Das heißt nicht, dass nationalgeschichtliche Themen keine Rolle mehr spielen werden; für viele Fragen wird der nationale Rahmen von Politik und Gesellschaft maßgebend bleiben. Viele Untersuchungen werden sich jedoch der Herausforderung einer vergleichenden, transnationalen oder globalen Einordnung nicht mehr ohne weiteres entziehen können. Dieser Band soll eine Zwischenbilanz ziehen. Die Autoren des ersten Teils diskutieren unterschiedliche Ansätze einer Erweiterung der Geschichtsschreibung über den nationalgeschichtlichen Rahmen hinaus. Vom historischen Vergleich über die europäische Geschichte und die Postcolonial Studies bis zu globalgeschichtlichen Perspektiven stellen sie die wichtigsten Konzepte einer transnationalen Historiographie vor. Dabei werden die Chancen, aber auch die analytischen Kosten einer Entgrenzung des historischen Gegenstandes gegeneinander abgewogen. Eine Leitfrage, die sich
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Vorwort
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durch zahlreiche Aufsätze zieht, ist die nach dem Stellenwert der Nation. Sie stellt sich auch dort, wo man sich grundsätzlich auf eine europäische und globale Perspektive einlässt. Auch der Prozess der Globalisierung, so argumentieren einige Beiträge, hat die Nation nicht obsolet werden lassen, erst recht nicht für Historiker. Andere Autoren hingegen interpretieren die Ära des Nationalstaats eher als Etappe innerhalb einer längerfristigen Entwicklung, etwa einer Geschichte imperialer Großreiche oder einer Geschichte der „Territorialisierung“. Die Aufsätze des zweiten Teils behandeln ausgewählte Felder der Geschichtswissenschaft, ohne dass hier ein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Darunter sind Bereiche wie die jüdische Geschichte, die Intellectual History, die Geschichte multinationaler Unternehmen oder die Konsumgeschichte, in denen transnationale Perspektiven eine lange Tradition haben. Daneben stehen Themenfelder wie die historische Nationalismusforschung, die Arbeitergeschichte, die Geschichte der Zivilgesellschaft oder die Geschichte kollektiver Erinnerungen, in denen vergleichende und beziehungsgeschichtliche Fragestellungen in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und zu wichtigen neuen Einsichten geführt haben. Aber Berücksichtigung finden auch Ansätze wie die Kulturgeschichte oder die Mikrogeschichte, die sich in mancher Hinsicht gegen die hier behandelten Tendenzen zu sperren scheinen. Jürgen Kocka hat die skizzierten Entwicklungen in den vergangenen Jahren maßgeblich beeinflusst und die Diskussion über sie immer wieder angestoßen und entscheidend vorangebracht. Er wird weltweit als einer der wichtigsten Vertreter international orientierter Geschichtswissenschaft wahrgenommen. Es fiel daher leicht, herausragende und über die Grenzen ihres Landes hinaus bekannte Vertreter des Faches für diesen Band zu gewinnen. Die meisten von ihnen kennen und schätzen Jürgen Kocka schon seit langem und haben zum Teil intensiv mit ihm zusammengearbeitet. Dies hängt mit seinen zahlreichen übergreifenden und vergleichenden Arbeiten zusammen, aber auch mit seiner herausragenden Bedeutung als Initiator, Organisator und Stichwortgeber historischer Forschung. Dazu gehört auch sein Einsatz für eine moderne, interdisziplinäre und internationale Geschichtswissenschaft, die den systematischen Sozialwissenschaften gegenüber offen und zum Brückenschlag über nationalstaatliche Grenzen hinweg bereit ist. Als Inhaber des Lehrstuhls für die „Geschichte der Industriellen Welt“ an der Freien Universität Berlin, als Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin sowie als Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung hat er diese Entwicklungen stark gefördert. Jürgen Kocka hat zur Konjunktur komparativer Geschichtswissenschaft in Deutschland entscheidend beigetragen, sowohl durch eigene Arbeiten
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Vorwort
als auch durch die Organisation größerer Forschungszusammenhänge. Er war einer der Initiatoren und wichtigsten Träger des Bielefelder Sonderforschungsbereichs zur Geschichte des neuzeitlichen Bürgertums, in dem die Frage nach dem deutschen „Sonderweg“ durch vergleichende Untersuchungen ausdrücklich in einen europäischen Kontext gestellt wurde. In diesem Zusammenhang hat Jürgen Kocka zahlreiche komparativ und international konzipierte Arbeiten angeregt. Zugleich gingen von ihm wichtige Impulse zur theoretischen und methodischen Auseinandersetzung mit komparativen Ansätzen aus. Die vergleichende Perspektive war bei Jürgen Kocka von Anfang an gesamteuropäisch angelegt. Als Gründer und Leiter der Arbeitsstelle für Vergleichende Gesellschaftsgeschichte in Berlin, des Zentrums für Vergleichende Geschichte Europas und des Berliner Kollegs für die Vergleichende Geschichte Europas hat er die Notwendigkeit, zu einer komparativen und integralen Geschichtsschreibung West- und Osteuropas zu gelangen, früh gesehen. In den letzten Jahren hat er darüber hinaus die Frage nach transnationalen Ansätzen und postkolonialen Perspektiven aufgegriffen, etwa durch eine von ihm initiierte Diskussion, die seit 2001 in der Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft geführt wird. Die Anerkennung, die ihm dafür auch international zuteil wurde, äußerte sich beispielsweise in der Präsidentschaft des Internationalen Historikerverbandes (CISH), die Jürgen Kocka von 2000 bis 2005 innehatte. In dieser Funktion hat er die Einbeziehung nicht-westlicher Historiographien und die globalgeschichtliche Öffnung der Geschichtsschreibung intensiv betrieben. Welche methodischen Ansätze und welche Perspektiven für übergreifende Synthesen sich dabei angesichts der Herausforderung der Globalisierung als besonders fruchtbar herausstellen werden, ist eine Frage, die die Historikerinnen und Historiker in den nächsten Jahren sicher weiter beschäftigen wird. Jürgen Kocka ist für viele bis heute ein wichtiger Lehrer und Förderer und in seiner intellektuellen Neugier und Offenheit, sachlichen Strenge und Diskussionslust ein Vorbild. Zahlreiche jüngere und ältere Kolleginnen und Kollegen haben über die Jahre hinweg von seiner Arbeit viel profitiert und gelernt. Dieses Buch ist auf ihre Anregung und mit ihrer Unterstützung zustande gekommen. Es ist Jürgen Kocka zum 65. Geburtstag gewidmet. Gunilla Budde, Sebastian Conrad und Oliver Janz
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Natalie Zemon Davis
What is Universal about History?1
Universal history has been written in many settings. For example, al-Mas‘udi of Baghdad travelled far beyond Dar al-Islam in the tenth century and his books of history and geography covered varied features of the earth’s surface, its peoples, and their past. “History is the record of human social organization, which is identical with world civilization”, wrote Ibn Khaldun in the late fourteenth century (from the Hijra the late eighth century). The volumes of his “Book of Examples” covered the pre-Islamic world and Muslim societies from east to west, with occasional forays into Christian Europe, even while concentrating on the Berbers and Arabs of North Africa. Ibn Khaldun used two modes in his writing. On the one hand, he described relations between peoples through migration, the exchange of ideas and techniques, and conquest. On the other hand, he compared diverse social formations and institutions so as to develop a theory of the historical state and “a science of civilization”. History, he said, was eagerly sought throughout the world, by common people and rulers fascinated to hear of changes in human affairs and the expansion, rise and fall of dynasties. But history was also sought by the learned for its “inner meaning”, “explanation of the causes and origins of existing things, and deep knowledge of how and why of events.”2 Ibn Khaldun’s practices in describing relations between peoples and in making comparisons toward the goal of “deep knowledge” help us address important concerns about history writing today, especially writing about East and West, North and South. Universal or global history, it is claimed, has not dealt effectively with deep cultural and social difference. It has been inevitably triumphalist, celebrating the victory of empires: since the eighteenth century the West and its values always come out on top. So strong has been this model that it dominates the argument of those writing to topple western empires. As Dipesh Chakrabarty famously put it, “insofar as the academic discourse of history is concerned, Europe remains the sovereign theoretical subject of all histories, including
1 This paper was delivered at the opening session of the 20th Congress of the International Commission of Historical Sciences, held in Sydney, Australia, July 3, 2005, under the presidency of Professor Jürgen Kocka. 2 Ibn Khaldun, The Muqaddimah. An Introduction to History, 3 vols., Princeton 1967, vol. 1, pp. 6–14.
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Natalie Zemon Davis
the ones we call Indian, Chinese, Kenyan, and so on. These histories are conceptualized in terms of ‘lacks’, ‘failed transitions’, and ‘not yets’”.3 Similarly, Antonis Liakos has described “the strategies of response to the canon of [western] history” used by historians in modern Greece and Turkey to make their country’s past fit a western trajectory: either they excluded an unsuitable middle period or they reinterpreted the period to show it had European characteristics. In a third strategy taken up by some historians in postcolonial lands and in China and Japan, differences from the west are celebrated as an “alternative Universality”, with its own temporal rhythm. Such a move reaffirms the western canon by centering on its opposite.4 Chakrabarty calls for more sweeping changes in historical thinking: first, a muting of the sense of anachronism, which he sees as the “beginning of modern historical consciousness”, and its replacement with “heterotemporality”, that is, the absolute contemporaneity of different ways of being in the world; second, an elimination of linear thinking and stage theories and their replacement with the notion of multiple possibilities at any moment in the historical process. I am hopeful for these and allied changes in historical writing, partly because some of them are already under way in different places and even have a tradition behind them. Surely they are needed more than ever to counter the linear and exclusivist eschatologies that are also afloat in our world today. Here I want to concentrate on three issues relevant to good historical practice with a global consciousness. First, it is essential to describe and interpret relations between peoples along two universal axes: the axis of exchange, involving communication, trade, gifts, and alliance and the axis of power, involving the domination of peoples and resistance to domination. To be sure, there can be coercive aspects to exchange, and conquest is a form of communication; both elements are present in most transactions, but they must still be sorted out. In my own case, the necessity for looking at both axes especially hit me when I began to work on early modern European marriage and family. In this intimate hierarchical world, the interaction between domination and exchange was always evident, whether at the drawing up of the marriage contract, at the wedding ceremony, in the marriage bed, in the birthing chamber, around the family table, in the farmyard or workshop, or at the drawing up of the will. When I came later to study the relations of Europeans and indigenous peoples in
3 Dipesh Chakrabarty, Postcoloniality and the Artifice of History. Who Speaks for Indian Pasts?, in: Representations 37 (1992), pp. 1–26; Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000. 4 Antonis Liakos, The Canon of History and the Strategies of Response, unpublished essay, 2004.
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What is Universal about History?
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seventeenth-century Canada and of Europeans and Africans in Suriname, or now between Muslims and Jews in sixteenth-century North Africa, I was prepared to add the dialectic of exchange – of stories, gifts, sexual intimacy, healing – to the polarity of domination and resistance. By now, Richard White had drawn a picture of a “middle ground” in the Great Lakes, in which diplomacy, trade, and other forms of exchange took place between Native Americans and the English who had settled in their ancestral lands; and Homi Bhaba was configuring cultural relations between colonized and colonizer in terms of “hybridity” rather than clear “difference” and “otherness”, and characterizing the rumor of defiled gun cartridges and the circulation of chapatis on the eve of the Indian rebellion of 1857 as the great spreading fear equivocal, circulating wildly on both sides. It spreads beyond the knowledge of ethnic or cultural binarisms and becomes a new, hybrid space of cultural difference in the negotiation of colonial power-relations.5 In 2001, in the pages of the “Indian Social and Economic History Review”, Shantanú Phukan challenges the assumption of “monolingualism” in the Mughal period and “the facile equation between literary traditions and religious communities” and describes seventeenth- and eighteenth-century authors reading and writing in Persian and Hindi both. “Where”, he asks, “do we fix the identity of a Punjabi Hindu making a pilgrimage to the tomb of a Sufi saint, enjoying a sophisticated narrative in eastern Hindi and retelling it in high Persian for the delectation of his Persian-and-Urdu-speaking Muslim colleagues?” This writer’s milieu of Mughal times is multilingual, but it is not Babel – it has shape and limits. This brings me to my second point in regard to historical practice: the historian’s interpretive stance and breadth of consciousness. Abandoning rigid evolutionary schemes that privilege a western style of modernization does not mean settling for no patterns or rhythms at all. We care about Ibn Khaldun’s second goal, the quest for “meaning”, for “knowledge of the how and why of events”. Thus, the concepts of “alternate historical paths” have emerged, or for those who like the term “multiple modernities”, diverse types of long or middle-span trajectories in political, economic, and cultural life. I heard a good example at the last Congress of the Historical Sciences, where Takeshi Hamashita showed us that in sealinked Pacific societies of the seventeenth to nineteenth centuries, state formation did not proceed in the direction of centralized and nation-based
5 Richard White, The Middle Ground. Indians, Empires and Republics in the Great Lakes Region, 1650–1815, Cambridge 1991; Homi Bhaba, In a Spirit of Calm Violence, in: Gyan Prakash (ed.), After Colonialism. Imperial Histories and Postcolonial Displacements, Princeton 1994, pp. 326–343.
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sovereign polities. Rather the suzerain-vassal tie, cemented by tribute gifts, was an alternate and viable path.6 Are there costs to the preference for multiple paths and alternate trajectories? It may mean giving up on a grandiose universal law for all of history, but it leaves us with a variegated repertoire of typologies and of shortterm and middle-term sequences and clusters of cultural traits – themselves always to be rethought through research and debate. It leaves us with a choice of literary narratives to tell about the past, and with the challenge of assessing historical societies in terms other than the binaries of “backward”/“advanced” or “spiritual”/“material”. It allows us to supersede Jack Goody’s concept of the “domestication of the savage mind”, where alleges polar contrasts between pre-literate and literate mind sets. Recent studies of the Americas have been assigning much value to recording devices and “recordkeeping without letters”, such as memory sticks, wampum belts, and pictorial ideographs. Instead of Algonquians and Iroquoians standing in awed admiration before godlike Jesuits with their writing tablets, we can as well visualize the two groups of seventeenth-century practitioners swapping information about techniques. Some Jesuit fathers were quick to adopt Indian memory sticks as superior to the memory boards they knew in France, while some native mothers were quick to send their daughters to the Ursuline convent to learn to read and write. Different modes of “reading” and recording the world have important consequences, but these can be understood more deeply if complexity is acknowledged in both cases. Likewise the implications of different techniques of communication – scribal, oral, print, electronic, visual – can be more richly seen if they are not prejudged as simple or advanced; indeed, the various forms coexist in societies and the interaction between them is often what stimulates the most interesting cultural behavior. The multiple-path possibility came early to those of us studying the history of women and gender – not only to those calling for non-western models for India, Africa, the Middle East, and Asia – but for those of us working in Europe itself. Did Protestantism with its call to literacy for men and women and its elevation of marriage encourage more symmetrical gender relations than Catholicism with its female saints and its celibate option? Or did each have its spaces for gender choice, its trade-offs, its constraints? Did the hierarchical Old Regime of the eighteenth century allow more public life and influence to aristocratic and wealthy women than contractual republican citizenship, extended fully only to men? Women of the time
6 Takeshi Hamashita, Paper presented at the session on Perspectives on Global History, 19th International Congress of Historical Sciences, Oslo, August 6–13, 2000.
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argued both positions, and soon after there were women advocates of a female women’s public role in charity work and writing, while leaving the state to men. Each of these were contemporary possibilities, to be explicated by the historian: the most important consequence they have for gender relations lies in their coexistence, their simultaneous claims, challenging and confirming different patterns of relationship. In urging the exploration of the past by the axis of exchange as well as the axis of power and its interpretation by multiple sequences rather than a single evolutionary scheme, I have been following a strategy of inclusion, that is, thinking of our tasks in ways that make possible a “global community of historians” in the twenty-first century.7 I might have said in a postcolonial world or in a post Cold-War world, but with the new imperialism, new fundamentalisms and passionate nationalisms, new eschatological furies and violent paranoia current today, those “post” phrases are too sanguine. Governments in several parts of the world insist that evidence unpalatable to their partisan program be suppressed from history textbooks; extremist religious/political groups in several parts of the world insist that history books be withdrawn from publication and from libraries because they contain evidence unacceptable to their present leaders. We historians do not possess a monopoly on ways of telling about the past, but we have a strong responsibility to defend historical evidence, duly researched, and credible interpretation of it. I affirm this responsibility in full awareness that it is often difficult to establish the validity of evidence, that documents are never transparent (one of my books is entitled “Fiction in the Archives!”), that historians shape disparate evidence into a narrative form, and that interpretations can be contested. But the goal of our historian’s craft has been and is a quest for a truthful account of the past as full as we can make it; we try to further that goal by constantly reviewing each other’s evidence, offering enlargements, and debating interpretation. Ibn Khaldun composed the “Muqaddima”, the prolegomenon, to his “Book of Examples” so that a rightful understanding of political and social processes would correct the “stumbling and slipping and deviating from the highroad of truth” found in history books whose authority rested only on trustworthy transmission (isnad). To correct his own errors, he called upon readers of “scholarly competence and wide knowledge” to look at his book with a
7 Jürgen Kocka/Wolfgang J. Mommsen (eds.), Karl Dietrich Erdmann, Toward a Global Community of Historians. The International Historical Congresses and the International Committee of Historical Sciences, 1898–2000, New York 2005.
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Natalie Zemon Davis
critical rather than a complacent eye. “The capital of knowledge that an individual scholar has to offer is small.”8 Ibn Khaldun’s readers and critics until the nineteenth century remained within the Arabic reading world. As historians today, our readers and critics can speak many tongues and come from many lands and perspectives. We gather together to report and exchange findings in fields or across fields and, in so doing, discover and debate what counts as historical evidence and plausible interpretation in a world community. We need this enlargement – for ourselves as historians, for our local associations, and for the power of our collective voice in support of historical inquiry and expression. “No one can stand up against the authority of truth”, Ibn Khaldun said hopefully six hundred years ago.9 Today – when a spokesman for the leaders of the most powerful military machine in the world claims they make their own reality irrespective of what actually happened – our challenge is greater. But with our expanded networks of collaboration, our potential for wisdom as historians and our ability for telling what women and men made happen in the past it is greater than ever.
8 Ibn Khaldun, Muqaddimah, vol. 1, p. 14. 9 Ibn Khaldun, Muqaddimah, vol. 1, p. 7.
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Michael Mann
Globalization, Macro-Regions and Nation-States
Many scholars and critical theorists today contend that the nation-state is dead, “transcended”, “undermined”, “outflanked” or “eroded” by globalization. The sociologist Ulrich Beck says globalization equals “de-nationalization”. He critiques the “methodological nationalism” that relies on a “container theory” of society, and says we have moved from an “age of nation-states” to an “age of globalization”, in which the national containers have sprung too many leaks to be resealed. Transnational fluidity has replaced the fixed, the national – and implicitly even the macro-regional.1 Many social scientists have added their own obituaries of the nation-state.2 Some declare “the end of geography” based on the “distance-destroying” of information and communication technologies.3 Metaphors abound of “distance annihilation”, “time-space compression”, “variable geometry”, “liquid modernity”, plus varied word-plays on “flows” replacing “place” or even “space”. “All that is solid melts into air”, declared Marx – rhetorically, of course. But these social scientists seem to mean it literally. There have been critics of such obituaries.4 I here carry their arguments further, in four ways. First, globalization and nation-states are not opposed, for nation-states have themselves been globalized. Second, the obituaries’ grasp of time and space is weak and wobbly: when and where was the nation-state so vibrant in the past and when and where exactly did it decline? 1 Ulrich Beck, What Is Globalization?, Cambridge 2001. 2 Zygmunt Bauman, Liquid Modernity, Cambridge 2000; Zygmunt Bauman, Globalization. The Human Consequences, Cambridge 1998, pp. 55–76; Manuel Castells, The Information Age. Economy, Society and Culture, vol. 3, End of Millennium, Oxford 1998, pp. 357f.; David Harvey, The Condition of Postmodernity, Oxford 1989; William Robinson/Jerry Harris, Towards a Global Ruling Class? Globalization and the Transnational Ruling Class, in: Science and Society 64 (2000), pp. 11–54; Kenichi Ohmae, The End of the Nation-State. The Rise and Fall of Regional Economies, New York 1995; George Soros, On Globalization, New York 2002; Susan Strange, The Retreat of the State. The Diffusion of Power in the World Economy, Cambridge 1996; Martin Albrow, The Global Age, Stanford 1997, p. 91; Anthony Giddens, The Consequences of Modernity, Cambridge 1990; Scott Lash/John Urry, Economies of Signs and Space, London 1994, pp. 280f.; Malcolm Waters, Globalization, London 1995. 3 Richard O’Brien, Global Financial Integration. The End of Geography, London 1992. 4 Paul Hirst/Grahame Thompson, Globalization in Question, Cambridge 1999; Michael Mann, Has Globalization Ended the Rise and Rise of the Nation-State?, in: Review of International Political Economy 4 (1997), pp. 472–496; Robert Holton, Globalization and the Nation-State, New York 1998; Linda Weiss, Bringing Domestic Institutions Back, in: Linda Weiss (ed.), States in the Global Economy. Bringing Domestic Institutions Back In, New York 2003.
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Third, nation-states vary enormously in their “infrastructural powers” – their ability to routinely penetrate their territories and civil societies and erect barriers against outside forces, including global pressures.5 Some are feeble, others are quasi-imperial, able to set the terms of globalization, in their own national interest. Fourth, we must distinguish between forces that are global and forces that are transnational but only “macro-regional”. The effect of these arguments is to dissolve the conventional antinomy between nation-states and globalization, and to re-assert the importance of places, both national and macro-regional, in processes of globalization.
Time and Space Most social scientists, being little interested in history, have offered only a single dichotomy – as Beck did – between a past age of nation-states and a present age of globalization. Pieterse is one of the few to offer dates: from the 1840s to the 1960s, he says, “the nation-state was the single dominant organizational option”.6 This is nonsense. States were quite weak before World War I. They relied on taxes from goods that visibly moved or from land whose area could be measured, rather than today’s far more sophisticated taxes on incomes or wealth at source. They had few economic policies beyond tariffs, whose main purpose was to yield the cash resources of which states were then starved. Capital and labor were already substantially transnational in the 19th century. Arms manufacturers sold their deadliest products freely to the enemies of their own state. States did acquire temporary planning powers in World Wars I and II, though Keynesian planning only became routinized after 1945, as did an exponential growth in state regulations covering most spheres of social life. Our great-grandfathers could beat their wives and children, smoke wherever they liked, and abuse people of other races and creeds, without fear of state punishment. The European nation was more divided by class, status, gender and region, with very different manners and styles of dress and mutually-unintelligible dialects. Today’s states are much stronger and today’s nations may be more cohesive and mono-cultural than they were a century ago. The obituaries are also Eurocentric. “An age of nation-states” before 1914 could only have existed in Western Europe (plus a few other places), 5 Michael Mann, The Autonomous Power of the State. Its Origins, Mechanisms and Results, in: Michael Mann (ed.), States, War and Capitalism, Oxford 1988. 6 Jan Nederveen Pieterse, Globalization as Hybridization, in: Mike Featherstone (ed.), Global Modernities, New York 1995, p. 102.
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since the world as a whole (including Asia) was dominated by empires. Between 1920 and 1941 the British Empire alone ruled a quarter of the earth’s land surface. True, the motherlands and fatherlands of the empires were becoming nation-states. But their rise to global domination had begun earlier, and the cataclysmic World Wars that ended them resulted more from inter-imperial rivalry than rivalry between nation-states, more specifically by failure to resolve rivalries between expanding empires (Germany, Japan, Russia and America), declining empires (Habsburg, Ottoman and Qing China) and status quo empires (Great Britain and France). The British government was clear that in both wars it was defending its Empire, while two German governments claimed Germany was being prevented from reaching its rightful imperial place in the world. An age of nation-states could only have begun after 1945, after the defeat of the German and Japanese empires and a long process of decolonization which established many new nation-states. The Soviet Russian empire only collapsed in 1989–1991, resulting in the appearance of more of them (and more resulted from the collapse of Czechoslovakia and Yugoslavia). The United States is now dominant in the world, but has not had a direct or indirect empire since its unhappy experience in the Philippines in the early 20th century. So the age of empires ended quite recently. Any age of nation-states would have to be placed in the last few decades, and coming to fruition only in the 1990s. The United Nations (note the title) now consists of 191 members, all of whom claim sovereignty over their territories in the name of the “people” or “nation”. Are they declining already? Most of the obituaries are written by Europeans since the European Union is the one place where decline might seem real, for its states have agreed to pool some sovereignty. This process has no parallel elsewhere in the world – and even the European momentum came to a screeching halt in 2005. Europe is unique mainly because no other macro-region had previously killed over 50 million of its own citizens. Thus it set up institutions to prevent another war. Is this even a net loss of sovereignty? The European states have collectively gained more power relative to two more powerful states, the Soviet Union and the United States. Now they can better share in steering globalization. We are now in an age of nation-states, just as we are now in an age of globalization. The globalization of the nation-state is a key part of globalization, not its victim.
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The Varying Powers of Nation-States But states are not equal. From Somalia to the United States is a massive upward leap in power. More states resemble Somalia than the US. In perhaps a third of UN member states the claim to sovereignty is a little hollow, since they possess little infrastructural power over their territories and borders. Just as in the past their colony capitals, normally port-cities, were better connected to the imperial capital in Europe than to their own hinterland, so today the same capitals are better-connected to the Northern aid agencies and buyers of their few commodity exports than to their hinterlands.7 Many are driven by civil wars in which rival factions are trying to establish their own nation-state, which is the global ideal for all.8 These are not declining nation-states. They never were nation-states, though they are trying to become them. Their main worry is not of global fluidity sweeping through them. It is the opposite: that globalization avoids them. Capitalism avoids states that are not in reality sovereign. As we shall see, global capitalism and effective nation-states normally go together, in harness. Here, amid the poorest, weakest states, both are absent. The remaining two-thirds or so of states do participate in the global economy. Yet 80% of their trade in goods and services remains confined within national borders. Inter-national price differentials remain much greater than intra-national ones. Borders and distance continue to rachet up transaction costs, even for capital flows. Every 1% in distance between two countries lowers bilateral trade by 0.7% – no annihilation of distance.9 As a share of world output, cross-border trade has been static, at just above 20% since 1980.10 Most cross-border trade remains within the neighboring region: only 11% of EU output and 8% of NAFTA output goes to the rest of the world. Of course, another one-third of cross-border trade occurs inside multi-national corporations (MNCs), yet they tend to retain a national identity.11 GATT/ WTO agreements reduce tariffs but not subtler forms of protection, like protracted customs inspections, safety regulations and currency manipulations. 60% of world trade is organized through preferential regional and bilateral agreements between governments. Production and trade 7 Frederick Cooper, Africa since 1940. The Past of the Present, Cambridge 2002; Jeffrey Herbst, States and Power in Africa. Comparative Lessons in Authority and Control, Princeton 2000. 8 Michael Mann, The Darkside of Democracy. Explaining Ethnic Cleansing, Cambridge 2005. 9 Jeffrey Frankel, Globalization of the Economy, in: Joseph Nye/John Donahue (eds.), Governance in a Globalizing World, Washington, DC 2000, pp. 58–67. 10 WTO, International Trade Statistics, 2003. 11 Peter Cowhey/Jonathan Aronson, Managing the World Economy. The Consequences of Corporate Alliances, New York 1993.
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span the world, but states negotiate the rules of global capitalism more than in the past. Again, states and global capitalism expand together, though in a denser economic world. Finance appears far more transnational. The value of financial crossborder flows, often organized in “offshore” locations, dwarfs the value of world GDP many times over – an artefact resulting from the same bond or stock being traded many times in the course of a day. States have felt increasing transnational pressures on their exchange rate and (to a lesser extent) interest rate policies, yet many state policies still affect international investment decisions. Risk is assessed as much in terms of the overall health of the national economy as in the private economic assets it contains. In fact, the level of cross-border trade and investment is positively correlated to state activism. Stronger, more interventionist states participate more in the global economy and attract foreign capital.12 There has been no “race to the bottom” on taxes by states supposedly desperately competing to attract foreign capital. OECD tax data suggest that states and global capitalists have negotiated a middle ground that balances capitalist profit against the preservation of national economic health and social welfare.13 Weiss says this reflects “governed interdependence”, where states continue to plan and preserve collective welfare, but in conjunction with profit-oriented business organizations.14 States and markets – national and transnational – remain entwined. One is not undermining the other. The hierarchy of states and macro-regions remains omnipresent in the world economy. The US sits on top. The dollar is the world’s reserve currency, the US leads the IMF, World Bank, and other international banking agencies, and its economy is double the size of any other national economy. The US is not being weakened by globalization, it sets many of its parameters. It is also the major player in bilateral trade agreements, attempting to counter the recent emergence of collective action among the states of the South within the WTO by dividing and ruling, making deals with individual needy Southern states that they cannot afford to turn down. These are modern versions of the “unequal treaties” characteristic of 19th century informal imperialism. So are structural adjustment programs. Both sets of arrangements reveal the continued relevance of the state system, but as hierarchy, not equality. The next tier of countries, Germany, Japan, Britain, France, Italy, Russia etc have lesser but still formidable power. The Europeans are banded 12 Dani Rodrik, Why Do More Open Economies Have Bigger Governments? in: Journal of Political Economy 107 (1998), pp. 997–1032. 13 John Hobson, Disappearing Taxes or the “Race to the Middle”? Fiscal Policy in the OECD, in: Weiss, States. 14 Weiss, Domestic Institutions.
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together in the macro-regional EU, Japan is a more informal leader of the East Asian economies. So the supposedly global economy is rather trilateral and decidedly “Northern”. The Northern countries provide over 80% of world production, trade and finance, and over 95% of its research and development. The rise of China and India is now beginning to reduce this, but by adding two more nation-states. These major nation-states and macroregions are not declining. Their power has actually spread outward, through an alphabet soup of organizations – G-7, G-8, G-12, WTO, IMF etc. They do not exactly “plan” the global economy, though capitalism was even less planned in the 19th century. Yet in many policy areas, from crime, terrorism and human rights to the environment, finance, and trade, officials exchange information, coordinate policies, enforce laws, and regulate markets. Sometimes this strengthens sovereignty and hardens borders, as with measures against terrorism and global financial fraud. Sometimes the effects are more complex. For example, the cooperation between national judicial authorities and international and regional courts is now tending to globalize jurisprudence. This poses a “democratic deficit”, whereby the national parliament has difficulty controlling the activities of state officials and business groups whose interests are often informally privileged within such channels. States themselves become a little “disaggregated”, removed from the nation.15 But these are the problems of expansion, not decline. The obituaries often identify “neo-liberalism” as the cutting edge of globalization’s ability to undermine nation-states. Let us consider its two main alleged powers, one exercised over poor countries, the other over rich ones. When poorer countries have fallen into debt, representatives of the Northern states who dominate international banking organizations enforce debt repayment through “structural adjustment programs”. The creditors’ voting strength in these banks reflect the size of each economy, with the US having most votes. Structural adjustment programs tend to redistribute power and income from labor to capital within the “adjusted” country, and from domestic to foreign capital internationally.16 Since the rich states, and the more economically effective Southern states, are not in debt, they are not affected. But this is not new, since it resembles the “informal imperialism” and the “dollar diplomacy” common in the 19th and early 20th centuries: weaker sovereign states are constrained by the more powerful, imposing “sound finances” on them. The victims can say “no”, as Argentina has done in both the 19th and 21st centuries, though the consequences are often
15 Anne-Marie Slaughter, A New World Order, Princeton 2004. 16 Samuel Morley, The Income Distribution Problem in Latin America and the Caribbean, Santiago 2001.
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dire.17 Such programs do embody the conventional wisdom of global finance capital, but this is enforced by the major states. Structural adjustment programs are the cutting edge, not only of globalization, but also of power relations between states. Again, the two go together. Second, neo-liberal globalization supposedly puts fiscal pressure on richer states offering generous welfare states and equality-enhancing redistribution. There is no doubting the pressure, only its source. The main economic pressures have arisen from transformations of capitalism, but not directly from its globalization than from the slowing rate of growth in the world economy in the early 1970s, followed by generally low-growth since. Structural unemployment rose and employment shifted toward the less-productive, more-unequal and less unionized service sector. These pressured state budgets, weakened labor movements and widened labor market inequalities. But the biggest pressures are not economic ones. With the “maturation” of welfare states, programs expanded and entitlements spread to more and more of the population. The size of the total pay-out began to strain budgets, even without recession (the “over-regulation” of the labor market in Germany similarly results from “regulatory maturation”). Then add demographic and gender pressures: population ageing (reinforced by rising hi-tech medical costs), more single-person households requiring welfare support, more low-wage women in the labor force, more inequality between households with two and no earners. People stay in school longer, retire earlier and live longer, so fewer workers must pay for the welfare benefits of more economically inactive persons.18 The more generous the welfare state, the bigger the fiscal crisis. This does not primarily result from globalization, though its consequence might be to weaken the regulatory powers of the nation-state. But to see whether this is true, we must turn finally to the role of macro-regions.
17 Emily Rosenberg, Financial Missionaries to the World. The Politics and Culture of Dollar Diplomacy, 1900–1930, Cambridge 1999; Michael Mann, Incoherent Empire, London 2003, Chapter 3. 18 See Paul Pierson, Coping with Permanent Austerity. Welfare State Restructuring in Affluent Democracies, in: Paul Pierson (ed.), The New Politics of the Welfare State, Oxford 2001; Lane Kenworthy, Egalitarian Capitalism? Jobs, Income and Inequality in Affluent Countries, New York 2004; Evelyne Huber/John D. Stephens, Development and Crisis of the Welfare State, Chicago 2001.
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Macro-Regions: Between the National and the Global Very little that is transnational is global. Most influences which transcend national borders emanate not from the globe but the neighborhood. The “tyranny of distance” constrains the movement of goods, services and people, though much less of messages (which is why global culture is also emphasized in the obituaries for the nation-state). What I will call “macroregional” networks of interaction occur over places that are bigger than state territories but a lot smaller than the globe. They involve shared value orientations and institutions. When we refer, for example, to “Latin America” or to “the Nordic countries” we imply some similarity of values and practices, even though we recognize that these macro-regions also contain some internal variety and fuzzy boundaries. Some are not geographical but purely cultural – like the “Anglo-Saxon” countries. Fuzzy as macro-regions may be, it is impossible to discuss globalization or its history without them. The term “global”, as in “global economy”, “global culture” etc., often misleads – as does the term “world system”. There was no global or world system until the 20th century, only macroregional ones, with loose, attenuated relations between them. In the 18th century, for example there was the sphere of influence of the Chinese Empire, a dispersed South-East Asian diaspora trading network, an expanding European imperialism, plus other smaller macro-regions. The late 19th century saw a marked convergence of commodity prices, a sign of an integrated economy say O’Rourke and Williamson.19 The title of their book calls this “Globalization”, but their sub-title, “The Evolution of a Nineteenth-Century Atlantic Economy”, admits that their data are drawn only from the macro-region combining Western Europe and the white settler colonies in the Americas. In the 20th century this expanding economy truly became global. Macro-regions remain as important differentiations but within the framework of a global capitalism. In current research, Dylan Riley and I show the relevance of macroregions in determining levels of inequality within countries in the decades between 1950 and 2000. We grouped thirty-six countries into six macroregions, each of which exhibited distinct levels and trajectories of income inequality. Three derive from Esping-Andersen’s20 seminal classification of welfare state regimes.21 These are (1) liberal or Anglo-Saxon (2) corporatist or Catholic European, and (3) Social Democratic or Nordic. We add three 19 Kevin O’Rourke/Jeffrey Williamson, Globalization and History. The Evolution of a Nineteenth-Century Atlantic Economy, Cambridge 1999. 20 Gosta Esping-Andersen, The Three Worlds of Welfare Capitalism, Princeton 1990. 21 Huber/Stephens, Development; Duane Swank, Global Capital, Political Institutions, and Policy Changes in Developed Welfare States, Cambridge 2002.
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more: (4) Latin America, (5) East Asia and (6) South Asia.22 Statistical analysis of variance showed that within-region variation in income was much less than between-region variation, and this became even truer through the period. Thus nation-states do not stand alone in their equality practices, they stand amid macro-regional cultures. It is often assumed that globalization is generating greater inequality across the world. Our data show that during the 1950s and 1960s most regions had become more equal, but since then there has been no uniform trend. Latin American countries have consistently had the highest levels of inequality, almost twice those of many European countries. Their lead in inequality slightly increased in the 1980s and 1990s, probably because of structural adjustment programs. The Anglo-Saxon countries started as the most equal but then were undercut first by the Nordic countries and then by the Euro-corporatists, both of which had entered the postwar period decidedly unequal. The East Asian countries also became relatively egalitarian, the South Asian ones less so (and these countries exhibited most internal variation). Overall, there has been no tendency to global convergence. Indeed, the differences between macro-regions were wider in the 1990s than in the 1950s. This parallels other research showing that in the first three macroregions, distinct welfare state regimes emerged and consolidated over this period. Though recently forced to reform them in response to the pressures described earlier, their reforms have tended to be consonant with their distinctive macro-regional traditions.23 Each had emerged offering a distinctive compromise between the varying class and other interest group configurations characterizing maturing industrial societies. These compromises tended to diffuse across neighboring and/or culturally similar countries (the Anglos are the only non-neighbors), moulded by macro-forces: early/late development, urban/rural differences, types of political regime, and types of experience in the World Wars. In Asia and Latin America we must add their distinctive experiences of colonialism and land reform. The countries in each region tended to exchange conceptions of “best practice” and “best solutions” to crisis. For example, in the Anglo embrace of neo-liberal re22 The countries are: Latin America: Argentina, Bolivia, Brazil, Chile, Colombia, Ecuador, Guyana, Mexico, Peru, Uruguay, Venezuela; East Asia: Hong Kong, Japan, South Korea, Taiwan; South Asia: Bangladesh, India, Indonesia, Malaysia, Thailand; Anglo: Australia, Canada, New Zealand, United Kingdom, United States; Nordic: Denmark, Finland, Norway, Sweden; Euro Continentals: Austria, Belgium, France, Germany, Italy, Netherlands, Spain, Switzerland. These were the only countries possessing reliable income statistics from which we can calculate Gini coefficients of inequality on gross and net household incomes. 23 Duane Swank, Withering Welfare? Globalisation, Political Economic Institutions, and Contemporary Welfare States, in: Weiss, States.
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forms, the Thatcher, Reagan, and Mulrooney and Chrétien (in Canada) administrations borrowed rhetoric and policies from each other, and so later did the Labour and Democratic administrations of Keating (in Australia), Muldoon (New Zealand), Blair and Clinton. There were exchanges of staffers, election-time visits and mutually recommended readings. Their economic advisers shared a post-Keynesian discourse. But there is no single model for the world. It remains unclear whether American, or East Asian, or German, or Chinese capitalism offers the most efficient form of economy. States are the agencies which institutionalize the various social compromises, and they continue to do so in varied ways. But they do not stand alone against such broader forces as capitalism, war or globalization. They stand among macro-regional cultures adapting shared concepts of “best practices” in response to common new economic, demographic and maturational challenges.
Conclusion In his book The Division of Labor in Society, Emile Durkheim argued that the development of human civilization had been both cause and consequence of an increase in what he called “social density”, which he conceived of in both physical and moral terms. He saw this as resulting from the increasing spatial concentration of population, the growth of cities, and the increase in the number and efficacy of the means of communication. The result was the continuous expansion of the division of labor.24 Durkheim wrote from the perspective of the 1890s. From the perspective of the 2000s we can see that globalization – especially through the expansion of capitalism, the media of communications and the nation-state system – has expanded social density and the division of labor still further. There has been a great expansion of knowledge-based, hi-tech and financial activities, of cultural identities and of state regulatory functions. Durkheim worried about whether “moral density” could cope, whether a society characterized by such an expanded division of labor could avoid anomie, normlessness. But, for better or for worse, nation-states and groupings of nation-states have continued providing the main regulation of modern society. They have expanded and become denser as human interactions have globalized. Even neo-liberalism needs regulation – as captured in the title of Steven Vogel’s
24 Emile Durkheim, The Division of Labor in Society, New York 1947, pp. 201–204.
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book on privatization programs in the telecommunications industry: Freer Markets, More Rules.25 Since Durkheim’s time, human interaction has begun to fill up the globe and bounce up against its limits. This happened first with the advent of weapons which could destroy the entire planet. There was a regulatory response, whereby the Superpowers, in conjunction with their macroregional allies, developed a set of informal norms governing their relations with each other. Perhaps uneasily, these did reduce the incidence of interstate warfare, though new risks have now arisen through other forms of warfare. The second filling up of the globe is through the economy as it reaches up against the ecological limits of the planet. If our economies do not destroy the earth’s environment, it will be because of regulations agreed between nation-state representatives, responsive to the interests of their peoples now inextricably entwined across the planet. This will not be the end for nation-states but a new era for them. The age of globalization is also the age of nation-states and of macro-regions.
25 Steven Vogel, Freer Markets, More Rules. Regulatory Reform in Advanced Industrial Countries, Ithaca, NY 1996.
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Charles S. Maier
Transformations of Territoriality 1600–2000
Space, Place, Territory Recall, to begin, Max Weber’s final, famous definition of the state: “State is that human community, which within a given territory – and ‘territory’ belongs to the criterion – (successfully) claims the monopoly of the legitimate capacity for physical force.”1 For years political theorists parsed the concepts of force and legitimacy – but left territory to the geographers. No longer. Scholarly progress is made by examining what has hitherto escaped our notice; and given the developments loosely designated by the term “globalization”, the concept of territory is no longer left unexamined. Still, territoriality has tended to receive only oblique scrutiny as analysts have focused on the related notion of sovereignty.2 My subject is the modern history of territory and the political properties attributed to it, i.e. territoriality. Often taken for granted, at least until recently, territoriality is rather an evolving premise of social organization, recurring with more or less salience throughout history, but certainly reconfigured and perhaps eventually dismantled as part of the trajectory of modernity, and what is now called post-modernity.3
1 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, ed. Johannes Winckelmann, Tübingen 51972, p. 822; reprinted in turn from Politik als Beruf, in: Max Weber, Gesammelte politische Schriften, ed. Johannes Winckelmann, Tübingen 31971, p. 506. “Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes – dies: das ‘Gebiet’, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht.” 2 John Gerard Ruggie, Territoriality and Beyond. Problematizing Modernity in International Relations, in: International Organization 47 (1993), pp. 139–174; Stephen D. Krasner, Sovereignty. Organized Hypocrisy, Princeton, N.J. 1999. Earlier aspects of my argumentation below have appeared in: Consigning the Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era, in: American Historical Review 105 (2000), pp. 807–831; Lines of Force. Territoriality, Technologies, and the Production of World Order, unpublished keynote lecture for the Conference “Geography and International History” held at International Security Studies, Yale University, February 11–12, 2000; and Secolo corto o epoca lunga? L’unità storica del l’età industriale e le trasformazioni della territorialità, in: Claudio Pavone (ed.), ‘900. I tempi della storia, Rome 1997. 3 Seminal, but somewhat sprawling: David Harvey, The Condition of Postmodernity. An Enquiry into the Origins of Cultural Change, Cambridge, Mass. 1990 (orig. ed. 1980).
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What is territory – and territoriality? Let us think briefly about two other related concepts. Territoriality is different from mere spatiality or extension over the surface of the globe. Spatiality involves the use of the earth’s surface, and sometimes the vertical extension of surface far into what we commonly mean by space. The politics and sociology of space is usually concerned with the ground-rules, in all senses, or the premises of appropriation and enclosure for either ritual or economic purposes. Architectural historians have theorized architecture as enclosure – originally deriving from the separation of sacred from profane space. Anthropologists and students of religion have emphasized sacred precincts, whether structures or pilgrimage sites. Marxists have written about bourgeois spatiality – above all Henri Lefebvre – as a social creation, a class strategy for making property relations operational. Space and spatiality have in fact tended to become the tropes of the Left, who envisage history to date as their continuing creation and appropriation for private wealth. Capitalism in this view organizes space along with labor, indeed devises strategies for space to control labor and capital. It may seek to enclose space as territory, but no longer needs to do so: firmes sans frontières.4 Place, in contrast, has become a concept allowing more appeal for the Right, connected as it is, sometimes with explicit appeals to Heidegger, to rootedness in the local – its appeal to topos versus utopia, somewhere vs. nowhere.5 It is certainly true that historians who are not Heideggerians have increasingly emphasized sites of history and memory – whether Pierre Nora and Mona Ozouf’s Les lieux de mémoire or Jay Winter’s Sites of Memory, Sites of Mourning (so appealing to the French) or Simon Schama’s Landscape and Memory. And, of course, environmentalists and Greens emphasize place. But I believe that, whether for historians or environmentalists, “place” has become the tempting refuge from the frustrated and admittedly sometimes tyrannical reformist politics of reform that prevailed in Western societies from the Second World War through the 1970s. “Place” is where we retreat once disillusioned with egalitarian political agendas. To reemphasize place, or Heimat, or the small and the local, is to stress attachment, belonging, acceptance – often by means of a vulgar version of what German 4 Henri Lefebvre, The Production of Space, Oxford 1991 (orig. ed. Paris 1974). Of course there is a venerable Ricardan tradition (taken up by some social reformers) that places the scarcity of land at the core of economic inequality; see the Italian Marxist Achille Loria, The Economic Foundations of Society, New York 1899. Lefebvre emphasizes the social transformations of space regardless of its scarcity. For a very useful critical survey of social theories of space, which insists on spatiality as a frame of social relations and not as an autonomous category, see Martina Löw, Raumsoziologie, Frankfurt a.M. 2001. 5 For the notion of place (vis-a-vis space) see Edward S. Casey, The Fate of Place. A Philosophical History, Berkeley 1997. Also Guy Di Méo, Géographie sociale et territoires, Paris 1999, pp. 48–62.
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historians have called Sinnstiftung, which can too easily degenerate into a mood-music and old-photo filtering of the past.6 Territoriality, however, comes without sentimentality. While it can be deployed by conservatives, the concept will appear implicitly not in idylls of organic harmony but in scenarios of fundamental conflict. Territoriality is a concept that is intertwined with “realist” concepts of global political life, sometimes even possible Armageddon-like scenarios of “us vs. them”, evoked by a Thucydides, Hobbes, a Carl Schmitt or (as I read him, although he might well differ) a Samuel Huntington. It has little resonance for an organic Romantic Right and certainly not for a religious Right that claims universal values. Territory is space with a border that allows effective control of public and political life. Effective control by any authority means, in the last analysis, the exclusion of alternative claims on political or economic or sometimes even cultural outcomes. In this sense, territory is “turf” in the language of street-corner society. For the Right, those alternative claims stem from other nations and ethnic peoples or even religions. For the traditional Left, the rival claims are usually those advanced by private interests, whether feudal or capitalist. The claims of territoriality need not, after all, be inherently conservative. Territory is the premise of state sovereignty. “Territoriality for humans is a powerful geographic strategy to control people and things by controlling area”, Robert David Sack has written. (Note the phrase “for humans” – students of animal behavior, indeed all dog owners, have long understood how basic a factor territoriality is even in pre-political creatures. And it is no accident that such influential theorists as Konrad Lorenz brought intellectual connections from geopolitical and nationalist ambitions to his studies of animal species, anticipating today’s sociobiologists – a mode of explanation I will not appeal to whatsoever.) Territoriality is created because multiple powers contest a finite global space, each seeking, as Weber emphasized, some zone of monopoly or exclusive control or sovereignty. (Sometimes spiritual authority can be posited as a co-existing non-territorial set of claims.) Still, I think it conceivable that territoriality need not be perpetually conflictual. The geopolitical analysts of the turn of the last century, such as Friedrich Ratzel, Halford Mackinder, and Karl Haushofer did presuppose that the great territories must be in perpetual conflict and the resources for their struggle consisted, above all, in the control of adequately developed space. But one can imagine an accepted and stable allocation of
6 Of course, the Left has searched for its “usable past”, and sometimes found it rooted in place as well – but place as the locus of a class or human community. What distinguishes the Right from the Left’s evocation of place is that the former can come without people.
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control among sovereign units; such is the dream of the partners to every peace treaty. Geographers and social theorists have written about territory, spatiality, and even place; historians about territories, but not about territory as such. But territoriality is not an unchanging set of relationships. It evolves over time and deserves historical scrutiny. In fact, only because territoriality has been in tremendous flux for the past generation, it has become problematic and has seized our attention. The historian like Hegel’s philosopher discovers phenomena only as they are being displaced: the owl of Minerva takes wing at dusk – and I believe that we are definitely thirty years into the dusk of territoriality as we knew it. But the territorial regime that is ending also had a beginning. The goal here is to suggest a historical outline for the rise and decline of modern territoriality as a series of concepts for regulating human politics and economics. Until recently we took territoriality for granted, but it is hardly an eternal property of political units and, in fact, has a history that we endeavor to trace in the chapters that follow. Territoriality was the precondition of sovereignty. The latter term expressed the monopolistic or decisive quality of supreme authority to which rulers and states aspired. Territoriality, in effect, was the material condition for sovereignty; it was its underlying political resource, usually uncommented on because it was so fundamental. Both territoriality and sovereignty implied boundaries and aspirations to exclusive control. Effective territories were units where decision space, the writ of effective legislation, shared the same boundaries with identity space, the extended turf that claimed citizens’ loyalties. How those spaces came first to coincide and then to diverge will be explained below. Western societies, at least, made territoriality the basis for collective political action for about three centuries. Nonetheless, alternatives for political organization existed before territoriality and sovereignty became such obsessive preoccupations. And alternatives are emerging now. Non-exclusive jurisdiction is possible over the earth’s surface: for almost a millennium European feudalism provided a concept of control less keyed to territoriality although it involved many territories. Feudal units are clearly finite regions with boundaries – King John of England lost the Duchy of Normandy in a feudal court to Philip Augustus of France – but they are characterized by a hierarchy of claims and rights over the same area usually held by different authorities, some lords, some vassals, some tax-collectors, others landlords. Each one had a share of rights over justice, over revenue, over peasant lives and labor. No one claimed exclusivity although rivals claimed supremacy. Between about 1300 and 1600 royal and imperial claims, sometimes analogized on the bases of Roman law, undermined but could not eliminate this pluralism.
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Claims for religious loyalty were also non-territorial before the Reformation. When religious institutions thought about their spatial organization, they claimed validity within imperial world space or world space contested by Christianity and Caliphate. The divisions within Christianity, of course, forced a modification of these premises. From the seventeenth century on – the Peace of Westphalia provides a crude but useful date on which to peg at least a European transition – until a couple of decades ago political and religious institutions came to take territory for granted as the basis of their enforceability. After the mid-seventeenth century sovereign statehood became the recognized norm. And by the twentieth century, exclusive control – in democratic as well as totalitarian states – appeared to be of such supreme value that millions upon millions of soldiers and civilians were called upon to risk and lose their lives in its defense. But this underlying political assumption has changed drastically, and territoriality seems to have lost much of its vitality as a premise for effective politics. Territoriality no longer assures whether a given political unit has jurisdiction and effective power to secure desired legal much less economic outcomes. Control of migration, exclusive citizenship rights, economic growth are harder to achieve as territorial control weakens. For much of the twentieth century ordinary politics in the developed world concerned issues of redistribution of economic goods such as taxation and welfare. But contemporary politics is increasingly about who is inside and who is outside a civic community: who belongs and who does not. Inclusion and exclusion have become or re-emerged as the underlying stakes of contemporary politics precisely as, and because, the spatial definitions of insiders and outsiders weaken. The reader will retort that what was at stake in the great struggles of the twentieth century were values – democracy vs. autocracy or totalitarianism – and I would agree. The claim here is not that territory is “causal” in some underlying sense, but that it allows political claims to be operationalized – they become claims over the regulation of space. Studied as such they reveal aspects that we otherwise overlook. Among other virtues, a focus on territoriality always allows us to test issues of political periodization, that is claims about what are the fundamental changes that mark historical development.
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Frontiers I have attempted to summarize the territorial regimes of the modern era in the accompanying table. It seeks to represent schematically the great epochs of territoriality that distinguish the last few centuries at least of Western history, and increasingly of world history. The table suggests that an era of intense territoriality emerged around the mid-seventeenth century, underwent some decisive modifications in the eighteenth and nineteenth century and then, I believe, started to dissolve a generation ago. Alternatively, the schema contrasts two forms of non-exclusive territorial attachment – imperial and post-territorial – with the phases of territoriality that lie between. And it spotlights three moments of decisive transformation – the midseventeenth century that introduces sovereignty as an attribute belonging to hundreds of state units, and a heightened awareness of frontiers; then the epoch from the 1850s to about 1880 (but above all the 1860s) as a further crucial watershed – the one that created the world in which anyone older than 45 came to political consciousness; and finally the period that I believe we have been caught up in since the end of the 1960s. To understand these changes, it helps to follow two concepts, above all, that of frontiers and that of fields. The first rupture in the table – or relative rupture – comes with the era of Westphalia, and it distinguishes between the imperial organizations of the fifteenth and sixteenth century and the rescaled states that began to emerge thereafter. As developed here, the scheme is Eurocentric and focuses on the crisis of the Habsburg monarchy. But this was not the only Empire that had difficulties; Habsburg captains had already dispatched the Aztec and Inca empires; the Turks had lost their momentum; the Ming fell in the 1640s. Empire was too “porous” a structure to mobilize power effectively against hit-and-run barbarians (such as the Spanish represented in the New World and the Mongols in East Asia).7 The new states brought a new and different preoccupation with frontiers. It is not that empires do not have frontiers. “Boundaries are basic”, as Derek Williams writes in his history of the Roman limes, but then he adds that “although boundaries are as inevitable as our sense of property only landlords like them … Frontiers are history’s orphans.”8 Nonetheless, the fron7 It will be objected that even if the Habsburg Empire was reduced to a Spanish and overseas monarchy, on the one hand, a Central European congeries, on the other – the other large empires persisted, whether Qing, Mughal, or Ottoman. But the Ottomans would be in slow retreat, the Mughals revealed the same vulnerabilities that tributary suzerain units traditionally showed and the Qing organized a territorially rationalized state on the basis of an ethnic elite. Nonetheless, I will limit the claims of the chronological scheme for now to Europe and its dependencies. 8 Derek Williams, The Reach of Rome. A History of the Roman Imperial Frontier, 1st–5th Centuries AD, London 1996, pp. xvii, 294.
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tier of an empire is different from the post-Westphalian frontier. The frontier of the Empire keeps out non-territorial peoples, invaders or “barbarians” who do not have any stable land, sometimes nomads, sometimes kingdoms on the move, or what we call “tribes”, and the Germans term “Völker”. The imperial frontier is thus the boundary of civilization; it abuts a gradient or glacis. The post-Westphalian frontier is the dividing line between two sovereign units each of which is at the same level of culture. It is no accident that as we leave a territorial stage of history and enter, fitfully to be sure, an era, less of nation-state power than what may emerge as an epoch of hyper-regions – say the European Union – the role of the frontier reverts to that of keeping out intruders who come not as representatives of states, but as threats to civilization (even as they are required for their labor power). Schengen has the old function of controlling the access of barbarians, but it allows the red and white frontier gates to be dismantled between France and Germany. Linger for a minute at the frontier. The modern history of frontiers really begins in the seventeenth century: the military revolution and la trace italienne provided the static technology of fortification. The Treaties of Westphalia and the Peace of the Pyrenees (itself signed on the frontier between an ascendant France and a weakened Spain) established the epoch of the sovereign territorial state. Military outcomes revealed that the vast porous empires of the Habsburgs and the Ottomans, with all their patchwork of fueros and diets, tax exemptions, charters, local languages and nobilities in the former case, self-regulating religious communities, elevated Greeks and Albanians, in the latter realm (at least later) – with their fundamental dualist structure of center and periphery – would be condemned to a long retreat, extended over several centuries of continuing cultural brilliance but political attrition nonetheless. As Ewan Anderson has summarized, with Westphalia, “it was acknowledged that boundaries drawn around territory circumscribed a single political and legal unit over which the state had sovereignty. The idea of zonal frontiers between core areas of control was rejected and from then, individuals owed allegiance to a specific territory which linked them to sovereign control.”9 From the seventeenth century on, the French historian Michel Foucher refers to the invention of the frontier: a process ideologically justified by Bodin and theorists of sovereignty, and literally cast in stone with the great military fortifications erected by Vauban.10 Fortifications mean that the border must be a line, not a zone. We
9 Ewan Anderson, Geopolitics. International Boundaries as Fighting Places, in: Journal of Strategic Studies 22, 2/3 (1999), pp. 125–136, p. 127. 10 Michel Foucher, L’invention des frontières, Paris 1986.
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Ditto
Cameralist/rational Tax exploitation No direct control of labor power
Cadastral (1720–1790)
2a
Post-territorial or Hyper-regions?
Devolution up/down Diasporic loyalties Frontiers vs. migrants
Plutocratic, mediatized Performers, credentialled experts
As above plus standing political parties
Enclosure of overseas dependencies “Development”
Spatial Rivalry on World-Scale (1880–1980)
3a
Crises of Territorial Regimes (1965–1990)
Fusion: Landed magnates and state servants; New professionals, finance and industry
Centralizing and permeating Primary education
Federal/Central (1850–1880)
3
4
Quasi-tolerance Secularizing
Contested religious uniformity/territorial confessionalizaiton
Contested religious uniformity
Values and Conflicts
Agricultural improvements
Ditto and fortifications
Gunpowder
Symbolic Key Technologies
The same, rationalized (Berlin, Turin)
Growth of larger capitals (St. Petersburg, Delhi)
Pre-migratory Serving trade Administration
Urban/Rural Relationship
Ditto
Maxwellian energy fields
Individual fulfillment Territory as elegiac
Nationalism/fascism vs. socialisms Territory “to die for”
Nationalist/liberal vs. catholic
“Tributary”, i.e. center of agricultural hinterland
Computers
“World cities” ‘wired’ to each other; Global migration
As above and “Steel” Assembly lines extending into Mass production peripheries
Steam power Railroads Telegraph
Crises of Old Regimes (1780–1840): Ideological and Industrial Revolutions; Market Relations Extended to Land (desamortización, disentail); Industrial Revolution
Newtonian
Aristocratic state servants
Semi-rationalized e.g. Colbert’s tax “farms” Frontiers vs. other states
Dynastic/ Territorial (1650–1780)
Crises of Imperial Regime: Religious Civil War; Limits on Fiscal Exploitation of Territory
Copernican
Great captains
“Spongy”: Local liberties Frontiers vs. “barbarians” Tribute, conquest, grants
Imperial (1519–1648)
2
1
Spatial Analogue
Elites/Major Actors
Principles of Territorial Governance, Civic Organization, and Generation of Resources
Regime (Dates)
Territorial Regimes
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have histories in English of the Pyrenees frontier and the Austrian military frontier (the Croatian border with the Ottoman Empire), probably better at excluding pestifers than soldiers.11 Early modern history is thus the history of frontiers – and not only frontiers but of enclosures more generally. The seventeenth and eighteenth century comprise the great epoch of enclosure of common lands within the villages of Britain and Western Europe, and for Foucault – focusing on the enclosure of madmen and vagrants and mendicants, hitherto tolerated on the margins of a diffuse society – they comprise the age of “the great confinement”. The frontier thus acquires an urgency – all the more when for almost fifty years Louis XIV will be embroiling much of Europe in his frontier mania, triggering war after war by pressing up against the northeast or arranging the dynastic switch from Habsburg to Bourbon in Spain. Frontiers, in fact, occupy the map makers from the sixteenth century on. Encouraged by the great explorations to map the oceans and the new world, they turn to draw the boundaries of the old. We take the maps for granted and forget their metaphoric quality of reducing space and extent to readily apprehended planar models. To map an area is to try to control a portion of the earth’s surface, to dominate it conceptually. The map is cousin to the landscape and kin to the Renaissance mastery of perspective: a reduction of space to a small surface. The landscape accomplishes its task at close to the ground level, the map from on high. Ortelius publishes his atlases – one of the modern world and revealingly, one of the travels of Aeneas, the founder of the Roman world – in mid-sixteenth century Antwerp. The first national map of France appears in 1525; an atlas follows in 1594, the late seventeenth century sees a systematic mapping of the frontiers, an effort culminated by the Cassini family of Italian cartographers of France in the mideighteenth century. The Sieur de Beauplan will map Ukraine; the British in the nineteenth century will conduct geographic surveys of Ireland and India.12 Looking ahead to what he construes as the destructive “high modernism” of nineteenth and twentieth-century social engineering, James C. Scott writes: “All the state simplifications that we have examined have the character of maps.”13
11 Gunther E. Rothenberg, The Military Border in Croatia, 1740–1881. A Study of an Imperial Institution, Chicago 1966. 12 For a Marxian treatment see P. Alliès, L’invention du territoire, Grenoble 1972; and for French cartography in the context of absolutist statecraft Jean Gottman, The Significance of Territory, Richmond, Va. 1973, pp. 58f. For Ortelius see Jessica E.H. Maier, The Parergon of Abraham Ortelius, MA Thesis, Columbia University 1999. 13 James C. Scott, Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition have Failed, New Haven 1998, p. 87.
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In fact, the craze for borders lasted until very recently; and if it makes sense to date it from the seventeenth century, the impulse was decisively renewed in the nineteenth century, as new nations were consolidated and new boundaries created out of war and conquest. Overseas empires became increasingly envisioned not as a network of shipping rights and supply stations, nor just of extraterritorial enclaves and zones of coastal penetration – these limited arrangements whereby the Europeans, the Americans and the Japanese established themselves like ticks in the body of the great but “declining” Asian empires. Preferably, for the invigorated and industrialized Europeans of the late nineteenth century, overseas jurisdictions would be transformed into cloned territories offshore that must themselves be clearly bounded. As one of the greatest celebrants of this sort of empire, Lord Curzon could still announce as of 1907, “frontiers are indeed the razor’s edge on which are suspended the modern issues of war and peace, of life or death to nations”. Indeed he might have repeated the judgment through 1990.14
Toward Territorial Modernity But to understand the modern concept of territory, and thus of state and even nation, indeed of international order, borders are not enough. Beginning with the programs of enlightened monarchs, but transformed through the industrial revolution, a new quality of territoriality emerges as important. It concerns with what happens within the borders. The area within will no longer be construed as a passive enclosure to be awarded to the great families or captains of the realm, whether a Cortez or a Wallenstein, and skimmed of its metals or tribute. Extraction is not enough. It will be a source of resources, livelihood, output, and energy. The Empire awards the jurisdiction of peasants to its magnates in return for revenue; the territorial state reaches down in an effort to tap the resources generated by peasants or townsmen more directly. The territorial state takes economic exploitation in hand at a level closer to the producing units. Its economic writers emphasize that the production of grains or urban products are decisive sources of power as well as wealth. These mercantilist insights – they seem so obvious that their analytical novelty is hard to grasp – arise in France and Britain even before Westphalia, that is with the economic crises of about 1618– 1820 that accompanied the opening of the Thirty Years War. But they become qualitatively more important in the eighteenth century with the advent 14 Cited in Anderson, Geopolitics, p. 128.
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of what I call here the cadastral state. And they change decisively in the mid-nineteenth century, with the extension of what is usefully thought of as energy concepts to political space, i.e. the notion of “fields”. Mastering the interior, either as a cartographer or as an administrator, has its own history. And while it is usually taken to be the logical counterpart of the development of the frontier, in fact it emerges at a different pace of historical development. To be sure, the territory of the seventeenth and eighteenth-century state must be administered as a fiscal resource, banditry must be suppressed, military cantons and supply centers established, nobles given administrative responsibility over local governance, roads built and canals cut. Colbert rationalizes the great farms of the French fisc and also removes many of the internal tolls and taxes. The great project of the Italian and Central European states in the mid-eighteenth century will be the cadastral survey.15 Habsburgs and Bourbons must map their realm, tax contributor by tax contributor. Maria Theresa’s cameralist administrators will leave their imprint in Milan and Trieste, Hungary and Bohemia as well as Austria. Even where a “feudal” nobility has arrogated almost all offices and perquisites as “fiefs”, as in the Kingdom of Naples and Iberia, ambitious administrators such as Genovesi, Carracciolo, and Pombal will work to make their territories rich (or at least less impoverished) and obedient. But the forces of privilege, the great inertial grip of a landed church and nobility, the sparseness of administrative personnel all combine to limit the achievement. The resources for penetrating the territory and its local elites are still insufficient. “Feudal” regimes always spend beyond their means. Peasants, magnates, and courts will always press more claims on resources than they produce.16 The pre-modern territorial regime, even when organized by the cadastral state, enjoys only a few decades of relative equilibrium. This enticing civilization, which we associate culturally with the aristocratic preeminence of the mid-eighteenth century, has been conveyed across the two and a half centuries since by the style of late baroque and rococo: a glimpse of worldly grace, briefly impervious (or so it seems at fist glance) to religious or ideological fanaticism, mass loyalties, existential anxieties. By the 1770s, however, whatever harmony existed begins to fall apart, equilibrium fails, 15 Roger J. P. Kain/Elizabeth Baigent, The Cadastral Map in the Service of the State. A History of Property Mapping, Chicago 1992. 16 Some suggestive recent works include Bertrand Badie, La fin des territoires. Essai sur le désordre international et sur l’utilité sociale du respect, Paris 1995; Bernard Lepetit, Chemins de terre et voies d’eau. Réseaux de transports, organisation de l’espace, Paris 1984; Gérard Labrot, Quand l’histoire murmure. Villages et campagnes du royaume de Naples (XVIe–XVIIIe siècle), Rome 1995, esp. the contrast with Tuscan development, pp. 566–582; Dino Carpanetto/Giuseppe Ricuperati, L’Italia del settecento, Rome 1986.
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whether because the intellectual clarity of the era mercilessly brings its aristocratic social presuppositions under critical scrutiny, or because the continuing warfare overburdens its fisc, or because the agrarian regime that rests on the settled control of land is undermined by the extension of the market to the countryside as entail and church control are undermined and the potential wealth from manufacture becomes vastly more important. From the 1770s through the 1840s rural Europe – and not only Europe – became unhinged. The inroads of market capitalism, the percolation of French revolutionary values and independence movements, all contributed to the ferment and dislocation. By the 1820s and 1830s, moreover, the vast process of secularizing and selling church lands (desamortación) had spread from revolutionary France and the Napoleonic domains to countries that were Catholic of long-standing, Mexico, Spain, more of Italy. In fact, the unsettling of the landed order or the ancien regime was an even wider, global phenomenon. The Taiping ravaged southern China; caudillos emerged on the Argentine Pampas. By the 1830s and 1840s, moreover, harvest failures, and famine or boom-and-bust cycles of land values – testified to the creakiness of the agrarian constitution of countries so diverse as Ireland, Japan, parts of the American South, and Spanish America. In effect, land was escaping the control of its traditional rulers; its value fluctuated wildly, its population was in vast movement, its traditional elites reacted to their sense of precariousness. Scientific agronomy and agricultural improvement beckoned as the solution offered by a reformist gentry; but the technological fixes proposed testified more to the dissolution of rural stability than to its promise.17 Out of this ferment, however, arose the modern geopolitical order as today’s middle-aged adults experienced it until the end of the 1960s. In a work that has fallen into undeserved oblivion, the historian Robert Binkley took account of this global transition sixty years ago, when he pointed out that political territories or national units had undergone a great crisis of confederal organization, abandoning, in a process of widespread civil wars, their traditional decentralized structures of politics for more administratively and territorially cohesive regimes.18 In the United States of the Civil War era, in Meiji Japan, in the German Confederation and the states of Italy, in the emerging halves of the Habsburg empire, in the British organization of India, in Canada, Mexico, Thailand, later in the Ottoman empire, national societies were reforged in a rapid and often violent transformation, 17 On the political role of agronomy: Marta Petrusewicz, Come il Meridione divenne una questione. Reppresentazioni del Sud prima e dopo il Quarantotto, Soveria Manneilli 1998, pp. 39– 104. 18 Robert C. Binkley, Realism and Nationalism, 1852–1871, New York 1935.
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which (1) strengthened central government institutions at the expense of regional or confederal authority, (2) required that internal as well as external military capacity be continually mobilized as a resource for governance, (3) coopted the new leaders of finance and industry, science and professional attainment into a ruling cartel alongside the still powerful but no longer supreme representatives of the landed elite – let us call them the coalition of modernity, and (4) developed an industrial infrastructure based on the technologies of coal and iron as applied to long-distance transportation of goods and people, and the mass output of industrial products assembled by a factory labor force. To get another insight on this transformation, switch to the analogues provided by physical science. Every era, I believe, defines its territorial institutions and its images of the physical world in some sort of congruence. At the least, its intellectuals envisage the frameworks of both spheres as somehow homologous.19 Both testify to an overarching spatial imagination that will persist for decades (or even centuries), but can change rapidly (as Thomas Kuhn explained) when it finally gives way. The cadastral state is organized in the world of Newtonian space: “absolute”, homogenous, uncurved, a framework in which great and small masses are suspended, their mutual interactive forces in a continuing equilibrium, whether serenely moving at constant velocity or captured in the continuous acceleration of orbital motion – all, however, lawful and transparent to human reason. But the reconstruction of territory from, say, the 1850s to the 1880s (with the 1860s constituting the most concentrated decade of transformation) involved new concepts of spatiality and force. Perhaps it is just coincidence that during these very 1860s, James Clerk Maxwell tried to explain what he (and earlier Michael Faraday) meant by “physical lines of force”. Scattering iron filings allowed one to find a visual trace of such force. Prior to Faraday 19 I realize this verges on assumptions that transcend empirical history. Almost any set of resemblances can be discerned in an ambitious cultural history agenda. Moreover, I have been appropriately queried as to the nature of the analogy between field theories and concepts of territory. Is there any relationship between the two beyond the metaphorical? Certainly political leaders did not understand or read physics the way they might have read Darwin and derived the ideas we call social Darwinism. The latter is an instance where political or economic leaders find a justification for policy in science – much as some do today in sociobiology. The claim here is different: namely that there arises simultaneously in physics and territorial organization a shared repetory of images and concepts, akin, obviously to what Foucault termed an epistémè. In any case the metaphor of energized space is no more arbitrary than the metaphorical or analogical nature of the physical theories themselves. “Just” metaphor may be the only non-mathematical imagery that modern physics, whether Maxwellian or Einsteinian or after, can provide. See for suggestive discussions, Franklin R. Ankersmit, History and Tropology. The Rise and Fall of Metaphor, Berkeley 1994; Peter Galison, Image and Logic. A Materialist Culture of Microphysics, Chicago 1997, pp. 19–40, 46–63; and Nelson Goodman, Languages of Art. An Approach to a Theory of Symbols, Indianapolis 21976.
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and Maxwell, and to others such as Helmholtz and Hertz, electricity, magnetism, gravity, all presupposed action at a distance. Space had been an empty vessel. But the new physics meant that space itself was energized – that every point in space could be assigned its own quantity of force. A series of differential equations could establish the total of these energies, attributed to electrical and magnetic fields, for every point.20 Now, too, the national territory was no longer a mere surface dotted by settlements, but a space filled with energy. Maxwell’s forces, moreover, were represented by vectors, that is they had a direction. So, territories, too, had a center, the national capital from which political and economic energy radiated outward. (In contrast, today’s metropolises are wired to each other, not their national hinterland, and conceived of as suspended in a world network of capital and labor.) The simultaneity of the political and social changes throughout the world of the 1860s presents an explanatory challenge. A simple diffusionist model will not work; events on different sides of the world underwent the same changes at the same time. To argue that each society was caught up in its own internal or local history is trivially true, but begs the issue. Any rational observer taking stock of so many similar transformations in individual societies at the same time must reasonably infer that some overarching impulses were at work; the probability of such multiple coincidences is low indeed. Can we establish some common causal pattern? The earlier unmooring of agrarian society – a result of eighteenth-century prosperity, ideological assaults on entailed land, the growing intensity of commerce and markets – have already been cited. Advances of technology and science also contributed. The railroad’s potential for mastering distance, the scientific imagination’s imagery of force and fields provided a new template for the political mastery of territory. Every point in the national space was to be charged with “energy”. Once merely the passive surface enclosed within frontiers, the national territory was now to crackle with productive potential. Territory pulsated with administrative and prefectural initiatives, with schools and mass-circulation newspapers, all knit together by the railroad and telegraph. The potential for enterprise, for communication with urban centers, for mobilization of manpower, for the movement of goods and peoples, their awareness of political goals, was to permeate the national territory, just as every point within a field had potential or kinetic energy. The railroad, above all, awakened the national territory from the torpor of backwardness. As Carlo Cattaneo wrote in 1861, the railroad was the 20 Jed Z. Buchwald, From Maxwell to Microphysics. Aspects of Electromagnetic Theory in the Last Quarter of the Nineteenth Century, Chicago 1985, pp. 22f.
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instrument “to rapidly correct the evils of history and geography”.21 Its strategic lines allowed the movement of troops on which national power politics rested, as the Northern victories in the American Civil War or the Prussian humiliation of France demonstrated. By the end of the 1860s Americans had traversed the North American continent with a rail link; control of the new railroads in the American South helped unite the postCivil War ruling elites in the American South. The Canadian Pacific was driven to the Pacific during the 1880s, in effect extending the Dominion westward along its dorsal spine. Similarly, as the Left secured control of the French Republic in the 1880s it carried through two major projects: Ferry’s secularization of primary education and Freycinet’s national railway web, radiating outward from Paris to modernize the interior of the country so that the national domain might truly be integrated. Everywhere, the material results were impressive. Railroad lines tended to quadruple in the advanced states across the middle three decades of the nineteenth century. The United States went from 6.3 kilometers of track per 1,000 square kilometers in 1860 to 34 in 1890 to 84 in 1920; Britain’s tracks had already jumped from 7.6 in 1840 to 46 in 1860 to 89.6 to 134; France from 17 in 1860 to 62 to 70.22 Finally by the end of the century Count Witte had engaged Russian energies on the huge Trans-Siberian project. At one and the same time the railroad was the foundation of economic development, peopling hitherto remote areas, providing the transport infrastructure for commerce, creating a new demand for iron and steel manufacturers and machinists, promising moral and political progress, supplying a tangible image of energy radiating through the national space. The railroads alert us to another aspect of territorial intensification: the obsession with drawing lines – lines that joined points and wove together territory, and lines that separated. In the case of the railroads the lines connected towns and knitted together territory. But even as they worked at penetrating and energizing their national space, political leaders reinforced the borders that enclosed their respective territories. By the 1880s protective tariffs were imposed. In the same decades that Maxwell puzzled over the physical interpretation of his equations, the new class coalition of modernity was obsessed about lines of all sorts and not only geographical frontiers. Social and class upheaval at home as well as renewed international competition compelled a renewed fixation with social enclosures of all sorts: boundaries that separated nation from nation, race from race, primitive man from modern man, church from state, public from private, house21 Cattaneo cited by Raffaele Romanelli, L’Italia liberale (1861–1900), Bologna 1979, p. 69. 22 Peter J. Hugill, World Trade since 1431. Geography, Technology, and Capitalism, Baltimore 1993, p. 174.
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hold from work, alleged male from reputed female roles. Defending rigid borders became a preoccupation of social and political life more generally. Throughout the nineteenth century and until the last decades of the twentieth, Western society firmed up the frontiers of private and public life including the lines between classes and the highly rigid gendered division of family and work. Until the late 1960s social change and social conflict was described as taking place within familiar well-demarcated dualist categories: city and country, developed and undeveloped, middle-class and working-class, male and female, native and foreign. Social science constructed our world in terms of clear and distinct boundaries; leaders conducted politics in terms of clear and distinct territories. Collective life defined itself by its multiple frontiers, social and spatial. When the boundaries were transgressed or could not be stabilized, social orders degenerated – even liberals believed that tribal societies were fated to succumb. In the most architectonically conceived art work of the age, when the boundaries that separated brother from sister, Gods from men, and the values of gold from those of blood, Valhalla itself perished. Consider more generally the industry and exchange of the century after 1850 or 1860. What characterizes its organization? First of all it is designed to move heavy things. It transfers masses of people by railroad and ship, then plane and train. It digs huge amounts of earth, as in Panama, or piles up vast amounts of water behind large concrete barriers. Shovels, turbines, motors. Size counts. Second this economy is designed to produce vast amounts of objects, relatively undifferentiated (any color so long as they are black, as Henry Ford said of the model T). It brings labor in mass units to the machines and subjects them to their discipline. It is centralized: control emanates from the center, and as Frederick Taylor argued, the greatest separation between the brains of an enterprise and the unquestioning physical execution of labor is desirable. The relationship across space is clearly hierarchical. The headquarters of enterprise or of government are in the capital; the other branches are subsidiaries. Authority flows from center to periphery; output moves toward the center from the periphery. There is hierarchical directionality. And the efficacy of industry seems proportional to size. The nations of the West will remain enchanted with this model through the 1950s and in the communist world until the 1980s. Symbolically at least, this model of production culminates with the achievement of the integrated steel mill: a concept of continuous flow production of heavy metal that becomes central to the ideas of constructing modernity in Jean Monnet’s plans for postwar France, the Thyssen firm’s proposals for reconstruction in Germany, Oscar Sinigaglia’s vision for IRI in Italy, and planners in Russia and India: all hypnotized by the vision of molten metal
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moving from crushed stone at one end of the furnaces and extruded at the other end in bars, and wires and sheets. I cite these concepts because they proved fundamental to the collective organization of economic resources and political power for the hundred years or more extending from the 1860s to the 1970s. The era of economic nationalism and protective tariffs starting in the 1870s, of the subsequent drive to annex overseas territory, of the formation of long-term alliances during peace time and the ratcheting up of the arms race that preceded the First World War, of the ideological polarization between a Marxian Left and a militarist Right, thereafter between communism and fascism, and finally between Soviet power and its Atlantic alliance, all represented stages of historical development within this long era of territoriality. Common to all the changes that took place from the 1860s through and beyond the admittedly important critical divides of 1914 and 1945, however, remained perhaps the fundamental premise of collective life, namely that what we can term “identity space” was coterminus with “decision space”. That is, that the territories to which ordinary men and women tended to ascribe their most meaningful public loyalties (indeed thus superseding competing supranational religious or social class affiliations) also provided the locus of resources for assuring their physical and economic security. Identity space and decision space coexisted like magnetic fields and electrical fields, orthogonal but overlaid, movement through one generating energy in the other.
Post-Territoriality? For better or worse, this once familiar congruence exists no longer. Identity space and decision space are no longer seen as identical. Until 1960 or 1970, I think it justified to assert that Western society, indeed world society, lived in familiar territory. And that familiar territory was precisely territory itself. The great wars and regime changes and other events that were so politically spectacular – 1914, 1917, 1919, 1933, 1939, 1945, 1947–1948 – represented caesuras within an underlying system of national states that did not challenge the premises of territoriality and modern industrial development. But territoriality no longer suffices as a decisive resource; it is a problematic basis for collective political security and increasingly irrelevant to economic activity. Of course there are fierce exceptions where ethnic groups insist on hegemony, but if my view is correct, such conflicts should slowly abate.
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Somehow we have come to live in different times. Even if they culminated longer-term strains, the decisive changes took place rather abruptly between the late 1960s and the end of the 1970s. The United States which had come to anchor the territorial system of the Cold War came to the limits of the power it could or would deploy. It became mired down in a thirdworld war in which its superior military technology gave it no real advantages. Within the Atlantic world it ceased to guarantee at least the international monetary structures that had come to play so important a role. The easy neo-colonial control of energy resources that it upheld for the West (recall the Iranian intervention of 1951) disappeared with the oil crises of the 1970s. The inter-class corporatist collaboration that underlay Western political alignments proved increasingly unwieldy and hard to coordinate, as the stagflation of the seventies also demonstrated. New social groups, such as students or self-aware women’s movements, could not easily be integrated into the traditional social bargaining. The industrial system of Fordist production that underlay the great economic achievements of World War II and the Cold War seemed increasingly obsolete: Western Europe and the United States had to shut down the coal and steel industries that had been the underpinning of the industrial system. Underlying the transition was the diffusion of Fordist production to Asia and Latin America as well as the spread of a new economy of electronics and services in North America and Europe. And while the innovation in other areas became a source of new vitality and wealth, such a shift undermined the social structures and political party alignments that underlay public life since early in the century. Similar tensions afflicted the Communist world, and the Soviet Union had to resort to armed interventions, most shockingly in 1956 and 1968 and 1979, to perpetuate its geopolitical control. Thus has followed a generalized transformation of the first world with respect to territory and boundaries: populations and elites have lost the reassurance of a territorial space that allowed control of public life. This paper cannot explore all the transformations we know of as globalization: whether the internationalization of corporations and the siting of manufacture far from the headquarters of the firm; or the growth of non-hierarchical communication on the internet; or the advent of what Foucault would have called a new decentered epistémè we refer to as post-modernism; or the partial disintegration of societal frontiers that earlier demarcated public and private space or gender roles and insignias.23
23 For the implications of these issues as they apply to geographical and economic factors see Harvey, Condition. See also the work of Saskia Sassen, The Global City. New York, London, Tokyo, Princeton 1991.
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Second, the economic base of public life – and the economic imagination of the contemporary era – has been reoriented. The transformative technologies no longer entail heavy metal or pumping iron, mass output and physical motion of goods. Fordism seems passé as firms organize team production and produce a wider range of customized products. The transforming sectors of the economy seem increasingly built upon the transmission of data. The metaphors or mentalités fostered by this technology no longer focus on “lines” or borders, but networks. To be sure, contemporary public discussion of this change far outruns the actual rate of transformation; heavy industry based on bending metal and physical transformation, and hierarchical factories persists – just as atelier production remained crucial throughout the era of industrial capitalism. Nevertheless, the culturally transformative impact of economic innovation remains as critical as its actual quantitative input and output, and this has reached avalanche tempo. Third, the basic social class configurations that created the old territorial order have also changed. The consolidation of national territorial space drew upon a post-1848 alliance of old magnates – oligarchic, agrarian, committed to decentralized local power – and new bourgeois elites drawn from science, learning, industry and commerce. This elite soon faced a mass working class, concentrated in the factory or the mine, seen as a contender in a forthcoming apocalyptic struggle. But our class images have changed. Today we envisage elite and mass arranged in concentric circles, no longer in tapering pyramids. We use the language of center and periphery: the new elite at the center reaps the rewards of being adept at transnational control of information and symbols. The new proletariat performs menial services: cleaning hospital corridors or city streets, taking care of our homes and children. The former hierarchic geography of center and periphery has altered, such that what we used to describe as Third World metastasizes into the First. The boutiques and the barrios exist cheek by jowl in New York as well as Latin America. The movement of population has resumed the levels that it did in the decade before World War I, both from poor countries to richer and from country to metropolis. Cities grow again, but now the cities of Latin America, Africa, and Asia: in the last thirty years: Mexico and Sao Paolo and Lima, Cairo or Lagos, Kuala Lumpur and Jakarta. When urban conglomerations crowd up in the First World, it is the 35-kilometer city that reveals the growth, not the old 10-kilometer city (whose population has hardly changed at all, unless to decline slightly): Los Angeles, San Jose, or the Couronne de la Seine. The result of the political reorientation, I have proposed elsewhere, means that the significant division in the Western electorate today cuts across traditional groupings and has generated what might be called two
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“virtual” parties.24 On one side are those elements prepared to accept, or even profit by the transnational flows of wealth and information, convinced that only going with this global flow, so to speak, will allow the rewards of markets to enrich us all. I have termed this party the “globalists”. They include centrist Democrats and moderate Republicans in the United States, Tony Blair Labourites or pro-European Tories in Britain, the battered Brahmins of the Congress in India, etc. They advocate ever more encompassing free-trade arrangements and identify with supranational institutions, including the European Union, envisaging a transnational civil society of NGOs that will assure international order. To a degree these are the elements with which most contemporary intellectuals identify. On the other hand, often their enthusiasm for market solutions threatens to become just a simple pro-market neo-liberalism, which believes that ultimately political control of the globalization process is hopelessly anachronistic. On the other side, increasingly, agitate the “territorialists”, who propose to reunite identity space and decision space. They argue that whether inside the nation-state as we once knew it, or the new region as we must create it, peoples must reconstruct meaningful frontiers. As the electoral results in places so diverse as Austria and Venezuela reveal, Western intellectuals are ill advised not to pay attention to their themes and their campaigns. When European farmers were buffeted by modernization and the depression, their votes helped bring fascism to power. The victims of globalization have at least the capacity for disruptive politics and endemic violence. They represent what I think is best called territorial populism, and Jörg Haider is probably the most skillful of the group. To condemn them as neo-fascist misses the source of their appeal, although the ugliest ones do conceptualize politics as a process of irreconcilable and zero-sum ethnic confrontation and thus appeal to instincts of conflictuality that underlay fascist successes. Many rightly point out the growing inequality that globalization seems to have fostered hitherto. Nonetheless, if the globalists threaten to become mere neo-liberals on a world scale, the territorialists threaten to degenerate on the Right into chauvinistic politics and on the Left into the violent fringe at Seattle or Genoa. Outside Europe and North America, their counterparts, in what we misleadingly term fundamentalism, advocate a new or restored public role for religion for the same ends.
24 Charles S. Maier, Territorialisten und Globalisten. Die beiden neuen “Parteien” in der heutigen Demokratie, in: Transit 14 (1997), pp. 5–14.
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Territory and Empire Again: Political and Analytical Alternatives These new conditions present both political and analytical challenges. There are fundamental choices about what is and might take place within states and between them, that is, within the international system as a whole. At the level of individual polities, it remains to be seen whether there can be a coherent political program that takes into account the laments of the territorialists without succumbing to their xenophobia and aligns with the globalists without merely surrendering to mere market orientation. Such an endeavor might involve reinforcing supranational institutions with political capacities and political representation – not merely a web of NGOs, for no matter how attractive that vision, it will remain elitist and feeble. It would probably require inventing a renewed concept of location, no longer territorial, but linked to the real consolations of place, such as familiarity, landscape, and community yet purged of the Blut und Boden reaction that celebrations of Heimat can encourage.25 As of now, however, intellectuals have settled for place not as a political fulcrum, but as a refuge for historicist nostalgia: whether in a preoccupation with historical museums, or “heritage” sites, or the excruciatingly slow landscape shots of televised history. But elegies are no substitute for political programs. It is an open question whether in today’s world political leaders can reconstruct a democratic commitment to place that goes beyond, say, just loyalty to national or local athletic teams (who, of course, recruit internationally). Such a renewal today will probably involve acceptance of diasporas as the normative community of our era: let those who wish to migrate migrate; help those who wish to stay on familiar ground. Perhaps we should all be able to claim dual nationality: one granted by birth, one by choice. We might describe this as a task of inventing a sense of territoriality, now on a supranational scale, without frontiers. Is such a paradox possible? On the level of international politics, the alternatives ahead are also unclear. First, it is unclear what is happening to the concept of territorial world politics. The fundamental question for the social scientist is whether territoriality is actually declining in importance as a political and economic resource or is just being rescaled once again as the effective spatial units for political or economic control shift from the nation-state to the local region or to the international economic union. Those who believe in rescaling argue that firms and states are reconstructing a new world of smaller and larger regions on behalf of capitalism. Others insist, though, that states can still reassert control over the market in an era of globalization; in short that
25 Casey, The Fate of Place; also Di Méo, Géographie sociale et territoire, pp. 48–62.
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territory still matters.26 Still, this time may in fact be different. Territory as such, at any size or scale, may in fact be a wasting asset. I do not know what experiment or data can unambiguously resolve this issue at present. Second, it is unclear what actual organizational forms are actually evolving. It is conceivable that the emerging global organization of economic and political life will once again after four centuries allow a return to regional constructions without rigid frontiers or exclusive jurisdictions. In this case, political associations and capitalist entrepreneurs might both seek forms of control across old frontiers in new shared geographies: think of the extraterritorial claims that antitrust regulators in the United States and the European Union both endeavor to enforce outside their formal jurisdictions. Can such overlapping configurations provide the cadres of legal and political development that the century of high territoriality did from 1860 to 1960? The outcome is hardly clear: on the one hand, a world court; on the other, American financed drug wars that waste the villages of Columbia. Territoires sans frontières can involve a descent into stateless savagery, the twilight violence and lawlessness evoked by Ryszard Kapuscinski or Robert Kaplan. Sovereignty, after all, did not emerge between the mid-sixteenth and mid-seventeenth century without some fine minds to recommend it. To cite Latin America (or the Middle East) is to suggest the other plausible alternative, that is, America’s emerging imperial vocation. Geopolitics was the intellectual creation of the territorial epoch: a theory of conflict that fetishized the organization of territoriality so ephemerally ascendant as “the heartland”, or “the great Eurasian landmass”. In this conception of history only empire could assure world order: nation states alone were too small. Peace was secured by the Pax Britannica, challenged by German and Japanese aspirations, yielding ultimately to the postwar Soviet and American organization of diverse peoples around two hegemonic nations, and finally the survival of the United States as the surviving imperial power. The language of empire has become very fashionable recently. And a perfectly consistent analysis of America as empire is possible. Empires can prosper as post-Westphalian organizations just as they did as pre-Westphalian associations. The preoccupation with frontiers – and the sort of gradient-like frontier that separates a higher civilization from the barbarians – adds to the plausibility of the empire analogy. So, too, do the domestic political trends which 26 See Neil Brenner, Beyond State-Centrism? Space, Territoriality and Geographical Scale in Globalization Studies, in: Theory and Society, 28, 3 (1999), pp. 39–78; Neil Brenner, Urban Governance and the Production of New State Spaces in Western Europe, 1960–2000, in: Review of International Political Economy 11 (2004), pp. 447–488; Robert Boyer/Daniel Drache (eds.), States against Markets. The Limits of Globalization, London 1996.
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even under modern democratic conditions replicate earlier experiences of imperial politics. Empires are dualist structures: they are coalitions of transnational elites in which minority networks confront majorities whose participation becomes increasingly a matter of spectatorship. Empires can advance material welfare for each of their social groups and yet produce increases in inequality. They can advance what seems like a process of increasingly democratic consultation (plebiscites, referenda, polling) even as political participation becomes increasingly plutocratic and restricted in its impact. Imperial intellectuals justify the process by describing democracy as a process of informed conversation among experts and remove more and more issues from electoral resolution. In return empires celebrate spectacular gladiatorial sports and games to create the simulacrum of community. Empires allow a tolerance of diverse sexual morals, religious affiliations, and group identities that civic republics often do not. Empires build walls but must continually admit migrants. Empires help to maintain order and to restrain violence within their borders, but make their frontiers continuing sites of conflict. As J. M. Coetzee writes in his bleak novella, Waiting for the Barbarians: “One thought alone preoccupies the submerged mind of Empire, how not to end, how not to die, how to prolong its era. By day it pursues its enemies. It is cunning and ruthless, it sends its bloodhounds everywhere. By night it feeds on images of disaster: the sack of cities, the rape of population, pyramids of bones, acres of desolation. A mad vision yet a virulent one.”27
These trends mark our own civilization, and make an imperial analysis potentially compelling. Events since September 11, of course, strengthen the diagnosis. Still, even if the imperial analogy seems persuasive, it does not foreclose any issues about the importance of territoriality. America rose to power in the twentieth century on the basis of its economic prowess: developing mass production and mass consumption, becoming the lead producer for the Fordist era and serving as the arsenal of democracy and a funder of postwar recovery; then successfully making the transition from the era of mass industrial production to that of services, computers, and mass cultural consumption. Nonetheless, the preoccupation with the frontier and the wall has been present throughout: the years of enforcing the long peace in Europe along the Iron curtain were also the years of military or covert interventions in Korea, Iran, Guatemala, Cuba (unsuccessfully), Vietnam, Central America, Africa, and the Middle East. Would American ascendancy have been possible without an unavowed preoccupation with territoriality? If we iden27 J. M. Coetzee, Waiting for the Barbarians, London 1997 (orig. ed. 1980), p. 146.
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tify territorial defense (and “defense” often entails a continuing expansion into regions of turbulence just over the imperial frontier) with Nye’s hard power, and non-territorial resources with soft power, can the U.S. dispense with hard power? Would McKinsey, MacDonald’s and MTV guarantee ascendancy? No matter how that question is judged, is it really fated that territory must remain so much of the iron cage that dominates world politics? To be sure, there remain tenaciously contested regions where winning a sovereign territory has recently been or remains a supreme objective – the Albanian populated provinces of Serbia and Macedonia, the West Bank, northern Sri Lanka – and it seems that cycles of violence may never end. Still, for most developed regions the preoccupation with territory may be the intellectual residue of a three-hundred year epoch now ending. We need to be concerned with territory today, not because it imposes unchanging variables on world politics – as it tends to do from Mackinder to Kissinger and, most recently Brzezinski, who calls for a strategy for Eurasia (itself an invention of geopolitics that I believe is totally mythical) but because it is changing under our eyes. Mackinder wrote, after all, midway through the epoch of territoriality that extended from 1860 to 1970, that is, at the moment when the technologies that allowed the filling of space to seem triumphant. The railroad was to make the Eurasian heartland an unprecedented and irresistible center of world power.28 The data before us allow different conclusions. The geopoliticians will claim that landmass, territory and frontiers will always remain crucial: why else would we be thinking about Islam, Caspian oil, the rivalries in Central Asia? The globalists will respond that the geopoliticians fetishize history and in fact ignore the web and the net and the total non-territoriality of communication. To decide this issue we need only wait.
28 I draw on Geoffrey Sloan, Sir Halford Mackinder. The Heartland Theory Then and Now, in: Journal of Strategic Studies 22, 2/3 (1999), pp. 15–38.
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Jürgen Osterhammel
Imperien
Der Bedarf nach Nationalgeschichte entsteht in gewissen Phasen der Nationalstaatsbildung: antizipatorisch als Entwurf einer politisch noch unerfüllten gemeinsamen Vergangenheit, affirmativ und versöhnend-therapeutisch als Sanktionierung und geistige Überwölbung politischer Integrationsleistungen, kritisch als Gegengeschichte aus der Sicht minoritärer Eliten, nostalgisch (manchmal retrospektiv selbstkritisch) im Gefolge nationalgeschichtlicher Katastrophen. Es wird Nationalgeschichte geben, solange Nationalstaaten existieren. Da – trotz der Spekulationen allzu euphorischer Globalisierungspropheten – das Ende des Nationalstaates nicht in Sicht ist, kann man der Nationalgeschichte eine blühende Zukunft voraussagen. Viele Länder der heutigen Welt sind junge, manche sehr junge Nationalstaaten, zahlreiche von ihnen politisch instabil, kulturell sehr heterogen oder ethnisch zerrissen. Überall dort, wo überhaupt ein Minimum an Voraussetzungen für institutionalisierte Geschichtsschreibung besteht, ist Nationalgeschichte zwangsläufig die dominante historiographische Ausdrucksform. Manchmal wird daraus kritische Forschung, fast immer begibt man sich auf die Suche nach „a usable past“. Viele Länder und Völker haben ihre Nationalgeschichte noch gar nicht gefunden. Nationalgeschichte folgt auf trans-nationale Geschichte und setzt sie voraus. Denn Nationalstaaten entstehen vergleichsweise selten durch hegemoniale oder föderative Zusammenfassung kleinteiliger Souveränitätslandschaften (das deutsche und italienische Modell auf der einen, das schweizerische auf der anderen Seite). Viel öfter erwachsen sie aus den territorial umfangreichen, durch eine Vielfalt von Herrschaftsformen und eine Pluralität von Ethnien und Kulturen gekennzeichneten Großgebilden, die man Imperien nennt. Es ist an dieser Stelle müßig, Erwägungen darüber anzustellen, ob der Begriff „transnational“ auf vormoderne Zustände, also auf die Welt vor der Ausbreitung des Nationalstaates, angewendet werden sollte oder nicht. Der Nationalstaat ist, entwicklungsgeschichtlich gesehen, im Verhältnis zum Imperium ein sekundäres Phänomen. Man kann es auch anders sagen: Das Imperium, eine Erfindung früher Zivilisationen, ist der weltgeschichtliche Normalfall, der Nationalstaat die spätneuzeitliche Ausnahme. Der Nationalstaat hat das Imperium als Typus auch keineswegs ein für allemal überwunden. In Gestalt der Sowjetunion bestand bis 1991 ein Herrschaftsgebilde mit einer postimperialen Ideologie, das gleichwohl viele
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strukturelle Merkmale eines klassischen Kontinentalimperiums trug und dessen Ähnlichkeiten mit dem Zarenreich in dieser Hinsicht stärker auffielen als die Unterschiede. Die Volksrepublik China konserviert bis heute mit ihrer Herrschaft über Tibet und über weite Regionen Innerasiens – und mit mancher Attitüde gegenüber kleineren Nachbarn – das territoriale Erbe des Reiches der Qing-Dynastie in jener Form, die bis zum Vordringen der europäischen Imperialmächte um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht war. Vollends haben Struktur und Praxis der US-amerikanischen Machtsicherung und Machtentfaltung nach dem Ende des Kalten Krieges und zumal unter der Präsidentschaft von George W. Bush die Frage in den Mittelpunkt weltpolitischer Debatten gerückt, ob man es bei den USA mit einem „neuen“ oder „letzten“ Imperium zu tun habe oder vielleicht gar mit dem ersten wahren „Welt“-Reich der Geschichte, das die Möglichkeiten von Kapitalismus, Kommunikationstechnologie, Kulturexport und militärischer Interventionsfähigkeit zu einer alles durchdringenden Kontrolle nutze.1 Schließlich wird diskutiert, ob und in welchem Maße die Europäische Union neo-imperiale Züge trage. Die Antwort darauf dürfte sein, dass die EU etwas historisch Neues repräsentiert, nämlich Supranationalität bei Fortbestehen nationalstaatlicher Autonomie auf vielen Gebieten, doch verdient anerkannt zu werden, dass historische Analogien mit einer karolingischen oder habsburgischen Reichsvergangenheit zumindest als Gedankenspiele nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Es gab jedenfalls bis vor kurzem Imperien, und bis in die 1960er Jahre hinein kann die Geschichte vieler europäischer Nationalstaaten ohne die Berücksichtigung mannigfacher imperialer Kontexte gar nicht sinnvoll geschrieben werden.2 In einer noch direkteren und intensiveren Weise sind die Nationalgeschichten vieler anderer Länder auf imperiale Vergangenheiten bezogen. Nationalstaaten entstanden durch konfliktreiche Sezessionen von Imperien, manchmal sogar durch große Unabhängigkeitskriege (Haiti, die USA, die lateinamerikanischen Republiken, Indonesien, Algerien, Vietnam), sie entwickelten sich evolutionär durch langsame Autonomisierung aus Imperien heraus (Kanada, Australien, Neuseeland), entstanden in einem schnellen, aber einigermaßen ordentlich verlaufenden „transfer of power“ zwischen Herrschaftseliten (Ägypten, die Philippinen, Indien und Pakistan – trotz der chaotischen Umstände der „partition“ 1947, Ceylon/Sri Lanka, Ghana, die frankophonen Staaten Westafrikas) oder blieben übrig als Trümmerstücke eines krisenhaften Zusammenbruchs imperialer Zentren 1 Ein breites Spektrum von Interpretationen in: Andrew J. Bacevich (Hg.), The Imperial Tense. Prospects and Problems of American Empire, Chicago 2003; vgl. relativ unpolemisch auch ders., American Empire. The Realities and Consequences of U.S. Diplomacy, Cambridge, Mass. 2002. 2 Jürgen Osterhammel, Europamodelle und imperiale Kontexte, in: Journal of Modern European History 2 (2004), S. 157–181.
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(die Nachfolgerstaaten der Habsburgermonarchie, des Osmanischen Reiches und der Sowjetunion). Manchmal definierte sich ein früherer imperialer Kern in einen territorial und ethnisch arrondierten Nationalstaat um (Österreich, die Türkische Republik), zuweilen verschwanden koloniale Peripherien und imperiale Einflusszonen buchstäblich über Nacht mit einer militärischen Niederlage, und das imperiale Zentrum wurde auf seinen vorimperialen Status zurückgestutzt (Deutschland 1914/18 und 1945, Italien 1942/43, Japan 1945). Auf welchem Pfad auch immer ein Nationalstaat entstand: er blickte auf ein Imperium zurück – ein aktiv beherrschtes eigenes oder eines passiv erlittener Fremdherrschaft. Die Mehrzahl der heutigen Nationalstaaten auf der Welt waren früher einmal Kolonienbesitzer oder Kolonien, die USA beides. Die imperiale Vergangenheit war dabei stets durch vielfältige Einbindungen in größere Zusammenhänge gekennzeichnet gewesen, einige davon einschränkend und unterdrückend, andere oft gleichzeitig Chancen eröffnend. Im Moment der Emanzipation war der postimperiale Nationalstaat mit sich allein. Keine Geschichte, am wenigsten die transnationale, kann daher die Imperien übersehen. Längst bevor von transnationaler Geschichtsschreibung die Rede war, hatten sich im weiten und vagen Umkreis des Imperiumsbegriffs verschiedene Historiographien angesiedelt.3 Da ist zunächst das riesige Gebiet der imperialen Binnengeschichten. Überall dort, wo das Imperium die dominierende und sichtbarste Form politischer Vergesellschaftung war, bildet das Reich ganz in derselben Weise die gleichsam natürliche Rahmung von Historiographie, wie es für andere Zeiten der Nationalstaat ist. Das Imperium Romanum, China seit der Reichseinigung durch den Ersten Kaiser im Jahre 221 v. Chr., die Reiche der Abbasiden und anderer muslimischer Dynastien, das Osmanische Reich, Spanien im 16. Jahrhundert oder das auf besondere Weise als „Altes“ Reich verfasste frühneuzeitliche Deutschland: für sie alle und viele andere mehr ist lange Zeit eine andere als die Reichsperspektive kaum denkbar gewesen. Auch dort, wo inzwischen die größten Forschungserfolge erzielt werden, nämlich auf lokaler und regionaler Ebene, lässt sich der stets auf irgendeine Weise einwirkende Makrokontext von zentralisierter Macht, Elitenzirkulation, symbolischer Einheitsstiftung (oder gar versuchter kultureller Homogenisierung) sowie großräumiger Verkehrs- und Handelsbeziehungen niemals völlig ausblenden. Der Kaiser, Zar oder Sultan – als Amt und Rolle eher denn als Person – mochte weit gewesen sein, aber er blieb ein Fixstern lebensweltlicher Orientierung. 3 Die folgenden Überlegungen knüpfen ohne ungebührliche Wiederholung an bei Jürgen Osterhammel, Imperialgeschichte, in: Christoph Cornelißen (Hg.), Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, Frankfurt a.M. 42004, S. 221–232.
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Ein zweites historiographisches Feld ist die Geschichte des Imperialismus. Ist „Imperium“ ein alter und generischer Begriff keinesfalls nur europäischen Ursprungs, dessen jeweilige Varianten in zahlreichen Zivilisationen zum Repertoire semantischer Selbstbeschreibung gehören, so handelt es sich bei „Imperialismus“ um eine europäische Neuschöpfung des mittleren 19. Jahrhunderts. Hinter allen Feinheiten der Definition verbergen sich zwei grundsätzlich verschiedene Imperialismusbegriffe: Der engere Begriff bezieht sich auf die aggressiven außenpolitischen Aktionsformen der so genannten Großmächte im Zeitalter intensiven kapitalistischen Wachstums, also im „age of empire“ zwischen etwa 1874 und 1914/18, manchmal bis 1945 verlängert. Dieser Begriff hatte seine große Zeit zwischen John A. Hobsons „Imperialism: A Study“ von 1902 sowie den danach in rascher Folge entwickelten marxistischen Imperialismustheorien und der kurzen Blüte des Imperialismusinteresses in der deutschen Historischen Sozialwissenschaft der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Im Allgemeinen haben sich mit diesem Begriff Annahmen über die Ursachen gesteigerter Expansion verbunden; man hat sie in krisenhaften Entwicklungen kapitalistischer Ökonomien, in Nationalismus, Militarismus oder in manipulativer Konfliktablenkung nach außen gesehen. Soweit sich die Forschung über mehrere Imperien in einem Satz zusammenfassen lässt, kann resümiert werden: Die gesteigerte Expansionsdynamik im Zeitalter des Hochimperialismus muss aus einer Verbindung von (a) national spezifischen inneren Entwicklungen in den europäischen Ländern, (b) gesamteuropäischen Überlegenheitsphantasmen, (c) Destabilisierungskrisen an zahlreichen „Peripherien“ und (d) halbwegs autonomen Konkurrenzmechanismen im internationalen System erklärt werden. Nur im Fall des Deutschen Reiches, der USA und Japan (dort aber ausgeprägter erst nach ca. 1915) war der Hochimperialismus vor dem Ersten Weltkrieg industriewirtschaftlich getrieben (und daher auch stärker auf Zonen eines „informal empire“ als auf formale Kolonien gerichtet). Bei den übrigen Imperialismen war der Bezug zur Industrialisierung schwächer als der zu finanzkapitalistischer Interessenentfaltung oder vorkapitalistischer Raubwirtschaft. Der Imperialismus war im Regelfall weder ein in die Moderne hineinragender Atavismus (Joseph A. Schumpeter) noch eine Manifestation des Kapitalismus in seinen „fortgeschrittensten“ Formen. Ein zweiter Begriff von Imperialismus ist logisch, räumlich und zeitlich umfassender und daher komparativ wesentlich aufnahmefähiger, zugleich aber deskriptiver und inhaltlich bescheidener. Danach ist Imperialismus jenes Bündel militärischer und politischer Maßnahmen, die dazu dienen, ein Imperium zu schaffen und aufrecht zu erhalten. Nach diesem zweiten Verständnis des Begriffs – aber nicht nach dem ersten – wäre es legitim, von einem römischen, mongolischen, chinesischen, spanischen oder napoleoni-
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schen Imperialismus zu sprechen. Das eröffnet neue Perspektiven, sobald man sich der Vielfalt von Reichsbildungen in der Geschichte stellt und die theoretische Verknüpfung zwischen industrieller und militärischer Expansionsdynamik lockert. Dass die Erklärungsweisen der klassischen Imperialismusdeutungen aus der Zeit vor 1914 weder dem nationalsozialistischen Plünderungs- und Vernichtungsimperialismus4 noch gewissen Aspekten der US-amerikanischen Globalhegemonie der Gegenwart gerecht werden, spricht zugunsten eines weiter gefassten Imperialismusbegriffs, der vorebenso wie nachindustrielle Formen von Reichsbildung nicht ausschließt. Dabei sollte das zentrale Bedeutungselement politisch-militärischer Dominanz bewahrt werden. Ein Imperium ist ein politischer Verband von erkennbarer territorialer Form, in dem ein staatlich organisiertes Zentrum systematisch in den politischen Prozess schwächerer Peripherien eingreift. Es stumpft die begriffliche Trennschärfe ab, wenn nicht-staatlichen Akteuren, etwas multinationalen Konzernen, die Fähigkeit zugesprochen wird, Imperien zu gründen, also Imperialismus zu betreiben. Auch unterscheidet sich die Wagenrad-Struktur eines Imperiums vom plurizentrischen Netzcharakter heutiger Globalisierung.5 Imperialismus wäre danach jede von einem überlegenen Zentrum durch militärische Eroberung initial betriebene und durch zivile Institutionen stabilisierte Projektion von Herrschaft in großräumigen und multi-kulturellen bzw. „transnationalen“ Wirkungsfeldern. Ein dritter Typus von Imperial-Historiographie befasst sich mit dem alten Thema des Verhältnisses von Kolonien und „Mutterland“. Die meisten und viele der besten Untersuchungen in diesem Modus gelten dem britischen Empire, dem einzigen wahren „Welt“-Reich, das es je gab. Eine alte, den Zeitumständen entsprechend unvermeidlich apologetische Geschichtsschreibung, die längst untergegangen zu sein schien und erst jüngst medienwirksam wiederbelebt wurde, feierte die Leistungen eines zivilisatorisch überlegenen, weltweit friedensstiftenden Großbritannien.6 Nüchterner und weniger selbstgefällig sah es der Hauptstrom der „imperial history“ in den letzten drei Jahrzehnten. Zusammengefasst in den dreitausend Seiten der Oxford History of the British Empire (OHBE)7 zeichnet die neuere Forschung das Bild eines vielfältig gegliederten, regional ausdifferenzierten und in seinen Teilbereichen durchaus „ungleichzeitigen“ imperialen Sys4 Vgl. Götz Aly, Hitlers Volksstaat, Frankfurt a.M. 2005. 5 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt nach Sichtung der Literatur: Jan Nederveen Pieterse, Globalization or Empire? New York 2004, S. 33–39. Zur formalen Beschreibung von Imperien vgl. Alexander J. Motyl, Imperial Ends. The Decay, Collapse, and Revival of Empires, New York 2001, S. 13–30. 6 Etwa Niall Ferguson, Empire. How Britain Made the Modern World, London 2003. 7 Wm. Roger Louis (Hg.), The Oxford History of the British Empire, 5 Bde., Oxford 1998–99.
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tems, das im wesentlichen durch wirtschaftliche Verflechtungen, Migration, bürokratische und (im Falle der Dominions) konstitutionelle Mechanismen sowie durch einheitsstiftende Ideologien zusammengehalten wurde. Die OHBE übernimmt die bewährte Unterscheidung zwischen „formal“ und „informal empire“, so dass z.B. auch China und Lateinamerika als Peripherien des viktorianischen Reiches in den Blick kommen. Die Besonderheiten der jeweiligen lokalen Einwurzelung des Empire, anders gesagt: der „bargains“, die mit einheimischen Eliten geschlossen wurden, werden ebenso gesehen wie die wechselnde Stellung des Imperiums in der Weltpolitik. Gegen diesen Konsens der Jahrtausendwende – die OHBE erschien 1998/99 – ist jüngst eine noch neuere „New Imperial History“ angetreten. Sie wirft die Systemannahmen der OHBE-Autoren über Bord und verzichtet damit auf einen Imperiumsbegriff, der ökonomische und politische Strukturbildungen auf der „Makro“-Ebene privilegiert.8 Das Empire ist in dieser Sicht kaum mehr als ein loses „web“ von Partikularitäten, die irgendwie miteinander agieren, ein amorpher Zusammenhang von Identitäten.9 Die komplexen Zusammenhänge des – nicht nur britischen, sondern gesamteuropäisch-afrikanischen – Sklavenhandels zum Beispiel lösen sich in Einzelschicksale auf. Obwohl die New Imperial History im Widerspruch zu ihren eigenen Ambitionen keinen umfassenden Gegenentwurf zur OHBEInterpretation bietet und die begriffliche Klarheit älterer Interpreten des Empire wie Ronald Robinson, D. Anthony Low oder A. G. Hopkins vermissen lässt, legt sie den Finger auf bisher vernachlässigte Aspekte. Dazu gehört vor allem die „Permeabilität“ der Grenze zwischen Kolonien und Metropole. Diese Durchlässigkeit zeigt sich vor allem in grenzüberschreitenden Lebensläufen. Schon 1997 war dafür in dem wahren Gründungstext der Neuen Imperial- und Kolonialgeschichte der ein wenig preziöse Begriff der „interstitiality of colonial lives“ geprägt worden: Zwischenraumbiographien.10 Mittlerweile hat die detailnahe sozialgeschichtliche Erforschung ebenso von interkulturellen Familienverhältnissen auf europäischer Seite11 wie von Erfahrungen asiatischer und afrikanischer Besucher Groß-
8 In der OHBE kaum beachtet, aber seither entdeckt: die technisch-logistischen Systeme moderner Imperien, vgl. Ben Marsden/Crosbie Smith, Engineering Empires. A Cultural History of Technology in Nineteenth-Century Britain, Basingstoke 2005, bes. Kap. 4–5. 9 Kathleen Wilson, Introduction. Histories, Empires, Modernities, in: dies. (Hg.), A New Imperial History. Culture, Identity, and Modernity in Britain and the Empire, 1660–1840, Cambridge 2004, S. 1–26, etwa S. 14. 10 Ann Laura Stoler/Frederick Cooper, Between Metropole and Colony. Re-thinking a Research Agenda, in: dies. (Hg.), Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World, Berkeley 1997, S. 1–56, hier S. 34. 11 Vgl. etwa Elizabeth Buettner, Empire Families. Britons and Late Imperial India, Oxford 2004.
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britanniens begonnen.12 Analoge Fragen werden an andere Imperien, etwa an das Überseereich des kaiserlichen Deutschland gestellt. Auch hier wird der Versuch unternommen, koloniale Spuren im deutschen Alltag zu entdecken und umgekehrt die Nähe sozialer und kulturellen Praktiken in den Kolonien und in der Metropole herauszustellen. Dies verlangt die intensive Suche nach imperialen Lebensgeschichten. Die nächste „Wende“ der Imperialhistoriographie dürfte ein „biographical turn“ sein.13 Bedarf es aber im Rahmen einer transnational entworfenen Geschichtswissenschaft überhaupt noch einer imperialen Perspektive? Löst sich Imperialgeschichte nicht tendenziell in „global history“ auf? Erfassen die beiden Hinsichten einerseits der Globalisierung, andererseits der lokalen Kolonialgeschichte, miteinander „glokalisierend“ kombiniert, nicht ebenso gut den gleichen Gegenstandsbereich?14 Nicht im exhortativen Modus der Anpreisung des wissenschaftlichen Markenartikels „Imperialgeschichte“ soll hier eine Antwort auf diese Fragen versucht werden, sondern durch die Faustskizze einer „konjekturalen“ Geschichte der Imperien in der Neuzeit. Eine weltweite Neuzeit definiert sich geradezu durch das fast synchrone Dominantwerden imperialer Organisationsformen in nahezu allen Teilen der Welt, in denen die materiale Produktion imstande war, imperiale Expansionsinstrumente zu tragen. Beinahe alle Imperien, die auch noch in der Moderne eine Rolle spielten, durchliefen ihre Gründungs- oder eine entscheidende Formierungsphase im Zeitrahmen zwischen etwa 1450 und 1650. In diese Periode der, in den Konventionen europäischer Periodisierung ausgedrückt, „frühen Frühen Neuzeit“ fallen die Errichtung des muslimischen Mogulreiches in Nordindien, die politische Integration Irans unter den frühen Safaviden-Schahs, die Umwandlung des osmanischen Herrschaftsverbandes von einer mittelalterlichen Kriegertruppe in einen stabilen und eroberungskräftigen „military-patronage state“, der bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts den gesamten Osten und Süden des Mittelmeeres unter seine Kontrolle gebracht hatte,15 die maximale Ausdehnung des poly12 Vgl. etwa Antoinette Burton, At the Heart of Empire. Indians and the Colonial Encounter in Late-Victorian Britain, Berkeley 1998. 13 Z.B. auf der Ebene der Prominenz: Arne Perras, Carl Peters and German Imperialism, 1856– 1918. A Political Biography, Oxford 2004; Roger Owen, Lord Cromer. Victorian Imperialist, Edwardian Proconsul, Oxford 2004. Für das Habsburgerreich etwa Andreas Oplatka, Graf Stephan Széchenyi. Der Mann, der Ungarn schuf, Wien 2004. 14 Zur knappen Vermessung dieser beiden Themenfelder vgl. Jürgen Osterhammel, Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 42003; ders./Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen, München 22004. Zum Kolonialismus jetzt weiterführend: Trutz von Trotha, Was war der Kolonialismus? Einige zusammenfassende Befunde zur Soziologie und Geschichte des Kolonialismus und der Kolonialherrschaft, in: Saeculum 55 (2004), S. 49–95. 15 Für eine brillante Analyse dieses Prozesses vgl. Carter V. Findley, The Turks in World History, Oxford 2005, S. 93–132 (mit Vergleichen unter den muslimischen Imperien).
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zentrischen Habsburgerreiches unter Karl V. mit seinen verschiedenen Schwerpunkten in Mitteleuropa, Flandern, Spanien, Italien und Mexiko/Peru, außerdem die Expansion und Konsolidierung der moskowitischen Monarchie unter Ivan III. und Ivan IV. China fällt nur scheinbar aus diesem zeitlichen Rahmen heraus. Hier hatte – auf der Basis fest gefügter imperialer Voraussetzungen – unter der neuen Ming-Dynastie 1368 der Aufbau des autokratisch-bürokratischen Einheitsstaates in seiner definitiven Form („late imperial China“) begonnen; nach 1644 übernahm die mandschurische Qing-Dynastie diese Strukturen mit geringen Veränderungen und nutzte ihre erheblichen Kapazitäten der Ressourcenextraktion zur Finanzierung der Eroberung und kolonialen Einverleibung weiter Teile Innerasiens. Japan wäre in den 1590er Jahren beinahe zur transmaritimen Kolonialmacht geworden. Alle diese imperialen Gebilde (und Japan) hatten vier Merkmale gemeinsam, die Marshall T. Poe als „early modern“ definiert: „a complex administration, a semi-public sphere, the protoindustrial production of goods, and a gunpowder military“.16 Hinzu kam in allen Fällen (außer Japan) ein gesteigerter herrscherlicher Anspruch, der sich in Titeln, Symbolen, Ritualen, Bauwerken und oft auch in elaborierten imperialen Ideologien von universalem Referenzbereich ausdrückte. Am Rande dieser auch territorial wirksamen imperialen Systemintegration entstanden, initiiert durch die portugiesische Krone, durch englische Kaufleute (mit monarchischer Unterstützung) und durch die Kaufmannschaft der niederländischen Seestädte, ausgedehnte maritime Handelsreiche. Im portugiesischen Fall (Afrika) wie auch bei England (Irland) fehlte hier von Beginn an die Komponente territorialen Ehrgeizes nicht, doch war es eine Besonderheit dieser Gebilde, dass sie keine bloße überseeische Verlängerung kontinentaler Reiche bildeten (wie SpanischAmerika oder die osmanisch kontrollierten Inseln im Mittelmeer), sondern dass ihr primärer Daseinsgrund Handel und Freibeuterei auf dem Meer war. Die Anlage befestigter Faktoreien war eine bloße Funktion solcher Handelsinteressen. Ein territoriales Element trat erst mit dem Beginn nennenswerter überseeischer Emigration (nach Brasilien, Nordamerika und Südafrika) sowie mit dem Bestreben hinzu, sich beim Wettlauf um die ungemein gewinnversprechenden karibischen Zuckerinseln vorteilhafte Positionen zu sichern. Das französische Überseereich, in dem Asien eine viel geringere Bedeutung hatte als bei Portugiesen, Engländern und Niederländern, folgte einem ähnlichen Muster; die staatliche Initiative war hier stärker als in den anderen Fällen.
16 Marshall T. Poe, The Russian Moment in World History. An Essay in Historical Interpretation, Princeton 2003, S. 59.
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Alle diese Reiche unterschieden sich in zahlreichen Hinsichten. Zum Beispiel war Bürokratie als Integrationsinstrument von ganz unterschiedlicher Wichtigkeit: entscheidend in China, fast irrelevant im portugiesischen Estado da India. Auch war die Zusammenstückelung von Reichsgebilden durch dynastischen Erbgang (extrem bei den Habsburgern, aber auch bei der Übertragung Bombays per portugiesische Mitgift an die englische Krone 1661) eine europäische Spezialität, und der Grad der Orientierung zum Meer machte eine wichtige Differenz aus. Ansonsten blieben aber manche kulturübergreifende Grundmerkmale imperialer Organisation erkennbar. Eine unter dem Gesichtspunkt transnationaler Geschichte besonders bemerkenswerte Eigenart der früh-frühneuzeitlichen Imperien war die Tatsache, dass sie keine „nationalen“ Reiche waren. Erst die nationalistische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hat sie dazu gemacht. Einige der asiatischen Imperien – etwa das Mogulreich und das Qing-Reich in China nach 1644 – wurden von landfremden Eroberereliten geschaffen und getragen. Für China sollte daher von einem „sino-mandschurischen“ Imperium gesprochen werden. Alle Reiche – auch das russische spätestens seit Peter d.Gr., das in großem Stil westeuropäisches Wissen importierte – waren nur dank externer Ressourcen und vermittelnder religiös-ethnischer Minderheiten lebensfähig. Die überproportionale Bedeutung von Schotten und Iren im englischen, später britischen Empire ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Das osmanische Steueraufkommen wäre ohne merkantile Minoritäten deutlich geringer ausgefallen. Europäische Gewaltexperten (Söldner und Waffenschmiede) fanden in ganz Asien – bis nach Japan – reichliche Beschäftigungsmöglichkeiten. In der Neuen wie in der Alten Welt gelang Eroberung häufig nur dank einheimischer Hilfstruppen und Kooperationspartner. Was war eigentlich spanisch am „Weltreich“ Karls V. und Philipps II.? Im Grunde nur das ursprüngliche Konquistadorenpersonal sowie eine besondere Art katholischer Kirchlichkeit. Die „Anschubfinanzierung“ stammte von genuesischen und oberdeutschen Bankiers, die Navigationstechnik aus Portugal, die Dynamik im transpazifischen Galeonenhandel von chinesischen Kaufleuten, die den Kontakt zwischen Manila und dem ostasiatischen Festland herstellten, und die europäischen Truppen des Reiches waren vorwiegend italienischer oder flandrischer Herkunft. Nicht nur für Spanien gilt Henry Kamens aus der Anschauung des 16. und 17. Jahrhunderts gewonnene Feststellung: „Empires were transnational organizations that aimed to mobilize the resources available not only within their areas, but outside them as well.“17
17 Henry Kamen, Spain’s Road to Empire. The Making of a World Power, 1492–1763, London 2002, S. 491. Kamen bleibt dennoch skeptisch, was die Globalisierungswirkung des spanischen
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Die imperiale Moderne begann zögerlich und nicht genau datierbar, jedenfalls während der Sattelzeit, mit dem einzigartigen „britischen Moment“ in der Geschichte, als sich aus fünf Strängen ein neuartiger Knoten schürzte: aus (a) den technisch-logistischen Voraussetzungen (noch im Zeitalter des Segelschiffs) für die weltweite Marinepräsenz eines einzigen Staates, (b) den mobilisierenden Wirkungen der „financial revolution“, (c) dem demographischen Potential zur kontuierlichen Peuplierung überseeischer Siedlungskolonien, (d) der aus religiösen wie säkularen Quellen doppelt begründeten Vision einer weltweiten „civilizing mission“, sowie (e) der Dynamik einer – allein schon wegen des exotischen Rohstoffs Baumwolle – weltmarktbezogenen Industrialisierung. Hinzu kam später die umgehend realisierte Vision eines globalen Freihandels.18 Das British Empire, die Herausforderung durch das imperiale Konkurrenzmodell Napoleons hinter sich, war ein offenes imperiales System, in dem eine Metropole mit minimalem Einsatz von Gewaltmitteln ein Maximum an Kontrolle und Einfluss ausübte und jedem Dritten, den dies interessierte, die Nutzung der imperial erzeugten „public goods“ (etwa Handelsfreiheit, Rechtssicherheit) gestattete. Es war auf allen Kontinenten mit Flächenkolonien und Stützpunkten vertreten, dabei aber um zwei Kernstrukturen zentriert: die sich selbst finanzierende Riesenkolonie Indien sowie die demokratisch verfassten Dominions; von entscheidender Bedeutung waren die dauerhaft exzellenten Geschäftsbeziehungen zu den USA, einer Föderation abtrünniger britischer Kolonien. Obwohl Großbritannien niemals auch nur annähernd so etwas wie Weltherrschaft ausübte, war seine liberal-kapitalistische Ordnung (die in den Kronkolonien und Protektoraten autokratisch abgesichert wurde) das Bezugsmodell der gesamten Imperialgeschichte des 19. Jahrhunderts. Die asiatischen Reiche der Frühen Neuzeit waren kolonisiert (Indien) oder britischem militärischem und ökonomischem Druck von außen ausgesetzt worden (Osmanisches Reich, Iran, China seit dem Opiumkrieg). Die europäischen Imperien waren teils während Revolutionsphase der Sattelzeit auf kärgliche Reste geschrumpft (Frankreich, Spanien) und mussten, wie im französischen Fall nach 1830, neu aufgebaut werden; teils waren sie Neuschöpfungen des späten 19. Jahrhunderts (Deutschland, Belgien). Unweigerlich mussten sie sich gegen britische Dominanz behaupten. Besonders innovativ taten dies die Niederlande, die es auf Java unter den so genannten „Kultursystem“ erstmals – außerhalb der englischen und französischen Sklavenkolonien der Karibik – fertig brachten, eine Kolonie unter staatReiches betrifft. Optimistischer ist Serge Gruzinski, Les quatre parties du monde. Histoire d’une mondialisation, Paris 2004. 18 Vgl. Anthony Howe, Free-Trade Cosmopolitanism in Britain, 1846–1914, in: Patrick K. O’Brien/Armand Clesse (Hg.), Two Hegemonies. Britain 1846–1914 and the United States 1941– 2001, Aldershot 2002, S. 86–105.
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licher Regie systematisch auszubeuten, ein Experiment, das schließlich – ebenso wie später König Leopolds II. archaische Schreckensherrschaft im Kongo-„Freistaat“ – an humanitär motiviertem Widerstand scheiterte, dennoch aber in modifizierter Form anderswo Schule machte. Java kann als die erste moderne Kolonie gelten. Das British Empire war der umfangreichste „transnationale“ Verband der Geschichte und ein Globalisierungsagent ersten Ranges, auch wenn von London aus keine bewusste Politik politischer und kultureller Homogenisierung betrieben wurde.19 Die britische und europäische Vorherrschaft im 19. Jahrhundert wurde dadurch ermöglicht, dass eine allgemeine (und relative) Effizienzsteigerung in den westeuropäischen Gesellschaften mit neuen Technologien zusammentraf, die in ganz ungewöhnlichem Maße imperial nutzbar waren: Dampfschiff, Eisenbahn, Telegraph, Maschinengewehr, Malaria-Prophylaxe, usw. Gleichzeitig nahm aber außerhalb des British Empire der „Transnationalitätsgrad“ der Imperien ab. Kolonialreiche und die Erschließung von Grenzregionen (etwa die Durchdringung Sibiriens) wurden zu nationalen Prestigeprojekten, an denen man Dritte nicht sichtbar beteiligen wollte – obwohl z.B. keine Kolonie in Südostasien ohne chinesische Kaufleute und Arbeiter funktionieren konnte. Eine solche Tendenz zur Nationalisierung der Imperien begann spätestens mit der Rhetorik Napoleons III. und steigerte sich zum Extrem schließlich in den Imperien Japans, des faschistischen Italien und des nationalsozialistischen Deutschland, die als autarke Blöcke konzipiert waren und in denen es kaum Zwischenstufen zwischen Herrenmenschen und Unterworfenen, daher auch wenig geduldete Pluralität und strukturell vorgesehene „Kollaboration“ gab. Diese geschlossenen Imperien des 20. Jahrhunderts, zu denen in mancher Hinsicht auch die mit ihren nicht-russischen Völkerschaften (abgesehen von den Massendeportationen unter Stalin) großzügiger umgehende Sowjetunion gehörte,20 waren, ganz anders als das klassische British Empire, in der Tendenz Globalisierungsverhinderer. Die Dekolonisation nach 1945 erfolgte als eine Art von Kettenreaktion unter mindestens vier Rahmenbedingungen: (a) gesellschaftlicher Wandel (und damit „rising expectations“) in den Kolonien und nationalistischer Widerstand, (b) wachsende Kostenungunst für die Metropolen einer zuletzt stark intensivierten formalen Kolonialherrschaft, (c) Systemkonkurrenz im Kalten Krieg (die etwa im Falle Vietnams die Emanzipation weniger beschleunigte als verzögerte) und (d) Delegitimierung von Kolonialismus 19 Der äußeren Dimension des Empire entsprach keineswegs das britische Interesse an ihm. Vgl. Bernard Porter, The Absent-Minded Imperialists. Empire, Society and Culture in Britain, Oxford 2004. 20 Dazu Terry Martin, The Affirmative Action Empire. Nations and Nationalism in the Soviet Union, 1923–1939, Ithaca 2001.
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(und der ihn tragenden Differenzideologien, besonders des Rassismus) in einer nun wichtiger werdenden „Weltöffentlichkeit“. Um ein letztes Mal das schillernde und oft Unterschiedliches einebnende Adjektiv „transnational“ zu verwenden: Dekolonisation war nur selten die Trennung von Souveränitäten in einem rein bilateralen Verhältnis zwischen Staaten. Immer waren irgendwie Dritte, Vierte (usw.) beteiligt: die USA, die UNO, multinationale Konzerne, externe Förderer von Befreiungsbewegungen; fast stets gab es Vorbilder, an denen man sich orientierte.21 Die Dekolonisation schuf neue Nationen. Sie beseitigte die interne Transnationalität großer Imperien, war aber selbst ein Bündel von Prozessen im Schnittfeld transnationaler Kräfte.
21 Vgl. den klassischen Aufsatz D. Anthony Low, The Asian Mirror to Tropical Africa’s Independence, in: Prosser Gifford/Wm. Roger Louis (Hg.), The Transfer of Power in Africa. Decolonization 1940–1960, New Haven, S. 1–29.
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Patrick Karl O’Brien
The Divergence Debate Europe and China 1368–1846
Smith, Marx, Weber and the New Global History Along with histories of hegemony and power, histories of material life and economic growth are the most popular of meta-narratives currently published in the growing field of global history. As a discipline, economic history possesses the historiographical credentials and the intellectual tools to delineate very long run trends and cycles leading to a more or less integrated world economy and to help social sciences (particularly economics), which lack a sense of time and evolution in their analysis of measured differentials in productivity and hence in average levels of welfare across the countries and continents of an independent world economy. Economic historians are trained and poised to construct theoretically plausible meta narratives that offer contestable conjectures of when, where, how and why economic integration became a steadily more significant feature of interational relations and when divergences in standards of living for masses of people came on stream and why it widened over time.1 Until today, most economic historians who tackle these questions take as their point of departure the writings of two comparably Eurocentric Germans: Karl Marx and Max Weber. Both of these canonical social scientists agreed that Europe’s competing national economies had for several centuries, before the Industrial Revolution, been on a more promising trajectory. They draw sharp contrasts between European and Asian institutional arrangements (property rights, political systems, legal frameworks, cultural orders and religious beliefs) within which economic activities had been historically embedded and which operate to promote (in a favoured promontory of Eurasia) and restrain (in another) the evolution of competitive markets for commodities, capital, land and labour, as well as innovations in technology.
1 This is a revised version of: The Deconstruction of Myths and Reconstruction of Metanarratives in Global Histories of Material Progress, in: Benedikt Stuchtey/ Eckhardt Fuchs (eds.), Writing World History 1800–2000, Oxford 2003, pp. 67–90.
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Marx supplemented his classical analysis of retrograde Asiatic compared to European modes of production with observations that Europe’s precocious transition to capitalism (commercial society) had also been pushed faster and further forward by timely and “decisive” gains from international commerce and the colonization of the Americas. His (Smithian) hypothesis (resisted by “classical” Marxists) has been taken forward by the research programme of the World’s Systems School of Historical Sociology which exposes how concentrated and unequally distributed gains from the colonization and trade across the world economy has, and continues to be, since the discovery of the Americas. “Weberians” who are, however, currently the dominant school among historians writing global economy history are not convinced that gains from colonization and intercontinental commerce made a decisive difference to the economic rise of the West remain inclined to support his conceptions that significant contrasts in the political, institutional and cultural frameworks promoted divergent paths of economic growth across the Eurasian landmass. Yet more than three decades ago Marshall Hodgson (one of the Godfthers of modern global history) opined that “all attempts to invoke premodern seminal traits in the occident to account for the divergence in living standards can be shown to fail under historical analysis”. Two generations of post-colonial research on India, Japan, China and South East Asia (synthesized in the recent writings of Fernand Braudel, Kirti Chaudhuri, Jack Goody, Gunder Frank, Ken Pomeranz, Kaoru Sugihara and David Washbrook) concurs and by exposing a “world of surprising resemblances” has now seriously qualified repetitions of Marxist and Weberian assertions that Asian institutions and cultures operated for centuries in ways that significantly impeded the evolution of commodity and factor markets, the spread of private property rights, the operation of mercantile and financial networks, the commercialisation of agriculture and centuries of “Smithian” growth. Critics of Weberian views (more deeply read in a now massive bibliography of economic and social history, dealing with South, South East and East Asia and the Ottoman empire) have produced samples of indicators of population growth, urbanization, balances of commodity, trade, grain yields and levels of real wages that at very least qualify the received wisdom that Asian economies were already “backward” long before the French Revolution. In the recently reconstructed economic histories of a “world of surprising resemblances” canonical accounts of Smithian growth – of European economies growing up gradually but inexorably on distinctive trajectories within their restricted and relatively underdeveloped promontory of Eura-
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sia – look untenable simply because too many “seminal” traits of the occident turn out to be not only ubiquitous, but prior features of the Orient. Perhaps such Weberian (and/or Marxian) perceptions will be revived and underpinned by further research and debate. Research (or even a renewed search among extant histories) might delineate and perhaps measure unmistakeable/incontestable differences in the scale, scope and intensity of Smithian growth across time and space. Meanwhile and as recent reconfigurations of Asian economic history become known and acceptable, we may well witness a revival of more nuanced and carefully specified long run historical explanations for divergences in productivity and living standards between east and west that historians have long agreed became unmistakable over the 19th and stark during the 20th century.
Europe Strikes Back Meanwhile to suggest (as anti-Weberian revisionists do) that an unexpected and unpredictable conjuncture between East and West appeared quite suddenly in the late 18th century also remains fragile as a core hypothesis about long-run global economic development. That is so because revisionism offers three contested explanations for both the “late” and the “great divergence”, and to each there are counter arguments. The first contention is that in different ways, for different reasons and along different chronologies, imperial governmental structures in the Orient became increasingly inefficient and incapable of providing their subject populations and territories with the good order, protection against external aggression and other public goods required to maintain satisfactory levels of private economic activity, market integration and innovation. In short, strategic and administrative defects afflicting the Safavid, Ottoman, Mughal and Ming-Qing empires, intensified through time and thereby made space for the rise of the West. Investigations into the nature, extent and significance of the political crises (clearly affecting three Oriental empires in the 18th century and China by 1800) continue and may well lead to the kind of insights now coming on stream from comparative histories of early modern European states, concerned to contrast the evolution of political arrangements and policies conducive or obstructive towards economic growth and innovation within Western Europe. This debate about the constitution of government and behaviour of states will only be taken forward by social scientists who know something about the histories and social scientists of political and other subordinate institutions, their diverse forms and the
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precise ways they interconnected with the economic activities of households, farms and firms not only in early modern Europe, but in Asia as well. Repetition of recycled enlightenment equations between republicanism, liberty and parliamentary forms of governance on the one hand and transitions to industrial market economies on the other, seem less and less satisfactory. The theories, concepts and taxonomies now emerging in illuminating forms from neo institutional economics, need to feed into and be reformulated in the light of historical investigations into specific political, legal and institutional frameworks that promoted and restrained national, regional and sectoral rates and patterns of economic growth across Eurasia. Secondly, and at the heart of the key revisionist explanation for divergence, between East Asia and Western Europe is a quintessentially classical growth story which is based upon an impressive array of historical scholarship investigating connexions and mechanisms derived ultimately from the writings of Smith, Malthus and Ricardo. For example, Pomeranz represents cultivable land as a relatively fixed factor of production and suggests that additions to the stocks of useful and reliable knowledge allowed only for incremental and limited technological progress. Upswings in population growth led (only in extremis and in some Asian regions) to Malthusian crises, but more commonly both in Western Europe and in the Ming-Qing Empire to constricting shortages of land intensive crops and agrarian raw materials, including: basic foodstuffs, timber utilized for manufacturing and construction, wood converted into fuel and energy for both industrial and domestic purposes and fibres derived from plants and animals for purposes of transformation into textiles. Over some two or more centuries, before 1750, when population growth rates in Europe and China advanced at comparable rates, the Chinese economy coped with the “pressure of numbers” basically by intensifying labour in order to relieve shortages of food and agrarian raw materials. For Pomeranz, and other scholars (who reject Eurocentric explanations for the great divergence cast in terms of Smithian growth), the problem is to explain how and why European economies did not proceed down the same path as China, but instead avoided diminishing returns to labour engaged in agricultures and proto-industries and gradually diffused mechanized techniques of production across manufacturing and transportation. Pomeranz reposed the key question very cogently: “why” he enquired, “did England’s economy not continue to develop like the economy of the Yangzi Delta?” In other words modern revisionism insists, as Marc Bloch advised long ago, on carefully specified and reciprocal comparisons. The answers offered by Pomeranz are carefully supported with a reflexive reading of modern scholarship, and refer to contrasts between endogenous and exogenous potential for the avoidance of diminishing returns to
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land and other natural resources available to China and to Europe. After millennia of successful land management, Chinese agriculture stood closer to its production possibility boundary than European agriculture. Possibilities for coping with population pressures by extensions to margins of cultivation and cropping, through tenurial reform, investments in the infrastructure for intra-regional trade and specialization, by reallocating pasture to arable, improving the control of water, supplies implementing efficient food stabilization policies, etc., had already been carried further in China than Europe. Europe not only enjoyed some discernible (alas, un-measurable) opportunities for taking up “slack” within the agrarian system, but the potential gains from trade and specialization in foodstuffs and raw materials within northern and southern, eastern and western parts of our continent remained greater than the long exploited patterns of intra-regional trade within the Chinese Empire. Indeed (and as demographic pressures intensified over the 18th century), the potential for trade diminished because, unfortunately, rates of population increase became faster among China’s poorer, less urbanized, provinces of primary production. The empire’s northern and inland regions then adjusted by re-allocating surplus agricultural labour into protoindustry; consuming higher proportions of both the food and agrarian raw materials produced within their boundaries and by importing less manufactured goods. Thus China’s precocious Smithian growth, high levels of trade and path dependency upon a mix of labour intensive crops (particularly rice), rendered the imperial economy more “ecologically vulnerable” than Europe to population pressures when they intensified over the century before the Industrial Revolution. Nevertheless, revisionists insist (and have traduced a not entirely sufficient or convincing body of evidence to support their view), that Britain and other the organic economies of Western Europe were also on a similar trajectory of diminishing returns and rising costs for the production of food, fuel and fibres, but the “core” postponed the onset of more severe ecological problems and shortages during the early phases of industrialization in the 18th century and circumvented them over the 19th century by exploiting two “windfalls” of massive significance, namely: endowments of cheap and accessible energy in the form of coal, and the fecund soils and abundant natural resources of the Americas. In bringing to the foreground the contribution of the Americas, revisionists have in effect returned our attention to exogenous (overseas) sources of Western Europe’s economic advance, underlined by Adam Smith and Karl Marx and reified in recent decades into a “primus mobile” by Wallerstein, Chase-Dunn, Blaut, Frank, Gills and others in the World Systems School of Historical Sociology.
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But Wrigley and an earlier generation of British economic historians had already explored the profound significance and widespread ramifications of endowments of cheap fossil fuels in allowing Britain to escape (before the rest of Europe) from potential “Malthusian traps”. Although precise calculations are difficult to make and several figures (including revised estimates from Pomeranz) jostle for recognition the tradition of energy accountancy as a way of explaining increasing and decreasing returns go back to the 19th century. Furthermore, it is not difficult to accept that school’s major conclusions, namely that the substitution of coal and steam power to provide for the heat supplied to Britain (and other European economies) by oxen, horses, wood and manpower for various benchmark decades after the Napoleonic Wars, would (counterfactually) have absorbed ever increasing and implausibly large shares of Europe’s virtually fixed supplies of agricultural land. Furthermore, all forms of heat intensive industry and transportation (metallurgy, glass, pottery, beer, sugar and salt, refining soap, starch, railways and ships) benefited from the substitution of coal for other more costly and less efficient organic forms of energy. Feedbacks and spin-offs from the mining, transportation and utilization of coal, including the construction of canals, precision engineering and, above all, the impetus provided by coal for the development, improvement and diffusion of engines for the provision of energy from steam, remain impossible to calculate. They became central for Europe’s aptly named “age of steam”. Yet that age (1846–1914) remained imminent rather than dominant during the first stages of the Industrial Revolution, which occurred decades before that particular golden age of liberal capitalism. Furthermore (and to revert to Bloch’s reciprocal mode of comparative history), the question of why China failed to exploit its known and very considerable deposits of coal, and thus become more like England, Belgium and Westphalia is, perhaps, not pursued in the depth that such a salient contrast demands. Chinese coal may well have been more combustible and less well located than European deposits, but it stayed below ground as an abundant and presumably as a potentially more efficient source of energy, compared to the manpower, wind and water that the Chinese, Japanese and other Asian economies continued to utilize throughout the 19th century. References to geology, geography and transportation problems do not seem to be sufficient to explain why China remained virtually an outsider throughout the age of steam? Finally, (to return to Adam smith and overseas expansion) Europeans (not Chinese, Arabs or Indians) discovered conquered, infected, plundered, colonized and eventually established mutually beneficial, commercial relationships with the Americas. That protracted enterprise should not be designated as “peripheral” (as I suggested, before climbing onto a learning curve
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some 18 years ago) nor reified (as it continues to be in the writings of Immanuel Wallerstein, James Blaut and the world systems school of historical sociology), as the “motor” driving Europe’s benign transformation towards successful industrial market economies over the course of the 19th century. Material benefits from the rediscovery of the Americas did not come on stream for a long time after 1492, and accrued disproportionately to two latecomers and free riders – the Netherlands and England. No doubt quantitative exercises in national accountancy designed to measure the macroeconomic significance of transatlantic commerce for either the development of Europe as a whole, or even for particular countries such as the Netherlands or Britain, most persistently and profitably involved with expansion overseas, are fraught with conceptual and statistical difficulties. No economic historian could deny that the establishment of (colonies regulated along mercantilist lines) together with slave plantations in the New World, turned the terms and conditions for trans-Atlantic trade in favour of Europe; compared, that is, to commerce with Asia; and even more clearly to a counterfactual scenario, whereby the settlement and the build-up of viable and independent economies in the Americas depended upon unregulated, but unprotected private investment and the immigration of free labour from Europe rather than the enslavement of Africans. Furthermore, recent research into world trade in bullion has clarified the importance of the complex and multifaceted role played by Chinese, Indian and South East Asian demand for New World silver in maintaining the profitability and momentum of European investment in the Americas for some two centuries before the Industrial Revolution. That investment also promoted an entirely gradual movement towards the integration and growth of an embryonic global economy, within which the separated maritime towns and regions of Europe, Africa, Asia and the Americas interacted – usually with positive effects for both European and Asian development. Nevertheless, a national accounts framework continues to be the only viable perspective available to historians who wish to specify and quantify the overall significance of variables, such as intercontinental exports and imports for national (and European wide) rates of capital formation and structural change and innovation from 1492 to 1815. If (as Paul Bairoch’s imperfect and badly referenced data suggest), European exports to other continents and imports from the Americas, Asia and Africa are but “small” percentages of the total value of European output, then inferences that either the Americas (or the none-European World as a whole) continued, as late as the end of the 18th century, to play a comparably minor role for the advance of the West could only be meaningfully challenged in two ways. First, (and this logic could be compelling), in early modern Europe, eco-
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nomic growth took place as specific margins and if a large share of the annual increment to total European (or to particular national products) can be connected directly or indirectly to intercontinental commerce, then that over-publicized and glamorous sub-sector of several maritime economies might indeed be plausibly represented as “highly significant” for the continent’s economic advance. Quantitative tests could then relate the gains from intercontinental trade to “net” capital formation and to aggregated volumes of potentially “tradable outputs” in order to manufacture ratios that are more relevant for locating, dating and comprehending the sources of economic growth from, say, 1500 to 1800. Revisionists, who take their perceptions from Adam Smith, will prefer to shift the focus for concentration to Britain, which over time became more involved than any other European economy with intercontinental commerce and colonization. That is all too convenient, simply because the “ratios of significance” for a quintessentially “British” Industrial Revolution (diffused as traditional and contested stories would have us believe with lags onto the mainland) will become that much larger and rhetorically more persuasive as numbers, designed to represent the importance of the Americas for Europe’s transition to modern industrial economies. Another route that can be followed in order to make the case in a less parsimonious way, but which comes closer to the details of micro dynamism favoured by economic historians, (like Fernand Braudel, Immanuel Wallerstein and Ken Pomeranz) is to construct narratives built around the array of imports that Europeans transhipped from the New World and Asia back into their famous maritime ports (Lisbon, Seville, Cadiz, Antwerp, Amsterdam, Bordeaux and London). Imports represented tangible manifestations of the “bounty” that Europe eventually obtained from investments in commerce and colonization in the Americas and (by way of extension and linkages) to gains from trade with Asia as well. American and Asian imports included: bullion, foodstuffs, manufactured goods, industrial inputs and raw materials. Imports, obtained in very large part through the exercise of coercion designed to secure favourable terms of trade, increased in volume with the incorporation of maritime Atlantic economies into global commerce, slowly at first, but more rapidly as the infra-structure and organizations required for long distance trade were built up over the 16th and 17th centuries. Histories of spin-offs and externalities have been woven around most of the major imports from other continents carried into European ports. Their connexions to the maintenance and extension of benefits from long established patterns of intra-European trade, to the foundation of new food processing industries, to geopolitical rivalry and state formation, to the growth in the wealth and powers of merchant oligarchies, to the rise of maritime cities, to changes in science, technology and the arts; indeed to
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almost all aspects of European economic, political and urban life have been elaborated in numerous histories of sugar, tea, coffee, cocoa, maize, rice, tobacco, tropical fruit., tomatoes, beans, chillies, potatoes, timber hardwoods, dyestuffs, wax, fish, oils, cotton fibres; quinine, curveé sarsparilla, pecal, laxatives; porcelain, silk and cottons, textiles and above all to silver and gold. That bibliography is long. Volumes imported fluctuated but increased on trend. Points of entry and distribution for Asian and American imports changed through time from city to city and from country to country. The problem is how to connect imports from other continents to narratives (or models) of early modern European development in which national economies are carried forward to plateaux of possibilities from where transitions to industrial market economies became probable? Fernand Braudel, Giovanni Arrighi and Charles Kindleberger find the key mechanisms they wish to underline in a geopolitical matrix of dynamic circuits between maritime cities, big merchants and nation states. Pomeranz devotes his research and analysis to two possible macro-economic connexions. One operates through a thesis recently elaborated by Jan de Vries about Europe’s pre-modern “industrious” revolution, which emanated from decisions by myriads of households to work harder and to allocate more of the labour time and other resources under their control to production for markets. Behind such decisions made by households are shifts in tastes or propensities to consume, stimulated by the availability of “exotic” and “addictive” foodstuffs – such as sugar, tea, coffee, cocoa, tobacco, tropical fruit, tomatoes and spices; pharmaceuticals, opiates and luxurious but affordable Asian manufactures such as silks, jewels and porcelain, and above all, cottons from the East. In brief, the rise of material culture in Europe has been linked, in carefully specified ways, to intercontinental trade and colonization to changes in consumption and investment and to the patterns of work by European households. Nothing comparable occurred in Asia because the consumption of tropical groceries, porcelain, silks and cotton textiles and other indigenous products had already diffused down the social scale. In the Orient, imperial states had virtually no fiscal or other interest in the promotion of commerce and colonization that might in the fullness of time pay for itself in the form of imported and taxable luxuries. At the same time, Chinese and Indian demands for foodstuffs and manufactures produced in Europe remained limited in volume and scope. Although the new world silver that European merchants exchanged for Asian foodstuffs, manufactures and raw materials presumably promoted monetary transactions and internal trade in China and India in the same way that American bullion did within Europe? Revisionists make the most of a not unconvincing case for symbiotic linkages between the luxurious, exotic, addictive and desirable characteris-
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tics embodied in imports from Asia and the Americas to: the industrious revolution, the maintenance of European commitments to intercontinental trade, the enslavement of Africans and flows of investment into colonization and plantations in the New World. They cite literature which locates the impetus to development from urban processing industries (sugar refining, coffee roasting, tea and tobacco blending, etc.) in maritime cities, heavily engaged in trans-oceanic commerce. They are familiar with histories that explain how the manufacture of cotton textiles in Britain developed over the 18th century within a matrix of trade with India, the import of cotton fibres from plantations in the Americas, state involvement with its East India company and the promotion of a functional process of import substitution by English Parliaments from 1660–1721. Nevertheless, it will be heuristic to confront this new and stimulating narrative which foregrounds the role of Asian and Americas imports in bringing about divergent economic developments between Western Europe and East Asia. First the share of the calorific intake supplied by sugar, tea and other tropical groceries could only have been small. Growing proportions of British merchant ships were indeed built in North American colonies (and in Asia) even before the French blockades cut off supplies of Baltic timer and other naval stores (pitch, tar and hemp) during the Napoleonic Wars. Nevertheless, established patterns of East-West and intraEuropean trade in timber reverted to normal after that war, and iron rather than American forests alleviated European shortages of wood for construction and for shipbuilding in the 19th century. Although a statistically more compelling case for the substitution of cotton fibres grown on slave plantations in the Americas, for supplies of flax, hemp, silk and wool grown in Europe can be made. Once again, the scale of imports in relation to total consumption of indigenous fibres becomes important later rather than earlier in the 19th century. The suggestion that supplies of cotton wool from the Americas had long been “virtually indispensable” for the development of mechanized cotton textile production in Europe is not convincing because an equally plausible counterfactual scenario can be formulated to suggest that the accumulating and steadily improving capacity to produce mechanized cotton yarn and cloth first in Britain and then elsewhere on the continent, would have stimulated other primary producers in Asia (even China) and the Middle East to respond to European demand for cotton fibres. New economic history consigned axioms of indispensability to the realms of improbability four decades ago. Yet there is certainly a more nuanced but less dramatic argument to be made for the importance of supplies of slave produced cotton fibres, namely that cheap raw materials promoted the growth of one major manufacturing industry in Europe and that
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the engineering problems involved in the mechanization of spinning and weaving cloth were more easily solved with fibres with the tensile properties of cotton, than thrown silk (not so clear!), wool, flax, and hemp. Nevertheless, in rather short compass the problems of mechanizing all major processes in the production of cloth made from the entire range of natural fibres were solved. By then supplies of cheap flax from Russia and wool from Australia, Argentina and other primary producers come on stream to supply Europe’s textile industries with all the fibres that they could process mechanically.
Divergence and Convergence The problem of “The Great Divergence” between Western Europe and East Asia is important for social scientists to address simply because it is still with us as a North-South divide. We can agree that the early shift from organic to inorganic forms of energy provided Europe (particularly Britain) with an early start. Nevertheless, and for several reasons, the other leg of the revisionist explanation (which follows the line taken by Adam Smith, Karl Marx and the World Systems School) that the discovery, conquest and exploitation of the Americas also generated comparably large windfall gains and allowed Western Europe to circumvent the problems of diminishing returns afflicting oriental empires carries far less conviction. First of all, classical diminishing returns to land seem less applicable to India and South East Asia than to China. Furthermore, the convergence of Japan (despite a poor endowment of natural resources), undermines histories based on classical growth models. Secondly, and on any recasting and reconfiguration of the data, now available to measure the significance of intercontinental commerce, standard exercises in national income accountancy are unlikely to provide persuasively large ratios. Meanwhile the now fashionable post-modern retort that large outcomes could flow from small changes to exogenous variables, simple destroys any claims that economic history might have to precision. We might rhetorically enquire if small outcomes could flow from large changes to endogenous variables? Thirdly, it is not at all clear that the arable land, pastures, forests and seas of Western Europe, together (and through trade) with its periphery to the East and South could not have sustained the rates of population growth, industrialization and urbanization experienced say, down to the mid-19th century without massive imports of primary produce from the Americas. To hark back to the central point of Mark Elvin’s classic book, was it not the
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case that China had exhausted more of the potential gains from intraregional trade, intensification of labour inputs and agrarian improvements well before the growth of its population accelerated in the 18th century. Elvin’s thesis can moreover, be reformulated in the language of classical economics. Compared to Western Europe, just how far was China (and other regions of Asia) away from their (technologically constrained) production possibility boundaries before 1750? Classical economists (Smith and Malthus) both perceived that China had proceeded further and had continued to move faster down the path of diminishing returns. Leaving coal aside, the intercontinental trade data suggests that Europe possessed the foodstuffs and agricultural raw materials required to persist with Smithian growth and the urbanization and industrialization of the workforce without recourse to massive imports of primary produce from the Americas until well into the 19th century. Meanwhile, the accumulation, testing and application of a body of reliable knowledge required to carry the mechanization and transformation of industry and transport, the deployment of steam power, urbanization and reorganization of finance and commerce had proceeded a long way and perhaps beyond a point of no return – or what historians of China refer to as involution. With this observation, which is concerned with the unavoidable and important demarcation of relevant chronologies in place, I wish to underline a distinction that has perhaps not been made clearly enough throughout the modern debate about interconnections between “The Industrial Revolution” and “The Great Divergence”. “The Industrial Revolution” owed something – but probably not a lot to the incorporation of the Americas into global commerce. That remains clear, if we look again at the volume and array of imports entering European ports before 1846. On the whole (and with the conspicuous exceptions of maize, potatoes and cotton fibres) imports merely “supplemented” supplies of the continents’ own basic foodstuffs and raw materials. The cargoes carried by ships into European ports were dominated for centuries by tropical groceries and manufactured luxuries. At most they embodied attributes that scholars (who “represent” the “rise of material culture”, “industrious revolutions” and the multifaceted role of grand merchants engaged in oceanic commerce as “preconditions” for Western Europe’s early industrialization) find appealing to place at the centre of their narratives about the origins of the North-South divide. Agreed the Great Divergence and the Industrial Revolution form part of an interconnected narrative and the degree of divergence in labour productivities and real incomes between Europe and China, that had so clearly appeared by 1914, looks inconceivable without the massive supplies of basic foodstuffs and raw materials imported from the Americas and other primary producers. But since those supplies came on stream over the
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second half of the century, questions of what started and what sustained the Industrial Revolution should not be conflated. In most of its essentials, the Industrial Revolution which demarcates the beginnings of divergence had appeared several decades earlier. During its early stages tenuous and not highly significant connexions can be constructed between intercontinental commerce on the one hand and the substitution of coal-based forms of heat and power for traditional forms of energy derived from wood, wind, water, animals and human muscles on the other. Some elements of early and gradual mechanization of industrial processes (particularly for textiles can be linked to trans-oceanic trade, but again the connexions still seem more tangential than central. There are missing elements in current explanations for divergence which would be concerned with “regimes” for the production and diffusions of useful and reliable knowledge in Europe and China. Technology really mattered for the Industrial Revolution and if the English and follower economies on the mainland might well (but for coal and close involvement with the Americas) gone the way of the Yangzi Delta, then why has even that commercialised and advanced region of the Manchu Empire taken such a long time to regain the economic rank and status it held in the world economy in the mid-18th century?
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Georg G. Iggers
Modern Historiography from an Intercultural Global Perspective
I We are living today in an age of rapid globalizations.1 But while globalizations – I intentionally use the plural because there is not one uniform process of globalization – have involved a high degree of Westernization, they have by no means resulted in the homogenization of cultures, but, rooted in indigenous cultures, they everywhere produced diverse responses to the West. As far as historical studies have been concerned, writings, particularly in the past decade and a half after the momentous developments since 1989– 1991, have increasingly turned to the non-Western worlds and to a much greater extent than earlier have included aspects of culture and society. But this has not been the case with histories of historiography, including those published as recently as the turn from the twentieth to the twenty-first century, including my own “Historiography in the Twentieth Century”.2 A fair number of studies, increasingly anthologies, have dealt with historical cultures in various non-Western societies.3 But as yet there are no comprehen1 Jürgen Osterhammel/Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung, München 2003. 2 Mirjana Gross, Von der Antike zur Postmoderne. Die zeitgenössische Geschichtsschreibung und ihre Wurzeln, Wien 1998; Michael Bentley, Modern Historiography, London 1999; Anna Green/Kathleen Troup (eds.), The Houses of History. A Critical Reader in Twentieth-Century History and Theory, New York 1999; Hans-Ulrich Wehler, Historisches Denken am Ende des 20. Jahrhunderts, München 2001; Lloyd Kramer/Sarah Maza, A Companion to Western Historical Thought, Oxford 2002; Joachim Eibach/Günther Lottes (eds.), Kompass der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2002; Donald Kelley, Fortunes of History, New Haven 2003; Georg G. Iggers, Historiography in the Twentieth Century. From Scientific Objectivity to the Postmodern Challenge (enlarged ed.), Hanover, N.H. 2005; Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003 does deal briefly with historical studies outside the West in the twentieth century. A truly global dictionary is Daniel Woolf (ed.), A Global Encyclopedia of Historical Writing, 2 vols., New York 1998. 3 Jörn Rüsen/Achim Mittag (eds.), Die Vielfalt der Kulturen, Frankfurt a.M. 1998; Jörn Rüsen (ed.), Western Historical Thinking. An Intercultural Debate, New York 2002; Eckhardt Fuchs/Benedikt Stuchtey (eds.), Across Cultural Boundaries. Historiography in Global Perspective, London 2002; Q. Edward Wang/Georg G. Iggers (eds.), Turning Points in Historiography. A Cross Cultural Perspective, Rochester 2002; Benedikt Stuchtey/Eckhardt Fuchs, Writing World Hisory 1800–2000, Oxford 2003.
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sive studies dealing comparatively with historical thought and inquiry globally.4 When embarking upon the project to write an inclusive international, intercultural history of historiography different approaches seem feasible, a more encyclopedic perspective is suggested by the Canadian historian Daniel Woolf in an extensive article, “Historiography”, in the “New Dictionary of the History of Ideas” as a proposal for a multi-volume international history of historiography to be conducted by a large team of specialists on the various historical cultures and to be published by Oxford University Press. 5 Woolf proceeds from the implicit rejection of the centrality of Western thought that has informed previous histories of historiography and insists on the equal worth of all historical cultures, by examining forms of historical representation in a multitude of societies throughout history from earliest times to the present. What I would like to suggest, instead, is a much less comprehensive, but emphatically comparative approach. A truly global history of historiography does not begin before the late eighteenth century. It is not before then that the interactions of the Western and non-Western historiographical traditions play a crucial role. Although on the economic level there was considerable interaction earlier, important colonies had already been established, and Western impulses had made themselves felt, for example with the introduction of Western scientific concepts by the Jesuits in China, who also brought information about Chinese thought to Europe, historians still lived in almost total isolation. In East Asia and in the Muslim world from the Maghreb to South East Asia well established traditions of historical scholarship existed; in Hindu India there were ancient literary and in Sub-Saharan Africa oral traditions of history, but there was as yet little interaction among them. This changed in India as early as the last third of the eighteenth century, and somewhat later in the nineteenth century in the Moslem countries and in East Asia. It is striking how many Western books in all fields beginning in the late nineteenth century, and even before, were translated into Chinese, Japanese, Korean and to a lesser extent also into Farsi, Arabic, and Turkish and how few were translated from these languages into Western languages. This holds true to this day. The interaction was largely one way, from the West to the non-Western world. It is possible, therefore, to speak of processes of Westernization – processes in the plural – that everywhere underwent modifications in the face of resistance from traditional outlooks and institutions. In 4 What follows are some reflections on such a history which I am writing together with my colleague Q(ingjia) Edward Wang trained in China and the United States in consultation with Indian, African, and Islamist colleagues. 5 Daniel Woolf, Art. Historiography, in: New Dictionary of the History of Ideas, Farmington Hills, Mich. 2005, vol. 1, pp. xxxv–xxxviii.
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dealing with Western influences, we are very much aware that the West is not an organic unit, but that it is highly heterogeneous, marked by political and intellectual divisions. Similarly the cultures that interact with the West are highly complex and therefore the reception of Western influences is highly variegated. Before proceeding, the question regarding the proper subject of historiography needs to be addressed. The major histories of historiography since the early twentieth century have generally limited themselves to great historians and great works of history. And since the institutionalization of historical studies in the nineteenth century, they have focused heavily on academic historians. A relatively sharp dividing line has been drawn between history and literature. It makes sense, however, to conceive of historiography more broadly as part of a historical culture, not only of the past as it was, but also as it was remembered. Historical consciousness expresses itself in many forms, not only in scholarship, but also in imaginative literature, in the plastic arts, in monuments and architecture, in song, in various intangible and not articulated expressions of collective memory. It is impossible to include all of these manifestations in one account. But historical texts may be taken as reflecting broader historical cultures. They may reveal the basic outlooks which reflect the ways in which a culture at a certain point saw itself, but one should avoid the illusion that cultures are integrated units while in fact they may contain many contradictory aspects that resist being subsumed in a system. While focusing on historiography, it is mandatory to the writings in their broader institutional and intellectual frameworks. One can then to examine the organization of historical studies and instruction in the modern period from a comparative, intercultural perspective. There are, however, limits to comparison. Intercultural comparisons may be less complex in the period before 1800, when there was still limited historical interaction. After that, when ideas were transferred on a larger scale, none of the participants in the exchanges could be regarded as static units – for that matter they were never static. From about 1800 to the second third of the twentieth century, the major impulses in fact came from the West, but this does not mean that they were received passively by the non-Western cultures. Rather the latter accepted these impulses selectively and assimilated them in already existing historical cultures. Historians and social scientists have thus begun to stress the limits of comparisons. Interactions involve highly complex processes of cultural transfer, of give and take, in which institutions and ideas are transformed and act on each other. 6 6 Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Beyond Comparison. Histoire croisée, Intercrossings and the Challenge of Reflexivity, in: History and Theory 45 (2006) (forthcoming); Jürgen Kocka, Comparison and Beyond, in: History and Theory 42 (2003), pp. 39–44; Chris
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One important question will have to be the audiences to which historical works are directed. These audiences underwent marked changes since the eighteenth century. On the one hand the institutionalization and professionalization of historical studies led to progressive specialization so that history is increasingly written by specialists for specialists who are often isolated from the broader public. Yet much history writing, also on the part of professional historians such as Leopold von Ranke and Jules Michelet, was read as literature by audiences that often also were the readers of the great historical novels. It is striking that Theodor Mommsen was awarded the Nobel Prize for literature in 1902, only the second person to receive this prize. And finally the role of school textbooks in the Western as well as the non-Western countries must be considered; the extent to which they rely on scholarly findings, but even more the function they serve in conveying the images of the national past which the governments want to implant into the minds of the younger generation. In dealing with the history of historical thought and writing in the period since the beginning of interaction among the historical cultures, three concepts are particularly helpful to give structure to such an analysis. The first, which I have already mentioned, is globalization, the second and third are Westernization and modernization.7 These three concepts are not identical, but closely interwoven, in certain phases even inseparable. Some types of modernization were specifically Western, but there were also forms of modernization in non-Western societies which predated Western influence or coexisted with them. The most problematic of these three concepts to define as it relates to historical thought is modernization, and yet it seems possible to use it as a tool to give coherence to the narrative. There are areas in which there is little doubt about modernization, e.g. in science and technology; however in the social sphere the problem is much more complex, so that social scientists have spoken of “multiple modernities”;8 in intellectual and cultural matters applying the concept of modernization is even more problematic. Below I shall identify four basic aspects of modernity and modernization which are relevant for the examination of historical thought, which emerged in the West in the eighteenth century and persisted into the second third of the twentieth century. One needs to be fully aware of the limits of this Lorenz, Comparative Historiography. Problems and Perspectives, in: History and Theory 38 (1999), pp. 25–39. 7 See Paul Nolte, Modernization and Modernity in History, in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences, Oxford 2001, vol. 15, pp. 9954–9962. 8 Stephen R. Graubard (ed.), special issue: Multiple Modernities, in: Daedalus, vol. 129, no. 1 (2000); Dominic Sachsenmaier/Jens Riedel/Shmuel N. Eisenstadt (eds.), Reflections on Multiple Modernities. European, Chinese and Other Interpretations, Leyden 2002.
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model of modernization, and in fact use it to show to what extent the actual course of history, specifically of historical thought, deviates from this model. There have been classical definitions of modernity and modernization. Generally they involve: 1) Ongoing scientific and technological advancement; 2) industrialization and productive growth in the context of a capitalist economy; 3) a civil society replacing older class and caste hierarchies of the old regime; 4) participatory democratic institutions, 5) a secular outlook. This definition formed the core of much of social science theory between 1945 and the 1970s, particularly in the United States. 1. A key idea is that the modern West and ultimately the rest of the world is subject to a process of rationalization, a term coined by Max Weber at the turn to the twentieth century, but denoting a much older outlook which goes back to the eighteenth century French and Scottish Enlightenment.9 On the intellectual level it argues for the progressive replacement of religious by scientific ideas. Religion is seen as an illusion, characteristic of primitive stages of human development, replaced by metaphysical speculation, and ultimately by scientific reason. The economic sphere is marked by the breakthrough of profit oriented market forces; the administrative level by progressive bureaucratization. Yet this model of rationalization as a determining feature of modernity raises serious questions for historiography. It fails to recognize the large spheres of modern life which go in very different directions. Bureaucratization came earlier in societies like Prussia, which did not correspond to the classical model of modernization, than in England and the United States which did. Religion continues to be an important force in the modern world; the late twentieth century even witnessed a revival of fundamentalisms throughout the world, including the West. In fact rationalisms and irrationalisms are so deeply interwoven in the modern world from the age of the Enlightenment until the incipient twenty-first century that it is difficult to separate them. This model of rationalization applies only partially to historical thought and scholarship. It describes the process of the institutionalization of historical studies since the first half of the nineteenth century, yet history as a professional discipline was born in an age of romanticism which revolted against the intellectual outlook of the Enlightenment. 2. A second key idea related to the first is the conception of history as a unilinear, directional process replacing cyclical views of history that had dominated historical thought in the West as well as in all non-Western societies. The idea that there was a history with a capital “H”, die Geschich9 Cf. the Marquis de Condorcet, Adam Smith, and Adam Ferguson.
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te, suggested a universal history. But in fact history increasingly concentrated on the West. The non-West, which still played an important role in the English “Universal History” launched in 1736,10 was now excluded from comprehensive histories. A sharp distinction was made between those parts of the past that had significance for the development of the Western world, and those which were incidental. This view set the presupposition for a grand narrative. This story was basically one of modernization, Western in origin, but ultimately affecting the whole world. To cite Karl Marx: “The country that is more developed industrially, only shows to the less developed the image of its own future.”11 3. A third important element of Western modernity as it relates to historical studies is the transformation of history into a scientific – scientific in the sense of Wissenschaft – or rather a scholarly discipline. This involves not only a greater insistence on systematic methods of source criticism, but also the creation of a professional core of historians committed to strict objectivity, thus drawing a line between history and imaginative literature, fact and fiction, professional and amateur historians. 4. A key focus of modern historiography was the nation state. In a sense this fixation on the nation state is difficult to fit into the theoretical model of modernization. Yet it is a key characteristic of modern historiography, distinguishing it from the eighteenth century, and spreading from the West throughout the world, including the new post-World War II African states. As a matter of fact, in China, Korea, and the Moslem countries, the shift from dynastic to national histories is a key part of the process of modernization.
II In terms of periodization, it makes sense to distinguish a modern period from approximately 1775 to the 1960s from a pre-modern period preceding it and from a period that in the last third of the twentieth century follows the modern period. I avoid using the term post-modern because historical approaches in this period have little to do with modish forms of postmodernism in literary theory and philosophy. The lines which differentiate these 10 An Universal History from the Earliest Account of Time (London, 1736). 11 Karl Marx, Capital. A Critique of Political Economy, vol. 1, preface to the First German Edition, in: Robert C. Tucker, The Marx-Engels Reader, New York 21978, p. 296.
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three periods are very approximate. There never was a paradigm in historical studies that approximated the concept paradigm which Thomas Kuhn used to deal with the history of science.12 Historians at all times went in very different directions. Older conceptions of history continued into what I have here delineated as the modern period and modern approaches to history as reflected in social science methodologies continue to play an important role today. What loosely identifies the modern period are the four characteristics which I have just described, a conception of a linear time marked by constant change, the concentration on the West, the professional commitment to scholarly objectivity, and finally the fixation on the nation state as the center of a grand historical narrative. These four characteristics, which had been taken so much for granted, are seriously questioned, although not necessarily repudiated, in the period that follows. During the pre-modern period there is as yet little intellectual interaction. Therefore, it is possible to employ a comparative approach in order to identify basic characteristics of historiographies in the West, East Asia, South Asia, the Moslem world, sub-Saharan Africa, and Latin America, the latter witnessing interactions of European and indigenous traditions. One needs to be fully aware of the great diversities within each of these historical cultures and of the significant changes which occurred in the seventeenth and eighteenth centuries in several of these cultures, particularly in the West and in East Asia. It is important to take into account the differences but also communalities between these societies which affect historical thought. In East Asia, India, the Moslem world, and Latin America there were developments which pointed to modernization, towards market economies and urbanization, parallel to the West even if more gradual, and in Japan to increasing literacy. Significant for historical scholarship but also for the broader intellectual outlook in China and Europe was the turn from what Benjamin Elman in reference to China has called the turn from philosophy to philology and the refinement of evidential scholarship.13 In both China and Europe this led to a desacralization of canonical texts, Confucian in China, Biblical in Europe. In both societies academies, although different, became centers of scholarship. Parallel developments also took place elsewhere on a smaller scale. The emergence of a modern historical outlook in the early nineteenth century cannot be understood without the impact of the French Revolution and the Napoleonic wars on the restructuring of European society. A new world arose which more closely corresponded to the model of a modern 12 Thoman Kuhn, The Structure of Scientific Revolutions, Chicago 1960. 13 Benjamin Elman, From Philosophy to Philology. Intellectual and Social Aspects of Change in Late Imperial China, Cambridge, Mass. 1984.
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society, and with it the appearance of a broad public of middle-class readers. There is a new concept of time, the notion that history is marked by constant change, generally but not always linked to an idea of evolution, which sees history no longer as a cumulation of histories as all pre-modern societies, also in the West had seen it, but as a one directional process, History with a capital “H”,14 with its climax in the modern West. Connected with this was a new view that in a constantly changing world history not philosophy was the key to understanding things human. This in turn was connected with the belief that history was a science, although there was a division of opinion on what constituted such a science. Another part of the modern outlook, which is not logically connected to the aspects of modern historical thought which I have just cited but which nevertheless played an important role in much of historical thought, is the idea of the nation state. One can distinguish between two main trends of historical thought and writing in the nineteenth century, which correspond roughly to two different views of what constitutes historical science and each addressing a different public. On the one hand there is history as a professional discipline centered at the universities. For most professional historians historical science (Geschichtswissenschaft) did not aim at generalized explanation as the natural sciences did, but at understanding concrete historical situations through the critical examination of sources. The scientific character of history consists for them in the rigorous application of the critical examination of sources. A sharp distinction was drawn between history as researched and written at the academy and history outside the academy which was considered to be amateur. The professional historians were convinced that their critical research methods guaranteed an objective approach to the past, free of speculation and value judgments. They differentiated themselves from positivistic approaches in other disciplines, which frequently adopted explanatory models of historical science closer to the natural sciences. Nevertheless there was an inherent contradiction between the claim of scholarly objectivity by the professional historians at the new centers of research and their actual practice. We must take into consideration the political and social context in which the new discipline was constituted in the German universities, beginning at the University of Berlin founded in Prussia in 1810. It is significant that this model did not first appear in countries which more closely approximated the classical model of economic, social, and political modernity, foremost England and the United States, but in Prussia which despite reforms initiated by the monarchy from above in response to the challenge posed by the French Revolution and Napoleon 14 Reinhart Koselleck, Art. Geschichte, Historie, in: Geschichtliche Grundbegriffe, vol. 2, Stuttgart 1979, pp. 593–717.
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Prussia’s defeat by the Napoleonic armies was still relatively backward in these regards. The universities and the study of history were funded because they served to create a political identity centered on the nation. Unlike the universalistic doctrine of the French Revolution, which defined the nation in terms of its citizens and viewed France as the homeland of all liberty loving men, the German conception saw the nation as an ethnic unity struggling for survival and expansion. History as a professional discipline professed the ideal of strict scientific objectivity. Yet there was a fundamental contradiction between this idea of scientific history and the stress on the patriotic duty of the historian to write history from the perspective of his nation and his state. The focus on state and nation and the reliance on official documents resulted in a selective view of the state seen from above which neglected social analysis as well as the role of the common people and effectively excluded women. Historians now went into the archives not to let the sources speak but to document their images of the national past. In effect they invented this past. The professionalization of history which should have led to greater objectivity in fact led to ideological views of history and propaganda. The historical profession as it had been instituted in Germany was increasingly in the last third of the nineteenth and the beginning of the twentieth century accepted throughout the world, including the non-Western countries, as the model of scientific scholarship, generally with the same purpose of fostering national identity. Professionalization as it developed in fact involved a narrowing of the scope of historical studies. Not only did the concentration on the nation replace the universalistic approach of eighteenth-century historians in Europe, but history as a discipline was separated from other fields of knowledge which were also transformed into disciplines. With specialization, history increasingly lost its humanistic character and its appeal to a broad public. Nevertheless despite this a great deal of history was written in other disciplines which increasingly adopted a historical approach that gave greater attention to society and culture. Moreover much history continued to be written by non-professionals. The great historians like Ranke, Michelet, and Mommsen were read by many as great literature, and much great literature was written from a historical perspective. These Western models asserted the impact which in the countries subjected to or threatened by domination by the Western imperialist powers and soon also by Japan. Professional institutions and research strategies were ultimately adopted in all these countries, most completely first in Japan and transmitted from there to China and Korea. Yet side by side with the German model, Western approaches to social and cultural history as written by François Guizot and Henry Thomas Buckle were introduced, as
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were later also Darwinian ideas of social evolution and Marxian ideas of social conflict and domination. Western ideas were applied everywhere in the non-Western countries to combat Western influences and to preserve the autonomy of indigenous cultures. But at the same time many indigenous ideas were jettisoned – dynastic histories were replaced by nation-state oriented histories and ideas of progressive time replaced static and cyclical notions. It will have to be asked what the final results of the interaction of Western and traditional ideas were in different cultural contexts. Nevertheless increasingly Western models of scholarship were accepted outside the West. Thus while in a recent series of essays, “Provincializing Europe”, a distinguished Indian social scientist, Dipesh Chakrabarty, sought to demonstrate the parochialism of a Western view of historical development in terms of stages towards modernity for which the colonial cultures represented archaic or pre-modern forms destined to give way, he at the same time acknowledged that Western forms of science and social scientific rationality had generally been adopted in the formerly colonized world, particularly in South Asia. He thus notes “that today the so-called European intellectual tradition is the only one alive in the social science departments of most, if not all, (Indian) universities”, that as one result of European colonial rule in India “the intellectual traditions once unbroken and alive in Sanskrit or Persian or Arabic are now truly dead”.15 Later in the second half of the twentieth century a similar development took place in sub-Saharan Africa. The nation state paradigm was used to invent and legitimate nations which in fact in most cases had not existed before the colonial powers drew arbitrary borders. And the invocation of the nation state was enshrined in professional institutions and practices. In the West, social science approaches to history, seeking to define trends of development closely linked to the classical concept of modernization, where possible by quantitative means, gained importance particularly after 1945 and most of all in the United States. The 1960s, however, marked a turning point in Western confidence in the course of its history, in its traditions of scientific rationality, and its belief in the desirability of its institutions. The social science orientations in historical writing had been closely related to the positive assessment of capitalism and the Western social and political order in the immediate post-World War II decades. The civil rights movement in the United States, the last colonial and postcolonial wars, most dramatically in Viet Nam, the awareness of an ecological crisis, and the emergence of feminism all led to a reconsideration of established historical orientations. The grand narrative of modernization 15 Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000.
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theories lost its credibility as did the confidence in the objectivity of historical knowledge. A partial result of this was the turning away from a concentration on large anonymous structures and processes, best studied through the application of quantitative methods, to an increased concern with cultural factors that required new epistemologies that took into account qualitative aspects. Macro-histories were to be replaced by micro-histories focusing on the life experiences of common people. Post-colonial thought in India and Latin America went in similar directions. The “Subaltern Studies”, founded in India in the 1980s, took issue with the histories patterned on Western models that focused on the Indian middle classes’ commitment to the nation state, and called for a history from below. Yet few Indians would go as far as Ashis Nandy when he condemned wholesale the Western intellectual heritage since the Enlightenment with its link to the “secular world view (and), the Baconian concept of scientific rationality”, that replaced cultures that depended on “myths, legends, and epics: to define themselves”.16 To an extent historiographical discussions were now internationalized for the first time. Particularly the Indian literature, much of which appeared in English, contributed to the critical examination of the modern paradigm. The 1980s and 1990s have witnessed a significant turn away from social science models to a consideration of cultural factors. This has served as an important corrective to the social science paradigm and to the widening of its perspective. Yet any attempt to retreat from social scientific analysis in the face of the complex world which followed the end of the Cold War appears as an irresponsible flight from reality in an age of rapid globalizations with their accompanying internecine conflicts.
16 Ashis Nandy, History’s Forgotten Doubles, in: History and Theory 34 (1995), pp. 44–66, p. 44.
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Partha Chatterjee
A Brief History of Subaltern Studies1
Gramsci in India In the form in which it is currently known, “subaltern” historiography is derived from the writings of a group of historians of modern South Asia whose work first appeared in 1982 in a series entitled “Subaltern Studies”.2 The term “subaltern” was borrowed by these historians from Antonio Gramsci, the Italian Marxist, whose writings in prison in the period 1929– 1935 had sketched a methodological outline for a “history of the subaltern classes”.3 In these writings, Gramsci used the word “subaltern” (subalterno in the Italian) in at least two senses. In one, he used it as a code for the industrial proletariat. But against the thrust of orthodox Marxist thinking, he emphasized that in its rise to power, the bourgeoisie did not simply impose a domination through the coercive apparatus of the state but transformed the cultural and ideological institutions of civil society to construct a hegemony over society as a whole, even eliciting in the process the acquiescence of the subaltern classes. In Gramsci’s analysis of capitalist society, the central place is occupied by questions such as the relation of state and civil society, the connections between the nation, the people, the bourgeoisie and other ruling classes, the role of intellectuals in creating the social hegemony of the bourgeoisie, strategies for building a counter-hegemonic alliance, etc. In the second sense, Gramsci talked of the subaltern classes in precapitalist social formations. Here he was referring to the more general relationship of domination and subordination in class-divided societies. But specifically in the context of southern Italy, he wrote about the subordination of the peasantry. Gramsci was very critical of the negative and dismissive attitude of European Marxists towards the culture, beliefs, practices 1 An earlier version of this article has appeared in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences, vol. 22, London 2001, pp. 1537–1541. 2 The series has so far published twelve volumes of essays: Ranajit Guha (ed.), Subaltern Studies I–VI, Delhi 1982–1989; Partha Chatterjee/Gyanendra Pandey (eds.), Subaltern Studies VII, Delhi 1992; David Arnold/David Hardiman (eds.), Subaltern Studies VIII, Delhi 1992; Shahid Amin/Dipesh Chakrabarty (eds.), Subaltern Studies IX, Delhi 1996; Gautam Bhadra/Gyan Prakash/Susie Tharu (eds.), Subaltern Studies X, Delhi 1999; Partha Chatterjee/Pradeep Jeganathan (eds.), Subaltern Studies XI, Delhi 2000; Shail Mayaram/M.S.S. Pandian/Ajay Skaria (eds.), Subaltern Studies XII, Delhi 2005. 3 Antonio Gramsci, Selections from the Prison Notebooks, New York 1971.
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and political potential of the peasantry. Positioning himself against this attitude, he wrote of the distinct characteristics of the religious beliefs and practices, the language and cultural products, the everyday lives and struggles of peasants, and of the need for revolutionary intellectuals to study and understand them. But he also highlighted the limits of peasant consciousness which, in comparison with the comprehensiveness, originality and active historical dynamism of the ruling classes, was fragmented, passive and dependent. Even at moments of resistance, peasant consciousness remained enveloped by the dominant ideologies of the ruling classes. These discussions by Gramsci were turned to productive use by South Asian historians writing in the 1980s.
Against Elitist Historiography Ranajit Guha, who edited the first six volumes of “Subaltern Studies”, wrote in the introductory statement of the project: “The historiography of Indian nationalism has for a long time been dominated by elitism – colonialist elitism and bourgeois-nationalist elitism.”4 The objective of subaltern historiography was to oppose the two elitisms. The field of modern South Asian history was dominated in the 1970s by a debate between a group of historians principally located in Cambridge, England, and another based mainly in Delhi. The former argued that Indian nationalism was a bid for power by a handful of Indian elites who used the traditional bonds of caste and communal ties to mobilize the masses against British rule. The latter spoke of how the material conditions of colonial exploitation created the ground for an alliance of the different classes in Indian society and how a nationalist leadership inspired and organized the masses to join the struggle for national freedom. Guha argued that both these views were elitist – the former representing a colonial elitism and the latter a nationalist elitism. Both assumed that nationalism was wholly a product of elite action. Neither history had any place for the independent political actions of the subaltern classes. In setting their agenda against the two elitisms, the historians of “Subaltern Studies” focused on two main issues. One was the difference between the political objectives and methods of colonial and nationalist elites on the one hand and those of the subaltern classes on the other. The second was the autonomy of subaltern consciousness. Pursuing the first question, the 4 Ranajit Guha, On the Historiography of Indian Nationalism, in: Guha, Subaltern Studies I, pp. 1–8.
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Partha Chatterjee
historians of “Subaltern Studies” showed that the claim of colonialist historians that the Indian masses had been, so to speak, duped into joining the anti-colonial movement by Indian elites using primordial ties of kinship and patron-client relations was false. They also showed that it was untrue to say, as nationalist historians did, that the political consciousness of the subaltern classes was only awakened by the ideals and inspiration provided by nationalist leaders. It was indeed a fact that the subaltern classes had often entered the arena of nationalist politics. But it was also a fact that in many instances they had refused to join, despite the efforts of nationalist leaders, or had withdrawn after they had joined. In every case, the goals, strategies and methods of subaltern politics were different from those of the elites. In other words, even within the domain of nationalist politics, the nationalism of the elites was different from the nationalism of the subaltern classes. The second question followed from the first. If subaltern politics was indeed different from that of elite politics, what was the source of its autonomy? What were the principles of that politics? The answer that was suggested was that subaltern politics was shaped by the distinct structure of subaltern consciousness. That consciousness had evolved out of the experiences of subordination – out of the struggle, despite the daily routine of servitude, exploitation and deprivation, to preserve the collective identity of subaltern groups. Where was one to look for the evidence of this autonomous consciousness? It could not be found in the bulk of the archival material that historians conventionally use, because that material had been prepared and preserved by and for the dominant groups. For the most part, those documents only show the subaltern as subservient. It is only at moments of rebellion that the subaltern appears as the bearer of an independent personality. When the subaltern rebels, the masters realize that the servant too has a consciousness, has interests and objectives, methods and organization. If one had to look for evidence of an autonomous subaltern consciousness in the historical archives, then it would be found in the documents of revolt and counterinsurgency. The first phase of the work of “Subaltern Studies” was dominated by the theme of peasant revolt. Ranajit Guha’s “Elementary Aspects of Peasant Insurgency in Colonial India” (1983) is the key text in this area.5 But most other scholars associated with the project wrote on the history of peasant revolt from different regions and periods of South Asian history. They were able to discover a few sources where the subaltern could be heard telling his or her own story. But it was always clear that there would be few such sources. What became far more productive were new strategies of reading the conventional documents on peasant revolts. The historians of subaltern 5 Ranajit Guha, Elementary Aspects of Peasant Insurgency in Colonial India, Delhi 1983.
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politics produced several examples of ways in which reports of peasant rebellion prepared by official functionaries could be read from the opposite standpoint of the rebel peasant and thus used to shed light on the consciousness of the rebel. They also showed that when elite historians, even those with progressive views and sympathetic to the cause of the rebels, sought to ignore or rationally explain away what appeared as mythical, illusory, millenarian or utopian in rebel actions, they were actually missing the most powerful and significant elements of subaltern consciousness. The consequence, often unintended, of this historiographical practice was to somehow fit the unruly facts of subaltern politics into the rationalist grid of elite consciousness and to make them understandable in terms of the latter. The autonomous history of the subaltern classes, or to put it differently, the distinctive traces of subaltern action in history, were completely lost in this historiography.
The Imbrication of Elite and Subaltern Politics The analysis of peasant insurgency in colonial India and of subaltern participation in nationalist politics by the historians of “Subaltern Studies” amounted to a strong critique of bourgeois-nationalist politics and of the postcolonial state. Writing about peasant revolts in British India, Ranajit Guha and Gautam Bhadra showed how this powerful strand of anti-colonial politics, launched independently of bourgeois-nationalist leaders, had been denied its place in established historiography.6 Gyanendra Pandey, David Hardiman, Sumit Sarkar and Shahid Amin wrote about the two domains of elite and subaltern politics as they came together in the nationalist movement led by the Congress.7 Dipesh Chakrabarty wrote about a similar split between elite and subaltern politics in the world of the urban working class.8 Partha Chatterjee traced the development of nationalist thought in India in terms of the separation of elite and subaltern politics and the attempts by the former to appropriate the latter.9 The postcolonial nation6 Guha, Elementary Aspects; Gautam Bhadra, Iman o nishan. Banglar krishak chaitanyer ek adhyay [Faith and the Flag. An Aspect of Peasant Consciousness in Bengal], Calcutta 1994. 7 Gyanendra Pandey, The Ascendancy of the Congress in Uttar Pradesh, 1926–1934, Delhi 1984; David Hardiman, Peasant Nationalists of Gujarat, Delhi 1984; Sumit Sarkar, Popular Movements and Middle-class Leadership in Late Colonial India, Calcutta 1984; Gyanendra Pandey, The Construction of Communalism in Colonial North India, Delhi 1990; Shahid Amin, Event, Metaphor, Memory. Chauri Chaura 1922–1992, Delhi 1995. 8 Dipesh Chakrabarty, Rethinking Working-Class History. Bengal 1890–1940, Princeton 1989. 9 Partha Chatterjee, Nationalist Thought and the Colonial World. A Derivative Discourse?, London 1986; idem, The Nation and Its Fragments. Colonial and Post-colonial Histories, Princeton 1993.
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state had, it was argued, included the subaltern classes within the imagined space of the nation but had distanced them from the actual political space of the state. Although the political emphasis was not the same in each writer, there was nevertheless a strong flavor in “Subaltern Studies” of the Maoist politics that had hit many parts of India in the 1970s. Many critics thought they could detect in it a romantic nostalgia for a peasant armed struggle that never quite took place. Others alleged that by denying the unifying force of the nationalist movement and stressing the autonomous role of the subaltern classes, the historians of “Subaltern Studies” were legitimizing a divisive and possibly subversive politics. Another connection that was often made in the early phase of “Subaltern Studies” was with the “history from below” approach popularized by British Marxist historians. Clearly, the work of Christopher Hill, E.P. Thompson, Eric Hobsbawm or the “History Workshop” writers, or indeed of French social historians like Emmanuel Le Roy Ladurie, was eagerly mined by subalternist historians for methodological clues for doing popular history. But there was a crucial difference because of which subaltern history could never be a “history from below”. The forgotten histories of the people, pulled out from under the edifice of modern capitalist civilization in the West, had undoubtedly made the story of Western modernity more detailed and complete. But there did not seem to be any narrative of “history from below” that could persuasively challenge the existence, stability or indeed the historical legitimacy of capitalist modernity itself. Not surprisingly, “history from below” was invariably written as tragedy. But in countries such as India, “history from below” could not be confined within any such given narrative limits. The subalternist historians refused to subscribe to the historicist orthodoxy that what had happened in the West, or in other parts of the world, had to be repeated in India. They rejected the framework of modernization as the necessary emplotment of history in the formerly colonial countries. They were sceptical about the established orthodoxies of both liberal-nationalist and Marxist historiographies. As a result, they resisted in their writings the tendency to construct the story of modernity in India as the actualization of modernity as imagined by the great theorists of the Western world. This resistance, apparent even in the early phase of “Subaltern Studies”, was to be expressed later in arguments about “other modernities”.
Reorientations One line of argument of the early “Subaltern Studies” project that ran into serious problems concerned the existence of an autonomous subaltern
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consciousness. Much of the study of the insurgent peasant was a search for a characteristic structure of peasant consciousness, shaped by its experience of subordination but struggling ceaselessly to retain its autonomy. One problematic question that arose was about the historicity of this structure. If subaltern consciousness was formed within specific historical relations of domination and subordination, then could that consciousness change? If so, why could it not be said that the Indian peasantry was transformed (modernized, turned into citizens) by its experience of nationalist politics? Why the resistance to a progressive narrative of history? Or was there another narrative of a changing subaltern consciousness? It was a classic structuralist impasse to which there was no easy historical answer. A related problem was about the notion of the subaltern as an active historical agent. Research into subaltern history had shown that the subaltern was both outside and inside the domains of colonial governance and nationalist politics. To the extent that it was outside, it had retained its autonomy. But it had also entered those domains, participated in their processes and institutions and thereby transformed itself. Every bit of historical evidence was pointing to the fact that the subaltern was “a deviation from the ideal”. Why then the search for a “pure structure” of subaltern consciousness? Moreover, argued Gayatri Spivak in two influential articles, subaltern history had successfully shown that the “man” or “citizen” who was the sovereign subject of bourgeois history-writing was in truth only the elite. Why was it necessary now to clothe the subaltern in the costume of the sovereign subject and put him on stage as the maker of history? Subaltern historiography had in fact challenged the very idea that there had to be a sovereign subject of history possessing an integral consciousness. Why bring back the same idea into subaltern history? It was only a myth that the subaltern could directly speak through the writings of the historian. In fact, the historian was only representing the subaltern on the pages of history. The subaltern, announced Spivak, cannot speak.10 The new turn in “Subaltern Studies” began more or less from the fifth and sixth volumes published in 1987–89. It was now acknowledged with much greater seriousness than before that subaltern histories were fragmentary, disconnected, incomplete, that subaltern consciousness was split within itself, that it was constituted by elements drawn from the experiences of both dominant and subordinate classes. Alongside the evidence of autonomy displayed by subalterns at moments of rebellion, the forms of subaltern consciousness 10 Gayatri Chakravorty Spivak, Subaltern Studies. Deconstructing Historiography, in: Guha, Subaltern Studies IV, pp. 338–363; idem, Can the Subaltern Speak?, in: Cary Nelson/Lawrence Grossberg (eds.), Marxism and the Interpretation of Culture, Urbana, Ill. 1988.
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undergoing the everyday experience of subordination now became the subject of inquiry. Once these questions entered the agenda, subaltern history could no longer be restricted to the study of peasant revolts. Now the question was not “What is the true form of the subaltern?” The question had become “How is the subaltern represented?” “Represent” here meant both “present again” and “stand in place of”. Both the subjects and the methods of research underwent a change. One direction in which the new research proceeded was the critical analysis of texts. Once the question of the “representation of the subaltern” came to the fore, the entire field of the spread of the modern knowledges in colonial India was opened up for subaltern history. Much studied subjects such as the expansion of colonial governance, English education, movements of religious and social reform, the rise of nationalism – all of these were opened to new lines of questioning by the historians of “Subaltern Studies”. The other direction of research concentrated on the modern state and public institutions through which modern ideas of rationality and science and the modern regime of power were disseminated in colonial and postcolonial India. In other words, institutions such as schools and universities, newspapers and publishing houses, hospitals, doctors, medical systems, censuses, registration bureaux, the industrial labor process, scientific institutions – all of these became subjects of subaltern history-writing.
Other Modernities A major argument that has been developed in the more recent phase of writings in and around “Subaltern Studies” is that of alternative or hybrid modernities. The focus here is on the dissemination of the ideas, practices and institutions of Western modernity under colonial conditions. The framework of modernization theory invariably produces the history of modernity in nonWestern colonial countries as a narrative of lag or catching up. As Dipesh Chakrabarty has put it, these societies seem to have been consigned for ever to “the waiting room of history”. The universality of Western modernity erases the fact that like all histories, it too is a product of its local conditions. When transported to other places and times, it cannot remain unaffected by other local conditions. What happens when the products of Western modernity are domesticated in other places? Do they take on new and different shapes – shapes that do not belong to the original? If they do, are we to treat the changes as corruptions? As deviations from an ideal? Or are they valid as examples of a different modernity?
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To argue the latter is both to provincialize Europe and to assert the identity of other cultures even as they participate in the presumed universality of modernity. Dipesh Chakrabarty, David Arnold, Gyan Prakash, Gayatri Spivak and Partha Chatterjee, for example, have explored various aspects of this process of the “translation” of modern knowledges, technologies and institutions.11 They have tried to show that the encounter between Western forms of modernity and colonized non-Western cultures was not a simple imposition of the one on the other, nor did it lead to corrupt or failed forms of modernity. Rather, it produced different forms of modernity whose marks of difference still remain subject to unresolved contestations of power. Here, the work of South Asian subalternist historians has often overlapped with and contributed to what has become known in the United States and Britain as “Postcolonial Studies”. The historical study of modern discourses and institutions of power in colonial India has fed into a growing literature on the production of hybrid cultural forms in many different regions of the formerly colonial world. More significantly, postcolonial studies has extended the argument about hybrid cultural forms to the understanding of contemporary cultures in the Western metropolitan countries themselves, instanced most immediately in the diasporic cultures of immigrants but also, less obviously, in the role of the colonial experience in the formation of Western modernity even in its purportedly “original” form.12 Historical and social science disciplines have tended to merge here with the concerns and methods of the literary and cultural disciplines to break new, and still mostly uncharted, theoretical grounds. Yet, even as the overlap between Subaltern Studies and postcolonial studies has often been noticed, there remains a crucial difference in emphasis that continues to be reflected in the choice of problems and topics in the two strands of history writing. Despite the reorientation of the original set of theoretical problems in “Subaltern Studies”, its historical and polemical focus continues to be set on the contemporary political debates of the countries of 11 David Arnold, Colonizing the Body. State Medicine and Epidemic Disease in NineteenthCentury India, Berkeley 1993; Partha Chatterjee (ed.), Texts of Power. The Disciplines in Colonial Bengal, Minneapolis 1995; Gyan Prakash, Another Reason, Princeton 1999; Gayatri Chakravorty Spivak, A Critique of Post-colonial Reason, Cambridge, Mass. 1999; Dipesh Chakrabarty, Provincializing Europe. Postcolonial Thought and Historical Difference, Princeton 2000. 12 A few examples: Mary Louise Pratt, Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation, London 1992; Jack Goody, The East in the West, Cambridge 1996; Frederick Cooper/Ann Laura Stoler (eds.), Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World, Berkeley 1997; Antoinette Burton, At the Heart of the Empire. Indians and the Colonial Encounter in Late-Victorian Britain, Berkeley 1998; Catherine Hall, Civilising Subjects. Metropole and Colony in the English Imagination 1830–1867, Chicago 2002; Chandak Sengoopta, Imprint of the Raj. How Fingerprinting Was Born in Colonial India, London 2003.
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South Asia. Thus, in view of the religious-sectarian conflicts in India in the last two decades, subalternist historians have contributed in very distinct ways to rewriting the history of communal conflicts in colonial India or to the history of the partition of India. The subalternist approach has been used in productive ways to reframe the history of ethnic conflicts in Sri Lanka. This has led to a serious critique of the nation-state as well as of the ideology of nationalism as they have been instituted in South Asia. But given the centrality of these questions to the everyday politics of the nation-state, even in their most “mainstream” forms, the subalternist critics have been forced to engage with the debates of the mainstream not from the relative theoretical freedom afforded by a position of marginality but with the full responsibility demanded by considerations of practicality and institutional realism. Unlike postcolonial history in the United States and Britain, where notions of hybridity or the colonial origins of Western modernity can be explored with considerable creative freedom because of the relative marginality of the discipline, subaltern history in South Asia has to work within the realist confines of national politics, even as it offers its critique. This becomes clear if we consider some of the main political issues that have featured in the recent work of “Subaltern Studies”.
Rethinking the Political If we recall the initial political questions raised by subaltern history-writing, where have they led? The early emphasis on peasant rebellion and consciousness had widened, even in the first phase of the project, to include the resistance of other dominated and marginalized groups in colonial society. Once the idea of a paradigmatic structure of subaltern consciousness became less persuasive, the subject of resistance began to be approached from a variety of angles and without a fixed design either of the reproduction of a traditional structure or of the necessary transition to new structures. Recent subaltern historiography has vigorously participated in three sets of South Asian debates – over religious minorities, caste and gender. These debates have opened up the way to rethinking the political formation of the nation as well as the political process of democracy. In India, the broader political debate over religious minorities has been carried out between two opposed groups – the Hindu chauvinists on the one hand and the secularists on the other. What the researches of subalternist historians have shown is that the debate between secularism and communalism is in no way a struggle between modernity and backwardness. Both the
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rival political positions are firmly planted in the soil of modern government and politics. Second, the two groups are pursuing two different strategies of consolidating the regime of the modern nation-state. Both strategies are elitist, but they involve two different modes of representation and appropriation of the subaltern. Third, faced with these rival elitist strategies, subaltern groups in India are devising, in their own ways, independent strategies of coping with communal as well as secularist politics. The recent experience of ethnic violence and authoritarian politics in Sri Lanka and Pakistan have raised even more fundamental questions about the adequacy of the nation-form as a field where subaltern politics might be negotiated.13 The second question on which there has been significant recent discussion is caste. There has been a transformation in the politics of caste in India following the agitations in 1990–91 over the Mandal Commission report. By looking at the politics of caste in its discursive aspect, it has become clear that the supposedly religious basis of caste divisions has now completely disappeared from public debate. The conflicts now are almost exclusively centered on the relative positions of different caste groups in relation to the state. Second, the debate over whether or not to recognize caste as a criterion for affirmative action by the state once again reflects two different elitist strategies of representing and appropriating the subaltern – one insisting on equality of opportunity and selection by merit, the other arguing that a phase of affirmative action is needed to compensate for the centuries of deprivation suffered by the lower castes. And subaltern groups too, in their efforts to establish social justice and self-respect, are devising various strategies of both resisting the state as well as of utilizing the opportunities offered by its electoral and developmental functions.14 Strategies of alliance between castes at the middle and bottom rungs of the ritual hierarchy with other oppressed groups such as tribals and religious minorities have produced significant electoral successes. But with the creation of new political elites out of subaltern groups, the questions of “who represents?” and “to what end?” are being asked with a new urgency. The third debate concerns the social position of women. In one sense, all women living in patriarchal societies are subalterns. Yet, it is not true that women are not identified by class, race, caste and community. Hence, just as it is valid to analyze the subordination of women in a society ruled by men, so also is it necessary to identify how the social construction of gender 13 Chatterjee/Jeganathan, Subaltern Studies XI; Gyanendra Pandey, Remembering Partition. Violence, Nationalism and History in India, Cambridge 2001; Shail Mayaram, Resisting Regimes. Myth, Memory and the Shaping of a Muslim Identity, Delhi 1997; idem, Against History, Against State. Counterperspectives from the Margins, New York 2003; Mayaram/Pandian/Skaria, Subaltern Studies XII. 14 Mayaram/Pandian/Skaria, Subaltern Studies XII.
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is made more complex by the intervention of class, caste and communal identities. Recent discussions on this question have focused on the Indian social reform movements of the nineteenth century, especially the various legal reforms to protect the rights of women, in the context of the colonial state and nationalist politics. Subaltern feminist writings have raised questions about the adequacy of a modernizing agenda of legal reform from the top without facing up to the challenge of reforming the actual structures of patriarchal power within the local communities which continue to flourish outside the reach of the law.15 The recent debates raise new questions about conceptualizing old modernist ideas such as nation, citizenship and democracy. By virtue of these implications, the recent subaltern history writings from South Asia have been productively used in writings on the history of modernity in other parts of the formerly colonized world, such as, for instance, on nationalism and gender in the Middle East or on the politics of peasant and indigenous groups in Latin America. Having traveled from Italy to India, the idea of subaltern history has now produced a generally available methodological and stylistic approach to modern historiography that could indeed be used anywhere.
15 Nivedita Menon (ed.), Gender and Politics in India, Delhi 1999; Flavia Agnes, Law and Gender Inequality. The Politics of Women’s Rights in India, Delhi 2001; Nivedita Menon, Recovering Subversion. Feminist Politics Beyond the Law, Delhi 2004.
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Hartmut Kaelble
Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
Gibt es einen besonderen, westeuropäischen Blick auf die europäische Geschichte? Schreibt man als Spezialist für Westeuropa eine andere europäische Geschichte als ein Spezialist für Osteuropa? Rückt man als Westeuropaspezialist bestimmte Themen eher in das Zentrum einer europäischen Geschichte, wie das Römische Reich, Karl den Großen, die Romanik und die Gotik, den mittelalterlichen Aufschwung der Städte und der Universitäten, die Renaissance, die Konfessionalisierung, die Aufklärung und den Barock, den Liberalismus und den Nationalstaat, die Industrialisierung, die deutsch-französischen Beziehungen, die Amerikanisierung, die Montanunion und die EWG? Ist diese Art, europäische Geschichte zu schreiben, zu befangen, da keines dieser Themen über Westeuropa hinausgreift oder sind diese Themen doch Essentials jeder europäischen Geschichte? Muss ein Historiker, der sich auf die Geschichte Westeuropas spezialisiert, die Geschichte Europas notwendigerweise anders schreiben als ein Historiker wie Manfred Hildermeier, der sich vor allem mit der Geschichte Russlands befasst hat? Oder sind die Gemeinsamkeiten letztlich doch größer, so dass man sich ergänzt, aber nicht ersetzt?1 Europäische Geschichte zu schreiben, hat sich für Westeuropa- und Osteuropahistoriker seit dem Fall der Mauer grundlegend geändert. Neue Herausforderungen sind entstanden. Die „mental maps“, die Vorstellungen von dem Raum Europas haben sich gewandelt. Deshalb erstaunt es nicht, dass seit dem Fall der Mauer viele Überblicksprojekte zur Geschichte Europas geschrieben oder angefangen wurden, die in völligem Widerspruch zu der weit verbreiteten Einschätzung der Verlage steht, wonach sich das Thema Europa schlecht verkauft. Mindestens sechs europäische Verlage stiegen in den 1990er Jahren in solche Handbuchprojekte ein: die Oxford University Press in ca. zwölf Bänden, der Kohlhammer Verlag in fünf Bänden, der 1 Hinter den folgenden Ausführungen stehen auch die Erfahrungen im Zentrum für vergleichende Geschichte Europas, heute Berliner Kolleg für vergleichende Geschichte Europas. Sein Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen Westeuropa- und Osteuropahistorikern zu fördern, der Geschichte des östlichen Europa unter Westeuropahistorikern mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und Osteuropahistorikern einen leichteren Zugang zur westeuropäischen Geschichte zu verschaffen. Es ist eines der großen Verdienste Jürgen Kockas, dieses Projekt in den 1990er Jahren initiiert und Stiftungen für die Finanzierung gewonnen zu haben.
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Siedler Verlag in vier Bänden, der Eugen Ulmer Verlag in zehn Bänden, der italienische Verlag Einaudi in fünf Bänden, auch der französische Verlag Seuil mit acht Autoren in einem Band, in dem René Rémond die Situation präzise umschreibt: „Kann man sich eine günstigere historische Situation für eine Geschichte Europas vorstellen als die Zeit der Wiederannäherung der beiden lang getrennten Hälften Europas?“2 Wahrscheinlich gab es weit mehr geplante Projekte, die aber entweder scheiterten oder – wie etwa das mehrbändige Projekt der Moskauer Akademie der Wissenschaften – nur in Bruchstücken veröffentlicht wurden.3 Nach dem Fall der Mauer haben sich darüber hinaus einzelne Autoren auf das Wagnis eingelassen, allein eine Geschichte Europas von den Anfängen bis heute zu schreiben. Die Geschichte Europas von Norman Davies von 1996 ist das erfolgreichste Projekt eines Einzelautors.4 Schließlich haben einzelne Autoren auch das bescheidenere Vorhaben unternommen, eine Geschichte Europas in der Epoche zu schreiben, die sie selbst gut kennen, etwa die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert von Mark Mazower oder von Serge Berstein und Pierre Milza oder von Helmut Altrichter und Walther L. Bernecker.5 Vielleicht werden daher spätere Historiker die 1990er Jahre als eines der produktivsten Jahrzehnte in der Historiographie Europas sehen. Es ist auch nicht erstaunlich, dass sich sowohl Westeuropahistoriker als auch Osteuropahistoriker auf solche Handbuchprojekte über Europa einließen. Norman Davies und Mark Mazower sind die bekanntesten Osteuropaspezialisten, die eine Geschichte des ganzen Europa geschrieben haben. Auch eine lange Liste von Westeuropahistorikern hat sich daran versucht. Die 1990er Jahre sind deshalb das ideale Testfeld für unsere Frage, ob Westeuropahistoriker eine Geschichte Europas anders schreiben als Osteuropahistoriker. Sicher ist in den neunziger Jahren nach dem Ende der Teilung Europas keine uniforme, einheitliche, konsensuale Geschichte Europas entstanden. Vier Arten des Zugangs zur Geschichte ganz Europas stehen seit dem Fall der Mauer zur Auswahl. Ich werde sie zuerst schildern, bevor ich auf die Frage zurückkomme, wie weit sich Osteuropahistoriker und Westeuropahistoriker in ihrem Bild von europäischer Geschichte unterscheiden.
2 René Rémon, Préface, in: Jean Carpentier/François Lebrun (Hg.), Histoire de l’Europe, Paris 1990, S. 7. 3 Vgl. Hélène Ahrweiler/Maurice Aymard (Hg.), Les Européens, Paris 2000. 4 Norman Davies, Europe. A History, Oxford 1996. 5 Serge Berstein/Pierre Milza, Histoire de l’Europe contemporaine, Paris 1992; Mark Mazower, The Dark Continent. Europe’s Twentieth Century, New York 1999; Helmut Altrichter/Walther L. Bernecker, Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2004.
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Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
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Östliches und westliches Europa Die dringlichste, alles andere erst einmal verdrängende, neue Herausforderung an die europäische Geschichtsschreibung nach dem Fall der Mauer war die Neubestimmung der Rolle des östlichen und westlichen Europas in der europäischen Geschichte. Mit dem Fall der Mauer wurde eine auf Westeuropa beschränkte Geschichte Europas fragwürdiger. Die dauerhaft erscheinende, durch eine riesige sowjetische Armee gesicherte Grenze hatte zuvor in Westeuropa die Vorstellung entstehen lassen, dass hier ein Europa endete und ein völlig anderes, schwer zugängliches, fremdes, den Experten überlassenes Europa begann, das sich nur unter großen Schwierigkeiten und nur als Fremdkörper in eine Geschichte Europas integrieren ließ. Nach dem Fall der Mauer und dem Verschwinden dieser Grenze brachten der ungehinderte intellektuelle Austausch, das ungehinderte Reisen, die neuen wissenschaftlichen Zentren im östlichen Europa, neuerdings auch die gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Union den östlichen Teil Europas den Westeuropäern näher. Vor allem Ostmitteleuropa erschien den Westeuropäern wieder als ein normaler, vertrauter Teil Europas, den man nicht aus der Geschichte Europas ausschließen konnte und wollte. Die scharfe, durch den Kalten Krieg entstandene Trennung zwischen zwei Expertisen von Historikern, der „allgemeinen“ westeuropäischen und der osteuropäischen Expertise, und damit auch zwischen zwei verschiedenen Geschichten Europas, ließ sich in der alten Form nicht mehr halten. Die Expertisen änderten ihren Charakter. Osteuropahistoriker arbeiteten über andere Länder, nicht mehr unbedingt über ein anderes politisches System. Allerdings wurde die Aufnahme des östlichen Europa in die gemeinsame europäische Geschichte auf ganz verschiedenen Wegen vollzogen. Vier Optionen schälten sich heraus, die sich freilich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen. Das östliche Europa wurde in der gemeinsamen europäischen Geschichte oft als die Geschichte einer anderen Entwicklung, einer östlichen Alterität konzipiert. Viele einflussreiche und anregende Typologien sind von Historikern über unterschiedliche Entwicklungswege der Wirtschaft, der Nation, der Kirche, der Zivilgesellschaft und der Beziehung zwischen Ethnien in Europa entwickelt worden. Manfred Hildermeier geht in seinem Beitrag in diesem Band ausführlich darauf ein.6 In der Regel stellten diese Typologien 6 Vgl. als einige besonders einflussreiche Konzepte: Alexander Gerschenkron, Europe in the Russian Mirror. Four Lectures in Economic History, Cambridge 1970; Jenö Szücs, Die drei historischen Regionen Europas, Frankfurt a.M. 1990 (ungarische Version 1983); Miroslav Hroch, From National Movement to the Fully-formed Nation. The Nation-building Process in Europe, in: Gopal Balakrishnan (Hg.), Mapping the Nation, New York 1996, S. 78–97; Klaus Zernack, Osteuropa. Eine Einführung in seine Geschichte, München 1977; vgl. auch Holm Sundhaussen,
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nicht nur West- und Osteuropa gegenüber, sondern differenzierten mehrere Entwicklungswege in Europa aus. Meist wurde zwischen Mitteleuropa und Osteuropa im engeren Sinn unterschieden. Die Alterität des östlichen Europa wurde dabei unter zwei grundsätzlich verschiedenen Perspektiven gesehen. Entweder wurde sie als eine Geschichte von osteuropäischen Rückständigkeiten der wirtschaftlichen Dynamik, der modernen Arbeits- und Familienwerte, der Zivilgesellschaft und der Demokratie geschrieben. Oder das östliche Europa wurde als ein anderer, aber nicht rückständiger Weg zur Moderne gesehen und die innereuropäischen Unterschiede mit einem Konzept der multiplen Modernen interpretiert, als eine andere, eigene Form des Zusammenlebens von Ethnien, eine andere Art der transnationalen Imperien, ein anderer Weg der Resistenzen gegen Diktaturen, eine andere Art von Kirchlichkeit und Säkularisierung, eine eigene, andere Wertewelt. Die Geschichte der Spannungen und Konflikte zwischen östlichem und westlichem Europa vor allem während des Kalten Krieges ist eine zweite Form der Aufnahme des östlichen Europa in eine gemeinsame europäische Geschichte. Sie wird einerseits als eine Geschichte der Teilung Europas aufgefasst, als die Entstehung eines fremden östlichen Imperiums, das die europäischen Verflechtungen und Kontinuitäten durchschnitt und unterbrach und letztlich ein Fremdkörper in der europäischen Geschichte war. Gleichzeitig wird aber gerade die Geschichte der Ost-West-Konfrontation zu Recht oft auch als eine Geschichte der europäischen Verflechtungen, der europäischen Entspannungspolitiken, der West-Ost-Transfers, der Migrationen und Exilanten im Westen, der Oppositionen gegen die Diktaturen, die sich stark auf die westlichen Öffentlichkeiten stützten, aber auch als eine Geschichte der Wirkung des Kalten Krieges auf den Westen geschrieben. Noch kaum geschrieben ist dagegen die andere Geschichte der Rückkehr des östlichen Europa nach Europa seit 1989. Sie ist sicher nicht einfach eine Geschichte der Rückkehr in die Vergangenheit, der Wiederaufnahme von Kontinuitäten, die in den späten 1940er Jahren von den kommunistischen Regimes abgebrochen worden waren und gleichsam aus dem Tiefkühlfach der Geschichte geholt wurden, sondern das Zusammenwachsen mit einem völlig veränderten westlichen Europa, das sich seit der Teilung Europas in den späten 1940er Jahren völlig verändert hatte. Die Rückkehr nach Europa war paradoxerweise anfangs auch die Geschichte einer neuen, bisher unbekannten west-östlichen Divergenz, der Transitionskrise im östlichen Europa, der Umstrukturierung der Wirtschaft, des Rückgangs der sozialen Sicherheit und der sicheren Zukunftserwartungen, des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, der dramatischen Umbrüche des Familienlebens, in einigen LänOsteuropa, Südosteuropa, Balkan. Überlegungen zur Konstruktion historischer Raumbegriffe, in: ders., Was ist Osteuropa?, Berlin 1998.
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Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
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dern sogar der verkürzten Lebenserwartung. Allerdings begann gleichzeitig während der vergangenen fünfzehn Jahre die alte Ost-West-Teilung Europas zu verblassen und die inneren Unterschiede der europäischen Sozialund Kulturgeschichte ganz anderen geographischen Trennlinien zu folgen, auch wenn die wirtschaftlichen Kontraste scharf blieben. In der Religiosität und im Familienleben ähnelt Polen eher Irland als Ungarn und Tschechien, während Tschechien und Ungarn eher Frankreich oder Deutschland ähneln als Polen. Im Nationsverständnis hat Polen ebenfalls mehr mit Großbritannien und Schweden gemeinsam als mit Ungarn oder Tschechien. Es mag sein, dass sich deshalb auch in den mental maps bald andere innereuropäische Räume entwickeln, in denen die alte Ost-West-Teilung Europas in den Hintergrund tritt. Man muss eine Geschichte Europas allerdings nicht immer nur als eine Geschichte von Unterschieden und Konfrontation zwischen Ost und West schreiben. Man würde sie sogar künstlich einengen, wenn man nicht auch die europäischen Gemeinsamkeiten behandelte. Auch darauf geht Manfred Hildermeier in seinem Beitrag sein. Diese Gemeinsamkeiten bestehen nicht nur aus den großen europäischen Ereignissen, den gemeinsamen Kriegen und Friedensschlüssen, den gemeinsamen Revolutionen und Wirtschaftskrisen. Im 19. und 20. Jahrhundert gab es darüber hinaus eine Vielzahl gemeinsamer Tendenzen, wie die Industrialisierung, die Verstädterung, die Durchsetzung des Nationalstaats, die Ausbreitung von Diktaturen in der Zwischenkriegszeit und der langsame Siegeszug der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg, die Durchsetzung des modernen Massenkonsums, die Familienwerte und Familienstrukturen, die Alphabetisierung und Expansion der Hochschulbildung, die Entstehung des Sozialstaats, die sozialen Bewegungen, die Säkularisierung und die Wiederaufnahme religiöser Werte. Diese ausgeprägten Parallelitäten erklären sich zum erheblichen Teil daraus, dass zwischen den europäischen Gesellschaften intensive Transfers, also freiwillige Übernahmen und Anverwandlungen bestanden. Diese Transfers wurden sicher nicht immer geduldet, sondern von den Rechtsdiktaturen ebenso wie von den kommunistischen Diktaturen zu unterbinden versucht. Andere internationale Anpassungen wurden mit Gewalt und Repressionen durchgesetzt. Aber die freiwilligen Transfers setzten sich doch durch wie Wasser im Kalkstein. Diese Transfers, die Manfred Hildermeier eingehend behandelt, haben damit zu tun, dass die meisten europäischen Gesellschaften sich vor allem in Europa, daneben sicher auch in den USA, umsehen und europäische Modelle diskutieren, wenn sie ein Problem im eigenen Land haben und dafür eine Lösung suchen. Diese Transfers sind zwischen dem östlichen und westlichen Europa sicher ebenso dicht wie die über andere innere Grenzen Europas hinweg.
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Westliches und südliches Europa Eine zweite Herausforderung für Westeuropahistoriker war und ist die Rolle des Südens in der europäischen Geschichte. Diese Herausforderung hat eine ganz andere Geschichte als die osteuropäische. Sie ist in den vergangenen zweihundert Jahren nie durch eine so massive politische Konfrontation wie den Ost-West-Konflikt zu einem Fundamentalproblem geworden, sondern war eher durch die Thematik der Rückständigkeit der Wirtschaft und der Demokratie des Südens geprägt. Der zentrale Umbruch lag nicht am Ende des 20. Jahrhunderts, sondern eher im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, als sich die Raumvorstellungen der Europäer grundlegend wandelten und die Aufteilung Europas sich verschob: von der Vorstellung eines überlegenen, zivilisierteren, reicheren, milderen Südens und eines ärmeren, rückständigeren, rauen, aber oft unruhigeren, protestierenden, freieren Nordens zu einem reicheren, dynamischeren, kommerzialisierten, demokratischen Westen und einem zurückgebliebenen, weniger innovativen, autokratischen, aber oft auch originäreren Osten Europas. Der Platz des Südens Europas geriet dadurch eher in den Schatten. Die Vorstellung des Südens hat allerdings heute drei gegensätzliche Formen angenommen. Mit dem Süden Europas meint man häufig den relativ kleinen, wirtschaftlich zurückgebliebenen, milden, für Tourismus und das Dritte Alter attraktiven, aber nicht selten auch von mafiösen Strukturen durchzogenen Süden. Andalusien, Sizilien, der Balkan, teilweise auch Anatolien, sind die wichtigsten Beispiele. In der Geschichte Andalusiens, Siziliens und des Balkans spiegelt sich auch die Brückenrolle dieses Südens zwischen Europa und Afrika bzw. dem Nahen Osten, die intensive Mischung zwischen europäischer und arabischer bzw. osmanischer Kultur wider. Mit dem Süden meint man aber oft auch einen völlig anderen, größeren Süden, der heute das wichtigste dynamische Zentrum Europas geworden ist: Nord- und Ostitalien, die Schweiz, Österreich, Slowenien, Süddeutschland, den Süden Frankreichs, Katalonien, vielleicht auch die Ägäis, den Athener Raum und den Westen der Türkei. In diesem Süden Europas wächst die Wirtschaft stärker, sind die Arbeitslosenraten niedriger, expandieren die Städte immer noch stärker als in anderen Teilen Europas. In diesem Raum entscheidet sich die wirtschaftliche Zukunft Europas. Diese Vorstellung eines dynamischen, größeren Südens lebt von Kontrast zum alten, einst dynamischen Norden, der seit den 1970er Jahren in eine Krise geriet, den Midlands, dem Süden Belgiens, dem Norden Frankreichs, dem Ruhrgebiet, dem Nordosten Deutschlands einschließlich des Berliner Raums. In diesem Teil Europas lahmt die Wirtschaft, sind die Arbeitslosen-
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Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
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raten hoch, stagnieren oder schrumpfen die Städte. Die Geschichte dieses Südens und Nordens Europas schreiben allerdings die Historiker noch kaum. Diese Geschichte ist noch zu jung. Mit dem Süden meint man schließlich einen dritten, noch größeren Süden, den Mittelmeerraum. Dieser Süden ist wiederum ein altes Thema der Historiker, eingeführt vor allem durch die berühmte „Méditérannée“ Fernand Braudels. Dieser große Süden ist für Europa seit seiner Entstehung der wichtigste maritime Raum gewesen. Über keinen anderen Raum außer dem Nordatlantik hat Europa soviel Wissen, Menschen, Waren, Kapital erhalten und gleichzeitig auch weitergeben wie über das Mittelmeer. In keinem anderen Raum haben sich die Grenzen Europas so vielfach verschoben wie im Mittelmeer. Gleichzeitig ist das Mittelmeer der Raum, in dem heute die Gefahr einer neuen weltpolitischen Konfrontationslinie droht und der sich in einen vertrauten europäischen Teil und einen fremden, schwer zugänglichen, nichtwestlichen, nordafrikanischen Teil aufspalten könnte. Dieser Raum könnte in Zukunft ungefähr die Rolle spielen, die das östliche Europa bis 1989 gehabt hatte. Er ist daher der Raum, in dem eine Vermittlungsund Verständigungspolitik der Europäischen Union eine besonders hohe Priorität hat. Die Europäische Union transferiert heute weit höhere Summen in diesen Raum, in die Nachbarländer am Mittelmeer, als nach Osteuropa und Südosteuropa. Allerdings ist dieser Raum seit Braudel von den Historikern kaum noch untersucht worden. Eine Geschichte der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Beziehungen, Verflechtungen, Transfers und Konflikte, auch der Vergleiche in diesem Raum fehlt. Normalerweise wird er auch in der Geschichte Europas nicht als ein europäischer Raum behandelt. Auf Braudels Buch folgte nicht nur der Zusammenbruch der französischen und englischen Vorherrschaft und das Auslaufen der spanischen, italienischen und griechischen Einflussnahme in diesem Raum, sondern auch der Auszug der Historiker aus diesem Thema. Deshalb ist unter Historikern umstritten, wo hier die Grenzen Europas in diesem Raum liegen, ein Thema, das Jürgen Kocka in der jüngeren Zeit aufgegriffen hat.7 Die aktuelle Debatte konzentriert sich auf den östlichen Teil des Mittelmeers und auf die Frage, ob das osmanische Reich und die Türkei als Teil Europas angesehen werden sollen. Für das Mittelalter hat Michael Borgolte dafür plädiert, das osmanische Reich zu Europa zu schlagen. Die Historiker, die Überblicke über das 19. und 20. Jahrhundert schreiben, behandeln dagegen in der Regel das osmanische Reich und die Türkei nicht als Teil Europas.
7 Jürgen Kocka, Die Grenzen Europas. Ein Essay aus historischer Perspektive, in: Gunnar Folke Schuppert (Hg.), Europawissenschaften, Baden-Baden 2005.
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Westeuropa als Kerneuropa Eine dritte Option: Europäische Geschichte wird nicht selten als Geschichte Westeuropas geschrieben. Besonders in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre kam eine ganze Reihe von Büchern von Europäern über Westeuropa heraus: Anthony Sutcliffe veröffentlichte 1996 eine Wirtschafts- und Sozialgeschichte Europas seit 1945. Max-Stephan Schulze brachte einen überwiegend wirtschaftshistorischen Sammelband über Westeuropa seit 1945 heraus. Die Kulturgeschichte Europas von Hermann von der Dunk konzentriert sich in ihrem Kapitel über die Zeit nach 1945 ebenfalls stark auf Westeuropa, ganz ähnlich auch die 1998 erschienene Geschichte Europas von Jean-Michel Gaillard und Anthony Rowley. Für die französische Aggregation, die ein Thema zur westeuropäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte stellte, wurden 1998 mehrere Überblicke publiziert: von einer Gruppe um Eric Bussière, von François Guedj und Stéphane Sirot, von Jacques Marseille und von einer Gruppe um Jean-Louis Robert.8 Zwei ganz unterschiedliche, soziologische Überblicke über die Gesellschaftsgeschichte Westeuropas wurden 1997 von Henri Mendras bzw. von Stefan Hradil und Stefan Immerfall veröffentlicht.9 Jacques Le Goff hat unlängst eine viel übersetzte Geschichte des Mittelalters geschrieben, die die Ursprünge Europas behandelt und sich dabei fast ganz auf Westeuropa konzentriert.10 Attraktive Forschungsgebiete der jüngsten Geschichte wie die Amerikanisierung, die Geschichte des Wohlfahrtsstaats, die Geschichte der Studentenbewegung und der sozialen Bewegungen, die Geschichte der europäischen Integration reichen über Westeuropa oft kaum hinaus und gehören ebenfalls zu diesem Ansatz, Westeuropa als Kern einer Geschichte Europas zu sehen. Insgesamt wurde die Geschichte Westeuropas seit 1989 nicht seltener praktiziert. Überblicke über Westeuropa wurden in den 1990er Jahren eher häufiger geschrieben als zuvor. Dahinter steht teils ein Bedürfnis 8 Antony Sutcliffe, An Economic and Social History of Western Europe since 1945, London 1996; Max-Stephan Schulze (Hg.), Western Europe. Economic and Social Change since 1945, Harlow 1999; Hermann W. von der Dunk, Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2 Bde., München 2004; Jean-Michel Gaillard/Anthony Rowley, Histoire du continent européen de 1850 à la fin du XXe siècle, Paris 1998; François Guedj/Stéphane Sirot (Hg.), Histoire sociale de l’Europe. Industrialisation et société en Europe occidentale 1880–1970, Paris 1997; Jacques Marseille (Hg.), Industrialisation de l’Europe occidentale, 1880–1970, Paris 1998; Pierre Saly u.a., Industrialisation et sociétés. Europe occidentale 1880–1970, Neuilly-sur-Seine 1998. 9 Henri Mendras, L’Europe des Européens. Sociologie de l’Europe occidentale, Paris 1997; Stefan Hradil/Stefan Immerfall (Hg.), Die westeuropäischen Gesellschaften im Vergleich, Opladen 1997. 10 Jacques Le Goff, L’Europe est-elle née au Moyen Age?, Paris 2004 (dt.: Die Geburt Europas im Mittelalter, München 2004).
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Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
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nach Selbstvergewisserung im großen Europa, die Vorstellung von einer klar begrenzten Latinitas, einem eigenständigen, besonders dynamischen, letztlich entscheidenden Westeuropa. Teilweise hat diese Beschränkung auf Westeuropa aber auch einfach mit den Grenzen der Expertise dieser Autoren zu tun.11
Europa in globalen Beziehungen Eine vierte Option, vor der die Historiker stehen, wenn sie eine Geschichte Europas schreiben, ist Europa in seinen globalen Zusammenhängen darzustellen. Für diese Option gibt es bisher noch kaum Modelle, da sich die Gesamtdarstellungen Europas normalerweise weitgehend auf die innere Entwicklung konzentrieren, vielleicht noch die internationalen Beziehungen, aber nicht die ganze Vielfalt von Außenbeziehungen, Einflüssen von außen und Wirkungen nach außen behandeln. Die Geschichte Europas fordert aber aus drei Gründen zu einer solchen auch nach außen gewandten Darstellung geradezu heraus. Erstens hat Europa in der Geschichte eine besonders wichtige globale Rolle gespielt, nicht nur durch die Kolonialimperien, sondern auch als Modell für Industrialisierung, für Wissenschaft, für Menschenrechte, für Sozialstaat, freilich auch für Kriegsführung und Diktaturen. Die Geschichte der reinen Innenseite Europas schneidet diese globale Rolle Europas ab. Darüber hat sich diese globale Rolle Europas während der vergangenen Jahrhunderte dramatisch gewandelt: von einem expandierenden Europa, das während der Frühen Neuzeit in Konkurrenz mit wenigstens zwei anderen expandierenden Zivilisationen, mit China und der arabischen Welt stand, zu einem dominierenden Europa, das im 19. und frühen 20. Jahrhundert mächtiger war als alle anderen Zentren der Welt, und dann zu einem zweitrangigen Europa, dessen globale Rolle sich auf die Wirtschaft, auf die Studentenausbildung, auf den Tourismus beschränkt und nicht mehr auf einer Dominanz in der Politik oder der Wissenschaft beruhte. Drittens lässt sich die Geschichte Europas auch nicht ohne die massiven 11 In meinen Publikationen bis 1989 habe ich ebenfalls diesen westeuropäischen Blick gewählt; vgl. Hartmut Kaelble, Auf dem Weg zu einer europäischen Gesellschaft. Eine Sozialgeschichte Westeuropas, 1880–1980, München 1987. Im Verlauf der 1990er Jahre wurde mir klar, dass sich eine europäische Geschichte nur unter Einschluss des östlichen Teils Europas schreiben lässt; vgl. Hartmut Kaelble, Social History, in: Mary Fulbrock (Hg.), Oxford History of Europe since 1945, Oxford 2000, S. 57–94 und Hartmut Kaelble, Eine Sozialgeschichte Europas schreiben. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: W. Medrzecki (Hg.), Spoleczenstwo panstwo modernizacja. Studia ofiarowane Januszowi Zarnowskiemu w siedemdziesiata rocznice urodzin, Warschau 2002, S. 235– 249.
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Einflüsse von außen beschreiben. Man kann dabei eine Geschichte von Europa als einem Globalisierungsopfer schreiben und dafür in der jüngeren Geschichte die Verluste an Arbeitsplätzen an billiger produzierende, asiatische und nahöstliche Länder, die Verluste an Hochqualifizierten im brain drain in die USA, den wachsenden Zustrom von oft unqualifizierten Immigranten, den Verlust an politischer und wirtschaftlicher Autonomie der europäischen Nationalstaaten und den globalen Druck auf die Sozialstaaten anführen. Man kann diese Geschichte aber auch als einen Gewinn durch Transfers von außen schreiben und Europa als eine Zivilisation darstellen, die immer besonders zielgerichtet Innovationen, Konzepte, Menschen von außen übernahm und integrierte und damit mehr reüssierte als die meisten anderen Zivilisationen. Der französische Historiker Rémy Brague hat diese besondere europäische Offenheit die „voie romaine“ genannt.12 Die globalen Verflechtungen Europas werden in der Regel als Teil eines historischen Prozesses angesehen, in dem die Welt ökonomisch, aber auch medial und politisch immer stärker zusammenwuchs und regionale Konflikte sich immer intensiver auf alle Teile der Welt auswirkten. Dabei ist umstritten, wann die entscheidenden Epochenumbrüche in diesem Prozess der globalen Verflechtung stattfanden. Je nach dem, welchen Epochenumbruch man in das Zentrum stellt, erscheint die globale Rolle Europas stärker oder schwächer. Sieht man den Umbruch um 1500 mit dem Beginn der europäischen Expansion und der von Europa vorangetriebenen Ausbildung einer Weltwirtschaft, aber auch mit der arabischen und chinesischen Expansion, erscheint die globale Rolle Europas wichtig, aber von Rivalen bedroht. Setzt man den Umbruch um 1850 an mit dem Beginn der weltweiten Industrialisierung und dem Höhepunkt der europäischen Kolonialimperien, dem dann allerdings auch wenige Jahrzehnte danach der Aufstieg der USA und Japans folgt, erscheint Europas Rolle als beherrschend. Sieht man dagegen den entscheidenden Umbruch in den 1950er und 1960er Jahren, der Zeit der modernen Transport- und Informationsrevolution, der dominanten Rolle der USA und der UdSSR, auch der Entstehung globaler Institutionen wie UNO, Weltbank und Weltwährungsfond, dann rückt Europa eher an den Rand.
Schlussbemerkungen Zurück zur Ausgangsfrage: Schreibt ein Westeuropahistoriker die Geschichte Europas anders als ein Osteuropahistoriker? Ohne Zweifel werden 12 Rémy Brague, Europe. La voie romaine, Paris 1992 (dt.: Europa. Eine exzentrische Identität, Frankfurt a.M. 1993).
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Europäische Geschichte aus westeuropäischer Sicht?
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beide von ihrem Gegenstand mitgeprägt und sehen daher eine Reihe zentraler Themen der europäischen Geschichte etwas anders. Westeuropahistoriker gehen die Geschichte des Nationalstaats oft etwas anders an, gewichten die Transnationalität und vor allem die Supranationalität in der Regel stärker als Osteuropahistoriker und sehen umgekehrt multiethnische Imperien weniger als Normalfall an. Der Überblick von Hroch über die Geschichte der Nation und des Nationalstaats belegt dies sehr schön.13 Westeuropahistoriker denken darüber hinaus bei Imperien in erster Linie an außereuropäische koloniale Imperien wie das englische, französische, belgische, niederländische, spanische, portugiesische und auch das unbedeutende deutsche Kolonialimperium. Osteuropahistoriker denken in erster Linie an multiethnische europäische Imperien wie das Zarenreich, das Habsburger Reich und das osmanische Reich. Imperienvergleiche werden daher unterschiedlich konzipiert. Christoph Charles Buch über „La crise des sociétés impériales“ und das Projekt des CEU in Budapest über den Imperienvergleich zeigen diesen Gegensatz. Auch die Beziehungen zur islamischen Welt werden häufig unterschiedlich konzipiert. Sie sind für Ost- wie Westeuropahistoriker ein ähnlich wichtiges Thema, aber Westeuropahistoriker sehen sie primär als eine Geschichte von Kolonialisierung, Dekolonialisierung, Immigration, vielleicht auch Konversion, Osteuropahistoriker erst einmal als eine Geschichte des Zusammenlebens von Ethnien, als Säkularisierung und Rückkehr von islamischen Identitäten. Modernität und Rückständigkeit werden ebenfalls unterschiedlich angegangen. Westeuropahistoriker konzentrieren sich in der Regel auf Unterschiede innerhalb Westeuropas, etwa auf die wirtschaftliche Pionierrolle Großbritanniens in der Industrialisierung gegenüber den umliegenden Ländern oder auf das politische Modell Frankreichs in der Epoche der französischen Revolution in Italien, den Beneluxländern, der Schweiz, Spanien und Deutschland oder auf die kulturelle Führungsrolle Italiens während der Renaissance im westlichen Europa. Osteuropahistoriker hingegen betreiben fast nie Analysen von Pionierrollen, konzentrieren sich in der Regel auf die Frage von Rückständigkeit und Einholen, sehen dabei Westeuropa eher als eine Einheit, oder versuchen sich ganz von dieser Debatte abzulösen. Auch der Raum Europa wird etwas unterschiedlich gesehen. Zu einer Geschichte ganz Europas gehört für Westeuropahistoriker die Berücksichtigung des östlichen Europas, aber auch des südlichen Teils Europas, allerdings oft mit der Neigung, den Süden Europas auf das westliche Mittelmeer zu begrenzen. Osteuropahistoriker befassen sich mit der Frage des Südens Europas seltener oder betrachten vornehmlich den östlichen Teil des Mittelmeers. Auch den globalen Verflechtungen, Transfers, „mental maps“ Europas 13 Miroslav Hroch, Nationen und Nationalismus, Göttingen 2004.
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werden unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben. Bisher diskutieren so gut wie ausschließlich Westeuropahistoriker darüber, kaum Osteuropahistoriker. Das sind Unterschiede, die sich rasch ändern mögen, auf die man aber in den letzten Jahren stoßen konnte. Sie sind ohne Zweifel nicht so fundamental, dass deswegen Westeuropahistoriker eine andere Geschichte Europas schreiben als Osteuropahistoriker. Die schon erwähnten Europabücher von Osteuropahistorikern wie Norman Davies und Mark Mazower sehen deshalb nicht grundlegend anders aus als die Europabücher von Westeuropahistorikern. Die Essentials der europäischen Geschichte sind im Wesentlichen dieselben. Aber man kann die genannten Unterschiede auch nicht einfach vernachlässigen. Sie spielen eine produktive Rolle. Die gemeinsame Diskussion einer europäischen Geschichte lässt den West- wie Osteuropahistorikern bewusst werden, dass sie oft mit unreflektierten Annahmen arbeiten, die nicht für ganz Europa zutreffen, sondern nur für ihre eigene begrenzte Region. Eine Geschichte des ganzen Europa schreibt man als Westeuropahistoriker deshalb besser im Dialog mit Osteuropaexperten.
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Manfred Hildermeier
Osteuropa als Gegenstand vergleichender Geschichte
Es sollte eine Trivialität sein, dass Vergleiche nicht nur allgegenwärtig, sondern auch unausweichlich sind. Jede Identifizierung erfordert eine Abgrenzung, jede Abgrenzung einen Vergleich zur Feststellung der NichtDazugehörigkeit. Sicher wird man zwischen solch elementaren Erkenntnisoperationen, die gegebenenfalls mit einer oberflächlichen und ungenauen Bestimmung der Andersartigkeit auskommen, und einer eingehenden, elaborierten Prüfung nah oder fern liegender Bezugskontexte unterscheiden müssen. Aber es spricht in der Tat vieles für die nachdrücklich und auf hohem Niveau vorgebrachte These, dass es im Ansatz verfehlt sei, Gesellschaften als Monaden zu denken, die sich gleichsam in einer tunnelartigen, von externen Einflüssen weitgehend freien Entelechie weiterdifferenzieren.1 Statt dessen zwingt spätestens eine Geschichts- (und Gesellschafts-) betrachtung, die über den nationalen Tellerrand hinausblickt, zu der Einsicht, dass alle kollektiven historischen Akteure, von der Gruppe bis zur Nation, und alle Einrichtungen, die sie hervorgebracht haben, nicht ohne ihren Blick auf Nachbarn zu verstehen sind. In diesem Sinne waren „Außenlagen“2 nicht extern, sondern intern, keine akzidentiellen Randbedingungen, sondern konstitutive Bestimmungsfaktoren. Schon im Kollektivsingular „Geschichte“ ist die Prämisse verankert, dass sie zwar in einzelne „Geschichten“ und separat-singuläre Geschehnisse zerfällt, diese aber immer aufeinander bezogen bleiben und sinnvoll nur so zu verstehen sind.
Vom Norden zum Osten: Russland als Gegenbild Diese Selbstverständlichkeit ist auch früh, wenn nicht von Anfang an, beherzigt worden. Eigene Geschichte kam schon in der altrömischen oder mittelalterlichen Annalistik nicht ohne die Erwähnung von Interventionen 1 Vgl. Friedrich H. Tenbruck, Gesellschaftsgeschichte oder Weltgeschichte, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 41 (1989), S. 417–439; ders., Was war der Kulturvergleich, ehe es den Kulturvergleich gab?, in: Joachim Matthes (Hg.), Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, Göttingen 1992, S. 13–35 (Soziale Welt, Sonderband 8). 2 Vgl. Tenbruck, Gesellschaftsgeschichte, S. 426.
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anderer aus. Aber als Teil kultureller Selbstvergewisserung erlag sie ganz überwiegend der Versuchung, sich nicht nur davon abzugrenzen, sondern sich auch über sie zu stellen. Andere Kulturen waren nicht nur fremd, sondern barbarisch. Was vorwissenschaftliche Formen der Selbstlegitimation und Herrschaftsfestigung in Gestalt von Traditionspflege und Mythenbildung gleichsam noch ungebrochen-naiv behaupteten, unterfütterte die europäische Frühe Neuzeit mit einem religiös oder säkular begründeten Überlegenheitsanspruch und das 19. Jahrhundert zunehmend mit nationaler Arroganz. Der Vergleich als solcher verschwand nicht, weil er gar nicht verschwinden konnte, ohne die eigene Geschichte konturlos zu machen. Aber er blieb nur methodisch unausgeführt und asymmetrisch. Davon betroffen war nicht nur die koloniale Welt, die auch geistig-kulturell zur Ausbeutung durch Europa freigegeben wurde. Mit ähnlicher Herablassung betrachtete man Osteuropa, als dieses vor allem im 18. Jahrhundert wissenschaftlich entdeckt und mental-kulturell kartographiert wurde. Deshalb fand sich der europäische Osten zunächst für lange Jahrhunderte im Norden. Was paradox zu sein scheint, spiegelt genau besehen neben unvollkommenen geographischen Kenntnissen nicht zuletzt die Priorität von Wertvorstellungen. Die Antike teilte die Welt eher in Süd und Nord als in West und Ost. Im Süden, das heißt im eigenen Kulturkreis des Mittelmeerraums, residierte die Zivilisation, im Norden die Barbarei. Das Italien des Hohen Mittelalters und der Renaissance hatte keine Ursache, diese geistige Kartographie zu revidieren. Auch wenn die Macht des Heiligen Römischen Reiches nach Norden gewandert war, verharrten Kultur und Religion im Süden, der byzantinische Osten dabei eingeschlossen. Dies änderte sich nur langsam, in dem Maße wie Humanismus, Malerei und Baukunst, Philosophie und Wissenschaft in Frankreich und Mitteleuropa heimisch wurden und sich auch das Zentrum des wirtschaftlichen Lebens dorthin verlagerte. Damit begann der Norden zu wandern (was er, genau besehen natürlich schon immer getan hatte). Er zog sich nach Skandinavien zurück – zumal die dortige Welt sowohl wirtschaftlich (in Gestalt der Hanse) als auch politisch unter dänisch-schwedischer Hegemonie einen eigenen Zusammenhang zu bilden begann – und schob Russland dorthin, wohin es nach den Maßstäben der naturwissenschaftlichen Geographie auch gehörte: in den Osten. Diese Rochade vollzog sich sehr langsam. Katharina II. wurde im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ausnahmslos im Norden untergebracht, als „Semiramis des Nordens“ (Voltaire) oder entschieden weniger freundlich als „infame catin du Nord“ (Friedrich der Große). Zur „Nordischen Geschichte“ rechnete August Ludwig von Schlözer 1771 selbstverständlich auch Russland. Sein Kollege Arnold Heeren nahm dieselbe Zuordnung in seiner zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehrfach aufgelegten „Geschichte
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des europäischen Staatensystems“ vor. Noch Nikolaus I. wurde 1831 als „des Nordens Sternbild“ gefeiert. Und eine neue Literaturzeitung konnte sich, wenngleich in Anknüpfung an ein von Katharina II. gegründetes „satirisches“ Journal, auch 1825 noch Servernaja pþela (Nördliche Biene) nennen. Erst zur Zeit des Krimkriegs hatte sich die politische Geographie verfestigt. Russland wurde endgültig im Osten sesshaft. Vom Norden blieb im Wesentlichen das Wappentier – der Bär, der ein Eisbär und das astronomische Sinnbild des Polarkreises, kein Braunbär war.3 Um dieselbe Zeit kam ein Prozess zum Abschluss, den eine neuere diskursgeschichtlich argumentierende Studie bereits im 18. Jahrhundert, besonders in dessen zweiter Hälfte, lokalisiert: die „Erfindung“ Osteuropas als Raum der „Halbwildheit“ und „Halbkultur“, als „Orang-Utan Europas“ und Neuauflage alt-skythischer und hunnisch-awarischer Barbarei.4 Man muss diese zeitliche Differenz nicht als Widerspruch und Gegenargument gegen die eine oder andere These deuten.5 Genauso plausibel erscheint der Gedanke, dass zwischen geographischer Lokalisierung und kultureller Konnotation kein genetischer Zusammenhang bestand und beide erst nach und nach zur ungefähren Deckung kamen. Gewiss war auch die antikmittelalterliche Geographie alles andere als wertfrei. Aber manches spricht dafür, dass die ursprüngliche Gleichsetzung von Norden und Barbarei mit dem Aufstieg Mitteleuropas und der Verwissenschaftlichung der Geographie in Vergessenheit geraten war oder als unpassend empfunden wurde, in jedem Fall einer neuen, autochthonen und nicht importierten Begründung wich. Das Zeitalter der Aufklärung erfand sein eigenes, seinen Maßstäben, Kriterien und (umgekehrten) Idealen entsprechendes Bild vom Osten. Darin musste man der präziser gewordenen Geographie keinen Tort mehr antun, indem man die Himmelsrichtungen nach Belieben ausdehnte. Russland konnte seinen Platz von Anfang im Osten finden. Das neue Bild hatte auch eine vermeintlich objektive, rationale Grundlage: neben Reiseberichten vor allem die „Logbücher“ wissenschaftlicher Expeditionen und Entdeckungsreisen. Eben in diese Zeugnisse von „unantastbarem“ Wahrheitsgehalt las man aber jene Eigenarten hinein, die man als Mangel an Zivilisation deutete. Osteuropa fehlte, was man sich selber wünschte: eine politische Ordnung ohne Willkür, eine gute, den Gesetzen verpflichtete Verwaltung, ein selbstbewusstes Bürgertum mit „bürgerlichen“ Tugenden, ein entfaltetes 3 Vgl. diese und viele andere Nachweise im sehr informativen Beitrag von Hans Lemberg, Zur Entstehung des Osteuropabegriffs im 19. Jahrhundert. Vom „Norden“ zum „Osten“ Europas, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 33 (1985), S. 48–91, hier S. 52, 55f., 85. 4 Vgl. Larry Wolff, Inventing Eastern Europe. The Map of Civilization on the Mind of the Enlightenment, Stanford 1994, S. 337 (Zitat von G. Forster), 342, 285. 5 Dazu neigt Frithjof B. Schenk, Mental Maps. Die Konstruktion von geographischen Räumen in Europa seit der Aufklärung, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 493–514.
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Städtewesen, relativen Wohlstand, Bildung, Wissenschaft und geistige Kultur. Auch das Osteuropa der Aufklärung war barbarisch, nur auf neue Weise – als Negativfolie ihres Selbstbildes. Im 19. Jahrhundert kam eine weitere Bedeutungsdimension hinzu. Russland hatte nicht nur Napoleon widerstanden, sondern auch den politischsozialen Ideen der Französischen Revolution. Zwar ließ sich eine Hand voll radikaler Offiziere, die den Thronwechsel von Alexander I. zu Nikolaus I. im Dezember 1825 zu einem Putschversuch nutzten, auch von den Eindrücken und Erfahrungen leiten, die einige von ihnen bei der Verfolgung der Grande armée nach Paris oder auf den Schlachtfeldern Mitteleuropas gemacht hatten. Aber der Aufstand scheiterte nicht nur kläglich.6 Er zog auch eine Verhärtung des Regimes und dessen besondere Wachsamkeit gegenüber jeglichen kritischen Ideen in der „Gesellschaft“ nach sich. Vor allem seit diesem Ereignis profilierte sich Russland als unerschütterliche Bastion des Ancien régime in dessen extremer Variante der Autokratie. Als der Zar 1830 auch noch den Novemberaufstand in Warschau niederschlug und 1848 die Liberalen in Budapest zur Raison brachte, hatte sich das Stereotyp vom „Gendarmen Europas“ endgültig verfestigt. Russland war nicht nur kulturell, sondern in den Augen des westeuropäischen Liberalismus auch politisch rückständig geworden.7 Zugleich verengte sich der Osteuropabegriff auf das Zarenreich. Viele Kommentare des 18. Jahrhunderts hatten sich noch auf Polen bezogen. Dieses Land musste zwar nicht entdeckt werden, weil es seit jeher bekannt war und spätestens seit der Herrschaft der sächsischen Kurfürsten in Warschau samt ihrer Folgeerscheinung, der Niederlassung eines Gegenkönigs in Nancy, mitten im europäischen Horizont verankert war. Dennoch waren die „polnische Zustände“ nicht nur sprichwörtlich, sondern vielen auch unverständlich. Rousseau wusste wenig von dem Land, für das er immerhin eine Verfassung entwarf (1772).8 Und der Comte de Ségur hatte ein Jahrzehnt später auf dem Weg nach St. Petersburg schon in Polen den Eindruck, sein vertrautes „Europa vollends zu verlassen“.9 Mit der endgültigen Aufteilung des Landes unter seinen habgierigen Nachbarn 1795 verlagerte sich diese Wahrnehmung nach und nach gleichsam nach Osten. Ohne staatliche 6 Vgl. Anatole G. Mazour, The First Russian Revolution 1825. The Decembrist Movement. Its Origins, Development and Significance, Stanford, Cal. 1961; neuere Literatur in: Handbuch der Geschichte Rußlands, Bd. 2, Vom Randstaat zur Hegemonialmacht 1613–1856, hg. von Klaus Zernack, Stuttgart 2001, S. 1021–1056. 7 Vgl. Dieter Groh, Rußland im Blick Europas. 300 Jahre historische Perspektiven, Frankfurt a.M. 1988 (zuerst 1961), bes. S. 234ff. 8 Vgl. Wolff, Inventing, S. 235ff.; Jean-Jaques Rousseau, Considérations sur le gouvernement de Pologne et sur sa réformation projetée en avril 1772, Londres 1782. 9 Wolff, Inventing, S. 358.
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Eigenständigkeit (Böhmen und Ungarn waren habsburgisch) hatte die Übergangszone keine Gestalt. Trotz der Wiederherstellung eines völkerrechtlichen Subjekts namens Königreich Polen auf dem Wiener Kongress, das aber bekanntlich in Personalunion mit dem Zarenreich verbunden war, begann der politische Osten fortan hinter der preußischen Grenze. Dem glich sich die kulturelle Demarkation an. Jener spezifisch deutsche, meist mit der Bismarck-Ära verbundene Begriff von Osteuropa nahm Gestalt an, den die Großmacht Russland prägte und nicht das kleine, bald – faktisch 1832, förmlich 1864 – auch im Rest seiner administrativen Eigenständigkeit ausgelöschte Polen. Einwände gegen diese Verengung sind nicht zu sehen. Auch die liberale deutsche Öffentlichkeit war, wenngleich negativ, auf Russland fixiert. Vor allem aber hatte sie seit dem Ende des Vormärz und der berühmten Polendebatte in der Paulskirche10 kein Faible für den ehemaligen Nachbarn mehr. Vor 1918 fehlte Polen nicht nur auf der politischen Landkarte Deutschlands, sondern auch auf der mentalen. Osteuropa war Russland.
Differenzierung: die Entdeckung Ostmitteleuropas Das änderte sich erst mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Friedensregelungen von Versailles stellten nicht nur die Souveränität Polens wieder her. Sie begründeten durch die Schaffung weiterer Staaten aus der Erbmasse der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie eine ganze Region politisch neu: Ostmitteleuropa. Dies hat mit zehnjähriger Verspätung, aber zwangsläufig zu der Grundsatzdebatte geführt, ob dieser staatlich renovierte und mit neuem kulturellem Selbstbewusstsein versehene Raum unter dem terminologischen Dach „Osteuropa“ eigentlich angemessen untergebracht sei. Fachlich wurde über die Kriterien gestritten, nach denen der Raum zu ordnen und eventuell als Einheit zu betrachten war – oder eben auch nicht. Weltanschaulich ging es erneut um die alte Frage: die Zugehörigkeit zum „Westen“ oder zum „Osten“, zur modernen, zivilisierten oder zur ökonomisch und kulturell rückständigen Welt. Der Westen lag dabei immer in „Europa“, der Osten für diejenigen, die nicht dazugehören wollten, außerhalb.
10 Vgl. Hans Booms/Marian Wojciechowski (Hg.), Deutsche und Polen in der Revolution von 1848/49. Polacy i Niemcy w rewolucji 1848/49, Düsseldorf 1991; Günter Wollstein, Das „Großdeutschland“ der Paulskirche. Nationale Ziele in der bürgerlichen Revolution 1848/1849, Düsseldorf 1977, S. 135ff.
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Zugunsten einer Binnendifferenzierung Osteuropas und gegen dessen unterschiedslose „Russifizierung“ wurden vor allem historisch begründete kulturräumliche Argumente vorgebracht. Die Gedankenführung griff weit in die Vergangenheit zurück und verband mittelalterliche Entwicklungen mit spätneuzeitlichen Zuständen, um den drei zeitgenössischen Kernstaaten und -nationen Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn die gemeinsame Ausbildung verwandter Strukturen und eine gemeinsame Tradition zu attestieren. Dies schloss die These ein, dass eine solche Zusammengehörigkeit in relativer Eigenständigkeit im 18. und 19. Jahrhundert von russischer Hegemonie gleichsam nur aus dem Gesichtsfeld Mitteleuropas verdrängt worden sei, aber subkutan fortbestanden habe. Ost-Mitteleuropa war nicht Mittel-Osteuropa, sondern lediglich das nach- und außerkarolingische NeuEuropa östlich der Elbe-Saale-Linie, erweitert durch einst eigenständige, dann in das Habsburgerreich inkorporierte Monarchien (Böhmen, Ungarn), die bestenfalls am Rande des Zentrums, aber an keiner wie auch immer gearteten Peripherie lagen. Vor allem Oskar Halecki hat diese Überlegungen zu einer historisch-kulturräumlichen Gliederung Europas ausgearbeitet und im amerikanischen Exil wirkungsvoll vertreten.11 Es entsprach der Wahlverwandtschaft mit politischen Umbrüchen und Zeitenwenden, dass diese Debatte in den 1980er Jahren wieder aufflammte. Als die Sowjetherrschaft über den Ostblock brüchig wurde und der geistigkulturelle Einfluss endgültig verloren war, warfen Dissidenten und Emigranten die alte Frage der Zugehörigkeit wieder auf.12 Abermals lagen Motiv und politische Stoßrichtung auf der Hand: Ostmitteleuropäische Intellektuelle wollten nicht zu Osteuropa gehören, das nach Kommunismus und Unfreiheit klang. In der polarisierten Welt des Kalten Krieges verstanden sie sich, wenn auch gewiss nicht kritiklos, eher als Teil des Westens, als Vorkämpfer von Meinungsfreiheit, Pluralismus und Demokratie. Die Mitte, der man sich hier verbunden fühlte, lag westwärts, außerhalb russisch-sowjetischer Hegemonie. Die Ortsbestimmung war politisch und primär gegenwartsbezogen. Sie argumentierte nicht historisch-fachlich, 11 Vgl. Oskar Halecki, Europa. Grenzen und Gliederung seiner Geschichte, Darmstadt 1957. Davon geprägt: Klaus Zernack, Osteuropa. Eine Einführung in seine Geschichte, München 1977; Jenö Szücs, Die drei historischen Regionen Europas, Frankfurt a.M. 1990. 12 Vgl. u.a. Milan Kundera, Die Tragödie Mitteleuropas, in: Erhard Busek/Gerhard Wilfinger (Hg.), Aufbruch nach Mitteleuropa. Rekonstruktion eines versunkenen Kontinents, Wien 1986, S. 133–144 sowie weitere Beiträge in diesem Sammelband; Rudolf Jaworski, Ostmitteleuropa. Zur Tauglichkeit und Akzeptanz eines historischen Hilfsbegriffs, in: Winfried Eberhard u.a. (Hg.), Westmitteleuropa. Ostmitteleuropa. Vergleiche und Beziehungen. Festschrift für Ferdinand Seibt zum 65. Geburtstag, München 1992, S. 37–45; Stephen R. Graubard (Hg.), Eastern Europe – Central Europe – Europe, Boulder 1991 (zuerst: Daedalus, Sonderheft Jan. 1990, darin u.a. Timothy G. Ash, Mitteleuropa); Martin Schulze Wessel, Die Mitte liegt westwärts. Mitteleuropa in tschechischer Diskussion, in: Bohemia 29 (1988), S. 325–344.
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aber geistesverwandt. Als Teil der Dissidentenbewegung verfolgte sie auch andere Ziele, die wenige Jahre später erreicht wurden. Innerhalb der betroffenen Länder konnte die offizielle Geschichtswissenschaft – anders als in den 1930er Jahren – kein Interesse daran haben, sie aufzugreifen. Außerhalb wurde sie als neue Variante von Überlegungen zur Eigenständigkeit Ostmitteleuropas zur Kenntnis genommen, aber nicht intensiv diskutiert. Jedenfalls sind keine wirklich neuen Argumente vorgetragen worden. Umso drängender stellt sich die alte Frage, wie Osteuropa zu beschreiben, welche Binnendifferenzierung zu beachten und ob es überhaupt als (natürlich immer ungefähre) „Einheit“ zu betrachten sei. Offensichtlich hängt diese Frage mit einer anderen, nicht nur in der Geschichtswissenschaft, sondern auch politisch aktuellen zusammen: wie Europa als Ganzes zu definieren und wo seine Grenze zu ziehen sei. Wer Europa als lateinisches Abendland mit westlicher Rechtsstaatstradition und einer selbstbewussten „Bürgergesellschaft“ versteht13, der errichtet an den Rändern hohe Barrieren und schließt nicht nur Russland aus. Das „Asiatische“ im Verständnis der national inspirierten und organizistisch denkenden Kulturund Geschichtsphilosophie des frühen 20. Jahrhunderts rückt dann wieder nahe an Europa heran. Übergangsräume und verschiedene Formen der Mischung und Verzahnung haben in einem solchen Konzept keinen Platz. Wer sie berücksichtigen will, sollte von einem offeneren Europabegriff ausgehen, der eine stärkere Binnendifferenzierung erlaubt. Nur so kann Ostmitteleuropa neben Osteuropa bestehen und läuft Osteuropa nicht Gefahr, als Opfer eines europäischen Sonderwegs zu Außereuropa zu werden. Zugleich bietet ein solcher weiter Begriff die besten Möglichkeiten, den viel zitierten „Königsweg“ der Geschichtswissenschaft zu beschreiten und sowohl zwischen je neu zu definierenden Einheiten zu vergleichen als auch Beziehungen und Transfers zwischen ihnen in den Blick zu nehmen. Mit diesem Ziel sei in knapper Form an die wesentlichen Gesichtspunkte einer Debatte erinnert, die im englischen Sprachgebrauch implizit beantwortet ist. Hier meinte Eastern Europe stets etwas Anderes als Russia oder the Soviet Union. 1. Eine Schlüsselrolle fiel den demographisch-ethnischen Verhältnissen zu, die von der deutschen Ostkolonisation seit dem hohen Mittelalter nicht zu trennen sind. Die Gebiete, die – natürlich bei unscharfen Rändern – später zum Kern von Ostmitteleuropa gerechnet wurden, zeichneten sich durch 13 Wie Ralf Dahrendorf in seinem Eröffnungsreferat auf dem Hannoverschen Historikertag: 39. Versammlung deutscher Historiker in Hannover, 23.–26. September 1996, Stuttgart 1994, S. 16– 24; kritisch dazu: Dietrich Geyer, Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit. Vorgetragen am 28. Oktober 1995, Heidelberg 1996, S. 57.
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jene unentwirrbare Gemengelage von Volksgruppen, Nationen, Sprachen, Konfessionen und je spezifischen Kulturen aus, die maßgeblich zu den schweren Konflikten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen haben. Es war das Siedlungsgebiet von Westslaven, in die primär deutsche (und jüdisch-aschkenasische) Migranten eindrangen. Ostmitteleuropa wurde zur Kernzone der Germania Slavica.14 2. Mit den Siedlern wanderten Rechtsinstitutionen samt sozialer und wirtschaftlicher Organisationsformen, die zum Teil auch schon vorher aufgrund der Nähe und des Kontakts zwischen diesen Regionen übernommen worden waren. Die Hufenverfassung und bäuerlicher, aber auch adeliger, faktisch – nicht unbedingt de jure – individueller Besitz spielten dabei eine zentrale Rolle. Später kam die Stadtverfassung mit der singulär-okzidentalen (wenn auch hier längst nicht allein vorherrschenden) Autonomie im eigenen Herrschafts- und Rechtsbezirk hinzu. Auch wenn diese Stadtverfassung nach Osten und Südosten „ausdünnte“15, ist sie doch, und sei es nur als Leitbild, nicht ohne Prägekraft geblieben. 3. Ein prominentes Argument war von Anfang an die Konfession. Polen, Böhmen und Ungarn gehörten seit dem 10. Jahrhundert zur lateinischen Welt; Gnesen und Gran waren Außenposten des okzidentalen Christentums. Jenseits dieser antemurale begann entweder das Heidentum oder die byzantinisch-orthodoxe Religion und Kultur. Der Gegensatz zwischen PolenLitauen und Russland war nicht zuletzt ein religiöser. Glaubens- und Geisteswelten prallten hier mit der doppelten Kraft von Unverständnis und Ablehnung aufeinander, die auch die offizielle und erzwungene Säkularisierung im 20. Jahrhundert kaum zu mindern vermochte. Bekanntlich kommt dem Konfessionsargument, eben weil es zugleich ein Kulturargument ist, bis heute eine erhebliche Bedeutung zu. Zu den Kulturkreisen, die sich laut Samuel P. Huntingtons prognostischer Diagnose immer heftiger bekriegen werden, gehört, wenngleich an untergeordneter Stelle, auch der orthodoxpostsowjetische. Und die Grenze auf seiner Weltkarte ist identisch mit der
14 Grundlegend: Werner Conze, Ostmitteleuropa. Von der Spätantike bis zum 18. Jahrhundert, München 1992; knapp zum Folgenden auch: Zernack, Osteuropa, S. 31ff., 71ff.; ferner: George Schöpflin, The Political Traditions of Eastern Europe, in: Daedalus 119 (1990), S. 59–94; Holm Sundhaussen, Osteuropa, Südosteuropa, Balkan. Überlegungen zur Konstruktion historischer Raumbegriffe, in: ders. u.a. (Hg.), Was ist Osteuropa? 1. Colloquium des Osteuropa-Instituts, Berlin 1998, S. 4–22; Andreas Kappeler, Osteuropäische Geschichte, in: Michael Maurer (Hg.), Aufriss der Historischen Wissenschaften, Bd. 2, Räume, Stuttgart 2001, S. 198–265, hier S. 205ff. 15 Vgl. Gottfried Schramm, Ein Rundgespräch über „Ostmitteleuropa“. Vom sinnvollen Umgang mit einem Konzept für unsere Zunft, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 48 (2000), S. 119–122, hier S. 120.
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Ost- bzw. Südostgrenze Polens und der baltischen Staaten, also mit der Ostgrenze der heutigen Europäischen Union.16 4. Auf der Hand liegen schließlich auch die besondere Struktur des Adels und sein hervorgehobenes politisches Gewicht im Rahmen der ständestaatlichen Ordnung vor allem in Polen und Ungarn (und bis 1618 auch in Böhmen). Die wohlgeborene Elite war hier nicht nur ungewöhnlich zahlreich, sondern vermochte der monarchischen Zentralgewalt auch besonders weitgehende Rechte abzutrotzen. Mit guten Gründen ist häufig darauf hingewiesen worden, dass der Weg zu ständeparlamentarischer Partizipation, verbunden mit der Sicherung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien, in Polen früher begann als in England.17 Deshalb büßt der Kontrast zu Russland18 gerade in dieser Hinsicht nichts von seinem Gewicht ein. Die Unterschiede treten hier ebenso deutlich zutage wie in der Konfessionsfrage. Aber es gibt auch Gegenargumente, die den Trennungsstrich nach Osten verwischen. Dabei mag offen bleiben, in welchem Maße die linguistische Verwandtschaft unter fachwissenschaftlich-historischen Gesichtspunkten (wohlgemerkt: nicht unter wissenschaftsorganisatorischen) ins Gewicht fällt. Schließlich wird man Frankreich und Spanien oder Deutschland und Großbritannien auch nicht zu einer Subregion zusammenziehen, weil die Landessprachen – jedenfalls zum Teil – denselben Ursprung haben. Entsprechende Argumente in der Debatte der 1930er Jahre ließen noch deutlich jene Argumentation der Jahrhundertwende erkennen, die Sprache, Kultur und geschichtliche „Bestimmung“ sehr nahe zusammenführte. Enger mit der historischen Realität sind andere Gemeinsamkeiten verwoben: 16 Vgl. Samuel P. Huntington, Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 51997 (zuerst engl. New York 1996), S. 30f. 17 Dazu u.a. Hans Roos, Ständewesen und parlamentarische Verfassung in Polen (1505–1772), in: Dietrich Gerhard (Hg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Göttingen 1969, S. 310–367; Wolfgang Neugebauer, Standschaft als Verfassungsproblem. Die historischen Grundlagen ständischer Partizipation in ostmitteleuropäischen Regionen, Goldbach 1995; Joachim Bahlcke u.a. (Hg.), Ständefreiheit und Staatsgestaltung in Ostmitteleuropa. Übernationale Gemeinsamkeiten in der politischen Kultur vom 16.–18. Jahrhundert, Leipzig 1996. 18 Meist am Beispiel der gegensätzlichen Staatsauffassungen von Ivan IV. und Andrej Kurbskij, seinem nach Litauen geflohenen ehemaligen Ratgeber und Freund, illustriert, vgl. Helmut Neubauer/Joseph Schütz (Hg.), Der Briefwechsel zwischen Andrej Kurbskij und Ivan dem Schrecklichen, Wiesbaden 1961; Helmut Neubauer, Car und Selbstherrscher. Beiträge zur Geschichte der Autokratie in Russland, Wiesbaden 1964; Inge Auerbach, Die politischen Vorstellungen des Fürsten Andrej Kurbskij, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 17 (1969), S. 170–186; HansJoachim Torke, Autokratie und Absolutismus in Rußland. Begriffsklärung und Periodisierung, in: Uwe Halbach u.a. (Hg.), Geschichte Altrußlands in der Begriffswelt ihrer Quellen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Günther Stökl, Stuttgart 1986, S. 32–49.
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1. die Agrarverfassung. Osteuropa war das Territorium der Gutsherrschaft. Seit Beginn der Neuzeit ließ sich von Ostelbien, das einzubeziehen wäre, bis an den Ural eine Kurve zunehmender Adels- und abnehmender Bauernrechte ziehen. Am einen Ende stand gleichsam die bloße rechtliche Untertänigkeit, am anderen Ende die völlige Abhängigkeit bis hin zu Verkauf, die auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung faktisch von der juristischen Unfreiheit im Sinne der Sklaverei kaum zu unterscheiden war. Aber auch die polnischen Verhältnisse lagen nicht weit davon entfernt, war die Adelsrepublik doch nach einem bekannten Wort das Paradies des Edelmanns, aber die Hölle des Bauern.19 2. das relativ geringe Gewicht der Städte, des Bürgertums als sozialer Schicht und Wirtschaftsfaktor sowie der städtisch-bürgerlichen Kultur.20 Auch hier ließe sich eine Kurve abnehmender Bedeutung zeichnen, die aber zugleich steil gegenüber den städtisch verdichteten Zonen Mitteleuropas abfallen würde. Krakau und Warschau, später Posen und LódĨ oder Moskau und St. Petersburg sind keine Gegenargumente. Sie bildeten Inseln städtischen Lebens und städtischer Kultur, auch städtischer gewerblich-industrieller Produktion in einer rein agrarischen Umgebung. Die Ausnahmen bestätigten hier die Regel. 3. mit der Dominanz von Dorf und Landwirtschaft in der sozioökonomischen Struktur zusammenhängend: die späte industrielle Entwicklung und die Verschiebung grundlegender Agrarreformen bis in die Zwischenkriegszeit, mithin jene Zählebigkeit der traditionalen Wirtschafts- und Sozialverfassung, die der Begriff der Rückständigkeit meinte.21 So berechtigt die Kritik am teleolo19 So auch Andreas Kappeler, Bedenkenswerte Diagnose – problematisches Rezept. Zum Plädoyer Jörg Baberowskis „Das Ende der Osteuropäischen Geschichte“, in: Stefan Creuzberger u.a. (Hg.), Wohin steuert die Osteuropaforschung? Eine Diskussion, Köln 2000, S. 52–55, hier S. 53. Zur Sache selbst u.a. Holm Sundhaussen, Der Wandel in der osteuropäischen Agrarverfassung während der Frühen Neuzeit, in: Südostforschungen 49 (1990), S. 15–56; Antoni Maczak, Zur Grundeigentumstruktur in Polen im 16. bis 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 4 (1967), S. 111–164; Jerzy Topolski, The Manorial Economy in Early-Modern East-Central Europe. Origins, Development and Consequences, Aldershot 1994; Richard Hellie, Enserfment and Military Change in Muscovy, Chicago 1971; Robert E. F. Smith (Hg.), The Enserfment of the Russian Peasantry, Cambridge 1968. 20 Vgl. Boris N. Mironov/Ben Eklof, A Social History of Imperial Russia, 1700–1917, 2 Bde., Boulder 1999, Bd. 1, S. 425–535; Manfred Hildermeier, Bürgertum und Stadt in Rußland 1760– 1870. Rechtliche Lage und soziale Struktur, Köln 1986. 21 Vgl. Alexander Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective, Cambridge, Mass. 1962; ders., Agrarian Policies and Industrialization. Russia 1861–1917, in: The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 6, The Industrial Revolutions and After. Incomes, Population and Technological Change (II), Cambridge 1966, S. 706–800; T. Ivan Berend/Györgi Ranki, Economic Development in East-Central Europe in the 19th and 20th Centuries, New York
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gischen Gehalt dieses Komplementärkonzepts zur Modernisierung sein mag, so sehr die statistischen und sonstigen „harten Tatsachen“, mit der sie häufig „gemessen“ wurde, die Realität verkürzt haben mochten – so wenig verschwindet die Sache selbst aus der geschichtlichen Wirklichkeit. Schon der Umstand, dass etwa Russland sich spätestens seit dem 18. Jahrhundert (in vieler Hinsicht sehr viel früher) so gesehen und zahllose Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen hat, verleiht ihm hinreichende Geltungskraft. Auch in dieser Hinsicht nahm der Abstand zu Mitteleuropa, das im Übrigen aus russischer Perspektive zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich verortet wurde, zu. Zugleich bleibt die Nähe der Zustände in den östlich gelegenen Ländern deutlich. 4. hat man auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass Vielvölkerreiche in Osteuropa am längsten Bestand hatten.22 Offenbar gab es besondere Barrieren, die dem Nationalstaat bis zur Neuordnung Europas nach dem Ersten Weltkrieg den Weg verstellten. Dazu gehörte an vorrangiger Stelle die ethnisch-nationale Gemengelage, die keine klaren Grenzziehungen erlaubte. Aber sicher waren weitere Faktoren im Spiel: das imperiale Selbstverständnis, das nicht auf eine einzelne Nation setzen konnte, die relativ geringe Durchsetzungskraft der Schichten und Bewegungen, die der nationalen Idee verbunden waren, die Gegenwehr eines Zentrums, das sich in seiner Existenz bedroht fühlte und andere mehr. 5. erscheint Osteuropa noch aus einem ganz anderen Blickwinkel als zusammenhängende Großregion. Die bisher genannten Kriterien entstammen dem „klassischen“ Methodenrepertoire verfassungs-, sozial-, wirtschaftsund allgemein strukturgeschichtlicher Überlegungen zur Definition und Gliederung von Räumen. Die jüngere Forschung hat diesen Zugangsweisen eine konstruktivistische hinzugefügt. Der „Realgeschichte“ wird die Geschichte der Wahrnehmung auch von Regionen und ihrer Gesellschaften (im weitesten Sinne) gegenübergestellt. Zwar formulierte die eingangs zitierte Untersuchung über die mentale Entdeckung Osteuropas im 18. Jahrhundert prophylaktisch und bemerkenswert: „Eastern Europe is not the subject of this book.“23 Aber im durchaus intendierten Ergebnis verschmelzen die Ebenen natürlich, weil für den Betrachter gar nicht vorhanden ist, was nicht wahrgenommen wird. Diesem Osteuropa aber attestierten die 1974; T. Ivan Berend, Decades of Crisis. Central and Eastern Europe before World War II, Berkeley 1997. 22 Vgl. Kappeler, Bedenkenswerte Diagnose, S. 53; erste vergleichend angelegte Untersuchung: Dominic C. B. Lieven, Empire. The Russian Empire and its Rivals, London 2000. 23 Vgl. Wolff, Inventing S. 358; ganz ähnlich Groh, Rußland, der eine Studie über das deutsche Russlandbild geschrieben hat.
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Reisenden und Forscher des 18. Jahrhunderts sehr ähnliche Merkmale von Warschau bis Moskau. Ob Comte Philippe de Ségur, wie erwähnt, schon in Polen meinte, „Europa“ liege hinter ihm, oder der Prince de Ligne auf der Krim den Eindruck hatte, nichts Europäisches mehr um sich zu haben: Osteuropa wurde auf halbem Wege in den Orient gesehen – jedenfalls in der Interpretation einer Untersuchung, die sich ausdrücklich in der Nachfolge Edward Saids verortet. Polen und Russland gleichermaßen repräsentierten das „Andere“. Beide erscheinen als Gegenbild zur eigenen Vollkommenheit.24 Die politische Wendung des Gesamtbegriffs von Osteuropa konnte auf dieser kulturellen Deutungsfigur aufbauen. Diese blieb dabei aber, ein ernstzunehmendes Argument der „kulturalistischen Wende“, eine gleich wirksame Realitätsdimension aus eigenem Recht. 6. darf die unbestreitbare longue durée demographischer und sozioökonomischer, aber auch kultureller Faktoren (z. B. der Religion) nicht zur Statik überzeichnet werden. Über die Jahrhunderte veränderten sich Nähe und Ferne. Dafür sorgten nicht nur der Wechsel der Herrscher und der Wandel von Herrschaftsformen und der Politik. Von Mitteleuropa ging auch eine zunehmende wirtschaftliche und kulturelle Sogwirkung aus. Siedler und Migranten verkörperten solche Annäherung gleichsam, wurden aber immer entbehrlicher. An ihre Stelle traten der gesamteuropäische Markt, die überregionale Arbeitsteilung, Bündnissysteme und die wachsende internationale Verflechtung generell. Im beinahe alternierenden Wechselspiel von Annäherung und Abschottung, das sich dabei in der zaristischen Politik seit Peter dem Großen beobachten lässt, ergab sich eine integrative „Resultante“, der auch die Stalinsche Selbstisolation auf Dauer nicht widerstehen konnte. Solche Einbindung des „ferneren“ Ostens ebnete tendenziell auch die Unterschiede zum „nahen“ Osten ein. Wie immer man die Argumente im Einzelnen gewichtet, einige Einsichten ergeben sich unabhängig davon. Zum einen haben die meisten Kriterien offensichtlich nur eine begrenzte zeitliche Reichweite. Der ostmitteleuropäische Adel verlor seine überkommene Funktion im 19. Jahrhundert; mit ihm verschwand, spätestens, auch sein politisch-administratives Mitregiment. Die traditionale Agrargesellschaft gehört ebenfalls der Vergangenheit an, wenn auch größtenteils erst seit der Zwischenkriegszeit. Am längsten haben sich sicher die ethnisch-nationale Gemengelage und die konfessionellen Unterschiede erhalten. Die nationale Vielfalt ist erst durch die Vertreibungen und Zwangsmigrationen nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend beseitigt worden; die Glaubensgrenzen gelten noch heute. Man hat vor 24 Vgl. Wolff, Inventing, S. 357f.; Edward Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. 1981.
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allem darauf – gleichsam in einem nachdrücklichen Votum zugunsten der Prägekraft der langen Dauer und der Priorität (im Wortsinne) Grund legender Vorgänge – die These einer klaren Besonderheit Ostmitteleuropas gestützt.25 Dies vermag um so eher zu überzeugen, als sich Annahmen einer unifizierenden Wirkung prinzipiell verwandter Modernisierungsvorgänge nicht bestätigt haben. Vielmehr sind diese ihrerseits durch die je spezifischen Voraussetzungen und die politischen Geschehnisse so verändert worden, dass viel Spielraum für fortdauernde Eigenarten blieb. Freilich entkräftet ein solcher Befund den Hinweis auf die begrenzte zeitliche Geltung zumindest der vereinten Prägekraft der genannten Merkmale nicht. Selbst wenn etwa die Konfessionsgrenzen im Großen und Ganzen geblieben sind, hat sich die politisch-öffentliche Bedeutung der Konfession tief greifend verändert. Umgekehrt sind neue nationale und internationale Entwicklungen und Faktoren hinzugekommen, die sich einer Indigenisierung und damit auch einer Einbindung in die Kontinuität vorheriger Zustände weitgehend entzogen (etwa die Sowjetisierung). Man kann solche neuen Erscheinungen nicht einfach zum kurzlebigen Aufbau auf einem allein relevanten älteren und anderen Fundament erklären. Dauer muss nicht mit historischer Wirkungskraft korrelieren, sonst wäre die kurze Periode schriftlich dokumentierter Geschichte irrelevant im Vergleich zur unendlich langen vorschriftlichen. Wirkungskraft kann sich gerade in der Beschleunigung entfalten, und eine Dekade kann stärker prägen als ein Jahrhundert. Im Übrigen gilt, dass für solche Wertungen über Geschichtsmächtigkeit konsensfähige Maßstäbe fehlen. Zum anderen ergibt sich aus der begrenzten zeitlichen Reichweite auch eine sachlich-inhaltliche. Zwar treten bestimmte Entwicklungen häufig mit Begleit- oder Folgeerscheinungen auf. Ethnische Vielfalt bringt in der Regel kulturelle und religiöse mit sich. Migration schließt oft die Wanderung von Verhaltensweisen, Gewohnheiten, Wissen ein. Ansonsten aber bezeichnen die jeweiligen Vorgänge und Strukturen nur „ihre“ Ebenen und Ausschnitte aus der Gesamtheit der historischen Wirklichkeit. Charakteristisches und Verwandtes in einem Segment können mit Unterschieden in anderen Segmenten einhergehen. Was für zeitliche Grenzen gilt, trifft auch auf räumliche zu: Unter verschiedenen Aspekten stellen sie sich unterschiedlich dar – als tiefe, evidente Zäsuren oder verschwimmende Linien des Übergangs. Es ist Sache der Konvention, sie zu akzeptieren oder nicht. Anders gesagt: Nicht nur Epochen haben in Abhängigkeit vom Betrachtungsziel variable Anfangs- und Endpunkte (universalgeschichtlich im übrigen erst recht); auch historische Räume haben zu verschiedenen Zeiten
25 Vgl. vor allem, im Anschluss an Halecki, Zernack, Osteuropa, S. 27.
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unter verschiedenen Gesichtspunkten andere Konturen und Grenzen. In diesem Sinne werden sie als mental maps konstruiert.26 Daraus sollte drittens folgen, dass die genannten Gesichtspunkte einander nicht ausschließen. Ihr jeweiliges Gewicht hängt nicht vom betrachteten Zeitraum, sondern vom jeweiligen Problem und Blickwinkel ab. Wenn es aber keine klaren Zugehörigkeiten und eindeutigen Antworten gibt, liegt darin eine doppelte Aufforderung: zum einen von einer sich verändernden, aber vorhandenen Binnendifferenzierung auch in „Osteuropa“ auszugehen, und zum anderen, sich dem Sachverhalt anders zu nähern. Die stark weltanschaulich-politisch grundierte Frage nach der Schärfe der Ostgrenze Polens bzw. der südöstlichen Grenze der baltischen Staaten sollte der Frage nach den Formen und Wegen des Kontakts, der Beeinflussung und des Vergleichs weichen. Das Problem der geschichtsräumlichen Gliederung würde sich auf diese Weise in ein methodisches transformieren und zugleich an Neutralität gewinnen. Es würde in gewisser Weise global, da nicht mehr zur Debatte stünde, ob und wo bestimmte Räume in Europa verortet werden können. Vielmehr würde die „Raumfrage“ dort untergebracht, wohin sie eigentlich gehört: in die vergleichende Betrachtung. Da die Demarkationsvorschläge ohnehin eo ipso komparativ argumentieren, sind viele Strukturund Entwicklungsmerkmale nur anders zu wenden. Erst dadurch würden sie auch endgültig von Restbeständen einer geschichtsphilosophischen Teleologie befreit. Die Frage nach der Einheit von Subregionen oder des Ganzen weicht in dieser Perspektive neuer Aufmerksamkeit für Unterschiede und heterogene Traditionen. Nicht Merkmale der Singularität unter- oder übergeordneter Einheiten stehen im Vordergrund des Interesses, sondern Kriterien der Differenzierung, die auf Verbindung und Zusammengehörigkeit zugleich verweisen. Hybridität und Synthese, Überschichtung und Legierung aus multiplen Kontexten und Ursprüngen werden zum Normalfall, nicht zur Ausnahme. Auch in diesem Sinne verwandeln sich „Außenlagen“ in innere, im Kern der jeweiligen Geschichte verankerte Faktoren.27 Solche Kontakt- und Verflechtungsgeschichte ist in den letzten Jahrzehnten zu neuer Sichtbarkeit gelangt. Das Bewusstsein der Unzulänglichkeit der nationalen Perspektive und die wachsende Sensibilität für globale Wirkungszusammenhänge haben sicher entscheidend dazu beigetragen. Sie haben einen Problemhorizont eröffnet, der sich auch nach rückwärts auftat und von mehreren Forschungsprojekten und Konferenzserien methodisch26 Vgl. u.a. Christoph Conrad (Hg.), Mental Maps, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002) H. 3, darin (mit weiterer Literatur) die Übersichten von Schenk, Mental Maps, und Hans-Dietrich Schultz, Raumkonstrukte der klassischen deutschsprachigen Geographie des 19./20. Jahrhunderts im Kontext ihrer Zeit. Ein Überblick, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 343–377. 27 Vgl. oben Anm. 2.
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theoretisch erschlossen wurde.28 Darüber sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die entangled oder shared history von den postcolonial studies nicht erfunden worden ist. Vielmehr hat sie überall dort einen angestammten Platz, wo der Verwobenheit mit Nachbargesellschaften und -staaten von Anfang an besondere Aufmerksamkeit zukam. Das war nicht zuletzt in der russisch-osteuropäischen historischen Forschung der Fall. Nach den Reformen Peters des Großen entstanden, gehörte das Verhältnis Russlands zu dem, was mit wechselndem Bezugspunkt als „Westen“ bezeichnet wurde, zu ihren Leitideen. Vor allem im Rahmen weit ausholender geschichts- und sozialphilosophischer Entwürfe, die zugleich Gegenwartsdeutung und Zukunftsentwürfe waren, verband sich diese Frage mit der identitätsversprechenden Suche nach dem angemessenen Platz Russlands in oder am Rande des europäischen Geschehens. Russische Geschichte war in besonderem Maße externe Geschichte. Das galt auch dann, wenn das Pendel zur anderen Seite ausschlug und Herrscher versuchten, ihre Autonomie durch konkrete Politik zu belegen, oder Interpreten sich bemühten, ihre Autonomie nachzuweisen. Die Verflechtung bedurfte keiner manifesten Einwirkung. Sie war durch die bloße Existenz des Vor- oder Gegenbilds gegeben und wirksam. Freilich wurde diese inhärente Vergleichs- und Verflechtungsperspektive durch ihre Fokussierung auf einen Aspekt gleichsam verdeckt. Auch slavophile Historiker und Philosophen, die das Gegenteil beweisen wollten, unterwarfen sich implizit der Prämisse, dass Russland rückständig sei. Hinzu kam als weitere Verstärkung der Hegemonie des Rückständigkeitsbefundes der Gedanke, dass darin auch ein Vorteil liegen könne: Die Letzten sollten die Ersten sein, weil gerade ihre Verspätung sie in die Lage versetzte, aus der Erfahrung anderer zu lernen und Fehler oder soziale Probleme – wie das Massenelend der frühen englischen Industrialisierung – zu vermeiden. Vor allem der revolutionären Slavophilie kam eine solche Deutungsfigur entgegen, da sie ihren Rückgriff auf das vermeintlich urslavische Prinzip der Gemeinschaftlichkeit als Bauform der künftigen, nachrevolutio28 Vgl. u.a. Hartmut Kaelble/Jürgen Schriewer (Hg.), Gesellschaften im Vergleich. Forschungen aus Sozial- und Geschichtswissenschaften, Frankfurt a.M. 1998; dies. (Hg.), Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M. 2003; Dietmar Rothermund (Hg.), Aneignung und Selbstbehauptung. Antworten auf die europäische Expansion, München 1999; Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka (Hg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt a.M. 1996; Jürgen Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001; Hartmut Kaelble, Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1999; Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kuturwissenschaften, Frankfurt a.M. 2002; Helga und Renate Breuninger (Hg.), Der Umgang mit dem Fremden, Stuttgart 1993.
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nären Gesellschaft zu begründen half. Zugleich begann in derselben Denktradition eine Verwissenschaftlichung, die zu einer ebenso produktiven wie wirkungsvollen Aneignung in Gestalt der sog. „Theorie der relativen Rückständigkeit“ nach dem Zweiten Weltkrieg führte. Was Alexander Gerschenkron darin zu einem (dem Anspruch nach) globalen Konzept der Industrialisierung in verschiedenen Ländern und Phasen mit der Pointe einer regelhaften Einwirkung des originären Prozesses auf die nachfolgenden entwickelte, stammt aus dieser geistesgeschichtlichen Tradition. Umso eher schien das Verhältnis zwischen Russland und Europa in der Rückständigkeit aufzugehen.29 Solche Dominanz hat dem Kerngedanken der Kontextualisierung der eigenen Geschichte nicht gut getan. Sie hat ihn gleichsam amputiert und blind gemacht nicht nur für andere Resultate, sondern auch für andere Aspekte. Differenzierende methodische Überlegungen unterblieben. Dabei luden die verschiedenen Formen der Beziehung russischer Entwicklungen zu näher oder ferner liegenden Geschehnissen und Zuständen durchaus dazu ein. Sie geben zum einen Anlass, noch einmal zu verdeutlichen, was analytisch ohnehin auf der Hand liegt: dass Vergleich und Transfer (einschließlich seines Beginns als Kontakt und der von ihm angestoßenen Wirkungen) schon deshalb von einander zu trennen sind, weil sie sich auf verschiedenen Ebenen bewegen. Der Vergleich ist eine gleichsam künstliche Verstandesoperation der wissenschaftlichen Betrachtung, der Transfer ein realhistorischer Vorgang, der zum besonderen Gegenstand der Reflexion wird. Ersterer ist gleichsam nur abstrakt, letzterer konkret und abstrakt. Eben weil dies so ist, rücken Kontakt und Transfer mitsamt ihren Wirkungen aber wieder nahe an den Vergleich heran. Zwar kommt dem Vergleich auch separat ein hoher Aussagewert zu, zumal er zwischen Einheiten möglich ist, die keine Notiz voneinander genommen haben, sondern nur ein „gedachtes“ tertium comparationis teilen. Zugleich ist er aber mit den verschiedenen Aspekten der „Kontaktgeschichte“ insofern verbunden, als sich deren Art und Bedeutung nur komparativ erschließen. Wer die Wirkung von Einflüssen oder Importen untersuchen will, muss sie identifizieren und in verschiedenen Kontexten miteinander in Beziehung setzen. Der Vergleich wird zur Voraussetzung von Kontakt, Transfer und Verflechtung. Zum anderen lassen sich am russischen Beispiel rein kasuistisch und typisierend – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und hinreichende Differenzierung – einige Grundformen solcher „geteilter“ Geschichte auflisten:
29 Vgl. Alexander Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective, Cambridge 1962; ders., Continuity in History and Other Essays, Cambridge 1968.
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1. Die bloße Rezeption und wesentlich unveränderte „Inklusion“30 fremder Errungenschaften betraf vor allem technisch-wirtschaftliche Verfahrensweisen oder sozial-administrative Institutionen. Sie erforderte lediglich, dass entsprechende Qualifikationen vorhanden waren, um ihre Funktionsfähigkeit oder Effizienz zu garantieren. Der Multiplikationseffekt solcher Transfers war gering. Sie führten häufig ein Inseldasein, das ihre Ausstrahlung begrenzte. Mehr oder weniger unveränderte Importe dieser Art brauchten in der Regel länger, um Wurzeln zu schlagen (z.B. Manufakturen, Fabriken). Nicht selten entfalteten sie erst dann ihre eigentliche Wirkung. 2. Zumeist mussten vor allem umfangreiche, an fremden Vorbildern orientierte landesweite administrative und institutionelle Reformen, sei es die Einführung einer neuen Stadtverfassung (1722) oder neuer Sozial- und Rechtskategorien (1785), bereits zuvor an die eigenen Gegebenheiten angepasst werden. Assimilation war notwendig, um jenen „Mehrwert“ zu erzielen, um dessentwillen die Maßnahmen überhaupt durchgeführt wurden. Auch hier zeigten sich Erfolge erst mit großer Verzögerung.31 Die ursprünglichen Institutionen und Regelungen waren dann oft kaum mehr zu erkennen. Insofern kam es zu einer „eigentümlichen Fortbildung“32, die mehr war als ein bloßer Verlust der alten Identität. Vielmehr entstand im produktiven Sinne aus dem Fremden und dem Eigenen durch staatliche Vorgaben oder auch Zwang eine neue. 3. Die Assimilation konnte aber im Zuge der Einwurzelung auch die Extremform der Absorption annehmen und der beabsichtigte Effekt verpuffen. Die Zünfte, die Peter der Große in holländischen und deutschen Städten bewundern lernte und nach Russland übertrug, hatten außer dem Namen mit ihren Vorbildern nichts gemein. Fern davon, wenigstens über ein Mindestmaß an Selbstbestimmung zu verfügen, verwandelten sie sich in Arbeitsbrigaden der staatlichen Behörden. Im Unterschied zur Assimilation bildete sich hier keine neue, hybride Identität heraus, sondern verschwand die alte nur.
30 Vgl. Osterhammel, Geschichtswissenschaft, S. 82 mit einem ähnlichen „Katalog“ von Transferformen sowie frühere Überlegungen aus einem anderen Kontext in: Manfred Hildermeier, Das Privileg der Rückständigkeit. Anmerkungen zum Wandel einer Interpretationsfigur der neueren russischen Geschichte, in: Historische Zeitschrift 244 (1987), S. 557–603, hier S. 595ff. 31 Vgl. Manfred Hildermeier, Traditionen „aufgeklärter“ Politik in Russland, in: Historische Zeitschrift 276 (2003), S. 75–94. 32 Vgl. Otto Brunner, Europäisches und russisches Bürgertum, in: ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen 31980, S. 234, 239.
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4. Andere Gesellschaften und Kulturen konnten als fremd und gefährlich empfunden werden. Konservative und Slavophile, die diese Sicht teilten, leiteten daraus die Aufgabe ab, ihrem Eindringen Einhalt zu gebieten. Die Tradition dieser Abwehr war ebenso lang wie die der Offenheit. Beide wechselten einander in vieler Hinsicht ab. Dabei ergab sich im russischen Fall das Paradox, dass auch die Ideologie der Exklusion nur die Adaption externer Ideen war – solcher der Romantik. Die Analogie zum späteren Nationalismus liegt auf der Hand: Alle nationalen Bewegungen speisten sich (wie viele antikolonialistischen des 20. Jahrhunderts) zu einem erheblichen Teil aus jenem Zentrum, gegen das sie aufbegehrten. 5. Weil andere Kontexte per definitionem vom ursprünglichen abweichen, können sich, gezielt oder unbeabsichtigt, Substitutionen für bestimmte Faktoren und Strukturen einstellen. So gehörte es nicht nur im 18. Jahrhundert zum Standardrepertoire russischer Wirtschaftspolitik, fehlende Quantität durch Größe zu ersetzen. Wenige riesige Manufakturen sollten ausgleichen, was der Mangel an vielen kleineren, von unten gewachsenen offen ließ. Und in der politisch-geistigen Kultur hat die Überlegung ein positives Echo gefunden, dass zivilgesellschaftlich-liberale Ideale und Wünsche nicht nur in Russland, sondern gerade auch in anderen osteuropäischen Gesellschaften vom ansonsten eher konservativ-ständisch orientierten Adel artikuliert wurden. Er übernahm damit eine Rolle, die in „westeuropäischen“ Gesellschaften mit bürgerlicher Sozialisation und Bürgerlichkeit verbunden war.33 6. Wenn Errungenschaften technischer, rechtlicher, administrativ-institutioneller oder geistiger Art in fremde Kontexte wanderten oder importiert wurden, ersparten sich die Empfänger, sie selber hervorzubringen. Bei erheblichen Unterschieden konnten sie im Falle der erfolgreichen Verankerung viele Entwicklungsstufen und eine nicht selten große Zeitspanne überspringen. Ein locus classicus für diese Beschleunigung findet sich bei einem der Köpfe der radikalen Slavophilie der 1850er Jahre. Ob denn, lautete die rhetorische Frage Nikolaj ýernyševskijs, eine „knüppelschwingende Horde“ von Eingeborenen, die von europäischen Abenteurern mit Gewehren angegriffen würden, die ganze lange Entwicklungsgeschichte der Waffen33 Vgl. Michael G. Müller, Die Historisierung des bürgerlichen Projekts. Europa, Osteuropa und die Kategorie der Rückständigkeit, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 20 (2000), S. 163–170 sowie vor allem die Beiträge von Kirsten Bönker, Mathias Mesenhöller und Maciej Janowski in: Arnd Bauerkämper (Hg.), Die Praxis der Zivilgesellschaft. Akteure, Handeln und Strukturen im internationalen Vergleich, Frankfurt a.M. 2003; zum Begriff: Jürgen Kocka, Das europäische Muster und der deutsche Fall, in: ders. (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich. Eine Auswahl, Bd. 1, Göttingen 1995, S. 34.
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technik nachvollziehen: „vom Knüppel zum Speer, vom Speer zum Bogen, vom Bogen zur Armbrust, von der Armbrust zum Zündgewehr usw. übergehen“ müssten, „wenn sie von den Europäern gleich ein Gewehr eintauschen könnten“. Natürlich war die Antwort ebenso positiv wie auf die analog gemeinte Frage, ob denn ein einfaches Volk, das sich noch nach Stammesart selbst verwalte, wenn es die „europäische Zivilisation“ annehme, nicht gleich von den Errungenschaften einer freien Verfassung profitieren könne, statt „die Bürokratie und andere Liebreize des 17. Jahrhunderts“ übernehmen zu müssen. Ganze Generationen seiner Nachfolger fanden Trost bei dem Gedanken, dass „die Geschichte“ sich wie eine gütige babuška verhalte: Tarde venientibus gebe sie nicht die „Knochen“, sondern „das Knochenmark“.34 7. Interessant ist der Gedanke einer „ansteckenden“ Wirkung von Kontakten. Er setzt sozusagen den geringsten Grad an Beziehung voraus, der weder zum Transfer noch zu dessen Anpassung und Verankerung führen muss. Stattdessen genügen die bloße Kenntnis und eine Ähnlichkeit der Verhältnisse, Probleme und perzipierten Lösungsmöglichkeiten, die sowohl Ansporn zur Nachahmung geben als diese auch ermöglichen. Dabei weckt der Begriff bewusst ambivalente Assoziationen. Die Ideen der Französischen Revolution erregten die europäischen Gemüter auf höchst unterschiedliche Weise. Sie entfalteten in den einzelnen Ländern höchst unterschiedliche Wirkungen – aber „ansteckend“ im Sinne unaufhaltsamer Verbreitung waren sie allemal. 8. Die allermeisten der genannten Formen und Wege des Transfers schließen sowohl die Prämisse als auch die Wirkung ein, dass die „Geschichten“ der betroffenen Regionen miteinander verbunden oder sogar eng miteinander verwoben sind. Dies gilt für Russland und Polen nicht erst seit 1772 ebenso wie für Deutschland und Polen oder Deutschland und Böhmen/Tschechien. Eben diese Verschränkung oder Verflechtung meint der Begriff der „geteilten Geschichte“ im engeren Sinne der „histoire croisée“ oder „entangled history“. Es bedarf keiner Erläuterung, dass die Felder solcher Geschichte im Zuge der Zunahme wirtschaftlicher Verflechtung, sozialer Mobilität und allgemeiner Kommunikation zahlreicher und größer geworden sind. Die Globalisierung, die im letzten Jahrzehnt offenbar in eine neue Phase eingetreten ist, treibt diesen Prozess weiter voran – und die 34 Vgl. Nikolaj G. ýernyšvskij, Kritika filosofskich predupreždenij protiv obšþinnogo vladenija [Kritik der philosophischen Vorurteile gegen gemeinschaftlichen Besitz], in: ders., Polnoe sobranie soþinenij v 10 tomach [Vollständige Sammlung der Werke in 10 Bänden], Bd. 4, 1858– 1859, St. Petersburg 1906, S. 328f.
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Geschichtswissenschaft ist gut beraten, ihn produktiv und konstruktiv aufzugreifen. Die osteuropabezogene hätte dabei gute Voraussetzungen, nicht hinterherzuhinken, sondern aus der ihr selbstverständlichen und langjährigen Befassung mit der Rückständigkeit einen Vorzug zu machen.
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Historische Komparatistik in der internationalen Geschichtsschreibung
Die Anwendung von international komparativen Verfahren hat in der Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte nicht zur Herausbildung einer eigenständigen Disziplin geführt, die analog zur vergleichenden Literaturwissenschaft, dem Rechts- und Sprachvergleich über eine lange Forschungsgeschichte, eine institutionelle Verankerung in Lehr- und Stellenplänen von Universitäten und einen allgemein anerkannten Set von Ansätzen und Methoden verfügt. Wenn auch die Vorgeschichte der historischen Komparatistik noch nicht detailliert wissenschaftsgeschichtlich untersucht und geschrieben ist, so fällt doch auf, wie wenig prominent unter Historikern des 19. Jahrhunderts vergleichende Verfahren vertreten waren, während sie unter Rechts- und Literatur-, Religions- und Sprachwissenschaftlern verbreitet und beliebt waren.1 Der internationale Vergleich als legitimes Mittel wissenschaftlicher Erkenntnis erfuhr in der Historie erst später und vor allem in der Kritik an nationaler Engstirnigkeit und nationalstaatlicher Engführung nach 1918 und im Engagement für Internationalität eine Aufwertung. Marc Bloch sprach dieses Verständigungsproblem an, wenn er 1928 ausführte: „En un mot, cessons, si vous le voulez bien, de causer éternellement d’histoire nationale à histoire nationale, sans nous comprendre. Un dialogue entre des sourds, dont chacun répond tout de travers aux questions de l’autre, c’est un vieil artifice de comédie, bien fait pour soulever les rires d’un public prompt à la joie; mais ce n’est pas un exercice intellectuel bien recommandable.“2
1 Aus Platzgründen kann die Literatur in ihrer Breite nicht zitiert werden. Eine gute Zusammenstellung relevanter Literatur findet sich in: Deborah Cohen/Maura O’Connor (Hg.), Comparison and History. Europe in Cross-National Perspective, New York 2004, S. 181–197. Zur Entwicklung der vergleichenden Geschichtswissenschaft vgl. Peter Mandler, History and National Life, New York 2002; Heinz-Gerhard Haupt, Comparative History, in: International Encyclopedia of the Social and Behavorial Sciences, Amsterdam 2001, Bd. 4, S. 2397–2403; Donald R. Kelley, Grounds for Comparison, in: Storia della Storiografia 39 (2001), S. 3–16. 2 Marc Bloch, Pour une histoire comparée des sociétés européennes, in: ders., Mélanges historiques, Bd. 1, Paris 1963, S. 40. Siehe auch Hartmut Atsma u.a. (Hg.), Marc Bloch aujourd’hui. Histoire comparée et sciences sociales, Paris 1990.
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Die gemeinsame Anstrengung europäischer Historiker, eine Geschichte der Gesellschaften Europas zu schreiben, sollte für Bloch die Grundlage für einen wirksamen wissenschaftlichen Dialog und die Annäherung zwischen den Völkern legen. Dieses Programm ging allerdings nicht in einem nennenswerten Umfang in historische Studien der Zwischen- und Nachkriegszeit ein. Erst auf dem Umweg über die historische Soziologie amerikanischer Provenienz entfaltete der Vergleich größere Werbekraft. In den Werken von Barrington Moore und Charles Tilly, Theda Skocpol und Jack Goldstone wurden international vergleichende Studien vorgelegt, die unter einer theoretischen Fragestellung in historischen Fallstudien nach den Ursachen von sozialen Bewegungen und revolutionären Ereignissen fragten. Während Barrington Moore aus dem jeweils spezifischen Verhältnis von Bauern und Grundeigentümern in einem Sechs-Länder-Vergleich die Entstehungsgründe von Demokratie, Faschismus und Bauernrevolten ableitete, rückten unter dem Eindruck der kollektiven Gewalterfahrungen der 1960er und beginnenden 1970er Jahre die Ursachen von sozialen Bewegungen generell, des revolutionären Umbruchs im Besonderen in den Mittelpunkt von soziologischen Studien, die sie im historischen Längsschnittvergleich angingen.3 Im engeren Sinn historische Arbeiten nahmen zunächst in der Wirtschaftsgeschichte und historischen Demographie, dann in sozial- und politikgeschichtlichen Studien das komparative Verfahren auf, kamen aber selten aus einer Minderheitenposition in der europäischen Historiographie oder in den verschiedenen nationalen Geschichtsschreibungen, einschließlich der amerikanischen, hinaus, zumal in den 1970er und 1980er Jahren der demographische und wirtschaftsgeschichtliche Ansatz an forschungspraktischer Relevanz und Gewicht innerhalb der internationalen Geschichtswissenschaft verlor. Selbst die Versuche, eine europäische Geschichte, zumindest aber eine Geschichte Europas zu schreiben, begünstigten eher historische Synthesen, die oft nationalgeschichtlich additiv vorgingen, als vergleichende Verfahren.4 Vor allem in der gesellschaftsgeschichtlichen Forschung ist in einzelnen Historiographien der Vergleich breiter eingesetzt worden. Besonders dort, wo enge Beziehungen zu den Sozialwissenschaf-
3 Barrington Moore, Social Origins of Dictatorship and Democracy. Lord and Peasant in the Making of the Modern World, Boston 1966; Charles Tilly u.a., The Rebellious Century, 1830– 1930, Cambridge, Mass. 1975; Theda Skocpol, States and Social Revolutions. A Comparative Analysis of France, Russia and China, Cambridge 1979; Jack A. Goldstone, The Comparative and Historical Study of Revolutions, in: Annual Review of Sociology 8 (1982), S. 187–207. Dazu auch Peter Baldwin, Comparing and Generalizing. Why all History is Comparative, yet no History is Sociology, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 1–22. 4 Stuart Woolf, Europa und seine Historiker, in: Comparativ 14 (2004), Heft 3, S. 50–71.
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Historische Komparatistik
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ten bestanden, Formen einer analytisch angelegten Geschichtswissenschaft dominierten und narrative Formen der Geschichtsschreibung problematisiert wurden, hatte der Vergleich günstige Entwicklungschancen. Dies war, wie Hartmut Kaelble nachgewiesen hat, eher in Westdeutschland und Österreich, den Niederlanden und Skandinavien als in Frankreich oder Großbritannien der Fall. In den gesellschaftsgeschichtlichen Studien standen bestimmte Problematiken im Mittelpunkt des Interesses. In ihnen ging es nicht nur um Varianten der Industrialisierung und der Zivilgesellschaft in Europa, sondern auch um unterschiedliche Organisationsformen und Regierungssysteme.5 Aber selbst jener Sommer des historischen Vergleichs blieb kurz und wurde alsbald von den Stürmen der Kultur- und Alltagsgeschichte bedroht. Im Unterschied zum Sprach- oder Rechtsvergleich hat die vergleichende Geschichtswissenschaft nicht nur eine kürzere Geschichte, sondern hat sich auch nicht in eigenen Lehrstühlen an Hochschulen institutionalisieren können. Trotz dieser fehlenden Tradition und geringen Institutionalisierung macht es Sinn, von der Historischen Komparatistik als einer Herangehensweise an historische Epochen, Probleme und Interpretationen zu sprechen, die trotz aller Vielfalt gewisse Gemeinsamkeiten aufweist. Innerhalb der analytisch angelegten Geschichtsschreibung blickt sie über den nationalen Rahmen hinaus, verortet bestimmte Probleme, Konstellationen oder Strukturen in zumindest zwei verschiedenen Kontexten, die durch eine Fragestellung – zumeist das tertium comparationis – verbunden in ihrer Aussagekraft für diese zu vergleichenden Phänomene zu erweisen sind und beteiligt sich bei der Suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden an der Ursachenanalyse.6 Der historische Vergleich steht mit dieser Schwerpunktsetzung in einem Spannungsverhältnis zu historistischen Individualitätspostulaten aber auch zu hermeneutischen Prinzipien der Kulturgeschichte, für die die Nähe zu den Quellen ebenso wie zu den untersuchten Phänomenen und deren Selbstbeschreibungen zentrale Bedeutung besitzt. Es geht ihm nicht notwendig um den Nachweis von Besonderheiten, sondern auch und häufiger um die Ein- und Zuordnung von Einzelphänomen zu allgemeinen Entwicklungen. Der Nachweis von Konvergenzen ist ebenso berechtigt wie der von Divergenzen. In Kaelbles Frankreich-Deutschland-Vergleich dient der Vergleich beiden Zielen. Er kann für die Belle Epoque die Dominanz von divergierenden Strukturen nachweisen, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts
5 Hartmut Kaelble, Vergleichende Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Forschungen europäischer Historiker, in: Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka (Hg.), Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung, Frankfurt a.M. 1996, S. 91–130. 6 Siehe Cohen/O’Connor, Comparison, S. XIff.
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und vor allem nach 1960 dann ihrerseits einander annähern.7 Auch die Quellennähe ist dem Vergleich zwar wichtig, aber er gewinnt gerade durch die durch eine Fragestellung angeleitete Selektion von einzelnen Gesichtspunkten und Faktoren eine durchaus konstruktivistische Dimension. Er folgt damit dem Weberschen Prinzip, nach dem „schon der erste Schritt zum historischen Urteil … ein Abstraktionsprozeß ist, der durch Analyse und gedankliche Isolierung der Bestandteile des unmittelbar Gegebenen … verläuft“.8 Der historische Vergleich ist insofern ein konstruktivistisches Unternehmen; er geht weder in der Vergleichslogik historischer Akteure auf, noch zeichnet er liebevoll die Mäander des benutzten Materials nach. Vielmehr bestimmen Fragestellungen und theoretische Vorgaben das Vergleichsverfahren, nicht umgekehrt. Er folgt zumindest in dieser Hinsicht der Devise, die Emile Durkheim ausgegeben hat: „von den Ideen an die Dinge, nicht von den Dingen zu den Ideen zu gehen“.9 Diese Priorität des Ansatzes hat auch van den Braembussche hervorgehoben, wenn er mit dem Scharfsinn eines Theoretikers folgende Typen des Vergleichs benennt: den kontrastierenden, den generalisierenden, den makrokausalen, den inklusiven und den universalisierenden.10 Wenn sich in einzelnen Vergleichen diese Unterschiede auch verwischen, so schlägt sich die Option für einen Typus sowohl in der Zahl und Art der Vergleichsfälle wie im gewählten Argumentationstypus nieder. Der historische Vergleich gewinnt dort an Aussagekraft, wo er an Einzelfallbeispielen allgemeine Aussagen über Bewegungen, Strukturen oder Entwicklungen überprüft und diese Hypothesen dann ihrerseits als Ergebnis der empirischen Arbeit auf eine höhere Plausibilitätsstufe stellen kann. Die Bedeutung des Drucks, der von der Arbeiterbewegung ausging und zur Entwicklung von Sozialgesetzen in Westeuropa führte, hat etwa Peter Baldwin in seinem Vergleich skandinavischer Beispiele mit westeuropäischen deutlich reduziert und dabei auch die Vorbildrolle des Skandinavischen für Westeuropa eingeschränkt.11 Dabei geht der Vergleich keineswegs im Arsenal theoretischer Ansätze hausieren, um diese dann empirisch „anzuwen-
7 Hartmut Kaelble, Nachbarn am Rhein. Entfremdung und Annäherung der französischen und deutschen Gesellschaft seit 1880, München 1991. 8 Max Weber, Objektive Möglichkeit und adäquate Verursachung in der historischen Kausalbetrachtung, in: ders., Wissenschaftslehre, Tübingen 71988, S. 275. 9 Emile Durkheim, Die Regeln der soziologischen Methode, Neuwied 1961 (11895), S. 131. 10 Antoon van den Braembussche, Historical Explanation and Comparative Method. Towards a Theory of the History of Society, in: History and Theory 28 (1989), S. 2–24. 11 Peter Baldwin, The Politics of Social Solidarity. Class Bases of the European Welfare State, 1875–1975, New York 1990.
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den“. Die theoretischen Vorgaben des Vergleichs können nicht a priori gesetzt und dann im empirischen Verfahren der Kontexterschließung durchgehalten werden, sondern sie sind ihrerseits in der empirischen Überprüfung, Veränderung und Präzisierung im Zuge der empirischen Arbeit ständiger Adjustierung ausgesetzt. Dies ist nicht nur eine Folge der Heterogenität und Lückenhaftigkeit des Materials, das in der Regel für verschiedene Gesellschaften nicht gleichartig und gleichmäßig dicht vorliegt. Selbst einfache statistische Angaben über Betriebsgrößen etwa werden je nach Nation anhand unterschiedlicher Kriterien erhoben und liegen nicht für dieselben Zeiträume vor.12 Im Vollzug der empirischen Arbeit an Fallstudien werden in der Regel auch Hypothesen über Konstellationen, Entwicklungstrends und Ursachen fortlaufend den Ergebnissen angepasst. Dies trägt dazu bei, sowohl das empirische Material tiefer zu durchdringen, als auch die theoretischen Prämissen auf eine breitere Grundlage zu stellen. Weniger um eine Anwendung theoretischer Ansätze als um deren Weiterentwicklung geht es dabei. Diese Aufgabe ist indes in der bisherigen vergleichenden Forschung – wie vor allem Thomas Welskopp mit guten Argumenten unterstrichen hat – oft unzureichend einbezogen worden.13 In dieser Tradition ist es nur konsequent, wenn Jürgen Kocka am Ende seiner die USA und Deutschland vergleichenden Arbeit über „Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie“ dazu aufruft, über den Angestellten-Arbeiter-Unterschied hinaus andere gesellschaftliche Konstellationen und Gruppen vergleichend zu untersuchen und damit die Basis für eine komplexere Formulierung der Faschismus-Theorie zu legen. „Erst dann“, schließt er, „wird man Theorien des Faschismus entwickeln und verfeinern können, die sowohl dessen transnationalen, allgemein-gesellschaftsgeschichtlichen wie seine spezifisch nationalen gesellschaftsgeschichtlichen Ursachen, Strukturen und Folgen auf den Begriff bringen.“14 Nicht alle theoretischen Ansätze eignen sich gleichermaßen gut als Hypothesen für den Vergleich. Makrotheorien, die auf den okzidentalen Kapitalismus, die westliche Zivilgesellschaft oder das europäische Modell abheben, haben den Nachteil, dass für sie Empirie oft nur zur Illustration
12 Die Erkenntnismöglichkeiten, die sich aus dieser ungleichen Überlieferung besonders bei quellennah vorgehenden Vergleichen ergibt, betont Nancy L. Green, Forms of Comparison, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 41–56. 13 Thomas Welskopp, Stolpersteine auf dem Königsweg. Methodenkritische Anmerkungen zum internationalen Vergleich in der Gesellschaftsgeschichte, in: Archiv für Sozialgeschichte 35 (1995), S. 339–367. 14 Jürgen Kocka, Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten. USA 1890–1940 im internationalen Vergleich, Göttingen 1977, S. 336.
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dient. Ihre auf Universalisierung angelegte Zielrichtung entzieht sich oft dem empirischen Härtetest des Vergleichs. Universelle Modelle tendieren oft dahin, dass sie aus dem empirischen Material nur das aussuchen, was den Annahmen des Modells entspricht. Diese Gefahr hat Joachim Matthes scharfsinnig beschrieben.15 Auch Jürgen Osterhammel, der mit überzeugenden Argumenten für die Überwindung einer Europa zentrierten Geschichtswissenschaft wirbt und dabei pragmatisch auch den Makrovergleich diskutiert, kommt zu dem Schluss: „Zwar wird die – nicht allzu selbstgefällig zu stellende – Frage nach den Ursachen des westlichen Entwicklungsvorsprungs am Horizont jeder vergleichenden Geschichtsbetrachtung sichtbar bleiben, doch liegt die Zukunft fürs erste bei Partialvergleichen. Sie sind weniger willkürlich, lassen sich besser an der Empirie kontrollieren und leichter mit den normalen Arbeitsinteressen professioneller Geschichtsforscher verbinden.“16
Die Überprüfung theoretischer Hypothesen, die in der Regel auf einer mittleren Abstraktionsebene und oberhalb individualisierender Vorgehensweisen angesiedelt sind ebenso wie deren Weiterentwicklung als Ergebnis Theorie geleiteter empirischer Arbeit sind dementsprechend genuine Bestandteil des methodischen Vergleichsverfahren. Unter diesen Prämissen sind Vergleiche zu den spezifischen Ausprägungen und Varianten von Klassenbildungsprozessen, Interaktionsverhältnissen, Netzwerken und Deutungsmustern Erfolg versprechend in empirische Fallstudien umzusetzen und durchzuführen. Dabei liegt bisher – wie Jürgen Schriewer für die vergleichende Bildungsforschung nachgewiesen hat – die Funktion des Vergleichs eher darin, theoretische Hypothesen zu korrigieren als neue theoretische Annahmen zu produzieren.17 Einer der methodischen Vorteile des vergleichenden Verfahrens besteht gegenüber historischen Synthesen darin, dass er im Sinne einer Versuchsanordnung sowohl klare Aussagen über Ausgangshypothesen und die Kriterien der Wahl von Fallstudien als auch über die Logik des Vergleichs und die Kausalitätsrelationen liefert. Insofern ist relativ schnell zu erkennen, zu welchen Ergebnissen bestimmte Ausgangsannahmen oder die Wahl von Vergleichseinheiten führen. Wenn man so unterschiedliche Revolutionen wie die französische, russische und chinesische vergleicht, so liegt – wie bei Skocpol
15 Joachim Mattes, The Operation Called ‚Vergleichenǥ, in: ders. (Hg.), Zwischen den Kulturen? Die Sozialwissenschaften vor dem Problem des Kulturvergleichs, Göttingen 1992, S. 75–99. 16 Jürgen Osterhammel, Sozialgeschichte im Zivilisationsvergleich. Zu künftigen Möglichkeiten komparativer Geschichtswissenschaft, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 143–164. 17 Jürgen Schriewer, Vergleich und Erklärung zwischen Kausalität und Komparatistik, in: Hartmut Kaelble/Jürgen Schriewer (Hg.), Diskurse und Entwicklungspfade. Der Gesellschaftsvergleich in den Geschichts- und Sozialwissenschaften, Frankfurt a.M. 1999, S. 53–104.
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nachzulesen – eine Argumentation nahe, die die Rolle der Staatsapparate betont. Wenn man mit Charles Tilly nach Konstanten der kollektiven Gewalt in Westeuropa fragt, die nicht ihre Träger und deren Methoden in den Vordergrund rückt, so liegt ein Bezug zum Staatsbildungsprozess und eine funktionalistische Argumentation nahe.18 Die Durchsichtigkeit des vergleichenden Verfahrens und der bis heute andauernde Begründungsbedarf für komparatistisches Arbeiten heben ihn von jenen historischen Darstellungen ab, die implizit vergleichend vorgehen, ohne aber die Kriterien, Methoden und Arbeitsschritte jenes Vergleichs angemessen zu diskutieren. Ein Teil der breiten Synthesen zur Weltgeschichte oder aber zur Geschichte Europas leiden darunter, dass sie die Prämissen ihres Vorgehens nicht zureichend problematisieren und vergleichend argumentieren, ohne dass der Vergleich selbst den methodischen Standards der historischen Komparatistik folgt.19 Wenn Ansätze, die von der Makroebene ausgehen, dem Vergleich nicht förderlich sind, so gilt es umgekehrt auch von jenen Ansätzen, die zu partikularisierend vorgehen Als wenig innovativ haben sich Vergleiche erwiesen, die sich zu stark an einem nationalen Beispiel orientieren, dessen Merkmale als Modell formulieren, an dem dann andere Fälle gemessen werden. Die deutsche Sonderweg-Debatte hat bekanntlich von einer idealisierten Sicht der angelsächsischen Entwicklung ebenso gezehrt wie von Anleihen bei der Modernisierungstheorie. Sie ist deshalb auch zu Recht kritisiert worden und hat sich in den 1990er Jahren totgelaufen.20 Ihre nicht zu bestreitende Anziehungskraft für vergleichende Forschung hat sie nicht so sehr in der Debatte um die Abgrenzung des deutschen Falls vom angelsächsischen Modell gewonnen, sondern in der empirisch komparativen Überprüfung von Entwicklungsannahmen. Gegenüber der holistischen Sicht eines nationalen Falles hat sich der Partialvergleich unter bestimmten Fragestellungen als weitaus anregender erwiesen. Einzelne Hypothesen wie nach dem Verhältnis von Adel und Bürgertum oder die Prägekraft bürokratischer Modelle unter Angestellten sind zum Ausgang von vergleichend angelegten empirischen Fallstudien genommen worden und haben weitergehende und fruchtbare Forschungsfragen aufgeworfen. Auf dieser Ebene hat die Debatte dann zur Entwicklung einer breiten und oft innovativen Forschung geführt. Die Entwicklung von Ausgangshypothesen, die zu eng
18 Charles Tilly, Hauptformen kollektiver Aktion in Westeuropa, 1500–1975, in: Geschichte und Gesellschaft 3 (1977), S. 153–163. 19 Heinz-Gerhard Haupt, Die Geschichte Europas als vergleichende Geschichtsschreibung, in: Comparativ 14 (2004), Heft 3, S. 83–97. 20 David Blackbourn/Geoff Eley, The Pecularities of German History. Bourgeois, Society and Politics in 19th Century Germany, Oxford 1984; Jürgen Kocka, Asymmetric Historical Comparison. The Case of the German Sonderweg, in: History and Theory 38 (1999), S. 40–50.
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historischen Beispielen folgt und zudem holistisch angelegt ist, kann oft dazu führen, dass sie die Logiken von abweichenden Entwicklungen verfehlt. Misst man ost- und ostmitteleuropäische Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts etwa an dem Modell einer Zivilgesellschaft, für deren Modell westeuropäische Gesellschaften Pate stehen, dann wird man deren Geschichte als die eines Mangels schreiben, die Westeuropas dagegen als Erfolgsgeschichte. Fragt man allerdings nach Elementen bürgerlicher Mitwirkung und Beteiligung im städtischen Kontext als einen wichtigen Faktor zivilgesellschaftlicher Strukturen, dann lassen sich interessante Ein- und Ausblicke gewinnen, die Auskunft über bürgerliche Selbstorganisation unter unterschiedlichen Bedingungen geben können.21 Mit dem konstruktivistischen Ansatz, der dem Vergleich eigen ist, liegt die Gefahr des Reduktionismus nahe, der komplexe historische Entwicklungen auf die Wirkung von einzelnen Faktoren zurückführt. Deborah Cohen hat auf dieses Risiko hingewiesen: „While national historians’ arguments tend towards the multicausal, drawing upon all of the factors that can explain a particular phenomenon, comparatists are often caught in a mono- or bicausal trap.“22 Wenn diese Argumentation auch den Grad an Selektivität unterschätzt, der aufgrund spezifischer Perspektiven und Fragestellungen auch die nationale Geschichtsschreibung begleitet, so weist er doch auf ein Problem hin, das vor allem bei Studien auftritt, die zahlreiche Vergleichseinheiten untersuchen. Die Kontextualisierung von Einzelfallstudien, die das Kernelement der Vergleichsarbeit ausmacht, ist in der Tat begrenzter, wenn die empirische Basis breiter und der Erklärungsanspruch universaler und globaler wird. Schlagartig wird diese Differenz deutlich, wenn man Orlando Pattersons Studie über die Sklaverei in der Welt dem Vergleich gegenüberstellt, den Peter Kotkin zwischen der amerikanischen Sklaverei und der russischen Leibeigenschaft angestellt hat.23 Während Patterson als Charakteristikum der Sklaverei die Gewaltherrschaft über von Geburt an ausgeschlossenen und entrechteten Personen betont und mithin auf einer allgemeinen Ebene verbleibt, kann Kotkin Hypothesen über die Häufigkeit von Widerstand und mithin über Praktiken der Abhängigen in beiden Gesellschaften geben. Im zweiten Beispiel werden die unterschiedlichen Formen der Abhängigkeit Ernst genommen und ihre spezifischen Kontexte einbezogen. Als ein geeignetes Mittel, um dieser Verengung der Argumentation, die Deborah Cohen
21 Zu dieser Debatte siehe Manfred Hildermeier u.a. (Hg.), Europäische Zivilgesellschaft in Ost und West. Begriff, Geschichte, Chancen, Frankfurt a.M. 2000. 22 Deborah Cohen, Comparative History. Buyer Beware, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 57–70, S. 63. 23 Orlando Patterson, Slavery and Social Death, Cambridge, Mass. 1982; Peter Kolchin, Unfree Labor. American Slavery and Russian Serfdom, Cambridge, Mass. 1987.
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befürchtet, vorzubeugen, dient ja gerade beim Vergleich die breite Kontextualisierung der Einzelstudien, die in manchen soziologischen Studien fehlten. Wie breit die Kontextbedingungen einbezogen werden müssen, zeigt etwa die Studie von Susan Pedersen.24 In ihrem Vergleich der Rolle der Frauen bei der Entwicklung des französischen und britischen Sozialstaats der Zwischenkriegszeit bezieht sie nicht nur Industrialisierung und Frauenbewegung ein, sondern arbeitet die spezifische Bedeutung der Familienpolitik in Frankreich heraus, die das Abrücken von einer in England gepflegten „male breadwinner logic“ erklärt. Dieses Beispiel demonstriert, dass je breiter die Kontextualisierung angelegt ist, umso weitreichender und innovativer die dabei erzielten Ergebnisse sein können. An dem Beispiel der Sklaverei wird deutlich, wie stark die vergleichende Geschichtswissenschaft zwischen einem generalisierenden und einem individualisierenden Anspruch steht. Sie soll Problematiken behandeln, die Einblicke in allgemeine Entwicklungstrends oder Strukturen erlauben, andererseits aber auch der Besonderheit der Einzelfälle gerecht werden und diese überdies in einer Perspektive anlegen, in der sie zu innovativen Ergebnissen führt. Selten wird ein Vergleichsverfahren, das kontrastiv ausgerichtet ist und von einem nationalen Einzelfall ausgeht, der vergleichend in seiner Besonderheit erwiesen werden soll, diesen Ansprüchen genügen. Denn das explicandum bleibt der nationale Fall, nicht aber die Antwort auf die allgemeine Fragestellung, die diese Einzelfälle verbindet und als tertium comparationis dient. Die Suche nach „Sonderwegen“, die sich von der deutschen Diskussion auch auf Frankreich, Italien oder Ungarn ausdehnte, gehört zu diesen Beispielen eines lediglich kontrastiven Vergleichs. Der Vergleich hat eine Palette von Vorteilen vorzuweisen, von denen einige benannt werden sollen. Er kann Stereotypen nationaler Geschichtsschreibung überwinden und selbst bekannte Phänomene in einer neuen Beleuchtung darstellen. In den Worten von Nancy Green: „A comparative approach helps render the invisible visible; it aids us in questioning our own generalizations.“ Er ist keineswegs auf eine strukturorientierte Gesellschaftsgeschichte begrenzt, sondern kann sehr wohl in anderen Feldern der historischen Forschung benutzt werden. Eine Kulturgeschichte, der es um Akteure, Kontexte und Deutungsangebote geht, kann ihrerseits vergleichend vorgehen. Dies zeigt nicht nur die neuere Nationalismusforschung, die gerade die unterschiedliche Valenz von nationalistischen Diskursen in verschiedenen historischen Kontexten aufweist. Auch eine Forschung, die nach der Verwischung von Front und Heimatfront im Ersten Weltkrieg fragt und
24 Susan Pedersen, Family, Dependance, and the Origins of the Welfare State. Britain and France 1914–1945, Cambridge, UK 1993.
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die Rolle der Luftangriffe dabei untersucht, kann den Vergleich zwischen einzelnen Ländern oder Städten Erfolg versprechend einsetzen. 25 Häufig wird gegen den internationalen Vergleich das Argument vorgebracht, dieser sei unauflöslich mit einer nationalgeschichtlichen Betrachtungsweise verbunden und neige dazu, nationale Stereotype der Selbst- oder Fremdbeschreibung zu bestätigen.26 Dies war teilweise in der Vergangenheit der Fall und mag auch bei einem asymmetrisch angelegten Vergleich, bei dem einer der Fälle privilegiert wird, eine Gefahr sein. Bei symmetrischen komparativen Studien, die gleichgewichtig die ausgewählten Fallstudien angehen und beide auch auf Quellenstudien stützen, ist diese Gefahr geringer, zumal sie keineswegs notwendig auf eine Privilegierung des Nationalstaates hinauslaufen. Freilich wird dieser im Mittelpunkt stehen, wenn es um die Analyse allgemein verbindlicher politischer Entscheidungen geht, bei denen der staatliche Akteur zentral ist. Aber schon bei dem Vergleich der Umsetzung von Sozialgesetzen ist nach den lokal unterschiedlichen Bedingungen zu fahnden, die allgemeine Normen unterschiedlich prägen. Besonders aber bei dem Vergleich von sozialen Praktiken, Familienkonstellationen und der Industrialisierung bieten sich Räume an, die kleiner als der Nationalstaat sind. Unternehmen und Stadtviertel, Dörfer und Straßen. Regionen und Migrationsräume werden dabei wichtiger als der Nationalstaat. Das Mittel des historischen Vergleichs ist viel flexibler als es eine auf die nationale Betrachtungsweise reduzierende Kritik unterstellt. Außerdem sollte die Debatte um die geeigneten Räume des Vergleichs nicht prinzipiell, sondern eingedenk der folgenden Maxime von Paul Ricoeur geführt werden: „A chaque échelle on voit des choses qu’on ne voit pas à une autre échelle, et chaque vision a son bon droit.“ Danach hängt
25 Nancy Green, Forms of Comparison, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 42. Siehe etwa Charlotte Tacke, Denkmal im sozialen Raum. Nationale Symbole in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert, Göttingen 1995; Jakob Vogel, Nationen im Gleichschritt. Der Kult der „Nation in Waffen“ in Deutschland und Frankreich 1871–1914, Göttingen 1997; Sven Oliver Müller, Die Nation als Waffe und Vorstellung. Nationalismus in Deutschland und Großbritannien im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2002; Susan R. Gray, Across Battle Fronts. Gender and the Comparative History of Modern European War, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 71–84. Siehe auch die neueren Ansätze zur vergleichenden Historiographiegeschichte u.a. Christoph Conrad/Sebastian Conrad (Hg.), Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich, Göttingen 2002. Siehe auch den Vergleich von Interpretationsmodellen: Nancy Green, Religion et ethnicité. De la comparaison spatiale et temporelle, in: Annales HSS (2002), S. 127–144. Siehe auch den Semantikvergleich in: Aribert Reimann, Der große Krieg der Sprachen. Untersuchungen zur historischen Semantik in Deutschland und England zur Zeit des Ersten Weltkrieges, Essen 2000. 26 Michel Espagne, Sur les limites du comparatisme en histoire culturelle, in: Genèse 17 (1994), S. 112–121. Siehe auch die Kritik an der nationalen Verengung in: Marcel Detienne, Comparer l’incomparable, Paris 2000.
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die Wahl der Vergleichseinheit entscheidend von der jeweiligen Fragestellung ab.27 Die historische Komparatistik ist in den letzten zehn Jahren in die Kritik geraten. Die vor allem von Frankreich ausgehende kulturelle Transferforschung, die nach dem Einfluss, den Mediatoren und der Aneignung von fremden Einflüssen in einzelnen Gesellschaften fragt und dabei die Vielfalt der nationale Kulturen prägenden Faktoren unterstreicht, hat das Problem aufgeworfen, ob Unterschiede oder Ähnlichkeiten zwischen Gesellschaften nicht auch auf kulturelle Einflüsse und soziale und kulturelle Verbindungen zurückzuführen seien.28 Damit stellt sich für den historischen Vergleich das Problem, das bereits am Ende des 19. Jahrhunderts Francis Galton für die Ethnologie formulierte.29 Können ähnliche Strukturen aus exogenen Einflüssen und Beeinflussungen erklärt werden? Diese Frage ist bislang in komparativen Studien zweifellos zu wenig gestellt worden und ist stärker zu beachten. Die Zuordnung von Einzelphänomenen zu Transfers sind aber keineswegs einfach vorzunehmen und zweifellos leichter für einzelne gesellschaftliche Bereiche – wie Edition oder Universitäten – als für gesellschaftliche Großgruppen oder ganze Gesellschaften zu bestimmen. In dem Maße, in dem ausländische Einflüsse überdies unter unterschiedlichen Umständen angeeignet, damit auch transformiert oder gar in indigene Strukturen inkorporiert werden, wird der empirische Nachweis von Einflüssen schwierig. Die kulturelle Transferforschung gehört zu einem Ensemble von verschiedenen Ansätzen, die auf die Internationalisierung des Lebens im Zeichen der weltweiten Globalisierung reagiert. Sie ersetzt nicht den historischen Vergleich, sondern kann diesen als beziehungsgeschichtliche Betrachtungsweise in einzelnen Fällen, in denen Beziehungen relevant sind, sinnvoll ergänzen. Auch das breite Feld der transnationalen oder „crossnational“ Geschichtsschreibung orientiert sich eher an Methoden und Ansätzen einer erneuerten Geschichte der internationalen Beziehungen als an den methodischen Paradigmen der historischen Komparatistik. Sie ging aus von den wechselseitigen Beziehungen zwischen Metropolen und Kolonien
27 Thomas Bender/Carl E. Schorske, Budapest and New York. Studies in Metropolitan Transformation, 1870–1930, New York 1985; Detlev Lehnert, Kommunalpolitik. Parteiensystem und Interessenkonflikt in Berlin und Wien 1919–1932, Berlin 1991; Rainer Liedtke, Jewish Welfare in Hamburg and Manchester, c. 1850–1914, New York 1998 und, wenn auch nicht durchgängig komparativ: Jay Winter/Jean-Louis Robert (Hg.), Capital Cities at War. Paris, London, Berlin 1914–1919, Cambridge 1997; Paul Ricoeur, zit. in: Roger Chartier, La conscience de la globalité (commentaire), in: Annales HSS (2001), S. 119–123, hier S. 120. 28 Michel Espagne, Les transferts culturels franco-allemands, Paris 1999. 29 Harald Kleinschmidt, Galtons Problem. Bemerkungen zur Theorie der transkulturell vergleichenden Geschichtsforschung, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 39 (1991), S. 5–22.
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und versucht gegenwärtig, das Netz der Verknüpfungen zwischen einzelnen nationalen Gesellschaften ebenso wie die Wirksamkeit von transnationalen Akteuren und Institutionen zu bestimmen. Sie ist wie der kulturelle Transfer aber auf die Vergleichsmethodologie angewiesen. „Um als Historiker aber überhaupt erkennen zu können, was bei einem interkulturellen Transfer vor sich geht, muss man vergleichen: die Stellung des untersuchten Gegenstands im alten mit der in seinem neuen Kontext, die soziale Herkunft der Vermittler und der Betroffenen in einem Land mit der im anderen, die Benennung in einer Sprache mit der in einer anderen und schließlich die Deutung eines Phänomens in der nationalen Kultur, aus der es stammt, mit der, in die es eingeführt wurde.“30
Das von dem Germanisten Michael Werner und der Politologin Bénédicte Zimmermann entwickelte Konzept der „histoire croisée“ gehört zu dem Ensemble jener Ansätze, die die Verflechtungen, die zwischen einzelnen nationalen Gesellschaften aber auch zwischen den Metropolen und den Kolonien bestanden, betonen. Sie gehen zu Recht viel stärker als die bisherige Vergleichsforschung davon aus, dass eine monadenhafte Konstruktion einer Vergleichseinheit unsinnig ist, da diese sich im Schnittpunkt verschiedendster Einflüsse und Verbindungen befindet, die beim Vergleich mit zu bedenken sind. Selbstreflexivität der Historikerinnen und Historiker ist mithin ebenso gefragt wie die Einbeziehung eines möglichen dichten Beziehungskontextes, in dem die Vergleichseinheiten stehen.31 Ähnelt dadurch die histoire croisée einer erneuerten „connected history“, so teilt sie nach eigenem Verständnis doch mit dem historischen Vergleich zahlreiche Merkmale: sie geht nicht von festgelegten Einheiten, sondern von Problemen aus, berücksichtigt Institutionen verschiedenster Art oder Prozesse und privilegiert einen akteurszentrierten Zugang, der Konflikte und Strategien der Handelnden in den Mittelpunkt rückt. Darüber hinaus können Vorgehensweisen wie Ergebnisse der histoire croisée ihrerseits sinnvoll mit den Methoden der historischen Komparatistik verglichen werden.32 Beziehungs- und transfergeschichtliche Konzepte ersetzen nicht die historische Komparatistik. Sie siedeln sich auf einer anderen Analyseebene
30 Johannes Paulmann, Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer. Zwei Forschungsansätze zur europäischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 267 (1998), S. 649–685; Jürgen Kocka, Comparison and Beyond, in: History and Theory 42 (2003), S. 39–44; Heinz-Gerhard Haupt/Jürgen Kocka, Comparative History. Methods, Aims, Problems, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 23–40. 31 Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Penser l’histoire croisée. Entre empire et réflexivité, in: Annales HSS 58 (2003), S. 7–36; dies., Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607–636; dies. (Hg.), De la comparaison à l’histoire croisée, Paris 2004. 32 Siehe die pointierten Festlegungen in: Werner/Zimmermann, Vergleich, S. 617.
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und Komplexität an als der historische Vergleich, da sie den direkten Kontakt zwischen Akteuren, Räumen oder Institutionen privilegieren. Sie richten stärker als bisher vergleichende Arbeiten das Augenmerk auf die Zirkulation von Modellen, die Aneignung von Einflüssen und auf „hybride“ Strukturen.33 Damit üben sie eine belebende Wirkung auf die international vergleichende Geschichtsschreibung aus, die das Feld ihrer empirischen Studien erweitern kann und zur Überprüfung ihrer Ansätze herausgefordert ist. Dennoch bleibt die historische Komparatistik in der internationalen Geschichtsschreibung unverzichtbar, da sie viel stärker als die neuen Formen der transnationalen Geschichtsschreibung theorieorientierte Problemgeschichte ist, die immer wieder – und Jürgen Kockas Werk ist ein überzeugendes Beispiel dafür – durch eine kritische Reflexion über ihre Kategorien und Ergebnisse begleitet ist.
33 Siehe etwa Michael Miller, Comparative and Cross-National History. Approaches, Differences, Problems, in: Cohen/O’Connor, Comparison, S. 115–132.
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James J. Sheehan
Paradigm Lost? The “Sonderweg” Revisited1
Among the many things that national histories have in common is the conviction that each one of them is unique. Every nation has a history that reveals its exceptional character and fate; all national paths are special paths. But while there is nothing unusual about German exceptionalism, it does have some distinctive characteristics. From the start, the founders of German national history defined their nation’s exceptional character in terms of its relationship to the “west”, whose politics, society, and culture they viewed with an unstable and varied mixture of admiration, envy, and dislike. Eighteenth-century thinkers like Herder contrasted the authenticity of German culture with the brittle cosmopolitanism of France; Heinrich Heine ironically chided his fellow countrymen for leaving to Britain the seas and to France, the land, while they themselves claimed dominion over “the airy realm of dreams”. And, to cite one final example: at the end of the Communist Manifesto, Marx and Engels wrote that “Communists turn their attention chiefly to Germany” because here the bourgeois revolution that had taken place earlier in the west would occur under more advanced conditions, thereby setting off a revolutionary movement in Europe as a whole. The German “Sonderweg”, therefore, was always inseparable a recognition of Germany’s relative “backwardness”, although Germans differed about whether this backwardness was a source of exceptional virtue, weakness, or opportunity.2 In the late nineteenth and early twentieth centuries, German exceptionalism became more ideologically active and politically focused as it was deployed in defense of the imperial status quo, a development that culminated during the First World War when the nation’s intellectuals rallied to defend German Kultur against the aggressive superficiality of western civilization. At the same time that the conservative version of the Sonderweg 1 I could not resist this title although I am not, alas, the first author to bring Milton and Kuhn together. In this essay, I shall use “paradigm” simply to mean an interpretive framework that encourages and coordinates empirical research. 2 See Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges, München 1980.
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Paradigm Lost?
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was given its most strident formulation by writers like Werner Sombart and Thomas Mann, we can find many of the most important elements of a competing, highly critical version of German exceptionalism in books such Thorstein Veblen’s “Imperial Germany and the Industrial Revolution”, which was first published in 1915. Like most of Veblen’s work, this is an undisciplined, eccentrically brilliant book, combining wildly implausible assertions with shrewd and compelling analysis. Veblen’s key insight – which would become a persistent feature of the critical Sonderweg – was to define German exceptionalism not simply as a product of backwardness but as a problematic mixture of backwardness and modernity. Germany’s flawed, incomplete process of modernization gave it access to the powerful forces created by industrialism but without the attendant liberalization that had occurred in Britain. In an early, generally quite positive review, the American historian Guy Stanton Ford provided this concise statement of the question at the core of Veblen’s book: “What is the result when the modern economic order based on technological methods is amalgamated with a social and political order still essentially medieval?”3 For Veblen in 1915, the “result” was the war between German feudal militarism and British liberal individualism then being waged on Europe’s battlefields. After 1945, the “result” seemed to be Nazi tyranny and racial murder, which gave the problem of German exceptionalism a new and terrible significance and put its origins and character at the core of what came to be known as “the German question”. National Socialism gave the concept of German exceptionalism its most uncompromisingly toxic formulation. But seen from the outside, the Nazi regime revealed the pathological implications of Germany’s deviance from the west. In 1935, for example, Helmuth Plessner, who had been forced into exile in The Netherlands, published “Schicksal deutschen Geistes im Ausgang seiner bürgerlichen Epoche”, a precocious analysis of Germany as a verspätete Nation. In 1943, two influential works appeared in the United States: Alexander Gerschenkron’s “Bread and Democracy in Germany”4 and Hans Rosenberg’s “Political and Social Consequences of the Great Depression of 1873–1896”.5 The perspectives advanced in these works were further developed after the war: in 1952, for instance, Hajo Holborn published his seminal essay on “Der deutsche Idealismus in sozialgeschichtlicher Beleuchtung”,6 which subjected the conventional core of 3 Guy Stanton Ford, American Historical Review 21 (1916), pp. 801f. 4 Alexander Gerschenkron, Bread and Democracy in Germany, Berkeley 1943. 5 Hans Rosenberg, Political and Social Consequences of the Great Depression of 1873–1896, in: Economic History Review 8 (1943), pp. 58–73. 6 Hajo Holborn, Der deutsche Idealismus in sozialgeschichtlicher Beleuchtung, in: Historische Zeitschrift 174 (1952), pp. 359–384.
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German cultural identity to a critical analysis; Hans Rosenberg’s “Bureaucracy, Aristocracy, and Autocracy. The Prussian Experience, 1660–1815”7 provided a more highly charged critique of the apolitical Prussian civil service and the progressive reforms of the early nineteenth century. Both Holborn and Rosenberg, émigrés teaching in the United States, implicitly compared the German case to the normative evolution of western institutions and values.8 Two works published in the early 1960s mark a significant stage in the maturation of the Sonderweg paradigm, as well as its reimportation into Germany. Fritz Fischer’s monumental “Griff nach der Weltmacht”9 did more than any other book to establish the Sonderweg in the Bundesrepublik. The implications of Fischer’s argument, and the chief source of its immediate notoriety and lasting influence, went far beyond his ostensible subject, which was the evolution of German war aims between 1914 and 1918. In the first place, Fischer brought back to life the old charge that Germany was responsible for causing the war. Second, he maintained that Germany’s decision for war was not the result of individual miscalculation or geopolitical disadvantage but rather arose from the desperate necessity of escaping domestic political conflicts. Finally and most importantly, he emphasized the continuity between the Kaiserreich and National Socialism; Germany’s problems did not start in 1914 or 1918 or 1933, they were deeply rooted in the unresolved tensions of the nineteenth century. This continuity was personified by Chancellor Bethmann Hollweg, whom Fischer transformed from a tragic victim of circumstance into an eager advocate of national expansion, an important link in the unbroken chain of aggressors that connected Bismarck to Hitler. This thesis, developed by Fischer himself and expanded upon by his students and admirers, became one of the Sonderweg’s most important themes, the source of scores of books and articles and of the most intense historiographical controversies of the postwar era.10 Although very different from Fischer in style, approach, and method, Ralf Dahrendorf’s “Gesellschaft und Demokratie in Deutschland”11 was based on a similar view of the German past. Fischer’s strength was the 7 Hans Rosenberg, Bureaucracy, Aristocracy, and Autocracy. The Prussian Experience, 1660– 1815, Cambridge 1958. 8 See Hartmut Lehmann/James J. Sheehan (eds.), An Interrupted Past. German Speaking Refugee Historians in the United States after 1933, Cambridge 1991. 9 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf 1961. 10 For a guide to the Fischer debate, see Helmut Böhme, “Primat” und “Paradigmata”. Zur Entwicklung einer bundesdeutschen Zeitgeschichtsschreibung am Beispiel des Ersten Weltkrieges, in: Hartmut Lehmann (ed.), Historikerkontroversen, Göttingen 2000, pp. 89–139. 11 Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1965.
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overwhelming depth of his research, Dahrendorf’s, the breadth of his analysis, which included historical developments and contemporary institutions, politics and culture, private habits and public values. More explicitly than Fischer, Dahrendorf defined Germany’s problems in terms of what it lacked: a socially transformative industrial revolution, a strong liberal movement, a cohesive modernizing elite, and a willingness to accept the progressive possibilities of conflict. The Second World, he argued, had finally provided the revolutionary changes Germany needed, but disturbing remnants of the old order remained to threaten the shallow roots of liberal democracy. In the 1970s, the critical Sonderweg became the dominant paradigm for modern German historiography. Hans-Ulrich Wehler’s “Das deutsche Kaiserreich”,12 based on lectures given in the late sixties and published in 1973, was its sharpest, most decisive formulation, the locus classicus for both the Sonderweg’s advocates and critics. The series, “Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft”, which began to appear in 1972, published a series of monographs and collected essays informed by the paradigm, as was the journal, “Geschichte und Gesellschaft”, which was founded by Wehler and several of his colleagues in 1975. Wehler also edited a series entitled “Deutsche Historiker”,13 which established the Sonderweg’s historiographical lineage with accounts of often-neglected outsiders and critics. Wehler’s essay, “Geschichtswissenschaft heute”14 not only summarized the Sonderweg position but also claimed for it a historiographical primacy. In Wehler’s account the Sonderweg was “Geschichtswissenschaft heute”. It would be a mistake to underestimate the diversity among the Sonderweg’s many adherents, but, to use Wittgenstein’s indispensable metaphor, they formed a historiographical “family” that shared an overlapping set of values, assumptions, and commitments. Five characteristics of this historiographical family help us to understand its place within the Federal Republic’s political culture and to explain its persistent power and appeal. 1. The Sonderweg offered a powerful and compelling answer to the central problem of German national history: how was Nazism possible? But it told the national story from an international perspective, not only because of its inherently comparative nature (which was no less potent because it was often implicit), but also because it was formed within the dense network of trans-Atlantic relationships that had been woven by the émigrés and then 12 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Geschichte, vol. 9, Das deutsche Kaiserreich 1871–1918, Göttingen 1973. 13 Idem, Deutsche Historiker, 9 vols., Göttingen 1971–1982. 14 Idem, Geschichtswissenschaft heute, in: Jürgen Habermas (ed.), Stichworte zur geistigen Situation der Zeit, vol. 2, Frankfurt a.M. 1979, pp. 709–753.
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sustained by scholarly exchanges in both directions. Among the most powerful intellectual sources for the paradigm were scholars like Holborn and Rosenberg, whose students and followers, both German and American, became leading representatives of Sonderweg scholarship. The Sonderweg was, therefore, an element in that connection to the west that pervaded every aspect of politics and culture in the Bundesrepublik. 2. The Sonderweg was a generational phenomenon. Although its founding fathers, including émigrés like Holborn and Rosenberg and the key German figure, Fritz Fischer, were born in the first decade of the twentieth century, the paradigm was consolidated and spread by their scholarly progeny, that is, scholars born in the 1930s. The members of this generation were old enough to have witnessed Nazism; some had been active on the edges of the movement, usually as members of the Hitler Youth. But they were young enough to have escaped direct involvement with its crimes. This was also the first generation of postwar exchange students, many of whom were powerfully influenced by their first contacts with Britain or the America. And this generation was, of course, the chief beneficiary of the expansion of German higher education in the 1960s, which created new universities, new chairs, and new opportunities. One reason for the Sonderweg’s persistence was simply that its adherents entered academic life at the most favorable possible moment and acquired positions that they would retain for the next thirty years. 3. The Sonderweg was a liberal perspective – that is, liberal in the AngloAmerican sense, which became the model for many of the young German scholars who had spent time in the United States or Britain. As liberals, and in contrast to Marxists and conservatives, they endorsed the central institutions of the modern world, not without criticism, but as at least potentially progressive. Because modernity was healthy, its belatedness, incompleteness, or insufficiency were necessarily pathological. In the west German context, this commitment to liberalism meant accepting – again, not uncritically – the three pillars on which the Federal Republic rested: welfare capitalism, parliamentary democracy, and an alliance with the west, especially the United States. 4. The Sonderweg scholars were liberal but, like most German liberals in the decades after 1945, they were concerned that liberal institutions and values might not be firmly rooted enough to withstand future crises and temptations. From this concern came the civic project that gave the Sonderweg its polemical energy and political direction: the pressing need to free the Bundesrepublik from those residues from the past that inhibited the
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growth of an authentic democratic culture and society. This was to be done by giving Germans a critical perspective on their past, a new kind of national history that could inform both political debate and scholarly controversy – indeed the distinction between the two was often hard to see. 5. As important as these political and generational factors surely were, they should not distract us from what I believe was the most important reason for the Sonderweg’s appeal: it suggested a vitally interesting scholarly agenda, a series of significant new problems on which scholars could do useful empirical research. Much of this research contributed to what Georg Iggers called “the social history of politics”, including studies of political parties and movements, of social, political, and cultural elites, of economic organizations and cultural institutions, and of the domestic origins and implications of foreign policy. The Sonderweg narrative was filled with absences, failures, and missed opportunities. Sonderweg scholarship often clustered around issues where modernity and backwardness seemed interwoven: “revolutions from above”, the “democratization” of the aristocracy, the “feudalization” of the middle classes, and “organized” capitalism. The Sonderweg was flexible enough to embrace a variety of problems, yet coherent enough to enable scholars to feel that their work fit within a large framework. It offered scope for originality without imposing excessive restrictions or conformity. Above all, therefore, the Sonderweg’s success as an approach to German history is reflected in the remarkable quantity and quality of the scholarship it inspired. From the beginning, the Sonderweg had a provocative style and a polemical edge, which were already apparent in the work of Eckart Kehr, who was adopted as the paradigm’s heroic pioneer, as well as in that of its founding fathers like Fischer and Rosenberg. The advocates of the critical Sonderweg defined their approach to German history in opposition to what they saw as the political, methodological, and substantive failings of the historiographical establishment: they were liberals rather than conservatives, critics rather than apologists, openly political rather than supposedly neutral; the history they wrote was theoretically informed rather than mere narrative, it had to do with social groups and political movements rather than ideas or great men, it sought to explain continuities and structures rather than unique events or individuals. Behind this opposition were, to be sure, deep similarities between the advocates of the Sonderweg and the historiographical establishment, similarities that gave these their shape and significance: both sides accepted the idea of German exceptionalism; both worked within national categories, indeed both had an essentially Prussocentric, kleindeutsch definition of German history; even though they had quite dif-
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ferent ideas about politics, both assumed the primacy of political questions; and finally, both saw history as an essential pedagogical instrument in building the kind of nation they wanted. In that sense, there was a certain amount of truth in Thomas Nipperdey’s otherwise unfair description of Wehler as “Treitschke redivivus.”15 Born from the need to provide an alternative to the failures of conventional history, the Sonderweg was sustained by a series of controversies that dominated German historical writing for two decades. The advocates of the Sonderweg were criticized for being one-sided, deterministic, and excessively ideological. Scholars of international relations objected, not surprisingly, to the apparent marginalization of their subject, which was subordinated to the “Primat der Innenpolitik”. Rather less predictably, scholars interested in Alltagsgeschichte found themselves in a sharp polemic over the role of politics in social history. Margaret Anderson and Kenneth Barkin pointed out that the Sonderweg’s dualistic view of the nineteenth century left no room for political Catholicism, which did not easily fit within a struggle between modernity and backwardness. But perhaps the most influential critique of the Sonderweg came from a group of British scholars who challenged the very foundation of its interpretative structure: David Blackbourn and Geoff Eley argued that the Sonderweg rested on an idealized and unrealistic image of the “west” and an overly rigid, normative concept of modernization. Blackbourn and Eley’s criticisms triggered a series of polemical exchanges, the echoes of which continue to be heard, albeit more faintly, in the scholarly literature. The Sonderweg’s critics revealed a number of conceptual weaknesses, empirical problems, and logical flaws, but they implicitly acknowledged the Sonderweg’s persistent significance, capacity to remain the center of scholarly attention and to set the terms of historiographical debates.16 In practice, the defenders of the Sonderweg were always more flexible and receptive to criticism than they sometimes appeared to their opponents. Over time, the contours of the paradigm changed – the weakness of the German Bürgertum, for instance, became less important, the peculiarities of the German political system, more so. The analysis of the German past in Wehler’s “Gesellschaftgeschichte”17 is very different from the one in “Das deutsche Kaiserreich”; Jürgen Kocka’s defense of the paradigm has become 15 Thomas Nipperdey, Wehlers Kaiserreich. Eine kritische Auseinandersetzung, in: Geschichte und Gesellschaft 1 (1975), pp. 539–560. 16 For a guide to these controversies, see Christoff Lorenz, Beyond Good and Evil? The German Empire of 1871 and Modern German Historiography, in: Journal of Contemporary History 30 (1995), pp. 729–767. 17 Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 4 vols., München 1987, 1987, 1995, 2003.
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progressively more qualified and nuanced.18 Nevertheless, the paradigm has displayed a remarkable persistence; despite the frequent appearance of obituaries, it remains very much alive if no longer quite as robust as it once was. In history, unlike the natural and some of the social sciences, controversies rarely end with the clear victory of one side or the other; in liberal societies, historians lack the institutional power and intellectual authority to silence their opponents. Competing historiographical paradigms, therefore, are usually displaced rather than disproved. To some degree at least, this happened to the Sonderweg after 1989, when the collapse of the DDR and the creation of a new German state changed Germany’s future and therefore its past. Once the postwar era came to an end and a treasure trove of new documents became available, the center of scholarly concerns shifted away from the nineteenth century; continuities between the Kaiserreich and Nazism became less interesting than comparisons between the two German dictatorships. Germans now had yet another past to master. Although the fall of the DDR generated a number of new historical issues and opportunities, it did not create a new paradigm for German historiography. Instead, surveying the situation fifteen years later, one is struck by the rich variety of subjects that are attracting important new research. Some of them, such as the new interest in the social history of war and military institutions or the development of nationalism, clearly could fit within the Sonderweg. Others, such as the variety of works on the Bürgertum, deepen and broaden our understanding of what had always been a key element in the paradigm. Some of the most important new research opens up areas that the Sonderweg had ignored or undervalued: the history of religion, for instance, and the role of the Mittelstaaten and regions. A couple of decades after its arrival in British, French, and American historiography, gender has become an important historical category in Germany. Cultural history in all its many forms has also become increasingly popular. Finally, many more German historians now take on the challenging task of writing explicit, sustained comparative histories of movements, social groups, or institutions. In addition to its fecund diversity, the other striking characteristic of German historiography in 2005 is the remarkable number of programmatic statements about, and critical analyses of, scholarly trends. Even to list
18 Jürgen Kocka, German History before Hitler. The Debate on the German Sonderweg, in: Journal of Contemporary History 23 (1988), pp. 3–16; idem, Nach dem Ende des Sonderwegs. Zur Tragfähigkeit eines Konzepts, in: Arnd Bauerkämper et al. (eds.), Doppelte Zeitgeschichte, Bonn 1998, pp. 364–375.
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these would exhaust the supply of words I have been assigned for this essay, so I shall confine myself to two examples: Konrad Jarausch, in a series of essays and in a book co-authored with Michael Geyer, has recently urged historians to abandon not only the Sonderweg but all “master narratives”, and thus recapture the past’s variety and fragmentation. In Jarausch’s view, German history loses is unity, continuity, and particularity. Far from suffering from a lack of modernization, Germany was “a site of an unusual accumulation of some general problems of modernity”; although, like the defenders of a Sonderweg, he acknowledges that these problems arose in a “somewhat traditional society” and thus “produced more backlash than elsewhere”.19 Like Jarausch and Geyer, Jürgen Osterhammel wants to move beyond the usual narratives, but his proposal is to extend rather than shatter the conventional picture of the German past. As the title of his collected essays suggests, Osterhammel seeks a history “jenseits des Nationalstaats”, sensitive to global connections and comparisons. The result would not be to abandon the nation as a historiographical category but rather a greater awareness of its place in a network of relationships, both global and local.20 The appearance of so many programmatic statements like those by Jarausch, Geyer, and Osterhammel is, I think, a symptom of the unsettled state of the discipline, of the passing of one paradigm and, perhaps, of the gradual emergence of its successor. Is the Sonderweg as exhausted as some proclaim or does it remain the best way to explain some central problems of German history? Is there a new paradigm on the horizon, a new master narrative of the German past or a fusion of German and European, even global history? It would be rash to propose answers to these questions. As Dieter Langewiesche has recently reminded us, “Kompetent sind Historiker nur für Rückblicke. Als Fachleute sind sie grundsätzlich nicht prognosefähig.”21 Instead of answers about the future of German historiography, let me suggest some questions that might help us think about it. To do so, I shall return to the five sources of the Sonderweg’s influence that I mentioned earlier.
19 Konrad Jarausch/Michael Geyer, Shattered Past, Princeton 2003, pp. 368f. See also Konrad Jarausch/Martin Sabrow (eds.), Die historische Meistererzählung. Deutungslinien der deutschen Nationalgeschichte nach 1945, Göttingen 2002. 20 Jürgen Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001. See also Helmut Walser Smith’s thoughtful analysis of Osterhammel, For a Differently Centered Central European History. Reflections on Jürgen Osterhammel’s “Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats”, in: Central European History 37 (2004), pp. 115–136. 21 Dieter Langewiesche, “Postmoderne” als Ende der “Moderne”? Überlegungen eines Historikers in einem interdisziplinären Gespräch, in: Wolfram Pyta/Ludwig Richter (eds.), Gestaltungskraft des Politischen, Berlin, 1998, pp. 331–347, p. 334.
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1. The first question to be posed is about the future of national history. How will the unification of 1991, the creation and expansion of the European Union, and the weakening of trans-Atlantic ties affect the way Germans think about their past? At the moment there seems to be little sign of a nationalist revival in German history. Might there instead be a new kind of postnational history, a European orientation that would replace the Atlantic one, the historiographical equivalent of NATO’s eclipse by an EU security force? 2. The generation of scholars most closely associated with the Sonderweg has now retired; most of them are still highly productive, but their institutional influence has clearly declined. What are the experiences that have marked the current generation of historians? And how will the current problems of German universities affect the forms and substance of historical scholarship? Will this, as one might expect, make the creation of a new dominant paradigm more difficult? 3. The Sonderweg rested on twin commitments to the normative power of modernity and to the usefulness of modernization as an explanatory concept. Will these commitments be eroded by contemporary problems? How, for instance, will the crises of welfare capitalism, German-American relations, and ethnic diversity shape the politics of German history and the history of German politics? 4. Just as a commitment to modernity was central to the Sonderweg’s interpretation of the German past, so a faith in the value of historical science and in the possibility of historical truth helped to sustain their engagement in a Habermasean public sphere. Has this faith be eroded by a rising tide of postmodern skepticism? And even if, as there is good reason to believe, postmodernism is a passing fad, will historians continue to play a prominent role in Germany’s public discourse or will they – as has happened in the United States, for example – be elbowed aside by economists and other social scientists? 5. Finally, what empirical problems will engage historians in the decades ahead? Will the apparent fragmentation of historical interests continue, or will historians find another framework for their work which can, like the Sonderweg, can shape research by posing questions to be addressed? Will Konrad Jarausch’s “plurale, interdependente Narrative” or Osterhammel’s postnational perspective provide fertile soil for scholarly research? We have found that living with a paradigm can be difficult, will we discover that living without one is harder still?
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James J. Sheehan
Of these five sets of questions, the last seems to me to be by far the most important. Thomas Kuhn once remarked that the development of science is determined by what scientists do rather by what they say they are going to do – that is, by their research rather than by their reflections on its meaning and direction. The same thing is true of historiography. We are, I think, always better advised to pay attention to the research that absorbs historians’ time and energy, rather than to their statements about what they should, or might, or want to do. The future of German historiography will not be decided by programmatic pronouncements, no matter how eloquent or plausible they may be. History is a discipline that best expresses itself in practice, not theory; the possibilities of a historical paradigm are measured by how much it can help us learn interesting and significant things about the past. Historiographical programs are like maps, which may be useful to guide our explorations, but should never be mistaken for the journey itself.
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Hans-Ulrich Wehler
Transnationale Geschichte – der neue Königsweg historischer Forschung?
Voller Entdeckerfreude greifen in letzter Zeit auch jüngere deutsche Historiker und Historikerinnen Probleme auf, die unter dem Etikett der Transnationalen Geschichte, der Transfer- und Beziehungsgeschichte, der „entangled histories“ oder der „histoire croisée“ ihre Neugierde geweckt haben. Sie folgen damit einem kraftvollen internationalen Trend, der vor allem von Ländern mit einer jahrhundertealten imperialen Vergangenheit, mithin einer ebenso lang währenden Einbindung in die neuzeitliche Weltgeschichte ausgegangen ist. Verstärkt wurde diese wissenschaftliche Strömung durch die so genannten „Postcolonial Studies“, in denen die Repräsentanten ehemaliger westlicher Kolonien – auffällig ist der hohe Anteil indischer Intellektueller – die soziokulturellen Folgen der Kolonialherrschaft bis hin zu den so genannten „hybriden“ Formen wechselseitiger Einflussnahme thematisieren. Realgeschichtlich wird dieser Trend getragen von der intensivierten Globalisierungswelle der letzten Jahrzehnte, deren „impact“ endlich auch die deutsche Geschichtswissenschaft erreicht hat.1 1 Vgl. hierzu Jürgen Osterhammel/Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung, München 2003; Jürgen Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats, Göttingen 2001; vgl. jetzt auch ders., Die Vielfalt der Kulturen und die Methoden des Kulturvergleichs, in: Handbuch der Kulturwissenschaften, Bd. 2, hg. von Friedrich Jaeger u.a., Stuttgart 2004, S. 50–65; neuerdings: Cornelius Torp, Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg. Die erste Welle der ökonomischen Globalisierung vor 1914, in: Historische Zeitschrift 279 (2004), S. 561–608; ders., Die Herausforderung der Globalisierung. Wirtschaft und Politik in Deutschland 1860–1914, Göttingen 2005; im Vergleich fehlt wirtschaftswissenschaftliche Präzision Niels P. Petersson, Das Kaiserreich in Prozessen ökonomischer Globalisierung, in: Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel (Hg.), Das Kaiserreich transnational, Göttingen 2004, S. 49–67. Dieser Sammelband enthält eine Fülle anregender Beiträge, aber in dem postmodernen Kauderwelsch von Michael Geyer, Deutschland und Japan im Zeitalter der Globalisierung, S. 68–86, vermag ich keine klare Konzeption zu erkennen; der Osteuropahistoriker Philipp Ther, Deutsche Geschichte als imperiale Geschichte, S. 129– 148, spricht mehrfach vom „Reichsansiedlungsgesetz“ von 1886, das aber ein strikt preußisches Gesetz war, das im Reichstag und in den Bundesstaaten z.T. heftig umstritten blieb. – Knut Borchardt, Globalisierung in historischer Perspektive, München 2001, und Richard Tilly, Globalisierung aus historischer Sicht und das Lernen aus der Geschichte, Köln 1999, waren vor kurzem noch die einzigen deutschen Wirtschaftshistoriker, die in der Geschichtswissenschaft Interesse an der Globalisierung wecken wollten. Einen ersten Überblick über die deutsche Debatte zur transnationalen Geschichte gewinnt man aus der von Jürgen Kocka initiierten Diskussion in „Geschichte und Gesellschaft“ 27 (2001), darin die Beiträge von Jürgen Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte. Erweiterung oder Alternative? S. 464–479; Albert Wirz, Für eine transnationale
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Hans-Ulrich Wehler
Nun ist der Protest gegen den muffigen Provinzialismus, der dort vielerorts noch immer vorherrscht, gegen den Germano- oder auch Ethnozentrismus fraglos willkommen. Denn unstreitig hat hier zu Lande die deutsche, namentlich die nationaldeutsche Geschichte lange Zeit völlig dominierend im Vordergrund gestanden. Auch als seit den 1970er Jahren eine neue politische Generation mit ihrer tiefen Skepsis gegenüber Nationalismus, Nation und Nationalstaat den Ton in der Neuzeitgeschichte anzugeben begann, wurde doch nur sehr selten der analytische Rahmen der Nationalgesellschaft überschritten. Bei der Erweiterung der Perspektiven durch den Vergleich von Phänomenen in zwei oder mehreren Ländern wurden die Nationalstaaten als kategoriale Einheiten wiederum stillschweigend vorausgesetzt. Auch deshalb ist das neue Interesse verständlich und legitimierbar. Überdies muss man der Transnationalen Geschichtsschreibung die Reflexion und Relativierung des bislang vorherrschenden eurozentrischen Weltbildes der meisten Historiker konzedieren; das gilt auch für einen Großteil der Imperialismusforschung. Weiterhin ist die Umkehrung der bisherigen Perspektive auf das Verhältnis von Ausgangs- und Rezeptionskultur ein Gewinn. Denn dabei geht es nicht nur um die Rückwirkung auf die Ausgangskultur, sondern auch um die Art und Weise, wie Impulse von außen in der Rezeptionskultur verarbeitet werden, wie das Fremde dem Eigenen anverwandelt wird. Während die Forschung bisher mehr nach „BeeinflusGesellschaftsgeschichte, S. 489–498; Susanne-Sophia Spiliotis, Das Konzept der Transterritorialität oder: Wo findet Gesellschaft statt? S. 480–488; vgl. dies., Transterritorialität und nationale Abgrenzung. Griechische Gesellschaft 1922–1941, München 1998; Sebastian Conrad, Doppelte Marginalisierung. Plädoyer für eine transnationale Perspektive auf die deutsche Geschichte, S. 145–169; Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der „histoire croisée“, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607–636; Klaus K. Patel, Transatlantische Perspektiven transnationaler Geschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 29 (2003), S. 625–647; Michael Brenner, Abschied von der Universalgeschichte. Ein Plädoyer für die Diversifizierung der Geschichtswissenschaft, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), S. 118– 124; Martin Krieger, Transnationalität in vornationaler Zeit. Ein Plädoyer für eine erweiterte Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), S. 125– 136; Franziska Becker, Netzwerke versus Gesamtgesellschaft, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), S. 316–324. Vgl. außerdem Hartmut Kaelble, Die interdisziplinären Debatten über Vergleich und Transfer, in: ders./Jürgen Schriewer (Hg.), Vergleich und Transfer, Frankfurt a.M. 2003, S. 466–493; Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M.: 2002; Shalini Randeria, Geteilte Geschichte und verwobene Moderne, in: Jörn Rüsen (Hg.), Zukunftsentwürfe, Frankfurt a.M. 1999, S. 87–94; Martin H. Geyer/Johannes Paulmann (Hg.), The Mechanics of Internationalism. Culture, Society and Politics 1840–1914, Oxford 2000; Johannes Paulmann, Internationaler Vergleich und interkultureller Transfer, in: Historische Zeitschrift 267 (1998), S. 649– 685; Rudolf Muhs u.a. (Hg.), Aneignung und Abwehr. Interkultureller Transfer zwischen Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert, Bodenheim 1998; Lothar Jordan/Bernd Korthänder (Hg.), Nationale Grenzen und internationaler Austausch. Kultur und Wissenschaftstransfer in Europa, Tübingen 1995. – Für ihren kritischen Kommentar zur ersten Fassung möchte ich Knut Borchardt, Manfred Hettling, Cornelius Torp und Paul Nolte danken.
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Transnationale Geschichte
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sung“ suchte, geht es jetzt mehr um die Amalgamierung westlicher und indigener Kulturen, die eine neuartige Qualität gewinnen und eigene Pfade in die Moderne weisen können. Der übliche Impuls, sich mit einer neuen Problematik und einem neuen Sprachspiel karrierepolitisch zu profilieren, mag hinzukommen, ist aber wohl zweitrangig. Hat sich aber der Protest jenen Sinn für Proportionen bewahrt, der für die Qualität der Historiographie von grundlegender Bedeutung ist? Da fällt zunächst einmal auf, dass Herrmann Heimpels ironische Maxime: „Literaturkenntnis schützt vor Neuentdeckungen“ ihre Berechtigung offenbar noch immer nicht verloren hat. Denn es gibt große, fest etablierte Forschungsfelder, auf denen die Geschichte transnationaler Phänomene seit langer Zeit im Mittelpunkt steht, so dass man jetzt allenfalls von einer Belebung oder Erweiterung, keinesfalls aber vom Marsch in eine Terra Incognita sprechen kann. Einige nahe liegende Beispiele. 1. Die gesamte seriöse Imperialismusforschung, auch und gerade in ihrer marxistischen Variante, hat die europäische Expansion nach Übersee durchweg als einen transnationalen Vorgang behandelt. Sie ging von einer verwandten Struktur der Antriebskräfte in den Metropolen, von geteilten handlungssteuernden Weltbildern der Akteure, von vergleichbaren Problemen der formellen und informellen Kolonialherrschaft aus. Nach zwei Jahrzehnten der Stagnation in der Erforschung des deutschen Imperialismus kommt jetzt neues Leben auch in diesen Forschungsbereich. Dabei ist auffällig, dass sich – im Stil postmoderner Diskursverehrung ohne Bodenhaftung – die Aufmerksamkeit den „Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland“ von 1770 bis 1870, dem „Kolonialdiskurs in der deutschen Kultur“, den „Phantasiereichen“ in der „Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus“ zugewandt hat. Von einer historisch solide fundierten Diskursanalyse kann bei diesem luftigen Kulturalismus allerdings kaum die Rede sein. Man sucht vergebens nach der sozialstrukturellen Verankerung der jeweiligen Diskursgemeinschaften, nach dem Nachweis der Repräsentanz der zitierten Stimmen, nach der Streuweite der Äußerungen auf der Basis einer sorgfältig ermittelten Auflagenhöhe der ausgewerteten Veröffentlichungen und ihrer vermeintlichen Lesergemeinde (und das in einer Zeit, als auf der Leipziger Messe eine Buchproduktion von 14.000 Neuerscheinungen jährlich registriert wurde!), nach dem Stellenwert des Kolonialdiskurses im Kontext zahlreicher anderer, gleichzeitig ablaufender Diskurse usw. Öfters grenzen die Befunde an eine blasse Ideengeschichte, deren Einfluss diffus bleibt. Und mit den politischen Entscheidungsprozessen, die zwischen 1879
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und 1890 zu einem deutschen Kolonialreich führten und maßgeblich von Bismarck bestimmt wurden, haben die „Kolonialphantasien“ ohnehin denkbar wenig zu tun. Wenden sich aber neuere Untersuchungen konkreteren Fragen zu wie etwa der Rolle deutscher Farmersfrauen in „Deutsch-Südwestafrika“, wird der Einfluss von nicht einmal 300 Frauen auf die Geschlechterordnung, den Rassismus, das Image dieser deutschen Siedlungskolonie im Kaiserreich nahezu grotesk überschätzt. Dass einige kolonialenthusiastische Schriftstellerinnen in der Heimat sich ihrer Geschlechtsgenossinnen in Südafrika emphatisch angenommen haben, besagt noch denkbar wenig über die Wirkungsgeschichte dieser Publizistik in einem Land mit 64 Millionen Einwohnern und einer überaus vielseitigen Presselandschaft.2 Dass es im Lichte des nationalsozialistischen Genozids Vorläufer in den deutschen Kolonialkriegen gegeben habe, sucht im Anschluss an ältere Vorarbeiten eine neuere Diskussion am Beispiel namentlich des Hererokriegs (1904–1908) in Südwestafrika nachzuweisen.3 Aber zum einen fehlt noch immer das „Missing Link“ zwischen 1904/08 und 1939/41, das durch die Weltbildanalyse mehrerer Offiziersgenerationen erst einmal nachzuweisen wäre. Zum zweiten zeichnen sich die Kolonialkriege der westlichen Imperialmächte durch ein hohes gemeinsames Maß an grausamer Rücksichtslosigkeit aus (Wer denkt nicht an Napiers Maschinengewehreinsatz gegen speerschwingende Stammeskrieger?), ohne dass doch Engländer, Franzosen, Spanier, Holländer, einen Genozid initiiert hätten. Und was die Einwirkungen des kolonialen Rassismus auf das Kaiserreich angeht – ein Einfluss, der oft mehr insinuiert als überzeugend nachgewiesen 2 Susan M. Zantop, Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland 1770–1870, Berlin 1999; Russel A. Berman, Enlightenment or Empire. Colonial Discourse in German Culture, Lincoln, Neb. 1998; Birthe Kundrus (Hg.), Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a.M. 2003; dies., Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Köln 2003; handfeste Verbandsgeschichte in dies., Weiblicher Kulturimperialismus. Die imperialistischen Frauenverbände des Kaiserreichs, in: Conrad/Osterhammel, Kaiserreich, S. 213–235; Lora Wildenthal, German Women for Empire 1884–1945, Durham/N.C. 2001; dies., „She is the Victor“. Bourgeois Women, National Identities and the Ideal of the Independent Woman Farmer in German Southwest-Africa, in: Geoff Eley (Hg.), Society, Culture and the State in Germany 1870–1930, Ann Arbor 1996, S. 371–396; Daniel Joseph Walther, Creating Germans Abroad. Cultural Politics and National Identity in Namibia, Athen 2002; überzeugender ist Jürgen Zimmerer, Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialen Namibia, Münster 22002. 3 Vgl. z.B. die teils überzogene, teils zu luftige Beweisführung in Jürgen Zimmerer, Holocaust und Kolonialismus. Beitrag zu einer Archäologie des genozidalen Gedankens, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 1098–1119; ders./Joachim Zelter (Hg.), Völkermord in Deutsch-Südwestafrika 1904–08, Berlin 2003; ders., Die Geburt des ‚Ostlandesǥ und der Geist des Kolonialismus. Die NS-Eroberungs- und Besatzungspolitik in postkolonialer Perspektive, in: Sozial.Geschichte 191 (2004), S. 10–43. Vgl. von den älteren Studien noch immer Helmut Bley, Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894–1914, Hamburg 1968.
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wird – hat Dieter Gosewinkel unlängst mit wohltuend nüchternem Urteil demonstriert, dass die koloniale Erfahrung in das neue reichsdeutsche Staatsbürgerrecht von 1913 keinen Eingang gefunden hat.4 Trotz der Diskussion über „gemischtrassige“ Ehen und „farbige Mischlinge“ blieb die Gesetzesformulierung von diesen Problemen unberührt, obwohl sich der alldeutsch-völkische Einfluss sonst spürbar geltend machte. Wahrscheinlich ist eine umfassende Analyse des Sozialdarwinismus für das Verständnis des deutschen Rassismus ungleich ergiebiger als der Rückgriff auf einige Farmersfrauen. Eine offene Frage bleibt vorerst, warum ein realgeschichtlich derart sekundäres Phänomen wie die kurzlebige deutsche Kolonialgeschichte ein solches Interesse auf sich zu ziehen vermag, warum sich dort ein bevorzugter Weg in die Transnationale Geschichte öffnet. Vermutlich sind die „Postcolonial Studies“ ein Impulsspender, der seine Exportfähigkeit auch anderswo bewiesen hat. Hier ist die Empathie für die Verlierer des neuzeitlichen Entwicklungsprozesses, insbesondere die „Loser“ in den Kolonien, eine starke Antriebskraft. Den Entmündigten und Disziplinierten, den Diskriminierten und den von der gewaltsam voranschreitenden Modernisierung Betroffenen soll endlich Gerechtigkeit widerfahren. Neben den Siegern des historischen Prozesses sollen sie endlich ihren eigenen Platz zugesprochen bekommen. Das ist ein Motiv, das mit der Aufwertung des „kleinen Mannes“ durch die Alltagsgeschichte der 1980/90er Jahre durchaus verwandt ist. Aber reicht ein solches Engagement aus, um eine theoretisch und methodisch abgesicherte Basis für eine überzeugende Transnationale Geschichte zu gewinnen? Nicht abwegig ist es, auch an dieser Stelle wieder den unheilvollen Einfluss Foucaults zu vermuten. Seine Leitvorstellung vom Aufstieg des „Kerkerstaats“ mit seinen allumfassenden Disziplinierungsmethoden lässt sich mühelos auf die Kolonialgeschichte mit ihrer ubiquitären Präsenz von Herrschaft und Knechtschaft übertragen. Das geschieht dann aber, gespeist von einem „trivial-foucaultianischen Lebensgefühl“ (Paul Nolte), leicht mit einer Einseitigkeit, die einer nüchternen Abwägung kaum mehr fähig ist: etwa des vermeintlichen endogenen Entwicklungspotenzials im Vergleich mit der westlichen Überwältigungsmacht.5
4 Dieter Gosewinkel, Rückwirkungen des kolonialen Rasserechts? Deutsche Staatsangehörigkeit zwischen Rassestaat und Rechtsstaat, in: Conrad/Osterhammel, Kaiserreich, S. 236–256. 5 Christian Geulen, Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert, Hamburg 2004; Hans-Ulrich Wehler, Michel Foucault. Die „Disziplinargesellschaft“ als Geschöpf der Diskurse, der Machttechniken und der „Bio-Politik“, in: ders., Die Herausforderung der Kulturgeschichte, München 1998, S. 45–95.
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2. Die Industrialisierungsforschung ist im Kern ebenfalls einem transnationalen Expansionsprozess seit jeher auf der Spur. Von Adam Smith über Karl Marx, Gustav Schmoller, Max Weber und Werner Sombart bis hin zu den hochkarätigen wirtschaftshistorischen Spezialisten des 20. Jahrhunderts hat eigentlich keiner die alle nationalen Grenzen überspringende Natur des Industriekapitalismus je in Frage gestellt. Auch der international einflussreichste Wirtschaftshistoriker der 1960/70er Jahre, Alexander Gerschenkron, hat mit seiner Lehre von den funktionalen Äquivalenten, welche die „Nachzüglerstaaten“ finden müssten, um für die Faktorausstattung des „Pionierlandes“ England einen gleichwertigen Ersatz zu finden, stets einen internationalen Evolutionsprozess vor Augen gehabt. Die hierzulande von Sidney Pollard und Richard Tilly angeregte lebhafte Regionalforschung, die dem Inselcharakter von Industrialisierungszentren endlich Rechnung trägt, führte alsbald über die geographische Enge hinaus zu transnationalen Problemen, wenn zum Beispiel die Industrieregion Ruhrgebiet-SüdbelgienNordfrankreich oder das deutsch-österreichisch-russisch-oberschlesische Industrierevier die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Und für die Sozialgeschichte des Handels- und Gewerbekapitalismus haben internationale Bankiers- und Fernhändler-Netzwerke, die transnationale Migration von Hugenotten, sephardischen Juden, calvinistischen oder lutherischen Minderheiten immer eine unübersehbare Rolle gespielt. Auch Immanuel Wallersteins zeitweilig vieldiskutierte Theorie des „Weltsystems“, welche das Marxsche Erbe mit der Dependenztheorie der lateinamerikanischen Politischen Ökonomie verband, rückte globale Prozesse der Zentrums- und Peripheriebildung in den Mittelpunkt. Außer zahlreichen anderen Defiziten hat er freilich seinen eigentlichen Grundfehler nie korrigiert: Europa besaß in der Frühen Neuzeit schlechterdings alle Ressourcen und Innovationen, um weltweit erfolgreich expandieren zu können. Die Ausbeutung der Peripherie, von der es keineswegs abhängig war, hat das Schwungrad dieser Entwicklung weiter angetrieben, aber nicht erst in Gang gesetzt.6 3. Im Zusammenhang mit dem Aufstieg des Industriekapitalismus ist die Proletarisierung von Karl Marx bis Charles Tilly als ein alle nationalen Grenzen überspringender Vorgang industrialisierender Länder begriffen worden. Ein Gutteil der Faszination, die einmal von der Marxschen Realanalyse und Erlösungsrhetorik ausging, beruhte darauf, dass sie die nationalhistorische Beschränkung hinter sich ließ und das Schicksal des freien 6 Immanuel Wallerstein, The Modern World-System, 3 Bde. (bis 1850), N.Y. 1974/1980/1989; vgl. Cornelius Torp, Die Weltsystem-Theorie Immanuel Wallersteins. Eine kritische Analyse, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1998/I), S. 217–241.
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Lohnarbeiters in den Begriffen einer globale Geltung beanspruchenden Geschichtstheologie deutete. Die moderne Forschung zur Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung hat diese internationale Orientierung zu keinem Zeitpunkt aufgegeben.7 4. Einem vergleichbaren Imperativ gehorcht seit jeher die Religionsgeschichte, denn die Ausbreitung der großen Weltreligionen, namentlich des Christentums, des Islams und des Buddhismus, ließ sich in lokaler, regionaler, nationaler Einschränkung nirgendwo angemessen erfassen. Dasselbe gilt sowohl für die vergleichende Verfassungsgeschichte, wie das Wolfgang Reinhard vor kurzem mit seiner brillanten Analyse des europäischen Staatsbildungsprozesses demonstriert hat,8 als auch für die vergleichende Bildungs- und Rechtsgeschichte. Und die Geschichte eines multinationalen europäischen Vielvölkerreichs wie Österreich-Ungarns zwang ohnehin zur Berücksichtigung transnationaler Probleme. Kurzum, es gibt vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten, um das neue Interesse an Transnationaler Geschichte mit traditionsreichen Forschungsfeldern in Verbindung zu bringen, anstatt das Rad neu erfinden zu wollen. Nun ist es unmittelbar einleuchtend, die expansionistische Vergangenheit großer Imperialmächte wie England und Frankreich, Spanien und Holland, zunehmend auch der Vereinigten Staaten, unter dem Gesichtspunkt der wechselseitigen Beeinflussung von Metropole und Kolonien zu untersuchen, mithin nicht nur den Einfluss der westlichen Mächte auf ihre Kolonien oder abhängigen Gebiete, sondern auch der Kolonien auf das Herrschaftszentrum nachzugehen. Ein besonderes Problem ist aber damit verbunden, wenn dieser Ansatz auch auf das Deutsche Kaiserreich und seine Kolonien übertragen wird. Denn dieses kurzlebige Zwischenspiel eignet sich denkbar wenig für die Übertragung des „postkolonialen“ Forschungsansatzes, waren es doch nur wenige, ökonomisch ganz überwiegend unrentable, maximal 20.000 Beamte, Kaufleute, Militärs und Farmer aufnehmende Kolonien, die gerade einmal dreißig Jahre lang im Besitz des Kaiserreichs waren. Dieser denkbar heterogene Streubesitz lässt sich nicht mit dem jahrhundertealten riesigen englischen Besitzungen in Nordamerika, Australien und 7 Marcel van der Linden, Vorläufiges zur transnationalen Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 291–304; ders., History of the Working Classes, in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences 24 (2001), S. 16579–16583; Charles Tilly, Durable Inequality, Berkeley 21999. 8 Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999; vgl. ders., Was ist europäische Kultur? in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 593–616.
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Neuseeland, erst recht nicht mit dem reichen Subkontinent Indien und Südafrika vergleichen. In eingeschränkter Form gilt das auch für den französischen Besitz in Nord- und Westafrika sowie in Südostasien. Und das gewaltige niederländische Pazifikreich, Holländisch-Hinterindien, dauerte gut elf Mal so lang wie das deutsche Kolonialreich und verschaffte Holland zudem unendlich mehr Reichtum als die deutschen Kolonien. Daher gilt a limine: Wie kann man seinen „sense of proportions“ derart verlieren und zu der These gelangen, dass „auch die wilhelminische Gesellschaft von den Auswirkungen der kolonialen Erfahrungen maßgeblich (!) geprägt“ worden sei.9 Sind denn etwa Reichsverfassung und Reichsgesetzgebung durch die Kolonien verändert worden? Das wäre ein harter, überzeugender Beweis. Doch nicht einmal 1913 konnte sich Kolonialrecht in das Staatsbürgerrecht einnisten. Hat die kurzlebige koloniale Herrschaftspraxis auf das Regierungssystem der Metropole eingewirkt? Während imperiale Prokonsuln wie Alfred Milner ganz unverhohlen ihren autoritären Herrschaftsstil aus den Kolonien nur zu gerne in das englische Mutterland verpflanzt hätten, haben die biederen deutschen Kolonialgouverneure nicht von ferne an solch einen Transfer gedacht. Auch in dieser Hinsicht waren die deutschen Kolonien kein „Labor der Moderne“. Und die Parteien und Verbände? Unstreitig begrüßten die Nationalliberalen und einige Freikonservative den Kolonialbesitz, und die Alldeutschen verfochten sogar utopische Pläne eines mittelafrikanischen Großreichs. Doch SPD, Zentrum, Freisinn, Deutschkonservative ließen sich im Allgemeinen von dem Kolonialenthusiasmus, der ein kostspieliges Verlustgeschäft zu überspielen versuchte, nicht ernsthaft anstecken. Blickt man auf die großen Sozialformationen, lässt sich ein grosso modo „maßgeblicher“ kolonialer Einfluss ebenfalls schwerlich erkennen. Hocharistokratie und Niederadel konnten sich mit den Kolonialprojekten nie anfreunden. Dem Militäradel galt eine angesehene Garnison weit mehr als der Dienst bei der Schutztruppe. Im Wirtschaftsbürgertum gab es die kleine Koloniallobby hanseatischer Kaufleute, die im westafrikanischen Kamerun, in Deutsch-Südwestafrika und auf Samoa an einem letztlich kärglichen Überseegeschäft verdienten. Die Hoffnung, sich von Kiautschau aus am Wettlauf um die Erschließung des fabulösen chinesischen Großmarkts beteiligen zu können, ging in dem Dutzend Jahre vor 1914 nicht in Erfül9 Sebastian Conrad, „Eingeborenenpolitik“ in Kolonie und Metropole. Erziehung zur Arbeit in Ostafrika und Ostwestfalen, in: ders./Osterhammel, Kaiserreich, S. 107–128; ein enthusiastisches Plädoyer mit Überschätzung der deutschen Kolonialerfahrung in: ders., Marginalisierung, S. 147– 150, hier S. 163, zugleich aber eine realistische Warnung vor der Überschätzung der Bedeutung des Kolonialbesitzes (ders./Osterhammel, Kaiserreich, S. 22). Was gilt nun, möchte man gerne wissen, die Behauptung „maßgeblicher Prägung“ oder vom „kleinen Teilbereich“?
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lung. Die potente Großbourgeoisie pflegte das rapide wachsende dynamische Exportgeschäft, den internationalen Fernhandel und Kommunikationsnetzwerke wie die HAPAG und den Norddeutschen Lloyd und die rasch wachsende Handelsflotte, ohne einen Gedanken auf die Kameruner Sümpfe oder die Namibische Wüste zu verschwenden. Im Bildungsbürgertum sah das Bild deutlich anders aus. Da die neuhumanistische Bildungsidee in enger Symbiose mit dem deutschen Nationalismus aufgestiegen war (der gemeineuropäische Neuhumanismus verdiente in der Tat endlich eine Neuuntersuchung als transnationales Phänomen), bildete für die jüngere Generation seit den 1880/90er Jahren der Übergang zur „Weltpolitik“ und Kolonialexpansion eine quasi natürliche Fortsetzung ihres Reichsnationalismus und ihrer Weltmachtaspirationen. Kolonialverein, Flottenverein, Alldeutsche rekrutieren daher ihr Führungspersonal und einen Großteil ihrer Mitglieder aus dem Bildungsbürgertum. Wenn ein Einfluss der deutschen Kolonialerfahrung empirisch glaubwürdig dargetan werden kann, dann durch die Mentalitätsgeschichte des deutschen Bildungsbürgertums. Industriearbeiterschaft und Bauerntum sind dagegen ganz so wie der „alte“ und der „neue“ Mittelstand von kolonialen Einflüssen so gut wie frei geblieben und haben auch ihren Lebensstil nicht auf die Kolonialverhältnisse zu projizieren versucht. Ob die deutschen Kolonialkriege Vorformen des Totalen Krieges und des nationalsozialistischen Genozids verkörperten, bleibt, wie vorn bereits erwähnt, zuerst noch ein empirisch ungeklärtes Problem. Noch scheint die Verarbeitung der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, scheinen rassistischer Antisemitismus und vulgärer Sozialdarwinismus auf die ungleich wichtigeren Faktoren hinzuweisen. Wohl aber lohnt sich der Hinweis auf zwei Probleme, die anzuschneiden vermutlich das Gebot der „politischen Korrektheit“ verletzt. Sebastian Conrad hat die Erziehung der Armen und Asozialen zu regelmäßiger Arbeit in den Betheler Anstalten ganz à la Foucault als Methode der Sozialdisziplinierung beschrieben, die sich für den Export nach Deutsch-Ostafrika geeignet habe und dort auch praktiziert worden sei. Eine Rückwirkung auf die Betheler Praxis ist von ihm aber nicht plausibel gemacht worden.10 Hinter diesem missglückten Beispiel, das praktizierte „Wohlfahrtspolitik“ und soziales Engagement für Schwache wieder nur als Entmündigung versteht, verbirgt sich aber ein grundsätzliches Problem. In der philosophischen Anthropologie von Kant und Hegel über Marx bis Weber spielt Arbeit als Formierung und Selbstverwirklichung der menschlichen Persönlichkeit eine zentrale Rolle. Durch die luthersche Vorstellung vom „Beruf“ 10 Conrad, Eingeborenenpolitik.
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ist sie noch einmal überhöht worden. Gab es praktikable Alternativen zu dem Betheler Projekt, die „Bildung des inneren Menschen“ durch Gewöhnung an stetige Arbeit voran zu treiben? Und besaß die deutsche Arbeitspolitik in den Kolonien in der Perspektive der Zeitgenossen andere Optionen, um Einheimische in einem langwierigen Disziplinierungsprozess an regelmäßige Arbeit im europäischen Sinn zu gewöhnen – wie brutal und ausbeuterisch diese Arbeit auch vorerst ausfallen mochte? Hat sich die Natur dieses Disziplinierungsprozesses unter den ganz anderen Bedingungen postkolonialer Selbstständigkeit bis heute wesentlich verändert? Diese Frage lenkt auf das zweite Problem hin. Marx hat wiederholt über die nichtwestlichen Regionen des Globus geurteilt, dass sie aus Mangel an einem hinreichenden endogenen Entwicklungspotenzial durch den westlichen Imperialismus gewaltsam, eine blutige Spur unendlicher Opfer hinterlassend, an die moderne Welt angeschlossen werden mussten. Diese Interpretation mit ihrer eiskalten, ethnozentrischen, hegelianischen Selbstgewissheit ist von zahlreichen Intellektuellen früherer „Entwicklungsländer“ leidenschaftlich bestritten worden. Indien und China hätten etwa, hieß es immer wieder, eine entwicklungsfähige Hochkultur besessen, die durchaus den Sprung in die kapitalistische, die industrielle Moderne ermöglicht hätten, wenn der westliche Imperialismus diese Chance nicht radikal zerstört hätte. Ähnliche Ansprüche verbargen sich hinter der Erfindung hochkultureller afrikanischer Großreiche wie Ghana und Zimbabwe. Empirisch überzeugend nachgewiesen worden ist dieses endogene Evolutionspotenzial bisher noch nie. Faktisch hat der westliche Imperialismus Asien, Afrika und Lateinamerika in die von ihm geprägte Welt hineingestoßen und seine soziokulturellen Maßstäbe weithin durchgesetzt. Stellt man sich diesen Problemen der Arbeitsorganisation und der Alternativlosigkeit der imperialistischen Welterschließung, wird das Urteil über die Kolonialgeschichte vermutlich differenzierter und balancierter ausfallen, als das bei den Adepten der neuen Strömung bisher öfters der Fall war. In letzter Zeit wird diese Frage mit dem Blick auf den Islam intensiv diskutiert. Besitzt die islamische Religion und Kultur eine eigenständige Alternative zum westlichen Modell? Eignet dem Islam überhaupt die Fähigkeit, eine Reformation von sich aus in Gang zu bringen, die ja auch ein Bestandteil des öfters anvisierten „Euroislams“ sein müsste? Sind autonome Ansätze nur durch die westliche Kolonialherrschaft unterdrückt worden? Setzt sich der Westen zurzeit wieder nur machtpolitisch durch? (Eine Behauptung, die wiederum eine Verteidigung der Foucaultschen Disziplinierungslehre nahe legt.) Oder gibt es eine genuine Unfähigkeit des Islams, allemal des fundamentalistischen, eine eigene Zielutopie von Demokratie und freiheitlicher Gesellschaft zu entwickeln und zu tragen? Hier tun sich reizvolle Aufgaben für eine undogmatische Transnationale Geschichte auf.
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Abseits der wenig verlockenden Probleme des deutschen Kolonialimperialismus lenkt die Forderung nach Transnationaler Geschichte auch und gerade deutsche Historiker auf eine attraktive Erweiterung ihrer Perspektiven hin. Am aussichtsreichsten wirken zur Zeit das Konzept und die Geschichte der Globalisierung: jenes umfassenden, in Waren- und Kapitalströmen, Migrationen und Wissenstransfers, imperialer Expansion und informeller Vorherrschaft, telegraphischer und elektronischer Kommunikationsverdichtung zu Tage tretenden Transformationsprozesses, der im Kern den Globus in ein einheitliches politisches und ökonomisches, sogar kulturelles Aktionsfeld überführt. Die Entscheidung, das Phänomen und die Theorie der Globalisierung in den Mittelpunkt zu stellen, kann vier Gründe für sich geltend machen. (1) Es gibt inzwischen eine empirisch solide Basis von Forschungsergebnissen, die von Wirtschaftswissenschaftlern und -historikern erarbeitet worden sind. (2) Ein Bündel von theoretisch erklärungskräftigen Interpretationen, an deren Entwicklung sich führende Köpfe der Ökonomie und Wirtschaftsgeschichte beteiligen, strukturiert die empirischen Befunde. (3) Man gewinnt den Anschluss an eine außerordentlich lebhafte, durchaus kritische internationale Diskussion auf hohem Reflexionsniveau. (4) Transnationale Probleme werden, geradezu als Selbstverständlichkeit, berücksichtigt und in den umfassenden analytischen Rahmen eingeordnet. Dagegen leidet die Debatte über Transnationale Geschichte hier zu Lande noch daran, dass sie bekenntnisfreudig ein appellatives Postulat wiederholt, öfters ziemlich unreflektiert, um nicht zu sagen naiv, der Modeströmung der „postkolonialen Studien“ folgt und eher eine vermeintlich neue Perspektive verteidigt, anstatt sich auf die konzeptionelle Feinarbeit einzulassen. Möglicherweise werden Globalisierungsgeschichte und Transnationale Geschichte in absehbarer Zeit konvergieren. Doch zurzeit sieht es ganz so aus, als ob die Globalisierungsforschung dabei ihren Primat behaupten könnte. Wenn es zutrifft, dass seine permanente Expansion die „global wirksame einzigartige Existenzform Europas“ war11 (und vielleicht auch in Gestalt der EU weiterhin ist?), haben die Länder des deutschsprachigen Mitteleuropas und schließlich Deutschland selber auf vielfältige Weise an der Globalisierung teilgenommen und sind von ihr wiederum beeinflusst worden. In diesem Kontext erhält zum Beispiel die Transfergeschichte ihren Stellenwert, ganz gleich, ob es um den Export des deutschen Sozialstaatsmodells, die Imitation der deutschen Reformuniversität durch amerikanische Colleges oder das weite Feld einer zeitgemäßen Intellectual History geht, welche die Heidegger-Rezeption im Frankreich der Nachkriegszeit, die Carl-Schmitt-
11 Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, S. 461.
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Renaissance im derzeitigen Italien und Spanien oder die Aufnahme Max Webers in Japan verfolgt.12 Gleichzeitig wirft die Globalisierung neues Licht auf vertraute Probleme, deren Genese und Entwicklung in dieser Perspektive neue Dimensionen gewinnen. So nimmt sich etwa die deutsche Außenwirtschaftspolitik vor 1914, insbesondere die umstrittene Zollpolitik, wesentlich anders aus, wenn man sie als Verteidigung gegen den Anprall der ersten modernen Globalisierungswelle nach dem amerikanischen Bürgerkrieg versteht (Cornelius Torp), da seither in Windeseile ein Weltagrar- und dann ein Weltindustriemarkt entstanden. Der Nationalismus schien im Zuge des „neuen Imperialismus“ seinen Charakter zu verändern, da er sich nach der Meinung zahlreicher Zeitgenossen auf die erbitterte Rivalität in dem aufsteigenden Weltstaatensystem einstellen musste. Die neue Wissenschaftsreligion des europäischen und amerikanischen Bürgertums, der Darwinismus, erfasste die intellektuelle Welt mit der Gewalt eines Steppenbrandes. Unter dem Einfluss des Sozialdarwinismus wurde der Rassismus mit einer weithin überzeugungskräftig wirkenden pseudowissenschaftlichen Rechtfertigung aufgeladen. Auch der Antisemitismus konnte in der Internationalität seiner Erscheinungsformen eine neue Bestätigung finden.13 Gegenwärtig ist die Expansion der Zivilgesellschaft ein Phänomen, das sich ebenfalls mit Gewinn im Rahmen der Globalisierungsproblematik studieren lässt.14 Alle diese Fragen versprechen jedenfalls ergiebigere Antworten als die Fokussierung der Interessen auf den „kleinen Teilbereich“ der deutschen Kolonialgeschichte. Auch wenn die Vorzüge der Globalisierungsforschung betont werden, ändert das vorerst einmal nichts daran, dass die Nationalstaaten und Nationalgesellschaften dort, wo sie sich mit ihren Organisationsprinzipien durchgesetzt und behauptet haben, auf absehbare Zeit „den umfassendsten lebensweltlichen Bezugsrahmen“ der in ihnen lebenden Menschen darstellen. Die gelegentlich beschworene transnationale Gesellschaft oder Weltgesellschaft besitzt noch keineswegs ein „sozialstrukturelles Substrat“. Denn die internationale Managerelite der multinationalen Großkonzerne oder die UN-Funktionäre bilden zahlreiche kleine Netzwerke, doch keine umfassende Gesellschaft.
12 Die angeblich durchschlagenden Vorzüge der „histoire croisée“ vermag ich noch nicht zu sehen. 13 Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, S. 471. 14 Vgl. z.B. Hartmut Kaelble, Gibt es eine europäische Zivilgesellschaft?, in: Dieter Gosewinkel u.a. (Hg.), Zivilgesellschaft – national und transnational, Berlin 2003, S. 267–284; ders./Günther Schmidt (Hg.), Das europäische Sozialmodell. Auf dem Weg zum transnationalen Sozialstaat, Berlin 2005.
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1. Der Nationalstaat bleibt daher vorerst der entscheidende Ort, an dem alle wichtigen Sozialisationsprozesse ablaufen: innerhalb der Familie, im Bildungssystem, im Freundeskreis, im Berufsleben. Dort werden Habitus, Mentalität und Weltbilder geprägt. 2. Der Nationalstaat als Verfassungs-, Rechts- und Sozialstaat gewährt im Allgemeinen seinen Bürgern Sicherheit und Beistand bei der Lebensorientierung. 3. Im Ansatz der Transnationalen Geschichte steckt allzu leicht eine systematische Unterschätzung des Nationalstaats als lebensgeschichtlichem Bezugsrahmen und Loyalitätspol, im Zeichen des virulenten Nationalismus sogar als letztverbindliche Sinngebungsinstanz. Überdies kommen Experten der neuesten Politischen Ökonomie zu dem Ergebnis, dass die politische Autorität des Nationalstaats heute durch die Globalisierung noch nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Wie die Globalisierungswellen sich auch verstärken mögen, auf absehbare Zeit bleiben die Nationalgesellschaften für viele Prozesse der entscheidende Rahmen. Es geht dabei nicht nur um das Verfassungsgerüst der modernen Nationalstaaten, sondern um einen entscheidenden gesellschaftlichen und kulturellen Handlungsraum, der sich nicht zuletzt durch die anhaltende nationalgeschichtliche Deutung der Vergangenheit immer wieder neu konstituiert und verstärkt. Die deutsche Neuzeitgeschichte bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Zu dieser Unterschätzung der Nationalgesellschaften noch eine eher spekulative Schlussbemerkung. Die jüngere Generation der deutschen Freunde der Transnationalen Geschichte besteht keineswegs aus Nationalisten. Sie hat auch nicht den militanten, radikalen deutschen Nationalismus bis 1945 erlebt. Deshalb unterschätzt sie vielleicht die Prägekraft einer relativ zivilisierten Nationalgesellschaft, die sich vierzig Jahre lang mit dem geteilten Nationalstaat schwer getan und deshalb nicht ohne Grund auf den Loyalitätsspender Europa gesetzt hat. Eine realitätsnähere Anerkennung der nationalgesellschaftlichen Einflussmacht steht daher an. Vergleichen lässt sich dieser künftige Lernprozess mit der Aufgabe, die der Mehrheit in der soziologischen Ungleichheitsforschung in Deutschland bevorsteht. Seit den 1980er Jahren ist dort vor allem von Schülern Karl Martin Boltes, namentlich von Ulrich Beck, Stefan Hradil und Peter Berger, der Klassenanalyse eine Absage erteilt worden. Individualisierung und Pluralisierung, Lebensstil und Milieu beschreiben plakativ das neue Paradigma, das von der Prosperität der oberen und unteren Mittelklassen in der alten Bundesrepublik ausging, denen die Ungleichheitsforscher, mit aus-
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kömmlichem Einkommen ausgestattet, auch selber angehörten. Die weiterhin bestehenden harten Formen sozialer Ungleichheit – auf Grund des Berufs, der Bildung, des Prestiges, des Geschlechts, des Alters, der ethnischen Zugehörigkeit – verschwanden in der bunten Welt der Lebensstile. Diese Mode verkörperte durchaus einen deutschen Sonderweg in der Ungleichheitsforschung, denn nirgendwo sonst haben die Soziologen sie so radikal umzupolen, selbst von der undogmatischen Klassenanalyse à la Weber wegzuführen, versucht.15 Inzwischen lehren sechs Millionen Arbeitslose, klassische Ungleichheitsphänomene in den neuen Bundesländern und fortbestehende Klassendifferenzen im Gebiet der alten Bundesrepublik, dass man die Sackgasse der pluralistischen Milieus schleunigst zu verlassen hat, um zu einer realitätsnäheren Sozialforschung, im Stil etwa von Rainer Geissler, Karl Ulrich Mayer und Michael Hartmann, zurückzukehren. Bei ihrem Lernprozess, die in der Aufbruchstimmung übersehenen Defizite der Transnationalen Geschichte zu korrigieren, befinden sich die Historiker mithin in der guten Gesellschaft von Generationsgenossen, die in der soziologischen Ungleichheitsforschung eine ähnliche Selbstkritik praktizieren müssen. Der Vorwurf der Rückkehr zu Traditionen sollte keinen abschrecken, da in ihnen zahlreiche bewährte, anschlussfähige Ansätze gespeichert sind.
15 Vgl. Rainer Geisslers glänzende Kritik: Kein Abschied von Klasse und Schicht, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie 48 (1996), S. 319–338; von Michael Hartmann z.B. Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft, Frankfurt a.M. 2002; weiterführend: Thomas Welskopp, Der Wandel der Arbeitsgesellschaft. Klassen, Professionen und Eliten, in: Handbuch der Kulturwissenschaften, Bd. 3, hg. von Friedrich Jaeger und Jörn Rüsen, Stuttgart 2004, S. 225–246.
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Dieter Langewiesche
Nationalismus – ein generalisierender Vergleich
Grundmuster Nationalgeschichte wird nicht selten nationalistisch betrieben, und sie mag zum nationalen Tunnelblick neigen. Nationalismusforschung einer verengten Form von Nationalgeschichte zuzuordnen, wäre jedoch ein Missverständnis. Es gehört vielmehr zu den Kerneinsichten jeder Nationalismusforschung – selbst wenn sie nationalistisch instrumentalisiert wird – auf Vergleich angewiesen zu sein, und sie ist offen für die unterschiedlichen Vergleichsarten, die gegenwärtig diskutiert werden.1 Ihre einflussreichsten Studien zielen jedoch auf einen Vergleich, den man generalisierend nennen kann. Ihm geht es darum, die Kernelemente zu bestimmen, welche die Wirkungsweisen nationaler Ideen und Praktiken auszeichnen. Gefragt wird auch nach ihren Entwicklungsmustern, nach den Intentionen der Handelnden und deren Wahrnehmungen und Deutungen. Stets aber richtet sich das Interesse nicht auf nationale Besonderheiten; gefragt wird vielmehr vorrangig nach Gemeinsamkeiten, um aus ihnen Grundmuster nationalen Denkens und Handelns zu bestimmen, die in allen nationalen Gesellschaften zu beobachten sind.
Fallbeispiel Benedict Anderson, Ernest Gellner und Anthony D. Smith, um nur diese drei international außerordentlich wirksamen Autoren zu nennen, zielen auf einen solchen generalisierenden Vergleich. Seine spezifischen Möglichkeiten und Grenzen sollen nun zunächst an Smiths neuestem Buch Chosen Peoples2 betrachtet werden.
1 Eine gelungene Erprobung unterschiedlicher (nicht aller) Ansätze bei Jürgen Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001. 2 Anthony D. Smith, Chosen Peoples. Sacred Sources of National Identity, Oxford 2003. Zum Verhältnis von Nation und Religion auch Benedict Anderson, The Spectre of Comparisons. Nationalism, Southeast Asia and the World, London 1998, S. 360ff.
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Dieter Langewiesche
Smith fragt, warum ungeachtet aller globalen Verflechtungen, die nationalstaatlichen Grenzen übergreifen, nationale Werthaltungen (national identities) noch heute weltweit ungebrochen wirksam sind. Während er in seinen früheren Werken fünf Elemente unterschied, die eine jede Nation konstituieren – historisches Territorium; gemeinsame Mythen und historische Erinnerungen; gemeinsame Massenkultur; gemeinsame gesetzliche Rechte und Pflichten für alle Mitglieder der Nation; gemeinsame Ökonomie mit territorialer Freizügigkeit für alle Angehörigen der Nation3 – will er nun das Rätsel überzeitlicher Dauer nationaler Bindungen erklären. Warum sterben Nationen so schwer? Vergleiche im Sinne von Transfer oder Verflechtung (histoire croisée) wären wohl nicht in der Lage, diese Frage zu untersuchen. Denn sie sind darauf angewiesen, dass ihre Untersuchungsobjekte miteinander kommunizieren. Dies ist bei den Nationen, die Smith in transnationaler Perspektive betrachtet, nicht gegeben. Er geht deshalb den Weg eines generalisierenden Vergleichs, ohne dass er sich mit den unterschiedlichen komparatistischen Konzeptionen auseinandersetzt. Smith untersucht an ausgewählten Fällen von biblischer Zeit bis ins 20. Jahrhundert kollektive Einstellungen zu „the ‚sacred foundations‘ of the nations“.4 Nur diese religiöse Fundierung jenseits von Ethnizität, Sprache und Staat ermögliche die Stärke und Dauerhaftigkeit des „modern beliefsystem of nationalism“.5 Die Nation vereine zu allen Zeiten Elemente des Glaubens und ethnischer Gemeinschaft zu einer neuen Einheit, die aus überkommenen religiösen Einstellungen und Riten „a national community of faith and belonging“ erschaffe.6 Der moderne Nationalismus verwandle den Glauben an diese „sacred communion“ in säkulare Authentizität – gewissermaßen das Allerheiligste des nationalen Kults. Dessen Tabernakel bewahre das Numinose, aus dem sich nationale Identität speise: Gemeinschaft in Raum und Zeit, über Jahrhunderte hinweg mit kultureller Bedeutung aufgeladen und geheiligt. Nur weil die Nationalisten sich in diese heilige Tradition stellen, können sie ethnische Gruppen und deren Kultur politisieren und so „the new kinds of society, polity, and modernized culture“ erschaffen, „that we call ‚nations‘“.7 Keine Nation ohne Religion – Religion im Anschluss an Emile Durkheim funktional verstanden als Überzeugungen und Praktiken, die das Heilige vom Profanen unterscheiden und eine Gemeinschaft der Gläubigen erzeugen. Nation definiert Smith deshalb als „a community of faith“8. Er 3 4 5 6 7 8
Anthony D. Smith, National Identity, Reno 1991, S. 14. Ders., Chosen Peoples, S. 4. Ebd., S. 5. Ebd., S. 23; auch das folgende Zitat. Ebd., S. 43. Ebd., S. 24.
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unterscheidet vier historische Erscheinungsformen. Am Israel des Alten Testaments präsentiert er den Prototyp des Glaubens, von Gott erwählt zu sein. An den mittelalterlichen Armeniern und Äthiopiern sowie an den Buren und den jüdischen Zionisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts untersucht er die Vorstellung des Volkes, das mit Gott einen Bund geschlossen hat (peoples of the covenant). Für den Typus der missionary peoples, die sich im Unterschied zu denen des Bundes nach außen wenden und die Welt verändern wollen, hat er Russland, Frankreich, England sowie das mittelalterliche Schottland und Wales vor Augen. Smith blickt in die Geschichte, doch es geht ihm nicht um Ursprünge und historische Entwicklungen. Auf sie ist sein generalisierender Vergleich nicht angelegt. Er fragt vielmehr nach Argumentationsweisen nationaler Kulte, die nicht an bestimmte Epochen gebunden sind. Sie findet er in der Vorstellung der heiligen Heimat, des goldenen Zeitalters und des glorreichen Todes. In diesen Bildern imaginieren die Nationen eine heilige Bestimmung, die sie eint und auf eine gemeinsame Zukunft ausrichtet. Die Nation gebe so dem Heiligen seinen Platz in einer sich säkularisierenden Welt und gewinne religiös imprägniert eine politisch-kulturelle Bindekraft, die sie als weltliche Ideologie nie erreichen könnte. Diese zeitübergreifende weltgeschichtliche Perspektive – begrenzt auf den jüdisch-christlichen Bereich – wäre mit einem Transfer- oder Verflechtungsansatz nicht möglich, denn die Nationen, die Anthony D. Smith in seinen generalisierenden Vergleich einbezieht, standen nicht in Kontakt miteinander. Die Vergleichsperspektive wird hier vom Beobachter erzeugt; sie ergibt sich nicht aus den Entwicklungen im Beobachtungsfeld. Dieser beeindruckend weite Ansatz erzeugt jedoch auch Probleme, die in der Konzeption des generalisierenden Vergleichs angelegt sind, wenngleich sie nicht notwendig daraus folgen. Nation versteht Smith, wie die überwiegende Forschung seit jeher, als Ergebnis kultureller Praxis. Wie sie funktioniert, kann er jedoch in seinen weitflächigen Überblicken nicht betrachten. Smith bietet keine Kulturgeschichte, die kulturelle Praktiken analysiert, sondern eine Ideengeschichte, die Vorstellungen untersucht, wie sie sich in ‚heiligen‘ Texten erfassen lassen. Aus ihnen wird die Religion des Volkes erschlossen. Die Praxis mit ihrem dichten Netz von Beziehungen zwischen den Akteuren ist in einem generalisierenden Vergleich nur begrenzt zu erfassen. Sie muss aber nicht so dezidiert ausgeblendet werden, wie dies bei Smith geschieht. Um das an einem Beispiel zu erläutern: Indem Smith Religion funktional definiert, kann er politische Religionen, deren Verheißungen sich auf die diesseitige Welt beziehen, mit Religionen gleichsetzen, die auf das Jenseits vorbereiten. Das könnte hilfreich sein, um soziale Praktiken einzubeziehen, doch Smith stellt nicht die entscheidende Frage: Überstehen politische
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Diesseitsreligionen in der gleichen Weise wie Jenseitsreligionen politische Misserfolge?9 Der religiöse Glaube ist nicht an Erfolge gebunden, wohl aber der politische Glaube. Er kann nur ein gewisses Maß an Niederlagen verkraften.10 Die Niederlagen der Buren, um einen von Smith betrachteten historischen Fall aufzugreifen, haben ihre nationale Identität zerstört. Ihr religiöser Glauben kann davon jedoch unberührt geblieben sein. Die Dauerhaftigkeit religiösen Glaubens ist also nicht, wie Smith meint, generell eine Garantie für die Überlebenskraft nationaler Identitätskonstruktionen. Säkularreligiöse Fundierung ist nur ein Faktor, der dem Handlungsmodell Nation seine Stärke und Persistenz gibt. Das Zusammenspiel der Faktoren erfordert Analysen, die sich auf die Praxis einlassen. Solche Analysen fehlen bei Smith, sind dem Verfahren des generalisierenden Vergleichs jedoch nicht fremd. Smith verbaut sich diesen Weg, indem er meint, die longue durée nur mittels einer Ethnohistorie betrachten zu können, der er gegen die professionelle Historie das weite Feld von Erinnerungen und Mythen zuweist. Das ist ein Missverständnis, denn dieses Feld beackert auch die Geschichtswissenschaft eifrig. Ihre Methoden, Mythen und Erinnerungen zu untersuchen und deren Bedeutung für die kulturelle und politische Praxis zu erhellen, nutzt Smith nicht. Er schreibt Ideengeschichte, ohne sich darauf einzulassen, wie sie heute praktiziert wird. Smith erzählt die Geschichtserzählungen von Nationalisten: Was sie unter Geschichte verstehen, und wie sie daraus „maps for the road to national destiny“11 entwerfen. Vor allem ihre Überzeugung „no destiny without history“12 analysiert er glänzend. So entsteht ein Bild der Vergangenheit aus der Perspektive dieser Akteure. Sichtbar wird, wie Nationalisten in unterschiedlichen Zeitaltern und Gesellschaften sich und ihre Welt gesehen haben. Diese Selbstbilder rekonstruiert Smith eindrucksvoll. Darin liegen die Stärken, aber auch die Grenzen seines neuen Werkes und seiner Form des generalisierenden Vergleichs.
9 Darauf verweist Friedrich Wilhelm Graf, Die Nation – von Gott „erfunden“? Kritische Randnotizen zum Theologiebedarf der historischen Nationalismusforschung, in: Gerd Krumeich/Hartmut Lehmann (Hg.), „Gott mit uns“. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2000, S. 285–317, S. 298. 10 Vgl. Horst Carl u.a. (Hg.), Kriegsniederlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, Berlin 2004. 11 Smith, Chosen Peoples, S. 217. 12 Ebd., S. 216.
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Nation als entwicklungsoffene Ressourcengemeinschaft Nation und Nationalstaat werden im 19. Jahrhundert zu den schlechthin entscheidenden Kriterien für staatliche Ordnung. Alles andere gerät in Legitimationsnöte. Diese neue Ordnung ging als Idee von Europa aus und begann ihren weltweiten Siegeszug, ohne dabei jedoch in anderen Teilen der Welt einfach übernommen zu werden. Christopher Bayly hat die vielfältigen Varianten von Nationen, Nationalstaaten und Nationalismus jüngst eindrucksvoll in seiner Weltgeschichte des 19. Jahrhunderts vor Augen geführt. Wie in anderen Bereichen bedeutete Globalisierung auch hier gleichermaßen Zuwachs an Homogenität und Komplexität.13 Warum wurde damals und wird auch heute noch das politische Denken so massiv von der Idee Nation bestimmt, dass selbst ein suprastaatlich und supranational vereintes Europa weiterhin in Analogie zur Nation gedacht wird, das heißt als eine Einheit, die nicht nur gemeinsame staatliche Institutionen, sondern auch kulturelle Homogenität bedinge? Mit diesem Homogenitätsgebot, hier allerdings europäisch ausgeflaggt, argumentieren diejenigen, die gegen die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union sind. Doch auch jene, die sich für sie aussprechen, wenden sich nicht gegen die Notwendigkeit einer inneren Einheit in Analogie zur Nation, sondern verweisen auf die bereits erreichten Angleichungen in der Rechtsordnung und auf die Chancen, diesen Prozess künftig auf viele andere Bereiche ausdehnen zu können. Ziel ist immer das Ideal einer möglichst homogenen Gesellschaft als Voraussetzung einer einheitlichen funktionsfähigen Staatsordnung für alle Mitglieder der Europäischen Union. Das historische Modell für diese Idee von kultureller und politisch-institutioneller Homogenität ist die Nation.14 Warum hat diese Vorstellung von Nation eine solche Verbindlichkeit erlangen können? Welche Vorteile, welche Leistungen verspricht sie? Dies soll nun in einem generalisierenden Vergleich erörtert werden mit dem Ziel, die Nation als eine Ressourcengemeinschaft zu bestimmen. Denn so unterschiedlich die Entwicklungswege der Nationen und Nationalstaaten auch verliefen, stets verspricht die Idee Nation jedem, der als zugehörig anerkannt wird, faire Teilhabechancen an dem, was diese Nation kollektiv an politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen hervorbringt. Die Nation entfaltet also ihre schlechthin konkurrenzlose Attraktivität als eine Ressourcengemeinschaft. 13 Christopher A. Bayly, The Birth of the Modern World 1780–1914, Malden 2004. 14 Vgl. mit der wichtigsten Literatur Dieter Langewiesche, Zentralstaat – Föderativstaat. Nationalstaatsmodelle in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften 2 (2004), S. 173–190.
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Welche gemeinsam erzeugten Güter nach welchen Regeln allen zustehen, war historisch außerordentlich variabel und ist es auch heute noch. Sicherheit nach außen gehört immer dazu: die Nation als Verteidigungsgemeinschaft und auch als Machtgemeinschaft, die auf Expansion angelegt ist. Einen Höhepunkt erreichte dieser Expansionswille im späten 19. Jahrhundert, als im Zeitalter des Hochimperialismus viele meinten, nur als Kolonialmacht könne die eigene Nation sich als Machtstaat in Konkurrenz zu anderen Nationen behaupten. Doch Machtsicherung und -steigerung gehörten von Beginn an zu den Merkmalen der Nationsbildung. Das 19. Jahrhundert trachtete die Kleinen und Mindermächtigen aus der nationalstaatlichen Neuordnung Europas auszuschließen – vergeblich zwar, doch erst die „erwiesene Fähigkeit zur Eroberung“, wie es Eric Hobsbawm pointiert formuliert, begründete das Recht einer Nation auf den eigenen Staat.15 Dieses Machtexamen, das jede Nation auf dem Wege zum eigenen Staat bestehen müsse, hat Isaiah Berlin in seinen ideengeschichtlichen Vergleichen – auch sie wird man generalisierend nennen dürfen – in das Bild vom Nationalismus als „Frankenstein’s Monster“ gekleidet: von seinen Erzeugern nicht zu bändigen.16 Den Versuch, dies zu tun, unternahm Otto Bauer, der aus den Erfahrungen mit der multinationalen Habsburgermonarchie die Nation als eine zentrale Säule menschlicher Vergesellschaftung in die marxistische Theorie einbaute. Er sprach vom „Kampfwagen der Nation“17 und warb wie sein austromarxistischer Mitstreiter Karl Renner für den „Nationalitätenstaat gleichberechtigter Nationen“18, um das konflikttreibende Homogenitätsideal zu entschärfen. Doch selbst sie begründeten die Überlegenheit des Nationalitätenstaates gegenüber dem Nationalstaat, von der sie zumindest bis zum Ende des Ersten Weltkrieges überzeugt waren, machtpolitisch. Der Nationalstaat bezahle seine Homogenitätsfiktion mit einer Begrenzung seiner Machtressourcen, während der Nationalitätenstaat seine territoriale Größe, zu der er fähig ist, in wirtschaftliche Überlegenheit umsetzen könne. Machtinstrument im „Furor der Vermehrung“19 – auf diese Formel brachte es Elias Canetti, der darin das Hauptmerkmal des 20. Jahrhunderts erkennt.
15 Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1789. Mit einem aktuellen Vorwort des Autors und einem Nachwort von Dieter Langewiesche, Frankfurt a.M., erweiterte Auflage 2004 (engl. 1990), S. 51. 16 Isaiah Berlin, Kant as an Unfamiliar Source of Nationalism (1972), in: ders., The Sense of Reality. Studies in Ideas and their History, New York 1996, S. 232–248, S. 234. 17 Otto Bauer, Unser Nationalitätenprogramm und unsere Taktik („Der Kampf“ 1, 1907/08), in: ders., Werkausgabe, Bd. 8, Wien 1980, S. 67–78. 18 Karl Renner, Oesterreich-Ungarn und seine Völker, in: ders., Oesterreichs Erneuerung. Politisch-programmatische Aufsätze, Wien 1916, S. 25–30, S. 28. 19 Elias Canetti, Masse und Macht, Frankfurt a.M. 1980 (1. Aufl. 1960), S. 524.
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Unter diesem Expansionsdiktat sieht Canetti auch die Rolle der Nationen.20 Als Machtmaschinen konkurrieren sie und führen Krieg gegeneinander. Sicherheit nach außen hat ihr Gegenstück im Verlangen nach Sicherheit im Innern. Das wurde früh zu einem gemeinsamen Ziel und schrittweise durchgesetzt: Sicherheit nach innen gegen Machtmissbrauch einzelner oder von Gruppen durch nationale Rechtsgemeinschaft. Wer zu den rechtlich Gleichen gezählt wurde, war umkämpft, doch alle, die um ihren Zutritt zu diesem Kreis der Vollberechtigten kämpften – Otto Bauer nannte die Ausgeschlossenen bildmächtig die „Hintersassen der Nation“21 – beriefen sich stets auf das Gleichheitsversprechen, mit dem die Nation fasziniert. Es ließ die „gedachte Ordnung“ Nation zur obersten Legitimitätsebene aufsteigen, die alle anrufen, die das Partizipationsversprechen einfordern.22 Als nächster Schritt nach der Rechtsgleichheit folgte dann regelmäßig die Forderung nach politischer Gleichheit für alle Glieder der Nation, lange Zeit jedoch begrenzt auf die Männer. Sie ungeachtet ihrer ethnischen, religiösen oder sozialen Zugehörigkeit als politisch gleichberechtigt anzuerkennen, war eine weitere Etappe in dem langgezogenen Emanzipationsprozess im Namen der Nation: die Nation als Politikgemeinschaft. Als Hauptkriterium, an dem die Annäherung an dieses Postulat gemessen wurde, galt dem 19. Jahrhundert das Wahlrecht. Zur Idee der Ressourcengemeinschaft gehörte auch die Vorstellung von der Nation als Kulturgemeinschaft. Bildung für alle hieß ihre Leitidee, die noch heute ungebrochen ist. Was darunter konkret zu verstehen ist, veränderte sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte stark und variiert weltweit. Es begann jedoch überall mit dem Recht und der Pflicht einer Elementarbildung für alle und wurde dann ausgedehnt auf die Chance zur Hochschulbildung für alle, die dazu intellektuell befähigt sind. Auch hier hieß ‚alle‘ lange Zeit: alle Männer. Hinzu kommt – früh schon als Prinzip anerkannt, in der konkreten Durchführung bis in die Gegenwart höchst variabel und umstritten – das Ideal der Nation als Solidargemeinschaft: soziale Sicherung bei Krankheit und Invalidität, dann auch im Alter, schließlich auch bei Arbeitslosigkeit. Letzteres wurde erst spät und nicht überall durchgesetzt, gefordert aber schon früh.23 Auch schon im 19. Jahrhundert entstand die Idee der Nation als einer Umweltgemeinschaft. Hier stieß die 20 Ebd. S. 185ff. (Kapitel „Masse und Geschichte“). 21 Otto Bauer, Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie, Wien 1907, in: ders., Werkausgabe, Bd. 1, Wien 1975, S. 49–622, 44. 22 Vgl. die Studien von Rainer M. Lepsius, die ich auch dem generalisierenden Vergleich zurechne: Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990. 23 Außerordentlich anregend dazu – ein auf Europa bezogener generalisierender Vergleich: Robert Castel, Die Metamorphosen der sozialen Frage. Eine Chronik der Lohnarbeit, Konstanz 2000 (franz. Paris 1995).
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Nation deutlich an ihre Gestaltungsgrenzen, weil der territoriale Raum des Nationalstaates sich als zu klein erwies für eine wirksame Umweltpolitik. Doch auch hier ist es der Nationalstaat, der für seine Mitglieder grenzüberschreitende Verpflichtungen eingeht. Die Idee der Nation als einer Ressourcengemeinschaft umfasst also viele Facetten und wird immer umfassender gedacht. Ein Ende dieser Ausweitung ist nicht abzusehen, denn der Nationalstaat ist weiterhin das wirksamste Instrument, um Teilhabeansprüche an die kollektiv erbrachten oder genutzten Ressourcen einer Gesellschaft durchzusetzen. Nicht der Staat an sich hat sich zum umfassenden Emanzipationsvehikel für Gleichheitsforderungen gleich welcher Art entwickelt. Es war die Idee Nation, die ihm diese Pflicht revolutionär auferlegt und dann zur Vorstellung einer tendenziell unbegrenzten Ressourcengemeinschaft weiterentwickelt hat.24 Deshalb konnte die Idee Nation auch zum Leitbegriff der Dekolonisierung werden. Die Nation als ein fundamentales Gleichheitsversprechen ließ sich nirgendwo in ihrer Reichweite auf Dauer begrenzen, in keinem Bereich der Gesellschaft und gegenüber keinem Teil der Welt. Die Idee Nation konnte deshalb zu dem Emanzipationsideal schlechthin werden. Als Versuch, dieses Ideal in eine normgebende, handlungsfähige Institutionenordnung zu überführen, setzte sich im 19. Jahrhundert der Nationalstaat durch – ein Staat, so die Kernidee, der die gesamte Nation umfasst, und nur diese eine Nation. ,Eine Nation – ein Nationalstaat‘ wurde das Credo des 19. Jahrhunderts, und diese Erbschaft bestimmt das nationale Denken noch heute. Es war und ist trotz aller Gewalt, die dadurch freigesetzt wurde,25 ein auf Emanzipation und Gleichheit angelegtes Denken. Nur deshalb konnte Nation zur wirkungsmächtigsten Idee der Moderne werden, konkurrenzlos attraktiv zunächst in Europa und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, früh auch in Lateinamerika und Asien, schließlich weltweit. Konkurrenzlos attraktiv war vor allem die Mischung aus räumlich exakter Begrenzung und Offenheit der Ziele: Der Nationalstaat als eindeutig umgrenzter Raum ermöglichte die Offenheit des Gleichheitsversprechens, das immer neue Bereiche innerhalb der Ressourcengemeinschaft Nation erschloss: Sicherheit und Macht, Recht und Politik, Geschlecht, Kultur und Soziales und schließlich Umwelt. Die Nation fungiert als ein Gleichheitsvehikel, das sich immer weitere Anwendungsbereiche sucht, offen für
24 Vgl. dazu – auch dies ein auf Generalisierung zielender Vergleich: Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999. 25 Vgl. mit dem Versuch eines ideengeschichtlichen generalisierenden Vergleichs Dieter Langewiesche, Nationalismus als Pflicht zur Intoleranz, in: Aram Mattioli u.a. (Hg.), Intoleranz im Zeitalter der Revolutionen. Europa 1770–1848, Zürich 2004, S. 281–302.
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neue Entwicklungen in der Gesellschaft und somit prinzipiell unabgeschlossen. Die Idee der Nation als eine Ressourcengemeinschaft von Gleichen ist also offen in die Zukunft hinein. Der Gleichheitsanspruch ist nicht ein für allemal abgesteckt, sondern kann verschoben werden. Auch eine Verengung ist denkbar und aus der Idee der Nation als Ressourcengemeinschaft zu legitimieren. Rückschneidung bricht jedoch aus der bisherigen historischen Entwicklungsbahn aus, die auf Ausweitung angelegt ist. Wie schwer es ist, aus dieser Geschichtsbahn auszusteigen, zeigen die derzeitigen Debatten in vielen Staaten Europas, wie der Sozialstaat auf eine neue Grundlage gestellt werden kann, indem bestimmte Bereiche aus ihm herausgenommen werden, wenn etwa die Altersvorsorge nicht mehr als nationale Pflicht, sondern als individuelle Aufgabe bestimmt wird. Politische Entscheidungen solcher Tragweite werden bisher auch in Europa, wo mit der Europäischen Union ein Modell suprastaatlicher Einung ohne jegliches historisches Vorbild26 zu entstehen scheint, weiterhin im Rahmen des Nationalstaates gefällt. In den öffentlichen Debatten und den institutionellen Entscheidungen geht es stets darum festzulegen, wie weit der Aufgabenkatalog der Nation als Ressourcengemeinschaft künftig reichen soll. Darauf sind nicht nur im geschichtlichen Verlauf unterschiedliche Antworten gegeben worden; auch heute noch nehmen hier die Nationen unterschiedliche Positionen ein. Doch gemeinsam ist ihnen, dass sie das alleinige Recht dazu beanspruchen und ihre Mitglieder ihnen dieses Entscheidungsmonopol zubilligen. Der Vergleich hat in den Orientierungen aller Nationen stets eine zentrale Rolle gespielt. Denn sie haben sich immer als Wettbewerbsgemeinschaft verstanden – eine Untergruppe in der Kategorie Machtgemeinschaft. Zum Imperativ des Machterhalts und der Machterweiterung des Nationalstaates gehörte stets die Konkurrenz mit anderen Nationalstaaten. Der Blick richtete sich nicht nur nach außen, sondern galt stets auch der Leistungsfähigkeit im Innern. Diese Konkurrenz – hier ist ein geeigneter Ort für transnationale Studien, die nach Beziehungen und Verflechtungen fragen – war der Hauptgrund, warum die Erweiterung des Aufgabenkatalogs des Nationalstaates in Europa ziemlich parallel verlaufen ist. Der Anspruch auf Ressourcensteigerung, der im Gleichheitspostulat der Nation verankert ist, stellt den Nationalstaat unter Leistungsdruck. Gemessen wird an dem, was die Konkurrenten ihren Mitgliedern ermöglichen. Der enorme Ausbau des Sozialstaates nach dem Zweiten Weltkrieg hat viel mit diesem Wettbewerb zu tun, zusätzlich gesteigert durch den Sys-
26 Vgl. zu dieser Einschätzung Langewiesche, Zentralstaat – Föderativstaat.
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temwettbewerb zwischen den beiden großen Blöcken der liberalen Staaten des Westens und der kommunistischen Staaten.27 Dieser Systemwettbewerb hat die Ausweitung der Leistungsgemeinschaft Nation überall gefördert. Vollzogen hat sich diese Entwicklung im Gehäuse des Nationalstaates. Heute stehen die wirtschaftlich führenden Staaten in Europa erstmals vor einer gegenläufigen Bewegung. Der globale Wettbewerb ist nun ein Argument, um den Leistungskatalog des Nationalstaates zurückzufahren. Aber auch hier geschieht das mit der Begründung, die Gemeinschaft Nation handlungs- und leistungsfähig zu halten. Wenn der Nationalstaat seine alte Leistungskraft verliert, aus welchen Gründen auch immer, dann liegt es in der Logik nationalen Gemeinschaftsdenkens, von der Nation kollektive Anstrengungen und auch Verzicht zu verlangen. Diese Seite der Globalisierung hat Europa in den früheren Globalisierungsprozessen nicht kennen gelernt.28 Wohl aber ist die Nation als Leidens- und Opfergemeinschaft den Europäern wie allen Nationen vertraut. Nation als Leidens- oder Opfergemeinschaft ist historisch mit der Erfahrung verbunden, dass die Entstehung aller Nationen in Kriegen gründet. Der Krieg als Vater des Nationalstaates und als Mitschöpfer von Nationen gehört zu den empirischen Lektionen, welche die Weltgeschichte bereithält.29 Nur die Geschichte der jüdischen Nation scheint sich dieser weltgeschichtlichen Konstante zu entziehen, allerdings nur in der Zeit der Diaspora. In den Epochen ihrer Staatlichkeit fügt sich auch die jüdische Nation der Kriegsgeschichte aller Nationen ein.30 Die Bedeutung des Krieges für die machtpolitischen Differenzierungen in den Globalisierungsprozessen des 19. Jahrhunderts weist Bayly nach. Er schreibt zwar gegen die Vorstellung eines „Western exceptionalism“, ohne die Sonderstellung, die „der Westen“ erlangte, jedoch zu relativieren. Den Hauptgrund für diese Sonderstellung, die erst im ausgehenden 19. Jahrhundert dominant geworden sei, sieht er in der Überlegenheit, welche die europäischen Staaten in der Waffentechnik und Kriegführung erreichten. Nicht der europäische „Geist“, sondern seine 27 Einen generalisierenden weltweiten Vergleich bietet Eric J. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1995 (engl. London 1994). 28 Vgl. zu den Globalisierungen des 18. und 19. Jahrhunderts Bayly, Birth; als knapper, vorzüglicher Gesamtüberblick: Jürgen Osterhammel/Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung, München 2003. 29 Als Überblicke Dieter Langewiesche, Zum Wandel von Krieg und Kriegslegitimation in der Neuzeit, in: Journal of Modern European History 2 (2004), S. 5–27; Nikolaus Buschmann/Dieter Langewiesche (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt a.M. 2004; in weltgeschichtlicher Sicht Michael Mann, The Sources of Power, Bd. 2, The Rise of Classes and Nation-States, 1760–1914, Cambridge 1993. 30 Vorzügliche Quellensammlungen zur jüdisch-nationalen Selbstdeutung und ihrem Wandel: Michael Brenner u.a. (Hg.), Jüdische Geschichte lesen. Texte der jüdischen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert, München 2003.
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„efficiency in killing other human beings“31 habe den Ausschlag gegeben. Ohne die „zweite militärische Revolution“ keine Herrschaft der europäischen Welt – diese Sicht untermauert Bayly sozialgeschichtlich, indem er verfolgt, an welche gesellschaftlichen Voraussetzungen die Entstehung des modernen Nationalstaates mit seinen Machtmitteln im Innern und nach außen gebunden war. Im Krieg hat sich die Nation immer als Opfergemeinschaft gesehen, bis hin zu der Forderung, das Leben für das Wohl seiner Nation zu opfern. Die Idee des glorreichen Todes gehört zwar seit jeher zu den religiösen Bindekräften der Nation, wie jüngst Anthony D. Smith erneut betont hat, doch erst die moderne Nation seit der Französischen Revolution und ihren Kriegen tritt als eine Opfergemeinschaft auf, die jedem Mitglied die gleiche Pflicht zum heiligen Tod auferlegt. Sichtbar wird das daran, dass nun jeder im Krieg gefallene Soldat, auch der einfache, das Anrecht auf ewiges Gedächtnis der Nation gewinnt. Im Denkmal spricht die Nation allen ihren Toten Ewigkeit zu. In den Worten von Reinhart Koselleck: „Seit der allgemeinen Wehrpflicht, beginnend mit der levée en masse, wird der Name eines jeden Gefallenen erinnerungswürdig, und seit den Weltkriegen kommen die von Frauen – und Kindern – hinzu. Alle haben mit ihrem Leben für die Nation oder das Volk einzustehen, dessen Identität mit ihrem Tode zu verbürgen, – so lautet die Denkmalsbotschaft und wird, solange sie rituell gepflegt wird, so erfahren. Quer durch alle Verfassungsformen zieht sich seit 1789 ein demokratischer Trend ... Die Gleichheit im Tode wird auch von den Lebenden gefordert: todesbereit zu sein und für dieselbe Sache einzustehen, wofür bisher schon das Leben geopfert worden sei. Dieser Totenkult unterwandert in Europa langsam den der herrschenden Dynastien, begleitet ihn zunächst, um ihn schließlich ganz abzulösen.“32
Koselleck nennt dies einen „authentischen Fall von Säkularisierung“: „Die Jenseitshoffnung wird in die irdische Zukunftshoffnung der politischen Handlungsgemeinschaft transponiert, das Ewigkeitsversprechen verzeitlicht.“ Die Nation übernimmt die Aufgabe des Jüngsten Gerichts: „Was ehedem der kirchlichen Messe anvertraut war, das jenseitige Heil der Seele zu erbeten, wird zur diesseitigen Aufgabe des politischen Totenkults: Im gewaltsamen Tod jedes Einzelnen liegt bereits seine Rechtfertigung, solange er das politische Heil des ganzen Volkes für die Zukunft verbürgen hilft. Und deshalb muß an ihn erinnert werden.“33
Dieser Demokratisierung der Erinnerung des Todes für die Nation fügen sich alle politischen Regime, auch die autoritären. Zu dem Gleichheitsver31 Bayly, Birth, S. 469. 32 Koselleck, Einleitung, in: ders./Michael Jeismann (Hg.), Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994, S. 12. 33 Ebd., S. 14.
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sprechen im Tod für die eigene Nation gehört auch das Grabmal für den unbekannten Soldaten. In ihm erinnert sich die Nation jener Toten, die auf den Schlachtfeldern zerfetzt wurden und deshalb nicht mehr individuell erinnert werden können. Keiner darf vom Gedenken ausgeschlossen werden, denn vor der Nation ist jeder gleich, bekundet vor der „nicht überbietbaren Letztinstanz des Todes“.34
Nation als kriegsbereite Kampfgemeinschaft Wie konnte aus der Emanzipationsgemeinschaft Nation, die nach innen auf Chancengleichheit und Existenzsicherung im Ressourcenwettbewerb zielt, im Institutionengehäuse Nationalstaat eine Kampfgemeinschaft werden, die nach außen den Krieg stets als Handlungsinstrument einkalkuliert hat? Zwei Hauptursachen, die für die Kriegsgeschichte der modernen Nation auf dem Wege zum Nationalstaat verantwortlich sind, hat die internationale Forschung erkannt: die eine blickt nach innen in die Nation, die andere nach außen in die staatliche Umwelt.
Blick nach innen Eine allgemeine Erklärung – in weltgeschichtlicher Sicht im Sinne eines generalisierenden Vergleichs, wie er hier vertreten wird – bietet Ernest Gellner in seinem international ungemein einflussreichen Werk „Nations and Nationalism“.35 Der Nationalismus habe die historische Aufgabe, die Gesellschaft durch kulturelle Homogenisierung an die Bedingungen der Moderne anzupassen. Er organisiere die hochdifferenzierten Bildungssysteme, in denen sich die nationale Hochkultur ausforme, und garantiere zugleich seinen Angehörigen den alleinigen Zugang zu diesem neuen gesellschaftlichen Machtkern. Diese territoriale Identität von Kultur und Staat wirke als „nationalistischer Imperativ“,36 der fremde Kulturen im eigenen Nationalstaat zum Skandal werden lasse, dessen Beseitigung die Nation als eine Aufgabe kollektiver Selbsterhaltung begreife. In Gellners sozialanthropologischer Theorie – bitter, aber historisch plausibel – werden 34 Ebd. 35 Ernest Gellner, Nations and Nationalism, Oxford 1983 (dt.: Nationalismus und Moderne, Berlin 1991); siehe auch ders., Nationalismus. Kultur und Macht, Berlin 1999 (engl.: Nationalism, London 1997). 36 Gellner, Nationalismus und Moderne, S. 164.
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deshalb Kulturen, die innerhalb eines Nationalstaates als fremd gelten, nationalisiert oder ausgestoßen. Neu ist dieses Bild vom Nationalstaat als einer machtgestützten kulturellen Homogenisierungsinstitution nicht. Es genügt an Ernst Moritz Arndt oder Max Weber zu erinnern. Arndt hat bereits 1813 in seiner Schrift „Über Volkshaß“ in emotional aufwühlender Sprache aufgerufen, was Gellner analytisch darlegt. Aus Arndts mit religiösen Formeln durchsetzten weltlichen Predigt zum „Haß gegen die Franzosen, nicht bloß für diesen Krieg“, sondern „für lange Zeit“,37 spricht eine zentrale Einsicht der neueren Nationsforschung: Die Nation erkennt sich im Feind. In ihm finde sie, so Arndt suggestiv, ihren „Vereinigungspunkt“38: „Haß, Rache, Rachekrieg, Krieg auf Leben und Tod, Aufforderung, alle Fremden, die des eigenen Landes Herren sein wollen, ohne Gnade zu vertilgen, wo sie sich in deinen Grenzen finden“.39 Das sei nicht unchristlich und inhuman, denn wie die gesamte Natur gelte auch für die Kulturleistung des Menschen: „sie lebt allein und erschaffet allein durch einen ewigen Krieg und Kampf der Kräfte“.40 Mit dieser Überzeugung fügt sich Arndt in einen Hauptstrom bürgerlich-liberalen Denkens des 19. Jahrhunderts: Kampf als Lebenselixier und als Quelle von Fortschritt.41 Er appelliert an die Deutschen, ihre Nation – als politische Größe zu diesem Zeitpunkt noch eine Zukunftsvision von Gebildeten – gegen die Franzosen zu einer Einheit zu formen, die politisch handlungsfähig ist. Zugleich aber sieht er im „Nationalhaß“ ein allgemeingültiges Prinzip, nach dem sich die Menschheit zu Völkern und Nationen zusammenschließt, indem sie sich von anderen abgrenzt. Jede Nation ist anders und habe „ein Recht zu bestehen“.42 Dazu sei Nationalstolz und „Nationalhaß“ gleichermaßen notwendig, um sich der „ungebührlichen Vermischung mit dem Ungleichen“ zu verschließen. Doch zu meinen, besser zu sein als die anderen, gilt ihm als ein „Vorurteil“. Man dürfe nicht fragen „Warum ist der Türke und der Pole und der Spanier und Engländer da“, und warum sind sie so verschiedenartig, „sondern wir müssen meinen, daß sie da sein dürfen, weil
37 Ernst Moritz Arndt, Über Volkshaß (1813), in: Michael Jeismann/Hennig Ritter (Hg.), Grenzfälle. Über neuen und alten Nationalismus, Leipzig 1993, S. 319–334, S. 332. 38 Ebd. 39 Ebd., S. 320. 40 Ebd., S. 324. 41 Scharf gesehen von Christof Dipper, Über die Unfähigkeit zum Frieden. Deutschlands bürgerliche Bewegung und der Krieg, 1830–1914, in: Historisches Seminar der Universität Düsseldorf (Hg.), Frieden in Geschichte und Gegenwart, Düsseldorf 1985, S. 92–110. 42 Arndt, Volkshaß, S. 331.
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Dieter Langewiesche
sie da sind.“43 Ihr Anderssein ist „ein heller Spiegel“ für die anderen und zugleich eine „wohltätige Scheidewand“.44 Was Arndt ersehnt hat, wird in Max Webers Definition von Nation in analytische Sprache gefasst: „eine spezifische Art von Pathos, welches sich in einer durch Sprach-, Konfessions-, Sitten- oder Schicksalsgemeinschaft verbundenen Menschengruppe mit dem Gedanken einer ihr eigenen, schon bestehenden oder von ihr ersehnten politischen Machtorganisation verbindet.“45
Nation versteht Weber wie viele vor und nach ihm als eine Homogenisierungsmaschine, die innere Einheit durch Abgrenzung nach außen erzeugt. In diesem Ziel ist Gewalt im Innern wie nach außen angelegt. Nahezu unvermeidbar wurde sie stets, wenn in dem Staat, den eine Nation als ihren Nationalstaat beansprucht, noch andere Gruppen leben, die sich als Nationen verstehen. Dann kam es fast immer zum Kampf. Ethnische Säuberung als Zwang zum Aufgehen in der dominanten Nation oder aber gewaltsame Ausstoßung bis hin zur Vernichtung haben eine lange historische Tradition. Ethnische Säuberung ist in dieser Perspektive kein Unglücksfall der Geschichte, sondern im „nationalistischen Imperativ“ nationalkultureller oder gar nationalethnischer Homogenität angelegt.
Blick nach außen Überall dort, wo Gruppen, die sich als Nationen verstehen, gemeinsam in einem Territorium leben, ist Kriegsgefahr gegeben. Denn sobald diese Nationen ihren eigenen Nationalstaat errichten wollen – danach strebten bisher alle Nationen, weil nur der eigene Staat die Erfüllung aller Verheißungen verspricht, die mit der Idee Nation verbunden sind – und dabei mit anderen Nationen um ein bestimmtes Territorium rivalisieren, droht Krieg. Friedliche Lösungen durch großzügige Minderheitenregelungen sind selten und konnten meist erst in einem späten Stadium erreicht werden. Selbst dann blieben sie rar. Hier scheint der Nationalstaat an eine Grenze seines Handlungsinstrumentariums zu stoßen, die ihm mit dem Konstruktionsprinzip der Nation, auf dem er aufruht, eingeschrieben und nur schwer zu überwinden ist. Dies weltweit zu ändern hat sich die UNO zur Aufgabe gesetzt. Sie steht in der Tradition suprastaatlicher Abkommen und Institutionen, die vom 43 Ebd. 44 Ebd., S. 330, 334. 45 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studienausgabe hg. v. Johannes Winckelmann, Köln 1964, S. 316.
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Nationalismus – ein generalisierender Vergleich
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Nationalstaat als der staatlichen Normalform ausgehen, dessen Kriegsbereitschaft jedoch domestizieren wollen. Krieg als Mittel zur Interessendurchsetzung soll nicht mehr als Gipfel staatlicher Souveränität gelten. Die Europäische Union hingegen sucht einen radikaleren Ausstieg aus einer Geschichte von Staat und Nation, die immer auch eine Kriegsgeschichte war. Es zeichnet sich kein Abschied von der Nation ab, wohl aber vom souveränen Nationalstaat. Der Staatenverbund neuer Art, wie das deutsche Verfassungsgericht die EU genannt hat,46 bietet die Chance, dass Konflikte zwischen Nationen nicht mehr als Konflikte zwischen Staaten ausgetragen werden mit der Gefahr, dazu Waffen einzusetzen. Der Staatenverbund ersetzt die Nationalstaaten nicht, doch er verpflichtet alle Mitgliedsstaaten auf unblutige Konfliktregelungen, indem wachsende Teile staatlicher Souveränität auf suprastaatliche Institutionen mit Sanktionsgewalt gegenüber den Mitgliedsstaaten und Durchgriff auf deren Staatsbürger übertragen werden. Das Gewaltmonopol des Staates, das die Aufgabe hat, Gewalt zwischen seinen Bürgern zu verhindern, wird auf die EU übertragen, so dass sie Staatsqualität gewinnt. Gewaltsame Konflikte zwischen ihren Nationen sind nicht zugelassen. Die EU ist als ein Friedensinstrument im Innern konstruiert und angelegt, die Kriegsgeschichte der Kampfgemeinschaft Nation zu beenden. Das ist ohne jegliches historisches Vorbild, eine Zäsur von weltgeschichtlicher Bedeutung im Nationallaboratorium Europa. Die historische Symbiose von Nation und Krieg wird aufgelöst, so ist zu hoffen, jedoch nur nach innen. Nach außen zielt der institutionelle Ausbau der EU eher in die Gegenrichtung, die mit Staatsbildung immer verbunden war: fähig zu sein zum Krieg.47 Der generalisierende Vergleich bietet ein geeignetes Instrument, diese Entwicklungen auf ihre staaten- und gesellschaftsübergreifenden Grundmuster hin zu analysieren. Dass er dabei wichtige Vergleichsmöglichkeiten ausgrenzt, teilt er mit anderen Konzeptionen des Vergleichs.48
46 Vgl. dazu die Erörterungen in Peter Hommelhoff/Paul Kirchhoff (Hg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, Heidelberg 1994. Zum „integrierten Staat“ als einem neuen Staatsverständnis Rainer Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, Frankfurt a.M. 2003, S. 17–52, S. 22. 47 Zur historisch begründeten Hoffnung, dass auch künftig Demokratisierung die Bereitschaft zur Gewalt im Innern und nach außen begrenzt, siehe die weltweit angelegten Erhebungen von Rudolph Joseph Rummel, Power Kills. Democracy as a Method of Nonviolence, New Brunswick 1997; ders., Death by Government, New Brunswick 1994. 48 Als Beispiel für eine Vergleichskonzeption, die sich allen anderen Verfahren überlegen dünkt: Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der „histoire croisée“ und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607–636.
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Shulamit Volkov
Jewish History The Nationalism of Transnationalism
At first sight Jewish History lends itself quite easily, indeed almost naturally, to the demands of Transnationalism. If the paradigm of national history suffers from in-built “provincialism”, as it limits investigation to affairs within the boundaries of one nation-state, then Jewish history, having as its subject matter a typically diasporic people, is inherently transnational. Furthermore, this is by no means only true for modern history. Jews were first expelled from their land as early as 722 B.C.E., and were taken eastward at the hands of the Babylonians as captives and slaves after the fall of Jerusalem, in 586 B.C.E. Although they were later allowed to return, many preferred to stay back, often pushing on to further shores. By then, emigration too, another major topos in the arsenal of transnationalism, became central to Jewish history. During the era from Alexander to Titus, while the Second Temple still stood, Jews living between Italy and Iran far outnumbered those in the homeland.1 Following its destruction by the Romans in 70 C.E., their diaspora gradually spread far and deep into the European heartland, too. And finally, after the Arab conquest of Palestine in the seventh century, exile became unquestionably the primary mode of Jewish existence. Dispersal, uprootedness and wandering were permanent features of their lives, together with voluntary migration, the chances for social mobility and the attraction of foreign cultures. By the nineteenth century, Jews were commonly regarded as a special case of not only transnationalism but also trans-territorialism. Prayers for a return to Zion and symbolic gestures intended to stress the memory of Jerusalem were embedded in the liturgy and ceremonial practices of Judaism, but exilic existence clearly became the norm. In fact, from its very beginning, life away from the homeland was made at least partially acceptable to Jews, as they considered themselves the “people of the book” and their loyalty, accordingly, was to their sanctified texts, not to one or another 1 There is an enormous literature on these topics. For the contemporary discussion of Jewish Diaspora in the ancient world and some of the information above, see Erich S. Gruen, Diaspora and Homeland, in: Howard Wettstein (ed.), Diasporas and Exiles. Varieties of Jewish Identity, Berkeley 2002, pp. 18–46, and his book Diaspora. Jews amidst Greeks and Romans, Cambridge, Mass. 2002.
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territorial center. While the two kinds of loyalties were not incompatible, the relationship between them was a matter of permanent negotiations. Finally, attachment to their actual places of residence was added to this complex web, characterizing Jewish life long before modernity. It was an attachment based on intensive Jewish “intermingling” in the life of their host-societies. And intermingling, again according to the model suggested by transnationalism, was a permanent feature of their historical experience. Even in the context of medieval Europe, and surely later on, within the context of modernity, Jews were not – as Max Weber’s famous thesis postulated for exilic Judaism – a pariah-people.2 They were neither fully segregated from others, nor did their life always evolve according to a strict code of law, whose hegemony was never questioned. Sociologist Shmuel Eisenstadt has argued forcefully the case against Weber.3 To begin with, Eisenstadt objects to Weber’s stress on the presumed historical passivity of the Jews and their total non-participation in the grand historical arena. He also rejects the view that the hegemony of “oral Law” and the predominance given to continuous elaboration and interpretation of certain texts “fossilized” Jewish civilization and robbed it of dynamism and creativity. In established historiography, however, the concept of Jewish life isolated from the outside world, existing as it were “outside of history”, was prevalent enough, and a view of Judaism strictly ruled by religious Law, to the exclusion of any sizeable opposition, was likewise dominant, though never exclusive. Today, however, historians seem to agree that contacts between Jews and non-Jews were always more numerous and more meaningful than previously assumed. Modern research further highlights the ubiquity of heterodox and sectarian groups within Judaism, and plays down the absolute hegemony of the Halakha. Jewish life in Spain under Moslem rule has always been considered a striking case of Jewish involvement in the surrounding culture. But examples can now be brought from the most unlikely environments, too. Two examples may suffice here in order to present recent research: one dealing with their position within the fabric of twelfth
2 Weber’s essays on ancient Judaism were first published in the 1917–19 issue of Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialforschung, and now appears as the third part of his Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen 1971–72. 3 See Shmuel N. Eisenstadt, The Format of Jewish History. Some Reflections on Weber’s Ancient Judaism, and The Jewish Historical Experience in the Framework of Comparative Universal History, in idem, Explorations in Jewish Historical Experience. The Civilizational Dimension, Leiden 2004, pp. 3–44, 45–84. Another influential critique of Weber’s thesis is Arnaldo D. Momigliano, Some Remarks on Max Weber’s Definition of Judaism as a Pariah Religion, in: History and Theory 19 (1980), pp. 313–318.
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century Christian society; the other with their entry into the world of the Enlightenment during the eighteenth century. To be sure, historians of various schools had always noted the interaction and mutual influences that characterized Jewish-Christian relationships during the late Middle Ages. A call to go beyond notions of “Ghetto”, segregation and “eternal hatred” was, for instance, part of Salo Baron’s view of the World Dimensions of Jewish History, expounded in 1962, but even earlier, a similar appeal came from the pen of no other than Yitzhak Fritz Baer, for long the doyen of medieval studies at the Hebrew University in Jerusalem.4 The historian in his everyday work, Baer explained, easily discloses “the daily contact between the Jewish and the Christian world”, and that contact reveals “their mutual relationships in politics and economic, their common usage of concepts and systems of public and private life, the common root of their religious and historical tradition [... and the] parallels in the history of their religious ideas, in their success and their failure in history”.5 Although Baer later retracted from this position, it continued to influence generations of later historians. Observe, for instance, Amos Funkenstein’s insistence on the eventual effects of the disputations between Jews and Christians, especially during the twelfth century. The disputations, he argued, disclosed the deep knowledge of each side of the other’s literature, and the dialectics through which the adversary’s positions were both rejected and internalized by the other side.6 In more recent historiography, the work of Israel Yuval is probably among the more daring and innovative in this respect. Once the dust that was raised by the fierce debate over his association of certain Jewish texts and rituals with the emergence of the blood libels during the twelfth century subsided, his more general thesis became more fully apparent. Yuval set out to discover “fragments that describe repressed and internalized layers of a mutual mentality, existing in the subconscious of official religious ideologies and only rarely have open and explicit expression”.7 Below the confrontational level, he sees various levels of mutual recognition, a cultural communality and deep similarities, and quite a few other historians seem to corroborate his findings. They too find multi-facetted Christian influence on 4 See Salo Baron, World Dimensions of Jewish History. Leo Baeck Memorial Lecture No. 5, New York 1962. From Baer’s work see especially Galut, Berlin 1936 and Die Juden im christlichen Spanien, 2 vols., Berlin 1929–36. 5 Yitzhak Fritz Baer, Studies in the History of the Jewish People [Hebrew], vol. 2, Jerusalem 1985, pp. 307f. 6 See Amos Funkenstein, Changes in the Christian Anti-Jewish Polemics in the Twelfth Century, in: Perceptions of Jewish History, Berkeley 1993, pp. 172–200. 7 Israel Jacob Yuval, Two Nations in Your Womb. Perceptions of Jews and Christians [Hebrew], Tel Aviv 2000, p. 16.
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Jewish ceremonies during the medieval period and figures of the New Testament or Christian motives in Jewish circles at the time of the crusaders. Jewish society thus appears to have been neither close nor particularly suspicious. It was capable of developing a dynamic dialogue with its Christian surrounding, even as it preserved a basic hostility towards it. The channels of communication between the Jewish and the Christian culture, argues Jeremy Cohen, were always open on both sides, even in times of crisis.8 A different kind of intermingling characterizes the situation in more modern times. It was as early as 1961 that Azriel Shohat dated Jewish participation in the cultural life of various German towns to the first half of the eighteenth century.9 Historians till then had normally stressed Jewish isolation and left for later the so-called collapse of the Ghetto walls and the Jews’ entry into German Bildung. For some of them, the crucial turning point had been reached as a result of government pressure coming – so to speak – “from above”. For others, change was caused by internal fermentation, influenced by such far away revolutionary movements as Sabbatean messianism (1665–80), or some long drawn out developments, such as the deterioration of rabbinic authority and its ideal of learning – “from below”. David Sorkin named early Enlightenment among Jews “the Orthodox Haskala”, and saw it as the culmination of a prolonged internal development, representing a radicalization of previous ideas and impulses. General Enlightenment thus only helped in crystallizing the message of the Haskala, perhaps also in giving it a political color.10 Recently, a new book on the Jewish Enlightenment takes us a step further in this direction. In a comprehensive history of the Haskala, Shmuel Feiner claims that “[t]he Jewish Enlightenment was yet another case of the all-European Enlightenment”. Like other “Enlightenments”, it too was influenced by the French and especially by the German Aufklärung. It too was a radical revolution, negating old values, rejecting old knowledge and claiming to substitute existing hierarchy with a new one – more secular, more flexible and more open. The Jewish Maskilim, according to this interpretation were a part of the general, eighteenth century république de lettres. Jews were not merely influenced by others in defining their Haskala, but took an active role – though usually
8 Yuval quotes from a Hebrew article by Cohen in Zion 1994, but see especially Jeremy Cohen, Living Letters of the Law. Ideas of the Jew in Medieval Christianity, Berkeley 1999. 9 This was Shohat’s dissertation. See now Asriel Shochat [sic], Der Ursprung der jüdischen Aufklärung in Deutschland, Frankfurt a.M. 2000. 10 See David Sorkin, The Transformation of German Jewry 1780–1840, New York 1987, chapter 2, pp. 41–62.
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within their own sphere – in the overall project of European Enlightenment.11 Here then is yet another example of Jewish intermingling. But the story of the Haskala is also a case in weighing another aspect of Weber’s thesis, namely its stress on Jewish internal cohesion. European Jewry, one may now argue confidently, was never a solid, strongly knit social body, knowing no internal strife. The Haskala was no less than a revolution against the existing rabbinic establishment. As a matter of fact, this establishment had to contend repeatedly with various sectarian movements.12 Medieval Jewry was never free of inner friction and early modern Jewish history is rather distinguished by the many warring factions within it. During the eighteenth century, a radical differentiation in the legal status of Jews under various rulers and various rules created rifts “from the outside”, while “from the inside”, European Jewry continued to be plagued by the controversy over Sabbatianism, experienced the emergence of early Hassidism and plunged into the debates over the pro and cons of acculturation.13 Finally, during the nineteenth century, little could be found of the legendary Jewish cohesion. As among Liberals in general, Liberal Judaism too never managed to keep a unified front. It brought about the coalescence of orthodoxy as well as the emergence of neo-orthodoxy, and by the end of the century there was hardly a public issue on which Jewish society could be trusted to have a common view. This was characteristic of the Jewish world in Eastern Europe as much as in West, and while some of the relevant issues were internal or even strictly Jewish, many were no more than a reflection of larger conflicts in the world around.14 By the beginning of the twentieth century, it was evident that Jewish life had not only lost its inner cohesion, but was also in danger of losing its diasporic character. This was particularly apparent in the case of German Jewry, where two major trends threatened traditional forms of existence. Gradual secularization first engendered a tendency to turn Judaism into a confession – yet one more within the German religious landscape. And an 11 I have used the Hebrew edition, but see now Shmuel Feiner, The Jewish Enlightenment, Philadelphia 2004, especially the introduction and the closing notes. 12 For a contemporary overview see the proceedings of the conference Jewish Sects, Religious Movements, and Political Parties, Omaha 1992. See also Shmuel Eisenstadt, “Sectarianism and Heterodoxy” in Jewish History. Some Comparative Civilizational Notes, in: Jewish Studies 37 (1987), pp. 7–59. 13 For this summary see Feiner, Enlightenment, p. 27 (in Hebrew). 14 For more details on these splits see Shulamit Volkov, Juden und Judentum im Zeitalter der Emanzipation. Einheit und Vielfalt, in: Wolfgang Beck (ed.), Die Juden in der europäischen Geschichte, München 1992, pp. 86–108, and The Jewish Project of Modernity. Diverse or Unitary, in: Hartmut Kaelble (ed.), The European Way. European Societies in the 19th and 20th Centuries, New York 2004, pp. 226–252.
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increasingly more intensive acculturation, occurring simultaneously with the general process of nationalization in Germany, turned Jews into a minority – again, one among others. While Jews were always considered “foreign” among Christians, often resented and rejected, they had had a stable, though not an unchanging position within the social and political fabric of the Old Regime. The “Jewish Question” is a modern phenomenon. It took its form within the controversy over emancipation or what was then seen as the “improvement of the Jews”. According to the demands of Enlightenment and the interests of the absolutist state they could and should be religiously tolerated. Nationally, however, they were all too often seen as doomed to remain outsiders. Johann David Michaelis, the Göttingen Orientalist, was probably the first but surely not the last to argue that due to their remote past in the deserts of the Middle East, Jews would never become soldiers or peasants and their loyalty to their country of residence could never be trusted.15 Furthermore, in the atmosphere of nationalization Jews, like other minorities, were now expected to adopt a German national identity as a precondition for their “entry” into bourgeois society. Indeed, much of their efforts throughout the nineteenth century were directed at proving their loyalty to the fatherland and convincing non-Jews of the authenticity of their Germanness. Some did that at the price of discarding their Jewish marks and abandoning any vestige of their Jewishness. Most were content to take up the position of a minority – different in some respects, similar in others – but always, of course, completely loyal. Their self perception was mirrored in the name they then chose for their new association: Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Clearly, Confessionalization and Nationalization combined to permit this definition. Important in this context were not expressions of loyalty coming from the so-called assimilationists, but those that reflected the position of Jews who insisted on their Judaism. Moritz Lazarus provides a good example. He was born in a small town in Posen, received a traditional Jewish education and even as he became a prominent scholar, enjoying social contacts across the German elite, he was known for never trying to minimize or deny his Jewishness. Lazarus insisted, however, on his belonging not merely to the German nation, but even to the German Volk. “The Concept of Volk”, he claimed, “is not to be defined by purely objective signs. It also requires a subjective perception. My Volk is that which I consider my Volk, that I call my own, that I feel attached to by an inseparable bond.”16 He then 15 On Michaelis’ life and work see Anna-Ruth Löwenbrück, Judenfeindschaft im Zeitalter der Aufklärung. Eine Studie zur Vorgeschichte des modernen Antisemitismus am Beispiel des Göttinger Theologen und Orientalisten Johann David Michaelis, Frankfurt a.M. 1995. 16 Moritz Lazarus, Treu und frei. Gesammelte Reden und Vorträge über Juden und Judentum, Leipzig 1887, pp. 68f.
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explicitly argued that “as Jews we do not want to be, and cannot but be anything other than Germans, not merely by our language, but also because we live in this country, we serve it and obey its laws. German Bildung is our guiding light, and German art fires our imagination. This is our cradle, and this is where our fathers have been buried for generations.”17 Similar statements can easily be multiplied. Historians have often repeated them so as to reaffirm Jewish belonging to Germany – its state, society and culture. But such statements also bear witness to yet another phenomenon: theoretically, at least, to the predominance of a non-national, strictly religious conception of Judaism among German Jews at that time; practically, to their diminished sense of solidarity with other Jews across national borders. This last aspect is crucial from the perspective of transnationalism. If the uniqueness of Jewish history up to this point was its trans-territorial, indeed its non-territorial character, all that finally appeared to be crumbling down. An overall Jewish consciousness, knowing no borders, was losing its hold in the face of the nationalist demand for exclusivity. One could pledge loyalty only to one nationality, was the axiom, and signs of a weakened Jewish solidarity became ever more common, especially in times of crisis. During the Damascus affair in 1840, Abraham Geiger, to become the spiritual leader of Reform Judaism, stated, in a private letter to be sure, that “[f]or me it is more important that the Jews in Prussia should be able to become pharmacists or lawyers than that all the Jews in Asia and Africa be rescued, even though from the human point of view I feel deeply for them”.18 Jonathan Frankel may be right in reminding us that Geiger’s often quoted phrase was too often read out of context. Still, in any Jewish context such a phrase must have seemed extreme, indeed iconoclastic. It indicated a shifting focus of Jewish identity, prefiguring the position of many in coming years, Jews for whom Judaism was no longer associated with nationality, not even in its diasporic form. An age-old Jewish trans-territorialism seemed to be evaporating under the pressure of nationalist hegemony in the different European states. At the same time, however, perhaps in reaction to this danger, Nationalism was introduced into Jewish life, with a vengeance. Once again, this shift could best be observed in the field of historiography. With the first intimations of the difficulties of integration and in the wake of the Hep-Hep riots against Jews in various German cities in 1819, the Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden, made up of young Jewish intellectuals, began to seek new 17 Quoted by Ismar Schorsch, Jewish Reactions to German Antisemitism 1870–1914, New York 1972, pp. 59f. 18 Quoted by Jonathan Frankel, The Damascus Affair. “Ritual Murder”, Politics, and the Jews in 1840, Cambridge 1997, p. 282, footnote 107, and see his discussion, pp. 281–283.
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ways to redefine Judaism.19 They set out upon this search just as non-Jewish Germans were seeking to define their Germanness. Adopting and applying the concept of nationality, going beyond Liberalism and toying with some form of romantic historicism, was still a vague option at that time. In any case, young scholars, not only in Germany, were already trying to sketch their history so as to fit present needs. The first major effort on the Jewish side was Isaac Marcus Jost’s, who, between 1820 and 1828, published his Geschichte der Israeliten seit der Zeit der Maccabaer bis auf unsre Tage. Important from our perspective is the fact that Jost was much less interested in the history of the Jews in their ancestral land and much more in their life as a religious community under foreign rules. His was an effort to bring forth, reaffirm and preserve the enormous spiritual achievements of diaspora Judaism. While Jost later attempted to rescue earlier periods from oblivion, stressing biblical times and balancing his critic of “rabbinism” with praise for ancient Jewish poetry, his was not a national terminology. He clearly did not wish to present a tale of a separate nation. Nevertheless, his too was a history of a people united in religion and spirituality, a single narrative telling the tale of a single historical experience. Once Jewish scholars were taking up the tools and the concepts of modern history, the national agenda seemed to haunt even those who rejected it. In fact, the project of re-evaluating Jewish creativity, past and present, was not at first an exclusively historiographical. After all, the early works to win public attention in the field of German history were also no histories of the Reich or of the states within it, not even of Prussia. They were primarily works in the history of the German language and literature. The monumental linguistic project of the Grimms began to appear in 1819, combining romantic nationalism with innovations in philology. Between 1835 and 1842, Georg Gottfried Gervinus published his Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deutschen, long before the major works of the Prussian historical school began to appear, and more than a decade before his own Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrhunderts.20 It is in this context that the efforts of other members of the Jewish Verein need to be seen. In 1818, Leopold Zunz published a programmatic article under the title Etwas 19 See, above all, Ismar Schorsch, Breakthrough into the Past. The Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden, now in idem, From Text to Context. The Turn to History in Modern Judaism, Hanover, N.H. 1994, pp. 205–232 and his bibliography. Generally on the beginning of Jewish historiography also see Yosef Hayim Yerushalmi, Zakhor, Jewish History and Jewish Memory, Seattle, Wash. 1982, and chapter 1 in David N. Myers, Reinventing the Jewish Past. European Intellectuals and the Zionist Return to History, New York 1995, pp. 13–37. 20 See Hans Rosenberg, Gervinus und die deutsche Republik. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der deutschen Demokratie, in: Politische Denkströmungen im deutschen Vormärz, Göttingen 1972, pp. 115–127.
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über die rabbinische Literatur, a preliminary to his later comprehensive Literaturgeschichte, a study of Jewish poetic work especially in the Middle Ages. Like Jost, but also like some of their German counterparts, Zunz may have really wished to stress Jewish contribution to humanity in general and was not yet ready to think of Judaism in strictly national terms, but somehow he too helped provide the building blocks for a later national narrative. Heinrich Graetz’s case is perhaps most telling. Graetz’s multi-volume Geschichte der Juden (1853–1876) was written in a period of greater optimism. At that time, as legal emancipation was gradually completed and social integration facilitated by economic prosperity, one could bring forward not only Jewish spiritual uniqueness but also the story of their discrimination, martyrdom and suffering. Graetz’s history was meant to be far more comprehensive than anything written before. He intended to combine internal and external perspectives in his narrative; social as well as intellectual aspects of Jewish life. His, indeed, was an enormous achievement. It soon became a major text in constructing modern Jewish selfconsciousness, a work fraught with ideological connotations. These were placed in sharp relief by the two controversies, in which Graetz had been involved during his lifetime. One was an internal debate between Graetz and Abraham Geiger; the other, more generally pertinent, between Graetz and Heinrich von Treitschke. Now, both Graetz and Geiger accepted the fundamental unity of Judaism. For both of them the various diasporic centers in Jewish history were only outer manifestations of one grand historical design. For Geiger, however, the essence of Judaism, its Wesen, was the ideal of monotheism and Jewish history the tale of the Jews attempting to spread its blessings. In order to fulfill their mission, ran the argument, Jews had to be dispersed among “the nations”. Their diaspora was not a vale of tears, but a form of life dictated by their universal role.21 Graetz’s history, on the other hand, tells the story of permanent tension between Jews and non-Jews, and Geiger felt it was bound to appear provocative and turn unproductive. Treitschke, indeed, was apparently provoked. He, by that time the most prominent historian of the Prussian school, surely knew all that was to know about the use, perhaps also the abuse, of history as a conscious-building instrument. He thus quickly diagnosed the inner direction of Graetz’s work. Here was a narrative portraying the Jews, he claimed, as a separate nation, stressing confrontation with the Christianity and idealizing Jewish uniqueness. It was an openly particularistic narrative, even a hostile one. Despite Graetz’s 21 On Geiger, see Michael A. Meyer, Response to Modernity. A History of the Reform Movement in Judaism, Oxford 1988, chapter 2, section 4, and with emphasis on his scholarly work Susannah Heschel, Abraham Geiger and the Jewish Jesus, Chicago 1998.
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protestations and despite his apparent intention to see the climax of Jewish history in Mendelssohn’s achievements and the glory of emancipation, Treitschke was not altogether wrong in sensing Graetz’s implied nationalism. Even Gershom Scholem, not one to miss small differences, linked his reading of Graetz’s history with his energetic choice of Zionism.22 It was difficult not to see in it the collective story of Jews, the story of an age-old people. Above all and despite their lack of territory, their dispersion and their inner splits, unity was given priority over diversity in modern Jewish historiography, cohesion over diaspora. Nationalism, it ought to be remembered, privileged unity not only in their case. By making Prussian history the centerpiece of German history, historians of the Prussian school created their own unified narrative. And although Jewish historians had a particularly difficult task, in bringing together the story of Jews in diverse locations and under different circumstances, they too could not resist the temptation. Nationalism, in their case, had to be applied to a typically transnational people. They had to develop a model of transnational nationalism. Surely, by the turn of the century, Zionists were taking the lead in this project. To the hesitant national version practiced by Graetz, they now added a radical rejection of life in exile, a “negation of the Galut”. But while Zionists – at least initially – saw only passivity and degradation in diaspora life and harked upon the presumed glory of past Jewish sovereignty in the Land of Israel, other nationalists – “autonomists” or “territorialists” – were building their own narrative while paying tribute to the dispersion and diaspora. By the 1920s, their main spokesman, Simon Dubnow, could present his multivolume “world history” of the Jewish people, permanently in exile, but repeatedly turning adversity into advantage. Dubnow did not believe in the feasibility of a national revolution. For him continuity was the major force and diaspora was bound to remain the primary form of Jewish life. 23 Zionists insisted on the need to repossess a national territory in order to provide Jews with the missing aspects of their nationality. In the Hebrew University historians elaborated the relevant themes, weaving a national narrative by applying high-powered scholarship with ideological conviction. Dubnow, and later on Salo Baron too, rejected the exclusivity of the Zionist tale and focused on the diaspora, elevating it to a sort of higher spiritual existence. But between Breslau, Berlin, Riga and Warsaw on the one hand, New York
22 See the opening paragraph of the third chapter in Gershom Scholem, Von Berlin nach Jerusalem. Jugenderinnerungen, Frankfurt a.M. 1977. 23 See Simon Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart, 10 vols., Berlin 1925–29. For his national views, Simon Dubnow, Nationalism and History. Essays on Old and New Judaism, New York 1970.
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and Jerusalem on the other, Jews were everywhere writing a unified “Jewish history” of one sort or another, a national history of one sort or another. Recent efforts to salvage the role of diaspora, too, could not avoid the national implications of the term itself, and paradoxically, historians who make short shrift of the tale of unity, imagined or invented, may also find themselves loyal to a national history. Many modern historians, to be sure, reject grand syntheses and prefer the depth and precision afforded by the monographic approach. Some would insist on the uniqueness of Eastern European Jewish history or on that of the “Jews of Islam”.24 For others the lines separating Ashkenazi from Sephardi Jewries are more important. And while Zionists argue for the legitimacy of a national perspective despite all splits, some historians have made them a starting point of a history of the Jews in one particular diaspora. In a conference held in 1983 under the title “Toward Modernity”, such contrasting approaches could easily be discerned.25 Some historians were attempting to define a “European Jewish Model” of modernization; others set out to disprove the assumption of unity even within the confines of Western and Central Europe. While a national paradigm was clearly at the background of discussion for some, the focus on the particularity of various diasporic centers was essential for others. Jacob Katz was still arguing for the unity of the Ashkenazi world, but Todd Endelman claimed the uniqueness of the English case and Lois Dubin began to sketch a separate model valid for “port-Jews”, based on the experience of the community in Trieste.26 German Jewish history, too, central for all versions of a unified Jewish history since Graetz, has been increasingly the topic of separate research. It has actually developed into a sub-disciple in its own rights. But the histories written by focusing on one diasporic example are by no means transnational. They are, and often wish to be, an element in the national history of the relevant host society. A stress on minorities may provide a defense against the pitfalls of nationalism, indeed, but not against the provincialism and the limited comparative force of national history. Thus, Jewish history, so fitting for a truly transnational treatment seems to slip back repeatedly into the various formats of national history. Finally, perhaps, such stark oppositions as the one between nationalism and transnationalism may be unsuitable for fine historical tuning. In the field of Jewish history today, in the wake of the hegemonic Zionist narrative, it may 24 See Bernard Lewis’ volume under this title, Princeton, N.J. 1984. 25 See the proceedings in Jacob Katz, Toward Modernity. The European Jewish Model, New Brunswick 1987. 26 In addition to their essays in ibid, see Todd M. Endelman, The Jews of Britain, 1656 to 2000, Berkeley 2002, and Lois C. Dubin, The Port Jews of Habsburg Trieste. Absolutist Politics and Enlightenment Culture, Stanford 1999.
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be fitting to stress the diaspora and salutary to focus upon its independence of the center in Israel and its presumably unbounded spiritual potential. But no story of any diaspora is complete without a look at the homeland. And as Jewish history has taught us, no story of any diaspora is complete without the notion of overarching unity. Or is it once again simply a matter of political choice, turning our historiographical preferences into an instrument in that unending effort to form coherent identities and uphold collective selves in the face of an ever more complex environment?
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Die Zeremonien, die am 27. Januar 2005 zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, stattfanden – darunter vor allem die zentrale Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz in Anwesenheit vieler Staatsoberhäupter und Regierungschefs –, galten den Wächtern der Holocaust-Erinnerung in Israel und im jüdischen Volk als außerordentlicher Erfolg. Angeblich einer jüdischen Initiative folgend hatte sich hier doch endlich eine früher von Antisemitismus und Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Juden gekennzeichnete Welt im Gedenken an den Holocaust der europäischen Juden zusammengefunden, und zwar in einer Form, die den Vorstellungen israelischer bzw. jüdischer Agenturen der Shoah/Holocaust-Erinnerung entsprach, als wäre die Welt eine Kulisse für den seit dem Zusammenbruch des Sowjetblocks alljährlich durchgeführten jüdischen March of the Living. Doch dieser Sieg könnte sich, gerade wenn man die Hoffnungen und Erwartungen von Juden und Israelis als Erfolgskriterium in diesem Zusammenhang anlegen möchte, als Pyrrhus-Sieg erweisen: Eine multinationale, transnationale Holocaust-Erinnerung, wie sie durch diese Zeremonie signalisiert wurde, könnte die Monopolstellung der jüdischen Gedenkform an den Holocaust in ähnlicher Weise untergraben, wie die als Erfolg geltende Gründung des HolocaustMuseums in Washington vor mehr als zehn Jahren im Endeffekt den alleinigen Anspruch der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem auf die Holocaust-Erinnerung hat vereiteln können. Dass der 27. Januar 2005 kein Schluss- oder Höhepunkt im Sinne der herkömmlichen jüdischen Erinnerungsarbeit im Kontext des Holocaust, sondern Teil einer prinzipiellen Wende war, zeichnet sich im Holocaust-Diskurs schon seit längerem ab. Der Übergang von der nationalen zur transnationalen Holocaust-Erinnerung erfolgt auf mehreren Ebenen:1 Erstens auf der Ebene des Objekts der Erinnerung, der Opfer oder auch der direkten Täter. Sind allein Juden bzw. „die Deutschen“ betroffen oder auch – real oder potentiell – andere Nationen? Zweitens, und dies ist im Grunde eng mit der ersten Ebene verknüpft, auf der Ebene der sich erinnernden nationalen Kollektive. Ist die Erinnerung ein 1 Ich übernehme die Definition, die Conrad und Osterhammel beim Gebrauch des Begriffs „transnational“ angewendet haben: der Begriff „zielt auf Beziehungen und Konstellationen, welche die nationalen Grenzen transzendieren“ ohne Anspruch auf eine „ausgearbeitete Theorie“; vgl. Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel (Hg.), Das Kaiserreich transnational, Göttingen 2004, S. 14.
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Monopol von Juden, von Juden und Deutschen, von Europäern oder eine Verpflichtung auch anderer Völker und Staaten, letztlich der gesamten Welt? Drittens aber geht es bei der Erinnerungsarbeit um die Ebene der Überwindung des nationalen Rahmens an sich. Nicht nur Nationen, sondern auch Klassen, Kirchen und andere Kollektive partizipieren an der Holocaust-Erinnerung und funktionalisieren sie für je eigene Zwecke. Zu Beginn einer diesbezüglichen Untersuchung der genannten drei Ebenen steht unweigerlich das Problem des adäquaten Begriffs, denn ein international anerkannter Begriff ist in diesem Zusammenhang keine Selbstverständlichkeit: Der im internationalen Recht verankerte Begriff des Genozids schuf einen Rahmen, der von Anfang an transnational war und deswegen im Zusammenhang des „Judenmords“ im Zweiten Weltkrieg problematisch wurde. Der Begriff „Holocaust“, der seit Ende der fünfziger Jahre in der Regel als Sammelbegriff für die Ermordung von Juden durch die Nationalsozialisten verwendet wurde, konnte sich in der Öffentlichkeit erst vor einem Viertel Jahrhundert durchsetzen, also lange nach dem Ereignis selbst. Und auch dann blieb er wegen seiner ursprünglichen, biblischen Bedeutung nicht unumstritten. Der hebräische Begriff Ha-Shoah (die Katastrophe) war bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Gebrauch,2 konkurrierte jedoch einerseits mit dem traditionsträchtigen Begriff Churban (Zerstörung), konnte sich andererseits aber international auch erst in den achtziger Jahren verbreiten. Beide Begriffe haben keine eindeutige bzw. international verbindliche Definition und tragen daher das Potential für Missverständnis und Missbrauch in sich. Besonders seitdem „Holocaust“ als Begriff mit Auschwitz gleichgesetzt bzw. verwechselt wird, hat die Diskussion um Holocausts (Plural), Genozide, ethnische Säuberungen und eine Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung eine Brisanz gewonnen, die nahezu einem Glaubenskonflikt gleichkommt. Neben der Suche nach dem adäquaten Begriff steht das Problem des Bewusstseins von einem Bedürfnis, von der Notwendigkeit der Erinnerung an Ereignis, Phänomen und Begriff des „Judenmords“. Dieses Bedürfnis regte sich der Sachlage entsprechend zuerst bei der Opfergruppe. Die vom Staat Israel konzipierte Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem konnte diese Aufgabe übernehmen, nachdem selbst die Nürnberger Prozesse den Judenmord gewissermaßen unterbelichtet gelassen hatten. Damit soll keineswegs gesagt werden, dass die Mechanismen der Verdrängung und des Vergessens bei Juden oder Israelis nicht vorhanden waren, oder dass im Volk der Haupttäter keine Erinnerungsarbeit geleistet wurde. Aber für eine gewisse Zeit war der Drang
2 Tom Segev, Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbek bei Hamburg 1995.
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nach Erinnerung eher im jüdischen Kollektiv, also beim Kollektiv der primären Opfer, zu finden und zu funktionalisieren. Als beide – Begriff und Bewusstsein – etwa eine Generation nach dem Zweiten Weltkrieg genügend ausgeprägt waren, setzte der Wettbewerb um die angemessene Art der Erinnerung, um ihre Gestaltung und ihre Anwendung und Instrumentalisierung im erzieherischen aber auch im politischen Bereich ein. Der wohl verständliche, keineswegs aber in eine einheitliche Richtung zielende jüdische bzw. israelische Versuch, die Erinnerung an das singuläre Phänomen zu monopolisieren,3 war kurzlebig. Auch die deutsche Erinnerungsarbeit auf dem entgegengesetzten Erinnerungspol tendierte mit der Zeit dazu, in eine europäische, sogar universale Erinnerung überzugehen. Auf allen drei oben genannten Ebenen wurde allmählich der jeweilige nationale Rahmen gesprengt, so dass sich die Tendenz zur transnationalen Präsentation und Rezeption der Holocaust-Erinnerung – verstärkt vor allem nach der Revolution von 1989/90 – durchsetzen konnte.
Objekte der Erinnerung Es war nicht zuletzt ein Ergebnis des Gebrauchs der Begriffe „Holocaust“ und „Shoah“, dass die Einzigartigkeit des Geschehens und die Exklusivität der Opfergruppe untrennbar miteinander verknüpft wurden. Gerade diese Begriffe waren ja eingeführt worden, um die Singularität des Phänomens und seines Objekts zu untermauern. Diese Exklusivität der Opfergruppe wurde sowohl im Kontext des Zweiten Weltkrieges als auch im Kontext der Nachkriegsgeschichte konstatiert: keine andere Gruppe habe im Zweiten Weltkrieg einen Holocaust erlitten, und kein Völkermord der Nachkriegszeit dürfe als Holocaust bezeichnet werden. Es dauerte zwar einige Zeit, bis Juden selbst Ausmaß und Bedeutung der jüdischen Katastrophe im Kontext des Weltkrieges verinnerlichen konnten.4 Dann aber machten Historiker und Laien gleichermaßen dieses Bewusstsein zu einem Axiom, und manche setzten transnationale oder universalistische Zugänge zum Holocaust gar 3 Dan Michman, Die Historiographie der Shoah aus jüdischer Sicht, Hamburg 2002, S. 290. − In seiner Zusammenfassung über die „Holocaust-Historiographie aus jüdischer Sicht“ wirft der israelische Autor der deutschen Historiographie vor, sie sei nicht nur „provinziell und arrogant“, sondern auch „germanozentrisch ... was den Fokus der Deutung“ betrifft. 4 Ein Beispiel: In einem Sonderheft der hebräischen Zeitschrift Hagalgal vom Mai 1945 wird die jüdische Katastrophe eher am Rande des Sieges erwähnt, der Sieg selbst als englischer Sieg gefeiert. Doch die Ansprachen der Oberrabbiner in Palästina hinterlassen bei dem späteren Leser schon den Eindruck einer singulären Katastrophe. Rabbiner Herzog spricht wohl „proportioniert“ von Millionen ermordeter Juden, Millionen nichtjüdischer Kriegsopfer und Millionen jüdischer und nichtjüdischer gefallener Soldaten; siehe Hagalgal, Sonderheft Mai 1945, S. 24.
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einem Leugnen des Holocaust gleich.5 Deshalb galten Versuche, andere Opfer des Nationalsozialismus – Polen, Sinti und Roma, Homosexuelle – als Opfer eines Holocausts zu bezeichnen, als Affront.6 Auch für die Zukunft schien die Einmaligkeit des Holocaust festzustehen –, wäre es doch sonst sogar theoretisch möglich, sich Juden als Täter vorzustellen. Leserkommentare zu Richard C. Lukas’ Arbeit The Forgotten Holocaust7 veranschaulichen, wogegen Verfechter der Singularität anzukämpfen hatten: „The true tragedy is one of the Polish nation, be it Jewish or Polish“, schreibt einer, der eine nicht konsensuelle Definition von Nation gebraucht. „Most popular holocaust-education materials only (!) mention Jews as victims of the German Nazis ... Hans Frank later admitted that most Poles thus killed ... were in fact killed for the sole reason that they had been Poles“, schreibt ein anderer, der eine Anspielung auf den Satz wagt, „sie wurden nur deswegen ermordet, weil sie Juden waren“.8 In der nächsten Phase wurde das exklusive Holocaust-Objekt „Juden“ zunächst auch durch Analogien mit den Opfern des Stalinismus vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt (der eigentliche Höhepunkt dieser Diskussion war wohl der Historikerstreit von 1986). Und schließlich ging man einen Schritt weiter und wandte den Begriff des Holocaust auf Kambodscha, Ruanda, Armenien9, Südamerika10, aber auch auf Vietnam und Palästina an.11 Doch das von Eberhard Jäckel formulierte Singularitätskriterium, nie habe ein Staat ein ganzes Volk mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mittel auszurotten beabsichtigt, diente als schlagkräftiges Argu-
5 Siehe Art., Holocaust Studies. The Universal Aspect, in: Jewish Studies 39 (1999), S. 57–85. Yehuda Bauer, ebd., S. 76, bietet hier einen Ausweg: „the particularistic approach is the universal one“. − Für Vertreter der Ausschließlichkeit der Juden als Holocaust-Opfer wird auch der neue Vorschlag von Christian Gerlach für eine Ablenkung gehalten: „Whatever one thinks about the thesis that the Holocaust was unique, the neglect of other German mass crimes can no longer be justified“; siehe: Christian Gerlach, Some Recent Trends in German Holocaust Research, in: Jeffrey Diefendorf (Hg.), Lessons and Legacies, Bd. 6, New Currents in Holocaust Research, Evanston 2004, S. 296. 6 So Michman, Historiographie, S. 295f. − Dass auch Juden zu dieser Begriffserweiterung beigetragen haben, findet Michman besonders abscheulich. 7 Richard C. Lukas, The Forgotten Holocaust. Poles under the German Occupation 1939–1944, Lexington 1986 (2., überarbeitete Auflage 1997). 8 http://www.amazon.com/gp/product.customer-reviews. 9 Zur Armenienproblematik siehe Steven Katz, Comparing the Armenian Tragedy with the Holocaust, in: Shmuel Almog u.a. (Hg.), The Holocaust. The Unique and the Universal, Jerusalem 2001, S. 101–124. 10 Carlos J. Sanchez Sanchez, The Soul of the Condor. A Forgotten Holocaust, o.O. 1996. 11 Ein interessanter Hinweis auf das, was noch kommen kann, gibt Gerhard Höpp, Der verdrängte Diskurs. Arabische Opfer des Nationalsozialismus, in: ders. u.a. (Hg.), Blind für die Geschichte? Arabische Begegnungen mit dem Nationalsozialismus, Berlin 2004, S. 215–268.
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ment, um derartige Analogien abzulehnen.12 Als Abwehrmittel gegen eine erinnerungsmäßige Vervielfältigung des Holocaust war Jäckels Satz dabei weitaus effektiver und konstruktiver als die dubiose These Daniel J. Goldhagens vom singulären deutschen eliminatorischen Antisemitismus. Besonders provozierend wirkte die Übertragung der Opferrolle auf mehr als eine Nation in dem Moment, in dem man die Nation der Täter zu Opfern eines Holocaust „aufwerten“ konnte. Deutlich war dies der Fall, als Jörg Friedrich in seinem Buch Der Brand13 Sprachwendungen benutzte, die Assoziationen von bekannten Holocaust-Erinnerungen hervorriefen. Das Reden vom „Bombenholocaust“, dem Deutsche zum Opfer gefallen sind, überschritt dann aber die Schmerzgrenze nicht nur von Juden. Hier war die Transnationalisierung der Erinnerung an Holocaust-Opfer ad absurdum geführt worden. Wenn der Holocaust nicht allein aufgrund des Akts des Mordens definiert wird, wenn die Erinnerung an Vertreibung einerseits und an Wegschauen andererseits essentielle Komponenten einer Holocaust-Erinnerung sind, dann gibt es weiteren Raum für Analogien oder Platz für mehr als eine Nation als Objekt eines Holocausts. Auf eine weniger auffällige Überschreitung des Singularitätsanspruchs von Juden und die Einreihung von Deutschen unter die Opfer im Zweiten Weltkrieg hatte bereits 1997 – die Richtung von Jörg Friedrichs Ansatz gewissermaßen vorausahnend – der Historiker Dan Diner kritisch hingewiesen. Es ging zu diesem Zeitpunkt um Götz Alys Buch Endlösung14 und damit um die Gleichsetzung von Juden und Deutschen als Opfer ein und derselben NS-Bevölkerungspolitik. Baltikumsdeutsche, die in das Wartheland umgesiedelt, und Juden, die deshalb aus diesem Gebiet vertrieben worden waren, würden hier nicht nur in einen Topf geworfen, so Diner, sie würden auch zu Rivalen im Wettbewerb der Erinnerung gemacht.15 Diners Kritik erweist sich im Nachhinein, vor allem mit Blick auf das öffentliche Auftreten der deutschen Vertriebenenorganisationen, als nicht unbegründet. Ein aufschlussreiches Beispiel dafür, dass der Begriff des Holocaust sich sogar außerhalb Europas verselbstständigen bzw. auf Nichtjuden als Objekt ausgedehnt werden konnte, veranschaulicht das 1997 erschienene Buch The Rape of Nanking, das sich mit der Ermordung von 100.000 bis 200.000 12 Eberhard Jäckel, Die elende Praxis der Untersteller („Die Zeit“ vom 12.9.1986), in: „Historikerstreit“. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München 1987, S. 115–122. 13 Jörg Friedrich, Der Brand, München 2002. 14 Götz Aly, „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt a.M. 1995. 15 Dan Diner, Varieties of Narration. The Holocaust in Historical Memory, in: ders., Beyond the Conceivable, Berkeley 2000, S. 182f.
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Chinesen durch Japaner im Jahre 1937 befasst. Der Untertitel The Forgotten Holocaust of World War II entspricht dem Haupttitel des zehn Jahre zuvor publizierten Buches über Polen im Zweiten Weltkrieg. Der Verfasserin Iris Chang ging es dabei nicht um eine zynische Relativierung des Holocaust im Sinne der Transparente der deutschen Rechtsradikalen zum „Bombenholocaust“, also nicht um den direkten Versuch, die Einzigartigkeit des Ereignisses zu leugnen oder die Ermordung von Juden durch Nationalsozialisten zu bagatellisieren. Sie versuchte auch keineswegs, den populistischen Vergleich zwischen Gulag und KZ nachzuahmen, ein Vergleich, der mit dem Begriff „Roter Holocaust“16 zur Schlussfolgerung führte, der Bolschewismus sei „schlimmer als der Nationalsozialismus“ gewesen. Changs Buch unterscheidet sich auch von den Anfang der achtziger Jahre publizierten Werken zum „Polen-Holocaust“ oder „Uganda-Holocaust“.17 Es handelt sich hier vielmehr um einen für die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts charakteristischen Versuch, den vor allem in Amerika um die Zeit der Gründung des Washingtoner Holocaust-Museums erfolgreich sich durchsetzenden Begriff „Holocaust“ für die Beschreibung einer extremen Katastrophe zu verwenden. Der Leiter des historischen Fachbereichs der Harvard-Universität William Kirby bemerkt hierzu in seiner Einleitung zu Changs Publikation, dass die Autorin mit dem Untertitel nur auf den Zusammenhang zwischen dem Hinschlachten von Millionen unschuldiger Menschen im Zweiten Weltkrieg in Europa und Asien hinweise.18 Kirby akzeptiert den Begriff „Holocaust“ nicht als Beschreibung eines singulären Phänomens, das allein in die jüdische Geschichte gehört. Zur Rechtfertigung für die Erwähnung des Begriffs „Holocaust“ im Untertitel zitiert er den englischen Dichter Wystan Hugh Auden, der bereits 1938 nach einem gemeinsam mit Christopher Isherwood unternommenen Besuch in China schrieb: „And maps can really point to places, where life is evil now: Nanking; Dachau.“19 Doch Kirby ignoriert die Tatsache, dass Auden von Dachau 1938 – also von einem Symbol aus der Zeit vor dem Holocaust –, nicht von Auschwitz 1942 sprach. Aber auch Aussagen, die nach dem Holocaust gefallen sind, erreichten im Holocaust-Diskurs noch nicht den Effekt, der sich erst mit der „Aufwertung“ von Auschwitz zur Ikone und mit der Ausstrahlung der Fernsehserie Holocaust in der populären Kultur niederschlug. Auf die Bedeutung der Kombination von „Holocaust“ und „Auschwitz“ werden wir später noch einmal eingehen. Für Changs Vergleich war jedoch gerade die Erinnerungsarbeit das entscheidende Element: 16 Horst Möller (Hg.), Der Rote Holocaust und die Deutschen, München 1999. 17 Dan Wooding/Roy Barnett, Uganda Holocaust, Grand Rapids 1980. 18 Iris Chang, The Rape of Nanking. The Forgotten Holocaust of World War II, New York 1997, S. x–xi. 19 Wystan Hugh Auden, Collected Shorter Poems 1930–1944, London 1950, S. 279f.
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Der Unterschied liege bei den Zeugen – die Opfer von Nanking hätten im Gegensatz zu den Opfern des jüdischen Holocaust oder der Atombombe auf Hiroshima, so Chang, geschwiegen.20 Von der Sache her seien die Ereignisse durchaus vergleichbar, doch um als Holocaust rezipiert zu werden, sei das Bekanntmachen des Ereignisses wichtig. Unbekannte Holocausts sind keine Holocausts. Typisch für die Verwendung des Begriffs „Holocaust“ nach 1990 sind zwei weitere Zusammenhänge, auf die in Changs Buch hingewiesen wird, nämlich der Kalte Krieg und die Frage der Entschädigung. Wegen des Kalten Krieges, so Chang, sei Japan einerseits von dem Vorwurf eines Holocaust-Verursachers verschont geblieben. Andererseits bestünde ein enger Zusammenhang zwischen Holocaust und materieller Entschädigung. Die Deutschen hätten ihre Opfer entschädigt, die Japaner nicht. So problematisch der Vergleich auch sein mag, eines wird hier deutlich: Die Erinnerung an den Holocaust und die Verwendung des Begriffs „Holocaust“ ist vom historischen Kontext abhängig: Zunächst spielte der Kalte Krieg zweifellos für die Erinnerungsgestaltung des Holocaust eine wichtige Rolle und markierte somit die Grenzen der transnationalen Rezeption von Juden als Holocaust-Opfer; darüber hinaus ist die Verbindung von Erinnerung und materiellen Erwägungen auch nicht von der Hand zu weisen. Dass man sich an vieles erst erinnern durfte, als der Kalte Krieg beendet war, ist offensichtlich. Auf die Frage, weshalb vor allem Juden oder vor allem die im Westen lebenden Opfer des Nationalsozialismus entschädigt wurden, scheint es heute eine einfache Antwort zu geben, die durchaus mit dem „Eisernen Vorhang“ zusammenhängt. Die Weltmacht USA hatte schon vor dem Zusammenbruch des Ostblocks begonnen, die Holocaust-Erinnerung zu pflegen. Nachdem der „Eiserne Vorhang“ gefallen war, schienen die USA diese Erinnerung weltweit zu dominieren, nicht zuletzt mit Hilfe der von ihnen produzierten Bilder. Auf die Idee, Nanking zum Holocaust „aufzuwerten“, ist Chang wohl auch über Filme wie Anne Frank und Schindler’s List gekommen. Auch Chang hat ihren Schindler entdeckt, ein Parteimitglied namens John Rabe, der die Rettung von vielen Nankinger vor dem Massaker in einer safety zone organisierte, dafür in Deutschland verfolgt und auch nach dem Krieg nicht belohnt wurde. Den Prozess der Entnazifizierung konnte Rabe erst nach einem langen Weg zum Abschluss bringen.21 Dass Massenmord nicht ausreicht, um den Effekt eines Holocaust zu erreichen, sondern dass dazu auch ein Schindler gehören muss, ist die Folge der Amerikanisierung des Holocaust, die überwiegend mit seiner „Hollywoodisierung“ identisch ist. 20 Chang, Rape, S. 11. 21 Ebd., S. 105ff.
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Träger der Erinnerung Die Hauptträger und -verkünder der Holocaust-Erinnerung waren und sind verständlicherweise Juden bzw. Israelis und Deutsche. Die Singularität des Objekts der Erinnerung führte zu einer Art „Nabelschau“ der Täter- und Opfernationen. Erinnerung als Aufgabe í das ist eine Parole, die immer wieder unterstrichen wird. James Young stellte bereits 1988 fest, „by eradicating the Jewish type of memory, the Nazis would also have destroyed the possibility of regeneration through memory that has marked the Jewish existence“.22 So war die Holocaust-Erinnerung Israels nicht zuletzt das Bestreben, dieser Absicht der Nationalsozialisten entgegenzuwirken. Am deutlichsten kam dieses Bestreben im Eichmann-Prozess zum Ausdruck, der ja die Erinnerung an den Holocaust nach israelischer Vorstellung – Israel als Antwort auf die Shoah und „turning survivor testimonies into narratives of heroic memory“23 – prägen sollte. Aber auch Deutschland griff seit 1948 zu einer Erinnerungsstrategie, die die Erinnerung an den Holocaust dem „neuen Deutschland“ als Gegensatz zum nationalsozialistischen Deutschland dienstbar machen sollte.24 In Israel wie in Deutschland kann man also von Anfang an von einer Erinnerungspolitik sprechen,25 die vornehmlich national nach innen, aber nicht ausschließlich auf die Bürger des Staates gerichtet war. Die Sprache des Yad-Vashem-Gesetzes (1953) war in dieser Hinsicht eindeutig: die Geschichte der Shoah zu erforschen und „ihre Lehren unter dem Volke zu verbreiten“. Mit „Volk“ meinte man das jüdische Volk auch jenseits der Grenzen des Staates Israel.26 Ähnlich verhielt es sich in der Bundesrepublik Deutschland, deren Erinnerungspolitik auch gegen die DDR gerichtet war. Israel und die Bundesrepublik Deutschland stellten beide gleichermaßen nationale Alleinvertretungsansprüche, die in der Geschichtspolitik und insbesondere in der Politik der Holocaust-Erinnerung zum Ausdruck kamen. Diese Geschichtspolitik hatte auf beiden Seiten durchaus außenpoliti22 James E. Young, The Texture of Memory, in: ders., Writing and Rewriting the Holocaust. Narrative and the Consequences of Interpretation, Bloomington 1988, S. 189. 23 Lawrence Douglas, The Memory of Judgement, New Haven 2001, S. 153. 24 Jeffrey Herf, Divided Memory. The Nazi Past in the Two Germanys, Cambridge, Mass. 1997; Moshe Zuckermann, Zweierlei Holocaust. Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands, Göttingen 1998. 25 Im vorliegenden Rahmen kann keine detaillierte Bibliographie zu diesem Problembereich erstellt werden. Hingewiesen werden soll jedoch auf folgende Arbeiten: Norbert Frei, Vergangenheitspolitik, München 1997; ders., 1945 und Wir, München 2005; Peter Reichel, Politik mit Erinnerung, München 1995; ders., Erfundene Erinnerung, München 2004. 26 Ben-Zion Dinur, Die Aufgaben Yad Vashems (hebr.), in: Yad Vashem Studies 1 (1957), S. 14. Dinur war Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem und zu jener Zeit Erziehungsminister des Staates Israel.
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sche Dimensionen, selbst wenn ihre vorrangigen Ziele in der Innenpolitik lagen. Und vor allem spielte hier der Blick auf die USA im Kalten Krieg eine Rolle. Beide Hauptverfechter der Holocaust-Erinnerung schienen auch exakt zu wissen, welche Lehren aus dem Holocaust zu ziehen waren. Doch in diesem Punkte gab es einen entscheidenden Unterschied. Die in Israel aus dem Holocaust gezogene Lehre war eine nationaljüdische, partikularistische, die ihren Platz in Lehrplänen und Schulbüchern behaupten konnte, nämlich: Solches darf dem jüdischen Volk niemals wieder geschehen. Israel als wehrhafter Staat schien die ultimative Antwort auf den Holocaust zu sein, eine Antwort, die nicht nur die israelischen Juden überzeugen, sondern auch die Diasporajuden für den Zionismus gewinnen sollte. In Deutschland wiederum hatten die Lehren sich zwar auf die Besonderheiten der deutschen Nationalgeschichte bezogen, tendierten aber zum universalen, europäischen, transnationalen Bereich. Es ging dabei nicht nur um Rhetorik, sondern auch um konkrete Anschauung in Form der Denkmäler, von denen man vor 1989 sagen konnte: „highly stylized when remembering the Jews and oriented largely toward all victims of Fascism when remembering the Germans“.27 Seit 1990 setzte sich in Deutschland die Tendenz fort, den Holocaust im europäischen, also transnationalen Kontext zu verankern, ohne aber die historische Verpflichtung als Nation zu leugnen.28 Dazu sagte Jürgen Kocka einmal: „Unser Hauptproblem ist, dass wir noch immer im Rahmen der nationalen Historien steckengeblieben sind“, im Zusammenhang des Problems der NS- und Holocaust-Geschichte aber „ist klar, dass man im deutschen Fall nicht nur transnationale Geschichte betreiben, sondern auch in der Zukunft sich auf die Geschichte Deutschlands in Europa konzentrieren soll, mit allen relevanten Katastrophen und Verbrechen“.29 Andere Nationen folgten zunächst zögernd: Franzosen, Niederländer, Ost-Europäer und andere bemühten sich zwar um eine historische Bilanz des Holocaust als Teil der eigenen Verantwortung und Erinnerung. Doch bis heute wird dort die Erinnerungsarbeit letztlich von Verdrängungsmechanismen überschattet.30 Die transnationale Struktur Europas ebnet nun, wie es das Beispiel des 27. Januar 2005 zeigt, allmählich den Weg zu einer 27 Young, Texture, S. 181. − Dies bestätigt auch die Untersuchung von Y. Michal Bodemann über die Erinnerung an die sog. Reichskristallnacht in Deutschland; vgl. Y. Michal Bodemann (Hg.), Jews, Germans, Memory, Ann Arbor 1996, S. 184f. und 195f. 28 Vgl. Ute Frevert, Europeanizing Germany’s Twentieth Century, in: History and Memory 17,1–2 (2005), S. 87–116. 29 Interview mit Jürgen Kocka (hebr.), in: Historia 8 (Sept. 2001), S. 5–15, Zitat: S. 10. 30 Zum Beispiel: Robert Paxton, Vichy France. Old Guard and New Order, 1940–1944, New York 1975; Henry Rousso, The Vichy Syndrome. History and Memory in France since 1944, Cambridge, Mass. 1991.
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transnationalen Erinnerungsarbeit, die nebenbei zur Lockerung der partikularen (nationalen) Verdrängungsmechanismen beiträgt. Aus heutiger Perspektive scheint sich das alles jedoch sekundär auszuwirken, denn die wichtigsten transnationalen Impulse im Bereich der Erinnerung kommen (über die negativen transnationalen Impulse der Leugner der Holocaust, das heißt der „Assassins de la mémoire“, hinaus) doch aus den USA. Amerika – um einen pauschalisierenden Begriff zu benutzen − hat den Holocaust lange Zeit kaum thematisiert, weil man die Auseinandersetzung mit Amerikas Wegschauen bei der Entstehung und Durchsetzung des Holocaust vor 1939, vor 1941 und eigentlich bis 1945, gescheut hat.31 Amerika konnte sich seit 1941 als Hauptgegner des „Dritten Reiches“ stilisieren, als Hauptsieger im Zweiten Weltkrieg, ohne sich ernsthaft mit dem Problem des Judenmords (im Rahmen des Kalten Kriegs „die falsche Grausamkeit“) zu befassen. Auch in Hollywood entstanden bis 1978, also bis zur Fernsehserie Holocaust, keine großen Holocaust-Filme.32 Erst dann begann ein Trend, der mit der Neuverfilmung The Diary of Anne Frank (1980), mit Sophie’s Choice (1982), aber erst recht mit Schindler’s List (1993) seinen Höhepunkt erreichte. Die „Amerikanisierung des Holocaust“ (Lawrence Langer, Alvin Rosenfeld) erfolgte in zwei Schüben. Der erste Schub setzte gegen Ende der siebziger Jahre im Zusammenhang mit oder als Ablenkung von dem verlorenen Vietnamkrieg ein. Die führende Rolle des amerikanischen Judentums bei dieser Entwicklung und ihre Motivation, einschließlich etlicher mit Israel in Zusammenhang stehender Überlegungen, wurden von Novick und Finkelstein ausführlich geschildert.33 Der zweite Schub erfolgte Anfang der neunziger Jahre als Reaktion auf das Ende des Kalten Krieges, als die Erinnerungsarbeit nicht mehr unbedingt Bestandteil der amerikanischen Konkurrenz mit der Sowjetunion sein musste. Elie Wiesels Bemerkung, „früher wollte niemand über den Holocaust sprechen; jetzt machen es alle, aber ich will nicht sprechen“, fasst eine Stimmung zusammen, die die erste amerikanische Holocaust-Welle charakterisierte. Gefährlich erschienen damals die Verwandlung des Holocaust in 31 Das Buch von Arthur D. Morse, While Six Millions Died. A Chronicle of American Apathy, New York 1967, steht im Zeichen des Begriffs des Genozid, der dem Verfasser die Rechtfertigung dafür gab, sich ausgerechnet mit dem Mord an Juden zu befassen. Dies war nicht selbstverständlich, da, so die Einleitung, „the total number of civilian victims of the Nazis was several times the estimated six millions Jewish deaths.“ − Nach der Fernsehserie Holocaust war für David Wyman, The Abandonment of the Jews, New York 1984, ein völlig anderer Rahmen gegeben. 32 Auch Filme wie The Diary of Anne Frank (1959) oder The Pawnbroker (1964) sind der Kernfrage ausgewichen bzw. hinterließen keinen langfristigen Eindruck. 33 Peter Novick, The Holocaust in American Life, Boston 1999; Jeffrey Herf, How and Why Did Holocaust Memory Come to the US, in: Diefendorf, Lessons and Legacies, S. 457–474; Norman G. Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, München 2000.
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eine soap opera (Elie Wiesel 1978) und die „Holocoaustomania“ (Jacob Neusner 1981)34 zu sein, weil der Holocaust nun alle anderen Erinnerungselemente im Judentum zu überschatten drohte, etwa parallel zu einem bereits im israelischen Judentum angelaufenen Prozess. Im Sog der zweiten Welle nach 1990 schien für jüdische Wächter der Holocaust-Erinnerung die Gefahr dann eine ganz andere zu werden – die Transnationalisierung dieser Erinnerung, die eigentlich einer Vereinnahmung durch die nichtjüdische Welt nahe kam. Was im Bereich der kollektiven Holocaust-Erinnerung geschah, war mehr als das Einfließen der Serie Holocaust in den „bloodstream of North American popular culture“,35 also mehr als der Anschluss Amerikas an bereits vorhandene Erinnerungsmuster; Amerika hat seit 1978 die Gestaltung der Erinnerung an den Holocaust an sich gezogen und nach eigener Vorstellung der Welt präsentiert. Nachdem Hollywood viel stärker als die professionellen Historiker seit den Kriegsjahren das historische Bild NaziDeutschlands bestimmte hatte,36 konnten sich nun Hollywood und somit die „Amerikanisierung des Holocausts“ endgültig durchsetzen. Für den Prozess der Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung war dies ein entscheidender Schritt. Paradox war, dass gerade die Kritik an der Erinnerungsarbeit im Stil Hollywoods seit 1978 und an der amerikanischen Holocaust-Erinnerung (Novick) dazu beitragen konnte, dass die Holocaust-Erinnerung nach 1990 noch intensiver „amerikanisiert“ wurde. Für den Anglistikprofessor Langer bedeutete „Amerikanisierung“ im Jahr 1983 die Trivialisierung und Kommerzialisierung des Schreckens, das Dramatisieren durch Entauthentisierung. Als Beispiel hierfür nannte Langer ausgerechnet den Film Judgement at Nuremberg (1961), und zwar weil er mit dessen historischer Interpretation nicht einverstanden war: „The unrepentant Nazi, the timid collaborator, and the perennial self-justifier are familiar stereotypical figures whose presence in the film offer no insight whatsoever into the nature of the genocidal impulse.“37 Gerade dieses Urteil kann der Historiker nicht nachvollziehen. Wird dieses Urteil aber akzeptiert, dann entsteht die Art von Authentizität, die Schindler’s List charakterisiert. So errang Amerika in der Holocaust-Erinnerung eine hegemoniale Stellung, die die partikularen, nationalen Erinnerungsmuster von Israelis, Deut34 Jacob Neusner, The Stranger at Home, Chicago 1981, S. 80. 35 Michael R. Marrus, The Use and Misuse of the Holocaust, in: Peter Hayes (Hg.), Lessons and Legacies, Bd. 1, The Meaning of the Holocaust in a Changing World, Evanston 1991, S. 108. 36 Vgl. Moshe Zimmermann, Wie sieht ein Nazi aus? Hollywoods Drittes Reich im Film, Bochum 2004. 37 Lawrence L. Langer, The Americanization of the Holocaust on Stage and Screen, in: ders., Admitting the Holocaust. Collected Essays, Oxford 1995, S. 157–178.
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schen oder anderen Nationen überblendete. Doch auch hier zeichnet sich ein Pyrrhussieg ab. Die Holocaust-Erinnerung hat sich von der ursprünglichen Absicht amerikanischer Juden weit entfernt. Der Besucher der abstrakten Holocaust-Gedenkstätte in Berlin oder der Teilnehmer an Gedenktagen oder -zeremonien, sogar in den Hochburgen der Erinnerung Israel und Deutschland, die mächtige Museen und andere Erinnerungsagenturen beherbergen, stehen im Endeffekt unter dem Einfluss des Washingtoner Holocaust-Museums oder noch stärker von Schindler’s List und dergleichen mehr. Dass Amerika am Ende die Erinnerung an den Holocaust entscheidend gestaltet, aber auch im Begriff ist, über die Frage des Plurals von Holocaust zu bestimmen, ahnte bereits James Young vor Beginn des zweiten Schubs: „Having defind the Holocaust as the murder of 11 Millions innocents by the Nazis, Jimmy Carter established a Holocaust Memorial Commission ... Will it become a generic museum of all holocausts?“38 Wenn Amerika transnational über den Begriff „Holocaust“ nachdenkt, wird auf beiden ersten Ebenen dieser Ausführung eine neue Erinnerungsstrategie entwickelt, die nicht im Sinne Israels als der bestimmenden Erinnerungsmacht sein kann.39 Wie weit Amerika das Bild des Holocaust prägt, veranschaulicht auch der Zwillingsbegriff „Auschwitz“. Da Auschwitz nicht von US-Soldaten, sondern von der Roten Armee der Sowjetunion befreit wurde und die amerikanischen Bilder die Repräsentation des Holocaust wie des Weltkriegs dominierten, beherrschten die Ikonen Dachau oder Bergen-Belsen bis in die sechziger Jahre hinein die bildliche Szene. Judgement at Nuremberg ist hierfür ein interessantes Beispiel.40 Der Aufstieg des Konzentrationslagers von Auschwitz im Holocaust-Zeremoniell nach 1990 hat mit dem Ende des Kalten Krieges (der auch zur „Depolonisierung“ dieses Symbols beigetragen hat) zu tun, mit der Europäisierung dieses Symbols, aber auch mit seiner Amerikanisierung. In Benignis Film La vita e bella wird „Auschwitz“ − oder das Lager, das hier Auschwitz ikonographisch symbolisiert − von amerikanischen Panzern befreit! Der Film erhielt den Oscar ...
38 Young, Texture, S. 188. 39 Zum Beispiel: Im Washingtoner Museum sind die Helden die amerikanischen Befreier nicht wie in Yad Vashem die Juden selbst. Nach Washingtoner Vorstellung haben Juden nur Opfer zu sein. − Vgl. Tim Cole, Images of the Holocaust. The Myth of the „Shoah Business“, London 1999, S. 156ff.; sowie Ronit Lentin (Hg.), Representing the Shoah for the Twenty-First Century, Oxford 2004. 40 Vgl. dazu Zimmermann, Wie sieht ein Nazi aus?
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Kollektive der Erinnerung Es gibt mehrere nicht- oder transnationale Kollektive, die zum Begriff „Holocaust“ greifen, um sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen oder ihre Ziele zu verdeutlichen. Dazu gehören je nach Zusammenhang Atomkraftgegner, Umweltschützer, Feministinnen, Christen oder Muslime. Doch über viele pauschalisierende oder zynische Versuche hinaus gibt es einige aufrichtige wie auch gut argumentierende Beispiele. Hier wäre zunächst die Arbeit Hubert Lockes Learning from History. A Black Christian´s Perspective on the Holocaust zu nennen.41 Der „schwarzamerikanische“ Religionswissenschaftler bestreitet einerseits, dass der Holocaust „eine jüdische Angelegenheit [sei], die am besten von Juden zu analysieren und auszulegen wäre“, und gibt zu, dass die Erforschung des Schicksals der Schwarz-Afrikaner über die Grenzen der US-amerikanischen Nation hinaus, „die theoretische Grundhypothese von der Singularität des Holocaust als ausschließlich jüdische Erfahrung“ herausfordern könnte. Er betrachtet sich selbst als Beobachter auf der „Seitenlinie“, empfindet jedoch „in der singulären Existenz als Außenseiter, dass Schwarz-Amerikaner eine soziale Verwandtschaft mit europäischen Juden haben, deren Schicksal uns deswegen besonders angehen“ sollte. Einerseits bestreitet Locke also die bisherige Singularität des Holocaust nicht, kritisiert aber die Tendenz bei Juden, „jeden Versuch eines möglichen Vergleichs zu verbieten“.42 Es geht ihm demnach nicht um andere Holocausts, sondern um die Bedeutung des Holocaust für andere Kollektive jenseits der jüdischen Nation, für die schwarze Minderheit in den USA oder um das transnationale Kollektiv der Schwarz-Afrikaner überhaupt. Für Schwarz-Amerikaner wie für SchwarzAfrikaner dient die Erinnerung an den Holocaust als Mahnung gegen Rassismus, gegen die Indifferenz von „nicht-betroffenen“ Nationen und gegen die Bereitschaft von Zivilbehörden, an Genoziden teilzunehmen. Dabei geht Locke mit dem Vergleich sogar so weit, dass nicht der Genozid, sondern die Sklavenarbeit – unter NS-Herrschaft eher als zu pharaonischen Zeiten – zum Angelpunkt wird.43 Im Versuch, Black History besser zu verstehen, wird die jüdische Geschichte samt Holocaust-Erfahrung instrumentalisiert. Auch Lawrence Langer macht in seiner Essay-Sammlung Admitting the Holocaust einen ähnlichen Sprung. Er behauptet, dass die Frage der Gleichgültigkeit der Nationen gegenüber dem Holocaust in fünfzig Jahren durch die Frage unserer Nachkommen ersetzt werden wird, wieso wir ange41 Hubert Locke, Learning from History. A Black Christian’s Perspective on the Holocaust, Westport 2000. 42 Ebd., S. ix, xv, 54 und 104. 43 Ebd., S. 55f. und 107.
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sichts der AIDS-Epidemie wie gelähmt waren. Bedeutet das, dass AIDS mit dem Holocaust gleichgesetzt oder als furchtbarerer Holocaust als die Endlösung, schlimmer als Hiroshima oder mindestens als Glied in der Kette der Holocausts zu bewerten wäre?44 Mittlerweile ist der Prozess der Transnationalisierung der HolocaustErinnerung in Umfragen erfassbar. Im Hinblick auf den Begriff „Holocaust“ als solchen, so die Umfragen des American Jewish Committee bis 2002, kommt eine verwirrende Variabilität zum Vorschein, die wenig auf transnationale Tendenzen hinweisen kann. Den Begriff richtig, das heißt als Judenverfolgung bzw. Judenmord im „Dritten Reich“, verstehen, konnten 59 Prozent der Deutschen, aber nur 25 Prozent der Österreicher, 22 Prozent der Argentinier und nur vier Prozent der Brasilianer. Ausgerechnet Australien steht nach Deutschland mit 39 Prozent richtiger Antworten an zweiter Stelle. Erstaunlich hoch ist die Unwissenheit in Polen (59 Prozent falscher Antworten), Schweden (77 Prozent) und Russland (93 Prozent). Die Reaktion auf den Namen „Auschwitz“ ergänzt das Bild in anderer Richtung: In Argentinien wissen 78 Prozent, in Brasilien 96 Prozent nicht um die Bedeutung des Wortes. In Russland sind dies 51 Prozent, in den USA (1994) immerhin 36 Prozent und in England 24 Prozent. Ansonsten wissen 80 bis 90 Prozent der Europäer, was Auschwitz war. Die Bedeutung des „Gelben Sterns“ hingegen kennen 80 Prozent der Argentinier, 92 Prozent der Brasilianer, 66 Prozent der Russen, 57 Prozent der US-Amerikaner (!) und 41 Prozent der Engländer nicht. Aber bei der Frage, wie wichtig es sei, im jeweiligen Staat über den Holocaust zu lernen, gab es kaum eine Gesellschaft, in der mehr als 20 Prozent das Thema für unwichtig hielten. Sogar in Russland und Brasilien gilt das Thema mit 62 Prozent bzw. 61 Prozent mindestens als sehr wichtig.45 Was sich transnational verbreiten konnte, waren also nicht immer Kenntnisse über Grundbegriffe, sondern eher eine Ahnung, dass Juden etwas besonders Katastrophales geschehen ist, das man berücksichtigen und woran man sich erinnern muss. Auch wenn der Begriff „Holocaust“ oder die Ikone des „Gelben Sterns“ weniger bekannt sind als der Ort Auschwitz – alles in allem konnte die Holocaust-Erinnerung sich seit 1990 transnational als ein „Muss“ etablieren. Die Umfragen weisen im Endeffekt doch auf eine Tendenz hin: Europa unterscheidet sich von seinen Peripherien – Russland auf der einen, England auf der anderen Seite. Nord- und Südamerika bilden eigene Erinnerungskontingente. Nicht die vergangene Nähe zum Geschehen des Holocaust, sondern die Erinnerungsarbeit danach schafft die neuen Erinnerungsregionen, die transnationalen Erinnerungsmuster. Deut44 Langer, Americanization, S. 179. 45 American Jewish Committee, Knowledge and Remembrance of the Holocaust in Brazil 2001, New York 2001, S. 15–26.
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lich wird, dass auch hier Amerika die Führung übernommen hat. Die Tatsache, dass in China und Japan in den neunziger Jahren Holocaust-Museen entstanden sind, hat weniger mit dem Interesse am jüdischen Schicksal als vielmehr mit der Aufwertung bzw. Relativierung der eigenen Katastrophen und vor allem mit dem Versuch zu tun, die westliche oder amerikanische Kultur besser zu verstehen.46 Problematisch an dieser amerikanisierten Erinnerung ist nicht so sehr die Macht der historischen Bilder und ihrer weltweiten Ausstrahlungskraft, sondern die Mischung von effektiven Bildern und niedrigen Prozenten im Hinblick auf den Informationsgehalt, eine Mischung, die bei der Instrumentalisierung dieser Erinnerung eher relativierend wirken kann, und bestimmt nicht im Sinne der Initiatoren von Holocaust-Erinnerung in Amerika ist. Ob eine europäische mit der amerikanischen oder jüdischen transnationalen Erinnerung konkurrieren kann, bleibt dabei noch offen.
46 Michman, Historiographie, S. 296.
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Arcs of Ideas International History and Intellectual History
The internationalization of ideas is an old idyll, and an old anxiety. “The invasion of ideas has followed on from the invasion of the barbarians”, the aged François-René de Chateaubriand wrote in 1841, in his last reflections on the new “universal society” which was no more than a “confusion of needs and images”: “when steam power will have been perfected, when, together with the telegraph and the railways, it will have made distances disappear, there will not only be commodities which travel, but also ideas which will have recovered the use of their wings”.1 This universe of fluttering and floating ideas is at first sight exhilarating for intellectual history. A world in which ideas soar across the frontiers of distance and nationality is also a world full of ideas, and a world of opportunity for intellectual history. But all is not, I fear, as encouraging as it appears. The international or transnational turn which is such a powerful preoccupation of present historical scholarship may even, in the end, be subversive of the old enterprise that Marx described disobligingly in 1847 as “sacred history – the history of ideas”. These dangers can be illustrated by a different picture, or a pair of pictures, from the romantic scene of the 1840s. The first is an engraving called “A Promenade in the Sky” by the great artist Jean-Jacques Grandville, the portraitist of the French commercial bourgeoisie, which was published in 1847. It shows a vast arc through the starry heavens, in which a new moon is metamorphosed into a mushroom, an umbrella, an owl in flight, a pair of bellows, a spindle, a coach drawn by three horses, and eventually into the milky way. The second image is called “Crime and Expiation”, and it also shows an arc in the sky, of a very different sort. It is an arc of sinister clutter; the metamorphosis of a murder scene into a cross, a funeral urn, a dagger, a pair of distorted scales, a disembodied eye, a fleeing horsewoman, a broken turret, a carnivorous fish. These are depictions of ideas. But the ideas are changed beyond recognition, in both pictures, as they float or fall through the sky.
1 René de Chateaubriand, Mémoires d’outre-tombe, Paris 1973, p. 715.
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The nineteenth century epoch of intense interest in long-distance or transnational connections – the period that has been so important to Jürgen Kocka’s own interests, since his early investigations of Werner Siemens’ involvement in the 1860s with the Indo-European telegraph line to Calcutta – can illustrate both the opportunities and the perils of the transnational turn. The opportunities, undoubtedly, are very substantial. The midnineteenth century preoccupation with global commerce is itself a wonderful subject for the intellectual history of philosophical ideas. Chateaubriand’s metaphors of the telegraph and electricity – in which the press was “the word in the form of thunder; it is social electricity”, and the cholera epidemic of 1832 was the “distant gaze of Vishnu”, an “electric spark” – or Grandville’s earlier drawings of assiduous-looking ants packing and unpacking crates of opium in the “Formicalian Empire” (“Rule Formicalia”!), were only among the more ornamental expressions of a literally worldwide interest in global communication, and its consequences for the new universal society. There is in this sense a history of (to use an inelegant expression) the “idea of globalization”. There is also a history of the transnational or global contexts of other nineteenth century ideas, including ideas of the nation, or of social improvement. Much of the most distinguished nineteenth century intellectual history of recent decades has indeed been transnational avant la lettre, and it has also been history which transgresses the frontiers of different sorts of historical inquiry. There is a history of the French sea-shore; of the multiple and multilingual sources of the Communist Manifesto; of the Atlantic setting of late nineteenth century social reform; and of ideas about ideology in late Meiji Japan, including the process of dissemination of ideologies, in a society preoccupied both with the worldwide economy and with worldwide words: “Egoizumu, oriinaru eremento, kosumoporitanizumu, purofuesshonaru man.” 2 But the transnational turn is also full of dangers for intellectual history, as I suggested at the outset. It is connected, in particular, to at least four of the direst difficulties with which intellectual historians have been concerned, and which in turn explain the less than flourishing condition of the subject, or sub-subject. The first difficulty has to do with reification, or with the tendency that R.G. Collingwood called “substantialism”, in which events are important “for the light they throw on eternal and substantial entities”. Ideas are not 2 See Alain Corbin, Le territoire de vide. L’Occident et le désir du rivage 1750–1840, Paris 1990; Gareth Stedman Jones, Introduction, in: The Communist Manifesto, London 2002; Daniel T. Rodgers, Atlantic Crossings. Social Politics in a Progressive Age, Cambridge, Mass. 1998; Carol Gluck, Japan’s Modern Myths. Ideology in the Late Meiji Period, Princeton 1985, p. 110.
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things, and one of the continuing presumptions of recent intellectual history has been that the reification or hypostasisation of ideas into timeless entities is to be avoided at all (or almost all) cost. Liberty of commerce is not a thing; Adam Smith was not a fount of things, but an individual, with intentions and incoherences. All this is eminently sensible. The difficulty arises, in relation to transnational intellectual history, from the circumstance that ideas of liberty are succeeded by receptions of ideas of liberty, which are succeeded by new ideas of liberty, new receptions, and so forth. This is the Grandville problem, of the arc of ideas over time, in which ideas are succeeded by similar ideas, across the entire expanse of time which divides an idea (in the past) from the historian’s idea of the idea (in the present.) But it is particularly intense in relation to arcs of ideas over space and time. The dissimilarities of apparently related ideas, as in Grandville’s bad arc of bric-à-brac, are particularly conspicuous in relation to the exchanges of ideas over long distances in space, language, and culture. The reception of Adam Smith’s ideas in Germany, which I have myself tried to examine, with a great deal of inspiration from Kocka and his students, provides an illustration. Smith had been transposed into an adjective in German (Smithsche) within a few years of his death in 1790. In the 1860s, the noun Smithianismus became widely used, to describe the ideas of economists and publicists, especially, but not exclusively in Germany; to identify what was referred to as a universal Kosmopolitismus, in relation to an absolute Weltökonomie. The ideas of Smith’s followers, it seemed, had soared or sailed far away from Smith’s own ideas. The Rostock law professor Hermann Roesler, who was the principal theorist of the new term, indeed came to the conclusion, which he described as “at first glance astonishing”, that “Socialism is the pure consequence of Smithianismus”.3 But individuals, too, sailed away from their own ideas, or their own earlier selves. Roesler himself left Germany in 1878 for Japan, where he became the most influential foreign legal adviser on the Meiji constitution, an exponent of “social law”, a personal representative of the emperor in negotiations in Belgium and China, and, in the words of a memoir of 1905, “developed over time into an enthusiastic Japanese”.4 The second difficulty for transnational history has to do with context, or contexts. Another sensible presumption of recent intellectual history is that 3 Hermann Roesler, Über die Grundlehren der von Adam Smith begründeten Volkwirtschaftstheorie, Erlangen 1871, p. 36. 4 Johannes Siemes, Hermann Roesler and the Making of the Meiji State, Tokyo 1968, p. xi; Yasuzo Suzuki, Hermann Roesler und die Japanische Verfassung, in: Monumenta Nipponica 4 (1941), pp. 61, 78.
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ideas should be understood in their own contexts. If one wishes to understand Herman Roesler’s late nineteenth century views of kokutai, or Japanese national polity, for example, then it would be unhelpful to immerse oneself in the disputes over tennosei ideorogii (the ideology of the emperor system) in the 1940s. But this reasonable admonition, too, poses particular problems in relation to transnational intellectual history. For transnational history imposes a capacious kind of context, both in relationship to distance, or the array of contexts over space (German, Belgian, or Japanese), and in relation to varieties of context: rhetorical, political, social, cultural, legal or economic. It imposes a concern, above all, with the most awkward of all these contexts, which is the context of economic history. If transnational intellectual history is considered to be no more than the history of ideas about transnational relationships, then the connection to economic history is evident. But even if it is understood more extensively, as the history of ideas or individuals who have traversed national frontiers, there is a connection to economic life. To traverse frontiers is to do something which imposes economic costs, and the vectors of exchange – shipping, the freight of books, printing, imports and exports, emigration, the telegraph, colonial administration, foreign investment – are also, in many cases, the subject matter of economic history. The contexts explored in recent intellectual history have consisted, for the most part, of the linguistic, the rhetorical, and to a lesser extent the political. This has the important advantage that the (historicist) history of ideas has been able to avoid the awful destiny of what Max Weber described, in his criticism of nineteenth century historical political economy, as the “anthropologically veiled mysticism [of] the decadent period of emanatist logic”; a conception of ideas as no more than emanations of the culture of the times, or of the “soul of the Volk”.5 But the context of transnational ideas, like the context of economic thought, must be, at least in part, an economic context. Even if the historian’s concern is only with the intentions of a particular (economic) theorist, she must be concerned with the economic information which influenced the theorist’s theories. So too must the historian of transnational ideas. To investigate the economic context of ideas has been to run the risk, at least since the 1840s, of a materialist version of determinism; to conclude, in reaction to what Marx called “Hegelian viellerie”, that ideas are no more than the emanations of “productive forces”, or “material relations”. This is a risk that would have to be engaged with, and overcome, in a transnational history of ideas. 5 Max Weber, Roscher and Knies. The Logical Problems of Historical Economics, London 1975, pp. 205f.
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A third and even more familiar difficulty has to do with the “presentism” of intellectual history. To restore past individuals and their ideas to their own context is also to “put them in their place”, in the colloquial sense of reducing them to their own less than universal condition. Adam Smith, the retiring man of letters in a small seaside town in Fife, is a less imposing figure than “Smith”, or “Smithianismus”. But the historian, by choosing, in the present, to study particular past ideas, is asserting a relationship between the past and the present (or her own present). She is saying, implicitly or explicitly, that the ideas are important to her, for one of many possible reasons; that they are similar to present ideas (Grandville’s arcs of likeness over time), or that they were important in their own context or other contexts, or that they had an influence on events (such as revolutions, or wars, or political reforms) which were themselves important. Transnational intellectual history, again, imposes a particularly exigent engagement with the present. The whole enterprise is itself presentist, in the sense that the transnational turn is influenced, in evident respects, by the late twentieth and early twenty-first century public controversies over “globalization”; by the circumstance that in the 2000s, as in the 1890s, the 1840s and the 1770s, there has been an increase both in long-distance relationships of investment, commerce, and information, and in reflection on these relationships. But the history of transnational ideas also poses particular difficulties for the purist position in which ideas are evanescent, and there is no continuity of ideas over time. For the discontinuousness of ideas is juxtaposed, in many of the subjects of transnational history – imperialism, or race, or language, or colonial laws, or environmental change – to the redoubtable continuity of legal institutions, racial consciousness, environmental conditions, economic history, and historical memory. Ideas are not things, but they are embodied in things (such as memorial arches), and they are the causes of things (such as constitutions.) The connection between the historian (in the present) and the ideas (in the past) is constituted not only by the circumstance that the historian is interested in the ideas, but also by the circumstance that many other individuals have been interested, over the entire intervening period, in the same or similar ideas; that the ideas, which are discontinuous, are connected to institutions which are continuous over time. Empires and the movements of peoples, the great subjects of transnational history, are indeed among the most important sites of collective memory. Even transnational enterprises have histories, and the website for Siemens-India, in 2005, refers to the London to Calcutta telegraph line of 1867. The final difficulty is the most serious. This is the problem of class. The disrepute of intellectual history, in recent years, has much to do with the circumstance, described rather starkly by the American historian Nell Irwin
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Painter, that “intellectual history deals with the thought and culture of highly educated people”, and “there’s a class division between the two kinds of history, intellectual and cultural, sometimes exacerbated by race and/or gender”.6 The class division corresponds, in turn, to the old, semiserious classification of thought into high (or the formal thought of the highly educated), medium, and low (or the thought of everyone.) It corresponds, too, to the gravest of all the failures of histories of ideas, whether intellectual or cultural, which is that only the high, or the great, or the highly educated, have been the subject, in general, of histories of the individual mind, or the individual self. It is “high” individuals who have had intentions, and lives; everyone else has been part of a society, or a culture.7 This failure, which is also a failure of moral imagination, is to a substantial extent imposed by the availability of historical sources. As Nell Painter also observed, intellectual history has mostly been about people who were “liable to have their thoughts published and their journals saved in airconditioned repositories”. In this respect, once again, the prospect of transnational history is apparently particularly daunting. To the extent that the transnational turn has led historians to concern themselves with the colonial or the conquered periphery of the European-Atlantic world, it has led them away from air-conditioning; and to the extent that individuals who transgress frontiers tend to die in odd places, or to lose their letters, or to have their journals eaten by rats, even the evidence of “high” people’s thoughts is elusive. All these anxieties, about reification, context, presentism, and “classism”, are old concerns of intellectual historians, and they are particularly intense, as I have tried to suggest, in relation to the transnational or international turn. But I want to conclude with a more encouraging suggestion, that the anxieties are also opportunities. I said at the outset that the juxtaposition of intellectual history and transnational history might turn out to be subversive of the sort of sacred or sacramental history of ideas that Marx described as “viellerie”. This is in part because it would be subversive of some of the familiar classifications of different kinds of individuals, and different kinds of ideas. Men and women changed their nationality, language, social class, and intellectual identity in the course of the elaborate journeys which were so characteristic of the universal society of the nineteenth century. Ideas changed, too. Or rather, the similarities between ideas assumed strange and inconstant forms. 6 Nell Irwin Painter, Interchange. The Practice of History, in: The Journal of American History 90 (2003), p. 591. 7 See Lynn Hunt, The Origins of Human Rights in the Eighteenth Century. Toward a PostFoucaultian History of Personhood, www.isop.ucla.edu/cms/files/ global1.pdf.
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The multiplicity of contexts, in respect of transnational intellectual history, can itself be a liberation. It offers an escape from what the economic historian François Simiand described in 1904 as “le Zusammenhang social” of the “historien historisant”, in which “everything is connected in social life; at a given moment, for a given people, there is a strict connection between the private, economic, juridical, religious, political and other institutions of this people”. The preoccupation with the Zusammenhang, for Simiand, tended to perpetuate the “traditional grouping of human facts according to country, nation, political unit”, and it was thereby unsuited to the investigation of economic life, with its trusts, cartels, and oceanic journeys, of commodities and investments.8 The journeys of ideas are also oceanic, and they are sometimes dizzying for the historian. I became interested in mid-nineteenth century objections to Smithianismus, in the course of writing about Adam Smith, because I thought that I ought to take seriously the very different understandings (of Smith as a precursor of socialism, for example) to which so many scholars had been committed for so many years. Smithianismus, or the Smith-reception, led me to Hermann Roesler, and Hermann Roesler led to Japan. Roesler also led to the Kulturkampf in northern Germany in the 1870s, because it turned out that he had joined the Catholic church, and been dismissed from his professorship in Rostock, shortly before he left for Japan. There was even an intriguing history of the Roesler-reception, in that a Japanese law professor happened to have found a manuscript of Roesler’s writings on the Meiji constitution in a Tokyo antiquarian bookshop in 1925; the writings were translated by a German Jesuit in Tokyo, Johannes Siemes, who was later one of the survivors of and most eloquent witnesses to the bombing of Hiroshima. These are, I suppose, arcs of ideas and contexts, or arcs of idle historical curiosity. But the odd journeys of Adam Smith’s reception, like the odd journeys of Professor Roesler, were reproduced many thousands of times, in the long nineteenth century of global connections. This connected world created its own historical evidence. It is certainly the case that the letters of travellers, or itinerant legal scholars, were from time to time lost in shipwrecks, or eaten. But the experience of longdistance travel was at the same time intensely productive of journals, letters, wills, and other expressions of the sense of loss. The disruptions of movement meanwhile produced a rich source of evidence about the lives and ideas of individuals who were not literate, in the legal records of alien offices, passport offices, frontier police, customs and excise offices, civil
8 François Simiand, Méthode historique et science sociale, in : Revue de synthèse historique 5 (1902), pp. 3, 135–138, 144.
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jurisdictions and foreign consulates.9 There is in this sense a micro-history of migration, or inheritance, or expulsion, which can also be a history of transnational ideas. The correspondence of worldwide or multinational enterprises in Persia and elsewhere is another source for a transnational history of economic and cultural ideas. The transnational turn can contribute, in this respect, to the recovery of economic sources for different kinds of history. Economic history has come to be defined by its methods (which are the methods, in general, of pure or applied economics), more than by the subset of the world which is its subject matter. One of the adverse consequences of this asceticism has been that many aspects of economic life – including the ideas and sentiments that are expressed in the course of buying, selling, borrowing and investing, or that influence economic policies – are of interest neither to economic historians nor to other kinds of historians. This is a loss for everyone, and a loss of opportunity in relation to historical sources. But it is just these opportunities that would be imposed upon intellectual history, at least in relation to the nineteenth century, in the course of the transnational turn. A transnational intellectual history can even elude the most exasperating of the distinctions which the history of ideas has inherited, into high, medium and low thought. The idea of a process of diffusion by which philosophical principles influenced the thoughts of large numbers of people was of almost obsessive interest in the nineteenth century, and it was from the outset an idea of transnational change. It was in particular an idea about the principles of the enlightenment and their political consequences, in France and elsewhere. The later criticisms of Smith, in relation to the “rationalistic Enlightenment of the understanding”, were concerned, in this spirit, with the influence of economic ideas on French philosophy, and of French philosophy on political and religious ideas, in France and elsewhere. Lord Acton concluded in 1881 that “government with the working class” was the irresistible consequence of Smith’s ideas of freedom of contract: “That is the foreign effect of Adam Smith – French Revolution and Socialism.” But the process of diffusion of ideas was not only, in these nineteenth century prospects, a matter of the “high” and the “low”. The English economic writer Walter Bagehot described his father-in-law James Wilson, the founder of The Economist, as a man of “‘middle’ principles” or “intermediate maxims”: he was “a great belief producer”, who diffused the truths, or the ideas, which were “‘in the air’ of the age”.10 The Economist’s own max9 See Caitlin Anderson, Britons Abroad and Aliens at Home. Nationality Law and Policy in Britain, 1815–1870, unpub. University of Cambridge PhD dissertation 2004. 10 The Collected Works of Walter Bagehot, London 1978, pp. 330ff., 337.
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ims were for the most part about overseas commerce, and James Wilson died in Calcutta, in the course of trying to introduce the first income tax to India. The intermediate ideas of the times, the ideas disseminated in business weeklies, economic textbooks, and reports of fiscal policy were also transnational. The idea of a world full of ideas and beliefs was itself a nineteenth century obsession. The “multiplication of ideas” was for Sir Henry Maine, writing in 1874, the distinguishing characteristic of the modern “West”. The “fewness of ideas” was by contrast the condition of infant societies, and of the modern “East”; there was a “difference between the East and the West, in respect of the different speed at which new ideas are produced”. But even the “West” was hardly uniform. One of the earliest critics of Adam Smith in Germany, the romantic economist Adam Müller, thus identified Smith with the Begriff, or with an Anglo-French interest in abstract concepts, in contrast to the Idee which he identified with Edmund Burke: “the concept passes and the idea endures”. By the early twentieth century, it was the Idee which had come to seem concrete and almost French, and the Begriff ethereally German. The psychologist Hippolyte Taine, meanwhile, could find very little in the way of ideas in England: “One can compare the interior of an English head fairly exactly to a Murray’s Guide: many facts and few ideas.” This buzzing, busy world of ideas has been one of the enduring preoccupations of historical investigation, in histories of information, histories of ideology, histories of mentalities, histories of the book, and in the Begriffsgeschichte of Reinhart Koselleck. It is an endlessly elusive world, because it generates so little evidence of thoughts, and how they change over time. Charles Baudelaire said of Grandville, the artist of the celestial arcs, that “he spent his life looking for ideas, sometimes finding them. But because he was an artist by trade and a man of letters in his mind, he was never able to express them very well.” This is an ominous prospect for historians, as well. But the history of transnational exchanges of ideas can point, eventually, to a history which is newly modern (or post-post-modern), in the sense that it is freed, at last, from some of the direst inheritances of earlier modern times. One of these nineteenth century inheritances was the presumption that the history of ideas could be reduced to the history of material relations. Another was the presumption of social context, or of the embracing and national Zusammenhang, to which ideas could be reduced, or by which they could be explained. Yet a different endowment was the presumption of late nineteenth century economic theory, in its most utilitarian, scientistic and egalitarian mode; that all individuals had the same desires, and that none of these desires had anything to do with ideas.
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These inheritances, after more than a century, are no longer ours. A transnational history of ideas, which would also, in part, be a history of economic ideas, and which would certainly be an odd and transgressive history, a history of odd lives, could contribute to the disinheritance. It would even be a nineteenth century sort of history, in which ideas were not entirely unlike things. This was the presumption, at least, of one of the most widely read of all nineteenth century romantic works, Don Juan, which was also a history of the transformation of identity across space and time: “But words are things, and a small drop of ink “Falling like dew, upon a thought, produces “That which makes thousands, perhaps millions, think.”
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Peter Jelavich
Cultural History
In this essay, I offer a brief outline of some issues in the realm of cultural theory (and to a certain extent, social theory) that have major implications for historical scholarship: namely, the manner in which the concept of “agency” has challenged holistic approaches to culture and society, and the practical implications for historical writing brought about by the reintroduction of agency to the (post-)post-structuralist historical field. These developments were occasioned in large part by historians, anthropologists, and other scholars attempting to expand the equations for understanding both national and international history. Nation-states have come to be viewed as ever more complex mixtures of classes, gender roles, and ethnicities straining against the mold of the national framework. The half-millennium of European expansion across the earth – successively known as “exploration”, colonialism, imperialism, and globalization – has led to myriad interactions that have caused continual disruptions of local as well as European cultures. Study of such confrontations has raised central issues in cultural theory and provoked new challenges for writing about them. The path from structuralist social science to renewed appreciation of historical narrative has been traveled by a number of scholars in recent years. That trail does not, however, return us to the origins of modern historiography, i.e. the narrative forms of historical writing of the nineteenth century. These had been challenged in the twentieth century by proponents of the social sciences, including practitioners of social history; and social historians were confuted in the 1980s and 1990s by the advocates of a “linguistic turn” or “cultural turn”. Paradoxically, however, the new cultural approaches adopted by historians suffered from holism and stasis – residues of a structuralism that failed to capture the very things that historians were trying to explain: diversity, contestation, and change. What seemed absent was human agency – and to relate its operations, historians reverted to narrative. But we are not back where we began in the nineteenth century, because what we narrate, and the models offered by literary narrative, has changed fundamentally. The challenge to social history posed by the linguistic or cultural turn revolved around ultimate causes of human behavior (and hence historical explanation). Social history spoke of “interests” based on differential access to and control of economic resources, which were assumed to have a verifi-
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able reality as well as a dynamic that was beyond the conscious control of individuals. That model sidelined cultural and intellectual history, by banishing it to the Marxist “superstructure” or the Annaliste “third level”, where ideas and values performed as a chorus line for more “fundamental” economic and social forces. That resulted in “reductive” readings of religion, art, mentalities, and ideologies: that is, social historians claimed that regardless of what cultural artifacts ostensibly said, they were “really” about underlying social or economic interests. Likewise, individuals – especially the free-willing type – were elided from history, as they too were dissolved into larger, usually class-based groupings. Not just cultural historians, but also social historians alarmed by the limitations of that model began to challenge it by the 1980s. Armed with linguistic and anthropological theory, cultural historians questioned not only the material basing of interests, but our epistemological ability to access “historical reality” itself. The naturalness of material interests was denied: whether or not economics was preponderant depended on the importance given to material values by the cultural system. This contention was based on a much larger one: namely, that the world never reveals itself naively to an individual, but rather, it is always preprocessed by the evaluative and analytic categories of the culture in which the individual has been socialized. That assertion applies as much to the historian as to the subjects about whom he or she is writing. Although critics of the linguistic and cultural turns feared a free fall into unreality, in practice, the shift was much tamer than it could have been. That was because proponents of the turn – many of whom had been trained in social history – tended to adopt structuralist readings of linguistic and cultural theory. Followers of Ferdinand Saussure focused on langue as a comprehensive and autonomous system in which meanings were determined by the differential relations among signifiers that, as it were, carved up the world for our understanding as an afterthought. Early acolytes of Michel Foucault latched on to his early works, with their epistemes that wholly determined human consciousness and sense of self, and that could shift abruptly without humans being aware of any change, let alone consciously willing it. Advocates of Clifford Geertz gravitated to his notion of symbolic systems which provide the context in which actors operate, but from which (it was assumed) they could not break out. Fans of Pierre Bourdieu harped on the habitus that forced beliefs and behavior to be replicated generation after generation. Such readings were not merely one-sided, but they did not allow historians to address problems with which they were fundamentally concerned, almost all of which revolved around agency. Agency was sorely missed not least because it was needed to address the “interests” of many scholars, including ones that were ultimately ethical. Denial of agency absolves in-
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dividuals of responsibility – including those individuals who provided conscious and willing input into historical horrors like war and genocide. Denial of agency also precludes the ability of “subalterns” – slaves, workers, women, ethnic and religious minorities, local populations under foreign domination – to change their own conditions, whether in the past or the present. These issues were particularly acute among scholars studying modern nation-states or European expansion across the globe. The historiography of the nineteenth century – aimed at positing the nation-state as the logical culmination of history – was undercut by accounts of nationbuilding as a process that was forced, contingent, and anything but “natural” or inevitable. In that process formal political unification proved to be relatively easy, compared to subsequent attempts at cultural homogenization, which could take forms from the relatively benign (e.g. schooling) to the exceedingly brutal (genocide). Culture played a role that was not only central but also autonomous, in the sense that it could not be reduced to social or economic interests; but that autonomy did not imply that it was unintentional. Often the national cultural “systems”, such as they were, were consciously imposed upon unwilling minorities; and conversely, those minorities drew upon values (local, communal, and, yes, individual) to oppose the dominant system. One could not study the history of modern Europe and of European nationalism in particular, without encountering a multiplicity of value systems and a plethora of historical actors (great and small) who were not simply tools of those systems. If that “clash of cultures” was raging within Europe, it was even more fierce as Europeans expanded beyond their continent. None of these histories could be recounted without resort to some concept of agency. This led to a reevaluation of linguistic and cultural theories. Some were abandoned in favor of others; some were retained, but reinterpreted. In all cases, the focus shifted from the structural totality to its applications, from meanings to practices. The role of post-structuralist theory in this shift was significant, especially the works of Jacques Derrida and his followers, which de-essentialized and denaturalized categories like gender, class, and nationhood. Feminists in particular used Derridean theory to explode the belief that men or women had “natural” characteristics that condemned them to play predetermined social roles. These roles were, instead, cultural constructs, and as such could be changed (consciously if necessary – indeed, preferably). Furthermore, post-structuralism (as its name implied) underscored the inevitable contradictions inherent within any linguistic or semantic system; it analyzed the tricks that such systems use to hide their inner tensions and hidden hierarchies. While Derrida was shaking the cohesion of Saussurean langue, Foucault’s notions of “archaeology” and “genealogy” showed how the ideational, institutional, and po-
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litical structures that had been treated as “historical individuals” – seemingly integral, self-propelled, driven by internal dynamics – were in fact continually sustained as well as contested by external forces that etched fault lines into their very core. The tremors caused by the Derridean and Foucauldian shaking of the foundations of structuralism – linguistic, cultural, and social – produced large cracks in categories like gender, class, and nation. Cultural historians’ differential preference for, and varied reading of, anthropological theory registers this shift. The theorist whose ideas are least amenable to granting agency its due is Bourdieu. Indeed, his high status among German historians who have attempted a cultural turn (or at least a slight veering in that direction) probably testifies to the persistent hold of the structuralist mindset on the German academic mind (a fact which in itself seems to prove Bourdieu’s point about the persistence of mental structures). Although his habitus is a “strategy-producing principle enabling agents to cope with unforeseen and ever-changing situations”, the “agents” do so in a way that is “always tending to reproduce the objective structures of which they are a product”. These “objective structures” are determined “in the last analysis, by the economic bases of the social formation in question”. Consequently, the “history of the individual is never anything other than a certain specification of the collective history of his group or class”.1 This is a schema that speaks of “agents” but leaves little room for agency, since the room for action is limited to a framework that is ultimately grounded in economic conditions. Bourdieu’s theory is, “in the last analysis”, one of socioeconomic determinism. The limitations on agency in his system are surprising for a number of reasons. William Sewell asks “is this powerful implication of stasis really warranted? After all, the Kabyle society in which Bourdieu carried out his fieldwork produced a momentous anticolonial revolution shortly after Bourdieu returned to France to analyze his data.”2 Michel de Certeau was particularly frustrated by Bourdieu: “He affirms, with the concept of habitus, the opposite of what he knows.” By depicting the elements of Kabyle culture as “coherent and unconscious”, Bourdieu (against his better knowledge, de Certeau would say) has remained mired in “the most traditionalist sort of ethnology”, and comes up with statements which “today, an ethnologist would no longer dare to say”.3 Clifford Geertz offers more room for agency. To be sure, historians were initially attracted to essays such as “Deep Play. Notes on the Balinese 1 Pierre Bourdieu, Outline of a Theory of Practice, Cambridge 1977, pp. 72, 83, 86. 2 William H. Sewell, A Theory of Structure. Duality, Agency, and Transformation, in: American Journal of Sociology 98 (1992), p. 15. 3 Michel de Certeau, The Practice of Everyday Life, Berkeley 1984, pp. 56, 60.
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Cockfight”, which depicted actors within a game with prescribed rules, the upshot of which was that nothing ever changed: the cockfight “makes nothing happen”.4 That might sound rather like Bourdieu, but Geertz never subscribed to Bourdieu’s materialist grounding. After all, “deep play” itself is Jeremy Bentham’s phrase for a gambling practice so massively nonutilitarian that it should be declared illegal. But with increasing concern for agency, historians’ attention shifted from the Balinese cockfighters to Cohen, the man whom Geertz uses to exemplify “thick description”. Cohen was not a player in a monoculture with prescribed codes, but rather a Jewish trader caught between contending Berber and French forces that operated, each in their own way, according to very different rules. Cohen’s agency resided in his attempts – unsuccessful in the end – to play them off against each other to his own advantage. 5 Historians have recognized that at least in the modern world – whether it be the nation-states of modern Europe or a globalizing world of increasing cultural contacts – there are many more Cohens than cockfighters; the people we study contend with multiple codes and changing environments.6 New contexts are continually forced on us and our subjects; we repeatedly face contingent situations. One notable scholar who has pondered the resulting implications for both anthropology and history is Marshall Sahlins, who has stressed the importance of agency and cultural pragmatics – insights based on his studies of Polynesia and Hawaii, and its people’s interactions with each other and with Europeans. Sahlins explicitly postulates that “the individual is a social being, but we must never forget that he is an individual social being, with a biography not the same as that of anyone else. … This means that life in society is not an automatic genuflection before the superorganic being but, rather, a continuous rearrangement of its categories in the projects of personal being.”7 This applies to individuals both “great” and “small”. In his account of the most prolonged war suffered by the Fiji islanders (1843–1855), Sahlins argues that sociocultural structures might give power to the men who fill the role of chiefs, but “the decisive actions 4 Clifford Geertz, Deep Play. Notes on the Balinese Cockfight, in: idem, The Interpretation of Cultures, New York 1973, p. 443. 5 Clifford Geertz, Thick Description. Toward an Interpretive Theory of Culture, in: idem, Interpretation, pp. 3–30. 6 Indeed, upon rereading “Deep Play”, it becomes obvious that even the Balinese were not part of a static monoculture: the cockfighters, after all, were randomly disrupted by Javanese police. More significantly, in the disturbances of December 1965, up to eighty thousand Balinese were killed, mainly by each other – a fact that Geertz not only acknowledges, but also relates (culturally, though not causally) to the cockfight, in contrast to Bourdieu’s inability to derive the Kabyle uprising from a habitus-burdened society. See Geertz, Deep Play, p. 452. 7 Marshall Sahlins, The Return of the Event, Again, in: idem, Culture in Practice. Selected Essays, New York 2000, pp. 284f.
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and subjective dispositions of these chiefs were at least relatively autonomous. They were not simply expressions or (in Bourdieu’s term) ‘executions’ of the larger system.” The personality of leaders does make a difference, such that “at decisive moments the collective fate is at the mercy of the individual psyche”.8 The fact that one even needs to be reminded of that indicates how far structural approaches can hijack us from historical reality. More significant is Sahlins’s assessment of the structural necessity (or at least inevitability) of individual agency – a product of the disjuncture between linguistic/symbolic codes and the lived world of human and natural reality. On the one hand, “signs are notoriously ‘polysemic’ as conceptual values; they have multiple meanings.”9 On the other hand, it is a “wellknown principle” that “it is impossible to exhaust the description of any object”.10 The instability of signs, and the incongruity between signifiers and referents, implies that with every meaningful action by every individual, the cultural system is put “at risk” of being changed: “The objective gamble thus lies in the disproportions between words and things.” That is due in part to the “intractable” nature of the world: “It can well defy the concepts that are indexed to it.”11 But it is simultaneously due to the potential of every individual to use the inherited code of meanings in novel ways: “even as the world can easily escape the interpretive schemes of some given group of mankind, nothing guarantees either that intelligent and intentional subjects, with their several social interests and biographies, will use the existing categories in prescribed ways. I call this double contingency the risk of categories in action.”12 This perennial situation has two major consequences. First, the indeterminacy of signs and the contingency of the world practically force individuals to act individually, to a greater or lesser extent. Second, individual use of signs changes their meaning: when activated in the world, “the cultural categories acquire new functional values”. These are then fed back into the symbolic system and thereby transform it: “Every reproduction of culture is an alteration, insofar as in action, the categories by which a present world is orchestrated pick up some novel empirical content.”13 This is still a model in which individual “action begins and ends in structure. … But if, in the interim, signs are functionally displaced, set
8 Ibid., pp. 301, 323. 9 Marshall Sahlins, Individual Experience and Cultural Order, in: idem, Culture in Practice, p. 289. 10 Marshall Sahlins, Structure and History, in: idem, Islands of History, Chicago 1985, p. 148. 11 Ibid., p. 149. 12 Ibid., p. 145. 13 Ibid., pp. 138, 144.
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into novel relationships with one another [by the individual], then by definition the structure is transformed.”14 Bourdieu’s habitus posits a cultural system that equips individuals to react to unforeseen situations, but they respond in such a way that the system itself is reproduced. Sahlins, by contrast, believes that the symbolic code is perpetually modified by individualistic use. The latter conception is mirrored in a variety of other theories that have attracted historians’ attention. Anthony Giddens’s notion of “the duality of structure” is likewise an “attempt to formulate a coherent account of human agency and of structure”. He considers “human social activities” to be “recursive”, since “in and through their activities agents reproduce the conditions that make these activities possible”. Structures exist through the activities of individuals who follow similar patterns of behavior. But individuals reproduce structures through actions that they simultaneously perform as “agents”, as actors who by (Giddens’s) definition are able to “make a difference”. And those agents are provided with resources that can challenge the structure itself: “Power within social systems which enjoy some continuity over time and space presumes regularized relations of autonomy and dependence between actors or collectivities in contexts of social interaction. But all forms of dependence offer some resources whereby those who are subordinate can influence the activities of their superiors. This is what I call the dialectic of control in social systems.”15
The ability (indeed, necessity) of cultural codes to allow individual agency implies, in other words, that subordinate members can use that code to subvert it. That is an insight that has been applied across the spectrum of subaltern and postcolonialist studies, as scholars of ethnic minorities, women, slaves, workers, and indigenous peoples have researched the ways in which they have used the conceptual and other tools of authorities to challenge dominant ethnicities, patriarchy, slaveholders and capitalists, and colonial rulers. One of the most enthusiastic proponents of that view was Michel de Certeau. Against structuralist analysis, he explicitly opposed a “science of singularity; that is to say, a science of the relationship that links everyday pursuits to particular circumstances”.16 He asserted that every analysis that limits itself to describing the operation of structures – even if limned by self-perceived social critics like Bourdieu – works to the benefit of the ruling powers, because it maps only their mode of control. Bourdieu granted individuals the ability to pursue personal “strategies”, but they always were played within the rules of the system. Against such strategies, 14 Sahlins, Individual Experience, p. 288. 15 Anthony Giddens, The Constitution of Society, Berkeley 1984, pp. xxi, 2, 14, 16. 16 De Certeau, The Practice of Everyday Life, p. ix.
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de Certeau proposed “tactics”, an “art of the weak” that cannot be generalized because it is always performed in fleeting, contingent situations where dominant rules are less rigorously enforced and when official observers nod off.17 Indeed, popular culture is replete with a “mobile infinity of tactics”.18 By their very nature, these “guileful ruses” cannot be systematized, but they can be recounted in narrative form, and are to be found in folk tales and legends peopled by tricksters and poachers: “whereas historiography recounts in the past tense the strategies of instituted powers, these ‘fabulous’ stories offer their audiences a repertory of tactics for future use”. Indeed, de Certeau proposed that “the folktale provides scientific discourse with a model”.19 One need not share de Certeau’s analytical or political project to realize that narrative forms are needed to relate historical forces and events that cannot be comprehended by structuralism or the social sciences. Lawrence Stone, one of the major spokesmen for social scientific history, surprised his colleagues when he acknowledged the need for a “revival” of narrative history as early as 1979.20 But that was easier said than done, given the modifications that literature had undergone since the nineteenth century. Beginning with Siegfried Kracauer and Hayden White (in their very different ways21) in the 1960s, a number of intellectual and cultural historians examined how the writing of history is suffused with fictional conventions. These discussions fundamentally shaped the terrain upon which the return of narrative was to occur. In other words, when the limitations of structuralist theory and social scientific argumentation pushed historians, seeking to rescue agency, back into the lap of narrative, they discovered a narrative landscape very different from that of the nineteenth century, which had served as the model of traditional historical writing. But that was fortuitous, since the demands of post-nationalist and postcolonial scholarship, the analytic matrices of post-structuralist theory, and the literary devices of modernism and post-modernism provide “elective affinities” that can reinvigorate the historical field. Scholars of the textuality of history basically highlight what should be obvious – namely, that every mode of historical exposition is marked by con17 Ibid., pp. xix, 35–38. 18 Ibid., p. 41. 19 Ibid., pp. 23, 78. 20 Lawrence Stone, The Revival of Narrative, in: Past and Present 85 (1979), pp. 3–24. 21 Siegfried Kracauer, History. The Last Things Before the Last, New York 1969; and Hayden White, Metahistory. The Historical Imagination in Nineteenth-Century Europe, Baltimore 1973. Since Kracauer died in 1966, he had read only one article by White that anticipated the arguments of Metahistory; Kracauer cited it appreciatively, but also noted that “his approach differs considerably from mine” (Kracauer, History, p. 245).
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ventions and constraints. The point of this apprehension is not to claim that all historical writing is “just fiction”, but rather to underscore how every mode of historical narrative shares elements of exposition with fiction. The way we choose to emplot history will affect the evidence we select (and leave out) as well as the tone (and possibly moral conclusions) of our work. Even the most “realistic” and “positivistic” of historians employ language not as a transparent medium that transports the “facts” to our attention; they usually make use of nineteenth-century conventions of literary realism that suggest verisimilitude. One can, in short, be well aware of the “fictitious” nature of historical writing and still aim to distinguish truth from falsehood, though ascertaining those boundaries is not as self-evident as many historians would like it to be. One of the less problematic assertions regarding the overlaps between “fact” and “fiction” concerns the degree to which historical actors in the past have modeled their lives on fictional characters, or conceived their life-histories according to narrative conventions – phenomena that have been examined in works by Stephen Greenblatt and Natalie Zemon Davis.22 This should hardly be surprising, inasmuch as most anthropologists and many philosophers recognize that narratives are necessary for construing meaning and sustaining identity, whether of individuals or groups; narratives are the substance of memory. It is not simply historians who impose narratives onto the past; people in the past – both singly and collectively – have perceived and lived their lives according to goals, aspirations, and trajectories that actually resulted in “storylines”. In the introduction to his highly regarded William Cooper’s Town – a study of the man who was both the figurative father of Cooperstown and the biological father of the novelist James Fenimore Cooper – Alan Taylor wrote that his “fundamental premise” was “that narratives have power because they are woven into life, not simply imposed upon a chaotic experience after the fact”.23 Of course, it is one thing if actors in the past chose to model their lives on “fictional” lines; it is quite another when modern scholars start to blur the boundaries between “fact” and “fiction” in their own academic works. That is when their colleagues begin to feel queasy, if not irate. It seems to me that we have been moving into a new phase when historians will engage increasingly in literary experimentation to do justice to the complexity of the historical terrain. Davis took a tentative step in that direction with her Return of Martin Guerre (1983), where she advised the reader: “What I offer you here is in part
22 See e.g. Stephen Greenblatt, Renaissance Self-Fashioning. From More to Shakespeare, Chicago 1980; and Natalie Zemon Davis, Fiction in the Archives. Pardon Tales and Their Tellers in Sixteenth-Century France, Stanford 1987. 23 Alan Taylor, William Cooper’s Town. Power and Persuasion on the Frontier of the Early American Republic, New York 1995, p. 9.
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my invention, but held tightly in check by the voices of the past.”24 She consciously advanced her argument “as much by the ordering of narrative, choice of detail, literary voice, and metaphor as by topical analysis”.25 Six years later, in his bicentennial account of the French Revolution, Simon Schama explicitly chose a narrative form because he considered the Revolution “a much more haphazard and chaotic event and much more the product of human agency than structural conditioning”.26 Schama’s narrative form in that book was rather conventional – that of “nineteenth-century chronicles”, by his own account. But in 1991, he took a more radical historical and literary step in Dead Certainties (Unwarranted Speculations). There his goal was to illustrate the ways whereby the perspectives of different historical actors generate conflicting historical accounts, which result in uncertainties that can never be reconciled. But many reviewers were distracted from that issue by Schama’s inclusion of imagined dialogues and a made-up account of the Battle of Quebec from the viewpoint of a common soldier. In order to preempt the critical ire that was inevitably aimed at those passages, Schama tried to justify himself in his afterward by stating: “Though these stories may at times appear to observe the discursive conventions of history, they are in fact historical novellas, since some passages (the soldier with Wolfe’s army, for example) are pure inventions, based, however, on what documents suggest. That is not to say, I should emphasize, that I scorn the boundary between fact and fiction. It is merely to imply that even in the most austere scholarly report from the archives, the inventive faculty – selecting, pruning, editing, commenting, interpreting, delivering judgments – is in full play.”27
If this was “play”, then Schama was having perhaps a bit too much fun. Nevertheless, the stylistic path taken by Schama – if not his use of “pure inventions” – is a logical consequence of current attempts to find appropriate narrative forms for complex notions of the agency. Inasmuch as literary authors have taken modernist and postmodern directions in order to express the fractured and chaotic nature of reality and our perceptions thereof; and historians too increasingly perceive the stuff of their inquiries as disjointed, disrupted, and open-ended – then we should expect to see, in the coming years, a number of works by professional historians that emulate works of modernist and postmodern literature. Such experiments should be encouraged and welcomed – provided, of course, that they are “expertly” undertaken – precisely because they have the potential to expand our ability to conceive and present historical knowledge. Historians of the United States 24 25 26 27
Natalie Zemon Davis, The Return of Martin Guerre, Cambridge 1983, p. 5. Natalie Zemon Davis, On the Lame, in: American Historical Review 93 (1988), p. 575. Simon Schama, Citizens. A Chronicle of the French Revolution, New York 1989, p. xv. Simon Schama, Dead Certainties (Unwarranted Speculations), New York 1991, p. 322.
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have indeed expressed great critical appreciation for works that do precisely that, such as John Demos’s The Unredeemed Captive. That study of the complex interactions of English Puritans, French Catholics, and native Americans revolves around the daughter of a Puritan minister who chose to convert to Catholicism and marry a Mohawk – all of which is deliberately related as a “story” with multiple beginnings and multiple endings.28 Indeed, modernist and postmodern narrative forms might even become necessary to convey historians’ increasingly sophisticated understanding of developments in the modern, globalizing world, where agency is constrained but also enabled by a multiplicity of contending codes. The global “clash of cultures” is not new, but it has yet to find an adequate mode of exposition. Just as structuralist accounts were too static, the narrative conventions of nineteenth-century historical writing were too prejudicial: by focusing on the linear development of one (outstanding) individual or one (dominant) group, they relegated other individuals or groups to sub-plots in the storyline. To treat a plurality of contending voices equally requires complex modes of composition. Already in the 1960s, Kracauer noted: “The disruptive intentions of modern writers and artists are paralleled by the increasing misgivings of historians and thinkers about the synthesizing narrative.”29 Some historians already have suggested authorial models for emulation: Elizabeth Ermath, for example, proposes Vladimir Nabokov.30 Nevertheless, since heteroglossia is a challenge for the best of novelists, it is hardly encouraging for historians to be told that in order to tell their stories adequately (let alone completely); they must attain at least the level of modernist writers like Nabokov (or James Joyce, Marcel Proust, Virginia Woolf, and Alfred Döblin). Though we cannot aspire to those heights, we can at least acknowledge the challenge to historical writing posed by the problem of agency in the postcolonial, postmodern, and globalizing world. That challenge forces us to reconceptualize not only our notions of structure, but also structure’s nemesis-narrative.
28 John Demos, The Unredeemed Captive. A Family Story from Early America, New York 1994. 29 Kracauer, History, p. 245. 30 Elizabeth Deeds Ermath, Agency in the Discursive Condition, in: History and Theory 40 (2001), pp. 48ff.
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Since the mid-1980s, historical studies on the subject generically known as “consumer culture” have experienced an explosive growth. First stimulated by the turn-of-the 1960s critics of mass consumer society, then fine-tuning their methodologies in the 1980s especially as they probed the recesses of female desire in the body, domesticity, and shopping, finally widening out in the mid-1990s to investigate the mainsprings of successive waves of economic transformation in the shifting traffic, use, and meaning of commodities, their terrain of research has now become global.1 So rapid a development, coinciding with the crisis of Western-focused narratives of progress, complicates the challenge posed by the master historians of the mid-twentieth century, namely, that a truly critical contemporary history reflect “the problems of the present” by engaging in a “dialogue between the events of the past and progressively emerging future ends”.2 What these “future ends” are is not easily discerned when they are in thrall to the hyperbolic language of mass marketing. Phrases like “altogether unprecedented”, “world-shaking”, “the first ever”, “revolutionary” exploit the fearsome uncertainties of fast-changing times. And when their subject is a seemingly almighty multinational corporation, they deeply condition the dialogue between future and past and past and present. This is the case for Wal-Mart Stores, Inc. From a small-town five-anddime, the company has grown over fifty years to become the world’s largest enterprise. Currently, the behemoth from Bentonville, Arkansas employs 1.6 million people world-wide making it the single biggest private employer. Its $ 245 billion in sales in 2004 – almost eight times as much as the Microsoft Corporation – have dethroned the world’s largest manufacturers the General Electric Co. and General Motors. Its command of information technology to mobilize inventory and track consumer tastes marks it as having fulfilled the cyber-revolution’s claim to jack up flagging economic productivity. Its slogan “every day low price” champions its exemplary dedication to satisfying the consumer underdog, plummeting retail costs and causing competitors everywhere to revamp their businesses or face 1 For an introduction, see my entry: History of Consumption, in: International Encyclopedia of the Social and Behavioral Sciences, Oxford 2001, vol. 4, pp. 2682–2687. 2 Edward H. Carr, What is History?, London 1961, p. 164; Geoffrey Barraclough, An Introduction to Contemporary History, London 1967.
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certain failure. Relentlessly circling the globe in search of lowest costs, Wal-Mart’s decision in 1994 to relocate its main global acquisition headquarters to Shenzhen, then in 2004–2005 to redouble its local outlets signals the People’s Republic of China’s formidable new status not only as the world’s biggest pool of low cost labor, but also its biggest market for mass goods. Inevitably, Wal-Mart’s history has to be treated as global history. Yet for now, the trends it portends weigh differently from region to region. For Europeans, for example, its history reposes the problem of resisting American multi-national corporate power, especially as it is linked to neo-liberal policies that open the region to Asian imports; for Americans, Wal-Mart’s history is a reminder that corporate America may still stand on the cutting edge of productivity, but this in no way exempts the national territory from industrial decline nor the end of the high standard of living that was a keystone of twentieth-century America’s global hegemony; for the Chinese, Wal-Mart poses the question whether multi-national investment represents yet another form of Western imperialism or, if managed, a building block to a new industrial modernity that will restore China as a pivot of global commerce.3 From the perspective of U.S. national history, Wal-Mart’s certainly stands in sharp contrast to the economic standard setters of mid-century, notably the General Motors Corporation, and much is to be learned treating it as the “new template for 21st century capitalism” and from comparing a world-economy driven by service and information technologies from one that was driven by manufacturing-based technology.4 However, this contrast risks waxing nostalgia for a “Golden Age of Capitalism”, whose dynamism is interpreted as having derived from consumer-oriented manufacture “Made in the U.S.A.” and from the post-World War II democratic consensus that a decent standard of living for all was necessary to building a peaceful and progressive world.
3 With only one exception (Heiner Köhnen, Das System Wal-Mart. Strategien, Personalpolitik und Unternehmenskultur eines Einzelhandelsgiganten, Düsseldorf 2000), studies from the last decade are American, and based on published sources, almost exclusively from the U.S.: Sandra Vance/Roy Vernon Scott, Wal-Mart. A History of Sam Walton’s Retail Phenomenon, New York 1994; Bob Ortega, In Sam We Trust. The Untold Story of Sam Walton, and how Wal-Mart is Devouring America, New York 1998; Robert Slater, The Wal-Mart Decade. How a New Generation of Leaders Turned Sam Walton’s Legacy into the World’s #1 Company, New York 2003. Wal-Mart’s own version of its history is constantly being updated at http://www.walmartfacts.com/doyouknow/. All internet sources accessed on August 17, 2005. 4 Nelson Lichtenstein, From General Motors to Wal-Mart. Templates for an Era. Introductory Presentation, held at the Conference, University of California, Santa Barbara, Wal-Mart. Template for 21st Century Capitalism? April 12, 2004, http://www.ihc.ucsb.edu/walmart/.
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The intention of this essay is to place the evolution of Wal-Mart within an altogether different framework – namely, successive revolutions in global commerce. This perspective has the virtue of highlighting that periods of intense industrial reorganization have always gone hand in hand with upheavals in cross-border commerce with the effect of intensifying global shifts in commercial power. So the 18th century commerce driven by European empires that turned tea, china plate, sugar, and calico into popular goods stimulated the self-exploitation of, but also new consumer experiences among, cottage weavers during Europe’s proto-industrialization, at the same time as it rested on the shattering of Indian cottage industry and the reinforcing of slavery in the New World.5 Likewise, the flourishing of the turn-of-the century department store of the imperial West, had buyers sourcing rugs, silks, and orientalizing bric-a-brac in Japan, India, and China, reviving proto-industries under the more burdensome terms of colonial exchange. In the boom years of post-World War II Europe, we witness the spread of so-called “factories for distribution”, the supermarket, spurred by cross-Atlantic trade, U.S. agribusiness, and U.S. retailing know-how, but also by the emergence of the European Economic Community, and the new channels of distribution wreaking a heavy toll on small agricultural producers and shopkeepers. Considering the contemporary world’s trans-national retailing revolution, as epitomized by Wal-Mart, in the context of past commercial upheavals also highlights merchant capitalism’s role in re-setting the terms of market exchange. The long distance capitalist – who in the figure of Fernand Braudel’s merchant-pirate was a stock figure of the European-dominated Mediterranean at its commercial apogee in the 15th to 16th century – epitomized the action at the peak of a three-tiered system of exchange. By his capacity to monopolize supplies, capital and knowledge, as well as maneuvering between legal systems, the merchant capitalist reaped super-profits. In the process, he disrupted what Braudel characterized as the market economy, meaning local exchanges.6 Over time the long-distance capitalist also conditioned the third level of exchange, namely the habitual regime of daily life, thereby reshaping in fundamental ways outlooks toward both consumption and production. Breaking the rules as he played on asymmetries from
5 These linkages are illuminated in Sidney Mintz’s superb Sweetness and Power. The Place of Sugar in Modern History, New York 1985, see also Jan DeVries, Between Purchasing Power and the World of Goods. Understanding the Household Economy in Early Modern Europe, in: John Brewer/Roy Porter (eds.), Consumption and the World of Goods, London 1993, pp. 85–132. 6 Fernand Braudel, Afterthoughts on Material Civilization and Capitalism, Baltimore 1977 (German: Die Dynamik des Kapitalismus, Stuttgart 1986); idem, Civilization and Capitalism, 15th– 18th Centuries, 3 vols., New York 1981–1984.
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one place to another, the long distance capitalist – and with him, his allies – eventually established altogether new frameworks for market exchanges. Braudel also reminds us that: “The preserve of the few, capitalism is unthinkable without society’s active complicity.” The break-through of new capitalist relations tells not only of immense disruption, but also of new modes of pacification, again depending on the region, as new alliances are formed between foreign and local capitalists, merchants and customers, and alien and indigenous authorities. However much we insist on the violence of the Wal-Mart system – from the stark aesthetics of its “big box” outlets to its catastrophic laying waste to competitors and super-exploitation of workers – we also have to underscore the alliances that make it viable. Ideally, we want to link analytically the beleaguered consumer in search of variety and low price (who may well be an unemployed or low-waged worker) to the sweat shop laborer at Shenzhen and to his local boss who, by dint of accepting Wal-Mart’s product specifications, successfully integrates his firm into the global supply chain, and, in turn, all of them to the Beijing party officials whose deals with foreign investors spur the “Asian Miracle” and the U.S suppliers at the top of Wal-Mart’s value-chain driving the “retail revolution” whose immense wealth shows up the garish mansions mushrooming around Bentonville. That Wal-Mart’s operations look like such a radical rupture reflects not just the corporation’s giant size and global extensions, but also that from the early 20th century the modern distributive trades came to be regarded as quintessentially national resource – like national manufacturing systems. Capital, supplies, and knowledge still came from abroad in varying measure. Yet retailers positioned themselves as model citizens of the nationstate. For example no matter how much the turn-of-the century department store relied on imports – as was plain from the sumptuous displays of oriental rugs, cashmere shawls, and exotic oddities all size, shape, and price – business strategies called for identifying it as the centerpiece of the bourgeois sense of place, anchoring the downtown neighborhoods of the capital cities, and amalgamating an ever-more socially differentiated middle class into a widening national taste culture. That the department store was a bedrock of the nation was all the more to be emphasized to defuse its association with cosmopolitan Jewish entrepreneurship, the exotic desires its merchandise elicited (especially among female customers), and the suspect financial machinations by which it banked its buyers and paid suppliers.7 7 There is no significant research on Woolworth’s, probably as a result of missing archives and corporate resistance. On the broad context, see my Irresistible Empire. America’s Advance through Twentieth Century Europe, Cambridge, Mass. 2005, chap. 3, passim. In general, the company self-presentations are richer sources than the histories, exception made of Karen PlunkettPowell, Remembering Woolworth’s. A Nostalgic History of the World’s Most Famous Five-and-
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This sense of that retailing capital was essentially national was, if anything, more marked for the far more mobile capital invested in chain stores, notably in Wal-Mart’s best-known predecessor, Woolworth’s. When the company went out of business in 1997, many older Americans mourned the death of the last vestige of “Main Street”. Yet Woolworth’s had been officially engaged in multi-national operations since 1909 when it opened a British subsidiary, and it was registered on the New York Stock Exchange in 1912, the first retail firm to be so. From the 1880s, its founder, Frank Woolworth, was scouring Great Britain and the Continent for the craft items that enabled his company to satisfy the expanding wants of American consumers. Headquartered in New York City from 1886, where in 1913 it took up occupancy of its own 56 story skyscrapers, by 1920 it was operating a “Red Front” in every single U.S. town with a population of 8,000 or over. At the end of the decade, Woolworth’s was far and away the largest variety chain in the world. At the apogee of the company’s fortunes, circa 1954, “everybody’s store” operated 2,850 outlets in the U.S.A. and ran large foreign operations in Canada, Cuba, England, and Germany.8 Like Wal-Mart, Woolworth sought to command the market, and it conceived its capacity to do so on three levels: first by its efficient management, second by its power to source supplies, and third by its capacity, based on the former two, to deliver customer satisfaction to a fast-growing urbanizing public. Woolworth’s efficiencies derived from two relatively simple mechanisms: pricing and buying in bulk. As a “machine for selling” it followed a Fordist model by concentrating managerial expertise, capital, and decisionmaking capacities in one headquarters which by telegraph, telephone, and the postal service, could coordinate information and supplies among thousands of widely scattered, basically uniform outlets. Huge economies were obtained not only by purchasing supplies in bulk from manufactures, enabling them to reduce their costs of overhead, but also by standardizing store layouts, specializing inventory in a relatively small number of items, and simplifying pricing to basically two units, five and ten cents. In turn, the “well-ordered store” was “thoughtfully planned to give every shopper the most for the minimum expenditure of time, effort and money”. This claim was especially important by the 1920s as the capital and labor being poured into the distributive trades raised the costs of manufactured goods to consumers, and labor productivity in the most modernized retailing showed Dime, New York 2001. Company publications include: Fifty Years of Woolworth. The Woolworth story, 1879–1929, New York 1929; together with similar editions for the 75th and 100th anniversaries (1954, 1979). See also: James Brough, The Woolworths, New York 1982; John Peter Nichols, Skyline Queen and the Merchant Prince, New York 1973. 8 F.W. Woolworth&Co. (ed.), Woolworth’s First 75 Years, New York 1954.
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little susceptibility to grow compared to technologically-advanced industry.9 Indeed, down to the 1930s, Woolworth thrived by employing a nonunionized mainly female labor force. True, Woolworth’s entirely male managers occupied decently paid socially prestigious positions as befitting their middle-class status. Around World War I, at the same time that Ford paid his workers the hugely-publicized 5 dollars a day, Frank Woolworth dismissed the notion of paying his counter girls more than $ 3.50 a week as they were unmarried, often at their first jobs, and assumed to be living at home. Though they frequently struck for better conditions, they didn’t win the right to unionize until the late 1930s when business boomed. Thereafter, Woolworth employees’ salaries and benefits rose, though never equal to industrial wages.10 Woolworth also thrived because it drove down the price of supplies by playing on the “competitive struggle for market control” between manufacturers and retailers. From the late 19th century down to the early 1920s, then again from the 1950s to the early 1970s, American retailers had to contend with a sellers’ market of large-scale firms which strove to establish monopolies over innovative goods by developing high-profile brands to market directly to consumers bypassing wholesalers and retailers. To thrive, Woolworth’s bulk bought from big brands and contracted the whole supply from batch industries building relations with some that would endure threequarters of a century! As soon as the buyers market shifted to a sellers’ market after World War I and during the depression, Woolworth’s, along with other leading U.S. mass retailers, pressed their power to impose on American enterprises specialization, variety as well as low unit costs in the name of novelty, style changes, and obsolescence.11 Woolworth also sourced abroad in search of variety and quality, especially in Europe. In 1889, his first voyage abroad took him into the pinecovered hills of Thuringia and Saxony, where he used his admittedly limited “Dutch” to haggle with the women doll-makers. Observing that the 9 This process was most advanced in the U.S., where by 1930, more than a quarter of each consumer dollar was calculated as being spent on distribution and the machinery of merchandising employed 35 percent of the labor force compared to 14 percent in 1870. Theodore N. Beckman, Criteria of Marketing Efficiency, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 209 (May 1940), special issue, ed. by Howard T. Hovde, Marketing in Our American Economy, pp. 133–140, quote pp. 135, 137; James B. Jefferys, assisted by M. Maccoll and G.L. Levitt, The Distribution of Consumer Goods, Cambridge 1950, chap. 3, “The Cost of Distribution of Commodities and Commodity Groups in 1938”. 10 Plunkett-Powell, Remembering Woolworth’s, pp. 4, 86, 220–223. 11 David R. Craig/Werner K. Gabler, The Competitive Struggle for Market Control, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 209 (May 1940), special issue, ed. by Howard T. Hovde, Marketing in Our American Economy, pp. 84–107.
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poor women staggering out of the forests after a ten- to twenty-mile hike, loaded like pack mules with 75 pounds of toys and that he sold the wax dolls at ten cents apiece of which the women received only 1 cent, he contracted with them directly for a higher sum, circumventing the established middlemen.12 Whether Woolworth also contracted with whole firms is unclear. Anyway, the myriad rivulets of goods were assembled at giant warehouses at Sonneberg and in Bavaria, whence it was transported to Bremen and Antwerp and from there shipped to the U.S., the holds of the freighters on their return loaded with the wheat, lard, and other quasi-colonial staples for which the U.S. economy was still famed. Mass retailing thus played an inestimably important role in deepening American markets and honing the fit between national manufacture and national demand. From the turn-of-the-century, Frank Woolworth endeavored to find local substitutes; his success at doing so signaled the huge shift that in the early 20th century would see the U.S.’s rise as the world’s most dynamic region of consumer-oriented manufacture. High U.S tariffs were an inducement to find local substitutes, as well as rising transportation costs. Woolworth was also able to capitalize on highly-skilled immigrants like the two German founders of the Philadelphia-based firm Meyer & Schoenman who supplied his chain with industrial facsimiles of the handblown-glass and quick silver ornaments he formerly imported from Lauscha. As World War I disrupted the trans-Atlantic trade, he developed alternatives to popular European imports like Woolco brand yarn, cotton thread and sewing notions. By the 1920s, currency fluctuations, combined with rising costs and political uncertainty, as well as fired-up patriotism against German goods, consolidated “Made in the U.S.”. So did the mania for designing new consumer goods – like small home appliances, celluloid products, and low-cost apparel and house wares – which were easily marketed through variety stores. The chain store revolution established the American standard of living not just as a national, but also as an international model. Advertising itself as the store of the wise buyer – concentrating the purchase of many indispensable requirements of life in one convenient place and emphasizing both low cost and service, Woolworth saw its consumer-base as a classless, ethnicity-free “everybody”. Aside from being cost-efficient, the organization of counter service at clearly marked, small numbers of unit prices demonstrated to customers that they had the skills, knowledge, and purchasing power to exercise their so-called consumer sovereignty. The right price was not the lowest price at all, but rather the cheapest price at which an article could be sold yet still was of good enough quality for the consumer to want 12 Brough, The Woolworths, pp. 92ff.
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to purchase it again. Branding was central to spreading the belief in a good’s utility, and Woolworth’s sales were greatly boosted by selling heavily-advertised brands such as Proctor&Gamble hair and skin care products, Gillette Razor blades, and Palmolive cleansers, all in the process of becoming high-profile globally. That said, many people experienced the chain store revolution as catastrophic. Rapidly expanding amidst the booms and busts of the interwar period, pushing into the down towns, it signaled the wrenching concentration of retail capital which exploited unfair advantages of scale to destroy local stores, build local monopolies, export profits from the community, and tyrannize badly-paid employees. During the Depression years, the U.S. was rife with efforts to regulate in favor of small units by passing chain-store taxes, anti-price discrimination laws, and anti-loss-leader legislation. It looked like small business and its allies were victorious when the U.S. Congress passed the Robinson-Patman Act in 1936 which barred suppliers operating across state lines from discounting bulk orders with the intent to discriminate against small enterprises. In reality, the law put the burden of complaint on the small competitors who had to prove in court that the public good, defined as the consumer’s demand for low-priced and varied commodities, was being damaged by collusion. The old era that said that the small shop was a valuable social institution was over; the new era had Woolworth’s empowering “People with full freedom of economic choice”.13 The formulae that made Woolworth successful on the fiercely competitive U.S. market catapulted it abroad. From the 1880s it branched out into Canada, and from 1924 to 1930 it opened eight stores in Cuba. In 1909, Woolworth established the first British “three-penny-and-six” stores. After the war it fast surpassed local competitors, Marks & Spencer and British Home Stores to manage 400 branches by 1930. Woolworth’s plan to establish a German division, delayed by the war and the founder’s death in 1919, was finally implemented after the economy was stabilized. In July 30, 1927, the German-speaking manager, Ivan W. Keffer staged the opening of the first 25 and 50 Pfennig store in Bremen. Opening the standardized glass and steel-facaded “Red Fronts” as fast as it could find appropriate locations, Woolworth operated eighty-two stores by 1932, fourteen in Berlin alone. Woolworth’s plans for European expansion reverberated across the continent. In Germany, in particular, department store heads woke up to market segments they had previously ignored, namely the pauperized middle classes and the relatively prospering unionized work force. Well-informed about Woolworth’s strategy and perhaps with American capital, Alfred Leonhard Tietz of the Cologne Tietz, sped the opening of the first 11 branches of 13 Woolworth’s First 75 Years, p. 40.
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Ehape (or Aktiengesellschaft für Einheitspreise) in January 1926 and in 1927, another 20. In 1926, the Berliner Rudolf Karstadt launched his own new line of stores, also with financing from American banks. By 1932, when the Brüning government, shaken by Nazi-led shopkeeper protests, passed legislation to curb further chain store expansion, 15 variety chains were operating across Germany with four hundred local outlets.14 Counting Great Britain, the variety chain stores in Europe numbered around 12,000 by the late 1930s. Whereas in the U.S, they accounted for about 23 percent of retail turnover, in Britain, Germany, France, and Italy, they represented respectively only 7, 1.5, 1.3, and 3 percent. Nonetheless, the chain store reshaped local channels of distribution from the point of view of location, pricing, and clientele. Large-scale retailing had moved from the city centers to outlying urban neighbourhoods and to towns with populations under 100,000, giving a sense of the mobility, dynamism, and omnipresence of retailing capitalism. Now consumers themselves seemed to be in command of determining their purchases: they dealt with clearly marked prices, experienced a functional looking store décor which implied low overhead, and moved about more or less freely, unchecked by the unwanted attention of shop personnel who might question their means and taste. In smaller towns, the stores attracted a socially-mixed clientele, closing the gap between the purchasing habits of the bourgeoisie and lower middle and working classes. The variety store also closed the circuit between women workers and women consumers. Marks & Spencer advertised itself as the store that “introduces the girl who makes the stockings to the girls who wears them”.15 Protests against the five and dime store interwove anti-Semitism with anti-Americanism. In Germany, Woolworth’s management tried to deflect attacks by publicizing that 98 percent of its sourcing was local, its managers and 4000 employees were Germans, and it paid its suppliers in cash. Even so, the name sounded Jewish, and though high Nazis allowed that its management was not non-Aryan, Woolworth’s was targeted by Nazi boycotts. Later in the decade, after other chain stores were Aryanized and the Nazi regime turned a more favorable eye to the stores in the interest of lower consumer prices, the only complaint the Woolworth chain had of the Third Reich was that exchange controls blocked it from re-exporting its very handsome profits and the war left 70 of its 81 stores destroyed or seriously
14 Uwe Spiekermann, Rationalisierung, Leistungssteigerung und “Gesundung”. Der Handel in Deutschland zwischen den Weltkriegen, in: Michael Haverkamp/Hans-Juergen Teuteberg (eds.), Unterm Strich. Von der Winkelkrämerei zum E-Commerce, Bramsche 2000, pp. 191–210; esp. pp. 200f.; more generally, see de Grazia, Irresistible Empire, chap. 3. 15 Cited in De Grazia, Irresistible Empire, p. 173.
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damaged. With the war’s end, as the distribution sector was rebuilt in Western Europe under the star of the American-led internationalization of trade, the company took off under Woolworth’s German-trained management. With 44 outlets back in operation by the end of 1946, the company was still making solid profits in 1998 when it was sold to Electra Fleming, a London-based equity group the year after its long-ailing American parent went out of business. At the turn-of-the-1960s, at the very moment that mass retailing was launched in Western Europe, the American “wheel of commerce” began to jiggle off its axle. After prospering from widespread affluence, largely as the result of industrial labor victories at the turn-of-the-1950s, Woolworth’s profits suffered from the impoverishment of the urban northeast. This decline, not incidentally, reflected job flight as factories moved south to exploit non-union labor. Paradoxically, Woolworth’s would be undercutting itself as it too began to source more heavily where labor costs were lower – in the American Sunbelt as well as in Japan and South Korea. So it was circa 1962–1963 that when scores of starry-eyed European entrepreneurs traveled to Dayton, Ohio to learn the tricks of modern retailing at National Cash Register’s famous week-long courses, if they visited the downtown area, they would have glimpsed the end of the nation-state-based revolution in retailing. The word “rust belt” could have been coined for industrial Ohio, as Main Street was abandoned by “white flight” to the suburbs and the leading retailers, including the local Woolworth’s, had closed down or re-located to new malls far distant from the old downtowns.16 Now it was Wal-Mart’s turn. Benefiting from the same shifts in economic gravity whose wider background was the ebbing of the postwar boom, the Oklahoma-born businessman Sam Walton recognized that he catered to an important niche, namely rural customers poorly served by small-town merchants and entrenched national chains. Given his backwater location, he quickly grasped two principles: first, to build up his own supply and distribution system, and second, to build mobility and information into this process. The latter were provided by the airplanes that flew him around the country, as well as by fleets of trucks, cheap fuel, and state-built roads, and eventually, by the most advanced computerized and satellite information systems. Riding the New South’s prosperity at the same time as sourcing widely to exploit the softening industrial market, Walton became renowned for his discount prices, building a near monopoly over towns of 5000 to 25,000 by the late 1970s.17 From the 1980s he tackled the bigger population centers, experimenting with new kinds of retail outlets. His 16 De Grazia, Irresistible Empire, pp. 398ff., 415. 17 Vance/Scott, Wal-Mart.
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signature undertaking was Sam’s Club, a wholesale outlet for members. Another experiment was the hyper-market, a full-scale supermarket also offering general merchandise, pioneered by the French firm, Carrefour. The third was the deep discount outlet, associated with the German retailer Aldi, which had entered the U.S. market in the mid-1980s by buying out the genteel old Jewel Tea Company of Illinois. Merchant capital abhors a vacuum, and the “Europeanization of American retailing” during the 1980s signaled that U.S. retailing had lost its edge, at least temporarily. Leading European retailers moved from their national moorings. Carrefour had established its first big supermarket in 1963 on a U.S. scale only to find its expansion on the French market constrained in the 1970s by stagflation and government regulation. As European operators became used to crossing borders within Western Europe, they became more and more adept at tackling environments elsewhere. Whether they moved upscale like Carrefour to offer “boutique-ization”, or downscale like Aldi to deliver no-frills discounts, European retailers had by the turn-of-the-1990s become leading presences in Latin America and Asia as well as investing in the U.S.18 To compete with both old U.S. and new European contenders, Wal-Mart sharpened its profile on three scores. First, it presented itself as emphatically anti-union. True, this was to rein in costs. But the measure was also ideological; unions were the uncongenial, communication-inhibiting relics of a market-stultifying past whereas the team spirit combined of the folksy egalitarianism of the rural South, the ferociously competitive incentives and non-wage benefits familiar from middle-management hierarchies, and the chanting, foot-stomping pep rallies borrowed from Asian, especially Korean employers (who by the mid-1970s seemed to know how to spur labor productivity) represented the future in global labor relations. Employees had thereby been transmogrified into “associates”. That Wal-Mart paid low wages was justified with the same arguments Woolworth’s made before being forced to accept unions as an irreversible fact of modern labor relations, namely that retailing operated with narrow profit margins unlike capital intensive industries, and the pay scale, mainly designed for youth and women, was not intended as a family wage, but rather as a supplement to other family members’ income.19 That capital-intensive, high paying jobs were not around to push wages higher was not Wal-Mart’s problem. In
18 Joanne Legomsky, The Europeanization of American Retailing, in: Standard and Poor’s Industry Surveys, April 3, 1986 pp. R61–R65. 19 The best background is Simon Head, The New Ruthless Economy. Work and Power in the Digital Age, New York 2003; Liza Featherstone, Selling Women Short. The Landmark Battle for Workers’ Rights at Wal-Mart, New York 2004; and Barbara Ehrenreich, Nickled and Dimed. On (Not) Getting by in America, New York 2001.
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compensation, it operated on the demand-side by dropping prices and dampening inflation. Wal-Mart’s strong suit was its sourcing. By the outset of the 1990s, the path to Asia was well trodden: from the 1970s, Japanese and Korean manufacturers had supplied the U.S. market for electronic equipment. And by the late 1980s Sears, K-Mart, Target, and other leading retailers had established procurement networks in China while Wal-Mart was still blustering that its company policy was to “Buy American”; outsourcing was only a stick to beat American suppliers into cutting their costs. However, as it secured a more and more powerful position on the American market by show-casing one super-low priced item in each category, the company changed its policy to source wherever manufacturing was cheapest and its huge leverage could be used to best effect. In the post-Tiananmen era, after having hid behind its exclusive buying agent, the Pacific Resources Export Limited, it set up its global sourcing headquarters at Shenzhen, the tax-free boom town near Hong Kong. By 2005, not only had the separately organized subsidiary Wal-Mart China Co. Ltd become China’s largest single exporter, it was redoubling its investment in its own local stores, going into second-tier towns in competition with Carrefour, still the foreign leader, and China’s own very big retailers. And to demonstrate that its interests were truly global, in 2004, the company held its annual board meeting at Shenzhen, the first foreign company to do so. This remarkable gesture to globalism has in no way precluded playing to Chinese patriotism. Wal-Mart recentlymounted China Website touts that 95 percent of the merchandise sold in its forty or so local stores is Chinese-made, noting, “In the future, the company is expected to substantially increase the volume of buying local.”20 Wal-Mart’s greatest achievement, it would contend, rests on its towering technological superiority. That is hard to demonstrate as catch-up in retailing best practice now occurs practically instantaneously. It is fair to say that, like Woolworth’s, it performed on the cutting edge. Its huge scale and scope combined to launch its own satellite communications system in 1987. And its capacity not simply to track inventory but also practically instantaneously to feed back consumer choices into the distribution system is currently unparalleled.21 It would take another decade and a half for other global competitors to launch an equivalent system. That was in 2003–2004 20 Bronwyn Lance Chester, Wal-Mart in China Exemplifies Unabashed Capitalism, in: Tallahassee Democrat, January 19, 2004; Carl Goldstein, Wal-Mart in China, in: The Nation, December 8, 2003; idem, Multinational Retail Giants Scrambling for Secondary Cities in China, China Economic Net, January 28, 2005. 21 Misha Petrovic/Gary G. Hamilton, Making Global Markets. Wal-Mart and Its Suppliers, held at the Conference, University of California, Santa Barbara, Wal-Mart. Template for 21st Century Capitalism? April 12, 2004.
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at the initiative of Carrefour, the world’s second biggest retailer (though only one-quarter Wal-Mart’s size) which, working with Oracle, world’s largest business software producer, launched GlobalNetXchange in collaboration with Sears Roebuck and Co, Germany’s Metro, and the British conglomerate J. Sainsbury. Its ambition was to build the largest web-based business-to-business marketplace for the retail industry, eventually to enable full automation of the purchasing process.22 All three characteristics – labor efficiencies, sourcing, and technology – have been cited to convince the American public that Wal-Mart offers “every day low price”. As well as a real monopoly in many areas, it has established a monopoly over its media image, giving an air of inevitability to the notion that there is no viable alternative to the trends its successes represent. Whereas Woolworth’s spoke for the collective citizen-consumer, and its relatively limited range of offers set a standard for the appropriate necessaries, Wal-Mart feeds a kind of consumer survivalism in the face of declining standards of national welfare. Its every dictum is phrased to have the reasonability of an economic law: “We source from the global market to offer our customers who live paycheck to paycheck the greatest value for their money on many essential products.”23 Unlike Woolworth’s which treated the consumer as the citizen-worker of a manufacturing nation, WalMart treats the consumer as paradigmatic figure of rentier economy: one that consumes, but produces very little. In sum, whereas Woolworth contributed to establish the mid-century American standard of living, with its emphasis on national manufacture and standard sets of branded products, Wal-Mart reflects its erosion. On the rare occasion management speaks of exporting American-made products, it means farm staples as in (the) “Washington State apples (that) go to our Wal-Mart Mexico stores, Illinois peanuts to our stores in Japan and Korea; and fruit juices from California and New York to Wal-Mart Argentina.”24 Ultimately, Wal-Mart’s global expansion is at least as much an Asian story as an American one. As the leading procurer of foreign exports from China, Wal-Mart has many cards to play, but it is also an outsider, and its technologies are in many respects outlandish in the face of really-existing local distribution systems, most depending on paper receipts and trust. On the one hand, Wal-Mart exerts pressure that passes through official as well as unofficial channels to prevent suppliers from passing China’s high infla22 http://www.carrefour.com?english/actualitiespop/28022000.htm; 23032000.htm. 23 Sam Hornblower, Is Wal-Mart good for America? Wal-Mart & China. A Joint Venture ”Frontline,” http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/walmart/. secrets/wmchina.html. 24 Ted P. Huffman, Wal-Mart in China. Challenges Facing a Foreign Retailer’s Supply Chain, in: The China Business Review 5 (2003), p. 19.
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tion into Wal-Mart’s U.S. value chain. On the other hand, Wal-Mart has been pressured to recognize the All-China Federation of Trade Unions which flies in the face of company policy. The gains to Chinese business are immeasurable as suppliers gain access to Western markets without the huge expense of developing their own brands. Also much is to be learned from Wal-Mart’s technologies, none of which are secret, as Wal-Mart itself recognizes, as it proposes to donate large sums to the Technical University at Beijing to teach Western retailing. The risk is that Chinese manufacturers will want to snatch for themselves some greater share of the value from Wal-Mart’s supply chain, and will themselves want to establish their own brands or use their growing power to invest themselves in research and design to make new products. That prospect can’t but unnerve Western big brand producers, which already on the defensive as they have to compete with Wal-Mart house brands made in China, contemplate new mergers to shore up their market position.25 Wal-Mart’s expansion has also become a European story – as well as a Latin American and Canadian one. Its original strategy was to move from relatively poor rural toward relatively wealthy urban centers. Abroad, rural areas have generally been too impoverished to countenance the scale of Wal-Mart’s, and the company has had to work through the centers, struggling against well-entrenched competitors, uncertain whether the conditions exist that made it so profitable in the U.S. Initially Wal-Mart avoided socalled Greenfield expansion, preferring joint ventures and takeovers. It became more comfortable in 1994 after acquiring the 122 outlets of Woolco, Canada, Woolworth’s discount branch. Convinced by that experience that it could handle multi-lingualism and cultural complication, including refractory workers with union traditions, in December 1997 it acquired Germany’s Wertkauf chain of 21 hypermarkets. In 1999 it bought the 229 stores belonging to the British ASDA Group. Though these purchases were to have started Wal-Mart’s “European invasion”, the subsequent hiatus showed the huge corporation pausing to regroup in the face of the high costs, regulatory complexity, and consumer sensitivities attendant on doing business in the European Union.26 Today, however, having sounded out European Union authorities about what combinations would violate anti-monopoly laws and anticipating that European consumers too may be ready for “every day low price” – with all that goes with it – Wal-Mart is once more negotiating to enter Western Europe. In turn, European firms, Carrefour in the lead, have begun to reposition themselves. After merging with Promodès in 1999 and launching a 25 Laura Rich, Procter&Gamble Bulks UP, in: New York Times, January 30, 2005. 26 Selling Wal-Mart International, in: Management Ventures, Inc., September, 1998, pp. 2–7.
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new global satellite inventory system in 2004, Carrefour recently underwent a management shake up.27 However it occurs, critics of Wal-Mart’s eventual presence on the European continent will be mindful of discussions that occurred in the mid1990s as anti-globalist forces explored the impact of retail capitalism: American policy makers, it was argued, wanted the whole world to be ruled by “K-Mart states”. Like the American discount chain store that had gone abroad (and then was bested by Wal-Mart) by exploiting non-union labor, delivering no-frills service, and supplying the trashiest stock consumers would settle for, the K-Mart State was a metaphor for government on the cheap, one that gave international capital easy access to local financial markets, stripped away the Keynesian cushions that protected against high unemployment rates, backed down powerful unions, and whittled away at social services.28 The K-Mart state also stood for government with diminished sovereignty over national culture, one that enabled the local stock of local cultural goods to be undersold by the American “infotainment” conglomerates which were the cultural hallmarks of the new global economy. Signally, what was not contemplated only a decade ago was the immense power of the global retailing revolution to industrialize East Asia and not just flood Western manufacturing nations with their goods, but tap fresh well-springs of legitimacy for consuming them. From this wide angle, we can contemplate Deutsche Woolworth GmbH & Co whose 340 outlets in Germany and Austria are a homey sight to local shoppers. Yet currently it procures 50 percent of supplies from the Far East, employing TradeStone Software of Gloucester, Massachusetts to coordinate sourcing and DHL to move the goods to Woolworth’s main warehouse in the Westphalian town of Bönen. Practically nobody would disapprove of its overriding goal, which is, to quote Dr. Harald Gerking, Supply Chain Manager, to offer “its customers quality at low prices”.29 From the angle of global commercial revolutions, using an approach that compares the reverberations from two breakaway firms, Woolworth’s and Wal-Mart’s, we are left with one plausible conclusion, many questions, and a pious hope. The conclusion is that nothing affirmed about or by Wal-Mart 27 Carrefour is well studied: In addition to its website http://www.carrefour.com/ see Jean-Marc Villermet, Naissance de l’hypermarché, Paris 1991; also Sylvain Courage, La vérité sur Carrefour, l’épicier planétaire aux 2 millions de clients par jour, Paris 1991. 28 Daniel Drache, From Keynes to K-Mart. Competitiveness in a Corporate Age, in: Robert Boyer/ibid. (eds.), States Against Markets, London 1996, pp. 31–61. 29 DHL handles Asian imports for the trading company, Bonn, August 27, 2004, http:// www.dpwn.de/dpwn?check=yes&lang=de_EN&xmlFile=2000243; Deutsche Woolworth Signs Global E-Sourcing. Order Management Agreement with TradeStone Software, January 17, 2005, http:// www.tradestonesoftware.com/newsrelease01172005. html.
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as it presently exists is an historical fact, not even that Wal-Mart is ineluctably anti-union, and least of all that consumers are naturally attracted to “every day low price”. Seeing how Woolworth’s changed hugely over a century, and Wal-Mart already over a half of one, there is no gainsaying future trends. What is clear nonetheless is that the history of neither can be confided to a master narrative. The layers of analysis are so complex – from corporate decision-making to consumer action – and the cultures involved so diverse, that to navigate them rafts of scholars have to embark on new seas and brave the same fearsome gales that buffeted Walter Benjamin’s Angel of History.
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The revolutionary processes of economic globalization that dominate the modern world inevitably compel historians to turn their attention to comparative and transnational developments in economic development. There has, for example, been a growing emphasis on the significance of financial systems for economic growth. As Ross Levine has argued in a seminal essay: “Although conclusions must be stated hesitantly and with ample qualifications, the preponderance of theoretical reasoning and empirical evidence suggests a positive, first-order relationship between financial development and economic growth. A growing body of work would push even most skeptics toward the belief that the development of financial markets and institutions is a critical and inextricable part of the growth process … There is even evidence that the level of financial development is a good predictor of future rates of economic growth, capital accumulation, and technological change. Moreover, cross study, case study, industry- and firm-level analyses document extensive periods when financial development – or the lack thereof – crucially affects the speed and pattern of economic development.”1
Transnational issues have acquired increasing importance of late because of Globalization, so that the many-facetted problems of business organization and management take on something of a universal character or at least resist being nationally pinpointed with respect specific problems and practices. Conventional models also less easily define them. Under these circumstances, there may be good reason to take a look back at conventional models with a critical eye toward their validity and also to consider some of the new issues that now preoccupy business historians. This is neither the 1 Ross Levine, Financial Development and Economic Growth. Views and Agenda, in: Journal of Economic Literature 35 (1997), pp. 688–726, quote on pp. 688–689. Jürgen Kocka is well known as one of the pioneers in modern German business history. His work in this field include both the highly original study of a great entrepreneurial organization, Siemens, in 1979 and a classic chapter on “Entrepreneurs and Managers in German Industrialization” in the Cambridge Economic History of Europe in 1978. His work in this area has usually been explicitly or implicitly comparative in nature, especially with respect to Germany and the United States. Recently, he has addressed transnational issues in business history. See Jürgen Kocka, Organisationsstrukturen, historische Entwicklung von, in: Georg Schreyögg/Axel von Werder (eds.), Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation, Stuttgart 42004, pp. 1060–1068.
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place to present these issues in detail nor to review the burgeoning literature in any comprehensive manner. My purpose instead is to provide a sketch of the current state of some of the issues, both past and present, as I see them by concentrating on recent developments in the history of financial systems. Certainly, old paradigms have been subjected to considerable challenge in the past few years. Possibly no paradigm in business history has been more subject to challenge and perhaps even dissolution than that connected with the role of banks in the industrialization of the major nations. Until about a decade ago, our understanding of the role of banks in central European industrialization was formed to a large extent by Rudolf Hilferding, Alexander Gerschenkron, and Alfred Chandler. Hilferding’s “Das Finanzkapital” of 1910 placed the role of the great universal banks center stage in the economic development of Central Europe, seeing in their accumulation of capital, engagement in industrial financing, and powers of control through the agglomeration of supervisory board seats on joint stock companies the dominant economic trend of his age and one that had profound implications for the increasing concentration of economic power, promotion of imperialism, and the ultimate transformation of the economic order through the creation of an “organized capitalism” that would pave the way for socialism.2 Gerschenkron’s interest was less in defining the nature of the economic system under high capitalism than in explaining the manner in which latecomers to industrialization caught up, and he emphasized the role of banks as instruments in the mobilization of capital where industrialization and the development of financial system had been weak. Universal banks served industrial development by supplying current account credits and also, through their superior access to information, were better able to overcome asymmetric information problems and mobilize capital that could be invested in the right companies at the right time. The thrust of Gerschenkron’s argument was that late development required different institutions and forms of corporate governance, and it was for similar reasons that he emphasized the role of the State in the economic development of latecomers.3 While much of the discussion of universal banks concentrated on Germany, other late developers – Italy and pre-1914 Russia, for example – also received significant attention, and they were contrasted with early developers, above all Great Britain. More recently, however, greater emphasis has been placed on the functions of various financial systems in a 2 Rudolf Hilferding, Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus, Frankfurt a.M. 1968. 3 Alexander Gerschenkron, Economic Backwardness in Historical Perspective. A Book of Essays, Cambridge, Mass. 1962.
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transnational perspective while the etiology of financial systems has been downplayed for contemporary analyses. Gerschenkron never claimed that the economic forms thus developed would last forever, and neither has Alfred Chandler in his Scale and Scope, who well understood that self-financing became an increasing option for many German enterprises. Nevertheless, he did buy into the argument that the great banks had played the major role in German industrialization, above all in the financing of the railroads, and that they were a key factor in German industrialization when and where their services were needed: “The Grossbanken were the most important institutional innovation that the railroads bequeathed to German industry. They supplied much of what today would be called venture capital. They provided the funds for the large investments necessary to exploit the cost advantages of scale and scope and thereby to acquire first-mover advantages. Because the large German enterprises clustered in industries that required great initial capital and brought less immediate cash flow than did the production of branded, packaged products or light machinery and because the capital markets in Berlin, Frankfurt, and Cologne were smaller and less sophisticated mobilizers of funds than those in London and even New York, these ‘great banks’ because a primary source of initial financing of industrial enterprises in Germany in a way that banks rarely, if ever, did in the United States and Great Britain. Nevertheless, in several industries first movers were financed locally and did not require the services of Grossbanken. Moreover, as bank-financed enterprises began to rely on retained earnings to find their growth, the influence of bankers on their boards declined and in some cases disappeared.”4
This interpretation of the role of banks is closely connected to the “varieties of capitalism” approach to business history and forms an important basis for what has been a generally accepted contrast between the market-based Anglo-American capitalist model and “non-liberal” bank-oriented systems of Germany and Japan. It is not, however, faring well these days. To begin with, the conclusions drawn about the most important case, that is, the German one, have been challenged. Research has shown that governments played as much of a role in building railroads as did banks so that the notion that the development of the key sector in industrialization, the railroads, was bank-driven needs to be relativized. Furthermore, the role played by private banks has been understated, although one must hasten to add that many of the important private banks functioned as universal banks. Additionally, over-concentration on the big universal banks tends to overlook the important roles played by provincial banks and the increased importance of savings banks. 4 Alfred Chandler, Scale and Scope. The Dynamics of Industrial Capitalism, Cambridge, Mass. 1990, p. 419.
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In short, the German model as we have come to know it may in fact have been skewered in favor of the role of universal banks and their promotion of joint-stock companies, and this in turn calls into question the validity of some of the comparisons that have been made and even the assumption about the relationships between banks and joint-stock companies. Thus, the emphasis on the importance of universal banks and their role on supervisory boards by-passes the fact that some 80% of the industrial capital stock in Germany was held by enterprises that were not joint-stock companies and hence neither issued stock nor had supervisory boards. In fact, joint-stock companies were more important in Great Britain than in Germany, and the former obviously did not have the German banking system. An important challenge to the original view has been provided by Caroline Fohlin, who has convincingly demonstrated that the industry-bank connection through banker presence on supervisory boards of industrial firms and industrialist presence on the supervisory boards of banks was relatively infrequent prior to 1900, when only 10%–30% of firms had any such connection but then increased to as much as 90% before the war. What this means is that the role played by these banks and connections was most important after Germany had reached a high stage of industrial development and played little or no role in earlier industrialization. Furthermore, empirical investigations of the actual behavior of bankers on the supervisory boards of industrial enterprises show that banks seldom could exercise their alleged power in the manner portrayed by Hilferding and others. For one thing, the credit demands became so great in the period of high industrial capitalism after 1900 that risk sharing was necessary and large credits and stock flotations were undertaken by consortia rather than by individual banks. At the same time, there was considerable competition among the banks themselves for a position in these consortia and also over the quotas they sought to have. This put the industrial owners and managers at a substantial advantage, so they could take advantage of the competition among the banks to play them off against one another and to get better terms.5
5 The literature has grown substantially. See Caroline Fohlin, Relationship Banking and Corporate Governance in the Kaiserreich. Social Science Working Paper 931, California Institute of Technology, Pasadena 1995; The Rise of Inter-locking Directorates in Imperial Germany, in: Economic History Review 52 (1999), pp. 307–333; Corporate Capital Structure and the Influence of Universal Banks in Pre-War Germany. Social Science Working Paper 1030R, California Institute of Technology, Pasadena 2000; and her forthcoming book-length study, Corporate Finance and Governance in the German Industrialization. New Perspectives, Cambridge 2006. See also Jeremy Edwards/Sheilagh Ogilvie, Universal Banks and German Industrialization, in: The Economic History Review 49 (1996), pp. 427–446; Volker Wellhöner, Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich, Göttingen 1989; Harald Wixforth, Banken und Schwerindustrie in der Weimarer Republik, Köln 1995.
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Underlying this discussion have been certain assumptions about the behavior of banks and their role that do not hold up very well when subjected to transnational analysis. Thus, in her studies of decision making and information management in French and German banking in the 19th century, Monika Pohle Fraser has challenged the traditional assumptions that private bankers were risk-averse and reluctant to invest in industry while universal banks were much more ready to invest because they could monitor more successfully. In her Franco-German case studies, however, she shows that private banks were quite willing to take such investment risks, failed to spread risks, and could end up creating a joint-stock company as a means of escaping the consequences of improvident measures. As for the universal banks, they were much shier about industrial commitments than often assumed and also used the joint-stock company as a means of disguising their engagements. Pohle’s investigations cast doubt on the idea that information asymmetries were necessarily the source of house-banking and the system of supervisory board representation and universal banking, suggesting instead that universal banks may not necessarily have been the most efficient and effective brokers of information and therefore in no way superior to other forms of banking-industry relationships.6 All this is not to argue that the model has been obliterated or that there is nothing to the old comparative approach of the different financial systems of industrial nations, but it does suggest that some of the preoccupation with the debate about the superiority of one system over the other and its explanatory power with respect to successful industrialization is obsolete. As Youssef Cassis has cogently argued, the different relationships between banks and industry in Germany, France, and Great Britain have been shown to be less significant than previously assumed and that the success of industrialization in the three countries – and one can also add the United States – was not determined by the role of banks.7 Nevertheless, this does not mean that financial systems were or are of little or no significance since there is much evidence that they have always been crucial to economic development. What has been effectively questioned by recent research is the legitimacy of viewing financial systems in invidious terms. In contrast to historians who would, for example, argue that the United States was missing out on something by not having the
6 Monika Pohle Fraser, Design or Default? Who does Housebanking and Why? Some Impressions from Banks’ Archives. France and Germany, 1800–1915, in: Kostas P. Kostis (ed.), The Creators and the Creation of Banking Enterprises in Europe from the 18th to the 20th Century, Athens 2002, pp. 255–292. 7 Youssef Cassis, Big Business. The European Experience in the Twentieth Century, Oxford 1997, pp. 176–186.
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alleged benefits of German universal banking,8 the more recent trend in scholarship is to eschew dubious counterfactuals based on functionalist thinking and to concentrate instead on path dependency in explaining the evolution of financial systems. That is, financial systems are historically based and are the product of networks that have been built up over time to meet the needs of the specific economies but also the cultures out of which they have evolved. While this might be thought to imply a return to the primacy of national histories in the explanation of the evolution of national systems, it marks a break with the types of questions asked in the purely nation-based approach and even in the questions raised by comparative historians because it focuses on transnational questions applicable to all financial systems. As Barry Eichengreen has argued, and as has been argued above, the old paradigms concentrating on financial institutions had not held up very well, and this has led to a greater emphasis on the role of financial systems which are comprised of “a variety of institutions and arrangements – some formal, some informal – that interact in providing financial services to the economy. Importantly, those different arrangements and institutions interact. The existence of a stock market on which large firms can borrow, for example, limits the clientele likely to be available to banks. This change in customer base then influences the efficiency advantages of large versus small, or mixed versus industrial banks, and the structure of the financial system itself. The idea of a financial ‘system’ of coexisting, interacting parts cries out for further study. It is provocative but systematic, rigorous historical and theoretical research has yet to be done.”9
Furthermore, Eichengreen emphasizes that the “path dependence” of such systems should not be treated as a fashionable and trendy synonym for history but rather as a commitment to the proposition that “history matters permanently … that passing events in financial markets affect not just the subsequent course of financial history but that they change the course of their development permanently. Not only are the ‘transitional dynamics’ of the system affected but also its equilibrium – its long-term resting point.”10
8 Charles Calomiris, The Costs of Rejecting Universal Banking. American Finance in the German Mirror, 1870–1914, in: Naomi R. Lamoreux/Daniel M.G. Raff (eds.), Coordination and Information. Historical Perspectives on the Organization of Enterprise, Chicago 1995, pp. 257–322. 9 Barry Eichengreen, Economics and Culture in the Writing of Financial History, p. 121–8, in: Philip L. Cottrell/Jaime Reis, Finance and the Making of the Modern Capitalist World, 1750– 1931, Proceedings of the Twelfth International Economic History Conference, Madrid, August 1998, Section B9, Sevilla, Fundación Fomento de la Historia Económica, pp. 88–94, quote on p. 90. 10 Ibid.
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But what is the history with which one is dealing? Here, again, there is a tension between a national and transnational approach to path dependency. One can, and some historians do, make an argument for the role of politics in determining the “path” involved and, as Eichengreen notes, it is indeed the national state that defines the legal and regulatory system under which financial systems operate. Nevertheless, here again he finds the national framework with its concentration on politics too limited in that it overlooks the power of the market to overcome political interests through the generation and perpetuation of a financial system defined as “a network of interacting banks and non-bank intermediaries whose individual efficiency is not independent of the activities of their competitors”11 so that their inclination to dance out of line and engage in radically different behavior is very much reduced. The incentives to maintain the system arise out of the market situation created by its own history and the penalties that are anticipated if the system is shaken or is allowed to break down. Neither efficiency nor legal and political constraints are determinative of the financial system’s survival. A similar perspective toward financial systems has recently been developed by Richard Sylla and Robert E. Wright, who not only share Eichengreen’s view that financial systems have to be defined as networks but who also attribute to them the intrinsic capacity to overcome efficiency problems and thus mitigate the need for restrictions and regulations on the exfoliation of networks: “We believe that the underlying network structure of financial systems will evolve to match the demands of the respective external environments. In other words, as they grow … networks spontaneously form in a way that mitigates potential quality problems. Given the high opportunity costs of trying to anticipate and stymie all potential threats, financial systems develop to meet the exigencies of their respective environments. Therefore, like biological species, financial-system networks can reduce the damage stemming from cyclical or otherwise expected shocks.”
While not denying the vulnerability of even highly regulated systems to shocks and even extinction, “the good news is that the probability of a catastrophic shock is low, and financial-system networks can adapt to avoid or limit the damage of many shocks”.12 While this analysis may appear excessively optimistic, it is driven by a belief in the significance of financial systems for economic and development 11 Ibid., p. 191. 12 Richard Sylla/Robert E. Wright, Networks and History’s Generalizations. Comparing the Financial Systems of Germany, Japan, Great Britain, and the United States of America, in: Business and Economic History On-Line 2 (2004), Business History Conference, http://www.thebhc.org/ publications/BEHonline/2004/SyllaWright.pdf, p. 11.
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and growth as well as by the conviction that their origins themselves reflect a successful adaptation to the peculiar historical circumstances out of which they emerged. Sylla and Wright are quite willing – perhaps too willing, given recent historical research – to accept the stylized differences between bankoriented and market-oriented financial systems represented by Germany and Japan, on the one hand, and the United Kingdom and the United States, on the other. They make an important argument, however, in attributing a significant portion of the difference between the two types of financial system to the degrees of moral hazard and attitudes toward bankruptcy to which the economies of these countries were exposed. In Japan and Germany, moral hazard was reduced by the fact that bankruptcy laws were very strict and this at once encouraged dependence on banks and also encouraged banks to engage in higher degrees of holding debt and equity of favored clients. In contrast to this emphasis on relational banking, Anglo-American banks tended to be more formal and contractual in their relations with business customers, and this relative keeping of distance was made all the more desirable by a bankruptcy system that favored debtors over creditors and showed no particular favor to banks that had close relationships with enterprises in trouble. American bankruptcy law favored shareholders and managers and encouraged debt-equity swaps. Needless to say, such arguments underline the significance of the institutional economics propounded by Douglass North, with its emphasis on the importance of the state in defining property rights and establishing the political and legal infrastructure necessary to reduce transaction costs and make economic organization possible and stress on the significance of the ideological perspectives that develop and change over time in defining what government and society consider to be acceptable.13 Clearly, national differences do matter, but contemporary analysis pays much more attention these days to the functions of financial systems from a transnational perspective and is less attentive to their individual peculiarities. Historians thus face the double task of explaining the peculiarities of individual national financial systems from an historical and cultural perspective and understanding how they articulate in a global setting. The importance of the national factors has tended to be neglected by neoclassical economics, but their importance increasingly presses itself upon the historian of financial systems. The fact that it has been so difficult to evaluate the relative importance and success of bank-based and market-based financial systems in the period of industrialization raises the question of whether the distinction between the two systems may not have been most important after the Second World War and that the entire question needs to be linked to broader economic issues of contemporary labor and welfare systems and 13 Douglass C. North, Structure and Change in Economic History, New York 1981, pp. 33–68.
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the problems of corporate governance. Such an approach has been taken by Sigurt Vitols, who has challenged the notion that the most salient origins of the two financial systems are to be found in the timing of industrialization, as claimed by Gerschenkron and strongly supported in much of the literature, and argued that the real origins of the difference as truly significant factor lies in the introduction of regulatory financial regimes in the 1930s.14 Prior to this time, the regulation of both types of financial systems was relatively laissez faire. According to Vitols, it was the succession of crises beginning already in 1873 and repeated in 1907, followed by the destabilizing effects of World War I, and culminating in the Great Depression beginning in 1929 that reached its height on the Continent in 1931 that made the difference between the two financial systems most significant because of the introduction of regulatory systems. The social and political costs of the laissez faire systems crises proved too high, while demands grew not only for regulation but also for finding ways to use the financial system to fight unemployment and promote economic programs, especially rearmament. In the cases of Germany and Japan, the governments favored bank-based financial systems and demonstrated prejudice against securities markets, while the United States regulated but did not favor banks over securities markets. It was a measure of how ingrained the bank-based systems had become that American efforts to introduce the U.S. system following the war failed, and one can in fact argue that the heyday of banking influence and power in Germany and Japan was in the 1960s and 1970s.15 An especially interesting aspect of Vitols analysis of these differing financial systems, however, is the manner in which he relates it to questions of household savings and pensions. Both Germany and Japan have relied almost exclusively on solidaristic retirement schemes and have pay-as-you-go public retirement as well as non-capitalized private pension arrangements. Obviously, this discourages widespread public interest and investment in the securities market. The reverse has been the case in the United States and the United Kingdom, where investment in pension funds based on securities investments has been encouraged.16
14 Sigurt Vitols, The Origins of Bank-Based and Market-Based Financial Systems. Germany, Japan, and the United States, in: Wolfgang Streeck/Kozo Yamamura (eds.), The Origins of Nonliberal Capitalism. Germany and Japan in Comparison, Ithaca 2001, pp. 170–199. 15 It is hardly accidental that so much of the literature dealing with universal banking and “Bankenmacht” comes from this period. 16 It is thus not surprising that the severe market downturn of the late 1990s nipped growing German proclivities to invest in securities in the bud, but did not discourage the George Bush administration in the United States from pursuing its idea of privatizing at least part of Social Security.
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Nevertheless, there is also plenty of evidence that these systems are in flux and that just as there is a growing tendency, especially in the German system, to move in the direction of Anglo-American investment banking and away from the old ties between banking and industry characteristic of the universal bank, so is there a tendency on the part of Americans to rediscover the virtues of combining commercial and investment activities. Both recent events and recent research have shown it is important not to exaggerate such developments. The Deutsche Bank cannot easily move to London, and the American and British financial market will continue to be complex and specialized. Furthermore, much of what was thought to be “Americanization” in both industrial and financial practice both in the Weimar Republic and in post-1945 Germany was autonomous and indigenously generated.17 While American shareholder values have obviously made great inroads in Europe in recent years, this hardly constitutes an abandonment of stakeholder values, and the great scandals of the past few years in the United States have obviously had a sobering effect on the enthusiasm for shareholder values everywhere. Clearly, forms and types of organization are becoming more mixed. This said, it is reasonable to expect that increasing attention will be paid by historians to problems of corporate governance because the stakes involved in reducing moral hazard have become much higher thanks to the huge investment of large numbers of persons in pension funds and the aforementioned scandals. Indeed, there may be a shift from asking how financial systems promote growth to asking if and how they can produce greater stability. The history of accounting and the problems of transparency and especially of trust will necessarily receive greater attention, and there are new historical issues on the horizon. As Christopher Kobrak and Jeffrey Fear suggestively argue: “Ironically, if one of the salient issues of 20th century corporate governance was the increasing separation of ownership from control (management) – most quickly in the United States – the major issue facing corporations in the early 21st century is arguably the separation of investment from ownership by highly dispersed, globalized arms-length shareholding. Intermediaries such as pension fund companies have proliferated to fill this gap, not only to monitor management but also to aid investors not directly owning shares in single firms.”18
If there are new issues to be pursued, however, there are also old ones that need to be looked at in new ways. There has been a strong tendency for 17 See the excellent discussion in Jeffrey R. Fear, Organizing Control. August Thyssen and the Construction of German Corporate Management, Cambridge, Mass. 2005, esp. pp. 721–727. 18 Christopher Kobrak/Jeffrey Fear, Diverging Paths. Accounting for Corporate Governance in Germany and America (unpublished paper). I am grateful to the authors for placing this fine paper at my disposal.
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financial and industrial history to be treated in isolation from one another despite all the literature on the financing of industrial projects and enterprises, and there is a similar practice of overlooking the degree of entrepreneurship involved in banking and financial services. Whether for good or for all, for example, banks and bankers today promote credit cards and not thrift and caution. This does not mean, however, that they do not promote enterprise. As Mira Wilkins has observed in her work on global electrification, however, there is not only no justification for overlooking the entrepreneurial side of banking, but the habit of doing so is also harmful to the process of trying to understand the interaction between finance and industry. The practice of concentrating on the old question of who had “control” in a given finance-industry relationship rather than on how technological know-how, managerial practices, and financial creativity have operated and interacted and continue to do so in different places and at different times deflects attention from what really needs to be investigated.19 The separation of analysis of the financial system and the “real” economy needs to be replaced by the study of both together: on the national and transnational levels. The plea, of course, is for a more integrated practice of business history that is interdisciplinary and transnational and that meets the needs of the 21st century by taking a look at old as well as new questions in new ways.
19 Mira Wilkins, Disjunctive Sets? Business and Banking History, unpublished paper, European Banking History Conference, May 28–29, Athens 2004.
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Transnationale Arbeitergeschichte
Die im 19. Jahrhundert in Europa und etwas später auch in Nordamerika entstandene Arbeitergeschichte war bis vor kurzem durch eine Kombination von „methodologischem Nationalismus“ und Eurozentrismus gekennzeichnet. Der methodologische Nationalismus verknüpft Gesellschaft und Staat und betrachtet daher die verschiedenen Nationalstaaten als eine Art historischer Monaden.1 Der Eurozentrismus ist die mentale Ordnung der Welt aus der Perspektive der nordatlantischen Region: Die „moderne“ Zeit beginnt in Europa und Nordamerika und verbreitet sich Schritt für Schritt über die ganze Welt; die Temporalität dieses Kerngebiets bestimmt die Periodisierung der Entwicklungen im Rest der Welt.2 Historiker rekonstruierten die Geschichte der Arbeiterklassen und -bewegungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien usw. als besondere Entwicklungen; und insofern sie im Lauf der Zeit auch die Klassen und Bewegungen in Lateinamerika, Afrika oder Asien in den Blick nahmen, wurden diese den nordatlantischen Schemata entsprechend interpretiert. Das soll nicht heißen, dass die frühe Arbeitergeschichte nicht über nationale Grenzen blickte. Das geschah sehr wohl, aber der Ausgangspunkt blieb gewöhnlich monadologisch: Der „zivilisierten“ europäischen Welt wurde zugeschrieben aus Völkern zu bestehen, die sich ungefähr in dieselbe Richtung entwickeln, wenn auch in verschiedenem Tempo. Das eine Volk ist in bestimmter Hinsicht den anderen voraus und deshalb können Zurückbleibende ihre Zukunft mehr oder weniger widergespiegelt sehen in den Wegbereitern. Anfangs wurde dieser Gedanke recht unvermittelt interpretiert und man studierte z.B. Arbeiterbewegungen in anderen Ländern, um 1 Der Begriff „methodologischer Nationalismus“ stammt von Anthony D. Smith; siehe zur aus dem 19. Jahrhundert stammenden Koppelung von Staat und Gesellschaft Immanuel Wallerstein, Societal Development, or Development of the World-System?, in: International Sociology 1 (1986), S. 3–17 und Roland A. Axtmann, Society, Globalization, and the Comparative Method, in: History of the Human Sciences 6 (1993), S. 53–74. Dass Gesellschaft und Staat aneinander gekoppelt werden, soll natürlich nicht heißen, dass sie einander gleichgesetzt werden. Vielmehr galten sie oft als Gegensätze wie in Deutschland seit etwa 1848, als der Begriff Gesellschaft sich breit durchsetzte, „mit antistaatlicher Spitze“, wie Kocka zu Recht angemerkt hat. (Jürgen Kocka, Sozialgeschichte. Begriff – Entwicklung – Probleme, Göttingen 1977, S. 55). 2 Thomas C. Patterson, Inventing Western Civilization, New York 1997; Arif Dirlik/Vinay Bahl/Peter Gran (Hg.), History after the Three Worlds. Post-Eurocentric Historiographies, Lanham 2000.
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Handlungsanweisungen für die Tagespolitik im eigenen Land daraus abzuleiten. Diesen Ansatz sehen wir z.B. bei dem deutschen Pionier der grenzüberschreitenden Arbeiterbewegungsgeschichte Lorenz Stein. In seiner Arbeit über sozialistische und kommunistische Strömungen im französischen Proletariat setzte er „als erste Grenze die Bestimmung des Volkes“ und stellte sich damit nachdrücklich auf den Boden des monadologischen Denkens. Lorenz Stein ging davon aus, dass jede „tiefere Bewegung“ bei dem einen Volk sich auch bei dem anderen Volk zeigen würde. Aus diesem Grund schien ihm eine Studie der französischen Entwicklung dringend, die sich im Nachbarland zeigende radikale Bewegung würde sich doch sicher in einem bestimmten Moment auch in Deutschland entfalten, und, so fragte er rhetorisch: „Dürfen wir thatlos zuschauen, wie sie unter uns Platz greift, und ohne Lenkung bleibt, weil sie unverstanden ist?“3 Diese recht instrumentelle Haltung führte zu großem Interesse an den augenscheinlich „höher“ entwickelten Völkern. Schon bald erwies sich jedoch, wie schwierig es ist, aus anderweitigen Erfahrungen politische Rezepte abzuleiten. Als Werner Sombart ein halbes Jahrhundert nach Stein die Entwicklungsgeschichte des italienischen Proletariats rekonstruierte, konstatierte er dann auch, dass solche vergleichenden Studien kaum eine Handhabe für die tägliche Politik bieten. Zwar meinte auch Sombart, dass Nationen voneinander lernen können, aber er plädierte für einen fundamentaleren Ansatz, der rein theoretische Fragen („Woher?“, „Wohin?“) in den Mittelpunkt stellte. Eine solche angepasste Herangehensweise bedeutete eine rasche Ausbreitung des Untersuchungsgebietes, denn jetzt konnte eine Studie der fortgeschritteneren Länder nicht mehr ausreichen, man musste sich auch in die Entwicklung der weniger entwickelten Gebiete vertiefen, „soweit sie nur gleichen Kulturkreisen angehören“. Jedoch: „Wenn überhaupt sich Regelmäßigkeiten in der sozialen Entwicklung nachweisen lassen, so müssen sie in diesen anfangenden Ländern wiederkehren; hier muss die Richtigkeit der Hypothesen, die wir auf Grund früherer Erfahrungen in andern Ländern aufgestellt haben, ihre Bestätigung finden.”4 Sombart brachte so die Verwissenschaftlichung der monadologischen Arbeitergeschichte zum Ausdruck. Allmählich jedoch bekamen die Monaden Fenster. Sombart selbst war sich „des Einflusses, den das Beispiel der fortgeschrittenen Länder auf die nachfolgenden Völker ausübt“, bewusst.5 Im Laufe des 20. Jahrhunderts nahm die Aufmerksamkeit für Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Völkern zu, wobei allerdings die funda3 Lorenz Stein, Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte, Leipzig 1842, S. iv, ix. 4 Werner Sombart, Studien zur Entwicklungsgeschichte des italienischen Proletariats, in: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik 6 (1893), S. 177–258, hier S. 178. 5 Ebd.
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mentalen Analyseeinheiten weiterhin galten. Von James Guillaume bis Julius Braunthal wurden internationale Organisationen der Arbeiterbewegung z.B. als Verbände der Zusammenarbeit zwischen Arbeitern, die verschiedene Nationen repräsentierten, zwischen Patrioten verschiedener Vaterländer aufgefasst – eine Auffassung, die auch in der Bewegung selbst lebte.6 Und in Studien der internationalen Arbeitswanderung wurden die Migranten aufgefasst als Menschen, die entweder die Kultur des Landes ihrer Herkunft bewahrten oder in der Kultur des Landes ihrer Niederlassung aufgingen. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die eurozentristische Monadologie insgesamt in Zweifel gezogen. Einerseits geriet Sombarts Gedanke, dass nur Völker, die zu demselben „Kulturkreis“ gehören, sinnvoll verglichen werden können, unter Beschuss. Die Idee der Kulturkreise, die schon vor Frobenius im Umlauf gewesen war und von ihm nur enger spezifiziert wurde,7 verlor viel von ihrer Anhängerschaft. Andererseits wurde der Nationalstaat selbst in zunehmendem Maße historisiert und dadurch relativiert. Diese beiden subversiven Tendenzen müssen klar unterschieden werden, auch wenn sie parallel auftraten. Ihr Erscheinen steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Veränderungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg auftraten. Die Entkolonisierung führte zur Entstehung vieler neuer, unabhängiger Länder, vor allem in Afrika und Asien, die ihre eigene soziale Geschichte zu erkunden begannen; hierdurch bekam die Arbeitergeschichte nicht allein eine immer wichtiger werdende „periphere“ Komponente (die Anzahl der Monaden wurde ausgedehnt),8 es wurde auch schnell deutlich, dass die periphere Geschichte nicht geschrieben werden konnte, ohne fortwährend die metropolitane Geschichte einzubeziehen.9 Es entwickelten sich supranational imaginierte Gemeinschaften, wie z.B. der Panafrikanismus, der nicht allein die Einwohner Afrikas miteinander verband, sondern auch die Afroamerikaner einschloss.10
6 James Guillaume, L’Internationale, 4 Bde., Paris 1905–1910; Julius Braunthal, Geschichte der Internationale, 3 Bde., Hannover 1961–1971; siehe zum „Inter-Nationalismus“ in der Arbeiterbewegung z.B. Kevin Callahan, „Performing Inter-Nationalism“ in Stuttgart in 1907. French and German Socialist Nationalism and the Political Culture of an International Socialist Congress, in: International Review of Social History 45 (2000), S. 51–87. 7 Paul Leser, Zur Geschichte des Wortes Kulturkreis, in: Anthropos 58 (1963), S. 1–36. 8 Einen guten Überblick bietet Jan Lucassen (Hg.), Global Labour History, Bern 2005. 9 Siehe z.B. Andreas Eckert, Geschichte der Arbeit und Arbeitergeschichte in Afrika, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 502–530. 10 Imanuel Geiss, Panafrikanismus. Zur Geschichte der Dekolonisation, Frankfurt a.M. 1968; Penny M. von Eschen, Race Against Empire. Black Americans and Anticolonialism, 1937–1957, Ithaca, NY 1997.
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In der historischen Migrationsforschung wuchs die Einsicht, dass die nationalstaatliche Perspektive (nation-to-ethnic-enclave) die gelebte Wirklichkeit vieler Arbeitsmigranten falsch interpretierte: „Sie wechseln zwischen regionalen – und klassenspezifischen sowie geschlechtsspezifischen – kulturellen Räumen und müssen, angesichts ihrer geringen Mittel, bei Ankunft sofort ‚funktionieren‘, müssen sofort ein überlebenssicherndes Einkommen erzielen können. Prospektiv wollen sie nicht nur funktionieren, sondern sich und gegebenenfalls ihren Familien ein Leben mit Zukunftsperspektiven einrichten. Angesichts von familiären Netzwerken und emotionalen Bindungen in der Ausgangsregion und auch von Arbeitsmärkten, Einkommenshöhen und gesetzlichem Rahmen müssen sie ihre Fähigkeit erhalten, zurückzuwandern und sich problemlos und ohne Zeitverlust wieder in der Ausgangskultur zu bewegen. Sie leben transkulturell.“11
Hinzu kam die Entdeckung von Grenzkulturen, die nicht in das monadologische Schema passen, weil sie bis zu einem gewissen Grad ein „eigenes Leben“ führen.12 Eine Rolle spielte auch, dass transnationale Protestzyklen identifiziert wurden, wie z.B. die Streikwellen in den Perioden 1866–1874, 1913–1920 und 1966–1974.13 All diese Entwicklungen (und die in ihrer Intensität stark zugenommenen Kontakte zwischen Historikern aus verschiedenen Ländern und Kontinenten) haben dazu geführt, dass die beiden Prämissen der traditionellen Arbeitergeschichte nun deutlich sichtbar und damit Gegenstand der Debatte geworden sind. Wir befinden uns jetzt in einer wichtigen Übergangssituation, in der die Disziplin sich selbst neu zu erfinden beginnt. Dies zeigt sich u.a. in den historischen Arbeitsstudien, die im Zusammenhang der Weltsystemtheorie und dem Aufkommen der global labour history ausgeführt werden.14 Diese Entwicklung ermöglicht es uns auch, die Europäische Arbeitergeschichte erneut kritisch zu sichten. Es wird darum gehen, die Einsich-
11 Dirk Hoerder, Transkulturelle Lebensformen. Menschen in lokalen – (post)nationalen – globalen Welten, in: Sozial.Geschichte 20 (2005), 11–29, S. 25. Eine etwas andere Interpretation geben Roger Waldinger/David Fitzgerald, Transnationalism in Question, in: American Journal of Sociology 109 (März 2004), S. 1177–1195. 12 Programmatisch: Michael Baud/Willem van Schendel, Towards a Comparative History of Borderlands, in: Journal of World History 8 (1997), S. 211–242. 13 James E. Cronin, Stages, Cycles, and Insurgencies. The Economics of Unrest, in: Terence K. Hopkins/Immanuel Wallerstein (Hg.), Processes of the World-System, Beverly Hills 1980, S. 101– 118; Ernesto Screpanti, Long Economic Cycles and Recurring Proletarian Insurgencies, in: Review 7 (1984), S. 509–548; ders., Long Cycles in Strike Activity. An Empirical Investigation, in: British Journal of Industrial Relations 25 (1987), S. 99–124. 14 Marcel van der Linden, Global Labor History and „The Modern World System“. Thoughts at the Twenty-Fifth Anniversary of the Fernand Braudel Center, in: International Review of Social History 46 (2001), S. 423–459; ders., Die Geschichte der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Globalisierung, in: Sozial.Geschichte 1 (2003), S. 10–40.
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ten aus den älteren Untersuchungen in einem innovativen Ansatz aufzuheben.15 Ich will dies hier mit einem Kernthema der Arbeitergeschichte illustrieren: der Klassenbildung. Im Laufe der Zeit ist hierzu eine umfangreiche Literatur entstanden, die sich ganz überwiegend auf die Entwicklungen in einzelnen Ländern konzentriert. Im deutschen Sprachgebiet hat Jürgen Kocka in drei zusammenhängenden Büchern eine unübertroffene Synthese entfaltet, für die im Ausland keine unmittelbaren Parallelen zu finden sind.16 Er zeigt, wie in Deutschland vom 18. Jahrhundert an die alte Ständegesellschaft sich allmählich auflöste und eine moderne Arbeiterklasse aufkam. Er typisiert diesen Prozess wie folgt: „Freisetzung aus vorkapitalistischen, nicht-marktmäßigen Einbindungen, Eigentumslosigkeit, zunehmende Abhängigkeit vom Lohn, d.h.: vom Markt und vom ‚Lohnherrn‘ oder ‚Arbeitgeber‘ – das definierte den Lohnarbeiterstatus, der überdies, als Konsequenz der zunehmenden Bedeutung großer Kapitalien und der eingebauten Schwierigkeit, solche als Lohnarbeiter zusammenzubringen, dazu tendierte, sich auf Lebenszeit zu verfestigen.“17
Vier Aspekte machen Kockas Analyse aus transatlantischer Perspektive besonders wertvoll. In erster Linie die detaillierte Aufmerksamkeit für die sehr unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse von häuslichem Gesinde und Heimarbeitern über landwirtschaftliche Tagelöhner und Eisenbahnbauarbeiter bis zu Handwerkern in den Fabriken. In zweiter Linie die Beobachtung, dass Lohnarbeit „in reiner Form“ sich nur selten herauskristallisierte, „schon gar nicht in jenen Jahrzehnten des Übergangs, um die es hier geht“.18 In dritter Linie die Einsicht, dass die Arbeiterbewegung – definiert als „die Gesamtheit kollektiver Bestrebungen von Lohnarbeitern, ihre ökonomische, soziale, politische und kulturelle Lage zu verbessern oder deren Verschlechterung zu verhindern” – ein „Teil des Klassenbildungsprozesses“ ist.19 Und an vierter Stelle die Interpretation der Klassenbildung als ein immer unvollständiger Prozess, der auch wieder zurückgedreht werden 15 Jürgen Kocka, How Can One Make Labour History Interesting Again?, in: European Review 9 (2001), S. 201–212. 16 Natürlich vor allem in seinen Büchern Lohnarbeit und Klassenbildung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in Deutschland 1800–1875, Berlin 1983; Weder Stand noch Klasse. Unterschichten in Deutschland um 1800, Bonn 1990 und Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990. Diese drei Bücher bilden thematisch eine Einheit. Kocka brachte dies Thema übrigens schon viel früher auf die Tagesordnung in Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847–1914, Stuttgart 1969 und entwickelte ein erstes, drei Ebenen umfassendes, „klassengesellschaftliches Modell“ in Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914–1918, Göttingen 1973. 17 Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 107. 18 Ebd., S. 6. 19 Kocka, Lohnarbeit, S. 165f.
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kann: „Man kann Perioden beschleunigter Klassenbildung, Perioden verzögerter Klassenbildung und auch Perioden der Klassen-Entbildung unterscheiden.“20 Diese Elemente setzen uns in die Lage, Kockas Analyse ohne viel Mühe als einen Beitrag zur sich langsam entwickelnden globalen Arbeitergeschichte neu zu interpretieren. Dazu brauchen wir nur die deutsche Sozialgeschichte als integralen Bestandteil der Weltgeschichte zu sehen. Kockas Forschungen betreffen so ein geographisches Fragment eines viel größeren Ganzen. Wenn wir versuchen, die deutsche Geschichte in dieser Weise in das Mosaik der weltumspannenden Historiographie (die selbst noch in statu nascendi ist) einzuordnen, kann uns dies neue Einsichten und neue Forschungsansätze erbringen. Ein paar Beispiele können dies vielleicht verdeutlichen. Für den Anfang würden wir die deutschen Gebiete des 19. Jahrhunderts noch in etwa monadologisch als einen besonderen Fall auffassen können; nicht nur in der nordatlantischen Region, sondern auch anderenorts. Kockas Rekonstruktion der Proletarisierungsprozesse in Deutschland 1800–1870 lässt z.B. erkennen, dass während der ganzen Periode die meisten Unterschichtfamilien unterschiedliche Einkommensquellen in stets wechselnder Weise kombinierten. Neben Lohnarbeit entwickelten sie auch Subsistenzaktivitäten, und sie waren regelmäßig durch Schulden oder in anderer Hinsicht von „Höhergestellten“ abhängig. Landarme und Landlose bedurften der Nebenverdienste, die sie z.B. beim Gutsherrn oder Bauern fanden, oder bei „zeitlich begrenzte[n] Arbeiten, z.B. beim Strassen-, Kanal- oder Festungsbau als Gelegenheitsfuhrleute, in der Waldarbeit oder bei der Trockenlegung von Mooren.“21 Nicht selten widmeten sich halbproletarische Familien „mehreren Tätigkeiten zur selben Zeit, oft wechselten sie unregelmäßig und häufig, und noch öfter kam es vor, dass die einzelnen Mitglieder der Familie verschiedenartigen Tätigkeiten nachgingen, und zwar an verschiedenen Orten“.22 Solche Verhältnisse hielten lange an. Zu den wichtigsten Barrieren, 20 Ebd., S. 30. In den Schlussbemerkungen von Lohnarbeit und Klassenbildung meint Kocka, dass sich die Frage, ob es in den 1870er Jahren in Deutschland eine Arbeiterklasse gab, „nur ambivalent“ beantworten lasse: „in gewissen Hinsichten ja, in anderen Hinsichten nein“. Und er fügt hinzu: „Übrigens würde die Antwort auch mit Bezug auf spätere Perioden der deutschen Sozialgeschichte nicht viel eindeutiger ausfallen.“ (S. 201) Für die Gegenwart sieht er einen Prozess der Klassendevolution: „Die Arbeiterklasse ist in den letzten Jahrzehnten zwar nicht ganz verschwunden, aber sie verlor doch an Zusammenhalt und Abgrenzungsklarheit, die Klassenzugehörigkeit verlor für die Individuen an relativem Gewicht und insgesamt an strukturierender Kraft, andere Zugehörigkeiten, Konflikte und Probleme wurden wichtiger. Ein neues, nicht mehr ständisches und nicht mehr klassengesellschaftliches Muster sozialer Ungleichheit entsteht, das sich der griffigen Benennung noch entzieht.“ (Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 4) 21 Kocka, Weder Stand noch Klasse, S. 91. 22 Ebd., S. 92; auch ders., Arbeitsverhältnisse, S. 107, 522; vgl. z.B. Jan Breman, Footloose Labour. Working in India’s Informal Economy, Cambridge 1996.
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die „der vollen Umwandlung in Lohnarbeit entgegenstanden“ rechnet Kocka einerseits „Kleinstbesitz und daraus folgende Selbständigkeit, oder Selbständigkeitsansprüche, so bei vielen Landarbeitern und zahlreichen Arbeitern des Heimgewerbes“, und andererseits die „Unstetigkeit, die Fluidität und de[n] vorübergehende[n] Charakter vieler Lohnarbeiterstellen, die sich vor allem an den Eisenbahnbauarbeitern, dem häuslichen Gesinde und vielen Handwerksgesellen zeigten, aber eben auch noch an vielen Fabrikarbeitern und in anderen Kategorien“.23 Die hier beschriebene partielle Proletarisierung wird Sozialwissenschaftlern und Historikern, die sich mit „dem Süden“ beschäftigen, nicht fremd vorkommen. Die deutschen Verhältnisse vor 1870 gleichen sehr den Verhältnissen, wie sie sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in großen Teilen Lateinamerikas, Afrikas und Asiens entwickelt haben. Sie sind aus einer globalen Perspektive betrachtet keineswegs selten.24 Das ist eine Beobachtung, von der sowohl europäische wie „periphere“ Historiker profitieren können. Diese Übereinstimmung lenkt jedoch auch sofort die Aufmerksamkeit auf einen wesentlichen Unterschied. In Deutschland und anderen Kernländern des Kapitalismus hat die Proletarisierung sich doch weiter durchgesetzt, so dass es auf Dauer „zu einer begrenzten Angleichung der Verhältnisse und Erfahrungen in den verschiedenen Fraktionen der entstehenden Arbeiterklasse“25 kam und ein substantieller Teil der Bevölkerung ein „Normalarbeitsverhältnis“ bekam. Auch wenn dieser Trend nicht überschätzt werden sollte, weil er sich mindestens zweimal als umkehrbar erwiesen hatte – in der Periode 1933–1945 durch staatlich regulierte Arbeitsverhältnisse in großem Umfang und in den letzten Jahrzehnten durch „Flexiblisierung“ und das Wiederaufkommen von (Schein)Selbständigkeit26 – wirft dieser Trend ein Problem auf, das den Ausgangspunkt eines ganzen Forschungs-
23 Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 519. 24 Richard Sandbrook/Robin Cohen (Hg.), The Development of an African Working Class. Studies in Class Formation and Action, London 1975; Barry Munslow/Henry Finch (Hg.), Proletarianisation in the Third World, London 1984; Michael Hanagan/Charles Stephenson (Hg.), Proletarians and Protest. The Roots of Class Formation in an Industrializing World, New York 1986; M. Agier/J. Copans/A. Morice (Hg.), Classes ouvrières d’Afrique noire, Paris 1987; Shahid Amin/Marcel van der Linden (Hg.), „Peripheral“ Labour? Studies in the History of Partial Proletarianization, Cambridge 1996. 25 Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 519. 26 Siehe z.B. Karl Heinz Roth, Unfree Labour in the Area under German Hegemony, 1930–1945. Some Historical and Methodological Questions, in: Tom Brass/ Marcel van der Linden (Hg.), Free and Unfree Labour. The Debate Continues, Bern 1997, S. 127–143; Dieter Bögenhold/Udo Staber, Selbständigkeit als ein Reflex auf Arbeitslosigkeit? Makrosoziologische Befunde einer internationalkomparativen Studie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 42 (1990), S. 265– 279.
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programms bilden könnte: Warum kommt (relativ) reine Lohnarbeit in den Zentren des Kapitalismus soviel häufiger vor als in der Peripherie?27 Ein zweiter Weg, um die deutsche Sozialgeschichte in eine weiter ausgreifende Perspektive zu integrieren, ist die Aufdeckung der grenzüberschreitenden Prozesse. Und damit meine ich nicht allein die unter dem Druck des Weltmarkts stattfindende Durchsetzung der kapitalistischen Wirtschaftsweise, sondern vor allem die soziale „Unterseite“ dieser Entwicklung. Kocka weist darauf hin, wie wichtig „Wechsel als Normalität“ für die entstehende Arbeiterklasse war.28 Schon seit Jahrhunderten war die Rede von umfangreicher Arbeitsmobilität, aber im 19. Jahrhundert nahm diese rasch zu. Alle Migrationsprozesse (ob sie nun kurz- oder langfristig waren) hatten eine wesentliche transnationale Komponente, wie z.B. die Auswanderung nach Übersee von drei Millionen Deutschen zwischen 1816 und 1875.29 Dies gilt in geringerem Masse auch für die Saisonmigranten wie die (überwiegend männlichen) „kleinere[n] Trupps von armen Heuerlingen, Köttern und Landarbeitersöhnen“ aus Westfalen, Lippe und Hannover, die sich „bis ins 20. Jahrhundert hinein“ kurz nach Pfingsten zur Wanderung auf den Landstraßen und später auf den Kreisbahnhöfen trafen, „um für vier bis sechs Wochen bei der arbeitsintensiven niederländischen Heuernte etwas dazuzuverdienen“. Und es gilt auch für das Pendant dieser „Hollandgänger“ im Westen, nämlich die „Sachsengänger“ im Osten – „in den 70er Jahren noch vor allem Deutsche, aber zunehmend auch Polen, Masuren, Kaschuben, Russen und andere Nationalitäten“ – die in den deutschen Ankunftsregionen unter anderem Zuckerrüben anbauten und verarbeiteten.30 Dergleichen Beobachtungen legen nahe, dass die Prozesse der Klassenbildung in Staaten, die jetzt Polen, Deutschland, Niederlande oder USA heißen, miteinander verwoben waren.31
27 Diese Frage wurde bereits früher aufgeworfen (aber nicht beantwortet) in Immanuel Wallerstein, Der historische Kapitalismus, Hamburg 1984, S. 22f. Kockas auf westeuropäische Erfahrungen basierende Vermutung, dass „der Begriff der Klassenbildung universal verwendbar“ sein könnte „in allen kapitalistisch industrialisierenden Systemen“ einer „frühen Entwicklungsstufe“, gilt deshalb wahrscheinlich nur für einen begrenzten Teil der Welt, in: Jürgen Kocka, Die Trennung von bürgerlicher und proletarischer Demokratie im europäischen Vergleich, in: ders. (Hg.), Europäische Arbeiterbewegungen im 19. Jahrhundert, Göttingen 1983, S. 11. 28 Kocka, Arbeitsverhältnisse, S. 201. 29 Ebd., S. 40. 30 Ebd., S. 205f. 31 Schon in den frühkapitalistischen Niederlanden des 17. und 18. Jahrhunderts stammte ein sehr großer Teil der arbeitenden Bevölkerung aus deutschen Gebieten. Jan Lucassen schätzt: „For each economically active person, born in the Republic, there was another, a foreigner.“ Die meisten dieser Fremdlinge kamen aus den östlichen Nachbarländern: Jan Lucassen, Labour and Early Modern Economic Development, in: Karel Davids/ders. (Hg.), A Miracle Mirrored. The Dutch Republic in European Perspective, Cambridge 1995, S. 367– 409, hier S. 370.
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Auch die Arbeiterbewegung als wesentliche Komponente des Prozesses der Klassenbildung war von Anbeginn zum Teil transnational. Eine der drei Typen von Organisationen des Vormärz, die Kocka unterscheidet, sind die kleinen Vereine von „junge[n] hochmobile[n] Gesellen-Arbeiter[n]“ Frankreichs, der Schweiz, Belgiens und Englands.32 Auch später gab es viele transnationale Einflüsse, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass ausländische Ideen und Praktiken nach Deutschland „importiert“ wurden, sondern auch in dem Sinne, dass deutsche Ideen und Praktiken exportiert wurden. Sehr deutlich war das z.B. in den Vereinigten Staaten, wo die Arbeiterbewegung während des ganzen 19. Jahrhunderts von deutschen Immigranten stark beeinflusst wurde.33 Eine transnationale Neuinterpretation kann, drittens, auch zu der Annahme führen, dass Aspekte der eigenen Vergangenheit zu Unrecht vernachlässigt worden sind. Ein Beispiel: Zwar ist die Existenz von gegenseitigen Unterstützungskassen und -vereinen der deutschen Sozialgeschichte wohl bekannt,34 aber es ist denkbar, dass es noch ganz andere Organisationen gegeben hat, die bisher aufgrund ihres ephemeren Charakters nicht das Ansehen bekommen haben, das sie verdienen. Weltweit bestehen in den Unterschichten allerlei Formen des „Mutualismus“, d.h. informelle Arrangements, in deren Rahmen Gruppen von Menschen einander beistehen, z.B. durch wechselseitige Hilfe bei Arbeitsaufgaben oder durch gemeinsames Sparen, um einander im Falle der Not Geld vorzuschießen. Solche Organisationen bestehen selten länger als einige Monate oder Jahre und hinterlassen fast niemals eine schriftliche Dokumentation. Dadurch verschwinden sie meist aus unserem kollektiven Gedächtnis, es sei denn, dass Beobachter darüber etwas schriftlich festgehalten haben. Der Umstand, dass „mutualistische“ Organisationsformen sehr naheliegend sind und derzeit fast überall in der „Dritten Welt“ und unter Migranten in Europa und Nordamerika bestehen, lässt vermuten, dass sie in den Kernländern des Kapitalismus auch schon früher bestanden haben müssen.35 32 Kocka, Lohnarbeit, S. 170f. Ein besonderes Problem ist die Beziehung zwischen Arbeitsmigration und Arbeiterbewegung. „By focusing on the social organization of migration and labor militancy, the two can be compared as contrasting, overlapping, reinforcing, or competing social movements.“ Donna Gabaccia, Militants and Migrants. Rural Sicilians Become American Workers, New Brunswick 1988, S. 78. 33 Siehe zur Illustration die detaillierten Berichte in August Sartorius von Waltershausen, The Workers’ Movement in the United States, 1879–1885, hg. von David Montgomery und Marcel van der Linden, Cambridge 1998. 34 Kocka, Lohnarbeit, S. 167. 35 Abram de Swaan/Marcel van der Linden (Hg.), Mutualist Microfinance. Informal Saving Associations from the Periphery to the Core?, Amsterdam 2005. Weitere Beispiele „peripherer“ Inspirationen für die nordatlantische Arbeitergeschichte gebe ich in Marcel van der Linden, Refuting Labour History’s Occidentalism, in: Arvind N. Das/Marcel van der Linden (Hg.), Work and Social Change in Asia. Essays in Honour of Jan Breman, Neu Delhi 2003, S. 249–261.
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Diese Beispiele verdeutlichen, so hoffe ich, die Chancen, die eine transnationale Herangehensweise uns bietet. Ohne die Bedeutung subnationaler und nationaler Studien zu mindern, wird stets deutlicher, dass nur weltumspannende Herangehensweisen uns ermöglichen, „Vorstellungen von einem höheren Grade der Deutlichkeit“ zu erlangen.36 Aus dem Niederländischen von Klaus Mellenthin
36 Gottfried Wilhelm Leibniz, Monadologie, Übersetzung von Robert Zimmermann, Wien 1847, Prinzip 24, S. 16.
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Reflections on Microhistory
Despite this or that use of the term (or related terms) “microhistory”, the current practices of microhistorians emerged in the 1970s and 80s, with a generation whose political and cultural experiences were formed in the 1960s.1 From within the discipline of history, epistemological and stylistic issues were being raised against the “macroscopic and quantitative” model that had emerged after the war, supported by the intellectual presence of the Annales and its brilliant and powerful spiritual leader, Fernand Braudel. While by no means derivative from the French school, the most vital movements in England (Anglo-Marxism), Germany (Bielefeld social science history), and the United States (the new social history), developing at slightly different moments and with particular agendas of their own, shared certain features that made for an international focus on hard data (often statistical), long-term structural changes and the social forces behind them, and integrating narratives about class antagonisms or “modernization” that were heavily supported by classical nineteenth-century theory and centered on the nation state as the primary principle of narrative organization.2 However monographs were constructed, they were implicitly or explicitly implicated in an overarching perspective that we have come to call “macroscopic”, which at once provided the support for their arguments and gave them their validity.3 A second field of issues arose from the geo-political practices of the period, often characterized by naive and not so naive eurocentrism, assumptions about the necessary path towards modernization, a careless trust in industrialization, and export models of development reminiscent of an earlier faith in the white man’s burden to spread civilization throughout the globe. In an essay reviewing and comparing German Alltagsgeschichte and Italian microstoria, Brad Gregory suggested that in a similar way the 1 Carlo Ginzburg, Microhistory. Two or Three Things That I Know about It, in: Critical Inquiry 20 (1993), pp. 10–35; Brad Gregory, Is Small Beautiful? Micro-history and the History of Everyday Life, in: History and Theory 38 (1999), pp. 100–110, here p. 100. 2 Not all of this would characterize E.P. Thompson, e.g., who exercised considerable influence on Italian microstoria: Simona Cerutti, Microhistory. Social Relations versus Cultural Models, in: Anna Maija Castrén et al. (eds.), Between Sociology and History. Essays on Microhistory, Collective Action, and Nation-Building, Helsinki 2004, pp. 17–40, here pp. 22–26. 3 Cerutti, Microhistory, p. 20.
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practitioners of both kinds of history “questioned the purported teleology of modernizing historical processes”.4 And Ginzburg pointed out that the distrust in progress shifted its political orientation during the period from the right to the left.5 In my own case, unease about the political assumptions that characterized the literature on economic transformation, nation building, and social reconstruction encouraged the pursuit of history as critical reflection on the history of the West, decentered by a radically comparative perspective designed to outflank if not outrun an inevitable ethnocentrism. The problem I eventually took up was a relatively simple one, but one that seemed to be at the heart of development practices during the 50s and early 60s. The reigning view of the history of the Western family up to the mid 60s understood the process of modernization to affect two groups in similar ways, outfitting them for the task of industrial and agricultural development, economic expansion, and dynamic self-perpetuating productivity. Entrepreneurs emerged – so the story went – as individualists, acting on rational principles of self interest, without consideration for their far-flung relatives. In a parallel fashion, a mobile modern workforce developed, able to dispose of income without extensive kinship obligations. In this “European” model, it was thought that premodern society had been characterized by a close integration of extended kin, while modernization was understood not just to have been accompanied by cutting ties with kin but was in some way driven by changes in the familial dynamics: no nuclear family household, no progress. The degree to which the “nuclear family” distinguished a society became a barometer of its suitability for economic progress. And indeed development specialists of the 60s were busy exporting the model to the rest of the world. The problem for me was that this view of the Western family, sometimes characterized as from “kinship to contract”, was hardly an innocent construct. During the post war period, the set of reigning assumptions were also a good deal more than just self-reflection, at least in the United States, where family advisors claimed that the “nuclear family” was the cornerstone of modern society.6 The critique of progress led many historians to find ways to break with a European/American centered perspective. That this can be done with a macrohistorical approach has been amply demonstrated most recently by the works of Bin Wong and Kenneth Pomeranz, who have challenged the 4 Gregory, Is Small Beautiful?, p. 101; see also Matti Peltonen, Clues, Margins, and Monads. The Micro-Macro Link in Historical Research, in: History and Theory 40 (2001), pp. 347–359, here p. 347. 5 Ginzburg, Microhistory, p. 20. 6 Stephanie Coontz, The Way We Really Are. Coming to Terms with America’s Changing Families, New York 1997, p. 37.
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older story of the rise of the West by a systematic testing of each generalization about European economic development against the most recent research on China.7 But the task in the 60s and 70s seemed to call for two alterations in perspective. The first was to adopt a stance from outside, to find ways to look at Europe from a constantly shifting perspective. The second was to go inside and to examine the particulars that were neglected or set aside as irrelevant in the larger narrative syntheses. For many of us the discipline that helped most readily escape ethnocentrism was social anthropology, and the fact that the most relevant and critical work in that discipline was done on a small scale supported taking a similar approach to European history. But going inside, taking on a limited object for study and examining it in all of its details by itself was a means to escape from the dominant, inherited assumptions about both the uniqueness of the West and its claim for normativity.8 My own unease with the politics of development, on the one hand, and a desire to find a suitable method to reevaluate the dominant interpretations by the great nineteenth-century sociologists and political economists led me to a wide, if unsystematic, reading in social anthropology, which at the time, given my concern to rethink the family, was congenially focused on kinship issues. This exercise prompted in the end two very general questions, which I thought went to the heart of all the theories of modernization and all of the macro accounts of the history of the family. 1) Did people in fact in the far European past live in kinship-structured social milieus and if they did, how could kinship be analysed? 2) Was there a straightforward, linear story to be told about the family? On closer reading of the literature on Europe, it became clear that assumptions about the nuclear family dominated the literature and that most studies concerned themselves with the bounded set of people who lived together in a “family” or “household”. Kinship as a study of the dynamics of people who considered themselves connected by alliance or descent was hardly subject to any detailed investigation. Nor were relations among members of the nuclear family given much thought (where were the studies of siblings, for example?). Indeed, at a macro level, the everyday exchanges and practices that make up the set of kin relations get blended out when the focal point of the narration fixes on a
7 Roy Bin Wong, China Transformed. Historical Change and the Limits of European Experience, Ithaca 1997; Kenneth Pomeranz, The Great Divergence. Europe, China, and the Making of the Modern World Economy, Princeton 2000. 8 Ginzburg, Microhistory, p. 22; Renata Ago, From the Archives to the Library and Back. Culture and Microhistory, in: Castrén, Between Sociology and History, pp. 41–50, here p. 41; Gregory, Is Small Beautiful?, p. 104.
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wide perspective, and it is only really at the point of local negotiations that the embodiment of “global processes” can be studied at all.9 There was another innovation in historical technique – historical demography – flourishing a little earlier than microhistory, whose classical 1958 work by Etienne Gautier and Louis Henry brought rapid advance to the study of populations of the past.10 The power of the new analysis was based on an exhaustive study of data from a single parish. Building on this earlier French work, a group of British historians in Cambridge attempted to bring the new methodology to bear on old questions of European uniqueness. Peter Laslett pioneered in the study of household structures in an effort to show that the nuclear family household had predominated in England (and northwestern Europe) from the Middle Ages onwards.11 And on that material foundation the coincidence of European economic innovation, productivity, and self-generated progress was once again seen to be clearly coordinated with a unique familial pattern. Despite the move to the parish level to generate a series of data, it can be argued that this was still not microhistory.12 The Cambridge approach to households blended out differences, obscured social processes, and flattened experience through the construction of homogeneous serial data. In a brilliant critique, Miranda Chaytor revealed the crucial weakness in household studies in an exacting, detailed analysis of a single household, which breaks down the homogeneity of households, reinscribes the household in a field of power, and describes it in the context of interaction among the differentially ordered set of households.13 Rather than being bounded, any particular household is better described as porous, as open in many different ways to other households, the regional labor market, and the institutions of government. Her analysis forces a confrontation of the local and global, but also suggests that social forms can best be observed and effectively analysed at the local level. In my own work, the anthropological concentration on small societies, single villages, and the circle of direct observation encouraged me to consider exploiting the voluminous documentation from a single village. Ethno9 Hans Medick, Weaving and Surviving in Laichingen, 1650–1900. Micro-History as History and as Research Experience, in: James Scott (ed.), Agrarian Studies. Synthetic Work at the Cutting Edge, New Haven 2001, pp. 283–296. This is a shortened version of the introduction to his book, Weben und Überleben in Laichingen 1650–1900. Lokalgeschichte als Allgemeine Geschichte, Göttingen 1996. 10 Etienne Gautier/Louis Henry, La population de Crulai, paroisse normande. Etude historique, Paris 1958. 11 Peter Laslett, Introduction. The History of the Family, in: idem (ed.), Household and Family in Past Time, Cambridge 1972, pp. 1–89. 12 Ginzburg, Microhistory, p. 21. 13 Miranda Chaytor, Household and Kinship. Ryton in the Late 16th and Early 17th Centuries, in: History Workshop Journal 10 (1980), pp. 25–60.
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graphic writing demonstrated that it was possible to get at the actors’ language and at the logic of practice through painstaking, exacting analyses of context. Indeed without such careful, detailed reconstruction it was difficult to know about obligation, marriage strategies, and the difference between ideology and practice. And I found that it is probably only at this level that the complex relationships between social being and culture can be dealt with in any satisfactory way.14 But there lies a further consideration in the comparative view from the ethnographic frontier – its heuristic value (to which I will return). Suffice it to say here that the adventure into the thickets of the 400,000+ pages of documentation in the village (of my choice) Neckarhausen, was prompted by deep reflection on studies about Africans, South Asians, Latin Americans, and Pacific Islanders. Unlike those social-science-influenced historians who sought theory in sociology or political science, historians who read anthropology did so to stimulate their imaginations, to open up possibilities about social interaction, and to consider ways to study social exchanges and the range of claims and obligations people make upon one another both sporadically and systematically. And microhistorical work reversed the direction of theoretical understanding as research became the place for generating theory and exploring new connections. However compelling the ethnographic local study might have been, it would have been quite impossible to take up the challenge without the new methodology of family reconstitution, expanding the range of data collected for individual and family dossiers to include tax records, court minutes, mortgages, inventories, and all kinds of lists, such as bake oven accounts, generated in the everyday life of the village. I described the procedure I followed in an earlier account this way: “The first step is to smash the records into constituent bits, taking each element out of its context, out of all its relationships, and to treat it as a single isolable, individual datum. For example, the researcher records each baptism from a list onto a single form (to be subsequently reshuffled), with each piece of data – a date, the forename of a grandparent, etc. – placed into a separate box. And the computer can whirl these about according to the logical demands of the researcher.”15
There appears here to be a contradiction with the micro-historical approach, at the heart of which is the establishment of context, “the opposite of the isolated contemplation of the fragments”.16 I think this is quite right, but I 14 Ginzburg, Microhistory, p. 22; Gregory, Is Small Beautiful?, p. 104. 15 David Warren Sabean, Exchanging Names in Neckarhausen around 1700, in: Peter Carsten/ John Modell (eds.), Theory, Method, and Practice in Social and Cultural History, New York 1992, pp. 199–230, here p. 200. 16 Ginzburg, Microhistory, p. 33. See also Matti Peltonen, Clues, p. 349.
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would argue that there are various levels at which context can be established. In principle (but by no means universally carried out), anyone concerned with family reconstitution ought to maintain the original registers and critically inspect them for the conditions of their original production. It should be said that these documents – like any other kind of list – must be approached as having an implicit, underlying aspect of argument. And just because at one level any list is or contains an argument, it becomes necessary to derive new readings by establishing a set of alternative relationships from its constituent elements. An entry in a baptismal record is an act that transmits many different discursive trajectories – confessional identity, pastoral latinity, generational shift, familial alliance, birth order, social stratification, ethical choice, and aesthetic display. Unpacking the layers of meaning involves breaking the tyranny of the text to evoke the multiple contexts in while it is embedded by establishing and reestablishing relationships hidden by the social practice of recording events. The starting point, therefore, is not the individual item of data but the reflexive constitution of meaning as things are queried in new combinations and tensions with each other. Names and signs, for example, have unstable meanings, changing in every new context in which they occur. It is not just that they convey multiple meanings and can be ambiguous but that they are constituted in fields of relations, in the contexts, in which they occur. Naming a child for a father, for example, is a different act according to the alliance system the father is a part of, the list of relevant possible alternatives, and the distribution of practices in the particular culture.17 How does the microhistorical investigation of kinship in Neckarhausen disrupt an overarching narrative of modernization? To begin with, the shift of focus to the small unit brings activities and practices into view that simply have not been seen at the macro level, and kinship itself is one of those objects. It might be possible to say that kinship could have been dealt with at a macro level or made part of a larger narrative about general change within European society. But it wasn’t and those researchers who have rediscovered the central importance of kinship in European societies – like Levi, Delille, Derouet, Segalen, Goy, and others – did so by taking up the historian’s equivalent of the microscope. The general problem is not to reject grand narratives tout court but to locate a suitable level to rethink the issues of historical process and change and to refocus attention on all kinds of issues that Weber, or Morgan, or Simmel did not see. What did I find in the village that called into question the macrohistorical narrative of the history of the Western family? Let me contrast two periods: the seventeenth and early eighteenth century (ca. 1700) with 17 Medick, Weaving and Surviving, p. 287.
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late eighteenth/nineteenth century. I will concentrate on kinship and marriage here but there are many other aspects of kinship which offer equally instructive information. Around 1700, marriage partners paid little attention to wealth, which in turn was largely determined by inheritance. Marriage connected people from different wealth strata, of different political position, and with different access to capital, equipment, land, and labor. At this period people also never married others related to themselves by blood, nor did they marry close affines. They did marry extended affines in such a way that 3, 4, sometimes 5 households were connected through in-law ties – households relating to each other through patronage and clientage. This contrasts sharply with the situation around 1800. Beginning in the 1740s among the politically dominant members of the village, and practiced systematically by the 1780s by the landed peasantry as a whole, and extended to artisans and construction workers by 1800, there was developed a practice of consanguineal endogamy. At first villagers began to marry second cousins, and by 1800 peasants found their first cousins the object of erotic desire. I have spent a great deal of time examining Lévi-Straussian categories of elementary kinship (cross-cousin marriage, e.g.) and Bourdieuian notions of practice, to elucidate what was going on. Suffice it to say, a system of reciprocity between families across many generations developed – modified in the long run by “matrifocality”, a situation where the key players in constructing and maintaining the alliances were older, strategically-placed women. At the same time as the new kinship structure emerged – by 1860, 30% of all marriages in Neckarhausen were with close consanguines and 50% with close kin – partners also began to match endowments closely. Homogamy (and hypergamy – the systematic marriage of women upwards) replaced heterogamy. Kinship and class formation had a great deal to do with each other. What emerged from the study of Neckarhausen called the modernization story into question: a tight, endogamous pattern of alliance could be seen as “modern”, not archaic, certainly in the sense of being developed during a period of capitalized agriculture and wage-labor, and it was also tied to the transformation of class relations in the village. Class differentiation went hand in hand with kin integration. In a village swollen in population, undergoing capitalization and intensification of agriculture, where class differentiation was increasing and the pains of harsh economic cycles and subsistence crises were sharply felt, where regional mobility was increasing and the village becoming economically more integrated into wider markets, where property holdings were becoming decimated and subject to rapid turnover, and where pauperization came to characterize many villagers and affect the pattern of social relations, with all this going on villagers consoli-
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dated and extended the system of marriage alliances developed in the fifth, sixth, and seventh decades of the eighteenth century. With this instance in hand and with the detailed mapping of one system of kinship alliance, the possibility of reevaluating kinship in other contexts was opened up – the question was not, can we generalize beyond this instance (the case study approach) but how can we pose fresh questions (the heuristic issue)? Precisely the surprising results attained at the microlevel suggested new procedures for inquiring about similar phenomena at other levels. But there is another issue of scale that is by no means unproblematic: at the microlevel, the historian discovers things that no one has been talking about, which initially moves him or her out of the mainstream of current discussion, and that can be extremely disorienting, as the relevancy of what one is doing is often not easy to see. Moreover, doing this kind of history, Giovanni Levi pointed out, is like putting together a jigsaw puzzle, and it is not apparent that anyone wants to read an account of it. Self-irony aside, precisely the disorienting character of the work can be seen as its strength: it could be argued that microhistory is for the historian exactly what basic research is the natural scientist.18 Of course, comparison, typicality, and generalization cannot simply be brushed aside by the microhistorian, however much he or she would like to exorcise them. But it should be pointed out at the outset of this problematic that generalization and comparison have to be carefully distinguished from each other and cannot be considered aspects of the same request for significance beyond the narrow confines of a particular village study or examination of a singular event.19 The demand for generalization can be thought of in at least three ways. First, there is the desideratum of typicality or statistical representativeness. In what way does Neckarhausen, for example, represent practices and behaviors which can be found elsewhere, either over a larger geographical area or across cultures to embrace certain kinds of social formations – peasant, agricultural, partible inheritance, rural, protestant pietist, and so forth? The answer to this has in part to do with scale. I could have taken one family or a region or a state to study, or I could have cast my research in terms of a particular criterion such as small peasant society in periods of intensification and capitalization, selecting as the object of study one farm, one village, one epoch, or a series of different examples. It is not the scale of the exercise which determines the importance of its questions, since any unit of analysis is open to the same demand to go 18 Giovanni Levi, Inheriting Power. The Story of an Exorcist, Chicago 1988, p. 43. 19 I am leaning here on an earlier discussion in David Warren Sabean, Property, Production and Family in Neckarhausen, 1700–1870, Cambridge 1990, pp. 7–14.
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beyond its limits.20 The microhistorical enterprise does not attempt to add a series of local studies together: it is not – in the phrasing of Brad Gregory – “accretionist”.21 The relevance of scale has largely to do with the nature of the questions. The demand for generalization distorts complex issues of social interaction by implying that frequency of use and areal distribution are relevant criteria for judging significance. Comparison, by contrast, helps pose strong analytical questions about ideology, social differentiation, and the chronology of economic and social change rather than weak ones about statistical spread. Here it might be useful to give an example of a comparative approach: the brilliant study by Gérard Delille, who worked on rural Naples (Valley of the Irno and the coast), a cultural area that contrasts remarkably with South Germany, including its system of inheritance, partible, like in Neckarhausen, but by contrast with immovable property shared only among sons.22 Both “classical” periods for the two regions had similar variations on the theme of kinship. In the eighteenth century, both shifted to endogamy of both kinds: family and class. Delille like I connects the break in the alliance system to the land market and class formation. The comparison of the two situations provides a new perspective and questions to ask about kinship and property and about kinship and capitalization and points up the interesting problem of how two societies so far apart spatially and culturally could have parallel histories of kinship and marriage. It suggests new ways that local studies can connect and reconfigure the understanding of global shifts in capital flows, markets, social formations, and state structures. The second way that the call for generalization might be understood is in terms of a particular narrative of development, i.e. Neckarhausen as an instance of a stage in the process of modernization, as representative of a particular form of domestic group formation, as a typical instance of an economy of household production, or as a case of pre or proto-capitalist agricultural development. This approach views the varieties of human society as a “sequence of specialized adaptations to different economic circumstances”.23 Attention is turned away from the dynamic of social relations in a particular society to the grand narrative of human progress, and each new study recodes its findings to fit an objectified story, almost always already known to the observer. It is only the residue when all the local color is washed away that counts for essential knowledge of the subject. I might add that it is the lack of surprise that makes so much social history tedious. 20 21 22 23
Peltonen, Clues, p. 350. Gregory, Is Small Beautiful?, p. 104 Gérard Delille, Famille et propriété dans le royaume de Naples (xve–xixe sècle), Rome 1985. Edmund Leach, Social Anthropology, New York 1982, p. 121.
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It seems to me that microhistory does two things at once – it calls attention to important aspects of human reality not captured by “master” narratives and it reconfigures these narratives rather than reproducing them. Indeed there are some strong positions among microhistorians that argue that historical change does not even arise from large-scale institutions, structures, or mechanisms, like the state, or class, or the market, finding these simply to be abstractions. Change, they would maintain, is really the result of the “dynamic flux of the myriad, concrete, human transactions” that produce and transform the macro-phenomena over time.24 However class is imagined, for example, it is lived locally and is produced locally. Its boundaries are never fixed, nor is it unified at the core. Even in the hey-day of class formation in the nineteenth century, its dynamic was a process of making connections across localities and regions between more-or-less wellarticulated milieus, neighborhoods, clans, and strata and among occupational, propertied, professional, and craft groups, all themselves in flux.25 It could be argued that the present aporias in class analysis are the result of failing to find the proper level for viewing class formation and interaction, and here, once again, the global can best be understood by consideration of the local. A third form of generalization asks how a particular formation is to be measured against some criterion such as rationality – to what degree does it fulfill needs, master nature, or conform to an abstract concept of lawful behavior. Ultimately such questions come down to a notion of humanity rooted in Enlightenment notions of universal human nature. Each man is thought of as representing the essence of humanity, and the analytical problem is to go beyond the particulars to his essential rational or sensual core. Many historical studies influenced by German anthropology are oriented towards universal categories of human behavior. This approach is open to the critique of artificial standards and norms. It postulates individuals who at their core are without relations and leads to objectification and reification of the categories, which by remaining static and abstract are of little use for the historian’s task of chronicling change. One objection to this dismissal of generalizing as a fundamental desideratum of historical work contends that microhistory is a reversion to historicist individualist assumptions or an inclination towards the nominalism of post-modern skepticism: the facts of history as peculiar, individual, concrete, unrepeatable entities or as fragments. However, the turn to a particular object for analysis has not at all been a turn to individualism as a starting point. The local is interesting precisely because it offers a locus for observ24 Gregory, Is Small Beautiful?, p. 105. 25 Renata Ago, From the Archives, p. 41.
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ing relations. And we must be careful not to confuse the particular and singular with the individual, a point made by de Certeau, who speaks of a “science of singularity”, which he glosses as the “science of the relationship that links everyday pursuits to particular circumstances”.26 Once we center our attention on relationships, I think, we are forced into research strategies which favor the local and the particular. That is why anthropology has focussed its attention on small, particular localities.27 When interest is centered on how consciousness is formed in social intercourse, on dialogical processes of value, and ideological construction, then “particular, concrete contexts” become the locus of serious work. To argue for comparability is to underline the heuristic nature of microhistorical work.28 In present day cultural studies, a reified notion of culture is being dispensed with in favor of socially specific, exacting accounts of power, resistance, and constraints in loci where many voices contend each for its own view of reality. Rather than mapping and recoding the results onto new situations, the new perspectives offer a loose set of procedures and examples of possibilities for finding coherence. In the study of Neckarhausen, the search for singularity, for particular coherence, for the contextual logics of performance suggests that significance does not lie in generalization or extension of a particular paradigm or a plea for typicality. Nor does it lie in a presumption of individuality, whether it is of the kind which argues that each epoch or culture or polity is unique (historicism) or whether it is of the kind which presumes that continuous unity can be broken into “innumerable separated discontinuities” (sociology), which can then be matched for their common properties. To say that the point to studying Neckarhausen is not to generalize or argue for typicality does not presume some special kind of unity to the community on the one hand or on the other, the lack of similarity elsewhere.29 I have been following an argument from its starting point in the challenge to macro-historical accounts: however, calling them into question and discovering new levels to deal with historical causation is only part of the microhistorical project. It also claims to be able to rethink “major historical developments”. The issue is how this newly captured image found in the 26 Michel de Certeau, The Practice of Everyday Life, Berkeley 1984, p. ix; Sigurdur Gylfi Magnússon, The Singularization of History. Social History and Microhistory within the Postmodern State of Knowledge, in: Journal of Social History 36 (2003), pp. 701–735, esp. pp. 720– 723; Norbert Elias, Court Society, New York 1983, p. 24. 27 See the remarks by Simona Cerutti, Microhistory, pp. 17ff. 28 Medick, Weaving and Surviving, p. 287. 29 Microhistorians have had recourse to a language of “significant deviation”, “exceptional normal”, “typical exception” to deal with the problem of linking macro and micro levels; see Peltonen, Clues, pp. 353, 356.
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local, then becomes the basis for reconceptualizing the macrohistorical picture.30 If the story of the family, for example, that modernization theorists told can no longer be defended, can there be a long-term history of kinship, or better, systems of kinship, for Europe? One of the images that microhistorians are used to using (frequently found in this essay) comes from filmmaking, zeroing in for closeups and drawing back for macro shots. Another frequently used notion is one of “levels”, with the issue being one of finding the relevant level for a particular question, even though the problem of how the levels connect to one another remains difficult to solve.31 Gregory proposes the image of “maps”, the key being knowing which map is relevant for the particular task at hand.32 The consideration I want to develop here, however, is how to integrate the maps, or how to use the closeup to reevaluate what one sees when some of the details disappear as one draws back. Here I am going to use the findings in Neckarhausen about the reconfiguration of kinship to ask larger questions about kinship dynamics in Europe as a whole. The point that I want to emphasize is that I could not have made the discoveries that I did otherwise than to have carried out a systematic microhistorical project.33 What the material from the Kingdom of Naples and Neckarhausen shows is that the new class/kin endogamy was designed to provide multiple forms of exchange and the broad coordination of a class in its effort to manage credit, land markets, office holding, and corruption, all of which could only have been done by real but flexible structures and a well-coordinated system of reciprocities. We have, then, two contrasting systems which succeeded one upon the other – one built around clientage and vertical integration of groups and one built around class and horizontal integration, perhaps no longer of “groups” but of flexibly coordinated strata. Delille is quite right to insist that the mechanisms of kinship and marriage which we see today are not the product of a linear evolution. But the work also implies that global history is often best carried out through intensively studied local comparisons. In shifting the focus to larger, encompassing trends, I have tried to delineate one strategy in the reconfiguration of nineteenth-century kinship – repeated alliances between familial lines, most simply described as “partilines”, defined by close association among relatives recognized through male descent principles. Such “lines” entered into systematic alliances and multiple exchanges over several generations with associated lines, making 30 31 32 33
Peltonen, Clues, p. 357. Cerutti, Microhistory, pp. 18f. Gregory, Is Small Beautiful?, p. 109. Medick, Weaving and Surviving, p. 293.
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for tight, overlapping, endogamic kindreds, with the mechanisms most simply described as “cross-cousin” marriage. That did not mean that the most frequent connection between two lines was a first cousin but that a man most consistently sought a spouse among his mother’s kin, friends, or network. This “system” characterized many families from all parts of Europe and from all property-holding classes and raises the issue of how to locate and describe other similar or contrasting mechanisms. To observe this phenomenon, the best and simplest data comes from the science of genetics, which needed to document rates of endogamy to study the hereditary consequences of close marriage.34 Studies, prompted by biological and genetic sciences in the late nineteenth and early twentieth centuries concur in the description of a high point in consanguineal marriages reached between 1880 and 1920, with a regular and sometimes abrupt decline to a point in the 1950s when such marriages became almost everywhere insignificant. The rise of endogamy is less well documented than its fall, but available studies suggest that in Europe endogamy rates rose towards the end of the eighteenth century, although there are some areas where the phenomenon can be observed already by mid century. Taking all the data together, it appears that for Catholic and Protestant Germany, Catholic Italy, Spain, France, and Belgium, and Protestant Sweden and Norway, the overall trend in the rise of endogamous marriage was similar. There was no significant endogamy before the eighteenth century anywhere in continental Europe. None of the available studies examine second-cousin marriage before the nineteenth century, but the study of Neckarhausen suggests that people may well have started to marry more extended consanguineal relatives before they got on to first cousins. Whatever relationship one uses to track the rise (uncle/niece, brother-/sister-in-law, first cousins, affines), the overall trend appears to have been the same throughout wide areas of Europe. However, different areas, different occupational groups, and different classes created forms of alliance quite different from each other. While some may have relied on reiterated first-cousin exchanges, others made use of more extended consanguines, and still others integrated kindreds (Segalen on the Pays Bigouden) through highly flexible forms of affinal alliance.35 All of these forms began to be utilized in the eighteenth century and became crucially important for social organization in the nineteenth century – at different rates but everywhere. What we see here is an overall 34 A complete bibliography is found in David Warren Sabean, Kinship in Neckarhausen, 1700– 1870, Cambridge 1998. 35 Martine Segelan, Fifteen Generations of Bretons. Kinship and Society in Lower Brittany 1720–1980, Cambridge 1991.
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pressure to reconfigure familial alliances and kinship interaction, with different strategies, forms, and mechanisms (totally unresearched) brought to bear in different circumstances. A second aspect of the reconfiguration of kinship is its relevance for understanding class formation in the nineteenth century. Certain social institutions were important for creating networks and cultural values, which played a role in constituting and giving coherence to class: Vereine, neighborhood, confession/church – and kinship.36 For the middle classes we have widespread evidence about the practices of kinship: weekly family meetings, sociability, house music, periodic gatherings and festivals, genealogical investigation, guardianship and care of orphans, socialization and training of children, correspondence, investment, the placing of kin in strategic positions in business enterprises, care of elderly, travelling, vacations, politics of dowries, cousin exchanges among children, and gift exchange.37 Such social commerce was important for the formation of class consciousness.38 It was in the everyday pattern of kinship reciprocity that specific values and behaviors were developed: witness the large kinship groups that formed around branches of the economy, who came to share social and political values.39 Reading business history gives the impression that kinship arose most centrally out of male activities. But there is growing evidence to suggest that women were more active maintaining the linkages between family members. Joris and Witzig suggest a division of labor between male Vereine and female-run kinship groups.40 They argue on evidence from correspondence and diaries that this kinship work arose first in the nineteenth century. I find evidence in Neckarhausen of a third stage after the early one of patronage/clientage and its successor – patrilineal exchange –, namely what I have already referred to as a “matrifocal” system. Women came to form networks and acted as gatekeepers of the alliance system. Marion Kaplan finds a similar function among the late nineteenth-century Jewish 36 Hartmut Zwahr, Zur Konstituierung des Proletariats als Klasse. Strukturuntersuchung über das Leipziger Proletariat während der industriellen Revolution, Berlin 1978. 37 I have examined these aspects of kinship in detail in Kinship in Neckarhausen; good introductions to the problem are provided by Marion Kaplan, The Making of the Jewish Middle Class. Women, Family, and Identity in Imperial Germany, New York 1991; Elisabeth Joris/Heidi Witzig, Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. Wie sich die Industrialisierung auf Alltag und Lebenszusammenhänge von Frauen auswirkte (1820–1940), Zürich 1992. The clearest overview and important pioneering analysis is provided by Jürgen Kocka, Familie, Unternehmer und Kapitalismus. An Beispielen aus der frühen deutschen Industrialisierung, in: Zeitschrift für Unternehmergeschichte 24 (1979), pp. 99–135. 38 Friedrich Zunkel, Der Rheinisch-Westfälische Unternehmer 1834–1879. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, Köln 1962, p. 82. 39 For a few examples in the literature, see Sabean, Kinship in Neckarhausen. 40 Joris/Witzig, Brave Frauen, pp. 239ff.
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bourgeoisie.41 And Werner Siemens himself pointed to an aunt as the central figure of his large extended family.42 If all of this is so – if kinship politics were largely taken over by women, that helps explain why there is so little male sociological enquiry about its dynamics. I have described microhistory as a kind of experimental approach to historical research. And a great deal of its promise has to do with discovery, mapping unexplored areas, and providing clues for reconfiguring the larger stories we tell ourselves. Microhistory, as I have argued, is to history what basic research is to the natural sciences. On the one hand, it acts as a solvent for older paradigms, and on the other, forces new perspectives onto the horizon. If it began in dissatisfaction with the grand master narratives of Marxism and modernization, its continued use is supported by an interest in maintaining a dialectic between understanding and grasping long-term change and the logic of action, overarching complex structures and the creative energies of local practices, and comfortable synthetic judgments about protracted processes and the unsettling surprises that accompany the view from the ground.
41 Kaplan, The Making of the Jewish Middle Class, pp. 82ff., 89. 42 Werner von Siemens, Personal Recollections, London 1893, pp. 5ff.; many other examples are given in Sabean, Kinship in Neckarhausen, chaps. 22 and 23.
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Etienne François
Europäische lieux de mémoire
Gibt es überhaupt europäische Erinnerungsorte? Bestehen auf europäischer Ebene solche „materiellen wie auch immateriellen Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität“, die in etwa vergleichbar wären mit den Erinnerungsorten, die seit etwa zwanzig Jahren vor allem auf länderspezifischer Ebene untersucht werden? Und wenn, handelt es sich auch dabei um Erinnerungsorte, die wie die vorigen „durch einen Überschuß an symbolischer und emotionaler Dimension gekennzeichnet, in gesellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und sich in dem Maße verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung verändert“?1
Theoretische Konzepte europäischer Erinnerungsorte Seit dem Erscheinen der von Pierre Nora herausgegebenen Lieux de mémoire, die als erste aus den kollektiven Erinnerungen ein Objekt der geschichtswissenschaftlichen Forschung auf breiter Ebene gemacht haben, wird die Frage immer wieder gestellt.2 Es vergeht so gut wie kein Jahr, an welchem nicht mindestens eine Tagung bzw. eine Publikation diesem Thema gewidmet ist. Die unablässige Wiederholung der Frage nach den europäischen Erinnerungsorten ist keine zufällige Erscheinung. Sie weist auf die hohe Relevanz einer Frage hin, die vor allem durch ihre politische, kulturelle und soziale Tragweite gekennzeichnet ist, und stellt daher viel mehr als ein Desiderat der Forschung dar, ordnet sie sich ja in den größeren Kontext der Frage nach europäischer Identität und Zukunft ein. Je intensiver und leidenschaftlicher über Europa debattiert und gestritten wird, desto lauter und dringender wird die
1 Diese Definition des „Erinnerungsorts“ ist entnommen aus der Einleitung zu Etienne François/Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde., München 2001, Bd. 1, S. 18. 2 Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, 3 Bde., Paris 1984–1992; ders., Les lieux de mémoire dans la culture européenne, in: Europe sans rivage. Symposium international sur l’identité culturelle européenne, Paris 1988, S. 38–42.
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Frage nach den europäischen Erinnerungsorten; und alles deutet darauf hin, dass sie zunehmend an Aktualität gewinnen wird.3 Wenn man allerdings die fast unübersehbare Masse an Literatur Revue passieren lässt, die diese Frage zu beantworten versucht, so fällt auf, dass man es überwiegend mit Texten theoretischer und programmatischer Natur zu tun hat. Drei Textsorten überwiegen dabei. Eine erste Gruppe befasst sich mit der grundsätzlichen Frage, ob es überhaupt europäische Erinnerungsorte gibt bzw. geben kann – wobei die Antworten ganz unterschiedlich und nicht immer positiv sind.4 Eine zweite Gruppe versucht, solche europäischen Erinnerungsorte zu identifizieren und fragt, wie, unter welchen Bedingungen und mit welchen Methoden und Ansätzen sie zu analysieren und darzustellen wären. Eine dritte Gruppe schließlich – meistens an der Schnittstelle zwischen Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Politikberatung – fragt nach den Orten, die sich die Europäische Union zu eigen machen sollte bzw. die sie zu kreieren hätte, wie auch nach den Wegen und Mitteln, um aus ihnen „echte“ Erinnerungsorte zu machen. Im Gegensatz aber zur Fülle der hier kurz skizzierten theoretischen und programmatischen Literatur, gibt es bis jetzt so gut wie keine Publikation, die konkrete, empirisch fundierte und überzeugende Antworten auf die Frage nach den europäischen Erinnerungsorten gibt und die man als eine erste Einlösung davon betrachten könnte.5 Diese starke Diskrepanz ist nicht besonders überraschend. Sie weist auf die Tatsache hin, dass, wenn auch in den letzten Jahrzehnten die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Nationalstaates rapide zurückgegangen ist, die europäischen Nationen weiterhin nations-mémoires im Sinne der Definition sind, die Ernest Renan 1882 anlässlich seiner Rede in der Sorbonne formuliert hatte: „Was die Nationen ausmacht, ist der gemeinsame Besitz eines reichen Erbes an Erinnerungen.“ Ohne Zweifel hat der Bedeutungsverlust des Nationalstaates dazu geführt, dass er als Akteur und Gestalter der kollektiven Erinnerungen sehr viel an Einfluss verloren hat. Unsere Zeit ist viel mehr eine Zeit der Fragmentierung und manchmal sogar der Privatisierung der kollektiven Erinnerungen, und in diesem Prozess spielen die Initiativen der Zivilgesellschaft die entscheidende Rolle. Diese Fragmentierung spielt sich aber überwiegend innerhalb eines natio3 Vgl. insbesondere die im Jahrbuch für Europäische Geschichte 3 (2002) gesammelten Beiträge einer von Heinz Duchhardt veranstalteten Tagung zum Thema „Europäische lieux de mémoire“. 4 Jost Düffler, Europäische Zeitgeschichte. Narrative und historiographische Perspektiven, in: Zeithistorische Forschungen – Studies in Contemporary History 1 (2004), S. 51–71. 5 Jacques Le Rider u.a. (Hg.), Transnationale Gedächtnisorte in Zentraleuropa, Innsbruck 2002. Interessante Ansätze finden sich gleichfalls in: Marie-Louise von Plessen (Hg.), Idee Europa. Entwürfe zum „Ewigen Frieden“, Berlin 2003 (Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums), wie auch in: Vrääth Öhner u.a., Europabilder, Innsbruck 2005.
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nalstaatlich verfassten öffentlichen Raumes ab, mit der Folge, dass die jeweiligen Länder weiterhin durch unterschiedliche Formen des Umgangs mit der Vergangenheit gekennzeichnet sind. Und so wie es länderspezifische Stile der Einstellung zur Geschichte gibt, so bleibt auch der nationale Rahmen weiterhin bestimmend für die Art und Weise, wie die Historiker mit dem Thema der kollektiven Erinnerungen umgehen. Daher erklärt sich die Tatsache, dass, auch wenn es inzwischen viele Projekte und Publikationen gibt, die das Modell der lieux de mémoire übernommen haben, all diese Projekte sich stark voneinander unterscheiden, weil sie in dem Maße, in dem sie sich zum Ziel gesetzt haben, „den typischen Stil der Beziehung zur Vergangenheit eines jeweiligen Landes herauszuarbeiten“, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den jeweiligen Geschichts- und Gedächtniskulturen der untersuchten Länder widerspiegeln.6 Im Gegensatz zu der prägenden Kraft, ja oft zur Selbstverständlichkeit des nationalen Bezugsrahmens für die Formierung und Entwicklung der kollektiven Erinnerungen – im Konsens wie im Konflikt – bleibt Europa als Bezugsrahmen von kollektiven Erinnerungen erstaunlich schwer zu fassen, ungenau und umstritten. Wo fängt es an und wo hört es auf? Was soll man darunter verstehen? Ist Europa, um auf die Formulierung von Maurice Halbwachs zurückzugreifen, ein „sozialer Rahmen des Gedächtnisses“? Gibt es überhaupt europäische Erinnerungsmilieus als Träger von genuin europäischen Gedächtniskulturen, die vergleichbar wären mit den milieux de mémoire der jeweiligen Länder? Gibt es über die Fülle der regionalen und nationalen Gedenkveranstaltungen hinaus spezifisch europäische Gedenkveranstaltungen? Die Fragen sind nicht neu und sie weisen auf die Schwierigkeiten hin, die bis jetzt die Durchführung von überzeugenden und groß angelegten Forschungs- und Veröffentlichungsprojekten über die europäischen Erinnerungsorte verhindert haben. Zu den üblichen Schwierigkeiten der räumlichen Bestimmung (was soll man unter Europa verstehen? Den europäischen Kontinent der Geographen? Die lateinische Christenheit? Das „westfälische“ Europa? Die heutige Europäische Union? Alle Länder, die sich als europäisch bezeichnen?) kommt im Falle von Europa eine zusätzliche Schwierigkeit hinzu. Der gleiche Begriff wird in der Tat benutzt, um zwei gegensätzliche Realitäten zu definieren: auf der einen Seite das, was man Europa als Erbe bezeichnen kann, das heißt Europa in seinen vor allem historischen Dimensionen (bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts), und auf der anderen Seite das, was man Europa als Projekt bezeichnen kann, das heißt dieses politische, wirtschaftliche, soziale und 6 Pim de Boer/Willem Frijhoff (Hg.), Lieux de mémoire et identités nationales, Amsterdam 1993; Mario Isnenghi (Hg.), I luoghi della memoria, 3 Bde., Rom/Bari 1987/97; Moritz Csaky (Hg.), Orte des Gedächtnisses, Wien 2000.
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auch kulturelle Gebilde, das erst nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt, das sich seit dieser Zeit schon gewaltig entwickelt hat, aber trotz allem immer noch im Entstehen begriffen ist. Die Unterscheidung zwischen diesen zwei Definitionen, ja ihre Gegenüberstellung, mag auf den ersten Blick künstlich erscheinen. Beide hängen in der Tat zusammen und bedingen sich gegenseitig. Europa als Projekt lässt sich nur im Zusammenhang mit Europa als Erbe verstehen – sei es, dass man sich darauf beruft, um das künftige Europa aufzubauen, oder umgekehrt, dass man sich davon distanzieren will, um eine völlig neue Konstruktion zu realisieren. Auf der anderen Seite haben die Fortschritte bzw. die Rückschritte des europäischen Aufbaus ein besseres Verständnis für die prägende Kraft der Determinanten, die in diesem Erbe verwurzelt sind (im Sinne der path dependency), wie auch eine deutlichere Wahrnehmung der gemeinsamen Dimensionen des meistens getrennten historischen Erbes zur Folge. Bei aller Verschränkung bleibt aber diese Trennung hilfreich, und zwar nicht nur aus analytischen Gründen, sondern vor allem, weil es sich bei Europa als Projekt um eine Realität handelt, die auf der Basis eines dezidierten Bruchs mit der jüngsten europäischen Vergangenheit entstanden ist, sich immer noch – auch wenn sie inzwischen auf eine Vergangenheit von mehr als einem halben Jahrhundert zurückblicken kann – von allen bis jetzt bekannten politischen Konstruktionen unterscheidet und insofern eine ständige Neuschöpfung darstellt. Nun stellt sich die Frage nach den europäischen Erinnerungsorten ganz anders, je nachdem ob man Europa als Erbe oder Europa als Projekt versteht.
Europa als „Erbe“ Geht man von der ersten Definition aus, das heißt von Europa als Erbe, dann ist man mit einer paradoxen Realität konfrontiert. Auf der einen Seite lässt sich dort, so scheint es, der Ansatz der lieux de mémoire besonders gut anwenden, hat man es hier doch mit einer Realität zu tun, die sich in der longue durée entwickelt hat. Auf der anderen Seite ist diese Geschichte nur in Ausnahmefällen eine gemeinsame Geschichte, während die Unterschiede, die Trennungen und die Konflikte eher die Regel sind. Dies hat zur Folge, dass die genuin europäischen Erinnerungsorte, das heißt die Orte, bei denen die gemeinsame Dimension im Vordergrund steht, selber eine Minderheit bleiben. Als erste gemeinsame europäische Erinnerungsorte bieten sich solche Orte an, die auf der einen Seite eine Fülle von Merkmalen, die für Europa
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konstitutiv sind, in sich verdichten, und auf der anderen Seite über Jahrhunderte hinweg unerschöpfliche Fundgruben an Modellen und Zukunftsperspektiven waren, die die europäische Identitätsfindung nachhaltig geprägt haben. Zwei Städte ragen in dieser Hinsicht hervor. Die erste ist Jerusalem, diese Stadt, die der israelische Publizist Amos Elon zu Recht als eine „City of Mirrors“ bezeichnet hat (eine Bezeichnung, die im Übrigen in der französischen Übersetzung als „capitale de la mémoire“ wiedergegeben wurde).7 Die zweite ist Rom und zwar in einer doppelten Beziehung: auf der einen Seite Rom als Mikrokosmos der europäischen Kulturgeschichte wie auch als Stadt, die den unterschiedlichen europäischen Nationen geholfen hat, an ihrer eigenen Identität zu arbeiten; und auf der anderen Seite Rom als allgemeiner Bezugspunkt, als Ort gemeinsamer Herkunft und Erinnerung, als Stadt, die allen alles geboten hat (eine gemeinsame Sprache und eine Kultur von hohem Rang, das römische Reich mit seinem Recht genauso wie die Weltkirche mit ihrem Gnadenschatz), als Stadt auch einer besonderen Idee – wobei beide Städte in ihrer Rolle als Erinnerungsorte durch das gleiche Wechsel- und Spannungsverhältnis zwischen ihrer europäischen und ihrer universellen Dimension gekennzeichnet sind.8 In die Liste der gemeinsamen Erinnerungsorte gehören darüber hinaus solche Institutionen und Schöpfungen, die gleichermaßen konstitutiv für die europäische Geschichte und Identität gewesen sind. Ein einziges Beispiel wird es erläutern, das Beispiel der Nation. „Daß es Nationen gibt, ist das Europäische an der europäischen Geschichte“, notierte zu Recht der Mediävist Hermann Heimpel. Und in der Tat, als ich mich im Zusammenhang mit der von Monika Flacke 1998 am Deutschen Historischen Museum organisierten Ausstellung „Mythen der Nationen“ mit dem Selbstverständnis der europäischen Nationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts beschäftigte, wie man es im Spiegel ihrer Nationalmythen beobachten kann, drängte sich uns die auffällige Ähnlichkeit, ja in vielen Fällen die Austauschbarkeit der Nationalmythen auf, auf denen das Selbstverständnis der europäischen Nationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts beruhte. Im Vergleich zueinander und aus der Distanz eines an Krisen und Brüchen besonders reichen Jahrhunderts betrachtet erscheinen uns die Unterschiede von Land zu Land, die von den damaligen Zeitgenossen als unüberwindbar empfunden wurden, nur noch als Variationen innerhalb einer ausgesprochen kohärenten Struktur, die sich an den drei gemeinsamen Merkmalen der Identität, der Kontinuität und der Gemeinschaft orientiert. Alle europäi7 Amos Elon, Jerusalem. City of Mirrors, Boston 1989 (frz.: Jérusalem. Capitale de la mémoire, Paris 1991). 8 Dabei beziehe ich mich auf zwei unveröffentlichte Vorträge, die Jakob Vogel und Arnold Esch auf einer im Juli 2002 vom Deutschen Historischen Institut London zum Thema „European lieux de mémoire“ veranstalteten Konferenz gehalten haben.
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schen Nationen des ausgehenden 19. Jahrhunderts gründen sich auf ein gemeinsames kulturelles und historisches Bezugssystem, das jede von ihnen gewiss verschiedenartig auslegt, das aber gleichzeitig ein zentrales Verwandtschaftselement ihrer historischen Mythologien darstellt.9 Einen dritten Typus von gemeinsamen Erinnerungsorten stellen schließlich die „negativen Erinnerungsorte“ dar, die in dem Maße für die Wahrnehmung und Entwicklung der gemeinsamen Erinnerung und Identität konstitutiv sind, als sie zu „negativen Bezugspunkten“ wurden, von welchen die Europäer sich abgrenzten, die sie bekämpften und ablehnten. Für die Zeitgeschichte bietet sich vor allem Auschwitz an, und zwar Auschwitz nicht nur als realer Ort der Ermordung von mehr als einer Million Juden aus ganz Europa, sondern vor allem als symbolischer Ort, der in Folge eines beeindruckenden Prozesses der Universalisierung während der letzten Jahrzehnte zur „Signatur“ des europäischen 20. Jahrhunderts erhoben wurde, mit der Konsequenz, dass ihm der Rang des absolut Bösen zuerkannt wurde, und dass es sich als negatives Geschichtszeichen in das kollektive Gedächtnis und Bewusstsein der Europäer und der Weltöffentlichkeit nachhaltig eingegraben hat.10 Für frühere Zeiten – mit einer oft unterschätzten Weiterwirkung unter säkularisierter Form bis in die Gegenwart hinein – könnte man an den Islam denken, der bis ins späte 19. Jahrhundert durch ganz Europa als Gefahr und Feind par excellence wahrgenommen wurde. Bei der Arbeit an der Ausstellung „Mythen der Nationen“ fiel mir in der Tat die „sich wiederholende und fast zwanghafte Präsenz“ des Islam im europäischen kollektiven Gedächtnis auf. Die Auseinandersetzungen mit ihm und seinen Verkörperungen – von den Sarazenen über die Tataren bis zu den Türken – wurden überwiegend als Konflikte von existentieller und fast eschatologischer Dimension gesehen, deren Ausgang nur die Befreiung oder die Unterwerfung, die Vernichtung oder die Erlösung sein konnte, da er als Europas absolute Antithese wahrgenommen wurde. Zahlreicher als die gemeinsamen Erinnerungsorte dürften allerdings die „geteilten Erinnerungsorte“ sein, das heißt solche Orte des Konflikts und der Wechselwirkung, die durch trennende Identifikationsangebote und unterschiedliche Aneignungen gekennzeichnet sind und an denen sich die europäischen Gedächtniskulturen scheiden und gegenseitig bestimmen. Wenn man in der Tat Europa als eine „unitas multiplex“ (Edgar Morin11) versteht und davon ausgeht, dass das europäische Gedächtnis in den meisten Fällen gebrochen durch das nationale Prisma wahrgenommen und 9 Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama, Berlin 1998. 10 Etienne François, Meistererzählungen und Dammbrüche. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zwischen Nationalisierung und Universalisierung, in: Monika Flacke (Hg.), Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen, Mainz 2004, S. 13–28. 11 Edgar Morin, Europa denken, Frankfurt a.M. 1988.
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vermittelt wird, dann lohnt es sich einen Ansatz zu favorisieren, der die strukturelle Verschränkung der jeweiligen Gedächtniskulturen verdeutlicht und zeigt, wie sie sich gegenseitig prägen und wie sie schließlich voneinander abhängig sind. Das ist die vielleicht wichtigste Schlussfolgerung, die ich aus dem gemeinsam mit Hagen Schulze geleiteten Projekt der „Deutschen Erinnerungsorte“ gezogen habe. Aus der festen Überzeugung heraus, dass sich die deutschen Gedächtniskulturen nur in einem europäischen Zusammenhang erfassen und verstehen lassen, hatten wir in der Tat ein bevorzugtes Augenmerk auf die Untersuchung der „geteilten Erinnerungsorte“ im doppelten Sinne des Wortes gelegt, das heißt diese Orte, die eine symbolische Schnittstelle zwischen zwei benachbarten Ländern darstellen, die aber für ihre Gedächtniskulturen gleichermaßen bedeutend sind, wie zum Beispiel das Straßburger Münster im deutsch-französischen Fall und Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal für den Ghetto-Aufstand in Warschau im deutsch-polnischen Fall. Ein solcher Ansatz ließe sich mit Gewinn auf die europäische Ebene ausdehnen, um dadurch besser zu verstehen, wie länderspezifische Gedächtniskulturen genuin europäisch-transnationale Ereignisse und Entwicklungen mitbestimmt haben, mit der Folge, dass sie zu „geteilten“ Erinnerungsorten geworden sind, die sich an der Schnittstelle zwischen nationalen und europäischen Erinnerungsorten im Sinne einer „memoria divisa e condivisa“ befinden. Ein aufschlussreiches Beispiel dafür bieten die „Ereignisse“ von 1968. Auf der einen Seite hat man es mit einer transnationalen Bewegung zu tun, die gleichermaßen Ost und West erfasst hat und bei welcher sich zahlreiche Ähnlichkeiten und Wechselwirkungen feststellen lassen. Aber gleichzeitig lässt sich beobachten, wie in jedem betroffenen Land diese Bewegung ein anderes Gesicht zeigte. Nun hingen diese Unterschiede entschieden mit der Einwirkung auf ihren Verlauf von spezifischen Gedächtniskulturen zusammen. In Frankreich erinnerten die Barrikaden von Mai 1968 an die Barrikaden der Pariser Kommune und der Befreiungskämpfe von August 1944, während der Generalstreik von Mai und Juni 1968 an das Gedächtnis der Volksfront von 1936 anknüpfte. In der Bundesrepublik spielten der Bezug auf die unverarbeitete NS-Vergangenheit und die Thematisierung des latenten Faschismus eine zentrale Rolle beim Verlauf der 68er Ereignisse. In Polen schließlich wurden die öffentlichen Debatten und der Verlauf der 68er Ereignisse durch zwei besonders affektbeladene und tief im kollektiven Gedächtnis verwurzelte Fragen beherrscht, die nationale Frage auf der einen Seite und die jüdische Frage auf der anderen Seite.12 Ein solcher Ansatz ließe sich auf fruchtbare Weise auf eine Vielzahl von weiteren „geteilten Erinnerungsorten“ ausdehnen wie die 12 Etienne François u.a. (Hg.), 1968 – ein europäisches Jahr?, Leipzig 1997.
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Christianisierung Europas und die Kreuzzüge, der Humanismus und die Reformationen (die protestantischen und die katholische), die Aufklärung, die Französische Revolution und das napoleonische Abenteuer, der Faschismus und der Nationalsozialismus, der erste und der zweite Weltkrieg. Bei der Untersuchung solcher „geteilter Erinnerungsorte“ würden ohne Zweifel die Aspekte der Abgrenzung und der Bekämpfung stärker als die der Gemeinsamkeit und der Verflechtung in Erscheinung treten, denn das Gedächtnis trennt, während die Geschichte eint – was Pierre Nora zur folgenden Schlussfolgerung führte: „Eingedenk dieser Erkenntnis scheint mir das genaue Wissen um die einzelnen Erinnerungskulturen den Blick für das zu schärfen, was das Gemeinsame an Europa ausmacht. Nur aus einem vertieften Verständnis der Unterschiede kann das Gefühl einer echten gemeinsamen Zugehörigkeit erwachsen.“13 Zusätzlich zu den „gemeinsamen“ und „geteilten“ Erinnerungsorten gibt es schließlich eine dritte Gruppe von europäischen Erinnerungsorten, die ich gerne „indirekte“ bzw. „implizite“ europäische Erinnerungsorte nennen möchte. Darunter verstehe ich solche Orte, die auf dem ersten Blick typisch für die Spezifik eines Landes und seiner Gedächtniskultur sind, die sich aber bei näherer Betrachtung insofern auch als europäische Orte erweisen, als sich einerseits in ihnen eine Fülle von europäischen Bezügen verdichten, während sich andererseits ihre Wirkung und Ausstrahlung auf ganz Europa erstreckt. Versailles könnte ein solches Beispiel sein. Die Bedeutung von Versailles als französischer Erinnerungsort – von seiner Erbauung als architektonische und künstlerische Inszenierung der absoluten Monarchie über die spätere Umwandlung des Schlosses zu einem Museum des französischen Ruhms bis hin zu seiner aktuellen Bedeutung als Sinnbild der französischen Geschichte und Kultur wie auch als eine der meist besuchten touristischen Attraktionen von Frankreich – ist schon hinlänglich untersucht worden.14 Aber Versailles ist viel mehr als ein rein französischer Erinnerungsort. Als Schloss wie auch als Stadt ist Versailles zuerst ein Modell, das in vielfacher und ganz differenzierter Art und Weise von Spanien bis Schweden, von Italien bis Russland nachgeahmt, übernommen bzw. kritisiert wurde; Versailles ist dann der Ort der Reichsproklamation von 1871 und vor allem der Ort der Friedensverträge von 1919, die den Anspruch hatten, eine grundsätzliche Neuordnung von Europa zu verwirklichen und die in der Tat das europäische Werden nachhaltig geprägt haben;15 Ver13 Pierre Nora, Nachwort, in: François/Schulze, Erinnerungsorte, Bd. 3, S. 686. 14 Edouard Pommier, Versailles. L’image du souverain; Hélène Himmelfarb, Versailles. Fonctions et légendes; Thomas W. Gaehtgens, Le musée historique de Versailles, in: Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, Bd. 3.2, S. 193–234 und S. 235–292, Bd. 3.3, S. 143–168. 15 Hagen Schulze, Versailles, in: François/Schulze, Erinnerungsorte, Bd. 1, S. 407–421; Gerd Krumeich (Hg.), Versailles 1919. Ziele, Wirkung, Wahrnehmung, Essen 2001.
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sailles ist schließlich ein Ort, der seit seinem Beginn zahlreiche Künstler und Gäste aus ganz Europa angezogen hat, ein Ort, den die Reiseberichte seiner Besucher zu einem überall in Europa bekannten und diskutierten Ort gemacht haben, ein Ort letztlich, der jedes Jahr von Millionen von Besuchern aus ganz Europa und der Welt besichtigt wird. Solche „impliziten“ bzw. „indirekten“ europäischen Erinnerungsorte sind noch zahlreicher, wenn man zusätzlich zu den materiellen Orten und den wichtigsten Gestalten der europäischen Vergangenheit wie Napoleon oder Luther,16 die künstlerischen und literarischen Werke heranzieht, die als verdichteter Ausdruck der Kultur eines Landes betrachtet werden. Und wieder einmal möchte ich auf ein französisches Beispiel zurückgreifen, den Romanzyklus von Marcel Proust Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. In dem anregenden Beitrag, den er für den letzten Band der Lieux de mémoire geschrieben hat, zeigt Antoine Compagnon wie und warum dieser Romanzyklus, der lange Zeit überhaupt nicht dazu geeignet schien, erst allmählich zu einem zentralen französischen Erinnerungsort geworden ist. Er beschreibt, wie Proust in Frankreich der gleiche Rang zuerkannt wurde, der in anderen Ländern Cervantes, Dante, Goethe und Shakespeare zuteil wird, und wie dieser als ein Schriftsteller gesehen wurde, der eine ganze Literatur in sich vereint. Er zeigt schließlich, wie dieser Romanzyklus, dessen zentrales Thema das Gedächtnis bildet, als eine literarische Totalität wahrgenommen wurde, in welcher das ganze französische kulturelle Gedächtnis enthalten ist. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, so das Fazit von Antoine Compagnon, ist „ein magischer Erinnerungsort, und zwar nicht nur als Vademecum der französischen Literatur und Kompendium der französischer Kultur, sondern auch weil es sich an eine der bestechendsten Verwirklichungen des Konzepts des Erinnerungsorts anlehnt“.17 Derselbe Romanzyklus kann aber auch und mit gleichem Recht als europäischer Erinnerungsort betrachtet werden. Er ist es zuerst, weil seine Konstituierung als Erinnerungsort maßgeblich durch seine Rezeption im Ausland gefördert wurde – wobei in diesem Zusammenhang die frühen Besprechungen von Leo Spitzer und Ernst Robert Curtius eine besondere Hervorhebung verdienen; er ist es weiterhin durch seine zahlreichen Übersetzungen, durch die Tatsache, dass diese Übersetzungen nicht selten das Werk von Schriftstellern waren, die dadurch zu der Weiterentwicklung ihrer eigenen Sprache beigetragen haben, wie auch durch den Modellcharakter, den er für andere Literaturen bekommen hat. Seine Dimension als 16 Zu Luther sei auf folgenden Sammelband hingewiesen: Hans Medick/Peer Schmidt (Hg.), Luther zwischen den Kulturen. Zeitgenossenschaft – Weltwirkung, Göttingen 2004. 17 Antoine Compagnon, La Recherche du temps perdu de Marcel Proust, in: Nora (Hg.), Les lieux de mémoire, Bd. 3.2, S. 926–967 (dt.: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit von Marcel Proust, in: Pierre Nora [Hg.], Erinnerungsorte Frankreichs, München 2005, S. 481–516).
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europäischer Erinnerungsort verdankt schließlich Prousts Romanzyklus seinen vielfältigen europäischen Bezügen. Nicht wenige Gestalten der aristokratischen Welt des „Faubourg Saint-Germain“, die den Großteil der Gesellschaft des Romans ausmachen, stammen aus anderen europäischen Ländern, angefangen mit dem Baron de Charlus, der eine deutsche Adlige als Mutter hat und sich unter anderem durch seine ausgeprägte Germanophilie, bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs hinein, von seiner Umwelt unterscheidet. Darüber hinaus findet sich im Roman eine Fülle von Anspielungen auf die Geschichte, die Kultur und die Gegenwart aller europäischen Länder, wobei drei – Italien, Deutschland und Großbritannien – einen so wichtigen Platz einnehmen, dass man in ihnen eine Art „inneres Ausland“ der Proustschen Welt sehen kann. Im Gegensatz zu dieser relativ starken, wenn auch meist indirekten Präsenz eines Europas, das im Übrigen im Roman so gut wie nie als solches genannt wird, da es nur unter der Form seiner Nationen erscheint, fällt schließlich auf, dass die außereuropäische Welt viel seltener erwähnt wird und wenn überhaupt, immer durch einen europäischen Blickwinkel. „Alle Nationen Europas erleben dasselbe gemeinsame Schicksal“, beobachtet Milan Kundera zu Recht in seinem jüngsten Essayband Le rideau, „aber jede erlebt es aufgrund ihrer jeweiligen Erfahrungen anders. Deshalb erscheint die Geschichte jeder europäischen Kunst (Malerei, Roman, Musik usw.) wie ein Staffellauf, bei dem die verschiedenen Nationen einander denselben Stab weiterreichen. Die Polyphonie erlebt ihre Anfänge in Frankreich, entwickelt sich in Italien weiter, erreicht in den Niederlanden eine unglaubliche Komplexität und findet in Deutschland, im Werk Bachs, seine Vollendung.“ Und von dieser Feststellung ausgehend, fordert er einige Seiten weiter die Europäer auf, ihren Blickwinkel zu entnationalisieren, um ihre Literatur in ihren europäischen Dimensionen zu erfassen: „Europa hat es nicht geschafft, seine Literatur als historische Einheit zu denken, und ich werde nicht aufhören zu wiederholen, daß darin sein irreparables intellektuelles Scheitern liegt. Denn um in der Geschichte des Romans zu bleiben: Sterne reagiert auf Rabelais, und Diderot wird von Sterne angeregt, Fielding beruft sich ständig auf Cervantes, und an Fielding mißt sich Stendhal, die Tradition Flauberts setzt sich im Werk von Joyce fort, und Broch entwickelt in seiner Reflexion über Joyce seine eigene Poetik des Romans, Kafka macht Garcia Marquez klar, daß es möglich ist, aus der Tradition auszuscheren und ‚anders‘ zu schreiben.“18 18 Milan Kundera, Le rideau. Essai en sept parties, Paris 2005, S. 45–46 und 49f. (dt.: Der Vorhang, aus dem Französischen von Uli Aumüller, München 2005, S. 47–48 und 52f.). Zu den europäischen Dimensionen des Romans im 19. Jahrhundert sei darüber hinaus auf das besonders anregende Buch von Nano Moretti, Atlante del romano europeo, 1800–1900, Turin 1997 hingewiesen (dt.: Atlas des europäischen Romans. Wo die Literatur spielte, aus dem Italienischen von Daniele dell’Agli, Köln 1999).
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Europa als Projekt Solange man Europa als Erbe versteht, erweist sich der Ansatz der Erinnerungsorte als besonders fruchtbar, gleicht er doch einem retrospektiven Blick, der danach fragt, wann, warum und unter welchen Bedingungen bestimmte Erinnerungsorte entstanden sind, wie sie konstruiert wurden, von welchen Gruppen und mit welchen Absichten, wie sie sich entwickelt haben und was von ihnen heute übrig bleibt. Versteht man aber Europa als Projekt und als eine Realität, die selber im Werden ist, so stößt man an die Grenzen dieses Ansatzes. An seiner Stelle empfiehlt sich vielmehr ein offener und zukunftsorientierter Ansatz, der sich primär für den Wandel und die Innovation, für die Umstrukturierung der tradierten Muster und das Entstehen von neuen Gedächtniskulturen und Gedächtnispraktiken interessiert. Die Vergangenheit, so die zentrale These von Maurice Halbwachs und seinen Nachfolgern, existiert nur als soziale Rekonstruktion. Sie wird nicht wiedergefunden (retrouvée), sondern vielmehr rekonstruiert (reconstruite), und von dieser rekonstruierten Vergangenheit bleibt nur das übrig, was eine Gesellschaft in jeder Epoche mit ihrem jeweiligen Bezugsrahmen rekonstruieren kann. Die Frage, die sich daher stellt, ist die der Auswirkungen des Wandels des Bezugsrahmens, der durch den Prozess der europäischen Einigung, die zunehmende Verflechtung der europäischen Gesellschaften und die damit zusammenhängende Transformierung der sozialen und kulturellen Strukturen verursacht wird. Wie ändern sich die hergebrachten Gedächtniskulturen? Welche neuen Gedächtniskonstruktionen sind im Entstehen begriffen? Welche neuen Formen der Einstellung zur Geschichte und des Umgangs mit der Vergangenheit entwickeln sich? Bei aller dabei gebotenen Vorsicht, so scheint mir doch, dass die Gedächtniskulturen aller europäischer Länder während der letzten Jahrzehnte in einen tief greifenden Wandlungsprozess hineingezogen worden sind, der dazu führt, dass zusätzlich zu der weiterhin dominant bleibenden nationalen Perspektive die europäische Dimension der Einstellung zur Vergangenheit zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bei diesem Prozess, der längst nicht abgeschlossen ist, dürften die Initiativen „von oben“ und irgendwie „von Brüssel aus“ nur eine sekundäre Rolle gespielt haben. Denn abgesehen davon, dass die Europäische Union erst in den letzten Jahren damit begonnen hat, ihre eigene Symbolpolitik zu entwickeln, so fallen die dabei verwendeten Mittel (Flagge, Hymne, identisches Aussehen der Pässe und Autoschilder, Münzen und Scheine des Eurolands) durch ihre Konventionalität auf, und bis jetzt hat man nicht den Eindruck, dass sie effektiv zu einer Stärkung der europäischen Identität beigetragen haben.
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Viel wichtiger sind dabei die vielfältigen und meist indirekten Annäherungsprozesse von unten, die mit der zunehmenden Verflechtung der europäischen Länder und Kulturen untereinander wie auch mit der Formierung einer „europäischen Gesellschaft“ (Hartmut Kaelble) zusammenhängen.19 Ein erstes Beispiel in dieser Hinsicht bietet der tiefgreifende Wandel der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg: zusätzlich zu dem oben angesprochenen Prozess der Internationalisierung, der Europäisierung und der Universalisierung der Erinnerung an die Shoah, der unter anderen dazu geführt hat, dass in allen europäischen Länder der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar zu einem gleichzeitig nationalen und transnationalen Gedenktag erhoben wurde, stehen die unter Beteiligung von Veteranen und offiziellen Repräsentanten aller an den Krieg beteiligten Länder organisierten Gedenkveranstaltungen für den sechzigsten Jahrestag der Landung in der Normandie am 6. Juni 2004 wie auch für den sechzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. und 9. Mai 2005 im deutlichen Gegensatz zu den überwiegend im nationalen Rahmen organisierten Veranstaltungen, wie sie vor noch zwanzig Jahren stattgefunden haben.20 Die zunehmende Hervorhebung der europäischen Dimension der Geschichte in den Lehrplänen der europäischen Länder ist ein zweites Beispiel dieses Prozesses: nach Jahrzehnten, in welchen die Priorität der „Bereinigung“ der Lehrbücher von allen nationalistischen Vorurteilen galt, bemüht man sich heute, die Geschichte der jeweiligen Länder in ihre europäischen Dimensionen einzuordnen und zu deuten – bis hin zu dem gerade entstehenden Projekt eines gemeinsamen deutsch-französischen Geschichtsbuches, das sich selber als Vorstufe zu einem europäischen Geschichtsbuch versteht.21 Ein drittes Beispiel schließlich ist die überall zu beobachtende Neugestaltung der Museen, Denkmäler und historischen Stätten, um den Erwartungen des wachsenden Anteils von Besuchern aus den anderen europäischen Ländern besser gerecht zu werden – bis hin zu dem geplanten musée de l’Europe, der von einer privaten Initiative mit Unterstützung der Europäischen Union konzipiert wurde und dessen Eröffnung für 2007 vorgesehen ist.22
19 Hartmut Kaelble, Wege zur Demokratie. Von der Französischen Revolution zur Europäischen Union, Stuttgart 2001. 20 Henry Rousso, Das Dilemma eines europäischen Gedächtnisses, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 1 (2004) Heft 3, Online-Ausgabe: http//www.zeithistorischeforschungen.de/16126041-Rousso-3-2004. 21 Vgl. zum Beispiel die in der Zeitschrift Vingtième Siècle 71 (2001), S. 55–109 unter der Rubrik „Apprendre l’histoire de l’Europe“ zu diesem Thema gesammelten Aufsätze von JeanPierre Rioux, Rémi Brague, John Horne, Guy Hermet, Robert Frank, Etienne François, Dominique Schnapper und Dominique Borne. 22 Krzysztof Pomian, Pour un musée de l’Europe, in: Le Débat 129 (2004), S. 89–100.
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Auf dem Weg zu einer Europäisierung der Gedächtniskulturen Wie weit diese Prozesse greifen und inwiefern sie schon zu einer Europäisierung der Gedächtniskulturen beigetragen haben, zeigen zwei jüngst erschienene Untersuchungen. Die erste wurde von der belgischen Politikwissenschaftlerin Valérie Rosoux geschrieben. Auf der Basis einer systematischen Auswertung des offiziellen Diskurses beiderseits des Rheins weist sie nach, wie in Folge der deutsch-französischen Aussöhnung und der Intensivierung der Partnerschaft zwischen beiden Ländern, eine neue Wahrnehmung der Vergangenheit sich entwickelt hat, die die gemeinsamen Aspekte der getrennten Geschichten hervorhebt und die Geschichte des Nachbarn als Teil der eigenen Geschichte betrachtet.23 Die zweite beruht auf den Ergebnissen einer repräsentativen Meinungsumfrage über die großen Gestalten der europäischen Geschichte, die auf vergleichender Basis im Januar 2003 in den sechs wichtigsten europäischen Ländern durchgeführt wurde; in gleicher Weise zeigt sie eine schon weit vorangeschrittene Verflechtung der nationalen „historischen Pantheons“ und erste Ansätze einer sich über die nationale Ebene hinaus entwickelnden und allmählich an Selbstständigkeit gewinnenden europäischen Gedächtniskultur.24 Das Thema der im Entstehen begriffenen europäischen lieux de mémoire ist, wie man sieht, ein sehr weites Feld. Es ist bis jetzt viel weniger intensiv erforscht worden als das Feld der nationalen Gedächtniskulturen. Die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens sind nicht zu übersehen. Sie hängen insbesondere mit der Tatsache zusammen, dass wir gleichzeitig Zeugen und Akteure dieser sich wandelnden Gedächtniskulturen sind. Und da wir es hier mit jetzt laufenden Entwicklungen zu tun haben, bieten die Methoden und Ansätze der Soziologie, der Politikwissenschaft und der Kulturanthropologie viel mehr Hilfe als die der Geschichtswissenschaft, um sie zu analysieren und zu verstehen. Die Schwierigkeiten hängen aber auch damit zusammen, dass man sich hierbei immer in einem komplexen Spannungs- und Wechselverhältnis zwischen Fragmentierung und Internationalisierung, Europäisierung und Universalisierung befindet, und dass der Blick von außen – von den posteuropäischen wie auch von den nichteuropäischen Gedächtniskulturen – genauso wichtig und konstitutiv für diese neuen europäischen lieux de mémoire ist als der innereuropäische Blick. 23 Valérie B. Rosoux, Les usages de la mémoire dans les relations internationales. Le recours au passé dans la politique étrangère de la France à l’égard de l’Allemagne et de l’Algérie, de 1962 à nos jours, Brüssel 2001. 24 Jean-Noël Jeanneney/Philippe Joutard (Hg.), Du bon usage des grands hommes en Europe, Paris 2003.
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Marc Bloch pflegte zu sagen: Es gibt keine französische Geschichte, es gibt nur eine europäische Geschichte; gleich danach fügte er aber hinzu: Es gibt keine europäische Geschichte, es gibt nur eine Weltgeschichte. Gilt das nicht auch und möglicherweise noch mehr für die Untersuchung der europäischen lieux de mémoire?
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Global Publics? Civil Society, Journalism and Democracy across Borders
After more than half a century, fresh interpretations of the vital importance of journalism for civil society and democratic politics on a global scale have begun to appear.1 The new thinking began around two decades ago, within a context that was abnormal: the forces of resurgent market liberalism, the decline of public service broadcasting, the global collapse of dictatorships and the outbreak of the so-called “catching up” or “velvet” revolutions of 1989–1991 all conspired to produce important, sometimes bitter policy controversies about the future of journalism and its role in stifling or fostering democratic institutions and ways of life. Especially in Europe, with its strong public broadcasting systems, some observers tried to defend the public service model against threats from both state authoritarianism and the forces of neo-liberal politics, but the bitter truth is that neoliberalism forcefully questioned the prevailing modes of state regulation. It quickly captured the high ground of public debate by using terms like state censorship, individual choice, deregulation and market competition to criticize the prevailing mix of public and private communication systems operating within the boundaries of territorial states, whether democratic or not. Its partisans predicted an age of “democratic revolution” and multi-channel communications structured by “freedom and choice, rather than regulation and scarcity” (Rupert Murdoch).2 That market liberal policies have gained the upper hand in political battles to redefine the field of journalism was by no means either guaranteed or inevitable. It has rather been determined by a combination of vast capital 1 The early years after World War Two witnessed many initiatives and new lines of thinking about journalism and the future of democracy within a global context. See for instance Harold Laski et al., The Future of Democracy, London 1946; Albert Camus, Neither Victims nor Executioners, Chicago 1972 (first published in the autumn 1946 issues of Combat); Pope Pius XII, Democracy and Peace, London 1945; Alexander Dunlop Lindsay, Democracy in the World Today, London 1945, which discusses the claim (first made by Edward Hallett Carr) that it was Stalin who placed “democracy” in the forefront of Allied war aims by describing (in a radio broadcast of July 3, 1941) the Soviet war against Hitler as “merged with the struggle of the peoples of Europe and America for independence and democratic liberties”. 2 See Rupert Murdoch, Freedom in Broadcasting. MacTaggart Lecture, Edinburgh International Television Festival, Edinburgh, August 25, 1989.
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assets, persuasive rhetoric, skilful political manoeuvring and a shrewd grasp by entrepreneurs of the unfolding new communications revolution, whose main feature is the digital integration of text, sound and image in mobile networks that are accessible through an affordable variety of media, from multiple points, on a global scale.3 The growth of a globe-girdling, time-space conquering galaxy of communication is arguably of epochal importance for the way we think about civil society and democracy.4 Communications media like the wheel and the press had distance-shrinking effects, but genuinely globalized communication only began (during the nineteenth century) with inventions like overland and underwater telegraphy and the early development of Reuters and other international news agencies. The process has culminated in the more recent development of wide-footprint geo-stationary satellites, computernetworked media and the expanding and merging flows of international news, electronic data exchange and entertainment and education materials controlled by giant firms like Thorn-EMI, AOL/Time-Warner, News Corporation International, Disney, Bertelsmann, Microsoft, Sony and CNN. These global media linkages have helped to achieve something much more persuasively than the maps of Gerardus Mercator ever did: to deepen the visceral feelings among millions of people (somewhere between five per cent and twenty-five per cent of the world’s population5) that our world is “one world”, and that this worldly interdependence requires humans to share some responsibility for its fate.
Journalism and Corporate Power What role does journalism play in this process? Contemporary accounts of journalism theory are often cocooned in assumptions about the primacy of territorial state institutions, yet it is worth noting that theories of how journalism should work have long supposed that interdependence and shared responsibility among citizens who are otherwise separated by geographic distance is an optimum goal. Think of earlier commentators as wideranging as Alexis de Tocqueville, Gabriel Tarde, Ferdinand Tönnies, John Dewey, and Walter Lippmann: all of them variously argued that journalism should serve “the public” and could best do so by moulding socially dispa3 Manuel Castells, The Rise of the Network Society, Oxford 1998, esp. chap. 5; idem, The Internet Galaxy. Reflections on the Internet, Business, and Society, Oxford 2003. 4 Peter J. Hugill, Global Communications since 1844. Geopolitics and Technology, Baltimore 1999. 5 John Keane, Global Civil Society, Cambridge 2003, pp. 16f.
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rate and geographically dispersed populations into publics united around shared concerns.6 There is of course a long leap from thinking that is attached to state-framed democracies to an understanding of the global role that can be played by journalism. A key question arises: is there evidence that journalism and democracy can positively coexist in an age of global communication? While it is today generally acknowledged that the accelerating growth of global media linkages has profound implications for journalism, it is much less certain that the whole process has an elective affinity with democratic institutions and ways of life. Critics and commentators alike seem to agree that global media networks foster a common sense of worldly interdependence. Yet some observers of the government/press linkage ask: what kind of worldly interdependence are we talking about? They note that today’s global communications system is an integral – aggressive and oligopolistic – sector of the turbo-capitalist system that now operates as a global system.7 Around ten vertically integrated media conglomerates, most of them based in the United States, dominate the world market.8 Media business is no longer exclusively “homespun” (to use Keynes’s famous term for describing territorially bound, state-regulated markets). Bursting the bounds of time and space, language and custom, media business is instead transformed into complex global commodity chains, or global flows of information, staff, money, components and products. Not surprisingly, the journalism associated with the global media conglomerates gives priority to advertising-driven, commercial ventures: to saleable music, videos, sports, shopping, children’s and adults’ filmed entertainment. Programme-making codes, in the field of satellite television news for instance, are consequently biased along turbo-capitalist lines. They are subject to specific rules of market mise-en-scene. Special emphasis is given to “news-breaking” and “block-busting” stories that concentrate upon accidents, disasters, political crises and the histrionics and cruelties of war. The material that is fed to editors by journalists reporting from or around trouble spots is meanwhile shortened, simplified, repackaged and transmitted in commercial form. 6 Gabriel Tarde, L’Opinion et la foule, Paris 1898; Alexis de Tocqueville, Democracy in America, New York 1945, vol. 1, chap. 11; Ferdinand Tönnies, Macht und Wert der öffentlichen Meinung, in: Die Dioskuren. Jahrbuch für Geisteswissenschaften 2 (1923), pp. 72–99; John Dewey, The Public and Its Problems, New York 1927; Walter Lippmann, Public Opinion, New York 1922. 7 The term “turbocapitalism” is drawn from Edward Luttwak, Turbo-capitalism. Winners and Losers in the Global Economy, New York 1999; and developed in different directions in: Keane, Global Civil Society, esp. pp. 65ff. 8 Robert Burnett, The Global Jukebox, London 1996; Ali Mohammadi (ed.), International Communication and Globalization, London 1997; Edward S. Herman/Robert W. McChesney, The Global Media. The New Missionaries of Corporate Capitalism, London 1997.
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Staged sound-bites and “live” or lightly-edited material are editors’ favourites; so, too, are “flashy” presentational technologies, including the use of logos, rapid visual cuts, and “stars” who are placed centre-stage. News exchange arrangements – whereby subscribing news organizations exchange visual footage and other material – then complete the picture, ensuring a substantial homogenisation of news stories in many parts of the globe, circulated at the speed of light. These trends lead some observers to draw pessimistic conclusions. Far from nurturing democracy, they say, global journalism produces bland commercial pulp for audiences who are politically comatose. They warn of the embourgeoisement of the brain. They insist that American-style, turbocapitalist culture is becoming universal because of its universal presence. Algerian-desert dwellers smoke Marlboro. Nigerian tribespeople huddle around their televisions watching hand-me-down soaps. Chinese peasants and workers meanwhile dream of owning and driving a Daimler-Benz. Turbo-capitalism produces “McWorld”: a universal tribe of consumers who dance to the music of logos, advertising slogans, sponsorship, brand names, trademarks and jingles.9 The net effect is said to be a silent market takeover of the world, such that “consumerism is equated with economic policy, where corporate interests reign, where corporations spew their jargon on to the airwaves and stifle nations with their imperial rule. Corporations have become behemoths, huge global giants that wield immense political power”.10 Such laments correctly warn of the dangers of communication poverty and market censorship that result from market-driven forms of media. From the point of view of civil societies, market forces serve as a straitjacket in matters of communication in two ways. The first trouble with market competition is this: it necessarily produces losers. The cruel facts of communication poverty are common knowledge: three-quarters of the world’s population (now totalling 6 billion) are too poor to buy a book; a majority have never made a phone call in their lives; and only fourteen per cent currently have access to the Internet.11 From their side, the excluded “participate” within the global communications industry in a derivative, minimal sense: thanks to aid programmes, television and Hollywood films, they know something about the lives of the rich and powerful of the world. Struggling to make ends meet, they are aware of how insubstantial is their share of the world’s wealth and power and style. They sense that their lives are perma9 Benjamin Barber, Jihad vs. McWorld. How Globalism and Tribalism are Reshaping the World, New York 1995. 10 Noreena Hertz, The Silent Takeover. Global Capitalism and the Death of Democracy, London 2001, p. 8. 11 John Keane, On Communicative Abundance, London 1999.
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nently under the shadow of “Westerners” and things “Western”. They are made to feel like victims of a predatory mode of foreign intervention: they feel shut out from global civil society, or uprooted by its dynamism, or imprisoned within its discriminatory structures and policies, like unpayable debt-service payments, or they are victimised by scores of uncivil wars.12 Others – many Muslims say – feel profound disappointment, tinged with anger. They reason that the enormous potential of global journalism to expand dialogue among civilizations, to affirm differences through communication, is being choked to death by the combined forces of global markets and military might, manifested for instance in the repression of independent journalism throughout the Middle East and the dangerous and long-standing alliance between the United States and Israel. Viewed in this way, the global journalism associated with such companies as Bertelsmann and AOL/Time-Warner seems to give the upper hand to the wants and desires of certain groups, like those with large advertising budgets or those with enough capital to acquire and run a newspaper, a global television network, or mobile telephone system. This brings us to the second way in which, in matters of editorial and programming plans and decisions, media markets limit communication: they privilege certain criteria, such as profitability and allocative efficiency, at the expense of others like experimental creativity or equality of representation. Pop videos, gardening programmes and cheap reruns may be low cost and high profit, but there is no necessary or even probabilistic relationship between them and the democratic principle of guaranteeing citizens equal chances of voicing concerns and affecting policy decisions. Corporate power can indeed pose as great a threat to democracy and freedom of communication as governmental power: communications markets can and do restrict freedom and equality of communication by generating barriers to entry, monopoly and restrictions upon choice, and by shifting the prevailing definition of communication from that of a publicly useful and publicly meaningful good to that of commercial speech and the consumption of privately appropriable commodities.13 The case against straightforward accounts of market-driven journalism as the guarantor of civil association and democratic openness is strong. Yet there are problems lurking within broadsides against commodity production and exchange in the field of communication. Consider the case of America, 12 Fred R. Dallmayr, Globalization from Below, in: International Politics 36 (1999), pp. 321– 334; Richard Falk, Predatory Globalization. A Critique, Oxford 1999, chap. 8; Orhan Pamuk, The Anger of the Damned, in: The New York Review of Books, November 15, 2001, p. 12. 13 See Owen Fiss, Why the State?, in: Judith Lichtenberg (ed.), Democracy and the Mass Media, Cambridge 1990, pp. 136–154; John Keane, The Media and Democracy, Oxford 1991, esp. pp. 51–92.
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widely considered to be the most market-saturated mediascape in the world: in that country, the organized filtering of text, sound and images to and from local and planetary milieux through privately-controlled but outwardlooking newspaper media such as the Los Angeles Times, the New York Times and the Washington Post does not automatically or crudely work in favour of the turbo-capitalist system. To the contrary: the global journalism cultivated by such media, helped along by social movements and civic initiatives, has helped lay the foundations of a global civil society that, although structured in part by large media conglomerates, is a basic precondition of nurturing democracy within and across borders, at the global level.14 Put differently: the rise of a global communications infrastructure does not straightforwardly result in cultural homogeneity. It tends rather to have the effect of accentuating social diversity and visible social controversies within the emergent global civil society. Partly this is due to a fertile paradox: commercial journalism sometimes best serves its democratic obligations by following its mercenary instinct of outdoing competitors by being at the right place at the right time when a surprising revelation surfaces or an unanticipated event happens.15 The accentuation of social differences is also due to the fact that profitseeking media firms see the need to tailor their journalistic products to local conditions and tastes (hence the Coca-Cola advertisement: “We are not a multinational, we are a multi-local”). Local consumers of commercial journalism reciprocate: they display vigorous powers of reinterpreting these commodities, of giving them new and different meanings. True, globally marketed media culture is not the product of an equal contribution of all who are party to it, or exposed to it. Few are consulted in its manufacture – and yet, despite everything, that culture, disproportionately Atlantic in style and content, remains permanently vulnerable to the universal power of audiences to make and take meanings from it. The popularity of American golfer and media star Tiger Woods, who once described himself as “Cablinasian” (a blend of Caucasian, black, Indian and Asian), is one symbol of this power to negotiate meanings. So too is the survival and flourishing of diasporic culture as well as the commercial global successes of cultural products from peripheral contexts – like Iranian and Chinese films, Brazilian telenovelas (exported to more than 80 countries) and the Mexican soap opera “Los Ricos También Lloran” (“The Rich Also Cry”), which was among the biggest television hits in early post-communist Russia. The consequence: in social terms, the global civil society in which global jour14 Keane, Global Civil Society. 15 Michael Schudson, For a Few Dollars More, in: Financial Times Magazine, July 31, 2004, p. 10.
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nalism operates is a hodge-podge of nested spaces marked by various blends and combinations, fusions and disjunctions. The new global journalism, when it performs well, has similar characteristics. It includes all those forms of journalism that recognize that the borders between “domestic” and “foreign” are negotiable and subject permanently to osmosis. Global journalism is more or less aware of its dependence upon global dynamics – and thus sees itself as contributing positively to citizens’ understanding of the push-pull processes of global interdependence, conflict and compromise that stretch from local milieux to the four corners of the earth, and back again. Consider once again some American examples of the conscious melding of global forms and themes with localized interests: CNN’s World Report, begun as five hours a week of material submitted by 100 broadcast stations around the world, some professional and some amateur, and facilitated ironically by Ted Turner’s now legendary prohibition of the word “foreign” on air; the tailoring or “glocalization” of Spanish-language news magazines to diverse regional areas elsewhere in the world; the growing diversification of information supplied by tabloids, Internet chats, and web-logs16; and the journalistic outliers that cater to younger publics like The Daily Show and MTV News. Despite all claims about the parochialism of American audiences, such worldly forms of journalism are now deeply rooted within the American context. It is true that they suffer certain problems. The fusions they produce do not always push toward journalism’s more optimum forms, and there are those who argue that the less endowed versions – local American news, for example – have responded by shrinking the horizons of their audiences.17 That is true. Exposed to or dependent upon local “content engine” newspapers like The Desert Sun in Palm Springs, Cheyenne’s Wyoming Tribune-Eagle or Pensacola’s Gulf Herald, American citizens are fed a starvation diet of global stories, which typically occupy no more than about 2% of column space. Reduced budgets for “foreign” news, an overloaded dependence on English-language-dominated, wire-service reporting or regional news exchanges, and a reliance on field producers acting as journalists are all said to contribute to this trend. The globalization of news is also restricted primarily to the wire services, seen as the first global news agent,18 and to broadcast or cable news organizations; largely excluded from the global stretching of horizons are the tabloids, the specialized press, and the journals of opinion, to name just a few. Governments equipped with “flack 16 See the preliminary findings of the World Internet Project (UCLA 2004), http://ccp.ucla.edu/ pages/internet-report.asp. 17 Phyllis Kaniss, Making Local News, Chicago 1991; Bob Franklin/David Murphy (eds.), Making the Local News, London 1998. 18 Oliver Boyd-Barrett/Terhi Rantanen (eds.), The Globalization of News, London 1998.
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packs” and dissimulation experts then handle the rest: by cultivating links with trusted or “embedded” journalists and by organizing press briefings and advertising campaigns, they “frame” – or distort and censor – global events to suit current government policies. Not surprisingly, critics point out, obscene abuses of power – the Abu Ghraib syndrome – go unmonitored.
Global Publics Such details provide a sober reminder of how global journalism looks from the bottom up – from the point of view of the norms of civil society and democracy. Yet this is not the whole story. In various parts of the world, including the United States, there are signs that the grip of parochialism upon citizens is not absolute, and that from roughly around the time of the world-wide protest of youth against the Vietnam War the globalization of journalism has had an unanticipated political effect: it has slowly but surely contributed to the growth of a plurality of differently sized public spheres, some of them genuinely global, in which many millions of people scattered across the earth witness mediated controversies about who gets what, when, and how on a world scale.19 How does global journalism work to produce such effects? Put simply, it creates global products for imagined global audiences: global journalism simultaneously supposes and nurtures a world stage or theatrum mundi. There is something necessary about this development, in that journalists, publishers and broadcasters must always and everywhere presuppose the existence of “a public” that is listening, reading, watching, chatting, on- or off-line. Journalists know that witnesses of media programmes and outputs are required – that these outputs cannot play for long to an empty house. Of course, not all global media events – sporting fixtures, blockbuster movies, media awards, for instance – sustain global public spheres, which is to say that audiences are not publics and public spheres are not simply domains of entertainment or play. Strictly speaking, public spheres are scenes of the political: within their imagined bounds, power conflicts and controversies erupt and unfold before millions of eyes and ears. These scenes are made possible by wide-bodied jet aircraft, computerised communications and 19 See John Keane, Structural Transformations of the Public Sphere, in: The Communication Review 1 (1995), pp. 1–22. The recent growth of global public opinion can be seen as the rejuvenation in different form of an earlier parallel trend, evident within nineteenth-century abolitionism and the suffragette and labour movement internationalism that came to an end with World War One and its aftermath.
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satellite broadcasting with large footprints, thanks to which the journalistic practice of non-violently monitoring the exercise of governmental and nongovernmental power across borders has taken root. These global publics are sites where power struggles are visibly waged and witnessed by means other than violence and war: they are the narrated, imagined, non-violent spaces within global civil society in which millions of people at various points on the earth witness the powers of governmental and nongovernmental organizations being publicly named, monitored, praised, challenged, and condemned by journalists, in defiance of the old tyrannies of time and space and publicly unaccountable power. It is true that global public spheres are still rather issue-driven and better at presenting immediate effects than probing the intentions of actors and the structural causes of events. Global public life is also highly vulnerable to implosion: especially vulnerable to state interference,20 it is neither strongly institutionalized nor effectively linked to mechanisms of representative government. It is a voice without a coherent body politic. Yet in spite of everything, global publics have begun to affect the suit-and-tie worlds of diplomacy, global business, inter-governmental meetings and independent non-governmental organizations (INGOs). Helped along by initiatives like the Internet-based Earth Watch, the World Association of Community Radio Broadcasters (AMARC), the public accountability initiative called Transparency International, and by around-the-clock broadcasting organizations like CNN (available in over 800 million households and many thousands of hotels), the BBC World Service (which attracts 150 million radio listeners each week and is available in two-thirds of the world’s capital cities), and Al Jazeera (with a weekly audience of 40 million people currently served by 56 correspondents in 37 bureaux), global publics have begun to “bite” into various domestic settings. Few of the effects of global publics are reducible to the dynamics of rational-critical argumentation about matters of sober truth and calm agreement, although this sometimes happens.21 Some of their effects are “meta-political”, in the sense that the increased visibility of global publics works in favour of creating citizens of the new global order, in effect telling them that unless they find some means of showing that the wider world is not theirs, then it is. In this way, 20 Monroe Price, Media and Sovereignty. The Global Information Revolution and Its Challenges to State Power, Cambridge, Mass. 2002; Nancy Morris/Silvio Waisbord (eds.), Media and Globalization. Why the State Matters, Lanham 2002. 21 Some limits of the rational communication model of the public sphere, originally outlined in the important work of Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962, are sketched in: John Durham Peters, Distrust of Representation. Habermas on the Public Sphere, in: Media, Culture and Society 15 (1993), pp. 541–571; Keane, Structural Transformations.
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by calling citizens to pay attention to global dynamics, global public spheres function as temporary resting places or “cities of refuge” (Derrida) beyond familiar horizons; they give an entirely new meaning to the old watchword of Greek colonisation, “Wherever you go, you will be a polis.” “Dwelling is the manner in which mortals are on the earth”, wrote Heidegger22, but the implication in that passage that mortals are bound to geographic place misses the new spatial polygamy that global publics make possible. Within global public spheres, thanks to global journalism, people rooted in local physical settings increasingly travel to distant places, without ever leaving home, to “second homes” within which their senses are stretched. They live locally, and think and act globally. Global public spheres also have more political effects. Especially during dramatic media events – like the nuclear meltdown at Chernobyl, the Tiananmen massacre, the 1989 revolutions in central-eastern Europe, the overthrow and arrest of Slobodan Milosevic, the terrorist attacks on New York, Pennsylvania and Washington, the 2004 American presidential elections – public spheres intensify world-wide audiences’ shared sense of living their lives contingently, on a knife edge, in the subjunctive tense. The witnesses of such events (contrary to McLuhan and others) do not enter a “global village” dressed in the skins of humankind and thinking in the terms of a primordial “village or tribal outlook”23. As members of a public sphere, audiences do not experience uninterrupted togetherness. They instead come to feel that the power relations of global civil society, far from being given, are better understood as the resultant of moves and counter-moves, controversy and consent, compromise and resistance, peace and war. Public spheres, backed by global journalism, not only tend to denature the power relations of global civil society and the conglomeration of variously-sized and variously-shaped governing institutions that straddle the earth. They most definitely increase their self-reflexivity, for instance by publicizing conflicting images of government and civil society. Publicity is given as well to the biased codes of global journalistic coverage – as can be seen, for instance, in the ongoing tit-for-tat conflicts between Al Jazeera and American television news media coverage of the recent invasion and occupation of Iraq. 22 Martin Heidegger, Building, Dwelling, Thinking, in: idem, The Question Concerning Technology and Other Essays, New York 1982, p. 146. 23 See the introduction to Edmund Carpenter/Marshall McLuhan (eds.), Explorations in Communication, Boston 1966, p. xi: “Postliterate man’s [sic] electronic media contract the world to a village or tribe where everything happens to everyone at the same time: everyone knows about, and therefore participates in, everything that is happening the minute it happens … This simultaneous sharing of experiences as in a village or tribe creates a village or tribal outlook, and puts a premium on togetherness.”
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In these various ways, global journalism heightens the topsy-turvy feel of our world. Doubt is heaped upon loose talk that anthropomorphizes global civil society, as if it were a universal object/subject, the latest and most promising substitute for the proletariat, or for the wretched of the earth. Global publics make it clearer that “global civil society”, like its more local counterparts, has no “collective voice”, that it is full of networks, flows, disjunctions, frictions, that it alone does nothing, that only its constituent individuals, group initiatives, organisations and networks act and interact. Global publics shake up dogmas and inject the world with energy. They consequently heighten the sense that the socio-economic and political-legal institutions of our planet are an unfinished – permanently threatened – project.
Cosmocracy The contemporary growth of global journalism and global publics certainly points to the need to bring greater democracy to the global order. Not only are there vast numbers of non-governmental organizations that know little or nothing of democratic procedures and manners. The world is structured as well by an agglomeration of governmental structures – a cosmocracy comprising bodies like the World Trade Organization, the European Union, the United Nations and the World Bank – that defies the textbooks of traditional political science and political theory.24 Its clumsy, dynamic, worldwide webs of more or less joined-up government and law interact, and have social and political effects, on a global scale. Many of the structures of the cosmocracy escape the constraining effects of electoral and parliamentary supervision – a cursory look at the voting patterns within bodies like the WTO suggest that they are full of what the English call “rotten boroughs” – which is why the sceptics of extending democratic procedures and ways of life across territorial state borders raise strong objections. Consider the doubts of the doyen of democratic theory, Robert Dahl, who considers as utterly unrealistic the vision of democracy beyond state borders.25 The growing complexity of decision making, for instance in the field of foreign affairs, renders impossible the “public enlightenment” so necessary for democracy, Dahl argues. Meanwhile, he notes, legal and 24 Keane, Global Civil Society, pp. 175ff. 25 Robert A. Dahl, The Past and Future of Democracy, revised manuscript version of a lecture to the symposium, Politics from the 20th to the 21st Century (University of Siena, October 14–16, 1999); and On Democracy, New Haven 1998, pp. 114–117.
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illegal immigration combined with a new politics of identity within and beyond territorial states lead to growing “cultural diversity and cleavages”, which undermine “civil discourse and compromise”. World-wide threats of terrorist attacks make it even less likely that civil and political liberties could flourish within “international organizations”. Dahl’s doubts about the potential to create democratic mechanisms that can monitor power exercised across borders are worthwhile. But they are nonetheless overdrawn because they ignore a fundamental development of our times: the emergence of a global civil society and the birth of global journalism and global publics with power-monitoring potential. Global publics have important implications for democratic theory and practice. By throwing light on power exercised by moonlight, or in the dark of night, global publics and the global journalism that supports them stretch citizens’ horizons of responsibility for what goes on in the world. They keep alive words like freedom and justice by publicizing manipulation, skulduggery and brutality in other countries. Global publics, of the kind that in recent years have monitored the fates of Nelson Mandela, Aung San Suu Kyi, Osama bin Laden or George W. Bush, muck with the messy business of exclusion, racketeering, ostentation, cruelty, and war. Global journalism and global publics also probe the powers of key organizations of global civil society itself. Publicity can serve as a reminder to those who read, listen and watch that its empty spaces have been filled by powerful but publicly unaccountable organizations (such as the International Olympic Committee) or by profit-seeking corporate bodies (like Monsanto) that permanently aggravate global civil society by causing environmental damage, or swallowing up others by producing just for profit, rather than for sustainable social use. Global publics backed by global journalism can and does expose malfeasance – like accounting and stock market frauds of the kind (in the United States, during 2002) that rocked the industrial conglomerate Tyco International, the energy trader Enron, the cable company Adelphia, and the telecommunications giant WorldCom. Global journalism can as well help question some of the more dubious practices of some nonprofit INGOs: for instance, their lingering colonialist habit of behaving like missionaries; their bureaucratic inflexibility and context-blindness; their spreading attachment to market values or to clichés of project-speak; or their mistaken belief in the supply-side, trickle-down model of social development.
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The Future? Do democratic mechanisms, helped by the growth of a global civil society and global journalism, stand a chance of taking root in the emerging global order? When pondering this question and the possible answers it prompts, it is imperative to remember that democracy – a form of rule in which nobody privately owns the means of ruling – is neither a fixed set of institutions nor the monopoly of any people or country of the world. The history of democratic innovation since the middle of the eighteenth century has been a polymorphic and multi-continental process. The word democracy was first positively redefined under modern conditions in the Low Countries, in the 1580s. Swedish republicans and Philadelphian revolutionaries were responsible for kick-starting the trend towards written constitutions. Denmark abolished its slave trade well before the English did the same; and Haiti and newly independent Spanish American states abolished slavery well before the United States, some of whose states pioneered the abolition of property qualifications for voting. The uniform adoption of the secret ballot first happened in Australia; Pitcairn Islanders and New Zealanders and Finns witnessed the first national breakthrough for the women’s suffrage movement; and so on. A global history of democracy has yet to be written, but one clear point emerges from the preceding analysis: exactly because of its propensity to monitor the exercise of power from a variety of sites within and outside civil society, global journalism – when it functions well – puts matters like representation, accountability and legitimacy on the worldwide political agenda. It poses questions like: who benefits and who loses from the global order? Who currently speaks for whom in the multiple and overlapping power structures of global civil society? In the institutions of global governance, whose voices are heard, or half-heard, and whose interests and concerns are ignominiously shoved aside? How could there be greater equality among the voices that emerge from the nooks and crannies of the world? And through which institutional procedures could these voices be represented? Through the development of global courts, a global parliament, or global elections? By formulating such questions, global journalism can help to ensure that nobody monopolizes power at the local and world levels. By exposing corrupt or risky dealings and naming them as such; by catching out decision makers and forcing their hands; by requiring them to rethink or reverse their decisions, global journalism helps remedy the problem – strongly evident in the volatile field of global financial markets, or in the global arms trade – that nobody appears to be in charge. And in uneven contests between decision makers and decision takers – the ongoing corrup-
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Global Publics?
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tion scandals within the International Olympic Committee or European Union controversies about American foreign policy are examples – global journalism and its publics can help to prevent the powerful within crossborder organizations from “owning” power privately. At their best, global journalism and its publics imply greater parity. They force us to think what “global democracy” might mean. They suggest that there are alternatives. They inch our little blue and white planet towards greater openness and humility. They post a new question in the history of democracy: can institutions be invented to ensure that power, whenever and wherever it is exercised across borders, is made to feel more “biodegradable”, a bit more responsive to those whose lives it shapes and reshapes, secures or wrecks?
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Autorinnen und Autoren Partha Chatterjee, Director of the Centre for Studies in Social Sciences, Calcutta, and Professor of Anthropology, Columbia University, New York. Current field of research: An analytical history of imperialism from the 18th to the 20th centuries. Among his books are: Nationalist Thought and the Colonial World, Minneapolis 1986; The Nation and Its Fragments, Princeton 1993; A Princely Impostor?, Princeton 2003. He is also a member of the editorial group of Subaltern Studies. Natalie Zemon Davis, Professor of History, Emerita at Princeton University and Adjunct Professor of History at the University of Toronto. She has served as Vice-President of the International Commission of Historical Sciences. Her scholarship centers on the early modern period. Among her recent books are: Die schenkende Gesellschaft. Zur Kultur der französischen Renaissance, München 2002; Trickster Travels. A Sixteenth-Century Muslim between Worlds, New York 2006. Gerald D. Feldman, Professor of History at the University of California, Berkeley. Current field of research: Banks and financial institutions in Central Europe. Recent publications: Die Allianz und die Deutsche Versicherungswirtschaft 1933–1945, Munich 2001; with Manfred Rasch, August Thyssen und Hugo Stinnes. Ein Briefwechsel 1898–1922, Munich 2003. Etienne François, Professor für Geschichte am Frankreich-Zentrum der Technischen Universität Berlin und Professor (em.) für Geschichte an der Universität Paris 1. Aktuelle Forschungsschwerpunkte: Deutsche Geschichte im europäischen Kontext; deutsche und europäische Gedächtniskulturen. Publikationen u.a.: Die unsichtbare Grenze. Protestanten und Katholiken in Augsburg 1648–1806, Sigmaringen 1991; mit Hannes Siegrist u. Jakob Vogel (Hg.), Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich. 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995; mit Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde., München 2001. Victoria de Grazia, Professor of European history at Columbia University and a visiting professor at the European University Institute in Florence. She is a member of the American Academy of Arts and Sciences. Major research interests are: Consumer cultures in global perspective and Italian fascism. Recent book: Irresistible Empire. America’s Advance through Twentieth Century Europe, Cambridge, Mass. 2005. She also edited the two-volume Dizionario del Fascismo, Milano 2003 and has published widely on Italian fascism. Heinz-Gerhard Haupt, Professor für allgemeine Geschichte u. bes. Berücksichtigung der Sozialgeschichte an der Universität Bielefeld, z.Zt. beurlaubt am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Derzeitiges Forschungsprojekt: Politische Gewalt in Lebensmittel- und religiösen Protesten in Westeuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Jüngste Veröffentlichungen: Konsum und Handel. Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2003; mit Ute Frevert (Hg.), Neue Politikgeschichte, Frankfurt a.M. 2004. Manfred Hildermeier, Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Göttingen. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Städtische Eliten im vorrevolutionären Russland; Russland und Europa 1700–1917. Neuere Veröffentlichungen u.a.: Die Sowjetunion 1917–1991, München 2001; Liberales Milieu in russischer Provinz. Kommunales Engagement, bürgerliche Vereine und Zivilgesellschaft 1900–1917, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 51 (2003), S. 498–548; Die Russische Revolution, Frankfurt a.M. 2004. Georg G. Iggers, Professor of History at State University of New York at Buffalo, emeritus. He was the President of the International Commission on the History and Theory of Historiography 1995–2000. Books include: The German Conception of History. The National Tradition of His-
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Autorinnen und Autoren
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torical Thought from Herder to the Present, Middletown 1968; New Directions in European Historiography, Middletown 1975; Historiography in the Twentieth Century, Hanover, NH 1997; with Wilma Iggers, Zwei Seiten der Geschichte. Lebensberichte in unruhigen Zeiten, Göttingen 2002. Peter Jelavich, Professor of History at the Johns Hopkins University. Current projects: Censorship of arts in Germany since 1890; popular culture and mass culture in Germany, 19th/20th century. Recent publication: Berlin Alexanderplatz. Radio, Film, and the Death of Weimar Culture, Berkeley 2006. Hartmut Kaelble, Professor für Sozialgeschichte an der Humboldt Universität Berlin. Gegenwärtige Forschungsgebiete: Vergleichende Sozialgeschichte Europas seit 1945; Geschichte der europäischen Öffentlichkeit, Identität und Unionsbürgerschaft; Methoden des Vergleichs und der Transferuntersuchung. Veröffentlichungen der jüngeren Zeit: Europäer über Europa. Die Entstehung des modernen europäischen Selbstverständnisses im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2001; Les relations franco-allemandes de 1945 à nos jours, Ostfildern 2004; mit Jürgen Schriewer (Hg.), Vergleich und Transfer. Komparatistik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M. 2003; (Hg.), The European Way. European societies in the 19th and 20th centuries, New York 2004. John Keane, Professor of Politics at the University of Westminster and research professor at the Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Current project: A full-scale history of democracy. Among his books are: The Media and Democracy, Cambridge 1991 (translated into more than twenty-five languages); Democracy and Civil Society, London 1988; Reflections on Violence, London 1996; Civil Society. Old Images, New Visions, Stanford 1998; Tom Paine. A Political Life, London 1995; Václav Havel. A Political Tragedy in Six Acts, London 1999. Among his most recent works are: Global Civil Society?, Cambridge 2003; Violence and Democracy, New York 2004. Dieter Langewiesche, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen. Derzeitiges Forschungsgebiet: Krieg und Nation. Publikationen u.a.: Liberalismus und Sozialismus. Gesellschaftsbilder – Zukunftsvisionen – Bildungskonzeptionen, Bonn 2003; Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa, München 2000; mit Nikolaus Buschmann (Hg.), Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt a.M. 2004; mit Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Nation und Religion in Europa. Mehrkonfessionelle Gesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2004. Marcel van der Linden, Forschungsdirektor des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte und Professor für die Geschichte der sozialen Bewegungen, Amsterdam. Herausgeber der International Review of Social History und Mitherausgeber von Sozial.Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts. Arbeitsschwerpunkt: Globalgeschichte der Arbeit. Neuere Veröffentlichungen u.a.: Transnational Labour History. Explorations, Aldershot 2003; mit Michael P. Hanagan (Hg.), New Trends in Global Labor History, New York 2004. Charles S. Maier, Professor of History at Harvard University. Research projects: German and international history; global history. Most recent books: Dissolution. The Crisis of Communism and the End of East Germany, Princeton 1997 (translated as Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, Frankfurt a.M. 1997); Among Empires. American Ascendancy and its Precedents, forthcoming with Harvard University Press in spring 2006. In preparation: The Transformation of the Territorial Age, scheduled for completion in late 2007. Michael Mann, Professor of Sociology, UCLA. Major publication project: The Sources of Social Power (two volumes have been published so far. Vol. 1: A History of Power from the Beginning to 1760 AD; vol. 2: The Rise of Classes and Nation-States, 1760–1914, Cambridge University Press, 1988 and 1993). He is now working on vol. 3: Globalizations. Recent publications: Incoherent
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Autorinnen und Autoren
Empire, Verso Books, 2003; Fascists, Cambridge University Press, 2004; The Darkside of Democracy. Explaining Ethnic Cleansing, New York 2005. Patrick Karl O’Brien, Professor of Economic History at the London School of Economics. Publications include: with Armand Clesse (ed.), Two Hegemonies. Britain 1846–1914 and the United States 1941–1989, Aldershot 2002; (ed.), Industrialization. Critical Perspectives on the World Economy, London 1989; with Roland E. Quinault (ed.), The Industrial Revolution and British Society, Cambridge 1993. Jürgen Osterhammel, Professor für Neuere und neueste Geschichte an der Universität Konstanz. Derzeitiges Forschungsgebiet: Reichweiten und Zeitstrukturen historischer Prozesse, vor allem am Beispiel des 19. Jahrhunderts. Jüngste Veröffentlichungen u.a.: Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001; mit Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung. Dimensionen – Prozesse – Epochen, München 2003; mit Boris Barth (Hg.), Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz 2005. Emma Rothschild, Director of the Centre for History and Economics at King’s College, Cambridge and Visiting Professor of History at Harvard University. Current projects: “The Inner Life of Empires” (Tanner Lectures to be given at Princeton University, 2005–2006), a book about the East India Company and the American Revolution. Recent publications: Language and Empire, circa 1800, in: Historical Research, May 2005; Global Commerce and the Question of Sovereignty in the Eighteenth-Century Provinces, in: Modern Intellectual History, April 2004; Economic Sentiments. Adam Smith, Condorcet and the Enlightenment, Cambridge, Mass. 2001. David Warren Sabean, Professor of German History, University of California, Los Angeles. Current research on the History of Incest Discourse in Europe and America from 1600 to the Present and the History of Kinship in Europe. Publications: Das zweischneidige Schwert, Berlin 1986; Property, Production and Family in Neckarhausen, 1700–1870, Cambridge 1990; Kinship in Neckarhausen, 1700–1870, Cambridge 1998. James J. Sheehan, Professor in the Humanities an der Stanford University. Aktuelle Forschungsgebiete: Das Problem der Souveränität in der europäischen Geschichte, Staat und Krieg im 20. Jahrhundert. Neuere Veröffentlichungen u.a.: Geschichte der deutschen Kunstmuseen, München 2000; The German Renaissance in America, in: Allen J. Grieco (Hg.), The Italian Renaissance in the Twentieth Century, Florenz 2002; What it Means to be a State. States and Violence in Twentieth-Century Europe, in: Journal of Modern European History 1 (2003), S. 11–23. Shulamit Volkov, Professor of Modern History and incumbent of the Konrad Adenauer Chair for Comparative European History at Tel Aviv University, Israel. Published books and essays on Jewish and German historiography, German social history, German Jewish history and the history of Antisemitism. Among her publications: Antisemitismus als kultureller Code, München 22000; Das jüdische Projekt der Moderne, München 2001. Hans-Ulrich Wehler, Professor (em.) für Allgemeine Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Bielefeld. Derzeitiges Forschungsprojekt: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5, 1949–1990. Publikationen u.a.: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, 1914–1949, München 2003; Konflikte zu Beginn des 21. Jahrhunderts, München 2003; Nationalismus, München 2001. Moshe Zimmermann, Professor für neuere Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem und Direktor des R. Koebner Zentrums für deutsche Geschichte. Veröffentlichungen u.a.: Deutsch-jüdische Vergangenheit. Judenhass als Herausforderung, Paderborn 2005; Goliaths Falle. Israelis und Palästinenser im Würgegriff, Berlin 2004; Deutsche Vergangenheit – Israelische Erinnerung, Tel Aviv 2002 (hebr.).
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